GA 259

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VORBEMERKUNGEN DES HERAUSGEBERS

#G259-1991-SE009 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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VORBEMERKUNGEN DES HERAUSGEBERS

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«Immer wieder hat die Anthroposophische Gesellschaft vor Schicksalsentscheidungen und vor Wendepunkten ihres Werdens gestanden» (Ma­rie Steiner). Sie war nicht nur äußeren Angriffen ausgesetzt - sowohl durch die von der Theosophical Society ausgegangene orientalisierende Richtung als auch durch die Vertreter der materialistischen Wissenschaft und der Bekenntniskirchen -, sondern sie hatte auch innere Krisen zu bewältigen. Im Zusammenhang mit einer solchen inneren Krise begann Marie Steiner Ende der 30er, Anfang der 40er Jahre Vorträge und Proto­kolle zur Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft zu veröffent­lichen, geleitet von der Einsicht, daß aus der Kenntnis der Geschichte soziale Qualitäten für gegenwärtiges und zukünftiges Wirken erbildet werden können. So gab sie 1943 unter dem Titel «Rudolf Steiner und die Zivilisationsaufgaben der Anthroposophie - Ein Rückblick auf das Jahr 1923» eine Dokumentation heraus über die das ganze Jahr 1923 bestim­menden Bemühungen Rudolf Steiners, die Anthroposophische Gesell­schaft auf eine neue Grundlage zu stellen. Das Erscheinen dieses Bandes wurde von ihr damals im Nachrichtenblatt «Was in der Anthroposophi­schen Gesellschaft vorgeht - Nachrichten für deren Mitglieder» (Jg. 1943, Nr.49 vom 5. Dezember 1943) wie folgt angekündigt: ... . Einer Pflicht der Pietät Rechnung tragend und im Bewußtsein der hohen Bedeutung aller von Dr. Steiner an die Mitglieder gerichteten Ansprachen, wird ... ein Werk erscheinen, das uns Dr. Steiners Stellungnahme zu den Ereignis-sen des so bedeutenden Jahres 1923 in seinen eigenen Worten vermittelt. Ein seine Ansprachen mannigfaltigster Art verbindender erzählender Be­richt ist von mir geschrieben.» Einige Jahre später (1947) veröffentlichte sie weitere Protokollaufzeichnungen von Sitzungen mit Rudolf Steiner im Jahre 1923 unter dem Titel: «Studienmaterial aus den Sitzungen des Dreißigerkreises Stuttgart 1923». In ihren Vorbemerkungen dazu heißt es: «Dieses aus unvollkommenen Nachschriften und Notizen zusammen­gestellte Arbeitsmaterial kann in der Zukunft noch Ergänzungen und Vervollständigungen erfahren.»

Für die vorliegende Publikation innerhalb der Rudolf Steiner Gesamtausgabe wurden diese beiden Veröffentlichungen Marie Steiners zu einem Ganzen vereinigt und um die von ihr angekündigten Ergänzungen erwei­tert. Da diese ziemlich umfangreich sind, bedingte dies eine völlige Neugestaltung,

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insbesondere für Marie Steiners Herausgabe «Rudolf Steiner und die Zivilisationsaufgaben der Anthroposophie - Ein Rückblick auf das Jahr 1923». Die in ihrem «erzählenden Bericht» eingebetteten Wort-laute Rudolf Steiners aus Vorträgen, Ansprachen, Versammlungsproto­kollen etc. wurden herausgenommen und mit dem ganzen neu dazuge­kommenen Material in zwei Teile gegliedert, die in sich wiederum chro­nologisch geordnet sind. Marie Steiners «Rückblick», nunmehr ohne Wortlaute Rudolf Steiners, bildet den ersten Teil. Er vermittelt jetzt einen gerafften Überblick über die Aktivitäten und Reisen Rudolf Steiners während des Jahres 1923, so wie sie von Marie Steiner an der Seite Rudolf Steiners miterlebt worden sind. In bezug auf Publikationsangaben wurde er auf den neuesten Stand der Gesamtausgabe gebracht. Aber auch die von ihr herausgegebenen Protokollaufzeichnungen « Studienmaterial aus den Sitzungen des Dreißigerkreises 1923» mußten aufgegliedert werden. In Teil II finden sich diejenigen, die anthroposophische Arbeitsfragen behandeln; in Teil III diejenigen, die sich auf die Neugestaltung der deutschen Gesellschaftsfortn beziehen; wiederum jene, die mit der Affaire der deutschen Wochenschrift «Anthroposophie» zusammenhängen, fin­den sich in dem betreffenden Teil des Anhanges.

Da Marie Steiner alles, was von Rudolf Steiner im Hinblick auf die Gesellschaft vorliegt, als aktuell bleibenden Schulungsstoff für die Bil­dung anthroposophischen Gemeinschaftsbewußtseins wertete, wollte sie es als einen Teil des Gesamtwerkes behandelt wissen, auch wenn des öfteren nur unvollkommene Nachschriften oder sogar nur Notizen erhal­ten geblieben sind. Darüber heißt es in ihren Richtlinien für die Heraus­gabe von Rudolf Steiners Werk («Welches sind die Aufgaben des Nach­laßvereins?», 1945, heute in «Marie Steiner: Briefe und Dokumente», Dornach 1981):

... . Aber es gibt noch anderes Material als jene rein geistige, die Bewe­gung tragende Substanz, und das bezieht sich auf die Geschichte der Gesellschaft und ihre Kämpfe Man kann daraus ersehen, was für Aufgaben - die leider nicht aus tröstender geistiger Substanz bestehen -ihrer Erledigung noch harren.... Es gibt endlose Aktenmappen über die Geschehnisse innerhalb der Gesellschaft, Stöße von Korrespondenzen darüber. Alles zum Beispiel, was im Zusammenhang steht mit der Loslö­sung der Anthroposophischen aus der Theosophischen Gesellschaft, mit den Umtrieben von seiten des usw. usw. Nicht wenige Krisen gab es. So glatt ging es nicht, wie es manche vielleicht gern gewünscht hätten. Es war ein ständiges Ringen. Dieses Ringen war aber die notwendige Erziehung zu Erkenntniskräften, denn nur aus Schmerzen

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entsteht Erkenntnis. Und nichts ist schwerer als eine Erziehung zu Gemeinschaftsbewußtsein... Und wieviel Erzieherisches liegt in dem Notizenmaterial der in der Waldorfschule gehaltenen Lehrerkonferen­zen! [GA 300/1-3] Wieviel gesellschaftlich Erzieherisches in dem noch schlechteren des sogenannten Dreißigerkreises von Stuttgart [im vorlie­genden Band]. All das gehört zur Historie und zur Gewissenseinkehr. ... Alles, was zusammenhängt mit der Gegnerschaft von seiten der Außen­welt, die da gegipfelt hat im Brand des Goetheanum, im gewaltsam erzwungenen Abbruch der öffentlichen Vortragstätigkeit Dr. Steiners, endlich in seiner Todeserkrankung - auch das gehört zur Geschichte der Gesellschaft und müßte einmal sachgemäß und aus der nötigen Distanz, aber eindrücklich behandelt werden . . . »

Für eine solche künftige Geschichtsdarstellung liegt inzwischen in der Reihe der Gesamtausgabe «Schriften und Vorträge zur Geschichte der anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft» der größte Teil der dokumentarischen Unterlagen vor. Einen weiteren wesentlichen Teil bil­det die hier vorgelegte Dokumentation des in der Geschichte der Anthro­posophischen Gesellschaft so bedeutsamen Jahres 1923, das von zahl­reichen Krisen und Schwierigkeiten geprägt war, wie sie eine Gemein­schaft, die um höhere Bewußtseinsformen ringt, notwendig mit sich bringen muß.

Wie Dokumente für das Geschichtsverständnis ganz allgemein zu gewichten sind, darüber hat sich Rudolf Steiner in einer Konferenz mit den Lehrern der Waldorfschule in Stuttgart, 30. März 1923 (in GA 300/3) mit Bezug auf einen kurz vorher von Dr. W.J. Stein gehaltenen Vortrag über Geschichte so geäußert: ... . Sie haben über Erleben in der Ge­schichte gesprochen. Sie haben mit Hinweis auf Herman Grimm auf Dokumente furchtbar geschimpft - Herman Grimm, der, als er metho­disch gesprochen hat, betont hat, daß man nur so weit Geschichte vortra­gen kann, als Material vorhanden ist. Wenn Sie erzählten, man soll eine Geschichte aufbauen aus dem Inneren und auf die Dokumente verzichten, so tritt der Einwand zutage, was weiß denn der Dr. Stein aus seiner ganzen Geschichte, wenn er nicht Geschichte studiert hat. Also, es ist etwas, was in sich selbst zusammenstürzt.... In der Geschichte ist ohne Dokumente nicht das geringste zu machen, wenn man nicht den Gegenpol entwickelt, wenn man nicht zeigt, jedes Dokument hat erst den richtigen Stellenwert, wenn es in der richtigen Weise beleuchtet wird.»

Auch ein richtiges Wirken in und durch die Anthroposophische Ge­sellschaft wollte Rudolf Steiner auf der Kenntnis ihrer Geschichte beru­hend sehen. In der Mitgliederversammlung, die in Stuttgart am 4. September

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1921 stattfand und von etwa 1200 Mitgliedern besucht war- es war die erste Mitgliederversammlung, die seit dem Ausbruch des Krieges im Sommer 1914 wieder abgehalten werden konnte -, forderte er die Anwe­senden auf: «Bitte studieren Sie die Geschichte dieser Bewegung!» Und im Zusammenhang mit den schweren Problemen des Jahres 1923 sagte er in der Sitzung in Stuttgart, 28. Februar 1923 (in diesem Band): «Wenn ich mit jemandem, seien es Gruppen, seien es einzelne, die im Auftrag von Gruppen kommen, verhandle: ja, dann versteht man zunächst nichts von dem, was ich sage . . . aber es ist vorhanden eine unendlich große Aktivität, ein unendlich guter Wille. Alles, was man nicht verstanden hat, wird gleich getan! . . . Aber man muß hineinwachsen in die alte Historie, man muß mit allen Einzelheiten bekannt werden!»

Hella Wiesberger

I Ein Rückblick auf das Jahr 1923 und die ihm vorangegangenen Ereignisse von Marie Steiner (1943)

#G259-1991-SE013 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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I

Ein Rückblick auf das Jahr 1923

und die ihm vorangegangenen Ereignisse

von Marie Steiner

(1943)

Bemerkung des Herausgebers

Die im folgenden Text ursprünglich wiedergegebenen Passagen aus Wortlauten Rudolf Steiners finden sich in diesem Band an den durch Seitenverweise ange­gebenen Stellen.

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EIN RÜCKBLICK AUF DAS JAHR 1923

UND DIE IHM VORANGEGANGENEN EREIGNISSE

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Der Zusammenbruch Deutschlands nach dem Weltkriege hatte sich schicksalhaft ausgewirkt. Revolution, Putsche, Verarmung und Hun­ger, Ausbeutung durch gewissenlose Ausnutzer von Konjunkturen:

alles das spielte wild durcheinander. Es drohte das vollständige Chaos. Da ballten sich die Kräfte des Volkes zusammen. Und während die

einen Rettung suchten in der gewaltsamen Aufpeitschung des nationa­len und Rassen-Empfindens, auf diesem Wege die künftige Uberwin­dung des äußeren und inneren Feindes erhoffend, strebten andere darnach, den Idealismus des Geisteslebens, der einst Deutschlands Größe gewesen war, in einem der Gegenwart angemessenen Sinne wieder aufleuchten zu lassen. Durch die Erkenntnis vom wahren Wesen des Menschen und seiner Bestimmung suchten sie das Kultur-niveau zu heben und auch die sozialen Schäden zu überwinden.

Man war, wenn man wie Rudolf Steiner vor dem Kriege solche Ziele erstrebt hatte, abgeprallt an der Gleichgültigkeit des Bourgeois­tums, an dem Widerstand und sogar dem Hohn der das intellektuelle und das Wirtschaftsleben beherrschenden Kreise. Die wachsende äußere Machtstellung des Reiches, seine Erfolge auf dem Gebiete der Industrie und des Welthandels, befriedigten. Das an der Peripherie sich aufballende Gewitter wurde vielfach übersehen; die von unten her stoßenden Kräfte hatte man zu wenig beachtet; warnende Stimmen waren überhört worden. Jetzt, in der immer mehr um sich greifenden Not und Verzweiflung, hofften einige, daß der Deutsche sich wieder auf seine eigentliche Aufgabe besinnen und die Wege betreten würde, die ihm von seinen großen Geistern vorgezeichnet worden sind.

Möglichkeiten mußten gefunden werden, um auf den verschieden­sten Gebieten der praktischen und sozialen Betätigung geistige Im­pulse in die Wirklichkeit des Alltags hinüberzuleiten. Es galt vor allem, die Erziehung auf eine gesunde Basis zu stellen, den Volksschul­unterricht der Vertrocknung zu entreißen und in die Lehrerausbil­dung einen frischen Zug zu bringen, den Hochschulbetrieb der Me­chanisierung zu entziehen, in der Heilkunde neue Methoden heraus­zuarbeiten, die von der Kenntnis des Lebendigen mehr als von der des

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Toten ausgehen würden. Theologen traten an Dr. Steiner heran, lech­zend nach Erschließung neuer Quellen der Erkenntnis; Künstler wur­den vom Verlangen gedrängt, in bewußter Weise jenes Unbewußte zu erfassen, das in ihnen rumorte und nach Ausdruck rang. Mit all diesen Wünschen und Problemen kam man zu Rudolf Steiner, Hilfe von ihm erbittend, um das heiß Erstrebte in die Tat überführen zu können.

Er war die warnende Stimme gewesen, die im Beginn des 20.Jahr-hunderts hingewiesen hatte auf die Krankheitssymptome unserer Kul­tur und deren unabwendbare Folgen, die katastrophal sich auswirken müßten, wenn weiter verharrt würde in der Gleichgültigkeit gegen-über den Forderungen des Geistes und in dem alles übertäubenden Drängen nach bloß materiellen Gütern. Wohin dies führte, hatte sich nun in der Katastrophe des Weltkriegs gezeigt. Die alte Ordnung war zusammengestürzt; nun galt es, aus Trümmern Neues aufzubauen.

Die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft fühlten die Verpflichtung, mitzuhelfen an diesem Aufbau. Voll guten Willens und edlen Feuers wollten sie ihren Idealismus in die Waagschale werfen. Sie schöpften Mut in der Begeisterung, die in ihnen entfacht worden war durch das, was Rudolf Steiner im Laufe von nun bald zwei Jahrzehnten ihnen offenbart hatte vom Weltenwesen und der Erden­bestimmung, von den ewigen Gesetzen des Seins und den menschen­umwandelnden Tiefen der Christustat. Sie wollten mit den gewon­nenen Erkenntnissen das praktische Leben befruchten.

Als nächstliegende soziale Verpflichtung erschien die Gründung einer auf der Erkenntnis vom Wesen des Menschen beruhenden Ein­heitsschule. Dr. Steiner übernahm mit Freuden die ihm angetragene Leitung der vom Industriellen Emil Molt zunächst für die Kinder seiner Fabrikarbeiter gegründeten Schule. Ein gründlicher von Dr. Steiner erteilter Lehrerausbildungskursus ging der Eröffnung der in weiten Kreisen des In- und Auslandes bald bekannt gewordenen Waldorfschule voran [siehe GA 293, 294, 295].

In das wirre Getriebe von Räten jeglicher Art auf wirtschaftlichem Gebiet suchte man Ordnung und System zu bringen. Es wurden auf vielfaches Verlangen Vorträge in Arbeiterkreisen gehalten, die starken Zudrang hatten, aber die Wut der Parteiführer entfachten, da ihr Inhalt nicht den marxistischen Theorien und den ausgegebenen Parolen ent­sprach. Aus den Kreisen der akademischen Jugend wurde ein Hoch­schulbund gegründet mit dem Ziele, die totgelaufenen Geleise des

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Universitätsbetriebes in neuen Schwung zu bringen. Eine Anzahl begabter junger Gelehrter schloß sich zusammen, um die Naturwis­senschaft durch die Ergebnisse der Geistesforschung zu befruchten und nach neuen Gesichtspunkten in Laboratorien zu experimentieren. Besondere Beachtung erfuhr die Herstellung von Heilmitteln auf der Grundlage der Erkenntnis kosmischer, im Irdischen sich spiegelnder Gesetzmäßigkeiten. Die erzielten guten Resultate führten zur Grün­dung klinisch-therapeutischer Institute in Stuttgart und Arlesheim, die von mehreren anthroposophischen Ärzten betreut wurden, und später zu ähnlichen Gründungen in anderen Ländern. Schöne Erfolge wurden erzielt auf dem Gebiete der Herstellung von Pflanzenfarben durch Herausarbeitung der ihnen innewohnenden intensiven Leucht­kraft. Es entstanden wirtschaftliche Zusammenschlüsse der in der Industrie tätigen Mitglieder, um dem ins Auge gefaßten Ideal der Assoziation mit tastenden Schritten näher zu treten. Unter anderm lag auch die Hoffnung vor, durch diese Zusammenlegung von Betrieben mehr Mittel flüssig zu machen, um die oben erwähnten, der Wissen­schaft dienenden Gründungen zu finanzieren. Dr. Steiner fühlte sich, auch wenn manche Bedenken in bezug auf das Gelingen sich bei ihm einstellten, verpflichtet, die in der praktischen Arbeit gereiften Män­ner in diesen Fragen gewähren zu lassen, da man ihm sonst hätte vorwerfen können, die notwendige Grundlage für die materielle Si­cherstellung der neuen Unternehmungen verhindert zu haben; doch verursachte ihm gerade diese Seite der Sache schwere Sorgen.

Und hier war es, wo die Schwierigkeiten sich bald einstellten, ja bergehoch auftürmten. Die Praktiker erwiesen sich als zu sehr befan­gen in den Denkgewohnheiten der Gegenwart, um den ihnen entge­gentretenden Widerständen und der Bekämpfung seitens routinierter Gegner gewachsen zu sein. Es erlahmten manche Kräfte, als die erste Begeisterung sich wandeln mußte in den mühsamen Frondienst des Alltags inmitten kompliziertester äußerer Verhältnisse. Es war die Zeit der Inflation, der feindlichen Okkupationen, der unter wechselnden Bezeichnungen immer wieder auftretenden Opfersteuern jeglicher Art, der Parteikämpfe und der mit ihnen verbundenen gehässigen Verfolgungen Andersdenkender. Immer mehr mußte sich Dr. Steiner den in den Betrieben entstandenen Komplikationen widmen, mit de­nen die dort führenden Persönlichkeiten nicht fertig wurden. Und leider gab es auch immer mehr persönliche Differenzen zu schlichten.

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Das Schlimmste war, daß die besten Kräfte dadurch abgezogen waren von der Arbeit für die anthroposophische Bewegung als solche. Die neuen kulturellen Gründungen und die wirtschaftlichen Unter­nehmungen standen nun im Vordergrunde des Interesses der damit Belasteten, und es fehlte das energische Eintreten für die Lebensbedin­gungen der Gesellschaft, es fehlte Einheitlichkeit in der Führung; auch da begannen Sonderinteressen sich geltend zu machen. Die Peripherie aber war mit Stuttgart unzufrieden. Und die auf ihre Gescheitheit stark pochende und nun herandrängende Jugend suchte vor allem ihren neuen Gemeinschaftssinn dadurch zu bekunden, daß sie kriti­sierte und rebellierte. Dr. Steiner mußte inmitten dieser Wirren mit aller Schärfe sich wenden gegen das, was damals System von Stuttgart genannt wurde; immer öfter mußte er nach Stuttgart reisen, um zu versuchen, die Dinge dort in Ordnung zu bringen. Es war für ihn eine Zeit unsäglicher Mühen und Leiden - man kann wohl sagen: ein Martyrium.

Einige Jahre waren nun vergangen inmitten solcher Arbeit und Sorgen, und manche Hoffnung hatte zu Grabe getragen werden müs­sen. Harmonische Zusammenarbeit hätte manches ausgleichen kön­nen, wo Charakterstärke und Ausdauer des einzelnen nicht ausreich­ten. Aber es hatten sich schroffe Gegensätze eingestellt, die Charak­tere hatten nicht zueinandergefunden, und in der Gesellschaft herrschte das Cliquenwesen. Dr. Steiner war gezwungen, mit allem Ernst eine Änderung dieser Gesinnung und Methoden zu verlangen, damit das Persönliche hintan gestellt und das getan würde, was für die Konsolidierung der Gesellschaft notwendig war; sonst sähe er sich genötigt, ganz andere Wege einzuschlagen, um die Bewegung nicht durch die Gesellschaft von Grund aus schädigen zu lassen.

Den Zusammenklang zwischen stark divergierenden Temperamen­ten zu erreichen war die schwerste Aufgabe: unermüdlich versuchte Dr. Steiner die Spannungen zu überbrücken und Einsicht für diese Notwendigkeit zu wecken.

Wir leben im Zeitalter der ausgeprägten persönlichen Eigenart, der mannigfaltigsten Differenzierungen. Und da, wo stärkste Überzeu­gungen die Seelen ergriffen haben, ist es vielleicht am mühsamsten, den Ausgleich zwischen den auftretenden Gegensätzen zu finden. Man muß einen sehr hohen Grad von Achtung für den anderen Menschen, von innerer Duldsamkeit erreicht haben, um dort Einklang zu erzielen,

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wo fest konturierte Gedanken der einzelnen in Widerspruch zueinander treten und schon «der Wille sich im Wahn verhärtet». Die Geschichte der Kirche beweist, mit welcher Unnachgiebigkeit entge­gengesetzte Meinungen sich gegenübertreten können, wie bald fanati­scher Eifer an die Stelle der inneren Toleranz treten kann. Dr. Steiner läßt in seinem Mysteriendrama «Die Prüfung der Seele» den jungen Bergmann sagen:

. . . Es ist dir noch verborgen,

Wie zwingend sich Gedankenkraft erweist,

Wenn sie des Menschen Seele ganz ergreift . . .

Gedanke wendet von Gedanke sich. - -

Ich fühle seine Macht in meiner Seele,

Sich ihr zu widersetzen, wäre mir

Des eignen Wesens wahrer Geistestod.

Damit soll nur hingewiesen sein auf manches sonst Unbegreifliche in der Geschichte der Kirche und überhaupt der religiösen Bewegun­gen. Doch ging es dazumal in Stuttgart nicht um Glaubensdinge. Vielmehr handelte es sich darum, zueinanderzufinden, um das Ideal zu verwirklichen, das in den Worten ausgedrückt ist:

Wenn vieler Menschen Worte

In solcher Art sich vor die Seele stellen,

Dann ist's, als ob

Geheimnisvoll dazwischen stünde

Des Menschen volles Urbild;

Es zeigt in vielen Seelen sich

Gegliedert, wie das Eine Licht

Im Regenbogen sich

In vielen Farbenarten offenbart.

Die Seelen mußten lernen in Güte zueinanderzufinden; das Recht­haberische und Überhebliche im eigenen Wesen mußte erkannt wer­den, damit es aus freiem Willen überwunden werde. Innerlich Unwah­res und Machtbegehrendes im eigenen Innern mußte eingesehen wer­den, um scheinbar berechtigten Ansprüchen entsagen zu können. Auch zu dieser Selbstbesinnung rief Dr. Steiner die Seelen auf, damit der machtvolle geistige Impuls, der hinter der anthroposophischen Bewegung steht, nicht zerschelle an dem, was ja auch am besten mit Worten Dr. Steiners charakterisiert werden kann:

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Wer durch die Gnade hoher Geistesmächte

Die Blicke werfen darf in Menschenseelen,

Der schaut die Feinde, die, in ihnen selbst,

Sich ihrem eigenen Wesen widersetzen.

Der Kampf, den unsre Gegner uns bereiten,

Ist nur ein Bild des großen Krieges,

Den eine Macht im Herzen unaufhörlich

Aus Feindschaft gegen andre führen muß.

Diese Mächte durchtoben auch heute noch mit ihren brennenden Gluten die Seelen; sie entfachen die Katastrophen: sowohl jene des Menschen-Innern, die dann das soziale Gemeinschaftsstreben zerstö­ren, als auch jene des geschichtlichen Verlaufs. Sie aufzuspüren, selbst in den geheimsten Falten der Seele, in denen sie sich verstecken, ist die Aufgabe des die Bewußtseinskräfte entwickelnden modernen Men­schen, der neben der Selbsterkenntnis nun auch ein Gemeinschaftsbe­wußtsein ausbilden soll. Dazu bedarf es neben der Lampe des Philo­sophen und der Sonde des Chirurgen auch des ins Gewissen schlagen­den Blitzstrahls des Cherubs. Reiche Fülle des Lichtes zur Erbildung einer solchen Selbsterkenntnis, die bis zur Ausgestaltung eines wachen Gemeinschaftsbewußtseins führt, hat Rudolf Steiner in steter Für­sorge uns immer wieder gegeben. Und auch der verheerende Blitz eines gewaltigen Schicksalschlages traf unser Gemeinwesen. 1923 wurde zum Jahre schwerster Prüfung. Durch den Brand verloren wir das weithin sichtbare Wahrzeichen unseres geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Wirkens, den Goetheanum-Bau. Doch dieser Ka­tastrophe gingen jene Diskrepanzen voran, die das Auseinanderstre­ben der Kräfte bekundeten, welche in ihrer Geschlossenheit wohl auch eine geistige Schutzwehr gebildet hätten. Zuviel Sonderinteressen hat­ten sich geltend gemacht. Schon 1921 und 1922 war das sichtbar geworden. Dr. Steiner selbst hat diese bedauerliche Erscheinung mit den Worten bezeichnet: die Töchterbewegungen vergaßen die Mut­terbewegung, aus welcher sie ihre Kräfte geschöpft hatten. Sie entzo­gen sich ihr innerlich, indem sie sich auf die Interessen ihres speziellen Wirkungskreises zu ausschließlich konzentrierten, und schädigten sie, indem sie vielfach - trotz gegebenen Versprechens, dies nicht zu tun, weil andere Möglichkeiten vorhanden seien - die finanzielle Unter­stützung sich bei den verarmten Anthroposophen holten, so der Gesellschaft die nur sehr spärlich vorhandenen Mittel entziehend.

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Dr. Steiner erkannte es als eine Notwendigkeit, die ihm allmählich immer mehr aufgedrungenen Bürden und Verantwortungen, die nicht direkt mit der anthroposophischen Bewegung zusammenhingen, zu­rückzuweisen, um diese vor der Zerklüftung zu retten. In einem Aufsatz, der 1923 im «Goetheanum» erschienen ist, legt er in kurzer und sachlicher Weise die Gründe dafür dar [siehe S. 144].

Aus den Reihen der anthroposophischen Jugend, die neben einem schönen Eifer natürlicherweise auch manche Unüberlegtheit und Un­geschicklichkeit zutage förderte, hatte sich inzwischen ein akademi­scher Hochschulbund herausgebildet, welcher in der Professorenwelt ärgste Feindschaften hervorrief. Die Gegner der verschiedensten La­ger und Schattierungen, die politischen, die kirchlichen, die weltan­schaulichen, die rückständigen okkulten Strömungen Angehörenden, ballten sich zu einer wohlorganisierten feindlichen Macht zusammen, welche die Ausrottung und Vernichtung der anthroposophischen Be­wegung zu ihrem Ziel hatte. Nicht waren es mehr einzelne giftsprü­hende Hasser, deren Wut in sich selbst vor der Wahrheit hätte allmäh­lich verrauchen müssen: es entstanden mächtige, organisierte Parteien mit weitausgedehnter Hetzpropaganda.

Dr. Steiner mußte die Mitglieder darauf aufmerksam machen, in wie starkem Maße diese Dinge mit den begangenen Fehlern zusam­menhingen. So wie er immer alle ihm entgegentretenden Leistungen warm und herzlich gelobt, jeden Opfermut dankend anerkannt und hervorgehoben hatte, so mußte er jetzt, um das Bewußtsein der Ver­fehlungen wachzurufen, dezidiert, scheinbar hart auftreten und For­derungen für die Konsolidierung der Gesellschaft stellen. Schon An­fang Dezember 1922 hatte er ein entscheidendes Wort nach dieser Richtung gesprochen und zugleich einem Stuttgarter Vorstandsmit­glied einen Auftrag für seine Kollegen erteilt, dessen gewissenhafte Durchführung ihm besonders am Herzen lag - der aber nicht ausge­führt, der ignoriert, übersehen, vielleicht verschlafen wurde . . . man findet nicht recht die Bezeichnung für dieses Versagen -, es scheint nicht bis zum Bewußtsein desjenigen gedrungen zu sein, der den Auftrag erhielt.[*] Dr. Steiner aber, welcher sich der Arbeit in Dor­nach widmen mußte, wartete auf das Resultat dieses seines gegebenen Auftrags. Bei seinem nächsten Besuch in Stuttgart stand er vor einer

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[*] Siehe hierzu die Fußnote auf Seite 201.

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dadurch gegebenen unerwarteten und verworrenen Situation. In man­chen später gehaltenen Ansprachen nimmt er bedauernd darauf Bezug [siehe S. 201 ff.].

Die unter so schweren Bedingungen und herbem Leid in jener Zeit gesprochenen Worte in ihrem Zusammenhang zu erhalten ist der Zweck dieses Gedächtnisbandes, dem die obigen Ausführungen als Einleitung dienen mögen. Sie wollen ein Verständnis erwecken für die besondere Situation, in die damals die anthroposophische Bewegung gestellt war. Sie vervollständigen das Bild unserer Gesellschaftsent­wicklung, die ja keineswegs nur in glückhafter Weise von den Gaben des Geistes überstrahlt worden ist, die eben auch unter unsäglichen Mühen und harten Kämpfen sich hat durchringen müssen und unter menschlichen Unzulänglichkeiten schwer gelitten hat. Es ware nicht richtig, das zu verschweigen. Auch der Blick auf Irrungen muß dazu dienen, unser Wahrheitsempfinden zu schärfen und zu fördern, vor eitlem Scheinwesen uns zu wahren. Äußerlich mag zusammengestük­kelt erscheinen, was als Schlußworte verschiedener Vorträge hier an­einandergereiht werden soll; doch sie geben ein Bild unseres gesell­schaftlichen Ringens, und es hat einen historischen Wert, diese Etap­pen chronologisch zurückzuverfolgen, vorbei an den Meilensteinen unserer Schicksalsprüfungen und unseres intellektuellen Sündenfalls . Sie weisen hin auf Lebenswirrnisse und karmische Verkettungen und auf die dadurch aufgeworfenen Lebenskonflikte und Probleme. Die Antwort, wie sie Dr. Steiner nur hat geben können, war eine Opfertat ohnegleichen; sie erfolgte in der Weihnachtstagung von 1923 auf 1924 [GA 260]. Nach dieser durch ihn für uns vollzogenen spirituellen Sündenerhebung konnten uns Einblicke gegeben werden in jene ge­waltigen Schicksalszusammenhänge, wie sie in den esoterischen Be­trachtungen von 1924 niedergelegt sind [GA 235-240]. Kosmisches und menschliches Geschehen wird da ineinander verwoben, sie stehen wie im Brennpunkt einer Zeitenwende. Daß wir eine solche erleben, sehen wir an den alles Maß übersteigenden tragischen Ereignissen unserer heutigen Gegenwart, die an Grauen alles geschichtlich Voran­gegangene übertreffen. Die Wogen dieses Geschehens haben auch unser Schiff auf manche Riffe geworfen und in manche Wirbel hinein-gerissen. Noch ist es nicht untergegangen - ein gütiges Schicksal hat es verschont. Werden wir es hindurchsteuern können? Das ist die bange Frage. - Wir werden es, wenn wir auf den Wegen, die Rudolf Steiner

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gewiesen hat, unsere Erkenntniskräfte schärfen, sie durch Weisheit in Liebe umwandeln und zur Tat reifen lassen.

