GA 104

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01  Aus dem Geleitwort von Marie Steiner zur Buchauflage

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

Sei­te 009

Aus dem Ge­leit­wort von Ma­rie Stei­ner

zur ers­ten Buch­aus­ga­be 1945

Als Pri­vat­druck in Ma­schi­nen­schrift ist die­ser in die Apo­ka­lyp­se ein­füh­r­en­de Vor­trags­zy­k­lus schon in zwei Aufla­gen er­schie­nen. Lan­ge Zeit ha­ben die Her­aus­ge­ber, trotz vie­ler Bit­ten, ge­zö­gert, ihn als Buch her­aus­zu­brin­gen, weil je­ne, die 1908 das ge­spro­che­ne Wort ge­hört ha­ben, in der Nach­schrift durch die Kür­zun­gen ge­stört wur­den, wel­che der Ste­no­graph nicht hat­te um­ge­hen kön­nen, wenn er bis zum Schluß durch­hal­ten soll­te. So wur­de et­was von der er­leb­ten Er­schüt­te­rung ver­mißt: das Zün­den­de des im geis­ti­gen Feu­er er­strah­len­den Wor­tes. Jetzt, nach vie­len Jah­ren, fällt das nicht mehr so stö­rend auf; es tre­ten die ge­wal­ti­gen In­hal­te in ih­rer ob­jek­ti­ven Grö­ße her­vor, und die Sch­licht­heit der Spra­che scheint dem Drän­gen der su­chen­den See­le ent­ge­gen­zu­kom­men, oh­ne der Be­deut­sam­keit des Stof­fes Ab­bruch zu tun. Wie­der­ho­lun­gen und er­läu­tern­de Zwi­schen­be­trach­tun­gen hel­fen dem Ver­ständ­nis wei­ter rei­chen gleich­sam dem Wan­de­rer, der die stei­len Höhen er­k­lim­men will, ei­ne geis­ti­ge Hand.

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Sei­te 010 [va­kat]

02 – Öffentlicher Vortrag, Nürnberg, 17. Juni 1908

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Sei­te 011

Geis­tes­wis­sen­schaft, Evan­ge­li­um

und Men­schen­heits­zu­kunft

Öf­f­ent­li­cher Vor­trag

Nürn­berg, 17. Ju­ni 1908

Nürn­berg kann im Herbst die­ses Jah­res ei­ne sc­hö­ne Jahr­hun­dert­fei­er be­ge­hen. Denn es war im Herbst 1808, als die­se Stadt in ih­ren Mau­ern ei­nen der größ­ten deut­schen Geis­ter auf­ge­nom­men hat, ei­nen der­je­ni­gen deut­schen Geis­ter, von de­nen frei­lich heu­te nicht ge­ra­de viel ge­spro­chen wird, des­sen Wer­ke noch we­ni­ger ver­stan­den wer­den, der aber für die Zu­kunft des men­sch­li­chen Geis­tes­le­bens, wenn er einst ver­stan­den wer­den wird, sehr viel be­deu­ten wird. Er ist al­ler­dings schwer zu ver­ste­hen, und des­halb mag es ei­ni­ge Zeit dau­ern, bis die Men­schen ihn wie­der be­g­rei­fen wer­den. Im Herbst 1808 wur­de He­gel Di­rek­tor des Kö­n­ig­li­chen Gym­na­si­ums in Nürn­berg.

He­gel hat ei­nen Aus­spruch ge­tan, den wir vi­el­leicht ge­ra­de heu­te als ei­nen Richt­spruch an die Spit­ze un­se­rer Be­trach­tun­gen set­zen dür­fen. He­gel sag­te: Der tiefs­te Ge­dan­ke ist mit der Ge­stalt Chris­ti: mit dem Ge­schicht­li­chen und Äu­ßer­li­chen ve­r­ei­nigt, und das ist eben das Gro­ße der christ­li­chen Re­li­gi­on, daß sie bei al­ler die­ser Tie­fe leicht vom Be­wußt­sein in äu­ßer­li­cher Hin­sicht auf­zu­fas­sen ist und zu­g­leich zum tie­fe­ren Ein­drin­gen auf­for­dert. Sie ist so für je­de Stu­fe der Bil­dung und be­frie­digt zu­g­leich die höchs­ten An­for­de­run­gen. Das sind Wor­te He­gels, des deut­schen Phi­lo­so­phen.

Daß die christ­li­che Re­li­gi­on, daß die Ver­kün­di­gung des Evan­ge­li­ums für je­de Stu­fe des Be­wußt­seins be­g­reif­lich ist, das hat ei­ne Zeit ge­lehrt, die fast schon nach Jahr­tau­sen­den zu rech­nen ist. Daß sie auf­for­dert zu den tiefs­ten Ge­dan­ken, zu dem tiefs­ten Ein­drin­gen in die Weis­heits­leh­ren des Men­schen­tums über­haupt, das zu zei­gen wird ei­ne der Auf­ga­ben sein der an­thro­po­so­phi­schen Geis­tes­strö­mung, der Geis­tes­wis­sen­schaft, wenn die­se in ih­rem rich­ti­gen Sinn,

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Sei­te 012

in ih­ren in­ners­ten Im­pul­sen er­faßt und zum Herrn des men­sch­li­chen Le­bens ge­macht wer­den wird. Man wür­de die heu­ti­ge Be­trach­tung mißv­er­ste­hen, wenn man des Glau­bens wä­re, An­thro­po­so­phie oder Geis­tes­wis­sen­schaft sei in ir­gend­ei­ner Be­zie­hung ei­ne neue Re­li­gi­on, wol­le ir­gend­ein neu­es Re­li­gi­ons­be­kennt­nis an die Stel­le ei­nes al­ten set­zen. Man möch­te so­gar, um nur ja nicht mißv­er­stan­den zu wer­den, sa­gen: Wird ein­mal Geis­tes­wis­sen­schaft rich­tig ver­stan­den wer­den, dann wird man sich klar sein dar­über, daß sie als sol­che zwar die fes­tes­te, die si­chers­te Stüt­ze des re­li­giö­sen Le­bens ist, daß sie selbst aber kei­ne Re­li­gi­on ist, daß sie da­her auch kei­ner Re­li­gi­on je­mals als sol­cher wi­der­sp­re­chen wird. Et­was an­de­res ist es aber, daß sie das In­stru­ment sein kann, das Werk­zeug, um die tiefs­ten Wei­s­tü­mer und Wahr­hei­ten und die erns­tes­ten und le­bens­volls­ten Ge­heim­nis­se der Re­li­gio­nen zu er­klä­ren und zum Ver­ständ­nis zu brin­gen.

Es liegt vi­el­leicht et­was fern, wenn man, um das Ver­hält­nis von der An­thro­po­so­phie zu den Ur­kun­den die­ser oder je­ner Re­li­gi­on zu schil­dern und heu­te wer­den wir es mit den re­li­giö­sen Ur­kun­den des Chris­ten­tums zu tun ha­ben , den Ver­g­leich macht: An­thro­po­so­phie ver­hält sich zu den re­li­giö­sen Ur­kun­den wie die ma­the­ma­ti­sche Leh­re zu den Ur­kun­den, wel­che im Lau­fe der ge­schicht­li­chen Ent­wi­cke­lung der Mensch­heit als ma­the­ma­ti­sche Lehr­bücher oder Bücher über­haupt auf­ge­t­re­ten sind. Da ha­ben wir ein al­tes Buch, das ei­gent­lich nur der mit der Ma­the­ma­tik be­wan­der­te Ge­schichts­for­scher näh­er ins Au­ge faßt: die Geo­me­trie des Eu­k­lid. Sie ent­hält zum ers­ten­mal in ei­ner schul­mä­ß­i­gen Wei­se das­je­ni­ge aus der Ma­the­ma­tik und Geo­me­trie, was heu­te die Kin­der in der Schu­le schon ler­nen. Wie we­ni­ge aber die­ser Kin­der wer­den sich des­sen be­wußt, daß al­les das, was sie über paral­le­le Li­ni­en, über das Drei­eck, über die Win­kel und so wei­ter ler­nen, in je­nem al­ten Bu­che steht, daß es da zum ers­ten­mal der Mensch­heit ge­schenkt wor­den ist! Mit Recht er­weckt man im Kin­de das Be­wußt­sein, daß man die­se Din­ge aus sich selbst ein­se­hen kann, daß, wenn der men­sch­li­che Geist sei­ne Kräf­te in Be­we­gung setzt und sie an­wen­det auf die For­men des Rau­mes, daß er die­se For­men ein­zu­se­hen

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im­stan­de ist ganz oh­ne Rück­sicht auf je­nes al­te Buch. Ei­ner aber, der vi­el­leicht gar nichts ge­wußt hat von die­sem Buch und die ma­the­ma­ti­schen und geo­me­tri­schen Leh­ren in sich auf­ge­nom­men hat, er wird, wenn er es ein­mal ken­nen­lernt, es in dem rich­ti­gen Sin­ne wür­di­gen und ver­ste­hen. Er wird zu schät­zen wis­sen, was der­je­ni­ge der Mensch­heit ge­ge­ben hat, der die­ses Buch zum ers­ten­mal vor ih­ren Geist hin­ge­s­tellt hat.

So möch­te man das Ver­hält­nis der Geis­tes­wis­sen­schaft zu den re­li­giö­sen Ur­kun­den cha­rak­te­ri­sie­ren. Die Qu­el­len der Geis­tes­wis­sen­schaft sind so, daß die Geis­tes­wis­sen­schaft auf kei­ner­lei Ur­kun­den, auf kei­ner­lei Über­lie­fe­rung an­ge­wie­sen sein soll, wenn sie ih­rem rich­ti­gen Im­pul­se nach ver­stan­den wird. So wie uns das an­de­re Wis­sen der Mensch­heit die Er­kennt­nis der um­lie­gen­den Sin­nes­welt da­durch ver­schafft, daß der Mensch sei­ne Kräf­te frei ge­braucht, so ver­schaf­fen uns die tie­fer­lie­gen­den, zu­nächst in der Men­schen­see­le schlum­mern­den geis­ti­gen, über­sinn­li­chen Kräf­te und Fähig­kei­ten die Er­kennt­nis des­sen, was als Über­sinn­li­ches, als Un­sicht­ba­res al­lem Sicht­ba­ren zu­grun­de liegt. Eben­so wie der Mensch, wenn er sei­ne Sin­nes­werk­zeu­ge ge­braucht, im­stan­de ist, das, was sich dem äu­ße­ren Sin­nes­schei­ne dar­bie­tet, wahr­zu­neh­men, wie er im­stan­de ist, das Wahr­ge­nom­me­ne mit sei­nem Ver­stan­de zu ver­bin­den und zu ver­knüp­fen, eben­so ist der Mensch, wenn er die durch die Geis­tes­wis­sen­schaft ihm über­lie­fer­ten Me­tho­den ge­braucht, im­stan­de, hin­ter die Ku­lis­sen des sinn­li­chen Da­seins zu schau­en, dort­hin, wo die geis­ti­gen Ur­sa­chen lie­gen, wo die We­sen we­ben und ar­bei­ten, die das sinn­li­che Au­ge nicht sieht, die das sinn­li­che Ohr nicht hört, wohl aber das über­sinn­li­che. So liegt im frei­en Ge­brauch der men­sch­li­chen Kräf­te, wenn sie auch bei ei­nem gro­ßen Teil der heu­ti­gen Mensch­heit als über­sinn­li­che Kräf­te noch schlum­mern, die Qu­el­le, die un­ab­hän­gi­ge freie Qu­el­le geis­ti­gen Wis­sens, wie im frei­en Ge­brauch der auf die Sin­nes­welt ge­rich­te­ten Kräf­te die Qu­el­le des äu­ße­ren Wis­sens liegt. Dann aber, wenn auf ir­gend­ei­ne Wei­se der Mensch sich in den Be­sitz der Er­kennt­nis­se ge­setzt hat, wel­che ihn ein­füh­ren in das Über­sinn­li­che hin­ter dem Sinn­li­chen, in das Un­sicht­ba­re hin­ter dem Sicht­ba­ren, wenn er sich da­von ein

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eben­sol­ches Wis­sen er­wirbt, wie es das sinn­li­che Wis­sen von den äu­ße­ren Ge­gen­stän­den und Ge­scheh­nis­sen ist, dann mag er, aus­ge­rüs­tet mit die­sem über­sinn­li­chen Wis­sen, eben­so an die Über­lie­fe­rung ge­hen, an die Bücher und Do­ku­men­te, an die Ur­kun­den, durch die im Lau­fe der Ent­wi­cke­lung Kun­de zu den Men­schen ge­kom­men ist über das über­sinn­li­che Ge­biet, wie der Geo­me­ter her­an­tritt an die Geo­me­trie des Eu­k­lid. Und dann prüft er sie von ei­nem ähn­li­chen Stand­punkt aus, wie der heu­ti­ge Geo­me­ter die Geo­me­trie des Eu­k­lid prüft. Dann kann er die­se Ur­kun­den ih­rem wah­ren Wert nach schät­zen und an­er­ken­nen. Und der­je­ni­ge, der die­sen Weg geht, der wir­k­lich aus­ge­rüs­tet mit den Er­kennt­nis­sen der über­sinn­li­chen Welt her­an­tritt an die Ur­kun­den der christ­li­chen Ver­kün­di­gung, für den ver­lie­ren die­se Ur­kun­den wahr­haf­tig nicht an Wert. Ja, im Ge­gen­teil, sie er­schei­nen in höhe­rem Glanz, als sie erst dem bloß gläu­bi­gen Ge­müt er­schie­nen sind. Sie zei­gen, daß sie tie­fe­re Wei­s­tü­mer ent­hal­ten, als der Mensch früh­er vor der an­thro­po­so­phi­schen Er­kennt­nis ge­ahnt hat.

Aber noch über ei­ne Fra­ge müs­sen wir uns klar wer­den, da­mit wir die rich­ti­ge Stel­lung ge­win­nen ge­gen­über dem Ver­hält­nis der An­thro­po­so­phie zu den re­li­giö­sen Ur­kun­den. Fra­gen wir uns ein­mal: Wer ist der bes­se­re Be­trach­ter der Geo­me­trie des Eu­k­lid, der­je­ni­ge, der die Wor­te des Bu­ches wört­lich über­set­zen kann und, oh­ne erst ein­ge­drun­gen zu sein in den Geist der Geo­me­trie, den In­halt des Bu­ches ent­hül­len will, oder der­je­ni­ge, wel­cher erst Geo­me­trie ver­steht und da­her auch die Geo­me­trie in je­nem Buch zu fin­den weiß? Den­ken wir uns ei­nen blo­ßen Phi­lo­lo­gen ge­gen­über dem Geo­me­trie­buch des Eu­k­lid, ei­nen, der nichts ver­stün­de von Geo­me­trie: wie­viel Un­rich­ti­ges wür­de da her­aus­kom­men, wenn er den Sinn des Bu­ches ent­hül­len woll­te! So ha­ben es vie­le mit den re­li­giö­sen Ur­kun­den ge­macht, selbst sol­che, die be­ru­fen sein soll­ten, den wah­ren Sinn der­sel­ben zu er­grün­den. Sie sind an die­se Ur­kun­den her­an­ge­gan­gen, oh­ne daß sie erst, un­ab­hän­gig von ih­nen, et­was wuß­ten von dem, was über das Über­sinn­li­che zu er­grün­den ist. So ha­ben wir heu­te recht sorg­fäl­ti­ge Er­klär­un­gen der re­li­giö­sen Ur­kun­den, Er­klär­un­gen, die al­les zu­sam­men­tra­gen aus

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der Zeit­ge­schich­te her­aus, wie die­se Ur­kun­den zum Bei­spiel ent­stan­den sind, aber die Er­klär­un­gen neh­men sich eben­so aus wie die Er­klär­un­gen der Geo­me­trie des Eu­k­lid durch ei­nen Nicht­geo­me­ter.

Er­kennt­nis der Re­li­gi­on das wol­len wir fest­hal­ten ist et­was, was man nur ge­win­nen kann, wenn man es mit Hil­fe der auf geis­tes­wis­sen­schaft­li­chem We­ge ge­won­ne­nen Er­kennt­nis­se be­trach­tet, ob­wohl An­thro­po­so­phie nur ein Werk­zeug des re­li­giö­sen Le­bens sein kann, nie­mals ei­ne Re­li­gi­on sel­ber. Re­li­gi­on wird cha­rak­te­ri­siert am bes­ten durch den In­halt des men­sch­li­chen Her­zens, des men­sch­li­chen Ge­mü­tes, je­ner Sum­me von Emp­fin­dun­gen und Ge­füh­len, durch die der Mensch hin­auf­schickt das Bes­te, was er an Emp­fäng­lich­keit in sei­ner See­le hat, zu den über­sinn­li­chen We­sen­hei­ten und Kräf­ten. Von dem Feu­er die­ses Ge­müts­in­hal­tes, von der Stär­ke die­ser Emp­fin­dun­gen, von der Art die­ser Ge­füh­le hängt der Cha­rak­ter der Re­li­gi­on ei­nes Men­schen ab, so wie von dem war­men Puls­schlag in un­se­rer Brust, von dem Ge­füh­le für Sc­hön­heit es ab­hängt, wie der Mensch ei­nem Bil­de ge­gen­über­tritt. Der In­halt des re­li­giö­sen Le­bens ist ge­wiß das, was wir die geis­ti­ge, die über­sinn­li­che Welt nen­nen. Aber eben­so­we­nig wie äst­he­tisch-künst­le­ri­sches Emp­fin­den das­sel­be ist wie das, was wir nen­nen geis­ti­ges Er­fas­sen der in­ne­ren künst­le­ri­schen Ge­set­ze ob­wohl das geis­ti­ge Er­fas­sen der­sel­ben das Kunst­ver­ständ­nis er­höhen wird , eben­so­we­nig ist je­ne Weis­heit, je­ne Wis­sen­schaft, wel­che in die geis­ti­gen Wel­ten ein­führt, und Re­li­gi­on sel­ber das glei­che. Die­se Wis­sen­schaft wird das re­li­giö­se Emp­fin­den, das re­li­giö­se Füh­len erns­ter, wür­di­ger, grö­ß­er, um­fang­rei­cher ma­chen, aber sel­ber Re­li­gi­on will sie nicht sein, wenn sie im rich­ti­gen Sin­ne ver­stan­den wird, ob­wohl sie zur Re­li­gi­on füh­ren mag.

Wenn wir nun­mehr von die­sem geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Stand­punkt die Kraft und Be­deu­tung, den Sinn und den Geist der christ­li­chen Re­li­gi­ons­ver­kün­di­gung ver­ste­hen wol­len, dann müs­sen wir weit im geis­ti­gen Le­ben aus­g­rei­fen. Wir müs­sen den Blick wer­fen in Zei­ten ur­fer­ner Ver­gan­gen­heit, mit an­de­ren Wor­ten, wir müs­sen zu­rück­g­rei­fen bis in die vor­re­li­giö­se Zeit der Mensch­heit, wir müs­sen

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ver­su­chen, die Ent­ste­hung der Re­li­gi­on ins Au­ge zu fas­sen. Gibt es ei­ne vor­re­li­giö­se Zeit der Mensch­heit? Ja, es war ein­mal ei­ne Zeit auf der Er­de, in der es kei­ne Re­li­gi­on ge­ge­ben hat. Auch die Geis­tes­wis­sen­schaft muß ei­ne sol­che Fra­ge be­ja­hen, ob­wohl in ei­nem ganz an­de­ren Sin­ne, als die ma­te­ria­lis­ti­sche Kul­tur­weis­heit es tut. Was be­deu­tet die Re­li­gi­on für die Mensch­heit? Re­li­gi­on war und wird noch lan­ge für die Mensch­heit das sein, was schon ihr Wort aus­drückt. Das Wort Re­li­gi­on be­deu­tet: Ver­bin­dung des Men­schen mit sei­nem Gött­li­chen, mit der geis­ti­gen Welt. Und im we­sent­li­chen sind die re­li­giö­sen Zei­ten sol­che, in de­nen der Mensch sich nach der Ve­r­ei­ni­gung mit dem Gött­li­chen sehn­te, sei es aus den Qu­el­len ei­nes Wis­sens oder aus ei­ner ge­wis­sen Emp­fin­dung her­aus, oder des­halb, weil er fühl­te, daß sein Wil­le nur stark sein kann, wenn er von gött­li­cher Kraft durch­strömt ist. Sol­che Zei­ten, in de­nen der Mensch so­zu­sa­gen mehr in sich ahn­te, als daß er et­was Äu­ße­res wuß­te, in de­nen er die über­sinn­li­che Welt mehr ahn­te, denn daß er sie ge­schaut, daß er sie um sich ge­habt hät­te, das sind die re­li­giö­sen Zei­ten un­se­rer Er­de. Und vor die­sen Zei­ten gab es an­de­re Zei­ten, wo der Mensch ein solch ah­nen­des, lech­zen­des Ver­bin­den mit der geis­tig-über­sinn­li­chen Welt nicht brauch­te, des­halb nicht brauch­te, weil er von die­ser über­sinn­li­chen Welt, von die­ser geis­ti­gen Welt wuß­te, wie der Mensch der Ge­gen­wart weiß von den sinn­li­chen Din­gen. Braucht der Mensch über­zeugt zu wer­den, daß es Stei­ne, Bäu­me, Tie­re gibt? Braucht er ir­gend­ei­ne Ur­kun­de, ei­ne Leh­re dar­über, die ihm be­zeugt oder ihn ah­nen läßt, daß es Stei­ne, Pflan­zen, Tie­re gibt? Nein, denn er sieht sie, er er­schaut sie um sich her­um, und des­halb braucht er ei­ne sol­che Re­li­gi­on des Sinn­li­chen nicht. Den­ken wir uns ei­nen Men­schen, der in ganz an­de­ren Wel­ten leb­te, mit ganz an­de­ren Sin­ne­s­or­ga­nen, Er­kennt­ni­s­or­ga­nen aus­ge­rüs­tet, der nicht die Stei­ne, Pflan­zen, Tie­re se­hen wür­de, weil sie un­sicht­bar wä­ren für ihn, den­ken wir uns ei­nen sol­chen Men­schen, dem durch Schrif­ten oder sonst­wie die Kun­de ge­ge­ben wür­de von Stei­nen, Pflan­zen, Tie­ren: Was wä­re das­je­ni­ge, was für Sie An­schau­ung, Er­fah­rung, un­mit­tel­ba­res Wis­sen ist, was wä­re das für ihn? Re­li­gi­on wä­re es für die­sen Men­schen. Wenn

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ir­gend­wo in ei­nem Bu­che ste­hen wür­de, es gibt Stei­ne, Pflan­zen, Tie­re, dann wä­re das für die­sen Men­schen Re­li­gi­on, denn er hat es nie­mals ge­se­hen.

Es gab für den Men­schen ei­ne Zeit, wo er in­mit­ten der­je­ni­gen geis­ti­gen We­sen­hei­ten und Tat­sa­chen schon ge­lebt hat, von de­nen ihm heu­te die Re­li­gio­nen und die Weis­heits­leh­ren Kun­de tun.

Das Wort Ent­wi­cke­lung ist heu­te auf vie­len Ge­bie­ten der Wel­t­an­schau­ung ein Zau­ber­wort ge­wor­den, aber es wird von der äu­ße­ren Wis­sen­schaft doch nur an­ge­wen­det auf äu­ße­re, sinn­li­che Tat­sa­chen. Für den­je­ni­gen, der geis­tes­wis­sen­schaft­lich die Welt be­trach­tet, für den ist al­les, al­les in Ent­wi­cke­lung, vor al­len Din­gen das men­sch­li­che Be­wußt­sein. Der Zu­stand des men­sch­li­chen Be­wußt­seins, in dem Sie heu­te le­ben, durch den Sie, wenn Sie des Mor­gens auf­wa­chen, ver­mö­ge Ih­rer Sin­ne­s­or­ga­ne die Sin­nen­welt se­hen und be­g­rei­fen, die­ser Zu­stand des Be­wußt­seins hat sich aus ei­nem an­de­ren ent­wi­ckelt. In der Geis­tes­wis­sen­schaft nen­nen wir die­sen Be­wußt­s­eins­zu­stand das so­ge­nann­te hel­le Ta­ges­be­wußt­sein. Aber die­ses hel­le Ta­ges­be­wußt­sein hat sich her­aus­ent­wi­ckelt aus ei­nem ural­ten an­de­ren Be­wußt­sein, das wir das däm­mer­haf­te Bil­der­be­wußt­sein der Mensch­heit nen­nen. Da kom­men wir al­ler­dings auf frühe Ent­wi­cke­lungs­zu­stän­de der Mensch­heit zu­rück, von de­nen ei­ne äu­ße­re An­thro­po­lo­gie nichts mel­det, aus dem Grun­de nicht, weil sie sich nur der sinn­li­chen In­stru­men­te und der Me­tho­den des Ver­stan­des be­di­ent. Sie glaubt, daß der Mensch Zu­stän­de durch­ge­macht ha­be in ur­fer­ner Ver­gan­gen­heit, die ei­gent­lich die­sel­ben sind, wie sie heu­te un­se­re tie­ri­schen We­sen durch­ma­chen.

In frühe­ren Vor­trä­gen wur­de schon dar­auf hin­ge­wie­sen, wie wir uns geis­tes­wis­sen­schaft­lich das Ver­hält­nis des Men­schen zu den tie­ri­schen We­sen zu den­ken ha­ben. Nie­mals war der Mensch ein sol­ches We­sen wie das heu­ti­ge Tier es ist. Er stammt nicht von We­sen­hei­ten ab, die so wa­ren wie die heu­ti­gen Tie­re. Die Ent­wi­cke­lungs­for­men, aus de­nen sich der Mensch her­aus­ge­bil­det hat, die wür­den, wenn wir sie schil­dern woll­ten, sich sehr un­ähn­lich den heu­ti­gen Tie­ren er­wei­sen. Die heu­ti­gen Tie­re sind gleich­sam auf frühe­ren Ent­wi­cke­lungs­stu­fen zu­rück­ge­b­lie­be­ne We­sen­hei­ten, die die­se

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frühe­ren Ent­wi­cke­lungs­stu­fen kon­ser­viert und sie in die Ver­här­tung ge­bracht ha­ben. Der Mensch ist über sei­ne frühe­ren Ent­wi­cke­lungs­stu­fen hin­aus­ge­wach­sen, die Tie­re sind dar­un­ter her­un­ter­ge­wach­sen. So se­hen wir in der Tier­welt et­was wie zu­rück­ge­b­lie­be­ne Brü­der der Mensch­heit, die aber nicht mehr die Form die­ser frühe­ren Ent­wi­cke­lungs­stu­fen tra­gen. Die frühe­ren Ent­wi­cke­lungs­stu­fen ver­lie­fen in ei­ner Zeit, wo die Er­de an­de­re Le­bens­be­din­gun­gen hat­te, in der noch nicht die Ele­men­te so ver­teilt wa­ren wie heu­te, wo nicht der Mensch mit ei­nem sol­chen Kör­per be­haf­tet war wie heu­te und doch Mensch war. Er hat war­ten kön­nen, bild­lich ge­spro­chen, inn­er­halb des Ent­wi­cke­lungs­gan­ges mit sei­nem He­r­ein­s­tei­gen in das Fleisch, hat war­ten kön­nen bis zu der Zeit, wo die­se flei­sch­li­che Ma­te­ria­li­tät so hat wer­den kön­nen, daß er die Kraft des heu­ti­gen Geis­tes ent­wi­ckeln konn­te. Die Tie­re ha­ben nicht war­ten kön­nen, sie sind auf frühe­rer Stu­fe ver­här­tet wor­den, ha­ben früh­er Fleisch an­ge­nom­men, als es am Plat­ze war. Da­her muß­ten sie zu­rück­b­lei­ben. So wer­den wir uns vor­s­tel­len kön­nen, daß der Mensch un­ter an­de­ren Be­din­gun­gen und in an­de­ren Be­wußt­s­eins­for­men ge­lebt hat als heu­te. Wenn wir die­se Be­wußt­s­eins­for­men Tau­sen­de und Tau­sen­de von Jah­ren zu­rück­ver­fol­gen, wer­den wir im­mer an­de­re fin­den. Was wir heu­te lo­gi­sches Den­ken nen­nen, In­tel­lekt und Ver­stand, das hat sich erst spä­ter in der Mensch­heit ent­wi­ckelt. Viel stär­ker wa­ren Kräf­te der Men­schen, die heu­te schon im Ab­neh­men be­grif­fen sind, zum Bei­spiel das Ge­dächt­nis. Das war in ei­ner frühe­ren Zeit un­ge­heu­er viel mehr ent­wi­ckelt als heu­te. Durch die zu­neh­men­de Ver­stan­des­kul­tur der Mensch­heit ist das Ge­dächt­nis we­sent­lich in den Hin­ter­grund ge­t­re­ten.

Wer mit ei­ni­ger­ma­ßen se­hen­den prak­ti­schen Au­gen in die Welt blickt, kann heu­te noch er­ken­nen, daß das­je­ni­ge, was so aus der Geis­tes­wis­sen­schaft her­aus ge­sagt wird, nicht in der Luft schwebt. Man könn­te sa­gen: Wenn das wahr ist, dann müß­ten die heu­ti­gen Men­schen, die durch ir­gend­ei­nen Zu­fall zu­rück­ge­b­lie­ben sind, zei­gen, daß sie ge­ra­de im Ge­dächt­nis am we­nigs­ten zu­rück­ge­b­lie­ben sind. Sie müß­ten auch zei­gen, daß, wenn man bei künst­lich zu­rück­ge­hal­te­nen Men­schen sich be­müht, ih­nen In­tel­lek­tua­li­tät bei­zu­brin­gen,

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das Ge­dächt­nis dar­un­ter lei­det. Hier in die­ser Stadt konn­te man ei­nen cha­rak­te­ris­ti­schen Fall die­ser Art be­trach­ten.

Der nicht hoch ge­nug zu schät­zen­de Pro­fes­sor Dau­merhat die­sen Fall gut be­o­b­ach­tet an je­nem für vie­le so rät­sel­haf­ten Men­schen, der ein­mal auf ge­heim­nis­vol­le Wei­se in die­se Stadt hier he­r­e­in­ver­setzt wor­den ist, und der auf eben­so ge­heim­nis­vol­le Wei­se in Ans­bach den Tod ge­fun­den hat; der­sel­be, von dem ein Schrift­s­tel­ler sagt, um das Ge­heim­nis­vol­le sei­nes Le­bens an­zu­deu­ten, daß, als man ihn hin­aus­ge­tra­gen hat, ein Tag war, wo an der ei­nen Sei­te am Ran­de des Him­mels die Son­ne un­ter­ging und auf der ent­ge­gen­ge­setz­ten Sei­te der Mond auf­s­tieg. Sie wis­sen, daß ich von Ka­s­par Hau­ser re­de. Wenn Sie ab­se­hen von al­lem Pro und Kon­t­ra, das in be­zug auf die­sen Fall gel­tend ge­macht wor­den ist, wenn Sie nur auf das se­hen, was un­ter al­len Um­stän­den be­legt ist, so wer­den Sie wis­sen, daß die­ser Find­ling, der ein­fach ein­mal da war auf der Stra­ße, der, weil man nicht wuß­te, wo­her er ge­kom­men war, das Kind Eu­ro­pas ge­nannt wor­den ist, daß er nicht le­sen, nicht rech­nen konn­te, als man ihn fand. Er hat­te in ei­nem Al­ter von zwan­zig Jah­ren nichts von dem, was durch den In­tel­lekt er­wor­ben wird, aber merk­wür­di­ger­wei­se hat­te er ein wun­der­ba­res Ge­dächt­nis. Als man an­fing ihn zu un­ter­rich­ten, als die Lo­gik in sei­ne See­le trat, schwand das Ge­dächt­nis. Die­ser Über­gang im Be­wußt­sein war auch noch mit et­was an­de­rem ver­bun­den. Ei­ne un­be­g­reif­li­che, ge­ra­de­zu ein­ge­bo­re­ne Wahr­haf­tig­keit war ur­sprüng­lich in ihm, und ge­ra­de an die­ser Wahr­haf­tig­keit wur­de er im­mer mehr und mehr ir­re. Je mehr er an der In­tel­lek­tua­li­tät na­schen durf­te, des­to mehr schwand sie da­hin.

Wir könn­ten man­ches stu­die­ren, wenn wir in die­se See­le uns ver­tief­ten, die künst­lich zu­rück­ge­hal­ten wor­den war. Und gar nicht so un­be­grün­det ist für den­je­ni­gen, der auf dem Bo­den der Geis­tes­wis­sen­schaft steht, die Volkstra­di­ti­on, die die ge­lehr­ten Leu­te von heu­te nicht glau­ben und die da be­rich­tet, daß Ka­s­par Hau­ser, als er noch gar nichts wuß­te, noch gar kei­ne Ah­nung da­von hat­te, daß es We­sen au­ßer ihm von ver­schie­de­ner Ge­stalt ge­be, daß er da ei­ne merk­wür­di­ge Wir­kung aus­üb­te, wenn er mit ganz wü­ten­den

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Tie­ren zu­sam­men­ge­bracht wur­de. Die wil­den Tie­re duck­ten sich und wur­den ganz sanft­mü­tig. Es ström­te von ihm et­was aus, was be­wirk­te, daß solch ein Tier, das je­den an­de­ren zor­nig an­fiel, sanft wur­de. Wie ge­sagt, wir könn­ten, weil sich solch ein Fall dar­bie­tet, der aus der Geis­tes­wis­sen­schaft her­aus ver­stan­den wer­den kann, tief in die See­le die­ser merk­wür­di­gen und für vie­le so rät­sel­haf­ten Per­sön­lich­keit ein­drin­gen, und es wür­de sich Ih­nen ein Fall vor­ma­len, aus dem Sie se­hen könn­ten, daß al­les das, was aus dem ge­wöhn­li­chen Le­ben nicht zu er­klä­ren ist, durch die Geis­tes­wis­sen­schaft zu­rück­ge­führt wird auf geis­ti­ge Tat­sa­chen. Frei­lich kön­nen sol­che geis­ti­gen Tat­sa­chen nicht durch Spe­ku­la­ti­on, son­dern nur durch geis­ti­ge Be­o­b­ach­tung ge­won­nen wer­den, aber ver­ständ­lich sind sie für das all­sei­tig um­fas­sen­de und lo­gi­sche Den­ken.

Das al­les soll­te nur ge­sagt sein, um Ih­nen zu zei­gen, wie Sie den Weg fin­den kön­nen zu dem Ge­dan­ken, daß sich der heu­ti­ge Be­wußt­s­eins­zu­stand her­aus­ent­wi­ckelt hat aus ei­nem ural­ten an­de­ren Be­wußt­s­eins­zu­stand, in dem der Mensch nicht in ei­ner un­mit­tel­ba­ren Be­rüh­rung mit den Sin­nes­ge­gen­stän­den im heu­ti­gen Sin­ne stand, da­für aber mit den geis­ti­gen Tat­sa­chen und We­sen in Be­zie­hung war. Da sah der Mensch nicht die phy­si­sche Ge­stalt des an­de­ren, die es ja auch in der heu­ti­gen Form da­mals noch gar nicht ge­ge­ben hat. Wenn sich ihm ei­ne an­de­re We­sen­heit näh­er­te, stieg in sei­ner See­le et­was wie ein Traum­bild auf. Je nach­dem, wie es ge­stal­tet und ge­färbt war, zeig­te es ihm an, ob die We­sen­heit ihm sym­pa­thisch oder an­ti­pa­thisch ge­sinnt war. Ein sol­ches Be­wußt­sein nahm die geis­ti­gen Tat­sa­chen und da­durch die geis­ti­ge Welt über­haupt wahr. So wie der Mensch heu­te mit flei­sch­li­chen We­sen zu­sam­men ist, so leb­te er in je­ner Zeit, wenn er den Blick auf sich sel­ber rich­te­te und sich selbst See­le und Geist war, un­ter geis­ti­gen We­sen­hei­ten. Sie wa­ren vor­han­den für ihn. Er war ein Geist un­ter Geis­tern. Wenn er auch nur ei­ne Art Traum­be­wußt­sein hat­te, so wa­ren doch die Bil­der, die in ihm auf­s­tie­gen, in ei­nem le­ben­di­gen Ver­hält­nis zu sei­ner Um­ge­bung. Das war die al­te Zeit, in wel­cher der Mensch noch in ei­ner geis­ti­gen Welt leb­te, aus der er spä­ter her­un­ter­ge­s­tie­gen ist, um sich ei­ne sinn­li­che Flei­sch­lich­keit zu

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schaf­fen für das für ihn pas­sen­de heu­ti­ge Be­wußt­sein. Die Tie­re wa­ren schon da als phy­si­sche We­sen­hei­ten, als der Mensch noch in geis­ti­gen Re­gio­nen wahr­nahm. Der Mensch leb­te da­zu­mal un­ter geis­ti­gen We­sen, und eben­so­we­nig wie Sie ei­nes Be­wei­ses be­dür­fen, um über­zeugt zu sein vom Da­sein des Stei­nes, der Pflan­zen, der Tie­re, eben­so­we­nig brauch­te der Mensch in die­ser Ur­zeit ein ir­gend­wie ge­ar­te­tes Zeug­nis, um von geis­ti­gen We­sen über­zeugt zu sein. Er leb­te un­ter Geis­tern und Göt­tern, des­halb brauch­te er kei­ne Re­li­gi­on. Das war die vor­re­li­giö­se Zeit.

Dann ist der Mensch her­un­ter­ge­s­tie­gen, die frühe­re Be­wußt­s­eins­form hat sich in die heu­ti­ge ver­wan­delt. Der Mensch sieht nicht mehr im Rau­me schwe­ben­de Far­ben und For­men, son­dern die Far­ben sind über die Ober­flächen der sinn­li­chen Din­ge hin­ge­legt. In dem­sel­ben Ma­ße, wie der Mensch lern­te, sei­ne äu­ße­ren Sin­ne auf die äu­ße­re Sin­nes­welt zu rich­ten, in dem­sel­ben Ma­ße zog sich die­se äu­ße­re Sin­nes­welt wie ein Sch­lei­er, wie die gro­ße Ma­ja hin über die geis­ti­ge Welt, und der Mensch muß­te durch die­se Hül­le hin­durch Kun­de er­hal­ten von der geis­ti­gen Welt. Re­li­gi­on wur­de not­wen­dig.

Es gibt aber auch ei­nen Zu­stand zwi­schen der Zeit, die dem re­li­giö­sen Be­wußt­sein vor­an­geht, und der des ei­gent­li­chen re­li­giö­sen Be­wußt­seins; es gibt ei­nen sol­chen Zwi­schen­zu­stand. Aus ihm her­aus stam­men die My­tho­lo­gi­en, die Sa­gen, die Ge­schich­ten der Völ­ker von den geis­ti­gen Wel­ten. Es ist ei­ne Ge­lehr­sam­keit vom grü­nen Tisch, die nichts von den wir­k­li­chen geis­ti­gen Vor­gän­gen ahnt, die da be­haup­tet, die Ge­stal­ten der nor­di­schen oder deut­schen My­tho­lo­gie, der grie­chi­schen My­tho­lo­gie, al­le die Ur­kun­den von den Göt­tern und Göt­ter­ta­ten sei­en Er­dich­tun­gen der Volks­phan­ta­sie. Das sind nicht Er­dich­tun­gen der Volks­phan­ta­sie. Das Volk dich­tet nicht so, daß es sagt, wenn man ein­zel­ne Wol­ken hin­st­rei­chen sieht, das sei­en Schäf­chen. Daß das Volk so dich­te, ist ei­ne Dich­tung un­se­rer heu­ti­gen Ge­lehr­sam­keit, die voll leb­haf­ter Phan­ta­sie in sol­chen Din­gen ist. Die Wahr­heit ist ei­ne ganz an­de­re. Al­les, was in den al­ten Göt­ter­sa­gen und Ge­schich­ten ent­hal­ten ist, sind die letz­ten Über­b­leib­sel, die letz­ten Er­in­ne­run­gen aus dem vor-

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re­li­giö­sen Be­wußt­sein. Kun­de ist den Men­schen ge­b­lie­ben von dem, was sie selbst ge­se­hen ha­ben. Die­se Men­schen, die Wo­tan, Thor, Zeus und so wei­ter be­sch­rei­ben, sie ha­ben es des­halb ge­tan, weil in ih­nen ei­ne Er­in­ne­rung da­ran vor­han­den war, daß man sol­ches ein­mal er­lebt hat­te. Bro­cken, zum Teil ab­ge­ris­se­ne Stü­cke von dem, was man einst er­lebt hat­te, das sind die My­tho­lo­gi­en.

Noch in an­de­rer Be­zie­hung war der Zwi­schen­zu­stand vor­han­den. Auch in der Zeit, als die ge­schei­ten Men­schen, sa­gen wir ein­mal, schon sehr ge­scheit wa­ren, da gab es noch im­mer sol­che, die we­nigs­tens in Aus­nah­me­zu­stän­den nen­nen Sie sie Ent­rückt­heit oder auch Ver­rückt­heit, wie Sie wol­len hin­ein­schau­en konn­ten in die geis­ti­gen Wel­ten, die noch wahr­neh­men konn­ten, was früh­er die Men­schen in ih­rer Mehr­heit sa­hen. Die er­zähl­ten, daß sie selbst noch et­was ge­se­hen ha­ben von der geis­ti­gen Welt. Das ver­band sich so mit den Er­in­ne­run­gen, daß ein le­ben­di­ger Glau­be leb­te in den Völ­kern. Das war ein Über­gangs­zu­stand zu dem ei­gent­lich re­li­giö­sen Zu­stand.

Und wie wur­de der ei­gent­lich re­li­giö­se Zu­stand an­ge­bahnt in der Mensch­heit? Da­durch, daß der Mensch die Mit­tel und We­ge fand, sein In­ne­res so zu ent­wi­ckeln, daß er die Wel­ten, aus de­nen er her­aus­ge­wach­sen ist, die er im dump­fen Be­wußt­sein einst­mals ge­se­hen hat­te, wie­der­um se­hen, wie­der­um schau­en kann. Da kom­men wir auf ein Ka­pi­tel, das für man­chen mo­der­nen Men­schen recht we­nig Wahr­schein­li­ches ent­hält, zu dem Ka­pi­tel von den Ein­ge­weih­ten. Was sind Ein­ge­weih­te der Mensch­heit? Ein­ge­weih­te wa­ren die­je­ni­gen Men­schen, wel­che ihr ei­ge­nes see­li­sches und geis­ti­ges In­ne­re so ent­fal­te­ten durch ge­wis­se Me­tho­den, daß sie wie­der hin­ein­wuch­sen in die geis­ti­ge Welt. Ein­wei­hung gibt es! Es schlum­mern in je­der See­le über­sinn­li­che Kräf­te und Fähig­kei­ten. Es gibt oder kann we­nigs­tens ge­ben für je­den Men­schen solch ei­nen gro­ßen, ge­wal­ti­gen Au­gen­blick, wo die­se Kräf­te er­wa­chen. Die­sen Au­gen­blick kön­nen wir vor un­se­re See­le rü­cken, wenn wir uns vor­s­tel­len, wie die an­de­re men­sch­li­che Ent­wi­cke­lung war. Sp­re­chen wir mit Goe­thes Wor­ten, so kön­nen wir sa­gen: Wir schau­en zu­rück in Zei­ten fer­ner Ver­gan­gen­heit, in de­nen im heu­ti­gen phy­si­schen Men-

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schen­lei­be noch kein sol­ches phy­si­sches Au­ge vor­han­den war, kein sol­ches phy­si­sches Ohr wie heu­te. Zu­rück schau­en wir in je­ne Zei­ten, in de­nen an den Stel­len, wo die­se Or­ga­ne jetzt sind, gleich­gül­ti­ge Or­ga­ne wa­ren, die nicht se­hen und hö­ren konn­ten. Es gab für den phy­si­schen Men­schen ei­ne Zeit, wo sol­che blin­de Or­ga­ne zu Leucht­punk­ten sich ent­wi­ckel­ten, wo sie sich all­mäh­lich mehr und mehr ent­fal­te­ten, bis für sie das Licht auf­tauch­te. Eben­so gab es ei­nen Zeit­punkt, wo des Men­schen Ohr so weit war, daß die vor­her stum­me Welt sich in Tö­nen und Har­mo­ni­en of­fen­bar­te. Eben­so wie die Son­ne mit ih­ren Kräf­ten da­ran ar­bei­te­te, sei­ne Au­gen aus sei­nem Or­ga­nis­mus her­aus­zu­bil­den, eben­so kann der Mensch heu­te sei­nem Geis­te nach so le­ben, daß sich die viel­fach für ihn heu­te gleich­gül­ti­gen geis­tig-see­li­schen Or­ga­ne in ähn­li­cher Wei­se ent­wi­ckeln. Der Au­gen­blick ist mög­lich, ist für vie­le schon da­ge­we­sen, wo sich ih­re See­le und ihr Geist so um­bil­den, wie sich ein­mal um­ge­bil­det hat die äu­ße­re phy­si­sche Or­ga­ni­sa­ti­on. Neue Au­gen und neue Oh­ren ent­ste­hen, durch die aus dem geis­tig fins­te­ren und stum­men Um­kreis her­aus das Licht hin­ein­scheint und die Tö­ne hin­ein­k­lin­gen. Ent­wi­cke­lung ist mög­lich, auch zum Hin­ein­le­ben in die höhe­ren Wel­ten. Das ist Ein­wei­hung. Und in den Mys­te­ri­en­schu­len wer­den eben­so die Me­tho­den die­ser Ein­wei­hung den Men­schen an die Hand ge­ge­ben wie in der äu­ße­ren Welt die Me­tho­den, sa­gen wir, des che­mi­schen La­bo­ra­to­ri­ums oder der bio­lo­gi­schen For­schung. Der Un­ter­schied zwi­schen den Me­tho­den der äu­ße­ren Wis­sen­schaft und der Ein­wei­hung ist nur, daß die äu­ße­re Wis­sen­schaft sich In­stru­men­te und äu­ße­re Hilfsap­pa­ra­te zu­recht­zu­rich­ten hat. Für den­je­ni­gen aber, der Ein­ge­weih­ter wer­den will, gibt es nur ein ein­zi­ges In­stru­ment, das er aus­bil­den muß, und das ist er selbst in al­len sei­nen Kräf­ten. So wie im Ei­sen die mag­ne­ti­sche Kraft schlum­mern kann, so schlum­mert in der men­sch­li­chen See­le die Kraft, ein­zu­drin­gen in die geis­ti­ge Licht- und Ton­welt. So kam die Zeit, wo nur das Phy­sisch-Sinn­li­che im Nor­ma­len ge­se­hen wur­de und wo die Füh­rer der Mensch­heit aus sol­chen Ein­ge­weih­ten be­stan­den, die hin­ein­schau­en konn­ten in die geis­ti­gen Wel­ten, die Mit­tei­lung ma­chen, Er­klär­ung ge­ben konn­ten über die

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Tat­sa­chen der geis­ti­gen Welt, in wel­cher der Mensch früh­er ge­lebt hat­te.

Die ers­te Stu­fe der Ein­wei­hung, wo­hin führt sie? Wie stellt sie sich dar der men­sch­li­chen See­le? Glau­ben Sie nicht, daß die­se Ent­wi­cke­lung nur in phi­lo­so­phi­schem Spe­ku­lie­ren, im Aus­spin­ti­sie­ren von Be­grif­fen, im Ver­fei­nern der Be­grif­fe be­steht. Das, was der Mensch an Be­grif­fen hat über die äu­ße­re Sin­nes­welt, das ver­wan­delt sich in dem Men­schen, der hin­ein­wächst in die geis­ti­ge Welt. Es wird so, daß der Mensch jetzt nicht mehr durch scharf kon­tu­rier­te Be­grif­fe be­g­reift, son­dern durch Bil­der, durch Ima­gi­na­tio­nen. Denn der Mensch wächst hin­ein in das geis­ti­ge, welt­sc­höp­fe­ri­sche Ver­fah­ren. So be­stimmt und fest um­ris­sen wie die Ge­gen­stän­de der Sin­nes­welt sind eben nur die­se sinn­li­chen Ge­gen­stän­de. Im welt­sc­höp­fe­ri­schen Ver­fah­ren ha­ben Sie nicht das Tier mit den fes­ten Um­ris­sen. Da ha­ben Sie et­was wie ein Bild zu­grun­de ge­legt, aus dem die ver­schie­de­nen äu­ße­ren Ge­stal­ten ent­ste­hen kön­nen, ei­ne le­ben­di­ge, in sich ge­g­lie­der­te Wir­k­lich­keit. Man muß sich st­reng auf den Bo­den des Wor­tes Goe­thes stel­len: «Al­les Ver­gäng­li­che ist nur ein Gleich­nis.» In Bil­dern lernt der Ein­ge­weih­te zu­nächst er­ken­nen und be­g­rei­fen, lernt er hin­auf­s­tei­gen in die geis­ti­ge Welt. Da muß sein Be­wußt­sein be­we­g­li­cher wer­den als das­je­ni­ge, das uns di­ent zum Be­g­rei­fen der um uns lie­gen­den Sin­nes­welt. Des­halb nennt man die­se Stu­fe der Ent­wi­cke­lung das ima­gi­na­ti­ve Be­wußt­sein. Es führt den Men­schen wie­der hin­ein in die geis­ti­ge Welt, aber nicht in däm­mer­haf­ter Wei­se. Die­ses zu er­rin­gen­de Wei­he­be­wußt­sein ist klar und hell, wie es der Mensch im hel­len Ta­ges­be­wußt­sein hat, wie die­ses Ta­ges­be­wußt­sein selbst. Der Mensch wird da­durch be­rei­chert, daß er zu dem Ta­ges­be­wußt­sein das Be­wußt­sein der geis­ti­gen Welt hin­zu­ge­winnt. So lebt er in dem ima­gi­na­ti­ven Be­wußt­sein in der ers­ten Ein­wei­hungs­stu­fe. Und was die­je­ni­gen, die so ein­ge­weiht wa­ren, in den geis­ti­gen Wel­ten er­fuh­ren, da­von ist in den Ur­kun­den, in den Do­ku­men­ten der Mensch­heit Mit­tei­lung ge­sche­hen, ge­ra­de­so wie von der nie­d­ri­gen Wis­sen­schaft der Geo­me­trie durch Eu­k­lid der Mensch­heit Mit­tei­lung ge­macht wor­den ist. Wir wis­sen, was in die­sen Ur­kun­den steht, wir

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er­ken­nen es, wenn wir zu­rück­ge­hen auf die Qu­el­le, auf das Schau­en der Ein­ge­weih­ten.

So war es inn­er­halb der Mensch­heit bis zu der Er­schei­nung der größ­ten We­sen­heit, die über den Erd­ball ge­schrit­ten ist, des Chris­tus Je­sus. Mit sei­ner Er­schei­nung tritt ein neu­es Ele­ment in die Ent­wi­cke­lung ein. Wenn wir uns klar­ma­chen wol­len, wo­rin das we­sent­lich Neue, das der Mensch­heit durch den Chris­tus Je­sus ge­schenkt wor­den ist, be­steht, dann müs­sen wir be­ach­ten, daß in al­len vor­christ­li­chen Ein­wei­hungs­stät­ten der Mensch so ein­ge­weiht wur­de, daß ein völ­li­ges Her­aus­ge­hen aus der üb­ri­gen mensch­heit­li­chen Ent­wi­cke­lung not­wen­dig war, ein Ar­bei­ten an sei­ner See­le in Stät­ten des tiefs­ten Ge­heim­nis­ses. Und wir müs­sen uns vor al­len Din­gen klar­ma­chen, daß noch im­mer et­was vor­han­den war im Be­wußt­sein des Men­schen von ei­nem Über­rest, wenn er sich wie­der­um her­auf­hob in die geis­ti­ge Welt, je­nes al­ten, bloß traum­haf­ten Bil­der­be­wußt­seins. Der Mensch muß­te hin­we­gei­len aus die­ser Welt der Sin­ne, um in die geis­ti­ge Welt ein­t­re­ten zu kön­nen. Daß das heu­te nicht mehr not­wen­dig ist, das wur­de her­bei­ge­führt durch die Er­schei­nung des Chris­tus Je­sus auf der Er­de. Da­durch, daß das Chris­tus-Prin­zip in die Mensch­heit ein­ge­t­re­ten ist, ist das Zen­tral­we­sen, das Mit­tel­punkts­we­sen der geis­ti­gen Welt ge­schicht­lich, his­to­risch in ei­nem Men­schen ein­mal auf die­ser Er­de da­ge­we­sen, das­sel­be We­sen, nach dem sich ge­sehnt ha­ben al­le die­je­ni­gen, die ein re­li­giö­ses Le­ben ent­wi­ckelt ha­ben, die ge­schaut ha­ben in den Ein­wei­hungs­stät­ten, die weg­ge­schrit­ten sind von der sinn­li­chen Welt, um in die geis­ti­ge Welt ein­zu­t­re­ten. Das We­sen, von dem ver­kün­det wor­den ist, daß ihm der Mensch als sei­nem Höchs­ten ge­gen­über­steht, das ist mit dem Chris­tus Je­sus in die Mensch­heits­ge­schich­te ein­ge­t­re­ten. Und der­je­ni­ge, der et­was ver­steht von ech­ter Geis­tes­wis­sen­schaft, weiß, daß al­le re­li­giö­se Ver­kün­di­gung vor dem Er­schei­nen des Chris­tus Je­sus ei­ne Vor­ver­kün­di­gung des Chris­tus Je­sus ist.

Wenn die al­ten Ein­ge­weih­ten von dem Höchs­ten ha­ben sp­re­chen wol­len, was ih­nen in der Geis­tes­welt zu­gäng­lich war, was sie ha­ben schau­en kön­nen als den Ur­grund al­ler Din­ge, dann ha­ben

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sie in den ver­schie­dens­ten Na­men von dem Chris­tus Je­sus ge­spro­chen. Wir brau­chen uns nur an ein Bei­spiel, an das Al­te Te­s­ta­ment zu er­in­nern, das auch ei­ne Vor­her­ver­kün­di­gung ist. Wir er­in­nern uns da­ran, wie Mo­ses, als er sein Volk füh­ren soll­te, den Auf­trag er­hielt: Sa­ge dei­nem Vol­ke, daß das, was du tun sollst, der Herr, der Gott, dir ge­sagt hat. Da sagt Mo­ses: Wie wer­den mir die Leu­te glau­ben, wie wer­de ich ih­nen ei­ne Über­zeu­gung bei­brin­gen kön­nen? Was muß ich sa­gen, wenn sie mich fra­gen: Wer hat dich ge­schickt? Und es wird ihm der Auf­trag: Sa­ge, der «Ich-bin», der hat dich ge­schickt. Le­sen Sie es nach und ver­g­lei­chen Sie es, so ge­nau Sie kön­nen, mit dem Ur­text. Sie wer­den se­hen, um was es sich da­bei han­delt. Der «Ich-bin», was soll das hei­ßen? Der «Ich-bin» ist der Na­me für die gött­li­che We­sen­heit, das Chris­tus-Prin­zip des Men­schen, für die We­sen­heit, die der Mensch ei­nem Trop­fen, ei­nem Fun­ken nach in sich spürt, wenn er «Ich bin» sa­gen kann. Der Stein kann nicht «Ich bin» sa­gen, die Pflan­ze kann nicht «Ich bin», das Tier kann nicht «Ich bin» sa­gen. Der Mensch ist die Kro­ne der Sc­höp­fung da­durch, daß er zu sich «Ich bin» sa­gen kann, daß er ei­nen Na­men sp­re­chen kann, der für kei­nen an­de­ren gül­tig ist als für den, der ihn aus­spricht. «Ich» kön­nen Sie sich nur selbst nen­nen. Kein an­de­rer kann Sie «Ich» nen­nen. Hier spricht die See­le mit sich selbst, in je­nem Wor­te, wo hin­ein nur ein We­sen Zu­gang hat, das durch kei­nen äu­ße­ren Sinn, auf kei­nem äu­ße­ren Weg zu der See­le kommt. Hier spricht der Gott. Da­her wur­de der Na­me «Ich-bin» der Gott­heit, wel­che die Welt er­füllt, ge­ge­ben. Sa­ge, der «Ich-bin» hat es dir ge­sagt! so soll­te Mo­ses sei­nem Vol­ke sa­gen.

Nur lang­sam ler­nen die Men­schen den tie­fen Sinn die­ses «Ich-bin» völ­lig ver­ste­hen. Nicht gleich ha­ben sich die Men­schen als Ein­zel­men­schen ge­fühlt. Sie kön­nen es fin­den noch im Al­ten Te­s­ta­ment: da fühl­ten sich die Men­schen noch nicht als Ein­zel­men­schen. Auch die An­ge­hö­ri­gen der deut­schen Stäm­me, selbst noch in den Zei­ten der christ­li­chen Kir­che, fühl­ten sich nicht als Ein­zel­men­schen. Den­ken Sie zu­rück an die Che­rus­ker, Teu­to­nen und so wei­ter, an die deut­schen Stäm­me, in de­ren Land nun das heu­ti­ge

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Deut­sch­land ist. Der ein­zel­ne Che­rus­ker fühl­te mehr das Stam­mes-Ich, dem ge­gen­über er sich als Glied er­schi­en. Der ein­zel­ne hät­te nicht in der schar­fen Wei­se, wie heu­te, «Ich bin» ge­sagt. Er fühl­te sich zu­sam­men­ge­fügt zum ei­ni­gen Or­ga­nis­mus der­je­ni­gen, die bluts­ver­wandt wa­ren.

Den wei­tes­ten Um­kreis nimmt die­se Bluts­ver­wandt­schaft bei den Be­ken­nern des Al­ten Te­s­ta­ments ein. Der ein­zel­ne fühlt sich ge­bor­gen im gan­zen Volk. Die­ses ist für ihn von ei­nem Ich be­herrscht. Er weiß es, was es heißt: «Ich und der Va­ter Abra­ham sind eins», denn er ver­folgt die Bluts­ver­wandt­schaft durch die Ge­ne­ra­tio­nen hin­auf bis Abra­ham. Er weiß sich ge­bor­gen, wenn er über sein Ein­zel-Ich hin­aus­ge­hen will, in dem Va­ter Abra­ham, von dem all das Blut, das der äu­ße­re Trä­ger für das ge­mein­sa­me Volks-Ich ist, hin­un­ter­f­ließt in die Ge­ne­ra­tio­nen.

Nun, wenn wir mit dem Aus­spruch, der je­dem Be­ken­ner des Al­ten Te­s­ta­men­tes ein Ho­hes be­deu­tet, ver­g­lei­chen, was der Chris­tus Je­sus hin­ge­s­tellt hat, dann ha­ben wir wie blitz­ar­tig be­leuch­tet den gan­zen Fort­schritt, der durch die christ­li­che Ent­wi­cke­lung her­vor­ge­ru­fen wur­de. «Ehe denn Abra­ham war, war das Ich-bin.» Was heißt das: Vor Abra­ham war das «Ich-bin»? So ist näm­lich die rich­ti­ge Über­set­zung und In­ter­pre­ta­ti­on der be­tref­fen­den Bi­bel­s­tel­le. Das heißt: Geht zu­rück durch al­le Ge­ne­ra­tio­nen, ihr fin­det et­was in euch selbst, in eu­rer Ein­ze­l­in­di­vi­dua­li­tät, das noch ewi­ger ist als das, was durch al­le bluts­ver­wand­ten Ge­ne­ra­tio­nen fließt. Ehe die Ahn­her­ren wa­ren, war das «Ich-bin», je­nes We­sen, das in je­den Men­schen hin­ein­zieht, von dem je­de Men­schen­see­le et­was un­mit­tel­bar füh­len kann in sich selbst. Nicht ich und der Va­ter Abra­ham, nicht ich und ein zeit­li­cher Va­ter, son­dern ich und der geis­ti­ge Va­ter, der an nichts Ver­gäng­li­ches ge­bun­den ist, wir sind eins. «Ich und der Va­ter sind eins.» In dem ein­zel­nen Men­schen fin­det sich der Va­ter. Das gött­li­che Prin­zip lebt in ihm, et­was, was da war, was da ist, was da sein wird.

Die Men­schen wer­den, nach­dem sie durch fast zwei Jahr­tau­sen­de ei­gent­lich erst an­ge­fan­gen ha­ben die Kraft die­ses Wel­ten­im­pul­ses zu füh­len, in künf­ti­gen Zei­ten voll er­ken­nen, was die­ser Sprung

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inn­er­halb der Er­den­mis­si­on und Er­den­ent­wi­cke­lung für den Men­schen be­deu­tet. Das­je­ni­ge, was man nur ein­se­hen konn­te, wenn man hin­weg­ging über das Ein­zel­da­sein, über den ein­zel­nen Men­schen, wenn man den Geist ei­nes gan­zen Stam­mes faß­te, das war es, was die al­ten Ein­ge­weih­ten er­rei­chen woll­ten.

Wenn in der ge­wöhn­li­chen Welt ir­gend­ein Mensch das hör­te, so sag­te er: Das Ich ist et­was Ver­gäng­li­ches, das an­fängt mit der Ge­burt und auf­hört mit dem To­de. Wur­de er aber ein­ge­weiht in das Ge­heim­nis der Mys­te­ri­en, dann sah er das­je­ni­ge, was der an­de­re spür­te und emp­fand, als das­sel­be, was durch das Blut der Ge­ne­ra­tio­nen rollt, was ein wir­k­li­ches We­sen ist, dann sah er sei­nen Stam­mes­geist. Was nur im geis­ti­gen Reich, aber nicht in der äu­ße­ren Wir­k­lich­keit er­reich­bar ist, das konn­te er schau­en. Ei­nen Gott, der durch das Blut der Ge­ne­ra­tio­nen rinnt, konn­te er schau­en. Geis­te­sau­ge ge­gen­über Geis­te­sau­ge vor die­sem Got­te ste­hen, das konn­te man nur in den Mys­te­ri­en.

Die­je­ni­gen, die mit dem vol­len Ver­ständ­nis als sei­ne inti­men Schü­ler um den Chris­tus Je­sus wa­ren, sie hat­ten das Be­wußt­sein, daß ein We­sen geis­tig-gött­li­cher Na­tur für die äu­ße­ren Sin­ne in ei­ner ge­sch­los­se­nen flei­sch­lich-men­sch­li­chen Per­sön­lich­keit vor ih­nen stand. Als den ers­ten emp­fan­den sie den Chris­tus Je­sus, als den ers­ten, der im ein­zel­nen Men­schen ei­nen sol­chen Geist in sich hat­te, wie ihn sonst nur zu­sam­men­ge­hö­ri­ge Men­schen­mas­sen in sich fühl­ten und wie er sonst nur in der geis­ti­gen Welt für die Ein­ge­weih­ten zu schau­en war. Der Erst­ling un­ter den Men­schen war er.

Je mehr der Mensch in­di­vi­du­ell wird, des­to mehr kann er Lie­be-trä­ger wer­den. Wo das Blut die Men­schen zu­sam­men­ket­tet, da lie­ben die Men­schen aus dem Grun­de, weil sie durch das Blut hin­ge­führt wer­den zu dem, was sie lie­ben sol­len. Wird dem Men­schen die In­di­vi­dua­li­tät zu­er­teilt, hegt und pf­legt er den Got­tes­fun­ken in sich, dann müs­sen die Im­pul­se der Lie­be, die Wel­len der Lie­be von Mensch zu Mensch ge­hen aus frei­em Her­zen her­aus. Und so hat der Mensch mit die­sem neu­en Im­puls das al­te Band der Lie­be, die an das Blut ge­bun­den ist, be­rei­chert. Die Lie­be geht nach und nach über in die geis­ti­ge Lie­be, die von See­le zu See­le fließt, die zu­letzt

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die gan­ze Mensch­heit um­fas­sen wird mit ei­nem ge­mein­schaft­li­chen Band all­ge­mei­ner Bru­der­lie­be. Der Chris­tus Je­sus aber ist die Kraft, die le­ben­di­ge Kraft, durch die, so wie sie in der Ge­schich­te war, wie sie sich äu­ße­ren Au­gen zeig­te, zum ers­ten­mal die Mensch­heit zur Ver­brü­de­rung ge­bracht wor­den ist. Und die Men­schen wer­den ler­nen, die­ses Band der Bru­der­lie­be als das vol­l­en­de­te, als das ver­geis­tig­te Chris­ten­tum auf­zu­fas­sen.

Man sagt heu­te leicht: Die Theo­so­phie soll den ein­heit­li­chen Wahr­heits­kern in al­len Re­li­gio­nen su­chen, denn al­le Re­li­gio­nen ent­hal­ten ja ganz das glei­che. Die Men­schen, die so sa­gen, die die Re­li­gio­nen nur ver­g­lei­chen, um das ab­strakt Glei­che zu su­chen, ver­ste­hen nichts vom Ent­wi­cke­lung­s­prin­zip. Nicht um­sonst ent­wi­ckelt sich die Welt. Wahr ist es, in je­der Re­li­gi­on ist die Wahr­heit ent­hal­ten, aber in­dem sie sich von Form zu Form ent­wi­ckelt, ent­wi­ckelt sie sich zu höhe­ren For­men. Der Wahr­heit nach kön­nen Sie al­ler­dings, wenn Sie tief ge­nug for­schen wol­len, das, was das Chris­ten­tum an Leh­ren ent­hält, in den an­de­ren Re­li­gio­nen auch fin­den. Neue Leh­ren hat das Chris­ten­tum nicht ge­bracht. Aber das We­sent­li­che im Chris­ten­tum liegt nicht in den Leh­ren. Neh­men Sie die vor­christ­li­chen Re­li­gi­ons­s­tif­ter. Bei ih­nen kommt es dar­auf an, was sie ge­lehrt ha­ben. Den­ken Sie sich, die­se Re­li­gi­ons­s­tif­ter wä­ren un­be­kannt ge­b­lie­ben; was sie ge­lehrt ha­ben, das wä­re ge­b­lie­ben. Da­mit hät­te die Mensch­heit ge­nug. Beim Chris­tus Je­sus aber kommt es nicht dar­auf an. Bei ihm kommt es dar­auf an, daß er da war, daß er im phy­si­schen Lei­be hier auf die­ser Er­de ge­lebt hat. Nicht der Glau­be an sei­ne Leh­re, son­dern an sei­ne Per­sön­lich­keit ist das Aus­schlag­ge­ben­de, daß man hin­ge­schaut hat dar­auf, daß er der Erst­ge­bo­re­ne un­ter de­nen war, die da ster­ben kön­nen, bei dem man fragt: Wür­dest auch du in der La­ge, in der ich mich be­fin­de, so füh­len wie ich? Wür­dest auch du so den­ken, wie ich nun den­ke, so wol­len, wie ich will? Das ist das Wich­ti­ge, daß er das größ­te Vor­bild als Per­sön­lich­keit ist, bei dem es nicht dar­auf an­kommt, hin­zu­hö­ren auf sei­ne Leh­ren, son­dern dar­auf, ihn selbst an­zu­schau­en, wie er es ge­tan hat. Da­her sa­gen die inti­men Schü­ler des Chris­tus Je­sus et­was ganz an­de­res als die Schü­ler und Jün­ger

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an­de­rer Re­li­gi­ons­s­tif­ter. Die­se sa­gen: Der Herr hat die­ses, hat je­nes ge­lehrt. Die Schü­ler des Chris­tus Je­sus aber sa­gen: Nicht aus­ge­klü­gel­te My­then et­wa und Leh­ren sa­gen wir euch, son­dern das sa­gen wir euch, was un­se­re Au­gen selbst ge­se­hen, un­se­re Oh­ren selbst ge­hört ha­ben. Wir ha­ben die Stim­me ge­hört, un­se­re Hän­de ha­ben be­rührt den Qu­ell des Le­bens, da­mit wir Ge­mein­schaft ha­ben mit euch. Und Chris­tus Je­sus sel­ber sprach: Zeu­gen sollt ihr mir sein in Je­ru­sa­lem, in Ju­däa, bis ans En­de der Welt. Da­mit ist et­was sehr Wich­ti­ges ge­sagt: Zeu­gen sollt ihr mir sein bis ans En­de der Welt. Das heißt: Es wer­den im­mer sol­che da sein je­der­zeit, die eben­so wie je­ne in Ju­däa und Ga­li­läa aus dem un­mit­tel­ba­ren Wis­sen her­aus sa­gen kön­nen, wer Chris­tus war im Sin­ne des Evan­ge­li­ums.

Im Sin­ne des Evan­ge­li­ums, was be­deu­tet das? Nichts an­de­res, als daß er von An­fang an das Prin­zip war, das in al­lem Schaf­fen leb­te. Er sagt es: Glaubt ihr nicht an mich, so glaubt we­nigs­tens an Mo­ses, denn wenn ihr an Mo­ses glaubt, so glaubt ihr an mich, denn Mo­ses hat von mir ge­spro­chen. Wir ha­ben es heu­te schon ge­se­hen, von ihm hat Mo­ses ge­spro­chen, als er hin­ge­wie­sen hat dar­auf: Der «Ich-bin» hat es mir ge­sagt der «Ich-bin», der aber nur geis­tig wahr­nehm­bar war bis da­hin. Daß der Chris­tus sicht­bar in die Er­schei­nung, sicht­bar in die Welt ge­t­re­ten ist als Mensch un­ter Men­schen, das ist es, was den Un­ter­schied des Chris­tus-Evan­ge­li­ums aus­macht ge­gen­über der gött­li­chen Ver­kün­di­gung von an­de­ren Re­li­gio­nen. Denn bei die­sen war al­le geis­ti­ge Weis­heit auf et­was ge­rich­tet, was au­ßer­halb der Welt war. Jetzt, mit Chris­tus Je­sus, kam et­was in die Welt, was als Sin­ne­s­er­schei­nung selbst be­grif­fen wer­den soll­te. Was emp­fan­den die ers­ten Jün­ger als das Ideal ih­rer Weis­heit? Nicht mehr bloß zu be­g­rei­fen, wie die Geis­ter im Geis­ter­lan­de le­ben, son­dern wie das höchs­te Prin­zip in die­ser ge­schicht­li­chen Per­sön­lich­keit des Chris­tus Je­sus hat auf Er­den vor­han­den sein kön­nen.

Es ist viel leich­ter, die­ser Per­sön­lich­keit die Gott­heit ab­zu­leug­nen, als so zu emp­fin­den. Da­rin be­steht der Un­ter­schied ei­ner ge­wis­sen Leh­re der ers­ten Zeit des Chris­ten­tums von dem, was man

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in­ne­res Chris­ten­tum nennt, der Un­ter­schied zwi­schen Gno­sis und eso­te­ri­schem Chris­ten­tum. Die Gno­sis er­kennt Chris­tus in sei­ner Gött­lich­keit zwar an, aber sie hat­te sich nie auf­schwin­gen kön­nen bis zu der An­schau­ung, daß das «Wort» Fleisch ge­wor­den ist und un­ter uns ge­wohnt hat, so wie es der Sch­rei­ber des Jo­han­nes-Evan­ge­li­ums be­tont. Er sagt: Nicht nur als et­was, was bloß im Un­sicht­ba­ren zu be­g­rei­fen ist, sollt ihr den Chris­tus Je­sus an­se­hen, son­dern als das Wort, das Fleisch ge­wor­den ist und un­ter uns ge­wohnt hat. Ihr sollt wis­sen, daß mit die­ser men­sch­li­chen Per­sön­lich­keit ei­ne Kraft er­schie­nen ist, die in ferns­te Zu­kunft hin­ein wir­ken wird, die die wir­k­li­che, geis­ti­ge Lie­be als ei­ne Kraft um den Erd­kreis her­um­spin­nen wird, die da wirkt und lebt in al­lem, das in die Zu­kunft hin­ein lebt. Und über­gibt sich der Mensch die­ser Kraft, dann wächst er in die geis­ti­ge Welt hin­ein, aus der er her­un­ter­ge­s­tie­gen ist. Wie­der hin­auf­s­tei­gen wird er bis da­hin, wo­hin­ein der Ein­ge­weih­te heu­te schon schau­en kann. Ab­st­rei­fen wird der Mensch das Sinn­li­che, wenn er in die geis­ti­ge Welt ein­dringt.

Wie der Schü­ler, der in al­ten Zei­ten ein­ge­weiht wur­de, ei­nen Rück­blick ha­ben konn­te auf die al­ten, auf die ver­gan­ge­nen Zei­ten des Geis­tes­le­bens, so er­hal­ten die­je­ni­gen, wel­che im christ­li­chen Sin­ne ein­ge­weiht wer­den, durch die Teil­nah­me an den Im­pul­sen des Chris­tus Je­sus die Fähig­keit zu se­hen, was aus die­ser un­se­rer Er­den­welt wird, wenn die Men­schen im Sin­ne des Chris­tus-Im­pul­ses wir­ken. Wie man zu­rück­bli­cken kann auf die frühe­ren Zu­stän­de, so kann man, von dem An­fangs­punk­te der Er­schei­nung des Chris­tus aus­ge­hend, hin­bli­cken in die ferns­te Zu­kunft. Man kann sa­gen: So wird das Be­wußt­sein sich wie­der ve­r­än­dern, so wird der Mensch ste­hen im Ver­hält­nis der geis­ti­gen zur Sin­nen­welt. Wäh­rend so die frühe­re Ein­wei­hung ei­ne Ein­wei­hung in die Ver­gan­gen­heit, in ural­te Weis­heit ist, geht die christ­li­che Ein­wei­hung da­hin, dem Ein­zu­wei­hen­den die Zu­kunft zu ent­hül­len. Das ist das Not­wen­di­ge, daß der Mensch nicht nur ein­ge­weiht wird für sei­ne Weis­heit, für sein Ge­müt, son­dern daß er ein­ge­weiht wird für sei­nen Wil­len. Denn da­durch weiß er, was er tun soll, daß er sich Zie­le set­zen kann für die Zu­kunft. Der sinn­li­che All­tags­mensch setzt sich Zie­le

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für den Nach­mit­tag, für den Abend, den Mor­gen. Der geis­ti­ge Mensch ver­mag aus den geis­ti­gen Prin­zi­pi­en her­aus fer­ne Zie­le sich zu set­zen, die sei­nen Wil­len durch­pul­sen, sei­ne Kräf­te le­ben­dig ma­chen. So der Mensch­heit Zie­le set­zen, das heißt im wah­ren höchs­ten Sinn, im Sinn des ur­sprüng­li­chen christ­li­chen Prin­zips, das Chris­ten­tum eso­te­risch er­fas­sen. So hat es der­je­ni­ge ver­stan­den, der das gro­ße Prin­zip der Ein­wei­hung des Wil­lens ge­schrie­ben hat, der die Apo­ka­lyp­se ge­schrie­ben hat. Man ver­steht die Apo­ka­lyp­se sch­lecht, wenn man sie nicht ver­steht als den Im­puls­ge­ber für die Zu­kunft, für das Han­deln, für die Tat.

Al­le die Din­ge, die wir heu­te an uns vor­über­zie­hen lie­ßen, sie sind aus der an­thro­po­so­phisch ori­en­tier­ten Geis­tes­wis­sen­schaft her­aus zu ver­ste­hen. Nur Skiz­zen­haf­tes konn­te ich heu­te ge­ben. Wenn man aus der Geis­tes­wis­sen­schaft her­aus be­g­reift, was hin­ter dem Sinn­li­chen steht, dann sieht man auch hin mit dem Ver­ständ­nis auf das, was ver­kün­det wor­den ist in den Evan­ge­li­en, was ver­kün­det wor­den ist im apo­ka­lyp­ti­schen Werk. Und je wei­ter man geht in dem Ein­drin­gen, in der Ver­tie­fung nach den über­sinn­li­chen Wel­ten hin, des­to Tie­fe­res wird man in den christ­li­chen Ur­kun­den fin­den. Mit höhe­rem Glanz, mit tie­fe­rem Wahr­heits­ge­halt und In­halt er­schei­nen ei­nem die christ­li­chen Ur­kun­den, wenn man, ge­schärft mit dem geis­ti­gen Blick, wie er ge­won­nen wer­den kann mit Hil­fe der An­thro­po­so­phie, hin­geht zu die­sen Ur­kun­den. Wahr ist es: Das ein­fachs­te Ge­müt kann ah­nen, wel­che Wahr­hei­ten im Chris­ten­tum ste­cken. Nicht im­mer aber wird sich das Be­wußt­sein mit ei­ner Ah­nung begnü­gen kön­nen, es wird sich höh­er ent­wi­ckeln und wis­sen, er­ken­nen wol­len. Doch auch dann, wenn es sich zu den höchs­ten Weis­hei­ten er­hebt, wird es im­mer noch tie­fe Ge­heim­nis­se ge­ben im Chris­ten­tum. Es ist für das ein­fachs­te Ge­müt, aber auch für die höchst­ent­wi­ckel­te In­tel­lek­tua­li­tät. Der Ein­ge­weih­te er­lebt es wie­der als Bil­der. Da­her mag das nai­ve Be­wußt­sein ah­nen, wel­che Wahr­hei­ten da­rin schlum­mern, aber der Mensch wird nach Er­kennt­nis ver­lan­gen und nicht nach Glau­ben, und auch dann wird er im Chris­ten­tum Be­frie­di­gung fin­den. Er wird im Chris­ten­tum den vol­len be­frie­di­gen­den In­halt fin­den kön­nen, wenn ihm durch

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die Geis­tes­wis­sen­schaft die Er­klär­un­gen der Evan­ge­li­en ge­ge­ben wer­den. Da­her wird die Geis­tes­wis­sen­schaft an die Stel­le selbst der höchs­ten al­ten Phi­lo­so­phi­en tre­ten. Sie wird Zeug­nis ab­le­gen von dem uns ein­gangs vor­ge­führ­ten sc­hö­nen He­gel­wort: Der tiefs­te Ge­dan­ke ist mit der Ge­stalt des Chris­tus Je­sus, mit der ge­schicht­li­chen und äu­ßer­li­chen, ver­knüpft, und je­de Art von Be­wußt­sein das ist das Gro­ße am Chris­ten­tum kann der Äu­ßer­lich­keit nach die­ses Chris­ten­tum be­g­rei­fen. Zu­g­leich aber wer­den die tiefst ein­drin­gen­den Weis­hei­ten durch das Chris­ten­tum her­aus­ge­for­dert. Für je­de Stu­fe der Bil­dung ist das Chris­ten­tum, aber es kann ge­recht wer­den den höchs­ten An­for­de­run­gen.

03 – ERSTER VORTRAG, Nürnberg, 18. Juni 1908

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Ers­ter VOR­TRAG

Nürn­berg, 18. Ju­ni 1908

Es wird uns nun­mehr durch ei­ne Rei­he von Ta­gen ein sehr be­deut­sa­mes, sehr tie­fes an­thro­po­so­phi­sches The­ma be­schäf­ti­gen. Be­vor wir an un­se­re Be­trach­tun­gen her­an­ge­hen, las­sen Sie mich die tiefs­te Be­frie­di­gung dar­über aus­sp­re­chen, daß wir vor Freun­den aus so vie­ler­lei Ge­gen­den Deut­sch­lands, ja Eu­ro­pas über die­ses, tie­fe und be­deut­sa­me The­ma hier Be­trach­tun­gen an­s­tel­len dür­fen. Vor al­len Din­gen gilt es, die­se Be­frie­di­gung aus­zu­sp­re­chen un­se­ren lie­ben Nürn­ber­ger Freun­den, die ih­rer­seits ge­wiß nicht min­der froh sein wer­den als der­je­ni­ge, der zu ih­nen spricht, hier in die­ser Stadt durch ei­ne ver­hält­nis­mä­ß­ig län­ge­re Zeit an­thro­po­so­phi­sches Le­ben ge­mein­sam mit den aus­wär­ti­gen Freun­den zu pf­le­gen. Es ist ja ge­ra­de in die­ser Stadt ne­ben dem eif­rigs­ten St­re­ben nach Er­kennt­nis der gro­ßen geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Wahr­hei­ten im­mer auch so sehr gel­tend ge­we­sen und mit so tie­fem Ver­ständ­nis zur Dar­stel­lung ge­bracht wor­den, was an­thro­po­so­phi­sche Ge­sin­nung, was wahr­haft an­thro­po­so­phi­sches Le­ben ist, die­ses an­thro­po­so­phi­sche Le­ben, das wir nur dann ver­ste­hen, wenn die geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Leh­ren uns nicht bloß et­was sind, was uns theo­re­tisch be­schäf­tigt, son­dern wenn sie uns et­was wer­den, was un­ser ei­ge­nes Le­ben bis in die tiefs­ten Tie­fen der See­le hin­ein durch­geis­tigt, durch­feu­ert, hebt, was uns aber auch in en­ge­ren Ban­den zu­sam­men­sch­lingt mit un­se­ren Mit­men­schen, mit der gan­zen Welt. Es be­deu­tet viel für den Men­schen, zu füh­len, daß al­les, was uns äu­ßer­lich in der sinn­li­chen Welt, im sinn­lich-sicht­ba­ren Da­sein ent­ge­gen­tritt, so er­schei­nen kann wie die äu­ße­re Phy­siog­no­mie ei­nes zu­grun­de lie­gen­den un­sicht­ba­ren, über­sinn­li­chen Da­seins. Die Welt mit al­lem, was da­r­in­nen ist, wird ja sch­ließ­lich dem, der die An­thro­po­so­phie ins Le­ben ein­führt, im­mer mehr und mehr ein phy­siog­no­mi­scher Aus­druck des gött­lich-geis­tig We­sen­haf­ten, und wenn er die Welt des Sicht­ba­ren um sich her­um be­trach­tet, wird es

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ihm sein, wie wenn er von den Zü­gen ei­nes Men­schen­ant­lit­zes durch­dringt zu dem Her­zen, zu der See­le des Men­schen. Ge­gen­über al­le­dem, was äu­ßer­lich ihm ent­ge­gen­tritt in Ber­gen und Fel­sen, in dem Pflan­zen­k­leid der Er­de, in Tie­ren und Men­schen, was ihm ent­ge­gen­tritt in al­ler uns um­ge­ben­den Welt, in al­len Be­schäf­ti­gun­gen der Men­schen, wird es ihm sein, als ob es ein phy­siog­no­mi­scher Aus­druck, als ob es die Mie­ne wä­re ei­nes zu­grun­de lie­gen­den gött­lich-geis­ti­gen Da­seins. Und neu­es Le­ben er­sprießt ihm aus all die­ser Be­trach­tungs­wei­se und durch­dringt ihn, und ei­ne an­de­re, ed­le Art von Be­geis­te­rung be­feu­ert das, was er un­ter­neh­men will.

Nur ei­nes klei­nen symp­to­ma­ti­schen Bei­spiels mei­ner letz­ten Er­fah­run­gen auf ei­ner mei­ner Vor­trags­rei­sen las­sen Sie mich ge­den­ken. Das Bei­spiel, das ich Ih­nen an­füh­ren will, zeigt, wie die Welt­ge­schich­te, wenn man sie als Aus­druck des Gött­lich-Geis­ti­gen be­trach­tet, übe­rall be­deut­sam er­scheint, übe­rall ei­ne neue Spra­che zu uns re­det. Da konn­te ich vor ei­ni­gen Wo­chen in Skan­di­na­vi­en wahr­neh­men, wie in dem gan­zen Le­ben un­se­res eu­ro­päi­schen Nor­dens al­les noch ei­nen Nach­klang je­nes al­ten Da­seins der nor­di­schen Welt ver­rät, wo al­les Geis­ti­ge durch­setzt war von dem Be­wußt­sein der We­sen­hei­ten, die hin­ter den nor­di­schen Göt­ter­ge­stal­ten der My­the ste­hen. Man möch­te sa­gen, daß in je­nen Län­dern aus al­lem, was ei­nem ent­ge­gen­tritt, Nach­klän­ge zu ver­neh­men sind des­sen, was als das al­te nor­di­sche Geis­tes­le­ben die Ein­ge­weih­ten der Drui­den­mys­te­ri­en, der Drot­ten­mys­te­ri­en ih­ren Schü­l­ern mit­teil­ten. Da wird man ge­wahr, wie der Zau­ber­hauch je­nes Geis­tes­le­bens den Nor­den durch­setzt, und man sieht et­was wie den Aus­druck sc­hö­ner kar­mi­scher Zu­sam­men­hän­ge. Man sieht sich, wie mir das ge­stat­tet war in Upp­sa­la, so­zu­sa­gen mit­ten hin­ein­ge­s­tellt in al­les das, wenn man vor sich hat die ers­te der ger­ma­ni­schen Bi­bel­über­set­zun­gen, den Sil­ber­nen Ko­dex des Ul­fi­las. Er ist hin­ge­kom­men nach Upp­sa­la wie durch kar­mi­sche Ver­wi­cke­lun­gen ei­ge­ner Art. Er war ja vor­her in Prag. Im Schwe­di­schen Krieg wur­de er er­beu­tet und nach Upp­sa­la ge­bracht, und da liegt er nun, ein Wahr­zei­chen für das, was den durch­dringt, der ein bißchen tie­fer hin­ein­zu­bli­cken ver­mag in das al­te Mys­te­ri­en­we­sen. Es ist ja die­ses

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Mys­te­ri­en­we­sen, die­ses Ein­drin­gen in die geis­ti­ge Welt inn­er­halb der al­ten eu­ro­päi­schen Kul­tu­ren durch­setzt und durch­zo­gen von ei­nem ge­mein­sa­men merk­wür­di­gen Zug, den tie­fer spür­ten die­je­ni­gen, wel­che die Wei­he er­hal­ten ha­ben in je­nen al­ten Zei­ten. Wie ein tra­gi­scher Zug ging es durch ih­re Her­zen, wenn ih­nen klar­ge­macht wur­de, daß sie zwar hin­ein­bli­cken könn­ten in die Ge­heim­nis­se des Da­seins, daß aber in der Zu­kunft et­was kom­men wer­de, das wie ei­ne vol­l­en­de­te Rät­sel­lö­sung er­scheint. Im­mer und im­mer wie­der wur­den sie dar­auf hin­ge­wie­sen, daß he­r­ein­strah­len sol­le ein höhe­res Licht in je­nes Wis­sen, das man in den al­ten Mys­te­ri­en er­kun­den konn­te. Man darf sa­gen, daß pro­phe­tisch hin­ge­wie­sen wur­de in al­len die­sen al­ten Mys­te­ri­en auf das, was da kom­men soll­te in der Zu­kunft, auf die Er­schei­nung des Chris­tus Je­sus. Der Ton, die Ge­sin­nung der Er­war­tung, die Stim­mung der Pro­phe­tie lag in die­sem nor­di­schen Mys­te­ri­en­we­sen.

Wir müs­sen solch ei­nen Satz, wie ich ihn jetzt aus­sp­re­chen wer­de, nicht zwän­gen und nicht drän­gen, nicht pres­sen und nicht zu scharf in Kon­tu­ren den­ken. Er soll nur symp­to­ma­tisch aus­sp­re­chen, was als tie­fe­re Wahr­heit zu­grun­de liegt. Aber es ist in dem, was wie ein letz­tes Blatt ge­b­lie­ben ist aus den Tra­di­tio­nen der alt­ger­ma­ni­schen Mys­te­ri­en, es ist in der Sieg­fried­sa­ge et­was wie ein Hin­ein­ge­heim­nis­sen je­ner Ge­sin­nung vor­han­den. Wenn wir dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den, daß Sieg­fried wir­k­lich der Re­prä­sen­tant ist der altnor­di­schen Ein­wei­hung, wenn wir hin­ge­wie­sen wer­den dar­auf, daß an der Stel­le, wo er ver­wund­bar ist, ein Blatt liegt, daß die­se Stel­le am Rü­cken sich be­fin­det, dann fühlt der, der so et­was symp­to­ma­tisch zu füh­len ver­mag: Das ist die Stel­le, wo et­was an­de­res lie­gen wird beim Men­schen, wenn je­ne Ver­wun­dung ihn nicht mehr tref­fen kann, die die Ein­ge­weih­ten der altnor­di­schen Mys­te­ri­en noch er­lei­den konn­ten. Die Stel­le soll zu­hül­len das Kreuz. Da soll es lie­gen, das Kreuz des Chris­tus Je­sus; da lag es noch nicht beim Ein­ge­weih­ten der altnor­di­schen Mys­te­ri­en. Dar­auf wird hin­ge­deu­tet in den al­ten Mys­te­ri­en der ger­ma­ni­schen Völ­ker in der Sieg­fried­sa­ge. Und so wird selbst da noch symp­to­ma­tisch an­ge­deu­tet, wie zu­sam­men­stim­mend ge­dacht wer­den sol­len die

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al­ten Ein­wei­hun­gen der Drui­den, der Drot­ten, mit den Mys­te­ri­en des Chris­ten­tums. Da­ran er­in­nert wie ein phy­siog­no­mi­scher Aus­druck die­ses Hin­ge­s­tellt­sein der ers­ten ger­ma­ni­schen Bi­bel­über­set­zung in die nor­di­sche Welt hin­ein. Und daß es wie ei­ne kar­mi­sche Ver­ket­tung ist, das mag Ih­nen noch der Um­stand wie­der­um sym­bo­li­sie­ren, daß einst­mals elf Blät­ter aus die­sem Sil­ber­nen Ko­dex ge­stoh­len wor­den sind, und daß der spä­te­re Be­sit­zer der­sel­ben sol­che Ge­wis­sens­bis­se emp­fun­den hat, daß er die­se elf Blät­ter nicht be­hal­ten woll­te, son­dern sie wie­der­um zu­rück­gab. Wie ge­sagt, man soll sol­che Din­ge nicht pres­sen und drän­gen, son­dern sie als bild­li­che Dar­stel­lun­gen auf­fas­sen je­ner kar­mi­schen Ver­wi­cke­lun­gen, die sich phy­siog­no­misch zum Aus­druck brin­gen in dem Hin­ein­ge­s­tellt­sein der ers­ten ger­ma­ni­schen Bi­bel­über­set­zung in die nor­di­sche Welt. Und wie hier die­ses Er­eig­nis der Ge­schich­te, so wird uns al­les, was uns im Le­ben ent­ge­gen­tritt, Gro­ßes und Klei­nes, ver­tieft und mit ei­nem neu­en Licht durch­strahlt durch die an­thro­po­so­phi­sche Ge­sin­nung, die sich da­rin be­kun­det, daß man in al­lem phy­sisch Wahr­nehm­ba­ren den phy­siog­no­mi­schen Aus­druck ei­nes Über­sinn­lich-Geis­ti­gen er­blickt.*)

Daß es sich so ver­hält, die­se Über­zeu­gung mö­ge uns durch­drin­gen ge­ra­de wäh­rend die­ses Kur­sus. Und aus solch ei­ner Über­zeu­gung her­aus mag der Geist, mö­gen die Ge­füh­le strö­men, die wäh­rend der zwölf apo­ka­lyp­ti­schen Vor­trä­ge in un­se­re See­le flie­ßen, die un­se­re Her­zen durch­drin­gen sol­len. Inn­er­halb die­ser Ge­sin­nung wol­len wir an die­sen Kur­sus her­an­t­re­ten, der das tiefs­te Do­ku­ment des Chris­ten­tums, die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes, zum An­knüp­fungs­punk­te nimmt, weil an die­ses Do­ku­ment die tiefs­ten Wahr­hei­ten des Chris­ten­tums wir­k­lich zwang­los an­ge­sch­los­sen wer­den kön­nen. Denn es ist nichts Ge­rin­ge­res in die­sem Do­ku­ment ent­hal­ten als ein gro­ßer Teil der Mys­te­ri­en des Chris­ten­tums, es ist da­rin ent­hal­ten das Tiefs­te von dem, was wir als das eso­te­ri­sche Chris­ten­tum zu be­zeich­nen ha­ben. Kein Wun­der da­her, daß von al­len christ­li­chen Do­ku­men­ten auch ge­ra­de die­ses Do­ku­ment am al­ler­meis­ten mißv­er­stan­den wor­den ist. Es ist fast vom An­be­ginn der christ­li­chen Geis­tes­strö­mung an mißv­er­stan­den wor­den von al­len

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*) Re­dak­tio­nel­ler Hin­weis:

An die­ser Stel­le war ur­sprüng­lich der nach­ste­hend kur­siv ge­setz­te Ab­satz ein­ge­fügt. Er fand sich in ei­ner «deutsch-rus­si­schen On­li­ne-Aus­ga­be» und wur­de vom Ru­dolf-Stei­ner-Ver­lag Dor­nach of­fen­bar ab der 4. Aufla­ge 1954 er­satz- und kom­men­tar­los ge­s­tri­chen. Sie­he auch den re­dak­tio­nel­len Hin­weis un­ter »Kor­rek­tu­ren« auf S. 271

«Und es ist mißv­er­stan­den wor­den in den ver­schie­dens­ten Zei­ten im­mer in dem Sin­ne, in dem Sti­le, wie die­se ver­schie­de­nen Zei­ten ge­dacht und ge­son­nen ha­ben. Mißv­er­stan­den ist es wor­den von den Zei­ten, die, man darf sa­gen, spi­ri­tu­ell-ma­te­ria­lis­tisch ge­dacht ha­ben,

von den Zei­ten, die gro­ße Re­li­gi­ons­strö­mun­gen hin­ein­ge­zwängt ha­ben in ein­sei­ti­ges fa­na­ti­sches Par­tei­ge­trie­be, und es ist mißv­er­stan­den wor­den in der neue­ren Zeit von den­je­ni­gen, wel­che im gro­ben, im sinn­lichs­ten Ma­te­ria­lis­mus glaub­ten die Rät­sel der Welt lö­sen zu kön­nen.»

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de­nen, die nicht zu den ei­gent­li­chen christ­li­chen Ein­ge­weih­ten ge­hör­ten. Und es ist mißv­er­stan­den wor­den in den ver­schie­dens­ten Zei­ten im­mer in dem Sin­ne, in dem Sti­le, wie die­se ver­schie­de­nen Zei­ten ge­dacht und ge­son­nen ha­ben. Mißv­er­stan­den ist es wor­den von den Zei­ten, die, man darf sa­gen, spi­ri­tu­ell-ma­te­ria­lis­tisch ge­dacht ha­ben, von den Zei­ten, die gro­ße Re­li­gi­ons­strö­mun­gen hin­ein­ge­zwängt ha­ben in ein­sei­ti­ges fa­na­ti­sches Par­tei­ge­trie­be, und es ist mißv­er­stan­den wor­den in der neue­ren Zeit von den­je­ni­gen, wel­che im gro­ben, im sinn­lichs­ten Ma­te­ria­lis­mus glaub­ten die Rät­sel der Welt lö­sen zu kön­nen.

Die ho­hen geis­ti­gen Wahr­hei­ten, die im Aus­gangs­punk­te des Chris­ten­tums ver­kün­det wor­den sind und zu de­ren An­schau­ung die­je­ni­gen ge­bracht wur­den, die sie ver­ste­hen konn­ten, sie lie­gen an­ge­deu­tet, so­weit das in ei­ner Schrift ge­sche­hen kann, in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes, in der so­ge­nann­ten ka­no­ni­schen Apo­ka­lyp­se. Aber schon in den ers­ten Zei­ten des Chris­ten­tums wa­ren die Exo­te­ri­ker we­nig ge­eig­net, das tief Spi­ri­tu­el­le, das ge­meint ist im eso­te­ri­schen Chris­ten­tum, zu ver­ste­hen. Und so trat denn in den al­le­r­ers­ten Zei­ten des Chris­ten­tums in der Exo­te­rik die An­schau­ung auf, daß sich Din­ge, die sich zu­nächst für die Welt­ent­wi­cke­lung ab­spie­len im Geis­tig-Spi­ri­tu­el­len, die er­kenn­bar und er­schau­bar sind für den, der hin­ein­schau­en kann in die geis­ti­gen Wel­ten, daß sich sol­che rein spi­ri­tu­el­len Vor­gän­ge äu­ßer­lich in dem ma­te­ri­el­len Kul­tur­le­ben ab­spie­len soll­ten. Und so kam es, daß, wäh­rend der Sch­rei­ber der Apo­ka­lyp­se die Er­geb­nis­se sei­ner Ein­wei­hung, sei­ner christ­li­chen In­i­tia­ti­on da­rin zum Aus­dru­cke brach­te, die an­de­ren sie nur exo­te­risch ver­stan­den und der Mei­nung wa­ren, daß sich das, was der gro­ße Se­her ge­schaut und wo­von der Ein­ge­weih­te weiß, daß es sich in Jahr­tau­sen­den spi­ri­tu­ell er­kenn­bar ab­spielt, in der al­ler­nächs­ten Zeit ab­spie­len müs­se im äu­ßer­lich sinn­lich-sicht­ba­ren Le­ben. So kam denn die An­schau­ung zu­stan­de, als ob für die sinn­lich nächs­te Zeit der Sch­rei­ber et­was ge­meint hät­te wie ein in den sinn­lich-phy­si­schen Wol­ken statt­fin­den­des Her­ab­kom­men, Wie­der­kom­men des Chris­tus Je­sus. Als das nicht ein­t­rat, da ver­län­ger­te man ein­fach die Frist und sag­te: Nun ja, es hat für die

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Er­de mit der Er­schei­nung des Chris­tus Je­sus ei­ne neue Zeit be­gon­nen ge­gen­über dem, was als al­te Re­li­gio­si­tät da war. Aber es wird und jetzt faß­te man das wie­der­um sinn­lich auf tau­send Jah­re dau­ern, da wer­den sich die nächs­ten Er­eig­nis­se phy­sisch-sinn­lich voll­zie­hen, die in der Apo­ka­lyp­se dar­ge­s­tellt sind. So kam es, daß tat­säch­lich, als he­r­ein­zog das Jahr 1000, vie­le Leu­te auf das Her­an­kom­men ir­gend­ei­ner dem Chris­ten­tum feind­li­chen Macht war­te­ten, auf ei­nen Antichrist, der in der sinn­li­chen Welt auf­t­re­ten soll­te. Und als das wie­der­um nicht ein­t­rat, da wur­de so­zu­sa­gen ei­ne neue Frist­ver­län­ge­rung an­ge­setzt, zu glei­cher Zeit aber die gan­ze Vor­her­sa­gung der Apo­ka­lyp­se in ei­ne ge­wis­se Sym­bo­lik hin­auf­ge­rückt, wäh­rend man sich bei den gro­ben Exo­te­ri­kern die­se Vor­her­sa­gung ziem­lich greif­bar vor­ge­s­tellt hat­te. Mit dem Her­aufrü­cken ei­ner ma­te­ria­lis­ti­schen Wel­t­an­schau­ung kam man für die­se Din­ge in ei­ne ge­wis­se Sym­bo­lik hin­ein. Man sah in den äu­ße­ren Er­eig­nis­sen sym­bo­li­sche An­deu­tun­gen.

So kam her­auf im zwölf­ten Jahr­hun­dert der Mann, der an­fangs des drei­zehn­ten Jahr­hun­derts starb, Joa­chim von Flo­ris, der ei­ne denk­wür­di­ge Er­klär­ung die­ser ge­heim­nis­vol­len Ur­kun­de des Chris­ten­tums gab. Er war näm­lich der An­sicht, daß im Chris­ten­tum ei­ne tie­fe spi­ri­tu­el­le Macht ru­he, daß die­se Macht im­mer mehr und mehr zur Aus­b­rei­tung kom­men müs­se, daß aber das äu­ße­re Chris­ten­tum im­mer die­ses eso­te­ri­sche Chris­ten­tum ve­r­äu­ßer­licht ha­be. Und so kam bei man­chem die An­schau­ung die­ses Man­nes zur Gel­tung, wo­nach in der Papst­kir­che, in die­ser Ve­r­äu­ßer­li­chung der Spi­ri­tua­li­tät des Chris­ten­tums, et­was Antichrist­li­ches, et­was Feind­li­ches zu su­chen sei. Und be­son­ders ge­nährt wur­de in den nächs­ten Jahr­hun­der­ten die­se An­schau­ung da­durch, daß auf den Spi­ri­tua­lis­mus des Chris­ten­tums, auf das ge­müt­lich-geis­ti­ge Ele­ment bei ge­wis­sen Or­den ein ho­her Wert ge­legt wor­den ist. So fand Joa­chim von Flo­ris An­hän­ger inn­er­halb der Krei­se der Fran­zis­ka­ner, die im Paps­te et­was wie die Sym­bo­li­sie­rung des Antichrist sa­hen. Dann ging in der Zeit des Pro­te­s­tan­tis­mus die­se An­schau­ung auf die­je­ni­gen über, die in der Rö­mi­schen Kir­che ei­ne Ab­trün­ni­ge des Chris­ten­tums sa­hen, die inn­er­halb des Pro­te­s­tan­tis­mus die

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Ret­tung des Chris­ten­tums er­blick­ten. Sie sa­hen erst recht im Papst das Sym­bo­lum des Antichrists, und der Papst zahl­te es da­durch heim, daß er wie­der­um in Lu­ther den Antichrist sah.

So ver­stand man die Apo­ka­lyp­se in ei­ner Wei­se, daß je­de Par­tei sie in den Di­enst ih­rer ei­ge­nen An­schau­ung, ih­rer ei­ge­nen Mei­nung rück­te. Die an­de­re Par­tei war im­mer der Antichrist, und die­je­ni­ge, der man selbst an­ge­hör­te, iden­ti­fi­zier­te man mit dem wah­ren Chris­ten­tum. Das ging her­auf bis in die neue­re Zeit, wo der mo­der­ne Ma­te­ria­lis­mus kam, mit dem sich an Grob­heit selbst je­ner Ma­te­ria­lis­mus nicht ver­g­lei­chen läßt, den ich Ih­nen für die ers­ten Jahr­hun­der­te des Chris­ten­tums ge­schil­dert ha­be. Denn da­mals be­stand noch ein spi­ri­tu­el­ler Glau­be, ei­ne ge­wis­se spi­ri­tu­el­le Auf­fas­sung. Die Men­schen konn­ten es nur nicht ver­ste­hen, weil sie kei­ne Ein­ge­weih­ten un­ter sich hat­ten. Es war ein ge­wis­ser spi­ri­tu­el­ler Sinn da, denn wenn man sich auch grob­sinn­lich vor­s­tell­te, daß sich ein We­sen in ei­ner Wol­ke her­ab­sen­ken wür­de, so ge­hör­te doch da­zu ein spi­ri­tu­el­ler Glau­be. Ein sol­ches spi­ri­tu­el­les Le­ben war bei dem gro­ben Ma­te­ria­lis­mus des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts nicht mehr mög­lich. Die Ge­dan­ken, die sich so ein rech­ter Ma­te­ria­list des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts von der Apo­ka­lyp­se macht, kann man et­wa so cha­rak­te­ri­sie­ren: In die Zu­kunft se­hen kann kein Mensch, denn ich selbst kann es nicht. Et­was an­de­res, als was ich se­he, kann ein an­de­rer auch nicht se­hen. Da­von zu re­den, daß es Ein­ge­weih­te gibt, das ist ein al­ter Aber­glau­be. So et­was gibt es nicht. Al­so gilt als Norm das, was ich weiß. Ich se­he kaum das, was in den nächs­ten zehn Jah­ren ge­schieht, al­so kann kein Mensch et­was dar­über aus­sa­gen, was über Jahr­tau­sen­de ge­sche­hen soll. Fol­g­lich muß der, der die Apo­ka­lyp­se ge­schrie­ben hat, wenn er über­haupt als ehr­li­cher Mensch ge­nom­men wer­den will, et­was ge­meint ha­ben, was er schon ge­se­hen hat, denn ich weiß auch nur von dem, was sich schon ab­ge­spielt hat und was durch Do­ku­men­te ver­mit­telt ist. Al­so konn­te auch der Sch­rei­ber der Apo­ka­lyp­se nichts an­de­res se­hen. Was kann er dem­nach er­zäh­len? Nur das, was bis zu ihm ge­sche­hen war. Fol­g­lich ist es selbst­ver­ständ­lich, daß man in den Er­eig­nis­sen der Apo­ka­lyp­se, in den Kon­f­lik­ten

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zwi­schen der gu­ten, der wei­sen, der sc­hö­nen Welt und der häß­li­chen, der törich­ten, der bö­sen Welt, daß man in je­nem dra­ma­ti­schen Ge­gen­über­s­tel­len nichts an­de­res zu se­hen hat als et­was, was der Mann selbst er­lebt hat, was schon ge­sche­hen war. So spricht der mo­der­ne Ma­te­ria­list. Er meint: Der Apo­ka­lyp­ti­ker schil­dert so, wie ich schil­de­re.

Was war denn un­ge­fähr das Sch­reck­lichs­te für ei­nen Chris­ten der ers­ten Jahr­hun­der­te? Die­ses Sch­reck­lichs­te muß­te für ihn sein das Tier, das sich auf­bäumt ge­gen die geis­ti­ge Macht des Chris­ten­tums, ge­gen das wah­re Chris­ten­tum. Un­glück­se­li­ger­wei­se ha­ben nun ei­ni­ge Men­schen die Glo­cken et­was läu­ten hö­ren, ha­ben aber nicht ver­spürt das rich­ti­ge Zu­sam­men­schla­gen.

Inn­er­halb ge­wis­ser eso­te­ri­scher Schu­len hat­te man ei­ne Art von Zah­len­schrift. Ge­wis­se Wor­te, die man nicht in ge­wöhn­li­cher Schrift mit­tei­len woll­te, brach­te man durch Zah­len zum Aus­dru­cke. Und es war ja, wie vie­les an­de­re, so auch et­was von den tie­fen Ge­heim­nis­sen der Apo­ka­lyp­se in Zah­len hin­ein­ge­heim­nißt, be­son­ders je­nes dra­ma­ti­sche Er­eig­nis in die Zahl 666. Man wuß­te, daß man Zah­len in be­son­de­rer Wei­se zu be­han­deln hat, na­ment­lich aber, wenn so gründ­lich dar­auf hin­ge­wie­sen wird wie mit den Wor­ten: «Hier ist 'Weis­heit.» «Die Zahl des Tie­res ist 666.» Bei sol­chen Hin­wei­sen wuß­te man, daß man für Zah­len ge­wis­se Buch­sta­ben ein­zu­set­zen hat, um zu wis­sen, was ge­meint ist. Die­je­ni­gen nun, die et­was ge­hört hat­ten und doch nichts wir­k­lich wuß­ten, ha­ben in ih­rer ma­te­ria­lis­ti­schen An­schau­ung her­aus­ge­kriegt, daß, wenn man statt der Zahl 666 Buch­sta­ben ein­setzt, das Wort «Ne­ro» oder «Cae­sar Ne­ro» her­aus­kommt. Und heu­te kön­nen Sie in ei­nem gro­ßen Teil der Li­te­ra­tur, die sich mit der Ent­hül­lung der Apo­ka­lyp­se be­faßt, le­sen: Da wa­ren früh­er die Leu­te so töricht, daß sie al­les mög­li­che in die­se Stel­le hin­ein­ge­heim­nißt ha­ben, aber jetzt ist das ein ge­lös­tes Pro­b­lem. Jetzt wis­sen wir, daß nichts an­de­res ge­meint ist als Ne­ro, «Cae­sar Ne­ro», und es ist klar, daß die Apo­ka­lyp­se zu ei­ner Zeit ge­schrie­ben wor­den ist, als Ne­ro schon ge­lebt hat­te, und daß der Sch­rei­ber mit all dem hat sa­gen wol­len, daß in Ne­ro der Antichrist auf­ge­t­re­ten sei; daß al­so das,

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was in die­sem dra­ma­ti­schen Ele­ment liegt, ei­ne Stei­ge­rung vor­her­ge­hen­der Ele­men­te ist. Nun darf man nur nach­for­schen, was un­mit­tel­bar vor­her ge­sche­hen ist. Dann kommt man dar­auf, was der Apo­ka­lyp­ti­ker hat schil­dern wol­len. Es wird be­rich­tet, daß in Klei­na­si­en Erd­be­ben statt­ge­fun­den ha­ben, als der Kampf zwi­schen Ne­ro und dem Chris­ten­tum wü­te­te. Al­so sind das die Erd­be­ben, die der Apo­ka­lyp­ti­ker er­wähnt bei der Er­öff­nung der Sie­gel und beim Er­tö­nen der Po­sau­nen. Er spricht auch von Heu­sch­re­cken­pla­gen. Rich­tig, es wird ja mit­ge­teilt, daß zur Zeit der Chris­ten­ver­fol­gung durch Ne­ro auch Heu­sch­re­cken­pla­gen auf­t­ra­ten. Al­so er­zählt er von die­sen. So hat es das neun­zehn­te Jahr­hun­dert da­hin ge­bracht, das tiefs­te Do­ku­ment des Chris­ten­tums zu ver­ma­te­ria­li­sie­ren, da­rin nichts zu se­hen als die Schil­de­rung des­sen, was man eben durch die ma­te­ria­lis­ti­sche Be­trach­tung der Welt fin­den kann. Das soll­te nur ge­sagt wer­den, um an­zu­deu­ten, wie gründ­lich ge­ra­de die­ses tiefs­te, be­deut­sams­te Do­ku­ment des eso­te­ri­schen Chris­ten­tums mißv­er­stan­den wor­den ist.

Und nun­mehr wol­len wir al­les, was über das His­to­ri­sche der Apo­ka­lyp­se zu sa­gen ist, uns für die Zeit auf­spa­ren, wo wir das, was in der Apo­ka­lyp­se liegt, be­grif­fen ha­ben, das heißt, wir wol­len es auf die letz­ten Vor­trä­ge ver­schie­ben. Für den, der sich schon ein we­nig in die An­thro­po­so­phie hin­ein­ge­fun­den hat, kann es kei­nen Zwei­fel dar­über ge­ben, daß schon mit den Ein­lei­tungs­wor­ten der Apo­ka­lyp­se dar­auf hin­ge­wie­sen wird, was sie sein soll. Wir brau­chen uns nur zu er­in­nern, daß es heißt: Der, von dem der In­halt der Apo­ka­lyp­se her­rührt, ist hin­ver­setzt wor­den in ei­ne In­sel-Ein­sam­keit, die von je­her mit ei­ner Art hei­li­ger At­mo­sphä­re durch­drun­gen war, an ei­ne Stät­te al­ter Mys­te­ri­en­kul­tur. Und wenn uns ge­sagt wird, daß der­sel­be, der den In­halt der Apo­ka­lyp­se gibt, im Geis­te war und daß er das, was er gibt, im Geis­te wahr­ge­nom­men hat, so mag uns das zu­nächst ein Hin­weis dar­auf sein, daß der In­halt der Apo­ka­lyp­se ei­nem höhe­ren Be­wußt­s­eins­zu­stand ent­stammt, den der Mensch durch die Ent­wi­cke­lung der in­ne­ren See­len­sc­höp­fungs­fähig­keit er­reicht, durch die Ein­wei­hung. Was man nicht inn­er­halb der Sin­nes­welt se­hen und hö­ren kann, nicht mit äu­ße­ren

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Sin­nen wahr­neh­men kann, ist in der Wei­se, wie es durch das Chris­ten­tum der Welt mit­ge­teilt wer­den konn­te, in der so­ge­nann­ten ge­hei­men Of­fen­ba­rung des Jo­han­nes ent­hal­ten. Al­so die Schil­de­rung ei­ner Ein­wei­hung, ei­ner christ­li­chen Ein­wei­hung ha­ben wir in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes vor uns. Wir brau­chen uns nur ein­mal, man möch­te sa­gen, flüch­tig vor die See­le zu ru­fen, was Ein­wei­hung ist. Wir wer­den ja im­mer tie­fer ein­drin­gen in die­ses The­ma, in die Fra­ge: Was geht inn­er­halb der Ein­wei­hung vor? und im­mer tie­fer wer­den wir die Fra­ge be­han­deln: Wie ver­hält sich Ein­wei­hung zu dem In­halt der Apo­ka­lyp­se? Aber wir wer­den zu­nächst et­was wie ei­ne Koh­len­zeich­nung in gro­ben Stri­chen hin­s­tel­len, und dann erst wer­den wir an die Aus­ma­lung der Ein­zel­hei­ten ge­hen.