Vom 24. Dezember 1922 bis zum 6. Januar 1923 hielt Dr. Steiner im Anschluß an die so bedeutsamen Vorträge «Die geistige Kommunion der Menschheit» [in GA 219] den Vortragszyklus «Der Entstehungs­moment der Naturwissenschaft in der Weltgeschichte und ihre seithe­rige Entwickelung» [GA 326]. Er war vor allem an die akademische Jugend gerichtet, und diese hatte auch Zutritt zu den Mitgliedervorträ­gen, die im Anschluß an das oben genannte Thema am 1. Januar begannen und das dort Gesagte nach mancher Richtung hin esoterisch vertieften. In der Silvesternacht war die Brandkatastrophe erfolgt: am 1.Januar 1923 war das Goetheanum ein Trümmerhaufen. Keine Pause in der Arbeit trat ein, trotz des Brandunglücks. Nicht eine Veranstal­tung wurde abgesagt. In knappen, schlichten Worten nur berührte Dr. Steiner das tragische Ereignis, den Schmerz, dem ja Worte nicht Aus­druck zu geben vermögen. Auf keinen Vortrag hat er verzichtet, nicht eine Stunde seines gewöhnlichen Wirkens hat er versäumt. Er mußte seine Sorge zwischen Dornach und Stuttgart teilen, mehrmals die Dornacher Arbeit unterbrechen, um immer wieder nach Stuttgart zu reisen. Die Vorträge des 1., 5., 6. und 7. Januar galten dem Thema: Die Not nach dem Christus. Die Erkenntnis-Aufgabe der akademischen Jugend. Die Herzerkenntnis des Menschen [in GA 220]. Am 5.Januar hielt er den seit dem Brande ersten Vortrag an die Bauarbeiter; sie hatten sich alle zum Zeichen der Anteilnahme von ihren Sitzen erho­ben, als er hereintrat - und auch jetzt streifte er das Ereignis nur mit wenigen Worten, hinweisend auf die rohe Hetze, die vorangegangen war, und auf die haßerfüllte Feindschaft, zu der sich die Gegnerschaft verstiegen hatte [siehe S. 70].

Die darauffolgenden Januar-Vorträge, anknüpfend an die Pro­bleme der Zeit und der heutigen Wissenschaft, kommen dem Streben der studierenden Jugend entgegen; sie sind enthalten in dem Band «Lebendiges Naturerkennen. Intellektueller Sündenfall und spiritu­eIle Sündenerhebung» [GA 220]. Der 2. Februar brachte den Vortrag «Erkenne dich selbst. Das Erleben des Christus im Menschen als Licht, Leben und Liebe»; das Thema des 3. und 4. Februar war «Der Nachtmensch und der Tagesmensch. In das reine Denken kann das Ichwesen hineingeschoben werden» [alle drei in GA 221]. Daran schließen sich Ermahnungen, die im besonderen an die Mitgliedschaft

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der Anthroposophischen Gesellschaft gerichtet sind und auf manches zurückgreifen, was in der Zwischenzeit auch in Stuttgart hatte gespro­chen werden müssen: «Worte des Schmerzes, der Gewissenserfor­schung, Worte zum Bewußtwerden der Verantwortlichkeit» am 23.Januar, und am 30.: «Urteilsbildung auf Grund von Tatsachen. Die zweifache Umschmelzung eines geisteswissenschaftlichen Urteils » [in GA 257]. Der 9. und 10. Februar brachte die Dornacher Vorträge: «Erdenwissen und Himmelserkenntnis. Der Mensch als Bürger des Universums und der Mensch als Erden-Eremit». Daran schloß sich am 11. Februar «Der unsichtbare Mensch in uns. Das der Therapie zu­grundeliegende Pathologische», und am 16., 17. und 18. Februar «Mo­ralische Antriebe und physische Wirksamkeit im Menschenwesen» [alle in GA 221]. Die subtilsten Erkenntnisprobleme wurden behan­delt, indem die Phänomene der Natur und die Tatsachen des Seelenle­bens und des kosmischen Geschehens in ihrem Zusammenhange vor das geistige Auge der Zuhörer traten; das Schicksal derer wurde ge­schildert, die, um die Lösung dieser Probleme ringend, schwer gelitten haben oder an ihnen zerbrachen. Aber anknüpfend daran sprach Dr. Steiner auch jene Worte, die sich auf die durch den Brand neu entstan­dene Situation unserer Bewegung bezogen und auf die Zustände in der Gesellschaft und ihre Lebensbedingungen, auf ihre Aufgaben in der Gegenwart und Zukunft. Oder er schaltete dazwischen episodische Betrachtungen ein, die nur für die Mitglieder bestimmt waren.

Inzwischen waren in Stuttgart in intensiver Weise diese Probleme der Gesellschaft wiederum erörtert worden in den Vorträgen des 6. und 13. Februars [in GA 257]: «Neues Denken und neues Wollen. Die drei Phasen der anthroposophischen Arbeit»; «Anthroposophische Gesellschaftsentwicklung. Das Seelendrama des Anthroposophen». Konsolidierung der Gesellschaft, Selbstbesinnung - war das Mahn-und Weckwort dieser Vorträge: ein Appell an das mutige Wollen.

Das geistige Ziel der Gesellschaft faßte Dr. Steiner zusammen in dem die Dornacher Februar-Serie am 22. abschließenden Vortrag:

«Die Erneuerung der drei großen Ideale der Menschheit: Kunst, Wis­senschaft und Religion» [in GA 257]. - Über die Betrachtung vorange­hender schwerer Lebensprobleme gießt dieser Vortrag eine feierlich ernste Festesstimmung.

Jetzt aber war es soweit, daß in Stuttgart die inzwischen einberu­fene Delegierten-Versammlung für die Zeit vom 25. bis zum 28. Februar

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1923 erfolgen konnte. Die Resultate jener Verhandlungen dürf­ten genügend bekannt geworden sein durch das für die Mitglieder sogleich veröffentlichte Protokoll und durch den Privatdruck der damals gehaltenen Vorträge Dr. Steiners: «Zwei Vorträge zur Dele­gierten-Versammlung», außerdem berichtete Dr. Steiner selbst dar­über am 2., 3. und 4. März in Dornach [GA 257].

Den schweren gesellschaftlichen, in Stuttgart sich abspielenden Krisen von 1922 war in der Silvesternacht die Brandkatastrophe von Dornach gefolgt. Verfehlungen von innen, das Unglück von außen verlangten ein kraftvolles Erwachen, einen mächtigen Aufschwung der Seelen. Die weckende Kraft dazu geben uns die Worte Rudolf Steiners, wenn wir uns ihnen öffnen, uns nicht scheuen vor der Gewis­senseinkehr, zu der sie auffordern.

Auch in scheinbar unlösbaren Situationen zeigt er uns Wege, die, wenn wir sie mit reinem Herzen und gutem Willen betreten, zu Erweiterungen des Gesichtskreises und zu gesundem gesellschaftli­chem Aufbau führen können. Um diesen in bewußter Wachheit zu vollziehen - organisch lebendig, nicht intellektuell konstruiert -, gibt er uns in den Dornacher Vorträgen 1923 einen umfassenden Überblick über den Werdegang der anthroposophischen Bewegung, über ihre Notwendigkeit innerhalb des Niedergangs der materialistisch einge­stellten Kultur, über die ungeheure Verantwortung, die auf denen liegt, welche berufen worden sind, in ihr zu arbeiten und sie durch­zutragen.

Am 6.Januar sprach er am Schluß einer von den Dornacher Mit­gliedern einberufenen Versammlung, die den Wiederaufbau des Goetheanum ins Auge faßte, das Folgende [siehe S. 73].

#TI

Ergänzungen

zu den im Februar 1923 gehaltenen Vorträgen Dr. Steiners[*]

«Der Wille als tätige Kraft»

#TX

Thema des Vortrags vom 3. Februar: «Der Nachtmensch und der Tagesmensch» war die Bedeutung für das wachende Tagesleben der unbewußt bleibenden Erlebnisse des im Schlafe aus dem physischen Leibe herausgetretenen Ich und Astralleibes. Es wurde, um diese

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[*] Alle genannten Vorträge sind enthalten in GA 221.

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wirksam zu machen, hingewiesen auf den Willen als tätige Kraft. Ein Beispiel wählend, schloß Dr. Steiner mit folgender erläuternden Betrachtung [siehe S. 99].

#TI

Rückblick auf das Werden der Anthroposophischen Gesellschaft.

Schärfung der Verantwortlichkeiten.

#TX

Im zweiten Teil des Vortrages vom 4. Februar «Der Nachtmensch und der Tagesmensch - In das reine Denken kann das Ichwesen hineinge­schoben werden» war gesprochen worden über das Einschlagen des Willens in das innere Seelenleben, damit der Mensch erwache. Darauf beruht ja die Einweihung in der neueren Zeit. Die Theosophische Gesellschaft hat aber alte Einweihungsmethoden in die Gegenwart hinübertragen wollen. Ihr fehlte der historische Überblick und der Sinn für die Wichtigkeit des Zeitbewußtseins. Auf diesen Unterschied legte Dr. Steiner einen besonderen Wert.

Thema des Vortrags vom 9. Februar: «Der Mensch als Bürger des Universums und der Mensch als Erden-Eremit». Anthroposophie muß von einem neuen Leben getragen werden. Die Gesellschaft ist der Entwicklung der Anthroposophie nicht völlig nachgekommen und muß sich entscheiden, ob sie Lebensfähigkeit hat oder nicht. Stand der Verhandlungen in Stuttgart. Das provisorische Komitee [siehe S. 113].

Thema des Vortrags vom 16. Februar war: «Die Auseinanderset­zung von Nietzsches Redlichkeit mit der Unredlichkeit der Zeit». Nietzsche, die repräsentative Persönlichkeit vom letzten Drittel des 19.Jahrhunderts, zerbrach an den Problemen jener Zeit. An ihrer Lösung zu arbeiten, ist die Aufgabe der Anthroposophischen Gesell­schaft. Dies kann nur geschehen durch das Gewinnen konkreter Be­ziehungen der Menschenseele zur geistigen Welt. Eine mächtige Geg­nerschaft lehnt sich dagegen auf. Die Entwicklung der Anthroposo­phischen Gesellschaft hält nicht Schritt mit der anthroposophischen Bewegung. Die Gesellschaft ist zu vergleichen mit einem Gewande, das zu kurz geworden ist. An Nietzsche anknüpfend sagt Dr. Steiner [siehe S. 116].

Das Thema vom 22. Februar war «Die Erneuerung der drei gro­ßen Ideale der Menschheit: Kunst, Wissenschaft und Religion» [in GA 257].

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#TI

Die Stuttgarter Verhandlungen über die Konsolidierung

der Anthroposophischen Gesellschaft

#TX

Das an die Stelle des früheren Zentralvorstandes getretene, provisori­sche Komitee in Stuttgart verfaßte nun einen an die mitteleuropäische Mitgliedschaft gerichteten Aufruf, der die Aufforderung enthielt, aus allen Zweigen und Arbeitsgruppen Vertreter zu einer Delegiertenver­sammlung zu schicken, um mit erwachter Verantwortlichkeit die Lage zu besprechen, in welche die Gesellschaft durch die verschiedenen Gründungen und ihre eigene Inaktivität gekommen war [siehe den Aufruf auf Seite 334].

Der Aufruf fand einen großen Widerhall. In Scharen strömten die Mitglieder herbei. Vom 25. bis zum 28. Februar tagte im großen Saal des Siegle-Hauses in Stuttgart diese denkwürdige Versammlung, in der mit kurzen Pausen bis tief in die Nacht hinein debattiert wurde. Die Vorträge, die Dr. Steiner selbst während der Verhandlungen in Stuttgart gehalten hat [in GA 257], sind nicht eindringlich genug zum Studium zu empfehlen. Lassen wir den Inhalt dieser Nachschriften auf uns wirken, so werden auch wir Wege finden können, um - selbst aus scheinbar unlösbaren Situationen - herauszukommen im Sinne eines organischen Über-uns-Hinauswachsens. Wenn sich auch Situationen nicht in der gleichen Weise wiederholen, aber der Geist, aus dem sie damals gelöst wurden, ist richtungsweisend. Er tritt uns in seiner gradlinigen Strenge, Geschlossenheit und allumfassenden Liebes­wärme, in seiner das Gewissen weckenden Eindringlichkeit in den Ansprachen Rudolf Steiners voll entgegen. In diesem Gedenkbande sollen jene Worte wiedergegeben werden, durch welche Dr. Steiner während der vier Verhandlungstage in Stuttgart, wenn auch selten, so doch manchmal in die allgemeine Diskussion eingegriffen hat.

#TI

Verlauf der Stuttgarter Delegiertentagung

#TX

Am 25. Februar, nach der Begrüßungsansprache durch den Vorsitzen­den der Versammlung, Herrn Leinhas, hielt Dr. Kolisko das Referat über jene ernste Lage der Gesellschaft, in die sie von 1919 an gekom­men war durch die verschiedenen Gründungen; vor allem durch den Bund für die Dreigliederung des sozialen Organismus, den Hochschulbund,

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die Forschungsinstitute und die Bewegung für religiöse Erneuerung. Die führenden Persönlichkeiten der einzelnen Institutio­nen wandten alle Aufmerksamkeit auf die Vertretung ihrer neuen Gründungen, zu denen in dankenswerter Weise auch die Waldorf­schule, das Klinisch-therapeutische Institut und der Kommende Tag gehörten. Aber man kann wohl sagen: Die Muttergesellschaft, aus der die Töchterbewegungen ihre Kraft zogen, wurde vergessen. Man hatte sozusagen kein Herz für sie. Die Aufgaben, die sich für das anthropo­sophische Gemeinschaftsleben ergaben, wurden vernachlässigt. Statt warmer Beziehungen von Mensch zu Mensch entstand allmählich ein nüchterner Bürokratismus; die leitenden Persönlichkeiten in den In­stitutionen standen sich einzeln, ohne gegenseitiges Verständnis ge­genüber. Die Zweigvorstände an der Peripherie wurden nicht genü­gend über die Geschehnisse in der Gesellschaft informiert. Das ist, was man das «Stuttgarter System» genannt hat. Es führte zur Abkapselung und Isolierung; nun muß das aufhören, es soll der Kontakt mit der gesamten Mitgliedschaft wiedergefunden werden. Die Delegierten werden gebeten, von ihrem Gesichtspunkte aus ein Bild über die Lage der Gesellschaft zu geben, und sich nicht zu scheuen, Kritik aus­zuüben.

An diesem ersten Tag meldeten sich sogleich sehr viele zum Wort. Als am zweiten Tage, dem 26. Februar, die Gefahr des Abschweifens von der zentralen Frage immer wieder hervortrat, mußte Dr. Steiner darauf aufmerksam machen, daß man, um das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, beim eigentlichen Thema bleiben sollte: der Kon­solidierung der Gesellschaft, die sich nun auf sich selbst besinnen müsse und auf ihre Aufgaben. Er sprach das Folgende [siehe S. 376].

Nach einer Geschäftsordnungsdebatte wird der Beschluß gefaßt, die Referate über die einzelnen Institutionen zu hören, da aus deren Begründung die Schwierigkeiten entstanden waren. Dr. Ungers Refe­rat über die Dreigliederungsbewegung des sozialen Organismus weist hin auf den Ausgangspunkt der Schwierigkeiten: die Zweige waren in Beschlag genommen worden für das Wirken im Sinne der Dreigliede­rung; aber die Arbeit der Anthroposophischen Gesellschaft war da­durch weitgehend zerstört worden. Die Folge jenes Wirkens in der Außenwelt war eine ungeheure Gegnerschaft, die sich nun auf die Anthroposophie und Dr. Steiner stürzte. In gutem Sinne gingen aus der Dreigliederungsbewegung hervor die aus sozialem Impuls begründete

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Waldorfschule, das Klinisch-Therapeutische Institut, die wissen­schaftlichen Institute, die Zeitschriften und der «Bund für freies Gei­stesleben» - auch die Bestrebungen des «Kommenden Tages», die freilich auf einen starken Widerstand in der Außenwelt stießen. Für die Gesellschaft gelte es nun, den Impuls zum Sozialen im Innern auszuwirken. In der sozialen Forderung liegt etwas, was mit der Umgestaltung des ganzen Menschen zusammenhängt und stetes Ar­beiten an sich selbst verlangt; für ihre Vertretung nach außen sind die Vorträge, die Dr. Steiner am Wiener Kongreß gehalten hat, als ein Beispiel maßgebend. - An der nun folgenden Diskussion beteiligen sich lebhaft die Proletarier.

Anläßlich des von einem Delegierten gestellten Antrags, man solle doch erst alle Referate anhören, bevor man mit der eben begonnenen Diskussion über das Gehörte fortfahre, bemerkt Dr. Steiner:

«Ich meine, man sollte wirklich darauf Rücksicht nehmen, daß wir zu einem fruchtbaren Ende kommen müssen. Es ist vielleicht tatsäch­lich so - obgleich das nicht gründlich genug betont worden ist-, daß von diesen drei Tagen das Schicksal der Gesellschaft abhängt. Kom­men wir in diesen drei Tagen nicht zu einem Ergebnis, so bleibt nichts anderes übrig, als daß ich mich selbst an jedes einzelne Mitglied der Gesellschaft wende, damit dies ausgeführt werde. Also, soll innerhalb der Gesellschaft aus ihr heraus eine Reorganisation stattfinden, so muß das in diesen drei Tagen geschehen. Wir sind in einer Anthroposophi­schen Gesellschaft: da hängt alles miteinander zusammen. Sie werden sich am besten ein Urteil bilden können und auch über die Dreigliede­rung reden können, wenn Sie alles gehört haben. Es greift alles inein­ander. Deshalb ist es am praktischsten, wenn Sie die Referate ablaufen lassen und sich ein Gesamtbild machen; dann kann eine fruchtbare Diskussion herauskommen, während so jeder Redner versucht sein wird, über jede Einzelheit zu sprechen - was zur Unfruchtbarkeit führt. Herrn Conrads Antrag ist praktisch: daß wir so schnell wie möglich die Referate ablaufen lassen, damit wir wissen, was in der Gesamtheit vorgegangen ist in Stuttgart.»

Der Antrag Conrad wird angenommen.

In dem Referat des Herrn Emil Leinhas über den «Kommenden Tag» schildert dieser die Entstehung der Aktiengesellschaften als den Versuch, einen Kernpunkt des assoziativen Wirtschaftslebens zu bil­den durch einen Zusammenschluß von Bank, Industrie und Landwirtschaft

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mit wissenschaftlich-geistigen Unternehmungen. Die Durch­führung der Idee im Großen scheiterte an dem mangelnden Ver­ständnis, das ihr von maßgebenden Kreisen des Wirtschaftslebens entgegengebracht wurde.

Es folgen Referate [siehe S. 392 ff.] über die freie Waldorfschule (Dr. Caroline von Heydebrand), über das Klinisch-Therapeutische Institut (Dr. Otto Palmer), das wissenschaftliche Forschungsinstitut (Dr. Rudolf Maier), die wissenschaftliche Bewegung (Dr. Eugen Ko­lisko>, ein Referat über das Verhältnis der Anthroposophie zu der Bewegung für religiöse Erneuerung (Dr. Herbert Hahn), eines über den «Bund für anthroposophische Hochschularbeit» (Dr. W. J. Stein). Die Referate nahmen ihren Fortgang auch am Dienstag, den 27. Fe­bruar. - Der die Verhandlungen einleitenden Ansprache des Vorsit­zenden folgte ein Referat über «Jugendbewegung und Anthroposo­phie» (Ernst Lehrs, Jena) und eines über die Gegnerschaft (Louis Werbeck, Hamburg); auch eines über den «Bund für freies Geistesle­ben» (Dr. Karl Heyer). Für die folgenden Diskussionen mußte die Redezeit auf zehn Minuten beschränkt werden. Einen dazwischen hineingeworfenen Antrag auf Neuwahl des Vorstandes beantwortete Dr. Steiner mit den folgenden Worten:

«Diese Versammlung ist hier zusammengekommen, um über das Schicksal der Gesellschaft zu entscheiden. Und es wäre wirklich not­wendig, daß die einzelnen Teilnehmer sich bewußt werden der Wich­tigkeit des Momentes. Die Anthroposophische Gesellschaft ist ganz gewiß kein Kegelklub. Man kann also unbedingt in der Anthroposo­phischen Gesellschaft nicht, bevor über die Verhältnisse, wie sie nun gegenwärtig sind, eingehend konferiert worden ist, auftreten mit der Prätention: es solle jetzt ein Vorstand gewählt werden. Das kann man in einem Kegelklub, aber nicht in der Anthroposophischen Gesell­schaft, wo vor allen Dingen Kontinuität notwendig ist. Es kann sich nur darum handeln, daß diese Versammlung zu Ende geleitet wird von denjenigen, die die führenden Persönlichkeiten in Stuttgart waren. Wie darüber diskutiert werden kann, in diesem Augenblick besonders, ist mir unverständlich. Wir kommen in ein absolutes Chaos hinein, wenn solche Anträge wie die des Herrn Dr. Toepel in solchem Augen­blicke fallen. Solche Anträge kann man überhaupt nur dann stellen, wenn man die Absicht hat, die ganze Versammlung in die Luft zu sprengen.»

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Der Antrag Dr. Toepel wurde abgelehnt.

Es wird weiter verhandelt über die Probleme der Jugend und des Proletariats bis zum Abend, wo Dr. Steiner den ersten seiner zwei Vorträge über die Bedingungen der «Anthroposophischen Gemein­schaftsbildung» hält. Er liegt im Wortlaut des Stenogramms gedruckt vor [GA 257] und sollte eingehend studiert werden. Besondere Beto­nung wird darin gelegt auf das Verstehen eines anders gearteten ge­meinschaftlichen Elementes, als es in den ursprünglichen menschli­chen Zusammenhängen vorhanden ist durch die Blutsbande zunächst, dann durch die Sprache und durch die Erinnerung an gemeinsame Erlebnisse. Eine mächtige, Menschen verbindende Beziehung entsteht durch einen gemeinsamen Kultus, wie er nun der Bewegung für reli­giöse Erneuerung gegeben worden ist. Der wahre Kultus vermittelt die Erinnerung an das vorirdische Dasein, auch dann, wenn diese Erinne­rung in den unterbewußten Tiefen der Seele bleibt. Kräfte aus den geistigen Welten werden in den lebendigen Bildern des Kultus hinun­tergetragen; die Kultushandlung ist dann nicht Sinnbild, sondern Kraftträger, weil der Mensch dasjenige vor sich hat, was zu seiner geistigen Umgebung gehört, wenn er nicht im irdischen Leibe ist. Dieses anders Geartete, was die Anthroposophische Gesellschaft als Grundlage zur Gemeinschaftsbildung braucht, liegt darin, daß sie nicht nur das Geheimnis der Sprache und der Erinnerung verstehen muß, welches im Gemeinschaftswesen das Verbindende ist, sondern noch auf etwas anderes im menschlichen Leben schauen muß. Zu diesem Verständnis kann uns ein Vergleichen des träumenden Zustan­des des Menschen mit dem wachen Zustande führen. In der Welt seiner Träume ist der Mensch isoliert, er ist da allein; wacht er auf, so wacht er bis zu einem gewissen Grade in eine menschliche Gemein­schaft hinein schon durch das Wesen seiner Beziehung zur Außen­welt: durch Licht und Ton, durch den Raum in seinen Wärme-Er­scheinungen und dem übrigen Inhalte der Sinnenwelt, durch das Äu­ßere der anderen Menschen, das was ihre Naturseite ist. Aber es gibt noch ein anderes Erwachen; dieses kann erfolgen durch den Ruf des Geistig-Seelischen im andern Menschen. Und hier beginnt das erste Verständnis für die geistige Welt. Wir mögen noch so schöne Bilder in der Isoliertheit des Traumes schauen, mögen Großartiges erleben in diesem isolierten Traum bewußtsein: das wirkliche Verständnis für Anthroposophie beginnt erst, wenn wir am Seelisch-Geistigen des

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andern Menschen erwachen. Und die Kraft zu diesem Erwachen kann erzeugt werden dadurch, daß in einer Menschengemeinschaft spiritu­eller Idealismus gepflegt wird. Wirklicher Idealismus ist dann vorhan­den, wenn - ebenso wie in der Kultusform die geistige Welt in die irdische hinuntergetragen wird - etwas, das der Mensch im Irdischen erkennen und verstehen gelernt hat, nun durch ihn ins Ideal erhoben wird. Er kann es ins Geistig-Übersinnliche erheben, und es wird lebendig, wenn er es in der richtigen Weise durchdringt mit Gemüt und wahrem Willensimpuls. Indem das ganze Innere von solchem Willen durchstrahlt wird, geht der Mensch, indem er die sinnliche Erfahrung idealisiert, den einer Kultushandlung entgegengesetzten Weg. Durch die lebendige Kraft, die er in die Gestaltung der Ideen vom Geistigen hineinlegt, erlebt er etwas Erweckendes, das ein Ge­genbild des Kultus ist: Es wird das Sinnliche ins Übersinnliche hinauf-erhoben. Wir müssen lernen durch unsere Seelenverfassung, mit unse­rem Herzen, eine wirkliche Geistwesenheit anwesend sein zu lassen in dem Raum, in welchem das Wort der Anthroposophie ertönt. Ge­meinsame reale Geistigkeit wird sich dann in die erwachte Seele hin­einsenken; sie muß aber aus den tiefsten Quellen des menschlichen Bewußtseins selbst hervorgerufen werden.

Anthroposophie ist unabhängig von jeder anthroposophischen Ge­sellschaft. Sie kann gefunden werden dadurch, daß Menschen aus dem Erwachen heraus, das sie aneinander erleben, sich zu Gemeinschaften verbinden; dann wollen sie aus spirituellen Gründen zusammenblei­ben. Wenn wir anthroposophische Impulse in voller Klarheit in unsere Herzen gießen, werden wir auch aus dem gegenwärtigen Chaos her­auskommen; sonst kommen wir immer tiefer in die Tragik dieses Chaos hinein. Zwei Menschengruppen in diesem Saale können sich nicht verstehen, aber beide wollen für Anthroposophie eintreten: das ergibt sich als die Realität des gegenwärtigen Zustandes. Da nun keine Möglichkeit sich gezeigt hat, die zwei Menschengruppen in der An­throposophischen Gesellschaft zu einem gegenseitigen Verständnis zu bringen, bleibt nur die eine Lösung übrig: In getrennten Organisatio­nen könnte jede Gruppe auf ihre Art weiterarbeiten. Man könnte sich dann gegenseitig gelten lassen, da man einander nicht mehr im Wege steht, und würde durch diese bloß organisatorische Trennung zur erstrebten Einheit und Brüderlichkeit gelangen können.

Dieser Vorschlag Dr. Steiners rief zunächst die größte Bestürzung

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hervor. Es war schwer, sich in das hineinzufinden, was etwas zu realisieren schien, das man vor allen Dingen befürchtet hatte: Die drohende Spaltung der Anthroposophischen Gesellschaft.

Der Vorsitzende bittet nun, die Diskussion dem anzupassen, was durch den Vortrag Dr. Steiners gegeben worden ist.

Zuerst betont Herr Uehli, daß, wenn er auch nicht mehr als Mit­glied des Zentralvorstandes spreche, er doch Ausdruck geben möchte dem, was er als seine Lebensaufgabe ansieht: in steter Treue und mit festem ehrlichem Wollen weiterzuarbeiten sowohl mit den jungen, neu hinzugetretenen Menschen als auch mit denen, die schon früher da waren und die historisch gewordene Gesellschaft repräsentieren. Er hofft, daß wenn dieser Weg von der Mitgliedschaft beschritten wird, dann auch die seit 1919 gegründeten verschiedenen Institutionen von allen gestützt und zu dem hingetragen werden können, wofür sie nötig sind.

Nach ihm ergreift Dr. Unger das Wort. Es ist nur billig, ihn als den hervorragendsten Repräsentanten der historisch gewordenen An­throposophischen Gesellschaft, der gerade dadurch dem Geltungs­trieb mancher neu Hinzugetretenen im Wege stand, hier persönlich zu Worte kommen zu lassen. Dr. Unger führte das Folgende aus [siehe S. 420].

Als dritter meidet sich Dr. Kolisko zum Wort. Zum Ausdruck bringt er darin den durch den Vorschlag Dr. Steiners in ihm ausgelö­sten Schrecken, fortan in zwei Gruppen in freundschaftlicher Weise miteinander zu arbeiten, statt sich in einer zu bekämpfen [siehe S. 422].

Darauf erwiderte Dr. Steiner: «Ich habe nur eine Bitte: Sie haben gesehen aus dem, was besprochen worden ist, daß wir morgen alle Veranlassung haben, über diejenigen Dinge zu sprechen, die zu einer Art Konsolidierung der Gesellschaft in der einen oder anderen Form führen. Ich sehe keine Notwendigkeit, daß gesprochen wird über solche Dinge, die in Ordnung sind, zum Beispiel das Referat über Eurythmie. Es muß damit begonnen werden, daß der bisherige Zen­tralvorstand seine Ansicht in kurzer Weise darlegt, so daß zu etwas Positivem gekommen werden kann. Ich sehe nicht ein, daß es notwen­dig ist, über die Dinge zu sprechen, die in Ordnung sind. Warum will man die Zeit damit ausfüllen und nicht endlich eingehen auf diejenigen Dinge, die in Ordnung gebracht werden sollen. Auf diese Notwendig­keit möchte ich hinweisen mit der Perspektive, daß ich Sie bitte, heute

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nacht oder morgen etwas zu überlegen und sich zunächst mit dem zu beschäftigen, was nötig ist: umzugestalten oder neuzugestalten.»

Im Namen des Neuner-Vorstandes, der an die Stelle des alten Zentralvorstandes nun getreten ist, gibt Dr. Unger folgende Erklärung ab [siehe S. 429].

Ein Vertreter der Jugendbewegung, Dr. H. Büchenbacher, spricht Dr. Steiner den Dank aus, daß er geholfen hat, eine Lösung zu finden, durch welche die Jugend ihre eigene anthroposophische Entwicklung weiterführen könne, ohne dazu beitragen zu müssen, daß ein Chaos, eine Atomisierung der Gesellschaft entstehe. Noch gestern habe es so ausgesehen, daß die Jugend der Anstoß zu dem war, was die Gesell­schaft in ein Chaos hätte hineinführen können. Nun könnte, neben dem, was als die historisch gewordene Gesellschaft dasteht, in einer gewissen Selbständigkeit ein Neues sich entfalten, was aber auch der ganzen anthroposophischen Bewegung dienen wolle. Nach Dr. Stei­ners Ansicht sei es ja möglich, daß ein und dieselbe Person in beiden Gruppen aktiv drinnen stände - das Alter spiele dabei keine Rolle-, die freundschaftliche Verbindung zwischen beiden Gruppen werde sich ergeben durch die Anthroposophie, und die jetzt so hemmende Opposition würde schwinden.

Dr. Kolisko will nun nicht mehr festhalten an seinen vorher aus­gesprochenen Einwänden, nachdem sich herausgestellt hat, daß die Spaltung keine «Spaltung», sondern eine Gliederung ist.

Auf die Ankündigung des Vorsitzenden hin, daß 55 Wortmeldun­gen und einige schriftliche Mitteilungen vorliegen, wird der Antrag gestellt, über das Programm der Neunerkommission abstimmen zu lassen. Nach einigen Wortäußerungen stimmt die Versammlung dem Programm einstimmig zu. Die Depression sei einem freudigen Gefühl gewichen, seit Dr. Steiner durch seinen Rat aus der Not herausgehol­fen hat. - Ein sogen. taktischer Vorschlag für dieses Zusammenleben zweier Familien unter einem Dach wird noch aus besorgter Seele gemacht: Wenn die drei verschiedenen Richtungen - Kunst, Wissen­schaft und Religion - unbeschadet der eigentlichen Leitung der Zweige mehr vertreten wären, so könnte dies Zusammenleben leichter sein.

Nach Schluß der Vormittagsdiskussion hält Dr. Steiner seinen zweiten Vortrag über die Bedingungen einer Gemeinschaftsbildung in der Anthroposophischen Gesellschaft [in GA 257].

Die nachfolgende Diskussion bewegt sich in der Hauptsache auf

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diesem Gebiet. Daneben finden noch Debatten statt über wissen­schaftliche Probleme und Besprechungen über die eventuelle Grün­dung einer freien Hochschule. Endlich erfolgt der große Augenblick, in welchem der Vorsitzende die Versammlung schließt mit einem Rückblick auf die schweren Sorgen, die den Anlaß zur Berufung dieser Delegiertenzusammenkunft gegeben haben; der Verlauf habe gezeigt, wie begründet diese Sorgen gewesen waren. Er spricht den Zuhörern den Dank aus für die bewiesene ernste Teilnahme an dem Geschick der Gesellschaft. Der tatkräftigen Hilfe Dr. Steiners sei es zu danken, daß man aus dem Chaos herausgekommen sei und mit Zuversicht in die Zukunft blicken könne. Aus der rechten Liebe zum Werke würde die Kraft zum rechten Tun erstehen.

Dr. Steiners Rat war gegeben worden auf Grund dessen, was ihm aus der Versammlung entgegengetreten war, und mit voller Berück­sichtigung dessen, was er als die Sphäre der menschlichen seelischen Freiheit gewahrt und beachtet wissen wollte. Deshalb auch mußten die Verhandlungen, die Auseinandersetzungen so endlos lange dauern, durften nicht jäh abgebrochen werden; sie sollten zur Einsicht führen, nicht zu aufwallenden Emotionen und zu Majoritätsbeschlüssen. In weiser Voraussicht der menschlichen Schwäche, die nur durch wieder­holte neue Ansätze und stete Bereitwilligkeit, den Willen zu läutern und die Irrtümer einzusehen, Unzulänglichkeiten überwindet, hat er das prophetische, aber so selbstverständliche Wort gesprochen: Für einige Jahre würde es nun wieder gehen! Man würde wenigstens nun wieder arbeiten können. - Und mit der ihm gewohnten Energie ging er jetzt, wo man hoffen konnte, daß die Angelegenheiten der Gesell­schaft in Deutschland in die richtigen Bahnen gelenkt würden, an die Arbeit des neuen Aufbaus der internationalen Gesellschaft, dem als Grundlage die einzelnen Landesgesellschaften dienen sollten.

#TI

«Was wollte das Goetheanum und was soll die Anthroposophie?»

Weiteres Wirken in der Schweiz und Stuttgart

Reise nach Prag und Norwegen

Die internationale Delegiertentagung in Dornach

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Über die Ereignisse der Stuttgarter Delegiertenversammlung berichtet Dr. Steiner in Dornach am 2., 3. und 4. März [in GA 257].

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Was sonst von Anfang März bis Ende Juni von Dr. Steiner in Dornach gesprochen wurde, trägt uns mit machtvollem Flügelschlag empor, über die Mühen und Schmerzen des Alltags hinaus zu kosmi­schen Weiten, zu den glanzvollen Taten des Geistes, die das geschicht­liche Werden auf Erden überstrahlen und impulsieren und sich spie­geln in dem, was unser Bindeglied ist mit der geistigen Welt: der Kunst. Diese neuen Dornacher Vortragsserien beginnen mit den eso­terischen Betrachtungen über: «Die Impulsierung des weltgeschichtli­chen Geschehens durch geistige Mächte» (11. bis 23. März [GA 222]). Sprache und Musik, sie bringen uns in Beziehung zu den geistigen Mächten, schaffen zwischen Einschlafen und Aufwachen eine Ver­bindung unseres Astralleibes und Ich mit den Hierarchien; ihre Einwirkungen aber auf das irdische Geschehen spiegeln sich in den historischen Ereignissen, die ja Abbilder sind von übersinnlichen Taten.

Eine Reise nach Stuttgart bringt neue Anregungen für die Pädago­gik (25.-29. März); das Gegebene liegt uns vor in den Vorträgen:

«Pädagogik und Kunst», «Pädagogik und Moral» [in GA 304 a]. - Am 31. März begannen in Dornach die esoterischen Betrachtungen über den «Jahreskreislauf und die vier großen Festeszeiten des Jahres» [GA 223], die insbesondere den Auferstehungsgedanken herausarbeiten und am 8. April ihren vorläufigen Abschluß fanden. Am 13. wurde ein weiterer geistiger Höhepunkt erklommen in den Ausführungen über «Die Wiedergewinnung des lebendigen Sprachquells durch den Christus-Impuls» [in GA 224], die den Ausblick auf ein künftiges Michaelfest eröffnen.

Inzwischen war auch Bern besucht worden. Im Zweige dort sprach Dr. Steiner über «Schicksalsgestaltungen in Schlafen und Wachen, uber die Geistigkeit der Sprache und die Gewissensstimme» [in GA 224]. Am S. April hat er im Großratssaal von Bern, am 9. in Basel den öffentlichen Vortrag gehalten: «Was wollte das Goetheanum und was soll die Anthroposophie?». Der Text des Basler Vortrages ist enthalten in dem Band gleichen Titels [GA 84].

Nun tritt in Dornach, neben den Arbeitervorträgen und einleiten­den Worten zu öffentlichen Eurythmie-Aufführungen, wieder die Pädagogik in ihre Rechte. Ein Ferienkurs findet statt für Lehrer und pädagogisch Interessierte (14.-22. April): acht Vorträge, die erschie­nen sind unter dem Titel: «Die pädagogische Praxis vom Gesichtspunkt

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anthroposophischer Menschenerkenntnis. Die Erziehung des Kindes und jüngeren Menschen» [GA 306]. Es wurde dabei im speziellen über die Schulführung gesprochen.

Im Anschluß an den Kursus für Lehrer und pädagogisch Interes­sierte hielt Dr. Steiner die anthroposophischen Abendvorträge so, daß sie auch für diejenigen verständlich sein konnten, welche sich erst unlängst zur Anthroposophie eingefunden hatten. Sie geben einen Überblick über das menschliche Leben in seiner Vollständigkeit, in Schlafen und Wachen. Alles, was bisher zusammengetragen worden war von den verschiedensten Seiten her, um das Seelenleben des Men­schen zu beleuchten: wie es aus dumpfem Keimeszustand sich heraus-entwickelt, zum Spiegel wird der in Bildern sich entfaltenden Vorstel­lungen, um sich allmählich in der Denkfähigkeit bewußt zu ergreifen und endlich darin aufzuwachen durch lebendige, innerlich sich re­gende Gedanken - es wird hier umgestaltet zu einer Erkenntnispraxis, zu einer Wissenschaft des über dogmatische Grenzen hinauswachsen-den Seelenlebens. Der Weg ist genau charakterisiert, der jedem einzel­nen durch methodisches Üben von innen heraus die Möglichkeit geben kann, wenn er nur will, das Passive des sich spiegelnden Den­kens zu überwinden, es zu aktiver Regsamkeit umzugestalten. Und das ist etwas, was nicht nur der Philosoph, der Wissenschafter braucht, um den kulturellen Niedergang zu überwinden, sondern vor allem auch der Künstler, wenn er das schöpferische Element ergreifen will, in dem die Kunst wurzelt und allein gedeihen kann. Vor allem auch braucht es der Lebenskünstler, der die Erziehung des werdenden Menschen zu seiner besonderen Aufgabe gemacht hat.

In der Darstellung dieses Erkenntniswegs durch das Wachwerden der Denktätigkeit ist eine lebendige Grundlage gegeben, nicht nur für die Einsicht in die Wesensgliederung des Menschen, sondern auch für sein Hineingestelltsein in die Totalität des Universums. Wie die einzelnen Glieder der Menschennatur zusammenhängen mit den ent­sprechenden Welten des Universums, wird hier von innen heraus geschildert.

Diese fünf Vorträge, die eine wirksame Ergänzung bilden zu den in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und «Die Stu­fen der höheren Erkenntnis» gegebenen Inhalten sind gedruckt in dem Band «Was wollte das Goetheanum und was soll die Anthropo­sophie?» [GA 84].

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Am 22. April fand die Generalversammlung der schweizerischen Landes gesellschaft statt, während welcher der Beschluß gefaßt wurde, die nötigen äußeren Schritte zu tun, um den Wiederaulbau des Goe­theanum zu sichern [siehe S. 477ff.]. Die innere Möglichkeit dazu war geschaffen worden durch die bewußtseinsweckende und moralisch aufbauende Tätigkeit Rudolf Steiners. Sein unermüdliches Eingehen auf die Bitten der ihn einladenden fernen Zweige hatte jenes verbin­dende Gemeinschaftsgefühl herausgebildet, das die Mitglieder nach Dornach als dem Mittelpunkt ihres geistigen Strebens schauen ließ, an dem sie immer wieder suchen würden sich zu stärken. Im Grunde wuchs die Form der Reorganisation der durch den Weltkrieg ausein­andergerissenen Gesellschaft wie selbstverständlich hervor aus den real vorhandenen Kräften: der überragenden Geistigkeit Rudolf Stei­ners, der damals gegebenen Weltlage und dem Seelenbedürfnis der Mitglieder, auch örtlich an der Stätte selbst jener Kunst, Wissenschaft und Mysterienerkenntnis verbindenden Wirksamkeit einen gemeinsa­men Treffpunkt zu haben. Es galt nur noch von allen vorhandenen Umständen ein klares Bild zu haben, das jedem einzelnen ermöglichte, aus objektiv eingestellter Seelenklarheit heraus den Willen zum Mittun an der menschheitsfördernden Tat zu entwickeln.

Über Stuttgart, das mit seinen vielen Anliegen immer dringlich auf Dr. Steiner wartete, ging es nun nach Prag. Dort waren Verhandlun­gen vorgesehen im Hinblick auf die Gründung einer tschechischen Landesgesellschaft. Neben den öffentlichen Vorträgen über «Die See­lenewigkeit im Lichte der Anthroposophie» (am 27. April) und über «Menschenentwicklung und Menschenerziehung im Lichte der An­throposophie» (am 30. April) [beide in GA 84], neben den einleitenden Worten zur Eurythmie-Aufführung im großen, voll ausverkauften Deutschen Theater (Sonntag-Matinee am 29. April) hielt Dr. Steiner im Zweige die so bedeutenden Auseinandersetzungen über des Men­schen Entwicklung im ersten Kindesalter und der Arbeit der Hierar­chien an ihm im vorgeburtlichen Leben. Diese zwei Vorträge vom 28. und 29. April dringen tief herein in das Geheimnis der Sprache; sie gipfeln in Ausführungen über das Mysterium von Golgatha und sind gedruckt in dem Band: «Die menschliche Seele in ihrem Zusammen­hang mit göttlich-geistigen Individualitäten. Die Verinnerlichung der Jahresfeste» [GA 224]. Ein Stenogramm über die Verhandlungen, welche die Gesellschaftsfragen betreffen, liegt uns nicht vor, wohl aber

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die kurze Ansprache, mit welcher Dr. Steiner auf die ihn begrüßenden Worte der dortigen Freunde antwortete [siehe S. 134].

Am 2. Mai hält Dr. Steiner bereits wieder in Stuttgart seinen für die Sprachgestalter überaus wichtigen Zweigvortrag, der als Broschüre den Titel trägt: «Der individualisierte Logos und die Kunst, aus dem Worte den Geist herauszulösen» [in GA 224]. Am S. Mai, vor seinem eigentlichen Thema «Die geistige Krisis des 19.Jahrhunderts», gibt er in Dornach Bericht über die Arbeitstage von Prag [siehe S. 136].

Anschließend an den Dornacher Bericht über die Arbeitstage in Prag sprach Dr. Steiner auch noch am 6. Mai über die geistige Krisis im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts [in GA 225], die von der kritischen Betrachtung über den Roman «Auch Einer» des sogenannten Schwa­ben-Vischer, des bekannten Ästhetikers, ausging. Und am 7. Mai, zu Himmelfahrt, erhalten wir als Festesgabe den Vortrag «Der Osterge­danke, die Himmelfahrtsoffenbarung und das Pfingstgeheimnis» [in GA 224]. Der Festbetrachtung folgte noch am 7. und 9. Mai ein Arbeitervortrag [in GA 349]. Als Kuriosum wirken, wenn man sie in der Rückschau betrachtet, aber vielleicht doch bezeichnend für all die Dinge, denen Dr. Steiner seine Sorgfalt zuteil werden lassen mußte, die Schlußworte des Vortrages für Mitglieder, die sich auf den Wächterdienst jener beziehen, welche seit dem Brande das Amt des Wachens über die uns noch gebliebene Arbeitsstätte übernommen hatten [siehe S. 137].

Kaum eine Woche konnte Dr. Steiner in Dornach wirken, dann gingen wir über Stuttgart und Berlin nach Norwegen.

Der Aufenthalt dort dauerte vom 14. bis zum 21. Mai mit täglich mehreren Veranstaltungen: In Kristiania (Oslo) gibt es zwei halböf­fentliche pädagogische Vorträge; sechs Zweigvorträge, wiedergegeben in der Schrift: «Menschenwesen, Menschenschicksal und Weltent­wicklung» [GA 226]; eine Ansprache im Vidar-Zweige über Gesell­schaftsfragen, anläßlich der vorzunehmenden Gründung der Landes-gesellschaft; zwei Eurythmie-Vorführungen; zwei halböffentliche Vorträge über «Anthroposophie und Kunst. Anthroposophie und Dichtung» [in GA 276]; eine Pfingstbetrachtung: «Weltenpfingsten, die Botschaft der Anthroposophie» [in GA 226] - und anderes mehr. Erwähnt sei bei diesem schnellen Überblick, der die stenographisch festgehaltenen Vorträge rubriziert, daß neben unzähligen Gesprächen mit Besuchern auch manche andere Veranstaltungen in das überfüllte

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Tagesprogramm eingefügt werden mußten. - Die Ansprache Dr. Stei­ners bei der Generalversammlung der Vidargruppe am 17. Mai ist uns erhalten [siehe S. 469].

Über die nordische Reise berichtete Dr. Steiner nur kurz, einleitend seinen ersten Vortrag in Dornach [siehe S. 143], nachdem er, über Berlin und Stuttgart zurückkehrend, am 27. Mai hier eingetroffen war. In Berlin hatte am 23. Mai neben einer Eurythmie-Aufführung ein Zweigvortrag stattgefunden über die Art des Erlebens des Menschen im Schlafe und Wachen, über die Festeszeiten und das Herannahen der Michaelkraft. Gedruckt ist dieser Vortrag unter dem Titel «Die Rätsel des inneren Menschen» [in GA 224]. - Stuttgart hatte seine vielen Sorgen anderer Art, die Dr. Steiner voll beanspruchten.

Und nun sprach Dr. Steiner [in Dornach] über die Eigenart der verschiedenen Kulturepochen in ihrer Verbindung mit Kunst, beson­ders über das alte Griechentum, und über die Urkunst: die Sprache. In den an diesen Vortrag sich schließenden Betrachtungen über «Das Künstlerische in seiner Weltmission, der Genius der Sprache und die Welt des sich offenbarenden strahlenden Scheines» (27. Mai bis 9.Juni [GA 276]) gab er wohl das Tiefste, das Umfassendste, was je über Kunst gesagt worden ist.

Auch die Vorträge für die Arbeiter am Goetheanum sollen erwähnt werden, die von 1922 an immer wieder in Dornach stattfanden. Sie sind von einem ganz eigenartigen bildenden Wert und enthalten die auf Fragen hin gegebenen Ausführungen Dr. Steiners über verschie­dene die Arbeiter interessierende Themata. Sie überraschen durch die Frische und Unmittelbarkeit ihres Tones.

Indessen hatten die Wünsche der auswärtigen Mitglieder, ein zwei­tes Goetheanum aufgerichtet zu sehen, immer festere Gestalt ange­nommen und sich mit den dahingehenden Bestrebungen der Schwei­zer Mitglieder verbunden. Die am 10.Juni in Dornach abgehaltene Generalversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz faßte, anknüpfend an einen Vorschlag, der enthalten war in einem Briefe des 8.Juni «An die Zweige in allen Ländern» von der Anthroposophischen Gesellschaft in Großbritannien, den Beschluß, für Ende Juli eine Versammlung von Delegierten aller Länder nach Dornach zu berufen. Aus diesem gemeinsamen Beschluß sollten der ersehnte Wiederaufbau des Goetheanum und die dazu notwendigen finanziellen Maßnahmen hervorgehen. Den Verhandlungen der Generalversammlung

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der schweizerischen Landesgesellschaft am 10.Juni [siehe S. 512] schlossen sich an die acht Vorträge über «Die Geschichte und die Bedingungen der anthroposophischen Bewegung im Verhält­nis zur Anthroposophischen Gesellschaft» [GA 258]. Sie dauerten bis zum 17. Juni. Am Morgen des 17. Juni fand die denkwürdige General-Versammlung des Goetheanum-Bauvereins statt, zu welcher Dele­gierte in großer Anzahl herbeigeströmt waren. Die Ansprache Dr. Steiners war eine tief zu Herzen gehende [siehe S. 547].

Jetzt war es wieder notwendig geworden, Stuttgart zu besuchen. Thema des an die üblichen Belange sich schließenden Vortrags vom 21.Juni war: «Unser Gedankenleben in Schlafen und Wachen und im nachtodlichen Dasein» [in GA 224]. Er gab eine Darstellung von der Dualität im Menschen, der zugleich Himmelssprosse und irdischer Keim ist und wie sich beides ausdrückt im Nervensystem einerseits und im Blutsystem andrerseits. Der Vortrag ist soeben erschienen und dürfte besonders interessieren. Er gipfelt in der Schilderung jener Region des leiblichen Seins, welche die Möglichkeit gibt, die menschli­che Freiheit zu realisieren.

Bei dieser Gelegenheit wurde auch der tiefgehende Unterschied zwischen der theosophischen und der anthroposophischen Bewegung erörtert und das hervorgehoben, worauf es in der anthroposophischen Bewegung ankommt.

Am 24.Juni konnte in Dornach eine doppelte Johanni-Feier statt­finden, mit einleitenden Worten über die Johanni-Stimmung zur Eurythmie-Vorführung, und abends mit dem nun auch veröffent­lichten Vortrag: «Der geschärfte Johanni-Blick» [in GA 224].

Am 29.Juni erlebten wir die uns alle tief ergreifende Kremations­feier des so hingebungsvoll für das Goetheanum wirkenden zweiten Vorsitzenden des Bauvereins, Hermann Linde, des an der großen Kuppel des Goetheanum tätig gewesenen Malers, welchem, man kann es wohl sagen, die Brandkatastrophe das Herz gebrochen hat. Auch am Abend hielt Dr. Steiner zu seinem Gedächtnis eine Betrachtung über das Leben nach dem Tode und unsern Verkehr mit den Toten [in GA 261]. - Bei einer nun folgenden pädagogischen Tagung der Schweizer Lehrer sprach Dr. Steiner am 30.Juni und am 1.Juli über das Thema: «Wozu eine anthroposophische Pädagogik?», veröffent­licht in «Anthroposophische Menschenkunde und Pädagogik» [GA 304 a]. Der Abendvortrag des 1.Juli hatte zum Inhalt: «Die Verfassung

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unserer Zivilisation» [in GA 225]. Wiederum folgte Stuttgart mit den täglichen Besuchen in der Waldorfschule, der Betreuung der Gesellschaft und der Inspektion der wissenschaftlichen Institute und Forschungslaboratorien. Der mit jenem vom 21.Juni im selben Band enthaltene Vortrag vom 4. Juli [in GA 224] knüpfte Betrachtungen an über das lebendige und tote Denken und betonte die Notwendigkeit des Vordringens zu einer wirklichen Seelenlehre. Ausgehend von Mauthners «Kritik der Sprache» erörtert Dr. Steiner die geistigen Grundlagen des menschlichen Seelenlebens, die Realität von Denken, Fühlen und Wollen, die unserer Zeit verlorengegangen ist, so daß nur das abstrakte Wort geblieben ist. Bei aller Anerkennung der wissen­schaftlichen Verdienste einiger hervorragender Zeitgenossen, wie Rubner und Schweitzer, bei voller Würdigung des bedeutenden Wer­kes von Albert Schweitzer «Verfall und Wiederaufbau der Kultur» zeigt Rudolf Steiner an einigen ihren Werken entnommenen Beispie­len die Ohnmacht des heutigen Denkens gegenüber dem Kultur-niedergang unserer Zeit.

Nur hingewiesen kann darauf werden, daß vom 11. bis 14.Juli in Stuttgart auch noch den Priestern der Christengemeinschaft das gege­ben wurde, was sie zum weiteren Ausbau der Bewegung für religiöse Erneuerung fähig machte.

In Dornach hatte am 6.Juli eine neue Vortragsserie begonnen, die erschienen ist in dem Band «Drei Perspektiven der Anthroposophie» [GA 225]. In ihr wurde der Unterschied herausgearbeitet zwischen der westlichen, der mitteleuropäischen und der östlichen Volksgeistigkeit; die Betrachtung gipfelt in dem erschütternden Vortrag vom 15. Juli über das irdische Astralgebiet in der Ural- und Wolgagegend.

Und nun gelangen wir, vorbei an tiefschürfenden Ausführungen in den einleitenden Worten zur Eurythmie, an manchen interessanten Arbeitervorträgen, zu den Verhandlungen der besonders stark be­suchten internationalen Delegiertenversammlung vom 20. bis 23.Juli und den im Anschluß an jene wichtigen Verhandlungen abends gehal­tenen, aufschlußreichen drei Vorträgen über die «Drei Perspektiven der Anthroposophie». Die während jener Verhandlungen gesproche­nen, ernst mahnenden Worte Dr. Steiners finden sich in diesem Band [siehe S. 593]. Der Wiederaufbau des Goetheanum war nun sicherge­stellt. Im dritten Vortrag der «Drei Perspektiven» sprach Dr. Steiner im Namen der Anthroposophie seine tiefste Befriedigung aus über

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dasjenige, was mit Bezug auf den Wiederaufbau des Goetheanum auf dieser Tagung verhandelt worden war.

Der Entschluß zum Wiederaufbau des Goetheanum wurde von der gesamten in Dornach zusammengeströmten anthroposophischen Mit­gliedschaft gefaßt - von der gesamten Gesellschaft also durch ihre bevollmächtigten Vertreter. Mit neuer Freude, wenn auch mit neuen Sorgen, sollte an die Arbeit herangetreten werden.

#TI

Anthroposophische Impulse müssen ein Erwachen bewirken

gegenüber dem Kulturschlaf der Menschheit

#TX

Jetzt, wo an die Errichtung eines zweiten Goetheanum-Baues gedacht werden mußte, wandte sich Dr. Steiner wiederum mit besonderer Innigkeit den Aufgaben der Kunst zu. Die Hauptaufgabe der Anthro­posophie der Kunst gegenüber sah er in ihrer Wiedervereinigung mit den Kräften des Weltalls. Aus dem Geiste urständet sie und ließ den Menschen im Bilde das Göttliche erfühlen. Als die Naturwissenschaft im Sinne des intellektualistischen Denkens herrschend wurde, mün­dete auch die Kunst in den Naturalismus hinein. Allmählich ging auch ihr der Zusammenhang mit dem Weltall verloren, das zu einem mecha­nisch sich auswirkenden Gebilde von rotierenden Kugeln geworden war. Die Kunst verlor ihre Bedeutung durch den sie beherrschenden Materialismus; denn die Natur selbst kann ja nicht durch das Abbild überboten werden, und die Trivialitäten des Lebens können nicht auf die Dauer die Seele befriedigen. Barbarisierung der Kultur durch den im Sinnenfälligen verbleibenden Naturalismus ist die Folge. Wenn die Kunst nicht über die Natur dadurch hinauswächst, daß sie deren schaffendes Prinzip in sich aufnimmt und auf dem Wege des seelischen Erlebens sich wieder hinaufrankt zu geistigen Höhen, wenn sie die irdische Realität nicht zur Idealität zu heben vermag, so muß sie verkommen. Auf die unendliche Bedeutung der Kunst als eines Weges zum Geist wies Dr. Steiner immer wieder hin. Kunst, Religion und Wissenschaft mußten wieder vereinigt werden, so wie es im alten Mysterienwesen der Fall gewesen ist. Diesem Zwecke hatte das Goe­theanum dienen wollen. Feindliche Mächte hatten es zerstört. Nun sollte ein zweiter Versuch gewagt werden.

An dem moralischen Fonds der Gesellschaft hatte Dr. Steiner seit

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Monaten unermüdlich gearbeitet. Er konnte hoffen, daß nicht unge­hört dieser sein Ruf geblieben sei, der die Seelen immer wieder zum Erwachen aufforderte, zum Bewußtsein dessen, was sie der Welten-lage schuldig waren und was sie in die Welt hinaustragen mußten, um dem Niedergang der Kultur entgegenzuarbeiten. Jetzt, da der neue Bau in Angriff genommen werden sollte, wandte er sich wiederum von den wissenschaftlichen und philosophischen Problemen, die in den vorangegangenen Monaten besonders intensiv behandelt worden wa­ren, zu immer tiefer greifenden Aufklärungen über das alte Mysterien-wesen und der daraus hervorgegangenen Kunst. Schon während der Delegiertenversammlung hatte er, da er mit den Anthroposophen als einem Publikum rechnen konhte, das die nötigen Vorbedingungen zum Verstehen intimerer geistiger Nuancen hatte, anläßlich einer Eurythmie-Aufführung manches bis dahin noch nicht Ausgespro­chene sagen können über das im Weltall wurzelnde Weben der Spra­che. Es ist uns erhalten unter dem Titel: «Die imaginative Offenbarung der Sprache» [in GA 277]. Dann, nach der Delegiertentagung, gab er neben den sorglich betreuten Arbeitervorträgen einen Zyklus von drei Vorträgen über die Geheimnisse des Planetensystems [in GA 228]. Mehr konnte der knappen Zeit vor der neuen Reise nicht abgerungen werden, aber dieser kurze Zyklus gibt eine Grundlage für die Stim­mung, die in den Seelen herrschen muß, wenn sie in das Wesen der Mysterienunterweisung dringen wollen.

Diese drei Vorträge schlossen mit dem Appell, alles sektiererische Einspinnen zu überwinden, damit Anthroposophie in der rechten Weise die Menschheitsentwicklung weiterführen kann [siehe S. 162].

«Aus der Sektiererei herauskommen», das mußte Dr. Steiner auch jetzt und immer wieder betonen. Weitherzigkeit gegenüber den Be­dürfnissen und Forderungen der Welt, nicht sich einspinnen, sondern offene Augen haben für die Umgebung: dieses war es, was er in jenem Schicksalsjahr 1923 auch als die notwendige Grundlage betrachtete, um den ihn immer wieder bedrängenden Bitten der Mitglieder stattge­ben zu können: wiederum in geschlossenem Kreise gemeinsame esote­rische Arbeit zu beginnen, ähnlich derjenigen, die vor dem Weltkriege stattgefunden hatte, aber während dessen Dauer und der Nachkriegs­zeit als nicht in Frage kommend von ihm bezeichnet wurde [GA 264 und 265]. Denn die dämonisch durchwühlte Astralsphäre des irdi­schen Gebiets mache dies unmöglich; es würde sozusagen dadurch

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den Haßdämonen Gelegenheit gegeben, sich Einfallstore in den Seelen zu öffnen. Auch sonst sind die Menschen nie mehr den Einflüsterun­gen oder ablenkenden versuchenden Gedanken ausgesetzt als in sol­chen Stunden der gemeinschaftlichen Konzentration, die eine Kathar­sis bedeuten können, aber wo das in den Seelen noch vorhandene Böse und Widerspruchsvolle sich noch aufbäumt, bevor es weicht, die Elementarwesen sozusagen sich ballen. Nicht umsonst hat es gehei­ßen, daß die Klöster oft wie belagert werden von Dämonen. - Den über den Verzicht Klagenden antwortete Dr. Steiner: Auch wir hätten an dem Menschheitskarma mitzutragen; ihm könnten wir uns nicht entziehen. Desto wachsamer soll der einzelne seine Meditation durchführen. - Denen, die in der Nachkriegszeit Dr. Steiner immer wieder baten, die gemeinsame esoterische Arbeit wieder aufzuneh­men, gab er den Bescheid: Lernet erst miteinander auskommen. Erst müßt Ihr lernen an einem Tische sitzen. Dann erst kann man gemein­sam esoterisch arbeiten.

Langsam und allmählich versuchte er so durch Schaffung eines moralischen Fonds Künftiges vorzubereiten, das er zu geben beab­sichtigte und das eine Zusammenfassung alles dessen werden sollte, was in den vielen esoterischen Betrachtungen, die als Zyklen vor­liegen, in seinen Einzelerscheinungen auseinandergelegt ist.

#TI

Arbeitswochen in England

#TX

Die Reise nach England brachte Erlebnisse mannigfaltigster Art. Sie begann mit dem pädagogischen Kursus in Ilkley, einer kleinen Stadt in Yorkshire, der vom S. bis zum 17. August dauerte und dessen Inhalt als Buch unter dem Titel «Gegenwärtiges Geistesleben und Erzie­hung» [GA 307] in mehreren Auflagen erschienen ist. Dr. Steiner gab darüber bei seiner Rückkehr nach Dornach einen eingehenden Be­richt,[*] der auch den mit dieser Gegend verbundenen Stimmungsge-halt vermittelt, wo in schwarzen Städten seelenverwüstender Indu­strialismus sich nackt darlebt und daneben in der grünen Einsamkeit hochgelegener Moore die Spuren alter Geistigkeit überraschend auf­tauchen.

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[*] Dieser sich nicht auf Gesellschaftliches beziehende Bericht, Dornach, 9. September

1923, wird in der Gesamtausgabe künftig in GA 228 erscheinen.

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Diesem der Pädagogik gewidmeten Zyklus folgte vom 18. bis zum 31. August der rein anthroposophische in Penmaenmawr, der uns erhalten ist in dem Buche «Initiations-Erkenntnis. Die geistige und physische Welt- und Menschheitsentwickelung in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, vom Gesichtspunkt der Anthroposophie» [GA 227]. Es fanden auch mehrere, zum Teil noch nicht bekannte Ansprachen Dr. Steiners statt, die hier ihren Platz finden mögen, da sie immer wieder neue, überraschende oder wesentliche Gesichtspunkte enthalten - solche manchmal, die nirgends sonst notiert sind.

Nach seiner Begrüßung durch die Veranstalter der Tagung in Penmaenmawr hielt Dr. Steiner folgende Ansprache.[*]

Schon am Vormittag des nächsten Tages fand der erste Kursvortrag statt, eröffnet durch die hochgeschätzte Pädagogin und soziale Für­sorgerin Miss McMillan, von deren Wirksamkeit im Berichte Dr. Steiners noch die Rede sein wird. Am Nachmittag folgte eine Diskus­sion der Mitglieder über die anthroposophische Arbeit in England, zu der Dr. Steiner gebeten wurde, das Wort zu ergreifen. Er sagte dazu das Folgende, das auch uns manche Richtlinien geben kann [s. S. 170].

Die nächsten Abende waren der Aussprache über das inzwischen aufgenommene Weisheitsgut gewidmet. Dr. Steiner wurde gebeten, Fragen zu beantworten, mit denen man verstandesmäßig nicht ganz fertig wurde. Er ging gern darauf ein.[ ]

#TI

Die Kunst und ihre künftige Aufgabe

Farben, Sprache, Eurythmie

#TX

Die Kursvorträge nahmen ihren Fortgang an den Vormittagen, die Diskussionen und Referate der Mitglieder an den Abenden. Am Abend des 24. August sprach Dr. Steiner, im Anschluß an den Vortrag von Baron Rosenkrantz, über Farben und die Aufgaben der Kunst [in GA 284] und schloß mit den Worten: «Das aber [wie die Natur zu schaffen,] ist auch das wahre künstlerische Schaffen, und auf das werden alle Künste in der Zukunft mehr oder weniger zurückkom­men. Das war das künstlerische Schaffen in allen großen Kunstepochen.

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­[*] Die Begrüßungsansprache, Penmaenmawr, 18. August 1923, wird in der Gesamtaus­gabe künftig in GA 227 erscheinen.

[**] Die Antworten sind innerhalb der Gesamtausgabe vorgesehen für einen Band «Gesam­melte Fragenbeantwortungen» .