Ein­wei­hung ist Ent­wi­cke­lung der in je­der See­le schlum­mern­den Kräf­te und Fähig­kei­ten. Will man sich ein Bild da­von ma­chen, wie sie im Rea­len vor sich geht, dann muß man vor al­len Din­gen sich klar vor Au­gen stel­len, wie das Be­wußt­sein des heu­ti­gen nor­ma­len Men­schen ist; dann wird man auch er­ken­nen, wie das Be­wußt­sein des Ein­ge­weih­ten sich un­ter­schei­det von dem des heu­ti­gen Men­schen. Wie ist denn das Be­wußt­sein des nor­ma­len heu­ti­gen Men­schen? Es ist ein wech­seln­des. Zwei ganz ver­schie­de­ne Be­wußt­s­eins­zu­stän­de wech­seln mit­ein­an­der ab, der im Tag­wa­chen und der im nächt­li­chen Schlaf. Das Be­wußt­sein, das wir im Tag­wa­chen ha­ben, be­steht da­rin, daß wir um uns her­um die sinn­li­chen Ge­gen­stän­de wahr­neh­men und sie ver­knüp­fen durch Be­grif­fe, die auch nur durch ein sinn­li­ches Werk­zeug ge­bil­det wer­den kön­nen, durch das men­sch­li­che Ge­hirn. Dann tritt je­de Nacht her­aus aus den nie­d­rigs­ten Glie­dern der men­sch­li­chen We­sen­heit, aus dem phy­si­schen und Äther­leib, der as­tra­li­sche Leib und das Ich, und da­mit ver­sin­ken für das Be­wußt­sein des heu­ti­gen Men­schen die sinn­li­chen Ge­gen­stän­de um ihn her­um in Dun­kel­heit, und nicht nur die­se, denn bis zum Wie­der­auf­wa­chen ist, was man völ­li­ge Be­wußt­lo­sig­keit nennt, vor­han­den. Fins­ter­nis brei­tet sich aus um den Men­schen. Denn der as­tra­li­sche Leib des Men­schen ist heu­te im nor­ma­len Zu­stan­de so or­ga­ni­siert, daß er für sich sel­ber nicht wahr­zu­neh­men ver­mag,

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was in sei­ner Um­ge­bung ist. Er muß In­stru­men­te ha­ben. Die­se In­stru­men­te sind die phy­si­schen Sin­ne. Da­her muß er mor­gens un­ter­tau­chen in den phy­si­schen Leib und sich der sinn­li­chen Werk­zeu­ge be­die­nen. Warum sieht der as­tra­li­sche Leib nichts, wenn er wäh­rend des Nacht­schla­fes in der Geist­welt ist? Warum nimmt er nicht wahr? Aus dem­sel­ben Grun­de, warum ein phy­si­scher Leib, in dem kein Au­ge und kein Ohr wä­re, nicht phy­si­sche Far­ben und phy­si­sche Tö­ne wahr­neh­men könn­te. Der as­tra­li­sche Leib hat kei­ne Or­ga­ne zum Wahr­neh­men in der as­tra­li­schen Welt. Der phy­si­sche Leib war in grau­er Vor­zeit in der­sel­ben La­ge. Er hat­te auch das noch nicht, was spä­ter plas­tisch in ihn hin­ein­ge­ar­bei­tet wor­den ist als Ohr und Au­ge. Die äu­ße­ren Ele­men­te und Kräf­te mei­ßel­ten ihn aus, bil­de­ten ihm die Au­gen und die Oh­ren, und da­mit wur­de die­se Welt für ihn of­fen­bar, die vor­her für ihn auch ge­heim war. Den­ken wir uns ein­mal, es könn­te der as­tra­li­sche Leib, der heu­te in der­sel­ben La­ge ist wie der phy­si­sche Leib früh­er, so be­han­delt wer­den, daß man ihm Or­ga­ne ein­g­lie­der­te in der Wei­se, wie das Son­nen­licht die phy­si­schen Au­gen, wie die ton­vol­le Welt die phy­si­schen Oh­ren plas­tisch hin­ein­ge­ar­bei­tet hat in die wei­che Mas­se des phy­si­schen Men­schen­lei­bes. Den­ken wir uns, in die plas­ti­sche Mas­se des As­tral­lei­bes könn­te man Or­ga­ne hin­ein­ar­bei­ten, dann wür­de der as­tra­li­sche Leib in die­sel­be La­ge kom­men wie der heu­ti­ge phy­si­sche Leib. Dar­um han­delt es sich, daß man in die­sen as­tra­li­schen Leib hin­ein­ar­bei­tet wie ein Plas­ti­ker, der den Ton formt, die Wahr­neh­mung­s­or­ga­ne für die über­sinn­li­che Welt. Das muß das ers­te sein. Wenn der Mensch se­hend wer­den will, muß sein as­tra­li­scher Leib so be­han­delt wer­den wie ei­ne Ton­mas­se von dem Bild­hau­er: Man muß Or­ga­ne hin­ein­ar­bei­ten. Das war in der Tat je­der­zeit das, was in den Ein­wei­hungs­schu­len und in den Mys­te­ri­en ge­tan wur­de. In den as­tra­li­schen Leib wur­den plas­tisch die Or­ga­ne hin­ein­ge­ar­bei­tet.

Wo­rin be­steht nun die Tä­tig­keit, durch wel­che in den as­tra­li­schen Leib plas­tisch hin­ein­ge­ar­bei­tet wer­den die Or­ga­ne? Es könn­te je­mand auf den Ge­dan­ken kom­men, man müs­se doch die­sen Leib erst vor sich ha­ben, be­vor man die Or­ga­ne in ihn hin­ein­ar­bei­ten

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kann. Man könn­te sa­gen: Wenn ich den as­tra­li­schen Leib her­aus­neh­men und vor mir ha­ben könn­te, dann könn­te ich die Or­ga­ne hin­ein­ar­bei­ten. Das wä­re nicht der rich­ti­ge Weg, und das ist vor al­len Din­gen nicht der Weg der mo­der­nen Ein­wei­hung. Ge­wiß, ein Ein­ge­weih­ter, der im­stan­de ist, in den geis­ti­gen Wel­ten zu le­ben, könn­te, wenn in der Nacht der as­tra­li­sche Leib drau­ßen ist, wie ein Bild­hau­er hin­ein­ar­bei­ten die Or­ga­ne. Aber das hie­ße mit dem Men­schen et­was vor­neh­men, wo­von er selbst nichts weiß, das hie­ße in sei­ne Frei­heits­sphä­re ein­g­rei­fen, mit Aus­sch­lie­ßung sei­nes Be­wußt­seins. Wir wer­den se­hen, warum das schon seit län­ge­rer Zeit und ins­be­son­de­re in der heu­ti­gen Zeit nie­mals ge­sche­hen darf. Des­halb muß­te auch schon in sol­chen eso­te­ri­schen Schu­len wie in der py­tha­go­räi­schen oder alt­ä­gyp­ti­schen Schu­le al­les ver­mie­den wer­den, wo­durch die Ein­ge­weih­ten et­wa von au­ßen ge­ar­bei­tet hät­ten an dem as­tra­li­schen Leib, der aus dein phy­si­schen und Äther­lei­be des Ein­zu­wei­hen­den her­aus­ge­nom­men war. Das muß­te schon beim ers­ten An­g­rei­fen der Sa­che weg­b­lei­ben. Es muß­te eben der ers­te Schritt zur Ein­wei­hung un­ter­nom­men wer­den am Men­schen in der ganz ge­wöhn­li­chen phy­si­schen Welt, in der­sel­ben Welt, wo der Mensch mit sei­nen phy­si­schen Sin­nen wahr­nimmt. Aber wie das ma­chen, da ja doch ge­ra­de das phy­si­sche Wahr­neh­men, als es in der Er­de­ne­vo­lu­ti­on ein­t­rat, ei­nen Sch­lei­er über die geis­ti­ge Welt ge­zo­gen hat, die der Mensch früh­er, wenn auch bei dump­fem Be­wußt­sein, hat wahr­neh­men kön­nen, wie al­so von der phy­si­schen Welt aus auf den as­tra­li­schen Leib wir­ken?

Da müs­sen wir uns vor die See­le füh­ren, wie es ist mit die­sem ge­wöhn­li­chen sinn­li­chen Wahr­neh­men des Ta­ges. Was ge­schieht denn, wäh­rend der Mensch tags­über wahr­nimmt? Den­ken Sie ein­mal an Ihr täg­li­ches Le­ben, ver­fol­gen Sie es von Schritt zu Schritt. Bei je­dem Schritt drin­gen Ein­drü­cke der Au­ßen­welt an Sie heran. Sie neh­men sie wahr, Sie se­hen, hö­ren, rie­chen und so wei­ter. Die Ein­drü­cke bei die­ser oder je­ner Ar­beit stür­men den gan­zen Tag an Sie heran, Sie ver­ar­bei­ten sie mit Ih­rem In­tel­lekt. Der Dich­ter, der nicht selbst ein In­spi­rier­ter ist, durch­dringt sie mit sei­ner Phan­ta­sie. Das ist al­les wahr. Aber al­les dies kann zu­nächst nicht da­zu

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füh­ren, daß das Über­sinn­lich-Geis­ti­ge, das hin­ter dem Sinn­li­chen und Ma­te­ri­el­len ist, dem Men­schen zum Be­wußt­sein kommt. Warum kommt es ihm nicht zum Be­wußt­sein? Weil die­se gan­ze Tä­tig­keit, die der Mensch ge­gen­über der Um­welt aus­übt, dem as­tra­li­schen Leib des Men­schen, so wie er heu­te sei­ner ei­gent­li­chen We­sen­heit nach ist, nicht ent­spricht. Da­mals, als in ur­fer­ner Ver­gan­gen­heit der as­tra­li­sche Leib, der dem Men­schen ei­gen war, die Bil­der der as­tra­li­schen Wahr­neh­mun­gen auf­s­tei­gen sah, je­ne Bil­der von Lust und Leid, von Sym­pa­thie und An­ti­pa­thie, da wa­ren die in­ne­ren Im­pul­se vor­han­den, die geis­ti­gen Im­pul­se, die im Men­schen auf­s­tei­gen lie­ßen, was Or­ga­ne form­te. Die­se sind er­tö­tet wor­den da­mals, als der Mensch fähig wur­de, al­le Ein­flüs­se von au­ßen auf sich zu­s­trö­men zu las­sen. Heu­te ist es nicht mög­lich, daß aus all den Ein­drü­cken, die der Mensch wäh­rend des Ta­ges er­hält, im as­tra­li­schen Leib et­was bleibt, was bild­sam, plas­tisch für ihn ist.

Der Vor­gang des Wahr­neh­mens ist so: Den gan­zen Tag über kom­men die. Ein­drü­cke der Au­ßen­welt an uns heran. Die­se wir­ken durch die phy­si­schen Sin­ne auf den Äther­leib und as­tra­li­schen Leib, bis sie dem Ich be­wußt wer­den. Im as­tra­li­schen Leib drü­cken sich die Wir­kun­gen des­sen aus, was auf den phy­si­schen Leib aus­ge­übt wird. Wenn Licht­ein­drü­cke statt­fin­den, so emp­fängt das Au­ge Ein­drü­cke. Der Licht­ein­druck gibt ei­nen Ein­druck auf den Äther- und As­tral­leib, und das Ich wird sich die­ses Ein­dru­ckes be­wußt. So ver­hält es sich auch mit den Ein­drü­cken auf das Ohr und die an­de­ren Sin­ne. Die­ses gan­ze Ta­ges­le­ben wirkt da­her den gan­zen Tag über auf den As­tral­kör­per ein. Der As­tral­kör­per ist im­mer tä­tig un­ter der Ein­wir­kung der Au­ßen­welt. Jetzt tritt er abends her­aus. Da hat er in sich kei­ne Kräf­te, um die Ein­drü­cke be­wußt wer­den zu las­sen, die jetzt in sei­ner Um­ge­bung sind. Die al­ten Kräf­te des Wahr­neh­mens in der ur­fer­nen Ver­gan­gen­heit sind er­tö­tet wor­den beim ers­ten Wahr­neh­men der ge­gen­wär­ti­gen Sin­nes­welt. In der Nacht hat er kei­ne Kräf­te, weil das gan­ze Ta­ges­le­ben un­ge­eig­net ist, et­was im as­tra­li­schen Leib zu­rück­zu­las­sen, was bil­dend auf den As­tral­leib wir­ken könn­te. Al­le Din­ge, wie Sie sie rings­her­um an­schau­en, üben Wir­kun­gen bis auf den As­tral­leib aus. Aber was da be­wirkt

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wird, ist nicht in der La­ge, Ge­stal­tun­gen zu schaf­fen, die zu as­tra­len Or­ga­nen wer­den könn­ten. Das muß der ers­te Schritt der Ein­wei­hung sein: den Men­schen wäh­rend des Ta­ges­le­bens et­was tun zu las­sen, in sei­ner See­le sich et­was ab­spie­len zu las­sen, was fort­wirkt, wenn der as­tra­li­sche Leib in der Nacht her­aus­ge­zo­gen wird aus dem phy­si­schen und Äther­leib. Al­so den­ken Sie sich, bild­lich ge­spro­chen, es wür­de, wäh­rend der Mensch bei vol­lem Be­wußt­sein ist, ihm et­was ge­ge­ben, was er zu tun hät­te, was er ab­spie­len las­sen soll­te und was so ge­wählt wä­re, so ge­g­lie­dert, daß es nicht auf­hör­te zu wir­ken, wenn der Tag vor­über ist. Den­ken Sie sich die­se Wir­kung als ei­nen Ton, der fort­k­lingt, wenn der As­tral­leib her­aus ist; die­ses Fort­k­lin­gen wä­ren dann die Kräf­te, die nun an dem as­tra­li­schen Leib so wirk­ten, so plas­tisch ar­bei­te­ten, wie einst­mals die äu­ße­ren Kräf­te am phy­si­schen Kör­per ge­ar­bei­tet ha­ben. Das war im­mer der ers­te Schritt der Ein­wei­hung: den Men­schen wäh­rend des Ta­ges­le­bens et­was tun zu las­sen, was nach­k­lingt im Nacht­le­ben. Al­les das, was man ge­nannt hat Me­di­ta­ti­on, Kon­zen­t­ra­ti­on und die sons­ti­gen Übun­gen, die der Mensch vor­ge­nom­men hat wäh­rend sei­nes Ta­ges­le­bens, sie sind nichts an­de­res als Ver­rich­tun­gen der See­le, die nicht in ih­ren Wir­kun­gen ers­ter­ben, wenn der As­tral­leib her­aus­geht, son­dern die nach­k­lin­gen und in der Nacht zu bil­den­den Kräf­ten wer­den im as­tra­li­schen Leib.

Das nennt man die Rei­ni­gung des As­tral­lei­bes, die Rei­ni­gung von dem, was dem As­tral­leib nicht an­ge­mes­sen ist. Das war der ers­te Schritt, der auch die Kathar­sis ge­nannt wur­de, die Rei­ni­gung. Sie war noch kei­ne Ar­beit in über­sinn­li­chen Wel­ten. Sie be­stand in Übun­gen der See­le, die der Mensch tags­über mach­te, wie ei­ne Trai­nie­rung der See­le. Sie be­stand in der An­eig­nung ge­wis­ser Le­bens­for­men, ge­wis­ser Le­bens­ge­sin­nun­gen, ei­ner ge­wis­sen Art, das Le­ben zu be­han­deln, so daß es nach­k­lin­gen konn­te, und das ar­bei­te­te am as­tra­li­schen Leib, bis er sich um­ge­wan­delt hat­te, bis sich Or­ga­ne in ihm ent­wi­ckelt hat­ten.

Wenn der Mensch so weit war, daß die­se Or­ga­ne aus dem as­tra­li­schen Leib her­aus­ge­g­lie­dert wa­ren, dann war das nächs­te, daß al­les das, was so in den as­tra­li­schen Leib hin­ein­ge­stal­tet wor­den

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war, sich im Äther­leib ab­druck­te. Wie sich die Schrift ei­nes Pet­schaft ab­druckt im Sie­gel­lack, so muß­te sich al­les, was in den As­tral­leib hin­ein­ge­ar­bei­tet war, im Äther­leib ab­dru­cken. Die­ses Ab­dru­cken ist der nächs­te Schritt der Ein­wei­hung: Er­leuch­tung nann­te man das. Denn da­mit war zu glei­cher Zeit ein be­deu­tungs­vol­ler Mo­ment in der Ein­wei­hung ge­kom­men. Da trat ei­ne geis­ti­ge Welt in der Um­welt des Men­schen auf, so wie vor­her die sinn­li­che Welt da war. Die­se Stu­fe ist zu glei­cher Zeit cha­rak­te­ri­siert da­durch, daß die Vor­gän­ge der äu­ße­ren geis­ti­gen Welt sich nicht so aus­drü­cken, wie es die phy­sisch-sinn­li­chen Din­ge tun, son­dern in Bil­dern. Die geis­ti­ge Welt drückt sich auf die­ser Stu­fe der Er­leuch­tung zu­erst in Bil­dern aus. Der Mensch sieht Bil­der. Den­ken Sie an den al­ten Ein­ge­weih­ten, von dem ich ges­tern an­ge­deu­tet ha­be, daß er die Volks­grup­pen­see­le ge­se­hen hat. Wenn er so weit war, dann sah er die­se Grup­pen­see­le, zu­nächst in Bil­dern. Den­ken wir zum Bei­spiel an ei­nen Ein­ge­weih­ten, wie Eze­chiel ei­ner war. Als die Er­leuch­tung für ihn be­gann, tra­ten ihm geis­ti­ge We­sen­hei­ten als Volks-, als Grup­pen­see­len ent­ge­gen. Er fühl­te sich in ih­rer Mit­te. Grup­pen­see­len in Form vier sym­bo­li­scher Tie­re tra­ten ihm ent­ge­gen.

So kam in be­deu­tungs­vol­len Bil­dern zu­nächst die geis­ti­ge Welt an den Men­schen heran. Das war die ers­te Stu­fe. Dann folg­te das Wei­ter­hin­ein­le­ben in den Äther­leib. Dem, was zu­nächst wie ein Sie­ge­l­ab­druck vor­han­den war, folg­te ein wei­te­res Hin­ein­le­ben in den Äther­leib. Da be­ginnt zu den Bil­dern hin­zu­zu­t­re­ten das, was man die Sphä­ren­mu­sik ge­nannt hat. Die höhe­re geis­ti­ge Welt wird als Ton wahr­ge­nom­men. Der höhe­re Ein­ge­weih­te be­ginnt, nach­dem er durch die Er­leuch­tung die geis­ti­ge Welt in Bil­dern wahr­ge­nom­men hat, geis­tig hin­zu­lau­schen auf je­ne Tö­ne, die für das geis­ti­ge Ohr wahr­nehm­bar sind. Dann kommt man an die spä­te­re Um­wand­lung des Äther­lei­bes, und da tritt uns in ei­ner noch höhe­ren Sphä­re noch et­was an­de­res ent­ge­gen. Tö­ne kön­nen Sie noch hö­ren, wenn Sie zum Bei­spiel hier ei­nen Wand­schirm ha­ben und hin­ter ihm ein Mensch spricht, den Sie nicht se­hen. So et­wa ist es mit der geis­ti­gen Welt. Zu­erst tritt sie in Bil­dern auf, dann tönt

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sie her­über, und es fällt die letz­te Hül­le weg so­zu­sa­gen wie wenn wir ei­nen Schirm weg­tä­ten, hin­ter dem der Mensch steht und spricht: Wir se­hen den Men­schen selbst : Wir se­hen die geis­ti­ge Welt selbst, die We­sen der geis­ti­gen Welt. Zu­erst neh­men wir wahr die Bil­der, dann die Tö­ne, dann die We­sen und end­lich das Le­ben die­ser We­sen. Man kann ja oh­ne­dies das, was als Bil­der in der so­ge­nann­ten ima­gi­na­ti­ven Welt ist, nur an­deu­ten, in­dem man Bil­der aus der sinn­li­chen Welt als Sym­bo­le ge­braucht. Man kann nur ei­ne Vor­stel­lung von der Sphä­ren­har­mo­nie ge­ben durch Ver­g­lei­che mit der sinn­li­chen Mu­sik. Was läßt sich nun ver­g­lei­chen mit dem we­sen­haf­ten Aus­druck auf der drit­ten Stu­fe? Da­mit läßt sich nur ver­g­lei­chen das, was heu­te das In­ners­te des Men­schen aus­macht, sein Wir­ken im Sin­ne des gött­li­chen Wel­ten­wol­lens. Wirkt der Mensch im Sin­ne des Wil­lens je­ner geis­ti­gen We­sen­hei­ten, die un­se­re Welt vor­wärts­brin­gen, dann wird das We­sen in ihm die­sen We­sen ähn­lich wer­den, dann wird er wahr­neh­men in die­ser Sphä­re. Das, was in ihm wi­der­st­rebt der Wel­te­ne­vo­lu­ti­on, was die Welt zu­rück­hält in ih­rem Fort­schritt, das nimmt er wahr als et­was, was aus­ge­schal­tet wer­den muß in die­ser Welt, was wie ei­ne letz­te Hül­le fal­len muß.

So nimmt der Mensch erst ei­ne Bil­der­welt wahr als den sym­bo­li­schen Aus­druck der geis­ti­gen Welt, dann ei­ne Welt der Sphä­ren­har­mo­nie als den sym­bo­li­schen Aus­druck ei­ner höhe­ren geis­ti­gen Sphä­re, dann ei­ne Welt von geis­ti­gen We­sen­hei­ten, von de­nen er heu­te nur da­durch sich ei­ne Vor­stel­lung ma­chen kann, daß er sie mit dem In­ners­ten sei­nes ei­ge­nen We­sens ver­g­leicht, mit dem, was in ihm wirkt im Sin­ne der gu­ten Kräf­te oder aber im Sin­ne der bö­sen geis­ti­gen Kräf­te.

Die­se Stu­fen macht der Ein­zu­wei­hen­de durch und die­se Stu­fen sind ge­treu­lich ab­ge­bil­det in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes. Aus­ge­gan­gen wird da von der phy­si­schen Welt. Ge­sagt wird das­je­ni­ge, was zu­nächst zu sa­gen ist mit den Mit­teln der phy­si­schen Welt, in den sie­ben Brie­fen. Was man inn­er­halb der phy­si­schen Kul­tur tun will, was man de­nen sa­gen will, die in der phy­si­schen Welt wir­ken, man sagt es ih­nen in Brie­fen. Denn das Wort, das im Brie­fe aus-

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ge­drückt wird, das kann inn­er­halb der sinn­li­chen Welt sei­ne Wir­kung tun. Die ers­te Stu­fe gibt Sym­bo­le, die be­zo­gen wer­den müs­sen auf das, was sie in der geis­ti­gen Welt aus­drü­cken: Nach den sie­ben Brie­fen kommt die Welt der sie­ben Sie­gel, die Welt der Bil­der, der ers­ten Stu­fe der Ein­wei­hung. Dann kommt die Welt der Sphä­ren­har­mo­nie, die Welt, wie sie der­je­ni­ge wahr­nimmt, der geis­tig hö­ren kann. Sie ist dar­ge­s­tellt in den sie­ben Po­sau­nen. Die nächs­te Welt, wo der Ein­ge­weih­te We­sen­hei­ten wahr­nimmt, ist dar­ge­s­tellt durch das, was als We­sen­hei­ten auf die­ser Stu­fe auf­tritt und was ab­st­reift die Scha­len der Kräf­te, die den gu­ten ge­gen­tei­lig sind. Das Ge­gen­teil der gött­li­chen Lie­be ist der gött­li­che Zorn. Die wah­re Ge­stalt der gött­li­chen Lie­be, die die Welt vor­wärts­bringt, wird in die­ser drit­ten Sphä­re wahr­ge­nom­men von de­nen, die für die phy­si­sche Welt ab­ge­st­reift ha­ben die sie­ben Zor­nes­scha­len.

So wird der Ein­zu­wei­hen­de stu­fen­wei­se hin­auf­ge­führt die Ein­wei­hungs­sphä­ren. In den sie­ben Brie­fen der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes ha­ben wir das, was den sie­ben Ka­te­go­ri­en der phy­si­schen Welt ge­hört, in den sie­ben Sie­geln, was der as­tra­lisch-ima­gi­na­ti­ven Welt ge­hört, in den sie­ben Po­sau­nen das, was der de­vacha­ni­schen höhe­ren Welt ge­hört, und in den sie­ben Zor­nes­scha­len das, was ab­ge­wor­fen wer­den muß, wenn der Mensch sich er­he­ben will in das höchs­te Geis­ti­ge, das zu­nächst für un­se­re Welt zu er­rei­chen ist, weil die­ses höchs­te Geis­ti­ge noch mit un­se­rer Welt zu­sam­men­hängt.

Nur die äu­ße­re Struk­tur woll­ten wir heu­te hin­s­tel­len von dem, was die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes ist. Flüch­ti­ge und we­ni­ge Stri­che sind es, die uns hin­deu­ten konn­ten dar­auf, daß die Apo­ka­lyp­se ein Ein­wei­hungs­buch ist. Mor­gen wer­den wir da­ran ge­hen, die ers­ten Schrit­te zur Aus­füh­rung die­ser flüch­ti­gen Zeich­nung zu ma­chen.

04 – ZWEITER VORTRAG, Nürnberg, 19. Juni 1908

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Zwei­ter VOR­TRAG

Nürn­berg, 19. Ju­ni 1908

In ei­ner Art Ein­lei­tung ha­ben wir ges­tern den Geist der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes im all­ge­mei­nen cha­rak­te­ri­siert. Wir ver­such­ten ei­ni­ge gro­ße Richt­li­ni­en hin­zu­s­tel­len, durch die uns klar­wer­den kann, daß in die­ser Apo­ka­lyp­se das­je­ni­ge ge­schil­dert ist, was man nen­nen kann ei­ne christ­li­che Ein­wei­hung oder ei­ne christ­li­che In­i­tia­ti­on. Es wird heu­te mei­ne Auf­ga­be sein, Ih­nen das We­sen der Ein­wei­hung oder In­i­tia­ti­on im all­ge­mei­nen dar­zu­s­tel­len, Ih­nen zu schil­dern, was vor­geht im Men­schen, wenn er durch die Ein­wei­hung in die La­ge ver­setzt wer­den soll, sel­ber hin­ein­zu­schau­en in je­ne geis­ti­gen Wel­ten, die hin­ter den sinn­li­chen Wel­ten lie­gen, und es wird fer­ner mei­ne Auf­ga­be sein, in ei­ni­gen grö­ße­ren Zü­gen zu schil­dern, wel­cher Art die Er­leb­nis­se inn­er­halb der Ein­wei­hung sind. Denn nur da­durch, daß wir uns ein we­nig ge­nau­er ein­las­sen auf das We­sen der Ein­wei­hung, nur da­durch kön­nen wir die­se be­deu­ten­de re­li­giö­se Ur­kun­de der Apo­ka­lyp­se nach und nach zu un­se­rem Ver­ständ­nis brin­gen.

Zu­nächst müs­sen wir noch ein­mal die bei­den Be­wußt­s­eins­zu­stän­de des Men­schen ge­nau be­trach­ten, al­so je­nen Be­wußt­s­eins­zu­stand, der vom Mor­gen, wenn der Mensch auf­wacht, dau­ert bis zum Abend, wenn er ein­schläft, und den an­de­ren Be­wußt­s­eins­zu­stand, der mit dem Ein­schla­fen be­ginnt und mit dem Auf­wa­chen en­digt. Wir ha­ben uns oft vor die See­le ge­führt, daß der Mensch, so wie er uns in sei­ner heu­ti­gen Ge­stalt ent­ge­gen­tritt, zu­nächst ei­ne vier­fa­che We­sen­heit ist, daß er be­steht aus dem phy­si­schen Leib, dem Äther­leib, dem as­tra­li­schen Leib und dem Ich. In der äu­ße­ren Form er­schei­nen dem hell­se­hen­den Be­wußt­sein die­se vier Glie­der so, daß zu­nächst, wie ei­ne Art Kern, in der Mit­te der phy­si­sche Men­schen­leib ist. Las­sen Sie uns nur ganz sche­ma­tisch die Sa­che vor un­se­re Au­gen stel­len (es wird ge­zeich­net). Die­ser phy­si­sche Leib ist durch­drun­gen wäh­rend des Ta­ges von dem so­ge­nann­ten

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Äther­leib, der nur ganz we­nig, zu­nächst um den Kopf her­um, wie ein hel­ler Licht­schein her­vor­ragt, der aber den Kopf ganz durch­dringt. Wei­ter nach un­ten wird der Äther- oder Le­bens­leib im­mer ne­bel­haf­ter und un­deut­li­cher, und je mehr wir uns den un­te­ren Glie­dern des Men­schen näh­ern, des­to we­ni­ger zeigt er die Form des phy­si­schen Lei­bes in so st­ren­gem Sin­ne.

Die­se zwei Glie­der der men­sch­li­chen We­sen­heit sind nun wie­der­um bei Ta­ge ein­ge­hüllt von dem, was wir den as­tra­li­schen Leib nen­nen, der nach al­len Sei­ten wie ein El­lip­so­id, wie ei­ne Ei­form her­aus­ragt und in sei­ner Grund­form leuch­ten­de Strah­len hat, die ei­gent­lich so aus­se­hen, wie wenn sie von au­ßen nach in­nen lau­fen und von au­ßen nach in­nen den Men­schen durch­drin­gen wür­den. In die­sen As­tral­leib sind hin­ein­ge­zeich­net ei­ne Un­sum­me von ver­schie­de­n­er­lei Fi­gu­ren, al­le mög­li­chen Ar­ten von Li­ni­en und Strah­len, man­che blitz­ar­tig, man­che in son­der­ba­ren Win­dun­gen. Das al­les um­gibt in den man­nig­fal­tigs­ten Lich­t­er­schei­nun­gen den Men­schen. Der as­tra­li­sche Leib ist der Aus­druck sei­ner Lei­den­schaf­ten, sei­ner In­s­tink­te, Trie­be und Be­gier­den, aber auch al­ler sei­ner Ge­dan­ken und Vor­stel­lun­gen. In die­sem as­tra­li­schen Leib sieht das hell­se­he­ri­sche Be­wußt­sein al­les ab­ge­bil­det, was man see­li­sche Er­leb­nis­se nennt, von dem nie­ders­ten Trie­be an bis hin­auf zum höchs­ten sitt­li­chen Idea­le. Und dann ha­ben wir das vier­te Glied der men­sch­li­chen We­sen­heit, das man so zeich­nen möch­te, als ob et­was Strah­len he­r­ein­sen­det an den Punkt, der et­wa ei­nen Zenti­me­ter hin­ter der Stir­ne liegt. Das wür­de die sche­ma­ti­sche Dar­stel­lung des vier­g­lie­d­ri­gen Men­schen sein. Wir wer­den im Lau­fe die­ser Vor­trä­ge se­hen, wie sich die ein­zel­nen Tei­le im Gan­zen aus­neh­men.

Das al­so ist der Mensch wäh­rend des Ta­ges, vom Mor­gen, wenn er auf­wacht, bis zum Abend, wenn er ein­schläft. Abends nun, wenn er ein­schläft, blei­ben im Bet­te lie­gen der phy­si­sche und der Äther­leib, und es zeigt sich ei­ne Art Her­aus­strö­men des­sen, was wir als den as­tra­li­schen Leib be­zeich­net ha­ben. Das «Her­aus­strö­men» ist et­was un­ge­nau aus­ge­drückt. Ei­gent­lich ist es, wie wenn ei­ne Art Ne­bel sich bil­de­te, so daß wir al­so in der Nacht den aus dem

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phy­si­schen und äthe­ri­schen Leib her­aus­ge­gan­ge­nen as­tra­li­schen Leib wie ei­ne Art von spi­ra­li­gem Ne­bel um den Men­schen her­um se­hen, wäh­rend­dem das vier­te Glied der men­sch­li­chen We­sen­heit nach der ei­nen Sei­te hin fast ganz ver­schwin­det, das heißt ins Un­be­stimm­te ver­läuft. Der nach un­ten ver­lau­fen­de Teil des As­tral­lei­bes ist nur sehr schwach zu se­hen, der obe­re Teil wird als der her­aus­ge­t­re­te­ne as­tra­li­sche Leib an­ge­spro­chen.

Nun ha­ben wir schon ges­tern be­tont, was für den Men­schen zu ge­sche­hen hat, wenn er die Ein­wei­hung emp­fan­gen soll. Wenn der Mensch sich nur mit dem be­schäf­tigt, wo­mit sich die Men­schen in un­se­rem Zei­tal­ter ge­mei­nig­lich be­fas­sen, so kann er kei­ne Ein­wei­hung er­hal­ten. Der Mensch muß so vor­be­rei­tet wer­den, daß er wäh­rend des ge­wöhn­li­chen Ta­ges­le­bens je­ne Übun­gen macht, die ihm von den Ein­ge­weih­ten­schu­len vor­ge­schrie­ben wer­den, Me­di­ta­ti­on, Kon­zen­t­ra­ti­on und so wei­ter. Die­se Übun­gen sind im Grun­de ge­nom­men in be­zug auf ih­re Be­deu­tung für den Men­schen bei al­len Ein­wei­hungs­schu­len die­sel­ben. Sie sind nur in­so­fern ein we­nig von­ein­an­der ver­schie­den, als sie, je wei­ter wir zu­rück­ge­hen in die vor­christ­li­chen Ein­wei­hungs­schu­len, mehr dar­auf ge­rich­tet sind, das Den­ken, die Denk­kräf­te zu üben, zu trai­nie­ren. Je mehr wir uns den christ­li­chen Zei­ten näh­ern, des­to mehr sind sie dar­auf ge­rich­tet, die Ge­müts­kräf­te zu schu­len, und je näh­er wir den neue­ren Zei­ten kom­men, des­to mehr se­hen wir, wie in den so­ge­nann­ten Ro­sen­k­reu­zer­schu­lun­gen, durch die For­de­run­gen und Be­dürf­nis­se der Mensch­heit be­dingt, ei­ne be­son­de­re Art der Wil­lens­kul­tur, der Wil­lens­übun­gen ein­ge­führt wird. Wenn auch die Me­di­ta­tio­nen zu­nächst ähn­li­che sind wie in den an­de­ren vor­christ­li­chen Schu­len, so herrscht doch übe­rall auf dem Grun­de der Ro­sen­k­reu­zer­übun­gen ei­ne be­son­de­re Schu­lung des Wil­lens­e­le­men­tes. Wor­auf es aber an­kommt und was eben­so er­reicht wur­de durch die Übun­gen der ori­en­ta­li­schen Mys­te­ri­en­schu­lung, wie bei der ägyp­ti­schen und der py­tha­go­räi­schen Schu­le und so wei­ter, und was auch die Wir­kung je­ner Übun­gen aus­macht, die vor­zugs­wei­se von der Me­di­ta­ti­on des Jo­han­nes-Evan­ge­li­ums aus­ge­hen, das ist, daß auf den Men­schen wäh­rend des Ta­ges­le­bens, wenn auch nur

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durch kur­ze Zeit, mei­net­we­gen nur fünf oder fünf­zehn Mi­nu­ten, so ge­wirkt wird, daß die Wir­kung auch dann bleibt, wenn je­ner Zu­stand beim schla­fen­den Men­schen ein­tritt, wo der as­tra­li­sche Leib her­aus­geht. Bei ei­nem Men­schen, der sol­che, sa­gen wir, ok­kul­te Übun­gen macht, bei dem zeigt nach und nach der as­tra­li­sche Leib in der Nacht die man­nig­fal­tigs­ten Ve­r­än­de­run­gen. Er weist an­de­re Lich­t­er­schei­nun­gen auf, er zeigt je­ne plas­ti­sche Glie­de­rung der Or­ga­ne, von der wir schon ge­spro­chen ha­ben; und dann wird das im­mer deut­li­cher und deut­li­cher. Der as­tra­li­sche Leib be­kommt nach und nach ei­ne in­ne­re Or­ga­ni­sa­ti­on, wie sie der phy­si­sche Leib in sei­nen Au­gen, Oh­ren und so wei­ter hat.

Das wür­de aber noch im­mer nicht da­hin füh­ren, viel zu schau­en, ins­be­son­de­re nicht beim heu­ti­gen Men­schen. Al­ler­dings, ei­ni­ges nimmt der Mensch schon wahr, wenn sei­ne in­ne­ren Or­ga­ne ei­ne Wei­le aus­ge­bil­det sind. Dann be­ginnt er, wäh­rend des Schla­fes ein Be­wußt­sein zu ha­ben. Geis­ti­ge Um­wel­ten däm­mern her­aus aus der sons­ti­gen all­ge­mei­nen Fins­ter­nis. Was da der Mensch wahr­neh­men kann, was na­ment­lich in den äl­te­ren Zei­ten der Mensch wahr­ge­nom­men hat, denn heu­te ist es schon sel­te­ner, das sind wun­der­ba­re Bil­der pflanz­li­chen Le­bens. Das sind die pri­mi­tivs­ten Er­run­gen­schaf­ten des Hell­se­her­tums. Wo früh­er nur die Fins­ter­nis der Be­wußt­lo­sig­keit war, steigt et­was wie ein traum­haft Le­ben­di­ges, aber Wir­k­li­ches von ei­ner Art Pflan­zen­ge­bil­de auf. Und vie­les von dem, was Ih­nen ge­schil­dert ist in den My­tho­lo­gi­en der al­ten Völ­ker, ist auf die­se Art ge­se­hen wor­den. Wenn ge­schil­dert wird in Sa­gen, daß Wo­tan, Wi­le und We ei­nen Baum am Stran­de fan­den und daß sie dar­aus den Men­schen ge­bil­det ha­ben, so weist das dar­auf hin, daß es zu­erst in ei­nem sol­chen Bil­de ge­schaut wor­den ist. In al­len My­tho­lo­gi­en kön­nen Sie die­se pri­mi­ti­ve Art des Schau­ens, des pflanz­li­chen Schau­ens wahr­neh­men. Die Schil­de­rung ei­nes sol­chen Schau­ens ist auch das Pa­ra­dies, na­ment­lich mit sei­nen bei­den Bäu­men der Er­kennt­nis und des Le­bens; das ist das Er­geb­nis die­ses as­tra­li­schen Schau­ens. Und nicht um­sonst wird Ih­nen in der Ge­ne­sis sel­ber an­ge­deu­tet, daß das Pa­ra­dies und das, was über­haupt in dem Be­ginn der bib­li­schen Dar­stel­lung ge­schil­dert wird,

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ge­schaut wor­den ist. Man muß nur erst die Bi­bel le­sen ler­nen, dann wird man schon ver­ste­hen, wie tief und be­deut­sam sie die­sen ge­heim­nis­vol­len Zu­stand fest­hält in ih­ren Schil­de­run­gen. So wie man heu­te lehrt über das Pa­ra­dies, über den Be­ginn der Bi­bel, hat man früh­er nicht ge­lehrt. Da hat man hin­ge­wie­sen dar­auf: Adam ver­fiel in ei­nen Schlaf und das war je­ner Schlaf, so sag­te man den ers­ten Chris­ten, in wel­chem Adam rück­schau­end die Er­schei­nun­gen wahr­nahm, die im Be­gin­ne der Ge­ne­sis ge­schil­dert wer­den. Erst heu­te glaubt man, daß sol­che Wor­te wie «Adam ver­fiel in ei­nen Schlaf» zu­fäl­lig da­ste­hen. Sie ste­hen nicht zu­fäl­lig da. Je­des Wort in der Bi­bel ist von ei­ner tie­fen Be­deu­tung, und erst der­je­ni­ge kann die Bi­bel ver­ste­hen, der je­des ein­zel­ne Wort zu wür­di­gen weiß.

Das ist al­so das Ers­te. Dann aber muß­te in den vor­christ­li­chen Mys­te­ri­en noch et­was Be­son­de­res ein­t­re­ten. Wenn der Mensch al­so lan­ge Zeit hin­durch und das dau­er­te sehr lan­ge sei­ne Übun­gen ge­macht hat­te, wenn er das un­ge­fähr auf­ge­nom­men hat­te, was nö­t­ig war, um Ord­nung zu schaf­fen in sei­ner See­le, wenn er in sich auf­ge­nom­men hat­te das, was wir et­wa heu­te An­thro­po­so­phie nen­nen, dann wur­de er zu­letzt der ei­gent­li­chen al­ten In­i­tia­ti­on teil­haf­tig. Wo­rin be­stand die­se al­te Ein­wei­hung?

Es ge­nügt nicht, daß im as­tra­li­schen Leib die Or­ga­ne aus­ge­bil­det wer­den. Sie müs­sen sich ab­dru­cken im Äther­leib. Wie das Pet­schaft sei­ne Buch­sta­ben ab­druckt im Sie­gel­lack, so müs­sen die Or­ga­ne des as­tra­li­schen Lei­bes ab­ge­druckt wer­den im Äther­leib. Zu die­sem Zwe­cke wur­de in al­ten Ein­wei­hun­gen der ein­zu­wei­hen­de Schü­ler in ei­ne ganz be­son­de­re La­ge ge­bracht. Er wur­de näm­lich drei­ein­halb Ta­ge hin­durch in ei­nen tod­ähn­li­chen Zu­stand ge­bracht. Wir wer­den im­mer mehr er­ken­nen, daß je­ner Zu­stand heu­te nicht mehr durch­ge­führt wer­den kann und darf, son­dern daß man jetzt an­de­re Mit­tel der Ein­wei­hung hat. Ich schil­de­re jetzt die vor­christ­li­che Ein­wei­hung. In die­ser wur­de der Ein­zu­wei­hen­de durch drei­ein­halb Ta­ge von dem, der das ver­stand, in ei­nen tod­ähn­li­chen Zu­stand ge­bracht. Ent­we­der wur­de er in ei­ne Art klei­nen Ge­ma­ches ge­legt, in ei­ne Art Gr­ab. Da ruh­te er in ei­nem Zu­stand von To­des­schlaf. Oder aber er wur­de in ei­ner be­son­de­ren La­ge an ein Kreuz

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ge­bun­den mit aus­ge­st­reck­ten Hän­den, denn das för­dert das Ein­t­re­ten je­nes Zu­stan­des, den man er­zie­len woll­te.

Wir wis­sen aus den man­nig­fal­tigs­ten Vor­trä­gen, daß der Tod beim Men­schen da­durch ein­tritt, daß der Äther­leib mit dem as­tra­li­schen Leib und dem Ich her­aus­geht und nur der phy­si­sche Leib zu­rück­b­leibt. Da tritt et­was im To­de ein, was nie­mals sonst zwi­schen Ge­burt und Tod im re­gel­mä­ß­i­gen Ver­lauf des Le­bens ein­ge­t­re­ten ist. Der Äther­leib hat nie­mals, auch im tiefs­ten Schla­fe nicht, den phy­si­schen Leib ver­las­sen, son­dern war im­mer da­r­in­nen. Im To­de ver­läßt der Äther­leib den phy­si­schen Leib. Wäh­rend je­nes to­de­s­ähn­li­chen Zu­stan­des nun ver­ließ we­nigs­tens ein Teil des Äther­lei­bes auch den phy­si­schen Leib, so daß al­so ein Teil des Äther­lei­bes, der sonst da­r­in­nen war, in die­sem Zu­stand sich drau­ßen be­fand. Man schil­dert das, wie Sie wis­sen, in mehr exo­te­ri­schen Vor­trä­gen da­durch, daß man sagt, der Äther­leib wer­de her­aus­ge­zo­gen. Das ist nicht ei­gent­lich der Fall. Aber die­se fei­nen Un­ter­schei­dun­gen kön­nen wir erst jetzt ma­chen. So al­so ha­ben wir wäh­rend die­ser drei­ein­halb Ta­ge, wäh­rend wel­cher der Pries­ter-In­i­tia­tor den Ein­zu­wei­hen­den wohl über­wach­te, den Men­schen in ei­nem Zu­stan­de, daß nur sein un­te­rer Teil mit dem Äther­leib ve­r­ei­nigt war. Das ist der Mo­ment, wo sich der as­tra­li­sche Leib mit all dem, was er an Or­ga­nen in sich aus­ge­bil­det hat, ab­druckt im Äther­lei­be. In die­sem Mo­ment tritt die Er­leuch­tung ein. Wenn der Ein­zu­wei­hen­de nach drei­ein­halb Ta­gen er­weckt wur­de, dann war bei ihm das ein­ge­t­re­ten, was man die Er­leuch­tung nennt, das­je­ni­ge, was fol­gen muß­te auf die Rei­ni­gung, die bloß in der Aus­bil­dung der Or­ga­ne des as­tra­li­schen Lei­bes be­steht. Jetzt war der Schü­ler ein Wis­sen­der in der geis­ti­gen Welt. Was er früh­er ge­se­hen hat­te, war nur ei­ne Vor­stu­fe des Schau­ens. Die­se Welt, die aus ei­ner Art von Ge­bil­den be­stand, die vor­zugs­wei­se Pflan­zen nach­bil­de­te, sie er­gänz­te sich jetzt durch we­sent­lich neue Ge­bil­de.

Nun kom­men wir da­hin, ge­nau­er zu cha­rak­te­ri­sie­ren, was der Ein­ge­weih­te an­fing zu schau­en. Jetzt, wo er bis zur Er­leuch­tung ge­führt war, da war es ihm klar, wenn er er­weckt wur­de, daß er et­was ge­se­hen hat­te, was er vor­her nie­mals in sein Wis­sen hat­te

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auf­neh­men kön­nen. Was hat­te er denn ge­se­hen? Was konn­te er sich in ge­wis­ser Be­zie­hung als be­deut­sa­mes Er­in­ne­rungs­bild sei­nes Schau­ens vor die See­le ru­fen? Wenn wir uns klar­ma­chen wol­len, was der Be­tref­fen­de ge­se­hen hat­te, dann müs­sen wir ein we­nig hin­bli­cken auf die Ent­wi­cke­lung des Men­schen. Wir müs­sen uns er­in­nern, daß erst all­mäh­lich der Mensch je­nen Grad in­di­vi­du­el­len Be­wußt­seins be­kom­men hat­te, den er heu­te hat. Daß er in ei­ner sol­chen Wei­se zu sich Ich sa­gen kann, wie er es heu­te tut, das war nicht im­mer der Fall. Wir brau­chen nur zu­rück­zu­ge­hen in die Zeit, als die Che­rus­ker, He­ru­ler und so wei­ter in den Ge­gen­den wohn­ten, wo heu­te die Deut­schen le­ben. Da fühl­te sich der ein­zel­ne nicht als Ein­zel­men­schen-Ich, son­dern als Glied sei­nes Stam­mes. Wie die Fin­ger sich nicht füh­len als et­was für sich Be­ste­hen­des, so fühl­te der ein­zel­ne Che­rus­ker nicht in der Wei­se, daß er zu sich un­be­dingt Ich sag­te. Das Ich war das Ich des gan­zen Stam­mes. Der Stamm stell­te ei­nen Or­ga­nis­mus dar, und zu­sam­men­ge­hö­ri­ge Grup­pen von Men­schen, die in der Bluts­ver­wandt­schaft ver­bun­den wa­ren, hat­ten so­zu­sa­gen ei­ne ge­mein­schaft­li­che Ich-See­le. 'Wie heu­te Ih­re zwei Ar­me zu Ih­rem Ich ge­hö­ren, so wa­ren Sie selbst Glie­der ei­ner grö­ße­ren Ge­mein­schaft in je­nen Zei­ten.

Das ist ja noch deut­lich aus­ge­spro­chen bei dem Vol­ke, das sich be­kennt zum Al­ten Te­s­ta­men­te. Da fühl­te sich als ein Glied des Vol­kes je­der ein­zel­ne. Es ist so, daß der ein­zel­ne nicht im höchs­ten Sin­ne von sich sprach, wenn er das ge­wöhn­li­che Ich aus­sprach, son­dern daß er et­was Tie­fe­res fühl­te, wenn er sag­te: «Ich und der Va­ter Abra­ham sind eins.» Denn für ihn ging bis Abra­ham hin­auf ein ge­wis­ses Ich-Be­wußt­sein, das durch al­le Ge­ne­ra­tio­nen von Abra­ham bis zum ein­zel­nen her­un­ter­kam. Was bluts­ver­wandt war, das war in ei­nem Ich be­sch­los­sen. Es war wie ei­ne ge­mein­sa­me Ich-Grup­pen­see­le, die das gan­ze Volk um­faß­te, und die­je­ni­gen, die die Din­ge durch­schau­ten, sag­ten sich: Das, was wir­k­lich un­ser in­ners­tes, un­ver­gäng­li­ches We­sen aus­macht, das wohnt nicht im ein­zel­nen, das wohnt im gan­zen Vol­ke. Al­le ein­zel­nen Glie­der ge­hö­ren zu die­sem ge­mein­sa­men Ich. Da­her war sich auch je­der sol­cher Be­ken­ner klar: Stirbt er, dann ve­r­ei­nigt er sich mit ei­ner un­sicht-

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ba­ren We­sen­heit, die hin­auf­geht bis zum Va­ter Abra­ham. Wir­k­lich fühl­te der ein­zel­ne, daß er hin­auf­kam in den Schoß Abra­hams. Da fühl­te er sich wie im Un­ver­gäng­li­chen ge­bor­gen in der Grup­pen­see­le des Vol­kes. Die­se Grup­pen­see­le des gan­zen Vol­kes konn­te nicht her­un­ter­s­tei­gen auf den phy­si­schen Plan. Da sa­hen sie nur ein­zel­ne Men­schen­ge­stal­ten. Aber die wa­ren ih­nen nicht die Wir­k­lich­keit, son­dern die Wir­k­lich­keit war in der geis­ti­gen Welt. Sie ahn­ten, daß das, was durch das Blut fließt, das Gött­li­che sei. Und weil sie den Gott se­hen muß­ten in Je­ho­va, nann­ten sie die­ses Gött­li­che Jah­ve, oder auch sein Ant­litz: Mi­cha­el. Als geis­ti­ge Grup­pen­see­le des Vol­kes be­trach­te­ten sie Jah­ve.

Der ein­zel­ne Mensch hier konn­te die­se geis­ti­gen We­sen­hei­ten nicht se­hen. Der Ein­ge­weih­te, der den gro­ßen Mo­ment er­leb­te, wo der as­tra­li­sche Leib in den Äther­leib hin­ein­ge­druckt wur­de, der be­kam zu­erst die wich­tigs­ten Grup­pen­see­len zu schau­en. Wenn wir näm­lich zu­rück­schau­en in die al­ten Zei­ten der Mensch­heit, so fin­den wir übe­rall, daß das ge­gen­wär­ti­ge Ich sich her­aus­ent­wi­ckelt hat aus sol­chem Grup­pen­be­wußt­sein, Grup­pen-Ich, so daß für den Se­her, wenn er zu­rück­schaut, die ein­zel­nen Men­schen im­mer mehr zu­sam­men­strö­men in die Grup­pen­see­len. Nun gibt es haupt­säch­lich vier Ty­pen von Grup­pen­see­len, vier Ur­bil­der von Grup­pen­see­len. Wenn man al­le ver­schie­de­nen Grup­pen­see­len der ver­schie­de­nen See­len nimmt, so ha­ben sie ei­ne ge­wis­se Ähn­lich­keit, aber auch Ver­schie­den­hei­ten. Teilt man sie ein, so er­hält man vier Grup­pen, vier Ur­bil­der. Man be­kommt sie deut­lich zu se­hen, wenn man hell­se­he­risch zu­rück­schaut in je­ne Zeit, als der Mensch noch nicht im Flei­sche war, noch nicht her­ab­ge­s­tie­gen war auf die Er­de. Denn jetzt müs­sen wir uns ge­nau­er dar­s­tel­len den Mo­ment, wo der Mensch her­ab­ge­s­tie­gen ist ins Fleisch aus den geis­ti­gen Re­gio­nen. Wir kön­nen die­sen Mo­ment nur in gro­ßen Sym­bo­len schil­dern.

Ein­mal gab es ei­ne Zeit, wo un­se­re Er­de ei­ne viel wei­che­re Ma­te­rie hat­te als heu­te, wo noch nicht Fels und Stein so ver­fes­tigt wa­ren wie heu­te, wo die Pflan­zen­for­men noch an­ders aus­sa­hen, wo das Gan­ze wie ein Ur­meer in Wass­er­höh­len ein­ge­bet­tet war, wo Luft und Was­ser nicht ge­schie­den wa­ren, wo von all den We­sen,

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die heu­te auf der Er­de woh­nen, Tie­re und Pflan­zen im Was­ser aus­ge­bil­det wa­ren. Als die mi­ne­ra­li­schen We­sen an­fin­gen ih­re heu­ti­ge Form zu be­kom­men, da konn­te man sa­gen: Der Mensch trat aus der Un­sicht­bar­keit her­vor. So stell­te er sich dem Ein­zu­wei­hen­den dar. Au­ßen mit ei­ner Art von Scha­le um­ge­ben, stieg er aus den Re­gio­nen her­un­ter, die heu­te die Luft­re­gio­nen sind. Der Mensch war noch nicht dicht phy­sisch da, als das Tier schon im Fleisch vor­han­den war. Er war ei­ne fei­ne Luft­we­sen­heit, selbst in den le­mu­ri­schen Zei­ten noch. Und er hat sich so her­aus­ge­g­lie­dert, daß sich das hell­se­he­ri­sche Bild dar­s­tellt mit den vier Grup­pen­see­len: auf der ei­nen Sei­te wie ein Löw­en­bild, auf der an­de­ren wie das Bild ei­nes Stie­res, oben wie das ei­nes Ad­lers, und in der Mit­te un­ten et­was, was schon men­sche­n­ähn­lich ist. So zeigt sich das hell­se­he­ri­sche Bild. So kommt aus dem Dun­kel des Geis­ter­lan­des her­aus der Mensch. Und das, was ihn an Kraft aus­ge­bil­det hat, das er­scheint in ei­ner Art Re­gen­bo­gen­bil­dung. Die mehr phy­si­schen Kräf­te um­ge­ben die gan­ze Bil­dung die­ses Men­schen wie ein Re­gen­bo­gen. Man muß auf den ver­schie­dens­ten Ge­bie­ten und in der ver­schie­dens­ten Wei­se die­ses Men­sch­wer­den schil­dern. Jetzt wird es ge­schil­dert, wie es dem For­scher im Rück­blick er­scheint: wie die­se vier Grup­pen­see­len sich her­aus­ge­stal­tet ha­ben aus dem ge­mein­sa­men Gött­lich-Men­sch­li­chen, das her­un­ter­s­teigt. Man hat von je­her die­sen Mo­ment sym­bo­lisch in die Form ge­bracht, die Sie auf dem zwei­ten der so­ge­nann­ten sie­ben ok­kul­ten Sie­gel dar­ge­s­tellt fin­den. Das ist die sym­bo­li­sche Dar­stel­lung, sie ist aber mehr als ein blo­ßes Sym­bo­lum. Da ha­ben Sie her­aus­kom­mend aus dem un­be­stimm­ten Geis­ti­gen die­se vier Grup­pen­see­len, den Re­gen­bo­gen rings­her­um und ei­ne Zwölf­zahl. Wir müs­sen auch ver­ste­hen, was die­se Zwölf­zahl be­deu­tet.

Wenn Sie das her­aus­kom­men se­hen, was eben ge­schil­dert wor­den ist, so ha­ben Sie hell­se­he­risch das Ge­fühl: Das ist von et­was um­ge­ben, was ganz an­de­rer We­sen­heit und Art ist als das, was da her­au­s­tritt aus dem un­be­stimm­ten Geis­ti­gen. Und das, wo­von es um­ge­ben ist, das sym­bo­li­sier­te man in al­ten Zei­ten in dem Tier­kreis, in den zwölf Zei­chen des Tier­k­rei­ses. Der Mo­ment des Ein-

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tre­tens in das Hell­se­hen ist noch mit man­cher­lei an­de­ren Er­leb­nis­sen ver­knüpft. Das ers­te, was der, des­sen Äther­leib her­au­s­tritt, wahr­nimmt, ist: er kommt sich vor, wie wenn er grö­ß­er und grö­ß­er wür­de und sich aus­dehn­te über das, was er da wahr­nimmt. Es kommt der Mo­ment, wo der Ein­ge­weih­te sich sagt: Ich se­he nicht bloß die­se vier Ge­stal­ten, son­dern ich bin da drin­nen, ich ha­be mein We­sen dar­über aus­ge­dehnt. Er iden­ti­fi­ziert sich da­mit. Er nimmt das wahr, was durch die zwölf Stern­bil­der, durch die Zwölf­zahl sym­bo­li­siert wird. Was sich da aus­dehnt rings­her­um um das, was sich ent­hüllt, das wer­den wir am bes­ten ver­ste­hen, wenn wir uns wie­der da­ran er­in­nern, daß un­se­re Er­de frühe­re Ver­kör­pe­run­gen durch­ge­macht hat. Wir wis­sen ja: Be­vor die Er­de Er­de wur­de, ging sie durch den Zu­stand des Sa­turns, dann durch den der Son­ne, dann durch den des Mon­des, und dann erst wur­de sie Er­de im heu­ti­gen Sin­ne. Das war not­wen­dig. Denn nur da­durch war es mög­lich, daß auf der heu­ti­gen Er­de die We­sen­hei­ten her­aus­ka­men, die eben her­aus­ge­kom­men sind. Die muß­ten sich all­mäh­lich durch sol­che Ver­wand­lungs­for­men hin­durch­ar­bei­ten.

Wenn wir al­so in ur­fer­ne Ver­gan­gen­heit zu­rück­bli­cken, so schau­en wir auf den ers­ten Zu­stand un­se­rer Er­de, den des al­ten Sa­turns, der im An­fan­ge sei­nes Da­seins noch nicht ein­mal leuch­te­te. Er war ei­ne Art Wär­m­e­zu­stand. Sie hät­ten ihn nicht so se­hen kön­nen wie ei­ne glän­zen­de Ku­gel, son­dern wenn Sie sich dem Sa­turn ge­näh­ert hät­ten, wür­den Sie in ei­nen wär­me­ren Raum hin­ein­ge­kom­men sein, weil er eben bloß in ei­nem Wär­m­e­zu­stand war.

Nun könn­te man fra­gen: Hat denn mit dem Sa­turn das Welt­wer­den be­gon­nen? Ha­ben nicht an­de­re Zu­stän­de vi­el­leicht erst das her­bei­ge­führt, was Sa­turn ge­wor­den ist? Gin­gen dem Sa­turn nicht noch an­de­re Ver­kör­pe­run­gen voran? Es wür­de schwer sein, vor den Sa­turn zu­rück­zu­ge­hen, weil näm­lich erst beim Sa­turn et­was be­ginnt, oh­ne das wir gar nicht hin­ter den Sa­turn zu­rück­ge­hen kön­nen. Mit dem Sa­turn be­ginnt näm­lich erst das, was wir Zeit nen­nen. Vor­her gab es an­de­re For­men des Seins, das heißt, ei­gent­lich kön­nen wir gar nicht von vor­her sp­re­chen, weil noch kei­ne

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Zeit da war. Die Zeit hat auch ein­mal an­ge­fan­gen. Vor dem Sa­turn gab es kei­ne Zeit, da gab es nur Ewig­keit, Dau­er. Da war al­les gleich­zei­tig. Daß die Vor­gän­ge ein­an­der fol­gen, das trat erst mit dem Sa­turn ein. In der­je­ni­gen Wel­ten­la­ge, wo nur Ewig­keit, Dau­er ist, da gibt es auch kei­ne Be­we­gung. Denn zur Be­we­gung ge­hört Zeit. Da gibt es kei­nen Um­lauf, da ist Dau­er und Ru­he, wie man auch sagt im Ok­kul­tis­mus: Da ist se­li­ge Ru­he in der Dau­er. Das ist der Aus­druck da­für. Se­li­ge Ru­he in der Dau­er ging dem Sa­turn­zu­stand voran. Die Be­we­gung der Wel­ten­kör­per trat erst mit dem Sa­turn ein, und man faß­te die Bahn, die an­ge­deu­tet wird durch die zwölf Zei­chen des Tier­k­rei­ses, als An­zei­chen da­für auf. Und wäh­rend ein Pla­net in ei­nem sol­chen Stern­bil­de lief, sprach man von ei­ner Wel­ten­stun­de. Man be­trach­te­te das als ei­ne Wel­ten­stun­de. Zwölf Wel­ten­stun­den, Tag­stun­den zwölf und Nacht­stun­den zwölf! Ei­nem je­den Wel­ten­kör­per, dem Sa­turn, der Son­ne und dem Mon­de wird zu­ge­zählt ei­ne Au­f­ein­an­der­fol­ge von Wel­ten­stun­den, die sich zu Wel­ten­ta­gen grup­pie­ren, und zu­letzt so, daß von die­sen zwölf Zei­träu­men sie­ben äu­ßer­lich wahr­nehm­bar sind und fünf mehr oder we­ni­ger äu­ßer­lich un­wahr­nehm­bar ver­lau­fen. Man un­ter­schei­det da­her sie­ben Sa­turn­k­reis­läu­fe oder sie­ben gro­ße Sa­turn­ta­ge und fünf gro­ße Sa­turn­näch­te. Sie kön­nen auch sa­gen, fünf Ta­ge und sie­ben Näch­te, denn der ers­te und letz­te Tag sind Däm­me­rungs­ta­ge. Man ist ge­wohnt, sol­che sie­ben Kreis­läu­fe, sie­ben Wel­ten­ta­ge «Man­van­ta­ra» zu nen­nen und die fünf Wel­ten­näch­te «Prala­ya». Wenn man es ganz ent­sp­re­chend un­se­rer Zei­ten­zäh­lung ha­ben will, dann zählt man je zwei pla­ne­ta­ri­sche Zu­stän­de zu­sam­men, al­so Sa­turn und Son­ne, Mond und Er­de. Dann er­hält man je vier­und­zwan­zig Kreis­läu­fe. Die­se vier­und­zwan­zig Kreis­läu­fe bil­den wich­ti­ge Epo­chen in der Wel­ten­dar­stel­lung, und die­se vier­und­zwan­zig Epo­chen denkt man sich ge­re­gelt durch We­sen­hei­ten im Wel­te­nall, die Ih­nen in der Apo­ka­lyp­se als die vier­und­zwan­zig Äl­tes­ten an­ge­deu­tet wer­den, die vier­und­zwan­zig Reg­ler der Wel­te­n­um­läu­fe, der Wel­ten­zei­ten. Auf dem Sie­gel­bild sind sie an­ge­deu­tet als die Wel­ten­uhr. Die ein­zel­nen Zif­fern der Uhr sind hier nur un­ter­bro­chen durch die Dop­pel­kro­nen der Äl­tes­ten, um an­zu­deu­ten,

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daß das die Zei­ten­kö­n­i­ge sind, weil sie die Um­läu­fe der Wel­ten­kör­per re­geln. (Sie­he das zwei­te Sie­gel­bild.)

So sieht der Ein­ge­weih­te zu­nächst zu­rück in die­ses Bild der Vor­zeit. Nun aber müs­sen wir uns fra­gen: Warum sieht der Ein­ge­weih­te die­ses Bild? Weil in die­sem Bil­de sym­bo­lisch-as­tra­lisch dar­ge­s­tellt wer­den die Kräf­te, die in sei­ner heu­ti­gen Ge­stalt den men­sch­li­chen Äther­leib und da­nach den phy­si­schen ge­bil­det ha­ben. Wie das ist, kön­nen Sie sich leicht den­ken. Den­ken Sie sich, der Mensch liegt im Bet­te, ver­läßt mit sei­nem As­tral­leib und Ich den phy­si­schen Leib und Äther­leib. Nun ge­hö­ren aber zum phy­si­schen Leib und Äther­leib, wie sie heu­te sind, zum heu­ti­gen phy­si­schen Men­schen­leib und Äther­leib der as­tra­li­sche Leib und das Ich. Für sich kann die­ser phy­si­sche Leib und kann die­ser Äther­leib nicht be­ste­hen. Sie sind so ge­wor­den, weil ih­nen der as­tra­li­sche Leib und das Ich ein­ge­g­lie­dert sind. Nur ein phy­si­scher Leib, in dem kein Blut fließt und kein Ner­ven­sys­tem ist, kann oh­ne as­tra­li­schen Leib und Ich sein. Des­halb kann die Pflan­ze oh­ne as­tra­li­schen Leib und Ich sein, weil sie kein Blut und kein Ner­ven­sys­tem hat. Denn das Ner­ven­sys­tem hängt zu­sam­men mit dem as­tra­li­schen Leib und das Blut mit dem Ich. Kein We­sen hat im phy­si­schen Leib ein Ner­ven­sys­tem, das nicht durch­drun­gen ist von ei­nem as­tra­li­schen Lei­be, und kein We­sen hat im phy­si­schen Lei­be ein Blut­sys­tem, in das nicht das Ich ein­ge­zo­gen ist. Den­ken Sie, was Sie je­de Nacht tun. Sie ver­las­sen schnö­de Ih­ren phy­si­schen und Äther­leib und über­las­sen sie mit dem Blut- und Ner­ven­sys­tem sich sel­ber. Wenn es bloß auf Sie an­kä­me, wür­de in je­der Nacht da­durch, daß Sie Ihr Ner­ven- und Blut­sys­tem ver­las­sen, der phy­si­sche Leib zu­grun­de ge­hen müs­sen. Er wür­de in dem­sel­ben Au­gen­bli­cke ster­ben, wo der as­tra­li­sche Leib und das Ich den phy­si­schen und den Äther­leib ver­las­sen. Aber der hell­se­hen­de Blick sieht, wie dann an­de­re We­sen­hei­ten, höhe­re geis­ti­ge We­sen­hei­ten ihn aus­fül­len. Er sieht, wie sie in ihn hin­ein­ge­hen und das tun, was der Mensch in der Nacht eben nicht tut: das Blut- und Ner­ven­sys­tem ver­sor­gen. Das sind die­sel­ben We­sen­hei­ten aber, wel­che den Men­schen, so­weit er aus ei­nem phy­si­schen und Äther­leib be­steht, ge­schaf­fen ha­ben; nicht

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bloß heu­te, von In­kar­na­ti­on zu In­kar­na­ti­on. Es sind die glei­chen We­sen­hei­ten, die auf dem al­ten Sa­turn die ers­te An­la­ge des phy­si­schen Lei­bes ent­ste­hen lie­ßen und die auf der Son­ne den Äther­leib her­aus­ge­bil­det ha­ben. Die­se We­sen­hei­ten, die ge­wal­tet ha­ben vom Ur­be­ginn des Sa­turn- und Son­nen­da­seins an im phy­si­schen und Äther­leib, sie wal­ten in ihm je­de Nacht, wäh­rend der Mensch schläft und den phy­si­schen und den Äther­leib schnö­de ver­läßt, so­zu­sa­gen sie dem To­de preis­gibt; sie drin­gen hin­ein und ver­sor­gen sein Ner­ven- und Blut­sys­tem.

Da­her ist es auch be­g­reif­lich, daß in dem Mo­ment, wo der As­tral­leib den Äther­leib be­rührt, um sich in ihm ab­zu­dru­cken, daß, da der Mensch von die­sen Kräf­ten, die ihn ge­bil­det ha­ben, durch­drun­gen ist, daß er da das Bild die­ser Kräf­te sieht, die in dem zwei­ten Sie­gel sym­bo­li­siert sind. Was ihn er­hält und zu­sam­men­hän­gend macht mit dem gan­zen kos­mi­schen Wel­tall, das leuch­tet auf in die­sem Mo­ment der Ein­wei­hung. Er sieht das­je­ni­ge, was die bei­den Glie­der sei­ner We­sen­heit, den phy­si­schen und den Äther­leib, ge­bil­det hat, was sie je­de Nacht in ih­rem Le­ben auf­recht er­hält. Er selbst aber hat noch kei­nen An­teil da­ran, denn er kann noch nicht in die­se bei­den Glie­der sei­nes We­sens hin­ein­ar­bei­ten. Dem Men­schen nach wür­de der phy­si­sche und der Äther­leib, die in der Nacht im Bet­te lie­gen, zum Pflan­zen­da­sein ver­dammt sein, denn er über­läßt bei­de sich selbst. Da­her ist für den Men­schen der Schlaf­zu­stand ein un­be­wuß­ter, wie ihn die Pflan­ze im­mer hat.

Wie steht es nun mit dem, was wäh­rend des Schla­fes her­aus­ge­rückt ist beim ge­wöhn­li­chen Men­schen, wie steht es mit dem as­tra­li­schen Leib und dem Ich? Die­se sind ja auch nicht be­wußt in der Nacht. Beim ge­wöhn­li­chen Men­schen wird wäh­rend des Nacht­schla­fes nichts inn­er­halb des as­tra­li­schen Lei­bes er­fah­ren. Aber den­ken Sie jetzt ein­mal, Sie üb­ten die sie­ben Stu­fen der Jo­han­nes-Ein­wei­hung, die­se be­deu­tungs­vol­len Mo­men­te der christ­li­chen Ge­müts­ein­wei­hung. Dann wür­de für Sie nicht bloß das auf­t­re­ten, was bis­her ge­schil­dert wor­den ist. Ganz ab­ge­se­hen da­von, daß Sie bei der Be­rüh­rung des as­tra­li­schen Lei­bes mit dem Äther­lei­be hell­se­he­ri­sche Kraft ent­wi­ckeln kön­nen, wür­de noch et­was

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an­de­res auf­t­re­ten. Der Mensch wird sich be­wußt der see­li­schen Ei­gen­hei­ten, der see­lisch-men­sch­li­chen Ei­gen­schaf­ten der as­tra­li­schen Welt und der de­vacha­ni­schen Welt, aus der er ei­gent­lich her­aus­ge­bo­ren ist sei­ner See­le nach. Und es tritt zu die­sem Bil­de ein noch höhe­res Sym­bo­lum, das die gan­ze Welt zu er­fül­len scheint. Zu die­sem Sym­bo­lum der al­ten Ein­wei­hung tritt für den, der durch die Jo­han­nes-Ein­wei­hungs­stu­fen geht, et­was hin­zu, was am bes­ten durch das ers­te Sie­gel dar­ge­s­tellt wird. Als ei­ne hell­se­he­ri­sche Er­schei­nung sieht er den Pries­ter­kö­n­ig mit gol­de­nem Gür­tel, mit Fü­ß­en, die aus Me­tall­guß zu be­ste­hen schei­nen, das Haupt be­deckt mit Haa­ren wie von wei­ßer Wol­le, aus dem Mun­de ein feu­ri­ges Schwert flam­mend und in der Hand die sie­ben Wel­tens­ter­ne: Sa­turn, Son­ne, Mond, Mars, Mer­kur, Ju­pi­ter, Ve­nus.

Die Ge­stalt, die in der Mit­te auf dem zwei­ten Sie­gel­bild ist, war in der al­ten Ein­wei­hung nur als die fünf­te der Grup­pen­see­len an­ge­deu­tet. Sie ist das, was in der Mensch­heit der al­ten Zeit erst in der Keim­an­la­ge vor­han­den war und erst in der christ­li­chen Ein­wei­hung her­aus­ge­kom­men ist als das, was man auch als Men­schen­sohn be­zeich­net, der die sie­ben Ster­ne be­herrscht, wenn er völ­lig in sei­ner wah­ren Ge­stalt vor dem Men­schen auf­tritt.

So al­so soll uns durch die­se zu­nächst sym­bo­li­sche Art der Dar­stel­lung vor al­len Din­gen klar sein, daß man das­je­ni­ge, was beim heu­ti­gen Men­schen als Tren­nung der ver­schie­de­nen Glie­der auf­tritt phy­si­scher und Äther­leib auf der ei­nen Sei­te, as­tra­li­scher Leib und Ich auf der an­de­ren , so be­han­deln kann, daß bei­des so­zu­sa­gen zur Ein­wei­hung sein Stück bei­tra­gen kann, zu­nächst durch die Ein­wei­hungs­form bei der Be­rüh­rung des as­tra­li­schen Lei­bes mit dem Äther­leib, wo die vier Grup­pen­see­len auf­leuch­ten, dann bei der Be­hand­lung des As­tral­lei­bes, so daß die­ser im be­son­de­ren se­hend wird. Früh­er war ein ei­gent­li­ches Se­hen in der über­sinn­li­chen Welt höchs­tens bis zu ei­ner Art pflanz­li­cher Durch­le­bung der Welt ge­kom­men. Durch die christ­li­che Ein­wei­hung ist das ge­ge­ben, was ei­ne höhe­re Ein­wei­hungs­stu­fe im as­tra­li­schen Leib be­deu­tet und was sym­bo­lisch an­ge­deu­tet wird durch das zwei­te Bild.

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Da ha­ben Sie die bei­den Din­ge aus dem Ein­wei­hung­s­prin­zip her­aus sel­ber ge­schil­dert, die Sie an der Spit­ze der Apo­ka­lyp­se ge­schil­dert fin­den. Nur hat der Apo­ka­lyp­ti­ker sie in um­ge­kehr­ter Rei­hen­fol­ge ge­schil­dert, und dies mit Recht. Er hat ge­schil­dert zu­erst das Ge­sicht des Men­schen­soh­nes, das Ge­sicht des­sen, der da ist, der da war und der da sein wird, und dann das an­de­re. Bei­de sind Sym­bo­le für das, was der Ein­ge­weih­te wäh­rend der Ein­wei­hung er­lebt.

So ha­ben wir vor un­se­re See­le tre­ten las­sen, was in ge­wis­sen Fäl­len der Ein­wei­hung ge­schieht und zu­nächst er­lebt wird. Mor­gen wol­len wir zu den Ein­zel­hei­ten wei­ter­sch­rei­ten die­ser rea­len wir­k­li­chen Er­leb­nis­se, und wir wer­den sie sich spie­geln se­hen in der gran­dio­sen Dar­stel­lung der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes.

05 – DRITTER VORTRAG, Nürnberg, 20. Juni 1908

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Drit­ter VOR­TRAG

Nürn­berg, 20. Ju­ni 1908

Ges­tern konn­ten wir am En­de un­se­rer Be­trach­tung hin­wei­sen auf das, was spe­zi­fisch christ­li­che und was spä­te­re, al­so et­wa christ­lich-ro­sen­k­reu­ze­ri­sche Ein­wei­hung zu­nächst in ei­nem gro­ßen be­deut­sa­men Sym­bo­lum gibt. Wir ha­ben auf die Be­deu­tung die­ses Sym­bo­l­ums hin­ge­wie­sen, die­ses Ein­wei­hungs­zei­chens, das man auch als den Men­schen­sohn be­zeich­net, der die sie­ben Ster­ne in sei­ner rech­ten Hand hat, der das schar­fe zwei­schnei­di­ge Schwert hat in sei­nem Mun­de. Wir ha­ben ge­se­hen, daß die­se Ein­wei­hung den Men­schen in ei­nem ge­wis­sen höhe­ren Gra­de se­hend macht inn­er­halb sei­nes Ich und sei­nes as­tra­li­schen Lei­bes, au­ßer­halb des phy­si­schen und des Äther­lei­bes. Wir wer­den al­les dies noch ge­nau­er be­sp­re­chen.

Durch ei­ne je­g­li­che Ein­wei­hung aber ge­langt der Mensch da­zu, das, was man nur mit geis­ti­gem Bli­cke, mit geis­ti­gen Au­gen über­schau­en kann, was nur für das über­sinn­li­che Wahr­neh­men durch­sich­tig ist, das nun wir­k­lich zu über­schau­en, zu er­ken­nen. Nun ge­hört zu dem ers­ten und wich­tigs­ten, was der im christ­li­chen Sin­ne Ein­zu­wei­hen­de zu er­ken­nen hat, die Ent­wi­cke­lung der Mensch­heit in un­se­rem Zei­tal­ter, da­mit ein je­der im höhe­ren Ma­ße die Auf­ga­ben des Men­schen ein­se­hen kann. Denn al­les, was höhe­re Er­kennt­nis, was höhe­re Voll­kom­men­heit dem Men­schen ge­ben soll, hängt mit der Fra­ge zu­sam­men: Was bin ich und wo­zu bin ich be­stimmt in un­se­rem Zei­tal­ter? Die Be­ant­wor­tung die­ser Fra­ge ist es, die zu­nächst von gro­ßer Wich­tig­keit ist.

Je­de Ein­wei­hungs­stu­fe führt auf ei­nen er­höh­ten Stand­punkt der men­sch­li­chen Be­trach­tung. Schon in der ers­ten Stun­de konn­ten wir ja dar­auf hin­wei­sen, wie stu­fen­wei­se der Mensch hin­auf­geht, zu­erst in das, was wir die ima­gi­na­ti­ve Welt nen­nen, wo er im christ­li­chen Sin­ne die sie­ben Sie­gel er­ken­nen lernt, dann bis zu dem, was wir die in­spi­rier­te Er­kennt­nis nen­nen, wo er die «Po­sau­nen» hört, und end­lich zu ei­ner noch höhe­ren Stu­fe, wo er die wah­re Be­deu­tung

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und We­sen­heit der Geist­we­sen zu durch­schau­en ver­mag, die Stu­fe der so­ge­nann­ten Zor­nes­scha­len. Jetzt aber müs­sen wir so­zu­sa­gen ei­ne be­stimm­te Ein­wei­hungs­stu­fe ins Au­ge fas­sen. Wir den­ken uns den Men­schen ge­ra­de bis zu je­ner Stu­fe der Ein­wei­hung ge­langt, wo das mit ihm ge­sche­hen ist, was am Schluß des letz­ten Vor­tra­ges ge­schil­dert wur­de. Wir den­ken uns ihn ge­ra­de an der Gren­ze, wo ihm, zwi­schen den feins­ten We­sen­hei­ten un­se­rer phy­si­schen Welt und der nächst­höhe­ren, der as­tra­li­schen Welt, ge­stat­tet ist, wie auf ei­nem Gip­fel zu ste­hen und her­un­ter­zu­schau­en. Was kann der Mensch auf die­sem ers­ten Gip­fel der Ein­wei­hung er­schau­en?


Da sieht er im Geis­te al­les das, was ge­sche­hen ist, sei­ner in­ne­ren We­sen­heit nach, seit­dem die at­lan­ti­sche Flut die al­te At­lan­tis zer­stört hat und der nachat­lan­ti­sche Mensch ins Da­sein ge­t­re­ten ist. Da sieht er, wie sich die Kul­tur­k­reis­läu­fe ein­an­der fol­gen bis zu dem Zeit­punkt, wo auch un­ser Zei­tal­ter ei­nen Un­ter­gang neh­men wird, um ein neu­es her­auf­zu­füh­ren. Durch das Was­ser der at­lan­ti­schen Flut ist zu­grun­de ge­gan­gen die al­te At­lan­tis. Durch das, was wir nen­nen den Krieg al­ler ge­gen al­le, durch furcht­bar ver­hee­ren­de mo­ra­li­sche Ver­wi­cke­lun­gen wird un­ser Zei­tal­ter sei­nen Un­ter­gang fin­den. Und die­ses gro­ße Zei­tal­ter von der at­lan­ti­schen Flut an bis zum ge­wal­ti­gen Krieg al­ler ge­gen al­le, das tei­len wir wie­der ein in sie­ben au­f­ein­an­der­fol­gen­de Haupt-Kul­tu­re­po­chen, in

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sie­ben Kul­tur­zei­träu­me, wie aus dem vor­ste­hen­den Sche­ma er­sicht­lich ist. An dem ei­nen En­de den­ken wir uns die gro­ße at­lan­ti­sche Flut, am ent­ge­gen­ge­setz­ten En­de den gro­ßen Welt­krieg, und das tei­len wir in sie­ben Un­ter­zei­tal­ter, in sie­ben Kul­tu­re­po­chen. Die gan­ze Epo­che, die die­se sie­ben Un­ter­zei­tal­ter ent­hält, ist wie­der der sie­ben­te Teil ei­nes län­ge­ren Zei­tal­ters, so daß Sie sich vor­zu­s­tel­len ha­ben sie­ben sol­che Glie­der wie un­ser Zei­tal­ter zwi­schen Flut und Krieg, zwei nach vorn, nach dem gro­ßen Krieg, und vier nach rück­wärts vor der at­lan­ti­schen Flut. Un­ser Zei­tal­ter, das nachat­lan­ti­sche, ist al­so das fünf­te gro­ße Zei­tal­ter.

Man muß wie­der­um auf ei­nen noch höhe­ren Gip­fel der Ein­wei­hung hin­auf­s­tei­gen, dann über­sieht man die­se sie­ben­mal sie­ben Zei­tal­ter. Sie sind zu über­schau­en, wenn man an der Gren­ze der as­tra­li­schen und der geis­ti­gen, der de­vacha­ni­schen Welt an­ge­langt ist. Und so geht es stu­fen­wei­se hin­auf. Wir wer­den se­hen, wel­ches die noch höhe­ren Stu­fen sind.

Jetzt müs­sen wir fest­hal­ten, daß man zu­nächst ei­nen Gip­fel er­rei­chen kann, auf dem uns, wie von ei­nem Ber­ge aus die wei­te Ebe­ne, die sie­ben Kul­tur­zei­tal­ter der nachat­lan­ti­schen Zeit sicht­bar wer­den. Wir al­le ken­nen sie ja schon, die­se Kul­tur­zei­tal­ter. Wir wis­sen, daß, als die at­lan­ti­sche Flut die al­te At­lan­tis hin­weg­ge­schwemmt hat­te, als ers­tes die alt­in­di­sche Kul­tur auf­blüh­te und daß sie ab­ge­löst wur­de von der ur­per­si­schen Kul­tur. Wir wis­sen, daß die as­sy­risch-ba­by­lo­nisch-chal­däisch-ägyp­tisch-jü­di­sche Kul­tur dar­auf folg­te, auf die­se das vier­te Kul­tur­zei­tal­ter, das grie­chisch-latei­ni­sche, und dar­auf das fünf­te, das uns­ri­ge, in dem wir le­ben. In dem sechs­ten, das auf das uns­ri­ge fol­gen wird, wird in ei­ner ge­wis­sen Be­zie­hung in der Frucht auf­ge­hen müs­sen, was wir an geis­ti­ger Kul­tur zu bau­en ha­ben. Das sie­ben­te Kul­tur­zei­tal­ter spielt sich ab vor dem Krieg al­ler ge­gen al­le. Da se­hen wir die­se furcht­ba­re Ver­wüs­tung der Kul­tur her­an­kom­men und se­hen das klei­ne Häuf­lein von Men­schen, das ver­stan­den hat, das spi­ri­tu­el­le Prin­zip in sich auf­zu­neh­men und das sich hin­weg­ret­ten wird ge­gen­über der all­ge­mei­nen Zer­trüm­me­rung durch den Ego­is­mus.

Wir le­ben al­so in dem fünf­ten der Un­ter­zei­tal­ter, wie ge­sagt.

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Wie Städ­te und Dör­fer und Wäl­der vom Gip­fel ei­nes Ber­ges aus, so er­scheint von dem Gip­fel der Ein­wei­hung aus die Fol­ge die­ser Kul­tur­zei­tal­ter. Ih­re Be­deu­tung se­hen wir ein. Sie stel­len dar, was sich aus­dehnt auf un­se­rem phy­si­schen Plan als Mensch­heits­kul­tur. Des­halb sp­re­chen wir auch von Kul­tur­zei­tal­tern im Ge­gen­satz zu Ras­sen. Al­les das, was et­wa ver­knüpft ist mit dem Ras­sen­be­griff, ist noch Über­b­leib­sel des Zei­trau­mes, der dem un­se­ren vor­an­ge­gan­gen ist, des at­lan­ti­schen. Wir le­ben im Zei­traum der Kul­tu­re­po­chen. Die At­lan­tis war der Zei­traum, wo sich nach und nach sie­ben au­f­ein­an­der­fol­gen­de gro­ße Ras­sen bil­de­ten. Na­tür­lich, die Früch­te die­ser Ras­sen­bil­dung ra­gen he­r­ein auch in un­ser Zei­tal­ter, da­her spricht man auch heu­te noch von Ras­sen. Das sind aber schon Ver­wi­schun­gen je­ner schar­fen Tren­nun­gen in der at­lan­ti­schen Zeit. Heu­te hat schon der Kul­tur­be­griff den Ras­sen­be­griff ab­ge­löst. Da­her sp­re­chen wir von der al­ten in­di­schen Kul­tur, von wel­cher die Kul­tur, die uns in den Ve­den an­ge­kün­digt wird, nur ein Nach­klang ist. Die uralt-hei­li­ge in­di­sche Kul­tur ist die ers­te Mor­gen­rö­te der nachat­lan­ti­schen Kul­tur, sie folgt un­mit­tel­bar auf die at­lan­ti­sche Zeit.

Ver­ge­gen­wär­ti­gen wir uns noch ein­mal, wie der Mensch leb­te in je­ner Zeit, die jetzt mehr als acht- oder ne­un­tau­send Jah­re hin­ter uns liegt. Wenn wir von den rea­len Zei­träu­men sp­re­chen, so gel­ten die­se Zah­len. Die­se Kul­tur, von der wir hier sp­re­chen, stand un­mit­tel­bar un­ter dem Ein­fluß der at­lan­ti­schen Flut oder der gro­ßen Eis­zei­te­po­che, wie sie in der mo­der­nen Wis­sen­schaft ge­nannt wird. Die At­lan­tis war un­ter­ge­gan­gen nach und nach, ein Bro­cken nach dem an­dern war ver­sch­lun­gen wor­den von der Flut. Und nun leb­te ein Men­schen­ge­sch­lecht auf der Er­de, von dem sich ein Teil zu der höchs­ten Ent­wi­cke­lungs­stu­fe her­auf­ge­ar­bei­tet hat­te, die zu er­rei­chen war. Das war das uralt in­di­sche Volk, ein Men­schen­ge­sch­lecht, das da­mals dr­ü­b­en im fer­nen Asi­en wohn­te und mehr in der Er­in­ne­rung an al­te ver­gan­ge­ne Zei­ten leb­te als in der Ge­gen­wart. Das ist das Gro­ße und Ge­wal­ti­ge je­ner Kul­tur, von der die schrift­li­chen Auf­zeich­nun­gen wie die Ve­den und die Bha­ga­vad Gi­ta nur noch Nach­klän­ge sind, daß die Men­schen in der Er­in­ne­rung an das leb­ten,

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was sie in der at­lan­ti­schen Zeit sel­ber er­lebt hat­ten. Den­ken Sie an den ers­ten Vor­trag die­ses Zy­k­lus. Da wur­de ge­sagt, daß die Men­schen in je­ner Zeit zum gro­ßen Teil be­fähigt wa­ren, ein ge­wis­ses däm­mer­haf­tes Hell­se­hen zu ent­wi­ckeln. Die Men­schen wa­ren nicht be­schränkt auf die­se phy­sisch-sinn­li­che Welt. Sie leb­ten zwi­schen gött­lich-geis­ti­gen We­sen­hei­ten. Sie sa­hen die­se gött­lich-geis­ti­gen We­sen­hei­ten um sich. Da­rin be­stand der Über­gang von der at­lan­ti­schen Zeit zur nachat­lan­ti­schen, daß der Blick der Men­schen von der geis­ti­gen, as­tra­lisch-äthe­ri­schen Welt ab­ge­sch­los­sen und be­schränkt wur­de auf die­se phy­si­sche Welt. Die ers­te Kul­tu­re­po­che zeich­ne­te sich da­durch aus, daß die Men­schen Sehn­sucht hat­ten, tie­fe Sehn­sucht nach dem, was ih­re Vor­fah­ren in der al­ten At­lan­tis ge­schaut, wo­vor sich aber das Tor zu­ge­sch­los­sen hat­te. Ural­te Weis­heit ha­ben un­se­re Vor­fah­ren mit ih­ren geis­ti­gen Au­gen, wenn auch däm­mer­haft, ge­schaut. Sie wohn­ten un­ter Geis­tern, gin­gen mit Göt­tern und Geis­tern um. So fühl­ten sie, die­se Men­schen der uralt-hei­li­gen in­di­schen Kul­tur: sie sehn­ten sich mit al­len ih­ren Fa­sern dar­nach, zu­rück­zu­schau­en, zu se­hen das, was die Vor­fah­ren ge­se­hen hat­ten, wo­von ural­te Weis­heit kün­de­te. Und so er­schi­en das Land, das eben auf­ge­t­re­ten war vor den phy­si­schen Bli­cken der Men­schen die Fel­sen der Er­de, die jetzt erst sicht­bar ge­wor­den wa­ren, die früh­er noch geis­tig ge­schaut wur­den , all das Äu­ße­re er­schi­en ih­nen ge­rin­ger als das, woran sie sich er­in­nern konn­ten. Ma­ja, die gro­ße Il­lu­si­on, wur­de al­les das ge­nannt, was die phy­si­schen Au­gen se­hen konn­ten, die gro­ße Täu­schung, aus der man her­aus woll­te. Und die Bes­ten die­ses ers­ten Zei­tal­ters soll­ten durch je­ne Ein­wei­hungs­me­tho­de, von der es ei­ni­ge Über­b­leib­sel im Yo­ga gibt, hin­auf­ge­ho­ben wer­den zu der Stu­fe ih­rer Vor­fah­ren. Dar­aus ging ei­ne re­li­giö­se Grund­stim­mung her­vor, die mit den Wor­ten wie­der­ge­ge­ben wer­den kann: Wert­lo­se eit­le Täu­schung ist das, was uns hier um­gibt im äu­ße­ren Sin­nen­schein. Das Wah­re, Ech­te ist oben in der geis­ti­gen Welt, die wir ver­las­sen ha­ben. Die geis­ti­gen Füh­rer des Vol­kes wa­ren die­je­ni­gen, wel­che sich hin­auf­ver­set­zen konn­ten in die Re­gio­nen, in de­nen man früh­er leb­te.

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Das war die ers­te Epo­che der nachat­lan­ti­schen Zeit. Und al­le Epo­chen der nachat­lan­ti­schen Zeit sind da­durch cha­rak­te­ri­siert, daß der Mensch im­mer mehr ver­ste­hen lern­te die äu­ße­re sinn­li­che Wir­k­lich­keit, im­mer mehr er­ken­nen lern­te: Was uns hier ge­ge­ben ist für die äu­ße­ren Sin­ne, ist nicht als blo­ßer Schein zu be­han­deln, es ist ei­ne Ga­be der geis­ti­gen We­sen, und nicht um­sonst ha­ben uns die Göt­ter die Sin­ne ge­ge­ben. Das, was hier auf der Er­de ei­ne Kul­tur der ma­te­ri­el­len Welt be­grün­det, muß nach und nach ein­ge­se­hen wer­den.

Was der al­te In­der noch als Ma­ja an­ge­spro­chen hat, wo­vor er ge­f­lo­hen ist, wo­von er sich zu­rück­sehn­te, das spra­chen die­je­ni­gen, die der zwei­ten Epo­che an­ge­hör­ten, als ihr Ar­beits­feld an, als et­was, was sie zu be­ar­bei­ten hat­ten. Und so ha­ben wir jetzt die uralt-per­si­sche Epo­che, die et­wa fünf­tau­send Jah­re zu­rück­liegt, je­ne Kul­tu­re­po­che, in wel­cher den Men­schen das Land um sie her­um zwar zu­nächst wie feind­lich er­schi­en, aber nicht mehr wie früh­er als Il­lu­si­on, die man zu flie­hen ha­be, son­dern als ein Ar­beits­feld, dem man den ei­ge­nen Geist ein­zu­prä­gen hat. Vom Bö­sen, von ei­ner dem Gu­ten geg­ne­ri­schen Macht ist die­se Er­de be­herrscht in ih­rer ma­te­ri­el­len Be­schaf­fen­heit, von dem Got­te Ah­ri­man. Er be­herrscht sie, aber der gu­te Gott Or­muzd hilft den Men­schen in sei­nen Di­enst stel­len sich die Men­schen. Wenn sie sei­nen Wil­len aus­füh­ren, dann ver­wan­deln sie die­se Welt in ei­nen Acker der obe­ren geis­ti­gen Welt, dann prä­gen sie der sinn­lich-wir­k­li­chen Welt das ein, was sie selbst im Geist er­ken­nen. Ein Ar­beits­feld war für die zwei­te Epo­che die phy­sisch-rea­le, die sinn­lich-rea­le Welt. Für den In­der war die sinn­li­che Welt noch Täu­schung, Ma­ja. Für den Per­ser war sie zwar von bö­sen Dä­mo­nen be­herrscht, aber doch ei­ne sol­che Welt, aus der der Mensch aus­zu­t­rei­ben hat­te die bö­sen und der er ein­zu­g­lie­dern hat­te die gu­ten geis­ti­gen We­sen­hei­ten, die Die­ner des Licht­gotts Or­muzd.

Und in der drit­ten Epo­che kommt der Mensch noch näh­er der äu­ße­ren sinn­li­chen Wir­k­lich­keit. Da ist sie ihm nicht mehr ei­ne bloß feind­li­che Macht, die er zu über­win­den hat. Der In­der hat hin­auf­ge­schaut zu den Ster­nen und sich ge­sagt: Ach, al­les was da

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ist, was ich mit äu­ße­ren Au­gen se­hen kann, ist doch nur Ma­ja, Täu­schung. Die chal­däi­schen Pries­ter sa­hen den Lauf, die Stel­lun­gen der Ster­ne und sag­ten sich: In­dem ich die Stel­lun­gen der Ster­ne se­he und ih­ren Lauf ver­fol­ge, wird mir das zu ei­ner Schrift, aus der ich den Wil­len der gött­lich-geis­ti­gen We­sen er­ken­ne. Ich er­ken­ne das, was die Göt­ter wol­len, in dem, was sie ge­tan ha­ben. Nicht mehr Ma­ja war ih­nen die phy­sisch-sinn­li­che Welt, son­dern wie die Schrift des Men­schen der Aus­druck sei­nes Wil­lens ist, so war ih­nen das, was in den Ster­nen am Him­mel steht, was in den Kräf­ten der Na­tur lebt, ei­ne Göt­ter­schrift. Und mit Lie­be be­gan­nen sie zu ent­zif­fern die Schrift der Na­tur. So ent­steht je­ne wun­der­ba­re Ster­nen­kun­de, die die Men­schen heu­te kaum mehr ken­nen. Denn was man heu­te als As­tro­lo­gie kennt, ist durch ein Mißv­er­ste­hen der Tat­sa­chen ent­stan­den. Tie­fe Weis­heit in der Ster­nen­schrift ist es, was dem al­ten Chal­däer­pries­ter als As­tro­lo­gie ge­of­fen­bart wur­de, als die Ge­heim­nis­se des­sen, was er mit Au­gen sah. Das be­trach­te­te er als Of­fen­ba­rung ei­nes In­ne­ren, Durch­geis­tig­ten.

Und was wur­de die Er­de für den Ägyp­ter? Wir brau­chen nur auf die Er­fin­dung der Geo­me­trie hin­zu­deu­ten, wo der Mensch lern­te die Er­de ein­zu­tei­len nach den Ge­set­zen des Rau­mes, nach den Re­geln der Geo­me­trie. Da wur­den die Ge­set­ze in der Ma­ja er­forscht. In der uralt per­si­schen Kul­tur hat man die Er­de um­ge­a­ckert, jetzt lern­te man sie ein­tei­len nach den Ge­set­zen des Rau­mes. Die Ge­set­ze be­ginnt man zu er­for­schen und man tut noch mehr. Man sagt sich: Nicht um­sonst ha­ben die Göt­ter in den Ster­nen uns ei­ne Schrift hin­ter­las­sen, nicht um­sonst ha­ben die Göt­ter uns ih­ren Wil­len kund­ge­ge­ben in den Na­tur­ge­set­zen. Wenn der Mensch durch sein ei­ge­nes Ar­bei­ten das Heil be­wir­ken will, dann muß er in den Ein­rich­tun­gen, die er hier macht, ei­ne Nach­bil­dung schaf­fen des­sen, was er aus den Ster­nen er­for­schen kann. Oh, könn­ten Sie zu­rück­se­hen in die Ar­beits­kam­mern der ägyp­ti­schen Ein­ge­weih­ten! Das war ein an­de­res Ar­bei­ten als heu­te auf dem Ge­bie­te der Wis­sen­schaft. Da wa­ren die Ein­ge­weih­ten die Wis­sen­schaf­ter. Sie er­forsch­ten den Gang der Ster­ne und er­kann­ten die Re­gel­mä­ß­ig­keit in dem Stand und Lauf der Ster­ne und in der Ein­wir­kung ih­rer

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Stel­lun­gen auf das, was un­ten auf der Er­de sich voll­zog. Sie sag­ten sich: Wenn die­se oder je­ne Kon­s­tel­la­ti­on am Him­mel ist, so muß un­ten die­ses oder je­nes vor sich ge­hen im Staats­le­ben, und wenn ei­ne an­de­re Kon­s­tel­la­ti­on kommt, muß auch et­was an­de­res ge­sche­hen. Nach ei­nem Jahr­hun­dert wer­den ge­wis­se Kon­s­tel­la­tio­nen da sein, sag­ten sie, und dann muß ein dem Ent­sp­re­chen­des vor sich ge­hen. Und für Jahr­tau­sen­de hin­aus wur­de vor­aus­be­stimmt, was zu tun ist. So ent­stand das, was man als die Si­byl­li­ni­schen Bücher be­zeich­net. Was da­r­in­nen­steht, ist kein Wahn. Nach sorg­fäl­ti­gen Be­o­b­ach­tun­gen ha­ben die Ein­ge­weih­ten nie­der­ge­schrie­ben, was für Jahr­tau­sen­de hin­aus zu ge­sche­hen hat, und ih­re Nach­fol­ger wuß­ten: Das ist ein­zu­hal­ten. Und sie ta­ten nichts, was nicht in die­sen Büchern für die Jahr­tau­sen­de hin­aus nach dem Lauf der Ster­ne vor­ge­zeich­net war. Sa­gen wir, es ha­be sich dar­um ge­han­delt, ir­gend­ein Ge­setz zu ma­chen. Da hat man nicht ab­ge­stimmt wie bei uns, da hol­te man Rat bei den hei­li­gen Büchern, in de­nen auf­ge­schrie­ben war, was hier auf der Er­de ge­sche­hen muß, da­mit es ein Spie­gel des­sen sei, was in den Ster­nen ge­schrie­ben ist, und was in den Büchern stand, das führ­te man aus. Der ägyp­ti­sche Pries­ter wuß­te, als er die­se Bücher schrieb: Mei­ne Nach­fol­ger wer­den aus­füh­ren, was da­r­in­nen­steht. Von der Not­wen­dig­keit der Ge­setz­mä­ß­ig­keit wa­ren sie über­zeugt.

Die vier­te Kul­tu­re­po­che hat sich aus die­ser drit­ten her­aus­ent­wi­ckelt. Es ha­ben sich nur spär­li­che Res­te die­ser pro­phe­tisch wir­ken­den Kunst der Ägyp­ter be­wahrt. Ei­nen sol­chen Rest kön­nen Sie noch se­hen. Man hat näm­lich, wenn man die­se pro­phe­tisch wir­ken­de Kunst im al­ten Ägyp­ter­land hat üben wol­len, den nächs­ten Zei­traum in sie­ben Tei­le ein­ge­teilt und ge­sagt: Der ers­te muß dies ent­hal­ten, der zwei­te das, der drit­te je­nes und so wei­ter. Da­nach ver­folg­ten die Nach­kom­men, was zu ge­sche­hen hat. Aber das war eben das Haupt­cha­rak­te­ris­ti­kum der drit­ten Kul­tu­re­po­che. Die vier­te zeig­te nur noch schwa­che Nach­klän­ge da­von. Sie kön­nen nun die­se schwa­chen Nach­klän­ge noch er­ken­nen, wenn Ih­nen der Ur­sprung der al­ten rö­mi­schen Kul­tur er­zählt wird. Äneas, Sohn des An­chi­ses aus Tro­ja, ei­ner Stät­te der drit­ten Epo­che, wan­dert

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aus und kommt zu­letzt nach Al­ba Lon­ga. In die­sem Na­men ist an­ge­deu­tet ei­ne Stät­te ural­ter hei­li­ger Pries­ter­kul­tur: Al­ba Lon­ga oder die lan­ge Al­ba, die Stadt ei­ner Pries­ter­kul­tur, von der die Kul­tur Roms aus­ge­hen soll­te. Im Meßk­leid der ka­tho­li­schen Pries­ter ha­ben wir noch ei­nen Nach­klang da­von er­hal­ten. Da wur­de vor­aus­ge­zeich­net noch in al­ter Pries­ter­wei­se ei­ne sie­ben­g­lie­d­ri­ge Kul­tu­re­po­che. Oh, die­se sie­ben rö­mi­schen Kö­n­igs­zei­ten wa­ren vor­aus­ge­zeich­net! Und die Ge­schichts­sch­rei­ber des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts ha­ben wie­der ein­mal sich ei­nen bö­sen St­reich spie­len las­sen im Hin­blick auf die­se sie­ben Kö­n­igs­zei­ten. Sie sind dar­auf ge­kom­men, daß in dem pro­fa­nen ma­te­ri­el­len Sinn es mit die­sen rö­mi­schen Kö­n­i­gen nichts ist; aber was da­hin­ter­steckt, daß hier ei­ne nach der hei­li­gen Sie­ben­zahl pro­phe­tisch vor­aus­ge­g­lie­der­te Kul­tur der Si­byl­li­ni­schen Bücher nach­ge­zeich­net ist, dar­auf konn­ten sie nicht kom­men.

Hier ist nicht der Ort, uns ein­zu­las­sen auf die ein­zel­nen Kö­n­i­ge. Sie wür­den an den ein­zel­nen Kö­n­i­gen se­hen kön­nen, an Ro­mu­lus, Nu­ma Pom­pi­li­us, Tul­lus Ho­s­ti­li­us und so wei­ter, wie sie ge­nau dem ent­sp­re­chen, was die au­f­ein­an­der­fol­gen­den Kul­tu­re­po­chen nach den sie­ben Prin­zi­pi­en sind, die sich uns auf so ver­schie­de­nen Ge­bie­ten zei­gen.

So hat­te man all­mäh­lich in der drit­ten Epo­che die Ma­ja zu durch­drin­gen ver­mocht mit dem Men­schen­geist. Vol­l­en­det wur­de das in der vier­ten Kul­tu­re­po­che. Se­hen Sie sich die grie­chisch-latei­ni­sche Kul­tur an, wo in den wun­der­ba­ren Kunst­wer­ken der Mensch in der äu­ße­ren ma­te­ri­el­len Welt ein völ­li­ges Ab­bild sei­ner selbst schafft, wo er im Dra­ma sei­ne men­sch­li­chen Schick­sa­le ent­ste­hen läßt wie bei Ai­schy­los. Se­hen Sie sich da­ge­gen an, wie man in der ägyp­ti­schen Kul­tur noch den Göt­ter­wil­len er­forscht. Je­ne Er­obe­rung der Ma­te­rie, wie wir sie in der grie­chi­schen Zeit se­hen, be­deu­tet noch ei­ne Stu­fe mehr, auf der der Mensch das ma­te­ri­el­le Da­sein lieb­ge­winnt, und vol­l­ends ist der Mensch in der rö­mi­schen Zeit auf den phy­si­schen Plan her­aus­ge­t­re­ten. Wer das ver­steht, der weiß auch, daß wir da­rin das völ­li­ge Her­au­s­t­re­ten des Per­sön­lich­keit­s­prin­zips zu er­bli­cken ha­ben. Da­her trat in Rom zu­erst das auf, was

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wir den Rechts­be­griff nen­nen, wo wir den Men­schen zu­erst als Bür­ger vor uns ha­ben. Nur ei­ne ver­wor­re­ne Wis­sen­schaft kann die Ju­ri­s­pru­denz zu­rück­füh­ren auf al­ler­lei vor­her­ge­hen­de Zei­ten. Was man vor­her un­ter Recht ver­stand, war et­was an­de­res. Viel rich­ti­ger schil­dert das Al­te Te­s­ta­ment in den Zehn Ge­bo­ten das al­te Ge­setz. Was da der Gott be­fahl, das ge­hör­te zu dem, was die Rechts­be­grif­fe ent­hielt. Es ist ein Un­ding in un­se­rer Zeit, daß man die Rechts­be­grif­fe zu­rück­füh­ren will bis Ham­mu­ra­bi und so wei­ter. In Rom zu­erst wird das ei­gent­li­che Recht, wird der ei­gent­li­che Be­griff des Men­schen als Bür­ger zur Gel­tung ge­bracht. In Grie­chen­land noch war der Bür­ger Mit­g­lied des Stadt-Staa­tes. Der Athe­ner, der Sparta­ner war als Bür­ger viel mehr denn als Ein­zel­mensch. Er fühl­te sich als Glied des Stadt-Staa­tes. In Rom erst wur­de der ein­zel­ne Mensch der Bür­ger, da konn­te er es erst wer­den. Das lie­ße sich in al­len Ein­zel­hei­ten nach­wei­sen. Das, was wir heu­te ein Te­s­ta­ment nen­nen, gab es in die­ser Be­deu­tung nicht vor der al­ten Rö­mer­zeit. Das Te­s­ta­ment in sei­ner heu­ti­gen Be­deu­tung ent­stand da­mals erst, weil da erst der ein­zel­ne Mensch maß­ge­bend sein soll­te in sei­nem ego­is­ti­schen Wil­len, um die­sen Wil­len auf sei­ne Nach­kom­men über­ge­hen zu las­sen. Vor­her wa­ren an­de­re Im­pul­se als der per­sön­li­che Wil­le da, die das Gan­ze zu­sam­men­hiel­ten. So lie­ße sich an vie­len Bei­spie­len nach­wei­sen, wie der Mensch her­au­s­t­rat auf den phy­si­schen Plan.

Wir le­ben jetzt im fünf­ten, in je­nem Zei­traum, wo die Kul­tur noch tie­fer als bis zum Men­schen her­un­ter­ge­s­tie­gen ist. Wir le­ben in der Zeit, wo der Mensch der Skla­ve ist der äu­ße­ren Ver­hält­nis­se, des Mi­lieus. In Grie­chen­land wur­de der Geist da­zu ver­wen­det, um die Ma­te­rie zu ver­geis­ti­gen, und die ver­geis­tig­te Ma­te­rie tritt uns ent­ge­gen in ei­ner Apol­lo-Ge­stalt, ei­ner Zeus-Ge­stalt, in den Dra­men ei­nes So­pho­k­les und so wei­ter. Da ist der Mensch hin­aus­ge­s­tie­gen auf den phy­si­schen Plan, aber noch nicht hin­un­ter­ge­s­tie­gen un­ter den Men­schen. Auch in Rom noch ist das der Fall. Das tie­fe Her­un­ter­s­tei­gen un­ter die Sphä­re des Men­sch­li­chen ist jetzt erst ge­sche­hen. In un­se­rer Zeit ist der Geist der Skla­ve der Ma­te­rie ge­wor­den. Un­end­lich viel Geist ist ver­wen­det wor­den in un­se­rem

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Zei­traum, um den äu­ße­ren Plan in sei­nen Na­tur­kräf­ten zu durch­drin­gen, um die­sen äu­ße­ren phy­si­schen Plan so­zu­sa­gen zu ei­ner mög­lichst be­que­men Stät­te für den Men­schen zu ma­chen.

Ver­g­lei­chen wir ein­mal die al­ten Zei­ten mit un­se­rer Zeit. In die­sen al­ten Zei­ten sah der Mensch die gro­ße Ster­nen­schrift der Göt­ter, aber mit welch pri­mi­ti­ven Mit­teln wur­den die Kul­tu­r­er­run­gen­schaf­ten je­ner Zeit, die Py­ra­mi­den, die Sphin­xe her­ge­s­tellt! Wie nähr­te sich der Mensch! Und was hat er sich al­les an äu­ße­ren Kul­tur­mit­teln bis heu­te er­obert! Wel­che Kraft des Geis­tes ge­hör­te da­zu, um die Dampf­ma­schi­ne zu er­sin­nen und her­zu­s­tel­len, um die Ei­sen­bahn, den Te­le­gra­phen, das Te­le­phon und so wei­ter aus­zu­den­ken! Un­ge­heu­re Kräf­te des geis­ti­gen Le­bens muß­ten ver­wen­det wer­den, um die­se rein ma­te­ri­el­len Kul­tur­mit­tel zu er­fin­den und her­zu­s­tel­len. Und wo­zu wer­den sie ver­wen­det? Ist es für das spi­ri­tu­el­le Le­ben im we­sent­li­chen ein Un­ter­schied, ob in ei­ner Ur­kul­tur ein Mensch zwi­schen zwei Stei­nen das Ge­t­rei­de zer­rieb, wo­zu na­tür­lich sehr ge­rin­ge geis­ti­ge Kräf­te ver­braucht wur­den, oder ob wir im­stan­de sind, nach Ame­ri­ka zu te­le­gra­phie­ren, um von dort­her gro­ße Ge­t­rei­de­men­gen zu be­kom­men und sie durch wun­der­bar aus­ge­dach­te Müh­len zu Mehl zu zer­rei­ben? Ein­fach für den Ma­gen ist der gan­ze Ap­pa­rat in Be­we­gung ge­setzt. Ma­chen wir uns klar, wel­che Un­sum­men geis­ti­ger Le­bens­kräf­te hin­ein­ge­steckt wer­den in die bloß ma­te­ri­el­le Kul­tur. Von der spi­ri­tu­el­len Kul­tur wird noch sehr we­nig durch die äu­ße­ren Kul­tur­mit­tel be­för­dert. Der Te­le­graph wird in, sa­gen wir, an­thro­po­so­phi­schen An­ge­le­gen­hei­ten sehr sel­ten ver­wen­det. Wenn Sie ei­nen sta­tis­ti­schen Ver­g­leich auf­s­tel­len wür­den zwi­schen dem, was für die ma­te­ri­el­le Kul­tur ver­wen­det wird, und dem, was dem spi­ri­tu­el­len Le­ben zu­gu­te kommt, dann wür­den Sie be­g­rei­fen, daß der Geist un­ter das Men­sch­li­che hin­un­ter­ge­taucht ist, ein Skla­ve ge­wor­den ist des ma­te­ri­el­len Le­bens.

So ha­ben wir im ent­schie­dens­ten Sin­ne ei­nen ab­s­tei­gen­den Kul­tur­weg bis in un­se­re Zeit, in die fünf­te Kul­tu­re­po­che hin­ein, und im­mer tie­fer und tie­fer wür­de es hin­un­ter­ge­hen. Des­halb muß vor dem völ­li­gen Hin­un­ter­g­lei­ten in die Ma­te­rie die Mensch­heit durch ei­nen neu­en Im­puls be­wahrt wer­den. So tief ist vor­her noch nie­mals

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das We­sen des Men­schen hin­un­ter­ge­s­tie­gen in die Ma­te­rie. Ein star­ker, der stärks­te der Er­den­im­pul­se muß­te kom­men. Das war die Er­schei­nung des Chris­tus Je­sus, die den An­stoß gab zu neu­em spi­ri­tu­el­lem Le­ben. Was wir im geis­ti­gen Le­ben wäh­rend des Ab­s­tie­ges an auf­wärts­s­tei­gen­den Kräf­ten ha­ben, das ver­dan­ken wir je­nem ge­wal­ti­gen Im­pul­se, der durch Chris­tus Je­sus kam. Inn­er­halb die­ses Ab­s­tie­ges in die Ma­te­rie wa­ren im­mer spi­ri­tu­el­le Im­pul­se vor­han­den. Da ent­fal­te­te sich, zu­erst lang­sam, dann mehr und mehr das christ­li­che Le­ben, das heu­te erst im An­fang ist, das aber in der Zu­kunft zu ei­ner un­ge­heu­ren Glo­rie em­por­s­tei­gen wird, weil die Mensch­heit erst in der Zu­kunft die Evan­ge­li­en be­g­rei­fen wird. Wenn man sie aber voll­stän­dig ver­ste­hen wird, dann wird man se­hen, wel­che Un­sum­me spi­ri­tu­el­len Le­bens in die­sen Evan­ge­li­en vor­han­den ist. Je mehr sich das Evan­ge­li­um in sei­ner wah­ren Ge­stalt aus­b­rei­ten wird, um so mehr wird die Mensch­heit wie­der­um die Mög­lich­keit ha­ben, trotz al­ler ma­te­ri­el­len Kul­tur ein spi­ri­tu­el­les Le­ben zu ent­fal­ten, hin­auf­zu­s­tei­gen wie­der­um in die geis­ti­gen Wel­ten.