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Und das ist es, was ja auch entgegengeleuchtet hat in allen einzelnen Ausführungen des ausgezeichneten Vortrages des Baron Rosenkrantz. Das ist, was Sie überall da besonders sehen können, wo neue künstlerische Impulse in der Erdenentwickelung auftauchen. Von diesen neuen Impulsen bekommt man dann den Mut und die Hoffnung, daß wirklich aus dem, was in der Geisteswissenschaft erlebt werden kann, neue Kunstformen hervorgehen können. - Wie die Eurythmie daraus hervorgegangen ist, werde ich mir dann erlau­ben, in einem besonderen Vortrag, der ja angesetzt werden soll, der gewünscht worden ist, noch auszuführen. Dabei werde ich vielleicht zu dem heute Gesagten noch einzelnes hinzufügen können.»

So war man an Dr. Steiner herangetreten mit der Bitte, auch Nähe­res über die Kunst der Eurythmie und ihr Entstehen mitzuteilen. Am

26. August gab er einen kurzen Überblick über deren Entstehung und skizzierte ihre grundlegenden Gesetze, die in dem Elemente des Uber­sinnlichen ruhen und das ganze menschliche Wesen erfassen. Wir finden diesen Vortrag abgedruckt als Einleitung zu dem Buche «Eurythmie als sichtbarer Gesang» [GA 278].

#TI

Therapeutische Prinzipien und Heil-Eurythmie

#TX

An einem der nächstfolgenden Abende war der Wunsch, mit dem man an Dr. Steiner herantrat, er möge über die aus der anthroposophischen Weltanschauung herausgewachsenen therapeutischen Prinzipien sprechen. Der ziemlich lange Vortrag, den er darüber hielt, ist in dem Band «Anthroposophische Menschenerkenntnis und Medizin» [GA 319] abgedruckt.

Am 31. August verabschiedete sich Dr. Steiner von den Veranstal­tern und Teilnehmern des Kurses [Seine Abschiedsworte werden in der Gesamtausgabe künftig in GA 227 erscheinen].

#TI

Neukonstituierung der

englischen Anthroposophischen Gesellschaft

#TX

Schon in Penmaenmawr waren manche Fragen über die Neukonstitu­ierung der englischen Anthroposophischen Gesellschaft besprochen worden. Jetzt in London stand diese im Mittelpunkt des Geschehens.

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Am 2. September fand in London die Generalversammlung der «Bri­tish Anthroposophical Society» statt. Die Fragen, die an Dr. Steiner gerichtet wurden, beantwortete er in einer auch für uns richtungge­benden Weise. Seine Ausführungen sind uns im Stenogramm erhalten [siehe S. 603].

Im Zweige fand am selben Tage der Vortrag statt, der schon vor einiger Zeit erschienen ist als esoterische Betrachtung: «Der Mensch als Bild geistiger Wesen und geistiger Wirksamkeiten auf Erden» [in GA 228]. Wie in Fortsetzung der Beantwortung einer Frage, die schon in Penmaenmawr gestellt worden war, sprach Dr. Steiner über die Bedeutung des Schlafzustandes für die Entwicklung des Ich im Men­schen: da taucht seine Seele unter in die Sternenwelt. Im irdischen Dasein ist das Ich zunächst Lebensfinsternis, Nichtdasein, nur ein Hinweis auf das wahre Wesen. Es ist der Mensch auf Erden nur das Bild desjenigen, was von seinem wahren Wesen niemals ins Erdenda­sein hinunterkommt. Aber auch in seinem Organismus wirken die Hierarchien. Sie gaben ihm ein dumpfes kosmisches Bewußtsein, das als instinktive Hellseherkraft in einer älteren Menschheit lebte. Durch das Mysterium von Golgatha kann nun der Mensch in Freiheit ein neues kosmisches und Ichbewußtsein erwerben. Mit einer Meditation zur Gewinnung des Ich schließt diese Betrachtung.

Auch medizinische Vorträge für Arzte wurden veranstaltet am 2. und 3. September [in GA 319]. Es sei dabei zugleich hingewiesen auf den nicht selten, nein - oft eintretenden Fall, wo Dr. Steiner drei, bisweilen sogar vier Vorträge an einem Tage halten mußte.

Von den Freunden in London nahm Dr. Steiner Abschied mit den Worten [siehe S. 177].

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Dr. Steiner über die Arbeit

und die Reiseeindrücke in England

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In Dornach konnte Dr. Steiner am 9. September den Bericht über die Reise und den Aufenthalt in England geben; dieser Bericht läßt in der schönsten Weise die mannigfaltigen Eindrücke wieder erstehen, an denen jene Zeit so reich war. [In der Neuauflage von GA 228.]

Der Vortrag des 10. September war wiederum ein Höhepunkt in der Darstellung kosmisch-menschlicher Zusammenhänge, des Inein­andergreifens himmlischer Weisheit und der sich ihr öffnenden Menschenseele,

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die zuletzt, «sich selbst erschaffend stets, sich selbst ge­wahr wird».[*] Dieses Einstrahlen des Geistig-Göttlichen in die ir­disch-menschliche Sphäre ist der Inhalt jener Betrachtung, die das kosmisch-irdische Werden und seine Metamorphose zum Selbstbe­wußtsein hin in der Zeit zwischen Johanni und Michaeli bildhaft schildert, aber im Zauber der alten Druidenkultur, unter dem unmit­telbaren Eindruck jener Berggipfel von Wales mit den Überresten alt­heiliger Kultstätten - herb, steingrau und urweltnah, aber sonnen­durchleuchtet und von jetzt noch spürbarer innerer Kraft. Die dazwi­schenfahrenden Windstöße und heftigen Wolkenbrüche geben dem am Himmel aufsprühenden Glanz immer neuen Reiz und verkünden die Sieghaftigkeit der Sonne, trotz der gegen sie ankämpfenden Gewal­ten. Und in dem tiefen warmen Violett des die Berghänge hinunterflu­tenden Heidekrauts, das seinen Farbengruß dem unten schäumenden Meere sendet, trinkt die Seele Erquickung.

Auch dieser Vortrag ist uns erhalten und wird demnächst erschei­nen unter dem Titel: «Die Sonnen-Initiation des Druidenpriesters und seine Mondenwesen-Erkenntnis» [in GA 228].

#TI

Tagung der Landesgesellschaft in Deutschland

#TX

In Stuttgart fand vom 13. bis 17. September im Siegle-Haus die erste Tagung der Ende Februar begründeten Anthroposophischen Gesell­schaft in Deutschland statt. In der Einladung dazu waren ihre Ziele wie folgend umschrieben [siehe S. 615].

An drei Abenden (14., 15., 16.) hielt Dr. Steiner Vorträge über das Thema «Der Mensch in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft» [in GA 228]. Die Anwesenden begrüßte er mit den Worten [siehe S. 625].

Es folgte eine Darstellung des menschlichen Wesens, wie es sich entfaltet hat in einer gewissen Vergangenheit, wie es dasteht in der unmittelbaren Gegenwart, und wie sich seine Perspektiven ergeben für die Zukunft der menschlichen Entwicklung auf unserem Erden-planeten.

Von Dr. Unger wurde der «Entwurf der Grundsätze» zur Diskus­sion gestellt [siehe S. 635]. Die Versammlung beschloß, dem Vorstand

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[*] Aus «Anthroposophischer Seelenkalender» von R. Steiner.

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seine weitere Bearbeitung und seine Übermittlung an die Dornacher Tagung zu überlassen.

Von solchen Gesichtspunkten ausgehend, vollzog sich innerhalb der Mitgliedschaft in Deutschland die Vorbereitung für die in Dorn-ach in den Weihnachtstagen auf neuer Basis zu vollziehende Begrün­dung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft.

#TI

Von Dornach nach Wien und zurück über Stuttgart

#TX

Aus der Arbeit der Septembertage in Dornach sei, neben den Arbeiter-vorträgen, noch erwähnt die Feier zur Erinnerung der damals vor zehn Jahren erst stattgefundenen Grundsteinlegung des uns verlorenen Baues mit einem Bericht über die Stuttgarter Tagung [siehe S. 639]. Ihr folgten am 22. und 23. September Schilderungen der verschiedenen Bewußtseinszustände des Menschen im Schlafen und Wachen und Betrachtungen über wissenschaftliche Werke der Gegenwart [in

GA 225].

Das nächste Reiseziel war Wien, wo die Gründung der österreichi­schen Landesgesellschaft stattfinden sollte. Diesem Gesellschaftsge­schehnis ging der Vortragszyklus für Mitglieder voran, der als «An­throposophie und das menschliche Gemüt» [in GA 223] zugänglich ist. Auch ein Vortrag für Ärzte konnte gehalten werden [in GA 319]. Am 26. war der erste, am 29. der zweite öffentliche Vortrag, bei starkem Andrang im großen Saal des Konzerthauses. Die zwei Vor­träge sind erschienen [in GA 84].

Bei der Gründungsversammlung der österreichischen Landesge­sellschaft ergriff Dr. Steiner nicht das Wort. Erst nach seinem am Abend gehaltenen letzten Mitgliedervortrag nahm er Bezug auf den am Nachmittag stattgefundenen Zusammenschluß der österreichi­schen Zweige zu einer Landesgesellschaft [siehe S. 657].

Wie liebevoll Dr. Steiner überall in das Wesen der Dinge und Menschen eindringt, auch dann, wenn er Dinge sagen muß, die zum Wachsein aufrufen, die nicht schmeicheln und gewinnen wollen, son­dern erziehen, kann man in dieser Ansprache als an einem Beispiel sehen.

Am S. Oktober gab Dr. Steiner in Dornach einen kurzen Bericht über die Wiener Tage [siehe S. 182], um dann zu jenen Vorträgen

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überzugehen, die bekannt geworden sind unter der Bezeichnung: die Erzengel-Vorträge [GA 229].

Zu den gewaltigsten Eindrücken, diewirdurchdasWortRudolfStei­ners erlebt haben, gehören die nun folgenden Schilderungen der dem Jahreskreislauf einverwobenen Erzengel-Imaginationen. Nachdem sie anläßlich der großen Feste als Beigabe für das Mitteilungsblatt jedem Mitglied zugänglich gemacht worden sind, werden sie, auf vielfache Wünsche hin, nun auch als esoterische Betrachtungen und schöne Festesgabe erhältlich sein unter dem Titel «Das Miterleben des Jahres­laufes in vier kosmischen Imaginationen» (5.-13. Okt.) [GA 229].

Am 15. Oktober sprach Dr. Steiner auch in Stuttgart über das mit dem Jahreslauf zusammenhängende imaginative Leben, über das meteori­sche Eisen und das zu erneuernde Michaelfest in dem Vortrag über die Michael-Imagination. Geistige Meilenzeiger imJahreslauf [in GA 229]. Für die Waldorflehrer hielt er zwei Vorträge über die zusammenschau-ende Menschenerkenntnis als Quell der Phantasie des Erziehers und über die innerhalb der verschiedenen Zivilisationen im Laufe der Zeit auftretende Erscheinung des Gymnasten, des Rhetors, des Doktors und ihre notwendige Synthese für die Gegenwart [in GA 302 a]. Am 19. konnte er in Dornach die wunderbare Serie der esoterischen Betrachtun-gen beginnen über den inneren Zusammenhang von Welterscheinung und Weltwesen, die bekannt geworden sind unter dem Titel: «Der Mensch als Zusammenklang des schaffenden, bildenden und gestalten­den Weltenwortes» [GA 230]. Sie wurden fortgeführt bis zum 11. No­vember. Wesenhaft ersteht da vor unserm Seelenauge die gesamte vielgestaltige Natur in ihrer Bildhaftigkeit, ihrem Gestaltungstrieb und Schaffensdrang, im Reichtum ihres Sprießens und Sprossens, und zersprüht, löst sich auf in Geistigkeit - wie es ja in einem Spruche Dr. Steiners heißt: «Der Geist schmilzt im Weltenweben, die Erdenschwere zu Zukunftlicht.» [in GA 261].

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Tagung in Holland

Gründung der holländischen Landes gesellschaft

Jahresausklang in Dornach

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Notwendigkeit des tätigen Wirkens innerhalb der Anthroposophischen Gesell­schaft, um sie zu etwas Realem zu machen. Interesse haben, erwachen zu dem, was

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in der Welt vorgeht, ist notwendig, damit die anthroposophische Bewegung ein Instrument an der Gesellschaft haben kann. Anthroposophie pocht an unsere Herzen, um uns den wahren Menschen zu bringen. Der historische Durchgang der modernen Zivilisation durch die Schwelle zur geistigen Welt.

Am 12. November erfolgte, anläßlich der bevorstehenden Grün­dung der dortigen Landesgeselischaft, die Reise nach Holland. Schon am 13. November beginnt im Haag der Zyklus der fünf esoterischen Betrachtungen «Der übersinnliche Mensch, anthroposophisch erfaßt» [GA 231], ein wichtigstes Studienmaterial. Die öffentlichen Vorträge jener Zeit sind: «Anthroposophie als Zeitforderung» und «Anthropo­sophie als menschlich-persönlicher Lebensweg» [in GA 231] sowie zwei Vorträge über Pädagogik [in GA 304 a]. Für Ärzte konnten wieder zwei Vorträge stattfinden über «Anthroposophische Men­schenerkenntnis und Medizin» [in GA 319].

Die einleitenden Worte, die Dr. Steiner vor Beginn des internen Vortragszyklus an die Mitglieder richtete, die sich auf die ihm zuteil gewordene herzliche Begrüßung beziehen [siehe S. 663], sowie die Worte, mit denen er am Schlusse der Zweigvorträge im Haag von den Mitgliedern Abschied nahm [siehe S. 681], sie sind wie der gesamte Vortragszyklus eine Zielsetzung im Hinblick auf das, was als leitender Gedanke die mannigfaltigen Betrachtungen des Jahres 1923 durch­zieht: Wir haben den Menschen verloren. Wie finden wir ihn wieder?

Über die Verhandlungen während der Gründung der Landesgesell­schaft liegen uns leider keine Stenogramme oder Notizen vor.[*] Der Bericht, den Dr. Steiner darüber am 23. November in Dornach gab, enthält das Wesentliche dessen, was er an allen Orten, in denen er sprach, in die Herzen der Mitgliedschaft hatte schreiben wollen - und was, richtig in der Empfindung aufgenommen und willensmäßig durchgetragen, die für Weihnachten vorgesehene Gründung der Inter­nationalen Anthroposophischen Gesellschaft mit dem Mittelpunkt in Dornach als einen lebendigen Faktor in den Dienst der Menschheits­evolution stellen soll.

Diesem Bericht wurden noch folgende Worte, überleitend zu dem eigentlichen Vortrag, angefügt:

«Nun wollen wir, meine lieben Freunde, die Zeit, die uns hier für Vorträge innerhalb dieses Goetheanum vor den Weihnachtswochen

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[*] Heute liegen Notizen davon vor; siehe Seite 664.

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bleibt, so gestalten, daß jene Mitglieder, die hier in Dornach in der Erwartung leben, daß die Weihnachtswoche kommt, möglichst viel in sich tragen können, was die anthroposophische Bewegung in die Herzen der Menschen hineinzubringen vermag. So daß auch wirklich gerade diejenigen, die bis Weihnachten hier verbleiben werden, in ihren Gedanken etwas zu sagen haben werden gerade über das, was noch in letzter Stunde jetzt geschehen kann. Nicht werde ich etwa über die Internationale Anthroposophische Gesellschaft sprechen, das wird in ein paar Stunden erledigt werden können während der Ver­sammlung selber. Aber ich werde nun doch versuchen, diese Betrach­tungen so anzulegen, daß sie auch für die Stimmung, die dann sein sollte, etwas werden abgeben können. Was ich schon in den letzten Wochen hier ausgeführt habe, werde ich von einem anderen Aus­gangspunkte aus zu erreichen suchen. Ich werde heute einmal damit beginnen, vom Seelenleben des Menschen selber aus zu einem Durch­schauen der Weltengeheimnisse zu gelangen.»

Dieses Versprechen wurde in überreichem Maße gehalten. Nach dem mit so viel Selbsthingabe durchgeführten Versuch, die Mitglied­schaft moralisch zu ertüchtigen, sie zu einem scharfen Verantwor­tungsgefühl zu erwecken für die aus der Entgegennahme solcher Im­pulse ihr erwachsenden Pflichten gegenüber der Mitwelt, entströmte der geistigen Gebefreudigkeit Dr. Steiners eine unendliche Fülle kos­mischer und historischer Überblicke, die den lückenlosen Zusammen­hang ergeben von irdischer Naturgesetzmäßigkeit und menschlichem Seelenleben mit den im Übersinnlichen wirkenden Mächten des Welt­alls. Immer tiefer wurde eingedrungen in die Geheimnisse einer von innen heraus durchleuchteten Naturerkenntnis. Es konnte die uralte Weisheit einer Prüfung durch das neu errungene Verstandesdenken freimütig unterzogen werden: die objektiven Tatsachen ergeben den Wahrheitsbeweis. Es können diese Wahrheiten einer die Vergangen­heit und Zukunft zugleich ergreifenden geistigen Offenbarung see­lisch abgetastet und innerlich erfühlt werden durch gleichsam neu sich regende Bewußtheitskräfte. Dem Kriterium einer unvoreingenomme­nen Wissenschaft frei sich aussetzend, bot sich der Verstandeserkennt­nis zugleich ein großartiges, kosmisch-geschichtliches Bild von der Metamorphosierungsfähigkeit der menschlichen Seele unter dem Ein­fluß und der weisen Führung des in graue Urzeit hineinreichenden Mysterienwesens, welches diese Entwicklung leitete. Auch die Mysterienstätten

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waren in ihrem Werden und Wirken dem historischen Wandel unterworfen, dem Gesetz der Blüte, der Reife und des Ver­falls; doch der Lebensstrom, der ihre verschiedenen Ausdrucksformen durchzog, rann im Verborgenen weiter bis in unsere verdunkelte Zeit.

Diese Zyklen müssen im Wortlaut gelesen werden. Ihnen entnom­mene Stichworte könnten nur ihre Wirkung schwächen, ihnen den lebendigen Geist auslöschen. Die «Mysteriengestaltungen» [GA 232] schließen sich organisch an den Zyklus «Der Mensch als Zusammen-klang des schaffenden, bildenden und gestaltenden Weltenwortes »[GA 230] und führen hinüber zu den die Weihnachtstagung einleiten­den esoterisch-geschichtlichen Betrachtungen: «Die Weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung und als Grundlage der Erkenntnis des Menschengeistes» [GA 233].

Die Arbeiter am Goetheanum durften noch Einblick erhalten in die Geheimnisse der unmittelbaren Natur durch einen auf ihre Bitte hin ihnen gehaltenen Kursus über die Bienen [in GA 351].

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Rückblick

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Ein Kreislauf war abgeschlossen. Ausgehend im Beginn des Jahres von der Erkenntnis der äußern Natur, hatte Rudolf Steiner seine Zuhörer in ihre tiefen Geheimnisse hineinblicken lassen und damit in die ver­borgenen Untergründe des Kosmos, aus denen heraus die Natur erst erkannt werden kann. Die mechanistische Naturwissenschaft von heute hatte uns den Menschen verlieren lassen, den Menschen, der die Zusammenfassung der Weltenrätsel ist. Diesen übersinnlichen Men­schen in uns, den wir verloren haben, müssen wir wiederfinden. Er ließ die Gestalten der im vergeblichen Geistesringen sich verzehrenden Opfer einer verdunkelten Zeit an unserm Seelenauge vorbeiziehen. Ihr Ringen war nicht vergeblich, denn nur durch solches für die gesamte Menschheit stellvertretend vollzogene Ringen läßt sich der schöpferi­sche Geist gleichsam durch das Tatgebet der Seele herunterzwingen, öffnet sich der Menschheit die entgegenströmende Gnade. Auch das Negative gebiert zuletzt das Positive, wenn es selbstlos ist, wenn es aus Ehrlichkeit kämpft. Die Verzweiflung zog den Retter heran, der zum Werkzeug der sich hinabsenkenden Offenbarung wurde, ihn, der das vollkommene Rüstzeug des irdischen Wissens besaß und in voller

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Selbstlosigkeit sein individuelles Sein der Menschheit zu opfern bereit war. Der Schwere dieser Rettungstat hat er sich nicht entzogen, wie schwach und ungenügend auch das Menschenmaterial war, mit dem er arbeiten mußte. Trotz der ihm entgegentretenden Dürftigkeit der Begabungen oder Schwäche der Seelen sah er das Streben des einzelnen Ich, sah die Sehnsucht der Seelen, über sich selbst hinauszuwachsen. Und dieser Seelenfiamme gab er die spirituelle Nahrung, auf daß sie wachse und sich der Menschheit mitteile, nicht in sich verlösche. Ein nie ermüdender Erzieher der Menschheit, hütete er dieses heilige Feuer, rief es immer wieder zu wacher Tätigkeit auf, wenn es zu verglimmen drohte. Oft schien die träge Masse des Stoffes den Schwung der Seelen zu lähmen, es schien die Gewalt des Widerstandes von seiten der die äußere Welt beherrschenden Mächte den Sieg da­vonzutragen. Doch wer mit den Kräften der Zukunft arbeitet, weiß, daß auch die geistige Saat - nicht nur die irdische -, um aufsprießen zu können, erst ihren Weg durch das Chaos und den Tod nehmen muß. Das Chaos erleben wir. Die geistige Tat Rudolf Steiners sieht ihrer Auferstehung in der Zukunft entgegen.

II Aus der Arbeit für den Wiederaufbau des Goetheanum und die Neubildung der Anthroposophischen Gesellschaft

#G259-1991-SE057 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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II

Aus der Arbeit für den Wiederaufbau des Goetheanum

und die Neubildung der Anthroposophischen Gesellschaft

Soll ein Wiederaufbau zustande kommen, so ist dazu eine starke Anthroposophische Gesellschaft notwendig; denn ohne diese wäre ein Wiederaufbau nicht möglich. Also es muß einfach eine Konsoli­dierung, eine innere Festigung, ein deutliches Wol­len der Anthroposophischen Gesellschaft zustande kommen.

Rudolf Steiner, Dornach, 9. Februar 1923

#Bild a s.058

#Bild b s.058

INTERVIEW MIT BASLER ZEITUNGSKORRESPONDENTEN

ÜBER DEN BRAND

Montag, 1. Januar 1923, 14 Uhr

«Ein Interview bei Dr. Steiner»

aus dem Bericht über den Brand im Morgenblatt der Basler

«National-Zeitung» vom Dienstag, 2. Januar 1923

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Wir sitzen im Sekretariat der Villa Friedwart, von der aus die Verbin­dung mit den Anthroposophen der ganzen Welt hergestellt wird. Da tritt unser Schweizer Dichter Albert Steffen ins Zimmer, und wie wir den Wunsch, mit Dr. Steiner selbst zu sprechen, geäußert hatten, hat er auch schon das Telephon ergriffen. Die zustimmende Antwort klingt herüber, und unter seiner Führung betreten wir wenige Minuten später das Haus des viel umstrittenen Mannes, dessen Werk, das sichtbare wenigstens, auf das er 10 Jahre unermüdlicher Arbeit ver­wandt, in einer Nacht zerstört wurde. Er empfängt uns in seinem kleinen Zimmer, dessen bildlose Wände ein tiefes violettes Blau über-spannt. Wir setzen uns an den Rundtisch aus altem Nußbaumholz. Das durchfurchte Gesicht des wohl Sechzigjährigen Zeigt Energie und Selbstbeherrschung. «Ich will Ihnen nur Tatsachen berichten», antwortete er auf unsere Fragen.

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Die Brandursache.

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Von all den Gerüchten mit ihren Drohungen schweige ich. Wichtig ist, daß das Feuer, das wohl schon zwei Stunden hinter der Wand in der Konstruktion des Innern sich entwickelte, nicht durch Kurzschluß oder irgendwelche Unvorsichtigkeit verursacht war. Die Sicherungen waren durchweg intakt. Die Lichter brannten unverändert weiter. Die Leitungen lagen in feuersichern Stahlpanzerrohren. Gerade an jener Stelle, an der es brannte, fanden sich keine Leitungen. Wohl aber stellten wir fest, daß schon um 7Uhr die Dame, die jenes anstoßende Zimmer benützte, den Spiegel heruntergeworfen und zerschlagen fand, der ganz in der Nähe der späteren Feuerstelle hing. Jenes Zimmer konnte unkontrolliert leicht betreten werden, um so leichter, als ein Hilfsgerüst an der Mauer das Einsteigen auch vom Erdboden aus

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bequem ermöglichte. Die angeführten Tatsachen weisen aufBrandle­gung von außen hin.[*] Dieser Verdacht wurde von vielen Menschen aus der Umgebung des Goetheanums in Dornach und Arlesheim ausgesprochen.

Auf unsere Frage:

«Wie denken Sie sich die Weiterarbeit!?»

antwortete Dr. Steiner: Wohl ist das unter unerhörten Opfern in 10 Jahren gemeinsam mit meinen Mitarbeitern in und außerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft geschaffene Werk vernichtet. Aber die Arbeit geht unentwegt weiter. Heute abend um 5 Uhr findet im Vortragssaale der Schreinerei das [Drei-]Königsspiel und anschlie­ßend daran ein weiterer Vortrag für die Kursteilnehmer statt. Was den Bau anbetrifft, so sind wir nun so weit wie vor 10 Jahren, nur an Erfahrungen reicher.

«Gedenken Sie, wieder zu bauen?»

Unbedingt. Das Gebäude ist, soweit ich mich erinnern kann, um 3,5 Millionen bei der Brandassekuranz des Kantons Solothurn versichert. Davon entfallen 2600000 auf den hölzernen Oberbau und 900000 Fr. auf den Betonunterbau. Dazu kommt die Versicherung bei der «Hei­vetia» für das wertvolle Mobiliar, Orgel, Harmonium, Klaviere und sehr kostbare Perserteppiche. Die Summe ist freilich nur der vierte Teil des Aufwandes, zumal wenn man die künstlerische Arbeit der vielen einrechnet, die sie als Mitglieder unserer Gemeinde jahrelang geleistet hatten. Ich werde also anders und bescheidener bauen müssen, auch nicht mehr aus Holz. Aber die künstlerische Grundtendenz bleibt.

«Werden Sie auch die freiwilligen Mitarbeiter wieder erhalten?»

Wenn es bekannt wird, was hier geschah und daß wir wieder bauen, so kommen die Leute aus der ganzen Welt wieder von selbst und werden mir zur Seite stehen.

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[*] Am 25. Mai 1924 sagte Rudolf Steiner in Paris: «Es ist aber eine behördlich anerkannte Tatsache, daß das Goetheanum von den Gegnern in Brand gesetzt worden ist.« (Vgl. GA 260a «Die Konstitution...«)

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ERSTE WORTE AN DIE MITGLIEDER

NACH DEM BRANDGESCHEHEN

Dornach, Montag, 1. Januar 1923, 17 Uhr

vor der Aufführung des Dreikönigsspiels

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Meine lieben Freunde! Der große Schmerz versteht zu schweigen über dasjenige, was er fühlt. Und deshalb werden Sie mich auch verstehen, wenn ich ganz wenige Worte nur, bevor wir das Dreikönigsspiel beginnen, zu Ihnen spreche.

Das Werk, welches durch die aufopfernde Liebe und Hingabe zahlreicher für unsere Bewegung begeisterter Freunde innerhalb von zehn Jahren geschaffen worden ist, ist in einer Nacht vernichtet wor­den. Es muß selbstverständlich gerade heute der schweigende Schmerz aber empfinden, wie viel unendliche Liebe und Sorgfalt unserer Freunde in dieses Werk hineingetan worden war. Und dabei möchte ich es zunächst, meine lieben Freunde, eigentlich bewenden lassen.

Ich möchte nur sagen, daß nun auch für das Werk, das allerdings eine allzu kurze Zeit noch schien, als ob es ein Werk der Rettung werden könnte und für welches wiederum die hingebungsvollste auf­opferungsvollste Arbeit, sogar zuweilen recht gefährliche Arbeit von manchem unserer Freunde geleistet worden ist, der allerinnigste Dank gebührt, der ausgesprochen werden kann aus dem Geiste unserer Bewegung.

Da wir von dem Gefühl ausgehen, daß alles dasjenige, was wir innerhalb unserer Bewegung tun, eine Notwendigkeit innerhalb der gegenwärtigen Menschheitszivilisation ist, so wollen wir das, was beabsichtigt ist, in dem Rahmen, der uns noch gelassen worden ist, möglichst fortführen und deshalb auch in dieser Stunde, wo sogar noch die uns so sehr zum Schmerze steigenden Flammen draußen brennen, jenes Spiel aufführen, das im Anschluß an diesen Kurs ver­sprochen war und auf das unsere Kursteilnehmer rechnen.

Ebenso werde ich heute abend um acht Uhr hier in der Schreinerei den angesetzten Vortrag halten. Gerade dadurch wollen wir zum Ausdruck bringen, daß selbst das eigentlich wirklich nicht in Worten, mit Worten zu schildernde Unglück, das uns getroffen hat, uns nicht niederschmettern soll, sondern daß uns der Schmerz gerade dazu

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auffordern soll, dasjenige, was wir als unsere Pflicht ansehen, weiter, soweit uns dazu die Kraft verliehen ist, zu vollbringen.

Von diesem Gesichtspunkte aus, meine lieben Freunde, nehmen Sie zu den beiden anderen Weihnachtsspielen, die aus wirklichem Volks­tum herausgeschöpft sind, auch dieses Dreikönigsspiel hin, das wir aufführen, trotzdem wir natürlich heute nicht in der Lage waren, die rechten Proben zu halten. Sie werden das berücksichtigen müssen, aber ganz gewiß auch in dieser schmerzlichen Zeit zu berücksichtigen die Neigung haben.

Nur diese wenigen Worte wollte ich, bevor wir mit unserer Auffüh­rung beginnen, zu Ihnen sprechen. Es soll ja nicht ein Schaustück sein, das wir aufführen, sondern es soll dasjenige sein, durch das nun - als in seiner Kunst - sich einstmals das Volk zu seinem Heiligsten erhoben hat. Und wenn man gerade das berücksichtigt, so wird es durchaus nicht unangemessen befunden werden können, gerade auch aus dem tiefsten Schmerz heraus diesen heiligen Ernst vor unsere Seele treten zu lassen.

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Dornach, Montag, 1. Januar 1923, 20 Uhr

vor dem Abendvortrag

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Meine lieben Freunde! Schon heute nachmittag erlaubte ich mir hier zu sagen, wie ja der tiefste Schmerz nicht nach Worten suchen kann, um sich auszudrücken. Insbesondere dann aber ist es vielleicht nicht notwendig, nach Worten zu suchen, wenn dieser Schmerz, wie es ja hier der Fall ist, tief miterlebt wird. Ich brauche ja auch hier nur Zu sagen, was ich schon heute nachmittag bei anderem Anlasse gesagt habe: daß aus diesem Schmerz heraus wirklich der innige Dank kommt an die zehnjährige Arbeit, welche hier unsere lieben Freunde in harmonischem Zusammenarbeiten geleistet haben zu einem idealen Werke, einem Werke, dessen Bestimmung ja hier des öfteren ausein­andergesetzt worden ist. Und wenn daran gedacht wird, in welch hingebender Weise unsere Freunde gestern gearbeitet haben, um die ja leider nicht zu erringende Rettung der Sache zu bewirken, dann darf wohl dasjenige, was mit diesem nun zugrunde gegangenen Goethe­anum verbunden ist, in die Worte gefaßt werden: Seine Freunde haben es in Liebe geboren, in Liebe heranwachsen sehen, aber nun auch in Liebe sterben sehen müssen.

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Der innige Dank selbstverständlich muß allen denjenigen Freunden ausgesprochen werden, die gestern in so hingebungsvoller Weise gear­beitet haben.

Aber vielleicht darf doch bei dieser Gelegenheit in Einleitung mei­nes heutigen Vortrages etwas gesagt werden. Vielleicht darf ich daran erinnern, wie ich in einem Vortrage, den ich hier am 23.Januar 1921 gehalten habe, darauf hinweisen mußte, welche Formen des Hasses, der Verleumdung, die Gegnerschaft gegen das Goetheanum angenom­men hat und daß von dieser Gegnerschaft doch alles zu erwarten ist [in GA 203].

Nun, meine lieben Freunde, selbstverständlich ist es in dieser Stunde durchaus nicht meine Absicht, irgendwie auf dasjenige, was dazumal oder sonst gesagt worden ist, zurückzukommen und wie­derum viel darüber zu sprechen. Aber vielleicht dürfen wir doch zwei Dinge heute zusammenhalten: Das eine ist, daß ja gestern um die Zehnte Stunde herum, eine halbe Stunde nach Beendigung meines letzten Vortrages in dem gewesenen Goetheanum, gemeldet worden ist: Rauch im weißen Saal! - Daraufhin eilten ja unsere Freunde, unter ihnen Herr Aisenpreis und Herr Schleutermann, über die Treppen des Südflügels hinauf, und Herr Schleutermann hat sich dabei gesundheit­lich sehr angegriffen, so daß er dann, als ich auf den Brandplatz kam, ohnmächtig gefunden worden ist. Herr Schleutermann war also derje­nige, der in den qualmenden Saal hineinkam, von dem Rauch einen Erstickungsanfall bekam. Herr Aisenpreis ging dann die Treppen herunter und sah nach in den Zimmern, die zwei Treppen tiefer liegen, und konnte dort konstatieren, wie überhaupt das Feuer angelegt wor­den ist: Als die auf die Terrasse nach außen führende Wand eingeschla­gen wurde, kamen aus der Konstruktion, also aus dem Innern der Wand, die Flammen heraus. Da in den Zimmern, die dabei in Betracht kamen, kein Feuer war, auch keine Gelegenheit, daß dort Feuer hätte entstehen können, so war es klar oder ist es klar, daß von den Zim­mern, an deren Außenwand nach der Terrasse hin das Feuer aufgelo­dert ist - daß von diesen Zimmern und überhaupt vom Innern des Goetheanum aus das Feuer ja nicht hat kommen können. Daher weisen alle Indizien darauf hin, daß das Feuer von außen gekommen ist. Es muß also durchaus indizienmäßig eine Brandstiftung angenom­men werden.

Nun, mit dem möchte ich zusammenhalten dasjenige, was ich

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gesagt habe in jenem Vortrag vom 23.Januar 1921 [GA 203], wo ich hingewiesen habe auf die Broschüre einer Astrologin - ich glaube, sie heißt Elsbeth Ebertin -, die aus allerlei von ihr zusammengeträumten Gestirneinflüssen mir alles mögliche Schlimme prophezeite. Ich habe dazumal, und zwar in vollem Ernste den Ausspruch getan: Mit den Gestirneinflüssen wird es sich schon dabei bewenden lassen, daß man den Kampf wird aufzunehmen haben. - Aber in dieser Broschüre, die ja nicht einmal unfreundlich geschrieben war, wenn auch nicht beson­ders klug, fand sich eine Mitteilung aus einer Veröffentlichung, welche gegen das Goetheanum gerichtet war, die von der Astrologin zur Kenntnis genommen worden war. Und dieser Mitteilung in der astro­logischen Broschüre konnte ich dazumal die folgenden Worte entneh­men. - Sehen Sie, ein besonders haßerfüllter Gegner wird hier ange­führt, der folgendes sagt: «Geistige Feuerfunken, die Blitzen gleich nach der hölzernen Mäusefalle zischen, sind also genügend vorhan­den, und es wird schon einiger Klugheit Steiners bedürfen, versöhnend zu wirken, damit nicht eines Tages ein richtiger Feuerfunke der Dor­nacher Herrlichkeit ein unrühmliches Ende bereitet.»

Vielleicht darf ja in diesem Zusammenhange auch wieder einmal jene Versammlung erwähnt werden, die ja hier in der Umgebung gehalten worden ist, in der ein Redner die Worte gebraucht hat, die er an «Jung-Solothurn» richtete: «Schare dich zusammen! Stürme auf das Goetheanum!» - Das schließt sich an dasjenige an, was ich eben dazumal mitteilen mußte darüber, wie ja tatsächlich in der Welt der Gegner davon gesprochen wurde, daß, wenn es nicht mit irgendeiner Klugheit abgemacht würde, die versöhnend wirkt, so würde eines Tages ein richtiger Feuerfunke der Dornacher Herrlichkeit ein un­rühmliches Ende bereiten.

Ich möchte nur diese zwei Tatsachen, jene, die sich gestern zugetra­gen hat, und jene, die ich dazumal so erleben mußte, heute wiederum zusammenstellen als gewissermaßen historische Tatsachen, ohne in diesem Augenblick irgendeinen Zusammenhang selbstverständlich behaupten zu wollen. Aber es darf doch vielleicht auf dieses merkwür­dige Zusammentreffen hingewiesen werden - so daß schließlich nicht anders gesagt werden kann als: Der Brand ist von außen gekommen -und auf die Aufforderung oder das Voraussehen, die dazumal fielen:

daß der Feuerfunke der Dornacher Herrlichkeit ein unrühmliches Ende bereiten könne.

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Jedenfalls mußte dazumal auf eine Eventualität hingewiesen wer­den, die einmal, wie man annehmen mußte, Wirklichkeit werden könne.

Meine liehen Freunde! Ich habe schon heute nachmittag gesagt: In dem, was uns noch von unseren Dornacher Räumlichkeiten geblieben ist, sollen stattfinden die angekündigten Vorträge und sonstigen Handlungen, sonstigen Vorführungen und dergleichen für unsere Freunde, welche zum Teil von recht weit hergeeilt sind, um anderes hier zu erleben als die Vernichtung des Goetheanum. Um sie unseren Freunden bieten zu können, müssen wir eben - gerade in diesen Tagen

- daran denken, daß wir aus dem Schmerze heraus die Kraft finden müssen, an unserem Ziele, an dem, was wir so tief in der Entwick­lungsgeschichte der Menschheit begründet finden, um so intensiver und energischer zu arbeiten.

Brief von Dr. Emil Grosheintz, Vorsitzender des Vereins des Goetheanum,

an Rudolf Steiner

Dornach, 2.Jan.1923

Hochverehrter Herr Dr. Steiner.

Der Vorstand des Vereins des Goetheanum betrachtet es als selbstver­ständlich, daß unverzüglich der Aufbau des Goetheanum in Angriff ge­nommen wird. Er wünscht Herrn Dr. Steiner die unbedingte Bereitwillig­keit hiezu auszudrücken und hält es für wünschenswert, daß sich sofort eine über den Rahmen des Vereins des Goetheanum und seines Vorstan­des hinausgehende Körperschaft, deren Zusammensetzung den Intentio­nen des Herrn Dr. Steiner entsprechen sollte, mit den weiteren Schritten

befaßt. Im Auftrage des Vorstandes

Der Vorsitzende

Dr. E. Grosheintz

P. S.

Wenn es Herrn Dr. Steiner genehm ist, könnte nächsten Freitag um 3 Uhr eine erweiterte Vorstandssitzung stattfinden.[*]

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[*] Vermutlich handelt es sich um die am Samstag, den 6.Januar stattgefundene Versamm­lung, siehe S. 73.

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BESPRECHUNG

einiger führender deutscher Mitglieder mit Rudolf Steiner

über die Durchführung eines geplanten internationalen Kongresses

(genaues Datum unbekannt, vermutlich 4.Januar, in Dornach) 1923

Protokoll von Karl Schubert

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Lehrer Rudolf Meyer, Berlin, stellt die Frage, ob es richtig sein würde, den geplanten internationalen Kongreß in Berlin zu veranstalten. Er bittet Dr. Steiner um Richtlinien.

Dr. Steiner: Ist es nötig, daß wir durch die Katastrophe eine Änderung eintreten lassen, als höchstens diese, daß wir noch eifriger sind als wir waren? Ich meine, dies Unglück ist doch etwas, was unabhängig von uns geschehen ist, so daß wir darüber nicht nachzudenken brauchen, inwiefern wir andere Dinge tun sollen, als wir bisher getan haben. Es wird sich nur die spezielle Frage ergeben: Wie wird der Bau wieder aufgeführt? Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Arbeitsmethode draußen anders werden soll.

Rudolf Meyer fragt, ob man den Kongreß verschieben solle.

Dr. Steiner: Es handelt sich darum, ob sich eine Möglichkeit ergibt, das Internationale in einem großen Umfang zu erreichen. Es ist die Frage, ob gerade in Berlin das Internationale eine große Bedeutung haben kann. Ich glaube, daß ein Kongreß in Berlin nicht international verlaufen wird. Haben Sie andere Gründe dafür als die finanziellen? Nach Berlin werden aus den westlichen und südlichen Ländern nicht viele kommen; ob aus Österreich viele Leute nach Berlin kommen werden, ist auch nicht sicher. Deshalb frage ich: Haben Sie ein beson­deres Interesse daran, daß der Berliner Kongreß einen real internatio­nalen Charakter trägt?

Rudolf Meyer antwortet, insofern Goethe ein übernationales Seelen- und Geistesleben vertreten habe.

Dr. Steiner: Das erreichen Sie nicht dadurch, daß Sie in Berlin ein besseres Verständnis für Goethe anbahnen. Das erreichen Sie besser, wenn Sie irgendwo anders hingehen. In Berlin nicht. Wenn Sie in Berlin davon sprechen, ist es geeignet, das Gegenteil der gewünschten Wirkung hervorzurufen. Goethe--das ist kein Grund, einen internationalen

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Kongreß in Berlin zu machen. Wird man etwas bei Englän­dern erreichen, wenn sie nach Berlin eingeladen werden? Wenn Sie in Berlin sagen, daß Goethe ein großer Mann ist, so werden die Leute es nicht dulden. Wohl aber, wenn Sie es in Paris sagen könnten! Formell kann man den Kongreß international gestalten, aber es wäre gut, wenn man nicht darauf rechnete, daß es zieht. - Ob es ein Kongreß oder etwas anderes ist, darauf kommt es nicht an. Eine solche Versamm­lung, wenn sie ihre Aufgabe richtig erfaßt, könnte für Deutschland außerordentlich wichtig sein, weil die Deutschen allen Grund haben, sich selbst ein wenig zu belehren. Im «Namen» kann man die Interna­tionalität in Erscheinung treten lassen; in die Realität wird sich das kaum umsetzen lassen.

Dr. Unger sagt einiges, das nicht notiert ist.

Rudolf Meyer: Der Bau in Dornach geht vor. Die deutschen Freunde werden sparen, um die [Mysterien-]Spiele zu ermöglichen!

Dr. Steiner: Ich glaube nicht, daß es wünschenswert ist, daß die deutschen Freunde sparen, weil es doch nicht hilft. Wenn sie noch so viel sparen, so bedeutet das in Dornach wenig, während es in Berlin etwas bedeuten kann. Wenn die Deutschen 30000000 Mark sparen, so sind das 17000 Franken.

Dr. Unger: Vielleicht kann man anderswo einen Kongreß veranstalten?

Dr. Steiner: In den westlichen Ländern fehlen uns die Kräfte. In Deutschland sind die Persönlichkeiten vorhanden; aber die Verhält­nisse sind schrecklich. Für die westlichen Länder haben wir kaum die Kräfte, die uns den Kongreß machen würden. Der Aufbau von Dorn-ach ist viel konkreter. Die Anthroposophische Gesellschaft in den westlichen Ländern bedarf eines Aufbaues, bevor man daran denken kann, etwas zu machen. Ob es finanziell möglich ist oder nicht, weiß ich nicht. Ein Garantiefonds durch eine Sammlung ist eine fragliche Geschichte. Wenn er nicht Garantiefonds bleibt, ist er eben eine

fragwürdige Geschichte. Ist es denn so, daß in Deutschland nicht genug Leute nach Berlin kommen werden?

Dr. Kolisko: Es ist finanziell kaum möglich.

Dr. Steiner: Wenn das so ist, dann ist es schwierig, einen ausführlichen Kongreß zu machen.

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Emil Leinhas: Vielleicht einen Kongreß als Hochschulveranstaltung? Es sprechen Frau Eljakim und Dr. Stein (nicht notiert).

Dr. Steiner: Was hier uns entgegentreten könnte, müßte sein, daß man versucht, tatsächlich in der Welt etwas hinzustellen, was Anthroposo­phie ist. Das würde darin bestehen, daß die drei Kurse, Wärme, Optik, Astronomie, weiter ausgearbeitet würden und diese Arbeiten vorlie­gen würden. Zu sehr haben sich die Sachen so entwickelt, daß diese Kurse eingesperrt gewesen sind, daß jetzt von allen Seiten die Leute an mich herankommen und von mir die Erlaubnis haben wollen, diese Kurse zu lesen. Es würde deren Verarbeitung da das Nötige tun. Das war von Anfang an beabsichtigt. Die Dinge, die schadhaft sind, zeigen sich in Symptomen. Es wurde zum Beispiel bei einer öffentlichen Tagung ein Theberath-Referat angekündigt. Theberath ist nicht er­schienen. Diese Dinge gehen nicht, sonst kommt das Urteil heraus:

Was wollen die sich mit der Wissenschaft beschäftigen!

Dr. Stein: Man soll keinen Kongreß machen; erst muß gearbeitet werden!

Dr. Steiner: Es wird doch gearbeitet! Wir haben zusammengezählt, wieviel Wissenschaftler wir haben. Da muß doch etwas sehr Nettes herausgearbeitet werden können. Ich habe nur diejenigen gezählt, die bei uns an irgendeiner Stelle stehen. Es sind diejenigen gezählt, die bei uns Gelegenheit haben, experimentell zu arbeiten.

Dr. Kolisko: Der Kongreß ist aus finanziellen Gründen unmöglich.

Dr. von Heydebrand: Man kann in Preußen schlecht von «international» öffentlich reden.

Rudolf Meyer: Es ist nicht im Sinne der Berliner Freunde, einen Kongreß ohne Dr. Steiner zu machen.

Albert Steffen: Es herrscht Besorgnis wegen der mangelnden Sicherheit und der Möglichkeit von Tumulten. Die Bitte, das zu berücksichtigen, wurde an mich gerichtet.

Dr. Steiner: Das ist nur ein vorubergehender Zustand. Doch ist für mich die erste Frage diese: Wenn ich jetzt Vorträge in Deutschland halte, so gibt es einen solchen Krakeel, daß die Vorträge überhaupt für alle Zukunft aufhören würden, besucht zu sein. Natürlich ist an ver­schiedenes gedacht worden; ich selbst kann nichts anderes tun, als den Leisegang aufs Korn zu nehmen. Aber das ist etwas, was nicht genügen

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wird; vor allen Dingen, weil alle möglichen Strömungen durcheinan­dergehen. Man muß schon daran glauben, daß die Gegnerschaft gegen Anthroposophie sich unter den jetzigen Verhältnissen ins Unermeß­liche vergrößert, wenn die Sachen so weitertreiben. Ein stärkeres Wahrzeichen für die Vergrößerung der Gegnerschaft kann es nicht geben, als daß dieser Bau verbrannt worden ist. Die Gegnerschaft wächst mit jeder Woche.

Die innere Konsolidierung und Positivierung der Gesellschaft wäre notwendig. Mit der Kritik des Unfugs, der außen geschieht, ist es nicht getan. Wenn man das weiter tut, so wird die Gegnerschaft nur größer. Alle diejenigen Unternehmungen, die darauf hinauslaufen, den Geg­nern ihr eignes Antlitz zu zeigen, machen die Gegnerschaft nur wilder. Die Gegnerschaft ist dadurch gewachsen, daß wir auf die bloße Kritik hin viele Feinde uns machten. Solange es nicht gelingt, etwas zur Konsolidierung der Gesellschaft zu tun, so lange werden diese Ver­hältnisse sich nicht ändern.

Dr. Hahn spricht (nicht notiert).

Dr. Steiner: Ich habe konkrete Beispiele dafür angeführt. Sie zeigen, daß es notwendig ist, die Aufnahme der positiven anthroposophischen Arbeit innerhalb unserer Gesellschaft zu intensivieren. In unserer Gesellschaft geschehen Dinge, die, wenn sie woanders geschehen wür­den, tatsächlich etwas Weitgehendes begründen würden: Bei uns läßt man sie vorübergehen. Wenn aber die Dinge so behandelt werden, wie diese positive Arbeit behandelt worden ist, dann ist kein Verständnis vorhanden innerhalb unserer Gesellschaft für das, was ich die innere Konsolidierung unserer Gesellschaft nenne. Das in der Gesellschaft Geleistete muß von der Gesellschaft anerkannt werden. Denn sonst ist es kein Wunder, wenn sich die Verhältnisse so entwickeln, wie sie sich entwickelt haben. Man geht um den heißen Brei herum. Man muß die Dinge beim richtigen Namen nennen!

An sich würde jetzt mit deutschen Kräften ein Kongreß in Stock­holm, Kopenhagen, Kristiania [Oslol für die Anthroposophie eine gute Sache sein; rein theoretisch betrachtet. Aber es fragt sich, ob dies augenblicklich unter diesen Verhältnissen, wo für den Bau gesorgt werden muß, finanziell wünschenswert ist.

Allerdings hat Fräulein Dr. von Heydebrand da eine Frage aufge­worfen. Es hat mich diese Frage dazu gebracht, daß ich sagen muß,

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man darf die Sache nicht von hinten herum behandeln. Es war etwas anderes, als die Anthroposophische Gesellschaft eine andere Position hatte. Jetzt muß mit der Abwehr der Gegnerschaft ernst gemacht werden; dafür muß man Verständnis haben. Dieses Verständnis ist nicht vorhanden. Und da kann man vielleicht davon reden hören, ob etwas Neues notwendig ist. Über das, was notwendig ist, kann man immer reden. Aber man denkt nicht daran, dies als eine wichtige Frage zu nehmen, daß Theberath ein Referat ankündigt und dann ausbleibt. Die Behandlung der Arbeit von Frau Kolisko habe ich auch angeführt. Es geht nicht, daß man die Sachen so laufen läßt, daß man sich um die Dinge nicht kümmert! Dadurch bringen wir die Bewegung auf ein totes Geleise. Durch die Auseinandersetzung mit der Atomistikfrage zum Beispiel bringen wir die Sache auf ein totes Geleise.

Die Gegnerschaft schlummert nicht. Man kommt dem mit nichts anderem bei als mit positiven Leistungen der Gesellschaft. Dadurch, daß in den letzten Jahren Wissenschaftler aufgetreten sind, muß die Gesellschaft beginnen mit dem, was sich nach außen fortsetzen will. Aber wenn wir es so treiben, daß wir den eigenen Arbeiten so schlecht entgegenkommen, so konsolidieren wir die Gesellschaft nie. Es ist notwendig, in der Gesellschaft selbst Verhältnisse herbeizuführen, die möglich sind, wodurch sich die Leistungen gegenseitig stützen. Die Zustände bei der Koliskoschen Broschüre sind zum Ruin der Gesell­schaft.

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EINLEITENDE WORTE

ZU DEM ERSTEN FÜR DIE ARBEITER AM GOETHEANUM­

BAU

NACH DEM BRAND GEHALTENEN VORTRAG

Dornach, Freitag, 5. Januar 1923, morgens 9 Uhr

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[Die Arbeiter hatten sich beim Hereinkommen Rudolf Steiners zum Zeichen ihrer Anteilnahme am Brandunglück von ihren Sitzen erhoben.]

Es ist schwer, etwas über den Schmerz auszusprechen, den ich emp­finde. Ich weiß ja, daß Sie innig Anteil nehmen an der Sache, und ich brauche daher nicht viele Worte zu machen.

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Es darf aber doch vielleicht, nicht wahr, bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam gemacht werden, daß ich ja schon am 23.Januar 1921 [GA 213] hier in diesem Saale eine Stelle vorlesen konnte aus einer Broschüre, wo geschildert war der Ausspruch eines Gegners, man kann schon sagen, Feindes, denn dieser Ausspruch hat ja dazumal gelautet: «Geistige Feuerfunken, die Blitzen gleich nach der hölzernen Mäusefalle zischen, sind also genügend vorhanden, und es wird schon einiger Klugheit Steiners bedürfen, versöhnend zu wirken, damit nicht eines Tages ein richtiger Feuerfunke der Dornacher Herrlichkeit ein unrühmliches Ende bereitet. »

Sehen Sie, wo so gehetzt wird, ist es ja nicht besonders zu verwun­dern, daß dann dergleichen Dinge geschehen, und es ist natürlich auch eine Sache, die bei der großen Feindschaft, die bestand, eben leicht zu befürchten war. Daß sie leicht zu befürchten war, werden Sie ja begreifen. Aber, nicht wahr, es ist doch so, daß man auch jetzt noch sieht, in welcher Weise gewisse Kreise über die Sache denken.

Man braucht nur diese Feindseligkeit in Betracht zu ziehen, braucht nur daran zu denken, welche Feindseligkeit darinnen liegt, daß Zei­tungen den Geschmack haben, jetzt zu sagen, nachdem es geschehen ist: Hat denn der «hellsichtige» Steiner diesen Brand nicht vorausgese­hen? Daß derlei Dinge außerdem noch eine Riesendummheit sind, darüber will ich jetzt nicht sprechen. Aber es liegt doch solch ein böswilliger Grad von Feindschaft darinnen, wenn man es jetzt für nötig findet, derlei Sätze überhaupt in die Welt zu setzen! Daraus ersieht man ja, was die Leute denken und wie roh es ist heute. Es ist roh!

Sie können aber überzeugt sein, ich selber werde mich von meinem Wege niemals abbringen lassen, was auch geschieht. Solange ich lebe, werde ich meine Sache vertreten und werde sie in derselben Weise vertreten, wie ich sie bisher vertreten habe. Und ich hoffe natürlich, daß in keiner Richtung hier irgendeine Unterbrechung eintritt, so daß wir auch in der Zukunft in derselben Weise hier am Orte werden so zusammen arbeiten können - wenigstens wird es mein Bestreben sein -, wie es bisher der Fall gewesen ist. Denn es mag auch geschehen, was immer, mein Gedanke ist, daß die Sache eben in irgendeiner Form wiederum aufgebaut werden muß. Und dazu soll alles gemacht wer­den, selbstverständlich. Also fortfahren in derselben Weise, wie wir es getan haben, müssen wir. Das ist einfach eine innere Verpflichtung.

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MITTEILUNG

der bisher aus aller Welt und nicht nur von Mitgliedern eingetroffenen

Teilnahme-Bekundun gen am Brandunglück, vor Beginn des Abendvortrages

Dornach, Samstag, 6. Januar 1923

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Meine lieben Freunde! Meine sehr verehrten Anwesenden! Ich müßte Ihnen ein Buch vorlesen, wenn ich Ihnen mitteilen wollte all die außerordentlich lieben Worte und die Worte inniger Verbindung mit dem, was hier durch die furchtbare Katastrophe verloren worden ist; ich werde mir erlauben, daher nur die Namen derjenigen mitzuteilen, welche unterzeichnet haben solche Worte des Anteiles, des Hingege­benseins an die Sache. Es sind zum Teil Zeichen dafür, wie tief in die Herzen vieler Menschen doch gegangen ist, was von hier aus an die Welt mitgeteilt werden darf. Es sind zum Teil auch Zeichen von wirklich tiefgefühlten Wünschen und auch tatkräftigen Willensent­schließungen, das wieder zu erringen, was wir verloren haben. Die breite Anteilnahme an unserer Arbeit und an unserem Verluste wird für viele von Ihnen ja gewiß eine Quelle von Kraft sein können, und schon aus diesem Grunde darf ich hier die Mitteilung von alledem machen. Denn unsere Sache soll ja nicht bloß eine theoretische sein, unsere Sache soll eine Sache der Arbeit, der Menschenliebe, des hinge­bungsvollen Menschheitsdienstes sein, und deshalb gehört zu dem, was von hier aus gesprochen werden soll, auch die Mitteilung dessen, was Tat oder Absicht zur Tat ist. Ich werde mir nur erlauben, diejeni­gen Namen zu nennen, die nicht Persönlichkeiten angehören, welche hier sind, denn was sich die Herzen derer mitzuteilen haben, die hier sind, das ist ja in diesen Tagen, in diesen Tagen des wirklich vom Schmerz durchwühlten Zusammenseins, mehr stumm, aber doch nicht weniger tief und deutlich zum Ausdrucke gekommen. So werden Sie mir gestatten, daß ich die lieben Freunde der Sache, die hier ihre Anteilnahme auch schriftlich zum Ausdrucke gebracht haben, jetzt nicht besonders anführe. Sie kennen sie ja. [Verlesung der Namen. *]

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* Einer der Zuhörer, Ernst Lehrs in «Gelebte Erwartung«, Stuttgart 1979, berichtet hierzu:

«Da wurde Botschaft für Botschaft teils kürzeren, teils längeren Inhaltes von ihm mit einer objektiven Ruhe und einer so völligen Hinwendung an dieses Geschehen verlesen, daß einem das Empfinden eines kultischen Aktes entstand. - Einmal versagte ihm dabei für einen Augenblick die Stimme.» - Zu Beginn des Abendvortrages am Sonntag, den 7.Ja-nuar 1923. wurden die neu eingetroffenen Teilnahmebekundungen bekanntgegeben.

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ANSPRACHE

in einer vom Zentralvorstand einberufenen Mitgliederversammlung zur Frage des Wiederaufbaues

Dornach, Dreikönigstag, 6. Januar 1923, 21 Uhr 30

nach dem Abendvortrag

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Die Verhandlungen wurden nicht protokolliert, nur die von Rudolf Steiner am Schluß der Versammlung gemachten Ausführungen. Im Stenogramm ist notiert, daß vorher hintereinander gesprochen haben: Uehli, Vreede, Vacano, Unger, Uehli, Leinhas, Steffen, Vreede, Kaufmann-Adams, Erikson, Moser, Frau Grosheintz.

Es ist in hohem Maße befriedigend, daß heute abend wiederholt hingedeutet worden ist auf jene Tatsache, die niemals innerhalb der Kreise der Anthroposophischen Gesellschaft vergessen werden darf:

Es ist die Tatsache, daß ja ein Teil, und zwar, ich gestehe es offen, sogar der allerwesentlichste Teil dessen, was in der Anthroposophischen Gesellschaft verkörpert sein soll, in den wichtigsten, in entscheiden­den Momenten seinen Bestand gezeigt hat. Es ist heute schon mit Recht darauf hingewiesen worden, daß dieser Bestand sich gezeigt hat, als die Idee zu diesem jetzt verlorenen Bau gefaßt wurde und wirklich in innigem Einklange der Herzen und der Seelen dieser Bau in Angriff genommen und weitergeführt worden ist, nachdem sowohl im An­fange wie im weiteren Verlauf unbegrenzte Opfer von seiten unseret lieben Freunde für die Arbeit, für das Instandsetzen des Werkes, gebracht worden sind - Opfer, deren Größe ja nur bemessen werden könnte, wenn man überall im einzelnen hinweisen würde darauf, wie schwer sie manchem geworden sind. Aber man braucht das nicht. Sie sind ja wirklich in dem Sinne aus anthroposophischem Geiste hervor­gegangen, daß sie in Liebe, in inniger Liebe gebracht worden sind, und das ist ganz gewiß einer der Hauptteile der Impulse, die innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft wirken sollen. Und wir haben in der Brandnacht diese Impulse wiederum in einer ganz hervorragenden Weise wirken gesehen. Es kann eigentlich kaum ein wirklich fühlendes Herz geben, das nicht in innigster Dankbarkeit gegen alle Freunde und gegen das Schicksal empfinden würde, was sich in dieser Weise geof­fenbart hat. Und ich möchte noch weitergehen. Ich möchte sagen:

Soweit es möglich war, immer mehr und immer intimer die Anthroposophische

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Gesellschaft kennenzulernen von dieser Seite her, desto mehr hat sich die gefühlsmäßige Überzeugung ergeben, daß es an dieser Liebe ganz gewiß auch in der Zukunft nicht fehlen wird. Sie hat sich in einer so starken Weise seit zehn Jahren während dieses Baues geoffenbart, sie hat sich in einer so wunderbaren Weise in der Brand-nacht geoffenbart, daß sie eben einfach als etwas angesprochen werden kann, was Dauer verspricht für die Zukunft. Alles hat hier gearbeitet in seiner Art. Da hätte ich wahrhaftig nicht nötig gehabt, aufzurufen zur Verständigung der Jungen und der Alten, wenn es sich gehandelt haben würde um das, was aus dieser Liebe heraus zu vollbringen ist und was im Grunde noch immer vollbracht wird; denn es ist ja auch eine gewisse opferwillige Arbeit, manche Nächte hier mit Wachdien­sten zuzubringen und dergleichen, und es ist schon unsere Sache, alle Einzelheiten anzuerkennen. Und im Grunde genommen, wenn wir die Arbeit der jungen Leute während der letzten Tage hier betrachten, so werden wir sagen müssen: Nach dieser Arbeit sind sie in bezug auf den Punkt, den ich jetzt hervorgehoben habe, wahrhaftig schon ganze Anthroposophen geworden, so wie die Alten.

Also in bezug auf diesen ersten Teil, meine lieben Freunde, kann ich nur aus dem Gefühl der allertiefsten Dankbarkeit gegenüber jedem einzelnen unserer Freunde sprechen, und Sie werden mir glauben, daß ich tief diesen Dank empfinde.

Nun aber darf ich vielleicht, weil wir schon heute einmal zu meiner Befriedigung hier zusammen sind, doch einmal wenigstens kurz die Situation noch von einer anderen Seite her beleuchten, von einer Seite her, die ich auch für ebenso wichtig halten muß. Sehen Sie, die Sache liegt ja so: Dieser Bau hier ist aufgeführt worden; dadurch, daß dieser Bau hier stand, ist die anthroposophische Sache tatsächlich in einer gewissen Beziehung vor der Welt etwas anderes geworden, als sie vorher war. Vielleicht braucht nicht ein jeder dieses andere, zu dem die anthroposophische Sache geworden ist, auch gerade zu schätzen. Wer mehr das Innere, das rein Geistige der anthroposophischen Bewegung allein schätzt, der wird vielleicht dieses tatsächliche Hingestelltsein der Anthroposophie vor die ganze Welt durch den Bau nicht als eine für ihn so außerordentlich wichtige Angelegenheit empfinden. Aber der Bau ist einmal aus einer inneren Notwendigkeit heraus entstanden. Er war da und hat eben als solcher die anthroposophische Bewegung zu etwas anderem gemacht, als sie vorher war, er hat sie zu dem gemacht,

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was nun wirklich zuweilen außerordentlich gut, zuweilen außeror­dentlich töricht selbstverständlich von einem großen Teil der Welt beurteilt worden ist.

Nun, meine lieben Freunde, ich bin der Allerletzte, dem an den Urteilen, die von außen an die Anthroposophie herankommen, viel liegt; denn in bezug auf die Anthroposophie hat man zunächst noch so viel im Positiven, im wirklich Schöpferischen zu leisten, daß es schon begreiflich ist, wenn man eigentlich kein besonderes Interesse hat an dem, was an Urteilen von außen kommt. Allein die Welt ist eben doch die Welt. Die Welt ist die physische Realität. Und selbst wenn einem gar nichts liegt an dem Urteile der Welt, so ist das Wirken, in vieler Beziehung wenigstens, insofern davon abhängig, daß dieses Urteil ungeheure Hemmnisse bereiten kann. Und da muß ich schon sagen, ist mit dem Bau für die Anthroposophische Gesellschaft die Aufgabe erwachsen, auch ein Auge zu haben für das Gedeihen der anthroposo­phischen Sache als einer Angelegenheit der gegenwärtigen Zivilisation als solcher.

Man möchte sagen: Wie es eben bei einem einzelnen Menschen kommt, daß, wenn er ein gewisses Alter erreicht hat, er Kleider für Erwachsene braucht, so sind eben besondere Bedingungen des Da­seins eingetreten für die Anthroposophische Gesellschaft, indem der Bau hier ein so ungeheuer zu der Welt sprechendes - ich meine jetzt nicht seinen inneren Wert, sondern einfach seine Größe -, ein so ungeheuer zu der Welt sprechendes äußeres Zeichen für diese anthro­posophische Bewegung war. Mit diesem mußte man nun schon einmal rechnen. Und ich kann Ihnen sagen, daß ich das einfach an den Rippenstößen, die eben seither viel zahlreicher gekommen sind als früher, erleben mußte.