Was sich nun al­so von Zei­traum zu Zei­traum in der nachat­lan­ti­schen Kul­tur ent­wi­ckelt, das stellt sich der Apo­ka­lyp­ti­ker so vor, daß es sich aus­drückt in klei­ne­ren Ge­mein­schaf­ten, und so wer­den ihm die­se klei­ne­ren Ge­mein­schaf­ten, die auf der äu­ße­ren Er­de im Raum ver­teilt sind, zu Re­prä­sen­t­an­ten die­ser Kul­tu­re­po­chen. Wenn er spricht von der Ge­mein­de oder Kir­che zu Ephe­sus, so meint er: Ich neh­me an, daß zu Ephe­sus ei­ne sol­che Ge­mein­de leb­te, die in ge­wis­ser Be­zie­hung wohl das Chris­ten­tum an­ge­nom­men hat. Aber weil sich al­les nach und nach ent­wi­ckelt, so bleibt im­mer von je­der Kul­tu­re­po­che et­was zu­rück. In Ephe­sus ha­ben wir zwar ei­ne Ein­ge­weih­ten­schu­le, aber wir ha­ben die christ­li­che Leh­re da so ge­färbt, daß man noch übe­rall die alt­in­di­sche Kul­tur er­ken­nen kann. Er will uns zei­gen die ers­te Epo­che in der nachat­lan­ti­schen Zeit. Die­se ers­te Epo­che in der nachat­lan­ti­schen Zeit ist al­so re­prä­sen­tiert in der ephe­si­schen Ge­mein­de, und das, was zu ver­kün­den ist, soll in ei­nem Brie­fe an die Ge­mein­de von Ephe­sus ver­kün­det wer­den. Wir müs­sen uns das un­ge­fähr so vor­s­tel­len: Der Cha­rak­ter je­ner fer­nen

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in­di­schen Kul­tu­re­po­che blieb na­tür­lich, er setz­te sich fort in ver­schie­de­nen Kul­tur­strö­mun­gen. In der Ge­mein­de von Ephe­sus ha­ben wir noch et­was von die­sem Cha­rak­ter. Von die­ser Ge­mein­de wur­de das Chris­ten­tum so er­faßt, daß es noch von dem ty­pi­schen Cha­rak­ter der alt­in­di­schen Kul­tur be­stimmt wur­de.

So ha­ben wir in je­dem die­ser Brie­fe ei­nen Re­prä­sen­t­an­ten ei­ner der sie­ben nachat­lan­ti­schen Kul­tu­re­po­chen an­ge­spro­chen. In je­dem Brie­fe wird ge­sagt: Ihr seid so und so! Die­se und je­ne Sei­te eu­res We­sens ent­spricht dem, was im Sin­ne des Chris­ten­tums ist, das an­de­re muß an­ders wer­den. So sagt der Apo­ka­lyp­ti­ker zu ei­ner je­den Kul­tu­re­po­che, was bei­be­hal­ten wer­den kann und was nicht mehr stimmt und an­ders wer­den soll.

Ver­su­chen wir ein­mal, ob nun wir­k­lich in den sie­ben au­f­ein­an­der­fol­gen­den Brie­fen et­was ent­hal­ten ist von dem Cha­rak­ter der sie­ben au­f­ein­an­der­fol­gen­den Kul­tu­re­po­chen. Ver­su­chen wir ein­mal zu ver­ste­hen, wie die­se Brie­fe ge­hal­ten sein muß­ten, wenn sie dem ent­sp­re­chen soll­ten, was eben ge­sagt wor­den ist. Der Apo­ka­lyp­ti­ker denkt sich: In Ephe­sus ist ei­ne Ge­mein­de, ei­ne Kir­che. Sie hat das Chris­ten­tum an­ge­nom­men, aber sie zeigt das Chris­ten­tum in ei­ner Fär­bung, wie die ers­te Kul­tu­re­po­che noch war, fremd dem äu­ße­ren Le­ben, nicht von Lie­be er­füllt für das, was die ei­gent­li­che Auf­ga­be ist des nachat­lan­ti­schen Men­schen. Daß sie die An­be­tung der gro­ben Sinn­lich­keit ver­las­sen hat, daß sie sich ge­wandt hat zum geis­ti­gen Le­ben so sagt der, der die Brie­fe an die Ge­mein­de rich­tet , das ge­fal­le ihm an ihr. Wir er­ken­nen, was der Apo­ka­lyp­ti­ker da­mit sa­gen woll­te, in dem Um­stand, daß Ephe­sus die Stät­te war, wo der Mys­te­ri­en­di­enst der keu­schen Dia­na gepf­legt wur­de. Er deu­tet dar­auf hin, daß die Ab­kehr von der Ma­te­rie dort in be­son­de­rer Blü­te stand, die Ab­kehr vom sinn­li­chen Le­ben und die Hin­wen­dung zum Geis­ti­gen. «Aber ich ha­be wi­der dich, daß du die ers­te Lie­be ver­las­sen hast», die Lie­be, die die ers­te nachat­lan­ti­sche Kul­tur ha­ben muß, die da­rin sich äu­ßert, die Er­de als Acker an­zu­se­hen, in den hin­ein verpflanzt wer­den muß der gött­li­che Sa­me.

Wie cha­rak­te­ri­siert sich denn der­je­ni­ge, der die­sen Brief dik­tiert?

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Er cha­rak­te­ri­siert sich als Vor­läu­fer des Chris­tus Je­sus, gleich­sam als Füh­rer der ers­ten Kul­tu­re­po­che. Der Chris­tus Je­sus spricht gleich­sam durch die­sen Füh­rer oder Meis­ter der ers­ten Kul­tu­re­po­che, je­ner Epo­che, wo der Ein­ge­weih­te hin­auf­sah zu den jen­sei­ti­gen Wel­ten. Er sagt von sich, daß er die sie­ben Ster­ne in sei­ner Rech­ten hält und die sie­ben gol­de­nen Leuch­ter. Die sie­ben Ster­ne sind nichts an­de­res als Sym­bo­le für die sie­ben höhe­ren geis­ti­gen We­sen­hei­ten, wel­che die Füh­rer der gro­ßen Kul­tu­re­po­chen sind. Und von den sie­ben Leuch­tern ist es im be­son­de­ren aus­ge­drückt, daß es geis­ti­ge We­sen­hei­ten sind, die man nicht in der sinn­li­chen Welt se­hen kann. So ist auch in der Jo­ga-Ein­wei­hung in kla­ren Wor­ten auf sie hin­ge­deu­tet, hin­ge­deu­tet aber auch dar­auf, daß nie­mals der Mensch im Sin­ne der Ent­wi­cke­lung wirkt, wenn er die äu­ße­ren Wer­ke haßt, wenn er von der Lie­be zu den äu­ße­ren Wer­ken abläßt. Die Ge­mein­de zu Ephe­sus hat die Lie­be zu den äu­ße­ren Wer­ken ver­las­sen. So wird ganz rich­tig in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes an­ge­ge­ben: Du has­sest die Wer­ke der Ni­ko­lai­ten. «Ni­ko­lai­ten» ist nichts an­de­res als ei­ne Be­zeich­nung für die­je­ni­gen Men­schen, die das Le­ben bloß in der sinn­li­chen Ma­te­rie zum Aus­druck brin­gen. Es gab in der Zeit, auf die sich die­ser Brief be­zieht, ei­ne Sek­te der Ni­ko­lai­ten, die al­les, was dem Men­schen wert sein soll, nur in dem äu­ße­ren, flei­sch­li­chen, sinn­li­chen Le­ben sa­hen. Das sollst du nicht, sagt der­je­ni­ge, der den ers­ten Brief in­spi­riert. Aber nicht von der ers­ten Lie­be las­sen, sagt er auch, denn da­durch, daß du die Lie­be zur äu­ße­ren Welt hast, be­lebst du die­se äu­ße­re Welt, holst du sie hin­auf zum geis­ti­gen Le­ben. Der­je­ni­ge, der Oh­ren hat zu hö­ren, der hö­re: Wer über­win­det, dem wer­de ich zu es­sen ge­ben, nicht bloß vom ver­gäng­li­chen Baum, son­dern vom Baum des Le­bens , das heißt, der wird im­stan­de wer­den, zu ver­geis­ti­gen, was hier im Sinn­li­chen ist, um es hin­auf­zu­füh­ren zum Al­tar des geis­ti­gen Le­bens.

Der Re­prä­sen­tant der zwei­ten Kul­tu­re­po­che ist die Ge­mein­de oder Kir­che zu Smyr­na. Die­se re­det der Füh­rer der Mensch­heit an in sei­nem zwei­ten Vor­fah­ren, in dem In­spi­ra­tor und Meis­ter der uralt-per­si­schen Kul­tur. Die Ge­sin­nung der uralt-per­si­schen Kul­tur

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ist die­se: Einst­mals ist der Gott des Lich­tes ge­we­sen, der hat­te ei­nen Feind, die äu­ße­re Ma­te­rie, den fins­te­ren Ah­ri­man. Zu­erst war ich ver­bun­den mit dem Licht­geist, mit dem ers­ten, der da war. Da wur­de ich ein­ge­g­lie­dert in die Welt der Ma­te­rie, in wel­che sich ein­füg­te die zu­rück­ge­b­lie­be­ne feind­li­che Ge­walt: Ah­ri­man. Und nun wer­de ich ge­mein­sam mit dem Licht­geist be­ar­bei­ten die Ma­te­rie und ihr den Geist ein­g­lie­dern; dann wird nach Be­sie­gung der bö­sen Gott­heit die gu­te, die Licht-Gott­heit wie­der er­schei­nen. «Ich bin der­je­ni­ge, der der Ers­te ist und der Letz­te», der­je­ni­ge, der tot wird im ma­te­ri­el­len Le­ben und wie­der­um le­ben­dig in der geis­ti­gen Au­f­er­ste­hung. So le­sen wir im zwei­ten Brief: «Ich bin der Ers­te und der Letz­te, der da ist und der da war und der da kommt, der wie­der le­ben­dig ge­wor­den ist» (Of­fen­ba­rung Jo­han­nis 2, 8). Es wür­de zu weit füh­ren, je­den Satz in die­ser Wei­se durch­zu­ge­hen, aber den ei­nen müs­sen wir doch noch ge­nau­er an­füh­ren, den Satz, der uns da ge­nau cha­rak­te­ri­siert, wie man sich als Mit­g­lied der Ge­mein­de zu Smyr­na ver­hält, wenn man sie um­ge­stal­tet ins christ­li­che Prin­zip. Da heißt es, daß man dem To­de Le­ben gibt, daß man das To­te durch­geis­tigt. Man geht nicht un­ter in dem To­ten. Gin­ge man un­ter, dann wür­de der Tod ein Er­eig­nis für den Men­schen sein, das ihn zu ei­nem geis­ti­gen Le­ben führt, in dem sich nicht die Früch­te die­ses ir­di­schen Le­bens fin­den könn­ten. Neh­men wir ei­nen Men­schen, der sein Le­ben nicht so an­ge­wen­det hat, daß er die ech­ten Früch­te her­aus­zie­hen kann. Er nimmt kei­ne Früch­te mit ins geis­ti­ge Le­ben. Aber nur von die­sen Früch­ten kann er im geis­ti­gen Da­sein le­ben. Wenn er al­so kei­ne Früch­te mit­bräch­te, so wür­de er den «zwei­ten Tod» er­le­ben. Da­durch, daß er die­ses ir­di­sche Feld be­ar­bei­tet, da­durch wird er ge­ret­tet vor dem «zwei­ten Tod»: «Wer Oh­ren hat zu hö­ren, der hö­re, was der Geist den Ge­mein­den sagt. Wer über­win­det, dem soll kein Leid ge­sche­hen von dem zwei­ten Tod» (Of­fen­ba­rung Jo­han­nis 2, 11).

Nun ge­hen wir wei­ter, zur Ge­mein­de zu Per­ga­mus. Sie ist der Re­prä­sen­tant je­ner Epo­che der Mensch­heit, die mehr und mehr her­au­s­t­rat auf den phy­si­schen Plan, wo der Mensch in der Ster­nen­schrift sah, was sein Geist er­grün­den konn­te. Das ist dem Men­schen

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in der drit­ten Kul­tu­re­po­che ge­ge­ben. Der Mensch wirkt durch das, was in sei­nem In­nern ist. Da­durch, daß er ein In­ne­res hat, kann er das Äu­ße­re er­for­schen. Nur weil er mit ei­ner See­le be­gabt war, konn­te er die Ster­nen­bahn er­for­schen, die Geo­me­trie er­fin­den. Das nann­te man die Er­for­schung durch das Wort, das in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes aus­ge­drückt ist durch «das Schwert des Mun­des». Der­je­ni­ge, der die­sen Brief sch­rei­ben läßt, deu­tet da­her dar­auf hin, daß die Ge­walt die­ser Epo­che ein schar­fes Wort ist, ein schar­fes, zwei­schnei­di­ges Schwert. Das ist das Her­mes-Wort der al­ten Pries­ter, ist das Wort, durch das man die Na­tur­kräf­te und Ster­ne er­forsch­te im al­ten Sinn, das ist die­je­ni­ge Kul­tur, die vor­zugs­wei­se durch die in­ne­ren as­tra­lisch-see­li­schen Kräf­te des Men­schen ge­won­nen wird hier auf dem phy­si­schen Plan. Wenn sie noch in je­ner al­ten Form ge­won­nen wird, ist sie wir­k­lich ein sehr zwei­schnei­di­ges Schwert. Da steht die Weis­heit hart an der Kan­te zwi­schen dem, was wei­ße und schwar­ze Ma­gie ist, zwi­schen dem, was in die Se­lig­kei­ten führt, und dem, was ins Ver­der­ben mün­det. Des­halb sagt er, daß er wohl weiß, daß da, wo die Re­prä­sen­t­an­ten die­ser Epo­che woh­nen, auch des Sa­t­ans Stuhl ist. Das deu­tet auf al­les das hin, was hin­weg­füh­ren kann von den wir­k­li­chen gro­ßen Zie­len der Ent­wi­cke­lung. Und die «Leh­re Ba­laams» ist kei­ne an­de­re als die Leh­re der schwar­zen Zau­be­rer, denn das ist die Leh­re der Volks­ver­sch­lin­ger. Die Volks­ver­sch­lin­ger, die Volks­zer­stö­rer sind die schwar­zen Ma­gi­er, die nur im Di­ens­te ih­rer ei­ge­nen Per­sön­lich­keit ar­bei­ten und al­le Ge­mein­schaft zer­stö­ren, da­her al­les, was im Vol­ke lebt, ver­sch­lin­gen. Aber das Gu­te die­ser Kul­tur be­steht da­rin, daß der Mensch ge­ra­de da be­gin­nen kann, sei­nen As­tral­leib zu rei­ni­gen und zu ver­klä­ren. Das nennt man das «ver­bor­ge­ne Man­na». Das­je­ni­ge, was bloß für die Welt ist, um­ge­än­dert in Got­tes­spei­se, was nur für den ego­is­ti­schen Men­schen ist, um­ge­wan­delt in Gött­li­ches, das nennt man «ver­bor­ge­nes Man­na». Al­le die Sym­bo­le hier zei­gen an, daß der Mensch sei­ne See­le rei­nigt, um zum rei­nen Trä­ger von Ma­nas sich zu ma­chen.

Da­zu ist es al­ler­dings noch not­wen­dig, durch­zu­ge­hen durch die vier­te Kul­tu­re­po­che. Da er­scheint der Er­lö­ser, Chris­tus Je­sus, sel­ber.

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Sei­te 082

Es ist die Ge­mein­de zu Thya­ti­ra. Da kün­digt er sich an als der «Sohn Got­tes, der Au­gen hat wie Feu­er­flam­men und sei­ne Fü­ße gleich wie Mes­sing». Jetzt kün­digt er sich an als Sohn Got­tes, jetzt ist er der Füh­rer der vier­ten Kul­tu­re­po­che, wo der Mensch her­un­ter­ge­s­tie­gen ist auf den phy­si­schen Plan, wo er selbst in den äu­ße­ren Kul­tur­mit­teln sein Ab­bild ge­schaf­fen hat. Jetzt ist die Pe­rio­de ge­kom­men, wo die Gott­heit sel­ber Mensch, sel­ber Fleisch, sel­ber Per­son wird, das Zei­tal­ter, in dem der Mensch bis zu dem Gra­de der Per­sön­lich­keit her­un­ter­ge­s­tie­gen ist, wo in den Bild­hau­er­wer­ken der Grie­chen die in­di­vi­dua­li­sier­te Gott­heit als Per­sön­lich­keit er­scheint, wo im rö­mi­schen Bür­ger die Per­sön­lich­keit auf den Wel­ten­plan tritt. Die­ses Zei­tal­ter muß­te zu glei­cher Zeit ei­nen Im­puls da­durch er­hal­ten, daß das Gött­li­che in Men­schen­ge­stalt er­scheint. Der her­ab­ge­s­tie­ge­ne Mensch konn­te nur ge­ret­tet wer­den da­durch, daß der Gott sel­ber als Mensch er­scheint. Der «Ich-bin» oder das Ich im as­tra­li­schen Leib muß­te den Im­puls des Chris­tus Je­sus er­hal­ten. Was früh­er nur im Keim sich zeig­te, das Ich oder «Ich-bin», soll­te auf den äu­ße­ren Plan der Welt­ge­schich­te tre­ten. Der Sohn Got­tes darf da­her als Füh­rer der Zu­kunft sa­gen: «Und al­le Ge­mein­den sol­len er­ken­nen den Ich-bin, der die Her­zen und Nie­ren prü­fet» (Of­fen­ba­rung Jo­han­nis 2, 23). Auf das «Ich-bin», auf das vier­te Glied der men­sch­li­chen We­sen­heit, wird hier Ge­wicht ge­legt. «Wie ich von mei­nem Va­ter emp­fan­gen ha­be; und ich will ihm ge­ben den Mor­gens­tern» (Of­fen­ba­rung Jo­han­nis 2, 28).

Was be­deu­tet hier «Mor­gens­tern»? Wir wis­sen, die Er­de geht hin­durch durch den Sa­turn, die Son­ne, den Mond, die Er­de, den Ju­pi­ter, die Ve­nus und den Vul­kan. So spricht man es ge­wöhn­lich aus und so ist es auch rich­tig. Ich ha­be aber auch schon dar­auf hin­ge­wie­sen, daß die Er­den­ent­wi­cke­lung zer­fällt in die Mars­zeit und in die Mer­kur­zeit we­gen des ge­heim­nis­vol­len Zu­sam­men­hangs, der da in der ers­ten Hälf­te des Erd­zu­stan­des zwi­schen Er­de und Mars und in der zwei­ten Hälf­te zwi­schen Er­de und Mer­kur be­steht. Da­her setzt man an Stel­le der Er­de auch Mars und Mer­kur. Man sagt, die Er­de geht durch in ih­rer Ent­wi­cke­lung durch Sa­turn, Son­ne, Mond,

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Mars, Mer­kur, Ju­pi­ter, Ve­nus. So ha­ben wir al­so als das Ge­s­tirn, das als das ei­gent­lich Ton­an­ge­ben­de, als die Kraft im zwei­ten Zei­traum der Er­de sich dar­s­tellt, den Mer­kur. Der Mer­kur ist der Stern, der uns re­prä­sen­tiert die rich­tung­ge­ben­de Kraft, als Rich­tung nach auf­wärts, die der Mensch ein­schla­gen muß.

Hier kom­me ich an ei­ne Stel­le, wo wir so­zu­sa­gen ein klei­nes Ge­heim­nis lüf­ten müs­sen, das im Grun­de ge­nom­men nur an die­ser Stel­le ge­lüf­tet wer­den darf. Man hat näm­lich im Ok­kul­tis­mus für die­je­ni­gen, die die Geis­tes­wis­sen­schaft nur mißbrau­chen wür­den und na­ment­lich in äl­te­ren Zei­ten mißbraucht hät­ten, im­mer ge­habt das, was man nen­nen möch­te ei­ne Mas­ke. Man hat sich nicht di­rekt aus­ge­drückt, son­dern hat hin­ge­s­tellt et­was, was die wah­re Sachla­ge ver­hül­len soll­te. Nun hat sich die mit­telal­ter­li­che Eso­te­rik nicht an­ders zu hel­fen ge­wußt als durch gro­be Mit­tel. Sie hat den Mer­kur Ve­nus ge­nannt und die Ve­nus Mer­kur. In Wahr­heit müß­ten wir, wenn wir im Sin­ne der Eso­te­rik sp­re­chen wol­len, wie es der Apo­ka­lyp­ti­ker ge­tan hat, den Mer­kur als Mor­gens­tern an­sp­re­chen. Er meint mit Mor­gens­tern den Mer­kur: Ich ha­be dei­nem Ich ge­ge­ben die Rich­tung nach auf­wärts, durch den Mor­gens­tern, den Mer­kur. Sie kön­nen auch noch in ge­wis­sen, wir­k­lich die Sachla­ge tref­fen­den Büchern des Mit­telal­ters fin­den, daß die Ster­ne un­se­res Pla­ne­ten­sys­tems so auf­ge­zählt wer­den: Sa­turn, Ju­pi­ter, Mars, und auf die Er­de fol­gen nicht wie jetzt Ve­nus, Mer­kur, son­dern um­ge­kehrt Mer­kur, Ve­nus. Da­her heißt es hier: «Wie Ich von mei­nem Va­ter emp­fan­gen ha­be; und will ihm ge­ben den Mor­gens­tern.»

Und jetzt müß­ten wir kom­men in un­se­re Epo­che he­r­ein, der wir an­ge­hö­ren, und wir müß­ten uns fra­gen: Er­füllt sich denn die­se Of­fen­ba­rung des Apo­ka­lyp­ti­kers bis in un­se­re Zeit he­r­ein? Wenn sie sich er­fül­len wür­de, müß­te zu uns sp­re­chen der­je­ni­ge, der durch die vier vor­her­ge­hen­den Epo­chen ge­spro­chen hat, und wir müß­ten sei­ne Stim­me ver­ste­hen ler­nen, müß­ten uns hin­ein­fin­den kön­nen in das, was un­se­re Auf­ga­be ist für das spi­ri­tu­el­le Le­ben. Soll es ei­ne spi­ri­tu­el­le Geis­tes­strö­mung ge­ben und soll sie Welt­mys­tik ver­ste­hen, dann muß die­se Strö­mung, in­so­fern sie übe­r­ein­stim­men soll mit der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes, das er­fül­len, was der Sp­re­cher,

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der gro­ße In­spi­ra­tor, for­dert von die­ser Epo­che. Was for­dert er, und wer ist er? Kön­nen wir ihn er­ken­nen? Ver­su­chen wir es.

«Und dem En­gel der Ge­mein­de zu Sar­des sch­rei­be» wir selbst müs­sen uns hier an­ge­spro­chen füh­len : «Das sagt, der die sie­ben Geis­ter Got­tes hat und die sie­ben Ster­ne» (Of­fen­ba­rung Jo­han­nis 3, 1). Was sind sie hier, die sie­ben Geis­ter und die sie­ben Ster­ne? Im Ton des Apo­ka­lyp­ti­kers ist der Mensch, wie er uns hier er­scheint, ein äu­ße­rer Aus­druck der sie­ben men­sch­li­chen Prin­zi­pi­en, die wir auf­ge­zählt ha­ben. Das Prin­zip des phy­si­schen Lei­bes, von dem der äu­ße­re phy­si­sche Leib der Aus­druck ist, das Prin­zip des Le­bens­lei­bes, des­sen Aus­druck der Äther­leib ist, das Prin­zip des as­tra­li­schen Lei­bes, der um­ge­wan­delt Ma­nas er­gibt, Buddhi oder der um­ge­wan­del­te Äther­leib, At­ma oder der um­ge­wan­del­te phy­si­sche Leib, und mit­ten drin­nen­ste­hend das Ich-Prin­zip: das sind die sie­ben geis­ti­gen In­g­re­di­en­zi­en, in wel­che die gött­li­che We­sen­heit des Men­schen wie in Glie­der ei­nes Fächers au­s­ein­an­der­ge­legt ist. Nach dem tech­ni­schen Aus­druck des Ok­kul­tis­mus nennt man die­se sie­ben Prin­zi­pi­en die sie­ben Geis­ter des Got­tes im Men­schen. Und die sie­ben Ster­ne, das sind die Ster­ne, nach de­nen wir ver­ste­hen, was der Mensch heu­te ist und was er in der Zu­kunft wer­den soll. Wenn wir sie auf­zäh­len, die au­f­ein­an­der­fol­gen­den Ster­ne der Er­den­ver­kör­pe­rung: Sa­turn, Son­ne, Mond, Er­de, Ju­pi­ter, Ve­nus und Vul­kan, dann sind das die sie­ben Ster­ne, die uns die Ent­wi­cke­lung des Men­schen ver­ständ­lich ma­chen. Der Sa­turn hat dem Men­schen die An­la­ge zu sei­nem phy­si­schen Lei­be, die Son­ne die zu sei­nem äthe­ri­schen, der Mond je­ne zum as­tra­li­schen Leib und die Er­de hat ihm das Ich ge­ge­ben. Die drei nächst­fol­gen­den, Ju­pi­ter, Ve­nus, Vul­kan, bil­den die geis­ti­gen We­sens­g­lie­der des Men­schen aus. Ver­ste­hen wir den Ruf des Geis­tes, der die­se sie­ben Ster­ne und die sie­ben Geis­ter Got­tes, die sie­ben­g­lie­d­ri­ge Na­tur in der Hand hat, dann trei­ben wir im Sin­ne des Apo­ka­lyp­ti­kers An­thro­po­so­phie. Nichts an­de­res heißt An­thro­po­so­phie trei­ben, als zu wis­sen, daß hier hin­ge­deu­tet wird auf die fünf­te men­sch­li­che Ent­wi­cke­lung­s­e­po­che der nachat­lan­ti­schen Zeit, zu wis­sen, daß wir in un­se­rer Zeit, wo man am tiefs­ten her­un­ter­ge­s­tie­gen ist in die Ma­te­rie, in das spi­ri­tu­el­le Le­ben

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wie­der hin­auf­sch­rei­ten sol­len im Ge­fol­ge der gro­ßen In­di­vi­dua­li­tät, wel­che die sie­ben Geis­ter Got­tes und die sie­ben Ster­ne uns zur Füh­r­er­schaft gibt, da­mit wir uns zu­recht­fin­den auf dem We­ge.

Und wenn wir die­sen Weg ge­hen, brin­gen wir in den sechs­ten Zei­traum hin­ein das rich­ti­ge spi­ri­tu­el­le Le­ben der Weis­heit und der Lie­be. Dann wird das, was wir uns er­ar­bei­ten als an­thro­po­so­phi­sche Weis­heit, zum Lie­be­s­im­puls des sechs­ten Zei­trau­mes, der re­prä­sen­tiert wird durch die Ge­mein­de, die schon in ih­rem Na­men sich als Re­prä­sen­tant des sechs­ten Zei­trau­mes aus­drückt: die Ge­mein­de der Bru­der­lie­be, Phi­la­del­phia. Al­le die­se Na­men sind nicht um­sonst ge­wählt. Der Mensch wird sein Ich ent­wi­ckeln zur rich­ti­gen Höhe, so daß er selb­stän­dig wird und in Frei­heit die Lie­be je­dem an­de­ren We­sen ent­ge­gen­bringt im sechs­ten Zei­traum, der re­prä­sen­tiert ist durch die Ge­mein­de Phi­la­del­phia. Das soll als spi­ri­tu­el­les Le­ben des sechs­ten Zei­trau­mes vor­be­rei­tet wer­den. Da wer­den wir das in­di­vi­du­el­le Ich in höhe­rem Gra­de in uns ge­fun­den ha­ben, so daß kei­ne äu­ße­re Kraft mehr in uns hin­ein­spie­len kann, wenn wir es nicht wol­len; so daß wir zu­sch­lie­ßen kön­nen und nie­mand oh­ne un­se­ren Wil­len auf­sch­ließt, und wenn wir auf­sch­lie­ßen, kei­ne ent­ge­gen­ge­setz­te Macht zu­sch­ließt. Das ist der «Schlüs­sel Da­vids». Des­halb spricht der­je­ni­ge, der den Brief in­spi­riert, daß er den Schlüs­sel Da­vids hat. «Und dem En­gel der Ge­mein­de zu Phi­la­del­phia sch­rei­be: Das sagt der Hei­li­ge, der Wahr­haf­ti­ge, der da hat den Schlüs­sel Da­vids, der auf­tut und nie­mand sch­ließt zu, der zu­sch­lie­ßet und nie­mand tut auf» «Sie­he, ich ha­be vor dir ge­ge­ben ei­ne of­fe­ne Tür, und nie­mand kann sie zu­sch­lie­ßen» das Ich, das in sich selbst sich ge­fun­den hat (Of­fen­ba­rung Jo­han­nis 3, 7).

Und der sie­ben­te Zei­traum wird die­je­ni­gen, die ge­fun­den ha­ben die­ses spi­ri­tu­el­le Le­ben, scha­ren um den gro­ßen Füh­rer; er wird sie ve­r­ei­ni­gen um die­sen gro­ßen Füh­rer. Sie wer­den be­reits so weit dem spi­ri­tu­el­len Le­ben an­ge­hö­ren, daß sie sich un­ter­schei­den wer­den von de­nen, die ab­ge­fal­len sind, von de­nen, die lau sind, «nicht kalt und nicht warm». Das Häuf­lein, wel­ches die Spi­ri­tua­li­tät ge­fun­den hat, wird ver­ste­hen den, der da sa­gen darf, in­dem er sich zu er­ken­nen gibt: Ich bin der­je­ni­ge, der in sich sch­ließt das wir­k­li­che

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End­we­sen, nach dem al­les zu­steu­ert. Denn die­ses End­we­sen, das be­zeich­net man mit dem Wor­te «Amen». Da­her Ka­pi­tel 3, 14: «Und dem En­gel der Ge­mein­de zu Lao­di­zea sch­rei­be: Das sa­get der Amen» der­je­ni­ge, der in sei­ner We­sen­heit die We­sen­heit des En­des dar­s­tellt.

So se­hen wir, wie in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes ge­ge­ben ist der In­halt ei­ner Ein­wei­hung. Und die ers­te Stu­fe schon die­ser Ein­wei­hung, wo wir den in­ne­ren Fort­gang der sie­ben nachat­lan­ti­schen Zei­ten se­hen, wo wir noch den Geist des phy­si­schen Pla­nes se­hen, zeigt uns, daß wir es zu tun ha­ben mit ei­ner Ein­wei­hung des Wil­lens. Denn bis in un­se­re Zeit he­r­ein kann die­ser In­halt be­feu­ernd wir­ken auf un­se­ren Wil­len, wenn wir er­ken­nen, daß wir hin­hor­chen sol­len auf die In­spi­ra­to­ren, die uns leh­ren, wenn wir ver­ste­hen ler­nen, was die sie­ben Ster­ne und die sie­ben Geis­ter Got­tes be­deu­ten, wenn wir ver­ste­hen ler­nen, daß wir die spi­ri­tu­el­le Er­kennt­nis in die Zu­kunft hin­ein­tra­gen sol­len.

06 – VIERTER VORTRAG, Nürnberg, 21. Juni 1908

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Vier­ter VOR­TRAG

Nürn­berg, 21. Ju­ni 1908

Es hat sich uns ges­tern er­ge­ben, in­wie­fern die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes pro­phe­tisch hin­weist auf den Zy­k­lus der Men­schen­ent­wi­cke­lung, der da liegt zwi­schen je­ner gro­ßen Um­wäl­zung auf un­se­rer Er­de, wel­che die ver­schie­de­nen Völ­ker als Sint­flut be­zeich­nen, wel­che die Geo­lo­gen cha­rak­te­ri­sie­ren als die Eis­zeit, und je­ner Epo­che, die wir als die des Krie­ges al­ler ge­gen al­le be­zeich­nen. In dem Zei­traum zwi­schen die­sen bei­den Epo­chen liegt al­les das, wor­auf das apo­ka­lyp­ti­sche Buch mit den sie­ben Send­sch­rei­ben pro­phe­tisch hin­weist, die­ses Buch, das uns die We­sen­hei­ten der ver­gan­ge­nen Zei­ten zeigt, um dar­aus her­zu­lei­ten, was un­se­ren Wil­len, un­se­re Im­pul­se be­feu­ern soll für die Zu­kunft. Und wir ha­ben ge­se­hen, wie wir selbst inn­er­halb der spi­ri­tu­el­len Be­we­gung, in der wir ste­hen, die Wor­te des so­ge­nann­ten fünf­ten Send­sch­rei­bens als ei­ne Auf­for­de­rung be­trach­ten sol­len, zu han­deln, zu wir­ken. Wir ha­ben ge­se­hen, wie dar­auf hin­ge­wie­sen wird, daß wir fol­gen sol­len je­ner We­sen­heit mit den sie­ben Geis­tern Got­tes und den sie­ben Ster­nen. Und wir ha­ben ge­se­hen, wie durch die­se spi­ri­tu­el­le geis­ti­ge Be­we­gung der nächst­fol­gen­de Zei­traum vor­be­rei­tet wird, der re­prä­sen­tiert ist durch die Ge­mein­de von Phi­la­del­phia, der Zei­traum, in dem herr­schen soll bei al­len de­nen, wel­che das Wort der Auf­for­de­rung ver­stan­den ha­ben, je­ne Bru­der­lie­be über die gan­ze Er­de hin, die vor­ge­zeich­net ist im Evan­ge­li­um des Jo­han­nes. Dar­auf wird noch ein an­de­rer, der sie­ben­te Un­ter­zei­traum fol­gen, der da­durch be­zeich­net wird, daß uns auf der ei­nen Sei­te hin­ge­s­tellt wird al­les das, was sch­limm ist in der Ge­mein­de, die den sie­ben­ten Zei­traum re­prä­sen­tiert, was lau ist, nicht heiß und nicht kalt, was sich nicht er­wär­m­en konn­te für das spi­ri­tu­el­le Le­ben und da­her ab­fal­len muß, und auf der an­de­ren Sei­te wer­den die­je­ni­gen ge­zeigt, die das Wort der Auf­for­de­rung ver­stan­den ha­ben, die die Ge­folg­schaft bil­den wer­den des­sen, der da sagt, Ich bin das Amen das

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heißt: Ich bin der, der das Ziel der men­sch­li­chen We­sen­heit in sich ve­r­ei­nigt, der das Chris­tus-Prin­zip in sich sel­ber ent­hält.

Wir wol­len nun al­les das, was noch zur wei­te­ren Er­klär­ung der ein­zel­nen Send­sch­rei­ben, was noch zur Recht­fer­ti­gung der ein­zel­nen Na­men der Städ­te hin­zu­zu­fü­gen wä­re, für ei­nen spä­te­ren Zeit­punkt auf­be­wah­ren. Heu­te wol­len wir wei­ter­sch­rei­ten in un­se­rer Be­trach­tungs­wei­se zu dem, was sich dem Men­schen bie­tet, wenn er die nächs­te Stu­fe der Ein­wei­hung be­sch­rei­tet. Die sie­ben Un­ter­zei­träu­me un­se­res Mensch­heits­zy­k­lus tra­ten uns ent­ge­gen, und wir ha­ben ge­sagt, daß die­ser gan­ze Zy­k­lus mit sei­nen sie­ben Un­ter­k­reis­läu­fen selbst wie­der­um ein klei­ner Zy­k­lus ist in ei­nem gro­ßen um­fas­sen­den Zei­ten­lauf, der gleich­falls sie­ben ein­zel­ne Epo­chen ent­hält. Un­se­rem Zy­k­lus von sie­ben Zeit­läu­fen ging der at­lan­ti­sche voran, in dem sich die Ras­sen, de­ren Nach­klän­ge jetzt noch vor­han­den sind, aus­ge­bil­det ha­ben. Un­se­rem jet­zi­gen Zy­k­lus, das heißt des­sen sie­ben­tem Un­ter­zy­k­lus, wird un­mit­tel­bar fol­gen ein an­de­rer, wie­der­um aus sie­ben Glie­dern be­ste­hen­der Zei­traum. Die­sen Zei­traum, den be­rei­tet der jet­zi­ge auch mit­tel­bar vor. So daß wir sa­gen kön­nen: Nach und nach wird sich un­se­re Kul­tur hin­ein­le­ben in ei­ne Kul­tur der Bru­der­lie­be, wo ein ver­hält­nis­mä­ß­ig klei­ner Teil der Men­schen ver­stan­den ha­ben wird das spi­ri­tu­el­le Le­ben, vor­be­rei­tet ha­ben wird den Geist und die Ge­sin­nung der Bru­der­lie­be. Die­se Kul­tur wird dann wie­der­um ei­nen klei­ne­ren Teil von Men­schen aus­son­dern, und der wird hin­über­le­ben über je­nes Er­eig­nis, das so zer­stö­rend auf un­se­ren Kreis­lauf wir­ken wird, über den Krieg al­ler ge­gen al­le. Bei die­sem all­ge­mein zer­stö­ren­den Ele­men­te wer­den übe­rall ein­zel­ne sein, die sich her­aus­he­ben aus der üb­ri­gen, sich ge­gen­sei­tig be­krie­gen­den Mensch­heit, ein­zel­ne, die das spi­ri­tu­el­le Le­ben ver­stan­den ha­ben und die den Grund­stock bil­den wer­den für ei­ne neue, an­de­re Epo­che, die Epo­che des sechs­ten Zei­trau­mes.

So ging es auch beim Her­über­le­ben vom vier­ten Zeit­lauf in un­se­re Zeit he­r­ein. Der­je­ni­ge, der mit hell­se­he­ri­schen Bli­cken den Zei­ten­lauf zu­rück­ver­fol­gen kann, der kommt, wenn er hin­durch­ge­gan­gen ist durch die Zei­träu­me, die wir be­trach­tet ha­ben den

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grie­chisch-rö­mi­schen, den ägyp­tisch-ba­by­lo­ni­schen, den alt­per­si­schen und den alt­in­di­schen , wenn er hin­durch­ge­gan­gen ist auch durch die Zeit der gro­ßen Flut, er kommt dann in die at­lan­ti­sche Zeit hin­ein. Wir brau­chen sie nicht aus­führ­lich zu be­trach­ten, aber wir müs­sen uns we­nigs­tens klar­ma­chen, wie sich die­se at­lan­ti­sche Kul­tur her­über­ent­wi­ckelt hat. Auch da war es so, daß der gro­ße Teil der at­lan­ti­schen Be­völ­ke­rung un­reif war, sich wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, un­fähig war, her­über­zu­kom­men in un­se­re Zei­ten. Ein klei­ner Teil, der in ei­nem Ge­bie­te in der Nähe des heu­ti­gen Ir­land leb­te, ent­wi­ckel­te sich zur höchs­ten Kul­tur­blü­te des at­lan­ti­schen Lan­des und zog ge­gen Os­ten. Wir müs­sen uns klar sein, daß dies nur der Haupt­zug ist. Im­mer wan­der­ten Völ­ker von Wes­ten nach Os­ten, und al­le die spä­te­ren Völ­ker in eu­ro­päi­schen Ge­gen­den, im nörd­li­chen und im mitt­le­ren Eu­ro­pa, al­le die­se rühr­ten her von je­nem Zug, der da ging von Wes­ten nach Os­ten. Nur war un­ter der Lei­tung ei­nes gro­ßen Füh­rers der Mensch­heit der­je­ni­ge Teil der Be­völ­ke­rung, der es zur höchs­ten Blü­te ge­bracht hat­te, am wei­tes­ten vor­ge­schrit­ten. Der sie­del­te sich in Mit­te­la­si­en an als ein ganz klei­ner Volks­stamm von au­s­er­wähl­ten Men­schen, und von da aus ging die Ko­lo­nie nach je­nen Kul­tur­ge­bie­ten, die wir an­ge­führt ha­ben, von da aus ging die Kul­tur­strö­mung nach Alt-In­di­en, nach Per­si­en, Ägyp­ten, Grie­chen­land und so wei­ter.

Sie kön­nen nun leicht fra­gen: Ist das nicht ein un­ge­heu­er har­ter Ge­dan­ke, daß gan­ze Völ­ker­mas­sen un­reif wer­den und nicht die Fähig­kei­ten ent­wi­ckeln, sich zu ent­fal­ten, daß nur ei­ne klei­ne Grup­pe fähig wird, den Keim zur nächs­ten Kul­tur ab­zu­ge­ben? Aber die­ser Ge­dan­ke wird für Sie nicht mehr et­was Be­ängs­ti­gen­des ha­ben, wenn Sie un­ter­schei­den zwi­schen Ras­sen­ent­wi­cke­lung und See­len­ent­wi­cke­lung. Denn kei­ne See­le ist da­zu ver­dammt, inn­er­halb ir­gend­ei­ner Ras­se zu blei­ben. Die Ras­se kann zu­rück­b­lei­ben, ei­ne Völ­ker­ge­mein­schaft kann zu­rück­b­lei­ben, die See­len aber sch­rei­ten über die ein­zel­nen Ras­sen hin­aus. Wenn wir uns die Sa­che ganz ge­nau vor­s­tel­len wol­len, so müs­sen wir uns sa­gen: Al­le See­len, wel­che heu­te in den Kör­pern der zi­vi­li­sier­ten Län­der woh­nen, wa­ren einst in at­lan­ti­schen Kör­pern ver­kör­pert. Dort ent­wi­ckel­ten

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sich ei­ni­ge in ent­sp­re­chen­der Wei­se wei­ter. Sie blie­ben nicht bei den at­lan­ti­schen Kör­pern. Weil sie sich wei­ter­ent­wi­ckelt hat­ten, konn­ten sie die See­len der auch wei­ter fort­ge­schrit­te­nen Lei­ber wer­den. Nur die­je­ni­gen See­len, die als See­len zu­rück­ge­b­lie­ben wa­ren, muß­ten Kör­per be­zie­hen, die als Lei­ber auf ei­ner nie­d­ri­gen Stu­fe zu­rück­ge­b­lie­ben wa­ren. Wür­den al­le See­len ent­sp­re­chend vor­wärts­ge­schrit­ten sein, so wür­de die zu­rück­ge­b­lie­be­ne Ras­se ent­we­der in sehr ge­rin­ger Zahl vor­han­den ge­b­lie­ben sein, oder es wür­den von neu hin­zu­kom­men­den nie­d­ri­gen See­len ih­re Lei­ber noch be­wohnt wor­den sein. Denn es gibt im­mer See­len, die zu­rück­ge­b­lie­be­ne Lei­ber be­woh­nen kön­nen. Kei­ne See­le ist an ei­nen zu­rück­ge­b­lie­be­nen Leib ge­bun­den, wenn sie sich nicht sel­ber bin­det.

Wie sich See­len- und Ras­sen­ent­wi­cke­lung ver­hält, das ist uns auf­be­wahrt in ei­nem wun­der­ba­ren My­thus. Den­ken wir uns Ras­se auf Ras­se fol­gen, Kul­tur­ge­mein­schaft auf Kul­tur­ge­mein­schaft. Die See­le, die ih­re Er­den­mis­si­on in der rich­ti­gen Wei­se durch­läuft, ist ver­kör­pert in ei­ner Ras­se. Sie st­rebt inn­er­halb die­ser Ras­se, die Fähig­keit die­ser Ras­se eig­net sie sich an, um das nächs­te­mal in ei­ner höhe­ren Ras­se ver­kör­pert zu sein. Nur die­je­ni­gen See­len, wel­che un­ter­ge­hen in der Ras­se, die nicht her­aus­st­re­ben aus der phy­si­schen Ma­te­ria­li­tät, die wer­den so­zu­sa­gen durch ih­re ei­ge­ne Schwe­re in der Ras­se zu­rück­ge­hal­ten. Sie er­schei­nen ein zwei­tes Mal in der­sel­ben Ras­se, ein drit­tes Mal even­tu­ell im Lei­be gleich­ge­stal­te­ter Ras­sen. Sol­che See­len wir­ken auf­hal­tend auf die kör­per­li­che Ras­se. In ei­ner Sa­ge hat sich uns das sc­hön er­hal­ten.

Wir wis­sen ja, daß der Mensch da­durch wei­ter­sch­rei­tet in der Bahn der Er­den­mis­si­on, daß er den gro­ßen Füh­r­ern der Mensch­heit folgt, die ihr die Zie­le an­wei­sen. Stößt er sie von sich, folgt er ih­nen nicht, dann eben muß er bei sei­ner Ras­se zu­rück­b­lei­ben, dann kann er nicht hin­aus über sie. Den­ken wir uns ein­mal ei­ne Per­sön­lich­keit, die das Glück hat, ei­nem gro­ßen Füh­rer der Mensch­heit ge­gen­über­zu­ste­hen, den­ken wir uns ei­ne sol­che Per­sön­lich­keit zum Bei­spiel, die dem Chris­tus Je­sus sel­ber ge­gen­über­steht, die sieht, wie er al­le Zei­chen tut, um die Mensch­heit vor­wärts­zu­füh­ren, die aber nichts wis­sen will von die­sem Auf­s­tieg, die hin­weg­stößt

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den Mensch­heits­füh­rer. Ei­ne sol­che Per­sön­lich­keit, ei­ne sol­che See­le wür­de ver­ur­teilt sein, in der Ras­se zu blei­ben. Und wenn wir uns das ra­di­kal aus­ge­stal­tet den­ken, so müß­te ei­ne sol­che See­le im­mer wie­der und wie­der in der­sel­ben Ras­se er­schei­nen, und wir ha­ben die Sa­ge von Ahas­ver, der im­mer wie­der in der­sel­ben Ras­se er­schei­nen muß, weil er den Chris­tus Je­sus von sich stieß.

In sol­chen eher­nen Sa­gen­ta­feln wer­den uns die gro­ßen Wahr­hei­ten der Mensch­heits­ent­wi­cke­lung hin­ge­s­tellt. See­len­ent­wi­cke­lung und Ras­sen­ent­wi­cke­lung müs­sen wir tren­nen. Kei­ne See­le hat un­ver­di­ent in al­ten Kör­pern blei­ben müs­sen, kei­ne See­le wird un­ver­di­ent blei­ben in den Lei­bern un­se­res Zei­tal­ters. Die See­len, die hö­ren wer­den die Stim­me, die da ruft, um vor­wärts­zu­sch­rei­ten, sie wer­den über die gro­ße Zer­stör­ungs­pe­rio­de des Krie­ges al­ler ge­gen al­le hin­über­le­ben und in neu­en Lei­bern er­schei­nen, in Lei­bern ganz an­de­rer Art als die heu­ti­gen. Denn es ist sehr kurz­sich­tig, wenn man sich zum Bei­spiel die at­lan­ti­schen Lei­ber der Men­schen so denkt wie die heu­ti­gen Lei­ber. Im Lau­fe von Jahr­tau­sen­den än­dern sich die Men­schen auch der äu­ße­ren Phy­siog­no­mie nach, und der Mensch, der nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le kom­men wird, wird ganz an­ders ge­stal­tet sein als der heu­ti­ge. Heu­te ist der Mensch so ge­stal­tet, daß er in ei­ner ge­wis­sen Be­zie­hung in sich ver­ber­gen kann sein Gu­tes und sein Bö­ses. Zwar ver­rät die Phy­siog­no­mie des Men­schen schon viel, und der­je­ni­ge, der sich dar­auf ver­steht, wird man­ches aus den Ge­sichts­zü­gen le­sen kön­nen. Aber es ist heu­te doch mög­lich, daß der Schur­ke hold­se­lig lächelt mit der un­schul­digs­ten Mie­ne und für ei­nen Eh­ren­mann ge­hal­ten wird. Und auch das Um­ge­kehr­te ist mög­lich, daß un­er­kannt bleibt, was in der See­le lebt an gu­ten Trie­ben. Es ist mög­lich, daß al­les das, was in der See­le an Ge­scheit­heit und Dumm­heit lebt, an Sc­hön­heit und Häß­lich­keit, daß es sich ver­birgt hin­ter der all­ge­mei­nen Phy­siog­no­mie, die die­ser oder je­ner Men­schen­schlag hat. Sol­ches wird in je­nem Zei­traum, der dem uns­ri­gen fol­gen wird nach dem gro­ßen Krieg al­ler ge­gen al­le, nicht mehr der Fall sein. Auf der Stir­ne und in der gan­zen Phy­siog­no­mie wird dem Men­schen ge­schrie­ben sein, ob er gut ist oder bö­se. Das In­ners­te der See­le wird der Mensch als

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Phy­siog­no­mie in sei­nem Ant­litz tra­gen, ja, der gan­ze Leib wird ein Ab­bild sein des­sen, was in sei­ner See­le lebt. Wie sich der Mensch in sich selbst ent­wi­ckelt hat, ob er die gu­ten oder bö­sen Trie­be ent­fal­tet hat, das wird an sei­ner Stir­ne ge­schrie­ben sein. Und zwei­er­lei Men­schen wer­den nach dem gro­ßen Krieg al­ler ge­gen al­le vor­han­den sein. Die­je­ni­gen, die sich vor­her be­müht hat­ten, dem Ruf zu fol­gen, der zum spi­ri­tu­el­len Le­ben aufrief, die der Spi­ri­tua­li­sie­rung, der Ve­r­ed­lung des see­lisch-geis­ti­gen Le­bens folg­ten, sie wer­den die­ses see­lisch-geis­ti­ge Le­ben auf ih­ren Ant­lit­zen tra­gen und in ih­ren Ges­ten, in ih­ren Hand­be­we­gun­gen zum Aus­dru­cke brin­gen. Und je­ne, die sich ab­ge­kehrt ha­ben von dem spi­ri­tu­el­len Le­ben, wie sie uns re­prä­sen­tiert sind durch die Ge­mein­de zu Lao­di­zea, die da lau wa­ren, nicht warm und nicht kalt, die wer­den hin­über­le­ben in das an­de­re nächs­te Zei­tal­ter als sol­che, die die Mensch­heit­se­vo­lu­ti­on ver­zö­gern, die die rück­stän­di­gen Kräf­te der Ent­wi­cke­lung be­wah­ren. Sie wer­den die bö­sen, die dem Geis­ti­gen feind­li­chen Lei­den­schaf­ten und Trie­be und In­s­tink­te auf dem häß­li­chen, un­in­tel­li­gen­ten, auf dem bö­se­bli­cken­den Ant­litz tra­gen. Sie wer­den in ih­ren Ges­ten und der Hand­ha­bung von al­lem, was sie tun, ein äu­ße­res Ab­bild bil­den des­sen, was an Häß­li­chem in ih­rer See­le lebt. Wie sich die Men­schen au­s­ein­an­der­ge­t­rennt ha­ben in Ras­sen, in Kul­tur­ge­mein­schaf­ten, so wer­den sie sich in zwei gro­ße Strö­mun­gen schei­den, in die gu­te und in die bö­se. Und man wird es ih­nen an­se­hen nicht mehr wer­den sie es ver­leug­nen kön­nen, die ein­zel­nen Men­schen , wo­zu sie ih­re See­le ge­bracht ha­ben.

Wenn wir zu­rück­schau­en, wie sich die Mensch­heit bis­her ent­wi­ckelt hat im Gang un­se­rer Er­de, so wer­den wir die­se eben cha­rak­te­ri­sier­te Zu­kunfts­ent­wi­cke­lung durch­aus da­mit im Ein­klan­ge fin­den. Schau­en wir zu­rück auf den Ur­sprung un­se­rer Er­den­ent­wi­cke­lung, nach­dem Sa­turn, Son­ne, Mond und ein län­ge­rer Zwi­schen­raum vor­über wa­ren. Da tauch­te die Er­de neu her­aus aus dem Wel­ten­dun­kel. Da­mals, in der ers­ten Zeit der Er­den­ent­wi­cke­lung, wa­ren noch kei­ne an­de­ren Ge­sc­höp­fe auf der Er­de als der Mensch. Er ist der Erst­ge­bo­re­ne. Er war ganz geis­tig. Denn die Ver­leib­li­chung be­steht in ei­ner Ver­dich­tung. Den­ken wir uns ein­mal ei­ne

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Was­ser­mas­se, die frei schwe­ben könn­te. Durch ir­gend­ei­nen Vor­gang in die­ser Was­ser­mas­se wer­den Tei­le kri­s­tal­li­siert. Wir den­ken uns zu­erst ei­nen klei­nen Teil des Was­sers kri­s­tal­li­siert zu Eis, und dann, daß der­sel­be Vor­gang sich im­mer wie­der­holt. Und nun den­ken wir uns, daß ein Teil der Was­ser­mas­sen die klei­nen Eis­stück­chen, die her­aus­kri­s­tal­li­siert sind, hat fal­len las­sen, so daß die­se klei­nen Eis­stück­chen nun ab­ge­t­rennt sind von der gan­zen Was­ser­mas­se. Weil nun je­des klei­ne Eis­stück­chen sich nur so lan­ge ver­grö­ß­ern kann, als es inn­er­halb der gan­zen Was­ser­mas­se ist, so bleibt es, wenn es her­aus­ge­fal­len ist aus die­ser Mas­se, auf der Stu­fe, auf der es steht. Den­ken wir uns ei­nen Teil der Was­ser­mas­sen als klei­ne Eis­stück­chen aus­ge­son­dert, den­ken wir uns wei­ter fort­sch­rei­tend das Ge­frie­ren der Was­ser­mas­sen und auf ei­ner nächs­ten Stu­fe wie­der­um sich an­sch­lie­ßend an die klei­nen Eis­klümp­chen neue Was­ser­mas­sen, die­se dann wie­der­um her­aus­fal­lend, und so fort, bis zum Schluß ein ganz gro­ßer Teil aus der Was­ser­mas­se sich her­aus­kri­s­tal­li­siert und Eis­ge­stalt an­nimmt. Die­ser letz­te­re hat am meis­ten her­aus­ge­nom­men aus der Was­ser-Mut­ter­sub­stanz, er hat am längs­ten war­ten kön­nen, be­vor er sich ge­t­rennt hat von die­ser Was­ser-Mut­ter­sub­stanz.

So ist es mit der Ent­wi­cke­lung. Die nie­ders­ten tie­ri­schen We­sen ha­ben nicht war­ten kön­nen, ha­ben zu früh ver­las­sen ih­re geis­ti­ge Mut­ter­sub­stanz und sind da­her auf ei­ner frühe­ren Evo­lu­ti­ons­stu­fe ste­hen­ge­b­lie­ben. Und so be­deu­ten die stu­fen­wei­se her­auf­s­tei­gen­den nie­de­ren We­sen in der Ent­wi­cke­lung ste­hen­ge­b­lie­be­ne Stu­fen. Der Mensch hat bis zu­letzt ge­war­tet, zu­letzt erst hat er sei­ne geis­tig-gött­li­che Mut­ter­sub­stanz ver­las­sen und ist her­ab­ge­s­tie­gen als dich­te Mas­se in flei­sch­li­che Ge­stalt. Die Tie­re sind früh­er her­ab­ge­s­tie­gen und da­her ste­hen­ge­b­lie­ben. Wes­halb das ge­sche­hen ist, wer­den wir spä­ter se­hen, jetzt in­ter­es­siert uns die Tat­sa­che, daß sie her­un­ter­ge­s­tie­gen sind und frühe­re Stu­fen der Ent­wi­cke­lung fest­ge­hal­ten ha­ben. Was ist al­so ei­ne Tier­ge­stalt? Ei­ne Ge­stalt, die, wenn sie mit dem Geist, aus dem sie her­vor­ge­gan­gen ist, ver­bun­den ge­b­lie­ben wä­re, sich bis zur heu­ti­gen Mensch­heit her­au­f­ent­wi­ckelt hät­te. So aber sind sie ste­hen­ge­b­lie­ben, so ha­ben sie den geis­ti­gen Keim ver-

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las­sen, sie ha­ben sich ab­ge­spal­ten und ste­hen heu­te im Nie­der­gang, stel­len dar ei­nen Zweig des gro­ßen Mensch­heits­bau­mes. Der Mensch hat gleich­sam die Tier­heit in sich ge­habt in al­ten Zei­ten, hat sie aber als Sei­ten­zwei­ge her­aus­ge­spal­ten. Al­le Tie­re in ih­ren ver­schie­de­nen For­men stel­len nichts an­de­res dar als zu früh ver­dich­te­te ein­zel­ne men­sch­li­che Lei­den­schaf­ten. Was der Mensch heu­te noch geis­tig hat in sei­nem As­tral­leib, das stel­len die Tier­ge­stal­ten ein­zeln phy­sisch dar. Er hat das im As­tral­leib be­wahrt bis zum spä­tes­ten Zei­traum im Er­den­da­sein. Da­her konn­te er am höchs­ten hin­auf­sch­rei­ten.

Auch jetzt hat der Mensch et­was in sich, was als ein ab­wärts-ge­hen­der Zweig, wie die an­de­ren Tier­ge­stal­ten, her­aus muß aus der all­ge­mei­nen Ent­wi­cke­lung. Was der Mensch in sich hat als An­la­gen zum Gu­ten und Bö­sen, zum Ge­schei­ten und Dum­men, zum Sc­hö­nen und Häß­li­chen, das stellt die Mög­lich­keit ei­nes Auf­wärts­gan­ges und ei­nes Zu­rück­b­lei­bens dar. Wie die Tier­ge­stalt sich her­aus­ent­wi­ckelt hat, wird sich die Ras­se der Bö­sen mit den häß­li­chen An­ge­sich­tern her­aus­ent­wi­ckeln aus der fort­sch­rei­ten­den Mensch­heit, die der Spi­ri­tua­li­sie­rung ent­ge­gen­geht und das spä­te­re Mensch­heits­ziel er­reicht. So wird ei­ne Zu­kunft nicht nur die Tier­ge­stal­ten se­hen, die ver­kör­per­te Ab­bil­der der men­sch­li­chen Lei­den­schaf­ten sind, son­dern es wird in ei­ner Ras­se le­ben, was der Mensch jetzt in sei­nem In­nern als Teil des Bö­sen birgt, was er heu­te noch ver­ber­gen kann, was aber spä­ter er­schei­nen wird. Was de­r­einst haupt­säch­lich er­schei­nen wird, das wird uns durch ei­ne Be­trach­tung klar wer­den, die Ih­nen vi­el­leicht selt­sam dün­ken wird.

Es muß uns klar sein, daß die­se Ab­son­de­rung der Tier­ge­stal­ten tat­säch­lich für den Men­schen not­wen­dig war. Je­de Tier­ge­stalt, die sich in der ver­f­los­se­nen Zeit vom all­ge­mei­nen Strom ab­ge­son­dert hat, be­deu­tet, daß der Mensch um ein Stück wei­ter­ge­schrit­ten ist. Den­ken Sie sich, daß al­le Ei­gen­schaf­ten, die in der Tier­heit zer­st­reut sind, im Men­schen wa­ren. Er hat sich da­von ge­r­ei­nigt. Da­durch konn­te er sich höher­ent­wi­ckeln. Wenn wir ei­ne tr­ü­be Flüs­sig­keit vor uns ha­ben und das Gro­be der­sel­ben sich als Bo­den­satz set­zen las­sen, so bleibt das Fei­ne­re oben üb­rig. Eben­so hat sich in

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den Tier­ge­stal­ten das Gröbe­re, das der Mensch nicht zu sei­nem heu­ti­gen Ent­wi­cke­lungs­zu­stand hät­te brau­chen kön­nen, wie Bo­den­satz ab­ge­setzt. Da­durch, daß der Mensch die­se Tier­ge­stal­ten als sei­ne äl­te­ren Brü­der aus sei­ner Ent­wi­cke­lungs­rei­he hin­aus­ge­wor­fen hat, ist er zu sei­ner jet­zi­gen Höhe ge­kom­men. So steigt die Mensch­heit, in­dem sie die nie­de­ren Ge­stal­ten aus sich her­aus­son­dert, um sich zu rei­ni­gen. Und wei­ter wird die Mensch­heit stei­gen, in­dem sie wie­der­um ein Na­tur­reich, das Reich der bö­sen Ras­se, aus­son­dern wird. So steigt die Mensch­heit auf­wärts. Und je­de Ei­gen­schaft, die der Mensch heu­te hat, ver­dankt er dem Um­stan­de, daß er ei­ne be­stimm­te Tier­ge­stalt her­aus­ge­setzt hat. Wer mit dem Bli­cke des Hell­se­hers die ver­schie­de­nen Tie­re an­sieht, der weiß ge­nau, was wir dem ein­zel­nen Tie­re ver­dan­ken. Da se­hen wir auf die Löw­en­ge­stalt und sa­gen uns: Wä­re der Löwe nicht, dann hät­te der Mensch die­se oder je­ne Ei­gen­schaft nicht, denn da­durch, daß er ihn her­aus­ge­setzt hat, hat er sich die­se oder je­ne Ei­gen­schaft an­ge­eig­net. Und so ist es bei al­len üb­ri­gen Ge­stal­ten der Tier­welt.

Nun sind un­se­re gan­zen fünf Mensch­heits­ent­wi­cke­lung­s­e­po­chen, die ver­schie­de­nen Kul­ture­tap­pen von der alt­in­di­schen bis her­auf zu der uns­ri­gen, ei­gent­lich da­zu da, um die In­tel­li­genz, den Ver­stand und al­les, was mit zu die­sen zwei Fähig­kei­ten und Kräf­ten ge­hört, zu ent­wi­ckeln. Das al­les war in der at­lan­ti­schen Zeit nicht da. Ge­dächt­nis war vor­han­den und auch an­de­re Ei­gen­schaf­ten, aber die In­tel­li­genz zu ent­wi­ckeln mit dem, was da­zu ge­hört, mit dem Zu­ge­wandt­sein des Bli­ckes auf die äu­ße­re Welt, das ist die Auf­ga­be des fünf­ten Zei­trau­mes. Der­je­ni­ge, der den Hell­se­her­blick auf die Um­welt rich­tet, fragt: Wel­cher Tat­sa­che ver­dan­ken wir, daß wir Men­schen in­tel­li­gent ge­wor­den sind? Wel­che Tier­ge­stalt ha­ben wir her­aus­ge­setzt, um in­tel­li­gent zu wer­den? So son­der­bar, so gro­tesk es er­schei­nen mag, so wahr ist es: Wä­ren um uns nicht die Tie­re, die re­prä­sen­tiert sind durch die Pfer­de­na­tur, der Mensch hät­te sich nie­mals die In­tel­li­genz an­eig­nen kön­nen.

Das fühl­te noch der Mensch in frühe­rer Zeit. Al­le die inti­men Ver­hält­nis­se, die sich zwi­schen ge­wis­sen Men­schen­ras­sen und dem Pfer­de ab­spie­len, rüh­ren her von ei­nem Ge­fühl, das sich ver­g­lei-

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chen läßt mit dem ge­heim­nis­vol­len Ge­fühl der Lie­be zwi­schen den bei­den Ge­sch­lech­tern, von ei­nem ge­wis­sen Ge­fühl da­für, was der Mensch die­sem Tie­re ver­dankt. Des­halb, als her­auf­kam die neue Kul­tur in der alt­in­di­schen Zeit, war es ein Pferd, das ei­ne ge­heim­nis­vol­le Rol­le im Kul­tus, im Göt­ter­di­ens­te bil­de­te, und al­les, was sich an Ge­bräu­chen an das Pferd an­knüpft, führt auf die­se Tat­sa­che zu­rück. Wenn Sie bei Völ­kern, die noch na­he dem al­ten Hell­se­hen wa­ren, bei den al­ten Ger­ma­nen zum Bei­spiel, Um­schau hal­ten und se­hen, wie sie Pfer­de­schä­d­el vor ih­ren Häu­s­ern an­ge­bracht ha­ben, so führt Sie das zu­rück auf die­ses Be­wußt­sein: der Mensch ist hin­aus­ge­wach­sen über den un­in­tel­li­gen­ten Zu­stand da­durch, daß er die­se Form ab­ge­son­dert hat. Es ist ein tie­fes Be­wußt­sein vor­han­den da­für, daß die Er­lan­gung der Klug­heit da­mit zu­sam­men­hängt. Sie brau­chen sich nur an Odys­seus zu er­in­nern, an das höl­zer­ne Pferd von Tro­ja. Oh, in sol­chen Sa­gen liegt tie­fe Weis­heit, viel tie­fe­re Weis­heit als in un­se­rer Wis­sen­schaft. Nicht um­sonst ist ein sol­cher Ty­pus ver­wen­det in der Sa­ge wie der Pfer­de­ty­pus. Her­aus­ge­wach­sen ist der Mensch aus ei­ner Ge­stalt, die so­zu­sa­gen das, was im Pfer­de ver­kör­pert ist, noch in sich hat­te, und in der Ge­stalt des Ken­tau­ren hat die Kunst noch hin­ge­s­tellt ei­nen Men­schen, wie er ver­bun­den war mit die­sem Tier, um an die Ent­wi­cke­lungs­stu­fe des Men­schen zu er­in­nern, aus der er her­aus­ge­wach­sen ist, von der er sich los­ge­run­gen hat, um der heu­ti­ge Mensch zu wer­den.

Was so sich ab­ge­spielt hat in der Vor­zeit, um zu un­se­rer ge­gen­wär­ti­gen Mensch­heit zu füh­ren, das wie­der­holt sich auf höhe­rer Stu­fe in der Zu­kunft. Es ist aber nicht et­wa so, als ob sich nun in der Zu­kunft das­sel­be in der phy­si­schen Welt ab­spie­len müß­te. Für den­je­ni­gen Men­schen, der an der Gren­ze zwi­schen dem as­tra­li­schen und dem De­vach­an­plan hell­se­hend wird, zeigt es sich, wie der Mensch im­mer mehr und mehr ve­r­e­delt und aus­bil­det, was er der Ab­son­de­rung der Pfer­de­na­tur ver­dankt. Die Spi­ri­tua­li­sie­rung der In­tel­li­genz wird er be­wir­ken. Was heu­te blo­ßer Ver­stand, blo­ße Klug­heit ist, wird er zur Weis­heit, zur Spi­ri­tua­li­tät er­he­ben nach dem gro­ßen Krieg al­ler ge­gen al­le. Das wer­den die­je­ni­gen er­le­ben, die dann das Ziel er­reicht ha­ben wer­den. Was sich in­fol­ge der

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Ab­son­de­rung der Pfer­de­na­tur in der Mensch­heit ent­wi­ckeln konn­te, das wird sich in sei­ner Frucht zei­gen.

Und jetzt den­ken wir uns ei­nen Hell­se­her, der hin­ein­schaut in die Men­schen­zu­kunft. Was wird sich ihm zei­gen? Al­les, was der Mensch vor­be­rei­tet hat durch die sie­ben Kul­tur­zei­träu­me denn sei­ne See­le war ver­kör­pert in den ver­gan­ge­nen Kul­tu­ren und wird es auch in den zu­künf­ti­gen sein , al­les das wird in ei­nem fol­gen­den Zei­traum ver­kör­pert sein und hin­über­le­ben über den gro­ßen Krieg al­ler ge­gen al­le in das spi­ri­tu­el­le­re Zei­tal­ter hin­ein. In je­dem Zei­traum nahm er auf, was auf­zu­neh­men war. Den­ken Sie sich zu­rück mit Ih­rer See­le, wie Sie ge­lebt ha­ben in der alt­in­di­schen Kul­tur. Da ha­ben Sie auf­ge­nom­men die wun­der­ba­ren Leh­ren von den hei­li­gen Ris­his; wenn Sie sie auch ver­ges­sen ha­ben, spä­ter wer­den Sie sich ih­rer er­in­nern. Und wei­ter sind Sie ge­schrit­ten von ei­ner Ver­kör­pe­rung zur an­de­ren. Sie ha­ben ler­nen kön­nen, was die per­si­sche, die ägyp­ti­sche, die grie­chisch-rö­mi­sche Kul­tur er­mög­lich­ten. Das ist heu­te in der See­le da­r­in­nen. Heu­te zeigt es sich im Ant­litz noch nicht als äu­ße­rer Aus­druck. Sie wer­den wei­ter­le­ben in die Zeit hin­ein von Phi­la­del­phia, Sie wer­den wei­ter­le­ben in die Zeit, die be­herrscht wer­den wird von dem Amen, und im­mer mehr und mehr wird sich ei­ne Mensch­heits­ge­mein­schaft ent­wi­ckeln, wel­che in den Ant­lit­zen der Men­schen zei­gen wird, was sich in un­se­ren Zei­träu­men vor­be­rei­tet hat. Was jetzt in Ih­rer See­le schon ar­bei­tet, was Sie auf­ge­nom­men ha­ben durch den in­di­schen Zei­traum, wird sich in Ih­rer Phy­siog­no­mie zei­gen in dem ers­ten Un­ter­zei­traum der nächst­fol­gen­den Pe­rio­de, nach dem gro­ßen Krieg al­ler ge­gen al­le, und was sich der Mensch an­ge­eig­net hat im alt­per­si­schen Zei­trau­me, wird das Ant­litz ve­r­än­dern auf der zwei­ten Stu­fe, und so Stu­fe für Stu­fe. Al­les das, was Sie, wie Sie jetzt hier sit­zen, mit Ih­ren See­len auf­neh­men, die spi­ri­tu­el­len Leh­ren von heu­te, die sich mit Ih­ren See­len ver­bin­den, das wird sei­ne of­fen­ba­ren Früch­te tra­gen in der Zeit nach dem gro­ßen Krie­ge. Heu­te ve­r­ei­ni­gen Sie das, was die sie­ben Geis­ter Got­tes ge­ben und die sie­ben Ster­ne, mit dem Le­ben ih­rer See­le. Sie tra­gen es nach Hau­se. In Ih­ren Ant­lit­zen wird nie­mand es heu­te le­sen und auch noch nicht nach Jahr­hun-

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der­ten, aber nach je­nem gro­ßen Krieg al­ler ge­gen al­le wird es her­aus­kom­men. Da wird ein fünf­ter Zei­traum kom­men und da wer­den Sie in Ih­rem Ant­litz das Ab­bild da­von tra­gen. An Ih­rer Stir­ne wird es Ih­nen ge­schrie­ben sein, was Sie sich jetzt er­ar­bei­tet ha­ben, was jetzt Ih­re Ge­dan­ken und Ge­füh­le sind.

So wird stu­fen­wei­se nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le her­aus­kom­men, sich ent­hül­len, was jetzt in die See­le hin­ein­ver­bor­gen wird. Den­ken wir uns den An­bruch des gro­ßen Krie­ges: Die See­le, die ge­hört hat den Ruf, den von Pe­rio­de zu Pe­rio­de das Chris­tus-Prin­zip hat er­tö­nen las­sen, sie wird hin­über­le­ben in al­les das­je­ni­ge, was in den Send­sch­rei­ben an­ge­deu­tet ist. Sie­ben Zei­träu­me hin­durch ist hin­ein­ge­legt wor­den, was die­se Zei­träu­me ge­ben kön­nen. Stel­len wir uns die See­le vor, wie sie war­tet, wie sie hin­über­war­tet. Sie­ben­mal ver­sie­gelt ist sie. Je­der Kul­tur­zei­traum hat ihr ein Sie­gel an­ge­legt. Ver­sie­gelt ist in Ih­nen das, was die In­der in die See­le ge­schrie­ben ha­ben, ver­sie­gelt ist in Ih­nen, was die Per­ser, Ägyp­ter, Grie­chen, Rö­mer in die See­le ge­schrie­ben ha­ben und was un­se­re Kul­tu­re­po­che hin­ein­sch­reibt. Ge­löst wer­den die Sie­gel, das heißt äu­ßer­lich of­fen­bar er­schei­nen die Din­ge, die hin­ein­ge­schrie­ben wer­den, nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le. Und das Prin­zip, die Kraft, wel­che die Men­schen da­hin führt, daß die wah­ren Früch­te un­se­rer Kul­tur­zei­träu­me er­schei­nen auf den Ant­lit­zen, die­ses Prin­zip, die­se Kraft ha­ben wir zu se­hen im Chris­tus Je­sus. Sie­ben Sie­gel müs­sen ge­löst wer­den von ei­nem Buch. Wel­ches ist dies Buch? Wo ist es?

Wir wol­len uns klar­ma­chen, was im Sin­ne der Schrift ein Buch, ei­ne Bi­bel ist. Das Wort «Buch» kommt in der Bi­bel nur an ganz we­ni­gen Stel­len vor. Das darf man nicht über­se­hen. Es kommt vor, wenn Sie auf­schla­gen im Al­ten Te­s­ta­ment 1. Buch Mo­se 5, 1: «Dies ist das Buch von des Men­schen Ge­sch­lecht. Da Gott den Men­schen schuf, mach­te er ihn nach dem Gleich­nis Got­tes und schuf sie ei­nen Mann und ein Weib», und so wei­ter. Dann kön­nen Sie auf­schla­gen, wo Sie wol­len, Sie fin­den das Wort «Buch» erst wie­der­um im ers­ten Evan­ge­li­um, Ka­pi­tel 1: «Dies ist das Buch von der Ge­burt Je­su Chris­ti, der da ist ein Sohn Da­vids, des Soh­nes

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Abra­hams. Abra­ham zeug­te Isaak, Isaak zeug­te Ja­kob» und so wei­ter. Wie­der­um wer­den die Ge­sch­lech­ter auf­ge­zählt. Es wird auf­ge­zählt, was durch lan­ge Rei­hen hin­durch­f­ließt. Und wie­der­um er­scheint der Aus­druck «Buch» hier in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes. Er er­scheint da, wo ge­sagt wird, daß das Lamm al­lein wür­dig ist, das Buch mit den sie­ben Sie­geln zu öff­nen. Der Aus­druck «Buch» wird im­mer ein­heit­lich, nie an­ders ge­braucht. Nun muß man eben die Ur­kun­den wört­lich ver­ste­hen. Ein Buch in un­se­rem heu­ti­gen Sin­ne ist nicht da­mit ge­meint. Viel eher hat der Aus­druck «Grund­buch» die al­te Be­deu­tung des Wor­tes Buch be­wahrt. Das Wort Buch wird da an­ge­wen­det, wo au­f­ein­an­der­fol­gend et­was ein­ge­tra­gen wird, das eins von dem an­de­ren ab­hängt, wo al­so der Be­sitz ein­ge­tra­gen wird, da­mit er sich for­ter­ben kann. Wir ha­ben es mit ei­ner sol­chen Ur­kun­de zu tun, wo­durch ei­ne Grund­la­ge ge­schaf­fen wird für das­je­ni­ge, was sich fortpflanzt. Für das Al­te Te­s­ta­ment ha­ben wir es bei dem Wor­te Buch mit ei­ner Ur­kun­de zu tun, in der die Ge­sch­lech­ter, die durch das Blut sich ver­er­ben, auf­ge­zeich­net wer­den. In kei­nem an­de­ren Sin­ne wird es da ge­braucht, als daß die Ge­sch­lech­ter auf­ge­zeich­net wer­den. Eben­so ist es nach­her im ers­ten Evan­ge­li­um an­ge­wandt für die Auf­zeich­nung von Ge­sch­lech­ter­fol­gen. Was al­so sich in der Zeit folgt, das ist in ei­nem «Bu­che» auf­ge­schrie­ben. Nie ist mit Buch et­was an­de­res ge­meint als die Auf­zeich­nung des­sen, was in der Zeit folgt, al­so un­ge­fähr in dem Sin­ne von Chro­nik, Ge­schich­te.

Das Le­bens­buch, das jetzt an­ge­legt wird in der Mensch­heit, in der von Kul­tur­zei­traum zu Kul­tur­zei­traum in dem Ich des Men­schen ein­ge­schrie­ben wird, was je­der Zei­traum gibt, die­ses Buch, das in die See­len der Men­schen ge­schrie­ben ist und das ent­sie­gelt wird nach dem gro­ßen Krieg al­ler ge­gen al­le, dies Buch ist auch hier in der Apo­ka­lyp­se ge­meint. In die­sem Buch wer­den sie ste­hen, die Ein­tra­gun­gen der Kul­tur­zei­träu­me. So wie durch die Ge­ne­ra­tio­nen die Ein­tra­gun­gen ge­macht wor­den sind in die Ge­sch­lechts­re­gis­ter der al­ten Bücher, so ist es auch hier, nur daß jetzt das ein­ge­tra­gen wird, was sich der Mensch geis­tig er­wirbt. Und da er sich durch Klug­heit er­wirbt, was in un­se­rem Zei­traum zu er­wer­ben ist,

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so wird nach und nach das Fort­sch­rei­ten die­ser Ent­wi­cke­lung ima­gi­na­tiv dar­zu­s­tel­len sein durch das Sym­bo­lum, das der Klug­heit ent­spricht. Da­durch, daß der Mensch den in­di­schen Zei­traum durch­lebt hat in ei­ner Stim­mung, in der er ab­sah von der phy­si­schen Welt und den Blick hin­auf­rich­te­te nach dem Geis­ti­gen, da­durch wird er in dem ers­ten Zei­traum nach dem Krie­ge al­ler ge­gen al­le über das Phy­sisch-Sinn­li­che sie­gen. Sie­ger wird der Mensch sein da­durch, daß er sich an­eig­net, was sich im ers­ten Zei­traum in sei­ne See­le ge­schrie­ben hat. Und wei­ter: Was sich im zwei­ten Kul­tur­zei­traum her­aus­s­tell­te, die Über­win­dung der Ma­te­rie durch die Ur­per­ser, die­se Über­win­dung er­scheint uns im zwei­ten Zei­traum nach dem Krie­ge al­ler ge­gen al­le: das Schwert, das da be­deu­tet das In­stru­ment zum Be­sie­gen der äu­ße­ren Welt. Was sich der Mensch an­ge­eig­net hat in der ba­by­lo­nisch-ägyp­ti­schen Kul­tu­re­po­che, als er die Ma­ße lern­te, als er lern­te al­les ge­recht ab­zu­mes­sen, das tritt uns im nächs­ten Zei­traum nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le ent­ge­gen als das­je­ni­ge, was an­ge­zeigt wird durch die Waa­ge. Und der vier­te Zei­traum zeigt uns an, was zum Wich­tigs­ten ge­hört, das, was der Mensch im vier­ten Zei­traum un­se­res Zy­k­lus durch den Chris­tus Je­sus und sein Er­schei­nen sich an­ge­eig­net hat: das geis­ti­ge Le­ben, die Uns­terb­lich­keit des Ich. Daß al­les, was nicht zur Uns­terb­lich­keit ge­eig­net ist, was dem To­de ge­weiht ist, ab­fällt, das muß sich für die­sen vier­ten Zei­traum zei­gen.

So kommt nach­ein­an­der al­les das her­aus, was sich in un­se­ren Zei­träu­men vor­be­rei­tet hat, und es kommt her­aus da­durch, daß es uns durch das Sym­bo­lum an­ge­deu­tet wird, das der In­tel­li­genz ent­spricht. Le­sen wir die Ent­sie­ge­lung der ers­ten vier Sie­gel im sechs­ten Ka­pi­tel der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes, wir wer­den se­hen, das, was hier ent­hüllt wird, drückt uns Stu­fe für Stu­fe in ge­wal­ti­ger Sym­bo­lik aus, was einst of­fen­bar wer­den wird. «Und ich sah, und sie­he, ein weiß Pferd» das ist die An­deu­tung, daß die spi­ri­tua­li­sier­te In­tel­li­genz her­aus­kommt «und der dar­auf saß, hat­te ei­nen Bo­gen; und ihm ward ge­ge­ben ei­ne Kro­ne, und er zog aus zu über­win­den, und daß er sieg­te. Und da es das an­de­re Sie­gel auf­tat, hör­te ich das an­de­re Tier sa­gen: Komm! Und sie­he, es ging her­aus ein an­der

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Pferd, das war rot, und dem, der dar­auf saß, ward ge­ge­ben, den Frie­den zu neh­men von der Er­de, und daß sie sich un­te­r­ein­an­der er­wür­ge­ten» daß zu­grun­de ge­he, was nicht wert ist mit­zu­ge­hen im Auf­s­tieg der Mensch­heit «und ihm ward ge­ge­ben ein groß Schwert. Und da es das drit­te Sie­gel auf­tat, hö­re­te ich das drit­te Tier sa­gen: Komm! Und ich sa­he, und sie­he, ein schwarz Pferd, und der dar­auf saß, hat­te ei­ne Waa­ge in sei­ner Hand. Und ich hö­re­te ei­ne Stim­me un­ter den vier Tie­ren sa­gen: Ein Maß Wei­zen um ei­nen Gro­schen und drei Maß Gers­te um ei­nen Gro­schen» Maß und Gro­schen, um hin­zu­deu­ten auf das, was die Mensch­heit ge­lernt hat inn­er­halb des drit­ten Zei­traums: die Früch­te wer­den hin­über­ge­tra­gen und ent­sie­gelt. Und im vier­ten Zei­traum ist Chris­tus Je­sus er­schie­nen, um den Tod zu über­win­den, und es zeigt sich die Of­fen­ba­rung die­ser Er­run­gen­schaft: «Und da es das vier­te Sie­gel auf­tat, hö­re­te ich die Stim­me des vier­ten Tie­res sa­gen: Komm! Und ich sa­he, und sie­he, ein fahl Pferd, und der dar­auf saß, des Na­me hieß Tod, und die Höl­le fol­ge­te ihm nach.» «Sie­he, ein fahl Pferd»: all das fällt ab, ver­fällt in die Ras­se der Bö­sen; was aber den Ruf ge­hört hat, was den Tod über­wun­den hat, macht das spi­ri­tu­el­le Le­ben mit. Die das «Ich-bin» und sei­nen Ruf ver­stan­den ha­ben, das sind die­je­ni­gen, die den Tod über­wun­den ha­ben. Sie ha­ben die In­tel­li­genz spi­ri­tua­li­siert. Und jetzt kann das, was sie ge­wor­den sind, nicht mehr durch das Pferd sym­bo­li­siert wer­den. Ein neu­es Sym­bo­lum muß auf­t­re­ten für die­je­ni­gen, die ver­stan­den ha­ben zu fol­gen dem Ru­fe des­sen, der da hat die sie­ben Geis­ter Got­tes und die sie­ben Ster­ne. Sie er­schei­nen jetzt un­ter dem Sym­bo­lum de­rer, die da mit wei­ßen Klei­dern an­ge­tan sind, die da die Hül­le des uns­terb­li­chen, des ewi­gen geis­ti­gen Le­bens an­ge­nom­men ha­ben.

Und wei­ter wird uns nun er­zählt, wie her­aus­kommt al­les das, was hin­auf­geht ins Gu­te, was hin­un­ter­geht ins Bö­se. Das wird uns klar zum Aus­dru­cke ge­bracht. «Und da es das fünf­te Sie­gel auf­tat, sa­he ich un­ter dem Al­tar die See­len de­rer, die er­wür­get wa­ren um des Wor­tes Got­tes wil­len und um des Zeug­nis­ses wil­len, das sie hat­ten. Und sie schrie­en mit gro­ßer Stim­me und spra­chen: Herr, du Hei­li­ger und Wahr­haf­ti­ger, wie lan­ge rich­test du nicht und

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rächest nicht un­ser Blut an de­nen, die auf der Er­de woh­nen? Und ih­nen wur­de ge­ge­ben ei­nem je­g­li­chen ein weiß Kleid, und ward zu ih­nen ge­sagt, daß sie ru­he­ten noch ei­ne klei­ne Zeit, bis daß vol­l­ends da­zu­kä­m­en ih­re Mit­knech­te und Brü­der, die auch soll­ten noch er­tö­tet wer­den gleich wie sie» der äu­ße­ren Ge­stalt nach er­tö­tet wer­den und im Spi­ri­tu­el­len wie­der auf­le­ben. Wie kommt das zum Aus­druck?

Ver­ge­gen­wär­ti­gen wir uns, was aus der äu­ße­ren sinn­li­chen Welt wird im rech­ten an­thro­po­so­phi­schen Le­ben. Wie ha­ben wir sie ge­schil­dert, die sie­ben Ster­ne? Wir sind zu­rück­ge­gan­gen zum Sa­turn und ha­ben ge­zeigt, wie der phy­si­sche Men­schen­leib ent­stan­den ist, wie er aus Wär­me zu­sam­men­ge­fügt war. Wir ha­ben ge­se­hen, wie die Son­ne her­aus­kam. Im Geis­te ha­ben wir nach­ge­zeich­net die­se Welt. Die Son­ne ist für uns nicht bloß ei­ne phy­si­sche Son­ne, sie ist die Brin­ge­rin des Le­bens, das als geis­ti­ges Le­ben in sei­ner höchs­ten Form er­schei­nen wird in der Men­schen­zu­kunft. Der Mond ist für uns das Ele­ment, das den Sturm­schritt des Le­bens auf­hält und den Men­schen so weit ver­lang­s­amt, wie es nö­t­ig ist. So se­hen wir geis­ti­ge Mäch­te in Son­ne und Mond. Und das, was wir als an­thro­po­so­phi­sche Weis­heit uns an­eig­nen, auch das er­scheint im zu­künf­ti­gen Zei­traum rich­tig sym­bo­li­siert: Son­ne und Mond er­schei­nen vor un­se­rem geis­ti­gen Blick als das­je­ni­ge, was uns Men­schen au­f­er­baut hat. Sym­bo­lisch ver­schwin­det der äu­ße­re phy­si­sche Son­nen­ball, der äu­ße­re Mond, und wird wie ein men­sch­li­ches We­sen, aber in Ele­men­tar­form. «Und ich sa­he, daß es das sechs­te Sie­gel auf­tat, und sie­he, da ward ein gro­ßes Erd­be­ben, und die Son­ne ward schwarz wie ein hä­re­ner Sack, und der Mond ward wie Blut.» Das al­les ist die sym­bo­li­sche Er­fül­lung des­sen, was wir su­chen im spi­ri­tu­el­len Le­ben.

So se­hen wir, daß in be­deut­sa­men Bil­dern für den nächs­ten Zei­traum pro­phe­zeit wird, was sich in die­sem Zei­traum vor­be­rei­tet. Heu­te tra­gen wir un­sicht­bar in uns je­ne Ver­wand­lung, die wir mit Son­ne und Mond vor­neh­men, wenn sich das Phy­si­sche ver­wan­delt in die geis­ti­gen Ele­men­te. Wenn der hell­se­he­ri­sche Blick sich in die Zu­kunft wen­det, dann ver­schwin­det in der Tat das Phy-

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si­sche, und das Sym­bol der Spi­ri­tua­li­sie­rung der Mensch­heit tritt vor uns hin.

In et­was ge­wag­ten Zü­gen ha­ben wir heu­te an­ge­deu­tet, was die sie­ben Sie­gel und ih­re Ent­hül­lung in der Apo­ka­lyp­se uns sa­gen sol­len. Wir müs­sen al­ler­dings noch tie­fer dar­auf ein­ge­hen, dann wird uns man­ches von dem, was uns heu­te un­wahr­schein­lich er­schei­nen könn­te, voll­stän­dig deut­lich. Aber wir se­hen schon, wie in­ner­lich sich zu­sam­men­ord­nen die ge­wal­ti­gen Bil­der, die der Se­her ge­se­hen hat von Ge­gen­wart und Zu­kunft der Mensch­heits­ent­wi­cke­lung, wie das hin­ein­geht in ei­ne wei­te­re Zu­kunft und uns da­durch im­mer stär­ke­re Im­pul­se gibt, selbst hin­ein­zu­le­ben in die Zu­kunft, Hand an­zu­le­gen zur Spi­ri­tua­li­sie­rung des Men­schen­le­bens.

07 – FÜNFTER VORTRAG, Nürnberg, 22 Juni 1908

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FÜNf­ter VOR­TRAG

Nürn­berg, 22. Ju­ni 1908

Ges­tern ha­ben wir ge­se­hen, wie das Men­schen­ge­sch­lecht sich ent­wi­ckeln wird, wenn un­ser ge­gen­wär­ti­ger Zei­ten­zy­k­lus einst ab­ge­lau­fen sein wird; wie es sich so­zu­sa­gen spal­ten wird in zwei Strö­mun­gen, in die gu­te und die bö­se Ras­se, und wie uns die Ge­heim­nis­se die­ser Zu­kunft ent­sie­gelt wer­den durch die sie­ben Sie­gel, die bild­lich ge­löst wer­den in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes. Nach die­ser all­ge­mei­nen Au­s­ein­an­der­set­zung über das Her­au­s­t­re­ten des­sen in der äu­ße­ren Phy­siog­no­mie, was sich in un­se­rem Zei­ten­zy­k­lus in den See­len der Men­schen vor­be­rei­tet, könn­te nun leicht je­mand fra­gen: Wie kommt es, daß der Apo­ka­lyp­ti­ker in so furcht­ba­ren Bil­dern ge­ra­de die ers­ten der Sie­gel be­spricht? Die­se Fra­ge wer­den wir uns am bes­ten da­durch be­ant­wor­ten, daß wir heu­te in un­se­re gan­ze apo­ka­lyp­ti­sche Au­s­ein­an­der­set­zung ei­ne Zwi­schen­be­trach­tung ein­schie­ben.

Bis jetzt ha­ben wir den Satz zu er­här­ten ver­sucht, daß die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes dar­s­tellt ei­ne Ein­wei­hung, die christ­li­che Ein­wei­hung, und daß durch die­se christ­li­che Ein­wei­hung die Zu­kunft der Mensch­heit zur Ent­hül­lung kommt. Wir wer­den nun al­les Wei­te­re am bes­ten da­durch vor un­se­re See­le füh­ren, daß wir heu­te ein­mal zu­rück­bli­cken und uns noch ein­mal die Zei­ten ver­gan­ge­ner Mensch­heits­ent­wi­cke­lung vor die See­le rü­cken. Und ge­ra­de so weit wol­len wir das tun, als wir es zur Er­klär­ung der Apo­ka­lyp­se brau­chen. Die Grund­zü­ge, um die es sich da­bei han­delt, ken­nen Sie schon. Sie wis­sen, daß un­se­re Er­de, so wie sie heu­te den Wohn­platz der Men­schen bil­det, ein­mal in ur­fer­ner Ver­gan­gen­heit ih­ren An­fang ge­nom­men hat, daß sie aber als Er­de die Wie­der­ver­kör­pe­rung ei­ner an­de­ren pla­ne­ta­ri­schen We­sen­heit war, die man ge­wöhn­lich den al­ten Mond nennt, oder auch den Kos­mos oder den Pla­ne­ten der Weis­heit, im Ge­gen­satz zu un­se­rer heu­ti­gen Er­de, die wir be­zeich­nen als den Kos­mos oder den Pla­ne­ten der Lie­be. Aber auch

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die­ser Kos­mos der Weis­heit oder der al­te Mond ist nur die Wie­der­ver­kör­pe­rung ei­nes noch frühe­ren Zu­stan­des, den wir den Son­nen­pla­ne­ten nen­nen, al­so nicht den Fixs­tern Son­ne, son­dern den Son­nen­pla­ne­ten. Und die­ser Son­nen­pla­net ist die Wie­der­ver­kör­pe­rung des al­ten Sa­turn. So daß wir vier au­f­ein­an­der­fol­gen­de Zu­stän­de un­se­res pla­ne­ta­ri­schen Da­seins zu un­ter­schei­den ha­ben, die wir nen­nen Sa­turn, Son­ne, Mond und Er­de.

Nun­mehr wol­len wir, so­weit wir das brau­chen für die Er­klär­ung der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes, die­se vier Zu­stän­de un­se­res pla­ne­ta­ri­schen Da­seins be­sch­rei­ben. Wenn Sie hell­se­he­risch zu­rück­ge­hen bis zum al­ten Sa­turn­da­sein, dann kom­men Sie an ei­nen merk­wür­di­gen Pla­ne­ten. Die­ser al­te Sa­turn ist ein Welt­kör­per, auf dem noch nichts zu fin­den ist von dem, was wir heu­te Mi­ne­ra­li­en, fes­te, er­di­ge Stof­fe nen­nen. Nichts ist vor­han­den von un­se­rer heu­ti­gen Tier­welt und Pflan­zen­welt, nichts von dem, was wir heu­te Was­ser oder flüs­si­ge Stof­fe nen­nen, nichts von dem, was wir als Luft­strom oder Ga­se ken­nen. Wenn Sie sich vor­s­tel­len wür­den, daß Sie mit den heu­ti­gen Au­gen die es ja da­mals noch nicht ge­ge­ben hat ir­gend­wo im Wel­ten­raum wä­ren und sich die­sem Sa­turn näh­er­ten, Sie wür­den in sei­nem An­fangs­zu­stand nichts se­hen kön­nen, denn er leuch­tet noch nicht. Al­so mit Ih­ren Au­gen könn­ten Sie von au­ßen die­sen Sa­turn in der ers­ten Hälf­te sei­nes Da­seins noch nicht se­hen. Wenn Sie sich ihm näh­ern wür­den und in den Raum ein­drän­gen, den er aus­füll­te, wür­den Sie et­was, wenn Sie die heu­ti­gen Sin­ne da schon ge­brau­chen könn­ten, wahr­neh­men, wie wenn Sie in ei­nen ge­heiz­ten Bac­k­o­fen hin­ein­krie­chen wür­den. Sie wür­den die­sen Raum nur da­durch vom an­de­ren un­ter­schei­den kön­nen, daß die­ser ku­gel­för­mi­ge Raum wär­m­er ist als sei­ne Um­ge­bung. Wär­me ist von un­se­ren jet­zi­gen Zu­stän­den der ein­zi­ge, den wir im al­ten Sa­turn an­tref­fen. Aber es ist ei­ne merk­wür­di­ge Art von Wär­me. Die­se Wär­me wür­de Ih­nen nicht so vor­kom­men, als ob sie an al­len Stel­len gleich­mä­ß­ig wä­re. Sie könn­ten fin­den, daß sie an ein­zel­nen Stel­len wär­m­er, an an­de­ren käl­ter ist, so daß, wenn Sie die glei­chen Wär­m­e­s­tel­len ver­bin­den wür­den durch Li­ni­en, dann Fi­gu­ren her­aus­kä­m­en, die nur durch die Ver­schie­den­heit der Wär­m­e­zu­stän­de

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wahr­nehm­bar sind. Al­les ist Wär­me, aber or­ga­ni­sier­te, dif­fe­ren­zier­te Wär­me. Sie wür­den, wenn Sie auf die­se Wei­se den gan­zen Sa­turn durch­f­lie­gen wür­den, sich sa­gen: Da ist schon et­was, aber et­was, was ich nur durch die ver­schie­de­nen Wär­m­e­zu­stän­de wahr­neh­men kann.

Die­se dif­fe­ren­zier­ten Wär­m­e­zu­stän­de sind das ein­zi­ge, was von den ge­gen­wär­ti­gen Merk­ma­len un­se­rer Er­de schon vor­han­den war, und in sol­cher Wär­me war da­zu­mal aus­ge­drückt die ers­te An­la­ge des phy­si­schen Men­schen­lei­bes. Das, was da vor­han­den war, das ha­ben Sie heu­te noch in sich, nur hat es sich aus dem äu­ße­ren rä­um­li­chen Da­sein in Ihr In­ne­res zu­rück­ge­zo­gen. Es ist Ih­re Blut­wär­me. Wenn Sie aus Ih­rer Blut­wär­me Fi­gu­ren bil­den wür­den, so hät­ten Sie die Nach­klän­ge des­sen, was von Ih­rem phy­si­schen Leib vor­han­den war auf dem al­ten Sa­turn. Die Wär­me, die Sie heu­te im Blu­te tra­gen, ist die ers­te An­la­ge des phy­si­schen Lei­bes, der äl­tes­te Teil des­sel­ben, so daß Sie auch sa­gen kön­nen: Der gan­ze Sa­turn be­stand aus Blut­wär­me. Aber Sie wür­den auch so et­was Ähn­li­ches fin­den kön­nen wie Fi­gu­ren, die sich heu­te zeich­nen lie­ßen, wenn Sie die ver­schie­de­nen Bah­nen Ih­res Blu­tes ver­folg­ten nach den ver­schie­de­nen Wär­m­e­zu­stän­den. Das ist das phy­si­sche Da­sein die­ses al­ten Sa­turn. Er hat von un­se­ren heu­ti­gen Stoff­ver­hält­nis­sen le­dig­lich die Wär­me. Von all den We­sen, die heu­te die Er­de be­völ­kern, war nur der Mensch und von ihm nur die­se An­la­ge des phy­si­schen Lei­bes vor­han­den. Der Sa­turn be­stand nur aus sol­chen An­la­gen phy­si­scher Men­schen­lei­ber, die aus Wär­me ge­bil­det wa­ren. Wie heu­te ei­ne Brom­bee­re zu­sam­men­ge­setzt ist aus ein­zel­nen Kü­gel­chen, so war der Sa­turn da­mals zu­sam­men­ge­setzt, aber aus sol­chen Men­schen, wie sie nun ge­schil­dert wor­den sind. Da­ge­gen war er zu­nächst um­ge­ben von geis­ti­gen We­sen­hei­ten. Wie heu­te die Er­de von Luft, so war der Sa­turn um­hüllt von geis­ti­ger At­mo­sphä­re. Da leb­ten We­sen­hei­ten, die ver­schie­de­ne Gra­de der Aus­bil­dung hat­ten, aber die al­le zu ih­rer da­ma­li­gen Da­s­eins­stu­fe die­sen Wohn­sitz des Sa­turns brauch­ten. Der war ih­nen not­wen­dig. Oh­ne die­sen Wohn­sitz wä­ren die­se We­sen­hei­ten nicht aus­ge­kom­men. Da wa­ren zum Bei­spiel sol­che, wel­che auch sie­ben Prin­zi­pi­en

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hat­ten, aber nicht so wie der heu­ti­ge Mensch. Die­ser hat sei­ne sie­ben Prin­zi­pi­en, die wir die sie­ben Geis­ter Got­tes nen­nen, so, daß man beim phy­si­schen Leib an­fängt. So wa­ren je­ne We­sen nicht. Es gab zum Bei­spiel We­sen­hei­ten, die zu ih­rem un­ters­ten Prin­zip ei­nen Äther­leib hat­ten. Den phy­si­schen Leib hat­ten sie da­durch, daß sie mit ih­rem Äther­leib hin­ein­an­ker­ten in die phy­si­schen Lei­ber des Sa­turns und so die­se be­nütz­ten. Al­so die­ser Sa­turn ist im Ver­hält­nis zur heu­ti­gen Er­de ein sub­stan­ti­ell sehr fei­ner Wel­ten­kör­per. Er hat­te von un­se­ren Stof­fen noch nicht ein­mal die fei­ne Luft, die Ga­se. Die wa­ren schon für ihn zu grob. Er hat­te nur Wär­me, und in der Um­ge­bung der Wär­me geis­ti­ge We­sen­hei­ten.

Nun mach­te die­ser Sa­turn da­durch, daß sich die We­sen in sei­ner Um­ge­bung wei­ter­ent­wi­ckel­ten, ver­schie­de­ne Wand­lun­gen durch. Ei­ne die­ser Ver­wand­lun­gen ist leicht da­durch an­zu­ge­ben, daß in der Mit­te sei­ner Ent­wi­cke­lung er tat­säch­lich an­fängt, au­ßen auf­zu­leuch­ten. So daß, wenn man ihn ver­folgt, er sich an­fangs als dunk­ler Wär­m­e­kör­per zeigt, dann aber an­fängt auf­zug­lim­men und ge­gen das En­de zu ei­nen schwa­chen Licht­glanz aus­sen­det in die Welt. Die­se geis­ti­ge At­mo­sphä­re um den Sa­turn her­um, die ver­schie­de­ne We­sen­hei­ten ent­hält, sie ent­hält un­ter an­de­ren auch ei­ne ganz be­stimm­te Art von We­sen, die für uns vor al­len Din­gen in Be­tracht kom­men. Die­se We­sen­hei­ten ma­chen un­ge­fähr um die Mit­te der Sa­turn­ent­wi­cke­lung die Stu­fe durch, die der Mensch jetzt auf der Er­de durch­macht. Das sind die Geis­ter der Per­sön­lich­keit. Sie sind auf die­sem al­ten Sa­turn in des­sen Mit­te un­ge­fähr so weit, daß sie da Mensch sind. Sie wer­den na­tür­lich nicht in den Feh­ler ver­fal­len, zu fra­gen: Ja, ha­ben sie denn sol­che Lei­ber ge­habt wie die heu­ti­gen Men­schen? Das wä­re ein ganz ge­wal­ti­ger Feh­ler, wenn Sie sich vor­s­tel­len wür­den, daß die­se Men­schen men­sch­lich-flei­sch­li­che Lei­ber ge­habt hät­ten. Man kann die Mensch­heits­stu­fe in den ver­schie­dens­ten For­men durch­ma­chen. Und die­se Geis­ter der Per­sön­lich­keit mach­ten auf dem Sa­turn ih­re Mensch­heits­stu­fe in der Wei­se durch, daß sie zu­erst als phy­si­schen Leib das­je­ni­ge be­nutz­ten, was da un­ten auf dem Sa­turn als Wär­me vor­han­den war, daß sie als Äther­leib denn auch den hat­ten sie noch nicht

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das­je­ni­ge be­nutz­ten, was in der At­mo­sphä­re war, und end­lich auch das be­nutz­ten, was als as­tra­le Sub­stanz vor­han­den war. Das hat­ten sie al­les noch nicht sel­ber. Sie hat­ten im we­sent­li­chen da­zu­mal ei­nen Ich-Trä­ger, ein Ich, und die­ses Ich, das auf der Mensch­heits­stu­fe stand, das ge­ra­de­so leb­te wie das heu­ti­ge Men­schen-Ich auf der Er­de, das mach­te da­zu­mal die­se ver­schie­de­nen Stu­fen der Mensch­heit auf dem Sa­turn durch in an­de­rer Form, in an­de­rer Art und Wei­se. Al­so wir ha­ben un­ge­fähr in der Mit­te der Sa­turn­ent­wi­cke­lung die Geis­ter der Per­sön­lich­keit, die Ur­kräf­te als Men­schen. Wenn man so zählt, so ist das, was ich eben auf­ge­zählt ha­be, die mitt­le­re Stu­fe der Sa­turn­ent­wi­cke­lung. Der ge­hen drei an­de­re vor­aus und drei an­de­re fol­gen ihr. Man nennt sie Sa­turn­k­reis­läu­fe oder Sa­turne­po­chen. Wenn Sie sich den gan­zen Sa­turn in sei­ner Ent­wi­cke­lung vor­s­tel­len, so kön­nen Sie sich ihn so den­ken:


In der Mit­te ( X ) ste­hen die Geis­ter der Per­sön­lich­keit. Auf je­der der drei vor­her­ge­hen­den und der drei nach­fol­gen­den Stu­fen ge­ra­de wie un­se­re Er­de nach der Sie­ben­zahl in Epo­chen ge­teilt wer­den kann, so auch die­se Sa­turn­ent­wi­cke­lung , in je­der die­ser Epo­chen wer­den ent­sp­re­chen­de We­sen­hei­ten Men­schen, auf je­der Stu­fe ir­gend­wel­che We­sen­hei­ten, und zwar im­mer dann, wenn ge­ra­de für sie der Zeit­punkt ge­kom­men ist, wo sie das, was sich fin­det auf dem Sa­turn, brau­chen kön­nen, um die Er­fah­run­gen des Men­schen durch­zu­ma­chen. So ha­ben wir sie­be­n­er­lei Ge­sc­höp­fe auf dem Sa­turn, die dort ih­re Men­schen­stu­fe durch­ge­macht ha­ben, die bis zur Men­schen­stu­fe auf­ge­rückt sind, die al­so in den fol­gen­den Stu­fen nicht mehr not­wen­dig ha­ben, bis zum Men­schen erst her­auf­zu­kom­men. Der heu­ti­ge Mensch ist noch nicht Mensch auf dem Sa­turn. Die­je­ni­gen We­sen­hei­ten, die hier auf dem Sa­turn Men­schen ge­wor­den sind, de­ren Re­prä­sen­t­an­ten die Geis­ter der Per­sön­lich­keit sind, die­se We­sen rü­cken wei­ter auf und sind heu­te er­ha­ben über

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den Men­schen, sie ha­ben so­zu­sa­gen den Men­schen in sich. Den tra­gen sie als ei­ne für sie ver­gan­ge­ne Ent­wi­cke­lungs­stu­fe in sich.

Nach­dem der Sa­turn nun sei­ne Ent­wi­cke­lung ei­ne Zeit­lang durch­ge­macht hat­te, ging die gan­ze Evo­lu­ti­on in ei­ne geis­ti­ge Sphä­re über, in ei­nen Zu­stand, der äu­ßer­lich nicht wahr­nehm­bar war für Sin­ne wie die heu­ti­gen men­sch­li­chen, und dann trat her­vor die zwei­te Ver­kör­pe­rung un­se­res Erd­pla­ne­ten, der Son­nen­pla­net. Er zeich­ne­te sich da­durch aus, daß er ver­hält­nis­mä­ß­ig früh in sei­ner Ent­wi­cke­lung schon so weit war, daß er Licht aus­strahl­te. Das kam da­von her, weil er nicht nur aus Wär­me be­stand, son­dern daß die Wär­me­ma­te­rie be­reits ver­dich­tet war zur gas-, zur luft­för­mi­gen Ma­te­rie. Er hat­te noch kein Was­ser, noch nichts Fes­tes, er be­stand aus luft- und gas­för­mi­ger Mas­se. Aber da­durch war er auch schon im­stan­de, ein leuch­ten­der Kör­per zu sein. Da­durch war er, für ein heu­ti­ges Au­ge ge­se­hen, be­reits ein in den Wel­ten­raum hin­aus­strah­len­der Pla­net. Jetzt, da die­ser Pla­net so weit sich ent­wi­ckelt hat­te, war es mög­lich, daß der ers­ten An­la­ge des men­sch­lich-phy­si­schen Lei­bes ein­ge­g­lie­dert wur­de der Äther­leib. Nun be­stand al­so der Mensch aus dem phy­si­schen und dem Äther­leib, wäh­rend er auf dem Sa­turn nur erst die ers­te An­la­ge des phy­si­schen Lei­bes hat­te. Der Mensch war aber noch nicht so weit, ei­nen ei­ge­nen As­tral­leib zu ha­ben. Die For­men der Men­schen sa­hen da­her ganz an­ders aus als heu­te. Der Mensch hat­te die Form des Pflan­zen­da­seins. Er be­saß phy­si­schen und Äther­leib wie die Pflan­ze, hat aber auf der Son­ne ganz an­ders aus­ge­se­hen als die Pflan­ze heu­te.

Die­ses Fort­sch­rei­ten der Ent­wi­cke­lung war da­mit ver­bun­den, daß ei­ne zwei­te Art von We­sen­hei­ten auf­t­rat auf der Son­ne. Auf dem Sa­turn gab es nur Men­schen, kei­ne an­de­ren We­sen­hei­ten. Er be­stand nur aus Men­schen, wie die Brom­bee­re aus klei­nen Bee­ren be­steht. Jetzt wa­ren aber von die­sen Men­schen­an­la­gen ei­ni­ge zu­rück­ge­b­lie­ben auf der Sa­turn­stu­fe; die hat­ten nicht al­les er­reicht, was zu er­rei­chen war. Die­se zu­rück­ge­b­lie­be­nen We­sen­hei­ten, die vom Sa­turn kom­men, kön­nen sich des­halb kei­nen Äther­leib an­eig­nen und müs­sen noch im­mer auf der Son­ne bloß mit phy­si­schem Leib be­gabt sein. Sie sind al­so erst so weit wie die Men­schen auf

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dem Sa­turn. Die­se We­sen­hei­ten nun, die bloß den phy­si­schen Leib auf der Son­ne ha­ben, sind die ers­ten An­la­gen zu un­se­ren heu­ti­gen Tie­ren. So daß wir auf der Son­ne Men­schen­an­la­gen mit phy­si­schem und Äther­leib ha­ben, und Tier­an­la­gen mit bloß phy­si­schem Lei­be.

Wie­der­um ist es so, daß in der Mit­te des Son­nen­da­seins ge­wis­se We­sen­hei­ten die Mensch­heits­stu­fe durch­ma­chen. Der heu­ti­ge Mensch konn­te das noch nicht. Die geis­ti­gen We­sen­hei­ten aus dem Um­kreis der Son­ne, die jetzt die Mensch­heits­stu­fe durch­ma­chen, nen­nen wir Feu­er­geis­ter, Erz­en­gel. Sie sind heu­te zwei Stu­fen über dem Men­schen. Den Men­schen tra­gen sie in sich. Sie ha­ben in an­de­rer Form das­sel­be er­fah­ren, was der Mensch heu­te in dem ir­di­schen Da­sein er­fährt. Aber auch die Son­ne macht sie­ben Epo­chen durch, und auf je­der Stu­fe gibt es We­sen­hei­ten, die den Grad er­reicht ha­ben zur Mensch­heits­stu­fe, so daß wir wie­der­um wäh­rend des Son­nen­da­seins sie­ben Ent­wi­cke­lungs­pha­sen ha­ben. Wenn sie in ih­rer ei­ge­nen Ver­gan­gen­heit zu­rück­ge­hen, se­hen sie gleich­sam auf ein kos­mi­sches Le­bensal­ter, von dem sie sa­gen kön­nen: Wenn auch un­ter mir kein fes­ter Erd­bo­den war und kei­ne flüs­si­ge Erd­ku­gel, ich ha­be da­mals doch er­fah­ren, was der Mensch heu­te er­fährt. Ich kann al­so mit­füh­len und mi­t­er­le­ben, was der Mensch er­lebt auf der Er­de. Das kön­nen die­se We­sen heu­te sa­gen. Sie ha­ben Ver­ständ­nis da­für, weil sie auch in sich er­fah­ren ha­ben, was der Mensch heu­te in sei­nem Er­den­da­sein er­fährt.

Nun kommt wie­der­um ei­ne Art von Zwi­schen­zu­stand, in dem der leuch­ten­de Pla­net nach und nach ab­g­limmt für die äu­ße­re Be­o­b­ach­tung wenn die­se schon da sein könn­te , auch für ge­wis­se hell­se­he­ri­sche Be­o­b­ach­tung ver­schwin­det und nur noch für die höchs­ten For­men des hell­se­he­ri­schen Be­o­b­ach­tens vor­han­den ist. Dann tritt er wie­der­um her­aus zu ei­ner neu­en Form des Da­seins, zu ei­nem drit­ten Zu­stand, den wir den Mon­den­zu­stand nen­nen. Das ist die drit­te Ver­kör­pe­rung un­se­res Pla­ne­ten, der al­te Mond. Der ist jetzt so weit in sei­ner Sub­stanz­ent­wi­cke­lung, daß er das, was früh­er auf der Son­ne bloß Gas war, ver­dich­tet hat zu Was­ser. Da­durch, daß das wäs­se­ri­ge Ele­ment sich ein­ge­la­gert hat, kann dem Men­schen, der all­mäh­lich sich wie­der her­aus­ent­wi­ckelt wie

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die Pflan­ze aus dem Sa­men, der as­tra­li­sche Leib ein­ge­g­lie­dert wer­den, so daß der Mensch jetzt aus drei Tei­len be­steht, aus dem phy­si­schen, dem Äther- und dem as­tra­li­schen Leib. Er ist noch nicht ei­gent­lich Mensch, denn er hat in die­sen drei Lei­bern noch kein Ich ein­ge­g­lie­dert.

Im­mer blei­ben auf al­len Stu­fen ge­wis­se We­sen­hei­ten zu­rück. Die We­sen­hei­ten, wel­che auf der Son­ne zu­rück­ge­b­lie­ben sind, die nicht die Mond­stu­fe er­rei­chen konn­ten und auf dem Mond erst ih­re Son­nen­stu­fe durch­ma­chen, die ha­ben da­her kei­ne Mög­lich­keit, sich jetzt den as­tra­li­schen Leib ein­zu­g­lie­dern, sie be­ste­hen auch auf dem Mon­de nur aus phy­si­schem und Äther­leib. Es sind das na­ment­lich sol­che, die schon auf der Son­ne zu­rück­ge­b­lie­ben wa­ren, die aber sich in­zwi­schen so weit ent­wi­ckelt hat­ten, daß sie sich ei­nen Äther­leib ein­g­lie­dern konn­ten. Das sind wie­der­um die Vor­fah­ren von heu­ti­gen Tie­ren. Die We­sen, die aber noch nicht so weit wa­ren auf dem Mon­de, daß sie sich ei­nen Äther­leib ein­g­lie­dern konn­ten, das sind die Vor­fah­ren von noch tie­fer­ste­hen­den We­sen­hei­ten: von der heu­ti­gen Pflan­zen­welt. Wir ha­ben al­so drei Rei­che auf dem Mon­de: das Men­schen­reich, be­ste­hend aus phy­si­schem Leib, Äther­leib und as­tra­li­schem Leib, das Tier­reich, be­ste­hend aus phy­si­schem und Äther­leib, und das Pflan­zen­reich, nur aus phy­si­schem Leib be­ste­hend.

Wie­der­um sind es ge­wis­se We­sen­hei­ten, wel­che un­ge­fähr in der Mit­te des Mon­den­da­seins ih­re Men­schen­stu­fe durch­ma­chen. Es sind die Geis­ter, die man ge­wöhn­lich in der geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Li­te­ra­tur die Geis­ter der Däm­me­rung nennt, die En­gel. Auch sie tra­gen als Er­in­ne­rung den Men­schen in sich. Und wie­der­um hat der Mond sie­ben sol­cher Stu­fen. Auf je­der Stu­fe sind We­sen­hei­ten, die ge­ra­de das Men­schen­da­sein durch­ma­chen kön­nen. Es ist im­mer so, daß ei­ni­ge We­sen­hei­ten vor­au­s­ei­len und an­de­re zu­rück­b­lei­ben. Wir ha­ben al­so auch auf dem Mon­de sie­ben We­sen­heits­stu­fen, die ih­re Mensch­heit durch­ge­macht hat­ten, als der Mond mit sei­ner Ent­wi­cke­lung zu En­de war.

Nun müs­sen wir al­ler­dings, um den Mond ganz zu ver­ste­hen, et­was Wich­ti­ges er­wäh­nen, was sich in der Ent­wi­cke­lung des al­ten

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Mon­des ab­spiel­te. Als die­ser al­te Mond sei­ne Ent­wi­cke­lung be­gann, war er, we­nigs­tens bald nach dem Be­ginn, ei­ne flüs­si­ge Ku­gel. Wür­de er sich so wei­ter­ent­wi­ckelt ha­ben durch sei­ne sie­ben Sta­di­en, dann wä­re er nicht da­zu ge­kom­men, dem Men­schen die rich­ti­ge Grund­la­ge für sei­ne Wei­te­r­ent­fal­tung zu ge­ben. Er wur­de nur da­durch ge­eig­net, ei­ne Vor­stu­fe der Er­den­mensch­heit zu sein, daß er sich zu­nächst in zwei Wel­ten­kör­per spal­te­te. Der ei­ne von die­sen war der Vor­läu­fer der heu­ti­gen Son­ne und der an­de­re, der sich ab­t­ren­nen­de, war der Vor­läu­fer der heu­ti­gen Er­de, aber so, daß Sie sich die­ser Er­de den heu­ti­gen Mond da­zu­ge­mischt den­ken, so daß Er­de und Mond von heu­te da­mals eins wa­ren. Sie den­ken sich al­so die­se zwei Kör­per, Er­de plus Mond ei­ner­seits und die Son­ne an­de­rer­seits, jetzt von­ein­an­der ge­t­rennt, den al­ten Mond als wäs­se­ri­gen Kör­per und die al­te Son­ne auf dem We­ge, ein Fixs­tern zu wer­den. Mit die­ser Spal­tung war et­was sehr We­sent­li­ches ver­knüpft. Vor al­len Din­gen war es die Son­ne, wel­che die Ab­spal­tung voll­zog und die feins­ten Tei­le, die äthe­rischs­te Ma­te­rie mit sich nahm, wäh­rend im Mon­de, das heißt in der heu­ti­gen Er­de plus dem heu­ti­gen Mon­de, die gröbs­te Ma­te­rie zu­rück­b­lieb. Da­her ist die Son­ne mit un­ge­heu­er fei­ner Ma­te­rie aus­ge­stat­tet, wäh­rend der Mond ein viel dich­te­rer Kör­per, ei­ne wäs­se­ri­ge Mas­se wird. Da­durch, daß die Son­ne die feins­ten und geis­tigs­ten Kräf­te mit sich nahm, konn­te sie nun auch der Schau­platz sein für viel höh­er ent­wi­ckel­te We­sen­hei­ten. In der Tat wä­ren vie­le von je­nen ho­hen We­sen­hei­ten, die noch das Sa­turn­da­sein er­tra­gen konn­ten, ge­hemmt ge­we­sen in ih­rer Ent­wi­cke­lung, wenn sie län­ger an den Mond ge­fes­selt ge­b­lie­ben wä­ren. Sie brauch­ten ei­nen Schau­platz mit feins­ten Stof­fen; nur da konn­ten sie sich ent­wi­ckeln. So hat­ten sie sich den ge­eig­ne­ten Schau­platz her­aus­ge­zo­gen und ent­wi­ckel­ten sich auf der Son­ne wei­ter. Da­ge­gen wa­ren ver­knüpft ge­b­lie­ben mit dem Mon­de, der durch das Her­aus­ge­hen der fei­ne­ren Ma­te­rie ei­ne Ver­di­ckung er­lit­ten hat­te, je­ne Men­schen­an­la­gen, die aus phy­si­schem Lei­be, Äther­leib und as­tra­li­schem Leib be­stan­den, und auch Tier- und Pflan­zen­an­la­gen.

Die­ser al­te Mond sieht nun ganz son­der­bar aus. Da wür­den Sie

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noch nicht so et­was fin­den wenn er auch sei­ne Son­ne schon um­k­reis­te wie Fel­sen, wie Acker­er­de. Mi­ne­ra­li­sches gab es da noch nicht. Die Haupt­mas­se die­ses Mon­des, auf der die­se We­sen­hei­ten her­um­hüpf­ten so­zu­sa­gen, war ei­ne Art Brei, ei­ne rich­ti­ge Art Brei, so et­wa wie Koch­sa­lat oder wie ge­koch­ter Spi­nat. Solch ein Brei war die Grund­mas­se die­ses Mon­des, so wie die Grund­mas­se un­se­rer Er­de Acker­er­de ist. Es wa­ren da­rin ein­ge­la­gert ähn­li­che Mas­sen wie, sa­gen wir, Holz und Bor­ke der Bäu­me. Wenn Sie heu­te auf ei­nen Berg stei­gen, ge­hen Sie auf Fel­sen. Da­mals wä­ren Sie auf ei­nem Grund ge­gan­gen, der, wenn er fest war, wie Holz­ma­te­rial, wie ein Holz­pla­teau war. Statt Granit hät­ten Sie Stump­fen ge­fun­den, die et­wa mit Holz ver­g­leich­bar wä­ren. Das ist na­tür­lich nur ver­g­leichs­wei­se ge­spro­chen. So war die Grund­mas­se, und aus ihr her­aus wuch­sen fort­wäh­rend Wu­che­run­gen. Das war al­so das un­ters­te Reich, das heu­ti­ge Mi­ne­ral­reich, das da­mals mit­ten drin­nen­stand zwi­schen dem heu­ti­gen Mi­ne­ral- und Pflan­zen­reich. Das leb­te in ei­ner ge­wis­sen Wei­se. Es war so, daß es da fort­wäh­rend Wu­che­run­gen gab. Es war nicht wie heu­te. Wenn Acker­er­de da­liegt, so muß man sie, wenn man sie weg­ha­ben will, auf äu­ßer­li­che Wei­se weg­tra­gen. Die­se Mas­se des al­ten Mon­des starb ab aber nicht wie ein­zel­ne Pflan­zen und bil­de­te sich wie­der neu. Fort­wäh­rend war sie in in­ne­rer le­ben­di­ger Re­gung und Be­we­gung. In ste­tem Abs­ter­ben und fort­wäh­ren­dem Wu­chern war die Grund­mas­se des al­ten Mon­des. Und aus die­sem Grund­bo­den wuchs ein an­de­res Reich her­aus. Durch das Her­au­s­t­re­ten des Mon­des aus der Son­ne hat­ten sich näm­lich die frühe­ren Rei­che ve­r­än­dert. Auf der Son­ne ent­spra­chen sie un­ge­fähr un­se­ren Rei­chen. Durch das Her­aus­rü­cken des Mon­des war das al­te Pflan­zen­reich her­un­ter­ge­drückt wor­den um ei­ne hal­be Stu­fe und eben­so die an­de­ren Rei­che, so daß al­so das nächs­te Reich ei­ne Art von Tier-Pflan­zen­reich war. Es wuchs al­ler­dings aus dem Bo­den her­aus, es wuch­sen her­aus sol­che Tier-Pflan­zen. Sie wa­ren pflan­zen­för­mig, aber wenn man sie an­griff, hat­ten sie Emp­fin­dun­gen, sie qu­ietsch­ten und der­g­lei­chen. Sie wa­ren ei­gent­lich halb Tier und halb Pflan­ze, Pflan­ze in­so­fern, als sie eben auf dem Bo­den wuch­sen, zum gro­ßen Teil in dem Bo­den

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fest­wur­zel­ten, und Tie­re in­so­fern, als sie et­was von Emp­fin­dungs­fähig­keit hat­ten. Und das Reich, das dem uns­ri­gen vor­an­ging, wa­ren Men­schen-Tie­re, We­sen­hei­ten, die zwi­schen dem heu­ti­gen Men­schen und dem heu­ti­gen Tie­re mit­ten drin­nen­ste­hen, höh­er als der heu­ti­ge Af­fe, aber noch nicht so hoch wie der heu­ti­ge Mensch. Das war un­ge­fähr die Ge­stalt der Men­schen­vor­fah­ren auf dem Mon­de.

Ge­ra­de Sa­gen und My­then ha­ben wun­der­bar die­se Din­ge er­hal­ten. Den­ken Sie nur ein­mal, wie ei­ne deut­sche Sa­ge die­ses Ge­heim­nis, das sich hin­ter all­dem ver­birgt, er­hal­ten hat. Im­mer blei­ben ge­wis­se We­sen­hei­ten zu­rück. Auch die­se We­sen­hei­ten, die zwi­schen den heu­ti­gen Pflan­zen und den heu­ti­gen Tie­ren mit­ten drin­nen­stan­den, die nur auf ei­nem pflanz­li­chen Bo­den wur­zeln konn­ten, wie der Mond­bo­den ei­ner war, die sind zu­rück­ge­b­lie­ben und in un­se­rer heu­ti­gen Er­den­bil­dung des­halb auch nicht fähig, auf mi­ne­ra­li­schem Bo­den zu gedei­hen. Da kön­nen un­se­re heu­ti­gen Pflan­zen wach­sen, aber je­ne, die zwi­schen Pflan­zen und Tie­ren mit­ten­d­rin­nen wa­ren, die ei­nen le­ben­di­gen Bo­den brauch­ten, die kön­nen nicht, wenn sie zu­rück­ge­b­lie­ben sind, im -Mi­ne­ra­li­schen wach­sen. Die Mis­tel ist ei­ne sol­che Pflan­ze. Sie muß des­halb in der heu­ti­gen Pflan­zen­welt schma­rot­zen, weil sie ein zu­rück­ge­b­lie­be­nes We­sen ist. Sie hat kei­ne Emp­fin­dung mehr, ob­wohl der um­hül­len­de As­tral­leib der Mis­tel ganz an­ders ist wie der der üb­ri­gen Pflan­zen. Und das fühl­te die deut­sche Sa­ge, daß die Mis­tel ei­gent­lich nicht in un­ser Er­den­we­sen hin­ein­ge­hört, daß sie ihm fremd ist. Die Sa­ge fei­ert im Gott Bal­dur den Gott der Er­den­son­ne, der Er­den­kraft. Kein We­sen der Er­de wird ihm et­wa feind­lich na­hen kön­nen. Da­her kann auch der Gott, von dem die deut­sche Sa­ge das Be­wußt­sein hat­te, daß er so ein Nach­züg­ler sei, da­her kann Lo­ki den Bal­dur mit kei­nem Ge­sc­höpf der Er­de tö­ten. Er muß ihn mit dem Mi­s­telzweig tö­ten las­sen, weil der fremd ist un­ter den Er­den­ge­sc­höp­fen und des­halb dem Nach­züg­ler Lo­ki die­nen kann, der nicht ver­wandt ist mit den Er­den­göt­tern. Tie­fe Weis­heit ver­birgt sich hin­ter sol­chen Sa­gen. In die­ser Bal­dur-Lo­ki-Sa­ge spü­ren wir übe­rall die­se al­te Weis­heit, auch in den Ge­bräu­chen, die sich an die

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Mis­tel knüp­fen. Wenn Sie sie stu­dier­ten, so wür­den Sie fin­den, daß das­je­ni­ge, was man über sie sagt, aus ural­ter Weis­heit her­rührt.

Dann kam in der zwei­ten Hälf­te der Mon­den­ent­wi­cke­lung die Zeit, wo so­wohl die auf der Son­ne wie auch die auf dem Mon­de sich ent­wi­ckeln­den We­sen­hei­ten das er­reicht hat­ten, was sie wäh­rend der al­ten Mon­den­zeit hat­ten er­rei­chen sol­len. Und dann ve­r­ei­nig­ten sie sich wie­der­um. Son­ne und Mond gin­gen wie­der als ein Leib in ih­rer Ent­wi­cke­lung ei­ne St­re­cke zu­sam­men.

Dann ver­dun­kel­te sich der Ent­wi­cke­lungs­zu­stand, ging durch den rein geis­ti­gen Zu­stand hin­durch, den man­che ge­wohnt sind Prala­ya zu nen­nen, und nun däm­mer­te un­se­re Er­den­ent­wi­cke­lung auf. Im An­fang ent­hält der auf­däm­mern­de Wel­ten­kör­per nicht nur un­se­re heu­ti­ge Er­den­sub­stanz, son­dern das, was Sie be­kom­men wür­den, wenn Sie die Sub­stanz von der heu­ti­gen Son­ne, der heu­ti­gen Er­de und dem heu­ti­gen Mond zu­sam­men­neh­men und in ei­nem rie­si­gen Topf durch­ein­an­der­rüh­ren wür­den. So un­ge­fähr kön­nen Sie sich den Ent­wi­cke­lungs­zu­stand un­se­rer Er­de bei ih­rem Be­ginn vor­s­tel­len. Die­ser Ent­wi­cke­lungs­zu­stand ist zu­nächst ei­ne Art Wie­der­ho­lung des Sa­turn­zu­stan­des, dann des Son­nen- und des Mon­den­zu­stan­des. Was für uns nun vor al­len Din­gen wich­tig ist, das ist, daß der Mensch ei­gent­lich erst im heu­ti­gen Sin­ne Mensch wird in der Mit­te der Er­den­ent­wi­cke­lung. Auch in un­se­rer Er­den­ent­wi­cke­lung müs­sen wir sie­ben Zu­stän­de un­ter­schei­den. Wir ste­hen im vier­ten. Drei sind vor­an­ge­gan­gen, drei wer­den fol­gen. Der vier­te Haupt­k­reis­lauf war der­je­ni­ge, in wel­chem un­ser heu­ti­ges Men­schen­ge­sch­lecht Mensch wer­den soll­te. So wie nun in al­len die­sen Kreis­läu­fen auf dem Sa­turn, auf der Son­ne und auf dem Mond ge­wis­se We­sen­hei­ten die Mensch­heits­stu­fe er­reich­ten auf dem Sa­turn die Asu­ras oder Ur­kräf­te, auf der Son­ne die Erz­en­gel, auf dem Mon­de die En­gel , so wa­ren auch im­mer We­sen­hei­ten zu­rück­ge­b­lie­ben. Und so gab es auch We­sen­hei­ten, die nicht mehr auf dem Mond die Men­schen­stu­fe er­rei­chen konn­ten, zu­rück­ge­b­lie­be­ne En­gel et­wa, die erst jetzt auf dem Er­den­pla­ne­ten in den ers­ten drei Er­den­zei­träu­men ih­re Mensch­heits­stu­fe nach­ho­len konn­ten. Der Mensch kam in der vier­ten Stu­fe da­ran. Vor dem Men-

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schen ha­ben noch drei an­de­re We­sen­hei­ten auf der Er­de die Mensch­heits­stu­fe durch­ge­macht. Und die vier­te der We­sen­hei­ten, die auf der Er­de die Mensch­heits­stu­fe durch­ma­chen, ist der Mensch sel­ber. In dem Au­gen­blick der kos­mi­schen Ent­wi­cke­lung, als der Mensch sich eben an­schickt, Mensch zu wer­den, da ha­ben Sie al­so al­le die We­sen­hei­ten, die durch Sa­turn, Son­ne, Mond und Er­de bis zum Men­schen hin die Mensch­heits­stu­fe ha­ben durch­ma­chen kön­nen, als mehr oder we­ni­ger über den Men­schen hin­aus­ge­schrit­te­ne We­sen­hei­ten. Aber al­le sind so, daß sie zu­rück­bli­cken kön­nen, sich er­in­nern kön­nen an die Stu­fe, auf der sie selbst die Mensch­heits­stu­fe durch­ge­macht ha­ben. Sie konn­ten hin­un­ter­schau­en auf den wer­den­den Men­schen und sich sa­gen: Der wird jetzt et­was, was wir schon ge­we­sen sind, wo­für wir Ver­ständ­nis ha­ben, wenn wir es auch un­ter an­de­ren Um­stän­den ge­we­sen sind. Sie konn­ten des­halb sei­ne Ent­wi­cke­lung lei­ten und re­geln vom geis­ti­gen Wel­ten­raum aus.

Zäh­len wir zu­sam­men, wie vie­le sol­cher We­sen­hei­ten es sind, die auf die Men­schen­stu­fe zu­rück­bli­cken kön­nen, die Ver­ständ­nis ha­ben kön­nen für den wer­den­den Men­schen: sie­ben von der Sa­turn­ent­wi­cke­lung plus sie­ben von der Son­nen- plus sie­ben von der Mon­den­stu­fe plus drei von der Er­den­ent­wi­cke­lung, das sind vier­und­zwan­zig We­sen­hei­ten. Vier­und­zwan­zig «Men­schen» bli­cken her­un­ter auf den heu­ti­gen Men­schen. Es sind die We­sen­hei­ten, wel­che wir aus gu­ten Grün­den die Re­gu­la­to­ren der Ent­wi­cke­lung ge­nannt ha­ben, die Re­gu­la­to­ren der Zeit. Zeit hängt mit Ent­wi­cke­lung zu­sam­men. Es sind die vier­und­zwan­zig Äl­tes­ten, die uns in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes be­geg­nen. Das sind die­sel­ben We­sen­hei­ten, die uns be­schrie­ben wer­den da, wo wir her­an­t­re­ten an das Ge­heim­nis der sie­ben Sie­gel. Sie wer­den uns als die ei­gent­li­chen Len­ker der Ge­schi­cke be­schrie­ben, das ei­gent­li­che Al­pha und Ome­ga. So ha­ben wir die vier­und­zwan­zig Äl­tes­ten auch hier wie­der­um ge­fun­den, und Sie se­hen, wie der Apo­ka­lyp­ti­ker, der die­se wich­ti­ge Ur­kun­de ge­schrie­ben hat, in sei­ne Bil­der wun­der­bar hin­ein­ge­heim­nißt hat, was wir aus der Be­trach­tung der geis­ti­gen Wel­ten­ent­wi­cke­lung sel­ber fin­den kön­nen.

Nun wa­ren aber ge­wis­se We­sen­hei­ten zu­rück­ge­b­lie­ben auf je­der

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Stu­fe, so daß die auf der Son­ne zu­rück­ge­b­lie­be­nen Sa­turn­we­sen als die ers­ten An­la­gen des jet­zi­gen Tier­rei­ches her­aus­ka­men und die auf der Mond­stu­fe zu­rück­ge­b­lie­be­nen Son­nen­we­sen als ers­te An­la­gen des heu­ti­gen Pflan­zen­rei­ches. Auf der Er­de erst kam ei­ne Ent­wi­cke­lungs­stu­fe her­aus als das Mi­ne­ral­reich. Wir ha­ben her­vor­ge­ho­ben, daß es auf dem Mon­de noch kein Mi­ne­ral­reich ge­ge­ben hat. Auf Fel­sen hät­te man auf dem Mon­de noch nicht her­um­ge­hen kön­nen. In der­je­ni­gen Zeit, wo die heu­ti­gen Men­schen an­fin­gen, ih­re Mensch­heits­stu­fe durch­zu­ma­chen, dran­gen aus dem Wel­ten­kör­per, der jetzt zwi­schen der Sub­stanz des Mon­des und der heu­ti­gen Sub­stanz stand, die mi­ne­ra­li­schen Mas­sen, die ers­ten Kri­s­tal­le her­aus. Das war der Au­gen­blick, wo das Mi­ne­ral­reich her­vor­schoß. Und Sie fin­den die­ses Her­vor­schie­ßen in ganz ein­zi­ger Wei­se in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes ge­schil­dert, wo er sagt: Da war es kri­s­tal­li­siert um den Stuhl her­um wie ein glä­s­er­nes Meer. Die­ses «glä­s­er­ne Meer» soll uns an­deu­ten das Her­vor­schie­ßen, das Her­vor­kei­men des Mi­ne­ral­rei­ches in sei­ner ers­ten Ge­stalt. So se­hen wir auch die­ses Ge­heim­nis der kos­mi­schen Ent­wi­cke­lung in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes an­ge­deu­tet. Und wir ha­ben da­mit auch ein­se­hen ge­lernt, daß bis zu die­sem Gra­de der Apo­ka­lyp­ti­ker uns in sei­nen ge­wal­ti­gen Bil­dern nichts an­de­res dar­s­tel­len will als das, was wir aus dem geis­ti­gen Le­ben her­aus in der Ent­wi­cke­lung der Er­de selbst er­ken­nen kön­nen. Da­mit hat uns aber der Apo­ka­lyp­ti­ker gleich im An­fang sei­nes Bu­ches bis zu den Höhen hin­auf­ge­führt, wo der Mensch die Bil­der der zu­künf­ti­gen Ent­wi­cke­lungs­stu­fen schau­en kann.

Und nun ha­ben wir ei­ne gu­te Grund­la­ge, um wie­der an das an­zu­knüp­fen, was wir schon als die ers­ten Epo­chen zu­künf­ti­ger Mensch­heits­ent­wi­cke­lung ken­nen­ge­lernt ha­ben. Jetzt ha­ben wir als Zwi­schen­be­trach­tung ei­nen Blick ge­wor­fen in die Ver­gan­gen­heit bis da­hin, wo der Mensch be­reit ist, Mensch zu wer­den, wo das Mi­ne­ral­reich her­aus­schießt. Und nun wer­den wir se­hen, wie es bis zu un­se­rer Zeit wei­ter­geht, und von da bis in die Zu­kunft hin­ein. Wir wer­den den An­schluß fin­den zum Ge­heim­nis der sie­ben Sie­gel und ih­rer Ent­sie­ge­lung bis zur Aus­gie­ßung der Zor­nes­scha­len.

08 – SECHSTER VOTRAG, Nürnberg, 23. Juni 1908

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Sechs­ter VOR­TRAG

Nürn­berg, 24. Ju­ni 1908

Es ist in der ma­te­ria­lis­ti­schen Wis­sen­schaft all­ge­mein ge­bräuch­lich, mit Aus­nah­me ei­ni­ger Krei­se, die sich in der letz­ten Zeit zu ei­ner an­de­ren Er­klär­ung ent­sch­los­sen ha­ben, die Ent­ste­hung un­se­res ge­gen­wär­ti­gen Son­nen­sys­tems so dar­zu­s­tel­len, daß es sich her­aus­ge­bil­det hat aus ei­ner Art von Ur­ne­bel, der ei­nen Raum um­faßt hat bis über die Nep­tun­g­ren­ze hin­aus, al­so bis an die Bahn des äu­ßers­ten Pla­ne­ten un­se­res Son­nen­sys­tems. Und da, so nimmt man an, hat sich durch ei­nen Ver­dich­tung­s­pro­zeß nach und nach her­aus­ge­bil­det un­se­re Son­ne und die sich um sie her­um­be­we­gen­den Pla­ne­ten. Wie ge­sagt, ei­ni­ge we­ni­ge Er­klä­rer ha­ben heu­te ei­ne et­was an­ders lau­ten­de An­schau­ung, aber sie brin­gen auch noch nichts We­sent­li­ches für uns, die wir auf dem Bo­den ei­ner spi­ri­tu­el­len Wel­t­an­schau­ung ste­hen. Al­so es hät­te sich her­aus­ge­ballt un­se­re Son­ne mit den um sie krei­sen­den Pla­ne­ten. Da­bei wur­de ja im­mer und wird auch heu­te noch in den Schu­len ein nied­li­cher Ver­g­leich ge­bracht, der so recht an­schau­lich ma­chen soll, wie ein gan­zes Pla­ne­ten­sys­tem so durch Dre­hung ent­ste­hen kann. Da nimmt man ei­ne öli­ge Sub­stanz, die in Was­ser schwimmt, und macht sie ku­gel­för­mig. Dann schnei­det man ein klei­nes Blätt­chen, das man ganz in der Äqua­tor­li­nie so durch­drü­cken kann durch die­se öli­ge Ku­gel, daß sie in zwei Hälf­ten ge­teilt wird. Man steckt oben hin­ein ei­ne Steck­na­del, und dann gibt man das in Was­ser, so daß es schwimmt. Man sieht als­dann, wenn man nun die­se klei­ne Ku­gel dreht, wie sich zu­erst ein Trop­fen ab­spal­tet und gleich­sam als ein äu­ße­rer Kör­per die grö­ße­re Ku­gel um­k­reist, wie sich dann ein zwei­ter, drit­ter Trop­fen ab­spal­tet und end­lich in der Mit­te ein gro­ßer Trop­fen üb­rig­b­leibt, um den sich vie­le klei­ne­re dre­hen. Ein Pla­ne­ten­sys­tem im klei­nen! sagt man. Warum, so meint man, kön­ne nicht aus je­nem Ur­ne­bel einst­mals durch sol­che Ab­dre­hung un­ser Son­nen-

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sys­tem ent­stan­den sein, wenn man es doch jetzt nach­ma­chen kann bei ei­nem sol­chen Mi­nia­tur-Son­nen­sys­tem?

Es er­scheint ge­wöhn­lich die­ser Ver­g­leich den Men­schen un­ge­heu­er ein­leuch­tend, und jetzt be­g­rei­fen sie, wie einst­mals aus sol­chem Ur­ne­bel sich her­aus­ge­spal­tet ha­ben Sa­turn, Ju­pi­ter, Mars, Er­de, Ve­nus, Mer­kur. Aber die gan­ze Ge­schich­te, nicht nur der Ver­g­leich, son­dern über­haupt die gan­ze An­schau­ung geht her­vor aus der Kurz­at­mig­keit al­les Den­kens der Ge­gen­wart. Denn die be­tref­fen­den, zu­wei­len recht ge­lehr­ten Män­ner, die die­sen Ver­g­leich so ein­leuch­tend hin­s­tel­len, ver­ges­sen da­bei nur ei­nes: daß sie näm­lich selbst da­bei sind und oben die­se Na­del dre­hen! Nun ist ja Selbst­ver­ges­sen­heit in ge­wis­sen Ge­bie­ten des Le­bens sehr gut, aber in die­sem Fall ist ge­ra­de mit dem Ex­pe­ri­men­ta­tor das Al­ler­wich­tigs­te ver­ges­sen, oh­ne das der Öl­trop­fen sich über­haupt nicht dre­hen wür­de. Min­des­tens müß­te der Ge­lehr­te, der mit sol­chem Aber­glau­ben aus­ge­stat­tet ist Kant-La­place­sches Sys­tem ist die­ser Aber­glau­be be­nannt , we­nigs­tens ein klein bißchen Kon­se­qu­enz im Den­ken ha­ben. Er müß­te we­nigs­tens an­neh­men, daß sich da­mals ir­gend­ein We­sen ei­nen Rie­sen­stuhl in den Wel­ten­raum hin­aus­ge­s­tellt und ei­ne Rie­se­nach­se in Be­we­gung ge­setzt hät­te. Das müß­te man min­des­tens vor­aus­set­zen. Aber es hat sich all­mäh­lich das men­sch­li­che Den­ken so sehr da­ran ge­wöhnt, nur das Ma­te­ri­el­le ins Au­ge zu fas­sen, daß man den Wi­der­spruch ei­nes sol­chen Ver­g­lei­ches gar nicht mehr be­merkt.

In der Tat ist ja ei­ne ge­wis­se Wahr­heit in die­sem so­ge­nann­ten Kant-La­place­schen Wel­ten­sys­tem, wenn sich auch die­se Wahr­heit an­ders ver­hält, als die ma­te­ria­lis­ti­sche Er­klär­ung die Sa­che hin­s­tellt. Es ist ei­ne ge­wis­se Wahr­heit da­r­in­nen, weil dem hell­se­he­ri­schen Blick al­les, was un­ser heu­ti­ges Son­nen­sys­tem ent­hält, tat­säch­lich er­scheint als aus solch ur­sprüng­li­cher Ne­bel­mas­se her­vor­ge­gan­gen. Al­lein dem­je­ni­gen, der wir­k­lich ge­schicht­lich for­schen kann, dem wird klar, daß das Gu­te an der Kant-La­place­schen Hy­po­the­se von den ok­kul­ten Tra­di­tio­nen her­rührt. Das hat man ver­ges­sen, als das Wort «Ok­kul­tis­mus» et­was wur­de, wo­vor man sich fürch­te­te wie Kin­der vor dem schwar­zen Mann. Aber das, was

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bei der Bil­dung un­se­res Son­nen­sys­tems wir­k­lich ge­sche­hen ist, das ist nicht oh­ne den Ein­fluß von geis­ti­gen We­sen­hei­ten und Mäch­ten ge­sche­hen. Die Ma­te­rie tut nichts, oh­ne daß geis­ti­ge We­sen zu­grun­de lie­gen.

Es wür­de uns heu­te zu weit füh­ren, wenn wir, an­knüp­fend an das Ges­t­ri­ge, die gan­ze Er­klär­ung un­se­res Son­nen­sys­tems auf­neh­men woll­ten. Wir wol­len au­ßer Be­tracht las­sen die Pla­ne­ten wie Sa­turn, Ju­pi­ter und so wei­ter und nur ins Au­ge fas­sen, was vor al­len Din­gen für un­ser men­sch­li­ches Le­ben und die men­sch­li­che Ent­wi­cke­lung von Be­deu­tung ist.

In der Tat war ein­mal ein sol­cher Ur­ne­bel, und in die­sem wa­ren, wie auf­ge­löst, al­le Tei­le un­se­res Son­nen­sys­tems. Aber mit die­sem Ur­ne­bel ver­bun­den, so daß sie da­zu ge­hör­ten, wa­ren die We­sen­hei­ten, wel­che wir im Lau­fe der ges­t­ri­gen Be­trach­tung ken­nen­ge­lernt ha­ben. Zum Bei­spiel wa­ren mit je­nem Wel­ten­ne­bel, mit je­nem kos­mi­schen Ne­bel ver­bun­den al­le die We­sen, die in den 24 Stu­fen durch­ge­macht ha­ben die Men­schen­stu­fe. Auch noch an­de­re We­sen­hei­ten wa­ren mit ihm ver­bun­den. Sie al­le wohn­ten in je­nem Ur­ne­bel, der, wenn man ihn nicht im Zu­sam­men­hang mit die­sen We­sen­hei­ten denkt, ei­ne phan­tas­ti­sche Ab­strak­ti­on ist. Wie ihn sich der ma­te­ria­lis­ti­sche Che­mi­ker et­wa denkt, ist er un­mög­lich. So ist er nur in Ge­dan­ken, von der Wir­k­lich­keit ab­ge­son­dert. In Wir­k­lich­keit ist er so vor­han­den, daß er be­wohnt ist von ei­ner Rei­he von geis­ti­gen We­sen­hei­ten. Denn als je­ner Ur­ne­bel auf­s­tieg zu sei­ner neu­en Sicht­bar­keit, da wa­ren ver­bun­den mit ihm al­le die We­sen­hei­ten, die einst den al­ten Sa­turn be­wohn­ten, die dann die ver­schie­de­nen Ent­wi­cke­lungs­stu­fen durch Son­ne, Mond durch­ge­macht ha­ben bis her­auf zur Er­de, wo nach lan­ger Zwi­schen­pau­se der Er­den-Ur­ne­bel so­zu­sa­gen auf­s­tieg. Und auch die an­de­ren We­sen­hei­ten, die wir erst auf der Son­ne ken­nen­ge­lernt ha­ben, wa­ren ver­bun­den mit die­sem Ur­ne­bel. Und die­se We­sen­hei­ten, der gan­ze Cho­rus, der da­r­in­nen war, der die­sen Ur­ne­bel durch­setz­te, die­se sind es, wel­che die Be­we­gun­gen her­vor­rie­fen. Denn die We­sen­hei­ten sind es, die sich ih­ren Schau­platz schaf­fen.

Da wa­ren zum Bei­spiel We­sen­hei­ten, die ei­nen ganz an­de­ren

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Wohn­platz brauch­ten als die Men­schen, wenn sie die ih­nen ent­sp­re­chen­de Ent­wi­cke­lung durchlau­fen woll­ten. Die Men­schen, die auf dem al­ten Mon­de als die Vor­fah­ren der jet­zi­gen Men­schen ge­lebt ha­ben, hat­ten erst phy­si­schen Leib, Äther­leib und As­tral­leib. Mit die­sen drei Glie­dern ih­rer We­sen­heit ka­men sie im Be­gin­ne der Er­den­ent­wi­cke­lung aus dem so­ge­nann­ten Prala­ya wie­der­um her­aus wie ei­ne Pflan­ze aus dem Sa­men. So, wie nun die­ses gan­ze Sys­tem im An­fang war, war es un­ge­eig­net für die We­sen­hei­ten, die die An­la­gen mit­ge­bracht hat­ten zum heu­ti­gen Men­schen. Wä­re je­ne Sch­nel­lig­keit der Ent­wi­cke­lung bei­be­hal­ten wor­den, die un­ser Son­nen­sys­tem im An­fang hat­te, als es her­aus­kam aus der kos­mi­schen Däm­me­rung, so hät­te der Mensch sei­ne Ent­wi­cke­lung nicht fin­den kön­nen. Es wä­re ei­ne Ent­wi­cke­lung ge­we­sen, als ob Sie jetzt ge­bo­ren wür­den und dann in kür­zes­ter Zeit schon Grei­se wä­ren. Wür­de je­ne Sch­nel­lig­keit der Ent­wi­cke­lung bei­be­hal­ten wor­den sein, die der Son­ne ei­gen war, so wür­den Sie al­le rasch al­tern. Sie wür­den nicht je­nen lang­sa­men Gang durch die Jahr­zehn­te ma­chen kön­nen, wie Sie es wir­k­lich tun. Nach kur­zer Zeit wür­den Sie wei­ße Haa­re ha­ben. Kaum daß Sie Kind ge­we­sen sind, wür­den Sie schon Grei­se sein.

So hat es nicht sein dür­fen. Es wa­ren al­so We­sen­hei­ten vor­han­den, die ein sch­nel­le­res Tem­po brauch­ten. Die­se We­sen­hei­ten mach­ten nur ei­nen Teil der Ent­wi­cke­lung mit, nah­men sich dann je­nen Wel­ten­kör­per her­aus, der heu­te als Son­ne am Him­mel steht, und mach­ten die­se Son­ne zu ih­rem Wohn­platz. Sie zo­gen mit ih­rer We­sen­heit die Son­nen­ma­te­rie her­aus. Denn die­se Son­ne, die heu­te ihr Licht uns zu­schickt, ist eben­so von geis­ti­gen We­sen­hei­ten be­wohnt wie un­se­re Er­de. Mit je­dem Son­nen­strahl, der her­un­ter­dringt, ge­hen auf die Er­de her­un­ter die Ta­ten je­ner geis­ti­gen We­sen­hei­ten, die sich im Ver­lauf der Sa­turn-, Son­nen-, Mon­den­ent­wi­cke­lung da­hin ge­bracht ha­ben, daß sie ei­ne so ra­sche Ent­wi­cke­lung durch­ma­chen kön­nen, wie sie auf der heu­ti­gen Son­ne statt­fin­det. Ho­he, er­ha­be­ne We­sen­hei­ten sind ver­knüpft mit die­sem Son­nen­da­sein im Be­gin­ne un­se­rer Er­den­ent­wi­cke­lung, und sie spal­ten sich ab. Und was dann zu­rück­ge­b­lie­ben ist, müs­sen Sie sich so

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vor­s­tel­len, als wenn Sie den heu­ti­gen Mond und die heu­ti­ge Er­de in ei­nem gro­ßen Topf zu­sam­men­ge­rührt hät­ten und die­se zu­sam­men­ge­rühr­ten Er­de und Mond zu­nächst ei­ne Zeit­lang die Son­ne um­k­reis­ten.

So ha­ben wir, be­vor wir den Punkt er­rei­chen, den wir ges­tern als Men­sch­wer­dung be­zeich­net ha­ben, zu­nächst die Tren­nung der Son­ne von der Er­de, das heißt der heu­ti­gen Er­de plus dem heu­ti­gen Mon­de fest­zu­s­tel­len. Auf der Son­ne blie­ben woh­nen die We­sen­hei­ten, wel­che die geis­ti­gen Len­ker der ir­di­schen Er­eig­nis­se sind. Als sie vom Mon­de her­über­ka­men, da wa­ren es sie­ben sol­cher We­sen­hei­ten. Die Ge­ne­sis nennt sie Elo­him, Licht­geis­ter. Sie ha­ben ei­ne Wei­le ih­re Ent­wi­cke­lung mit der Er­de zu­sam­men durch­ge­macht und dann die Son­ne her­aus­ge­zo­gen, so daß sie nun von der Son­ne her­aus auf die Er­de wir­ken kön­nen. Die­se Elo­him, die­se Licht­geis­ter wa­ren al­so ih­rer sie­ben. Sechs von ih­nen wa­ren so, daß sie ihr Da­sein mit der ei­gent­li­chen kos­mi­schen Son­ne ver­ban­den. Ei­ner son­der­te sich aus von ih­nen, ei­ner, den das Al­te Te­s­ta­ment Jah­ve nennt. Der son­der­te sich aus und blieb zu­nächst mit der Er­de ver­bun­den. Der lei­te­te und lenk­te die Er­den­ent­wi­cke­lung von in­nen her­aus, wäh­rend die an­de­ren von au­ßen he­r­ein wirk­ten. So war es ei­ne Wei­le.

Aber schon nach dem, was ges­tern für den al­ten Mond an­ge­deu­tet wor­den ist, wer­den Sie es be­g­reif­lich fin­den, daß mit dem Her­aus­ge­hen der Son­ne ei­ne Ver­dich­tung al­les des­sen ver­bun­den war, was als Er­de plus Mond zu­rück­b­lieb. Es kam ei­ne Pe­rio­de über die Erd­ent­wi­cke­lung, wo al­le We­sen­hei­ten, und nicht nur die Sub­stanz, ei­ne Ver­gröbe­rung durch­mach­ten. Die We­sen­hei­ten zum Bei­spiel, die spä­ter die Men­schen wur­den, die da­mals noch sehr weich und fein wa­ren, mach­ten da­durch ei­ne Ver­gröbe­rung durch, daß sie scheuß­li­che In­s­tink­te an­nah­men. Ei­ne Ver­gröbe­rung des gan­zen Le­bens fand statt.

Aber so durf­te die Ent­wi­cke­lung nicht blei­ben, wenn der Mensch ent­ste­hen soll­te. Es wür­de ei­ne Ver­gröbe­rung ein­ge­t­re­ten sein, dich­ter und dich­ter wä­re al­les ge­wor­den, und die Men­schen wä­ren zu Mu­mi­en er­starrt. Mu­mi­fi­ziert wä­ren die Men­schen ge­wor­den, und

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Sie hät­ten sehr bald ei­nen Pla­ne­ten ge­habt, auf dem so et­was wie nicht ge­ra­de sc­hö­ne, aber men­sche­n­ähn­li­che Mu­mi­en, wie Sta­tu­en, sich an­ge­sam­melt hät­ten. Mu­mi­fi­ziert wä­re die Er­de ge­wor­den. Es muß­te ein an­de­res Er­eig­nis ein­t­re­ten. Ge­ra­de durch die Re­gie­rung des kos­mi­schen Geis­tes Jah­ve wur­de nun aus die­ser Ge­samt­mas­se Er­de plus Mond das­je­ni­ge ab­ge­son­dert, her­aus­ge­holt, was Sie jetzt als Mond, als die­se aus­ge­brann­te Mond­schla­cke am Him­mel se­hen. Da wur­den nicht nur die gröbs­ten sub­stan­ti­el­len Be­stand­tei­le, son­dern auch die gröbs­ten We­sen­hei­ten aus­ge­son­dert. So war durch das Weg­ge­hen der Son­ne zu­erst be­wirkt wor­den, daß der Mensch nicht ei­ne zu ra­sche Ent­wi­cke­lung nimmt, und durch das Weg­ge­hen des Mon­des wur­de nun be­wirkt, daß der Mensch nicht ei­ne Ent­wi­cke­lung nach dem Ver­dor­ren, nach dem Ver­dich­ten, nach dem Mu­mi­fi­zie­ren hin nimmt.

So war die Er­de her­aus­ge­son­dert aus der gan­zen Mas­se, und jetzt wird der Gang der men­sch­li­chen Ent­wi­cke­lung un­ter dem Ein­flus­se die­ser zwei Him­mels­kör­per über die Er­de ge­lei­tet, das heißt na­tür­lich nicht un­ter dem Ein­fluß der Him­mels­kör­per, son­dern ih­rer We­sen­hei­ten, der sechs Son­nen­geis­ter und des Mon­den­geis­tes, der sich zum Heil der Men­schen ab­ge­son­dert hat­te. Und sie wird so ge­lei­tet, daß im we­sent­li­chen die­se bei­den Kräf­te sich die Waa­ge hal­ten. Durch das Her­au­s­t­re­ten bei­der, der Son­nen­kräf­te und der Mond­kräf­te, wur­de ge­ra­de das rich­ti­ge Tem­po der Mensch­heits­ent­wi­cke­lung er­zielt.

Den­ken Sie ein­mal um Ih­nen das durch et­was an­de­res na­he­zu­füh­ren , daß nur die Son­ne wirk­sam wä­re für den Men­schen. Sie wis­sen, die Men­schen ma­chen ih­re Ent­wi­cke­lung auf der Er­de in vie­len, vie­len In­kar­na­tio­nen durch. Sie ha­ben ein­mal mit der ers­ten Ver­kör­pe­rung auf der Er­de an­ge­fan­gen und be­kom­men im­mer wie­der neue Lei­ber, bis sie die letz­te Ver­kör­pe­rung durch­ma­chen wer­den. Ei­ne Rei­he von In­kar­na­tio­nen macht der Mensch durch. Da­durch ent­wi­ckelt er sich lang­sam und geht von Ver­kör­pe­rung zu Ver­kör­pe­rung auf­wärts. Als wah­re geis­ti­ge Ba­bies be­t­ra­ten die Men­schen un­se­re Erd­ober­fläche. Seit der Tren­nung von Son­ne und Mond von un­se­rer Er­de stie­gen sie her­auf bis zur

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heu­ti­gen Stu­fe. Al­le die­se See­len wer­den wie­der­kom­men in an­de­ren Lei­bern bis zum En­de der Er­den­ent­wi­cke­lung. Nun den­ken Sie sich, daß nur die Son­ne wirk­sam wä­re für den Men­schen. Dann wür­den die Men­schen al­les das, was sie in so vie­len In­kar­na­tio­nen durch­ma­chen, in ei­ner ein­zi­gen durchlau­fen müs­sen. Daß das rich­ti­ge Tem­po in die vie­len In­kar­na­tio­nen hin­ein­kommt, das wird be­wirkt durch das Sich-die-Waa­ge-Hal­ten der Kräf­te zwi­schen Son­ne und Mond von au­ßen.

In der Zeit, in wel­cher al­so Son­ne und Mond hin­aus­ge­t­re­ten sind, be­ginnt all­mäh­lich der heu­ti­ge Mensch. Da wird die ers­te An­la­ge zum heu­ti­gen Men­schen ge­schaf­fen. Das war in ei­ner Zeit, wo der Mensch kei­nes­wegs et­wa schon wie heu­te auf die­ser Er­de her­um­wan­del­te. Sie dür­fen durch­aus nicht glau­ben, daß, als der Mond drau­ßen war, der Mensch so wie heu­te in Fleisch­ge­stalt auf die­ser Er­de her­um­ge­wan­delt ist. Es kom­men zu­erst all die For­men, die früh­er schon da­ge­we­sen wa­ren, wie in ei­ner Wie­der­ho­lung wie­der. Und als die Er­de be­f­reit war von der Son­ne und dem Mond, da sah sie un­ge­fähr so aus wie der al­te Mond, war so­gar noch wei­cher. Und wenn ein Au­ge, das so or­ga­ni­siert ist wie das heu­ti­ge, hin­ge­se­hen hät­te auf die Er­de, es hät­te den Men­schen noch nicht se­hen kön­nen. Da­ge­gen wa­ren ge­wis­se an­de­re We­sen­hei­ten da, wel­che nicht reif ge­nug wa­ren, ab­zu­war­ten die spä­te­re Zeit. Sie muß­ten, wäh­rend die Ent­wi­cke­lungs­stu­fe noch un­voll­kom­men war, sich her­aus­ent­wi­ckeln, muß­ten kör­per­li­che Ge­stalt an­neh­men, so daß ge­wis­se For­men der nie­de­ren Tie­re da­zu­mal, ei­ni­ge Zeit nach dem Weg­gan­ge des Mon­des von der Er­de, schon in phy­si­scher Ver­dich­tung zu se­hen wa­ren. Der Mensch war noch nicht her­ab­ge­s­tie­gen, noch nicht ein­mal die höhe­ren Säu­ge­tie­re. Der Mensch war noch ein Geist­we­sen, er um­schweb­te noch als geis­ti­ges We­sen die Er­de. Aus der Um­ge­bung der Er­de hat er die feins­te Ma­te­rie an­ge­nom­men. Nach und nach ver­dich­te­te sich der Mensch so weit, daß er her­un­ter­s­tei­gen konn­te, da, wo die Er­de schon fest ge­wor­den war und ein­zel­ne In­seln ge­bil­det hat­te.

So se­hen wir, daß die ers­ten Men­schen ver­hält­nis­mä­ß­ig spät auf­t­re­ten und daß sie da­mals ganz an­de­re Be­schaf­fen­heit hat­ten als

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der heu­ti­ge Mensch. Ich kann Ih­nen nicht die Ge­stal­ten je­ner Men­schen schil­dern, die so­zu­sa­gen sich zu­erst her­aus­kri­s­tal­li­sier­ten aus dem Geis­ti­gen. Wenn Sie auch schon viel von schwer zu Glau­ben­dem über sich ha­ben er­ge­hen las­sen müs­sen, Sie wür­den doch zu stark scho­ckiert wer­den, wenn ich Ih­nen schil­dern wür­de die gro­tesk aus­schau­en­den Ge­stal­ten der Lei­ber, in de­nen Ih­re See­len in­kar­niert wa­ren. Sie wür­den solch ei­ne Schil­de­rung nicht er­tra­gen kön­nen. In ei­ner spä­te­ren Zeit je­doch, wenn die­se Din­ge, die heu­te durch die an­thro­po­so­phi­sche Geis­tes­strö­mung erst be­gin­nen zum Be­wußt­sein der Men­schen zu kom­men, im­mer mehr und mehr die­ses Be­wußt­sein der Men­schen er­obern, dann wird ein­mal das be­kannt ge­ge­ben wer­den müs­sen, und es wird ei­nen un­ge­heu­ren Er­folg ha­ben, ei­ne un­ge­heu­re Be­deu­tung für das gan­ze Le­ben der Men­schen. Denn nur da­durch, daß der Mensch ken­nen­ler­nen wird, wie er sich auch leib­lich ent­wi­ckelt hat, wie die­je­ni­gen Or­ga­ne, die jetzt vor­han­den sind, all­mäh­lich aus ganz an­de­ren For­men sich her­aus­ge­bil­det ha­ben, wird er je­ne merk­wür­di­ge Ver­wandt­schaft zwi­schen Or­ga­nen im men­sch­li­chen Lei­be füh­len, die heu­te schein­bar weit au­s­ein­an­der­lie­gen. Da wird er die Kor­res­pon­denz ein­se­hen, die zwi­schen ge­wis­sen Or­ga­nen be­steht, zum Bei­spiel zwi­schen dem Blind­darm und der Luf­tröh­re, die in ih­rer frühe­ren Form bei je­nen merk­wür­di­gen Ge­stal­ten zu­sam­men­ge­wach­sen wa­ren. Das al­les, was heu­te der Mensch ist, das ist das au­s­ein­an­der-ge­roll­te Frühe­re, das in der man­nig­fal­tigs­ten Wei­se au­s­ein­an­der­ge­nom­men ist. Or­ga­ne, die heu­te au­s­ein­an­der­lie­gen, wa­ren früh­er zu­sam­men­ge­wach­sen, sie ha­ben aber ih­re Ver­wandt­schaft wohl be­wahrt. In Krank­hei­ten zeigt sich oft die­se Ver­wandt­schaft, da zeigt sich, wie die Er­kran­kung ei­nes Or­ga­nes not­wen­di­ger­wei­se die ei­nes an­de­ren nach sich zie­hen muß. Da wer­den die­je­ni­gen, die wir­k­lich Me­di­zin stu­die­ren wer­den, man­cher­lei Ent­de­ckun­gen zu ma­chen ha­ben, von de­nen sich die heu­ti­ge Me­di­zin, die nur ei­ne No­ti­zen­samm­lung ist, nichts träu­men läßt. Da wird die­se Me­di­zin erst wir­k­lich et­was ler­nen über die wah­re men­sch­li­che Na­tur. Das al­les nur, um hin­zu­wei­sen, wie ganz an­ders die frühe­re Men­schen­ge­stalt war.

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Erst nach und nach ha­ben sich ein­ge­g­lie­dert in die­se men­sch­li­che Ge­stalt die fes­ten Tei­le. Ur­sprüng­lich wa­ren im Men­schen­lei­be, auch als er sich schon her­un­ter­ge­senkt hat­te, noch kei­ne Kno­chen. Die Kno­chen ent­wi­ckel­ten sich aus wei­chen, knor­pel­ar­ti­gen Din­gen, die wie Strän­ge den men­sch­li­chen Leib durch­setz­ten, und die­se wie­der­um wa­ren aus ganz wei­chen Sub­stan­zen ent­stan­den, und die­se wei­chen Sub­stan­zen aus flüs­si­gen, die­se aus luft­för­mi­gen, die luft­för­mi­gen aus äthe­ri­schen und die äthe­ri­schen aus as­tra­li­schen, die sich aus geis­ti­ger Sub­stan­tia­li­tät ver­dich­tet hat­ten. Al­les Ma­te­ri­el­le ist zum Schluß aus dem Geis­ti­gen her­aus ent­spran­gen. Im Geis­te ist al­les vor­ge­bil­det. Erst in der Zeit, die wir schon an­ge­deu­tet ha­ben als den at­lan­ti­schen Zei­traum, ist der Mensch nach und nach da­zu ge­kom­men, sein Kno­chen­sys­tem, das schon früh­er ver­an­lagt war, her­aus­zu­bil­den.

Nun müs­sen wir uns die­sen le­mu­ri­schen Men­schen ge­nau­er an­schau­en, da­mit wir den Sch­rei­ber der Apo­ka­lyp­se bes­ser ver­ste­hen ler­nen. Nur hin­zu­deu­ten brau­che ich, daß in der ers­ten Zeit, wo der Mond weg war von der Er­de und der Mensch sich her­un­ter­senk­te, daß da der Mensch in be­zug auf sei­ne Wil­lens­kraft ganz an­de­rer Na­tur war als spä­ter. Die 'Wil­lens­kraft des Men­schen wirk­te da­zu­mal ma­gisch. Der Mensch konn­te durch sei­nen Wil­len auf das Wachs­tum der Blu­men wir­ken. Wenn der Mensch sei­nen Wil­len an­st­reng­te, konn­te er ei­ne Blu­me rasch in die Höhe schie­ßen las­sen, ei­ne Fähig­keit, die heu­te nur durch ei­ne abnor­me Ent­wi­cke­lung­s­pro­ze­dur zu er­rei­chen ist. Da­her war da­mals die gan­ze na­tür­li­che Um­ge­bung ab­hän­gig da­von, wie der Wil­le des Men­schen be­schaf­fen war. War er gut, so wirk­te er be­sänf­ti­gend auf das Wo­gen der Was­ser­mas­sen, auf den Sturm und auf die da­mals in wei­tem Um­kreis herr­schen­den feu­ri­gen Ge­bil­de, denn es war die Er­de da­mals zum gro­ßen Teil vul­ka­ni­scher Na­tur. Der Mensch wirk­te be­sänf­ti­gend auf das al­les durch ei­nen gu­ten, und zer­stö­rend durch ei­nen bö­sen Wil­len. Gan­ze In­seln konn­ten zer­schla­gen wer­den durch den bö­sen Wil­len. So war durch­aus des Men­schen Wil­le im Ein­klang mit sei­ner Um­ge­bung. Im we­sent­li­chen gin­gen die Län­der­mas­sen, in de­nen der Mensch da­mals ge­wohnt hat, durch

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den bö­sen Wil­len der Men­schen zu­grun­de, und nur ein klei­ner Teil der da­ma­li­gen Men­schen hier müs­sen wir wie­der zwi­schen Ras­sen- und See­len­ent­wi­cke­lung un­ter­schei­den ret­te­te sich hin­über in den Zei­traum, den wir rich­tig be­sch­rei­ben kön­nen, weil wir da aus un­se­rer Spra­che her­aus Wor­te fin­den, die die hell­se­he­ri­sche Wahr­neh­mung wie­der­ge­ben kön­nen.

Wir kom­men nach die­ser Ka­tastro­phe in die al­te at­lan­ti­sche Zeit, in je­ne Zeit, in wel­cher sich das Men­schen­ge­sch­lecht im we­sent­li­chen auf ei­nem Kon­ti­nent ent­wi­ckel­te, der heu­te den Bo­den des At­lan­ti­schen Oze­ans bil­det, zwi­schen dem heu­ti­gen Eu­ro­pa und Ame­ri­ka. Un­ter ganz an­de­ren phy­si­ka­li­schen, un­ter ganz an­de­ren Ver­hält­nis­sen über­haupt leb­te da­mals der Mensch. An­fangs war er durch­aus ein Ge­bil­de, das ganz an­ders wahr­nahm als der heu­ti­ge Mensch. Wir ha­ben schon dar­auf hin­ge­deu­tet im ers­ten Vor­trag und spä­ter wie­der­um. Heu­te wol­len wir noch­mals et­was ge­nau­er hin­wei­sen auf die­se ganz an­de­re Art der An­schau­ung des da­ma­li­gen Men­schen.

Der Mensch hat­te noch ei­ne Art al­ten Hell­se­hens aus dem Grun­de, weil das Ge­fü­ge sei­ner Lei­bes­g­lie­der an­ders war als heu­te. Es war noch nicht in so en­ger Wei­se der Äther- mit dem phy­si­schen Lei­be ver­bun­den. Der Äther­leib des Kop­fes war weit her­au­ßen aus dem phy­si­schen Lei­be. Erst ge­gen das letz­te Drit­tel der at­lan­ti­schen Zeit ging der her­aus­hän­gen­de Äther­leib zu­rück und be­kam die Form des heu­ti­gen phy­si­schen Men­schen­kop­fes. Da­durch, daß die­ser al­te At­lan­tier so ganz an­ders ge­stal­tet war als der heu­ti­ge Mensch und an­ders im Ge­fü­ge sei­ner Glie­der war, war auch das gan­ze Be­wußt­s­eins­le­ben, das gan­ze See­len­le­ben die­ses al­ten At­lan­tiers ein an­de­res. Und hier müs­sen wir noch, wenn wir rich­tig ver­ste­hen wol­len den Apo­ka­lyp­ti­ker, ein sehr wich­ti­ges, aber auch sehr ge­heim­nis­vol­les Ka­pi­tel be­rüh­ren.

Wenn Sie in die­se al­te At­lan­tis kom­men wür­den, wür­den Sie fin­den, daß sie nicht von solch rei­ner Luft um­ge­ben war wie die heu­ti­ge Er­de, son­dern von ei­ner Luft, die durch­schwän­gert war mit Ne­bel-, mit Was­ser­mas­sen. Die­se Luft wird durch­sich­ti­ger, kla­rer, je wei­ter sich die At­lan­tis ent­wi­ckelt. Aber die Ne­bel sind am

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stärks­ten dort, wo sich die er­wähn­te höher­ent­wi­ckel­te at­lan­ti­sche Kul­tur ent­fal­tet hat. Da wa­ren die ärgs­ten Ne­bel Vor­han­den, und aus die­sen Ne­beln her­aus ent­wi­ckel­te sich die Grund­la­ge für die spä­te­ren Kul­tu­ren. Die At­lan­tis war weit und breit mit sol­chen Ne­beln durch­zo­gen. Ei­ne sol­che Ver­tei­lung von Re­gen und Son­nen­schein wie heu­te hat es nicht ge­ge­ben. Da­her konn­te in der al­ten At­lan­tis das nicht ent­ste­hen, was Sie als den Re­gen­bo­gen ken­nen. Sie kön­nen die gan­ze At­lan­tis ab­su­chen, Sie fin­den ihn kaum. Erst als die Ver­dich­tung der Was­ser zur Über­flu­tung ge­führt hat­te, als die Sint­flut hin­ge­gan­gen war über die Er­de, da erst konn­te der Re­gen­bo­gen phy­si­ka­lisch ent­ste­hen. Und hier ha­ben Sie ei­nen Mo­ment, wo Ih­nen aus der Geis­tes­wis­sen­schaft her­aus die höchs­te Ehr­furcht kom­men wird vor den re­li­giö­sen Ur­kun­den. Denn wenn Ih­nen er­zählt wird, daß nach der Flut Noah, der Re­prä­sen­tant von de­nen, die das Men­schen­ge­sch­lecht hin­über­ge­ret­tet ha­ben, den Re­gen­bo­gen zu­erst auf­ge­rich­tet sieht, so ist das wir­k­lich ein his­to­ri­sches Er­eig­nis. Nach der Flut sieht die Mensch­heit den ers­ten Re­gen­bo­gen. Früh­er war er phy­si­ka­lisch nicht mög­lich.

Da se­hen Sie, wie tief, wie buch­stäb­lich wahr die re­li­giö­sen Ur­kun­den sind. Heu­te quält es man­chen, wenn man sagt, die re­li­giö­sen Ur­kun­den sei­en buch­stäb­lich wahr. Man­che zi­tie­ren ein Sprich­wort, das wahr ist, aber von den Be­qu­em­lin­gen nicht als wah­res Wort, son­dern aus Be­qu­em­lich­keit zi­tiert wird. Es ist das Wort: Der Buch­sta­be tö­tet, der Geist aber macht le­ben­dig. Dar­aus lei­ten sie die Be­rech­ti­gung ab, über­haupt gar nicht mehr auf das hin­zu­schau­en, was in den Ur­kun­den da­steht, gar nicht mehr den Wil­len ha­ben zu müs­sen, zu er­ken­nen, was da wir­k­lich steht, denn das ist der tö­t­en­de Buch­sta­be, sa­gen sie. Und so las­sen sie ih­ren Geist glän­zen, der al­les mög­li­che zu­sam­men­phan­ta­siert. Sie kön­nen ja sehr gei­st­reich sein, die­se Men­schen in ih­ren Er­klär­un­gen, aber dar­auf kommt es nicht an, son­dern dar­auf, daß wir wir­k­lich das se­hen in den Ur­kun­den, was in ih­nen drin­nen­steht. «Der Buch­sta­be tö­tet, der Geist aber macht le­ben­dig», die­ses Wort hat die­sel­be Be­deu­tung in der mys­ti­schen Spra­che wie das Goe­the­sche Wort:

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Und so lang du das nicht hast,

Die­ses: Stirb und wer­de!

Bist du nur ein tr­üb­er Gast

Auf der dun­k­len Er­de.

Die­ses Wort heißt nicht: Wenn du je­mand zur höhe­ren Er­kennt­nis füh­ren willst, mußt du ihn er­schla­gen , son­dern das heißt: Der Mensch muß ge­ra­de durch die Kul­tur der phy­si­schen Welt sich er­he­ben zu der Geis­tig­keit. So ist auch der Buch­sta­be der Leib des Geis­tes, und erst muß man ihn ha­ben und ver­ste­hen, dann mag man sa­gen, man kön­ne aus ihm her­aus den Geist fin­den. Der Buch­sta­be, der be­grif­fe­ne Buch­sta­be soll dann abs­ter­ben, auf daß der Geist aus ihm au­f­er­ste­he. Nicht ei­ne An­wei­sung ist je­nes Wort, be­lie­big zu phan­ta­sie­ren ge­gen­über dem, was in den re­li­giö­sen Ur­kun­den steht. Ge­ra­de wenn wir die wah­re Be­deu­tung die­ses Re­gen­bo­gens zum Bei­spiel, wie wir sie dar­ge­s­tellt ha­ben, er­ken­nen, dann zieht et­was ein in un­se­re See­le wie tie­fe Ehr­furcht vor den re­li­giö­sen Ur­kun­den, und wir be­kom­men ei­nen Be­griff, wie durch je­ne Ver­tie­fung der Auf­fas­sung durch die an­thro­po­so­phi­sche Wel­t­an­schau­ung der Mensch erst zur wah­ren, ech­ten Emp­fin­dung und zum wah­ren Wil­lens­ver­ständ­nis der re­li­giö­sen Ur­kun­den vor­sch­rei­tet.

Nun wol­len wir zu­rück­schau­en in die al­te At­lan­tis. Wir ha­ben schon ge­sagt, daß der Mensch da in ei­nem an­de­ren Be­wußt­s­eins­zu­stand leb­te, daß sein Ge­dächt­nis an­ders war als heu­te. Aber der Un­ter­schied ist noch viel be­trächt­li­cher. Wenn wir weit zu­rück­ge­hen, nicht bloß bis in die End­zeit der At­lan­tis, son­dern in die An­fangs­zeit, dann fin­den wir das men­sch­li­che Be­wußt­sein sehr ver­schie­den von dem, was wir heu­te ha­ben.

Füh­ren wir uns noch ein­mal vor die See­le, was heu­te da ist. Wäh­rend des Ta­ges be­di­ent sich der Mensch der Sin­ne. Abends schläft er ein. Im Bet­te lie­gen der phy­si­sche Leib und der äthe­ri­sche Leib, der as­tra­li­sche Leib und das Ich tre­ten her­aus. Die Be­wußt­s­eins­sphä­re ver­dun­kelt sich. Der Mensch von heu­te sieht .nichts, hört nichts. Mor­gens, wenn der as­tra­li­sche Leib mit dem Ich un­ter­taucht in den phy­si­schen und Äther­leib, dann tre­ten die phy­si­schen Din­ge

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wie­der­um her­vor. Wie war es in der ers­ten at­lan­ti­schen Zeit? Neh­men wir je­nen Zeit­punkt, wo mor­gens der Mensch hin­un­ter­tauch­te in den phy­si­schen und Äther­leib. Da hat­te er da­mals nicht ei­ne sol­che phy­si­sche Welt um sich wie heu­te. All die Ge­gen­stän­de von heu­te, die Sie mit kla­ren Gren­zen se­hen, die wür­den Sie wie mit ei­ner Au­ra, mit Far­ben­säu­men um­ge­ben, ganz ver­schwom­men ge­se­hen ha­ben, so, wie Sie auch bei ei­nem star­ken Ne­bel abends die Lich­ter auf den Stra­ßen nicht klar se­hen, da­für aber sol­che Far­ben­säu­me um die Lich­ter der La­ter­ne her­um. So war es in der al­ten At­lan­tis. Al­le Ge­gen­stän­de sah man nur ver­schwom­men, nichts mit den Gren­zen und Ober­flächen von heu­te, al­les wie in Ne­bel­far­ben ein­ge­hüllt. Erst nach und nach hat sich das her­aus­ge­bil­det, was fes­te Gren­ze ist. Wenn wir ei­ne Ro­se vor uns ge­habt hät­ten, so hät­ten wir in den ers­ten Zei­ten der al­ten At­lan­tis ge­se­hen, wie da ein Ne­bel­ge­bil­de auf­geht, wie in der Mit­te ein rosa­ro­ter Kreis ist, und nach und nach erst hät­ten sich die äu­ße­ren Far­ben gleich­sam hin­über­ge­legt über die Ober­fläche. Die Ge­gen­stän­de ha­ben erst spä­ter kla­re Um­ris­se be­kom­men.

Al­so Sie se­hen, ganz an­ders ist jetzt die phy­si­sche Um­welt als in der al­ten At­lan­tis. Da­für war es auch an­ders, wenn Sie des Abends her­aus­ge­s­tie­gen sind aus Ih­rem phy­si­schen Leib und, sa­gen wir, ein­ge­schla­fen sind. Ei­gent­lich war es ja kein Ein­schla­fen im heu­ti­gen Sin­ne. Al­ler­dings, die gan­ze Welt der ne­bel­haf­ten phy­si­schen Ge­bil­de blieb un­ter Ih­nen, aber auf ging ei­ne geis­ti­ge Welt. Oh­ne fes­te Gren­zen leb­ten Sie sich in ei­ne geis­ti­ge Welt hin­ein. Die geis­ti­gen We­sen­hei­ten wa­ren Ih­re Mit­be­woh­ner. So wech­sel­ten Tag und Nacht in der ers­ten at­lan­ti­schen Zeit mit­ein­an­der ab. Wenn der Mensch un­ter­tauch­te in sei­nen phy­si­schen Leib, hat­te er nur un­deut­li­che, ver­schwom­me­ne Bil­der des Phy­si­schen, aber wenn er des Nachts den phy­si­schen Leib ver­ließ, hat­te er die Mög­lich­keit, wenn auch et­was ver­schwom­men, geis­tig un­ter Geis­tern zu le­ben, un­ter Geis­tern zu wan­deln. Und vor al­len Din­gen war das gan­ze Emp­fin­dungs­le­ben des Men­schen auch ein an­de­res in der al­ten at­lan­ti­schen Zeit. Wenn Sie, sa­gen wir, her­aus­ge­gan­gen sind aus dem In­nern Ih­res phy­si­schen und Äther­lei­bes, da hät­ten Sie nicht

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Er­mü­dung ge­fühlt, kein Be­dürf­nis nach Ru­he ge­habt. Sie hät­ten auch die Ru­he nicht ge­fun­den; Sie muß­ten ein­t­re­ten in die geis­ti­ge Welt, da war die Sphä­re des Wir­kens. Wenn es da­ge­gen Mor­gen wur­de, fühl­ten Sie Ru­he­be­dürf­nis, und da such­ten Sie so­zu­sa­gen Ihr Bett auf, das Ihr ei­ge­ner Leib war. Da blie­ben Sie ru­hig lie­gen. Sie ver­kro­chen sich in Ih­ren ei­ge­nen Leib und ruh­ten ge­ra­de bei Ta­ge.

In der ers­ten Zeit der At­lan­tis war es al­so durch­aus an­ders als jetzt. Die at­lan­ti­sche Zeit ver­läuft so, daß der Mensch sich all­mäh­lich her­über­gebt aus den ganz ent­ge­gen­ge­setz­ten Zu­stän­den in die spä­te­ren. Er lebt sich in dem Ma­ße her­über, als sein Äther­leib mehr und mehr hin­ein­ge­trie­ben wird in den phy­si­schen Leib. Im letz­ten Drit­tel der at­lan­ti­schen Zeit wur­de der Äther­leib hin­ein­ge­trie­ben in den phy­si­schen Leib. Vor die­sem Er­eig­nis fühl­te sich der Mensch oben in der geis­ti­gen Welt als Wa­chen­der. Aber als sol­cher sag­te er nicht zu sich Ich, hat­te er nicht das Selbst­be­wußt­sein. Wenn er her­aus­ging aus dem phy­si­schen und Äther­leib, um in die Hel­lig­keit der Nacht sich hin­ein­zu­be­ge­ben, da fühl­te er sich so recht als Glied der Geis­tig­keit, die da oben war, fühl­te sich so­zu­sa­gen hin­ein-ge­bor­gen in sei­ne al­te Grup­pen­see­le. Je­des­mal wur­de es um ihn hell in der Nacht, aber er fühl­te sich un­selb­stän­dig. Wie un­se­re Fin­ger zu un­se­rem Ich, so fühl­ten sich die Men­schen hin­zu­ge­hö­rig zu den Grup­pen­see­len, die hell­se­he­risch so ge­se­hen wer­den, wie sie in den vier Köp­fen des Löw­en, Och­sen, Ad­lers und Men­schen in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes ge­schil­dert sind. In ir­gend­ei­ne sol­che Grup­pen­see­le hin­ein­ver­setzt fühl­te sich der Mensch. Und erst wenn er in sei­nem Lei­bes­schne­cken­haus war, fühl­te er, daß er et­was Ei­ge­nes hat­te. Denn daß der Mensch ein selb­stän­di­ges We­sen wur­de, das kam da­von, daß er sich ein­sch­lie­ßen konn­te in sei­nen Leib. Er muß­te al­ler­dings die­ses Ein­sch­lie­ßen in sei­nen Leib da­mit be­zah­len, daß sich nach und nach die geis­ti­ge Welt für ihn ver­fins­ter­te, daß sie sich ganz und gar von ihm zu­rück­zog. Da­für aber wur­de im­mer hel­ler und kla­rer die Welt, die er un­ten sah, wenn er im phy­si­schen Lei­be war. Da­mit däm­mer­te im­mer mehr und mehr in ihm auf, daß er ein Ich sei, daß er in sich selbst ein Selbst­be­wußt­sein tra­ge. Er lern­te zu sich Ich sa­gen.

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Wenn wir cha­rak­te­ri­sie­ren wol­len, was da­mals ge­schah, so den­ken wir uns den Men­schen, wie er gleich­sam hin­aus­kriecht aus sei­nem Lei­bes­schne­cken­haus, in die geis­ti­ge Welt hin­ein. Er ist da un­ter geis­tig-gött­li­chen We­sen­hei­ten. Da tönt ihm sein Na­me, das was er ist, von au­ßen ent­ge­gen. Der ei­nen Grup­pe tönt ent­ge­gen das Wort, das in der Ur­spra­che das Wort war für die­se Grup­pe, der an­de­ren das Wort für die an­de­re Grup­pe. Der Mensch konn­te sich nicht von in­nen her­aus be­nen­nen, er muß­te von au­ßen sei­nen Na­men ent­ge­gen­ge­tönt er­hal­ten. Wenn er so her­aus­kroch aus sei­nem Lei­bes­schne­cken­haus, wuß­te er, was er war, weil es ihm in die See­le hin­ein­ge­ru­fen wur­de. Jetzt, da er lern­te, in sei­nem Lei­be wahr­zu­neh­men die phy­si­sche Um­ge­bung, da lern­te er sich als Ich emp­fin­den, da lern­te er die gött­li­che Kraft, die ihm früh­er von au­ßen ein­ge­tönt war, in sich selbst füh­len. Er lern­te den Gott in sich sel­ber füh­len. Der ihm der nächs­te war, die­ser Gott, der zu glei­cher Zeit sein Ich an­deu­te­te, den nann­te er Jah­ve, der war der Ich-Lei­ter. Die Kraft die­ses Got­tes fühl­te der Mensch zu­nächst in sei­nem Ich auf­ge­hen.

Da­mit wa­ren äu­ße­re Er­eig­nis­se ver­bun­den. Wenn der al­te At­lan­tier so un­ter­tauch­te in sei­nen phy­si­schen Leib, dann sah er wohl auch hin­aus in den Him­mels­raum, und da sah er, wie ge­sagt, ei­nen wir­k­li­chen Re­gen­bo­gen nicht, aber so et­was wie ein Kreis aus Far­be ge­bil­det war da, wo spä­ter die Son­ne auf­tauch­te. Die Son­ne drang noch nicht durch mit ih­rer Kraft, aber sie wirk­te durch den Ne­bel hin­durch. Ge­hin­dert, auf­ge­hal­ten durch den Ne­bel wirk­te sie mit ih­rer Kraft auf die Er­de. Im­mer mehr und mehr kam sie her­aus, so daß al­les, was ge­schil­dert wor­den ist, die­ser Auf­gang des äu­ße­ren Be­wußt­seins, ver­knüpft war mit dem Her­aus­kom­men der Son­ne aus dem Ne­bel. Was da oben war, wo ih­ren Wohn­sitz hat­ten die sechs an­de­ren Geis­ter, die mit Jah­ve zu­sam­men die Er­den­ent­wi­cke­lung zu len­ken hat­ten, das drang all­mäh­lich her­aus, das schi­en her­un­ter in sei­nen Ta­ten auf die Er­de.

Was war mit dem Men­schen vor­ge­gan­gen? Der Mensch war früh­er, sei­ner ei­gent­li­chen See­le, sei­nem Geis­te nach, wenn er aus dem Lei­be her­aus­ge­s­tie­gen war, wenn es so­zu­sa­gen Nacht war, in

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in­ne­re, as­tra­li­sche Hel­lig­keit ge­t­re­ten, zu der die äu­ße­re Son­ne nicht not­wen­dig ist. Die­se Hel­lig­keit war um ihn her­um. Es war das­sel­be Licht von mäch­ti­gen geis­ti­gen We­sen­hei­ten, das spä­ter phy­sisch her­un­ter­schi­en von der Son­ne. Als er im­mer mehr sich in sein phy­si­sches Be­wußt­sein ein­sch­loß, da wur­de das Tor des in­ne­ren Schau­ens zu­ge­sch­los­sen. Fins­ter­nis um­gab ihn, wenn er des Nachts sei­nen phy­si­schen und sei­nen Äther­leib ver­ließ und in die geis­ti­ge Welt ein­t­rat. In dem­sel­ben Ma­ße, in dem er sich ein­sch­loß, stieg das äu­ße­re Licht auf, das die Ta­ten der geis­ti­gen We­sen­hei­ten der Son­ne dar­s­tellt. Das Licht der geis­ti­gen We­sen­hei­ten schi­en äu­ßer­lich her­un­ter auf die Er­de. Der Mensch be­rei­te­te sich vor, das äu­ße­re Licht als et­was Ma­te­ri­el­les an­zu­se­hen. In sein jet­zi­ges ver­fins­ter­tes In­ne­re schi­en das Licht, das Licht aber wur­de von sei­nen Fins­ter­nis­sen zu­nächst nicht be­grif­fen.

Das ist ein welt­ge­schicht­li­cher, kos­mi­scher Vor­gang. Der Mensch hat sich in der da­ma­li­gen Zeit durch die geis­ti­ge Ver­fins­te­rung sein Selbst­be­wußt­sein er­kauft. So ist der Mensch her­aus­ge­wach­sen aus der Grup­pen­see­len-Hel­lig­keit. Aber es war nur das al­le­r­ers­te Auf­däm­mern der In­di­vi­dua­li­tät. Lan­ge, lan­ge dau­er­te es noch, bis wahr­haft die In­di­vi­dua­li­tät über den Men­schen kam. Es ver­ging die letz­te at­lan­ti­sche Zeit; die Flut brach he­r­ein. Die nachat­lan­ti­sche Zeit be­gann, die uralt in­di­sche Kul­tur ver­ging. Das Selbst­be­wußt­sein war da noch nicht ge­die­hen. Dann kam die per­si­sche, die ägyp­tisch-ba­by­lo­ni­sche Zeit. Im­mer mehr reif­te der Mensch da­zu heran, das Selbst­be­wußt­sein in sich zu ent­wi­ckeln. End­lich kam der vier­te Zei­traum. Da voll­zog sich et­was von un­ge­heu­rer Wich­tig­keit, zu dem das vor­her Ge­sche­he­ne die Vor­be­rei­tung war.

Den­ken Sie sich ein­mal hin­weg­ge­ho­ben von der Er­de an ei­nen fer­nen Stern und mit hell­se­he­ri­schem Au­ge be­gabt her­un­ter­schau­end auf die Er­de von je­nem fer­nen Ster­ne aus. Da wür­den Sie se­hen, daß die­se Er­de als phy­si­scher Leib eben nur phy­si­scher Leib ist und daß zu ihr ge­hö­ren Äther­leib und as­tra­li­scher Leib wie zum Men­schen. Das al­les hat auch die Er­de. Sie wür­den die Er­de von ih­rer Au­ra um­ge­ben se­hen, und Sie wür­den durch Jahr­tau­sen­de von je­nem Stern aus ver­fol­gen kön­nen die Ent­wi­cke­lung der ir­di­schen

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Au­ra. Sie wür­den die­se Er­de ein­ge­sch­los­sen se­hen von al­ler­lei Far­ben: in der Mit­te den phy­si­schen Kern, und dar­um her­um flu­tend die Au­ra in ver­schie­de­nen For­men und Far­ben, die ver­schie­dens­ten Ge­bil­de da­r­in­nen in die­ser geis­ti­gen At­mo­sphä­re der Er­de. Sie wür­den die­se Far­ben und For­men im Lau­fe der Jahr­tau­sen­de sich man­nig­fal­tig ve­r­än­dern se­hen, aber es wür­de ein Zeit­punkt ein­t­re­ten, ein Zeit­punkt von gro­ßer Wich­tig­keit: da nimmt die gan­ze Au­ra ei­ne an­de­re Form und Far­be an. Die Er­de er­scheint in ei­nem neu­en Lich­te, zu­nächst von au­ßen ge­se­hen. Und das ge­schieht mit un­ge­heu­rer Sch­nel­lig­keit, so daß man sich sa­gen muß: Von die­sem Au­gen­blick an ist ei­ne Grund­ver­wand­lung mit der Er­de vor sich ge­gan­gen, die Er­denau­ra hat sich völ­lig ver­wan­delt. Wel­cher Zeit­punkt ist das? Das ist der Zeit­punkt, wo auf Gol­ga­tha das Blut aus den Wun­den des Er­lö­sers floß. Die­ser Au­gen­blick ist ein höchst wich­ti­ger, der wich­tigs­te Au­gen­blick der gan­zen Er­den­ent­wi­cke­lung. Der Au­gen­blick, wo das Blut aus den Wun­den des Er­lö­sers fließt, ist der­sel­be, wo die Au­ra der Er­de sich neu­ge­stal­tet. Es tritt ei­ne ganz neue Kraft ein, je­ne Kraft, die der wich­tigs­te Im­puls für die Er­den­ent­wi­cke­lung ist, zu der al­les, was wir bis­her ge­se­hen ha­ben, nur Vor­be­rei­tung war.

Für den Che­mi­ker ist das Blut auf Gol­ga­tha das­sel­be wie an­de­res Blut auch. Aber die­ses Blut ist ein ganz an­de­res. Es be­deu­tet, daß die Ma­te­rie des Blu­tes hin­un­ter­f­ließt auf den Erd­bo­den und daß der Geist, der dem Blu­te ent­spricht, die Er­denau­ra er­füllt mit neu­en Im­pul­sen und neu­en Kräf­ten, die ih­re Be­deu­tung ha­ben für die zu­künf­ti­ge Mensch­heits­ent­wi­cke­lung. Von da strah­len die Kräf­te aus, wel­che die Er­de um­än­dern, von da strah­len sie durch den Men­schen. Nur ein klei­ner Teil des­sen, was ein­ge­f­los­sen ist in je­nem Mo­men­te, hat sich bis heu­te er­füllt. Im­mer mehr und mehr wer­den die Men­schen ler­nen, zu ver­ste­hen, was die Er­de durch je­nen Mo­ment von Gol­ga­tha ge­wor­den ist, was der Mensch wer­den kann in dem Be­wußt­sein, das er sich auf die ge­schil­der­te Art er­run­gen hat seit der At­lan­tis.

Was hat sich denn der Mensch er­run­gen seit der At­lan­tis? Zwei­er­lei: das Ich-Be­wußt­sein und die Fähig­keit, au­ßen in der

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äu­ße­ren Welt zu se­hen. Zu­ge­sch­los­sen hat sich vor ihm, was früh­er of­fen für ihn war, die geis­ti­ge Welt. Wahr­haf­tig, die­se frühe­ren Men­schen, sie ha­ben ge­se­hen, was die spä­te­ren My­then er­zäh­len: Wo­tan Mer­kur, Ju­pi­ter Zeus, all die Ge­stal­ten ha­ben sie des Nachts ge­se­hen. Sie wa­ren in der Nacht mit­ten un­ter ih­nen. Das Tor zu die­sen geis­ti­gen We­sen­hei­ten hat sich zu­ge­sch­los­sen. Da­für hat der Mensch sich er­obert die heu­ti­ge Welt um ihn her­um. Die Geis­ter sind vor ihm zu­rück­ge­t­re­ten. Al­les, was er da­mals hat se­hen kön­nen, ist zu­rück­ge­t­re­ten. Früh­er hat er das Gött­li­che ge­se­hen, wenn er hin­aus­ge­schlüpft ist aus dem Schne­cken­haus sei­nes phy­si­schen Lei­bes; jetzt muß­te er inn­er­halb des Lei­bes das Gött­li­che se­hen, wenn es vor ihm auf­t­re­ten soll­te. Das heißt nichts an­de­res, als daß wir das Gött­li­che in leib­lich-sicht­ba­rer Ge­stalt an­neh­men müs­sen, weil das Men­schen­be­wußt­sein so ge­wor­den war, daß es hin­ge­ord­net war auf das phy­si­sche Schau­en. Des­halb muß­te das Gött­li­che selbst leib­lich-phy­si­sche Ge­stalt an­neh­men. Dar­um er­schi­en das Gött­li­che ein­mal in der Zeit­ent­wi­cke­lung im flei­sch­li­chen Lei­be. Es muß­te so er­schei­nen, weil der Mensch bis zu die­ser Stu­fe des Wahr­neh­mens vor­ge­drun­gen war. Es muß­te so sei­ner Wahr­neh­mung ge­ge­ben wer­den, da­mit er es ver­ste­hen konn­te. Und es muß­ten all die Er­schei­nun­gen, die früh­er ein­ge­t­re­ten wa­ren für an­de­re Stu­fen der Ent­wi­cke­lung, sich zu­sam­men­sch­lie­ßen in je­nem größ­ten Er­eig­nis der Er­den­ent­wi­cke­lung, das uns Licht wer­fen wird auf al­le Zu­kunft, die wir nun­mehr aus der Apo­ka­lyp­se ent­hül­len wer­den: in je­nem Er­eig­nis, das sich phy­sisch so aus­nimmt, daß die Bluts­trop­fen nie­der­ström­ten zur Er­de; das, hell­se­he­risch wahr­ge­nom­men, aber als et­was auf­s­teigt, was die Au­ra der Er­de ve­r­än­dert. Die Kraft, die da ein­f­loß, wird zu­sam­men­wir­ken mit der Er­de in al­le Zu­kunft hin­ein. Da­mit war der Er­den­see­le, dem Geist der gan­zen Er­de, et­was Neu­es ein­ge­impft wor­den. Was das Chris­tus-Prin­zip ist, hat sich da­mals mit der Er­de ver­bun­den, und die Er­de ist der Leib die­ses Chris­tus-Prin­zips ge­wor­den, so daß wört­lich wahr ist: «Wer mein Brot is­set, der tritt mich mit Fü­ß­en.» Wenn der Mensch das Brot der Er­de ißt, so ißt er den Leib der Er­de, und das ist der Leib des Erd­geis­tes, der seit je­nem Er­eig­nis auf Gol­ga­tha als

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Chris­tus-Geist mit der Er­de ver­bun­den ist. Und der Mensch wan­delt auf die­sem Er­den­leib her­um, er tritt die­sen Leib mit Fü­ß­en. Al­les ist wört­lich zu ver­ste­hen, wenn wir uns erst die Mög­lich­keit ver­schaf­fen, den Wort­laut in der wir­k­li­chen Wei­se auf­zu­fas­sen.

Für ei­nen sol­chen Men­schen wie den Sch­rei­ber des Jo­han­nes-Evan­ge­li­ums wur­de al­les, was er wuß­te, was er im hell­se­he­ri­schen Schau­en er­fas­sen konn­te, zu ei­ner Auf­for­de­rung, das größ­te Er­eig­nis der Er­den­ent­wi­cke­lung zu ver­ste­hen. Was er ler­nen konn­te hell­se­he­risch, von dem sag­te er sich: Ich muß es ge­brau­chen, um die Ge­stalt des Chris­tus zu ver­ste­hen und ih­re Wir­kung. Al­le Ge­heim­wis­sen­schaft zur Er­klär­ung des Er­eig­nis­ses von Gol­ga­tha zu ver­wen­den, ist die Ten­denz des­sen ge­we­sen, der die Apo­ka­lyp­se ge­schrie­ben hat. Nichts an­de­res woll­te er in dem er­bli­cken, was er in der Ge­heim­wis­sen­schaft ler­nen konn­te, als ei­ne die­nen­de Weis­heit, um die­ses Er­eig­nis zu ver­ste­hen, das er in so großar­ti­ger Wei­se vor un­se­re See­le ge­s­tellt hat und von dem wir se­hen wer­den, was es für ihn ge­wor­den ist.

09 – SIEBENTER VORTRAG, Nürnberg, 24. Juni 1908

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Sie­ben­ter VOR­TRAG

Nürn­berg, 24. Ju­ni 1908

Es hat für den Men­schen der Ge­gen­wart im­mer et­was Be­denk­li­ches, wenn ei­ne pro­phe­ti­sche Vor­her­sa­gung zu­künf­ti­ger Er­eig­nis­se auf­tritt. Nun ha­ben wir ja ge­se­hen, daß wir schon bei den sie­ben Sie­geln hin­wei­sen muß­ten auf ge­wis­se Ent­wi­cke­lung­s­tat­sa­chen der Mensch­heit, die da ein­t­re­ten wer­den, daß wir al­so so­zu­sa­gen pro­phe­ti­sche Küns­te üben muß­ten. Wir wer­den, wenn wir die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes selbst im­mer mehr und mehr ent­hül­len, sol­che pro­phe­ti­sche Küns­te in aus­gie­bigs­tem Ma­ße an­zu­wen­den ha­ben. Nun fragt es sich: Aus wel­chen Grün­den her­aus darf man über­haupt über die­se Din­ge sp­re­chen? Wir ha­ben zum Teil, was da zu­grun­de liegt, gleich im An­fan­ge un­se­rer Vor­trä­ge er­wähnt. Wir ha­ben näm­lich ge­sagt, daß sich auf ge­wis­ser Ein­wei­hungs­stu­fe dem Ein­ge­weih­ten in der geis­ti­gen Welt das zeigt, was dann her­un­ter­s­teigt und phy­si­sches Er­eig­nis wird. Aber wir ha­ben mit den zwei Be­trach­tun­gen, die wir an­ge­s­tellt ha­ben, mit der letz­ten und vor­letz­ten, noch ei­ne an­de­re Grund­la­ge ge­schaf­fen für sol­che pro­phe­ti­sche Küns­te. Wir ha­ben näm­lich dar­ge­s­tellt, wie der Mensch sich aus geis­ti­gen Sphä­ren her­aus­ent­wi­ckelt hat zu sei­nem heu­ti­gen Da­sein. Und nun ist al­le Zu­kunft in ei­ner ge­wis­sen Be­zie­hung auch ei­ne Wie­der­ho­lung der Ver­gan­gen­heit. Nicht so, daß sich die Din­ge der Ver­gan­gen­heit in glei­cher Wei­se noch ein­mal ab­spie­len, aber in ei­nem ve­r­än­der­ten Sinn wie­der­ho­len sich ver­gan­ge­ne Er­eig­nis­se in zu­künf­ti­gen Zei­ten.

Wenn wir in den letz­ten Be­trach­tun­gen dar­auf hin­ge­wie­sen ha­ben, daß der Mensch in der al­ten at­lan­ti­schen Zeit ei­ne Art Hell­se­hen hat­te, daß er na­ment­lich wäh­rend sei­nes Nacht­zu­stan­des be­wußt hin­auf­s­tieg in geis­ti­ge Wel­ten, so müs­sen wir uns klar dar­über sein, daß die­ser Zu­stand ei­nes ge­wis­sen Hell­se­hens sich für die Mensch­heit wie­der­ho­len wird. Wir ha­ben zwi­schen die­ser at­lan­ti­schen Zeit und der­je­ni­gen, die nach dem Krie­ge al­ler ge­gen al­le

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lie­gen wird, un­se­ren Zei­traum, den wir ja be­schrie­ben ha­ben. In ei­ner ge­wis­sen Wei­se wird sich nach un­se­rem Zei­traum das­je­ni­ge, was vor­her war, was in der at­lan­ti­schen Zeit war, wie­der­ho­len, nur mit ei­nem ge­wal­tig gro­ßen Un­ter­schied. Da­mals in der al­ten at­lan­ti­schen Zeit hat­te der Mensch ein traum­haf­tes, däm­mer­haf­tes hell­se­he­ri­sches Be­wußt­sein, und wenn er hin­auf­s­tieg in höhe­re Wel­ten, ver­sank sein hel­les Selbst­be­wußt­sein; dann fühl­te er sich wie in der Grup­pen­see­le da­r­in­nen. Nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le wird der Mensch wie­der­um in ge­wis­ser Art hin­ein­se­hen in die höhe­re Welt. Das, was er da­zu­mal hat­te als däm­mer­haf­tes Hell­se­hen, wird er wie­der ha­ben nach dem gro­ßen Krie­ge, aber er wird zu die­sem Hell­se­hen hin­zu­ge­fügt ha­ben, was er sich jetzt in der äu­ße­ren phy­si­schen Welt nach und nach er­wor­ben hat.

Der Mensch hat zwi­schen der at­lan­ti­schen Flut und dem gro­ßen Krieg al­ler ge­gen al­le ei­ne Zeit­lang ver­zich­ten müs­sen auf das Hin­ein­schau­en in die geis­ti­gen Wel­ten. Er hat sich begnü­gen müs­sen da­mit, nur das­je­ni­ge zu se­hen, was im so­ge­nann­ten Tag-Wach­be­wußt­sein für ihn zu se­hen ist, was um ihn in der phy­si­schen Welt ist. Das ist jetzt der Nor­mal­zu­stand. Da­für aber ist dem Men­schen mög­lich ge­wor­den, in die­ser Zeit sein Selbst­be­wußt­sein, sein in­di­vi­du­el­les Ich voll zu ent­wi­ckeln, sich so­zu­sa­gen inn­er­halb sei­ner Haut als ei­ne ab­ge­sch­los­se­ne Ich-Per­sön­lich­keit zu füh­len. Das hat er sich er­obert. Nun be­hält er die­se In­di­vi­dua­li­tät, auch wenn er wie­der hin­auf­s­teigt in höhe­re geis­ti­ge Wel­ten, und die­ses Hin­auf­s­tei­gen wird ihm mög­lich sein nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le. Aber es wür­de ihm die­ses Hin­auf­s­tei­gen nicht mög­lich sein, wenn er nicht in der Mit­te un­se­res in der phy­si­schen Welt ablau­fen­den Zei­trau­mes teil­haf­tig ge­wor­den wä­re je­nes gro­ßen kos­mi­schen Er­eig­nis­ses, das wir ges­tern vor un­se­re See­le hin­ge­s­tellt ha­ben. Der Mensch hät­te in ei­ne Art Ab­grund hin­un­ter­sin­ken müs­sen, wenn er nicht be­wahrt wor­den wä­re vor die­sem Hin­un­ter­sin­ken durch das He­r­ein­t­re­ten des Chris­tus in un­se­re Welt. Wir müs­sen uns so vor­s­tel­len, daß der Mensch in die­sem un­se­rem Zei­traum ganz her­un­ter­ge­s­tie­gen ist in die phy­si­sche Welt hin­ein.

Den­ken Sie sich ein­mal in ei­nem Strich den phy­si­schen Plan und

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dar­über das, was man die geis­ti­ge, die himm­li­sche Welt nennt. Dar­un­ter ist das­je­ni­ge, was man nennt den Ab­grund. Ei­gent­lich er­reicht der Mensch die Li­nie, wel­che die geis­ti­ge Welt vom Ab­grund trennt, ge­nau in dem vier­ten Zei­traum, den wir be­schrie­ben ha­ben.


Wir ha­ben be­schrie­ben die alt­in­di­sche Zeit; da war der Mensch ver­hält­nis­mä­ß­ig noch in ei­ner geis­ti­gen Sphä­re. Vor­her war er oben in der geis­ti­gen Welt. In der At­lan­tis hat­te er noch ein däm­mer­haf­tes Hell­se­hen. Jetzt kommt er her­un­ter und er­reicht die Li­nie, als von Rom aus das Wel­ten­reich sich aus­b­rei­tet und in die­sem Wel­ten­reich der Mensch sich voll be­wußt wird als äu­ße­res sinn­li­ches We­sen, als Per­sön­lich­keit. Das war da­zu­mal, als der rö­mi­sche Rechts­be­griff in die Welt kam, als je­der ei­ne Ein­zel­per­sön­lich­keit, ein Ein­zel­bür­ger sein woll­te. Da hat­te der Mensch die­se Li­nie er­reicht. In die­sem Punkt war es mög­lich, ent­we­der um­zu­keh­ren oder aber hin­un­ter­zu­sin­ken.

Jetzt sind wir in der Tat und al­les, was ich sa­ge, ent­spricht durch­aus der Dar­stel­lung der Apo­ka­lyp­se an ei­nem Punk­te der Mensch­heits­ent­wi­cke­lung an­ge­langt, wo die Mensch­heit vor ei­ner Ent­schei­dung steht in ge­wis­ser Be­zie­hung. Wir ha­ben ja schon ge­zeigt, wie in un­se­rem Zei­traum un­ge­heu­re Geis­tes­kräf­te da­zu ver­wen­det wer­den, um für die nie­ders­ten Be­dürf­nis­se zu sor­gen. Wir ha­ben ge­zeigt, wie Te­le­phon, Te­le­graph, Ei­sen­bahn, Dampf­schiff und an­de­re Din­ge, die noch kom­men wer­den, un­ge­heu­re Geis­tes­kräf­te ab­sor­biert ha­ben und ab­sor­bie­ren wer­den, die nur zur blo­ßen Be­frie­di­gung der nie­de­ren men­sch­li­chen Be­dürf­nis­se ver­wen­det wer­den. Der Mensch hat aber nur ei­ne ge­wis­se Sum­me von Geis­tes­kräf­ten. Be­trach­ten Sie ein­mal fol­gen­des: Der Mensch hat ei­ne un­ge­heu­re Sum­me von Geis­tes­kräf­ten da­zu ver­wen­det, um Te­le­gra­phen zu er­fin­den und zu kon­stru­ie­ren, Ei­sen­bah­nen, Dampf-

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schif­fe, Luft­bal­lons und so wei­ter zu bau­en, um die äu­ße­re Kul­tur zu för­dern. Das muß­te so sein. Es wür­de der Mensch­heit sch­lecht er­gan­gen sein, wenn es nicht so ge­kom­men wä­re. Der Mensch hat die­se Geis­tes­kräf­te aber noch zu vi­e­lem an­de­ren be­nützt. Den­ken Sie nur, wie der Mensch nach und nach da­zu ge­kom­men ist, auch al­le ge­sell­schaft­li­chen Zu­sam­men­hän­ge in ein un­ge­heu­er fei­nes Ver­stan­des­netz ein­zu­spin­nen. Was ha­ben für Geis­tes­kräf­te da­zu ge­hört, es so weit zu brin­gen, daß man ei­nen Scheck aus­s­tel­len kann in Ame­ri­ka und wie­der ein­lö­sen kann in Ja­pan. Un­ge­heu­re Kräf­te des Geis­tes sind hin­ein­ge­f­los­sen in die­se Tä­tig­keit. Die­se Kräf­te muß­ten ein­mal so­zu­sa­gen hin­un­ter­s­tei­gen un­ter die Li­nie des phy­si­schen Plans, die das geis­ti­ge Reich vom Ab­grund trennt. Denn tat­säch­lich ist der Mensch in ge­wis­ser Wei­se schon hin­ein­ge­s­tie­gen in den Ab­grund, und wer vom geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Stand­punkt aus die Zeit stu­diert, kann an den pro­fans­ten Er­schei­nun­gen se­hen, wie das von Jahr­zehnt zu Jahr­zehnt wei­ter­geht, wie im­mer ein ge­wis­ser Punkt er­reicht wird, wo ge­ra­de noch die Per­sön­lich­keit sich selbst fan­gen kann. Über­läßt sie sich an die­sem Punk­te dem Hin­ab­sin­ken, dann ver­liert sich die Per­sön­lich­keit, dann wird die Per­sön­lich­keit nicht ge­ret­tet, um hin­auf­zu­s­tei­gen in die geis­ti­gen Wel­ten.

Selbst in den welt­lichs­ten Din­gen kann man das nach­wei­sen. Zum Bei­spiel könn­te ich es Ih­nen an den Ein­zel­hei­ten der Ent­wi­cke­lung des Bank­we­sens in der zwei­ten Hälf­te des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts nach­wei­sen. Es ist näm­lich vi­el­leicht erst den zu­künf­ti­gen Ge­schichts­sch­rei­bern vor­be­hal­ten, zur Klar­heit zu brin­gen, daß da ei­ne gründ­li­che Ve­r­än­de­rung ein­ge­t­re­ten ist, die wir da­mit be­zeich­nen kön­nen: Im Bank­we­sen ist die Per­sön­lich­keit all­mäh­lich zer­s­p­lit­tert. Da wür­de ich Sie hin­wei­sen müs­sen auf je­nen Zeit­punkt, wo die vier Roth­schilds in die Welt aus­ge­zo­gen sind von Frank­furt aus, der ei­ne nach Wi­en, der an­de­re nach Nea­pel, der drit­te nach Lon­don, der vier­te nach Pa­ris, und wie da das gan­ze Bank­we­sen durch die eben dar­auf ge­rich­te­te per­sön­li­che Be­ga­bung in ei­ne per­sön­li­che Sphä­re hin­ein­ge­bracht wor­den ist. Da hat sich die Per­sön­lich­keit ein­ge­setzt für das Geld­we­sen. Heu­te se­hen Sie

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das gan­ze Bank­we­sen un­per­sön­lich wer­den. Das Ka­pi­tal geht an die Ak­ti­en­ge­sell­schaf­ten über, es wird nicht mehr von der Ein­zel­per­sön­lich­keit ver­wal­tet. Das Ka­pi­tal fängt an, sich selbst zu ver­wal­ten. Wir ha­ben rein ob­jek­ti­ve Kräf­te, die inn­er­halb des Ka­pi­tals wirt­schaf­ten, und so­gar schon Kräf­te inn­er­halb die­ses Ge­bie­tes, die al­len Wil­len der Per­sön­lich­keit an sich zie­hen, so daß die Per­sön­lich­keit ohn­mäch­tig ge­wor­den ist. So kann man mit se­hen­den Au­gen bis hin­ein in die­se welt­li­chen Din­ge die Sa­che ver­fol­gen und wird übe­rall se­hen kön­nen, wie die Mensch­heit in be­zug auf die Per­sön­lich­keit zu ei­nem tiefs­ten Punkt her­un­ter­s­tieg.

Nun kann sich die Per­sön­lich­keit ret­ten und wie­der hin­auf­s­tei­gen. Sie kann sich da­durch ret­ten, daß sie zum Bei­spiel durch Stär­kung der in­ne­ren see­li­schen Kräf­te wir­k­lich lernt, sich auf sich selbst zu stel­len, sich un­ab­hän­gig zu ma­chen von den ob­jek­ti­ven Ka­pi­tals­mäch­ten. Die Per­sön­lich­keit kann sich aber auch hin­ein­wer­fen in die­se Kräf­te, kann in ge­wis­ser Wei­se hin­ein­se­geln und hin­un­ter­drin­gen in den Ab­grund, sich um­gar­nen las­sen von den im Ka­pi­tal wirk­sa­men Kräf­ten.

Der wich­tigs­te Punkt, wo die men­sch­li­che Per­sön­lich­keit her­un­ter­s­teigt bis auf die Er­de und wo sie um­keh­ren müß­te, ist der Punkt der Er­schei­nung des Chris­tus Je­sus auf der Er­de. Der gab der Er­de die Kraft, die der Mensch­heit es mög­lich mach­te, wie­der hin­auf­zu­s­tei­gen. Und in dem­sel­ben Ma­ße steigt die Mensch­heit hin­auf, als sie Ge­mein­schaft hat mit Chris­tus Je­sus. In dem Ma­ße, wie für ei­nen grö­ße­ren Teil der Mensch­heit das Ver­ständ­nis auf­geht da­für, was die­ses Er­eig­nis war, wie für sol­che Men­schen der Chris­tus-Im­puls zum ei­ge­nen Im­puls in ih­rer in­ne­ren We­sen­heit wird, aus dem her­aus sie wir­ken und ihr Da­sein we­ben, in dem­sel­ben Ma­ße wird die Mensch­heit nach auf­wärts stei­gen. Im­mer mehr und mehr muß der Mensch ver­ste­hen ler­nen, was Pau­lus ge­sagt hat: Nicht ich bin es, der wirkt, son­dern Chris­tus wirkt in mir.

Wenn al­so der Im­puls, der da­mals in der vier­ten Pe­rio­de her­un­ter­ge­s­tie­gen ist auf un­se­ren phy­si­schen Plan, sich ein­lebt in die Her­zen der Men­schen, wenn er zum An­trieb ih­res Han­delns wird,

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dann ge­schieht der Auf­s­tieg nach oben. Und all die See­len, die die­sen An­schluß fin­den, die den Zu­sam­men­schluß mit dem Chris­tus-Prin­zip voll­zie­hen, sie fin­den den Weg nach oben. Al­le See­len aber, die die­sen Zu­sam­men­schluß nicht fin­den wür­den, müß­ten nach und nach in den Ab­grund hin­ab­tau­chen. Sie wür­den das Ich, den Ego­is­mus sich er­obert ha­ben, aber nicht im­stan­de sein, mit die­sem Ich wie­der­um hin­auf­zu­s­tei­gen in die geis­ti­ge Welt. Und die Fol­ge für ei­nen sol­chen Men­schen, der kei­nen An­schluß an das Chris­tus-Prin­zip fin­det, wür­de sein, daß er sich los­löst von dem geis­ti­gen Auf­s­tieg. Er wür­de, statt hin­auf­zu­s­tei­gen, hin­un­ter­s­tei­gen und sich im­mer mehr ver­här­ten in sei­nem Ich. Statt in der Ma­te­rie nur die Ge­le­gen­heit ge­fun­den zu ha­ben, um das Ich zu er­wer­ben, und dann wie­der­um hin­auf­zu­s­tei­gen, wür­de er nur im­mer tie­fer hin­ab­tau­chen in die Ma­te­rie.

Ja, al­les wie­der­holt sich. Der Mensch ist in die La­ge ge­kom­men, in un­se­re phy­si­sche Welt he­r­ein­zu­t­re­ten. Da­durch, daß er die at­lan­ti­sche Flut über­dau­ert hat, ist ihm die Mög­lich­keit ge­wor­den, sein heu­ti­ges Men­schen­ant­litz her­aus­zu­bil­den. Das ist wir­k­lich ein Ab­bild der im Men­schen woh­nen­den geis­ti­gen Ich-Gott­heit. Nur da­durch, daß ge­gen das En­de der at­lan­ti­schen Zeit der Äther­leib sich mit dem phy­si­schen zu­sam­men­ge­sch­los­sen hat und die Kräf­te des Äther­lei­bes in den phy­si­schen Kopf ein­ge­zo­gen sind, hat er sein heu­ti­ges Men­schen­ant­litz er­hal­ten, das schon den Got­tes­geist durch­spie­geln läßt. Neh­men wir an, er wür­de das ver­leug­nen, daß der Geist es ist, der ihm das Men­schen­ant­litz ge­ge­ben hat. Dann wür­de er den Leib nicht be­nüt­zen als ei­ne Ge­le­gen­heit, um zum Ich-Be­wußt­sein zu kom­men und sich wie­der zu ver­geis­ti­gen, son­dern er wür­de mit dem Lei­be ver­wach­sen, die­sen so lieb­ge­win­nen, daß er nur in ihm sich da­heim füh­len wür­de. Er wür­de ver­bun­den blei­ben mit dem Leib und hin­un­ter­ge­hen in den Ab­grund, und es wür­de, weil er nicht be­nützt hat die Kraft des Geis­ti­gen, auch die äu­ße­re Ge­stalt wie­der­um ähn­lich wer­den der frühe­ren Ge­stalt. Tier­ähn­lich wür­de der Mensch wer­den, der in den Ab­grund hin­un­ter­s­teigt. So wird die Mensch­heit das voll­zie­hen, was wir schon an­ge­deu­tet ha­ben: Hin­un­ter­s­tei­gen in den Ab­grund wer­den die-

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je­ni­gen, die das Woh­nen im Lei­be nicht bloß als Ge­le­gen­heit be­nüt­zen, um da­durch zum Ich-Be­wußt­sein zu kom­men, und sie wer­den die Ras­se bil­den. Sie ha­ben sich ab­ge­wen­det von dem Im­puls des Chris­tus Je­sus, und aus der Häß­lich­keit ih­rer See­le her­aus wer­den sie wie­der­um die Tier­ge­stalt her­aus­bil­den, die der Mensch in frühe­ren Zei­ten ge­habt hat, und un­ten im Ab­grund wird die Ras­se der Bö­sen mit den wil­den Trie­ben in Tier­ge­stalt sein. Und wenn oben die Ver­geis­tig­ten, die das Chris­tus-Prin­zip in sich auf­ge­nom­men ha­ben, ver­kün­den, was sie zu sa­gen ha­ben in be­zug auf ih­ren Zu­sam­men­schluß mit dem Na­men Chris­tus Je­sus, so wer­den hier un­ten er­tö­nen Na­men der Läs­te­rung, des Hin­weg­wol­lens von dem, was als geis­ti­ge Ver­wand­lung auf­tritt.

Ein Mensch, der nur halb den­ken wür­de, könn­te jetzt sa­gen: Ja, es ha­ben aber doch so vie­le ge­lebt, die nichts von dem Chris­tus-Im­puls er­fah­ren ha­ben, warum soll­ten die­se des Im­pul­ses des Chris­tus Je­sus nicht teil­haf­tig ge­wor­den sein? Das wird von ma­te­ria­lis­tisch den­ken­der Sei­te ein­ge­wen­det: Warum soll­te das Heil erst mit Chris­tus Je­sus ge­kom­men sein? Wenn das die Men­schen sa­gen, wel­che kei­ne An­thro­po­so­phen sind, so ist es be­g­reif­lich. Wenn aber die An­thro­po­so­phen das sa­gen, dann ist es un­be­g­reif­lich, denn die müß­ten wis­sen, daß der Mensch im­mer wie­der und wie­der­kehrt. Und die See­len, die vor­her ge­lebt ha­ben, sie wer­den in der Zeit nach der Er­schei­nung Chris­ti in neu­en Lei­bern wie­der­keh­ren, so daß es kei­ne Men­schen gibt, de­nen das Er­eig­nis des Chris­tus Je­sus ent­ge­hen könn­te. Nur wer nicht an Wie­der­ver­kör­pe­rung glaubt, kann sol­che Ein­wän­de er­he­ben, wie sie oben ge­kenn­zeich­net wor­den sind.

So se­hen wir, wie die Spal­tung sich voll­zieht und daß ei­ne Zeit kom­men wird, wo die­je­ni­gen, die nach Ver­geis­ti­gung ge­st­rebt ha­ben, fähig sein wer­den, in der geis­ti­gen Welt zu le­ben; ei­ne Zeit, wo her­au­s­t­re­ten wird, was sie sich früh­er an­ge­eig­net ha­ben, wo sie den Na­men Chris­tus an ih­rer Stirn tra­gen wer­den, weil sie ge­lernt ha­ben, zu ihm auf­zu­schau­en. Nun wird, nach­dem die Sie­gel ent­sie­gelt sein wer­den, der Mensch in der äu­ße­ren Fi­gur das ab­ge­bil­det ha­ben, was er in­ner­lich im Her­zen trägt. Der­je­ni­ge, der in­ner­lich

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in der See­le den Chris­tus trägt, wird nach der Ent­sie­ge­lung in sei­nem Ant­litz das Mal­zei­chen des Chris­tus Je­sus tra­gen, er wird äu­ßer­lich in der Ge­stalt dem Chris­tus Je­sus ähn­lich sein. Die­je­ni­gen aber, die blei­ben wer­den bei den Kul­tu­ren, wel­che vor der Er­schei­nung des Chris­tus Je­sus lie­gen, die wer­den an­de­res er­le­ben müs­sen. Die­se vier Kul­tu­ren, die alt­in­di­sche, die alt­per­si­sche, die as­sy­risch-ba­by­lo­nisch-chal­däisch-ägyp­tisch-jü­di­sche und die grie­chisch-latei­ni­sche Kul­tur, wa­ren vor­be­rei­ten­de Zei­ten. Die See­le hat durch die Lei­ber die­ser Kul­tu­ren hin­durch­ge­hen müs­sen, um sich vor­zu­be­rei­ten für das gro­ße Er­eig­nis der Er­schei­nung des Chris­tus Je­sus auf der Er­de. Da­mals, in der Zeit der Vor­be­rei­tung, wa­ren zwei Kräf­te gel­tend. Die Kräf­te, wel­che die Men­schen zu­sam­men­ge­führt ha­ben, das sind Kräf­te, die ih­re ma­te­ri­el­le Grund­la­ge in dem Blu­te ha­ben. Wenn die Men­schen ein­fach in ih­rer jet­zi­gen Ge­stalt her­ein­ge­s­tellt wor­den wä­ren ne­ben­ein­an­der, nie­mals wür­de sich das her­aus­ge­bil­det ha­ben, was sich in der Mensch­heit ent­wi­ckeln soll­te.