Also es handelt sich darum, nicht bloß heute hinzuschauen darauf, wie die Dinge gehen müssen, damit der Bau wieder aufgerichtet werde; das ist ganz gewiß etwas, was eigentlich geschehen muß, nach­dem er einmal da war; und daß ein so ernster heiliger Wille in unseren Freunden vorhanden ist zu diesem Aufbau, dafür bin ich weiterhin dankbar. Aber heute handelt es sich auch darum, gerade im Angesichte dieser Katastrophe, wo wir eben dasjenige wieder aufbauen sollen, was gerade für die anthroposophische Bewegung eine neue Gestalt ge­bracht hat, heute handelt es sich darum, eben auch daran zu denken:

Wie kann die Anthroposophische Gesellschaft gerecht werden durch

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ihre innere geistige Kraft, durch ihr energisches Wollen, wie kann sie gerecht werden demjenigen, was ja in gewisser Beziehung als eine erneuerte Gestalt für sie aufgetreten ist?

Nun, meine lieben Freunde, lassen Sie mich eines sagen - Sie mussen es mir nicht übelnehmen, nachdem Sie ja soeben gehört haben, daß ich alles das, was in so schöner Weise heute gesprochen worden ist, ganz tief im Herzen empfinde -, daß ich eigentlich die Realität der Anthroposophischen Gesellschaft von seiten der zusammenwirken­den Liebe soweit für verwirklicht halte, als ich völlig überzeugt bin, von dieser Seite her werden dem Wiederaufbau des Goetheanum keine Hindernisse erwachsen. Diese Liebe erkenne ich schon als etwas, was so dauernd ist, daß wir damit das Goetheanum aufbauen können. Aber gerade indem ich das sage, werden Sie es mir nicht übelnehmen, wenn ich einige andere Bedingungen daran knüpfe, ohne deren Erfüllung ich mir heute, so wie die Dinge geworden sind, nicht denken kann, daß der nun einmal notwendige Aufbau des Goetheanum zu weiterem führen kann als zu einer unermeßlichen Vermehrung der Rippenstöße, von denen ich gesprochen habe, der Rippenstöße, die ich nicht persönlich meine, sondern die ich durchaus für die Sache, für die anthropo­sophische Sache, meine.

Meine lieben Freunde, wir haben in der anthroposophischen Sache bis zum Jahre 1914 gearbeitet. Es gipfelte dann diese Arbeit in der Absicht, diesen Bau aufzurichten, gipfelte in der Realisierung dieser Absicht. Es kam der Weltkrieg. Mit Recht ist zum Beispiel von Mr. Kaufmann hervorgehoben worden, welchen Einfluß der Weltkrieg auf unsere Arbeit hatte, sowohl am Goetheanum wie in der anthroposo­phischen Bewegung überhaupt. Aber meine lieben Freunde, diese Hindernisse waren äußere. Wir können zum Beispiel sagen: Wir konnten vielleicht aus den einzelnen Ländern, die im Kriege miteinan­der waren, nicht so zusammenkommen, wie man das ohne Krieg gekonnt hätte; wir haben hier aber wirklich international zusammen­gearbeitet. Hier haben sich alle kriegführenden Nationen in Liebe zueinander gefunden, und in Dornach selbst war etwas verwirklicht, was eigentlich aus der Schmerzlichkeit des Krieges heraus jeder ver­nunftige und fühlende Mensch als ein Ideal hätte ansehen sollen. Durch die äußeren Verhältnisse bedingt, ist selbstverständlich manche Unterbrechung eingetreten. Aber ich kann sagen: Wie ich die Sache ansehen muß, hat eigentlich in unser inneres geistiges Gefüge als

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Anthroposophische Gesellschaft der Weltkrieg keine Bresche geschla­gen. Er hat sogar in vieler Beziehung die einzelnen Glieder der ver­schiedenen Nationen hier in Dornach und damit über die Welt hin inniger zusammengeschmiedet. Das konnte man noch bemerken, als sie nach dem Weltkriege hier oder sonst irgendwo wiederum zusam­menkamen. Es war schon die Anthroposophische Gesellschaft bis zum Weltkriege hin von innen heraus in einem [so gefestigten] Zu­stande, daß eigentlich der Weltkrieg an ihrem Wesentlichen keine Erschütterung gebracht hat. Die Erschütterungen waren [nicht] von außen gekommen. So daß wir im Grunde genommen auch 1918 [mit Kriegsendej so dastanden, daß man sagen konnte: Aus der anthropo­sophischen Bewegung heraus ist nicht irgend etwas gekommen, was wir heute so besprechen müßten, daß wir sagen müßten: Konsolidie­rung der Anthroposophischen Gesellschaft ist notwendig.

Und was die Gegnerschaft betrifft: Die meisten unserer Freunde werden ja wissen, wie wenig ich mir innerlich mit dieser Gegnerschaft eigentlich zu tun mache und wie ich nur den Notwendigkeiten weiche, wenn es sich eben darum handelt, äußerlich sich mit ihr zu tun zu machen. Aber man muß sich dann mit ihr zu tun machen, wenn es sich um die inneren Bedingungen des Daseins der anthroposophischen Be­wegung handelt. Bis zumjahre 1918 waren die Gegnerschaften zu ertra­gen, durchaus zu ertragen, so häßlich sie da oder dort aufgetreten sind.

Dann kamen die Jahre nach dem Kriege. Und wenn Sie mich fragen, meine lieben Freunde, wann das Unkonsolidierte der Anthroposophi­schen Gesellschaft angefangen hat, wann die großen Schwierigkeiten für mich begonnen haben, dann antworte ich Ihnen darauf: Das sind die Jahre seit dem Ende des Weltkriegs. Und da kann ich eben nicht anders als ganz aufrichtig, aber in einer Aufrichtigkeit in Liebe zu Ihnen sprechen: Es sind diejenigen Jahre nach dem Weltkriege, in denen einzelne Freunde sich bemüßigt gefunden haben, das eine oder das andere zu begründen, um es gewissermaßen aufzupfropfen auf die Anthroposophische Gesellschaft.

Nun, meine lieben F eunde, ich sage auch den Ausdruck «Auf-pfropfen» nicht in eine m abfälligen Sinne, denn es ist nichts zugegeben worden, was nicht mit dem Geiste der anthroposophischen Bewegung vereinbar war. Aber was mit diesem Geiste wirklich nicht vereinbar ist, das ist dasjenige, was über die Gesellschaft gekommen ist. Und ich glaube, die wenigsten unter Ihnen sind heute zum Beispiel bereit

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einzusehen, in welchem Umfange der heutige Zustand der Gegner­schaft innig zusammenhängt mit dem, was seit 1919 sich zugetragen hat. Da kann ich nur sagen: Da gab es für mich die großen Schwierig­keiten, die darin bestanden, daß man seit jenen Jahren die Idee, den Drang hatte nach Projekten, den Drang hatte, alles mögliche auszusin­nen, um es zu tun.

Wenn man einen ernstlichen Willen hat, meine lieben Freunde, so kann das zu recht Gutem führen. Aber was sich als Erfahrung heraus­gestellt hat, ist, daß man ja angewiesen ist bei solchen Dingen auf Persönlichkeiten; und die Dinge waren derart, daß sie nur dann nicht zum Schaden der anthroposophischen Bewegung ausschlagen konn­ten, wenn die Persönlichkeiten, die diese Dinge wollten, diese Persön­lichkeiten, denen man entgegengekommen ist, wenn ich mich trivial ausdrücken darf, voll bei der Stange geblieben und einen eisernen Willen entwickelt hätten, um das auch durchzuführen, was sie einmal in die Welt gerufen und wozu die Hand geboten werden mußte, weil man eben dem Willen der Mitglieder selbstverständlich Rechnung zu tragen hat.

Aber dem gegenüber muß gesagt werden, was gerade heute im Angesichte dieses Unglücksfalles tief empfunden werden muß. Es ist dieses: Die Art und Weise der Arbeit, wie sie seit 1919 war, die darf nicht weitergehen. Alle Liebe, alle Aufopferung in den weiten Kreisen der Mitglieder nützt nichts, wenn die Arbeitsmethoden, welche unter dem Projektemachen seit 1919 eingetreten sind, so fortgesetzt werden, wie sie getrieben wurden: daß man in tagelangen Versammlungen das oder jenes beschlossen hat, Programme in die Welt hinausgeschickt hat, die man nach vier Monaten mindestens vergessen hat und derglei­chen. Von Programm zu Programm eilte man; große Worte hatte man, wie man sie früher niemals hörte innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft; Arbeitsmethoden sind eingeführt worden: eigentlich Unmethoden.

Das, meine lieben Freunde, können Sie prüfen im einzelnen. Ich muß es einmal aussprechen schon aus dem Grunde, weil ich es für ein Verbrechen hielte, es nicht auszusprechen angesichts der hingebungs­vollen Liebe des Gros der Anthroposophischen Gesellschaft, wie sie sich jetzt wieder in der Brandnacht gezeigt hat.

Dasjenige, was notwendig ist, das ist, die Arbeitsmethode zu verlas-sen, nicht die Gebiete, aber die Arbeitsmethode zu verlassen; nicht in

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irgend etwas sich hineinzubegeben, was man am nächsten Tag wieder liegen läßt, sondern in energischer Weise bei den Dingen zu bleiben, die einmal begonnen worden sind, von denen man selbst gesagt hat, daß man sie als die seinigen betrachten will.

Ich weiß, daß ich damit gerade zu dem Gros der Anthroposophi­schen Gesellschaft nicht spreche; das Gros der Anthroposophischen Gesellschaft hat, wo es darauf ankam, das ihre zu tun, dieses immer getan. Um was es sich handelt, ist, daß nicht in die Anthroposophische Gesellschaft Arbeitsmethoden hineingetragen werden, die eigentlich Unmethoden sind. Es muß energisches Wollen hineingetragen wer­den, nicht bloßes Wünschen, energisches Wollen, nicht bloßes Auf­stellen von Idealen, energisches Wollen auf seinem Gebiete, nicht bloß etwa sich hinstellen und in die Gebiete der anderen hineinpfuschen. Es handelt sich darum, mit klarem Auge und mit energischem Willen, mit gutem energischem Willen andere Arbeitsmethoden eintreten zu las­sen als diejenigen, die seit vier Jahren in vielen Kreisen oder wenigstens in einzelnen Kreisen beliebt geworden sind und die in ihrer Unmetho­dik vielleicht das Gros der Mitglieder noch gar nicht einmal in der richtigen Weise angeschaut hat. Offenes Auge haben ist dasjenige, was wir brauchen.

Ich weiß, meine lieben Freunde, mit dem Gros der Mitglieder wird sich gut arbeiten lassen; aber es muß darauf gesehen werden, daß die Wege, die auf vielen Gebieten seit 1919 gegangen worden sind, nicht weiter gegangen werden und daß gerade nach dieser Richtung nicht immer bloß über die Dinge hinweggeredet wird, sondern daß durch Einsicht in die Fehler, durch eine scharfe Beurteilung der Fehler erkannt werde, was in der Zukunft getan werden muß.

Dies, meine lieben Freunde, ist es, um das ich Sie bitte. Ich danke Ihnen herzlich für alles, was hier ausgesprochen worden ist. Ich weiß zu würdigen so wunderschöne Worte, wie sie zum Beispiel Herr Leinhas eben gesprochen hat, bin auch von Herzen innigst dankbar für diese Worte, im Interesse der Anthroposophischen Gesellschaft vor allen Dingen. Aber ich rufe diejenigen Freunde, die noch ein Verständ­nis haben für die inneren Bedingungen der Anthroposophischen Ge­sellschaft, auch da, wo sie in ihre peripherischen Zweige hinaus ver­schwimmt, wo sie praktische Gebiete, praktische Kreise zieht, ich rufe die Freunde dazu auf, nun endlich einmal ernst und würdig ein Ende zu machen mit solchen Methoden, wie sie seit vier Jahren eingerissen

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sind; zu prüfen, worin die Fehler bestehen, und einzusehen, inwiefern gerade ein großer Teil derjenigen Gegnerschaft, die über viele Gebiete hinaus, über die hinaus es früher kein Hindernis gab, überhaupt die Vorträge unmöglich gemacht hat. Es handelt sich gar nicht so sehr darum, die Gegner zurückzuschlagen; die sind manchmal froh, wenn man ihnen einen Hieb gibt, der nützt ihnen, der schadet ihnen nicht. Es handelt sich nicht um das, sondern es handelt sich darum, daß tatsächlich innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft ein Mu­sterbeispiel gegeben werde von einem methodisch anzuerkennenden, das heißt vom Willen durchdrungenen Arbeiten, nicht von einem Aufstellen von Projekten und Wünschen, die man alle Augenblicke wiederum verläßt, sondern bei denen man bleibt, bei denen man auch wirklich eine hingebungsvolle Arbeit, nicht bloß eine Gschaftlhuberei verrichtet. Das ist es, was einer auf solchen Grundlagen ruhenden Bewegung, wie die anthroposophische Bewegung es ist, vor allen Dingen not tut. Ich muß es aussprechen, weil ich die Liebe erwidere, die mir auch am heutigen Abend wieder ausgesprochen worden ist. Soll ich aber diese Liebe in der richtigen Weise erwidern, dann muß ich aufrichtig sprechen zu denjenigen, die dies erwarten können, und dann muß ich sagen: Es sollen die Freunde, auf die es ankommt, einmal ernstlich erwägen, welche Methoden, die in den letzten vier Jahren zu Unmethoden geworden sind, zu verlassen sind. Dann erst wird die schöne Liebe, diese nicht nur unanfechtbare, sondern nicht hoch genug anzuschlagende Liebe, in der zusammengearbeitet worden ist in der Anthroposophischen Gesellschaft bis zum Baubeginn und wäh­rend des Baues bis 1918, dann wird diese Liebe in das richtige Fahr­wasser, in die richtige Strömung geleitet werden. Und ich bitte vor allen Dingen, die Sache so zu betrachten, daß die Worte, die ich heute nur aus einem innersten Zwang heraus rede, nicht wiederum taube Ohren finden, sondern ich bitte Sie, die Liebe, wenn sie vorhanden ist, schon so weit zu treiben, daß man auch wirklich ernstlich darauf sieht, daß die Methoden der letzten vier Jahre geprüft werden, damit wir wiederum dazu kommen - was notwendig ist -, daß die An­throposophische Gesellschaft vor allen Dingen bei sich anfängt, dasjenige zu zeigen, was sie von der Außenwelt verlangt. Solange wir unsere inneren Gegner sind, so lange brauchen wir uns, da wir ja auf einem okkulten Boden stehen, nicht zu verwundern, wenn eine furchtbare Gegnerschaft von außen anschlägt. Suchen wir auch

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da Selbsterkenntnis, so wird sich manches in das richtige Licht stellen lassen.

Das, meine lieben Freunde, ist eine große Aufgabe, eine Aufgabe, welche im Angesichte des großen Unglücks so schnell als möglich von denjenigen, auf die es ankommt, vollzogen werden sollte. Denn mir würde es unmöglich sein, auf solchen Grundlagen, wie sie von man­cher Seite in den letzten vier Jahren geschaffen worden sind, so weiter zu arbeiten, daß es nicht ein Mißbrauch der Liebe sein würde, die von dem Gros der Anthroposophischen Gesellschaft geübt wird: es würde von mir ein Mißbrauch dieser Liebe sein, wenn ich weiter diesen Unmethoden die Hand bieten würde und wenn ich nicht verlangen würde, daß zur Konsolidierung der Gesellschaft vor allen Dingen dadurch beigetragen wird, daß von denen, auf die es ankommt, tat­sächlich energisch geprüft wird, worin diese Unmethoden bestehen, die die Gesellschaft in diese Lage gebracht haben - um dadurch zu probieren, wenn die Gesellschaft selbst erst wiederum in einem ihr angemessenen Zustande ist, wie sich dann mit den Gegnerschaften fertig werden läßt. Verzeihen Sie, meine lieben Freunde, aber es hätte mir als etwas Unliebes geschienen gegenüber der vielen Liebe, die Sie auch heute mir entgegengebracht haben, wenn ich nicht in dieser Aufrichtigkeit Ihnen das heute gesagt hätte, was mir durchaus tief am Herzen liegt.

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ERSTE VERLAUTBARUNGEN ÜBER DEN BRAND

in der Wochenschrift «Das Goetheanum«

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In der ersten Nummer nach dem Brand (Nr.22 vom 7. Januar 1923) erschei­nen ein Aufsatz von Albert Steffen «Die Vernichtung des Goetheanum durch Feuer« und «Zeitungsstimmen über den Brand».

In der nächsten Nummer (Nr.23 vom 14. Januar 1923) beginnt die erste Folge von Rudolf Steiners Aufsatz «Das Goetheanum in seinen zehn Jahren»; Albert Steffen schreibt über «Das Goetheanum in der Geschichte». Auf der

letzten Seite dieser Nummer findet sich erstmals der während des ganzen Jahres 1923 in jeder Nummer erscheinende Aufruf:

Es wird gebeten, die Spenden für den Wiederaufbau des Goetheanum an Herrn Dr. Rudolf Steiner (Konto: Fonds für den Wiederaufbau des Goetheanum, Schweizerische Kreditanstalt Basel) zu senden.

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MAHNWORTE ZUR ERWECKUNG

DES NOTWENDIGEN GESELLSCHAFTSBEWUSSTSEINS

in den Dornacher Vorträgen vom Januar bis Februar 1923

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Dornach, Sonntag, 14.Januar 1923 (Schlußworte des Abendvortrages) vor der ersten Reise zu den Konsolidierungsverhandlungen in Stuttgart

... Aber die ganze Rederei, daß die Welt ein Traum ist, kann ja nur eine Vorbereitung sein zu etwas anderem. Zu was? Nun, zum Erwachen, meine lieben Freunde! Nicht darum handelt es sich, daß wir einsehen, die Welt ist ein Traum, sondern darum handelt es sich, daß wir, sobald wir nur ahnen, die Welt ist ein Traum, etwas dazutun, um zu erwa­chen! Und das Erwachen, das beginnt schon beim energischen Ergrei­fen des Denkens, bei dem aktiven Denken. Und da kommt man dann in alles andere hinein.

Sie sehen, es ist dies, was ich eben charakterisiert habe, dieser Impuls des Erwachens, ein notwendiger Impuls für die Gegenwart. Gewiß, dasjenige, was da als Anthroposophie auftritt, kann in die Welt gestellt werden. Wenn aber die Gesellschaft eben eine Anthroposophi­sche Gesellschaft sein will, dann muß diese Gesellschaft eine Realität bedeuten. Dann muß der einzelne, der in der Anthroposophischen Gesellschaft lebt, diese Anthroposophische Gesellschaft als Realität empfinden. Und er muß tief durchdrungen sein von diesem Er­wachenwollen und nicht, wie es vielfach der Fall ist, es sogleich als eine Beleidigung betrachten, wenn man ihm sagt: Stichl, steh auf! -Das ist schon notwendig. Und das ist es, was ich eben noch einmal nur in ein paar Worten wiederholen möchte.

Das Unglück, das uns betroffen hat, sollte in allererster Linie auch ein Weckruf dazu sein, an der Anthroposophischen Gesellschaft etwas zu tun, damit sie eine Realität werde. Dieses reale Wesen, das ist dasjenige, was man ja seit jener Zeit, die ich vor einigen Tagen hier am Ende des Weihnachtskursus charakterisiert habe, * so spürt. Die leben­dige Strömung von Mensch zu Mensch innerhalb der Anthroposophi­schen Gesellschaft, die muß da sein. Eine gewisse Lieblosigkeit ist an die Stelle des gegenseitigen Vertrauens in der neuesten Phase der Anthroposophischen Gesellschaft so häufig getreten, und wenn diese

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* In GA 219.

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Lieblosigkeit weiter überhand nimmt, dann wird eben die Anthropo­sophische Gesellschaft zerfallen müssen.

Sehen Sie, der Bau hat ja viele außerordentlich schöne Eigenschaf­ten der Anthroposophen an die Oberfläche gebracht; aber parallel hätte gehen müssen eine lebendige Erkraftung der Gesellschaft selbst. Es sind mit vollem Recht viele schöne Eigenschaften am Ende unseres Kurses neulich genannt worden, die hervorgetreten sind während des Baues, hervorgetreten sind während der Brandnacht. Aber diese Ei­genschaften brauchen Führung, brauchen vor allen Dingen aber auch dieses, daß jeder, der irgend etwas zu tun hat, auch innerhalb der Gesellschaft etwas zu tun hat, nicht dasjenige hineinträgt in die Gesell­schaft, was heute eben gang und gäbe ist, sondern daß jeder vor allen Dingen alles, was er für die Gesellschaft zu machen hat, mit wirk­lichem persönlichem Interesse und Anteil tue. Und dieses persönliche Interesse und diesen persönlichen Anteil, den muß man leider gerade da vermissen, wo Persönlichkeiten für die Gesellschaft das eine oder das andere tun.

Es ist ja kein Dienst zu gering, der für die Gesellschaft, das heißt auch von einem Menschen für den andern Menschen, in der Gesell­schaft gemacht werden kann. Das Geringste wird ja wertvoll dadurch, daß es im Dienste eines Großen steht. Das aber ist etwas, was so oft vergessen wird. Die Gesellschaft muß es ja mit größter, höchster Befriedigung sehen, wenn ein gewaltiges Unglück herausfordert zu der Betätigung der allerschönsten Eigenschaften. Aber darüber sollte nicht vergessen werden, wie bei vielen in den alltäglichen Verrichtun­gen Fleiß und Ausdauer, aber namentlich Interesse und persönliche Anteilnahme an dem, was einem obliegt, so leicht erlahmt, und wie manches, was man sich eines Tages vornimmt, so schnell vergessen wird. Deshalb wollte ich jetzt die ganze Größe des Gegensatzes, in dem sich Anthroposophie befindet gegenüber der Welt, einmal her­vorheben, weil gerade immer übersehen wird, wie die Gegnerschaft einzuschätzen ist.

Daß Gegnerschaft in sachlicher Beziehung da ist, das muß man begreifen, das muß man aus dem objektiven Weltengang heraus be­greifen. Manchmal aber bin ich doch - und ich habe es ja auch öffent­lich ausgesprochen - erstaunt darüber, wie wenig innere Anteilnahme da ist, wenn die Gegnerschaft so ausartet, daß sie einfach von objekti­ven Unwahrheiten nur so wimmelt. Wir müssen sachlich in der positiven

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Verteidigung der Anthroposophie bleiben, wenn es sich um Sach­liches handelt. Aber wir müssen uns auch wirklich dazu aufschwingen können, zu begreifen, daß Anthroposophie nur bestehen kann in der Atmosphäre der Wahrhaftigkeit; daß wir daher auch ein Gefühl ent­wickeln müssen dafür, was es heißt, wenn so viel von Unwahrhaftig­keit, von objektiver Verleumdung demjenigen entgegengebracht wird, was sich auf anthroposophischem Felde geltend macht. Da brauchen wir wirklich inneres Leben. Und da haben wir heute reichlich Gele­genheit dazu, zu erwachen. Dann wird der Impuls des Erwachens vielleicht sich auch auf anderes ausdehnen. Aber wenn man jemanden schlafen sieht, während die Flammen der Unwahrheit überall sich geltend machen, dann braucht man sich nicht zu verwundern, wenn auch der Stichl weiterschläft.

Das also, was ich im Großen charakterisieren möchte, was ich im Kleinen heute charakterisiere, das ist: Denken Sie, empfinden Sie, meditieren Sie über das Erwachen. Manche sehnen sich heute in dieser Zeit, wo die Verleumdungen zum Fenster hereinhageln, nach allerlei Esoterik. Ja, meine lieben Freunde, die Esoterik ist da. Fassen Sie sie! Aber dasjenige, was vor allen Dingen Esoterik ist innerhalb der ganzen Anthroposophischen Gesellschaft, das ist der Wille zum Erwachen. Dieser Wille zum Erwachen, er muß zuerst Platz greifen innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft. Dann wird diese sein ein Ausstrah­lungspunkt für das Erwachen der ganzen gegenwärtigen Zivilisation.

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Dornach, Freitag, 19. Januar 1923 anschließend an den Abendvortrag

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Ich habe heute vernommen,* daß allerlei im Munde von Anthroposo­phen überflüssige Anekdoten herumgetragen werden, die, ich möchte sagen, aufgestachelt werden vielleicht durch die oder jene Empfindung gegenüber unserem großen Unglücke, mit der Katastrophe des Goe­theanum. Aber so ungern ich ja so etwas tue, möchte ich auch wiederum bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam machen, daß die Mitgliedschaft zur Anthroposophischen Gesellschaft gewisse Ver­pflichtungen auferlegt, vor allen Dingen die Verpflichtung, nicht Angriffspunkt

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* Bei der Rückkehr von den ersten Stuttgarter Verhandlungen.

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zu geben dadurch, daß wir solche Anekdoten herum-tragen. *

Ich muß dabei schon betonen, weil es um der Sache willen, nicht um des Persönlichen willen ist, daß ja alle diejenigen Dinge, die in dieser Weise von den Mitgliedern verübt werden, auf mich zurückfallen und damit auf die Sache der anthroposophischen Bewegung.

Wir haben die allergrößte Zurückhaltung notwendig im Anschuldi­gen und sollten als Anthroposophen wirklich schon den Ernst entwik­keln können, daß wir das nicht einmal in anekdotenhafter Form tun. Denn in welchen schlimmen Dingen wir drinnen stehen und welchen Angriffen wir ausgesetzt sind, das können Sie sich ja überzeugen aus dem, was Sie heute wiederum in den «Basler Nachrichten» finden können.

Gewiß, diese Dinge sind die denkbar unberechtigsten Angriffe; aber auf der anderen Seite darf ich doch wohl bitten, daß nach und nach jener Ernst, der da sein muß in der Anthroposophischen Gesell­schaft, von jedem einzelnen Mitgliede geübt werde und nicht jetzt ausgesprochen werden alle möglichen Anekdoten, die dann von den Gegnern ausgenützt werden. Und die Ausnützung wird ja dann gewöhnlich gerade auf mich abgeladen.

Ich tue es immer ungern, in dieser Weise Moral zu predigen, aber es ist von Zeit zu Zeit notwendig. Wie gesagt, ich habe heute wieder vernommen, daß solche Anekdoten auch von dem Munde von An­throposophen ausgesprochen worden sind. Ich möchte Sie bitten, um der Sache, um der heiligen Sache willen, sich nicht dieses Ernstes zu entschuldigen und allerlei Anekdoten herumzutragen. Das überlassen Sie den anderen Leuten! Es verpflichtet in einer gewissen Weise nun schon einmal das Mitgliedsein in der Anthroposophischen Gesell­schaft.

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* Rudolf Steiner wendete sich hier sicherlich gegen herumgetragene Vermutungen über den oder die Brandstifter.

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Dornach, Samstag, 20. Januar 1923

Zweiter Teil des Abendvortrages

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... Denn das, was uns in anthroposophischer Geisteswissenschaft entgegentritt, will nicht in derselben Weise hingenommen werden wie die Zivilisationsprodukte der Gegenwart, sondern es will Anregung sein zu einem besonderen Anschauen der Welt.

Wenn man das fühlen würde, was ich eben jetzt habe charakterisie­ren wollen, dann würde ein Zusammenschluß von Menschen in einer solchen Gesellschaft, wie die Anthroposophische es ist, diese Gesell­schaft zu einer Realität machen. Denn dann würde sich mit einem gewissen Recht jeder sagen, der zu dieser Anthroposophischen Gesell­schaft gehört: Ich bin ein Dankbarer gegenüber den Elementarwesen, die einstmals in meiner Menschenwesenheit gewirkt haben und mich eigentlich zu dem gemacht haben, was ich heute bin, die einstmals innerhalb meiner Haut gewohnt haben und zu mir durch meine Or­gane gesprochen haben. Sie haben jetzt die Möglichkeit verloren, durch meine Organe zu mir zu sprechen. Wenn ich aber in dieser Weise einem jeglichen Ding der Welt ansehe, wie es herausgestaltet ist aus der ganzen Natur, wenn ich die Schilderungen, die mir in Anthro­posophie gegeben werden, ernst nehme, dann spreche ich in meiner Seele eine Sprache, die diese Wesenheiten wieder verstehen. Ich werde ein Dankbarer gegenüber diesen geistigen Wesenheiten.

Das ist gemeint, wenn gesagt wird: In der Anthroposophischen Gesellschaft soll nicht bloß vom Geist im allgemeinen gesprochen werden - das tut auch der Pantheist -, sondern in der Anthroposophi­schen Gesellschaft soll man sich bewußt sein, mit dem Geiste wieder leben zu können. Dann würde ja ganz von selbst in die Anthroposo­phische Gesellschaft einziehen dieses Im-Geist-Leben auch wiederum mit andern Menschen. Man würde sagen: Die Anthroposophische Gesellschaft ist dazu da, um unseren Hegern und Pflegern aus alten Zeiten zurückzuzahlen, was sie an uns getan haben, und man würde gewahr werden die Realität des innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft waltenden Geistes. Und von den alten Gefühlen und den alten Empfindungen, die heute noch traditionell unter den Menschen leben, würde vieles verschwinden, und es würde sich ein reales Gefühl entwickeln von einer ganz bestimmten Aufgabe der Anthroposophischen

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Gesellschaft. Und alles, was sich sonst ausbildet, würde jetzt erst seinen wahren Sinn erhalten.

Gewiß, wir dürfen mit einer gewissen inneren Befriedigung sagen:

Ja, hier an diesem Bau, der nunmehr ein so trauriges Ende gefunden hat, haben während der Kriegszeit, als sich die Völker Europas befeh­det haben, siebzehn Nationen zusammen gearbeitet. Aber dasjenige, was als Anthroposophische Gesellschaft real ist, das entsteht erst, wenn die verschiedenen Nationalitäten abstreifen, was ihnen im engen Rahmen der Nationalität anhaftet, und wenn für sie der anthroposo­phische Zusammenhalt ein realer wird; wenn das als etwas Reales empfunden wird, was man abstrakt anstrebt mit dem Zusammen­schluß in der Anthroposophischen Gesellschaft. Dazu sind aber ganz bestimmte Vorbereitungen notwendig.

Es ist ein in einem gewissen Sinne berechtigter Vorwurf, den die Außenwelt den Anthroposophen macht, daß ja in der anthroposophi­schen Bewegung viel gesprochen wird vom geistigen Vorwärtskom­men, daß man aber wenig sehe von diesem geistigen Vorwärtskommen der einzelnen Anthroposophen. Dieses Vorwärtskommen ware durchaus möglich. Das richtige Lesen jedes einzelnen Buches gibt die Möglichkeit eines wirklichen Vorwärtskommens in geistiger Bezie­hung. Aber dazu ist nötig, daß diejenigen Dinge, von denen gestern gesprochen worden ist, wirklich real werden, ernsthaft genommen werden: daß der physische Leib in richtiger Weise konstituiert wird durch die Wahrhaftigkeit, der ätherische Leib durch den Schönheits-Sinn, der astralische Leib durch den Sinn für Güte.

Wenn wir zunächst sprechen von der Wahrhaftigkeit - diese Wahr­haftigkeit sollte sozusagen die große Vorbereiterin sein für alle, die nun wirklich anstreben, in einer Anthroposophischen Gesellschaft sich zusammenzuschließen. Wahrhaftigkeit muß zuerst im Leben er­worben werden, und Wahrhaftigkeit muß etwas anderes werden für diejenigen, die dankbar werden wollen ihren Hegern und Pflegern aus alten Zeiten, als sie ist für solche, die nichts wissen und nichts wissen wollen von einem solchen Verhältnis zu den einstigen Hegern und Pflegern der Menschheit.

Diejenigen Menschen, die davon nichts wissen wollen, mögen nach ihren Vorurteilen auch die Tatsachen meistern, sie mögen, wenn ihnen etwas recht ist, sagen, es sei so oder so geschehen, sie mögen, wenn es ihnen gerade paßt, daß dieser Mensch so oder so geartet ist, sagen, er

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sei so oder so geartet. Wer aber innere Wahrhaftigkeit in sich ausbilden will, der darf niemals weiter gehen, als die Tatsachen der äußeren Welt zu ihm sprechen. Und er müßte eigentlich, strenge genommen, immer darauf bedacht sein, sorgfältig seine Worte so zu formulieren, daß er in bezug auf die äußere Welt nur den konstatierten Tatbestand gibt.