Vor der Er­de war der Mond der Trä­ger un­se­rer Ge­sc­höp­fe. Die­ser al­te Mond war der Kos­mos der Weis­heit, un­se­re Er­de ist der Kos­mos der Lie­be. Un­se­re Ent­wi­cke­lung geht dar­auf hin, die Men­schen in Lie­be zu­sam­men­zu­füh­ren. Wenn einst­mals die Er­de sich auflö­sen wird, nach­dem die sie­ben­te Po­sau­ne er­tönt ist, wenn sie ih­re phy­si­sche Sub­stan­tia­li­tät ver­lie­ren und sich in ei­nen as­tra­li­schen Him­mels­kör­per um­wan­deln wird, dann wird ein­ge­flößt sein dem gan­zen Men­schen­ge­sch­lecht die Lie­be, die Kraft der Lie­be, die sie ent­wi­ckelt hat an al­lem Ir­di­schen. Denn die­se Kraft der Lie­be ist es, was als die Er­den­mis­si­on der Mensch­heit ein­ge­flößt wer­den muß, ge­ra­de­so, wie Sie jetzt in ih­rer Um­ge­bung die Kraft der Weis­heit se­hen. Es wur­de schon oft dar­auf hin­ge­wie­sen: Wenn Sie nur ein Stück Ober­schen­kel­k­no­chen an­se­hen, welch ein wun­der­ba­res Ge­bil­de ist das! Es be­steht nicht aus ei­ner kom­pak­ten Mas­se, son­dern aus vie­len fei­nen Ge­rüst­fä­den, die so wun­der­bar zu­sam­men­ge­ord­net sind, daß un­ter Auf­wand der ge­rings­ten Stoff­mas­se die größ­te Trag­fähig­keit er­zielt ist, wie es kein In­ge­nieur heu­te im­stan­de wä­re her­zu­s­tel­len. Und wenn wir al­les durch­su­chen wür­den,

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wir wür­den fin­den, daß das­je­ni­ge, was sich der Mensch im Lau­fe sei­ner Er­den­ent­wi­cke­lung als sei­ne Weis­heit er­obert, vor­her schon der Er­de ein­ge­impft war.

Im­mer wie­der im Lau­fe des ge­schicht­li­chen Un­ter­richts wird uns ge­sagt, wie der Mensch Fort­schritt auf Fort­schritt ge­macht hat, im­mer wei­ser und wei­ser ge­wor­den ist. Sie er­in­nern sich, wie Ih­nen die ein­zel­nen Etap­pen des Wei­se­wer­dens vor­ge­führt wor­den sind, wie Ih­nen zum Bei­spiel ge­zeigt wor­den ist, daß im Be­ginn der neue­ren Zeit der Mensch da­hin ge­langt ist, das Schieß­p­ul­ver zu er­fin­den, das Lei­nen­pa­pier, das Holz­pa­pier und so wei­ter zu er­fin­den. Da hat sich Ih­re See­le ge­f­reut dar­über, wie die Men­schen auf­ge­s­tie­gen sind. Die Men­schen ha­ben aus ih­rem In­tel­lekt her­aus das Pa­pier be­rei­ten ge­lernt; sie ha­ben es völ­lig neu er­fun­den, so könn­te man mei­nen. Wer aber die Welt in ih­rem gro­ßen Zu­sam­men­han­ge über­schaut, dem er­scheint das in an­de­rem Lich­te. Die We­s­pen konn­ten das schon viel früh­er, denn das We­s­pen­nest ist ge­nau das­sel­be wie das Pa­pier. So war Jahr­tau­sen­de vor­her im We­s­pen­nes­te be­reits vor­han­den, was sich der Mensch hin­ter­her in sei­ner sub­jek­ti­ven Weis­heit er­obert hat. Nicht die ein­zel­ne We­s­pe kann Pa­pier er­zeu­gen, aber die Grup­pen­see­le, das Ich, das die gan­ze Grup­pe der We­s­pen um­faßt, das ist so wei­se, wie der Mensch erst ge­wor­den ist. Und übe­rall, wo­hin Sie se­hen, wenn Sie nicht blind, son­dern se­hend sind, wird Ih­nen die Weis­heit aus den Din­gen ent­ge­gen­t­re­ten.

Glau­ben Sie nicht, daß die­se Weis­heit nicht hat ent­ste­hen müs­sen. Oh, die Welt war nicht im­mer so durch­tränkt von Weis­heit. Wäh­rend der Mond­ent­wi­cke­lung ist nach und nach die­se Weis­heit ein­ge­f­los­sen in das, was uns heu­te um­gibt. Wäh­rend der Mond­ent­wi­cke­lung hat sich das, was chao­tisch durch­ein­an­der­wirk­te, so aus­ge­stal­tet, daß es wei­se wur­de. Könn­ten Sie den Blick hin­wen­den auf den al­ten Mond, so wür­den Sie da al­les noch so­zu­sa­gen dr­un­ter und dr­üb­er fin­den, gar noch nicht wei­se. Im Lau­fe der Mond­ent­wi­cke­lung wur­de die Weis­heit den We­sen und Ge­sc­höp­fen ein­ge­gos­sen, ein­ge­flößt, und sie war da, als die Er­de her­vor­ging aus dem Däm­mer­dun­kel. Jetzt er­schie­nen al­le Din­ge mit Weis­heit

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ge­tränkt. Und wie der Mensch heu­te auf sei­ne Um­ge­bung schaut und übe­rall die Weis­heit her­vor­sprie­ßen sieht, so wird er, wenn er auf dem Ju­pi­ter an­ge­langt sein wird, al­le We­sen, die um ihn her­um sind, in ei­ner merk­wür­di­gen Wei­se schau­en: sie wer­den et­was aus­gie­ßen wie den Duft be­se­li­gen­der Lie­be. Lie­be wird aus al­len Din­gen strö­men, und es ist die Mis­si­on der Er­den­ent­wi­cke­lung, die­se Lie­be zu ent­fal­ten. Lie­be wird dann durch al­le Din­ge flie­ßen, wie jetzt Weis­heit in al­len Din­gen wal­tet. Und die­se Lie­be wird ein­ge­gos­sen der Er­den­ent­wi­cke­lung da­durch, daß der Mensch nach und nach die Lie­be ent­wi­ckeln lern­te.

Aber der Mensch hat nicht gleich die geis­ti­ge Lie­be ha­ben kön­nen, ihm muß­te zu­erst die­se Lie­be auf dem un­ters­ten Ge­bie­te ein­gepflanzt wer­den. Ei­nen ma­te­ri­el­len Trä­ger muß­te die Lie­be ha­ben: das ist die Bluts­ver­wandt­schaft. Die Lie­be auf dem Ge­bie­te der Bluts­ver­wandt­schaft zu üben, das war die ers­te Schu­le. Da­durch wur­den die ge­t­renn­ten Men­schen zu­sam­men­ge­führt, daß das­je­ni­ge, was als ge­mein­sa­mes Blut in den Adern rann, sich lieb­te. Das war die Vor­schu­le der Lie­be, das war die gro­ße Schu­le der Lie­be. Und der gro­ße Im­puls, der die­se Lie­be ver­geis­tigt, der sie nicht nur da läßt, wo sie phy­sisch wirkt als des­sen Grund­la­ge, son­dern sie dem See­li­schen mit­teilt, das ist der Chris­tus-Im­puls in der Welt.

Nun wür­de es die gan­ze Vor­zeit hin­durch dem Men­schen son­der­bar ge­gan­gen sein, wenn nur die­ser ei­ne Im­puls der Lie­bes­ge­mein­schaft im Blu­te ge­wirkt hät­te. Die We­sen­hei­ten, wel­che die Len­ker der al­ten Zei­ten wa­ren, vor al­len Din­gen Jah­ve, führ­ten die Men­schen in Lie­be zu­sam­men, daß sie sich ve­r­ei­nig­ten in der Bluts­ver­wandt­schaft. Wenn aber der Mensch vor der Er­schei­nung des Chris­tus Je­sus nur ve­r­ei­nigt wor­den wä­re durch die Bluts­ver­wandt­schaft, so hät­te der ein­zel­ne nie zur Per­sön­lich­keit fort­sch­rei­ten kön­nen. Der ein­zel­ne wä­re im Volk un­ter­ge­gan­gen. Es ist ja auch der ein­zel­ne tat­säch­lich recht sehr un­ter­ge­gan­gen in dem Gan­zen. Wir­k­lich war das Be­wußt­sein, daß man Ein­zel­mensch ist, et­was, was sich erst nach und nach her­an­bil­de­te. In der at­lan­ti­schen Zeit konn­te noch kei­ne Re­de da­von sein, daß der Mensch als ein­zel­ner sich fühl­te, aber auch spä­ter klang das noch nach. Die Men­schen

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ver­ste­hen nur nicht die al­te Na­men­ge­bung, sonst wür­den sie dar­auf kom­men, wie die Men­schen sich fühl­ten. Den­ken Sie an die Be­ken­ner des Al­ten Te­s­ta­ments: sie fühl­ten in der vor­christ­li­chen Zeit ihr Ich, wenn sie es so recht füh­len woll­ten, gar nicht in ih­rer Ein­zel­per­sön­lich­keit. Je­der, der ganz fühl­te den Im­puls, der aus dem Al­ten Te­s­ta­men­te strömt, der sag­te sich: «Ich und der Va­ter Abra­ham sind eins.» Denn er fühl­te sich ge­bor­gen in die­ser Ge­mein­schaft, die hin­auf­reich­te bis Abra­ham, des­sen Blut bis her­un­ter zum jüngs­ten Glie­de durch al­le Adern floß. Und da sag­te er: Da füh­le ich, daß ich nicht ein ver­lo­re­nes Glied bin, wenn ich spü­re, daß mein Blut das­sel­be ist wie das des Va­ters Abra­ham.

Und noch wei­ter hin­auf ver­such­te man zu­rück­zu­ver­fol­gen die Ge­mein­schaft. In der Grup­pen­see­le fühl­te man sich ge­bor­gen. Man wies hin auf Noah, auf Adam. Die Men­schen wis­sen nicht mehr, was die­se Na­men be­deu­ten. Sie wis­sen nicht, daß in je­nen al­ten Zei­ten noch im­mer das Be­wußt­sein der Men­schen an­ders war als heu­te. Der Mensch kann sich heu­te zur Not an das er­in­nern, was in sei­ne Kind­heit zu­rück­reicht, und si­cher reißt al­le Er­in­ne­rung mit der Ge­burt ab. Da­zu­mal, in der Pa­tri­ar­chen­zeit, in der Zeit der al­ten Erz­vä­ter, war das nicht so. Da er­in­ner­te sich der Mensch nicht nur an das, was er selbst, son­dern was sein Va­ter, Großva­ter, Ur­großva­ter er­lebt hat­te. Das war ihm so in der Er­in­ne­rung wie Ih­nen die Er­in­ne­rung Ih­rer Kind­heit. Er wuß­te nicht, daß sein Le­ben be­son­ders an­fing mit sei­ner Ge­burt. Durch Jahr­hun­der­te ging das Ge­dächt­nis hin­auf. Man gab dem ab­ge­son­der­ten Be­wußt­sein kei­nen Na­men, man hät­te da­rin kei­nen Sinn ge­fun­den. Weil man sich er­in­ner­te an Va­ter, Großva­ter, Ur­großva­ter und so wei­ter, so um­faß­te ein Ge­samt­na­me die gan­ze Ket­te. «Adam», «Noah» be­deu­ten die Er­in­ne­rung durch die Ge­ne­ra­tio­nen. So­weit man sich er­in­ner­te an Noah, nann­te man die Ket­te Noah. Das war ein in­ne­rer Mensch, ein geis­ti­ges We­sen, das durch die Ge­ne­ra­tio­nen leb­te. Dem äu­ße­ren Men­schen ei­nen Na­men zu ge­ben, hät­te man sinn­los ge­fun­den. So um­faßt der Na­me Adam ein geis­ti­ges We­sen.

Es war al­so der Ein­zel­mensch sich noch nicht sei­nes Ichs be­wußt. Er wä­re auf­ge­gan­gen in der Ge­mein­schaft, wenn nicht Im­pul­se

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da­ge­we­sen wä­ren, die fort­wäh­rend An­grif­fe rich­te­ten ge­gen die­ses Ver­schwim­men in der Ge­mein­schaft, die dar­auf hin­ar­bei­te­ten, den Men­schen her­aus­zu­rei­ßen aus den Bluts­ban­den, die ihn zur Selb­stän­dig­keit brin­gen soll­ten. In sei­nen As­tral­leib ha­ben sich ein­ge­nis­tet sol­che geis­ti­ge We­sen­hei­ten, die ihm die Im­pul­se ga­ben, sein Be­wußt­sein nicht ver­schwim­men zu las­sen. Die­se We­sen­hei­ten sind die lu­zi­fe­ri­schen We­sen­hei­ten. Sie wa­ren es, die in der vor­christ­li­chen Zeit ent­ge­gen­ge­wirkt ha­ben der ei­gent­li­chen Ve­r­ein­heit­li­chung, de­nen der Mensch sei­ne Selb­stän­dig­keit, die wer­den­de Per­sön­lich­keit ver­dankt. Es ist durch­aus wich­tig, ein­zu­se­hen, daß das­je­ni­ge, was zu­sam­men­st­reb­te, dem Jah­ve zu ver­dan­ken ist, und das, was au­s­ein­an­der­st­reb­te, den lu­zi­fe­ri­schen Geis­tern.

In den ers­ten Zei­ten des Chris­ten­tums hat­te man ei­nen Spruch, der lau­te­te: «Chris­tus ve­r­us Lu­ci­fer», Chris­tus ist der wah­re Licht­trä­ger , denn Lu­ci­fer heißt Licht­trä­ger. Warum wird Chris­tus der wah­re Licht­trä­ger ge­nannt? Weil jetzt durch ihn be­rech­tigt wor­den ist, was früh­er un­be­rech­tigt war. Früh­er war es ein Au­s­ein­an­der­rei­ßen; die Men­schen wa­ren noch nicht reif zur Selb­stän­dig­keit. Jetzt wa­ren die Men­schen durch den Ich-Im­puls, den sie durch den Chris­tus Je­sus be­kom­men ha­ben, so weit, daß sie trotz des Ichs sich in Lie­be zu­ein­an­der ent­wi­ckeln konn­ten. So wur­de das, was Lu­zi­fer so­zu­sa­gen vor­aus­neh­mend der Mensch­heit ge­ben woll­te, als die­se noch un­reif war, durch den wah­ren Licht­trä­ger, durch den Chris­tus Je­sus, der Mensch­heit ge­bracht. Er brach­te den Im­puls zur Ver­selb­stän­di­gung, aber auch die geis­ti­ge Lie­be, die zu­sam­men­führt, was nicht bluts­ver­wandt ist. Durch ihn kam die Epo­che, wo die Mensch­heit her­an­reif­te zu dem, was Lu­zi­fer früh­er schon be­wir­ken woll­te. Die­ser Aus­spruch: «Chris­tus ve­r­us Lu­ci­fer» ist spä­ter nicht mehr ver­stan­den wor­den. Der­je­ni­ge al­lein, der ihn rich­tig ver­steht, lernt die ers­ten Leh­ren des Chris­ten­tums ken­nen.

So al­so ha­ben wir die­sen Im­puls auf­zu­fas­sen, so ha­ben wir ein­zu­se­hen, wie die Mensch­heit vor­be­rei­tet wur­de zu dem Stand­punkt, zu dem sie ge­lan­gen soll­te. So wa­ren die­se vier Zei­ten, die in­di­sche, per­si­sche, ägyp­ti­sche, grie­chisch-latei­ni­sche, Zei­ten der Vor­be­rei­tung, der Hin­wei­sung auf das gro­ße christ­li­che Er­eig­nis. Es ist

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aber mög­lich für den Men­schen, sich so­zu­sa­gen zu ver­s­tei­fen. Den­ken wir uns ei­nen Men­schen zur Zeit des Chris­tus Je­sus le­bend, und stel­len wir uns vor, er könn­te mit Be­wußt­sein ent­schei­den über das, was er will. Da könn­te er, wenn der Chris­tus Je­sus kä­me, so sp­re­chen: Oh, mir ist das ge­nü­gend, was vor­her war. Ich will nichts von ihm wis­sen, ich will kei­ne Ge­mein­schaft ha­ben mit dem Chris­tus Je­sus. Da wür­de er in sei­ner See­le ha­ben die­je­ni­gen Kräf­te, die­je­ni­gen Im­pul­se, die man in der Zeit vor dem Chris­tus Je­sus ge­win­nen konn­te. Er wür­de al­le Im­pul­se ha­ben, die man durch die in­di­sche, per­si­sche, ägyp­ti­sche, grie­chisch-latei­ni­sche Kul­tur er­lan­gen konn­te. Aber man darf im kos­mi­schen Wer­de­gang sol­che Im­pul­se nur so lan­ge ha­ben, bis ein neu­er Im­puls kommt. Bleibt man ste­hen, dann bleibt man eben auf die­ser Stu­fe zu­rück. Al­so darf man nicht Un­ver­ständ­nis für die ge­schicht­li­che Ent­wi­cke­lung an den Tag le­gen, man darf nicht sa­gen: Es ist in al­len Kul­tu­ren das­sel­be Prin­zip. Nicht um­sonst wird ei­ne Kul­tur auf der an­de­ren auf­ge­baut.

Neh­men wir an, es hät­te so je­mand ver­schla­fen wol­len die christ­li­che Ent­wi­cke­lung, dann wür­de er hin­über­le­ben in die zu­künf­ti­ge Zeit bis nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le. Da aber wür­de er nichts ha­ben von dem gro­ßen Lie­be-Prin­zip des Chris­tus, das die Iche zu­sam­men­führt, das aus den Men­schen Ge­mein­schaf­ten macht. Er wür­de al­les das ha­ben, was die Iche ge­ra­de hin­un­ter­führt in den Ab­grund. Er wür­de die au­s­ein­an­der­t­rei­ben­den Kräf­te ha­ben, die au­s­ein­an­der­s­p­lit­tern­den Kräf­te. Und das zeigt uns der ei­ne Um­stand, der uns zu der Fra­ge füh­ren kann: Warum gibt uns die Ent­hül­lung der ers­ten vier Sie­gel ein so trost­lo­ses Bild? Weil da her­aus­kom­men die­je­ni­gen Men­schen, die ste­hen­b­lei­ben wol­len bei die­sen vier vor­be­rei­ten­den Kul­tu­ren, in de­nen die al­te Form des Lu­zi­fer drin­nen ist, die sie au­s­ein­an­der­t­reibt. Da­her wird uns ge­zeigt durch die Ent­hül­lung der Sie­gel, wie sie auch die Ge­stalt be­kom­men, die sie sich er­wor­ben ha­ben. Sie ha­ben ver­schla­fen das Er­eig­nis des Chris­tus Je­sus, sie wer­den wie­der­ge­bo­ren in den Ge­stal­ten, die ih­nen ge­ge­ben wer­den kön­nen oh­ne den Ein­fluß des Chris­tus-Prin­zi­pes. Da­her er­scheint wie­der das­je­ni­ge, was die blo­ße

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In­tel­li­genz, den blo­ßen Ver­stand an­zeigt: Vier­mal hin­te­r­ein­an­der er­scheint das Pferd! Es er­scheint die al­te Ge­stalt des Men­schen, die er da­durch be­kom­men hat, daß er die Pfer­de­na­tur an­ge­nom­men hat. Die­se Ge­stalt er­scheint bei der Ent­sie­ge­lung der ers­ten vier Sie­gel.

Und in dem Au­gen­blick, wo das fünf­te Sie­gel ent­sie­gelt wird, wor­auf wer­den wir da auf­merk­sam ge­macht? Auf die­je­ni­gen, die im vor­her­ge­hen­den Zei­traum er­fas­sen ge­lernt ha­ben das Er­eig­nis des Chris­tus Je­sus. Sie sind mit wei­ßen Klei­dern an­ge­tan, sie sind un­be­rück­sich­tigt ge­b­lie­ben, sie sind bild­lich er­würgt wor­den, sie sind die­je­ni­gen, die auf­be­wahrt wer­den für die Ver­geis­ti­gung der Welt. So ist es die Ver­bin­dung mit dem Chris­tus Je­sus-Prin­zip, wel­che die Men­schen da­hin bringt, die­se wei­ßen Klei­der an­zu­ha­ben und zu er­schei­nen, wenn das fünf­te Sie­gel ge­löst wird. Da se­hen wir, wie uns klar und deut­lich an­ge­deu­tet wird, daß in die­sem Zeit­punkt, wo der Chris­tus Je­sus er­scheint, ei­ne wich­ti­ge Epo­che der Mensch­heit ist, je­ne Epo­che, die da be­wirkt, daß nach dem Krie­ge al­ler ge­gen al­le die vier Zei­träu­me wie­der er­schei­nen, wo die­je­ni­gen, die zu­rück­ge­b­lie­ben sind, ge­plagt wer­den von der Ma­te­ria­li­tät, die mit der Ent­wi­cke­lung mit­ge­gan­gen ist und an die sie sich ge­fes­selt ha­ben, wo sie ge­plagt wer­den von all den Übeln und Qua­len der ver­här­te­ten, in sich ver­gröb­er­ten Ma­te­ria­li­tät. Und al­les, was uns nun wei­ter be­schrie­ben wird bei der Ent­hül­lung der Sie­gel, stellt nichts an­de­res dar als das Hin­ein­ge­hen in den Ab­grund. Wäh­rend wir im fünf­ten Zei­traum nur kurz hin­ge­wie­sen wer­den auf die­je­ni­gen, die au­s­er­wählt sind, wer­den uns im üb­ri­gen al­le je­ne ge­zeigt, die in der Ma­te­ria­li­tät blei­ben, die in den Ab­grund hin­ein­ge­hen, die je­ne Ge­stal­ten, die vor­her da wa­ren, an­neh­men, weil sie nicht mit­ge­kom­men sind, weil sie nicht die Kraft in sich auf­ge­nom­men ha­ben, die­se Ge­stal­ten um­zu­wan­deln.

Sie kön­nen sich ein Bild da­von ma­chen: Den­ken Sie sich heu­te al­le Ih­re Men­schen­ge­stal­ten aus Kaut­schuk und inn­er­halb die­ser Kaut­schuk-Men­schen­lei­ber Ih­re in­ne­re See­len­kraft, die die­sen Kaut­schu­k­le­i­bern Ih­re Men­schen­ge­stalt gibt. Den­ken Sie sich, wir neh­men die See­len­kraft her­aus: Da wür­den die Kaut­schu­k­le­i­ber

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zu­sam­men­schrump­fen, Tier­ge­stal­ten wür­den die Men­schen er­hal­ten. In dem Au­gen­bli­cke, wo Sie die See­le her­aus­zie­hen aus dem Men­schen-Kaut­schu­k­le­i­be, da wür­de der Mensch Ih­nen die Tier­ge­stalt zei­gen. Was der Mensch sich er­run­gen hat, ist wie et­was, was er durch sei­ne ei­ge­ne Kraft heu­te her­vor­bringt. Wenn Sie das, was er früh­er im as­tra­li­schen Leib er­zeugt hat, be­trach­ten könn­ten, dann wür­den Sie se­hen, wie die­se Tier­ähn­lich­keit vor­han­den ist. Es ist wir­k­lich et­was wie solch ei­ne in­ner­li­che Kraft, die dem Kaut­schuk­men­schen die heu­ti­ge Ge­stalt gibt. Den­ken Sie sich die­se Kraft ent­fernt, den­ken Sie sich den Men­schen nicht be­fruch­tet von der Chris­tus-Kraft und der Mensch zuckt zu­rück in die Tier­ge­stalt. So wird es sol­chen er­ge­hen, die zu­rück­fal­len. Die wer­den nach­her ei­ne Welt bil­den, die so­zu­sa­gen un­ter der heu­ti­gen Welt liegt, ei­ne Welt des Ab­grun­des, wo der Mensch wie­der­um Tier­ge­stalt an­ge­nom­men ha­ben wird.

So ler­nen wir be­g­rei­fen, wie in der Tat die Ent­wi­cke­lung sein wird. Stück um Stück wird das­je­ni­ge her­aus­kom­men, was jetzt vor­be­rei­tet wird, wie in un­se­rer Zeit auch Stück für Stück her­aus­ge­kom­men ist, was in der at­lan­ti­schen Zeit sich ver­an­lagt hat. Ich ha­be er­zählt, daß im letz­ten Drit­tel der at­lan­ti­schen Zeit sich ei­ne klei­ne Ko­lo­nie ge­bil­det hat, von der un­se­re Kul­tu­ren sich ab­ge­lei­tet ha­ben, von de­nen auch noch die spä­te­ren zwei Kul­tu­ren, die fol­gen wer­den, ab­stam­men. Für den nächs­ten Zei­traum, der al­le die­se Kul­tu­ren ablö­sen wird, wird das et­was an­ders sein. Da wird nicht ei­ne auf ei­nen Ort be­schränk­te Ko­lo­nie sein, son­dern es wer­den aus der ge­sam­ten Mas­se der Men­schen sich übe­rall die­je­ni­gen her­aus­re­kru­tie­ren, die reif sind, die gu­te, die ed­le, die sc­hö­ne Sei­te der nächs­ten Kul­tur nach dem Krie­ge al­ler ge­gen al­le zu bil­den. Das ist wie­der­um der Fort­schritt ge­gen­über der frühe­ren at­lan­ti­schen Zeit, daß da­mals an ei­nem klei­nen Or­te die Ko­lo­nie sich ent­wi­ckel­te, bei uns aber die Mög­lich­keit ge­ge­ben ist, daß über die gan­ze Er­de hin aus al­len Stäm­men sich die­je­ni­gen her­aus­re­kru­tie­ren, die wir­k­lich den Ruf der Er­den­mis­si­on ver­ste­hen, die es ver­ste­hen, den Chris­tus in sich le­ben­dig zu ma­chen, das Prin­zip der Bru­der­lie­be zu ent­fal­ten über die gan­ze Er­de hin, und zwar ent-

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fal­ten im rich­ti­gen Sinn, nicht im Sin­ne der christ­li­chen Kon­fes­sio­nen, son­dern im Sin­ne des wah­ren eso­te­ri­schen Chris­ten­tums, das aus al­len Kul­tu­ren her­vor­ge­hen kann. Die­je­ni­gen, die die­ses christ­li­che Prin­zip ver­ste­hen, die wer­den da sein in je­ner Zeit, die dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le fol­gen wird. Auf un­se­re jet­zi­ge Kul­tur, auf un­se­re rei­ne Ver­stan­des­kul­tur, auf al­les das, was sich in der Ge­gen­wart im­mer mehr und mehr nach dem Ab­grund des Ver­stan­des hin ent­wi­ckelt und das kön­nen Sie auf al­len Ge­bie­ten des Le­bens er­fah­ren , wird ei­ne Zeit kom­men, in wel­cher der Mensch ein Skla­ve der In­tel­li­genz sein wird, in der er als Per­sön­lich­keit un­ter­ge­hen wird. Es gibt heu­te nur ein ein­zi­ges Mit­tel, die Per­sön­lich­keit zu be­wah­ren, das ist die Spi­ri­tua­li­sie­rung. Die­je­ni­gen, die es ver­ste­hen, das spi­ri­tu­el­le Le­ben zu ent­wi­ckeln, wer­den zu dem Häuf­lein der Wohl­ver­sie­gel­ten aus al­len Na­tio­nen und Stäm­men ge­hö­ren, wel­che er­schei­nen wer­den in den wei­ßen Klei­dern nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le.

Jetzt fan­gen wir an, aus un­se­rer un­mit­tel­bar ge­gen­wär­ti­gen Kul­tur des Ver­stan­des her­aus die geis­ti­ge Welt zu be­g­rei­fen. Das ist das wah­re an­thro­po­so­phi­sche St­re­ben, aus der heu­ti­gen Ver­stan­des­kul­tur her­aus zu be­g­rei­fen die spi­ri­tu­el­le Welt, zu sam­meln die Men­schen, die den Ruf nach Spi­ri­tua­li­sie­rung der Welt ver­ste­hen kön­nen. Nicht ei­ne ab­ge­sch­los­se­ne Ko­lo­nie wer­den die­se bil­den, son­dern aus al­len Na­tio­nen her­aus wer­den sie sein, und nach und nach wer­den sie hin­über­le­ben in den sechs­ten Zei­traum, al­so noch nicht et­wa über den gro­ßen Krieg hin­über, son­dern zu­nächst in den sechs­ten Zei­traum hin­ein. Da sind vor­läu­fig noch im­mer Not­wen­dig­kei­ten vor­han­den, die mit al­ten Ras­sen­not­wen­dig­kei­ten zu­sam­men­hän­gen. In un­se­rem Zei­traum spie­len ja Ras­se- und Kul­tu­re­po­che noch durch­ein­an­der. Der ei­gent­li­che Ras­se­be­griff hat sei­ne Be­deu­tung ver­lo­ren, aber er spielt noch im­mer hin­ein. Es ist kei­nes­wegs mög­lich, daß ei­ne je­de Mis­si­on in gleich­wer­ti­ger Wei­se von ei­nem je­den Volk bei uns schon aus­ge­übt wird. Man­ches Volk ist be­son­ders da­zu prä­d­es­ti­niert.

Die Na­tio­nen, die heu­te die Kul­tur­trä­ger des Wes­tens sind, wa­ren au­s­er­se­hen, den fünf­ten Zei­traum auf die Höhe zu füh­ren.

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Das wa­ren die Na­tio­nen, die den Ver­stand aus­bil­den soll­ten. Da­her ha­ben wir da, wo die­se west­li­che Kul­tur sich aus­b­rei­tet, vor­zugs­wei­se die Ver­stan­des­kul­tur, und die ist noch nicht zu En­de. Die­se In­tel­li­genz wird sich noch aus­b­rei­ten. Noch mit viel mehr geis­ti­gen Kräf­ten wer­den die Men­schen das, was für des Lei­bes Not­durft ist, er­rin­gen, mit viel mehr geis­ti­gen Kräf­ten wer­den sie sich ge­gen­sei­tig er­wür­gen vor dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le. Vie­le Ent­de­ckun­gen wer­den ge­macht wer­den, um die Krie­ge bes­ser füh­ren zu kön­nen, un­end­li­che In­tel­li­genz wird auf­ge­bo­ten wer­den, um den nie­d­ri­gen Trie­ben Ge­nü­ge zu leis­ten. Aber es be­rei­tet sich mit­ten­d­rin­nen doch das­je­ni­ge vor, wo­zu ge­wis­se Na­tio­nen des Os­tens, des nörd­li­chen Os­tens ver­an­lagt sind. Es be­rei­ten sich Na­tio­nen vor, aus ei­ner ge­wis­sen Stumpf­heit auf­zu­er­ste­hen und in gro­ßen ge­wal­ti­gen Im­pul­sen zu brin­gen, was ein spi­ri­tu­el­ler Im­puls sein wird, et­was wie der ent­ge­gen­ge­setz­te Pol zur In­tel­li­genz. Wir wer­den vor dem sechs­ten Kul­tur­zei­traum, der re­prä­sen­tiert ist durch die Ge­mein­de zu Phi­la­del­phia, et­was er­le­ben wie ei­ne ge­wal­ti­ge Völ­ker­e­he, ei­ne Ehe zwi­schen In­tel­li­genz und Ver­stand und Spi­ri­tua­li­tät. Heu­te er­le­ben wir erst die Mor­gen­rö­te die­ser Ehe, und nie­mand soll das, was eben ge­sagt wird, wie ein Lob­lied auf un­se­re Zeit auf­fas­sen, denn man singt nicht Lob­lie­der auf die Son­ne, wenn erst die ers­ten An­zei­chen der Mor­gen­rö­te da sind. Aber wir ha­ben doch merk­wür­di­ge Er­schei­nun­gen, wenn wir Os­ten und Wes­ten ver­g­lei­chen, wenn wir da in die Tie­fen und Un­tie­fen und Un­ter­grün­de der Na­tio­nen hin­ein­schau­en.

Fas­sen wir das nicht auf wie ein Par­tei-Er­g­rei­fen-Wol­len. So fern wie nur mög­lich sind die­se Vor­trä­ge, die ob­jek­tiv sein wol­len, von ir­gend­ei­nem Par­tei-Er­g­rei­fen. Aber ob­jek­tiv kön­nen Sie ver­g­lei­chen das, was im eu­ro­päi­schen Wes­ten als Wis­sen­schaft, als Phi­lo­so­phie er­reicht wird, mit dem­je­ni­gen, was im Os­ten auf­taucht, sa­gen wir bei Tol­stoi. Man braucht nicht An­hän­ger von Tol­stoi zu sein, aber das ei­ne ist wahr: In ei­nem sol­chen Buch wie Tol­stois Buch «Über das Le­ben» kön­nen Sie ei­ne Sei­te le­sen, wenn Sie zu le­sen ver­ste­hen, und das ver­g­lei­chen mit gan­zen Bi­b­lio­the­ken im west­li­chen Eu­ro­pa. Und Sie kön­nen sich dann fol­gen­des

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sa­gen: In We­st­eu­ro­pa macht man mit dem Ver­stan­de geis­ti­ge Kul­tur, man zi­se­liert aus Ein­zel­hei­ten zu­sam­men ir­gend­wel­che Din­ge, wel­che die Welt ver­ständ­lich ma­chen sol­len. Und in die­ser Be­zie­hung hat die we­st­eu­ro­päi­sche Kul­tur sol­ches ge­leis­tet, daß es kein Zei­tal­ter mehr über­bie­ten wird. Aber Sie kön­nen das, was durch drei­ßig Bän­de sol­cher we­st­eu­ro­päi­scher Bi­b­lio­the­ken ge­sagt wer­den kann, manch­mal in zehn Zei­len zu­sam­men­ge­drängt er­hal­ten, wenn Sie so ein Buch wie «Über das Le­ben» von Tol­stoi ver­ste­hen. Da wird mit pri­mi­ti­ver Kraft et­was ge­sagt, aber da ha­ben we­ni­ge Zei­len Stoßkraft, die gleich­kommt dem­je­ni­gen, was dort aus den Ein­zel­hei­ten zu­sam­men­zi­se­liert wird. Da muß man be­ur­tei­len kön­nen, was aus der Tie­fe des Geis­tes dringt, was spi­ri­tu­el­le Un­ter­grün­de hat und was nicht. Ge­ra­de­so wie über­rei­fe Kul­tu­ren et­was Ver­dor­ren­des ha­ben, so ha­ben sol­che auf­ge­hen­de Kul­tu­ren fri­sches Le­ben und neue Stoßkraft in sich. Tol­stoi ist ja ei­ne vor­zei­ti­ge Blü­te ei­ner sol­chen Kul­tur, viel früh­er ge­kom­men, als daß es mög­lich wä­re, jetzt schon aus­ge­bil­det wer­den zu kön­nen. Da­her ist er mit al­len Feh­lern ei­ner un­zei­ti­gen Ge­burt be­haf­tet. All das, was er auf­bringt an gro­tes­ker Dar­stel­lung man­cher we­st­eu­ro­päi­scher Din­ge, was un­be­grün­det ist, al­les das, was er auch auf­bringt an törich­ten Ur­tei­len, zeigt eben, daß gro­ße Er­schei­nun­gen die Feh­ler ih­rer Tu­gen­den ha­ben, daß gro­ße Ge­scheit­heit die Tor­heit ih­rer Weis­heit hat.

Das soll­te nur als Symp­tom hin­ge­s­tellt wer­den für die zu­künf­ti­ge Zeit, wo sich zu­sam­men­sch­lie­ßen wer­den das Spi­ri­tu­el­le des Os­tens und das In­tel­lek­tu­el­le des Wes­tens. Aus die­sem Zu­sam­men­fluß wird her­vor­ge­hen die Zeit von Phi­la­del­phia. Al­le die­je­ni­gen wer­den sich in die­se Ehe hin­ein­fin­den, die in sich auf­neh­men den Im­puls des Chris­tus Je­sus, und sie wer­den die gro­ße Bru­der­schaft bil­den, wel­che hin­über­le­ben wird über den gro­ßen Krieg, wel­che an­ge­fein­det sein wird, die man­nig­fal­tigs­ten Ver­fol­gun­gen er­le­ben wird, aber die Grund­la­ge ab­ge­ben wird zu der gu­ten Ras­se. Nach­dem die­ser gro­ße Krieg ge­bracht ha­ben wird den Auf­gang der Tier­heit inn­er­halb de­rer, die in den al­ten For­men ge­b­lie­ben sind, wird die­se gu­te Ras­se er­ste­hen. Sie wer­den hin­über­tra­gen in die

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künf­ti­ge Zeit das­je­ni­ge, was die geis­tig er­höh­te Kul­tur die­ser künf­ti­gen Zeit sein soll. So wer­den wir auch er­le­ben, daß in un­se­rer Zeit zwi­schen der gro­ßen at­lan­ti­schen Flut und dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le, in dem Zei­traum, der durch die Ge­mein­de zu Phi­la­del­phia re­prä­sen­tiert wird, ei­ne Ko­lo­nie sich bil­det, die nicht aus­wan­dern wird, son­dern übe­rall sein wird, so daß übe­rall im Sinn der Ge­mein­de von Phi­la­del­phia, im Sinn des Zu­sam­men­schlus­ses der Mensch­heit, im Sin­ne des christ­li­chen Prin­zips ge­wirkt wer­den wird.

10 – ACHTER VOTRAG, Nürnberg, 25. Juni 1908

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ACH­TER VOR­TRAG

Nürn­berg, 25. Ju­ni 1908

Wenn jetzt schon wie­der­holt da­von ge­spro­chen wor­den ist, daß un­se­re sie­ben Kul­tur­stu­fen ihr En­de fin­den wer­den durch den Krieg al­ler ge­gen al­le, so müs­sen wir uns ei­nen sol­chen Krieg al­ler ge­gen al­le ei­gent­lich ganz an­ders vor­s­tel­len, als man bis jetzt ge­wohnt ist, sich Krie­ge vor­zu­s­tel­len. Wir müs­sen nur ein­mal ins Au­ge fas­sen, was die Grund­la­ge, die ei­gent­li­che Ur­sa­che die­ses Krie­ges ist. Die­se Grund­la­ge oder Ur­sa­che ist das Über­hand­neh­men des Ego­is­mus, der Ich­sucht, der Selbst­heit der Men­schen. Und wir sind ja nun­mehr in un­se­ren Be­trach­tun­gen so weit fort­ge­schrit­ten, daß wir ge­se­hen ha­ben, welch zwei­schnei­di­ges, schar­fes Schwert die­ses Ich des Men­schen ist. Wer nicht be­g­reift, daß die­ses Ich ein zwei­schnei­di­ges Schwert ist, der wird kaum den gan­zen Sinn der Mensch­heits- und Wel­ten­ent­wi­cke­lung ver­ste­hen. Auf der ei­nen Sei­te ist die­ses Ich die Ur­sa­che des­sen, daß die Men­schen in sich selbst sich ver­här­ten, daß sie al­les, was ih­nen zur Ver­fü­gung ste­hen kann an äu­ße­ren Din­gen und in­ne­ren Gü­tern, in den Di­enst die­ses ih­res Ichs ein­be­zie­hen wol­len. Es ist die­ses Ich die Ur­sa­che, daß sich al­le Wün­sche des Men­schen dar­auf rich­ten, die­ses Ich als sol­ches zu be­frie­di­gen. Wie die­ses Ich da­nach st­rebt, ei­nen Teil des ge­mein­sa­men Er­den­be­sit­zes an sich her­an­zu­brin­gen als sein Ei­gen­tum, wie die­ses Ich da­nach st­rebt, aus sei­nem Ge­bie­te al­le an­de­ren Iche hin­weg­zu­t­rei­ben, sie zu be­krie­gen, zu be­kämp­fen: das ist die ei­ne Sei­te des Ichs. Aber auf der an­de­ren Sei­te dür­fen wir nicht ver­ges­sen, daß die­ses Ich zu­g­leich das­je­ni­ge ist, was dem Men­schen sei­ne Selb­stän­dig­keit, sei­ne in­ne­re Frei­heit gibt, was den Men­schen im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes er­höht. In die­sem Ich ist sei­ne Wür­de be­grün­det. Es ist die An­la­ge zum Gött­li­chen im Men­schen.

Die­ser Ich-Be­griff macht vie­len Men­schen Schwie­rig­keit. Es ist uns ja klar ge­wor­den, daß sich das Ich des Men­schen her­au­sent-

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wi­ckelt hat aus ei­ner Grup­pen­see­len­haf­tig­keit, aus ei­ner Art um­fas­sen­den All-Ichs, aus dem es sich her­aus­dif­fe­ren­ziert hat. Un­rich­tig wä­re es, wenn der Mensch wie­der das Ver­lan­gen ha­ben wür­de, mit sei­nem Ich un­ter­zu­ge­hen in ir­gend­ein All­be­wußt­sein, in ir­gend­ein Ge­samt­be­wußt­sein. Al­les, was den Men­schen st­re­ben läßt, sein Ich zu ver­lie­ren, mit ihm auf­zu­ge­hen in ein All­be­wußt­sein, ist ein Er­zeug­nis der Schwäche. Nur der al­lein ver­steht das Ich, der da weiß, daß, nach­dem er sich die­ses Ich er­run­gen hat im Lau­fe der kos­mi­schen Ent­wi­cke­lung, es nun­mehr un­ver­lier­bar ist, und der Mensch muß vor al­len Din­gen nach der star­ken Kraft st­re­ben, wenn er die Wel­ten­mis­si­on ver­steht, die­ses Ich im­mer in­ner­li­cher, im­mer gött­li­cher zu ma­chen. Die wah­ren An­thro­po­so­phen ha­ben nichts von je­ner Phra­se in sich, die da im­mer wie­der be­tont das Auf­ge­hen des Ichs in ei­nem All-Ich, das Zu­sam­men­sch­mel­zen in ir­gend­ei­nen Ur­b­rei. Die wah­re an­thro­po­so­phi­sche Wel­t­an­schau­ung kann nur als End­ziel die Ge­mein­schaft der selb­stän­dig und frei ge­wor­de­nen Iche, der in­di­vi­du­ell ge­wor­de­nen Iche hin­s­tel­len. Das ist ja ge­ra­de die Er­den­mis­si­on, die sich durch die Lie­be aus­drückt, daß das Ich dem Ich frei ge­gen­über­ste­hen lernt. Kei­ne Lie­be ist voll­kom­men, die her­vor­geht aus Zwang, aus dem Zu­sam­men­ge­ket­tet­sein. Ein­zig und al­lein dann, wenn je­des Ich so frei und selb­stän­dig ist, daß es auch nicht lie­ben kann, ist sei­ne Lie­be ei­ne völ­lig freie Ga­be. Das ist so­zu­sa­gen der gött­li­che Wel­ten­plan, die­ses Ich so selb­stän­dig zu ma­chen, daß es aus Frei­heit selbst dem Gott die Lie­be als ein in­di­vi­du­el­les We­sen ent­ge­gen­brin­gen kann. Es wür­de hei­ßen, die Men­schen an Fä­den der Ab­hän­gig­keit füh­ren, wenn sie ir­gend­wie zur Lie­be, wenn auch nur im ent­fern­tes­ten, ge­zwun­gen wer­den könn­ten.

So wird das Ich das Un­terp­fand sein des höchs­ten Zie­les des Men­schen. So ist es aber zu glei­cher Zeit, wenn es nicht die Lie­be fin­det, wenn es sich in sich ver­här­tet, der Ver­füh­rer, der ihn in den Ab­grund stürzt. Dann ist es das­je­ni­ge, was die Men­schen von­ein­an­der trennt, was sie auf­ruft zum gro­ßen Krieg al­ler ge­gen al­le, nicht nur zum Krieg der Völ­ker ge­gen die Völ­ker denn der Volks­be­griff wird dann gar nicht mehr die Be­deu­tung ha­ben, die

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er heu­te hat , son­dern zum Krie­ge des ein­zel­nen ge­gen den ein­zel­nen auf den man­nig­fal­tigs­ten Ge­bie­ten des Le­bens, zum Krie­ge der Stän­de ge­gen die Stän­de, der Kas­ten ge­gen die Kas­ten, der Ge­sch­lech­ter ge­gen die Ge­sch­lech­ter. Auf al­len Ge­bie­ten des Le­bens wird al­so das Ich zum Zank­ap­fel wer­den, und da­her dür­fen wir sa­gen, daß das Ich auf der ei­nen Sei­te zum Höchs­ten und auf der an­de­ren zum Tiefs­ten füh­ren kann. Des­halb ist es ein schar­fes, zwei­schnei­di­ges Schwert. Und der­je­ni­ge, der da den Men­schen ge­bracht hat das vol­le Ich-Be­wußt­sein, der Chris­tus Je­sus, er wird, wie wir ge­se­hen ha­ben, sym­bo­lisch in un­se­rer Apo­ka­lyp­se mit Recht dar­ge­s­tellt als der­je­ni­ge, der das schar­fe, zwei­schnei­di­ge Schwert im Mun­de hat.

Wir ha­ben es ja als ho­he Er­run­gen­schaft des Men­schen hin­ge­s­tellt, daß er zu die­sem frei­en Ich-Be­griff ge­ra­de durch das Chris­ten­tum hat auf­s­tei­gen kön­nen. Der Chris­tus Je­sus hat die­ses Ich in vol­lem Um­fan­ge ge­bracht. Da­her muß die­ses Ich ge­ra­de durch das schar­fe, zwei­schnei­di­ge Schwert aus­ge­drückt wer­den, das Sie aus dem ei­nen un­se­rer Sie­gel ken­nen. Und daß die­ses schar­fe, zwei­schnei­di­ge Schwert aus dem Mun­de des Men­schen­soh­nes geht, das ist wie­der be­g­reif­lich, denn als der Mensch mit vol­lem Be­wußt­sein aus­sp­re­chen ge­lernt hat das Ich, da war es ihm ge­ge­ben, auf das Höchs­te hin­auf­zu­s­tei­gen, in das Tiefs­te hin­un­ter­zu­sin­ken. Das schar­fe, zwei­schnei­di­ge Schwert ist ei­nes der wich­tigs­ten Sym­bo­le, die uns in der Apo­ka­lyp­se ent­ge­gen­t­re­ten. (Ers­tes Sie­gel.)

Wenn wir nun uns klar sind über das, was am Schlus­se der letz­ten Be­trach­tung an uns her­an­ge­t­re­ten ist, daß auf un­se­re jet­zi­ge Kul­tur die­je­ni­ge fol­gen wird, die in den Send­sch­rei­ben cha­rak­te­ri­siert ist durch die Stadt Phi­la­del­phia, so müs­sen wir uns vor al­len Din­gen mer­ken, daß aus die­ser sechs­ten Kul­tur­stu­fe die­je­ni­gen Men­schen­see­len ge­nom­men wer­den, die hin­über­zu­le­ben ha­ben in das fol­gen­de Zei­tal­ter. Da, nach dem Krie­ge al­ler ge­gen al­le wie wir oft schon be­tont ha­ben , wird sich ja aus­le­ben in den Ge­sich­tern, was sich in der See­le der Men­schen in un­se­rer Zeit vor­be­rei­tet. Von ganz ge­rin­ger Wich­tig­keit wird die so­ge­nann­te sie­ben­te Kul­tur­stu­fe sein. Wir le­ben al­so in der fünf­ten Kul­tur­stu­fe,

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dann folgt die sechs­te, aus der her­aus­ge­hen wird ei­ne An­zahl von Men­schen voll Ver­ständ­nis für die spi­ri­tu­el­le Welt, durch­drun­gen von je­ner Ge­sin­nung der Bru­der­lie­be, die ge­ra­de aus der spi­ri­tu­el­len Er­kennt­nis folgt. Die reifs­te Frucht un­se­rer ge­gen­wär­ti­gen Kul­tur wird in die­ser sechs­ten Epo­che er­schei­nen. Und was dar­auf folgt, wird sein, was lau ist, was nicht warm und nicht kalt ist. Was als sie­ben­te Stu­fe folgt, ist so­zu­sa­gen in der ge­sam­ten Kul­tur et­was wie ei­ne über­rei­fe Frucht, wie et­was, was hin­über­lebt über den gro­ßen Krieg al­ler ge­gen al­le, aber kein Prin­zip des Fort­schrit­tes in sich ent­hält.

So war es auch, als un­se­re Kul­tur ent­stan­den ist. Den­ken wir zu­rück an die Zeit vor der at­lan­ti­schen Flut. Wir ha­ben ge­sagt: Es war im letz­ten Drit­tel der at­lan­ti­schen Zeit, die die Men­schen ja auf dem Bo­den durch­leb­ten, der heu­te vom At­lan­ti­schen Oze­an be­deckt ist, als sich ein klei­nes Häuf­lein in der Nähe des heu­ti­gen Ir­land bil­de­te, das zur höchs­ten Kul­tur­stu­fe der At­lan­tis ge­kom­men war und das dann aus­zog nach dem Os­ten, von wo aus al­le spä­te­ren Kul­tu­ren aus­ge­gan­gen sind. Fas­sen wir das so recht ins Au­ge, den­ken wir uns die­sen Fleck Er­de, der heu­te je­nes Meer bil­det im Wes­ten von Ir­land, den­ken wir uns von da aus­ge­hend ei­nen Volks­strom, der nach Os­ten wan­dert und von dem aus ei­ne Men­ge Volks­stäm­me zie­hen, die dann Eu­ro­pa be­völ­kern. Al­les, was an eu­ro­päi­scher Be­völ­ke­rung da ist, das ist von da­her ge­kom­men. Der be­gab­tes­te Teil der At­lan­tier zog nach Zen­trala­si­en; von da gin­gen die ver­schie­de­nen Kul­tu­ren aus, die wir be­schrie­ben ha­ben, bis zu uns he­r­ein. So al­so se­hen Sie, daß von ei­nem klei­nen Häuf­lein at­lan­ti­scher Leu­te un­se­re ge­gen­wär­ti­ge Kul­tur ih­ren Ur­sprung ge­nom­men hat.

Aber auch die­se at­lan­ti­sche Kul­tur hat­te sie­ben au­f­ein­an­der­fol­gen­de Stu­fen, ge­ra­de­so wie un­se­re Kul­tur sie­ben Stu­fen hat, die wir ken­nen als die alt­in­di­sche, alt­per­si­sche, as­sy­risch-ba­by­lo­nisch-chal­däisch-ägyp­tisch-jü­di­sche, die grie­chisch-latei­ni­sche, die uns­ri­ge und zwei wei­te­re. Und es war in der fünf­ten at­lan­ti­schen Kul­tur­stu­fe, als die­se Wan­de­rung be­gann, so daß die au­s­er­le­sens­te Be­völ­ke­rung der al­ten At­lan­tis, die un­se­rer Kul­tur zu­grun­de liegt, aus

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der fünf­ten at­lan­ti­schen Ras­se in der At­lan­tis dür­fen wir von Ras­sen sp­re­chen ge­nom­men ist. Es folg­te noch ei­ne sechs­te und ei­ne sie­ben­te Ras­se. Das wa­ren so­zu­sa­gen die lau­en Ras­sen. Auch sie über­dau­er­ten die gro­ße Flut, aber in ih­nen war nicht le­ben­dig sprie­ßen­de Kraft. Sie ver­hiel­ten sich et­wa so zu der fünf­ten Kul­tur, wie sich die Rin­de, die ver­holzt, ver­här­tet ist, zum saf­ti­gen Sten­gel ver­hält. So wa­ren die zwei Ras­sen, die auf die ei­gent­li­che Stamm­ras­se folg­ten, nicht ent­wi­cke­lungs­fähig; über­reif so­zu­sa­gen wa­ren sie.

Sie se­hen heu­te noch Nach­züg­ler die­ser al­ten über­rei­fen Ras­sen, na­ment­lich im chi­ne­si­schen Volk. Das chi­ne­si­sche Volk ist da­durch cha­rak­te­ri­siert, daß es sich nicht an­ge­sch­los­sen hat dem, was in der fünf­ten Ras­se, der Stamm­ras­se, ge­of­fen­bart wor­den war. Da­mals, als der Äther­leib hin­ein­ging in den phy­si­schen Leib, war es, wo der Mensch die ers­te An­la­ge zum Ich-sa­gen emp­fing. Sie hat­ten die­sen Zei­traum verpaßt. Sie hat­ten al­ler­dings da­durch je­ne ho­he Kul­tur ent­wi­ckelt, die be­kannt ist, die aber nicht bil­dungs­fähig war. Die fünf­te at­lan­ti­sche Ras­se schick­te übe­rall­hin ih­re Kul­tur­trä­ger, die neue, im­mer mehr sich ver­voll­komm­nen­de, wach­sen­de Volks­kul­tu­ren schu­fen. Ja, das wächst al­les, von der alt­in­di­schen Kul­tur bis zur uns­ri­gen. Die sechs­te und sie­ben­te Ras­se der At­lan­tis hat­ten sich in die Ver­här­tung be­ge­ben und wa­ren da­her in ei­nen sta­tio­nä­ren Zu­stand ge­kom­men. Wie ge­sagt, die chi­ne­si­sche Kul­tur ist ein Über­b­leib­sel da­von. Sie kann nicht aus sich her­aus­kom­men. Sie hat­te in der al­ten chi­ne­si­schen Kul­tur ei­ne wun­der­ba­re al­tat­lan­ti­sche Erb­schaft an­ge­t­re­ten, aber sie konn­te über ih­ren Höh­e­punkt nicht hin­aus. Nichts bleibt un­be­ein­flußt vom an­dern. Sie dür­fen die alt­chi­ne­si­sche Li­te­ra­tur an­se­hen: von übe­rall­her ist sie be­ein­flußt wor­den, aber ih­re Grund­far­be zeigt durch­aus den at­lan­ti­schen Cha­rak­ter. Die­ses In­sich­ge­sch­los­sen­sein, die­ses Er­fin­dun­gen-ma­chen und Da­bei­b­lei­ben, nie­mals sie über ei­nen ge­wis­sen Grad hin­aus­brin­gen kön­nen, das rührt al­les noch von dem Cha­rak­ter der At­lan­tis her.

Wie es da­zu­mal mit der fünf­ten Ras­se ge­gan­gen ist, daß sie die Bil­dungs­fähi­gen ge­lie­fert hat, und mit der sechs­ten und sie­ben­ten, daß sie in den Nie­der­gang ka­men, so wird es auch in un­se­rer Zeit

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sein. Jetzt le­ben wir noch mit al­ler Sehn­sucht hin zur sechs­ten Kul­tur, zu dem, was so ge­schil­dert wer­den muß, daß es aus der spi­ri­tu­el­len Ehe zwi­schen dem Wes­ten und dem Os­ten sich bil­det. Da wird die sechs­te Kul­tur­stu­fe die Grund­la­ge sein für das, was nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le als neue Kul­tu­ren auf­ge­hen wird, eben­so wie nach der at­lan­ti­schen Zeit un­se­re Kul­tu­ren auf­ge­gan­gen sind. Da­ge­gen wird die sie­ben­te Kul­tur­stu­fe durch die Lau­en re­prä­sen­tiert wer­den. Die­se sie­ben­te wird so hin­über­le­ben in die neue Zeit, wie die sechs­te und sie­ben­te Ras­se der at­lan­ti­schen Zeit als ver­här­te­te und sich ver­s­tei­fen­de Ras­sen in un­se­re Epo­che her­über­ge­lebt ha­ben. Nach dem Krie­ge al­ler ge­gen al­le wird es zwei Strö­mun­gen un­ter den Men­schen ge­ben: auf der ei­nen Sei­te die von Phi­la­del­phia mit dem Prin­zip des Fort­schrit­tes, der in­ne­ren Frei­heit, der Bru­der­lie­be, ein klei­nes Häuf­lein, aus al­len Stäm­men und Na­tio­nen sich zu­sam­men­set­zend, und auf der an­de­ren Sei­te die gro­ße Mas­se de­rer, die da lau sein wer­den, die Über­b­leib­sel de­rer, die jetzt lau sein wer­den, die Strö­mung von Lao­di­zea. Und es wird sich nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le dar­um han­deln, daß nach und nach durch die gu­te Ras­se, durch die gu­te Strö­mung die bö­se Strö­mung hin­über­ge­führt wird zum Gu­ten. Das wird ei­ne der Haupt­auf­ga­ben sein nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le: zu ret­ten, was zu ret­ten ist aus den­je­ni­gen, die nach dem gro­ßen Krie­ge nur das Be­st­re­ben ha­ben wer­den, ein­an­der zu be­kämp­fen, das Ich aus­le­ben zu las­sen im äu­ßers­ten Ego­is­mus. Inn­er­halb der Sphä­re des Ok­kul­tis­mus wird für al­le sol­che Din­ge im­mer vor­ge­sorgt in der Welt

Be­trach­ten Sie es nicht als ei­ne Här­te des Sc­höp­fungs­pla­nes, nicht als et­was, wes­we­gen man rech­ten kön­ne mit dem Sc­höp­fungs­plan, daß al­so die Mensch­heit ge­spal­ten wird in sol­che, die zur Rech­ten und die zur Lin­ken ste­hen wer­den, be­trach­ten Sie es viel­mehr als et­was, was im höchs­ten Gra­de wei­se im Sc­höp­fungs­pla­ne ist. Denn be­den­ken Sie ein­mal, daß ge­ra­de da­durch, daß so das Bö­se sich von dem Gu­ten trennt, das Gu­te sei­ne Haupt­stär­ke im Gu­ten er­hal­ten wird, denn es wird das Gu­te sich nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le je­de nur mög­li­che An­st­ren­gung ge­ben

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müs­sen, um die Bö­sen in dem Zei­traum, in dem es noch mög­lich sein wird, wie­der her­über­zu­zie­hen. Das wird nicht ei­ne Er­zie­hungs­auf­ga­be sein, wie heu­te die Er­zie­hungs­auf­ga­ben sind, son­dern da wer­den ok­kul­te Kräf­te mit­wir­ken, denn die Men­schen wer­den in die­sem nächs­ten gro­ßen Zei­traum ok­kul­te Kräf­te in Be­we­gung zu set­zen ver­ste­hen. Die Gu­ten wer­den die Auf­ga­be ha­ben, auf ih­re Mit­brü­der der bö­sen Strö­mung zu wir­ken. Und in den ok­kul­ten Wel­ten­strö­mun­gen wird die­ses al­les vor­be­rei­tet. Nur ver­steht man die tiefs­te al­ler ok­kul­ten Wel­ten­strö­mun­gen am al­ler­we­nigs­ten. Die Wel­ten­strö­mung, die das vor­be­rei­tet, sagt fol­gen­des zu ih­ren Schü­l­ern: Da re­den die Men­schen von Gut und Bö­se, und sie wis­sen nicht, daß es im Wel­ten­plan not­wen­dig ist, daß das Bö­se auch zu sei­ner Spit­ze kommt, da­mit die­je­ni­gen, die die­ses Bö­se über­win­den müs­sen, ge­ra­de in der Über­win­dung des Bö­sen die Kraft so nüt­zen, daß ein um so grö­ße­res Gu­tes her­aus­kommt. Aber es müs­sen die au­s­er­le­sens­ten Men­schen dar­auf vor­be­rei­tet wer­den, daß sie hin­über­le­ben über das Zei­tal­ter des gro­ßen Krie­ges al­ler ge­gen al­le, wo Men­schen ih­nen ent­ge­gen­ste­hen wer­den, die in ih­rem Ant­litz ha­ben wer­den die Zei­chen des Bö­sen, sie müs­sen vor­be­rei­tet wer­den dar­auf, daß so­viel als mög­lich gu­te Kraft ein­f­lie­ßen muß in die Mensch­heit. Es wird noch mög­lich sein, daß die bis zu ei­nem ge­wis­sen Gra­de wei­chen Lei­ber nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le um­ge­formt wer­den durch die be­kehr­ten See­len, durch die See­len, die noch in die­sem letz­ten Zei­traum zu dem Gu­ten hin­über­ge­führt wer­den. Da­mit wird viel er­reicht wer­den. Das Gu­te wür­de nicht ein so gro­ßes Gu­tes sein, wenn es nicht al­so wach­sen wür­de durch die Über­win­dung des Bö­sen. Die Lie­be wür­de kei­ne so in­ten­si­ve sein, wenn sie nicht ei­ne so gro­ße Lie­be wer­den müß­te, um selbst das Häß­li­che im Ant­lit­ze der bö­sen Men­schen zu über­win­den. Das wird schon vor­her vor­be­rei­tet, und den Schü­l­ern wird ge­sagt: Al­so dürft ihr nicht glau­ben, daß das Bö­se nicht im Sc­höp­fer­plan be­grün­det sei. Es ist da­r­in­nen, daß durch es ein­mal das gro­ße Gu­te sei.

Die­je­ni­gen, die vor­be­rei­tet wer­den in ih­ren See­len durch sol­che Leh­ren, da­mit sie einst­mals die­se gro­ße Er­zie­hungs­auf­ga­be lö­sen

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kön­nen, das sind die Schü­ler je­ner Geis­tes­rich­tung, die man nennt das Ma­nichäer­tum. Die Ma­nichäer­rich­tung wird ge­wöhn­lich falsch ver­stan­den. Wo Sie ir­gend et­was hö­ren oder le­sen dar­über, da ver­neh­men Sie ei­ne phra­sen­haf­te Re­de. Da heißt es, die Ma­nichäer glaub­ten, es ge­be von An­fang der Welt an zwei Prin­zi­pi­en, das Gu­te und das Bö­se. So ist es nicht, son­dern es ist die Leh­re, die Ih­nen eben au­s­ein­an­der­ge­setzt wor­den ist. Sol­che Leh­re und ih­re Um­set­zung für die Zu­kunft und die Schü­ler, die an­ge­lei­tet wer­den so, daß sie in künf­ti­gen Ver­kör­pe­run­gen solch ei­ne Auf­ga­be leis­ten kön­nen, das ist es, was man un­ter dem Na­men Ma­nichäer­tum ver­steht. Ma­nes ist je­ne ho­he In­di­vi­dua­li­tät, die im­mer und im­mer wie­der auf der Er­de ver­kör­pert ist, die der lei­ten­de Geist ist de­rer, die zur Be­keh­rung des Bö­sen da sind. Wenn wir von den gro­ßen Füh­r­ern der Men­schen sp­re­chen, so müs­sen wir auch die­ser In­di­vi­dua­li­tät ge­den­ken, wel­che sich die­se Auf­ga­be ge­setzt hat. Es wird, wenn auch in der Ge­gen­wart die­ses Prin­zip des Ma­nes sehr in den Hin­ter­grund hat tre­ten müs­sen, weil we­nig Ver­ständ­nis für den Spi­ri­tua­lis­mus da ist, es wird die­ses wun­der­bar herr­li­che Ma­nichäer-Prin­zip mehr und mehr Schü­ler ge­win­nen, je mehr wir dem Ver­ständ­nis des spi­ri­tu­el­len Le­bens ent­ge­gen­ge­hen.

So se­hen Sie, wie hin­über­lebt die ge­gen­wär­ti­ge Mensch­heit in die neue, spä­te­re Zeit über den Krieg al­ler ge­gen al­le hin­aus, eben­so wie je­ne Stamm­ras­se der At­lan­tier her­über­ge­lebt hat in un­se­re Zeit und un­se­re Kul­tur be­grün­det hat. In sie­ben au­f­ein­an­der­fol­gen­den Stu­fen wird sich nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le die Mensch­heit ent­fal­ten. Und wir ha­ben schon ge­se­hen, wie das­je­ni­ge, was über die Ent­sie­ge­lung der sie­ben Sie­gel ge­sagt wird in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes, uns den Cha­rak­ter an­gibt der au­f­ein­an­der­fol­gen­den sie­ben Stamm­kul­tu­ren, der sie­ben Kul­tur­stu­fen nach dem gro­ßen Krie­ge. Dann, wenn die­se Kul­tur, die der heu­ti­ge Mensch nur als Ein­ge­weih­ter in der as­tra­li­schen Welt und in der Sym­bo­lik der­sel­ben zu schau­en ver­mag, ab­ge­lau­fen sein wird, dann wird ei­ne neue Pe­rio­de für un­se­re Er­den­ent­wi­cke­lung be­gin­nen, in der wie­der­um neue For­men auf­t­re­ten wer­den. Und die­se neue Pe­rio­de, die dann folgt auf die eben be­schrie­be­ne, die wird uns

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sym­bo­li­siert in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes durch die sie­ben Po­sau­n­en­klän­ge. Eben­so wie die Kul­tur nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le durch die sie­ben Sie­gel cha­rak­te­ri­siert wird, weil sie der Se­her heu­te nur von der as­tra­li­schen Welt aus se­hen kann, so wird durch die Po­sau­n­en­klän­ge die Kul­tur­stu­fe, die auf je­ne folgt, aus dem Grun­de so cha­rak­te­ri­siert, weil der Mensch sie nur wahr­neh­men kann von der ei­gent­lich geis­ti­gen Welt aus, wo die Sphä­ren­klän­ge er­tö­nen. Wie der Mensch in Bil­dern, in Sym­bo­len die Welt wahr­nimmt auf dem as­tra­li­schen Plan, so nimmt er in der in­spi­rie­ren­den Sphä­ren­mu­sik die Welt im De­vachan wahr, und in die­sem De­vachan liegt auch so­zu­sa­gen der Gip­fel von dem, was sich auf den gro­ßen Krieg al­ler ge­gen al­le fol­gend ent­hül­len wird.

So ha­ben wir, wenn wir es noch ein­mal dar­s­tel­len, in dem ne­ben­ste­hen­den Sche­ma un­se­re sie­ben Kul­tur­stu­fen in der Li­nie ab, und zwar so, daß wir die al­te in­di­sche Kul­tur als ers­te ha­ben, die al­te per­si­sche als die zwei­te, die as­sy­risch-ba­by­lo­nisch-chal­däisch-ägyp­tisch-jü­di­sche als drit­te, die grie­chisch-latei­ni­sche als vier­te und die uns­ri­ge als fünf­te Kul­tur­stu­fe der nachat­lan­ti­schen Zeit. Die Li­nie IV wä­re die at­lan­ti­sche Zeit, a die gro­ße Flut, durch die die­se ihr En­de fin­det, und b der gro­ße Krieg al­ler ge­gen al­le. Dann folgt ei­ne Kul­tur von sie­ben Stu­fen (VI), die re­prä­sen­tiert wird durch die sie­ben Sie­gel, und dann folgt ei­ne Kul­tur von sie­ben Stu­fen, die re­prä­sen­tiert wird durch die sie­ben Po­sau­nen. Hier liegt dann über­haupt die Gren­ze un­se­rer phy­si­schen Er­den­ent­wi­cke­lung.

Nun gin­gen der at­lan­ti­schen Kul­tur, der­je­ni­gen Kul­tur, die der uns­ri­gen vor­an­ging, auch wie­der­um Kul­tur­stu­fen voran. Denn die uns­ri­ge, die auf die at­lan­ti­sche folgt, ist auf un­se­rer Er­de be­reits die fünf­te Kul­tur­stu­fe. Es ge­hen ihr vier Kul­tur­stu­fen voran. Die ers­te kön­nen wir aber kaum ei­ne Kul­tur­stu­fe nen­nen. Da ist al­les noch fein äthe­risch-geis­tig, al­les noch so, daß, wenn es sich so wei­ter fort­ent­wi­ckelt hät­te, es über­haupt nicht für Sin­ne­s­or­ga­ne un­se­rer Art sicht­bar ge­wor­den wä­re. Die ers­te Kul­tur­stu­fe ent­wi­ckel­te sich, als noch nicht ein­mal die Son­ne sich von der Er­de ent­fernt hat­te. Da gab es ganz an­de­re Ver­hält­nis­se, da kann man nicht sp­re­chen von et­was, was un­se­ren Din­gen ähn­lich sah. Dann

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folgt ei­ne Zeit, die da­durch cha­rak­te­ri­siert wird, daß die Son­ne sich weg­be­wegt, dann ei­ne, die da­durch cha­rak­te­ri­siert wird, daß der Mond aus der Er­de her­aus­geht. Das ist die drit­te Stu­fe, was wir die al­te le­mu­ri­sche Zeit nen­nen. Da tritt der jet­zi­ge Mensch in sei­nen al­le­r­ers­ten An­fän­gen auf un­se­rer Er­de auf, von de­nen ich Ih­nen an­ge­deu­tet ha­be, daß es solch gro­tes­ke Kör­per­for­men wa­ren, daß es Sie scho­ckie­ren wür­de, wenn Sie sie ge­schil­dert er­hiel­ten. Auf die­se, die le­mu­ri­sche Zeit, folg­te dann die at­lan­ti­sche und end­lich die uns­ri­ge.


So se­hen Sie, daß wir sie­ben Kul­tur­stu­fen ha­ben auf un­se­rer Er­de, sie­ben Ent­wi­cke­lungs­pe­rio­den der Er­de. Auf zwei se­hen wir zu­rück als ganz und gar un­ähn­lich un­se­rer Zeit, auf ei­ne drit­te so, daß sie sich zum Teil ab­ge­spielt hat auf ei­nem Platz zwi­schen dem heu­ti­gen Afri­ka und dem heu­ti­gen Asi­en und Aus­tra­li­en, auf dem al­ten Le­mu­ri­en. Da gab es wie­der­um un­ter den da­ma­li­gen Men­schen ei­ne klei­ne Grup­pe, wel­che die Vor­ge­rück­tes­ten in sich faß­te. Die­se Grup­pe war die al­ler­letz­te der Ras­sen. Al­so, die al­ler­letz­te der le­mu­ri­schen Ras­sen hat­te ein klei­nes Häuf­lein, das aus­wan­dern konn­te und das nach­her die sie­ben Ras­sen der At­lan­tier be­grün­de­te. Die letz­te der le­mu­ri­schen Ras­sen be­grün­de­te die at­lan­ti­schen Ras­sen. Die fünf­te der at­lan­ti­schen Ras­sen be­grün­de­te un­se­re Kul­tur. Die sechs­te der uns­ri­gen Kul­tu­ren be­grün­det die zu­künf­ti­ge Kul­tur nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le, und die al­ler­letz­te die­ser Kul­tu­ren wird die­je­ni­ge zu be­grün­den ha­ben, die durch die sie­ben Po­sau­nen an­ge­deu­tet wird.

Und nach die­ser Kul­tur, was wird dann ge­sche­hen? Da ist un­se­re Er­de zu­nächst am Ziel ih­rer phy­si­schen Ent­wi­cke­lung an­ge­langt. Da wer­den sich al­le Din­ge und We­sen­hei­ten auf un­se­rer Er­de um­ge­än­dert ha­ben. Denn wenn wir schon sa­gen müs­sen, daß in dem sechs­ten Zei­traum die Men­schen auf ih­rem Ant­lit­ze ihr

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Gu­tes und ihr Bö­ses tra­gen wer­den, dann wer­den wir um so mehr von je­nem sie­ben­ten sa­gen müs­sen, daß der Mensch in sei­ner Ge­stalt und al­le We­sen in ih­rer Ge­stalt ein Aus­druck sein wer­den des Gu­ten und des Bö­sen in viel höhe­rem Ma­ße noch als in dem sechs­ten Zei­traum. Al­les, was Ma­te­rie ist, wird den Stem­pel des Geis­tes tra­gen. Nichts, nichts wird in die­sem sie­ben­ten Zei­traum so sein, daß es ir­gend­wie ver­hüllt wer­den könn­te. Es ist schon für die Be­woh­ner des sechs­ten Zei­trau­mes nicht mög­lich, daß sie dem­je­ni­gen, der den Blick da­für hat, et­was ver­hül­len. Der Bö­se wird aus­drü­cken das Bö­se, der Gu­te das Gu­te. Aber in dem sie­ben­ten Zei­traum wird es nicht ein­mal mög­lich sein, durch die Spra­che zu ver­hül­len, was in der See­le ist. Der Ge­dan­ke wird nicht mehr ein stum­mer Ge­dan­ke sein, der ver­bor­gen wer­den kann. Wenn die See­le denkt, wird sie auch den Ge­dan­ken nach au­ßen er­k­lin­gen las­sen. Er wird dann so sein, wie die­ser Ge­dan­ke schon heu­te ist für den Ein­ge­weih­ten. Für den Ein­ge­weih­ten er­k­lingt der Ge­dan­ke heu­te im De­vachan. Aber die­ses De­vachan wird her­un­ter­ge­s­tie­gen sein bis in die phy­si­sche Welt, so wie die as­tra­li­sche Welt her­un­ter­ge­s­tie­gen sein wird bis in die phy­si­sche im sechs­ten Zei­traum. Heu­te schon ist der sechs­te Zei­traum zu fin­den in der as­tra­li­schen Welt, der sie­ben­te in der himm­li­schen Welt. Der sechs­te Zei­traum ist die her­un­ter­ge­s­tie­ge­ne as­tra­li­sche Welt, das heißt die Ab­bil­der, die Aus­drü­cke, die Of­fen­ba­run­gen da­von. Der sie­ben­te wird sein die her­un­ter­ge­s­tie­ge­ne himm­li­sche Welt, der Aus­druck der­sel­ben. Und dann wird die Er­de am Zie­le ih­rer phy­si­schen Ent­wi­cke­lung an­ge­langt sein.

Dann ver­wan­delt sich die Er­de in ei­nen as­tra­li­schen Him­mels­kör­per. Al­les, was an der Er­de ist als We­sen, ver­wan­delt sich in ei­nen as­tra­li­schen Him­mels­kör­per. Die phy­si­sche Sub­stanz ver­schwin­det als phy­si­sche Sub­stanz, sie geht in dem Teil, der bis da­hin die Mög­lich­keit ge­fun­den hat sich zu ver­geis­ti­gen, über in den Geist, in die as­tra­li­sche Sub­stanz. Al­so den­ken Sie wohl: Al­le die­je­ni­gen We­sen­hei­ten der Er­de, wel­che bis da­hin die Mög­lich­keit ge­fun­den ha­ben, in ih­rer äu­ße­ren ma­te­ri­el­len Ge­stalt aus­zu­drü­cken das Gu­te, das Ed­le, das In­tel­lek­tu­el­le, das Sc­hö­ne, die in ih­rem

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Ant­litz ei­nen Ab­druck zei­gen wer­den des Chris­tus Je­sus, die in ih­ren Wor­ten ei­nen Aus­druck zei­gen wer­den des Chris­tus Je­sus, die da tö­nen wer­den als tö­nen­de Ge­dan­ken, al­le die wer­den die Macht ha­ben, das, was sie an phy­si­scher Ma­te­rie in sich ha­ben, auf­zu­lö­sen, wie lau­es Was­ser Salz auflöst. Al­les Phy­si­sche wird über­ge­hen in ei­ne as­tra­li­sche Wel­ten­ku­gel. Das­je­ni­ge aber, was bis da­hin es nicht so weit ge­bracht hat, in dem Ma­te­ri­el­len, in dem Kör­per­li­chen ein Aus­druck des Ed­len, Sc­hö­nen, In­tel­lek­tu­el­len, des Gu­ten zu sein, das wird nicht die Kraft ha­ben, die Ma­te­rie auf­zu­lö­sen. Für das wird die Ma­te­rie be­ste­hen blei­ben, das wird sich ver­här­ten in die Ma­te­rie, das wird be­hal­ten ma­te­ri­el­le Ge­stalt. Es wird an die­ser Stel­le der Er­den­ent­wi­cke­lung statt­fin­den ein Auf­s­tieg ins Geis­ti­ge mit lau­ter Ge­stal­ten, die in die­sem As­tra­li­schen le­ben wer­den und die aus­schei­den wer­den aus sich ei­ne an­de­re ma­te­ri­el­le Ku­gel, ei­ne Ku­gel, wel­che die We­sen ent­hal­ten wird, die un­brauch­bar sind für den Auf­s­tieg, weil sie nicht das Ma­te­ri­el­le auflö­sen kön­nen.

So wird un­se­re Er­de ih­rer Zu­kunft ent­ge­gen­le­ben. So wird sie in ih­rer Ma­te­rie sich im­mer mehr ver­fei­nern, in­dem die See­le von in­nen her­aus die­se Ma­te­rie all­mäh­lich ver­fei­nert, bis sie die Kraft er­hält, sie auf­zu­lö­sen. Dann wird die Zeit kom­men, wo das Nicht­auflös­ba­re her­aus­ge­trie­ben wird in ei­ner be­son­de­ren Wel­ten­ku­gel. Sie­ben Zei­träu­me wer­den ver­ge­hen, wäh­rend das her­aus­ge­trie­ben wird, was in der Ma­te­rie sich ver­här­tet hat, und die Kraft, die das her­aus­ge­trie­ben, wird die ge­gen­tei­li­ge Kraft sein von der, wel­che die gu­ten We­sen hin­auf­ge­trie­ben ha­ben wird. Was wird sie denn zum Auflö­sen der Ma­te­rie brin­gen? Das ist eben die Kraft der Lie­be, die durch das Chris­tus-Prin­zip ge­won­nen wird. Die We­sen wer­den fähig, die Ma­te­rie auf­zu­lö­sen da­durch, daß sie die Lie­be in ih­re See­le auf­neh­men. Je wär­m­er die See­le wird durch die Lie­be, des­to in­ten­si­ver wird sie wir­ken kön­nen auf das Ma­te­ri­el­le. Sie wird die gan­ze Er­de ver­geis­ti­gen, ve­ras­tra­li­sie­ren, in ei­ne As­tral­ku­gel ver­wan­deln. Aber eben­so wie die Lie­be die Ma­te­rie auflöst wie lau­es Was­ser das Salz, so wird das Ge­gen­teil von Lie­be hin­un­ter­drü­cken, wie­der­um durch sie­ben Stu­fen, al­les, was nicht fähig ge­wor­den ist, die­se Er­den­mis­si­on zu er­fül­len.

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Das Ge­gen­teil der gött­li­chen Lie­be nennt man den gött­li­chen Zorn. Das ist der tech­ni­sche Aus­druck. Wie die­se Lie­be im Lau­fe der vier­ten Kul­tur­stu­fe der Mensch­heit ein­ge­prägt wor­den ist, wie sie im­mer wär­m­er und wär­m­er wird durch die letz­ten Kul­tur­stu­fen un­se­rer Zeit, durch die sechs­te und sie­ben­te, so wächst an auf der an­de­ren Sei­te das­je­ni­ge, was die Ma­te­rie um sich ver­här­tet: der gött­li­che Zorn. Und die­ses Wir­ken des gött­li­chen Zor­nes, die­ses Hin­aus­sto­ßen der Ma­te­rie, wird uns an­ge­deu­tet in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes durch das Aus­gie­ßen der sie­ben gött­li­chen Zor­nes-scha­len. Stel­len Sie sich vor, wie das Gan­ze so­zu­sa­gen fi­gür­lich sein wird: Die Er­de wird im­mer fei­ner und fei­ner in der Ma­te­rie, der Mensch auch im­mer geis­ti­ger in sei­ner Ma­te­rie, und die gröbs­ten Tei­le wer­den nur sicht­bar sein in dem Fei­nen wie Scha­len, wie zum Bei­spiel die Rep­ti­li­en sie ab­wer­fen oder die Schne­cken. So wer­den die har­ten Tei­le im­mer mehr und mehr an­ge­g­lie­dert sein der sich ver­fei­nern­den Ma­te­rie. In dem letz­ten Zei­traum, dem Zei­traum der Po­sau­n­en­klän­ge, wür­den Sie schon se­hen mit hell­se­he­ri­schen Au­gen, wie die Men­schen aus fei­nen Lei­bern be­ste­hen, aus durch­geis­tig­ten Lei­bern, und wie die­je­ni­gen, die in sich ver­här­tet ha­ben das ma­te­ri­el­le Prin­zip, das in sich be­wahrt ha­ben, was heu­te die wich­tigs­ten Be­stand­tei­le der Ma­te­rie sind, und wie das wie Hül­sen her­un­ter­fal­len wird in die­se ma­te­ri­el­le Ku­gel, die als Über­b­leib­sel sein wird nach die­sem Zei­traum, der durch die Po­sau­n­en­klän­ge an­ge­deu­tet wird.

Das ist es, was uns die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes als Pro­phe­tie gibt. Und es ist wich­tig, daß wir uns mit un­se­rer See­le in die­se Pro­phe­tie ein­füh­len, so daß sie be­feu­ernd auf un­se­ren Wil­len wirkt. Denn was hat als­dann der Mensch aus sich ge­macht, wenn die­ser sechs­te und sie­ben­te Zei­traum vor­über sein wer­den? Was hat der Mensch dann aus sei­nem Lei­be ge­macht? Wenn wir jetzt den men­sch­li­chen Leib an­se­hen, so ist er noch nicht der Aus­druck der in­ne­ren See­le. Aber im­mer mehr und mehr wird der Leib ein Aus­druck des­sen wer­den, was die See­le in ih­rem In­nern er­lebt. Da­durch wird das äu­ße­re Leib­li­che ein Aus­druck des Gu­ten, daß der Mensch auf­nimmt die höchs­te Bot­schaft, die höchs­te Leh­re, die es

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auf die­ser Er­de gibt, und die­se höchs­te der Leh­ren ist die Bot­schaft von dem Chris­tus Je­sus auf der Er­de. Das Höchs­te, das uns ge­ge­ben wer­den kann, ist die Bot­schaft von Chris­tus Je­sus. Wohl müs­sen wir sie auf­neh­men, und nicht bloß mit dem Ver­stand. Wir müs­sen sie in un­ser In­ners­tes auf­neh­men, wie man die Nah­rung im phy­si­schen Lei­be auf­nimmt. Und in­dem die Mensch­heit sich durch die­se Kul­tur­stu­fe hin­über­ent­wi­ckelt, wird sie im­mer mehr und mehr die fro­he Bot­schaft in ihr In­ne­res auf­neh­men, und ge­ra­de die Auf­nah­me der Bot­schaft der Lie­be wird sie als das Er­geb­nis der Er­den­mis­si­on zu be­trach­ten ha­ben. In den Evan­ge­li­en, in dem «Bu­che», ist die Kraft der Lie­be ent­hal­ten, al­le Kraft der Lie­be. Und der Se­her kann nichts an­de­res sa­gen als: Ich se­he im Geis­te ei­ne Zeit vor mir, wo das­je­ni­ge, was im Evan­ge­li­um ist, nicht mehr in ei­nem Bu­che drau­ßen sein wird, son­dern wo das ver­sch­lun­gen sein wird vom Men­schen sel­ber.

Un­se­re Er­den­ent­wi­cke­lung be­ruht auf zwei­er­lei. Un­se­rer Er­de ist vor­an­ge­gan­gen das­je­ni­ge, was wir nen­nen den Kos­mos der Weis­heit, und ihm ist vor­an­ge­gan­gen das­je­ni­ge, was wir nen­nen das Wort sagt frei­lich nicht viel, aber wir müs­sen es ge­brau­chen, weil es ge­bräuch­lich ge­wor­den ist den Kos­mos der Stär­ke, der Kraft. Weis­heit und Stär­ke ist es, was die Er­de als Erb­schaft von frühe­ren Ent­wi­cke­lungs­stu­fen, vom al­ten Mond und der al­ten Son­ne über­nom­men hat Wir wer­den se­hen, wie inn­er­halb un­se­rer Er­den­ent­wi­cke­lung das auch zum Aus­druck kommt da­durch, daß wir die ers­te Hälf­te der Er­den­ent­wi­cke­lung nach dem Ver­t­re­ter der Son­nen­kraft, dem Mars, be­nen­nen. Denn jetzt brau­chen wir nur zu be­den­ken, daß wir inn­er­halb un­se­rer Er­den­ent­wi­cke­lung im Mars das­je­ni­ge ha­ben, was der Er­de ein­gepflanzt hat das Ei­sen. Wir se­hen im Mars den Brin­ger von Stär­ke. Und in dem, was die zwei­te Hälf­te der Er­den­ent­wi­cke­lung be­herrscht, ha­ben wir den Stell­ver­t­re­ter der al­ten Mon­den­ent­wi­cke­lung, den Mer­kur, wel­cher der Er­de die al­te Erb­schaft des Mon­des, die Weis­heit, ein­ver­leibt. So setzt sich uns die Er­den­ent­wi­cke­lung zu­sam­men aus Mars- und Mer­kur­ent­wi­cke­lung. Sie hat als Erb­schaft über­nom­men zwei star­ke, ge­wal­ti­ge Kräf­te. Das, was sie er­erbt hat vom Kos­mos der Stär­ke,

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drückt sich aus im Mars, und was sie er­erbt hat vom Kos­mos der Weis­heit, drückt sich im Mer­kur aus. Sie, die Er­de sel­ber, soll hin­zu­brin­gen die Lie­be durch ih­re Mis­si­on. Die­se Lie­be soll als das Er­geb­nis der Er­den­ent­wi­cke­lung sich herr­lich of­fen­ba­ren. Das ist ein sehr tie­fer Ge­dan­ke des Apo­ka­lyp­ti­kers. Das ist der tie­fe Ge­dan­ke, der au­ßer­dem an­knüpft an die gan­ze üb­ri­ge Er­den­ent­wi­cke­lung. (Sie­he das vier­te Sie­gel­bild.)

Noch ein­mal ver­set­zen Sie sich mit mir zu­rück in die äl­tes­te at­lan­ti­sche Zeit, in je­ne Zeit, von der wir ge­sagt ha­ben, daß die Luft noch durch­setzt war von Was­ser. Der Mensch war noch für das Was­ser ge­baut. In der Mit­te der At­lan­tis erst ist er so weit, daß er sich dem Was­ser en­t­reißt und den fes­ten Bo­den be­tritt. Bis zu der Zeit, wo die Er­de in der Mit­te ih­rer Ent­wi­cke­lung war, müs­sen wir das Was­ser eben­so als den Trä­ger der men­sch­li­chen Ent­wi­cke­lung auf­fas­sen wie spä­ter die fes­te Er­de. Die fes­te Er­de wur­de so­zu­sa­gen erst spät der Schau­platz der Men­schen. Es ist nur halb rich­tig, wenn man von der gan­zen At­lan­tis wie von ei­nem tro­cke­nen Lan­de spricht. Sie ist in vie­ler Be­zie­hung nicht et­wa vom Mee­re be­deckt, aber von ei­nem sol­chen Mit­tel­ding, wie Luft, die von Was­ser dicht er­füllt ist, und die­se Was­ser-Luft ge­hört zu dem Ele­men­te, in dem der Mensch leb­te. Erst spä­ter wur­de er fähig, in der frei­en Luft zu le­ben und auf dem fes­ten Bo­den zu ste­hen. Das ist ver­hält­nis­mä­ß­ig noch nicht lan­ge her. So daß wir sa­gen, wenn wir die Er­den­ent­wi­cke­lung über­bli­cken, sym­bo­lisch aus­ge­drückt: Wir ha­ben auf der ei­nen Sei­te Er­de und auf der an­de­ren Sei­te Was­ser. Das ist die frühe­re Zeit. Und aus dem Was­ser ragt her­vor die ei­ne der Kräf­te bis zur ers­ten Hälf­te der Ent­wi­cke­lung, und aus der Er­de ragt her­vor die an­de­re der Kräf­te. Bis zur Mit­te der vier­ten Pe­rio­de sp­re­chen wir von den Mars­kräf­ten, von den Kräf­ten, die so­zu­sa­gen das Was­ser gibt, und wir sp­re­chen von den Mer­kur­kräf­ten in der spä­te­ren Zeit, wo die fes­te Er­de die Stütz­kräf­te gibt. Das glie­dert sich so recht zu­sam­men in die Vor­stel­lung, daß der Mensch ge­stützt wird in sei­ner gan­zen Er­den­mis­si­on durch zwei Säu­len, je­ne zwei Säu­len, die Sie sym­bo­lisch ge­se­hen ha­ben beim Mün­che­ner Kon­g­reß im Saa­le. Die­se zwei Säu­len stel­len dar die

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zwei Tei­le der Er­den­mis­si­on, die zwei Erb­schaf­ten, die der Mensch ge­macht hat von frühe­ren Zei­ten. Und über ih­nen sym­bo­li­siert sich das­je­ni­ge, was durch die Er­de sel­ber er­reicht wer­den soll: die Lie­be, die sich dar­lebt, herr­lich sich of­fen­ba­rend, die ge­stützt wird durch die­se Erb­schaf­ten.

So schil­dert der Apo­ka­lyp­ti­ker es wir­k­lich so, wie es sich dar­s­tellt für den Men­schen, der auf­s­teigt in geis­ti­ge Re­gio­nen. Des­halb wird das­je­ni­ge, was uns ent­ge­gen­tritt, wenn wir an­schau­en, was über die Er­de hin­aus liegt, was uns ent­ge­gen­tritt in dem Mo­men­te, wo die Er­den­sub­stanz ih­re Ma­te­rie auflöst ins Geis­ti­ge, sym­bo­lisch an­ge­deu­tet durch das, was wir in dem vier­ten Sie­gel se­hen. Selbst­ver­ständ­lich muß es jetzt um­ge­kehrt er­schei­nen, weil es Zu­künf­ti­ges dar­s­tellt. Es er­schei­nen uns die zwei Kräf­te, wel­che die Er­de als Erb­schaft über­nom­men hat vom Kos­mos der Weis­heit und der Stär­ke, und es er­scheint uns al­les, was als Er­fül­lung der Er­den­mis­si­on sich zeigt als die Kraft der Lie­be, die der Mensch aus­bil­det, und das Gan­ze er­scheint uns wie die Per­so­ni­fi­ka­ti­on des zu­künf­ti­gen Men­schen, so daß der Mensch der Zu­kunft, ge­stützt von die­sen bei­den Kräf­ten, durch­drun­gen von die­ser Kraft der Lie­be, uns sym­bo­lisch hier ent­ge­gen­tritt. Die Bot­schaft der Lie­be, das Buch, das er vor sich hat, ist ein Buch, das nicht nur von au­ßen wirkt, son­dern das er ver­sch­lin­gen soll. Da se­hen wir vor uns hin­ge­s­tellt das ge­wal­ti­ge Bild, das hier uns er­scheint. «Und ich sah ei­nen an­de­ren Kraf­ten­gel» das heißt ein We­sen, das so dar­ge­s­tellt wird, weil es schon über dem heu­ti­gen Men­schen steht «von den geis­ti­gen Sphä­ren her­ab­kom­men», so sieht es der Se­her, «der war mit ei­ner Wol­ke be­k­lei­det und sein Ant­litz war wie die Son­ne und sei­ne Fü­ße wie Pfei­ler, feu­ri­ge Pfei­ler.» Das sind die zwei Kräf­te, von de­nen wir ge­spro­chen ha­ben, wel­che die Er­de als Erb­schaft emp­fan­gen hat. «Und er hat­te in sei­ner Hand ein Büch­lein auf­ge­tan; und er setz­te sei­nen rech­ten Fuß auf das Meer und den lin­ken auf die Er­de.» Und Jo­han­nes sprach zum En­gel: «Gib mir das Büch­lein.» «Und er sprach zu mir: Nimm hin und ver­sch­lin­ge es; und es wird dich im Bau­che grim­men, aber in dei­nem Mun­de wird es süß sein wie Ho­nig. Und ich nahm das Büch­lein

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von der Hand des En­gels und ver­schlang es; und es war süß in mei­nem Mun­de wie Ho­nig.»

Da ha­ben wir das, was uns ge­sagt wer­den muß als die Emp­fin­dung, die auf­tritt im Se­her, wenn er sei­nen Blick hin­rich­tet auf den Punkt, wo die Er­de aus dem Phy­sisch-Ma­te­ri­el­len ins As­tra­lisch-Geis­ti­ge über­geht, wo die Er­den­mis­si­on er­reicht ist. Und wenn der Se­her dies sieht, dann lernt er, was wir­k­lich mit die­ser Bot­schaft der Lie­be zu­sam­men­hängt, die als Im­puls auf der vier­ten Kul­tur­stu­fe her­ein­ge­zo­gen ist: er lernt schon im heu­ti­gen Le­ben, wie der Apo­ka­lyp­ti­ker es ge­lernt hat, was Se­lig­keit ist und was der Mensch­heit als Se­lig­keit vor­an­ge­s­tellt wer­den kann. Aber er lernt es eben im heu­ti­gen Lei­be; denn wenn auch ein noch so ho­hes We­sen mit Men­schen le­ben woll­te, müß­te es sich flei­sch­lich ver­kör­pern. Und in man­cher Be­zie­hung gibt der heu­ti­ge Leib ge­ra­de da­durch, daß er dem Geist die Mög­lich­keit bie­tet, hoch hin­auf­zu­s­tei­gen, auch die Mög­lich­keit zu lei­den. Wäh­rend al­so die See­le des Se­hers, die der Apo­ka­lyp­ti­ker ge­schil­dert hat, in geis­ti­ge Re­gio­nen hin­auf­s­tei­gen kann, um das Evan­ge­li­um der Lie­be zu emp­fan­gen, und im Geis­te die Se­lig­keit süß wie Ho­nig emp­fin­den kann, lebt der Se­her doch in ei­nem heu­ti­gen Lei­be, und dem­ent­sp­re­chend muß er aus­drü­cken, daß das Hin­auf­s­tei­gen im heu­ti­gen Lei­be in vie­ler Be­zie­hung das Ge­gen­stück je­ner Se­lig­keit her­vor­ruft. Das drückt er da­durch aus, daß er sagt, das Büch­lein ma­che ihm, ob es gleich süß sei wie Ho­nig, als er es ver­schluckt hat, grim­mi­ge Sch­mer­zen im Bau­che. Aber das ist nur ein klei­ner Ab­glanz von dem, «im Lei­be ge­k­reu­zigt» zu sein. Je höh­er der Geist steigt, des­to schwie­ri­ger wird ihm das Woh­nen im Lei­be. Und das ist zu­nächst der sym­bo­li­sche Aus­druck für die­se Sch­mer­zen: «Ge­k­reu­zigt sein im Lei­be.»

Da­mit ha­ben wir skiz­zen­haft an­ge­deu­tet, was ge­sche­hen wird inn­er­halb un­se­rer Er­den­ent­wi­cke­lung, was dem Men­schen in der Er­den­ent­wi­cke­lung be­vor­steht. Wir sind her­an­ge­kom­men bis zu dem Punkt, wo der Mensch ver­wan­delt wird, ver­wan­delt wird ins As­tra­li­sche, wo die Er­de in ih­ren bes­ten Tei­len als phy­si­sche Er­de ver­schwin­den und ins Geis­ti­ge über­ge­hen wird, wo nur et­was wie

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ein ab­ge­son­der­ter Teil durch den gött­li­chen Zorn ab­fal­len wird in den Ab­grund. Und wir wer­den se­hen, daß selbst da noch nicht die letz­te Stu­fe er­s­tie­gen ist, aus der nicht Ret­tung mög­lich wä­re, ob­zwar das­je­ni­ge, was sich gel­tend macht in dem Ab­grund, durch die furcht­bars­ten Sym­bo­le ge­kenn­zeich­net wird: durch das sie­ben­köp­fi­ge und zehn­hör­ni­ge und durch das zwei­hör­ni­ge Tier.

11 – NEUNTER VORTRAG, Nürnberg, 26. Juni 1908

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Ne­un­ter VOR­TRAG

Nürn­berg, 26. Ju­ni 1908

Ges­tern sind wir in un­se­rer Schil­de­rung von der Ent­wi­cke­lung des Men­schen bis zu dem Punk­te ge­langt, wo nach je­ner Zeit, die durch die sie­ben Po­sau­n­en­stö­ße cha­rak­te­ri­siert wird, die Er­de mit all ih­ren We­sen­hei­ten über­geht in ei­nen an­de­ren Zu­stand, wo so­zu­sa­gen das Phy­si­sche sich auflöst und ver­wan­delt in Geis­ti­ges, zu­nächst in As­tra­li­sches. Es ent­steht ei­ne as­tra­li­sche Er­de, und in die­se as­tra­li­sche Er­de ge­hen al­le die­je­ni­gen We­sen­hei­ten ein, wel­che da­zu reif ge­wor­den sind, das heißt, wel­che fähig ge­wor­den sind, selbst ihr Ma­te­ri­el­les zu über­win­den, zu ver­wen­den im Di­ens­te des Geis­ti­gen. Da­ge­gen wird al­les das, was nicht im­stan­de ist, das Leib­li­che, das Ma­te­ri­el­le in Geis­ti­ges zu ver­wan­deln, was haf­tet am Ma­te­ri­el­len, aus­ge­wor­fen wer­den und ei­ne Art Ne­be­n­er­de bil­den, de­ren Be­trach­tung recht lehr­reich ist, um das Schick­sal der zu­künf­ti­gen Mensch­heit zu er­ken­nen. Da­zu ist es aber vor al­len Din­gen nütz­lich, daß wir uns ein­mal klar­ma­chen, was bei die­ser As­tra­li­sie­rung un­se­rer Er­de aus den­je­ni­gen Men­schen ge­wor­den ist, die den Rei­fe­grad er­langt ha­ben, die das Chris­tus-Prin­zip in sich auf­ge­nom­men und wirk­sam ha­ben wer­den las­sen. Was aus dem Men­schen wer­den kann, das soll uns nun ein­mal be­schäf­ti­gen.

Wir wer­den am bes­ten ver­ste­hen, was aus dem Men­schen wer­den kann, wenn wir die Ge­duld ha­ben, den Men­schen noch­mals zu be­trach­ten, wie er ge­wor­den ist und wel­che Ent­wi­cke­lungs­mög­lich­kei­ten für die Zu­kunft in ihm sind. Wenn wir den Men­schen heu­te be­trach­ten, so steht er vor uns als ein vier­g­lie­d­ri­ges We­sen. Das ers­te, was wir am Men­schen er­ken­nen, ist der so­ge­nann­te phy­si­sche Leib. Das ist das­je­ni­ge Glied, das der Mensch ge­mein­schaft­lich hat mit al­len heu­ti­gen Ge­sc­höp­fen des Mi­ne­ral­rei­ches, das man am Men­schen mit Au­gen se­hen, mit Hän­den grei­fen kann. Es ist das nie­ders­te Glied der men­sch­li­chen We­sen­heit, das­je­ni­ge, was al­lein zu­rück­b­leibt als Leich­nam im To­de. Aber die­ser phy­si­sche

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Leib wür­de je­den Au­gen­blick das Schick­sal ha­ben, das der Leich­nam im To­de hat, er wür­de zer­fal­len, wenn er nicht durch­drun­gen wä­re von dem, was wir nen­nen den Äther- oder Le­bens­leib. Die­sen Äther­leib hat der Mensch nicht mehr ge­mein­schaft­lich mit den Ge­sc­höp­fen des mi­ne­ra­li­schen Rei­ches, er hat ihn ge­mein­schaft­lich mit den We­sen des Pflan­zen­rei­ches auf der Er­de. Der Äther­leib ist in je­dem Men­schen ein Kämp­fer ge­gen den Tod, der zwi­schen Ge­burt und Tod die Tei­le des phy­si­schen Lei­bes, die sich fort­wäh­rend tren­nen wol­len, zu­sam­men­hält. Was ist in Wahr­heit des Men­schen phy­si­scher Leib? Das, was er nach ei­ni­ger Zeit wird, wenn der Tod die Ge­stalt zer­stört hat: Asche, ein Häuf­lein Asche, das nur so künst­lich in sei­nen Tei­len hin­ein­ge­ord­net ist in den Le­bens­leib, daß das Gan­ze des Men­schen den Ein­druck macht, den es heu­te auf den Be­schau­er aus­übt. Das zwei­te Glied al­so ist der Äther- oder Le­bens­leib. Das drit­te, das der Mensch mit al­len Tie­ren ge­mein hat, ist der so­ge­nann­te as­tra­li­sche Leib, der Trä­ger von al­len In­s­tink­ten, Lei­den­schaf­ten, Be­gier­den, von al­len Ge­dan­ken und Vor­stel­lun­gen und so wei­ter, das, was man ge­wöhn­lich das See­li­sche nennt im Men­schen. Dann ha­ben wir als vier­tes je­nes Glied der men­sch­li­chen We­sen­heit, das den Men­schen zur Kro­ne der Er­den­sc­höp­fung macht, wel­ches ver­ur­sacht, daß er hin­aus­ragt über al­le üb­ri­gen We­sen­hei­ten der Er­den­sc­höp­fung und das den Men­schen vor­zugs­wei­se da­zu be­fähigt, sich als Ich, als in­di­vi­du­el­les, selbst­be­wuß­tes We­sen des Er­den­da­seins zu ent­wi­ckeln.

In der Zu­kunft wird die Ent­wi­cke­lung des Men­schen so ver­lau­fen, daß der Mensch nach und nach von sei­nem Ich aus die nie­de­ren Tei­le, die un­ter dem Ich lie­gen, be­ar­bei­tet, durch­ar­bei­tet, daß er das Ich zum Herrn der an­de­ren Tei­le macht. Wenn das Ich durch­ge­ar­bei­tet, zu sei­nem Ei­gen­tum ge­macht hat den as­tra­li­schen Leib, so daß nichts mehr von un­be­wuß­ten und un­be­wach­ten Trie­ben, In­s­tink­ten und Lei­den­schaf­ten in die­sem As­tral­leib ist, dann hat es aus­ge­bil­det, was wir Geist­selbst oder Ma­nas nen­nen. Das ist nichts an­de­res, als was der as­tra­li­sche Leib auch ist, nur ist die­ser eben vor sei­ner Um­wand­lung durch das Ich das drit­te Glied. Wenn das Ich dann auch den Äther­leib um­wan­delt, so ent­steht Buddhi

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oder Le­bens­geist, und wenn das Ich einst­mals in ur­fer­ner Zu­kunft den phy­si­schen Leib um­wan­delt, so daß die­ser durch das Ich selbst ganz ver­geis­tigt ist und das ist die schwie­rigs­te Ar­beit, weil der phy­si­sche Kör­per der dich­tes­te ist , dann hat sich der phy­si­sche Leib zum höchs­ten Glied der men­sch­li­chen We­sen­heit ent­wi­ckelt, zu At­ma oder Geist­mensch.


So ha­ben wir, wenn wir uns die­sen Men­schen vor­s­tel­len in sei­ner Sie­ben­g­lie­d­rig­keit, den phy­si­schen Leib, den Äther- oder Le­bens­leib, den as­tra­li­schen Leib, das Ich, fer­ner das­je­ni­ge, was der Mensch in der Zu­kunft ent­wi­ckelt, Geist­selbst oder Ma­nas, Le­bens­geist oder Buddhi und Geist­mensch oder At­ma. Das ist der sie­ben­g­lie­d­ri­ge Mensch. Doch wird der Mensch die­se höhe­ren Glie­der erst in ur­fer­ner Zu­kunft ent­wi­ckeln. Auf un­se­rer Er­de ist es dem Men­schen noch nicht be­schie­den, so weit auf sich zu wir­ken, daß er al­le die­se höhe­ren geis­ti­gen Tei­le zur Aus­bil­dung bringt.

Wenn wir so die­sen sie­ben­g­lie­d­ri­gen Men­schen be­trach­ten, dann ha­ben wir aber den Men­schen, der heu­te vor uns steht, doch noch nicht ganz be­grif­fen. Zwar ist es rich­tig, daß, wenn wir im gro­ßen und gan­zen den Men­schen über­schau­en, wir von die­sen sie­ben Glie­dern re­den kön­nen. Aber wir müs­sen, wenn wir den heu­ti­gen Men­schen ver­ste­hen wol­len, noch ge­nau­er re­den.

Sie wer­den sich er­in­nern, daß der phy­si­sche Leib auf dem Sa­turn ent­wi­ckelt wor­den ist, der Äther­leib auf der Son­ne, der as­tra­li­sche Leib auf dem Mon­de, und daß das Ich auf der Er­de sich aus­bil­den

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soll und sich bis zu ei­nem be­stimm­ten ho­hen Grad schon aus­ge­bil­det hat. Nun aber müs­sen wir die­se Er­den­ent­wi­cke­lung des Men­schen noch et­was ge­nau­er ins Au­ge fas­sen. Das­je­ni­ge, was man Geist­selbst, um­ge­wan­del­ten As­tral­leib nennt, daß der Mensch ganz voll­kom­men be­wußt inn­er­halb die­ses Geist­selbs­tes, sei­nes as­tra­li­schen Lei­bes, wirkt und ar­bei­tet, das wird für die gro­ße Zahl der Men­schen erst am En­de der Er­den­ent­wi­cke­lung er­reicht sein. Da­ge­gen muß­te der Mensch wäh­rend un­se­rer Er­den­ent­wi­cke­lung ei­ne Art Vor­be­rei­tung durch­ma­chen, die es schon im Lau­fe der Er­den­ent­wi­cke­lung mög­lich mach­te, so­zu­sa­gen halb be­wußt und halb un­be­wußt an sei­nen drei nie­d­ri­gen Glie­dern zu ar­bei­ten.

Die­ses halb be­wuß­te und halb un­be­wuß­te Ar­bei­ten be­gann in der le­mu­ri­schen Zeit, auf die wir ja schon hin­ge­wie­sen ha­ben. Da­mals fing das Ich im ganz dump­fen Be­wußt­sein an zu ar­bei­ten, und zwar zu­nächst an dem as­tra­li­schen Leib. Wenn Sie al­so die Er­den­ent­wi­cke­lung ver­fol­gen von der le­mu­ri­schen Zeit aus in die ers­te at­lan­ti­sche he­r­ein, dann wer­den Sie fin­den, daß das Ich zu­erst halb un­be­wußt, nur däm­mer­haft be­wußt, an sei­nem as­tra­li­schen Leib ar­bei­te­te. Was da­mals zu­erst auf der Er­de als Um­wand­lung­s­pro­dukt des as­tra­li­schen Lei­bes er­schie­nen ist, nen­nen wir Emp­fin­dungs­see­le. Dann ar­bei­te­te wäh­rend der at­lan­ti­schen Zeit, wäh­rend­dem die Luft durch­zo­gen war von Ne­bel­was­ser­mas­sen, das Ich im dump­fen Be­wußt­sein am Äther­leib und ar­bei­te­te das­je­ni­ge aus, was man Ver­stan­des- oder Ge­müts­see­le nennt. Und von dem Zeit­punk­te an, wo von der Ge­gend in der Nähe des heu­ti­gen Ir­lands aus der gro­ße Im­puls ge­kom­men ist, der die Völ­ker vom Wes­ten nach dem Os­ten ge­trie­ben und her­über­ge­führt hat über die gro­ße at­lan­ti­sche Flut zu un­se­rer neu­en Kul­tur, von dem Be­ginn des letz­ten Drit­tels der at­lan­ti­schen Zeit an ar­bei­te­te das Ich un­be­wußt am phy­si­schen Leib, und es ar­bei­te­te das­je­ni­ge hin­ein, was man die Be­wußt­s­eins­see­le nennt, was dem Men­schen die An­la­ge gab, ein mehr oder we­ni­ger selbst­be­wuß­tes Ich aus der Grup­pen­see­len­haf­tig­keit her­aus­zu­ar­bei­ten, das erst mit der Er­schei­nung des Chris­tus Je­sus den gro­ßen Im­puls der völ­li­gen In­di­vi­dua­li­tät er­lang­te. Da wur­de der Mensch ei­gent­lich erst fähig zu dem, was man

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Ar­bei­ten im as­tra­li­schen Leib mit mehr oder we­ni­ger Be­wußt­sein nen­nen kann. Wir ha­ben ei­gent­lich erst seit der Ein­prä­gung des Chris­ten­tums auf der Er­de da­mit be­gon­nen, be­wußt an un­se­rem as­tra­li­schen Lei­be zu ar­bei­ten. So daß, wenn wir heu­te vom Men­schen sp­re­chen, wir sa­gen müs­sen: Der Mensch hat ent­wi­ckelt phy­si­schen Leib, Äther­leib, As­tral­leib, dann Emp­fin­dungs­see­le, den einst­mals im däm­mer­haf­ten Be­wußt­sein um­ge­wan­del­ten As­tral­leib, die Ver­stan­des­see­le, den in der at­lan­ti­schen Ur­zeit däm­mer­haft um­ge­wan­del­ten Äther­leib, und die Be­wußt­s­eins­see­le, den in der letz­ten at­lan­ti­schen Zeit däm­mer­haft um­ge­wan­del­ten phy­si­schen Leib, so daß er sich all­mäh­lich her­an­bil­de­te, um nach und nach Ma­nas so weit zu ent­wi­ckeln, wie es heu­te im Men­schen zu be­o­b­ach­ten ist.

Es ist heu­te im Men­schen übe­rall der An­fang von Ma­nas da. Der ei­ne hat es mehr, der an­de­re we­ni­ger. Man­che müs­sen noch durch vie­le Ver­kör­pe­run­gen hin­durch­ge­hen, um Ma­nas so weit aus­ge­bil­det zu ha­ben, daß sie sich be­wußt wer­den des­sen, woran sie inn­er­halb ih­rer men­sch­li­chen We­sen­heit ar­bei­ten. Aber wenn die Er­de an ih­rem Ziel an­ge­langt sein wird, wenn al­so die sie­ben­te Po­sau­ne zu klin­gen be­ginnt, dann wird fol­gen­des ein­t­re­ten: Das, was vom phy­si­schen Leib vor­han­den ist, wird auf­ge­löst wie Salz von war­mem Was­ser. Das men­sch­li­che Ma­nas, Geist­selbst, wird in ho­hem Gra­de ent­wi­ckelt sein, so daß der Mensch sich im­mer wie­der die Wor­te des Pau­lus sa­gen wird: Nicht ich, son­dern Chris­tus in mir tut al­les. So wird der Mensch le­ben. Da­durch wird er das Phy­si­sche an sei­nem We­sen auflö­sen und das äthe­risch Ve­r­e­del­te zu ei­nem We­sen ma­chen, wel­ches inn­er­halb der as­tra­li­sier­ten Er­de le­ben kann. So wird der Mensch als ein neu­es We­sen hin­über­le­ben in die­se geis­tig ge­wor­de­ne Er­de.

Wir dür­fen sa­gen, daß die­ser gro­ße Mo­ment des Hin­über­le­bens in die geis­tig ge­wor­de­ne Er­de uns in der Bi­bel in ei­ner wun­der­ba­ren Wei­se aus­ge­drückt wird, in­dem uns ge­sagt wird, daß al­les, was der Mensch jetzt wäh­rend der Er­den­zeit im phy­si­schen Leib sich er­ar­bei­tet, wie ei­ne Saat ist, die auf­ge­hen wird als Frucht, wenn die Er­de geis­tig ge­wor­den sein wird. 1. Korin­ther 15, 37: «Und das du säest, ist ja nicht der Leib, der wer­den soll, son­dern

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ein bloß Korn, näm­lich Wei­zen oder der an­de­ren eins. Gott aber gibt ihm ei­nen Leib, wie er will, und ei­nem je­g­li­chen von den Sa­men sei­nen ei­ge­nen Leib», das heißt den Leib, wel­cher der Aus­druck ist des See­li­schen, der In­di­vi­dua­li­tät. «Und es sind himm­li­sche Kör­per und ir­di­sche Kör­per. Aber ei­ne an­de­re Herr­lich­keit ha­ben die himm­li­schen und ei­ne an­de­re die ir­di­schen.» Die ir­di­schen Kör­per wer­den auf­ge­löst, die himm­li­schen er­schei­nen als der licht­vol­le Aus­druck des­sen, was die See­le ist. «Es wird ge­säet ver­wes­lich und wird au­f­er­ste­hen un­ver­wes­lich.» Der un­ver­wes­li­che Leib, der wird dann au­f­er­ste­hen. «Es wird ge­säet ein na­tür­li­cher Leib und wird au­f­er­ste­hen ein geis­ti­ger Leib.» «Geis­ti­ger Leib» nennt Pau­lus den Äther- oder Le­bens­leib, nach­dem das Phy­si­sche sich auf­ge­löst hat und der Äther­leib sich in die as­tra­li­sche Er­de hin­ein­be­wegt. Da sieht Pau­lus vor­aus den un­ver­wes­li­chen, geis­ti­gen Leib, wie er ihn nennt.