Denken Sie nur einmal, wie es in der heutigen Welt Sitte ist, dasjenige, was einem gefällt, irgendwie vorauszusetzen und dazu an­zunehmen, daß es so sei. Anthroposophen müßten sich angewöhnen, streng auszusondern von dem reinen Tatsachenverlauf alle ihre Vorur­teile und nur zu schildern den reinen Tatsachenverlauf. Dadurch würden Anthroposophen von selbst Zu einer Art von korrigierenden Wesen werden gegenüber dem, was sonst heute Sitte ist.

Denken Sie nur, was wird uns alles heute durch die Zeitungen berichtet. Die Zeitungen fühlen sich verpflichtet, alles Zu berichten, gleichgültig ob irgendwie konstatiert werden kann, daß es so sei oder nicht so sei. Und dann spürt man oftmals, wenn irgend jemand etwas erzählt, wie die Bemühung fehlt, daraufzukommen, wie das konsta­tiert worden ist seiner Tatsächlichkeit nach. Dann hört man oftmals das Urteil: Ja, warum sollte das denn nicht so sein können? - Ganz gewiß, wenn man so an die Welt herangeht, daß man von irgend etwas, das behauptet wird, sagt: Warum sollte denn das nicht sein können?-, dann kann man nicht zu einer inneren Wahrhaftigkeit kommen. Denn was wir an uns erziehen im Anschauen der äußeren Sinneswelt, das muß gerade unter Anthroposophen so gestaltet werden, daß man streng stehenbleibt bei dem Konstatieren desjenigen, was in der äuße­ren Sinneswelt einem vor Augen getreten ist. Eine sehr merkwürdige Folge würde ja allerdings die Verfolgung eines solchen Zieles in der heutigen zivilisierten Welt haben. Wenn es durch irgendein Wunder geschehen könnte, daß viele Menschen dazu gezwungen würden, nur so ihre Worte zu prägen, wie es genau den Tatsachen entspricht, dann würde ein weitverbreitetes Verstummen entstehen. Denn das meiste, was heute geredet wird, entspricht eben nicht den konstatierten Tatsa­chen, sondern wird aus allerlei Meinungen, aus allerlei Leidenschaften heraus gesprochen.

Nun aber ist die Sache so, daß alles, was wir zu den äußeren Sinnesbedingungen hinzutun und was nicht dem reinen bloßen Tatsa­chenverlauf entspricht - wenn wir es in Vorstellungen wiedergeben -, in uns die Fähigkeit der höheren Erkenntnis auslöscht.

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Es ist einmal geschehen, daß in einem Kolleg, worin juristische Studenten gesessen haben, genau vorbereitet worden ist eine kleine Handlung, die vor etwa zwanzig Menschen ausgeführt wurde. Dann hat man diese zwanzig Menschen niederschreiben lassen, was sie gesehen haben. Natürlich wußte man ganz genau, was da getan wor­den war, denn jede Einzelheit war einstudiert gewesen. Zwanzig Leute sollten das hinterher aufschreiben, drei haben es halbwegs richtig aufgeschrieben, siebzehn falsch. Und das war in einem juristischen Kolleg, wo es wenigstens dazu gekommen ist, daß dreie einen Tatbe­stand richtig anschauten! Wenn man zwanzig Menschen heute hinter­einander irgend etwas, was sie gesehen haben wollen, schildern hört, so entspricht meistens das, was sie schildern, nicht im geringsten den Tatsachen. Ich will ganz absehen davon, wenn im Menschenleben außerordentliche Momente eintreten. Da ist es ja vorgekommen unter dem Kriegsfieber, daß einer den Abendstern, der durch eine Wolke geschimmert hat, für einen fremden Flieger angesehen hat. Gewiß, solche Dinge können in der Aufregung vorkommen. Aber sie sind dann die Verirrungen im Großen. Im alltäglichen Leben in bezug auf das Kleine sind sie fortwährend vorhanden.

Aber wenn man vom Werden des anthroposophischen Lebens spricht, dann hängt das davon ab, daß dieser Tatsachensinn wirklich in die Menschen einziehe, daß sie sich sozusagen ausbilden dafür, diesen Tatsachensinn allmählich zu haben, damit sie, wenn sie die äußere Tat ihrer Tatsächlichkeit nach sehen, nicht Gespenster malen, wenn sie sie nachher schildern. Man braucht ja heute nur Zeitungen zu lesen. Nicht wahr, die Gespenster sind abgeschafft, aber was einem in den Zeitun­gen als sichere Nachrichten erzählt wird, sind ja lauter Gespenster in Wirklichkeit, Gespenster übelster Sorte. Und was die Leute erzählen, sind oftmals ebenso Gespenster. Darauf kommt es an, daß sozusagen das Elementarste zum Aufsteigen in die höheren Welten dieses ist: daß man sich zuerst den reinen Tatsachensinn für die sinnliche Welt aneig­net. Dadurch erst kommt man zu dem, was ich gestern charakterisiert habe als Wahrhaftigkeit.

Und zu einem wirklichen Schönheitsgefühl, das ich gestern in seiner Lebendigkeit zu schildern versuchte, kommt man nicht anders, als wenn man den Anfang damit macht, den Dingen doch etwas anzusehen, also dem Vogel anzusehen, warum er einen Schnabel hat, dem Fisch anzusehen, warum er dieses eigentümliche Stanitzerl nach

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vorne hat, in dem sich ein zarter Kiefer verbirgt, und so weiter. Wirklich lernen, mit den Dingen zu leben, das gibt erst den Schön­heitssinn.

Und eine geistige Wahrheit ist ohne ein gewisses Maß von Güte, von Sinn für Güte, überhaupt nicht zu erreichen. Denn der Mensch muß die Fähigkeit haben, für den andern Menschen Interesse, Hinge­bung zu haben: das, was ich gestern so charakterisiert habe, daß eigentlich die Moral erst damit beginnt, wenn man in seinem astrali­schen Leibe die Sorgenfalten des andern selber als eine astralische Sorgenfalte ausbildet. Da beginnt die Moral, sonst wird die Moral nur Nachahmung von konventionellen Vorschriften oder Gewöhnungen sein. Was ich in meiner «Philosophie der Freiheit» als moralische Tat geschildert habe, das hängt zusammen mit diesem Miterleben im eigenen astralischen Leibe der Sorgenfalte oder der Falten, welche durch das Lächeln des andern entstehen und so weiter. Ohne daß im menschlichen Zusammenleben dieses Untertauchen der Seele des einen in dem Wesen des andern stattfindet, kann nicht der Sinn für das wirklich reale Leben von Geistigkeit sich ausbilden.

Daher wäre es eine besonders gute Grundlage für das Ausbilden von Geistigkeit, wenn es eine Anthroposophische Gesellschaft gäbe, die eine Realität ist, wo jeder dem andern so gegenübertritt, daß er in ihm den mit ihm gemeinsam der Anthroposophie ergebenen Men­schen wirklich erlebt; wenn nicht hineingetragen würden in die An­throposophische Gesellschaft die heutigen allzumenschlichen Gefühle und Empfindungen. Wenn die Anthroposophische Gesellschaft wirk­lich eine Neubildung wäre, in der als das Allererste gilt: Der andere ist eben Mit-Anthroposoph -, dann würde die Anthroposophische Ge­sellschaft als eine Realität geschaffen werden. Dann würde es zum Beispiel unmöglich sein, daß innerhalb dieser Gesellschaft wiederum Cliquenbildungen und dergleichen auftreten, daß oftmals sogar jene Versuchung auftritt, daß das Antipathischsein von Menschen deshalb, weil ihnen die Nase so oder so gewachsen ist - was ja im äußeren Leben heute überhaupt Sitte ist -, in einem noch höheren Maße hineingetra­gen wird. Es würden tatsächlich die Beziehungen der Menschen zuein­ander dann gegründet werden können auf das, was sie gegenseitig an sich geistig erleben. Aber damit müßte eben der Anfang gemacht werden durch ein wirkliches Ausbilden des Sinnes für Wahrhaftigkeit gegenüber den Tatsachen, was im Grunde genommen einerlei ist mit

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der Genauigkeit, mit der Verantwortlichkeit und Pflege für exakte und genaue Wiedergabe desjenigen, was man einem andern mitteilt oder was man überhaupt sagt.

Dieser Sinn für Wahrhaftigkeit ist das eine. Und der Sinn für das Drinnenstehen eines jeden Wesens in der ganzen Welt, für das Fühlen des Wassers mit dem Fisch, der Luft mit dem Vogel, was sich dann überträgt auf den Sinn für das Verständnis des andern Menschen, das müßte das zweite sein. Und der Sinn für Güte, für dieses Miterleben all dessen, was den andern interessiert, was in der Seele des andern lebt, das müßte als das dritte walten. Dann würde die Anthroposophische Gesellschaft eine Stätte werden, in der angestrebt wird, physische Leiblichkeit, ätherische Leiblichkeit, astralische Leiblichkeit allmäh­lich ihren Zielen und ihrem Wesen gemäß auszubilden. Dann würde ein Anfang mit dem gemacht werden, was eben von mir immer wieder und wiederum dadurch charakterisiert werden muß, daß ich sage: Die Anthroposophische Gesellschaft sollte nicht irgend etwas sein, was Karten gibt, worauf Namen stehen und wo man bloß eingeschrieben ist, wo man die soundsovielte Nummer hat auf seiner Mitgliedskarte, sondern die Anthroposophische Gesellschaft sollte etwas sein, was von einer gemeinschaftlichen Geistigkeit wirklich durchdrungen ist, von einer Geistigkeit, die wenigstens die Anlage hat, immer stärker zu werden, immer mehr und mehr zu werden als die andern Geistigkei­ten, so daß es zuletzt so würde, daß es für den Menschen mehr Bedeutung hätte, sich in der anthroposophischen Geistigkeit zu fühlen als in der russischen oder in der englischen oder in der deutschen Geistigkeit. Dann erst ist das Gemeinsame wirklich da.

Heute betrachtet man das historische Moment noch nicht als ein wesentliches. Aber es ist den Menschen der neueren Zeit aufgegeben, ein Gefühl dafür zu haben, in der Geschichte zu leben und zu wissen, daß jetzt mit dem christlichen Prinzip der allgemeinen Menschlichkeit ernst gemacht werden muß, denn sonst verliert die Erde ihr Ziel und ihre innere Bedeutung. Man kann zuerst ausgehen von dem, daß einstmals elementarische geistige Wesen da waren, die unsere Mensch­heit gehegt und gepflegt haben, an die wir uns zurückerinnern sollten in Dankbarkeit; daß diese Wesenheiten in den letzten Jahrhunderten innerhalb der zivilisierten Welt Europas und Amerikas verloren haben ihren Zusammenhang mit dem Menschen; daß der Mensch lernen muß wiederum die Dankbarkeit gegenüber der geistigen Welt. Dann erst

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wird man auch zu richtigen sozialen Zuständen auf der Erde kommen, wenn man zu den Wesen der geistigen Welt jene starke Dankbarkeit und jene starke Liebe entwickelt, die vorhanden sein können, wenn man diese Wesenheiten als etwas Konkretes wirklich kennenlernt. Dann wird auch das Fühlen von Mensch zu Mensch ein ganz anderes werden, als es sich herausgebildet hat von älteren Zusammenhängen her, durch die Zeiten, die in den letzten Jahrhunderten abgelaufen sind, zu den neueren Zuständen, wo der Mensch jeden andern Men­schen eigentlich mehr oder weniger als etwas Fremdes empfindet und nur sich selber vor allen Dingen wichtig nimmt, trotzdem er sich ja gar nicht kennt, trotzdem er eigentlich nur sagen kann, wenn er es sich auch natürlich nicht gesteht: Ach, ich habe eigentlich mich am aller­liebsten. - Man kann fragen: Nun, was hast du denn da am allerlieb­sten? - Ja, das muß mir erst der Naturforscher sagen oder der Arzt erklären, was das eigentlich ist, was ich da am allerliebsten habe! -Aber der Mensch ist unbewußt gefühlsmäßig eigentlich nur in sich selber lebend.

Das ist das Gegenteil von dem, was eine Anthroposophische Ge­sellschaft geben kann. Es muß zunächst eingesehen werden, daß der Mensch aus sich herauskommen muß, daß den Menschen, mindestens zu einem Teil, die andern mit ihren Eigentümlichkeiten ebenso inter­essieren müssen, wie seine eigenen Eigentümlichkeiten ihn interessie­ren. Wenn das nicht der Fall ist, kann eine Anthroposophische Gesell­schaft nicht bestehen. Man kann Mitglieder aufnehmen, und man kann Regeln festsetzen, die können ja eine Weile bestehen, aber eine Realität ist das nicht. Realitäten entstehen nicht dadurch, daß man Mitglieder aufnimmt und diese Mitglieder nun Karten haben, durch die sie An­throposophen sind. Realitäten entstehen überhaupt niemals durch das, was man schreibt oder druckt, sondern Realitäten entstehen durch dasjenige, was lebt. Und es kann das Geschriebene oder Gedruckte eben nur ein Ausdruck des Lebens sein. Ist es ein Ausdruck des Lebens, dann ist eine Realität vorhanden. Ist aber das Geschriebene und Gedruckte nur Geschriebenes und Gedrucktes, das konventionell in seiner Bedeutung festgestellt wird, dann ist es Kadaver. Denn in dem Momente, wo ich irgend etwas niederschreibe, mausere ich meine Gedanken. Sie wissen, was «mausern» heißt; wenn der Vogel seine Federn abwirft, da wird das Tote abgeworfen. Solch ein Mausern ist es, wenn ich irgend etwas aufschreibe. Heute, da streben eigentlich die

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Leute nur noch nach Mausern der Gedanken: sie wollen alles in Aufgeschriebenes verwandeln. Aber so einem Vogel würde es furcht­bar schwer, wenn er sich eben gemausert hätte, sich gleich wieder zu mausern. Wenn irgend jemand anstreben wollte, daß ein Kanarienvo­gel, der sich eben gemausert hat, gleich wieder sich mausert, dann müßte er die Federn dazu nachmachen. Ja, aber so ist es heute! Weil die Leute überhaupt alles nur im toten Mauserungsprodukt haben wollen, so haben wir es eigentlich nur noch mit nachgemachten Realitäten, nicht mehr mit wirklichen Realitäten zu tun. Und meistens sind es nachgemachte Realitäten, was die Menschen von sich geben. Es ist zum Verzweifeln, wenn man das mißt an dem, was eine wirkliche Realität ist; wenn man sieht, wie eigentlich gar nicht mehr die Men­schen sprechen. Es spricht ja nicht mehr der Mensch; es spricht, nun ja, der Herr Regierungsrat oder der Herr Rechtsanwalt, es sprechen abstrakte Kategorien. Es spricht das Fräulein oder der Holländer oder der Russe. Aber was wir anstreben müssen, ist, daß nicht der Herr Hofrat, nicht der Herr Regierungsrat, nicht der Russe, nicht der Deutsche, nicht der Franzose und nicht der Engländer sprechen, sondern daß der Mensch spricht. Aber der Mensch muß doch erst wirklich da sein. Er wird aber nicht Mensch, wenn er nur sich selbst kennt. Denn das ist das Eigentümliche: Ebensowenig wie man die Luft, die man selbst erzeugt, atmen kann, ebensowenig kann man den Menschen, den man nur selber in sich ausfüllt, den man in sich selber fühlt, leben. Atmen Sie die Luft, die Sie selber in sich erzeugen. Das können Sie nicht. Aber Sie können auch den Menschen in Wirklichkeit nicht leben, den Sie selber in sich erzeugen. Sie müssen im sozialen Leben leben durch das, was die anderen Menschen sind, was Sie mit den andern Menschen miterleben. Das ist wahres Menschentum, das ist wahres menschliches Leben. Das leben wollen, was man nur in sich selbst erzeugt, würde dasselbe bedeuten, wie wenn man sich ent­schließen wollte, statt daß man die äußere Luft in sich aufnimmt, nun in ein Gefäß hineinzuatmen, um wiederum dieselbe Luft zu atmen, die man selber als Atemluft erzeugt hat. Da würde man, weil das Physische unbarmherziger ist als das Geistige, sehr bald ersterben. Und wenn man fortwährend nur an demselben herum­atmet, was man als Mensch selber erlebt, dann erstirbt man auch, nur weiß man nicht, daß man seelisch oder wenigstens geistig gestor­ben ist.

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Also es handelt sich darum, daß erst wirklich durch die Anthropo­sophische Gesellschaft oder Bewegung vollzogen wird das, was ich neulich charakterisiert habe mit den Worten aus dem Weihnachtsspiel:

«Stichl, steh auf!» Ich habe es in einem der letzten Vorträge charakteri­siert, daß dieses anthroposophische Leben ein Erwecken sein soll, ein Erwachen. Es muß aber zu gleicher Zeit ein fortwährendes Vermeiden des Seelentodes sein, ein fortwährender Appell an die Lebendigkeit des seelischen Lebens. Auf diese Art würde die Anthroposophische Gesellschaft von selbst durch die innere Kraft des geistig-seelischen Lebens eine Realität sein.

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Dornach, Sonntag, 21. Januar 1923

Schlußworte des Abendvortrages vor der Reise zu den

zweiten Konsolidierungsverhandlungen in Stuttgart

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... Aber wenn es zur Sündenerhebung kommen soll, dann muß der Mensch sich zuerst an der Sinnenwelt zur Wahrhaftigkeit erziehen und diese Erziehung, diese Angewöhnung dann in die geistige Welt hineintragen. Dann wird er auch in der geistigen Welt wahrhaftig sein können. Sonst erzählt er den Leuten die unglaublichsten Geschichten von der geistigen Welt. Hat er sich für die physische Welt Ungenauig­keit, Unwahrhaftigkeit, Unexaktheit angewöhnt, dann erzählt er lau­ter Unwahrheiten über die geistige Welt.

Wenn man so das Ideal faßt, dessen sich die Anthroposophische Gesellschaft als einer Realität bewußt werden kann, und wenn geltend gemacht wird, was aus einem solchen Bewußtsein kommt, dann muß selbst bei dem Ubelwollendsten der Glaube verschwinden, daß die Anthroposophische Gesellschaft eine Sekte sein kann. Nun, selbstver­ständlich werden die Gegner alles mögliche sagen, was nicht wahr ist. Aber es kann uns nicht gleichgültig sein, ob das wahr oder unwahr ist, was die Gegner sagen, solange wir Veranlassung dazu geben.

Nun hat sich durch das Wesen der Sache die Anthroposophische Gesellschaft aus der Sektiererei, in der sie ja gewiß anfangs befangen war, insbesondere solange sie mit der Theosophischen Gesellschaft verbunden war, gründlich herausgearbeitet. Nur haben viele Mitglie­der das heute noch nicht bemerkt und lieben die Sektiererei. Und so ist es zustande gekommen, daß selbst ältere anthroposophische Mitglieder,

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die fast zerspringen wollten unter der Umwandlung der Anthro­posophischen Gesellschaft aus einer sektiererischen in etwas, was sich seiner Weltaufgabe bewußt ist, daß sie, die fast Zerspringen wollten, in der allerneuesten Zeit einen Sprung machten. Inwiefern? Ja, sehen Sie:

Ebensofern aller Sektiererei, wenn sie ihrem Wesen folgt, kann die Bewegung für religiöse Erneuerung sein; aber diese Bewegung für religiöse Erneuerung hat zunächst einer Anzahl selbst älterer Anthro­posophen die Veranlassung gegeben, sich zu sagen: Ja, in der Anthro­posophischen Gesellschaft, da wird das sektiererische Wesen immer mehr und mehr ausgemerzt, doch hier können wir es wiederum pfle­gen! - Und so wird gerade durch Anthroposophen vielfach die reli­giöse Erneuerungsbewegung zu der wüstesten Sektiererei gemacht, was sie wahrlich gar nicht zu sein brauchte.

Man sieht also, wie - wenn die Anthroposophische Gesellschaft eine Realität werden will - der Mut, sich in die geistige Welt wiederum zu erheben, positiv gepflegt werden muß. Dann wird schon Kunst und Religion sprießen in der Anthroposophischen Gesellschaft. Wenn uns zunächst auch unsere künstlerischen Formen genommen sind, sie leben eben im Wesen der anthroposophischen Bewegung selber und mussen immer wieder und wiederum gefunden werden.

Ebenso lebt die wahre religiöse Vertiefung in denen, welche den Weg in die geistige Welt zurückfinden, welche die Sündenerhebung ernsthaft nehmen. Aber was wir in uns selber ausmerzen müssen, das ist der Hang zur Sektiererei, denn er ist immer egoistisch. Er will immer die Umständlichkeit vermeiden, in die Realität des Geistes hineinzudringen, um sich zu begnügen mit einem mystischen Schwel­gen, das im Grunde genommen eine egoistische Wollust ist. Und alles Reden davon, daß die Anthroposophische Gesellschaft viel zu intel­lektualistisch geworden ist, beruht eigentlich darauf, daß diejenigen, die so reden, eben das konsequente Erleben eines geistigen Inhaltes vermeiden wollen und viel mehr die egoistische Wollust des seelischen Schwelgens in einer mystischen, nebulosen Unbestimmtheit wollen. Selbstlosigkeit ist notwendig zur wirklichen Anthroposophie. Ein bloßer Seelenegoismus ist es, wenn dieser wirklichen Anthroposophie von den anthroposophischen Mitgliedern selber widerstrebt wird und sie nun erst recht hineintreiben in ein sektiererisches Wesen, das eben nur die seelische Wollust befriedigen soll, die durch und durch etwas Egoistisches ist.

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Das sind die Dinge, die wir uns vor Augen führen müssen hinsicht­lich unserer Aufgabe. Dadurch wird nichts verlorengehen von der Wärme, von dem künstlerischen Sinn und der religiösen Innigkeit des anthroposophischen Strebens. Aber es wird vermieden werden, was vermieden werden muß: der sektiererische Hang. Und dieser sektiere­rische Hang, er hat so manches die Gesellschaft Auflösende gebracht, wenn er auch oft auf dem Umwege des reinen Cliquenwesens gekom­men ist. Aber Cliquenwesen entstand innerhalb der anthroposophi­schen Bewegung auch nur wegen seiner Verwandtschaft - es ist aller­dings eine weite, eine entfernte Verwandtschaft - mit dem sektiereri­schen Hang. Wir müssen zurückkommen zu der Pflege eines gewissen Weltbewußtseins, so daß nur noch Gegner, welche absichtlich die Unwahrheit sagen wollen, die Anthroposophische Gesellschaft eine Sekte nennen können. Wir müssen dazu kommen, streng abweisen zu können den sektiererischen Charakterzug der anthroposophischen Bewegung. So sollen wir ihn aber abweisen, daß, wenn etwas auf­taucht, was selber nicht sektiererisch gedacht ist, wie die religiöse Erneuerungsbewegung, es nicht sogleich ergriffen wird, weil man es leichter im sektiererischen Sinne gestalten kann als die Anthroposo­phische Gesellschaft selber.

Das sind die Dinge, die wir heute scharf bedenken müssen. Wir müssen heute aus dem innersten Wesen der Anthroposophie heraus verstehen, inwiefern die Anthroposophie dem Menschen ein Weltbe­wußtsein geben kann, nicht ein sektiererisches Bewußtsein. Deshalb mußte ich in diesen Tagen gerade von diesen engeren Aufgaben der Anthroposophischen Gesellschaft sprechen.

Dornach, Samstag, 3. Februar 1923

Schlußworte des Abendvortrages

Wenn man ein anthroposophisches Buch liest, muß man mit seinem ganzen Menschen hinein, und weil man im Schlafe bewußtlos ist, also keine Gedanken hat - aber der Wille dauert fort -, muß man mit dem Willen hinein. Wollen Sie dasjenige, was in den Worten eines wirk­lichen anthroposophischen Buches liegt, so werden Sie durch dieses Wollen wenigstens gedankenhaft unmittelbar hellsichtig. Und sehen Sie, dieser Wille, der muß noch hinein in diejenigen, die unsere Anthroposophie

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vertreten! Wenn dieser Wille hineinfährt wie ein Blitz in diejenigen, die unsere Anthroposophie vertreten, dann wird die An­throposophie vor der Welt in der richtigen Weise vertreten werden können. Nicht irgendwelcher Zauberkünste bedarf es dazu, sondern des energischen Wollens, das nicht nur die Lebensstücke während des Tages hineinträgt in ein Buch. Heute lesen ja die Leute übrigens nicht einmal mehr mit diesem unvollständigen Lebensstück Werke, sondern heute bei der Zeitungslektüre genügt es, wenn man ein paar Tagesmi­nuten rege macht, um sich anzueignen, was man da hat. Da braucht man nicht einmal den ganzen wachen Tag. Wenn man aber mit seinem ganzen Menschen untertaucht in ein Buch, das aus der Anthropo­sophie entstammt, dann wird es in einem lebendig.

Das ist aber dasjenige, was beachtet werden sollte, namentlich von jenen, die führende Persönlichkeiten sein sollen innerhalb der Anthro­posophischen Gesellschaft. Denn dieser Anthroposophischen Gesell­schaft schadet es ungeheuer, wenn gesagt wird: Ja, die Anthroposo­phie wird verkündet von Menschen, die nicht für sie eintreten können.

- Wir müssen eben dazu kommen, zu dem bloßen passiven intellek­tualistischen Erleben der anthroposophischen Wahrheiten das Aufge­hen mit unserem ganzen Menschen in diesen anthroposophischen Wahrheiten zu finden. Dann wird dasjenige, was anthroposophische Verkündigung ist, nicht in der lendenlahmen Weise auftreten, daß man immer nur sagt: Von geisteswissenschaftlicher Seite wird uns versi­chert -, sondern dann wird man die anthroposophische Wahrheit als sein eigenes Erleben verkündigen können, wenigstens zunächst für das, was dem Menschen am allernächsten liegt, zum Beispiel für das medizinische Gebiet, für das physiologische Gebiet, für das biologi­sche Gebiet, für das Gebiet der äußeren Wissenschaften oder des äußeren sozialen Lebens. Wenn auch nicht die Gebiete der höheren Hierarchien auf dieser ersten Stufe des Hellsehens zugänglich werden, aber das, was als Geist in unserer unmittelbaren Umgebung ist, das kann auf diese Weise auch wirklich Gegenstand der menschlichen Seelenverfassung der Gegenwart sein. Und vom Willen hängt es ab im umfassendsten Sinne, ob in unserer Anthroposophischen Gesellschaft Menschen auftreten, die Zeugnis - ein gültiges Zeugnis, weil es unmit­telbar empfunden wird, als lebendiger Quell der Wahrheit empfunden wird -, die ein gültiges lebendiges Zeugnis für die innere Wahrheit des Anthroposophischen ablegen können.

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Das hängt auch zusammen mit dem, was der Anthroposophischen Gesellschaft notwendig ist: daß in ihr Persönlichkeiten auftreten müs­sen, die, wenn ich mich des paradoxen Ausdrucks bedienen will, den guten Willen zum Willen haben. Heute nennt man Willen jeden belie­bigen Wunsch; aber ein Wunsch ist kein Wille. Manche möchten, daß etwas so und so gelinge. Das ist kein Wille. Der Wille ist tätige Kraft. Die fehlt heute im weitesten Umfange. Die fehlt dem Menschen der Gegenwart. Die darf aber nicht fehlen innerhalb der Anthroposophi­schen Gesellschaft. Da muß ruhiger Enthusiasmus in starkem Willen verankert sein können. Das gehört auch zu den Lebensbedingungen der Anthroposophischen Gesellschaft. Nun, ich werde über diese Dinge morgen weiterreden.

Weil es eben in der Anthroposophischen Gesellschaft nicht so ist, wie es sein sollte, so muß jetzt Mannigfaltiges getan werden, und ich bin genötigt, noch einmal eine kurze Reise nach Stuttgart zu machen. Daher muß ich noch einmal bitten, morgen den Vortrag um 11 Uhr halten zu können, damit alle nötigen sonstigen Proben, Vorbereitun­gen und so weiter auf den Abend verlegt werden können. So daß wir morgen meinen Vortrag um 11 Uhr vormittags haben können, die Eurythmievorstellung um 5 Uhr nachmittags. Sie wird aber wirklich so sein, daß, wenn zwar nicht so neu wie vor 8 Tagen, wir auch da wieder sagen können: Anthroposophen sollten so viel an Enthusias­mus aufbringen können, daß sie zweimal den Berg heraufsteigen. Also ich möchte das nicht als Entschuldigung gelten lassen für den etwaigen Nicht-Besuch der Eurythmievorstellung, daß man zweimal herauf­kommen muß. Aber es liegt eben in den Unvollkommenheiten der Anthroposophischen Gesellschaft, daß wir morgen die Zeit zu kom­men zweimal brauchen: um 11 Uhr zum Vortrag und um 5 Uhr zur Eurythmievorstellung.

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Dornach, Sonntag, 4. Februar 1923

Zweiter Teil des Vortrages

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Es ist ganz merkwürdig, was für Ideen entstehen gerade an der Hand der anthroposophischen Bücher. Ich begreife diese Ideen, widerspre­che ihnen oftmals nicht, weil sie für den einzelnen ihren Wert haben; aber nehmen wir zum Beispiel die «Geheimwissenschaft». Es sind Leute gekommen, die meinen, für diese «Geheimwissenschaft» von

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mir etwas tun zu können, wenn sie die ganze «Geheimwissenschaft» malen, so daß sie in Bildern vor den Leuten stehen würde. Es ist diese Sehnsucht entstanden. Es sind sogar Proben davon geliefert worden. Ich habe nichts dagegen; wenn diese Proben gut sind, so kann man sie sogar bewundern, es ist ja ganz schön, solche Dinge zu machen. Aber aus welcher Sehnsucht gehen sie hervor? Sie gehen aus der Sehnsucht hervor, das Wichtigste, was an der «Geheimwissenschaft» entwickelt wird, wegzunehmen und vor den Menschen Bilder hinzustellen, die wieder Bretter sind. Denn worauf es ankommt, das ist - so wie unsere Sprache und wie das scheußliche Schreiben geworden ist, dieses furchtbare Schreiben oder gar das Druckenlassen -, das nun zu neh­men, wie es einmal ist, sich nicht aufzulehnen gegen das, was die Zivilisation gebracht hat, und das so zu nehmen, daß der Leser es auch sogleich überwinden kann, daß er sogleich herauskommt und nun die ganzen Bilder sich selber macht, die eingeflossen sind in die scheußli­che Tinte, sie sich also selber erschafft. Je individueller jeder selber diese Bilder erschafft, desto besser ist es. Wenn das ihm ein anderer vorwegnimmt, so vermauert er ihm ja wiederum die Welt. Ich will ja nicht eine Philippika halten gegen die malerische Ausgestaltung des­sen, was in der «Geheimwissenschaft» in Imaginationen dargestellt ist, selbstverständlich nicht, aber ich möchte nur auf das hinweisen, was als ein erlebendes Aufnehmen dieser Sache im Grunde genommen für jeden notwendig ist.

Diese Dinge müssen heute in der richtigen Weise verstanden wer­den. Man muß eben dazu kommen, die Anthroposophie nicht nur als etwas zu nehmen, wo hinein man sich in derselben Weise vertieft, wie man sich in anderes vertieft, sondern man muß sie als etwas nehmen, was ein Umdenken und Umempfinden voraussetzt, was voraussetzt, daß der Mensch sich anders macht, als er vorher war. Man kann also, wenn zum Beispiel aus der Anthroposophie heraus, sagen wir, ein astronomisches Kapitel vorgetragen wird, nun nicht dieses astronomi­sche Kapitel nehmen und es vergleichen mit der gewöhnlichen Astro­nomie und nun anfangen, hin und her zu beweisen und zu widerlegen. Das hat gar keinen Sinn, sondern man muß sich klar sein darüber: das aus der Anthroposophie geschöpfte astronomische Kapitel ist erst verständlich, wenn eben das Umdenken und Umempfinden da ist. Wenn also irgendwo heute eine Widerlegung irgendeines anthroposo­phischen Kapitels erscheint und dann eine mit denselben Mitteln wie

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die Widerlegung erschienene geschriebene Verteidigung da ist, dann ist dadurch gar nichts getan, eigentlich wirklich gar nichts getan, denn man redet hinüber und herüber mit derselben Denkweise. Darauf kommt es gar nicht an, sondern es kommt darauf an, daß von einem neuen Leben die Anthroposophie getragen werde. Und das ist heute durchaus notwendig.