Und jetzt be­trach­ten wir das­je­ni­ge, was der Mensch hin­ein­legt als Aus­druck sei­ner ei­ge­nen Chris­tus-Fähig­keit. Es ist das­sel­be, was Pau­lus im Geis­te vor­schwebt und was er nennt den «letz­ten Adam», wäh­rend er den ers­ten Men­schen, der in ei­nem phy­sisch sicht­ba­ren Lei­be ins Da­sein ge­t­re­ten ist, den «ers­ten Adam» nennt. In der le­mu­ri­schen Zeit, an der Gren­ze des le­mu­ri­schen Zei­tal­ters, fin­den wir un­ten schon ver­schie­de­ne Tie­re, der Mensch aber ist noch nicht für äu­ße­re Au­gen sicht­bar, er ist noch äthe­risch. Er ver­dich­tet sich, nimmt mi­ne­ra­li­sche Be­stand­tei­le auf, er er­scheint in sei­ner ers­ten Ge­stalt. Wie wenn Was­ser sich ver­dich­tet zu Eis, so kommt der phy­si­sche Mensch her­aus. Dann geht die phy­si­sche Ent­wi­cke­lung so weit, daß sich auflö­sen kann, was ir­disch ist, und da ent­schwin­det das Ir­di­sche. Da­her er­scheint der Mensch, der den äthe­ri­schen Leib hat, als der «letz­te Adam». Der «ers­te Adam» hat die Fähig­keit, im phy­si­schen Leib durch die phy­si­schen Sin­ne auf die Er­de zu se­hen, der letz­te Adam, der ei­nen geis­ti­gen Leib an­nimmt, ist ei­ne Phy­siog­no­mie der in­ne­ren Chris­tus-Fähig­keit. Chris­tus wird da­her auch von Pau­lus der «letz­te Adam» ge­nannt. So sch­ließt sich das­je­ni­ge, was die Men­sch­wer­dung ent­hält, zu­sam­men. Wir se­hen im Geis­te auf­leuch­ten, was aus dem Men­schen

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einst wer­den wird, wäh­rend wir vor­her ge­se­hen ha­ben, wie der Mensch her­un­ter­s­tieg auf un­se­re Er­de.

Um nun das Fol­gen­de zu ver­ste­hen, müs­sen wir noch ein we­nig tie­fer in die Mys­te­ri­en der Men­sch­wer­dung hin­ein­schau­en. Wenn Sie den Men­schen ver­fol­gen könn­ten bis vor sei­ner phy­si­schen Leib­wer­dung, al­so bis in die Zeit, wo er noch nicht für phy­si­sche Au­gen sicht­bar ge­we­sen wä­re, wo er so­zu­sa­gen aus dem Äthe­ri­schen erst her­un­ter­s­tieg, in­dem er erst ein luft­för­mig-wäs­se­ri­ges Ge­bil­de wur­de, dann ein knor­pe­li­ges, wenn Sie ihn so ver­fol­gen könn­ten, dann wür­den Sie se­hen, wie auch un­se­re Er­de noch ganz an­ders war. In je­ner Zeit, be­vor der Mensch her­un­ter­ge­s­tie­gen ist, gab es ei­gent­lich noch kein Mi­ne­ral­reich. Die Er­de hat­te erst die Erb­schaft des Mon­des an­ge­t­re­ten. Das nie­ders­te Reich war das Pflan­zen­reich so­zu­sa­gen. Die Er­de war viel wei­cher. Al­le Ver­tei­lung der flüs­si­gen, der gas­för­mi­gen Stof­fe war ei­ne ganz an­de­re. Wenn Sie die Er­de al­so ge­schaut hät­ten in je­ner Zeit, be­vor der Mensch aus ih­rem at­mo­sphäri­schen Um­kreis zum fes­ten Grund her­un­ter­ge­s­tie­gen war, so wür­de sie Ih­nen nicht vor­ge­kom­men sein wie das, was in der heu­ti­gen Geo­lo­gie und so wei­ter ab­strakt be­schrie­ben wird, son­dern un­se­re Er­de als Gan­zes war da­zu­mal viel näh­er, man möch­te sa­gen, ei­nem Or­ga­nis­mus. Es war die­se Er­de durch­zo­gen von al­ler­lei re­gel­mä­ß­i­gen Strö­mun­gen. Die Er­de glich eher ei­nem le­ben­di­gen We­sen als dem, was sie heu­te ist. Und der Mensch, der mehr als geis­tig-äthe­ri­sches We­sen in je­ner al­ten Zeit vor­han­den war, wur­de da­mals nicht so ge­bo­ren wie heu­te, son­dern er wur­de so­zu­sa­gen her­aus­ge­bo­ren aus der Mut­ter Er­de sel­ber. Die Mut­ter Er­de sel­ber war es, die die­sen Men­schen, die­sen noch geis­tig-äthe­ri­schen Men­schen, wer­den ließ, und der Mensch war, be­vor er sich ab­son­der­te von der gan­zen Er­de, ein We­sen, das wir­k­lich mit der gan­zen Er­de ver­bun­den war. Den­ken Sie sich ein­mal, wie in ir­gend­ei­nem Kör­per, der weich ist, ver­här­te­te Stel­len ent­ste­hen, dann wür­den Sie ein Bild ha­ben, wie da­zu­mal aus der Mut­ter Er­de sel­ber die Men­schen her­aus­ge­bo­ren wur­den. Ja, die Men­schen wa­ren durch al­ler­lei Strö­mun­gen mit der Er­de ver­bun­den, blie­ben mit ihr ver­bun­den.

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Es war al­so ein ganz an­de­res Le­ben der Men­schen. Das­je­ni­ge, was Sie heu­te zum Bei­spiel als Blut­k­reis­lauf im Men­schen drin­nen ha­ben, ab­ge­sch­los­sen im In­nern von sei­ner Haut, das hat­te sei­ne Fort­set­zung es war in Form na­tür­li­cher Kräf­te vor­han­den übe­rall hin­aus in die um­lie­gen­de Er­de. Woll­ten wir uns ein Bild da­von ent­wer­fen, wie es da­mals war, so müß­ten wir sa­gen: Nicht für das phy­si­sche Au­ge, aber dem hell­se­he­ri­schen Blick fühl­bar, ent­stand inn­er­halb der Er­de ei­ne Stel­le, wel­che sich ab­hob und sich un­ter­schei­den ließ von der üb­ri­gen Um­ge­bung; aber das­je­ni­ge, was da als Kräf­te drin­nen wal­te­te, hing an zahl­rei­chen Fä­den zu­sam­men mit der gan­zen üb­ri­gen Er­de. Das war der An­fang ei­nes phy­si­schen Men­schen.


Es gab ei­ne Zeit, in der so die Men­schen mit Fä­den zu­sam­men­hin­gen mit der üb­ri­gen Er­de. Wir be­rüh­ren, wie ge­sagt, da ein be­deut­sa­mes und erns­tes Mys­te­ri­um, das Mys­te­ri­um, wel­ches sei­ne letz­ten Spu­ren hin­ter­las­sen hat da­durch, daß der Mensch, wenn er heu­te in die Welt tritt, den Zu­sam­men­hang mit dem müt­ter­li­chen Or­ga­nis­mus in der Na­bel­schnur ge­löst er­hält. Die­ser Zu­sam­men­hang mit dem müt­ter­li­chen Or­ga­nis­mus ist der letz­te Rest je­nes Zu­sam­men­han­ges, den der Mensch hat­te mit der Mut­ter Er­de. Und wie der Mensch heu­te ein Men­schen­sohn ist, vom Men­schen ge­bo­ren, so ist der Mensch einst­mals ein Er­den­sohn ge­we­sen, von der Er­de ge­bo­ren, da die Er­de noch ein le­ben­di­ges We­sen war. Und da­mit wur­de der Mensch selb­stän­dig, daß die Na­bel­schnur, an der er zu­sam­men­hing mit der gan­zen Er­de, so­zu­sa­gen für ihn ab­ge­schnit­ten wur­de. Da­durch wur­de er ein We­sen, das von sei­nes­g­lei­chen ge­bo­ren wur­de.

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Klar müs­sen wir uns sein dar­über, daß die Bluts­bah­nen, die heu­te im Men­schen sind, nichts an­de­res sind als die Fort­set­zun­gen von Strö­mun­gen, die in dem al­ten Er­den­zu­stand die gan­ze Er­de durch­dran­gen. Eben­so die Ner­ven­bah­nen: al­les, was Sie als Ner­ven ha­ben, er­hielt sei­ne Fort­set­zung hin­aus in die Mut­ter Er­de. Das ist gleich­sam jetzt her­aus­ge­schnit­ten von dem, was die gan­ze Er­de als Ner­ven durch­ström­te. Und eben­so die an­de­ren Glie­der der men­sch­li­chen We­sen­heit. Her­aus­ge­bo­ren aus der Mut­ter Er­de ist der Mensch. Was heu­te ab­ge­sch­los­sen ist im Men­schen durch sei­ne Haut, ist hin­ein­ge­zo­gen in ihn aus der gan­zen Er­de. Aus der Er­de ist des Men­schen We­sen­heit ge­nom­men und hin­ein­ge­zo­gen in ihn. Der Mensch war, be­vor er Men­schen­sohn wur­de, ein Er­den­sohn. Und «Er­den­sohn» heißt ei­gent­lich «Adam». Al­le die­se al­ten Na­men wei­sen auf be­deut­sa­me Ge­heim­nis­se hin. Wenn wir uns aber des­sen be­wußt sind, so wer­den wir be­g­rei­fen, daß die Er­de, be­vor auf ihr der sicht­ba­re Mensch ent­stand, schon al­le Kräf­te die­ses sicht­ba­ren Men­schen in sich ent­hielt. Be­vor der Mensch ein Mensch wur­de, war die Er­de die Trä­ge­rin al­ler men­sch­li­chen Kräf­te. Die Er­de ist al­so die Ge­bä­re­rin des Men­schen­ge­sch­lech­tes. Eben­so­we­nig wie Sie sich den­ken kön­nen, daß aus der heu­ti­gen stei­ner­nen Er­de je­mals der Mensch ent­springt, eben­so­sehr konn­te der Mensch ent­sprin­gen aus der Er­de, als sie noch ein Le­be­we­sen war. In der le­mu­ri­schen Zeit ist das vor sich ge­gan­gen, was wir mit we­ni­gen Wor­ten an­deu­ten konn­ten.

Wenn Sie sich nun fra­gen: Hat­te denn nun nicht die­se Er­de ei­ne un­ge­heu­re Wich­tig­keit für den Men­schen? so müs­sen wir sa­gen: Ja, denn sie ent­hielt in ih­rer Ur­an­la­ge al­les, was der Mensch spä­ter in sich auf­ge­nom­men hat. Ir­gend­wo war das Herz vor­ge­bil­det, ir­gend­wo das Ge­hirn, je­der Ner­ven­strang war vor­be­rei­tet in un­se­rer Er­de. Eben­so aber wie vor­be­rei­tet war un­se­re In­ner­lich­keit in der Er­de, eben­so tra­gen wir in dem, was wir als un­se­re neue Leib­lich­keit aus­ge­bil­det ha­ben wer­den, wenn die Er­de an ih­rem Zie­le ist, die Ge­stalt in uns, wel­che der künf­ti­ge Pla­net, die künf­ti­ge Ver­kör­pe­rung un­se­rer Er­de an­neh­men muß. Heu­te ar­bei­tet der Mensch an sei­ner See­le; da­durch macht er sich sei­nen Leib im­mer ähn­li­cher

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und ähn­li­cher der See­le. Er wird, wenn die Er­de am En­de ih­rer Bahn, ih­rer Mis­si­on an­ge­langt sein wird, sei­nen Leib so ge­stal­tet ha­ben, daß er ein äu­ße­res Ab­bild der See­le ist, die den Chris­tus in sich auf­ge­nom­men hat. Die­ser Mensch wird hin­über­le­ben und wird sei­ne so ge­bil­de­ten Kräf­te der nächs­ten Ver­kör­pe­rung un­se­rer Er­de einpflan­zen. Der Ju­pi­ter wird so aus­schau­en, wie der Mensch ihn ma­chen kann, in­dem er ihn aus sei­nen ei­ge­nen Lei­bern zu­sam­men­setzt. Die­ser Ju­pi­ter wird zu­nächst sei­ne Ge­stalt von dem er­hal­ten, was der Mensch aus sich selbst ge­macht hat. Den­ken Sie sich, daß all die Lei­ber, die sich so ge­bil­det ha­ben, sich zu­sam­men­fü­gen zu ei­ner ein­zi­gen Wel­ten­ku­gel: das wird der Ju­pi­ter sein. Sie ha­ben als An­la­ge in Ih­rer See­le das­je­ni­ge, was die Ge­stalt des Ju­pi­ters sein wird, was er an Kräf­ten in sich ent­hal­ten wird. Und aus dem Ju­pi­ter wer­den her­aus­ge­bo­ren wer­den die Ju­pi­ter-We­sen. So ar­bei­tet der Mensch heu­te vor für die Ge­burt der Ju­pi­ter-Kör­per.

Was muß der Mensch al­so tun, da­mit er der künf­ti­gen Ver­kör­pe­rung un­se­rer Er­de ei­ne wür­di­ge Ge­stalt gibt? Er muß da­für sor­gen, daß die Ar­beit, die er jetzt be­wußt leis­ten kann, in der Chris­tus-ge­mä­ß­en Wei­se vor sich geht, da­mit der äthe­ri­sche Leib, der ein Ab­bild die­ser Ar­beit sein wird, in wür­di­ger Wei­se sich hin­ein­lebt in die ver­geis­tig­te Er­de. Al­le Tei­le die­ses Lei­bes wer­den so sein, wie der Mensch sie ge­macht hat. Was der Mensch ge­macht ha­ben wird aus sei­nem phy­si­schen Lei­be, das wird er in die­se geis­ti­ge Er­de hin­ein­brin­gen, und das­je­ni­ge, was dar­aus sich ge­stal­ten wird, das wird die Grund­la­ge sein für sei­ne Wei­ter­ent­wi­cke­lung. Wie sich Ih­re heu­ti­ge See­le in Ih­rem heu­ti­gen Lei­be, den Sie vom Mon­de er­erbt ha­ben, ent­wi­ckelt, so wird sich die künf­ti­ge See­le in dem­je­ni­gen ent­wi­ckeln, was Sie sel­ber aus ih­rem Lei­be ma­chen. Da­her be­zeich­net man den Leib, das­je­ni­ge, was die See­le, das Ich um­k­lei­det, um­hüllt, was von die­sem Ich be­wohnt wird, als den Tem­pel der im In­nern be­find­li­chen Ich­heit, den Tem­pel der im Men­schen le­ben­di­gen Gött­lich­keit, den Tem­pel Got­tes. In­dem Sie al­so die­sen Leib ge­stal­ten, bau­en Sie ei­nen künf­ti­gen Tem­pel, das heißt die neue Ver­kör­pe­rung der Er­de, auf. Sie bau­en in den rich­ti­gen Ma­ßen den Ju­pi­ter auf, in­dem Sie den men­sch­li­chen Leib in

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der rich­ti­gen Wei­se aus­ge­stal­ten. Was muß da­her zum Vor­schein kom­men, wenn die Er­de am Ziel an­ge­kom­men sein wird? Ein in al­len Ma­ßen stim­men­der Tem­pel der See­le. Da­her wird dem Ein­ge­weih­ten der Auf­trag ge­ge­ben, die­sen Tem­pel, den der Mensch dann ge­baut ha­ben wird, zu un­ter­su­chen. Daß die See­le das Rich­ti­ge ge­macht hat, wird da­durch zum Vor­schein kom­men, daß er ge­mes­sen wird, die­ser Tem­pel Got­tes. «Und es ward mir ein Rohr ge­ge­ben, ei­nem Ste­cken gleich, und er sprach: Ste­he auf und miß den Tem­pel Got­tes und den Al­tar und die da­r­in­nen an­be­ten. Aber den Vor­hof au­ßer­halb des Tem­pels wirf hin­aus!» (Ka­pi­tel 11, 1.) Das heißt: Al­les das­je­ni­ge muß hin­aus­ge­wor­fen wer­den aus dem Tem­pel, was zur Vor­be­rei­tung da war. Der Mensch muß­te erst phy­si­schen Leib und Äther­leib ha­ben, be­vor er drin­nen ar­bei­ten konn­te. Die­ser phy­si­sche Leib und der Äther­leib, die sind der Vor­hof: die müs­sen ab­fal­len, die wirf hin­aus. Das­je­ni­ge, was der Mensch al­lein ge­macht hat, das be­hält er. Das ist der Tem­pel, in dem woh­nen sol­len neue We­sen zur Zeit des Ju­pi­ter-Da­seins.

Al­so wir le­ben da inn­er­halb ei­ner geis­tig ge­wor­de­nen Er­de. Wir se­hen, wie sich schon vor­be­rei­tet vor­bild­lich die­se Ju­pi­ter-Zeit. Wie die Men­schen mit­brin­gen die Früch­te des Er­den­da­seins, das al­les se­hen wir vor­ge­bil­det. Und jetzt müs­sen wir uns klar sein dar­über, daß inn­er­halb die­ses geis­ti­gen Zu­stan­des der Er­de auf ei­ner höhe­ren Ent­wi­cke­lungs­stu­fe al­les das wie­de­r­er­scheint, was früh­er da war. Vor al­len Din­gen er­schei­nen die Trä­ger der geis­ti­gen Strö­mun­gen wie­der, auf de­nen die Er­de fest­steht, aus de­nen sie her­vor­ge­gan­gen ist. Die Trä­ger die­ser Strö­mun­gen er­schei­nen le­ben­dig wie­der. Es wer­den in Eliasund Mo­ses, wenn wir der christ­li­chen Tra­di­ti­on fol­gen, die per­sön­li­chen Ver­t­re­ter des­sen ge­se­hen, was uns ges­tern in den zwei Säu­len er­schie­nen ist. Die, wel­che die Leh­ren der zwei Säu­len ge­ben, wer­den in der christ­li­chen Eso­te­rik an­ge­se­hen als Elias und Mo­ses. Elias war der­je­ni­ge, der dem Men­schen die Kund­schaft und Bot­schaft brach­te von der ei­nen Säu­le, der Säu­le der Stär­ke, Mo­ses der­je­ni­ge, der sie brach­te von der Säu­le der Weis­heit. «Mo­ses» heißt: Weis­heit oder Wahr­heit, und «Elias» heißt ja es ist schwer, das Wort im Deut­schen aus­zu­drü­cken die wei-

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sen­de Kraft, das, was die Rich­tung, den Im­puls gibt. So se­hen wir die­se bei­den in der geis­tig ge­wor­de­nen Welt auf­t­re­ten, und zwar auf der Ent­wi­cke­lungs­stu­fe, zu der sie es dann ge­bracht ha­ben wer­den. Denn wie bei der «Ver­klär­ung» nach der christ­li­chen Tra­di­ti­on der Chris­tus er­schie­nen ist zwi­schen Mo­ses und Elias, so er­scheint der gan­ze Vor­gang am En­de der Er­den­ent­wi­cke­lung so, daß die Son­ne, die geis­ti­ge Son­ne der Lie­be, die Of­fen­ba­rung der Er­den­mis­si­on der Lie­be er­scheint, ge­stützt durch Son­ne-Mars und Mond-Mer­kur, durch Elias und Mo­ses. Wie wir ges­tern ge­se­hen ha­ben die bei­den Säu­len, die zu­nächst vor dem Ein­ge­weih­ten er­schei­nen als die Sym­bo­le von Stär­ke und Weis­heit, und dar­über die Son­ne der Lie­be, so kön­nen wir uns jetzt ein Stück wei­ter die Er­den­ent­wi­cke­lung vor­s­tel­len, und in sei­ner Le­ben­dig­keit, in sei­nem Per­sön­li­chen wird uns das­je­ni­ge, was die ei­ne Säu­le ist, als Elias er­schei­nen, und die an­de­re als Mo­ses, und was dar­über ist, als das ei­gent­li­che Chris­tus-Prin­zip.

Wenn wir nun­mehr den Blick ein we­nig hin­weg­wen­den von der Er­de sel­ber, von dem, was auf ihr ist, und sie im Zu­sam­men­hang mit dem gan­zen Him­mels­raum be­trach­ten, so sind wir ge­ra­de in dem Zeit­punkt, den wir jetzt be­sp­re­chen, bei ei­ner sehr wich­ti­gen Sa­che an­ge­langt. Er­de und Son­ne wa­ren ein Kör­per. Die Er­de hat sich aus der Son­ne her­aus­ent­wi­ckelt und der Mond hat sich ab­ge­spal­ten. Wir ha­ben ge­sagt, daß das hat ge­sche­hen müs­sen we­gen des rich­ti­gen Ma­ßes der Ent­wi­cke­lung. Nun aber, wo der Mensch die­se Ent­wi­cke­lungs­stu­fen durch­ge­macht hat, nach­dem er sich ver­geis­tigt hat, ist er reif, sich wie­der­um mit den Kräf­te­ver­hält­nis­sen zu ve­r­ei­ni­gen, wel­che auf der Son­ne sind. Er kann das Tem­po der Son­ne mit­ma­chen. Es fin­det nun ein wich­ti­ger Wel­ten­vor­gang statt: die Er­de ve­r­ei­nigt sich wie­der­um mit der Son­ne. Wäh­rend das­je­ni­ge vor­geht, was wir be­spro­chen ha­ben, ve­r­ei­nigt sich die Er­de mit der Son­ne. Wir ha­ben ge­sagt, daß die Son­nen­geis­ter auf die Er­de her­ab­ge­s­tie­gen sind bei dem Er­eig­nis von Gol­ga­tha. Wir ha­ben ge­sagt, daß die­ses Chris­tus-Prin­zip es so weit brin­gen wird, wie wir es ha­ben be­sch­rei­ben kön­nen. Jetzt wird die Er­de reif, sich mit der Son­ne zu ve­r­ei­ni­gen. Und das, was not­wen­dig war, da­mit

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die Ent­wi­cke­lung nicht zu sch­nell vor sich geht, der Mond, der wird über­wun­den sein, den braucht der Mensch nicht mehr. Der Mond wird in sei­nen Kräf­ten über­wun­den wer­den. Der Mensch kann sich in die­ser Zeit mit der Son­ne ve­r­ei­ni­gen. Er wird in der ver­geis­tig­ten Er­de drin­nen le­ben und zu glei­cher Zeit ver­bun­den sein mit der Kraft der Son­ne, und er wird der Über­win­der des Mon­des sein. Das wird, in­dem es ge­schaut wird, dar­ge­s­tellt durch die­se sym­bo­li­sche Fi­gur des fünf­ten Sie­gels: das Weib, das die Son­ne in sich trägt und den Mond zu ih­ren Fü­ß­en hat. Wir sind an dem Zeit­punkt an­ge­kom­men, da der Mensch ver­geis­tigt ist, da der Mensch sich wie­der­um mit den Kräf­ten der Son­ne ver­bin­det, da Er­de und Son­ne ein Kör­per ist und die Mon­den­kräf­te über­wun­den sein wer­den. (Sie­he das fünf­te Sie­gel­bild.)

Und nun­mehr müs­sen wir uns er­in­nern, daß nur der fort­ge­schrit­te­ne­re Teil der We­sen­hei­ten, der vom Prin­zip des Chris­tus im­präg­nier­te Teil, die­se Ent­wi­cke­lung durch­ge­macht hat. Der ist so weit ge­kom­men; die­je­ni­gen aber, die in der Ma­te­rie ver­här­tet sind, sind her­aus­ge­fal­len, ha­ben so­zu­sa­gen ei­ne Art Ne­ben­pla­ne­ten von ver­här­te­ter, ver­f­lei­sch­lich­ter Ma­te­rie ge­bil­det. Nun er­in­nern wir uns ein­mal, wie, as­tra­lisch ge­se­hen, für den Hell­se­her der Mensch her­vor­t­rat, be­vor er auf die Er­de her­un­ter­s­tieg als phy­si­sches We­sen. Er­in­nern wir uns, daß wir ge­nau hin­ge­wie­sen ha­ben dar­auf, daß der Mensch in den vier Ty­pen sei­ner Grup­pen­see­le er­schi­en, in der Ge­stalt des Löw­en, des Ad­lers, des Och­sen und des Men­schen. Die­se vier Ty­pen der Grup­pen­see­le tre­ten uns so­zu­sa­gen ent­ge­gen, be­vor der Mensch her­un­ter­s­teigt ins Phy­si­sche, be­vor er in­di­vi­dua­li­siert wird. Die­se vier ty­pi­schen Ge­stal­ten, die der Mensch ge­habt hat, be­vor er in den phy­si­schen Leib her­ein­ge­t­re­ten ist, sind am heu­ti­gen phy­si­schen Men­schen nicht sicht­bar; die sind in der Ge­walt der See­le. Wie Kaut­schuk ist es her­ein­ge­p­reßt in die men­sch­li­che Form. In der Tat ist es so: Wenn der Mensch sich nicht in sei­ner Ge­walt hat, wenn sei­ne See­le schweigt, ent­we­der da­durch, daß er schläft oder sonst in ei­nem mehr oder we­ni­ger be­wußt­lo­sen Zu­stand ist, dann sieht man heu­te noch, wie der ent­sp­re­chen­de Tier­ty­pus her­aus­kommt. Aber der Mensch hat im

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Grun­de ge­nom­men da­durch, daß er her­un­ter­ge­s­tie­gen ist auf den phy­si­schen Plan, die­sen Tier­ty­pus über­wun­den. Wann ist dem Men­schen die Fähig­keit ge­ge­ben wor­den, im As­tra­li­schen den Tier­ty­pus zu über­win­den?

Er­in­nern wir uns, daß wir ge­spro­chen ha­ben von den sie­ben Zei­träu­men der at­lan­ti­schen Ent­wi­cke­lung. Die­se sie­ben Zei­träu­me um­fas­sen vier ers­te und drei letz­te. Die vier ers­ten wa­ren so, daß der Mensch noch durch­aus Grup­pen­see­le war. Dann, im fünf­ten Zei­traum, ist der ers­te Im­puls zur Ich-See­le ent­stan­den. Wir ha­ben al­so vier Ent­wi­cke­lungs­stu­fen in der At­lan­tis, in de­nen der Mensch erst als Grup­pen­see­le aufrückt, und je­der der vier ers­ten at­lan­ti­schen Ras­sen ent­spricht ei­ne der ty­pi­schen Tier­ge­stal­ten, Löwe, Ad­ler, Kalb oder Stier, und Mensch. Das geht in den Men­schen über im fünf­ten Zei­traum, da ver­lie­ren sich die­se ty­pi­schen Ge­stal­ten. Den­ken Sie sich nun ein­mal, daß der Mensch in sei­ner jet­zi­gen Zeit sich durch­dringt mit dem Chris­tus-Prin­zip und da­durch im­mer mehr und mehr über­win­det das Tie­ri­sche. Wenn er sich aber nicht durch­dringt mit dem Chris­tus-Prin­zip, dann über­win­det er das Tie­ri­sche nicht. Die vier ty­pi­schen Köp­fe, Löwe, Ad­ler, Stier und Mensch, die blei­ben so­zu­sa­gen als et­was, was sei­ne Ge­stalt wie­der­um an­nimmt, wenn es nun wie­der­um her­vor­t­re­ten kann, und da­zu kom­men noch drei an­de­re, die von den drei letz­ten Ras­sen der at­lan­ti­schen Ent­wi­cke­lung, wo der Mensch schon an­ge­fan­gen hat­te, Mensch zu sein. Die­se drei blei­ben auch, wenn der Mensch nicht durch sei­ne See­le da­ran ar­bei­tet, daß die­ses Tie­ri­sche ver­schwin­det. Wie wird al­so der Mensch, der wäh­rend un­se­rer Zeit das Chris­tus-Prin­zip nicht auf­ge­nom­men hat, auf der ver­geis­tig­ten Er­de er­schei­nen? Er wird in der Ma­te­ria­li­tät er­schei­nen; in den Ge­stal­ten, aus de­nen er ge­kom­men ist, wird er sich wie­der zei­gen. Er hat die­se Tier­ge­stal­ten ge­habt und hat noch drei da­zu durch­ge­macht. Das, was die Tier­heit hät­te über­win­den kön­nen, ist nun von ihm un­be­nützt ge­las­sen wor­den. Die Tier­heit springt wie­der her­vor, und zwar in sie­ben Ge­stal­ten. "Wie einst in At­lan­tis die vier Köp­fe auf­tauch­ten, der Tier-Mensch, so wer­den auf­tau­chen aus der ver­wan­del­ten Er­de, aus der as­tra­li­sier­ten Er­de sie­ben sol­che ty­pi­sche Köp­fe,

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und es wird sich das Schau­spiel wie­der­ho­len, wel­ches sich da­zu­mal ab­ge­spielt hat. Der geis­ti­ge Mensch war in sei­ner An­la­ge vor­han­den, aber er konn­te noch nicht ei­ne in­di­vi­du­el­le Ge­stalt aus­bil­den, er bil­de­te die vier Tier­köp­fe aus. Der geis­ti­ge Mensch in sei­ner An­la­ge wird dar­ge­s­tellt auch für die da­ma­li­ge Zeit durch das Weib, das den Men­schen ge­biert. Es wird auch der Mensch der Zu­kunft dar­ge­s­tellt durch das Weib, das den geis­ti­gen Men­schen ge­biert. Aber das­je­ni­ge, was im Fleisch ge­b­lie­ben ist, wird auf der Ne­be­n­er­de dar­ge­s­tellt durch das Tier mit den sie­ben Köp­fen. Wie da­mals vier Köp­fe da wa­ren, be­vor der Mensch die Mög­lich­keit hat­te, die Tier­heit zu über­win­den, so er­schei­nen die­je­ni­gen, die in der Tier­heft ge­b­lie­ben sind, als ei­ne Ge­samt­heit, als das Tier mit den sie­ben Köp­fen.

So al­so tritt tat­säch­lich in der Zu­kunft ein­mal, nach­dem sich die Er­de mit der Son­ne ve­r­ei­nigt hat, wäh­rend oben die ver­geis­tig­te Er­de ist, un­ten al­les das­je­ni­ge auf, was nicht in sich auf­ge­nom­men hat das geis­ti­ge Prin­zip, und es er­schei­nen wie­der­um die Tier­köp­fe, die einst­mals da wa­ren, nur daß sie jetzt au­ßer ih­rer Zeit sind. Jetzt sind sie die Wi­der­sa­cher; vor­her, in der Zeit der Vor­be­rei­tung, wa­ren sie in der rich­ti­gen Zeit. So se­hen wir, daß, wie da­mals aus dem phy­si­schen, jetzt aus dem as­tra­li­schen Meer auf­s­teigt die Son­ne ist auch as­tra­li­siert das Un­ge­heu­er mit den sie­ben Köp­fen, das sie­ben­köp­fi­ge Tier. Al­les das­je­ni­ge, was im Men­schen ver­an­lagt wird durch den äthe­ri­schen Leib bit­te das zu be­ach­ten , das nennt man in der Mys­te­ri­en­spra­che, der sich auch der Apo­ka­lyp­ti­ker be­di­ent, ei­nen «Kopf» oder ein Haupt, weil es ei­ne sol­che ty­pi­sche Haupt­ge­stalt wie den Löw­en­kopf her­vor­ruft, wenn man es hell­se­he­risch sieht. Da­ran müs­sen wir­ken die äthe­ri­schen Kräf­te. Wenn wir die at­lan­ti­sche Ent­wi­cke­lung ver­fol­gen, so war da der Äther­leib noch au­ßer­halb des Kop­fes. Das, was vom Äthe­ri­schen aus im Men­schen ver­an­lagt wird, nennt man in der Spra­che der apo­ka­lyp­ti­schen Mys­te­ri­en «Kopf». Da­mit meint man al­so das, was dem hell­se­he­ri­schen Blick vor­zugs­wei­se als Kopf er­scheint. Das­je­ni­ge aber, was phy­sisch im Men­schen be­wirkt wird durch ir­gend­ein Glied des Äther­lei­bes, das nennt man ein «Horn». Ein «Horn»

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ist in der Spra­che der Mys­te­ri­en al­so ei­ne sehr ge­heim­nis­vol­le Sa­che. Das­je­ni­ge, was zum Bei­spiel im Men­schen phy­sisch be­wirkt wor­den ist da­durch, daß er ein­mal durch­ge­gan­gen ist durch die­je­ni­ge Ras­se der at­lan­ti­schen Zeit, in wel­cher ty­pisch der Löwe als Grup­pen­see­le da war, das nennt man ein Horn. Al­so das Phy­si­sche, das von ir­gend­ei­nem Glied des Äther­lei­bes her­kommt, nennt man ein «Horn». Ein Horn ist zum Bei­spiel das Or­gan, wel­ches der äu­ße­re phy­si­sche Aus­druck für ir­gend et­was Äthe­ri­sches ist.

Nun will ich Ih­nen kon­k­ret sp­re­chen. Al­le phy­si­schen Or­ga­ne des Men­schen sind ei­gent­lich ver­dich­te­te Äther­or­ga­ne, sind aus dem ver­dich­te­ten Äther­leib her­vor­ge­gan­gen. Be­trach­ten wir das men­sch­li­che Herz. Es ist heu­te ein phy­si­sches Or­gan, aber es ist aus ei­nem Äther­or­gan her­aus ver­dich­tet. Die­ses heu­ti­ge men­sch­li­che Herz hat sei­ne An­la­ge er­hal­ten da­mals, als der Mensch durch die Grup­pen­see­len­haf­tig­keit hin­durch­ge­gan­gen ist, die mit dem Löw­en be­zeich­net wird. Al­so ist das Herz das «Horn» des Löw­en­kop­fes, denn als der Äther­leib so weit war, daß der Mensch er­schi­en mit der Grup­pen­see­le, die im Löw­en­kopf sym­bo­li­siert wird, da hat sich die An­la­ge ge­bil­det, die spä­ter das phy­si­sche Herz wur­de. Aus die­ser An­la­ge des Löw­en­men­schen ent­stand die heu­ti­ge men­sch­li­che phy­si­sche Her­z­an­la­ge. Wäh­rend wir al­so den Äther­leib zu­rück­füh­ren in sei­ner Ent­ste­hung auf die Ver­wand­lung ei­nes «Kop­fes» in den an­de­ren, auf das Hin­zu­fü­gen des ei­nen Kop­fes zum an­de­ren, fas­sen wir den men­sch­lich phy­si­schen Leib auf als das Hin­zu­fü­gen ei­nes «Hor­nes» zum an­dern. Tat­säch­lich be­steht der men­sch­li­che Äther­leib aus «Köp­fen», der men­sch­li­che phy­si­sche Leib aus «Hör­nern». Das ist die Spra­che der Mys­te­ri­en. Al­le Or­ga­ne des Men­schen sind aus dem Äther­leib her­aus­ge­bil­det, sind al­so lau­ter «Hör­ner».

Und nun ha­ben wir al­les das, was wir ge­hört ha­ben, ein­mal zu über­den­ken, denn das ist et­was, wo­zu selbst der Apo­ka­lyp­ti­ker sagt: Hier ist Weis­heit. Wir wer­den erst ver­ste­hen die­se Weis­heit, die der Apo­ka­lyp­ti­ker hin­ein­ge­legt hat in die Er­schei­nung des sie­ben­köp­fi­gen Tie­res, das aber zehn Hör­ner hat, wenn wir uns ge­nau über­le­gen, was ei­gent­lich «Horn» in be­zug auf «Kopf» in der

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Mys­te­ri­en­spra­che ist. Wir wer­den se­hen, daß die­je­ni­gen We­sen­hei­ten, wel­che sich die­se sie­ben Köp­fe be­wahrt ha­ben, weil sie ste­hen­ge­b­lie­ben sind in der Ent­wi­cke­lung, daß die in der Tat im Ab­grund ei­nen phy­si­schen Leib an­ge­nom­men ha­ben, der aus zehn ver­här­te­ten phy­si­schen Lei­bes­g­lie­dern be­steht.

12 – ZEHNTER VORTRAG, Nürnberg, 27. Juni 1908

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ZEHN­TER VOR­TRAG

Nürn­berg, 27. Ju­ni 1908

Daß wir in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes ei­ne Be­sch­rei­bung der Ein­wei­hungs­vor­gän­ge ha­ben, oder vi­el­leicht bes­ser ge­sagt, der Ein­wei­hung­s­er­leb­nis­se des christ­lich Ein­zu­wei­hen­den, das ha­ben wir ge­se­hen. Nach­dem wir in den letz­ten Vor­trä­gen den gan­zen Stoff der Apo­ka­lyp­se an un­se­rer See­le ha­ben vor­über­zie­hen las­sen, wer­den wir noch auf die Fra­ge zu ant­wor­ten ha­ben: Was ist denn ei­gent­lich, ge­schicht­lich ge­nom­men, die­se Ur­kun­de? Warum exis­tiert sie als ei­ne sol­che Ur­kun­de? Jetzt aber, wo wir bei je­nem wich­ti­gen Punkt an­ge­langt sind, der sich uns das letz­te­mal ent­hüllt hat, bei dem Über­gang un­se­rer Er­de in ei­nen geis­ti­gen, zu­nächst in ei­nen as­tra­li­schen Zu­stand, bei dem Auf­t­re­ten ge­wis­ser merk­wür­di­ger We­sen­hei­ten in dem, was sich al­so in der Ma­te­rie ver­dich­tet und ab­ge­spal­ten hat von dem nor­ma­len Fort­gan­ge un­se­rer Er­den­ent­wi­cke­lung, jetzt wird es gut sein, be­vor wir vor­wärts­sch­rei­ten, uns so­zu­sa­gen ei­ne Art von Ge­ne­ral­über­blick zu ver­schaf­fen über ge­wis­se Din­ge, die im Grun­driß un­se­rer an­thro­po­so­phi­schen Welt­be­trach­tung lie­gen. Denn Sie ha­ben ge­se­hen, daß bei al­le­dem, was wir zu be­trach­ten hat­ten, ge­wis­se Zah­len­be­grif­fe ei­ne Rol­le spie­len. Und jetzt ste­hen wir da­bei, uns ei­nen Be­griff von dem zu ver­schaf­fen, was das sie­ben­köp­fi­ge und zehn­hör­ni­ge Tier ist und was das zwei­hör­ni­ge Tier ist.

Wir müs­sen uns ein­mal ori­en­tie­ren über den Grun­driß der Wel­ten­ent­wi­cke­lung. Die ver­läuft näm­lich durch­aus in Ge­mäß­h­eit ganz be­stimm­ter Zah­len­ver­hält­nis­se. Der Laie in sol­chen Din­gen wird sehr leicht sa­gen, wenn er hört, daß die Sie­ben­zahl und an­de­re Zah­len ei­ne so gro­ße Rol­le spie­len in un­se­ren Be­trach­tun­gen: Nun ja, die­se An­thro­po­so­phen wär­m­en wie­der je­nen al­ten Aber­glau­ben auf, der sich an die Sie­ben­zahl, an die Zwölf­zahl und der­g­lei­chen knüpft. Und schon wenn un­se­re lie­ben Zeit­ge­nos­sen von so et­was hö­ren, was in ei­ner re­gel­mä­ß­i­gen Wei­se nach der

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Sie­ben­zahl vor­wärts­sch­rei­tet, dann sp­re­chen sie von Aber­glau­ben, ob­wohl die­se un­se­re Zeit­ge­nos­sen ei­gent­lich in be­zug auf das, wo­von sie et­was ver­ste­hen, in ge­nau dem­sel­ben Aber­glau­ben le­ben, denn un­se­re Zeit­ge­nos­sen sp­re­chen zum Bei­spiel da­von, daß der Re­gen­bo­gen sie­ben Far­ben hat, die Tons­ka­la sie­ben Tö­ne, da der ach­te nur ei­ne Wie­der­ho­lung der Prim ist. Und noch auf manch an­de­rem Ge­bie­te spricht man von der Sie­ben­zahl, und mit Recht. In kei­nem an­de­ren Sin­ne als der Phy­si­ker es tut, wenn er von der Sie­ben­zahl der Far­ben spricht, und eben­so wie man in der Ton­leh­re spricht von den sie­ben Tö­nen, so sp­re­chen wir, wenn wir die gro­ßen Wel­ten­ver­hält­nis­se be­trach­ten in be­zug auf die Sie­ben­zahl. Die Sie­ben­zahl ist uns da­bei gar nichts an­de­res als ein Er­geb­nis der ok­kul­ten Er­fah­rung. So wie sich der Mensch hin­s­tellt und die sie­ben Far­ben zählt, so zählt der Ok­kul­tist sie­ben au­f­ein­an­der­fol­gen­de Zu­stän­de der Wel­ten­ent­wi­cke­lung. Und weil die Weis­heit der Welt im­mer von die­sen Din­gen wuß­te und sprach, des­halb ging das in das all­ge­mei­ne Be­wußt­sein über und man fand et­was be­son­ders Be­deu­tungs­vol­les in die­ser Sie­ben­zahl. Ge­ra­de weil die Sie­ben­zahl zum Bei­spiel in den Welt­ver­hält­nis­sen be­grün­det war, ging sie in den all­ge­mei­nen Glau­ben, na­tür­lich auch Aber­glau­ben, über.

Wenn wir uns da­ran er­in­nern, was wir ge­sagt ha­ben über das Ge­heim­nis der sie­ben Po­sau­nen, der sie­ben Sie­gel, der sie­ben Send­brie­fe, was wir über die sie­ben au­f­ein­an­der­fol­gen­den Pe­rio­den der at­lan­ti­schen Zeit ge­sagt ha­ben, so se­hen wir schon, daß wir ei­gent­lich in der Wel­ten­ent­wi­cke­lung fort­lau­fend Pe­rio­den ha­ben, die sich in Ge­mäß­h­eit der Sie­ben­zahl wie­der­ho­len, und wie ei­nen Grun­driß der Wel­ten­ent­wi­cke­lung wol­len wir uns vor Au­gen rü­cken, daß die Sie­ben­zahl al­le Tei­le der Wel­ten­ent­wi­cke­lung be­herrscht.

Wir ha­ben ge­hört, daß die Er­de, be­vor sie Er­de war, Mond war, be­vor sie Mond war, Son­nen­pla­net und be­vor sie Son­ne war, Sa­turn war. Die Er­de wird, nach­dem sie Er­de ge­we­sen sein wird, in den Ju­pi­ter­zu­stand, dann in den Ve­nus- und zu­letzt in den Vul­k­an­zu­stand über­ge­hen, so daß wir sie­ben au­f­ein­an­der­fol­gen­de pla­ne­ta­ri­sche Ver­kör­pe­run­gen un­se­rer Er­de ha­ben, Sa­turn, Son­ne, Mond,

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Er­de, Ju­pi­ter, Ve­nus und Vul­kan. Das sind nun die größ­ten Ab­tei­lun­gen inn­er­halb un­se­rer gan­zen Ent­wi­cke­lung, die wir bis zu ei­nem ge­wis­sen Gra­de hell­se­he­risch über­schau­en kön­nen. Wir ha­ben ja die drei der Er­de vor­an­ge­hen­den Zu­stän­de be­schrie­ben.

Jetzt wol­len wir uns klar sein dar­über, was denn der Sinn der gan­zen Ent­wi­cke­lung ist, warum die Er­de durch die­se sie­ben Zu­stän­de durch­geht. Die­se sie­ben Zu­stän­de fal­len näm­lich zu­sam­men mit der Ent­wi­cke­lung des men­sch­li­chen Be­wußt­seins. Je­der die­ser Zu­stän­de, Sa­turn, Son­ne, Mond, Er­de, Ju­pi­ter, Ve­nus und Vul­kan, cha­rak­te­ri­siert ei­nen be­stimm­ten men­sch­li­chen Be­wußt­s­eins­zu­stand. Rich­ten wir den Blick zu­rück in die ural­te Sa­turn­zeit. Wir wis­sen, was ge­gen­wär­tig vom Men­schen vor­han­den ist, war da­mals noch nicht vor­han­den, son­dern erst die al­le­r­ers­te An­la­ge sei­nes phy­si­schen Lei­bes. Die­se ers­te An­la­ge konn­te selbst­ver­ständ­lich beim Men­schen nicht ein sol­ches Be­wußt­sein ent­wi­ckeln, wie es heu­te der Mensch hat. An­de­re We­sen hat­ten ein men­sch­li­ches Be­wußt­sein; der Mensch hat­te da­mals ein Be­wußt­sein, wie es heu­te die mi­ne­ra­li­sche Welt hier auf dem phy­si­schen Plan hat. Wir nen­nen das ein tie­fes Tran­ce­be­wußt­sein. Das hat­te die ers­te Men­schen­an­la­ge auf dem Sa­turn. Die­se Sa­turn­ent­wi­cke­lung ist aus dem Grun­de durch­ge­macht wor­den, da­mit der Mensch nach und nach aufrü­cken kann zu sei­nen höhe­ren Be­wußt­s­eins­zu­stän­den. Da­mals hat er den ers­ten durch­ge­macht. Al­so ha­ben wir die Sa­turn­ent­wi­cke­lung zu­sam­men­fal­lend mit dem tie­fen Tran­ce­be­wußt­sein. Das ist die ers­te Be­wußt­s­eins­stu­fe.

Na­tür­lich müs­sen Sie sich nicht vor­s­tel­len, daß der Grad des Be­wußt­seins durch die gan­ze Sa­turn­ent­wi­cke­lung der­sel­be bleibt, aber im we­sent­li­chen ist es so, daß der Be­wußt­s­eins­grad des Men­schen auf dem Sa­turn mit tie­fem Tran­ce­be­wußt­sein cha­rak­te­ri­siert wer­den kann. Es ist dump­fer als selbst das, was heu­te der Mensch im tra­um­lo­sen Schla­fe hat, denn da hat heu­te der Mensch das Be­wußt­sein, das er durch­ge­macht hat auf der zwei­ten Stu­fe, wäh­rend der Son­nen­ent­wi­cke­lung. Al­so wäh­rend der zwei­ten Stu­fe, wäh­rend der Son­nen­ent­wi­cke­lung, hat der Mensch durch­ge­macht das tra­um­lo­se Schlaf­be­wußt­sein. Es ist das­sel­be Be­wußt­sein, das

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heu­te die Pflan­zen­welt um uns her­um auf dem phy­si­schen Plan hat.

Dann kam die Mon­den­stu­fe in der Ent­wi­cke­lung. Da hat der Mensch ein Be­wußt­sein durch­ge­macht, wel­ches schon leich­ter zum Ver­ständ­nis ge­bracht wer­den kann, weil der Mensch im Traum­be­wußt­sein we­nigs­tens ei­nen letz­ten Rest hat von die­sem Mon­den­be­wußt­sein. Das Traum­be­wußt­sein von heu­te ist ja ein Zwi­schen­zu­stand zwi­schen tra­um­lo­sem Schlaf und dem ge­wöhn­li­chen, vom Mor­gen bis zum Abend dau­ern­den hel­len, wa­chen Ta­ges­be­wußt­sein. Al­so der drit­te Zu­stand des Be­wußt­seins wur­de er­reicht auf dem Mond, und er läßt sich ver­g­lei­chen mit dem heu­ti­gen trau­mer­füll­ten Schlaf, aber mit ei­ner ganz an­de­ren Le­ben­dig­keit und Leb­haf­tig­keit. Der trau­mer­füll­te Schlaf gibt ein Be­wußt­sein, das sich aus ein­zel­nen Vor­stel­lungs­fet­zen und Bil­dern zu­sam­men­setzt und nur ei­nen ge­rin­gen Grad von Be­zie­hung hat zur rea­len Au­ßen­welt. Das Mon­den­be­wußt­sein, das ein Traum­bil­der­be­wußt­sein war, hat­te sehr be­deut­sa­me Be­zie­hun­gen zur Au­ßen­welt. Es ent­sprach ge­nau dem, was in der see­lisch-geis­ti­gen Um­welt vor­han­den war. Ei­ne Wie­der­ho­lung hat das wäh­rend der at­lan­ti­schen Zeit des Men­schen ge­fun­den. Wir nen­nen es das Traum­bil­der­be­wußt­sein, könn­ten es auch das som­nam­bu­le Be­wußt­sein nen­nen.

Das vier­te Be­wußt­sein wird er­reicht und durch­ge­macht auf un­se­rer Er­de, und es ist das­je­ni­ge Be­wußt­sein, wel­ches wir das hel­le Ta­ges­be­wußt­sein oder Ge­gen­stands­be­wußt­sein nen­nen.

Zu ei­nem er­höh­te­ren Be­wußt­s­eins­grad, von dem die meis­ten Men­schen von heu­te kei­ne Ah­nung ha­ben, wer­den die Men­schen auf­s­tei­gen wäh­rend der Ju­pi­ter­zeit, wenn das al­les ge­sche­hen ist, was wir schon be­schrie­ben ha­ben und was im An­schluß an die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes noch zu be­sch­rei­ben ist. Dann, wenn der Mensch so­zu­sa­gen ge­ret­tet vom Ab­grund her­vor­ge­gan­gen und dem Ver­fall ent­gan­gen ist, wenn er hin­auf­ge­s­tie­gen ist in die as­tra­li­sier­te und ver­geis­tig­te Er­de, dann wird das die Grund­la­ge da­für sein, daß er auf dem Ju­pi­ter das­je­ni­ge Be­wußt­sein er­langt, das wir nen­nen kön­nen das be­wuß­te Bil­der­be­wußt­sein. Wenn man es schil­dern soll, so kann das nur aus den Er­fah­run­gen der Ein­ge­weih­ten her­aus ge­sche­hen. Denn die Ein­wei­hung ist ja nichts an­de­res als

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die An­eig­nung der Fähig­keit, in ei­ner frühe­ren Ent­wi­cke­lungs­stu­fe zu er­rei­chen, was die nor­ma­le Mensch­heit auf ei­ner spä­te­ren Stu­fe er­reicht. Im be­wuß­ten Bil­der­be­wußt­sein ist der Mensch ge­nau eben­so selbst­be­wußt wie heu­te vom Mor­gen bis zum Abend, aber er nimmt nicht nur wahr die äu­ße­ren Ge­gen­stän­de, son­dern im Blick­feld sei­ner See­le hat er Bil­der, und zwar Bil­der, die nicht et­wa mit ei­ner ge­wis­sen Dumpf­heit ver­knüpft sind, die viel­mehr ein­ge­bet­tet sind in das hel­le Ta­ges­be­wußt­sein. Al­so hel­les Ta­ges­be­wußt­sein und Mon­den­be­wußt­sein zu­sam­men, das gibt das Ju­pi­ter­be­wußt­sein. Der Mensch er­hält sich, was er jetzt hat und er­wirbt sich da­zu die Fähig­keit, das See­lisch-Geis­ti­ge wahr­zu­neh­men.

Heu­te ist es so, daß der Ein­ge­weih­te nicht nur den Men­schen sieht, wie er phy­sisch ist, son­dern daß er wahr­nimmt um den Men­schen her­um, ihn um­strah­lend, al­ler­lei geis­ti­ge Ge­bil­de, die der Aus­druck sind der Lei­den­schaf­ten, In­s­tink­te, Ge­dan­ken, mit ei­nem Wort: die Au­ra. Sie um­glänzt, um­glüht den Men­schen wie fei­ne Flam­men, zum Teil wie ein Licht­ne­bel. Al­les das, was so im men­sch­li­chen As­tral­leib ge­se­hen wer­den kann vom Ein­ge­weih­ten, eben­so wie von dem ge­wöhn­li­chen phy­si­schen Au­ge der phy­si­sche Leib mit sei­nen Gren­zen ge­se­hen wird, al­les das ist Bild des­sen, was in den See­len vor­geht. In ei­ner sol­chen Ein­ge­weih­ten­see­le ist ein Be­wußt­sein vor­han­den, das wir be­zeich­nen kön­nen als Mon­den­be­wußt­sein plus Er­den­be­wußt­sein.

Dann kommt auf der Ve­nus ein sechs­ter Be­wußt­s­eins­zu­stand, den wir be­zeich­nen kön­nen als das in­spi­rier­te Be­wußt­sein, das Be­wußt­sein der In­spi­ra­ti­on, Be­wußt­sein der In­spi­ra­ti­on aus dem Grun­de, weil auf die­ser Be­wußt­s­eins­stu­fe der Ein­ge­weih­te nicht bloß wahr­zu­neh­men ver­mag, was der See­le an Ge­füh­len, Trie­ben, Lei­den­schaf­ten und so wei­ter ei­gen ist, son­dern weil er da den gan­zen in­ne­ren Cha­rak­ter der See­le in ei­nem ein­heit­li­chen Ton wahr­nimmt. Er fängt an wahr­zu­neh­men das­je­ni­ge, was die Welt der, sa­gen wir, Far­ben- und For­men­ge­bil­de wie ei­ne Sphä­ren­mu­sik durch­dringt, so daß je­de ein­zel­ne We­sen­heit inn­er­halb des­sen, was früh­er als as­tra­li­sches Bild wahr­ge­nom­men wor­den ist, wie ein Ton­ge­bil­de er­scheint.

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Die sie­ben­te Be­wußt­s­eins­stu­fe, die auf dem Vul­kan vor­han­den sein wird, wir kön­nen sie nen­nen das in­tui­ti­ve Be­wußt­sein. In­tui­ti­on ist nicht je­nes Tri­via­le, was ge­wöhn­lich heu­te dar­un­ter ver­stan­den wird, wo je­mand durch dun­k­les Ge­fühl et­was glaubt er­ken­nen zu kön­nen; das ist ein Mißbrauch des Wor­tes. In den Ein­ge­weih­ten­schu­len wird In­tui­ti­on für je­ne denk­bar höchs­te Be­wußt­s­eins­stu­fe an­ge­wen­det, wo die See­le eins ist, iden­tisch ist mit den We­sen­hei­ten, wo sie da­r­in­nen ist im In­nern der We­sen­hei­ten und sich mit ih­nen iden­ti­fi­ziert. Trotz­dem die See­le voll­stän­dig in­di­vi­du­ell bleibt, steckt sie in all den Din­gen und We­sen­hei­ten ih­res Blick­fel­des drin­nen.

So stel­len uns die sie­ben Stu­fen die­ser gan­zen Er­den­ent­wi­cke­lung sie­ben au­f­ein­an­der­fol­gen­de Be­wußt­s­eins­zu­stän­de dar. Je­der Be­wußt­s­eins­zu­stand nun muß sei­ner­seits in sie­ben Stu­fen er­reicht wer­den. Die­se sie­ben Stu­fen, die je­des­mal durch­ge­macht wer­den müs­sen, nen­nen wir Le­bens­stu­fen, so daß wir un­ter­schei­den sie­ben Be­wußt­s­eins­stu­fen und in je­der Be­wußt­s­eins­stu­fe sie­ben Le­bens­stu­fen. Es ist schwer, aus un­se­rer Spra­che her­aus Wor­te zu fin­den für die­se sie­ben Le­bens­stu­fen. Wenn wir bloß auf un­se­re Er­de Rück­sicht neh­men, so kön­nen wir die Le­bens­stu­fen da­durch be­zeich­nen, daß wir re­den von den sie­ben Rei­chen, denn es fal­len die Le­bens­stu­fen auf der Er­de zu­sam­men mit den sie­ben Rei­chen. Da be­zeich­nen wir die ers­te Le­bens­stu­fe als das ers­te Ele­men­tar­reich, die zwei­te als das zwei­te, die drit­te als das drit­te Ele­men­tar­reich, die vier­te als das Mi­ne­ral­reich, die fünf­te als das Pflan­zen­reich, die sechs­te als das Tier­reich und die sie­ben­te als das Men­schen­reich. Nun könn­ten wir ja sa­gen: Auf je­der die­ser Be­wußt­s­eins­stu­fen wer­den sie­ben sol­che Le­bens­stu­fen durch­ge­macht oder sie­ben Rei­che ab­sol­viert. Aber wenn wir die sie­ben Le­bens­stu­fen des Sa­turn eben­so be­zeich­nen wür­den, als ers­tes, zwei­tes, drit­tes Ele­men­tar­reich, als Mi­ne­ral-, Pflan­zen-, Tier- und Men­schen­reich, so wür­de das nur fal­sche Vor­stel­lun­gen wach­ru­fen, denn die Aus­drü­cke für die­se Rei­che sind ge­prägt nach un­se­ren Er­den­er­fah­run­gen und es wa­ren eben die Rei­che ganz an­ders ge­stal­tet in die­ser ural­ten Zeit, als das heu­te bei den Erd­rei­chen der Fall ist. Wir kön­nen

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nur sa­gen: Ana­log die­sen Rei­chen gab es sie­ben Rei­che auf dem Sa­turn, sie­ben auf der Son­ne. Schon näh­er ka­men die sie­ben Rei­che des Mon­des, und was die sie­ben Le­bens­stu­fen der Er­de sind, das sind eben die sie­ben Rei­che auf der Er­de ge­wor­den. Und auf der Er­de kön­nen wir sie schon leich­ter be­sch­rei­ben, ob­wohl es heu­te au­ßer­or­dent­lich schwer ist, dem Men­schen ei­ne Vor­stel­lung von den drei Ele­men­tar­rei­chen zu ge­ben. Von Mi­ne­ral-, Pflan­zen-, Tier- und Men­schen­reich glaubt ja der Mensch ei­ne ge­sun­de Vor­stel­lung zu ha­ben, ob­wohl das auch nicht der Fall ist.

Vi­el­leicht wird es Ih­nen ge­lin­gen, sich ei­ne Art Vor­stel­lung von den drei Ele­men­tar­rei­chen zu bil­den, wenn Sie sich fol­gen­des sa­gen. Al­so Sie den­ken sich Stei­ne, Me­tal­le und so wei­ter, und die­se Glie­der des Mi­ne­ral­rei­ches im­mer fei­ner und fei­ner wer­dend, so daß Sie im­mer we­ni­ger und we­ni­ger se­hen, daß sie sich so­zu­sa­gen auflö­sen in im­mer fei­ne­re Sub­stan­tia­li­tät. Neh­men wir an, Sie las­sen sie al­le ver­duns­ten, so daß sie ei­gent­lich nur noch ganz fei­ne Sub­stan­tia­li­tät hät­ten, durch die Sie hin­durch­schau­en könn­ten, die Ih­nen nicht mehr sicht­bar wä­re. Aus sol­chen Ge­bil­den wür­de, wenn man sie zu noch im­mer grö­ße­rer Ver­fei­ne­rung bräch­te, et­was her­vor­ge­hen, was sch­ließ­lich nicht mehr ein mi­ne­ra­li­sches Reich ist, son­dern das drit­te Ele­men­tar­reich. Dann wür­den wir zum zwei­ten, zum ers­ten Ele­men­tar­reich auf­s­tei­gen. Es ist für die heu­ti­gen Emp­fin­dungs­qua­li­tä­ten schwer, sich Vor­stel­lun­gen zu ma­chen von die­sen Rei­chen, die hin­ein­ge­heim­nißt, ver­dich­tet sind in un­se­re Welt. So ist es näm­lich, wie wenn die­se Ele­men­tar­rei­che ver­dich­tet in un­se­re Welt hin­ein, sa­gen wir, ver­schwun­den wä­ren. Sie ge­hen un­se­rem Mi­ne­ral­reich voran. Wir ha­ben ja ge­se­hen, wann die­ses Mi­ne­ral­reich sel­ber sich ge­bil­det hat. In frühe­ren Pe­rio­den der Er­den­ent­wi­cke­lung war die­ses Mi­ne­ral­reich eben im Zu­stan­de der Ele­men­tar­rei­che vor­han­den.

Nun die an­de­ren vier Rei­che. Das mi­ne­ra­li­sche Reich se­hen Sie um sich her­um und eben­so das pflanz­li­che, das tie­ri­sche und das men­sch­li­che. Aber wir wer­den uns klar sein müs­sen, daß die­se Be­nen­nun­gen im ei­gent­li­chen ge­heim­wis­sen­schaft­li­chen Sinn doch nicht ganz rich­tig sind. Der Laie nennt die heu­ti­gen Mi­ne­ra­li­en als

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dem Mi­ne­ral­reich an­ge­hö­rig, die Pflan­zen als dem Pflan­zen­reich an­ge­hö­rig, die Tie­re als dem Tier­reich und die Men­schen als dem Men­schen­reich an­ge­hö­rig. Das ist zwar lai­en­haft ge­spro­chen rich­tig, das ist für al­le tri­via­len Din­ge des Le­bens durch­aus aus­rei­chend, aber im ok­kul­tis­ti­schen Sinn ist es un­rich­tig. Denn es ist heu­te der Mensch erst im Mi­ne­ral­reich vol­l­en­det. Er wird erst auf­s­tei­gen in künf­ti­gen Ent­wi­cke­lungs­pe­rio­den zum Pflan­zen-, Tier- und Men­schen­reich. Wir kön­nen den Men­schen heu­te, weil er ein Ich-Be­wußt­sein hat, durch­aus Mensch nen­nen, aber wir dür­fen noch nicht sa­gen, er sei im Sin­ne der Ge­heim­wis­sen­schaft im Men­schen­reich ver­kör­pert, denn da­zu ist et­was an­de­res not­wen­dig. Das müs­sen wir be­sp­re­chen.

Was kann der Mensch heu­te be­g­rei­fen? Dar­auf kommt es an. Er kann heu­te bloß das mi­ne­ra­li­sche Reich ver­ste­hen. So­wie er an das Pflan­zen­reich kommt, ver­steht er es nicht mehr. Das Mi­ne­ral­reich kann er ver­ste­hen, aus den Kräf­ten des Mi­ne­ral­reichs kann er Ma­schi­nen, Häu­ser und so wei­ter zu­sam­men­set­zen. Daß er eben­so durch­schau­en lernt, was in ei­ner Pflan­ze die Kräf­te sind, die die­se Pflan­ze groß wer­den las­sen, das erst wird ihn mit sei­nem Be­wußt­sein ins Pflan­zen­reich er­he­ben. Und daß er be­g­rei­fen lernt, wie ein Tier emp­fin­den kann jetzt kann er nur ei­ne äu­ßer­li­che An­schau­ung da­von be­kom­men , das macht ihn zum An­ge­hö­ri­gen des Tier­reichs. Und wenn er nicht nur sein ei­ge­nes Ich be­g­reift, son­dern ein an­de­res, wenn er ei­nen Men­schen in­ner­lich ganz be­g­reift, dann erst ge­hört er dem Men­schen­reich an.

Sie wer­den am bes­ten ver­ste­hen, daß der Mensch heu­te erst das mi­ne­ra­li­sche Reich be­g­rei­fen kann, wenn Sie fol­gen­de Be­trach­tung ma­chen. Den­ken Sie ein­mal, daß ei­ne gro­ße An­zahl von Ge­lehr­ten sagt: Ja, die Pflan­zen und die Tie­re sind nichts an­de­res als kom­p­li­zier­te Mi­ne­ra­li­en. Und die­se Ge­lehr­ten war­ten dar­auf, daß sie die Stof­fe so zu­sam­men­fü­gen kön­nen, daß sie Pflan­zen und Tie­re wer­den. Sie ge­ben sich der Il­lu­si­on hin, man kön­ne die Pflan­zen als mi­ne­ra­li­sche We­sen be­g­rei­fen, weil sie kei­ne Vor­stel­lung da­von ha­ben, daß es au­ßer dem Mi­ne­ral­reich noch et­was an­de­res gibt. Es sa­gen ja vie­le: Ihr An­thro­po­so­phen träumt da­von, daß es

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ei­nen Äther­leib gibt, et­was, was über das bloß Mi­ne­ra­li­sche hin­aus­geht, aber ihr sollt nicht mehr träu­men, wenn es uns ge­lin­gen wird, im La­bo­ra­to­ri­um so, wie man heu­te Schwe­fel­säu­re zu­sam­men­setzt, aus den ein­zel­nen Stof­fen, aus Koh­len­stoff, Stick­stoff, Sau­er­stoff, Was­ser­stoff und so wei­ter, ein le­ben­di­ges We­sen auf­zu­bau­en. Man glaubt, das Le­ben­di­ge läßt sich eben­so auf­bau­en, wie sich et­wa Schwe­fel­säu­re zu­sam­men­set­zen läßt; man glaubt, die rein ma­te­ria­lis­ti­sche Wis­sen­schaft wird das ein­mal kön­nen. Man glaubt, die An­thro­po­so­phen wä­ren so töricht, da­ran zu zwei­feln, daß einst­mals die Zeit kom­men wird, wo tat­säch­lich in der Re­tor­te die Pflan­zen er­zeugt wer­den.

Die­se Zeit wird kom­men. Das ha­ben aber die­je­ni­gen, die auf ok­kul­tem Bo­den ste­hen, schon im­mer ge­sagt. Sie wis­sen, daß die Zeit kom­men wird, wo der Mensch die Pflan­zen­heit so in die ei­ge­ne Na­tur auf­neh­men wird, wie er heu­te das Mi­ne­ral­reich auf­ge­nom­men hat. Und wie er aus Mi­ne­ra­li­en Häu­ser auf­baut, wie er die Kräf­te des Mi­ne­ral­rei­ches heu­te be­nutzt, so wird er einst­mals aus den ihm dann wohl­be­kann­ten Kräf­ten des Pflan­zen­rei­ches, oh­ne zum Sa­men zu grei­fen, oh­ne die Na­tur­kräf­te in ih­rer un-be­grif­fe­nen Wei­se zu Hil­fe ru­fen zu müs­sen, das Pflan­zen­ge­bil­de und Höhe­res noch im La­bo­ra­to­ri­um er­zeu­gen. Aber wür­de die­se Mög­lich­keit, im La­bo­ra­to­ri­um ein le­ben­di­ges We­sen zu er­zeu­gen, vor­zei­tig ein­t­re­ten, so wä­re sie für den auf dem wah­ren Bo­den der Ge­heim­wis­sen­schaft Ste­hen­den das, was man schwar­ze Ma­gie nennt. Die Men­schen müs­sen für je­den Schritt der Ent­wi­cke­lung erst reif wer­den.

Es gibt ei­nen ok­kul­ten Satz, der lau­tet: Erst dann wer­den die Men­schen auf dem Ex­pe­ri­men­tier­tisch le­ben­de We­sen er­zeu­gen, wie sie heu­te mi­ne­ra­li­sche Pro­duk­te her­s­tel­len, wenn der La­bo­ra­to­ri­ums­tisch zum Al­tar und die che­mi­sche Ver­rich­tung zu ei­ner sa­kra­men­ta­len Hand­lung ge­wor­den ist. Das ist ein ok­kul­ter Satz, der im­mer aus­ge­spro­chen wor­den ist. Wahr­lich, so­lan­ge man ins La­bo­ra­to­ri­um geht und glaubt, daß man mit un­hei­li­gen Ge­füh­len das­sel­be tun kann wie mit hei­li­gen, so lan­ge wird man mit dem Wil­len der­je­ni­gen, die in rech­ter Wei­se die Ent­wi­cke­lung lei­ten,

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nie­mals im La­bo­ra­to­ri­um ein le­ben­di­ges We­sen er­zeu­gen kön­nen. Erst dann wird das mög­lich sein, wenn man wis­sen wird, daß ein mi­ne­ra­li­sches Pro­dukt zwar er­zeugt wer­den kann, wenn auch am La­bo­ra­to­ri­ums­tisch ein Schur­ke steht, daß aber nie­mals ein le­ben­di­ges We­sen her­vor­ge­bracht wer­den kann, wenn dies der Fall ist. Denn in das le­ben­di­ge We­sen fließt, wenn es zu­sam­men­ge­baut wird, et­was, was in dem Men­schen selbst drin­nen ist. Wür­de der Mensch ein Schur­ke sein, so wür­de das Schur­ki­sche hin­über­f­lie­ßen und das ent­stan­de­ne We­sen wä­re ein Ab­druck der Schur­ke­rei. Erst wenn man be­g­rei­fen wird, was es heißt, daß der Mensch als gan­ze We­sen­heit mit sei­nem gan­zen In­nern wirkt in dem, was er er­zeugt, erst dann wird die Welt reif sein, das Le­ben­di­ge, das Pflanz­li­che, Tie­ri­sche und Men­sch­li­che, in frei­er Tä­tig­keit zu er­zeu­gen. Dann wird der Mensch auf­ge­s­tie­gen sein in das Pflan­zen­reich, wenn er das Pflanz­li­che eben­so­gut durch­schau­en wird, wie er heu­te das Mi­ne­ra­li­sche durch­schaut. Zum Tier­reich wird er auf­ge­s­tie­gen sein dann, wenn er die Emp­fin­dung so durch­schaut, daß er eben­so ein emp­fin­den­des We­sen ma­chen kann durch sei­ne ei­ge­ne Geis­tes­kraft, wie er heu­te ei­nen Ge­gen­stand her­s­tellt. Und zum Men­schen­reich wird er auf­ge­s­tie­gen sein, wenn er den Men­schen in frei­er Tä­tig­keit neu ge­stal­ten kann.

So ist der Mensch heu­te in dem mi­ne­ra­li­schen Reich vor­han­den, und die­ses We­sen als Mensch, das wir sind, ist im Grun­de ge­nom­men das ein­zi­ge We­sen, wel­ches schon ganz im mi­ne­ra­li­schen Reich sich aus­ge­bil­det hat, wäh­rend die an­de­ren Rei­che in vie­ler Be­zie­hung auf viel nie­d­ri­ge­rer Stu­fe ste­hen als die­je­ni­ge ist, die man im Ok­kul­tis­mus mit dem Mi­ne­ral­reich be­zeich­net. So zei­gen uns die Pflan­zen ei­ne Art Vor­stu­fe des­sen, was der Mensch er­le­ben wird, wenn er ein­mal selbst im Pflan­zen­reich sein wird. Aber die Pflan­zen sind nicht im Pflan­zen­reich, son­dern höchs­tens Vor­bil­der, nicht Ur­bil­der, son­dern Hin­wei­se auf ein künf­ti­ges Reich, in dem der Mensch sein wird, in dem er die Pflan­zen­na­tur in­ner­lich durch­le­ben wird wie heu­te die mi­ne­ra­li­sche Na­tur.

Die­ses Pflan­zen­reich, in dem der Mensch sein wird, das wird noch durch an­de­re Din­ge sich aus­zeich­nen. Es wird vor al­len Din­gen

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durch ei­nen heu­te zwar manch­mal mit dem Ver­stand ge­sag­ten, aber noch lan­ge nicht be­grif­fe­nen mo­ra­li­schen Satz aus­ge­zeich­net sein. Heu­te lebt der Mensch so, daß man sa­gen kann: Der ein­zel­ne, wenn er sich es auch nicht ge­steht, ist über­zeugt da­von, daß das Glück des ein­zel­nen mög­lich ist, wenn da­ne­ben auch das Un­glück ei­nes an­de­ren herrscht. Es ist_ durch­aus mög­lich, daß heu­te sich ei­ner glück­lich fühlt, trotz­dem an­de­re Men­schen un­glück­lich sind. Wenn es auch dem Ver­stan­de nach zu­ge­stan­den wird, daß die höchs­te Mo­ral die­je­ni­ge sei, die al­le Men­schen be­glückt, in der Pra­xis ist der Mensch über­zeugt, daß das Glück des ein­zel­nen ganz gut mög­lich ist, oh­ne daß der an­de­re eben­so glück­lich sei wie er. Der Mensch wird, wenn er im Pflan­zen­reich sein wird, ei­ne Ent­wi­cke­lungs­stu­fe in mo­ra­li­scher Be­zie­hung er­reicht ha­ben, wo es ihm un­mög­lich sein wird, sich als Ein­zel­ner glück­lich zu füh­len, wenn an­de­re sei­nes­g­lei­chen un­glück­lich sind. «Das Glück des ein­zel­nen ist un­t­renn­bar mit dem Glück al­ler ver­bun­den»: die­ser Satz wird herr­schen, wenn der Mensch in das Pflan­zen­reich auf­ge­nom­men sein wird. Es könn­te sich kein Mensch ir­gend glück­lich füh­len, wenn sein Glück her­aus­fal­len wür­de aus dem Glü­cke al­ler.

So se­hen Sie, daß für so fei­ne Be­grif­fe, wie wir sie im Ok­kul­tis­mus ha­ben müs­sen, wenn wir al­les ver­ste­hen wol­len, heu­te sehr we­nig Emp­fin­dungs­mög­lich­kei­ten be­ste­hen. Aber Sie se­hen auch, daß der Mensch lan­ge Ent­wi­cke­lungs­rei­hen noch vor sich hat. Das al­les muß er er­rei­chen, und es ist noch sehr we­nig da­von vor­han­den.

Wir sp­re­chen al­so von sie­ben Rei­chen, durch die der Mensch sel­ber hin­durch­geht. Auf dem Ju­pi­ter wird es wie­der sie­ben Rei­che ge­ben, die noch et­was ähn­lich sind den sie­ben Er­den­rei­chen, aber sich doch schon sehr von die­sen un­ter­schei­den. Auf der Ve­nus wer­den es wie­der sie­ben sein und auf dem Vul­kan wie­der. Hier kann man sie gar nicht mehr Rei­che nen­nen, der Be­griff Reich paßt hier nicht mehr. Wenn wir das al­les ins Au­ge fas­sen, müs­sen wir sa­gen: Wir ha­ben zu­nächst sie­ben Ent­wi­cke­lungs­stu­fen des Be­wußt­seins, die Sa­turn-, Son­nen-, Mond-, Er­den-, Ju­pi­ter-, Ve­nus- und Vulk­an­stu­fe, und auf je­der Be­wußt­s­eins­stu­fe sie­ben Le­bens­stu­fen, durch die sich hin­durch­ent­wi­ckeln muß je­g­li­ches We­sen,

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das durch die Be­wußt­s­eins­gra­de hin­durch­geht. Je­de Le­bens­stu­fe muß wie­der­um sie­ben For­men­stu­fen durchlau­fen, und zwar so, daß Sie die so­ge­nann­te phy­si­sche Form­stu­fe, die Sie jetzt um sich ha­ben, als die mit­tels­te zu be­trach­ten ha­ben. Be­vor et­was phy­sisch wird, ist es as­tra­lisch, be­vor es as­tra­lisch wird, ist es auf ei­ner ge­wis­sen geis­ti­gen Stu­fe, die man das nie­de­re De­vachan nennt,


und be­vor et­was zu die­ser Stu­fe hin­ab­s­teigt, ist es in ei­ner höhe­ren De­vach­an­stu­fe. Da ha­ben wir drei Form­stu­fen. Die ers­te kann man noch form­los nen­nen, dann ist die nächs­te ei­ne Form­stu­fe, die wir als die nie­de­re De­vach­an­stu­fe be­zeich­nen, dann kom­men wir zur as­tra­li­schen Stu­fe. Wenn sich das As­tra­li­sche ver­dich­tet, wird es phy­sisch. Dann löst sich das Phy­si­sche wie­der auf und geht zu­rück zu ei­nem voll­kom­me­ne­ren As­tra­li­schen, das geht zu ei­nem voll­kom­me­ne­ren nie­de­ren De­vacha­ni­schen und dies zum höhe­ren De­vacha­ni­schen. Der phy­si­sche Form­zu­stand ist der mitt­le­re.

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Sie­ben Form­zu­stän­de durch­läuft ein je­des Reich. Sie müs­sen un­ter­schei­den zwi­schen Phy­si­schem und Mi­ne­ra­li­schem; das ist nicht das­sel­be. Man kann, weil heu­te das Phy­si­sche mit dem Mi­ne­ra­li­schen im An­blick zu­sam­men­fällt, bei­de leicht mit­ein­an­der ver­wech­seln. Das mi­ne­ra­li­sche Reich geht durch al­le Form­stu­fen hin­durch. Es kann als mi­ne­ra­li­sches Reich oben in der höchs­ten De­vach­an­stu­fe ver­an­lagt sein. Es steigt dann her­un­ter in die nie­de­re geis­ti­ge Stu­fe und ist im­mer Mi­ne­ral­reich, dann ins As­tra­li­sche, da ist es as­tra­lisch vor­ge­bil­det, und dann ver­dich­tet es sich zum Phy­si­schen. So al­so ha­ben wir in je­dem Reich sie­ben Form­zu­stän­de (sie­he Sche­ma).

Je­der Be­wußt­s­eins­zu­stand kann nur so durchlau­fen wer­den, daß er in sie­ben Le­bens­zu­stän­den ver­läuft. Je­der Le­bens­zu­stand ver­läuft in sie­ben Form­zu­stän­den. Das gibt 7 mal 7 mal 7 Zu­stän­de. In der Tat geht ei­ne gan­ze Ent­wi­cke­lung, wie die Er­de ei­ne hat, durch 7 mal 7 mal 7 Zu­stän­de hin­durch. Un­se­re Er­de war einst­mals Sa­turn; der hat 7 Le­bens­zu­stän­de durch­ge­macht, je­der Le­bens­zu­stand 7 Le­bens­for­men oder Form­zu­stän­de. Da ha­ben Sie 49 Form­zu­stän­de auf dem Sa­turn, 49 auf der Son­ne, 49 auf dem Mon­de und so wei­ter, 7 mal 49 = 343 Form­zu­stän­de. Durch 343 Zu­stän­de läuft der Mensch durch. Als der Sa­turn ganz im An­fang sei­ner Ent­wi­cke­lung war, be­gann er zu­erst im höchs­ten Geis­ti­gen, das wir er­rei­chen kön­nen, als ein Ge­bil­de, das da war im obers­ten De­vachan. Das war der ers­te Form­zu­stand; der war ganz mi­ne­ra­lisch. Er stieg her­un­ter als sol­ches We­sen bis in das phy­si­sche Reich, stieg wie­der hin­auf bis zum obe­ren de­vacha­ni­schen. Und hier be­ginnt die gro­ße Schwie­rig­keit, denn Sie müß­ten jetzt sa­gen, wenn Sie die ge­nann­ten Aus­drü­cke ge­brau­chen wol­len: Der Mensch geht in das nächs­te Reich über. Aber es pas­sen auf den Sa­turn die­se Aus­drü­cke nicht. Es geht der Mensch auf dem Sa­turn auf die­se Wei­se durch 49 Zu­stän­de hin­durch. Das Son­der­ba­re ist nur, daß Sie jetzt fra­gen kön­nen: Da müß­te der Mensch doch auf dem Sa­turn durch Le­bens­zu­stän­de durch­ge­hen. Nun be­kommt er aber erst auf der Son­ne ei­nen Äther­leib. Wie kann man da sa­gen, daß er durch Le­bens­zu­stän­de geht? -- Sie sind nur noch nicht so

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wie spä­ter, wo er ei­nen Le­bens­leib hat, sie sind stell­ver­t­re­tend. Das wird da­durch be­wirkt, daß höhe­re We­sen he­r­ein­wir­ken. Der Mensch hat kein selb­stän­di­ges Le­ben auf dem Sa­turn, aber höhe­re We­sen durch­drin­gen ihn mit ih­rem Äther­leib, mit ih­rem As­tral­leib, Ich und so wei­ter.

Je­den­falls müs­sen Sie be­g­rei­fen, daß der Mensch auf dem Sa­turn 49, auf der Son­ne 49, auf dem Mon­de 49 Zu­stän­de durch­ge­macht hat. Auf der Er­de hat der Mensch von die­sen 49 Zu­stän­den erst die drei ers­ten Le­bens­zu­stän­de durch­ge­macht. Er steht heu­te in dem vier­ten Le­bens­zu­stand, eben im Mi­ne­ral­reich. Er war im ers­ten Le­bens­zu­stand im ers­ten Ele­men­tar­reich und hat da sie­ben Form­zu­stän­de durch­ge­macht, er war im zwei­ten Le­bens­zu­stand im zwei­ten Ele­men­tar­reich und hat da sie­ben Form­zu­stän­de durch­ge­macht, er war im drit­ten Ele­men­tar­reich und hat die sie­ben Form­zu­stän­de durch­ge­macht und ist jetzt im vier­ten Ele­men­tar­reich, wel­ches das­sel­be ist wie das Mi­ne­ral­reich, und ist in die­sem un­ge­fähr in der Mit­te da­r­in­nen. Er ist et­was über die Mit­te hin­aus in dem Mi­ne­ral­reich.

Je­den­falls ha­ben Sie aus al­le­dem, das wir da wie ei­nen Grun­driß be­trach­tet ha­ben, ge­se­hen, daß die gan­ze Er­de durch 343 Zu­stän­de hin­durch­geht. Dies bit­te ich Sie jetzt so sich vor­zu­s­tel­len: Der Sa­turn ent­steht und geht durch 49 Zu­stän­de hin­durch. Der Sa­turn ist zu­erst ei­ne feu­ri­ge, ei­ne Wär­me­mas­se und macht ver­schie­de­ne Zu­stän­de durch, aber es ist im­mer die­sel­be Ku­gel, die die­se 49 Zu­stän­de durch­macht. Eben­so ist die Son­ne im­mer wie­der ein und die­sel­be Ku­gel, wel­che die 49 Zu­stän­de durch­macht. Nur gibt es Zwi­schen­zu­stän­de. Es ist, wie wenn zwi­schen den ein­zel­nen Ver­kör­pe­run­gen ei­ne Art von geis­ti­gem Zwi­schen­raum wä­re. Es ist beim Pla­ne­ten wie beim Men­schen. So ma­chen auch die Pla­ne­ten ei­ne sol­che geis­ti­ge Zwi­schen­stu­fe durch; die liegt übe­rall zwi­schen die­sen Zu­stän­den drin­nen.

Wenn Sie sich al­so klar wer­den, daß wir im Ver­lauf un­se­rer Ent­wi­cke­lung sie­ben Be­wußt­s­eins­zu­stän­de ha­ben, so wer­den Sie auch durch­schau­en, wie das zu­sam­men­hängt mit dem, was Sie in ver­schie­de­nen Büchern der theo­so­phi­schen Li­te­ra­tur be­schrie­ben

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er­hal­ten. Das sind kos­mi­sche Sys­te­me. Es wird ge­sagt, daß un­se­re Er­de ein­mal ei­nen An­fang ge­nom­men hat und aus ei­nem al­ten pla­ne­ta­ri­schen Sys­tem sich ent­wi­ckelt hat, was als Mond be­zeich­net wird. Man müß­te wei­ter zu­rück­ge­hen von dem Mond zur Son­ne, von der Son­ne zum Sa­turn. Je­der die­ser Zu­stän­de zer­fällt in die sie­ben Le­bens­zu­stän­de, ge­wöhn­lich «Run­den» ge­nannt. «Run­den» ist das­sel­be wie Le­bens­zu­stän­de. Und das, was hier Form­zu­stän­de ge­nannt wird, wird ge­wöhn­lich «Glo­ben» ge­nannt. Das ist un­ge­heu­er ir­re­füh­r­end. Es ha­ben sich Men­schen die Vor­stel­lung ge­macht, als wenn die­se sie­ben Glo­ben ne­ben­ein­an­der­lie­gen­de Ku­geln wä­ren:


Die­se Zu­stän­de von der äu­ßers­ten, noch ans Form­lo­se gren­zen­den Form durch das Phy­si­sche bis wie­der­um hin­auf zum Form­lo­sen sind kei­ne sie­ben ne­ben­ein­an­der be­ste­hen­den Ku­geln, son­dern das sind sie­ben au­f­ein­an­der­fol­gen­de Zu­stän­de. Erst war das­je­ni­ge, was heu­te phy­sisch ist, als die­sel­be Ku­gel geis­tig, dann wur­de es dich­ter und dich­ter. Es ist die­sel­be Ku­gel, ein­fach ver­dich­tet. Dann wur­de ein Teil as­tra­lisch, dann ein Teil phy­sisch; das ist im­mer die­sel­be Ku­gel. Sie löst sich wie­der auf wie Salz im lau­en Was­ser, wird wie­der­um as­tra­lisch. Zu die­sem As­tra­li­schen sind wir auf­ge­s­tie­gen da, wo uns in der Apo­ka­lyp­se die «Zor­nes­scha­len» be­schrie­ben wer­den. Da wird die Er­de wie­der as­tra­lisch.

So se­hen Sie, wie die Sie­ben­zahl die gan­ze Ent­wi­cke­lung be­herrscht, und was wir in den ver­f­los­se­nen Ta­gen ge­schil­dert ha­ben durch man­cher­lei Bil­der manch­mal mit recht gro­tes­ken Bil­dern und je­den­falls mit sol­chen, die weit ab­wei­chen von dem, was heu­te der Mensch in der phy­si­schen Welt se­hen kann , das ha­ben wir jetzt dar­ge­s­tellt als ein Ge­rip­pe, als ein Ge­rüst. Wenn Sie das so dar­s­tel­len, ist es un­ge­fähr so, wie wenn Sie das Ge­rüst von ei­nem Haus auf­füh­ren, das al­le­r­äu­ßers­te, das für die Mau­rer be­stimm­te.

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Das hat noch nichts mit der Sa­che zu tun, das sind so­zu­sa­gen erst Ge­dan­ken über die Sa­che. Wir müs­sen auf­s­tei­gen von die­sem rei­nen Ge­dan­ken­sche­ma, das uns ja zum Ver­ständ­nis hilft, zu dem le­ben­di­gen Auf­bau, in­dem wir zum Bei­spiel für die ver­schie­de­nen Zu­stän­de die Bil­der ge­brau­chen, die zu se­hen sind im As­tra­li­schen; dann ha­ben wir erst das­je­ni­ge, was man über­haupt ok­kul­te Weis­heit nennt. So­lan­ge Sie solch ein Ge­rüst auf­bau­en, blei­ben Sie bei dem Den­ken, das Sie ge­wohnt sind, in der phy­si­schen Welt zu ha­ben. Das gan­ze Sche­ma, das wir hin­zeich­ne­ten, ist nur phy­si­sches Den­ken. Das ver­hält sich zur vol­len Wir­k­lich­keit nicht ein­mal wie das in­ne­re Ge­rüst ei­nes Hau­ses zum voll auf­ge­führ­ten Bau, son­dern nur wie das Ge­rüst au­ßen, auf dem die Mau­rer ste­hen. Das muß wie­der ab­ge­ris­sen wer­den, wenn der Bau fer­tig ist. Und so muß das Ge­dan­ken­ge­rüst wie­der ab­ge­ris­sen wer­den, wenn man die Wahr­heit, wie sie sich in Wir­k­lich­keit ver­hält, vor sich ha­ben will. Be­trach­tet man die­se Ab­strak­ti­on schon als das Wir­k­li­che, dann spricht man gar nicht vom wir­k­li­chen Ok­kul­tis­mus, son­dern nur von der Vor­stel­lung, die sich der Mensch in der ge­gen­wär­ti­gen Zeit von den ok­kul­ten Tat­sa­chen ma­chen kann. Wie sich der Mensch heu­te die ok­kul­ten Tat­sa­chen zu­recht­schnei­det, das ist in solch ei­nem Sche­ma ent­hal­ten. Das ist aber un­frucht­bar. Ich muß­te es hin­s­tel­len, weil wir ein sol­ches Sche­ma auch brau­chen. Aber im Grun­de ge­nom­men hilft es dem, der auf wir­k­lich ok­kul­ter Bahn vor­sch­rei­ten will, gar nichts. Wenn Sie die gan­ze Welt bis hin­auf in die höchs­ten ok­kul­ten Tat­sa­chen durch sol­che Sche­men be­sch­rei­ben, so hat das nur ei­ne Be­deu­tung für Ih­re ge­gen­wär­ti­ge In­kar­na­ti­on. In der nächs­ten müs­sen Sie solch ein Sche­ma wie­der ler­nen. Das kann man nur da­durch den­ken, daß man sich des Ge­hirns be­di­ent, das ist nur für das Ge­hirn zu­ge­schnit­ten. Da die­ses aber ab­ge­baut wird beim To­de, so wird die­se gan­ze Be­sch­rei­bung nach dem Sche­ma da ganz zer­st­reut. Wenn Sie da­ge­gen das­je­ni­ge, was wir­k­lich ge­schieht, was wir be­schrie­ben ha­ben als die Au­f­ein­an­der­fol­ge der Sie­gel­bil­der, was das hell­se­he­ri­sche Be­wußt­sein gibt, wenn Sie das er­fas­sen, im Phan­ta­sie­ge­bil­de zu­nächst, so ist das et­was, was nicht ge­bun­den ist an Ihr phy­si­sches Ge­hirn,

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was Ih­nen bleibt nach dem To­de, weil es nicht dem phy­si­schen Den­ken ent­springt, son­dern die Tat­sa­chen hell­se­he­risch gibt. Man muß sich al­so hü­ten, das­je­ni­ge, was heu­te an­ge­st­rebt wird nach dem Mus­ter phy­si­scher Be­g­reif­lich­keit, was auch die höhe­ren Wel­ten sche­ma­ti­sie­ren will, für wir­k­li­chen Ok­kul­tis­mus zu hal­ten. Das ist Be­sch­rei­bung mit den Mit­teln des ge­wöhn­li­chen phy­si­schen Ver­stan­des. Na­tür­lich muß der phy­si­sche Ver­stand ei­ne Rol­le spie­len. Es ist des­halb auch nütz­lich, ein sol­ches Sche­ma hin­zu­s­tel­len, und wir kön­nen noch wei­ter­ge­hen in un­se­rem Sche­ma.

Wir ha­ben ge­se­hen, daß wir durch 343 Zu­stän­de hin­durch­ge­hen. Aber nun wird die Sa­che erst kom­p­li­ziert, wenn wir uns klar­ma­chen, daß es da­mit noch nicht sein Be­wen­den hat, daß viel­mehr der Mensch inn­er­halb ei­nes Form­zu­stan­des auch noch durch ver­schie­de­ne Zu­stän­de hin­durch­ge­hen muß. Dem jet­zi­gen phy­si­schen Form­zu­stand sind drei an­de­re vor­an­ge­gan­gen und drei an­de­re fol­gen nach. Jetzt geht aber der phy­si­sche wie­der­um durch sie­ben Zu­stän­de durch, und das sind erst die sie­ben, von de­nen wir in den vor­her­ge­hen­den Ta­gen ge­spro­chen ha­ben: der ers­te, wo die Son­ne noch mit der Er­de ver­bun­den ist, der zwei­te, wo sie sich her­aus­löst, der drit­te, wo der Mond weg­geht, der vier­te der­je­ni­ge der at­lan­ti­schen Mensch­heit. Die at­lan­ti­sche Mensch­heit lebt in der vier­ten Ent­wi­cke­lungs­pe­rio­de des phy­si­schen Form­zu­stan­des. Und da­mit ha­ben Sie für je­den Form­zu­stand wie­der­um sie­ben so­ge­nann­te Ras­sen­zu­stän­de, ob­wohl der Aus­druck «Ras­se» nur von un­se­rem mitt­le­ren Zu­stand gilt. Und jetzt ha­ben wir selbst den fünf­ten Zu­stand, den, in dem wir le­ben: die nachat­lan­ti­sche Zeit zwi­schen der gro­ßen at­lan­ti­schen Flut und dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le. In die­ser Pe­rio­de le­ben wir. Dann folgt ei­ne an­de­re, die sechs­te, dann die sie­ben­te. Die sechs­te Pe­rio­de wird uns an­ge­deu­tet in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes durch die sie­ben Sie­gel, die sie­ben­te durch die sie­ben Po­sau­nen. Dann geht es über in das As­tra­li­sche. Das ist ein neu­er Form­zu­stand, der wie­der­um sie­ben Zu­stän­de ha­ben wird. Un­ser Sche­ma ist noch nicht zu En­de. Wir müs­sen je­den sol­chen Zu­stand, wie er ver­f­ließt zwi­schen ei­nem sol­chen Er­eig­nis, wie die gro­ße Flut ei­nes war, und dem gro­ßen

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Krie­ge al­ler ge­gen al­le, wir müs­sen je­den sol­chen Zu­stand wie­der­um in sie­ben Zu­stän­de zer­tei­len. Für den fünf­ten Zu­stand hei­ßen die­se: in­di­sche Kul­tu­re­po­che, per­si­sche Kul­tu­re­po­che, chal­däisch-ba­by­lo­nisch-as­sy­risch-ägyp­tisch-jü­di­sche Epo­che, grie­chisch-latei­ni­sche Epo­che, un­se­re Epo­che, dann die sechs­te, an­ge­deu­tet in der Apo­ka­lyp­se durch die Ge­mein­de von Phi­la­del­phia, und die sie­ben­te Kul­tu­re­po­che, die die­se wie­der­um ablöst.

Al­so wenn wir uns den­ken die gan­ze Evo­lu­ti­on aus lau­ter sol­chen klei­nen Zu­stän­den die aber noch im­mer lang ge­nug sind be­ste­hend, so ha­ben wir 7 mal 7 mal 7 mal 7 mal 7 sol­che Ent­wi­cke­lungs­stu­fen wie die alt­in­di­sche oder die alt­per­si­sche. So vie­le ver­schie­de­ne sol­che Zu­stän­de macht der Mensch zwi­schen Sa­turn und Vul­kan durch.


So se­hen Sie, wie die Sie­ben­zahl in au­f­ein­an­der­fol­gen­den Pe­rio­den auf­bau­end die gan­ze Ent­wi­cke­lung be­herrscht. Wie die mu­si­ka­li­schen Tö­ne von Ok­ta­ve zu Ok­ta­ve wei­ter­sch­rei­ten, so ver­f­ließt das gan­ze Wer­den in Wer­de-Ok­ta­ven.

Nun wol­len wir uns ein­mal da­ran er­in­nern, daß wir sie­ben die­ser Zu­stän­de von den 16807 in un­se­rer Zeit zwi­schen der gro­ßen at­lan­ti­schen Flut und dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le ha­ben, daß wir vor­her auch sie­ben hat­ten in der at­lan­ti­schen Zeit. Aber wir er­in­nern uns auch, daß der Mensch vier von die­sen sie­ben Zu­stän­den der at­lan­ti­schen Zeit un­ter ganz an­de­ren Ver­hält­nis­sen durch­ge­macht hat als die drei spä­te­ren. Al­so jetzt wis­sen wir, was das für Zu­stän­de sind, wie wir sie zu zäh­len ha­ben. Vier von die­sen Zu­stän­den der gro­ßen Zahl hat der Mensch wäh­rend der at­lan­ti­schen Zeit so durch­ge­macht, daß er sich fühl­te als ei­ne Grup­pen­see­le, wie wir sie an­ge­ge­ben ha­ben als Ad­ler, Löwe, Stier und Mensch. Die­se vier Grup­pen­see­len bil­de­te er nach und nach aus wäh­rend die­ser vier Grun­dras­sen der at­lan­ti­schen Zeit. Weil nun

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im­mer Ras­sen üb­rig­b­lei­ben, wie die in­di­sche zum Bei­spiel übrig­ge­b­lie­ben ist, ob­wohl sich spä­te­re ent­wi­ckelt ha­ben die Din­ge le­ben in­ein­an­der , dar­um blie­ben auch die vier Köp­fe, wel­che die Grup­pen­see­len an­ga­ben am Be­ginn der fünf­ten at­lan­ti­schen Kul­tu­re­po­che. Wir ha­ben die­ses vier­köp­fi­ge Tier.

Nun bil­de­te sich der Mensch zu glei­cher Zeit, als er be­gann sich vom Äthe­ri­schen ins Phy­si­sche zu ver­här­ten, ge­mäß sei­ner vi­er­grup­pi­gen See­le vier­er­lei ver­schie­de­ne Kör­per­g­lie­der aus. Und da­durch, daß sich das­je­ni­ge, was früh­er Grup­pen­see­len­be­wußt­sein war, ins In­di­vi­dual­be­wußt­sein ver­wan­delt hat, da­durch hat der Mensch bei Be­ginn des fünf­ten Zei­traums der At­lan­tis ei­nen Zu­sam­men­fluß der frühe­ren Vier­heit. Er trägt die vier Köp­fe in sich, die sich sum­mie­ren in sei­nem Kop­fe, der all­mäh­lich ent­steht. Der ist aus den vier Grup­pen­köp­fen zu­sam­men­ge­setzt, wie er im Ver­lau­fe der fünf­ten Pe­rio­de sich her­aus­ent­wi­ckelt. Die­sen vier Köp­fen ent­sp­re­chend hat der Mensch vier Tei­le sei­nes phy­si­schen Lei­bes. Das sind zu­nächst die vier «Hör­ner», so daß Sie sich den­ken kön­nen: Weil der Mensch ein äthe­ri­scher Mensch war, hat­te er vier Köp­fe, vier Tier­köp­fe nur der letz­te ist schon Men­schen­tier , denn das ist da­mit ge­meint. Er war vier­köp­fig, und je­des Kraft­sys­tem, das ei­nem die­ser Köp­fe ent­spricht, bil­de­te phy­si­sche Or­ga­ne. Wir ha­ben ges­tern ge­se­hen, daß es ein Kraft­sys­tem war, das un­ser Herz bil­de­te, näm­lich das­je­ni­ge, das mit dem Löw­en­kopf zu­sam­men­hängt. Es sind die ein­zel­nen Or­ga­ne des Men­schen wie Ver­dich­tun­gen der ent­sp­re­chen­den Glie­der des äthe­ri­schen Lei­bes.

So denkt der Apo­ka­lyp­ti­ker. Er sagt sich: Das­je­ni­ge, was phy­sisch ist, ist Ver­di­ckung des Äthe­ri­schen. So wie Sie sich den­ken wür­den: Die­se Haut ver­dickt sich und bil­det ei­ne Schwie­le, so denkt sich der Apo­ka­lyp­ti­ker: Der Mensch ist vor­han­den äthe­risch, und das ver­dickt sich, wird phy­sisch. Und weil der Mensch vier­fach vor­han­den ist als vier Grup­pen­see­len, bil­den sich vier sol­che Ver­di­ckun­gen. Die set­zen sei­nen phy­si­schen Leib zu­sam­men. Das ist der Grund, warum man das­je­ni­ge, was im phy­si­schen Leib dem Äther­leib ent­spricht, als «Horn» be­zeich­net. Horn ist ei­ne schwie­li­ge Ver­di­ckung. Man be­zeich­net den Men­schen, wie er ge­ra­de in

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der vier­ten Pe­rio­de der at­lan­ti­schen Zeit ge­wor­den ist, als ein Tier mit vier Köp­fen und vier Hör­nern.

Jetzt ent­wi­ckelt er sich zum in­di­vi­du­el­len Men­schen wei­ter. Das be­ginnt dann in der Nähe des heu­ti­gen Ir­land. Der Mensch geht durch drei letz­te Pe­rio­den durch, und zwar so, daß er die An­la­ge zum Ich-Men­schen hat. Da bil­det er zu­nächst, wenn Sie äu­ßer­lich sei­nen phy­si­schen Ent­wi­cke­lungs­gang ver­fol­gen, kei­nen Tier­kör­per mehr aus, son­dern ist zum Men­schen auf­ge­s­tie­gen. Er bil­det die Mensch­heit im­mer mehr aus, bis er das Chris­tus-Prin­zip auf­nimmt. Wenn wir den heu­ti­gen Men­schen an­se­hen, so wer­den wir sa­gen: Wie er heu­te vor uns steht, war er einst­mals nicht. Da­mit er das wer­den konn­te, muß­te er durch vier tie­ri­sche Grup­pen­see­len hin­durch­ge­hen, muß­te er ver­kör­pert wer­den in Kör­pern, die der heu­ti­gen Löw­en­ge­stalt, der Stier­ge­stalt, der Ad­ler- und der Men­schen­ge­stalt ent­sp­re­chen. Dann stieg er höh­er her­auf und wur­de im­mer men­sche­n­ähn­li­cher, und die Ge­stalt der frühe­ren Grup­pen­see­le ver­schwand. Die ist nicht mehr da, der Mensch ist men­sche­n­ähn­lich ge­wor­den.

Jetzt müs­sen Sie sich aber auch klar­wer­den über ein wich­ti­ges Er­eig­nis, das da­mals ein­t­rat, als der Mensch men­sche­n­ähn­lich wur­de, und oh­ne des­sen Ver­ständ­nis man nim­mer­mehr be­g­rei­fen kann die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes, ein Er­eig­nis von größ­ter Wich­tig­keit. Bis zu die­sem Er­eig­nis, wo der Mensch über­ging in die Men­schen­see­len­haf­tig­keit, da war den Bli­cken der Men­schen to­tal ver­bor­gen, was spä­ter of­fen­bar ge­wor­den ist. Der Mensch hat­te ei­ne Art dump­fen, däm­mer­haf­ten Be­wußt­seins. Wenn er mor­gens auf­wach­te, sah er al­les so­zu­sa­gen wie von Ne­bel­ge­bil­den um­ge­ben, und wenn er ein­sch­lief, war er in der geis­ti­gen Welt. Die er­schi­en ihm in Bil­dern, denn das ist die Na­tur der geis­ti­gen Welt. Nun will ich Ih­nen et­was be­sch­rei­ben, was sich ab­spiel­te, be­vor der Mensch phy­sisch in den Men­schen­zu­stand über­ge­gan­gen ist, be­vor er ein­ge­t­re­ten ist aus der Grup­pen­see­len­haf­tig­keit zum vol­len Ich-Be­wußt­sein.

Was der Mensch hier auf der Er­de er­leb­te, das be­stand nur in ei­ner An­zahl von Er­fah­run­gen. Dann sch­lief er ein und war wäh­rend des Schla­fes in dump­fem Be­wußt­sein in ei­ner geis­ti­gen Welt,

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wo er zwi­schen Göt­tern und Geis­tern leb­te, wo­von ein Nach­klang in den My­then und Sa­gen vor­han­den ist. Da er­leb­te er ge­wal­ti­ge Bil­der, zum Bei­spiel das Bild, daß er zwei an­de­ren We­sen be­geg­ne­te, daß die bei­den Stei­ne hin­ter sich war­fen und daß aus den Stei­nen, die hin­ge­wor­fen wa­ren, an­de­re gleich­ge­ar­te­te We­sen aus der Er­de her­aus­wuch­sen, We­sen, wie sie sel­ber wa­ren. Das wa­ren Er­leb­nis­se, wie sie der Mensch noch die gan­ze vier­te Pe­rio­de der at­lan­ti­schen Zeit hin­durch hat­te. Wenn wir das deut­lich aus­sp­re­chen wol­len, so müs­sen wir sa­gen: Al­le Fortpfl­an­zung des Men­schen ge­schah nicht im Be­wußt­sein des Wa­chens, son­dern im Be­wußt­sein des Schla­fes. Wenn der Mensch au­ßer sei­nem phy­si­schen Leib und in der geis­ti­gen Welt war, da brach­te er so­zu­sa­gen in die­sem Be­wußt­s­eins­zu­stand, wo ihm al­les in Bil­dern er­schi­en, das­je­ni­ge, was an Tat­sa­chen für die Fortpfl­an­zung zu ge­sche­hen hat­te, in Be­we­gung, und der gan­ze Fortpfl­an­zungs­akt war in Geis­ti­ges ge­hüllt, er­schi­en ihm in dem Bil­de des Stein­wer­fens hin­ter sich. Der gan­ze Fortpfl­an­zungs­akt war ge­hüllt in geis­ti­ges Be­wußt­sein, lag hin­ter dem Ta­ges­be­wußt­sein. Der Mensch wuß­te nichts vom Ge­sch­lecht­li­chen. Im Ta­ges­be­wußt­sein sah er sich nicht so, als ob er in zwei Ge­sch­lech­tern vor­han­den wä­re, und sei­ne See­le war un­be­rührt von je­dem Ge­dan­ken an das Ge­sch­lecht­li­che. Nicht, als ob es nicht vor­han­den ge­we­sen wä­re. Es war vor­han­den, aber es ruh­te im Dun­kel ei­nes geis­ti­gen Be­wußt­seins. Es war für den Men­schen wäh­rend des Ta­ges­be­wußt­seins nicht vor­han­den.

Mit der Er­rin­gung der ers­ten An­la­ge zum Ich-Be­wußt­sein wird dem Men­schen die Ge­sch­lecht­lich­keit erst be­wußt. Das ist der Mo­ment, der uns in der Bi­bel dar­ge­s­tellt wird, wo Adam und Eva ge­wahr wer­den, daß es et­was wie ei­ne Ge­sch­lecht­lich­keit gibt. Die­sen be­deu­tungs­vol­len dra­ma­ti­schen Mo­ment, hier­her ha­ben wir ihn in der Er­den­ent­wi­cke­lung zu set­zen. Und wenn Sie hell­se­he­risch zu­rück­bli­cken auf die Zeit, die vor­an­ging, so se­hen Sie von dem Men­schen eben nur das­je­ni­ge, was die Werk­zeu­ge des Geis­tes sind. Das an­de­re war über­haupt nicht zu se­hen. Der Mensch war nur sei­ner obe­ren Ge­stalt nach zu se­hen. Und von dem ge­nann­ten Zeit­punkt an fing man an, den Men­schen ganz zu se­hen. Es ist uns jetzt

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be­g­reif­lich, warum die Men­schen sich nun ver­hüll­ten. Vor­her sa­hen sie nichts, was sie hät­ten ver­hül­len sol­len. So trat der Mensch all­mäh­lich ins Äu­ße­re her­aus.

Wenn wir die äu­ße­re Men­schen­ge­stalt als das Ver­dich­te­te des Äthe­ri­schen be­trach­ten, so ha­ben wir in der vier­ten at­lan­ti­schen Stu­fe zu den vier Grup­pen­see­len­köp­fen die vier Hör­ner. Jetzt aber be­ginnt sich für die drei letz­ten at­lan­ti­schen Epo­chen im Phy­si­schen ein Dop­pel­tes aus­zu­bil­den. Für je­de Stu­fe, wo sich wei­ter ein Grup­pen­see­len­kopf aus­bil­den soll­te, bil­de­te sich ein dop­pel­tes Phy­si­sches, männ­lich und weib­lich, aus. Sie ha­ben für die vier ers­ten Stu­fen den Men­schen ge­bil­det mit vier Köp­fen, das ver­dick­te Äthe­ri­sche mit vier Hör­nern. Jetzt ha­ben wir drei fol­gen­de Köp­fe, die nicht sicht­bar sind, weil die äu­ße­re Men­schen­ge­stalt sie auf­nimmt, weil sie nicht zur Dar­stel­lung kom­men. Die­se drei sind nur für den Hell­se­her wahr­zu­neh­men, drei äthe­ri­sche Köp­fe, die Haupt­men­schen­köp­fe, und da­zu je zwei Hör­ner, die wie Schat­ten ne­ben ihm sind, wie Dop­pel­schat­ten. So ha­ben wir, als die at­lan­ti­sche Flut he­r­ein­brach, sie­ben Gat­tungs- oder Grup­pen­see­len­köp­fe, wo­von die drei letz­ten im­mer so er­schei­nen, daß sie ihr Phy­si­sches in zwei­fa­cher Ge­stalt ha­ben, im­mer als Männ­li­ches und Weib­li­ches. Dar­aus se­hen Sie, daß die gan­ze Grup­pen­see­len­haf­tig­keit des Men­schen am En­de der at­lan­ti­schen Zeit, wenn auch das Spä­te­re un­sicht­bar bleibt, sie­ben Köp­fe und zehn Hör­ner hat. Die vier ers­ten Köp­fe be­kom­men kein Männ­li­ches und Weib­li­ches ge­t­rennt an Hör­nern, die drei letz­ten be­kom­men aber Männ­li­ches und Weib­li­ches ge­t­rennt.

Die sie­ben Köp­fe und zehn Hör­ner hat der Mensch in sich. Das muß er nun so be­ar­bei­ten durch die Auf­nah­me des Chris­tus-Prin­zi­pes, daß sie so­zu­sa­gen ver­nich­tet wer­den. Denn je­des­mal, wenn heu­te der Mensch stirbt, ist in sei­nem as­tra­li­schen Lei­be sehr wohl zu se­hen die Sie­ben­köp­fig­keit und Zehn­hör­nig­keit. Das wird nur zu­sam­men­ge­hal­ten wie Kaut­schuk, der ent­sp­re­chend ge­bil­det wird. Neh­men Sie an, der Mensch ver­här­te­te sich wäh­rend un­se­rer Zeit ge­gen das Chris­tus-Prin­zip und kä­me an in der Zeit des gro­ßen Krie­ges al­ler ge­gen al­le, oh­ne das Chris­tus-Er­leb­nis ge­habt zu

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ha­ben, kä­me an und hät­te den Chris­tus von sich ge­sto­ßen, dann wür­de, wenn die Er­de ins As­tra­li­sche über­geht, das­je­ni­ge, was da war, wo­zu er es ge­bracht hat, was er hät­te um­wan­deln sol­len, her­vor­sprin­gen, her­vor­sprin­gen in sei­ner al­ten Ge­stalt. Das Tier wür­de er­schei­nen mit den sie­ben Köp­fen und- zehn Hör­nern, wäh­rend für die­je­ni­gen, die das Chris­tus-Prin­zip auf­ge­nom­men ha­ben, die Ge­sch­lecht­lich­keit wie­der­um über­wun­den sein wird. Die Ver­här­te­ten wer­den die sechs­hör­ni­ge Ge­sch­lecht­lich­keit wohl be­wah­ren und wer­den in ih­rer Ganz­heit er­schei­nen als das Tier mit den sie­ben Köp­fen und zehn Hör­nern, die ver­an­lagt wor­den sind in der at­lan­ti­schen Zeit. Sie kön­nen um­ge­wan­delt wer­den durch die Auf­nah­me des Chris­tus-Im­pul­ses. Wenn aber der Chris­tus zu­rück­ge­wie­sen wird, wer­den sie blei­ben und wie­der er­schei­nen in je­ner Zeit, die da­mit an­ge­deu­tet wird, daß die Zor­nes­scha­len aus­ge­gos­sen wer­den und die Er­de so­zu­sa­gen ge­spal­ten er­scheint in zwei Tei­le: in den Teil, wo die Chris­tus-Men­schen mit wei­ßen Klei­dern er­schei­nen als die Au­s­er­wähl­ten, schon zur Zeit der Sie­gel, und in den an­de­ren Teil, wo die Men­schen er­schei­nen in der Ge­stalt des Tie­res mit den sie­ben Köp­fen und zehn Hör­nern. Dann er­scheint auch ein an­de­res Tier mit zwei Hör­nern, sym­bo­li­siert durch die Zahl 666.

13 – ELFTER VORTRAG, Nürnberg, 29. Juni 1908

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ELF­TER VOR­TRAG

Nürn­ber­ger, 29. Ju­ni 1908

Die Ent­wi­cke­lung un­se­rer Er­de ha­ben wir so weit ver­folgt, daß wir ge­se­hen ha­ben, wie nach ver­schie­de­nen be­deut­sa­men Er­eig­nis­sen, die uns durch die Auf­sch­lie­ßung der sie­ben Sie­gel, durch das Er­tö­nen der sie­ben Po­sau­nen cha­rak­te­ri­siert sind, in der Zu­kunft die Er­de über­geht in ei­ne Art geis­ti­gen Zu­stand mit al­len ih­ren We­sen­hei­ten. Aus­ge­nom­men wer­den nur die­je­ni­gen sein, die sich wei­ger­ten, das Chris­tus-Prin­zip auf­zu­neh­men, wo­bei wir das «Wei­gern» durch­aus in dem Sinn ei­ner en­er­gi­schen, bös­wil­li­gen und un­in­tel­li­gen­ten geis­ti­gen Op­po­si­ti­on zu den­ken ha­ben. Na­tür­lich wer­den auch die­se We­sen­hei­ten dann, wenn die Er­de ih­re as­tra­li­sche, ih­re geis­ti­ge Form an­ge­nom­men ha­ben wird, nicht in ei­nem derb ma­te­ri­el­len, sa­gen wir, er­di­gen Stoff da sein kön­nen, son­dern auch sie wer­den für die Zeit, die dann folgt nach den Po­sau­n­en­klän­gen, für die Zeit, die wir cha­rak­te­ri­siert ha­ben durch das Aus­gie­ßen der Zor­nes­scha­len, in as­tra­li­sche For­men über­ge­hen, aber ih­re nie­de­rer ge­wor­de­ne Na­tur, das, was ih­nen ei­gen ist, weil sie nicht auf­ge­nom­men ha­ben das Chris­tus-Prin­zip, das wird sich im As­tra­li­schen da­durch au­s­prä­gen, daß sie im we­sent­li­chen je­ne Tier­ge­stalt tra­gen, die wir als das Tier mit den sie­ben Köp­fen und zehn Hör­nern cha­rak­te­ri­siert ha­ben.

Nun ha­ben Sie ja aus al­lem, was ge­sagt wor­den ist, ent­neh­men kön­nen, wie die Be­zie­hung ist zwi­schen dem, was wir da Köp­fe und was wir Hör­ner nen­nen. Aber es wird Ih­nen da­bei noch im­mer ei­ne Fra­ge so­zu­sa­gen auf der See­le sein, die Fra­ge: Warum nennt man denn just das­je­ni­ge, was im phy­si­schen Leib als die­ses oder je­nes Or­gan auf­tritt, ei­gent­lich Horn? Warum be­zeich­net man denn die phy­si­schen Or­ga­ne und ih­re Über­b­leib­sel im As­tra­li­schen, wenn die Er­de as­tra­lisch ge­wor­den sein wird, als Hör­ner? Das ist ja leicht ver­ständ­lich, daß die­je­ni­gen Men­schen, wel­che das Prin­zip des Chris­tus nicht in sich auf­ge­nom­men ha­ben, wie­der

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zu­rück­fal­len müs­sen in den Zu­stand, in dem der Mensch war, be­vor er des Chris­tus-Prin­zi­pes teil­haf­tig wer­den konn­te. Der Mensch war vor­her ein un­in­di­vi­du­el­les We­sen mit ei­ner Grup­pen­see­le, und wir ha­ben ge­se­hen, daß er durch die vier ers­ten Zei­träu­me der at­lan­ti­schen Zeit mit den Grup­pen­see­len aus­ge­stat­tet war, die in rich­ti­ger Wei­se sym­bo­lisch dar­ge­s­tellt wer­den durch den Stier­kopf, Löw­en­kopf, Ad­ler­kopf und den Men­schen­kopf, wo­bei wir uns die­sen letz­te­ren als Tier­men­schen­kopf vor­zu­s­tel­len ha­ben. Wir ha­ben uns al­so durch­aus zu den­ken, daß, wenn der Mensch wie­de­r­er­scheint in der ver­geis­tig­ten Er­de und un­be­nutzt ge­las­sen hat das Chris­tus-Prin­zip wäh­rend un­se­rer Epo­che, er dann, weil er eben nichts da­zu bei­ge­tra­gen hat, sei­ne frühe­re Ti­er­grup­pen­see­len­haf­tig­keit höh­er aus­zu­bil­den, wie­der­um in der al­ten Ge­stalt er­scheint, und nicht nur in die­ser Ge­stalt, son­dern mit wei­te­ren drei Köp­fen, die er durch die spä­te­ren Zei­träu­me sich noch zu­ge­zo­gen hat. Be­vor die gro­ße Flut von At­lan­tis her­ein­ge­bro­chen ist, wa­ren ja auf die ers­ten vier Zei­träu­me noch drei ge­folgt. In die­sen drei Zei­träu­men ha­ben ja die­je­ni­gen, wel­che spä­ter das Chris­tus-Prin­zip auf­ge­nom­men ha­ben, auch in ei­ner ge­wis­sen Wei­se die Mög­lich­keit in sich ge­habt, wei­te­re drei Grup­pen­see­len­köp­fe in sich auf­zu­neh­men, aber sie ha­ben sie um­ge­stal­tet, sie ha­ben das Tie­ri­sche im Men­schen auf ein Höhe­res hin­auf­ge­ho­ben. Sie er­schei­nen in ver­geis­tig­ter Ge­stalt, wenn die Er­de ver­geis­tigt sein wird. Die an­de­ren, die das Chris­tus-Prin­zip von sich ge­wie­sen ha­ben, er­schei­nen mit sie­ben Köp­fen, weil es sie­ben Zei­träu­me gab, inn­er­halb wel­cher vor der Flut das Tie­ri­sche aus­ge­bil­det wor­den ist. Und weil in den letz­ten drei at­lan­ti­schen Zei­ten die Zwei­ge­sch­lech­tig­keit ge­wal­tet hat im Ge­gen­satz zu den vier ers­ten, er­scheint so­zu­sa­gen je­der Kopf mit zwei Mög­lich­kei­ten nach dem Tie­ri­schen hin, mit männ­li­cher und weib­li­cher Mög­lich­keit, so daß je­der Kopf für die­se drei letz­ten Zei­ten mit zwei Hör­nern er­scheint, im gan­zen der Mensch al­so mit zehn Hör­nern.

Nun kann je­mand sa­gen: Ich ver­ste­he wohl, daß die­je­ni­gen Men­schen, die nichts an sich ar­bei­ten, um die Ge­stalt, die sie ha­ben, ab­zu­st­rei­fen, um sie ins Men­sch­li­che her­auf­zu­he­ben, wie­de­r­er­schei­nen

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in der tie­ri­schen Ge­stalt, aber nicht, warum man nun von Hör­nern spricht. Daß man von Köp­fen spricht, das ist leicht zu ver­ste­hen, warum aber von Hör­nern? Nun will ich er­klä­ren, warum man von Hör­nern nicht nur spricht, son­dern sp­re­chen muß. Nicht bloß sym­bo­lisch ist der Aus­druck zu ver­ste­hen, son­dern es ist Wir­k­lich­keit. Tat­säch­lich wer­den die Men­schen, die ver­feh­len, das Chris­tus-Prin­zip in sich auf­zu­neh­men, ja auch in as­tra­li­scher Ge­stalt er­schei­nen. 'Weil sie aber ih­re Trie­be so ge­stal­tet ha­ben, daß sie so­zu­sa­gen an der tie­ri­schen Grup­pen­see­le fest­ge­hal­ten ha­ben, er­schei­nen die ent­sp­re­chen­den Trie­be in dem as­tra­li­schen Lei­be, den die Men­schen dann ha­ben wer­den, in Form von hör­ner­ar­ti­gen Fort­set­zun­gen. Es ist ei­ne wir­k­li­che Ge­stalt.

Ich will es an ei­nem Or­gan er­klä­ren, wie es kommt, daß der Mensch, der das Chris­tus-Prin­zip nicht in sich auf­nimmt, tat­säch­lich mit Hör­nern er­scheint, wenn die Er­de sich ver­geis­tigt ha­ben wird. Neh­men Sie das Or­gan des men­sch­li­chen Kehl­kop­fes und die Luf­tröh­re. Sie at­men fort­wäh­rend in die­ser Luf­tröh­re Luft ein und aus. Das ist ei­ne Tä­tig­keit, die der Mensch aus­übt. Die­se Tä­tig­keit steht bei dem Men­schen, der sich ver­geis­tigt, im Di­ens­te des Geis­ti­gen, bei dem Men­schen aber, der nicht sei­ne Hin­nei­gung, sei­ne Hin­ord­nung zum Chris­tus-Prin­zip nimmt, steht sie in Be­zie­hung zu den al­ten, zu den sie­ben Köp­fen ge­hö­ri­gen Kräf­ten. Set­zen wir al­so den Fall, daß wir es sche­ma­tisch so auf­zeich­nen:


Fort­wäh­rend geht die Luft durch den Kehl­kopf hin­ein von au­ßen. Sie wis­sen aber, daß der as­tra­li­sche Leib des Men­schen ihn um­gibt. Der Strom der Luft, der hin­ein­geht, wird im­mer in Ver­bin­dung sein mit dem As­tra­li­schen. Wenn die Er­de nun sich ver­geis­tigt, zeigt es sich, ob die At­mung bei ei­nem Men­schen ein

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Die­ner des Chris­tus-Prin­zips oder ob sie ein Die­ner der nie­de­ren Kräf­te war, die schon vor dem Chris­tus-Prin­zip in der Welt wa­ren. War sie ein Die­ner des Chris­tus-Prin­zips, dann ver­liert sie je­ne Form, die sich dem heu­ti­gen Lei­be anpaßt. Der Mensch hat dann selbst die Ge­walt, al­les, was as­tra­lisch ist, in ei­ne höhe­re, ver­geis­tig­te Form um­zu­wan­deln. Nimmt er das Chris­tus-Prin­zip nicht auf, dann ist er au­ßer­stan­de, das­je­ni­ge, was der heu­ti­gen flei­sch­li­chen Form an­gepaßt ist, aus die­ser flei­sch­li­chen Form her­aus­zu­brin­gen. Und die Fol­ge da­von ist, daß, nach­dem das Flei­sch­li­che ab­ge­fal­len, ver­schwun­den ist, nach­dem der phy­si­sche Kehl­kopf fort­ge­gan­gen ist, die­se Form des as­tra­li­schen Lei­bes bleibt, die da sich im­mer­fort mit dem Atem hin­ein­steckt in den Kehl­kopf. Die­se Form bleibt in der Ge­stalt ei­nes Hor­nes vor­han­den. Übe­rall, wo am Men­schen die äu­ße­ren as­tra­li­schen Kräf­te ein- und aus­ge­hen, blei­ben sie an­gepaßt der vor­her­ge­hen­den tie­ri­schen Ge­stalt, wenn der Mensch in die as­tra­li­sche Form über­geht, das heißt es er­scheint der Mensch dann mit wah­ren as­tra­li­schen Hör­nern. Das sind wir­k­li­che as­tra­li­sche Ge­stal­ten, sie ent­sp­re­chen ge­nau dem Ein­drin­gen der as­tra­li­schen Sub­stan­tia­li­tät wäh­rend des Er­den­le­bens. Es ist so, daß uns in die­sen Bil­dern nicht be­lie­bi­ge Sym­bo­le hin­ge­s­tellt wer­den, son­dern daß sie die wah­re Ge­stalt des­sen ha­ben, was einst er­scheint. Das gilt es auf­zu­fas­sen.

Nun wol­len wir ein­mal an der Hand des­sen, was wir neu­lich be­trach­tet ha­ben, an der Hand je­nes et­was un­be­hag­li­chen Sche­mas mit den vie­len Zah­len, den Platz in der Welt­ent­wi­cke­lung be­stim­men, an dem wir ste­hen. Da sind wir uns klar dar­über, daß die 49 gro­ßen Ver­wand­lungs­for­men des Sa­turn vor­bei sind, die sie­ben Le­bens­for­men des Sa­turn, die in theo­so­phi­schen Büchern auch «Run­den» ge­nannt wer­den, mit je sie­ben Form­zu­stän­den, «Glo­ben», daß fer­ner vor­über sind die 49 ent­sp­re­chen­den Son­nen­zu­stän­de und die 49 Mond­zu­stän­de. Die hat der Mensch in sei­ner bis­he­ri­gen Ent­wi­cke­lung durch­ge­macht, im gan­zen al­so 147 Zu­stän­de. Da­zu kom­men nun die Zu­stän­de, die der Mensch schon wäh­rend un­se­rer Er­den­ent­wi­cke­lung durch­ge­macht hat. Da sind vor­über die drei ers­ten Le­bens­rei­che, die man auch die drei ers­ten Run­den nennt.

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Wir le­ben im vier­ten Le­bens­reich, in der vier­ten Run­de. Weil nun je­de sol­che Run­de wie­der­um sie­ben Zu­stän­de der Form um­faßt, so ha­ben wir 3 mal 7 Zu­stän­de wäh­rend der drei ers­ten Run­den ab­sol­viert. Zu den 147 kom­men al­so 21 hin­zu. Das vier­te Le­bens­reich ha­ben wir noch nicht ab­sol­viert, aber wir ha­ben ei­nen Teil von die­sem hin­ter uns. Wir ha­ben die drei ers­ten Form­zu­stän­de ab­sol­viert, den fast noch form­lo­sen geis­ti­gen Zu­stand oder Aru­pa-Zu­stand, den Ru­pa- und den as­tra­li­schen Zu­stand. Im phy­si­schen ste­hen wir. So kom­men zu den 147 plus 21 noch 3 hin­zu. Wir ha­ben al­so ab­sol­viert 171 Form­zu­stän­de von den 343 der sie­ben Pla­ne­ten.

Sie müs­sen vor al­len Din­gen ins Au­ge fas­sen, daß wir jetzt in dem 172. Form­zu­stand ste­hen, und das ist die phy­si­sche Er­de. 171 Zu­stän­de hat sie schon durch­ge­macht. Wäh­rend die­ses 172. Zu­stan­des hat sich al­les das zu­ge­tra­gen, was wir ge­schil­dert ha­ben. Als er be­gon­nen hat, die­ser Zu­stand, war die Er­de ver­bun­den mit Son­ne und Mond. Wäh­rend die­ses Zu­stan­des ist die Son­ne, ist der Mond her­aus­ge­gan­gen, und nach­dem Son­ne und Mond her­aus­ge­gan­gen wa­ren, er­schi­en der Mensch als heu­ti­ger Mensch auf der phy­si­schen Er­de. Und es be­gann dar­auf die at­lan­ti­sche Zeit, von der wir ge­spro­chen ha­ben, und wir ha­ben ge­sagt: Die­sen Zei­traum, der der 172. ist, den müs­sen wir wie­der ein­tei­len in sie­ben Zei­träu­me. Der ers­te liegt weit zu­rück, da war am An­fang noch die Son­ne bei der Er­de. Et­was sehr un­ei­gent­lich ist man ge­wohnt wor­den, die­sen Zei­traum die po­la­ri­sche Men­schen­ras­se zu nen­nen. Von die­ser kann man kaum ei­ne Vor­stel­lung ge­ben. Dann folgt, wäh­rend des Hin­aus­ge­hens der Son­ne, die Ras­se der Hy­per­bo­räer, dann, wäh­rend des Hin­aus­ge­hens des Mon­des, ei­ne drit­te, die so­ge­nann­te le­mu­ri­sche Men­schen­ras­se. Das sind drei Zu­stän­de, und der vier­te inn­er­halb die­ses 172. Zu­stan­des ist die at­lan­ti­sche Ras­se. Die fünf­te Ras­se ist die­je­ni­ge, in der wir selbst ste­hen. Nach der vier­ten war die gro­ße at­lan­ti­sche Flut. Nach der un­se­ri­gen folgt die­je­ni­ge, die in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes durch die sie­ben Sie­gel aus­ge­drückt ist, und dann die­je­ni­ge, die durch die sie­ben Po­sau­nen aus­ge­drückt ist.

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Nun wis­sen wir, daß je­der die­ser Zei­träu­me wie­der in sie­ben zer­fällt, denn wir ha­ben den un­se­ri­gen, den fünf­ten inn­er­halb des 172. Form­zu­stan­des, zer­teilt in die alt­in­di­sche, alt­per­si­sche, chal­däisch-ba­by­lo­nisch-as­sy­risch-ägyp­tisch-jü­di­sche, in die grie­chisch-latei­ni­sche, in un­se­re, in ei­ne sechs­te und ei­ne sie­ben­te Kul­tu­re­po­che. Dann folgt der gro­ße Krieg al­ler ge­gen al­le. Das, was nach dem gro­ßen Krie­ge kommt, zer­fällt wie­der in sie­ben Glie­der, aus­ge­drückt durch die sie­ben Sie­gel, und das­je­ni­ge, was durch die sie­ben Po­sau­nen aus­ge­drückt ist, ist wie­der­um in sie­ben Glie­der ge­teilt.

Wenn Sie nun in Be­tracht zie­hen, daß 171 noch zu­künf­ti­ge Form­zu­stän­de zu den be­reits ver­f­los­se­nen hin­zu­ge­zählt wer­den müs­sen, dann ha­ben Sie 342, ein wei­te­rer da­zu, der ge­gen­wär­ti­ge, gibt al­le 343, aber in die­sem le­ben wir drin­nen, er steht in der Mit­te. Nun kann je­mand sa­gen: Das ist ei­gent­lich ei­ne ganz wun­der­ba­re Sa­che, daß wir ge­ra­de das Glück ha­ben, in der Mit­te der Welt­ent­wi­cke­lung zu le­ben. Das muß in der Tat man­chem, der nicht wei­ter dar­über nach­denkt, als son­der­ba­re Tat­sa­che er­schei­nen, daß wir so mit­ten in der Ent­wi­cke­lung le­ben. Ja, für den­je­ni­gen, der die Sa­che ganz durch­schaut, ist es gar nicht so son­der­bar. Es ist nicht wun­der­ba­rer, als wenn je­mand, der auf frei­em Fel­de in ebe­ner Ge­gend steht, wo er nach hin­ten und vorn gleich weit sieht, sich in der Mit­te des Ge­sichts­fel­des be­fin­det. Wenn er ein Stück wei­ter­geht, blickt er wie­der gleich weit nach hin­ten und nach vor­ne. Ganz an­de­re Zu­stän­de in der Welt­ent­wi­cke­lung wür­den sich er­ge­ben, wenn wir uns an ei­nen an­de­ren Punkt stel­len wür­den. Wir sind im­mer in der Mit­te. Der Mensch kann nach hin­ten und vor­ne im­mer gleich viel se­hen, auch mit noch so hell­se­he­ri­schen Or­ga­nen. Et­was an­de­res könn­te vi­el­leicht noch auf­fäl­lig sein. Es könn­te je­mand sa­gen: Wie kommt es, daß du uns nicht sagst, auch im üb­ri­gen sei­en wir ganz ge­nau in der Mit­te. Denn jetzt stimmt es nicht mehr. Wir zäh­len da den 172. Form­zu­stand. Die ge­naue Mit­te wä­re im vier­ten Zei­traum des­sel­ben, wir ste­hen aber im fünf­ten, al­so et­was über der Mit­te drau­ßen. Das stimmt al­so nicht ge­nau da­mit, daß wir wir­k­lich in der Mit­te sind. Da liegt ei­ne ei­gen­tüm­li­che Tat­sa­che zu­grun­de. Durch ei­nen Ver­g­leich kön­nen Sie es sich klar­ma­chen. Wenn Sie ihn

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ge­nau er­fas­sen, so se­hen Sie, daß das ei­ne wich­ti­ge Tat­sa­che ist. Es ist wir­k­lich so: In be­zug auf die gro­ßen Haupt­zu­stän­de, Form­zu­stän­de ste­hen wir in der Mit­te, aber in be­zug auf die­je­ni­gen Zu­stän­de, die uns am al­ler­nächs­ten an­ge­hen, ste­hen wir et­was über die Mit­te hin­aus. Warum ist das so?

Den­ken Sie sich ein­mal, Sie wür­den in ei­ner ganz ebe­nen Ge­gend auf ei­ner Ei­sen­bahn­st­re­cke fah­ren und in der La­ge sein, nicht im Wag­gon sit­zen zu müs­sen, son­dern in ei­nem für Sie be­son­ders zu­ge­rich­te­ten Wa­gen, und zwar so, daß Sie nach al­len Sei­ten hin ei­nen frei­en Blick hät­ten. Neh­men wir an, Sie wä­ren im­stan­de, das lan­ge Zeit hin­durch zu ma­chen. Sie hät­ten wir­k­lich ei­nen frei­en Aus­blick, und wenn Sie in ir­gend­ei­nem Punk­te Ih­rer Fahrt sehr rasch ein Bild ent­wer­fen könn­ten von der ge­sam­ten Um­ge­bung, so wür­de die­ses Bild voll­stän­dig kreis­för­mig ab­ge­sch­los­sen sein. Nur in ei­nem Fal­le wür­de dies nicht der Fall sein. Den­ken Sie sich ein­mal, Sie sit­zen in dem da­hin­fah­ren­den Zug und fi­xie­ren das Bild, das Sie vor sich ha­ben. In die­sem Au­gen­blick, wo Sie es fi­xie­ren, schla­fen Sie ein und fah­ren ei­ne Zeit­lang schla­fend, und dann, wenn Sie schla­fen, wer­den Sie ei­ne St­re­cke hin­durch nicht ge­wahr, wie das Bild sich ve­r­än­dert. Sie wa­chen auf, und in dem Zeit­punkt, wo Sie auf­wa­chen, da den­ken Sie sich das Bild, das Sie vor­her fi­xiert ha­ben, rasch wie­der auf­le­ben. Jetzt stimmt es nicht, und der Grund da­von ist, daß Sie ei­ne ge­wis­se Zeit­st­re­cke ver­schla­fen ha­ben. Jetzt fällt nicht zu­sam­men Ihr Bild mit dem Blick, der nach al­len Sei­ten gleich ist, denn Sie ha­ben da­zu ein Stück, das Sie ver­schla­fen ha­ben.

Nun fra­gen wir: Ist das wir­k­lich so, daß der Mensch von der Mit­te sei­ner Ent­wi­cke­lung bis in un­se­re Zeit he­r­ein ge­schla­fen hat? Es wä­re uns vi­el­leicht er­klär­lich, daß das Bild bis da­hin voll­stän­dig stim­men muß­te, jetzt, wo wir über die Mit­te hin­aus­ge­kom­men sind, wür­de, wenn wir ge­schla­fen hät­ten, es mög­lich sein, daß das Bild sich ein Stück ver­scho­ben hat. Hat der Mensch ge­schla­fen? Im ok­kul­ten Sinn hat die Mensch­heit seit der Mit­te der at­lan­ti­schen Zeit ge­schla­fen, weil das die Zeit ist, wo dem gan­zen Men­schen­ge­sch­lecht als sol­chem ab­han­den ge­kom­men ist das

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al­te däm­mer­haf­te Hell­se­hen. Die Men­schen tau­chen un­ter für das Geis­ti­ge wie in ei­nen Schlaf­zu­stand. Sie fan­gen an, ih­ren Blick auf die sinn­li­che Welt zu rich­ten und ge­hen al­so für die geis­ti­ge Welt in ei­nen Schlaf­zu­stand über. Und erst wenn der Mensch wie­der­um das Hell­se­hen er­langt hat, dann wird er so­zu­sa­gen nach al­len Sei­ten ei­nen frei­en Aus­blick ha­ben. Es wird nicht mehr die­se Ver­schie­bung der Evo­lu­ti­on sein, es wird nach vor­ne und hin­ten die­sel­be St­re­cke er­schei­nen. Tat­säch­lich hat der Mensch seit der Mit­te der at­lan­ti­schen Zeit ge­schla­fen da­durch, daß er nicht teil­haf­tig war der An­schau­ung der geis­ti­gen Wel­ten als nor­ma­ler Mensch. Wenn wir von den Ein­ge­weih­ten oder auch von Som­nam­bu­len mei­net­we­gen ab­se­hen, so müs­sen wir sa­gen: Die Men­schen se­hen nicht, denn «se­hen» be­deu­tet, wir­k­lich in die Welt hin­ein­schau­en. Ge­gen­über der geis­ti­gen Welt schläft die Mensch­heit und sie wird noch ei­ne Zeit­lang schla­fen. Seit je­ner at­lan­ti­schen Zeit gilt der Aus­spruch des Jo­han­nes-Evan­ge­li­ums: «Und das Licht schi­en in die Fins­ter­nis, aber die Fins­ter­nis hat es nicht be­grif­fen.»

So al­so ver­birgt sich in die­ser Ein­tei­lung doch ei­ne wich­ti­ge Wahr­heit, die Wahr­heit, daß die Mensch­heit in ei­nem fins­te­ren Zei­tal­ter lebt, in dem Zei­tal­ter der Fins­ter­nis. Und in die­ses Zei­tal­ter wur­de das Chris­tus-Prin­zip he­r­e­in­ver­setzt, da­mit die Mensch­heit hin­aus­ge­führt wer­de in das Zei­tal­ter des Lichts. Des­halb muß­te ich Ih­nen mit Recht den ge­gen­wär­ti­gen Stand der Ent­wi­cke­lung nicht in die Mit­te, son­dern hin­ter die Mit­te le­gen, weil in At­lan­tis das fins­te­re Zei­tal­ter be­ginnt, das bis in das sechs­te Zei­tal­ter hin­ein­geht, bis da­hin, wo die au­s­er­le­se­ne Schar in wei­ßen Klei­dern er­scheint, wo die­se Schar er­scheint als die ers­ten, die wie­der im­stan­de sind, in den ge­wöhn­li­chen nor­ma­len Ver­hält­nis­sen die geis­ti­ge Welt um sich her­um zu ha­ben. Da ist der Zei­traum der Fins­ter­nis ab­ge­lau­fen, da er­scheint der Zei­traum, von dem es hei­ßen muß: «Das Licht scheint in die Fins­ter­nis und die Fins­ter­nis be­g­reift das Licht.» Das schwar­ze Zei­tal­ter wird des­halb auch die Zeit ge­nannt, in wel­cher der Mensch sei­nen Blick nur auf die phy­sisch-ma­te­ri­el­le Welt rich­tet und im nor­ma­len Zu­stand nicht die geis­ti­ge Welt da­hin­ter sieht.

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Nun­mehr wol­len wir aber an­knüp­fen an das, was wir wei­ter über die Ent­wi­cke­lung ge­sagt ha­ben. Wenn die Ent­wi­cke­lung bis nach dem sie­ben­ten Zei­traum vor­ge­schrit­ten sein wird, nach der Zeit, wel­che durch die Po­sau­n­en­klän­ge an­ge­deu­tet ist, dann ver­geis­tigt sich die Er­de, und die Er­de geht zu­nächst ins As­tra­li­sche, dann ins De­vacha­ni­sche und in den fei­ne­ren de­vacha­ni­schen Zu­stand über. Und sie geht dann wie­der­um zu­rück in die­sel­ben Zu­stän­de, in­dem sie sich von dem feins­ten Geis­ti­gen im­mer mehr ver­dich­tet und in den­je­ni­gen Zu­stand kommt, wel­chen man ge­wöhn­lich in theo­so­phi­schen Hand­büchern die fünf­te Run­de nennt, die wie­der­um sie­ben Form­zu­stän­de ha­ben wird, und in der Mit­te wie­der­um durch ei­ne sol­che Ent­wi­cke­lung von sie­ben au­f­ein­an­der­fol­gen­den, mei­net­we­gen Ras­se­zu­stän­den cha­rak­te­ri­siert wer­den müß­te.

Nun wol­len wir uns ein­mal, wenn es uns auch schwer wird, doch in die nächs­ten Zu­stän­de un­se­rer Er­den­ent­wi­cke­lung ein we­nig ver­tie­fen. Wir wol­len ei­nen ganz be­stimm­ten Punkt un­se­rer Ent­wi­cke­lung in der Zu­kunft ins Au­ge fas­sen, eben­so wie wir un­se­ren jet­zi­gen Punkt ins Au­ge ge­faßt ha­ben. Fas­sen wir noch ein­mal un­se­ren jet­zi­gen Ent­wi­cke­lungs­punkt ins Au­ge, und zwar so, daß wir bloß an­fan­gen mit un­se­rem jet­zi­gen 172. Zu­stand. Von die­sem 172. Zu­stan­de hat die Er­de drei Un­ter­zu­stän­de schon ab­sol­viert. Der 172. Zu­stand ist der phy­si­sche Form­zu­stand, die Er­de selbst. Drei [Form­zu­stän­de] hat sie vor­her schon ab­sol­viert. Sie ist jetzt im vier­ten die­ser Zu­stän­de. Wir fas­sen al­so zu­nächst nur ins Au­ge die Form­zu­stän­de [der Er­de]. Wir rech­nen, daß wir in dem vier­ten Le­bens­reich oder der vier­ten Run­de sind. Die be­trach­ten wir als ge­ge­ben und sa­gen: Von die­ser vier­ten Run­de, von die­sem vier­ten Le­bens­reich ha­ben wir durch­ge­macht drei Form­zu­stän­de, und wir sind im vier­ten die­ser Form­zu­stän­de. Fra­gen wir uns nun wei­ter: Wie­viel ha­ben wir von den Un­ter­zu­stän­den durch­ge­macht? Den ers­ten, zwei­ten, drit­ten, vier­ten. Der letz­te war die at­lan­ti­sche Zeit. Die­se letz­te, die at­lan­ti­sche Ent­wi­cke­lungs­zeit, ist al­so ab­ge­sch­los­sen. Wir sa­gen: Wir ha­ben vier Zu­stän­de durch­ge­macht und ste­hen jetzt im fünf­ten. Von die­sem fünf­ten ha­ben wir wie­der­um vier durch­ge­macht an Un­ter­zu­stän­den, näm­lich den alt-

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in­di­schen, alt­per­si­schen, ägyp­ti­schen, grie­chisch-latei­ni­schen. Im fünf­ten ste­hen wir. So daß wir sa­gen: Vor un­se­rer un­mit­tel­bar jet­zi­gen Ent­wi­cke­lungs­stu­fe ha­ben wir 3, 4, 4 Zu­stän­de ab­sol­viert. Die­se 3, 4, 4 Zu­stän­de, die wir da ab­sol­viert ha­ben, die be­zeich­net man in der Spra­che des Apo­ka­lyp­ti­kers als die Zahl der Ent­wi­cke­lung. Wenn man al­so fragt: Wel­ches ist die Zahl der Ent­wi­cke­lung, un­se­rer Ent­wi­cke­lung? dann heißt die Ant­wort: Die­se Zahl un­se­rer Ent­wi­cke­lung ist «344» (ge­le­sen drei, vier, vier). Es ist das nicht im Sin­ne des Zeh­ner­sys­tems, son­dern des Sie­be­n­er­sys­tems ge­le­sen. Drei Zu­stän­de von sie­ben sind durch­ge­macht, vier Zu­stän­de von den nächs­ten, klei­ne­ren sie­ben sind durch­ge­macht, und vier Zu­stän­de von aber­mals sie­ben klei­ne­ren sind durch­ge­macht. Das be­deu­tet ei­gent­lich die­se «344». Man darf sie nicht wie an­de­re Zah­len ein­fach ab­le­sen, son­dern sie ent­hält ne­ben­ein­an­der ge­schrie­ben die Zahl der Zu­stän­de, die man durch­ge­macht hat.

Nun den­ken wir uns fol­gen­des:*) Wenn die Er­de sich ver­geis­tigt und sich in ih­re nächs­ten Zu­stän­de hin­über­ent­wi­ckelt ha­ben wird, dann wer­den im­mer mehr und mehr Stu­fen durch­ge­macht sein. Und ein­mal muß ei­ne Zeit kom­men, wo durch­ge­macht sein wer­den: von der ers­ten Gat­tung 6, von der zwei­ten 6 und von der drit­ten 6 Zu­stän­de. Ge­nau wie wir jetzt als Zahl der Ent­wi­cke­lung 344 ha­ben, so muß ein­mal in der Zu­kunft, in dem Zeit­punkt, wo 6 Le­bens­rei­che oder Run­den, 6 Hauptras­sen und 6 Un­ter­ras­sen durch­ge­macht sind, die Zahl «666» (ge­le­sen sechs, sechs, sechs) gel­ten un­ei­gent­lich ge­le­sen, aber das ist die rich­ti­ge Art und Wei­se der Sch­rei­bung des Apo­ka­lyp­ti­kers. Al­so es wird ein­mal ei­ne Zeit kom­men, wo die Zahl «666» die Zahl der Ent­wi­cke­lung ist. Das wird erst in ei­ner sehr fer­nen Zu­kunft sein, aber die­se Zu­kunft wird schon vor­be­rei­tet in un­se­rer Zeit. Nach­dem drei gro­ße Haupt­zu­stän­de [Hauptras­sen] durch­ge­macht sind, le­ben wir in un­se­rer Zeit im vier­ten. Aber wenn die Zeit vor­über­ge­gan­gen sein wird, wel­che nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le durch die sie­ben Sie­gel be­zeich­net ist, wenn wir an­ge­langt sein wer­den [beim

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*) Sie­he den Son­der­hin­weis auf Sei­te 263.

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Zei­tal­ter der sie­ben Po­sau­nen], dann wer­den wir von die­ser mitt­le­ren Gat­tung sechs durch­ge­macht ha­ben. Wenn die ers­te Po­sau­ne er­k­lin­gen wird, wer­den wir 6 sol­che Hauptras­sen durch­ge­macht ha­ben, und wenn wir dann hin­über­le­ben in die Zeit der Po­sau­n­en­klän­ge und die Zei­ten vor­über sein wer­den, die durch die ers­ten sechs Po­sau­nen ge­kenn­zeich­net sind, dann ha­ben wir «66» er­lebt. Bis da­hin hat die Mensch­heit Zeit ge­habt, sich vor­zu­be­rei­ten auf den furcht­ba­ren Zeit­punkt, der einst viel spä­ter folgt, da näm­lich, wo nicht nur 66, son­dern «666» er­reicht sein wird.

Al­les Zu­künf­ti­ge wird schon ge­gen­wär­tig vor­be­rei­tet. Die Zeit, die nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le ein­ge­t­re­ten sein wird, die Zeit des sie­ben­ten Po­sau­n­en­klan­ges, wird Men­schen se­hen, die da­durch, daß sie sich vom Chris­tus-Prin­zip aus­ge­sch­los­sen ha­ben, ei­nen ho­hen Grad der Bos­heit, der An­la­ge, in den Ab­grund hin­un­ter­zu­sin­ken, er­langt ha­ben wer­den. Bis da­hin wer­den die­se Men­schen da­für ge­sorgt ha­ben, daß sie, wenn der Zeit­punkt 666 kommt, so recht tief in das Bö­se, in den Ab­grund hin­ein­s­tei­gen kön­nen. Die An­la­ge zu die­sem Hin­un­ter­s­tei­gen in den Ab­grund in ur­fer­ner Zu­kunft neh­men die Men­schen schon nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le in dem Zei­tal­ter [der Po­sau­nen), wenn die sie­ben­te Po­sau­ne er­k­lingt, in sich auf. Zwar wird es noch lan­ge Zeit mög­lich sein, daß die Men­schen, die sol­che An­la­ge dann in sich auf­ge­nom­men ha­ben, um­keh­ren, sich be­keh­ren kön­nen, daß sie zu­rück­keh­ren in ih­rer Ent­wi­cke­lung, um dann noch das Chris­tus-Prin­zip auf­zu­neh­men. Aber die ers­te An­la­ge ist ge­schaf­fen, und die­je­ni­gen, die bei die­ser An­la­ge blei­ben, die wer­den dann, wenn je­ne ur­fer­ne Zu­kunft kom­men wird, die nicht durch 466, son­dern durch 666 an­ge­deu­tet wird, die­se An­la­ge nicht mehr um­wan­deln kön­nen in gu­te An­la­gen. Sie wer­den je­nem furcht­ba­ren Schick­sal er­lie­gen, von dem wir noch zu sp­re­chen ha­ben.

So se­hen wir, daß mit die­ser Sechs-Zahl, ob sie nun ein­fach oder dop­pelt oder drei­fach auf­tritt, et­was Sch­lim­mes für die Mensch­heits­ent­wi­cke­lung ver­knüpft ist. Wir le­ben im fünf­ten Haupt- und im fünf­ten Un­ter­zei­traum. Wir wer­den hin­über­le­ben nach dem gro­ßen Krieg in den sechs­ten Zei­traum hin­ein. Aber be­vor der

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gro­ße Krieg kommt, kommt un­mit­tel­bar hin­ter un­se­rem fünf­ten Un­ter­zei­trau­me der sechs­te Un­ter­zei­traum, cha­rak­te­ri­siert durch die Ge­mein­de Phi­la­del­phia. Nun wis­sen wir, daß heu­te die Zeit ist, in wel­cher der Ma­te­ria­lis­mus sich in der Mensch­heit aus­ge­b­rei­tet hat. Wir ha­ben ge­se­hen, wie durch die Jahr­hun­der­te her­auf die Men­schen im­mer ma­te­ria­lis­ti­scher ge­wor­den sind, aber die­ser Ma­te­ria­lis­mus ist ein sol­cher, daß Um­kehr je­der­zeit mög­lich ist. Der ma­te­ria­lis­ti­sche Mensch hat heu­te noch Zeit zur Um­kehr. Da­her muß aber auch in un­se­rer Ge­gen­wart ei­ne spi­ri­tu­el­le Wel­t­an­schau­ung Platz grei­fen, je­ne Wel­t­an­schau­ung, wel­che ein klei­nes Häuf­lein von Men­schen eben zu die­ser ok­kul­ten, spi­ri­tu­el­len Auf­fas­sung der Welt hin­führt. Die­je­ni­gen, die den gro­ßen Bru­der­bund in sei­ner ers­ten An­la­ge be­grün­den wer­den im sechs­ten Zei­traum, der da fol­gen wird auf un­se­re Zeit und der gar nicht so fern liegt, des­sen Be­ginn in ei­ner Zeit liegt, die nur nach Jahr­tau­sen­den zählt, die wer­den die al­le­r­ers­te Ab­spal­tung der Men­schen be­wir­ken. Die­je­ni­gen, die hart­nä­ckig ver­har­ren im Ma­te­ria­lis­mus, und auch die an­de­ren, die ge­neigt sein wer­den, ei­ne spi­ri­tu­el­le An­schau­ung in sich auf­zu­neh­men, die den Bru­der­bund im klei­nen Häuf­lein aus­bil­den, bei­de wer­den schon auf­t­re­ten in un­se­rem sechs­ten Zei­traum. Die­se ein­fa­che 6, sie kann schon für vie­le Men­schen ver­häng­nis­voll wer­den, aber nicht letzt­gül­tig, denn Um­kehr wird auch dann noch mög­lich sein. Aber es wer­den die Men­schen hin­über­le­ben über den gro­ßen Krieg al­ler ge­gen al­le. [Das Zei­tal­ter der sie­ben Sie­gel und] fünf Zei­träu­me [des Po­sau­n­en­zei­tal­ters] wer­den ver­ge­hen, die Sechs­zahl wird wie­der ein­t­re­ten. Nach­her wer­den neu­er­dings die Ver­lo­ckun­gen und Ver­füh­run­gen kom­men, um die ma­te­ria­lis­ti­sche An­la­ge wei­ter aus­zu­bil­den, sie hin­über­zu­tra­gen in die Zeit der Po­sau­n­en­klän­ge, und wenn 6 gro­ße und 6 wei­te­re klei­ne­re Zei­träu­me ver­lau­fen sind, nach 66, da wer­den schon sehr be­trächt­li­che An­la­gen in der Mensch­heit vor­han­den sein, die nicht so leicht gut­zu­ma­chen sind wie un­se­re.

So se­hen wir, daß tat­säch­lich im­mer mehr und mehr die Welt der sch­lech­ten An­la­gen inn­er­halb der Mensch­heit wirkt und daß sich im­mer deut­li­cher und kras­ser die gu­ten Men­schen von den

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bö­sen, im Sin­ne der Dar­stel­lung des Apo­ka­lyp­ti­kers, von­ein­an­der schei­den. Die letz­te gro­ße Schei­dung wird sein, wenn nicht nur für die kür­ze­ren, son­dern für die län­ge­ren Zei­träu­me die Sechs­zahl er­füllt sein wird. Das wird dann der Fall sein, wenn un­se­re Er­de ab­sol­viert hat ih­re sechs Le­bens­rei­che oder sechs Run­den und inn­er­halb der sie­ben­ten Run­de wie­der­um sechs Form­zu­stän­de. Wenn sie das ab­sol­viert hat, dann wer­den die An­la­gen der Mensch­heit ins Bö­se sich aus­ge­bil­det ha­ben in ei­ner furcht­ba­ren Ge­stalt. Mit furcht­bar ver­hee­ren­der Ge­walt wird dann das Bö­se nur bei de­nen auf­t­re­ten, die bö­se ge­b­lie­ben sind.

Wir fra­gen uns al­so: Wie oft hat inn­er­halb un­se­rer Er­de die Mensch­heit Ge­le­gen­heit, der Ver­füh­rung zum Bö­sen zu un­ter­lie­gen? Zu­nächst in dem­je­ni­gen Zei­traum, der auf den uns­ri­gen folgt, vor dem gro­ßen Krie­ge. Dann hat sie ein zwei­tes und ein drit­tes Mal Ge­le­gen­heit da­zu. Es bil­det sich al­so die­ser Her­ab­s­tieg zum Bö­sen nach und nach aus. Für den Zei­traum nun, wo die Er­de zu­erst über­ge­gan­gen ist in ei­nen geis­ti­gen Zu­stand, für die­sen Zei­traum ha­ben wir es zu­nächst mit zwei Mög­lich­kei­ten zu tun. Wenn die Er­de sich wie­der­um mit der Son­ne ver­bun­den ha­ben wird, da wer­den die­je­ni­gen, die das Chris­tus-Prin­zip in sich auf­ge­nom­men ha­ben, reif sein, auf­zu­ge­hen in die Kräf­te der Er­de, die sich mit der Son­ne ve­r­ei­ni­gen; aus­ge­sch­los­sen wer­den die­je­ni­gen sein, wel­che die Mög­lich­keit zum Bö­sen in sich auf­ge­nom­men ha­ben. Die­se sind gleich­sam so, daß sie die Son­ne von sich sto­ßen, daß sie das­je­ni­ge, was sie be­fähi­gen wür­de, sich mit den Kräf­ten der Son­ne zu ve­r­ei­ni­gen, von sich sto­ßen. Sie sind die Geg­ner der Ve­r­ei­ni­gung mit der Son­ne. Des­halb be­zeich­net der Apo­ka­lyp­ti­ker die­je­ni­ge Ge­walt, das­je­ni­ge We­sen, wel­ches die Men­schen da­hin führt, sich so zu ver­geis­ti­gen, daß sie sich mit der Son­ne ve­r­ei­ni­gen kön­nen, als den Chris­tus in ganz rich­ti­gem Sinn, und, wie wir hö­ren wer­den, als das Lamm. Man be­zeich­net die Chris­tus-We­sen­heit als den Ge­ni­us der Son­ne, der sich mit der Er­de ve­r­ei­nigt und auch der Ge­ni­us der Er­de wird. Er hat schon be­gon­nen, es zu wer­den seit dem Er­eig­nis von Gol­ga­tha.

Aber es gibt auch ein geg­ne­ri­sches Prin­zip die­ses Lam­mes: Es

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ist auch ein Son­nen­dä­mon da, das so­ge­nann­te Dä­mo­ni­um der Son­ne, das­je­ni­ge, was in den bö­sen Kräf­ten der Men­schen wirkt, zu­rück­sto­ßend die Kraft des Lam­mes. Und es wirkt so; daß ein ge­wis­ser Teil des men­sch­li­chen Ge­sch­lech­tes aus­ge­sto­ßen wird von der Ent­wi­cke­lung, die zur Son­ne führt. Das sind die geg­ne­ri­schen Kräf­te der Son­ne, die in Op­po­si­ti­on zur Son­ne ste­hen. Das sind zu glei­cher Zeit die­je­ni­gen Kräf­te, die die An­la­ge ha­ben, wenn die 666 Ent­wi­cke­lungs­zu­stän­de ver­f­los­sen sein wer­den, ganz hin­aus­ge­wor­fen zu wer­den aus un­se­rer Ent­wi­cke­lung; sie wer­den dann letzt­gül­tig aus­ge­sto­ßen sein in den Ab­grund. So daß wir sa­gen müs­sen: In je­ner Zeit, wo die Er­de mit der Son­ne ve­r­ei­nigt ist, wird nicht nur das­je­ni­ge aus­ge­sto­ßen sein, was durch das Tier mit den sie­ben Köp­fen und zehn Hör­nern sym­bo­li­siert wird, son­dern auch das, was mit Kräf­ten aus­ge­stat­tet ist, die der Son­ne ge­gen­tei­lig sind. Das al­les ist be­stimmt, in den Ab­grund hin­ein­zu­ver­schwin­den, wenn die 666 er­füllt sein wird.

Nun hat man die­se 666 im­mer in ei­ner sehr ge­heim­nis­vol­len Wei­se auf­ge­schrie­ben. Wir wer­den noch se­hen, daß al­ler Grund vor­han­den ist, die­se Tat­sa­chen, die wir jetzt be­sp­re­chen, ins Mys­te­ri­um der Ge­heim­nis­se zu hül­len; al­ler Grund ist da­zu vor­han­den. Und weil das der Fall ist, so hüll­te man sie in sol­ches Mys­te­ri­um und schrieb 666. In den Mys­te­ri­en, aus de­nen der Apo­ka­lyp­ti­ker sei­ne Ein­wei­hung er­hal­ten hat, schrieb man 400 200 6 60. Das ist durch­aus in ei­ner Wei­se ge­schrie­ben, daß es der Laie nicht er­ken­nen kann. Man hat ver­bor­gen die­se 666; als ein Ge­heim­nis soll­te es be­wahrt blei­ben, in­dem Sie hier 400 200 6 60 ha­ben. Und da­durch, daß al­les um­ge­s­tellt wird, ist ein Blend­werk ge­schaf­fen. Nun gibt es in der Schrift der Ein­ge­weih­ten ein ge­wis­ses Prin­zip, das da­rin be­steht, Buch­sta­ben durch ent­sp­re­chen­de Zah­len zum Aus­druck zu brin­gen. Auf die­ses Prin­zip sind ei­ni­ge der merk­wür­di­gen Leu­te ge­kom­men, wel­che im Lau­fe des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts das Ge­heim­nis der Zahl 666 ha­ben ent­hül­len wol­len, aber so, wie sie dar­auf ge­kom­men sind, kann man sa­gen: sie ha­ben zwar läu­ten, aber nicht zu­sam­men­schla­gen hö­ren. Denn sie ha­ben sich das, was ich Ih­nen jetzt hier au­s­ein­an­der­ge­setzt ha­be und was

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eso­te­risch im­mer ge­lehrt wor­den ist, in un­ge­nau­er Art an­ge­eig­net. Sie ha­ben ge­fun­den, daß, wenn man für die­se Zah­len Buch­sta­ben des He­bräi­schen setzt, man «Ne­ro» her­aus­kriegt; sie ha­ben al­so ge­sch­los­sen, das 666 be­deu­te Ne­ro.

Das ist nicht der Fall. 666 muß erst so auf­ge­schrie­ben wer­den: 400 200 6 60, dann be­kommt man her­aus, um was es sich han­delt. Dann muß man sch­rei­ben: 400 als , 200 als , 6 als  und 60 als . Die­se vier Buch­sta­ben drü­cken die vier Zah­len 400 200 6 60 aus. Sie sind durch ei­ne wun­der­ba­re Art und Wei­se ge­ra­de in die­ses Ge­heim­nis hin­ein­ge­zo­gen wor­den, wun­der­bar durch den Scharf.. Sinn de­rer, die sie hin­ein­ge­zo­gen ha­ben, weil zu glei­cher Zeit die­se vier Buch­sta­ben als Lau­te wie­der­um ganz be­son­de­re ok­kul­te Be­deu­tung hat­ten. Den­ken Sie nur ein­mal, was muß denn ei­gent­lich die Zahl 666 be­deu­ten, wenn sie aus­drü­cken soll, was wir an­ge­führt ha­ben? Sie muß be­deu­ten das Prin­zip, das den Men­schen zur völ­li­gen Ver­här­tung führt im äu­ße­ren phy­si­schen Le­ben, so daß er ge­ra­de­zu von sich stößt, was ihn be­fähigt, die nie­de­ren Prin­zi­pi­en ab­zu­st­rei­fen und hin­auf­zu­s­tei­gen zu den höhe­ren. Was der Mensch be­kom­men hat an phy­si­schem Leib, Äther­leib, as­tra­li­schem Leib und nie­de­rem Ich, be­vor es sich zum höhe­ren hin­auf er­hebt, die­se vier Prin­zi­pi­en wer­den zu glei­cher Zeit durch die­se vier Buch­sta­ben aus­ge­drückt: durch das Sa­mech der phy­si­sche Leib, durch das Waw der Äther­leib, durch das Resch der as­tra­li­sche Leib und durch das Taw das nie­de­re Ich. So se­hen wir, daß das Ver­här­te­te in die­sen vier Prin­zi­pi­en, be­vor sie ih­re gött­li­che Ent­wi­cke­lung be­gin­nen, durch die vier Buch­sta­ben aus­ge­drückt wird. Der Apo­ka­lyp­ti­ker kann wahr­haft sa­gen: «Hier ist Weis­heit!», denn Weis­heit ist da­r­in­nen. «Wer Ver­stand hat, der über­le­ge die Zahl, die Zahl 666!»

Und jetzt wol­len wir ein­mal le­sen. Man liest das so, selbst­ver­ständ­lich um­ge­kehrt, von rechts nach links:


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Dann hat man noch zu er­gän­zen die Vo­ka­le, und es heißt «So­rat». So­rat ist der Na­me des Son­nen­dä­mons, des Geg­ners des Lam­mes. Und je­des sol­ches geis­ti­ge We­sen hat man be­zeich­net nicht nur mit sei­nem Na­men, son­dern auch mit ei­nem ganz be­stimm­ten Sinn­bild, mit ei­nem sym­bo­li­schen Zei­chen. Für So­rat, den Son­nen­dä­mon, gab es die­ses Zei­chen:


ei­nen di­cken Strich, der in sich selbst zu­rück­ge­bo­gen ist und vor­ne zwei ge­bo­ge­ne Spit­zen hat.

Und nun müs­sen wir aber den Apo­ka­lyp­ti­ker rich­tig ver­ste­hen. Er sagt ja gleich im An­fang ein merk­wür­di­ges Wort, das ge­wöhn­lich falsch über­setzt wird. Der Ein­gang der Apo­ka­lyp­se heißt doch: «Dies ist die Of­fen­ba­rung Je­su Chris­ti, die ihm Gott ge­ge­ben hat, sei­nen Knech­ten zu zei­gen, was in Kür­ze ge­sche­hen soll, und hat sie in Zei­chen ge­setzt und uns ge­ge­ben durch sei­nen En­gel dem Knecht, dem Die­ner Jo­han­nes.» «In Zei­chen ge­setzt»: al­so wir müs­sen uns dar­auf ge­faßt ma­chen, daß er den wich­ti­gen, den ei­gent­li­chen Mys­te­rien­in­halt in Zei­chen setzt. Er hat das­je­ni­ge, was 666 aus­drückt, in Zei­chen ge­setzt. Was er be­sch­reibt, ist das Zei­chen, und er be­sch­reibt es so (Ka­pi­tel 13, 11): «Und ich sah ein an­der Tier auf­s­tei­gen aus der Er­de, das hat­te zwei Hör­ner gleich­wie ein Lamm.» Das sind nichts an­de­res als die zwei Stri­che oben an der Zeich­nung, und um das zu ver­hül­len, nennt er ein­fach die zwei Stri­che hier «Hör­ner». Das war im­mer so im Ge­brauch der Mys­te­ri­en­spra­che, daß man ein Wort viel­deu­tig ge­braucht hat, um den Un­ein­ge­weih­ten nicht so oh­ne wei­te­res die Mög­lich­keit zu ge­ben, die Sa­che zu ver­ste­hen. Was er al­so hier be­sch­reibt «das hat­te zwei Hör­ner wie ein Lamm», das ist das Zei­chen des Son­nen­dä­mons, das in der Mys­te­ri­en­spra­che aus­ge­drückt wird durch das Wort «So­rat», und das, wenn wir für die ein­zel­nen Buch­sta­ben

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ih­re Zah­len ein­set­zen, aus­ge­drückt wird durch die vier Zah­len 400 200 6 und 60. Das gibt 666 in sehr ver­hüll­ter Aus­drucks­wei­se.

So se­hen wir, daß der Apo­ka­lyp­ti­ker auf den Geg­ner des Lam­mes hin­deu­tet. Un­ten er­schei­nen da, wo die Er­de ins Geis­ti­ge über­geht, die Ge­stal­ten der Men­schen so, daß sie ih­re al­te Tier­form er­hal­ten. Es er­scheint das Tier mit den sie­ben Köp­fen und zehn Hör­nern, aber es er­scheint auch ihr Ver­füh­rer, der die star­ke Kraft hat, sie nicht zu­rück­kom­men zu las­sen zur Son­ne, der Geg­ner des Chris­tus. Die Men­schen sel­ber kön­nen kei­ne Geg­ner des Chris­tus sein, kön­nen nur so­zu­sa­gen durch das, was in ih­nen an fal­scher Kraft ist, ver­säu­men, das Chris­tus-Prin­zip in sich auf­zu­neh­men. Aber es gibt ei­nen sol­chen Geg­ner: das Son­nen­dä­mo­ni­um. Das er­scheint, so­bald et­was da ist, das ihm zur Beu­te fal­len kann. Be­vor die Beu­te da ist, be­vor die Men­schen da sind mit den sie­ben Köp­fen und zehn Hör­nern, da ist nichts zu ver­füh­ren, da hat auch der Ver­füh­rer nichts zu su­chen. Dann aber, wenn der Mensch mit sol­chen An­la­gen er­scheint,, dann kommt der Ver­füh­rer. Und er er­scheint als das zwei­te der Tie­re und ver­führt.

In dem Au­gen­blick al­so, wo die Er­de in den as­tra­li­schen Zu­stand über­geht, er­scheint vom Men­schen das­je­ni­ge, was an ihm vor­han­den war, als die Er­de noch mit ei­ner Was­ser­hül­le um­k­lei­det war. Es steigt auf das Men­schen­tier. Aus dem Was­ser sieht man sich er­he­ben das Tier mit den sie­ben Köp­fen und den zehn Hör­nern. Daß die­ses Tier un­be­nützt ge­las­sen hat die Er­de, das macht, daß jetzt aus der Er­de auf­s­tei­gen kann So­rat, der Son­nen­geg­ner, der Ver­füh­rer, der da­durch sich dem Men­schen na­hen und ihn mit al­ler Kraft in den Ab­grund hin­un­ter­rei­ßen kann. So se­hen wir ein We­sen an die Men­schen sich sch­mie­gen von die­sem Zeit­punkt an, das ei­ne furcht­ba­re Ge­walt hat. Was tut denn die­ses We­sen, um die Men­schen in solch schau­der­haf­te Din­ge hin­ein­zu­füh­ren, wie wir sie ah­nen kön­nen? Da­mit die Men­schen ver­führt wer­den zur blo­ßen Un­mo­ral, zu dem, was sie schon als Nor­mal­men­schen ken­nen, da­zu brauch­te es die­ses Un­ge­heu­ers nicht, das als Son­nen­dä­mon er­scheint. Erst wenn das­je­ni­ge, was im gu­ten Sin­ne die We­sen aus­zeich­net, die dem Men­schen­ge­sch­lecht Ret­tung brin­gen, erst wenn

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die spi­ri­tu­el­le Er­he­bung in ihr Ge­gen­teil ver­wan­delt wird, wenn die spi­ri­tu­el­le Kraft in den Di­enst des nie­de­ren Ich-Prin­zips ge­s­tellt wird, dann kann sie die Mensch­heit so weit brin­gen, daß das Tier, das dar­ge­s­tellt wird mit zwei Hör­nern, über sie Ge­walt er­langt. Der Mißbrauch der spi­ri­tu­el­len Kräf­te hängt zu­sam­men mit je­ner ver­füh­re­ri­schen Kraft des Tie­res mit den zwei Hör­nern. Und wir nen­nen die­sen Mißbrauch der spi­ri­tu­el­len Kraft die schwar­ze Ma­gie im Ge­gen­satz zum. rich­ti­gen Ge­brauch, den wir die wei­ße Ma­gie nen­nen.

So wird das Men­schen­ge­sch­lecht da­durch, daß es sich spal­tet, sich dar­auf vor­be­rei­ten, auf der ei­nen Sei­te in im­mer geis­ti­ge­re Zu­stän­de zu ge­lan­gen und da­durch in den Ge­brauch der geis­ti­gen Kräf­te, in die wei­ße Ma­gie hin­ein­zu­kom­men, und auf der an­de­ren Sei­te wird das­je­ni­ge, was Mißbrauch treibt mit den spi­ri­tu­el­len Kräf­ten, sich vor­be­rei­ten für die wil­des­te Kraft des zwei­hör­ni­gen Tie­res, die schwar­ze Ma­gie. Es wird sich letz­ten En­des die Mensch­heit spal­ten in We­sen, wel­che die wei­ße, und in sol­che, wel­che die schwar­ze Ma­gie trei­ben. So ist in dem Ge­heim­nis von 666 oder So­rat das Ge­heim­nis der schwar­zen Ma­gie ver­bor­gen. Und der Ver­füh­rer zur schwar­zen Ma­gie, je­nes furcht­bars­ten Ver­b­re­chens in der Er­den­ent­wi­cke­lung, dem kein Ver­b­re­chen gleich­kom­men kann, er wird vom Apo­ka­lyp­ti­ker dar­ge­s­tellt durch das zwei­hör­ni­ge Tier. So tritt so­zu­sa­gen in un­se­ren Ho­ri­zont ein die Spal­tung der Mensch­heit in ur­fer­ner Zu­kunft: die Au­s­er­wähl­ten des Chris­tus, die zu­letzt sein wer­den die wei­ßen Ma­gi­er, und die Geg­ner, die wil­den Zau­be­rer, die schwar­zen Ma­gi­er, die nicht los kön­nen von der Ma­te­rie und die der Apo­ka­lyp­ti­ker dar­s­tellt als die­je­ni­gen, die mit der Ma­te­rie Un­zucht trei­ben. Da­her wird die­ses gan­ze Trei­ben von schwar­zer Ma­gie, al­les, was da an Ehe ent­steht zwi­schen dem Men­schen und der Ver­här­tung in der Ma­te­rie, ihm zur An­schau­ung ge­bracht vor sei­ner Se­her­see­le in der gro­ßen Ba­by­lon, in der Ge­mein­schaft, die al­le die­je­ni­gen ve­r­eint, die schwar­ze Ma­gie trei­ben, in der furcht­ba­ren Ehe oder viel­mehr wil­den Ehe zwi­schen dem Men­schen und den Kräf­ten der her­ab­ge­kom­me­nen Ma­te­rie.

Und so se­hen wir in ei­ner ur­fer­nen Zu­kunft zwei Kräf­te ein­an­der

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ge­gen­über­ste­hen: auf der ei­nen Sei­te die­je­ni­gen, die hin­ein­se­geln in die Be­woh­ner­schaft der gro­ßen Ba­by­lon, und auf der an­de­ren die­je­ni­gen, die sich er­he­ben über die Ma­te­rie, die sich als Men­schen ve­r­ei­ni­gen mit dem, was als Prin­zip des Lam­mes hin­ge­s­tellt wird. Wir se­hen, wie auf der ei­nen Sei­te das Schwär­zes­te sich ab­son­dert in der Ba­by­lon, ge­führt von all den der Son­ne ent­ge­gen­ge­setz­ten Kräf­ten, von So­rat, dem zwei­hör­ni­gen Tier, und wir se­hen die Mensch­heit, die sich ent­wi­ckelt hat aus den Au­s­er­wähl­ten, die sich ve­r­ei­ni­gen mit dem ih­nen er­schei­nen­den Chris­tus, dem Lamm: die Hoch­zeit des Lam­mes auf der ei­nen Sei­te, die der Ba­by­lon, der un­ter­ge­hen­den Ba­by­lon auf der an­dern Sei­te. Und wir se­hen hin­un­ter­sin­ken in den Ab­grund Ba­by­lon und auf­s­tei­gen zu der Hand­ha­bung der Kräf­te der wei­ßen Ma­gie die Au­s­er­wähl­ten, die Hoch­zeit ge­hal­ten ha­ben mit dem Lamm. Und weil sie die geis­ti­gen Kräf­te nicht nur er­ken­nen, son­dern auch die­se geis­ti­gen Kräf­te ma­gisch zu hand­ha­ben ver­ste­hen, kön­nen sie vor­be­rei­ten das, was sie an der Er­de ha­ben, zu der nächs­ten pla­ne­ta­ri­schen Ver­kör­pe­rung, zu dem Ju­pi­ter. Sie zeich­nen so­zu­sa­gen die gro­ßen Grun­d­ris­se, die der Ju­pi­ter ha­ben soll. Wir se­hen sich her­au­s­er­he­ben aus der Kraft der wei­ßen Ma­gi­er die vor­be­rei­ten­den Ge­stal­ten, die hin­über­le­ben sol­len als die Ge­stal­ten der nächs­ten Er­den­ver­kör­pe­rung, des Ju­pi­ters: das neue Je­ru­sa­lem se­hen wir aus der wei­ßen Ma­gie sich er­he­ben.

Vor­her aber muß aus­ge­sto­ßen wer­den, was cha­rak­te­ri­siert ist durch So­rat, 666. Aus­ge­sto­ßen wird, was ver­fal­len ist dem Prin­zip des zwei­hör­ni­gen Tie­res und sich da­her ver­här­tet hat zum Tier mit den sie­ben Köp­fen und zehn Hör­nern. Die Kraft, durch wel­che der Son­nen­ge­ni­us über­win­den läßt die­se Aus­ge­sto­ße­nen, die sie hin­un­ter­t­reibt in den Ab­grund, die­se Kraft wird ge­nannt das Ant­litz des Son­nen­ge­ni­us. Und das Ant­litz des Son­nen­ge­ni­us ist Mi­cha­el, der so­zu­sa­gen als Stell­ver­t­re­ter des Son­nen­ge­ni­us das Tier mit den zwei Hör­nern, den Ver­füh­rer, den man auch den gro­ßen Dra­chen nennt, über­win­det. Das wird dar­ge­s­tellt durch das dem Se­her er­schei­nen­de Bild von Mi­cha­el, der den Schlüs­sel zum Ab­grund und die Ket­te in sei­ner Hand hat, der bei Gott steht und die ent-

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ge­gen­ge­setz­ten Kräf­te ge­fes­selt hält. So wird in der christ­lich-ro­sen­k­reu­ze­ri­schen Eso­te­rik das Hin­weg­sto­ßen der­je­ni­gen, die zu 666 ge­hö­ren, und die Über­win­dung des Dra­chens, des Ver­füh­rers, cha­rak­te­ri­siert. So taucht heu­te vor un­se­rem Bli­cke auf, was der Apo­ka­lyp­ti­ker in Ge­heim­nis­se ge­hüllt hat, was man erst durch die Ent­hül­lung her­aus­ho­len muß, und wo­zu er sagt: «Hier ist Weis­heit! Wer Ver­stand hat, der über­le­ge die Zahl des Tie­res», das heißt des zwei­hör­ni­gen Tie­res, «denn die­se Zahl ist 666» (Of­fen­ba­rung Jo­han­nis 13, 18).

Die­je­ni­gen, die sie auf Ne­ro be­zo­gen ha­ben, ha­ben die­se Auf­for­de­rung des Apo­ka­lyp­ti­kers sch­lecht er­füllt. Denn Sie se­hen, aus wel­chen Tie­fen der Wel­te­n­er­klär­ung die Weis­heit, die zur Zahl 666 führt, ge­holt wer­den muß. Wenn Sie sich auch heu­te an­zu­s­t­ren­gen hat­ten, um zur Cha­rak­te­ri­sie­rung die­ses Mo­men­tes auf­zu­s­tei­gen, so dür­fen Sie nicht ver­ges­sen, daß An­st­ren­gung da­zu ge­hört, um die tiefs­ten Ge­heim­nis­se zu ver­ste­hen. Und die­se tiefs­ten Ge­heim­nis­se der Welt­ent­wi­cke­lung hat der Apo­ka­lyp­ti­ker hin­ein­ge­legt. Er hat sie ver­hüllt, weil es gut ist für die Men­schen, wenn die wich­tigs­ten Mys­te­ri­en in Zei­chen ge­setzt wer­den. Denn ab­ge­se­hen von al­lem üb­ri­gen: durch je­ne Kräf­te, wel­che an­ge­st­rengt wer­den, die Zei­chen zu ent­hül­len, wird viel von dem er­reicht, was uns zu glei­cher Zeit hin­auf­hebt zu den gu­ten Kräf­ten sel­ber. So las­sen wir es uns nicht ver­drie­ßen, daß wir uns durch ein Zah­len­sche­ma ha­ben hin­durch­win­den müs­sen. Hät­ten Sie in den al­ten Schu­len das auf­fas­sen sol­len, was da über­haupt an sol­chen Zah­len ge­heim ge­ge­ben wor­den ist, be­vor ir­gend et­was Wei­te­res ge­ge­ben wur­de, dann wür­den Sie noch viel an­de­res er­fah­ren ha­ben. Da ha­ben die Schü­ler lan­ge schwei­gen und ru­hig zu­hö­ren müs­sen, wie ih­nen lau­ter Zah­len, 777, 666 und so wei­ter im­mer und im­mer wie­der zu­nächst in ih­rer for­ma­len Be­deu­tung klar­ge­macht wur­den. Und wenn sie die­se Be­deu­tung er­faßt hat­ten, dann erst durf­ten sie das ei­gent­lich In­halt­vol­le er­ken­nen.

14 – ZWÖLFTER VORTRAG, Nürnbeg, 30. Juni 1908

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ZWÖlf­ter VOR­TRAG

Nürn­berg, 30. Ju­ni 1908

Es könn­te dem­je­ni­gen, der sich mit sei­nem Ge­füh­le die Aus­füh­run­gen über­legt, die uns am En­de der ges­t­ri­gen Be­trach­tung ent­ge­gen­ge­t­re­ten sind, ein ge­wis­ser An­flug von Ban­gig­keit kom­men über das Schick­sal der zu­künf­ti­gen Mensch­heit. Es muß­te ges­tern vor Ih­re See­le hin­ge­s­tellt wer­den ein Bild die­ser Men­schen­zu­kunft, wie es auf der ei­nen Sei­te al­ler­dings groß, ge­wal­tig und mit Se­lig­keit er­fül­lend ist, ein Bild, das dem Da­sein je­nes zu­künf­ti­gen Men­schen ent­spricht, wel­cher die Mis­si­on un­se­rer Ge­gen­wart auf der Er­de be­grif­fen hat, der den Chris­tus-Geist in sich auf­ge­nom­men hat und da­durch Schritt hat hal­ten kön­nen mit der not­wen­di­gen Ver­geis­ti­gung un­se­rer Er­de, ein herr­li­ches, be­se­li­gen­des Bild der­je­ni­gen Men­schen, die man ge­wöhn­lich im exo­te­ri­schen Chris­ten­tum die «Er­lös­ten» oder auch mit ei­nem nicht ganz zu­tref­fen­den Aus­druck die «Au­s­er­wähl­ten» nennt. Aber auch das Ge­gen­bild muß­te vor Ih­re See­le hin­ge­s­tellt wer­den, je­nes Bild des Ab­grunds, in dem sich ei­ne Mensch­heit fin­det, wel­che nicht in der La­ge war, auf­zu­neh­men die­sen Chris­tus-Geist, die in der Ma­te­rie ste­cken­ge­b­lie­ben ist, sich so­zu­sa­gen von dem in die Zu­kunft hin­ein­ge­hen­den Ver­geis­ti­gung­s­pro­zeß aus­ge­sch­los­sen hat, die her­aus­ge­fal­len ist aus der ver­geis­tig­ten Er­de und in ge­wis­ser Be­zie­hung ab­seits da­von ei­nem furcht­ba­ren Schick­sal ent­ge­gen­geht. Wenn uns aus dem Ab­grund her­auf an­starrt das Tier mit den sie­ben Köp­fen und den zehn Hör­nern, ver­führt durch das an­de­re furcht­ba­re We­sen, das zwei­hör­ni­ge Tier, so er­scheint uns al­ler­dings die­ses Bild Furcht und Sch­re­cken er­re­gend, und man­cher könn­te sich fra­gen: Ist es denn nicht von ei­ner Vor­se­hung hart und un­wei­se, ei­ne An­zahl von Men­schen ei­nem so furcht­ba­ren Schick­sal ent­ge­gen­zu­füh­ren, ei­ne An­zahl von Men­schen ge­wis­ser­ma­ßen zu ver­dam­men zum Ab­grund des Bö­sen?

Und es könn­te die Fra­ge auf­tau­chen: Hät­te es sich nicht für

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ei­ne wei­se Vor­se­hung bes­ser ge­ziemt, von vorn­he­r­ein die­ses furcht­ba­re Schick­sal ab­zu­wen­den?

Als Ant­wort kann man auf die­se Fra­gen zu­nächst et­was ab­strakt, et­was theo­re­tisch sa­gen, und wer die­ses Theo­re­ti­sche füh­len kann, für den be­deu­tet dies ei­gent­lich schon sehr viel: Es ist au­ßer­or­dent­lich wei­se, daß die Vor­se­hung da­für ge­sorgt hat, daß die­ses furcht­ba­re Schick­sal als ei­ne Mög­lich­keit vor ei­ner An­zahl von Men­schen ste­hen kann. Denn wä­re es un­mög­lich, daß der Mensch in die Ab­grün­de des Bö­sen hin­ein­se­gelt, dann wä­re auch das für den Men­schen nicht er­reich­bar, was wir auf der ei­nen Sei­te Lie­be und auf der an­de­ren Sei­te Frei­heit nen­nen, denn für den Ok­kul­tis­ten ist die Frei­heit un­t­renn­bar ver­knüpft mit dem Be­griff der Lie­be. Frei­heit wä­re für den Men­schen un­mög­lich, und Lie­be wä­re für den Men­schen un­mög­lich, wenn nicht die­ses Hin­ab­se­geln mög­lich wä­re. Ein Mensch, der nicht die Mög­lich­keit hät­te, aus ei­ge­nem frei­en Ent­schluß das Gu­te oder auch das Bö­se zu wäh­len, der wä­re ein We­sen, das nur am Gän­gel­band zu ei­nem not­wen­dig zu er­rei­chen­den Gu­ten ge­führt wür­de, in des­sen Wahl es nicht stän­de, das Gu­te aus vol­lem, in sich sel­ber ge­läu­ter­tem Wol­len aus ei­ner der Frei­heit ent­sprin­gen­den Lie­be zu wäh­len. Für ei­nen Men­schen, dem es nicht mög­lich wä­re, die Ge­folg­schaft des Un­ge­heu­ers mit den zwei Hör­nern ein­zu­schla­gen, für den wä­re es auch nicht mög­lich, aus ei­ner selb­s­t­ei­ge­nen Lie­be dem Got­te zu fol­gen. Es lag im Sin­ne der wei­sen Vor­se­hung, der sich durch un­ser Pla­ne­ten­sys­tem hin­durch ent­wi­ckeln­den Mensch­heit die Mög­lich­keit der Frei­heit zu ge­ben, und die­se Mög­lich­keit der Frei­heit war un­ter kei­ner an­de­ren Be­din­gung zu ge­ben als da­durch, daß der Mensch selbst die freie Wahl zu tref­fen hat zwi­schen dem Gu­ten und dem Bö­sen.

Das ist aber doch nur, man möch­te sa­gen, ei­ne lee­re The­o­rie, und die Men­schen schwin­gen sich ja nur lang­sam da­zu auf, so et­was nicht nur mit Wor­ten zu sa­gen und in theo­re­ti­schen Au­gen­bli­cken als ei­ne Art Er­klär­ung zu fin­den, son­dern auch im Ge­füh­le zu ha­ben. Sel­ten schwin­gen sich die Men­schen heu­te schon auf zu dem Ge­dan­ken: Ich dan­ke dir, o wei­se Vor­se­hung, daß du es mög­lich ge­macht hast, daß ich dir nicht ei­ne von dir selbst ab­ge­zwun­ge­ne,

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son­dern frei in mei­ner Brust ent­sprie­ßen­de Lie­be ent­ge­gen­brin­ge; daß du mich nicht zwingst, dich zu lie­ben, son­dern daß du mir es in Wahl ge­s­tellt hast, dir zu fol­gen. Al­ler­dings, zu die­ser Emp­fin­dung müß­te sich der Mensch auf­schwin­gen, wenn er die­se theo­re­ti­sche Er­klär­ung wir­k­lich füh­len könn­te.

Aber man kann auch aus der hell­se­he­ri­schen Be­trach­tung der Welt her­aus ei­nen an­de­ren Trost oder bes­ser ge­sagt ei­ne an­de­re Be­ru­hi­gung ge­ben. Denn ges­tern schon wur­de be­rührt, daß ei­ne fast un­ab­än­der­li­che An­la­ge für den Ab­grund nur der­je­ni­ge hat, der heu­te schon ir­gend­wie ver­s­trickt wird in die Fang­ar­me des zwei­hör­ni­gen Tie­res, des gro­ßen Ver­füh­rers zu den Küns­ten der schwar­zen Ma­gie. Und selbst für sol­che Men­schen, die heu­te auf die Küns­te der schwar­zen Ma­gie he­r­ein­fal­len, gibt es in der Zu­kunft noch ein­mal ei­ne Mög­lich­keit, um­zu­keh­ren. Die­je­ni­gen aber, und das sind ja vor­läu­fig die meis­ten Men­schen, wel­che über­haupt gar nicht in die La­ge kom­men, ir­gend­wel­chen Küns­ten der schwar­zen Ma­gie zu ver­fal­len, für die ist wohl in dem, was auf den gro­ßen Krieg al­ler ge­gen al­le folgt, ei­ne ge­wis­se An­la­ge zum end­gül­ti­gen Bö­sen vor­han­den, aber die Mög­lich­keit, in der Zu­kunft wie­der um­zu­keh­ren und sich dem Gu­ten zu­zu­wen­den, wird viel grö­ß­er sein als der Zwang, un­be­dingt dem Bö­sen zu fol­gen.

Aus den Vor­trä­gen geht ja her­vor, daß für die­je­ni­gen Men­schen, die sich heu­te ei­ner spi­ri­tu­el­len Wel­t­an­schau­ung zu­wen­den, um hin­über­zu­le­ben über den gro­ßen Krieg in die sechs­te Pe­rio­de hin­ein, die durch die Ent­sie­ge­lung der Sie­gel dar­ge­s­tellt wird, daß für je­ne Schar es mög­lich ist, das Chris­tus-Prin­zip auf­zu­neh­men. Sie wer­den auf­neh­men kön­nen die geis­ti­gen Ele­men­te, die in der durch die Ge­mein­de zu Phi­la­del­phia be­zeich­ne­ten Zeit ver­an­lagt wer­den, sie wer­den sich aus­le­ben kön­nen in der nächs­ten Zeit mit ei­ner star­ken Ver­an­la­gung zur Ver­geis­ti­gung. Es neh­men heu­te die­je­ni­gen, die sich ei­ner spi­ri­tu­el­len An­schau­ung zu­wen­den, ge­wal­ti­ge An­la­gen auf, um die auf­wärts­ge­hen­de Bahn ein­zu­schla­gen. Es darf durch­aus nicht ver­kannt wer­den, wie wich­tig es ist, daß heu­te schon ei­ne An­zahl von Men­schen nicht taub ist ge­gen die Ver­kün­di­gung der so­ge­nann­ten an­thro­po­so­phi­schen Wel­t­an­schau­ung,

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wel­che die ers­ten An­la­gen zum spi­ri­tu­el­len Le­ben in be­wuß­ter Wei­se in die Mensch­heit bringt, wäh­rend es früh­er un­be­wußt ge­schah. Das ist das Wich­ti­ge, daß die­ser Teil der Men­schen die ers­te be­wuß­te An­la­ge zur Auf­wärts­be­we­gung auf­nimmt.

Aber da­durch, daß heu­te ein Häuf­lein sich aus­son­dert, um ei­nen gro­ßen Bru­der­bund zu be­grün­den, der hin­über­le­ben wird in die Zeit der sie­ben Sie­gel, da­durch wird ge­ra­de für die an­de­ren Men­schen, die heu­te noch ein tau­bes Ohr ha­ben für die Ver­kün­di­gung der an­thro­po­so­phi­schen Wel­t­an­schau­ung, auch Rat ge­schaf­fen. Denn wir ha­ben ja bis zum gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le noch vie­le Ver­kör­pe­run­gen der ge­gen­wär­ti­gen See­len durch­zu­ma­chen und wie­der­um bis zum ent­schei­den­den Punk­te nach dem gro­ßen Krie­ge. Und auch nach­her für die Zeit der Sie­gel ha­ben wir vie­le Ver­wand­lun­gen durch­zu­ma­chen, und die Men­schen wer­den oft und oft Ge­le­gen­heit ha­ben, ihr Herz auf­zu­sch­lie­ßen der spi­ri­tu­el­len Wel­t­an­schau­ung, die heu­te durch die an­thro­po­so­phi­sche Be­we­gung fließt. Oft und oft wird Ge­le­gen­heit sein, und Sie dür­fen nicht glau­ben, daß die Ge­le­gen­hei­ten in der Zu­kunft nur sol­che sein wer­den, wie sie heu­te da sind. Oh, die Art und Wei­se, wie wir heu­te in der La­ge sind, ge­gen­über den an­de­ren Men­schen die spi­ri­tu­el­le Wel­t­an­schau­ung zu ver­kün­den, ist et­was noch sehr Schwa­ches. Und wür­de heu­te ein Mensch selbst so re­den, daß sei­ne Stim­me un­mit­tel­bar wie Feu­er des Geis­tes er­tö­nen wür­de, so wä­re das noch et­was Schwa­ches ge­gen­über den Mög­lich­kei­ten, die in spä­te­ren, ent­wi­ckel­te­ren Lei­bern da sein wer­den, um die Mit­men­schen hin­zu­wei­sen auf die­se spi­ri­tu­el­le Be­we­gung. Wenn die Mensch­heit im gan­zen in den fol­gen­den Zei­ten im­mer höh­er und höh­er ent­wi­ckelt sein wird, dann wer­den sich noch ganz an­de­re Mit­tel er­ge­ben, durch wel­che die spi­ri­tu­el­le Wel­t­an­schau­ung in die Her­zen wird drin­gen kön­nen, und das flam­mends­te Wort von heu­te wird ge­ring und schwach sein ge­gen das, was in der Zu­kunft wir­ken wird, um all den See­len die Mög­lich­keit zur spi­ri­tu­el­len Wel­t­an­schau­ung zu ge­ben, die heu­te noch in Lei­bern le­ben, in de­nen kein Herz schlägt für die­se spi­ri­tu­el­le Wel­t­an­schau­ung.

Wir ste­hen im An­fang der spi­ri­tu­el­len Be­we­gung, und sie wird

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wach­sen, und es wird viel Ver­stockt­heit, viel Ver­här­tung da­zu ge­hö­ren, ge­gen­über den ge­wal­ti­gen Ein­drü­cken der Zu­kunft die Her­zen und See­len zu ver­sch­lie­ßen. Die­je­ni­gen See­len, die heu­te in Lei­bern le­ben, wel­che Her­zen ha­ben, um die an­thro­po­so­phi­sche Wel­t­an­schau­ung zu hö­ren und zu füh­len, die­se See­len be­rei­ten sich da­durch vor, künf­tig in Lei­bern zu le­ben, in de­nen ih­nen Kraft ge­ge­ben sein wird, um ih­ren Mit­men­schen zu die­nen, wel­che bis da­hin nicht die Mög­lich­keit hat­ten, die Her­zen so in sich sel­ber schla­gen zu füh­len. Erst die Vor­be­rei­ter der Vor­be­rei­ter sind wir, wei­ter noch nichts. Ein ganz klei­nes Flämm­chen erst ist heu­te die spi­ri­tu­el­le Be­we­gung, und sie wird sich zu ei­nem ge­wal­ti­gen geis­ti­gen Feu­er in der Zu­kunft ge­stal­ten.

Wenn wir die­ses an­de­re Bild vor un­se­re See­le hin­s­tel­len, wenn wir es so recht durch­emp­fin­den, dann wird ein ganz an­de­res Ge­fühl, ei­ne ganz an­de­re Er­kennt­nis­mög­lich­keit die­ser Tat­sa­che in uns auf­le­ben. Heu­te ist es das, was wir schwar­ze Ma­gie nen­nen, dem die Men­schen in ge­wis­ser Wei­se be­wußt oder un­be­wußt ver­fal­len kön­nen. Die­je­ni­gen, die heu­te so da­hin­le­ben in den Tag hin­ein, die heu­te gar nicht be­rührt wer­den von der spi­ri­tu­el­len Wel­t­an­schau­ung, die in ih­rem be­que­men All­tags­du­sel da­hin­le­ben und sa­gen: Was küm­mert mich, was die­se Träu­mer von An­thro­po­so­phen sp­re­chen , die ha­ben die ge­rings­te Mög­lich­keit, in die Krei­se der schwar­zen Ma­gie hin­ein­zu­kom­men. Für sie ist es so, daß sie heu­te nur die Ge­le­gen­heit ver­säu­men, um einst­mals ih­ren Mit­men­schen zu hel­fen in den Be­st­re­bun­gen zur Er­lan­gung des spi­ri­tu­el­len Le­bens. Für sie selbst kann noch nicht sehr viel ver­lo­ren sein. Die­je­ni­gen aber, die heu­te be­gin­nen, auf ei­ne un­recht­mä­ß­i­ge Wei­se sich an das spi­ri­tu­el­le Le­ben her­an­zu­ma­chen, die neh­men ei­gent­lich in den al­le­r­ers­ten An­fän­gen in sich die An­la­ge auf von et­was, was man schwar­ze Ma­gie nen­nen könn­te. Und nur ganz we­ni­ge In­di­vi­du­en gibt es, die heu­te schon der schwar­zen Ma­gie in je­nem furcht­ba­ren Sinn ver­fal­len sind, in dem ei­gent­lich von die­ser scheuß­li­chen Kunst der Mensch­heit ge­spro­chen wer­den muß.

Sie wer­den am bes­ten ver­ste­hen, daß es wir­k­lich so ist, wenn ich Ih­nen nur ganz lei­se An­deu­tun­gen ma­che dar­über, wie in sys­te-

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ma­ti­scher Wei­se schwar­ze Ma­gie gepf­lo­gen wird, und dann wer­den Sie schon se­hen, daß Sie Um­schau hal­ten kön­nen hin­auf und hin­ab un­ter all Ih­ren Be­kann­ten, und daß Sie nie­mand fin­den wer­den, dem Sie zu­trau­en könn­ten, daß er sol­chen Küns­ten heu­te schon zu­neigt. Al­les üb­ri­ge ist im Grun­de ge­nom­men nur purs­ter Di­let­tan­tis­mus, der in den fol­gen­den Pe­rio­den sehr leicht wird aus­ge­trie­ben wer­den kön­nen. Es ist ja- sch­limm ge­nug, daß in un­se­rer Zeit manch­mal Din­ge an­ge­prie­sen wer­den, um die Men­schen zu über­vor­tei­len und so wei­ter, die in ge­wis­ser Be­zie­hung auch der An­fang sind schwar­zer ma­gi­scher Kunst. Sch­limm ist es auch, daß ge­wis­se An­schau­un­gen he­r­ein­spie­len, wel­che, wenn sie auch durch­aus nicht zur schwar­zen Kunst ge­hö­ren, doch ei­ne ge­wis­se Ver­füh­rung bil­den. Es sind das An­schau­un­gen, die heu­te die Welt be­herr­schen in ge­wis­sen Krei­sen und al­ler­dings un­ter den ma­te­ria­lis­ti­schen Ge­dan­ken wu­chern kön­nen, die aber, wenn sie auch durch­aus nicht un­ge­fähr­lich sind, doch nicht un­heil­bar sein wer­den für die nächs­ten Epo­chen. Erst wenn ein­mal be­gon­nen wird da­mit, daß der Mensch so­zu­sa­gen das Abc der schwar­zen Ma­gie ab­sol­viert, dann ist er auf dem ge­fähr­li­chen We­ge nach dem Ab­grund. Und die­ses Abc be­steht da­rin, daß ein Mensch, der der Schü­ler ei­nes schwar­zen Ma­gi­ers wird, da­zu an­ge­hal­ten wird, in ganz be­wuß­ter Wei­se das Le­ben zu er­tö­ten, dem Le­ben vor al­len Din­gen in der Er­tö­t­ung so­viel Sch­merz als mög­lich zu­zu­fü­gen, und in die­sem Zu­fü­gen des Sch­mer­zes ei­ne ge­wis­se Be­frie­di­gung zu füh­len. Wenn die Ab­sicht be­steht, in ein Le­be­we­sen zu ste­chen oder zu schnei­den mit der Ab­sicht, in dem Sch­mer­ze des­sel­ben Se­lig­keit zu füh­len, dann liegt da­rin das Abc der schwar­zen Küns­te. Was dar­über hin­aus­geht, kann nicht ge­st­reift wer­den. Aber Sie wer­den es schon scheuß­lich ge­nug fin­den, wenn Ih­nen ge­sagt wird, daß der schwarz­ma­gi­sche An­fän­ger zu schnei­den und zu ste­chen hat in le­ben­di­ges Fleisch, nicht so wie der Vi­vi­sek­tor schnei­det es ist dies auch schon et­was Sch­lim­mes, doch fin­det das We­sen der Vi­vi­sek­ti­on sei­ne Über­win­dung in den Vi­vi­sek­to­ren sel­ber, in­dem die­se in Ka­ma­lo­ka an sich selbst die Sch­mer­zen wer­den zu spü­ren ha­ben, die sie ih­ren Op­fern zu­ge­fügt ha­ben, und des­halb die Vi­vi­sek­ti­on in Zu­kunft las­sen wer­den ,

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son­dern wer in sys­te­ma­ti­scher Wei­se ins Fleisch schnei­det und dar­aus Be­frie­di­gung emp­fin­det, der fängt an, auf die ab­schüs­si­ge Bahn der schwar­zen Ma­gie zu kom­men. Und da­durch ist die Mög­lich­keit ge­ge­ben für ihn, im­mer mehr und mehr sich je­nem We­sen zu näh­ern, dem zwei­hör­ni­gen Tier.

Die­ses We­sen selbst, das wir als das zwei­hör­ni­ge Tier cha­rak­te­ri­siert ha­ben, brau­chen wir uns durch­aus nur so vor­zu­s­tel­len, daß es als ver­füh­r­en­des We­sen von ganz an­de­rer Art als der Mensch ist. Es stammt aus an­de­ren Welt­pe­rio­den, hat an­de­rer Welt­pe­rio­den Nei­gun­gen an­ge­nom­men und wird sich tief be­frie­digt füh­len, wenn es auf We­sen stößt, wie die­se bö­sen We­sen sein wer­den, die sich ge­wei­gert ha­ben, in­ner­lich an­zu­neh­men, was als Gu­tes aus der Er­de flie­ßen kann. Die­ses We­sen hat nichts von der Er­de ha­ben kön­nen. Es hat kom­men se­hen die Er­den­ent­wi­cke­lung, aber es hat sich ge­sagt: Ich bin nicht mit der Er­de so fort­ge­schrit­ten, daß ich von dem ir­di­schen Da­sein ir­gend et­was ha­ben kann. Die­ses We­sen hät­te nur da­durch et­was ha­ben kön­nen von der Er­de, wenn es in ei­nem be­stimm­ten Au­gen­blick die Herr­schaft hät­te er­lan­gen kön­nen, näm­lich da, wo das Chris­tus-Prin­zip her­un­ter­ge­s­tie­gen ist auf die Er­de. Wenn die­ses Chris­tus-Prin­zip da­mals im Keim er­stickt wor­den wä­re, wenn der Chris­tus von dem Wi­der­sa­cher hät­te über­wun­den wer­den kön­nen, dann al­ler­dings wä­re es mög­lich ge­we­sen, daß die Er­de in ih­rer Ganz­heit die­sem So­rat-Prin­zip ver­fal­len wä­re. Das ist nicht der Fall ge­we­sen, und so muß sich die­ses We­sen begnü­gen mit den Ab­fäl­len, die sich nicht hin­ge­neigt ha­ben zum Chris­tus-Prin­zip, mit je­nen Men­schen, die in der Ma­te­rie ste­cken­ge­b­lie­ben sind. Die wer­den in der Zu­kunft sei­ne Heer­scha­ren sein.

Nun müs­sen wir, um die­se Heer­scha­ren noch ge­nau­er zu be­g­rei­fen, uns be­kannt­ma­chen mit zwei Be­grif­fen, die Ih­nen in ge­wis­ser Be­zie­hung ein Schlüs­sel sein kön­nen zu be­stimm­ten Ka­pi­teln der Apo­ka­lyp­se. Wir müs­sen uns be­kannt­ma­chen mit den Be­grif­fen «ers­ter Tod» und «zwei­ter Tod». Was ist der ers­te Tod, und was ist der zwei­te Tod des Men­schen oder der Mensch­heit? Wir müs­sen uns ein ge­nau­es Bild ma­chen von den Be­grif­fen, die der Apo­ka­lyp­ti­ker mit die­sen Wor­ten ver­bun­den hat. Da­zu müs­sen wir noch ein-

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mal vor un­se­re See­le die ele­men­ta­ren Wahr­hei­ten über das Men­schen­da­sein hin­s­tel­len.

Neh­men Sie den Men­schen von heu­te, wie Sie sel­ber ei­ner sind. Er lebt so, daß er vom Mor­gen, wenn er auf­wacht, bis zum Abend, wo er ein­schläft, aus vier Glie­dern be­steht, aus dem phy­si­schen Leib, dem Äther­leib, dem As­tral­leib und dem Ich. Wir wis­sen auch, daß der Mensch wäh­rend sei­nes Er­den­da­seins von sei­nem Ich aus die nie­de­ren Glie­der sei­ner We­sen­heit be­ar­bei­tet und daß es ihm ge­lin­gen muß, wäh­rend des Er­den­da­seins den as­tra­li­schen Leib un­ter die Herr­schaft des Ich zu brin­gen. Wir wis­sen, daß die Er­de ab­ge­löst wer­den wird von dem Ju­pi­ter, ih­rer nächs­ten Ver­kör­pe­rung. Wenn der Mensch auf dem Ju­pi­ter an­ge­langt sein wird, dann wird er als ein an­de­res We­sen vor uns ste­hen. Die­ser Ju­pi­ter­mensch wird von sei­nem Ich aus durch­ge­ar­bei­tet ha­ben sei­nen as­tra­li­schen Leib. Und wenn wir heu­te sa­gen, der Er­den­mensch, der im wa­chen Zu­stand vor uns steht, hat aus­ge­bil­det zu­nächst phy­si­schen Leib, Äther­leib, As­tral­leib und Ich, so müs­sen wir vom Ju­pi­ter­men­schen sa­gen, er wird aus­ge­bil­det ha­ben phy­si­schen Leib, Äther­leib, As­tral­leib und Ich, aber sei­nen as­tra­li­schen Leib wird er um­ge­stal­tet ha­ben zu Geist­selbst. Er wird auf ei­ner höhe­ren Stu­fe des Be­wußt­seins le­ben, auf ei­ner Stu­fe, die fol­gen­der­wei­se cha­rak­te­ri­siert wer­den kann. Je­nes al­te, dump­fe Bil­der­be­wußt­sein des Mon­des, das auch noch in den ers­ten Zei­ten des Er­den­be­wußt­seins da war, das wird in sei­nen Bil­dern als hell­se­he­ri­sches Be­wußt­sein wie­der da sein, aber es wird aus­ge­stat­tet sein mit dem men­sch­li­chen Ich, so daß der Mensch so lo­gisch über­le­gend sein wird mit die­sem Ju­pi­ter­be­wußt­sein, wie er es heu­te mit dem Ta­ges­be­wußt­sein der Er­de ist.

Der Ju­pi­ter­mensch wird al­so in ge­wis­ser Be­zie­hung ein nie­d­ri­ger Hell­se­her sein. Es wird ein Teil der see­li­schen Welt für ihn of­fen­lie­gen. Er wird Wohl und We­he sei­ner Um­ge­bung in Bil­dern emp­fin­den, die auf­s­tei­gen inn­er­halb sei­nes ima­gi­na­ti­ven Be­wußt­seins. Die­ser Ju­pi­ter­mensch wird da­her in ganz an­de­ren mo­ra­li­schen Ver­hält­nis­sen le­ben. Den­ken Sie sich, daß Sie als Ju­pi­ter­mensch ei­ne men­sch­li­che See­le vor sich ha­ben: Der Sch­merz, die Lust die­ser

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See­le wird auf­s­tei­gen in Bil­dern vor Ih­rer See­le, und die Bil­der des Sch­mer­zes der an­de­ren See­le wer­den Sie quä­len, und Sie wer­den, wenn Sie den Sch­merz der an­de­ren See­le nicht be­sei­ti­gen, un­mög­lich den Sch­merz der an­de­ren See­le mit Ih­rem ei­ge­nen Wohl­sein ve­r­ei­ni­gen kön­nen. Oh, die Bil­der des Lei­des wür­den ei­ne Qual sein für den Ju­pi­ter­men­schen mit dem er­höh­ten Be­wußt­sein, wenn er nichts tun wür­de, um die­ses Leid zu mil­dern und so sei­ne ei­ge­nen quä­len­den Bil­der, die nichts an­de­res sind als der Aus­druck des Lei­des um ihn her­um, gleich­falls weg­zu­schaf­fen. Nicht wird das Wohl und We­he des ein­zel­nen mög­lich sein oh­ne das des an­de­ren.

So se­hen wir, wie der Mensch zu sei­nem ge­gen­wär­ti­gen Be­wußt­sein, dem Ich-Be­wußt­sein, ei­nen ganz neu­en Be­wußt­s­eins­zu­stand hin­zu­er­obert. Wenn wir ver­ste­hen wol­len, was das für ei­ne Trag­wei­te hat in der Welt­ent­wi­cke­lung, so müs­sen wir den schla­fen­den Men­schen noch ein­mal vor un­se­re See­le füh­ren. Im Schla­fe liegt im Bet­te Ihr phy­si­scher und Äther­leib, und au­ßer­halb ist das Ich und der as­tra­li­sche Leib. In der Nacht ist es so, daß er wenn wir et­was, sa­gen wir, un­ge­nau re­den schnö­de sei­nen phy­si­schen und Äther­leib ver­läßt. Da­durch aber, daß der Mensch in der La­ge ist, in der Nacht­zeit frei zu wer­den von sei­nem phy­si­schen und Äther­leib, da­durch, daß der Mensch in der Nacht­zeit le­ben kann in ei­ner geis­ti­gen Welt, ist die Mög­lich­keit her­bei­ge­führt, daß er ge­ra­de hier in die­sem Er­den­da­sein von sei­nem Ich aus um­ge­stal­tend wir­ken kann auf sei­nen as­tra­li­schen Leib. Wie ge­schieht nun die­se Wir­kung?

Wenn wir es an­schau­lich be­sch­rei­ben wol­len, kön­nen wir sa­gen: Neh­men wir den Men­schen in sei­nem tag­wa­chen Zu­stand. Neh­men wir an, er fin­de ne­ben sei­nen Be­rufs­ar­bei­ten und Pf­lich­ten ei­ne wenn auch kur­ze Zeit, um sich höhe­ren Be­trach­tun­gen hin­zu­ge­ben, um sich die gro­ßen Im­pul­se zu ei­gen zu ma­chen, die et­wa aus dem Jo­han­nes-Evan­ge­li­um flie­ßen, aus den Wor­ten: «Im Ur­be­gin­ne war das Wort, und das Wort war bei Gott.» Neh­men wir an, er las­se so in sich er­ste­hen die gro­ßen Bil­der, die ihm durch das Jo­han­nes-Evan­ge­li­um vor­ge­führt wer­den, er sei im­mer von dem Ge­dan­ken er­füllt: Da­mals, im Be­gin­ne un­se­rer Zeit­rech­nung, leb­te

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in Pa­läs­t­i­na ei­ne We­sen­heit, der ich nach­fol­gen will. Ich will mein Le­ben so ein­rich­ten, daß al­les vor die­ser We­sen­heit be­ste­hen kann, daß ich mich be­trach­ten kann als ei­nen Men­schen, der die­se Per­sön­lich­keit sich zum Ideal ge­nom­men hat. Da­bei brau­chen wir aber nicht in In­to­le­ranz nur an das Jo­han­nes-Evan­ge­li­um zu den­ken. Auf manch an­de­re Wei­se ist es mög­lich, sich hin­ein­zu­ver­tie­fen in das­je­ni­ge, was die See­le mit sol­chen Bil­dern er­fül­len kann. Und wenn wir auch in ge­wis­ser Wei­se das Jo­han­nes-Evan­ge­li­um als das Größ­te be­zeich­nen müs­sen, was inn­er­halb der Mensch­heit ent­stan­den ist, was die ge­wal­tigs­te Wir­kung aus­ü­ben kann, so dür­fen wir doch sa­gen: Der an­de­re, der hin­ge­bungs­voll in der Leh­re der Ve­dan­ta-Weis­heit auf­geht oder sich in die Bha­ga­vad Gi­ta oder in das Dham­ma­pa­da ver­tieft, auch für den wird ge­nü­gend Ge­le­gen­heit vor­han­den sein, in fol­gen­den Ver­kör­pe­run­gen ge­ra­de durch das, was er so auf­ge­nom­men hat, zum Chris­tus-Prin­zip zu kom­men. Neh­men wir al­so an, ein Mensch durch­drin­ge tags­über sei­ne See­le mit sol­chen Bil­dern und Vor­stel­lun­gen, dann wird sein as­tra­li­scher Leib von die­sen Ge­dan­ken, Ge­füh­len und Bil­dern er­grif­fen, und sie bil­den Kräf­te in sei­nem as­tra­li­schen Leib, er­zeu­gen in ihm die ver­schie­den­ar­tigs­ten Wir­kun­gen. Wenn dann der Mensch aus sei­nem phy­si­schen und Äther­leib des Nachts her­aus­rückt, blei­ben die­se Wir­kun­gen im as­tra­li­schen Lei­be drin­nen, und der­je­ni­ge, der bei Tag sich hat ver­tie­fen kön­nen in die Bil­der und Ge­füh­le des Jo­han­nes-Evan­ge­li­ums, hat et­was ge­schaf­fen in sei­nem as­tra­li­schen Leib, das in der Nacht als ge­wal­ti­ge Wir­kung da­rin auf­tritt. So, müs­sen wir sa­gen, wirkt der Mensch heu­te wäh­rend des tag­wa­chen­den Be­wußt­seins auf sei­nen as­tra­li­schen Leib.

Sich be­wußt wer­den die­ser Wir­kun­gen kann heu­te nur der Ein­ge­weih­te; aber der Mensch ent­wi­ckelt sich ja all­mäh­lich hin zu die­sem Be­wußt­sein. Die­je­ni­gen Men­schen, die das Ziel der Er­den­ent­wi­cke­lung er­rei­chen wer­den, wer­den dann ei­nen ganz und gar vom Ich mit dem geis­ti­gen In­halt, den sie sich er­ar­bei­tet ha­ben, durch­drun­ge­nen as­tra­li­schen Leib ha­ben, sie wer­den die­ses Be­wußt­sein als ein Er­geb­nis, als ei­ne Frucht der Er­den­ent­wi­cke­lung ha­ben und hin­über­tra­gen in die Ju­pi­ter­ent­wi­cke­lung. Wir möch­ten sa­gen,

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daß der Mensch, wenn die Er­den­zeit so zu En­de ge­gan­gen, ist, Fähig­kei­ten er­langt hat, die sym­bo­lisch dar­ge­s­tellt wer­den durch die Er­bau­ung des neu­en Je­ru­sa­lem. Da wird der Mensch schon hin­ein­bli­cken in je­ne Bil­der­welt des Ju­pi­ter, das Geist­selbst ist dann aus­ge­bil­det in ihm. Das ist das Ziel der Er­den­ent­wi­cke­lung. Was al­so soll der Mensch im Ver­lau­fe der Er­den­ent­wi­cke­lung er­lan­gen? Was ist das ers­te Ziel? Die Um­wand­lung des as­tra­li­schen Lei­bes. Oh, die­ser as­tra­li­sche Leib, der heu­te des Nachts im­mer frei wird vom phy­si­schen und Äther­leib, der wird in Zu­kunft als ein um­ge­bil­de­ter Teil der men­sch­li­chen We­sen­heit er­schei­nen. Da hin­ein trägt der Mensch, was ihm auf der Er­de ge­ge­ben wird. Aber das wür­de noch nicht ge­nü­gen für die Er­den­ent­wi­cke­lung. Den­ken Sie sich, daß der Mensch je­de Nacht her­aus­kom­men wür­de aus dem phy­si­schen und Äther­leib und je­de Nacht sei­nen as­tra­li­schen Leib durch­drin­gen wür­de mit dem, was er auf­ge­nom­men hat tags­über, daß aber der phy­si­sche und der Äther­leib gar nicht da­von be­rührt wür­den, dann wür­de der Mensch das Er­den­ziel den­noch nicht er­rei­chen. Es muß noch et­was an­de­res ein­t­re­ten. Es muß mög­lich sein, daß der Mensch wäh­rend der Er­den­ent­wi­cke­lung im­mer und im­mer wie­der we­nigs­tens in den Äther­leib hin­ein­prägt das­je­ni­ge, was er al­so in sich auf­ge­nom­men hat. Es ist not­wen­dig, daß die­ser Äther­leib auch Wir­kun­gen emp­fan­gen kann von dem, was der Mensch im as­tra­li­schen Leib her­an­bil­det.

Der Mensch kann noch nicht durch sich selbst in die­sen Äther­leib hin­ein­wir­ken. Auf dem Ju­pi­ter, wenn der Mensch sei­nen as­tra­li­schen Leib um­ge­bil­det ha­ben wird, wird er fähig wer­den, auch in die­sen Äther­leib hin­ein­zu­wir­ken. Heu­te aber kann er das nicht, heu­te braucht er so­zu­sa­gen noch Hel­fer. Auf dem Ju­pi­ter wird der Mensch fähig wer­den, die ei­gent­li­che Ar­beit am Äther­lei­be zu be­gin­nen. Auf der Ve­nus wird er am phy­si­schen Lei­be ar­bei­ten; das ist der am schwers­ten zu über­win­den­de Teil. Heu­te aber muß der Mensch noch die bei­den, den phy­si­schen und den Äther­leib, nachts im Bett lie­gen las­sen und her­aus­kom­men. Daß aber den­noch zu­nächst der Äther­leib sei­ne Wir­kun­gen emp­fängt, so daß der Mensch all­mäh­lich lernt hin­ein­zu­ar­bei­ten in den Äther­leib, da­zu braucht er

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ei­nen Hel­fer. Und die­ser Hel­fer, der das er­mög­licht, ist kein an­de­rer wie­der­um als die Chris­tus-We­sen­heit, wäh­rend wir die­je­ni­ge We­sen­heit, die dem Men­schen hilft, in den phy­si­schen Leib hin­ein­zu­ar­bei­ten, als den «Va­ter» be­zeich­nen. Be­vor aber nicht der Hel­fer kommt, der es er­mög­licht, in den Äther­leib hin­ein­zu­ar­bei­ten, kann der Mensch nicht in sei­nen phy­si­schen Leib hin­ein­ar­bei­ten: «Nie­mand kommt zum Va­ter, denn durch mich.» Nie­mand er­langt die Fähig­keit, in den phy­si­schen Leib hin­ein­zu­ar­bei­ten, der nicht durch das Chris­tus-Prin­zip hin­durch­ge­gan­gen ist. So wird der Mensch dann, wenn er am Zie­le der Er­den­ent­wi­cke­lung an­ge­langt sein wird, durch die Fähig­keit, sei­nen as­tra­li­schen Leib aus ei­ge­nen Kräf­ten um­zu­bil­den, auch die Fähig­keit ha­ben, bis hin­un­ter auf den Äther­leib zu wir­ken. Das ver­dankt er dem le­ben­di­gen Da­sein des Chris­tus-Prin­zips auf der Er­de. Hät­te sich die­ses nicht als Le­ben­di­ges ve­r­ei­nigt mit der Er­de, wä­re es nicht hin­ein­ge­kom­men in die Au­ra der Er­de, dann wür­de das, was im as­tra­li­schen Leib aus­ge­bil­det ist, sich nicht hin­ein­bil­den in den Äther­leib. Wir se­hen al­so, daß der­je­ni­ge, der sich ver­sch­ließt, in­dem er sich ab­kehrt von dem Chris­tus-Prin­zip, sich der Mög­lich­keit ent­zieht, in sei­nen Äther­leib so hin­ein­zu­ar­bei­ten, wie es schon wäh­rend der Er­den­ent­wi­cke­lung not­wen­dig ist.

So al­so wer­den wir in ei­ner an­de­ren Wei­se cha­rak­te­ri­sie­ren kön­nen die zwei Ar­ten von Men­schen, die am Ziel der Er­den­ent­wi­cke­lung vor uns ste­hen: Wir ha­ben sol­che Men­schen, wel­che in sich das Chris­tus-Prin­zip auf­ge­nom­men ha­ben, wel­che da­durch ih­ren as­tra­li­schen Leib um­ge­bil­det und von Chris­tus die Hil­fe er­langt ha­ben, auch den Äther­leib um­zu­wan­deln, und an­de­re ha­ben wir, die nicht hin­ge­kom­men sind zum Chris­tus-Prin­zip, die auch nicht in der La­ge wa­ren, ir­gend et­was im Äther­leib zu ve­r­än­dern, denn sie konn­ten nicht den Hel­fer fin­den, den Chris­tus.

Nun schau­en wir ein­mal hin auf die­se Men­schen­zu­kunft. Die Er­de ver­geis­tigt sich, das heißt der Mensch muß et­was voll­stän­dig ver­lie­ren, was er jetzt in sei­nem phy­si­schen Da­sein als zu ihm ge­hö­rig be­trach­tet. Wir kön­nen uns ein Bild da­von ma­chen, was da mit dem Men­schen ge­schieht, wenn wir schon den ge­wöhn­li­chen

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Ver­lauf sei­nes Le­bens nach dem To­de be­trach­ten. Der Mensch ver­liert den phy­si­schen Leib nach dem To­de. Die­sem phy­si­schen Lei­be ist es zu­zu­sch­rei­ben, daß der Mensch Be­gier­den und Nei­gun­gen hat, die sich an das ge­wöhn­li­che Le­ben knüp­fen, und wir ha­ben es ge­schil­dert, was der Mensch nach dem To­de er­lebt. Neh­men wir ei­nen Men­schen an, der ir­gend­ei­ne le­cke­re Spei­se be­son­ders lieb­te. Im Le­ben kann er sich den Ge­nuß ver­schaf­fen, nach dem To­de nicht. Die Be­gier­de hört aber nicht auf, denn sie hat nicht im phy­si­schen, son­dern im As­tral­leib ih­ren Sitz. Weil nun aber das phy­si­sche Werk­zeug fehlt, so fehlt auch die Mög­lich­keit, die­se Be­gier­de zu be­frie­di­gen. Sol­che Men­schen schau­en im Ka­ma­lo­ka hin­un­ter in die phy­si­sche Welt, die sie ver­las­sen ha­ben, sie schau­en da, was ih­nen jetzt noch Ge­nuß ma­chen könn­te von al­le­dem, was un­ten auf der phy­si­schen Welt ist, aber sie kön­nen es nicht ge­nie­ßen, weil sie kein phy­si­sches In­stru­ment da­zu ha­ben, und da­durch kommt je­ner bren­nen­de Durst in sie. So ist es mit al­len Be­gier­den, die im Men­schen ge­b­lie­ben sind nach dem To­de und die hin­ge­ord­net sind nach der phy­si­schen Welt, weil sie nur durch phy­si­sche Werk­zeu­ge be­frie­digt wer­den kön­nen. So ist es je­des­mal nach dem To­de: Der Mensch sieht je­des­mal sei­nen phy­si­schen Leib ab­fal­len, und da­durch, daß ihm von die­sem phy­si­schen Leib et­was ge­b­lie­ben ist, da­durch drängt es ihn noch hin zur ge­wöhn­li­chen Welt un­se­res phy­si­schen Pla­nes und es wird, bis er sich das ab­ge­wöhnt hat in der geis­ti­gen Welt, für ihn die Zeit der Be­gier­denglut da sein.

Den­ken Sie sich nun die letz­te ir­di­sche Ver­kör­pe­rung vor der Ver­geis­ti­gung der Er­de, das Ab­le­gen des letz­ten phy­si­schen Lei­bes. Die Men­schen, die heu­te auf der Er­de le­ben, wer­den so weit sein durch das Chris­tus-Prin­zip, daß ih­nen in ge­wis­ser Wei­se die­ses Ab­le­gen des al­ler­letz­ten phy­si­schen Lei­bes kei­ne be­son­de­ren Schwie­rig­kei­ten macht. Aber sie wer­den doch et­was ver­las­sen müs­sen, denn von der ver­geis­tig­ten Er­de ist hin­ge­schwun­den ein für al­le­mal das­je­ni­ge, was Freu­de ge­ben kann aus den Ge­gen­stän­den die­ser Er­de. Den­ken Sie an den letz­ten Tod, der mög­lich ist in der Er­den­ent­wi­cke­lung, an das letz­te Ab­le­gen des phy­si­schen Lei­bes. Die­ser

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letz­te Tod der Ver­kör­pe­run­gen, das ist es, was in der Apo­ka­lyp­se der ers­te Tod ge­nannt wird. Und die­je­ni­gen, die das Chris­tus-Prin­zip auf­ge­nom­men ha­ben, se­hen die­sen phy­si­schen Leib so­zu­sa­gen wie ei­ne ab­fal­len­de Scha­le. Für sie hat jetzt der Äther­leib Be­deu­tung. Der ist mit Hil­fe des Chris­tus so or­ga­ni­siert, daß er dem as­tra­li­schen Leib vor­der­hand an­gepaßt ist, daß er nicht mehr Lust und Be­gier­de hat nach dem, was da un­ten in der phy­si­schen Welt ist. Nur mit all dem, was durch die Hil­fe des Chris­tus in den Äther­leib hin­ein­ge­bracht wor­den ist, le­ben die Men­schen jetzt wei­ter in der ver­geis­tig­ten Er­de. Sie ha­ben sich ei­ne Har­mo­nie ge­schaf­fen zwi­schen ih­rem as­tra­li­schen Leib und ih­rem Äther­leib. Das Chris­tus-Prin­zip hat eben die­sen Ein­klang ge­schaf­fen.

Da­ge­gen gibt es die an­de­ren, die das Chris­tus-Prin­zip nicht in sich auf­ge­nom­men ha­ben. Die­se an­de­ren ha­ben sol­chen Ein­klang nicht. Den phy­si­schen Leib müs­sen auch sie ver­lie­ren, denn ei­nen phy­si­schen Leib gibt es zu­nächst in der ver­geis­tig­ten Er­de nicht. Al­les Phy­si­sche muß zu­nächst auf­ge­löst wer­den. Es bleibt zu­rück als Be­gier­de nach dem Phy­si­schen, als das un­ge­läu­ter­te Geis­ti­ge, als das in der Ma­te­rie ver­här­te­te Geis­ti­ge. Ein Äther­leib bleibt zu­rück, dem nicht der Chris­tus ge­hol­fen hat, dem as­tra­li­schen Leib an­gepaßt zu sein, der hin­ge­ord­net ist nach dem phy­si­schen Leib. Das sind die­je­ni­gen Men­schen, die hei­ße Be­gier­denglut emp­fin­den wer­den nach der phy­si­schen Sinn­lich­keit. Un­ge­s­till­te, bren­nen­de Be­gier­denglut wer­den sie im Äther­leib emp­fin­den durch das, was sie im phy­si­schen Le­ben ge­habt ha­ben und was sie jetzt ent­beh­ren müs­sen. So ha­ben wir in die­ser nächs­ten Zeit, nach­dem das Phy­si­sche ab­ge­sch­mol­zen ist, Men­schen, die in ih­rem Äther­leib als in ei­nem We­sens­g­lie­de le­ben, das har­mo­nisch zu­sam­men­k­lingt mit dem as­tra­li­schen Lei­be, und wir ha­ben die an­de­ren Men­schen, de­ren Äther­leib in Mißklang lebt, weil sie Be­gier­de nach dem ha­ben, was ab­ge­fal­len ist im phy­si­schen Lei­be.

Und dann tritt in der wei­te­ren Ent­wi­cke­lung ein Zu­stand ein, wo die Ver­geis­ti­gung der Er­de so fort­sch­rei­tet, daß es auch kei­nen Äther­leib mehr ge­ben kann. Die­je­ni­gen, de­ren Äther­leib ganz im Ein­klang ist mit dem as­tra­li­schen Leib, die wer­fen oh­ne Sch­mer­zen

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die­sen Äther­leib ab, denn sie blei­ben in ih­rem as­tra­li­schen Lei­be, der er­füllt ist von der Chris­tus-We­sen­heit, und sie emp­fin­den es als Ent­wi­cke­lungs­not­wen­dig­keit, daß der Äther­leib ab­ge­st­reift wird. Denn sie füh­len in sich die Fähig­keit, ihn wie­der­um selbst auf­zu­bau­en, weil sie Chris­tus in sich auf­ge­nom­men ha­ben. Die­je­ni­gen aber, die in die­sem Äther­leib die Be­gier­de nach dem ha­ben, was ver­gan­gen ist, die kön­nen die­sen Äther­leib auch nicht be­hal­ten, wenn al­les as­tra­lisch wird. Er wird ih­nen ge­nom­men wer­den, wird aus ih­nen ge­ris­sen wer­den, und jetzt emp­fin­den sie das als ein zwei­tes Ster­ben, als den «zwei­ten Tod». Die­ser zwei­te Tod geht an den an­de­ren, die ih­ren Äther­leib mit dem as­tra­li­schen Leib durch Auf­nah­me des Chris­tus-Prin­zips har­mo­nisch ge­macht ha­ben, un­ver­merkt vor­über. Über sie hat der zwei­te Tod kei­ne Macht. Die an­de­ren emp­fin­den aber den zwei­ten Tod beim wei­te­ren Hin­über­le­ben in je­ne fol­gen­de as­tra­li­sche Ge­stalt. Dann ist die Mensch­heit in je­nem Zu­stand, wo die­je­ni­gen, die das Ziel der Ent­wi­cke­lung er­reicht ha­ben, ih­ren as­tra­li­schen Leib ganz durch­drun­gen ha­ben mit Chris­tus. Sie sind reif, hin­über­zu­le­ben nach dem Ju­pi­ter, sie ent­wer­fen auf un­se­rer Er­de den Plan zur Ju­pi­ter­ent­wi­cke­lung. Das ist der Plan, der ge­nannt wird das neue Je­ru­sa­lem. Sie le­ben in ei­nem «neu­en Him­mel» und ei­ner «neu­en Er­de»: das ist Ju­pi­ter.

Die­ser neue Ju­pi­ter wird be­g­lei­tet sein wie von ei­nem Tra­ban­ten von den­je­ni­gen, die aus­ge­sch­los­sen sind von dem Le­ben im Geis­ti­gen, die den zwei­ten Tod er­lebt ha­ben, die da­her kei­ne Mög­lich­keit ha­ben, das Ju­pi­ter­be­wußt­sein zu er­lan­gen. Wir ha­ben al­so sol­che Men­schen, die zum Ju­pi­ter­be­wußt­sein vor­ge­rückt sind, die Ma­nas er­langt ha­ben, und sol­che We­sen­hei­ten, wel­che von sich ge­sto­ßen ha­ben die Kräf­te, die ih­nen die­ses Be­wußt­sein ge­ge­ben hät­ten. Das sind die­je­ni­gen, wel­che auf dem Ju­pi­ter erst das Ich-Be­wußt­sein der Er­de er­langt ha­ben, die al­so so­zu­sa­gen da­ste­hen, wie heu­te der Mensch auf der Er­de da­steht mit sei­nen vier Glie­dern. Aber ein sol­cher Mensch kann sich nur inn­er­halb der Er­de ent­wi­ckeln, nur die Er­de hat die Um­ge­bung den Bo­den, die Luft, die Wol­ken, die Pflan­zen, die Mi­ne­ra­li­en , die not­wen­dig ist für den Men­schen, wenn er das er­rei­chen will, was inn­er­halb der vier Glie­der zu

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er­rei­chen ist. Der Ju­pi­ter wird ganz an­ders ge­stal­tet sein, ei­ne «neue Er­de» wird er sein. An­ders wer­den Bo­den, Luft, Was­ser, an­ders wird ein je­g­li­ches We­sen sein, und nicht wird die Mög­lich­keit vor­han­den sein, ein Nor­mal­le­ben zu füh­ren für We­sen, die erst das Er­den­be­wußt­sein er­langt ha­ben. Sie wer­den die zu­rück­ge­b­lie­be­nen We­sen­hei­ten sein.

Aber nun kommt et­was, was wie­der­um zu un­se­rer Be­ru­hi­gung ge­hört. Selbst auf die­sem Ju­pi­ter gibt es noch ei­ne letz­te Mög­lich­keit, durch die star­ke Kraft, wel­che die Vor­ge­rück­te­ren ha­ben, die­se al­so Hin­un­ter­ge­sun­ke­nen noch ein­mal zur Um­kehr zu be­we­gen und auch ei­ne An­zahl zur Um­kehr zu brin­gen. Erst bei der Ve­nus­ver­kör­pe­rung wird die al­ler­letz­te Ent­schei­dung fal­len, die un­ab­än­der­li­che Ent­schei­dung. Wenn wir das al­les über­den­ken, dann wird der Ge­dan­ke, den wir neu­lich be­spro­chen ha­ben, doch ei­ne an­de­re Fär­bung er­lan­gen. Da wird er un­mög­lich Ban­gig­keit und Be­un­ru­hi­gung her­vor­ru­fen, son­dern nur das ei­ne St­re­ben: Ich will al­les tun, was nö­t­ig ist, um die Er­den­mis­si­on zu er­fül­len.

Wenn wir uns das al­les in ent­sp­re­chen­der Wei­se vor die See­le rü­cken, dann er­öff­net sich ein gro­ßes, ge­wal­ti­ges Bild der Mensch­heits­zu­kunft, und wir ah­nen, was al­les in der er­leuch­te­ten See­le des Apo­ka­lyp­ti­kers war, der nie­der­ge­schrie­ben hat, was wir eben in die­sen Be­trach­tun­gen stam­melnd her­aus­fin­den konn­ten aus der Apo­ka­lyp­se. Je­des Wort des Apo­ka­lyp­ti­kers ist von Be­deu­tung, ja je­de Wen­dung. Wir müs­sen sie nur klar zu ver­ste­hen su­chen. So wird uns hin­ge­wie­sen, im Sin­ne der ges­t­ri­gen Be­trach­tung, in 666 auf das Tier mit den zwei Hör­nern, und dann wird ge­sagt ein merk­wür­dig Wort: «Hie ist Weis­heit! Wer Ver­stand hat, der über­le­ge die Zahl des Tie­res, denn es ist ei­nes Men­schen Zahl.» Ein schein­ba­rer Wi­der­spruch, aber ei­ner von den vie­len Wi­der­sprüchen, die durch­aus in je­der ok­kul­ten Schrift und Be­trach­tung zu fin­den sind. Sie kön­nen näm­lich des­sen ge­wiß sein, daß ei­ne Be­trach­tung, die so glatt ver­läuft, daß man mit dem ge­wöhn­li­chen Men­schen-All­tags­ver­stand kei­nen Wi­der­spruch fin­den kann, ge­wiß nicht auf ok­kul­tem Bo­den steht. Was in der Welt sich ent­wi­ckelt, ist nicht so flach und tri­vial wie das, was der men­sch­li­che Ver­stand, die

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ge­wöhn­li­che In­tel­li­genz als Wi­der­spruchs­lo­sig­keit emp­fin­det. Man muß eben tie­fer in die Un­ter­grün­de men­sch­li­cher Be­trach­tung hin­un­ter­tau­chen, dann ver­schwin­den schon die Wi­der­sprüche. Der­je­ni­ge, der ei­ne Pflan­ze be­trach­tet, wie sie wächst von der Wur­zel bis zur Frucht, wie das grü­ne Blatt sich ver­wan­delt in das Blu­men­blatt, das Blu­men­blatt in die Staub­ge­fä­ße und so wei­ter, der kann sa­gen: Hier ha­ben wir wi­der­sp­re­chen­de Ge­stal­ten, das Blu­men­blatt wi­der­spricht dem Sten­gel­blatt. Wer aber tie­fer sieht, wird die Ein­heit er­bli­cken, die tie­fe­re Ein­heit im Wi­der­spruch. So ist es mit dem, was der Ver­stand in der Welt se­hen kann. Er sieht ge­ra­de in den tiefs­ten Weis­hei­ten Wi­der­sprüche. Da­her darf es uns nicht be­rüh­ren, wenn uns hier in der Apo­ka­lyp­se ein schein­ba­rer Wi­der­spruch ent­ge­gen­tritt: «Wer Ver­stand hat, der über­le­ge die Zahl des Tie­res, denn es ist ei­nes Men­schen Zahl.»

Wir müs­sen da noch ein­mal be­trach­ten, wo­durch der Mensch hin­ein­kom­men kann in die Mög­lich­keit, von dem zwei­hör­ni­gen Tier ver­führt zu wer­den. Wir ha­ben dar­auf hin­ge­wie­sen, daß der Mensch seit der Mit­te der at­lan­ti­schen Zeit so­zu­sa­gen die höhe­re geis­ti­ge Ent­wi­cke­lung ver­schla­fen hat. Die­se Schla­fens­zeit ist die heu­ti­ge Zeit. Sie war aber not­wen­dig. Wenn sie nicht ein­ge­t­re­ten wä­re, wä­re nie­mals das ge­kom­men, was wir in un­se­rem heu­ti­gen Sinn Ver­stand nen­nen. Die Men­schen vor un­se­rer Zeit ha­ben das nicht ge­habt. Die ha­ben aus an­de­ren Im­pul­sen her­aus ge­han­delt. Ih­re Bil­der ha­ben sie hin­ge­trie­ben zu ih­ren Hand­lun­gen oh­ne Über­le­gung. Die­se al­te Hell­se­her­ga­be hat der Mensch ver­lo­ren, und da­für hat er den Ver­stand ein­ge­tauscht und ist her­un­ter­ge­s­tie­gen in die Ma­te­rie. Da­durch ist ihm der Sch­lei­er ge­wo­ben wor­den vor die geis­ti­ge Welt, da­durch aber hat er sich gleich­zei­tig den Ver­stand er­wor­ben. Die­ser kann ei­ne wich­ti­ge Hem­mung sein für die spi­ri­tu­el­le Ent­wi­cke­lung. Nichts an­de­res wird es zu­letzt sein, was den Men­schen da­von ab­hal­ten kann, gründ­lich da­von ab­hal­ten kann, zum Chris­tus-Prin­zip zu kom­men, als die­ser ver­führ­te Ver­stand, die­se ver­führ­te In­tel­li­genz. Und wenn die­je­ni­gen, die zu­letzt dem zwei­hör­ni­gen Tier ver­fal­len wer­den, zu­rück­bli­cken könn­ten auf das, was ih­nen ei­gent­lich den bö­ses­ten St­reich ge­spielt hat,

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dann wür­den sie sa­gen: Zwar ist die An­la­ge zum Ab­grund erst spä­ter ge­kom­men, aber was mir ver­fins­tert hat das Chris­tus-Prin­zip, das ist der Ver­stand. Oh, der­je­ni­ge, der die­sen Ver­stand hat, der über­le­ge die Zahl des Tie­res! Denn ge­ra­de da­durch, daß der Mensch Mensch ge­wor­den ist, das heißt mit die­sem Ich-Ver­stand be­gabt wor­den ist, da­durch kann er ver­fal­len dem Tie­re 666. Denn die Zahl des Tie­res ist zu­g­leich ei­nes Men­schen Zahl, und daß es ei­nes Men­schen Zahl ist, kann kein an­de­rer ein­se­hen als der­je­ni­ge, der Ver­stand hat: Des­je­ni­gen Men­schen Zahl ist es, der sich durch sei­nen Ver­stand hat ver­füh­ren las­sen. Sol­che tie­fen Wahr­hei­ten ste­cken da­rin in die­sen Din­gen.

So se­hen Sie, daß der Apo­ka­lyp­ti­ker Ih­nen vie­les gibt, wenn Sie die ein­zel­nen An­deu­tun­gen, die wir ge­macht ha­ben, in sich auf­neh­men. Vie­les gibt er, was wir heu­te an­thro­po­so­phi­sche Wahr­hei­ten nen­nen. Er gibt, was er ver­spricht. Er führt den Men­schen hin zur An­schau­ung des­sen, was kom­men wird: zur An­schau­ung der We­sen­hei­ten und Mäch­te, wel­che die Welt len­ken. Er führt uns zu dem Geis­te, der uns auf dem ers­ten Sie­gel, zu der Ge­stalt, die uns auf dem letz­ten Sie­gel ge­ge­ben wird. Da sieht man, wie ihm hell­se­he­risch die Re­gel­mä­ß­ig­keit des neu­en Je­ru­sa­lem sich aus­drückt. Das ist das Se­he­ri­sche da­ran. Die Re­gel­mä­ß­ig­keit des neu­en Je­ru­sa­lem drückt sich da­bei aus; Sie kön­nen im 21. Ka­pi­tel se­hen, wie so­zu­sa­gen die­ses neue Je­ru­sa­lem be­schrie­ben wird als Wür­fel (Vers 16). Zu be­sch­rei­ben, was auf die­sem letz­ten Bil­de ist, wür­de uns zu weit füh­ren. (Sie­he das sie­ben­te Sie­gel­bild.)

Jetzt ist es not­wen­dig, daß wir dar­auf hin­wei­sen, zu wel­chem Zwe­cke die Apo­ka­lyp­se ge­schrie­ben ist. Ich müß­te frei­lich viel sp­re­chen, wenn ich aus­führ­lich be­sch­rei­ben woll­te, wo­zu sie ge­schrie­ben ist. Aber ei­ne An­deu­tung we­nigs­tens sol­len Sie mit nach Hau­se neh­men, ei­ne An­deu­tung, die sich uns er­gibt aus ei­ner ganz be­stimm­ten Stel­le der Apo­ka­lyp­se. Der­je­ni­ge, der die Apo­ka­lyp­se ge­schrie­ben hat, sagt, daß ei­ne Zeit kom­men wird, wo wir­k­lich je­ner ho­he Be­wußt­s­eins­grad sich ent­wi­ckelt ha­ben wird, wo die Men­schen se­hen wer­den in er­höh­tem Be­wußt­sein die We­sen­hei­ten, wel­che die Welt lei­ten, die We­sen­hei­ten, die durch

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das Lamm, die durch das Er­schei­nen des Men­schen­soh­nes mit dem flam­men­den Schwert cha­rak­te­ri­siert wur­den. Wir wer­den hin­ge­wie­sen dar­auf in Tö­nen, die schon in sich sch­lie­ßen je­ne Be­ru­hi­gung, von der wir ge­spro­chen ha­ben. Der Apo­ka­lyp­ti­ker, der tie­fer Hell­se­her ist, weiß, daß in al­ten Zei­ten die Men­schen be­gabt wa­ren mit ei­nem däm­mer­haf­ten Hell­se­hen. Wir ha­ben es ja cha­rak­te­ri­siert und ge­se­hen, wie die Men­schen da­mals so­zu­sa­gen Ge­nos­sen wa­ren der gött­li­chen Geis­ter­welt, wie sie selbst ge­se­hen ha­ben die gött­lich-geis­ti­ge Welt. Aber wer hat sie ver­lo­ren, die­se Se­her­ga­be, wer? Das müs­sen wir jetzt als wich­ti­ge Fra­ge hin­s­tel­len. Wir ha­ben ge­se­hen, daß sie im Grun­de die­je­ni­gen Men­schen ver­lo­ren ha­ben, die her­aus­ge­führt sind auf den phy­si­schen Plan, zum phy­si­schen Le­ben, da­mals, als die zwei­te Hälf­te der at­lan­ti­schen Zeit be­gann. Die Men­schen sa­hen auf die fes­ten Ge­bil­de un­se­rer Er­de, auf die be­g­renz­ten Ge­gen­stän­de un­se­rer Er­de. Das al­te Hell­se­hen ver­schwand. Selbst­be­wußt wur­den die Men­schen, aber vor ih­nen ver­sch­loß sich die geis­ti­ge Welt. Die Ge­bil­de, wel­che in al­ten Zei­ten die Luft durch­drun­gen ha­ben wie ein Ne­bel­meer, ver­schwan­den, die Luft wur­de rein, der Bo­den frei. Die Men­schen tra­ten her­aus auf die freie Er­de. Das ist ver­hält­nis­mä­ß­ig spät ge­sche­hen; es fällt zu­sam­men mit dem Er­lan­gen des ge­gen­wär­ti­gen Ver­stan­des, des jet­zi­gen Selbst­be­wußt­seins des Men­schen.

Und jetzt er­in­nern wir uns, was wir ge­sagt ha­ben von die­ser Er­de. Wir er­in­nern uns da­ran, daß wir den gro­ßen Mo­ment von Gol­ga­tha hin­ge­s­tellt ha­ben vor un­se­re See­le. Wenn je­mand da­mals die Er­de von fer­ne be­trach­tet hät­te mit hell­se­he­ri­schem Blick, so hät­te er wahr­ge­nom­men in dem Au­gen­blick, wo das Blut aus den Wun­den des Er­lö­sers floß, daß die gan­ze as­tra­li­sche Au­ra der Er­de sich ve­r­än­der­te. Da ist die Er­de durch­drun­gen wor­den von der Chris­tus-Kraft. Durch die­ses Er­eig­nis kann sich die Er­de de­r­einst wie­der mit der Son­ne ve­r­ei­ni­gen. Die­se Kraft wird wach­sen. Das ist die Kraft, die un­se­ren Äther­leib vor dem zwei­ten To­de be­wahrt. Chris­tus wird im­mer mehr und mehr der Erd­geist, und der­je­ni­ge, der ein rech­ter Christ ist, ver­steht die Wor­te: «Wer mein Brot is­set, der tritt mich mit Fü­ß­en», der be­trach­tet den Leib der Er­de als

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den Leib des Chris­tus. Die Er­de als pla­ne­ta­ri­scher Kör­per ist der Leib des Chris­tus, frei­lich erst im An­fan­ge. Es wird erst der Chris­tus Erd­geist, er wird sich völ­lig mit der Er­de ve­r­ei­ni­gen. Und wenn sich die Er­de spä­ter mit der Son­ne ve­r­ei­ni­gen wird, wird der gro­ße Erd­geist Chris­tus Son­nen­geist sein.

Der Leib der Er­de wird der Leib des Chris­tus sein. Und die Men­schen müs­sen die­sen Leib be­ar­bei­ten. Sie ha­ben da­mit be­gon­nen, als sie her­au­s­t­ra­ten auf die Er­de; sie ha­ben die­se Er­de mit ih­ren Kräf­ten be­ar­bei­tet. In al­len Tra­di­tio­nen kann man et­was fin­den, was we­nig be­ach­tet wird, weil man es we­nig ver­steht. So zum Bei­spiel in der per­si­schen Tra­di­ti­on, daß die Men­schen seit je­ner Zeit, seit der sie her­aus­ge­t­re­ten sind aus dem hell­se­he­ri­schen Be­wußt­sein, We­sen ge­wor­den sind, wel­che die Er­de durch­sto­chen ha­ben. Wäh­rend die Men­schen in der Pha­se le­ben, daß sie die Er­de durch­s­te­chen, das heißt die Er­de be­ar­bei­ten, wäh­rend die­ser Zeit al­so, wo sie den Leib des Chris­tus durch­s­te­chen, se­hen sie nicht im hell­se­he­ri­schen Be­wußt­sein die lei­ten­den Kräf­te, vor al­len Din­gen nicht den Chris­tus, von An­ge­sicht zu An­ge­sicht. Aber der Apo­ka­lyp­ti­ker weist auf die Zeit hin, wo nicht nur die Hell­se­her von da­mals das Geis­ti­ge se­hen, son­dern wo die Mensch­heit wie­der an­ge­kom­men sein wird auf der Stu­fe, die es ihr er­mög­licht, das Chris­tus We­sen sel­ber zu se­hen. Se­hen wer­den ihn al­le We­sen, und die­je­ni­gen, die ihn durch­sto­chen ha­ben, wer­den ihn auch se­hen; die­je­ni­gen, die ei­nen Teil ih­rer Ent­wi­cke­lung durch­ma­chen muß­ten im Be­bau­en der Er­de, im Durch­s­te­chen der Er­de, sie wer­den den Chris­tus se­hen. Denn sol­che Wor­te sind so, daß sie den­je­ni­gen, der sie all­mäh­lich ent­hül­len lernt, tief hin­ein­füh­ren in die Vor­stel­lungs­welt der Mys­te­ri­en, der apo­ka­lyp­ti­schen Spra­che.

Was hat al­so der Apo­ka­lyp­ti­ker sch­rei­ben wol­len, was hat er dar­s­tel­len wol­len? Die­se Fra­ge be­ant­wor­tet sich uns da­mit, daß wir kurz hin­wei­sen auf den Ur­sprung der Apo­ka­lyp­se. Wo ist zu­erst ent­hal­ten das, was in der Apo­ka­lyp­se ge­schrie­ben ist? Könn­ten Sie zu­rück­ge­hen in die Mys­te­ri­en des al­ten Grie­chen­lands, in die Or­phi­schen, die Eleusi­ni­schen Mys­te­ri­en, zu­rück­ge­hen in die Mys­te­ri­en der al­ten Ägyp­ter, Chal­däer, Per­ser und In­der, all­übe­rall

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wür­den Sie die Apo­ka­lyp­se fin­den. Sie ist vor­han­den ge­we­sen, sie war da. Sie war nicht ge­schrie­ben, aber sie leb­te von Pries­ter­ge­ne­ra­ti­on zu Pries­ter­ge­ne­ra­ti­on, durch die Ge­ne­ra­tio­nen der In­i­tia­to­ren hin­durch, wo das Ge­dächt­nis so le­ben­dig war, daß man so rei­che Stof­fe be­wäl­ti­gen konn­te. Das Ge­dächt­nis war ja auch in viel spä­te­ren Zei­ten noch weit bes­ser als bei uns. Man er­in­ne­re sich nur an die Sän­ger der Ilia­de, wie sie her­um­ge­zo­gen sind und aus dem Ge­dächt­nis ih­re Ge­sän­ge sin­gen konn­ten. Es ist ver­hält­nis­mä­ß­ig noch nicht so lan­ge Zeit, daß das Ge­dächt­nis so sehr zu­rück­ge­gan­gen ist. In den Mys­te­ri­en wur­den die­se Wahr­hei­ten nicht auf­ge­schrie­ben, aber sie leb­ten von Ge­ne­ra­ti­on zu Ge­ne­ra­ti­on der In­i­tia­to­ren.

Was hat­te sie für ei­ne Auf­ga­be, die Apo­ka­lyp­se? Sie hat­te die Auf­ga­be, ei­ne In­struk­ti­on zu sein für den­je­ni­gen, der die Schü­ler zur Wei­he brach­te. Da­mals war es so, daß der Mensch, an dem die Ein­wei­hung voll­zo­gen wer­den soll­te, her­aus­ge­führt wur­de aus sei­nem phy­si­schen Lei­be und wie tot blieb. Aber wenn er her­aus­ge­führt war, dann ließ ihn der In­i­tia­tor in sei­nem äthe­ri­schen Lei­be se­hen, was nach­her durch den Chris­tus-Im­puls im phy­si­schen Leib hell­se­he­risch hat ge­se­hen wer­den kön­nen. So wa­ren die al­ten Ein­ge­weih­ten die Pro­phe­ten, die hin­wei­sen konn­ten auf Chris­tus. Und sie ha­ben es ge­tan, sie ha­ben es tun kön­nen, weil der Chris­tus in die­ser Apo­ka­lyp­se ge­zeigt wor­den ist als et­was, was in der Zu­kunft er­scheint. Noch nie hat­te sich das Er­eig­nis von Gol­ga­tha ab­ge­spielt, in wel­chem ein Mensch im phy­si­schen Lei­be das gan­ze In­i­tia­ti­ons­dra­ma vor der Ge­schich­te dar­ge­lebt hät­te.

Wo war al­so die Mög­lich­keit, die­ses Er­eig­nis von Gol­ga­tha zu be­g­rei­fen? Auf ge­wis­ser Stu­fe hat­ten es die Ein­ge­weih­ten au­ßer­halb ih­res Lei­bes be­grif­fen. In ei­nem an­de­ren Be­wußt­sein war vor­ge­gan­gen, was auf Gol­ga­tha sich ab­spiel­te. Tau­sen­de hät­te es ge­ben kön­nen, und das Er­eig­nis von Gol­ga­tha hät­te an ih­nen vor­bei­ge­hen kön­nen. Was wä­re es ih­nen ge­we­sen? Der Tod ei­nes ge­wöhn­li­chen Ver­ur­teil­ten! Die Mög­lich­keit, das zu be­g­rei­fen, was sich auf Gol­ga­tha voll­zog, war nur dort, wo man den In­halt der Mys­te­ri­en kann­te. Die In­i­tia­to­ren konn­ten sa­gen: Der­je­ni­ge, den

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wir euch ge­zeigt ha­ben wäh­rend der drei­ein­halb Ta­ge, den die Pro­phe­ten euch ver­kün­digt ha­ben, den könnt ihr be­g­rei­fen, wenn ihr die Mit­tel aus den Mys­te­ri­en nehmt.

Der Apo­ka­lyp­ti­ker hat die münd­li­che Über­lie­fe­rung der Mys­te­ri­en in sich auf­ge­nom­men, er sag­te sich: Wenn ich mich durch­drin­ge mit dem, was man in den Mys­te­ri­en hat er­fah­ren kön­nen, dann er­scheint mir der Chris­tus. So war die Apo­ka­lyp­se nichts Neu­es, aber die An­wen­dung auf das ein­zi­ge Er­eig­nis von Gol­ga­tha, das war et­was Neu­es. Das war das We­sent­li­che, daß für die­je­ni­gen, die Oh­ren hat­ten zu hö­ren, es ei­ne Mög­lich­keit gab, mit Hil­fe des­sen, was in der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes steht, nach und nach zum wir­k­li­chen Ver­ständ­nis des Er­eig­nis­ses von Gol­ga­tha vor­zu­drin­gen. Das war die Ab­sicht des Apo­ka­lyp­ti­kers. Aus den al­ten Mys­te­ri­en hat­te er die Apo­ka­lyp­se; sie ist ein uralt-hei­li­ges Buch der Men­schen und ist nur äu­ßer­lich der Mensch­heit ge­schenkt wor­den durch den Jün­ger, den der Herr lieb hat­te und dem er te­s­ta­men­ta­risch ver­macht hat­te, sei­ne wah­re Ge­stalt zu ver­kün­den. Er soll blei­ben, bis Chris­tus kommt, so daß die­je­ni­gen, die mit er­leuch­te­tem Be­wußt­sein aus­ge­stat­tet sind, ihn er­fas­sen kön­nen. Er ist der gro­ße Leh­rer des wah­ren Er­eig­nis­ses von Gol­ga­tha. Er hat den Men­schen die Mit­tel über­ge­ben, das Er­eig­nis von Gol­ga­tha wir­k­lich zu ver­ste­hen.

Am Ein­gang der Apo­ka­lyp­se sagt der Apo­ka­lyp­ti­ker ich ha­be ver­sucht, die ers­ten Wor­te so zu über­set­zen, wie sie über­setzt wer­den müs­sen, wenn sie rich­tig sein sol­len : «Dies ist die Of­fen­ba­rung Je­su Chris­ti, die Gott dar­ge­bo­ten hat sei­nem Die­ner, zu ver­an­schau­li­chen in Kür­ze, wie sich das Not­wen­di­ge voll­zie­hen soll. Dies ist in Zei­chen ge­setzt und ge­sandt durch sei­nen En­gel sei­nem Die­ner Jo­han­nes, und die­ser hat es zum Aus­dru­cke ge­bracht.» Er will «in Kür­ze» schil­dern. Was ist da­mit ge­meint? Das heißt so­viel, wie wenn man aus­drü­cken woll­te: Wenn ich euch im ein­zel­nen schil­dern woll­te al­les, was sich von jetzt bis zum Ziel der Er­den­ent­wi­cke­lung ab­spielt, dann müß­te ich vie­les, vie­les sch­rei­ben. Ich will es euch in ei­nem kur­zen Abriß dar­s­tel­len. Das ha­ben dann die Über­set­zer, die nicht ein­drin­gen konn­ten in den

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Geist der Apo­ka­lyp­se, so über­setzt, daß sie sag­ten: «zu zei­gen, was in der Kür­ze ge­sche­hen soll». Sie wa­ren der Mei­nung, was sich da ab­spielt, was da ge­schil­dert ist, das soll in kur­zer Zeit ge­sche­hen. Es soll aber hei­ßen: in kur­zem Abriß soll ge­schil­dert wer­den, was sich da voll­zieht. Der ur­sprüng­li­che Text hat ei­ne Wen­dung, die durch­aus als rich­ti­ge Über­set­zung das zu­läßt, was ich in der Ein­lei­tung der «Bil­der ok­kul­ter Sie­gel und Säu­len» in rich­ti­ger Wei­se zu ge­ben ver­sucht ha­be.

Nun ha­ben wir in ei­ner Rei­he von Be­trach­tun­gen man­ches über die­se uralt-hei­li­ge Ur­kun­de des Men­schen­ge­sch­lech­tes ge­sagt, man­ches über das­je­ni­ge, was als sei­ne Ge­heim­nis­se der Herr mit­ge­teilt hat der Mensch­heit durch den Jün­ger, den er lieb hat­te. Sie ha­ben vi­el­leicht da­durch ah­nen ge­lernt, daß die­se Apo­ka­lyp­se ein tie­fes Buch ist, vol­ler Weis­heit, und ha­ben vi­el­leicht manch­mal wäh­rend die­ser Be­trach­tun­gen Ban­gig­keit ge­habt dar­über, daß man­ches in ihr so schwer ver­ständ­lich ist. Nun möch­te ich Ih­nen ei­nes sa­gen am En­de un­se­rer Be­trach­tun­gen: Al­les, was ich Ih­nen sa­gen konn­te, ent­spricht ganz ge­nau den In­ten­tio­nen des Apo­ka­lyp­ti­kers und wur­de im­mer so in den Schu­len, wel­che die Ab­sicht des Apo­ka­lyp­ti­kers be­wahrt ha­ben, ge­lehrt. Aber es ist nicht al­les, lan­ge nicht al­les, was zu sa­gen wä­re, und man kann noch viel tie­fer in die Wahr­hei­ten, in die Un­ter­grün­de der Apo­ka­lyp­se ge­hen. Und wenn wir in al­le Tie­fen ein­drin­gen wür­den, dann wür­de Ih­nen das, was ich Ih­nen ha­be sa­gen kön­nen, so er­schei­nen, daß man es nur als ei­ne ers­te ober­fläch­li­che Dar­stel­lung cha­rak­te­ri­sie­ren könn­te. Das geht nicht an­ders, man kann zu­erst nur ei­ne ober­fläch­li­che Dar­stel­lung ge­ben. Durch die­se muß man hin­durch­ge­hen. Man muß ein­mal mit dem Ele­men­ta­ren an­fan­gen, dann wird sich schon, wenn man ein klei­nes Stück ge­gan­gen ist, auch die Tie­fe er­ge­ben. Denn es liegt viel, viel un­ter der Ober­fläche, die ein klein we­nig zu lüf­ten, ein klein we­nig zu ent­hül­len wie­der­um mög­lich war. Und wenn Sie die Bahn wei­ter­sch­rei­ten, die Sie in ge­wis­ser Wei­se be­gon­nen ha­ben, in­dem Sie Ih­re Auf­merk­sam­keit der Er­läu­te­rung der Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes zu­ge­wen­det ha­ben, so wer­den Sie all­mäh­lich in die Tie­fen des geis­ti­gen Le­bens hin-

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Sei­te 257

ein­kom­men. Sie wer­den in Tie­fen hin­ein­kom­men, die heu­te gar nicht mög­lich sind aus­zu­sp­re­chen, weil sie nicht be­wußt wer­den könn­ten, weil eben noch nie­mand Oh­ren hät­te, sie zu hö­ren. Es müs­sen erst durch sol­che Er­klär­un­gen, wie sie nun ge­ge­ben wor­den sind, die Oh­ren vor­be­rei­tet wer­den, zu hö­ren. Dann wer­den sie all­mäh­lich da sein, die Oh­ren, Oh­ren, die hö­ren kön­nen das Wort, das so tief durch die Apo­ka­lyp­se fließt. Wenn Sie al­so ei­ni­ges auf­ge­nom­men ha­ben von dem, was ge­sagt wer­den konn­te, so sei­en Sie sich be­wußt, daß doch nur die ers­te Ober­fläche ge­ge­ben wer­den konn­te, und von die­ser nur ein­zel­ne Be­mer­kun­gen. Las­sen Sie es ei­nen Im­puls wer­den, im­mer tie­fer und tie­fer in das ein­zu­drin­gen, was durch die­se Vor­trä­ge nur ge­ahnt wer­den kann. Wenn ich selbst nur das­je­ni­ge sa­gen woll­te, was über die Ober­fläche ge­sagt wer­den kann, dann müß­te ich Ih­nen noch vie­le, vie­le Wo­chen lang Vor­trä­ge hal­ten. Nur ei­ne An­re­gung konn­ten die­se Vor­trä­ge sein, und der­je­ni­ge, der sie so emp­fin­det, daß er sich sagt: Ich muß tie­fer und tie­fer ein­drin­gen , der wird in rich­ti­gem Sin­ne die­se Vor­trä­ge auf­ge­nom­men ha­ben.

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Sei­te 258 [va­kat]

I – ANHANG-01, Hinweise

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Sei­te 259

Hin­wei­se

Zur Text­ge­stal­tung: Die von Ru­dolf Stei­ner frei ge­hal­te­nen Vor­trä­ge wur­den von Wal­ter Ve­ge­lahn, Ber­lin, ste­no­gra­phisch mit­ge­schrie­ben. Für die zwei­te bis fünf­te Aufla­ge stand nur der ge­druck­te Text der ers­ten Aufla­ge zur Ver­fü­gung. Erst im Jah­re 1971 er­hielt die Ru­dolf Stei­ner-Nachlaßv­er­wal­tung aus dem Nachlaß von Wal­ter Ve­ge­lahn des­sen teil­wei­se noch vor­han­den ge­we­se­ne Ori­gi­nal­un­ter­la­gen für den Erst­druck. Aus dem Ver­g­leich der­sel­ben mit dem bis­her ge­druck­ten Text er­ga­ben sich die auf Sei­te 270 nach­ge­wie­se­nen Kor­rek­tu­ren ge­gen­über der fünf­ten Aufla­ge. Es bleibt trotz­dem zu be­rück­sich­ti­gen, was schon aus dem Ge­leit­wort von Ma­rie Stei­ner zur ers­ten Buch­aus­ga­be her­vor­geht, daß das Ste­no­gramm hie und da Lü­cken ent­hal­ten ha­ben muß, die je­doch in den+ Über­tra­gun­gen von dem Ste­no­gra­phen nicht näh­er ge­kenn­zeich­net wor­den sind. Dar­aus mag die ei­ne oder an­de­re schwer­ver­ständ­li­che Pas­sa­ge re­sul­tie­ren; zum Bei­spiel in be­zug auf die Zahl 666. Sie­he hier­zu den Son­der­hin­weis Sei­te 263.

Die Zeich­nun­gen zu den Vor­trä­gen wur­den auf­grund der in den Text­un­ter­la­gen wie­der­ge­ge­be­nen Ta­fel­zeich­nun­gen Ru­dolf Stei­ners aus­ge­führt von Leono­re Uh­lig.

Zu der Zeit, als Ru­dolf Stei­ner die­se Vor­trä­ge hielt, stand er mit sei­ner an­thro­po­so­phisch ori­en­tier­ten Geis­tes­wis­sen­schaft noch inn­er­halb der da­ma­li­gen Theo­so­phi­schen Ge­sell­schaft und ge­brauch­te die Be­zeich­nun­gen «Theo­so­phie» und «theo­so­phisch» im Sin­ne sei­ner selb­stän­di­gen Geis­tes­for­schung. Ei­ner spä­te­ren An­ga­be von ihm selbst zu­fol­ge sind die­se Be­zeich­nun­gen durch «An­thro­po­so­phie» oder «Geis­tes­wis­sen­schaft», «an­thro­po­so­phisch» oder «geis­tes­wis­sen­schaft­lich» er­setzt wor­den, es sei denn, daß aus­drück­lich auf die von H. P. Bla­vats­ky aus­ge­gan­ge­ne theo­so­phi­sche Strö­mung Be­zug ge­nom­men wird.


Wer­ke Ru­dolf Stei­ners inn­er­halb der Ge­sam­t­aus­ga­be (GA) wer­den in den Hin­wei­sen mit der Bi­b­lio­gra­phie-Num­mer an­ge­ge­ben. Sie­he auch die Über­sicht am Schluß des Ban­des.

Zu Sei­te:

11 He­gel sag­te: Wört­lich: «Der tiefs­te Ge­dan­ke ist mit der Ge­stalt Chris­ti, mit dem Ge­schicht­li­chen und Äu­ßer­li­chen ve­r­ei­nigt, und das ist eben das Gro­ße der christ­li­chen Re­li­gi­on, daß sie bei al­ler die­ser Tie­fe leicht vom Be­wußt­sein in äu­ßer­li­cher Hin­sicht auf­zu­fas­sen ist und zu­g­leich zum tie­fe­ren Ein­drin­gen auf­for­dert. Sie ist so für je­de Stu­fe der Bil­dung und be­frie­digt zu­g­leich die höchs­ten An­for­de­run­gen.» In «Vor­le­sun­gen über die Phi­lo­so­phie der Ge­schich­te».
19 Pro­fes­sor Dau­mer: Ge­org Fried­rich Dau­mer, Nürn­berg 18001875: «Ka­s­par Hau­ser. Sein We­sen, sei­ne Un­schuld, sei­ne Er­dul­dun­gen und sein Ur­sprung», Re­gens­burg 1873 u. a.
ein Schrift­s­tel­ler sagt: Ge­meint sein dürf­te Ja­kob Was­ser­mann (18731934) mit sei­nem Ro­man «Ca­s­par Hau­ser oder Die Träg­heit des Her­zens», 1907/1908. Zu der da­rin
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 Sei­te 260

an­ge­führ­ten be­son­de­ren Kon­s­tel­la­ti­on beim Be­gräb­nis Ka­s­par Hau­sers ver­g­lei­che Karl He­y­er: « Ka­s­par Hau­ser und das Schick­sal Mit­te­l­eu­ro­pas im 19. Jahr­hun­dert». Bei­trä­ge zur Ge­schich­te des Abend­lan­des, IX. Band, 1958.
22 Goe­thes Wor­te: Wört­lich: «Das Au­ge hat sein Da­sein dem Licht zu dan­ken. Aus gleich­gül­ti­gen tie­ri­schen Hilf­s­or­ga­nen ruft sich das Licht ein Or­gan her­vor, das sei­nes­g­lei­chen wer­de, und so bil­det sich das Au­ge am Lich­te fürs Licht, da­mit das in­ne­re Licht dem äu­ße­ren ent­ge­gen­t­re­te.» Aus «Goe­thes Na­tur­wis­sen­schaft­li­chen Schrif­ten», her­ausg. und kom­men­tiert von Ru­dolf Stei­ner in Kür­sch­ners «Deut­sche Na­tio­nal-Lit­te­ra­tur», Band III, Bibl.-Nr.lc, Nach­druck Dor­nach 1975, «Ent­wurf ei­ner Far­ben­leh­re. Ein­lei­tung», S. 88.
24 Goe­the «Al­les Ver­gäng­li­che ist nur ein Gleich­nis»: Faust II, Schlußchor.
26 wie Mo­ses den Auf­trag er­hielt: 2. Mo­ses, Kap. 3, 14.
27 «Ehe denn Abra­ham war»: Jo­han­nes 8, Vers 58.
29 Man sagt heu­te leicht: Die Theo­so­phie soll den ein­heit­li­chen Wahr­heits­kern in al­len Re­li­gio­nen su­chen: Be­zieht sich auf den zwei­ten Grund­satz der Theo­so­phi­schen Ge­sell­schaft.
30 Die Schü­ler des Chris­tus Je­sus aber sa­gen: Ver­g­lei­che den I. Brief des Jo­han­nes, 1, 1-4: «Was von An­fang war, was wir ge­hört, was wir mit un­se­ren Au­gen ge­se­hen, was wir ge­schaut und un­se­re Hän­de be­tas­tet ha­ben von dem Wor­te des Le­bens, ja, das Le­ben hat sich of­fen­bart, und wir ha­ben ge­se­hen und be­zeu­gen und ver­kün­di­gen euch das ewi­ge Le­ben, wel­ches bei dem Va­ter war und uns er­schie­nen ist; was wir ge­se­hen und ge­hört ha­ben, ver­kün­di­gen wir euch, da­mit auch ihr Ge­mein­schaft mit uns ha­bet und un­se­re Ge­mein­schaft ei­ne Ge­mein­schaft sei mit dem Va­ter und mit sei­nem Soh­ne, Je­sus Chris­tus.»
Zeu­gen sollt ihr mir sein: Apo­s­tel­ge­schich­te I, 8.
Glaubt ihr nicht an mich: Jo­han­nes 5, Vers 46 «Wenn ihr Mo­ses glaub­tet, so glaub­tet ihr auch mir, denn er hat von mir ge­schrie­ben.»
35 auf ei­ner mei­ner Vor­trags­rei­sen vor ei­ni­gen Wo­chen in Skan­di­na­vi­en: Im März und April 1908 hielt Ru­dolf Stei­ner in Lund, Mal­mö, Stock­holm, Upp­sa­la, Kris­tia­nia (Os­lo), Gö­t­e­borg und Ko­pen­ha­gen ins­ge­s­amt zwan­zig Vor­trä­ge, von de­nen sich je­doch kei­ne Nach­schrif­ten er­hal­ten ha­ben.
Drui­den- und Drot­ten­mys­te­ri­en: Die alts­kan­di­na­vi­sche Pries­ter­schaft hieß die «Drot­ten».
Der Sil­ber­ne Ko­dex des Ul­fi­las: Der go­ti­sche Bi­schof Wul­fi­la (grie­chisch Ul­fi­las) über­trug im vier­ten Jahr­hun­dert n. Chr. die Bi­bel ins Go­ti­sche. Die ehr­wür­digs­te al­ler ger­ma­ni­schen Hand­schrif­ten ist mit sil­ber­nen und gol­de­nen Let­tern auf pur­pur­ge­färb­tes Per­ga­ment ge­schrie­ben. Sie ist nur noch teil­wei­se er­hal­ten, wur­de im sech­zehn­ten Jahr­hun­dert in der Ab­tei Wer­den an der Ruhr ent­deckt, kam nach Prag, dann nach Schwe­den, wur­de von da nach Hol­land ver­sch­leppt und dort mit ei­nem kost­ba­ren Sil­be­r­ein­band ver­se­hen (da­her der Na­me Co­dex ar­genteus). Heu­te in der Uni­ver­si­täts­bi­b­lio­thek Upp­sa­la.
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 Sei­te 261

39 Joa­chim von Flo­ris: Abt von Flo­ris oder Fio­re, gest. 1202. Sei­ne Schrif­ten: Evan­ge­li­um ae­ter­num, wel­che die bib­li­schen Weis­sa­gun­gen deu­ten. Galt spä­ter als Pro­phet Ita­li­ens.
41 «Hier ist Weis­heit»: Apo­ka­lyp­se 13, Vers 18.
42 ei­ne In­sel-Ein­sam­keit: Pat­mos. Apo­ka­lyp­se 1, Vers 9. im Geis­te war: Apo­ka­lyp­se 1, Vers 10.
59 dem Zwei­ten der so­ge­nann­ten sie­ben ok­kul­ten Sie­gel: Sie­he Ta­fel II und Hin­weis zu den Ta­feln.
60 daß un­se­re Er­de frühe­re Ver­kör­pe­run­gen durch­ge­macht hat: Ver­g­lei­che auch Ru­dolf Stei­ner, «Aus der Aka­sha-Chro­nik», Bibl.-Nr. 11, GA 1973 so­wie «Die Ge­heim­wis­sen­schaft im Um­riß», Bibl.-Nr. 13, GA 1977.
64 das ers­te Sie­gel: Sie­he Ta­fel I. In den frühe­ren Aufla­gen be­fand sich hier ei­ne Fuß­no­te : «Die christ­li­che Ein­wei­hung hat dies als Sym­bo­lum für die al­te Ein­wei­hung ge­habt. Hier sind die Din­ge dar­ge­s­tellt vom Stand­punk­te des Chris­ten­tums aus. Das Chris­ten­tum muß­te die­se Din­ge auf­neh­men, hat sie aber dann mit an­de­ren ver­mischt.»
82 daß die Er­den­ent­wi­cke­lung zer­fällt in die Mars­zeit und in die Mer­kur­zeit: Sie­he Ru­dolf Stei­ner, «Bil­der ok­kul­ter Sie­gel und Säu­len. Der Münch­ner Kon­g­reß Pfings­ten 1907 und sei­ne Aus­wir­kun­gen», Bibl.-Nr. 284/85, GA 1977, Tex­theft Sei­te 70 im Vor­trag vom 21. Mai 1907.
91 die Sa­ge von Ahas­ver: oder der Ewi­ge Ju­de, nach der Le­gen­de der Schuh­ma­cher Ahas­ve­r­us von Je­ru­sa­lem, der Chris­tus auf dem We­ge nach Gol­ga­tha von sei­nem Hau­se, wo er aus­ru­hen woll­te, fort­stieß und zur Stra­fe da­für bis zum Jüngs­ten Ta­ge ru­he­los um­her­wan­dern muß. Das Volks­buch vom Ewi­gen Ju­den er­schi­en zu­erst 1602, doch stam­men die ers­ten be­kann­ten Be­le­ge der Le­gen­de aus dem 13. Jahr­hun­dert.
114 in die­ser Bal­dur-Lo­ki -Sa­ge: Sie­he hier­zu die bei­den Vor­trä­ge Dor­nach, 2. und 3. April 1915, in «We­ge der geis­ti­gen Er­kennt­nis und der Er­neue­rung künst­le­ri­scher Wel­t­an­schau­ung», GA Bibl.- Nr. 161.
115 die Asu­ras oder Ur­kräf­te: Wenn hier die Asu­ras mit den Ur­kräf­ten, den Ar­chai, gleich­ge­s­tellt wer­den, wäh­rend sie spä­ter von Ru­dolf Stei­ner als Geis­ter cha­rak­te­ri­siert wer­den, die den Men­schen zum Bö­sen ver­füh­ren (Vor­trag Ber­lin, 22. März 1909 in «Geis­tes­wis­sen­schaft­li­che Men­schen­kun­de», GA Bibl.-Nr. 107), so ist zu be­rück­sich­ti­gen, daß even­tu­ell die Nach­schrift hier ei­nen Man­gel auf­weist, oder Ru­dolf Stei­ner ver­kür­zend hier die Ur­kräf­te und Asu­ras zu­sam­men nennt, weil die Asu­ras ur­sprüng­lich eben­falls zur Hier­ar­chie der Ur­kräf­te oder Ar­chai ge­hör­ten. Erst da­durch, daß sie in der Ent­wick­lung zu­rück­ge­b­lie­ben sind, sind sie zu Kräf­ten ge­wor­den, die den Men­schen zum Bö­sen ver­füh­ren wol­len. Das er­klärt auch der Na­me, denn im In­di­schen lau­tet die Be­zeich­nung für Göt­ter «Su­ras» (von Asu = Atem); A = Vern­ei­nung. Die Su­ras wur­den al­so zu A-Su­ras, zu Un­göt­tern. In bis­her un­ge­druck­ten No­ti­zen ei­nes Vor­tra­ges von Ru­dolf Stei­ner (Ber­lin, 17. Ok­tober 1904) heißt es da­zu: «Die im An­fan­ge geis­ti­ge We­sen­hei­ten wa­ren, die er­schie­nen nun als die Em­pö­rer, die Aufrüh­rer, die sich jetzt ih­re Un­ab­hän­gig­keit er­obern woll­ten. Su­ras wur­den jetzt zu Asu­ras.»
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 Sei­te 262

118 ein nied­li­cher Ver­g­leich: Der Pla­teau­sche Ver­such. «Es wird ei­ne Mi­schung aus Was­ser und Al­ko­hol be­rei­tet, die ge­nau das spe­zi­fi­sche Ge­wicht des rei­nen Oli­ven­ö­les hat, und in die­se Mi­schung dann ein ziem­lich star­ker Trop­fen Öl ge­gos­sen. Die­ser schwimmt nicht auf der Flüs­sig­keit, son­dern sinkt bis in die Mit­te der­sel­ben, und zwar in Ge­stalt ei­ner Ku­gel. Um die­se nun in Be­we­gung zu set­zen, wird ein Scheib­chen aus Kar­ten­pa­pier im Zen­trum mit ei­ner lan­gen Na­del durch­sto­chen und vor­sich­tig in die Mit­te der Öl­ku­gel ge­senkt, so daß der äu­ßers­te Rand des Scheib­chens den Äqua­tor der Ku­gel bil­det. Die­ses Scheib­chen nun wird in Dre­hung ver­setzt, an­fangs lang­sam, dann im­mer sch­nel­ler und sch­nel­ler. Na­tür­lich teilt die Be­we­gung sich der Öl­ku­gel mit, und in Fol­ge der Flieh­kraft lö­sen von die­ser sich Tei­le ab, wel­che nach ih­rer Ab­son­de­rung noch ge­rau­me Zeit die Dre­hung mit­ma­chen, zu­erst Krei­se, dann Kü­gel­chen. Auf die­se Wei­se ent­steht ein un­se­rem Pla­ne­ten­sys­tem oft über­ra­schend ähn­li­ches Ge­bil­de: in der Mit­te näm­lich die größ­te, un­se­re Son­ne vor­s­tel­len­de Ku­gel, und um sie her­um sich be­we­gend klei­ne­re Ku­geln und Rin­ge, wel­che uns die Pla­ne­ten samt ih­ren Mon­den ver­sinn­li­chen kön­nen.» Zi­tiert nach Vin­cenz Knau­er «Die Haupt­pro­b­le­me der Phi­lo­so­phie», Wi­en und Leip­zig 1892, Sei­te 281. J. A.F. Pla­teau, Phy­si­ker, 1801-1883.
125 die­je­ni­gen, die wir­k­lich Me­di­zin stu­die­ren: Sie­he Ru­dolf Stei­ner, «Geis­tes­wis­sen­schaft und Me­di­zin», zwan­zig Vor­trä­ge für Ärz­te und Me­di­zin­stu­die­ren­de in Dor­nach vom 21. März bis 9. April 1920, Bibl.-Nr. 312, GA 1976.
129 Und so lang du das nicht hast: Goe­the, West-öst­li­cher Di­wan, «Se­li­ge Sehn­sucht», Schlußs­tro­phe.
140 die vier Roth­schilds: Der Va­ter, May­er Am­schel Roth­schild, 17431812, in Frank­furt a. M., Sa­lo­mon R. 1816, Chef des Wie­ner Hau­ses, Nat­han, der die Fir­ma 1813 von Man­ches­ter nach Lon­don ver­leg­te; Karl be­grün­de­te 1820 in Nea­pel die Fir­ma; Ja­kob wur­de 1812 Chef des Hau­ses Ge­brü­der Roth­schild in Pa­ris.
141 Was Pau­lus ge­sagt hat: Ga­la­ter 2, 20.
153 Tol­stoi, 18281910.
163 von den gro­ßen Füh­r­ern der Men­schen: Sie­he Ru­dolf Stei­ner, «Der Ori­ent im Lich­te des Ok­zi­dents. Die Kin­der des Lu­zi­fer und die Brü­der Chris­ti», neun Vor­trä­ge und ei­ne An­spra­che in Mün­chen vom 23.-31. Au­gust 1909, Bibl.-Nr. 113.
170 je­ne zwei Säu­len beim Münch­ner Kon­g­reß im Saa­le: Sie­he Hin­weis zu Sei­te 82, fer­ner «Welt­we­sen und Ich­heit», sie­ben Vor­trä­ge in Ber­lin zwi­schen dem 6. Ju­ni und 18. Ju­li 1916, Bibl.-Nr. 169, GA 1963.
197 schwer ist [es], dem Men­schen ei­ne Vor­stel­lung von den drei Ele­men­tar­rei­chen zu ge­ben: Sie­he hier­zu den Vor­trag Ru­dolf Stei­ners, Mün­chen, 4. Dez. 1907 in «Über das Zu­sam­men­wir­ken un­se­rer sicht­ba­ren Welt mit geis­ti­gen We­sen­hei­ten», Frei­burg i.Br. 1952, vor­ge­se­hen für Bibl.-Nr. 98.
227 Nun hat man die­se 666 im­mer in ei­ner sehr ge­heim­nis­vol­len Wei­se auf­ge­schrie­ben: Sie­he auch die be­kann­te Dar­stel­lung bei Agrip­pa von Net­tes­heim, Okk. Phil. II, 22.
228 Waw wird vo­ka­lisch als 0 ge­le­sen.
256 in der Ein­lei­tung der «Sie­gel und Säu­len»: Sie­he den fol­gen­den Hin­weis.
Zu den Ta­feln nach Sei­te 284:
Die sie­ben Sie­gel: Die ge­mal­ten Ta­feln di­en­ten der Aus­k­lei­dung des In­nen­rau­mes, in dem der Kon­g­reß der «Fö­d­e­ra­ti­on eu­ro­päi­scher Sek­tio­nen der Theo­so­phi­schen Ge­sell­schaft » Pfings­ten 1907 Zu Mün­chen statt­fand. Sie wa­ren nach Skiz­zen Ru­dolf Stei­ners durch Cla­ra Rettich, Stutt­gart, in Far­ben aus­ge­führt, Sie­he «Bil­der ok­kul­ter Sie­gel und Säu­len. Der Münch­ner Kon­g­reß 1907 und sei­ne Aus­wir­kun­gen», Bibl.-Nr. 284/85, GA 1977.

I – ANHANG-02, Sonderhinweis

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Sei­te 263

Son­der­hin­weis

zur Ent­wick­lung der Zahl 666 im 1. Vor­trag

Der ge­druckt vor­lie­gen­de Text stimmt mit der Nach­schrift des Ste­no­gra­phen übe­r­ein. Er hat aber durch den Ste­no­gra­phen of­fen­sicht­lich doch Kür­zun­gen er­lit­ten. Da­durch ist ei­ne be­son­de­re Ver­ständ­nis­schwie­rig­keit ver­bun­den mit der Fra­ge, an wel­chen Punkt der Ge­samt­ent­wi­cke­lung die Zahl 666 ge­nau zu stel­len ist.

Wenn auf Sei­te 222/223 die Zahl der Ent­wi­cke­lung 344 be­rech­net wird aus Formzu­stän­den, Hauptras­sen und Un­ter­ras­sen, und es auf Sei­te 223 heißt: «Ge­nau wie wir jetzt als Zahl der Ent­wi­cke­lung 344 ha­ben, so muß ein­mal in der Zu­kunft die Zahl 666 gel­ten», dann wür­de lo­gi­scher­wei­se dar­aus fol­gen, daß die Zahl 666 ana­log der Zahl der Ent­wik­ke­lung 344 am En­de der Form­zu­stän­de des vier­ten Le­bens­zu­stan­des und nicht wie im Text am En­de der Le­bens­zu­stän­de auf­t­re­ten müß­te, Das ist aber dem Text zu­fol­ge nicht der Fall. Denn es heißt auf Sei­te 223, 24. Zei­le in be­zug auf die Zahl 666 nicht 6 Form­zu­stän­de, 6 Hauptras­sen und 6 Un­ter­ras­sen, son­dern es heißt: 6 Le­bens­rei­che, 6 Hauptras­sen und 6 Un­ter­ras­sen. Und so wird es auch auf Sei­te 226, 3. Zei­le noch ein­mal wie­der­holt. Das heißt al­so: für die Zahl 666 wer­den die Form­zu­stän­de über­gan­gen.

Die Fra­ge, ob der Text hier rich­tig oder falsch ist, muß of­fen­b­lei­ben, Ei­ne ge­wis­se Er­klär­ung gibt je­doch die nach­fol­gen­de schrift­li­che Auf­zeich­nung Ru­dolf Stei­ners vom Mai 1906. Nach die­ser tritt die Zahl 666 end­gül­tig auf im 6. Form­zu­stand des 6. Le­bens­zu­stan­des des 6. Pla­ne­ten (Ve­nus), aber auch sonst, nur eben in klei­ne­rem Maß­stab, wenn das Evo­lu­ti­ons­ver­hält­nis 666 ist, Als Bei­spiel da­für wird an­ge­führt: in der 6, Un­ter­ras­se der 6, Wur­zel­ras­se des 6. Pla­ne­ten (wo­bei mit 6. Pla­ne­ten nicht die Ve­nus, son­dern die Er­de in ei­ner be­stimm­ten Glie­de­rung ge­meint ist; ver­g­lei­che hier­zu den Text selbst). Ob­wohl auch bei die­sem Bei­spiel die Fra­ge of­fen­b­leibt, wann die drit­te Sechs ge­nau auf­tritt, so geht aus der Auf­zeich­nung doch klar her­vor, daß es sich um Aspek­te han­delt. Aus die­sem Grun­de braucht auch der Text im 11. Vor­trag nicht falsch zu sein.

H.W.

I – ANHANG-03, Zeichen und Entwicklung der drei Logoi

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

Sei­te 264

Zei­chen und Ent­wick­lung der drei Lo­goi

in der Mensch­heit

Nie­der­schrift für Edu­ard Schu­ré im Mai 1907

Die Kon­sti­tu­ti­on der Welt geht auf die Drei­heit zu­rück. Im men­sch­li­chen Evo­lu­ti­ons­sys­tem sind von der ers­ten An­la­ge des Men­sch­wer­dens bis zur voll­kom­me­nen Ent­fal­tung die­ser An­la­ge zu un­ter­schei­den:

drei Be­wußt­s­eins­zu­stän­de als die ers­te Drei­heit.

Der ers­te die­ser Be­wußt­s­eins­zu­stän­de ist ein mehr oder we­ni­ger dump­fer (schla­far­ti­ger) Be­wußt­s­eins­zu­stand, weil das «Ich» noch nicht ge­bo­ren ist. Der Mensch ist auf die­ser Stu­fe noch ein Glied ei­nes über­ge­ord­ne­ten «Ich»; er ist hell­se­hend, aber er kann die In­hal­te sei­nes Hell­se­hens nicht als die sei­ni­gen an­se­hen.

Der zwei­te Be­wußt­s­eins­zu­stand wird her­bei­ge­führt durch die Ge­burt des «Ich». Die­ser höhe­re Zu­stand wird her­bei­ge­führt da­durch, daß das Hell­se­hen ver­lo­ren geht. Das Schau­en ei­ner Au­ßen­welt be­ginnt.

Der drit­te Be­wußt­s­eins­zu­stand wird da­durch her­bei­ge­führt, daß im «Ich» das Hell­se­hen wie­der auf­tritt, so daß der Mensch selbst­be­wuß­ter Hell­se­her wird.

In der ok­kul­ten Schrift­spra­che wird be­zeich­net der ers­te Be­wußt­s­eins­zu­stand durch  d. h. es strahlt von dem Ab­so­lu­ten = das Be­wußt­sein aus, die Welt durch­flu­tend  (Kreis).

Nun hat man in je­dem die­ser drei Be­wußt­s­eins­zu­stän­de wie­der drei Un­ter­stu­fen zu un­ter­schei­den; al­so:


Die ers­te Be­wußt­s­eins­stu­fe ist ganz sub­jek­tiv, d. h. der Mensch nimmt nichts von au­ßen wahr, son­dern nur das, was die Gott­heit in ihn einpflanzt. Die­se Be­wußt­s­eins­stu­fe ar­bei­tet sich durch die obi­gen 3 Un­ter­stu­fen der ers­ten Epo­che hin­durch, da­für das Zei­chen:

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

Sei­te 265

Die drit­te Be­wußt­s­eins­stu­fe ist ganz ob­jek­tiv, d. h. der Mensch wird die gan­ze Welt als gött­lich wahr­neh­men:

Die mitt­le­re Stu­fe hat da­her das Zei­chen

Nun geht aber die ers­te Be­wußt­s­eins­stu­fe kon­ti­nu­ier­lich in die zwei­te über; eben­so die zwei­te in die drit­te; da­durch grei­fen die ent­sp­re­chen­den Un­ter­stu­fen III und IV und VI und VII in ein­an­der über, so daß fol­gen­des Bild ent­steht:


So ent­steht aus der Neun­zahl die Sie­ben­zahl.

Es wer­den nun ab­sol­viert die­se 7 Be­wußt­s­eins­stu­fen:

1* auf dem Sa­turn

2* auf der Son­ne

3* auf dem Mond

4* auf der Er­de

5* auf dem Ju­pi­ter

6* auf der Ve­nus

7* auf dem Vul­kan.

Ge­gen­wär­tig ist der Mensch in 4*. Man sieht: dem ist vor­an­ge­gan­gen 3*, das aus zwei Un­ter­stu­fen zu­sam­men­ge­f­los­sen ist, und es wird fol­gen 5*, das wie­der aus zwei Un­ter­stu­fen zu­sam­men­f­lie­ßen wird. Be­zeich­net man das rei­ne Mon­den­be­wußt­sein mit III und das rei­ne Er­den­be­wußt­sein mit V, so liegt zwi­schen bei­den et­was, was man als Mars­be­wußt­sein zu be­zeich­nen hat. Es rührt dies da­von her, daß be­vor die Er­de sich von Mond und Son­ne los­ge­ris­sen hat, sie ei­ne Be­geg­nung mit dem Mars hat­te. Ei­ne eben­sol­che Be­geg­nung fin­det statt mit Mer­kur; VI ist das Mer­kur­be­wußt­sein.

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Sei­te 266

Man neh­me nun die Sum­me der Be­wußt­s­eins­stu­fen, wel­che der Mensch bis jetzt durchlau­fen hat. Es sind V bis zum Er­den­be­wußt­sein. Da­her das Zei­chen:

Es ist ein ge­sch­los­se­nes, weil der Mensch oh­ne das Da­zu­kom­men des Mer­kur­be­wußt­seins sich in sich selbst ver­här­ten wür­de. Er kä­me, oh­ne sich dem gött­li­chen Füh­rer (Mer­kur) auf die­ser Stu­fe an­zu­ver­trau­en, in ei­ne Sack­gas­se sei­ner Ent­wi­cke­lung.

Nun hat ein je­der die­ser 7 Be­wußt­s­eins­zu­stän­de sie­ben Le­bens­zu­stän­de zu ab­sol­vie­ren. Das gibt für


Das sind 7 x 7 Le­bens­zu­stän­de durch die gan­ze men­sch­li­che Evo­lu­ti­on hin­durch:

7 x 7 = 49

Nun aber hat man sich die Sa­che so vor­zu­s­tel­len, daß wäh­rend der ers­ten Be­wußt­s­eins­zu­stän­de das, was Men­schen­keim ist, noch nicht sein ei­ge­nes Le­ben ent­fal­ten kann. Es ist da­bei noch das aus frühe­ren Evo­lu­tio­nen üb­rig ge­b­lie­be­ne Le­ben, das lang­sam ab­flu­tet und durch das rein men­sch­li­che Le­ben er­setzt wird. Dies ist im Sin­ne des fol­gen­den Bil­des:


wo das vor­men­sch­li­che Le­ben ganz über­wun­den und das rein men­sch­li­che Le­ben das der Men­schen-Evo­lu­ti­on wird.

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

Sei­te 267

Es gibt al­so in der men­sch­li­chen Evo­lu­ti­on ei­nen Punkt, wo inn­er­halb des gan­zen pla­ne­ta­ri­schen Sys­tems das ei­ge­ne Le­ben die­ses Sys­tems an die Stel­le al­les von ei­nem frühe­ren Sys­tem tritt. Die­ser Punkt ist in der Ge­schich­te die Er­schei­nung

C h r i s t i .

Sie be­zeich­net in die­ser Be­zie­hung die Mit­te der Mensch­heit­se­vo­lu­ti­on.

Die Le­bens­zu­stän­de ver­lau­fen nun wie­der in Form­zu­stän­den; je­der der 49 Le­bens­zu­stän­de hat sie­ben Form­zu­stän­de durch­zu­ma­chen, das sind für die gan­ze Evo­lu­ti­on

49 x 7 = 343 Stu­fen = 7 x 7 x 7.

Aber auch die Form­zu­stän­de sind nicht vom An­fan­ge an die ei­gen-men­sch­li­chen. Es sind die von ei­nem frühe­ren Sys­tem her­über­ge­brach­ten. Al­les, was sich auf sol­che von ei­nem frühe­ren Sys­tem stam­men­den Form­zu­stän­de be­zieht, be­zeich­net man als Ma­kro­kos­mos.

Die Form­zu­stän­de, wel­che der Mensch selbst schafft, bil­den den Mi­kro­kos­mos. Von ei­nem Mi­kro­kos­mos kann man erst sp­re­chen, wenn der Men­schen­geist form­schaf­fend wird, wie vor­her der gött­li­che Geist (Welt­geist) form­schaf­fend war.

Der Über­gang ist die Welt­see­le der gött­li­che Geist, der lang­sam sich in­di­vi­dua­li­siert.

Es er­gibt sich nun fol­gen­de Über­sicht der Evo­lu­ti­on, wenn man noch be­denkt, daß

der 1. Lo­gos sich im Men­schen of­fen­bart als At­ma,

der 2. Lo­gos sich im Men­schen of­fen­bart als Budhi,

der 3. Lo­gos sich im Men­schen of­fen­bart als Ma­nas.

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

Sei­te 268


Wenn von die­sen 343 = 7 x 7 x 7 Stu­fen 666 = 6 x 6 x 6 = 216 ver­gan­gen sein wer­den, al­so nach 5 Pla­ne­ten (Sa­turn, Son­ne, Mond, Er­de, Ju­pi­ter) in der Ve­nus,

wenn in die­ser wie­der 5 Le­bens­zu­stän­de ver­f­los­sen sind, al­so im 6. Le­bens­zu­stand der Ve­nus

und im 6. Form­zu­stand die­ses 6. Le­bens­zu­stan­des, dann wird al­les aus­ge­son­dert sein von der Er­de­ne­vo­lu­ti­on, was nicht zur Voll­kom­men­heit kom­men kann; die Zahl 666 = 216 ist da­her die kri­ti­sche Zahl der Evo­lu­ti­on (Apo­ka­lyp­se).

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

Sei­te 269

Ein kri­ti­scher Zu­stand tritt aber (wenn auch ein klei­ne­rer als im be­zeich­ne­ten Zeit­punk­te) auch sonst ein, wenn das Evo­lu­ti­ons­ver­hält­nis 666 ist, z. B.

in der 6. Un­ter­ras­se der 6. Wur­zel­ras­se des 6. Pla­ne­ten, wo­bei Mars und Mer­kur mit­ge­rech­net wer­den, al­so fol­gen­der Zy­k­lus ent­steht:

1. Sa­turn

2. Son­ne

3. Mond

4. Mars

5. Er­de

6. Mer­kur die­ser Ein­fluß ist dann in der nächs­ten

6. Un­ter­ras­se schon ein gro­ßer.

Die Mensch­heit wird al­so dann schon an ei­nen kri­ti­schen Punkt ih­rer Ent­wi­cke­lung kom­men.

I – ANHANG-04, Korrekturen

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

Sei­te 270

Kor­rek­tu­ren

für die 6. Aufla­ge 1979 ge­gen­über der 5. Aufla­ge 1952

Aus dem auf Sei­te 259 be­schrie­be­nen Text­ver­g­leich mit den ori­gi­nal-Un­ter­la­gen er­ga­ben

sich die hier nach­ge­wie­se­nen Än­de­run­gen. In ecki­gen Klam­mern ste­hen­de Ein­fü­gun­gen

im Buch­text stam­men vom Her­aus­ge­ber und wer­den im fol­gen­den nicht be­rück­sich­tigt.

Sei­te: Zei­le:
21 4 v.o. «eben­so­we­nig wie Sie ei­nes Be­wei­ses be­dür­fen» statt früh­er «kei­nes Be­wei­ses».
28 7 v.o. «Das Ich ist et­was Ver­gäng­li­ches», das Wort «Ich» fehl­te früh­er.

 Sinn­ge­mä­ße Er­gän­zung.

64 1 v.u. «zwei­te Bild» statt «ers­te Bild». Kor­rek­tur ge­mäß Nach­schrift.
102 1 v.o. «rächest nicht un­ser Blut», Ein­fü­gung von «nichts» ge­mäß Nach­schrift.
115 5 v.o. «sich ent­wi­ckeln­den» statt «zu­rück­ge­b­lie­be­nen». Sinn­ge­mä­ße Kor­rek­tur. In der Nach­schrift lü­cken­haft.
177 18 v.o. «nur däm­mer­haft be­wußt» statt «däm­mer­haft be­wußt, nur an ». Sinn­ge­mä­ße Um­stel­lung des Wört­chens «nur».
185 4 v.o. «bei der Ver­klär­ung nach der christ­li­chen Tra­di­ti­on». Sinn­ge­mä­ße Ein­fü­gung von «nach».
185 6 v.o. «Er­den­ent­wi­cke­lung so, daß die Son­ne», statt früh­er: «Er­den­ent­wi­cke­lung: die Son­ne». Kor­rek­tur ge­mäß Nach­schrift.
212 16/17 v.o. «Haupt­men­schen­köp­fe, und da­zu je zwei Hör­ner, die wie Schat­ten ne­ben ih­nen sind», statt früh­er: «Haupt­men­schen­köp­fe, und da­zwi­schen zwei, die wie Schat­ten ne­ben ihm sind». Sinn­ge­mä­ße Kor­rek­tur.
218 11 v.u. «Vor­stel­lung» statt früh­er «Dar­stel­lung». Kor­rek­tur ge­mäß Nach­schrift.
219 10-12 v.o. «daß 171 noch zu­künf­ti­ge Form­zu­stän­de zu den be­reits ver­f­los­se­nen hin­zu­ge­zählt wer­den müs­sen, dann ha­ben Sie 342, ein wei­te­rer da­zu, der ge­gen­wär­ti­ge, gibt al­le 343». Die her­vor­ge­ho­be­nen­Wor­te wur­den ge­mäß Nach­schrift ein­ge­fügt.
220 2 v.o. «die gro­ßen Haupt­zu­stän­de, Form­zu­stän­de», Ein­fü­gung von «Form­zu­stän­de» ge­mäß Nach­schrift.
222 16 v.u. «Von die­sem 172. Zu­stand» statt früh­er «Vor die­sem ». Sinn­ge­mä­ße Kor­rek­tur.
222 14 v.u. «Der 172. Zu­stand ist der phy­si­sche Form­zu­stand, die Er­de selbst». Ein­fü­gung von «der phy­si­sche Form­zu­stand» ge­mäß Nach­schrift.
222 12 v.u. «al­so zu­nächst» statt früh­er «aber zu­nächst». Sinn­ge­mä­ße Kor­rek­tur.
223 2. v.u. «wel­che nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le durch die sie­ben Sie­gel be­zeich­net ist, wenn wir an­ge­langt sein wer­den » statt früh­er «wel­che durch die sie­ben Sie­gel be­zeich­net ist, wenn wir an­ge­langt sein wer­den beim gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le». Sinn­ge­mä­ße Kor­rek­tur.
224 19/20 v.o. «neh­men die Men­schen schon nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le, in
GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

 Sei­te 271

dem Zei­tal­ter [der Po­sau­nen]» statt früh­er: «neh­men die Men­schen schon in dem Zei­tal­ter nach dem gro­ßen Krie­ge al­ler ge­gen al­le, wenn die sie­ben­te Po­sau­ne er­k­lingt». Sinn­ge­mä­ße Um­stel­lung.
225 20 v.o. «in un­se­rem sechs­ten Zei­traum» statt früh­er «im sechs­ten Zei­traum». Kor­rek­tur ge­mäß Nach­schrift.
230 3 v.u «brauch­te» statt früh­er «braucht». Kor­rek­tur ge­mäß Nach­schrift.
H. W.
* *

 *

37 15 v.u. Re­dak­tio­nel­ler Hin­weis:

Der nach­ste­hend kur­siv ge­setz­te, ein­ge­scho­be­ne Text­ab­satz aus dem ERS­TEN VOR­TRAG vom 18. Ju­ni 1908 fand sich in ei­ner «deutsch-rus­si­schen On­li­ne-Aus­ga­be» und wur­de vom Ru­dolf-Stei­ner-Ver­lag Dor­nach of­fen­bar ab der 4. Aufla­ge 1954 er­satz- und kom­men­tar­los ge­s­tri­chen. Wir zi­tie­ren hier je­weils noch ei­nen Ab­satz da­vor und da­nach:

« Und wie hier die­ses Er­eig­nis der Ge­schich­te, so wird uns al­les, was uns im Le­ben ent­ge­gen­tritt, Gro­ßes und Klei­nes, ver­tieft und mit ei­nem neu­en Licht durch­strahlt durch die an­thro­po­so­phi­sche Ge­sin­nung, die sich da­rin be­kun­det, daß man in al­lem phy­sisch Wahr­nehm­ba­ren den phy­siog­no­mi­schen Aus­druck ei­nes Über­sinn­lich-Geis­ti­gen er­blickt.»
«Und es ist mißv­er­stan­den wor­den in den ver­schie­dens­ten Zei­ten im­mer in dem Sin­ne, in dem Sti­le, wie die­se ver­schie­de­nen Zei­ten ge­dacht und ge­son­nen ha­ben. Mißv­er­stan­den ist es wor­den von den Zei­ten, die, man darf sa­gen, spi­ri­tu­ell-ma­te­ria­lis­tisch ge­dacht ha­ben,

 von den Zei­ten, die gro­ße Re­li­gi­ons­strö­mun­gen hin­ein­ge­zwängt ha­ben in ein­sei­ti­ges fa­na­ti­sches Par­tei­ge­trie­be, und es ist mißv­er­stan­den wor­den in der neue­ren Zeit von den­je­ni­gen, wel­che im gro­ben, im sinn­lichs­ten Ma­te­ria­lis­mus glaub­ten die Rät­sel der Welt lö­sen zu kön­nen.»

Daß es sich so ver­hält, die­se Über­zeu­gung mö­ge uns durch­drin­gen ge­ra­de wäh­rend die­ses Kur­sus. Und aus solch ei­ner Über­zeu­gung her­aus mag der Geist, mö­gen die Ge­füh­le strö­men, die wäh­rend der zwölf apo­ka­lyp­ti­schen Vor­trä­ge in un­se­re See­le flie­ßen, die un­se­re Her­zen durch­drin­gen sol­len. Inn­er­halb die­ser Ge­sin­nung wol­len wir an die­sen Kur­sus her­an­t­re­ten, der das tiefs­tes Do­ku­ment des Chris­ten­tums, die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes, zum An­knüp­fungs­punk­te nimmt, weil an die­ses Do­ku­ment die tiefs­ten Wahr­hei­ten des Chris­ten­tums wir­k­lich zwang­los an­ge­sch­los­sen wer­den kön­nen.
(http://www.an­thro­po­so­phie.net/ru/Apo­ka­lyp­seRD.htm)

I – ANHANG-05, Ausführliche Inhaltsangaben von Marie Steiner

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

Sei­te 272

In­halt­s­an­ga­ben

von Ma­rie Stei­ner zur ers­ten Buch­aus­ga­be der Vor­trä­ge

ÖF­F­ENT­LI­CHER VOR­TRAG, Nürn­berg, 17. Ju­ni 1908 11
Geis­tes­wis­sen­schaft, Evan­ge­li­um und Mensch­heits­zu­kunft. Die

 vor­re­li­giö­se Zeit, die My­tho­lo­gi­en, der re­li­giö­se Zu­stand. Die

 ver­schie­de­nen Be­wußt­s­einse­tap­pen und das Ich-Bin.

ERS­TER VOR­TRAG, Nürn­ber, 18. Ju­ni 1908 34
Cha­rak­te­ri­sie­rung des Geis­tes der Apo­ka­lyp­se im All­ge­mei­nen.

 Was geht inn­er­halb der Ein­wei­hung vor und wie ver­hält sich Ein­wei­hung

 zu dem We­sen der Apo­ka­lyp­se?

ZWEI­TER VOR­TRAG, 19. Ju­ni 1908 51
Ei­ni­ges über das We­sen der Ein­wei­hung durch Schu­lung der

 Denk­kräf­te (vor­christ­li­che Zeit), der Ge­müts­kräf­te (christ­li­che

 Zeit) und der Wil­lens­kul­tur in den ro­sen­k­reu­ze­ri­schen Schu­lun­gen.

 Sym­bo­li­sche Dar­stel­lun­gen für die spe­zi­fisch-christ­li­che

 und christ­lich-ro­sen­k­reu­ze­ri­sche Ein­wei­hung.

DRIT­TER VOR­TRAG, 20. Ju­ni 1908
Was ist der­Mensch? und wo­zu ist er be­stimmt in un­se­rem Zei­tal­ter?

 Stu­fen wei­ses Hin­auf­ge­hen in die ima­gi­na­ti­ve, in­spi­rier­te

 und in­tui­ti­ve Er­kennt­nis. Der in­ne­re Fort­gang der sie­ben nachat­lan­ti­schen

 Kul­tu­ren drückt sich aus in den sie­ben Sie­geln, sie­ben

 Po­sau­nen, sie­ben Zor­nes scha­len. Die sie­ben Ge­mein­den sind

 die Re­prä­sen­t­an­ten der sie­ben nachat­lan­ti­schen Kul­tu­re­po­chen;

 an je­de rich­tet der Apo­ka­lyp­ti­ker ein Send­sch­rei­ben, in wel­chem

 er sagt, was bei­be­hal­ten wer­den kann vo­mAl­ten und was an­ders

 wer­den soll.

VIER­TER VOR­TRAG, 21. Ju­ni 1908 87
Was die sie­ben Zei­träu­me der nachat­lan­ti­schen Kul­tur in die See­len

 her­ein­ge­legt und ver­sie­gelt ha­ben, wird hin­über­le­ben in die

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

 Sei­te 273

sie­ben Zei­träu­me der Zu­kunft. Sie­ben Mal wer­den die See­len

 ent­sie­gelt wer­den; sie­ben Sie­gel müs­sen ge­löst wer­den aus dem

 Buch. In die­sem Buch, das her­ein­ge­schrie­ben ist in die See­len

 der Men­schen, wer­den die Ein­tra­gun­gen der Kul­tur­zei­träu­me

 drin­nen ste­hen. Was nicht zur Uns­terb­lich­keit ge­eig­net ist und

 ab­fällt, was sich in un­se­ren Zei­ten neu vor­be­rei­tet hat, kommt

 her­aus, und wird durch das Sym­bo­lum an­ge­deu­tet, das der In­tel­li­genz

 ent­spricht: es ist das Pferd. Der Ruf des Ich-Bin über­win­det

 den Tod. Sym­bo­li­sches Er­schei­nen de­rer, de­nen wei­ße Klei­der

 ge­ge­ben wer­den. Sym­bo­li­sche Er­fül­lung des­sen, was das

 äu­ße­re Le­ben gibt im Ver­schwin­den und der Um­wand­lung von

 Son­ne und Mond, Spi­ri­tua­li­sie­rung der Mensch­heit.

FÜNF­TER VOR­TRAG, 22. Ju­ni 1908 104
Zwi­schen­be­trach­tung. Die vier Zu­stän­de un­se­res pla­ne­ta­ri­schen

 Da­seins. Die Apo­ka­lyp­se stellt dar, wie durch die christ­li­che Ein­wei­hung

 die Zu­kunft der Mensch­heit zur Ent­hül­lung kommt

 durch das­Her­au­s­t­re­ten des­sen, was sich in der Ver­gan­gen­heit in

 den See­len vor­be­rei­tet hat. In der Mit­te der Er­den­ent­wick­lung

 wird der Mensch erst Mensch. Al­le an­dern We­sen, die bis da­hin

 die Mensch­heits­stu­fen ha­ben durch­ma­chen kön­nen, sind über

 ihn hin­aus­ge­schrit­ten, kön­nen des­halb sei­ne Ent­wick­lung lei­ten;

 die sind die Re­gu­la­to­ren der Zeit, die 24 Äl­tes­ten. Von den

 zu­rück­ge­b­lie­be­nen We­sen­hei­ten stammt die An­la­ge zu dem

 Tier-, Pflan­zen- und Men­schen­reich. Das glä­s­er­ne Meer deu­tet

 an das Her­vor­schie­ßen des Mi­ne­ral­reichs in sei­ner ers­ten Ge­stalt.

 Von da an zeigt uns der Apo­ka­lyp­ti­ker die Bil­der zu­künf­ti­ger

 Ent­wick­lungs­stu­fen.

SECHS­TER VOR­TRAG, 23. Ju­ni 1908 118
Fort­set­zung der Zwi­schen­be­trach­tung. Mit dem Wel­ten-Ur­ne­bel,

 von wel­chem der Ok­kul­tis­mus spricht, wa­ren die 24 Ka­te­go­ri­en

 von We­sen ver­bun­den, wel­che die Men­schen­stu­fe durch­ge­macht

 hat­ten, und auch an­de­re We­sen­hei­ten. Von je­nen ho­hen

 We­sen, die mit der Son­ne her­aus­gin­gen, den sie­ben Elo­him, son­der­te

 sich Jah­ve her­aus. Er blieb mit der Er­de ver­bun­den. In die

 erst geis­ti­ge men­sch­li­che Ge­stalt ha­ben sich erst nach und nach

 die fes­ten Tei­le ein­ge­g­lie­dert. Noch der al­te At­lan­tier war ganz

 an­ders ge­stal­tet und hat­te ein ganz an­de­res See­len­le­ben. Erst als

 die Ver­dich­tung der­Was­ser zur Über­flu­tung ge­führt und der Re­gen­bo­gen

 her­aus­ge­t­re­ten war, lern­te der Mensch Ich zu sich sa­gen.

 Früh­er war er in der Geis­tig­keit der Grup­pen­see­le ge­bor­gen;

 jetzt lern­te er den Gott in sich selbst füh­len; Jah­ve war der

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

 Sei­te 274

Ich-Lei­ter. Das war das ers­te Auf­däm­mern der In­di­vi­dua­li­tät. Es

 hat sich der Mensch durch die geis­ti­ge Ver­fins­te­rung sein Selbst­be­wußt­sein

 er­kauft. Durch drei Kul­tur­zei­träu­me bis in den vier­ten

 hin­ein voll­zog sich die­se Ent­wick­lung. Dann wur­de die Er­de

 von ei­ner neu­en Kraft durch­strömt, ih­re gan­ze Au­ra än­der­te sich

 durch das Blut, das auf Gol­ga­tha floß. Das Chris­tus-Prin­zip

 hat­te sich mit der Er­de ver­bun­den.

SIE­BEN­TER VOR­TRAG, 24. Ju­ni 1908 137
In ei­nem ve­r­än­der­ten Zu­stand ist aber die Zu­kunft ei­ne Wie­der­ho­lung

 der Ver­gan­gen­heit: das frühe­re däm­mer­haf­te Hell­se­hen

 wird sich zu dem er­wor­be­nen hel­len Selbst­be­wußt­sein hin­zu­fü­gen.

 Durch das He­r­ein­t­re­ten des Chris­tus in die Welt ist der

 Mensch be­wahrt wor­den vor dem Hin­un­ter­sin­ken in ei­ne Art

 Ab­grund. Jetzt steht er vor ei­ner Ent­schei­dung. In ge­wis­ser Wei­se

 ist er schon in den Ab­grund hin­un­ter­ge­s­tie­gen; über­läßt er

 sich dem Hin­ab­sin­ken, dann wird die Per­sön­lich­keit nicht ge­ret­tet,

 um in die geis­ti­gen Wel­ten hin­auf­zu­s­tei­gen. In dem Ma­ße als

 sich im Men­schen das Ver­ständ­nis für den Chris­tus-Im­puls ent­wi­ckelt

 und zum ei­ge­nen Im­puls wird, wird die Mensch­heit auf­wärts

 stei­gen. Nach und nach tau­chen die­je­ni­gen in den Ab­grund

 hin­ein, die sich das Ich in Form des Ego­is­mus er­obert

 ha­ben, aber nicht im­stan­de sind, sich zum Geist zu er­he­ben, der

 ih­nen das Men­schen­ant­litz ge­ge­ben hat. Die­se wer­den Tier-ähn­lich,

 die bö­se Ras­se: nach der Ent­sie­ge­lung wird der Mensch das

 im Ant­litz ha­ben, was er im Her­zen trägt. Bei den Er­lös­ten wird

 sich das Mal­zei­chen, der Na­me des Chris­tus im Ant­litz aus­drük­ken.

 Wir bli­cken auf die Ver­gan­gen­heit als die gro­ße Schu­le der

 Lie­be und ih­rer zwei Kräf­te; sie führt den St­re­ben­den zu Chris­tus

 dem wah­ren Licht­trä­ger. Die Ket­te Noah und der geis­ti­ge

 Adam. Bei der Ent­hül­lung der vier Sie­gel er­scheint vier­mal nach­ein­an­der

 das Pferd, Sym­bol der blo­ßen In­tel­li­genz. Bei der fünf­ten

 Ent­sie­ge­lung er­schei­nen in wei­ßen Klei­dern die­je­ni­gen, die

 auf­be­wahrt wor­den sind für die Ver­geis­ti­gung, die den Ruf der

 Er­den­mis­si­on ver­ste­hen und da sein wer­den, wenn die Skla­ven

 der Per­sön­lich­keit in den Ab­grund ver­sin­ken. Der sechs­te Kul­tur­zei­traum

 wird den zur In­tel­li­genz ent­ge­gen­ge­setz­ten Pol

 brin­gen in dem Häuf­lein aus al­len Na­tio­nen, das die Bru­der­schaft

 dar­le­ben wird im Sin­ne der Ge­mein­de von Phi­la­del­phia.

ACH­TER VOR­TRAG, 25. Ju­ni 1908 156
Die Ur­sa­che des sich vor­be­rei­ten­den Krie­ges al­ler ge­gen al­le ist

 das Über­hand­neh­men des Ego­is­mus, der Ich­sucht der Men-

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

 Sei­te 275

schen. Die zwei Sei­ten des Ich. In ihm liegt die Ur­sa­che der Ver­här­tung,

 wenn es die Lie­be nicht fin­det, es ist der Ver­füh­rer, der

 in den Ab­grund stürzt. Es ist aber Un­terp­fand des höchs­ten Zie­les

 der Men­schen. Des­halb ist Sym­bol für das Ich­be­wußt­sein in

 der Apo­ka­lyp­se: das schar­fe zwei­schnei­di­ge Schwert im Mun­de

 des Mensch­heils­re­prä­sen­t­an­ten. Das Bö­se ist im Sc­höp­fungs­plan

 be­grün­det, da­mit durch es ein­mal das gro­ße Gu­te da sei. Es

 ist das Ma­nichäer-Prin­zip. Die Ent­sie­ge­lung der sie­ben Sie­gel

 gibt an den Cha­rak­ter der sie­ben Stam­mes­kul­tu­ren, die sich nach

 dem gro­ßen Krie­ge bil­den wer­den: der Ein­ge­weih­te schaut sie in

 der Sym­bo­lik der as­tra­li­schen­Welt.Wenn je­ne Kul­tur ab­ge­lau­fen

 sein wird, be­ginnt ei­ne neue Pe­rio­de, die sym­bo­li­siert wird durch

 die sie­ben Po­sau­n­en­klän­ge: sie nimmt der Mensch wahr von der

 ei­gent­li­chen geis­ti­gen Welt aus, wo die Sphä­ren klän­ge er­tö­nen.

 Im himm­li­schen Reich er­k­lingt der Ge­dan­ke. Die­ses himm­li­sche

 Reich wird im sie­ben­ten Zei­traum her­un­ter­ge­s­tie­gen sein bis in

 die phy­si­sche­Welt, wie die as­tra­li­sche im sechs­ten Zei­traum. Die

 Er­de ver­wan­delt sich in ei­nen as­tra­li­schen Him­mels­kör­per; ei­ne

 ma­te­ri­el­le Ku­gel wird aus­ge­schie­den mit den We­sen, die für den

 Auf­s­tieg un­brauch­bar sind. Das Hin­aus­sto­ßen der Ma­te­rie wird

 in der Apo­ka­lyp­se an­ge­deu­tet durch das Aus­gie­ßen der sie­ben

 gött­li­chen Zor­nes scha­len. Die Auf­nah­me des Höchs­ten, was

 der Mensch auf­neh­men kann, die in den Evan­ge­li­en ent­hal­te­ne

 Bot­schaft der Lie­be, muß nicht nur den Ver­stand, muß das In­ners­te

 des Men­schen durch­drin­gen: die­ses Buch wird vom Men­schen

 ver­sch­lun­gen. Die Mars­kräf­te und Mer­kur­kräf­te, sym­bo­li­siert

 in den zwei Säu­len, sind die Erb­schaft der Ver­gan­gen­heit,

 nun durch­drun­gen von der Kraft der Lie­be, ent­hal­ten im Buch.

NE­UN­TER VOR­TRAG, 26. Ju­ni 1908 174
Ent­ste­hung ei­ner as­tra­li­schen Er­de nach den sie­ben Po­sau­n­en­stö­ß­en

 mit den­We­sen, die zu ihr ge­hö­ren. Zwi­schen­be­trach­tung

 über die Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten des Men­schen. Das zu­nächst

 un­be­wuß­te Ar­bei­ten des Ich am as­tra­li­schen, äthe­ri­schen

 und phy­si­schen Lei­be. Zu­letzt wird ein mehr oder we­ni­ger

 selbst­be­wuß­tes Ich aus der Grup­pen­see­len­haf­tig­keit her­aus­ge­ar­bei­tet,

 das mit der Er­schei­nung des Chris­tus den Im­puls der völ­li­gen

 In­di­vi­dua­li­tät er­langt. Heu­te ist der An­fang von Geist­selbst

 da. Wenn die sie­ben­te Po­sau­ne er­k­lingt, wird der Mensch das

 Phy­si­sche an sei­nem We­sen auflö­sen und als äthe­ri­sches We­sen

 hin­über­le­ben in die as­tra­lisch ge­wor­de­ne Er­de. - Rück­blick auf

 den ers­ten Adam und den ver­wes­li­chen Leib.Der un­ver­wes­li­che

 Leib des letz­ten Adam trägt die Chris­tus-Auf­nah­me­fähig­keit im

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

 Sei­te 276

Ant­litz: es ist das Mys­te­ri­um der Men­sch­wer­dung. - Blick auf die

 al­te Er­de als ein von re­gel­mä­ß­i­gen Strö­mun­gen durch­zo­ge­ner

 Or­ga­nis­mus, aus dem der an­fäng­li­che Mensch her­aus­ge­bo­ren

 wur­de wie ei­ne Stel­le, wel­che sich von der Er­de ab­hob, aber doch

 an zahl­rei­chen Fä­den mit ihr zu­sam­men­hing. Adam heißt Er­den­sohn.

 In der al­ten Er­de war al­les vor­ge­bil­det: Blut­bah­nen, Ner­ven­bah­nen,

 al­le Or­ga­ne. Heu­te ar­bei­tet der Mensch an sei­ner

 See­le und wird sei­nen Leib zum Ab­bild der See­le ma­chen, die

 den Chris­tus in sich auf­ge­nom­men hat; er wird sei­ne so ge­bil­de­ten

 Kräf­te der nächs­ten Ver­kör­pe­rung un­se­rer Er­de einpflan­zen,

 dem Ju­pi­ter, aus wel­chem die Ju­pi­ter­we­sen einst her­aus­ge­bo­ren

 wer­den. Der Leib ist in Wahr­heit der Tem­pel der im

 In­nern be­find­li­chen Ich­heit. Wird er rich­tig aus­ge­stal­tet, so wird

 der Ju­pi­ter nach den rich­ti­gen Ma­ßen ge­baut. Inn­er­halb die­ses

 geis­ti­gen Zu­stan­des der Er­de er­scheint wie­der, was früh­er da

 war. Elias und Mo­ses, die geis­ti­gen Ver­t­re­ter des­sen, was wir in

 den zwei Säu­len ge­se­hen ha­ben. Nach­dem der Mensch sich ver­geis­tigt

 hat, die Er­de die rich­ti­gen Ma­ße der Ent­wick­lung durch­ge­macht

 hat, ist er reif, sich mit den Kräf­te­ver­hält­nis­sen wie­der

 zu ve­r­ei­ni­gen, die auf der Son­ne sind. Als Über­win­der des Mon­des

 ve­r­ei­nigt er sich mit der Son­ne: der bild­li­che Aus­druck da­für

 ist das Weib, das die Son­ne in sich trägt und den Mond zu Fü­ß­en

 hat. Der nicht vom Chris­tu­s­prin­zip im­präg­nier­te her­aus­ge­fal­le­ne

 Teil der Mensch­heit hat ei­ne Art Ne­ben­pla­ne­ten ge­bil­det:

 Es er­schei­nen da die vier Ty­pen der Grup­pen­see­le in ih­ren Tier­ge­stal­ten

 und noch drei an­de­re. Was im Fleisch ge­b­lie­ben ist,

 wird auf der Ne­be­n­er­de dar­ge­s­tellt durch das Tier mit sie­ben

 Köp­fen. Jetzt sind sie die sie­ben Wi­der­sa­cher. Was vom Äthe­ri­schen

 aus im Men­schen ver­an­lagt ist, nennt man im Ok­kul­tis­mus

 Kopf; was phy­sisch be­wußt wird durch ein Glied des Äther­lei­bes,

 nennt man Horn.

ZEHN­TER VOR­TRAG, 27. Ju­ni 1908 191
Der Grun­driß der­Welt­ent­wick­lung ver­läuft in Zah­len­ver­hält­nis­sen;

 die Sie­ben­zahl be­herrscht al­le Tei­le der Welt­ent­wick­lung.

 Sie­ben Zu­stän­de der pla­ne­ta­ri­schen Ver­kör­pe­run­gen fal­len zu­sam­men

 mit der Ent­wick­lung des men­sch­li­chen Be­wußt­seins.

 Um­wand­lung der vier durch­ge­mach­ten Be­wußt­s­eins­zu­stän­de in

 die drei künf­ti­gen: be­wuß­tes Bil­der-Be­wußt­sein = Ju­pi­ter; in­spi­rier­tes,

 wo je­de We­sen­heit wie ein Ton­ge­bil­de er­scheint des­sen,

 was früh­er as­tra­li­sches Bild war, das ver­k­lingt jetzt; in­tui­ti­ves Be­wußt­sein,

 wo die See­le in­di­vi­du­ell bleibt und doch in al­len Din­gen

 und We­sen­hei­ten drin­nen steckt. Je­de die­ser Stu­fen hat sie-

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

 Sei­te 277

ben Le­bens­stu­fen, die zu­sam­men­fal­len mit den sie­ben Rei­chen.

 Das den sie­ben Rei­chen der Er­de Ana­lo­ge sind auf den vor­an­ge­gan­ge­nen

 Pla­ne­ten die Ele­men­tar­rei­che, die in un­se­re Welt hin­ein

 ver­schwun­den sind. Ganz ge­hört der Mensch nur dem Mi­ne­ral­reich

 an, weil er nur die­ses be­g­rei­fen kann. Die an­dern Rei­che

 sind Vor­stu­fen des­sen, was der Mensch einst er­le­ben wird; sie

 sind Vor­bil­der, Hin­wei­se auf ein künf­ti­ges Reich, in wel­chem der

 Mensch einst sein wird. Auf dem Ju­pi­ter wird es et­was den sie­ben

 Erd­rei­chen noch Ähn­li­ches ge­ben, auf Ve­nus und Vul­kan

 paßt der Be­griff Reich nicht mehr. Die Le­bens­stu­fen müs­sen

 wie­der sie­ben Form­stu­fen durchlau­fen; der phy­si­sche ist der

 mitt­le­re. Er löst sich auf und geht dann wie­der zu­rück zu ei­nem

 voll­kom­me­nen As­tra­li­schen und nie­de­ren und höhe­ren De­vacha­ni­schen.

 Von die­sem Ge­dan­ken­sche­ma müs­sen wir auf­s­tei­gen

 zum le­ben­di­gen Auf­bau mit Hil­fe von Bil­dern, die im As­tra­li­schen

 zu se­hen sind. Die­se ent­sprin­gen nicht dem

 Ge­hirn­den­ken, son­dern die Tat­sa­chen ge­ben sie hell­se­he­risch.

 Auch die Form­zu­stän­de ge­hen durch sie­ben Stu­fen durch und

 er­ge­ben die Ras­sen- oder Kul­tur­zu­stän­de. Wir le­ben im fünf­ten;

 der sechs­te wird in der Apo­ka­lyp­se an­ge­deu­tet durch die sie­ben

 Sie­gel; der sie­ben­te durch die sie­ben Po­sau­nen. Dann geht das

 Phy­si­sche in das As­tra­li­sche über. Durch vier tie­ri­sche Grup­pen­see­len

 muß­te der Mensch hin­durch­ge­hen bis er das In­di­vi­dual­be­wußt­sein

 er­lang­te, und bil­de­te da­bei vier­er­lei Kör­per­g­lie­der

 aus: vier Köp­fe, ent­sp­re­chend den vier Kör­per­tei­len; die

 Hör­ner Ver­di­ckun­gen der äthe­ri­schen Kraft­sys­te­me. Seit­dem

 der Ich­mensch das Chris­tu­s­prin­zip auf­nimmt, wer­den kei­ne

 Tier­köp­fe mehr aus­ge­bil­det. Der Mensch ist men­sche­n­ähn­lich

 ge­wor­den und er­scheint in wei­ßen Klei­dern. Ver­nich­tet wer­den

 die sie­ben Köp­fe und zehn Hör­ner, die von der at­lan­ti­schen Zeit

 über­nom­men sind. Wer den Chris­tus von sich stößt, wür­de die

 al­te Ge­stalt zur Er­schei­nung brin­gen: das Tier mit den sie­ben

 Köp­fen und zehn Hör­nern, wie zur Zeit der Sie­gel, so jetzt in der

 Zeit, wo die Zor­nes scha­len aus­ge­gos­sen wer­den und die Er­de

 sich in zwei Tei­le spal­tet.

ELF­TER VOR­TRAG, 29. Ju­ni 1908 214
Nach der Zeit, wel­che durch die Po­sau­n­en­klän­ge an­ge­deu­tet ist,

 ver­geis­tigt sich die Er­de. Rück­blick auf die Form­zu­stän­de und

 die Zahl der Ent­wick­lung. Jetzt ist die­se für uns 344. Ein­mal in

 der Zu­kunft wird die Zahl 666 gel­ten; die­se Zu­kunft ist vor­be­rei­tet

 in un­se­rer Zeit. Die Zeit der sie­ben Po­sau­n­en­klän­ge wird

 Men­schen se­hen, die tief in das Bö­se hin­ein­s­tei­gen. Und wenn

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

 Sei­te 278

je­ne ur­fer­ne Zu­kunft kom­men wird, die nicht durch 466, son­dern

 durch 666 an­ge­deu­tet wird, wer­den sie die­se An­la­ge nicht

 mehr um­wan­deln kön­nen. Das geg­ne­ri­sche Prin­zip der Chris­tus-

 Son­nen­we­sen­heit oder des Lam­mes ist der Son­nen­dä­mon:

 So­rat, das Prin­zip, das den Men­schen zur völ­li­gen Ver­här­tung

 führt. Im Blend­werk der Zahl liegt ein Zei­chen des Chris­tus­geg­ners.

 Der Mißbrauch der spi­ri­tu­el­len Kräf­te, die schwar­ze Ma­gie

 ist das Ver­füh­rungs­mit­tel des zwei­hör­ni­gen Tie­res. Die Ver­här­tung

 der Ma­te­rie wird dem Apo­ka­lyp­ti­ker zur An­schau­ung ge­bracht

 in der gro­ßen Ba­by­lon. Auf der an­dern Sei­te ste­hen die­je­ni­gen,

 die sich ve­r­ei­ni­gen mit dem Prin­zip des Lam­mes und die

 gro­ßen Um­ris­se be­rei­ten zu dem, was der Ju­pi­ter wer­den soll:

 das neue Je­ru­sa­lem. Die Kraft, durch wel­che der Son­nen­ge­ni­us

 das zwei­hör­ni­ge Tier, den gro­ßen Dra­chen über­win­det, sie wird

 in der christ­lich-ro­sen­k­reu­ze­ri­schen Eso­te­rik ge­nannt: der An­blick

 des Son­nen­ge­ni­us, des Mi­cha­el, der die Schlüs­sel hat und

 den Dra­chen ge­fes­selt hält.

ZWÖLF­TER VOR­TRAG, 30. Ju­ni 1908 234
Durch das Hin­ein­ge­s­tellt­sein in den Ab­grund des Bö­sen ist für

 den Men­schen erst er­reich­bar Frei­heit und Lie­be. Das So­rat­prin­zip

 stammt aus an­dern Wel­ten­pe­rio­den, muß sich mit den Ab­fäl­len

 begnü­gen, mit je­nen, die auf der Er­de in der Ma­te­rie ste­cken

 ge­b­lie­ben sind. Das wer­den des So­rats Heer­scha­ren sein. Was

 sind für den Apo­ka­lyp­ti­ker die Be­grif­fe «ers­ter» und «zwei­ter»

 Tod? Der hell­se­he­ri­sche Ju­pi­ter­mensch wird mit sei­nem Be­wußt­sein

 in an­de­ren mo­ra­li­schen Ver­hält­nis­sen le­ben. Der

 schon vom Ich aus um­ge­stal­te­te as­tra­li­sche Leib wird fähig sein,

 in den Äther­leib hin­ein­zu­wir­ken. Der Hel­fer, der das er­mög­licht,

 ist die Chris­tus-We­sen­heit. Erst nach­her kann der Mensch in den

 phy­si­schen Leib he­r­ein­ar­bei­ten mit der Hil­fe des Va­ters. Das Ab­le­gen

 des al­ler­letz­ten phy­si­schen Lei­bes ist das, was in der Apo­ka­lyp­se

 der ers­te Tod ge­nannt wird. Die Men­schen le­ben jetzt

 wei­ter in der ver­geis­tig­ten Er­de mit all dem, was durch die Hil­fe

 des Chris­tus in den Äther­leib hin­ein­ge­bracht wor­den ist. Sie le­ben

 im Ein­klang mit dem Chris­tu­s­prin­zip. Der Äther­leib de­rer,

 die es zu­rück­ge­wie­sen ha­ben, ist hin­ge­ord­net nach dem phy­si­schen

 Leib, lebt in Mißklang und Be­gier­denglut. In der wei­te­ren

 Ver­geis­ti­gung der Er­de wird es auch kei­nen Äther­leib mehr ge­ben.

 Die, wel­che den Chris­tus in sich auf­ge­nom­men ha­ben, wer­den

 ihn oh­ne Mühe ab­st­rei­fen; die an­dern wer­den ihn als ein

 zwei­tes Ster­ben emp­fin­den in je­der fol­gen­den as­tra­li­schen Ge­stalt.

 Das ist der zwei­te Tod. Die das Ziel er­reicht ha­ben, ent­wer-

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

 Sei­te 279

fen auf der Er­de den Plan zur Ju­pi­ter-Ent­wick­lung: das ist das

 neue Je­ru­sa­lem. Die­je­ni­gen, die von sich ge­sto­ßen ha­ben die

 Kräf­te, die ih­nen das Ju­pi­ter-Be­wußt­sein ge­ben kann, wer­den die

 Zu­rück­ge­b­lie­be­nen, Hin­un­ter­ge­sun­ke­nen sein. Aber es wird

 noch mög­lich sein, ei­ne An­zahl zur Um­kehr zu brin­gen. Erst bei

 der Ve­nus-Ver­kör­pe­rung fällt die un­ab­än­der­li­che: Ent­schei­dung.

 Die ver­führ­te In­tel­li­genz, das ist das­je­ni­ge, was dem Tie­re ver­fällt;

 des­halb ist die Zahl des Tie­res ei­nes Men­schen Zahl. Die

 Re­gel­mä­ß­ig­keit des neu­en Je­ru­sa­lem wird be­schrie­ben im Wür­fel

 des letz­ten Bil­des.

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

Sei­te 280 [va­kat]

I – ANHANG-06, Über die Vortragsnachschriften Rudolf Steiners

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

Sei­te 281

Über die Vor­trags­nach­schrif­ten

Aus Ru­dolf Stei­ners Au­to­bio­gra­phie

»Mein Le­bens­gang« (35. Kap., 1925)

Es lie­gen nun aus mei­nem an­thro­po­so­phi­schen Wir­ken zwei Er­geb­nis­se vor; ers­tens mei­ne vor al­ler Welt ver­öf­f­ent­lich­ten Bücher, zwei­tens ei­ne gro­ße Rei­he von Kur­sen, die zu­nächst als Pri­vat­druck ge­dacht und ver­käuf­lich nur an Mit­g­lie­der der Theo­so­phi­schen (spä­ter An­thro­po­so­phi­schen) Ge­sell­schaft sein soll­ten. Es wa­ren dies Nach­schrif­ten, die bei den Vor­trä­gen mehr oder we­ni­ger gut ge­macht wor­den sind und die we­gen man­geln­der Zeit nicht von mir kor­ri­giert wer­den konn­ten. Mir wä­re es am liebs­ten ge­we­sen, wenn münd­lich ge­spro­che­nes Wort münd­lich ge­spro­che­nes Wort ge­b­lie­ben wä­re. Aber die Mit­g­lie­der woll­ten den Pri­vat­druck der Kur­se. Und so kam er zu­stan­de. Hät­te ich Zeit ge­habt, die Din­ge zu kor­ri­gie­ren, so hät­te vom An­fan­ge an die Ein­schrän­kung «Nur für Mit­g­lie­der» nicht zu be­ste­hen ge­braucht. Jetzt ist sie seit mehr als ei­nem Jah­re ja fal­len ge­las­sen.

Hier in mei­nem «Le­bens­gang» ist not­wen­dig, vor al­lem zu sa­gen, wie sich die bei­den: mei­ne ver­öf­f­ent­lich­ten Bücher und die­se Pri­vat­dru­cke in das ein­fü­gen, was ich als An­thro­po­so­phie aus­ar­bei­te­te.

Wer mein ei­ge­nes in­ne­res Rin­gen und Ar­bei­ten für das Hin­s­tel­len der An­thro­po­so­phie vor das Be­wußt­sein der ge­gen­wär­ti­gen Zeit ver­fol­gen will, der muß das an Hand der all­ge­mein ver­öf­f­ent­lich­ten Schrif­ten tun. In ih­nen setz­te ich mich auch mit al­le dem au­s­ein­an­der, was an Er­kennt­nis­st­re­ben in der Zeit vor­han­den ist. Da ist ge­ge­ben, was sich mir in «geis­ti­gem Schau­en» im­mer mehr ge­stal­te­te, was zum Ge­bäu­de der An­thro­po­so­phie al­ler­dings in vie­ler Hin­sicht in un­voll­kom­me­ner Art wur­de.

Ne­ben die­se For­de­rung, die «An­thro­po­so­phie» auf­zu­bau­en und da­bei nur dem zu die­nen, was sich er­gab, wenn man Mit­tei­lun­gen aus der Geist-Welt der all­ge­mei­nen Bil­dungs­welt von heu­te zu über­ge­ben hat, trat nun aber die an­de­re, auch dem voll ent­ge­gen­zu­kom­men, was aus der Mit­g­lied­schaft her­aus als See­len­be­dürf­nis, als Geis­tes­sehn­sucht sich of­fen­bar­te.

Da war vor al­lem ei­ne star­ke Nei­gung vor­han­den, die Evan­ge­li­en und den Schrift-In­halt der Bi­bel über­haupt in dem Lich­te dar­ge­s­tellt zu hö­ren, das sich als das an­thro­po­so­phi­sche er­ge­ben hat­te. Man woll­te in Kur­sen über die­se der Mensch­heit ge­ge­be­nen Of­fen­ba­run­gen hö­ren.

GA 104 Die Apo­ka­lyp­se des Jo­han­nes

Sei­te 282

In­dem in­ter­ne Vor­trags­kur­se im Sin­ne die­ser For­de­rung ge­hal­ten wur­den, kam da­zu noch ein an­de­res. Bei die­sen Vor­trä­gen wa­ren nur Mit­g­lie­der. Sie wa­ren mit den An­fangs-Mit­tei­lun­gen aus An­thro­po­so­phie be­kannt. Man konn­te zu ih­nen eben so sp­re­chen, wie zu Vor­ge­schrit­te­nen auf dem Ge­bie­te der An­thro­po­so­phie. Die Hal­tung die­ser in­ter­nen Vor­trä­ge war ei­ne sol­che, wie sie eben in Schrif­ten nicht sein konn­te, die ganz für die Öf­f­ent­lich­keit be­stimmt wa­ren.

Ich durf­te in in­ter­nen Krei­sen in ei­ner Art über Din­ge sp­re­chen, die ich für die öf­f­ent­li­che Dar­stel­lung, wenn sie für sie von An­fang an be­stimmt ge­we­sen wä­ren, hät­te an­ders ge­stal­ten müs­sen.

So liegt in der Zwei­heit, den öf­f­ent­li­chen und den pri­va­ten Schrif­ten, in der Tat et­was vor, das aus zwei ver­schie­de­nen Un­ter­grün­den stammt. Die ganz öf­f­ent­li­chen Schrif­ten sind das Er­geb­nis des­sen, was in mir rang und ar­bei­te­te; in den Pri­vat­dru­cken ringt und ar­bei­tet die Ge­sell­schaft mit. Ich hö­re auf die Schwin­gun­gen im See­len­le­ben der Mit­g­lied­schaft, und in mei­nem le­ben­di­gen Drin­nen­le­ben in dem, was ich da hö­re, ent­steht die Hal­tung der Vor­trä­ge.

Es ist nir­gends auch nur in ge­rings­tem Ma­ße et­was ge­sagt, was nicht reins­tes Er­geb­nis der sich auf­bau­en­den An­thro­po­so­phie wä­re. Von ir­gend ei­ner Kon­zes­si­on an Vor­ur­tei­le oder Vor­emp­fin­dun­gen der Mit­g­lied­schaft kann nicht die Re­de sein. Wer die­se Pri­vat­dru­cke liest, kann sie im volls­ten Sin­ne eben als das neh­men, was An­thro­po­so­phie zu sa­gen hat. Des­halb konn­te ja auch oh­ne Be­den­ken, als die An­kla­gen nach die­ser Rich­tung zu drän­gend wur­den, von der Ein­rich­tung ab­ge­gan­gen wer­den, die­se Dru­cke nur im Krei­se der Mit­g­lied­schaft zu ver­b­rei­ten. Es wird eben nur hin­ge­nom­men wer­den müs­sen, daß in den von mir nicht nach­ge­se­he­nen Vor­la­gen sich Feh­ler­haf­tes fin­det. Ein Ur­teil über den In­halt ei­nes sol­chen Pri­vat­dru­ckes wird ja al­ler­dings nur dem­je­ni­gen zu­ge­stan­den wer­den kön­nen, der kennt, was als Ur­teils-Vor­aus­set­zung an­ge­nom­men wird. Und das ist für die al­ler­meis­ten die­ser Dru­cke min­des­tens die an­thro­po­so­phi­sche Er­kennt­nis des Men­schen, des Kos­mos, in­so­fern sein We­sen in der An­thro­po­so­phie dar­ge­s­tellt wird, und des­sen, was als «an­thro­po­so­phi­sche Ge­schich­te» in den Mit­tei­lun­gen aus der Geist-Welt sich fin­det.