Dringend notwendig ist es, in dieser Phase der Anthroposophi­schen Gesellschaft gerade über diese Dinge zu sprechen, denn diese Dinge fangen an, in der allergründlichsten Weise mißverstanden zu werden. Zu diesem Zwecke lassen Sie mich heute ein paar Rückblicke machen auf die Art und Weise, wie die Anthroposophische Gesell­schaft geworden ist. Sehen Sie, sie ist durchaus nicht dadurch gewor­den, daß sie das gesucht hat, sondern dadurch, daß es sich aus den Lebensverhältnissen heraus ergeben hat; sie ist geworden, indem sie im Beginne unseres Jahrhunderts in einer gewissen losen, äußerlichen Verbindung mit der Theosophischen Gesellschaft war. Diese Theoso­phische Gesellschaft, sie hat im wesentlichen sich immer bemüht, alte Einweihungsprinzipien in die Gegenwart hereinzutragen. Das Schick­sal hat es so gefügt, daß gerade innerhalb theosophischer Kreise zu­nächst von Anthroposophie gesprochen werden konnte. Ich habe die Gründe dafür öfter auseinandergesetzt, und ich will sie heute nicht wiederholen. Angedeutet habe ich sie ja in dem ersten Aufsatz, den ich geschrieben habe in der Serie: «Das Goetheanum in seinen zehn Jahren» [in GA 36].

Aber Anthroposophie mußte sich dazumal als ein Selbständiges herauswinden aus der modernen Auffassung des Geistigen, die, ich möchte sagen, im weitesten Umkreise mehr nach dem Theosophi­schen hinneigte: nach dem Wiederherauftragen alter Einweihungsme­thoden. In welch grotesker Weise diese alten Einweihungsmethoden nicht zusammenstimmen mit dem, was die Forderung der neueren Zivilisation ist, das zeigte sich ja ganz besonders, als so um die Jahre 1907, 1908, 1909, 1910 diese geistige Bewegung, die den theosophi­schen Charakter hatte, an das Christusproblem herankam. Da produ­zierte diese theosophische Bewegung die Absurdität von einem in einem gegenwärtigen Menschenkinde verkörperten Christus Jesus. Und daran schlossen sich dann alle übrigen Absurditäten, welche die theosophische Bewegung hervorgebracht hat. Von Anfang an mußte Anthroposophie, im Gegensatz zur Theosophie, hinführen Zu einer

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richtigen Auffassung des Mysteriums von Golgatha. Daher ist in der ersten Periode des anthroposophischen Lebens vorzugsweise die Evangelien-Erklärung dagewesen, die Hinleitung zu einer richtigen Auffassung des Mysteriums von Golgatha. Und in der Zeit, als mit Bezug auf das Mysterium von Golgatha die andere spirituelle Be­wegung in die ärgsten Absurditäten verfallen ist, näherte sich die anthroposophische Bewegung immer mehr einer wirklichen realen Auffassung des Mysteriums von Golgatha und ging ihren Weg mit dieser Auffassung des Mysteriums von Golgatha, während die theosophische Bewegung nicht weiter mit ihr verbunden sein konnte.

Das war die erste Phase des anthroposophischen Strebens. Es war der bedeutsame zusammenhaltende Impuls da, die anthroposophische Bewegung in rechter Weise mit dem Mysterium von Golgatha zu verbinden. Und man kann sagen, daß in dem Augenblicke, als ge­schrieben werden konnten meine Mysterien, diese Phase zu einer Art vorläufigem Abschluß gekommen war. Daß verbunden sein müsse die anthroposophische Bewegung mit einer richtigen Erfassung des My­steriums von Golgatha, das war dazumal eine allgemeine Überzeu­gung unter den Anthroposophen. Und der Schwung, den dazumal die anthroposophische Bewegung hatte bis gegen das Jahr 1908, 1909 und so weiter, dieser Schwung kam daher, daß auf neuere spirituelle Weise ein richtiges Verständnis des Mysteriums von Golgatha erobert wurde, alles so orientiert wurde, daß das Mysterium von Golgatha in der Mitte des Verständnisses stehen konnte. Dadurch bekam die Anthroposophische Gesellschaft dazumal ihren Charakter.

Aber die Dinge, die im äußeren wirklichen Leben drinnenstehen, machen eine Geschichte durch, und etwas, was voll inneren Lebens sein soll, wie die Anthroposophische Gesellschaft, das macht in schnellerem Tempo eine Geschichte durch als anderes.

Eine wichtige Phase zum Beispiel in der anthroposophischen Be­wegung, als die Anthroposophie schon vollständig selbständig war gegenüber der Theosophie, war dann diejenige, daß ich in Prag den Vortrags-Zyklus über «Okkulte Physiologie» gehalten habe und daß immer mehr und mehr, ich möchte sagen, auch die Welterkenntnis erobert werden konnte durch das anthroposophische Wissen. Damit konnte der Welt gezeigt werden: Diese Anthroposophie ist nicht etwas in Wolkenhöhen nur mystisch Schwebendes, sondern sie er­greift wirklich das moderne Bewußtsein. Sie rechnet mit dem Heraufkommen

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der Bewußtseinsseelen-Entwicklung. Sie wagt sich vor in Gebiete, deren Begreifen eben nur mit Spiritualität möglich ist, die aber die Gebiete der menschlichen Weltumgebung sind.

Und so ging, nachdem gewissermaßen, ich möchte sagen, befestigt war innerhalb der anthroposophischen Bewegung das Mysterium von Golgatha, eine nur bei völligem Ernstnehmen des Mysteriums von Golgatha mögliche wissenschaftliche Bewegung ihre ersten Schritte.

Das war dann schwer festzuhalten in der Zeit, als in Europa alles drunter und drüber ging, als der Weltkrieg kam. Wir waren in der zweiten Phase der anthroposophischen Bewegung. Wir hatten gewis­sermaßen das hinter uns, daß wir Zeugnis davon abgelegt hatten: wir wollen mit dem Mysterium von Golgatha fest verbunden sein. Wir hatten eben in Arbeit genommen das Ausdehnen des anthroposophi­schen Impulses über die verschiedenen Gebiete der Weltzivilisation. Und nun kam die Zeit, in der ja in Europa die Menschen in einem so hohen Maße voneinander getrennt wurden, die Zeit, in der Mißtrauen, Haß überhand nahmen. Eine Zeit kam, in der alles dasjenige lebte, was innerhalb einer anthroposophischen Gemeinschaft nicht leben darf, wenn sie ihren richtigen Lebensimpuls entfalten soll. Und es ist in einer gewissen Weise wirklich gelungen, trotz der Schwierigkeiten, welche damals bestanden, die Anthroposophische Gesellschaft wei­terzuführen.

Bedenken wir die Schwierigkeiten, die bestanden. Eine große Schwierigkeit bestand darin, daß die ursprüngliche Begründung der Anthroposophie von dem deutschen Mitteleuropa ausgegangen war, daß wir unser Goetheanum hier in einem neutralen Gebiet hatten, daß, ich möchte sagen, jedes Zusammenwirken von Menschen, die den verschiedensten europäischen Gebieten angehörten, von vielen Seiten mit ungeheurem Mißtrauen betrachtet worden ist. Jedes Herüber- und Hinüberwirken, jedes Herüber- und Hinüberreisen war ja in jener Zeit eine ungeheure Schwierigkeit. Aber die Schwierigkeiten sind damals überwunden worden, weil sie behandelt worden sind - meine lieben Freunde, das muß schon gesagt werden -, weil sie behandelt worden sind aus anthroposophischem Geiste heraus. Ich weiß, daß mancher, der dazumal in der anthroposophischen Bewegung gestan­den hat, manches auch kritisiert hat, übelgenommen hat sogar, weil man nicht immer gleich einsah, was gegenüber den die Welt zerspal­tenden Urteilen gerade unternommen werden mußte, um den Zusammenhalt,

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wie er allein in anthroposophischer Gesinnung sein kann, zu sichern! Und so konnten wir die anthroposophische Bewegung hinlei­ten über die Schwierigkeiten, die sich während der europäischen Kri­siszeit ergeben haben, konnten sie in einer gewissen Weise rein erhal­ten. Diejenigen Menschen, die geradezu für das Mißtrauen in jener Zeit veranlagt waren, konnten vielfach zum Vertrauen gebracht wer­den, zu dem Vertrauen, daß sie sich als ganz Außenstehende sagten:

Anthroposophie, man mag sich zu ihr stellen, wie man will, sie ist doch etwas, was sich nicht ausnimmt wie ein Ding, dem man Mißtrauen entgegenbringen muß, auch wenn sie mit den verschiedensten Natio­nen zusammenarbeitet.

Es konnte eben bis in die Kriegszeiten hinein - wenn es auch von manchem mißverstanden worden ist, wenn auch mancher sich hinein­gestellt hat in das oder jenes, was dazumal die Menschen anfing zu zerspalten in Europa, und wenn er auch von irgendeinem nationalen Furor aus manches bekrittelt hat, was aus dem Geiste der Anthroposo­phie heraus gemacht worden ist -, es konnte eben doch, wenn ich so sagen darf, das anthroposophische Schiff durchgesteuert werden durch die großen Schwierigkeiten, die es gab, und es konnte sukzessive fortgearbeitet werden an unserem Goetheanum.

Man möchte sagen: Diese zweite Phase, in der die Anthroposophie nicht mehr ein Embryo war, wie sie es eben war bis zum Jahre 1908 oder 1909, diese zweite Phase, die dauerte dann etwa bis zum Jahre 1915, 1916. Natürlich - ihre Nachwirkungen blieben vielfach.

Dann aber begann eine Zeit, wo das Kind naturgemäß reif werden mußte: die dritte Phase der anthroposophischen Bewegung, etwa 1916 beginnend. Ja, meine lieben Freunde, was ist das für eine Zeit? Das ist die Zeit, wo allerlei Persönlichkeiten in der anthroposophischen Be­wegung, die sich ja bis dahin bedeutsam vergrößert hatte, Ideen beka­men, Ideen, die dann ganz besonders arg sich auswuchsen in der Nachkriegszeit.

Das liegt schon in der Natur einer solchen Bewegung, daß die einzelnen in ihr stehenden Persönlichkeiten Ideen bekommen müssen, denn eine solche Bewegung muß in sich reif werden. Wenn sie sich vergrößert, so müssen allmählich führende Persönlichkeiten in ihr erstehen. Und dann war es ja auch richtig, daß einzelne Persönlichkei­ten solche Ideen bekamen. Aber was notwendig war, das war eben, daß diese Persönlichkeiten mit eisernem Willen bei diesen Ideen blieben,

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daß diese Ideen nicht bloß vorgenommen wurden, programma­tisch wurden und dann wiederum fallengelassen wurden, sondern daß diese Persönlichkeiten mit eisernem Willen bei diesen Ideen blieben.

Die Ideen, die sich da verwirklichen wollten bis heute, sind ja alle gut gewesen. Was nicht gut gewesen ist und was anders werden muß, das ist das Verhalten der Persönlichkeiten dazu: Es handelt sich eben um das Gewinnen von Ausdauer in der Verfolgung von Ideen. Da trat notwendigerweise ein neues Element auf.

Nehmen wir die erste Phase der anthroposophischen Bewegung. Als die Anthroposophie noch ein Embryo war, da konnten die Men­schen an die Anthroposophie herankommen und brauchten ja nur aufzunehmen. Es handelte sich in der ersten Phase ja nur darum, aufzunehmen, sich anzuschließen an die Bewegung, aufzunehmen dasjenige, was geboten wurde.

In der zweiten Phase war es notwendig, daß das Aufnehmen sich etwas vermischte mit einem Verständnis; daß zum Beispiel Leute aus der Welt herankamen, die diese Außenwelt auch wirklich kannten, kannten als Wissenschaftler, kannten als Praktiker; die also ein Urteil gewinnen konnten, daß dasjenige, was ihnen von der Anthroposophie entgegengetragen wurde, auch für Wissenschaft und Lebenspraxis einen Wert habe. Man brauchte aber noch nicht selber tätig zu sein, man brauchte bloß mit einem gesunden Urteil über die Außenwelt das Anthroposophische aufzunehmen. In der ersten Phase der Anthropo­sophie brauchte man bloß ein Mensch mit einem warmen Herzen und mit einem gesunden Menschenverstande zu sein, und man konnte zu dem Anthroposophischen ja sagen. Gewiß, das muß ja durch alle Phasen der anthroposophischen Bewegung hindurch dasein, daß sol­che Menschen mit einem warmen Herzen und mit einem gesunden Menschenverstand die Anthroposophie aufnehmen. Aber es muß auch immer einige Menschen geben, welche die andere Welt gründlich kennen und von dem Gesichtspunkt der anderen Welt aus, eben wissenschaftlich oder als Praktiker, dasjenige beurteilen können, was aus geistigen Welten in der Anthroposophie auf die Erde herunterge­tragen wird.

Nun, als die dritte Phase kam, brauchte man tätige Menschen, Menschen, die mit ihrem Willen, aber mit einem ausdauernden Willen an denjenigen Dingen arbeiteten, die als Ideen in ihnen entstanden. Geradesowenig, wie man sich der Illusion hingeben kann, daß ein

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Kind, das l6jahre alt geworden ist, noch zwölfjährig sei, ebensowenig durfte man sich der Illusion hingeben, daß die Anthroposophische Gesellschaft im Jahre 1919 noch dasselbe sein könne, was sie war etwa im Jahre 1907. Es lag in der Natur der Sache, daß jedem Wollen entgegengekommen wurde. Aber es wurde auch immer betont: Solch ein Wollen hat nur dann seine rechte Berechtigung, wenn man dabei bleibt, wenn man mit ausdauerndem Willen dabei bleibt. Nun, das hat eben vielfach gefehlt. Das sage ich nicht als eine Kritik, sondern als etwas, was hinweist auf das, was da kommen muß. Aber ich habe oftmals hingewiesen in einzelnen Fällen auf dasjenige, was kommen muß. Es ist nur in einem Falle meinem Aufmerksammachen von seiten der Führerschaft genügt worden! Das war dazumal, als ich bemerkte, daß es notwendig ist, daß auf einem gewissen Felde eingegriffen wer­den müsse, und alsdann unser Freund Leinhas dieses Eingreifen über­nommen hat. Nur in diesem einen Fall ist eigentlich in der letzten Zeit dasjenige beachtet worden, was ich als eine Notwendigkeit immer wieder und wieder auf dem einen oder auf dem anderen Gebiete bezeichnet habe - ich sage jetzt ausdrücklich: bezeichnet habe - als eine Notwendigkeit der dritten Phase der anthroposophischen Bewe­gung. Denn im Grunde genommen brauchte ich nicht mich besonders einzusetzen für das, was die Impulse der ersten Phase und der zweiten Phase waren. Die liefen ja fort. Die konnte man dem spirituellen Karma ruhig überlassen. Etwas anderes war es mit dem, was sich durch die Ideen einzelner Persönlichkeiten ja als ein in der Sache Gutes herausgebildet hatte, was aber nur weiter gut sein kann, wenn der ausdauernde Wille der einzelnen Persönlichkeiten in die Dinge wirk­lich eingreift. Aber so dürfen sie eben nicht verlaufen, wie sie in der letzten Zeit vielfach verlaufen sind.

Ich will ein Beispiel herausheben. Nehmen wir an, daß unter den vielerlei Dingen, die aus Ideen heraus gingen, auch der sogenannte Hochschulbund war. Ja, meine lieben Freunde, dieser Hochschul­bund mußte entweder ernstes Wollen, das nicht nachließ, in sich bergen, oder er war ein totgeborenes Kind. Das ist etwas, was ich bereits bei seiner Begründung ausdrücklich sagte.

Was hat eine solche Aussage für einen Sinn, meine lieben Freunde? Doch nur den, daß man die Leute darauf aufmerksam macht: Ihr müßt wissen, wenn Ihr in eurem Wollen nachlaßt, dann geht die Sache schief. Was ist aus dem Hochschulbund geworden? In Deutschland ist

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etwas daraus geworden, was nur die Vertreter des Alten ärgert, zu Feinden macht, weil eben das energische Wollen nicht dahinter stand. In der Schweiz ist der Hochschulbund überhaupt niemals richtig geboren worden; daher konnte auch nicht ein durchgreifendes Wollen so etwas durchzucken wie dasjenige, was den ersten Veranstaltungen innerhalb unseres untergegangenen Goetheanum den Charakter gege­ben hat: die Hochschulvorträge. Sie sind, weil keine Stoßkraft dahin­tersteckt, im Grunde genommen doch ganz unwirksam geblieben. Sie haben aber Feinde gemacht. Und darin bestand ein großer Teil der dritten Phase unserer anthroposophischen Bewegung: in dem Erregen von Feindschaften, von Gegnerschaften, die nicht notwendig sind, wenn ein energisches Wollen hinter der Sache steht. Natürlich, Feind­schaften ergeben sich; aber sie sind wirkungslos, wenn sie nicht in einer gewissen Weise berechtigt sind. Und es muß immer das gelten, daß gesagt werden könne: Mögen Feindschaften noch so viele entste­hen, sie dürfen auch nicht einmal einen Schein von einer Berechtigung haben, so vehement sie auch auftreten.

Ich habe ja immer wieder, auch hier an dieser Stelle, aufmerksam darauf gemacht, daß es so ist - aber sehen wir, wie es gekommen ist. Nicht wahr, es ist ja natürlich, daß gerade an diejenige Bewegung, die so recht aus dem Aufkeimen der Bewußtseinsseelen-Entwickelung aufgeht, daß gerade an diese Bewegung die Jugend herankommt. Man muß sich freuen, daß die Jugend herankommt. Aber wie steht heute die Jugend zu dem, was Anthroposophische Gesellschaft ist? Die Jugend steht heute so dazu, daß sie sagt: Das kann man nicht ernst nehmen. - Ich will jetzt gar nicht darüber sprechen, ob dieses Urteil berechtigt ist oder nicht, aber es ist eben da, und man muß im Leben mit den Tatsachen rechnen.

Für diese Tatsache möchte ich Ihnen nur ein einziges äußeres, auch tatsächliches Zeugnis geben. Vor einiger Zeit fand sich ein Kreis von jungen Leuten in Stuttgart zusammen, um wirklich sich mit vollem Herzen der anthroposophischen Bewegung zu ergeben. Die Leute hatten den besten Sinn, sich der anthroposophischen Bewegung zu ergeben. Ich war hier beschäftigt, konnte nicht gleich am ersten Tag, nachdem sich die Leute dort in Stuttgart versammelt hatten, anwesend sein, und deshalb sprach ich einem der Mitglieder des Zentralvorstan­des gegenüber den Wunsch aus, er möge zunächst mich am ersten Abend durch einen Vortrag vertreten, er möge den jungen Leuten

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einen Vortrag halten. Er ist hingegangen und hat ihnen den Antrag gemacht. Die haben gesagt: Wir danken schön, wir wollen von Ihnen keinen Vortrag haben.

Nun, meine lieben Freunde, Sie können sagen: Das war grob. -Meinetwillen sagen Sie das; aber es hat keine Gültigkeit, wenn Sie das sagen. Die Tatsache war da, daß die Leute von vornherein überzeugt waren: Da ist keine Verständigung möglich; der sagt uns nicht etwas, was an unsere Herzen heranschlägt. - Und ich fand in Stuttgart die Situation vor, daß die Jugend versammelt war und eigentlich die bisherige anthroposophische Führung ganz ohne jegliche Fühlung mit ihr war. Die Leute waren sich ganz selbst überlassen, die nun wirk­lich mit warmem Herzen herankamen an die anthroposophische Bewegung.

Solch eine Art, sich zu den anderen zu verhalten, war in der ersten und zweiten Phase der anthroposophischen Bewegung durchaus mög­lich; in der dritten Phase war es nicht mehr möglich, weil es in der dritten Phase anfing, auf den einzelnen Menschen anzukommen in der anthroposophischen Bewegung. Und wie gesagt, das alles ist nicht gesagt, um jemandem etwas am Zeuge zu flicken, das alles ist nicht gesagt, um eine Kritik auszubilden; das alles ist gesagt, weil es mir unendliches Leiden verursacht hat, weil ich sah, daß die Persönlichkei­ten, die in der Anthroposophischen Gesellschaft da oder dort das Ruder ergreifen wollten, eben doch nicht durchaus aus anthroposo­phischem Geiste heraus walten wollten. Und ich habe es ja immer versichert, es ist Unsägliches, was ich leiden mußte dadurch, daß konstatiert werden konnte: Diese dritte Phase der anthroposophi­schen Bewegung will nicht so vorwärtskommen, wie sie vorwärts­kommen sollte, weil zu viele bloße Ideen da sind und das energische Wollen dahinter fehlt.

Es ist ja ein gewisser schicksalsmäßiger Zusammenhang, daß, als uns das große Unglück getroffen hat hier mit dem Goetheanum, es besonders ansichtig wurde, daß eigentlich der Schaden der Anthropo­sophie im Nichttun liegt, im Nicht-angreifen-Wollen liegt. Und da­durch sind wir eben in diejenigen Konflikte hineingetrieben worden, die heute im Schoße der Anthroposophischen Gesellschaft vorhanden sind, und die zu nichts anderem führen sollten als eben zur um so kraftvolleren Gesundung. Aber dazu muß auch wirklich erst ehrlich eingesehen werden, was notwendig ist. Dazu ist vor allen Dingen das

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notwendig, daß man sich nicht Illusionen hingibt über die Tatsachen, die allmählich in eine Art von Sackgasse getrieben haben. Eine Illusion wäre es durchaus, wenn wir in etwas anderem als in dem Nicht-bei­der-Stange-Bleiben gewisser Persönlichkeiten den Schaden sehen würden. Illusionen verträgt aber heute die Anthroposophische Gesell­schaft nicht mehr. Sie verträgt auch das nicht, daß eine bloße unfrucht­bare Kritik geübt würde an dem Vergangenen, sondern sie verträgt nur, daß man tatsächlich auf das hinweist, was notwendig ist. Und das ist, zu erkennen, daß der Wunsch kein Wille ist, daß man nicht sagen darf, ich habe den besten Willen, wenn sich dieser beste Wille in drei Wochen so erweist, daß er eben gar kein Wille ist, sondern daß man sich dann hingesetzt hat auf seinen Stuhl und eben dem Titel nach das gewesen ist, was man auf diesem Stuhle ist, aber eben nur den passiven guten Willen gehabt hat. Aber passiver guter Wille ist ein Contradictio in adjecto. Der Wille ist nur ein guter Wille, wenn er tätig ist. Das verträgt die anthroposophische Bewegung in ihrer dritten Phase nicht, daß man Resolutionen faßt: Wir stellen uns zur Verfügung. Das ist das schlimmste Verkennen, wenn man solche Resolutionen faßt, das schlimmste Verkennen der eigentlichen Aufgaben.

Das, um was es sich handelt, ist das Eingreifen eines jeden an der Stelle, an der er steht, und nicht beim Wunsche stehen bleiben, son­dern den Willen entwickeln. Es könnte scheinen, meine lieben Freunde, als ob ich heute ein trübes Bild entwerfen wollte von dem, was im Schoße der anthroposophischen Bewegung ist. Das will ich nicht. Aber auf der anderen Seite darf ich gerade keine Illusionen er­wecken beziehungsweise ja nichts dazu beitragen, Illusionen zu erwek­ken. Denn es handelt sich darum, daß wir nur weiterkommen, wenn wir ein solches Bewußtsein erfassen, wie es charakterisiert worden ist.

Aber sehen Sie, meine lieben Freunde, ich sage nur: Die zweite Phase der anthroposophischen Bewegung hat die Notwendigkeit ge­bracht, über das äußere Weltgemäße sich auszubreiten. Ich sagte auch:

Diejenigen, die von der Welt gelernt haben in Wissenschaft oder Praxis, mußten herankommen als Urteilfällende. - In der dritten Phase fanden sich dann zahlreiche solche Persönlichkeiten, die meinten: Ja, jetzt müssen wir was tun, jetzt müssen wir anfangen, etwas zu tun! -Sie machten sich auch Vorsätze. Aber Tätigkeit liegt nicht darin.

Wir haben in der dritten Phase - nun, ich will gar nicht sagen wie viele - Forscher auf den verschiedensten wissenschaftlichen Gebieten

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unter uns. Ich will gar nicht sagen, wie viele! Wenn ich sie Ihnen zusammenzählen würde, würden Sie große Augen machen. Diese Forscher sind nach ihrer Ansicht von dem besten Willen beseelt. Nach meiner Ansicht sind sie außerordentlich fähig. Ich vertrete auch hier die Ansicht, daß es an Fähigkeiten gar nicht fehlt. Im Gegenteil, in den letzten Jahren haben wir sogar durch eine wunderbare Auslese fähigste Leute wie auf einem Haufen zusammengebracht, hier und in Stuttgart. Die Ausrede gilt nicht, daß es an Fähigkeiten fehlt; aber an Wille fehlt es. Und sobald man von diesem Willen redet, dann ergeben sich die merkwürdigsten Dinge.

Wir haben es bei dem hiesigen naturwissenschaftlichen Kursus erlebt, daß von einem unserer Forscher ein Vortrag angekündigt war. Er ist nicht gekommen! Wie zum Hohn ist er aber ein paar Stunden darauf gekommen. Ja, meine lieben Freunde, wenn nicht das Gefühl für die Verpflichtung besteht innerhalb der Anthroposophischen Ge­sellschaft, dann geht es eben nicht. Und will man die Dinge anfassen, dann glitschen sie einem kurioserweise aus den Händen; sie glitschen einem wirklich aus den Händen. Denn ich wollte zum Beispiel gerade dieses «Problem», möchte ich sagen, das es für mich geworden ist, daß einer unserer Forscher einfach sich absentiert, seinen Vortrag schwänzt - ich wollte das in gehöriger Weise anfassen; da bekam ich ungefähr die Antwort, daß er ja gar nicht einmal richtig wisse, wie er auf das Programm in Dornach komme! - Ja, meine lieben Freunde, wenn einem die Probleme so aus den Händen glitschen, dann ist eben wirklich ein zusammenstimmendes energisches Wollen nicht da.

Das aber brauchen wir gerade. Wir brauchen nicht ein Auseinan­derfallen von allerlei Wünschen und von allerlei, was man oftmals den guten Willen nennt, sondern wir brauchen ein pflichttreues Wollen. Alle Dinge können gedeihen, wenn die Menschen sie in der richtigen Weise anfassen. Denn was nicht die Möglichkeit seines Gedeihens in sich trägt, wird schon innerhalb der anthroposophischen Bewegung nicht unternommen. Aber den Willen, den wirklich guten, das heißt kräftigen Willen der mitwirkenden Persönlichkeiten, den brauchen wir. Kurulische Stühle vertragen wir nicht, sondern tätige Persönlich­keiten brauchen wir.

Meine lieben Freunde, die Situation, daß ich das aussprechen muß, habe nicht ich herbeigeführt, sondern es sind die Persönlichkeiten selbst, die sich zur Verfügung gestellt haben, alles mögliche zu tun. Es

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ist von anderer Seite das herausgewachsen. Deshalb handelt es sich heute darum, daß auch die Verantwortlichkeiten in breitestem Um­fange geschärft werden, daß wirklich die Verantwortlichkeiten ge­pflegt und gehegt werden und auch verlangt werden.

Das ist dasjenige, was ich Ihnen sagen wollte, denn wir sind noch immer nicht zu Ende mit den jetzigen Reisen nach Stuttgart. Ich muß morgen wieder dahin. Der nächste Vortrag wird am nächsten Freitag sein. Heute nachmittag wird dann hier eine Eurythmie-Vorstellung um 5 Uhr stattfinden. Ich bitte noch einmal, den zweiten Weg nicht zu scheuen; die Vorbereitungen zur Reise machten es notwendig, daß sich dieser Vortrag nicht anschließt an die Eurythmie-Darbietung, sondern daß er eben am Vormittag gehalten werden muß.

DREI BERICHTE IN DORNACH ÜBER DEN STAND DER STUTTGARTER VERHANDLUNGEN* Dornach, Freitag, 9. Februar 1923 Schlußworte des Abendvortrages

#G259-1991-SE113 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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DREI BERICHTE IN DORNACH ÜBER DEN STAND

DER STUTTGARTER VERHANDLUNGEN*

Dornach, Freitag, 9. Februar 1923

Schlußworte des Abendvortrages

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Morgen, meine lieben Freunde, werde ich diese Betrachtungen fortset­zen. Heute möchte ich Ihnen zunächst zum Schluß ein paar Worte der Mitteilung sagen über den Stand der Verhandlungen in Stuttgart. Diese Verhandlungen hängen ja zusammen mit dem, was Ihnen als eine Art Krisis innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft be-merklich geworden ist.

Es ist jetzt in diesem Momente der Zeitpunkt, in dem die Anthro­posophische Gesellschaft in ihren führenden Persönlichkeiten sich entscheiden muß, ob sie Lebensfähigkeit hat oder nicht. Sie haben ja verschiedenes hier auch gehört über die Lebensbedingungen der An­throposophischen Gesellschaft. Ich möchte heute nur mit ein paar Worten dieses sagen: Diese anthroposophische Bewegung ist von Mitteleuropa ausgegangen. Für sie ist aber Interesse in den allerweite­sten internationalen Kreisen. Und die Anthroposophie selber hat ihre Entwicklung durch jene drei Phasen genommen, von denen ich Ihnen das letzte Mal hier gesprochen habe. Die Anthroposophische Gesellschaft

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* Die Verhandlungen selbst siehe Teil III, Seite 201 ff.

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ist dieser Entwicklung der Anthroposophie nicht völlig nachge­kommen, und heute klafft ein Abgrund zwischen dem, was in der Anthroposophischen Gesellschaft wirkt und was in der heute schon erreichbaren Anthroposophie lebt. Dieser Abgrund muß überbrückt werden. Und da nun schon einmal - es ist reine Tatsache - die an­throposophische Bewegung von Mitteleuropa ausgegangen ist, so müssen die Verhältnisse zuerst in Mitteleuropa geordnet werden. Dann, wenn sie in Mitteleuropa geordnet sein werden, dann wird sofort zu denken sein an die Ordnung der internationalen anthro­posophischen Gesellschaften, die dann hier oder anderswo ihren Mittelpunkt haben werden. Aber aus der Unbestimmtheit, in der heute die Anthroposophische Gesellschaft ist, muß zuerst da herausgekom­men werden, wo diese Gesellschaft ihren Ausgangspunkt genommen hat. Aus diesem Grunde ist es, daß man zuerst in Stuttgart an der Konsolidierung der Anthroposophischen Gesellschaft arbeiten mußte.

Nun waren die Verhandlungen außerordentlich schwierig. Aus den Gründen heraus, die ich ja hier am 6.Januar angeführt habe, hat sich diese Krisis ergeben, und die Sache liegt ja so - ich möchte das auch hier noch einmal erwähnen: Es war am 10. Dezember, da habe ich dem einen der Mitglieder des Zentralvorstandes, Herrn Uehli, eine Art Auftrag gegeben. Ich sagte dazumal: Seit langer Zeit ist bemerkbar, daß die Anthroposophische Gesellschaft einer Konsolidierung bedarf, und ich kann mir nur etwas versprechen, wenn der ZentralVorstand in Stuttgart, ergänzt durch maßgebende Persönlichkeiten in Stuttgart, mir das nächste Mal bei meiner Stuttgarter Anwesenheit seine Vor­schläge darüber sagt, wie er zunächst mit der Konsolidierung beginnen möchte; sonst, wenn der Zentralvorstand nicht zu Ideen über die Konsolidierung käme, müßte ich mich selbst an jedes einzelne Mit­glied wenden. Nur diese Alternative ist ja möglich. -

Sie sehen daraus auch, meine lieben Freunde: Die Sache liegt so, daß dasjenige, was da als eine Notwendigkeit für die Konsolidierung der Gesellschaft hingestellt worden ist, ja gesagt wurde am 10. Dezember; das hat also noch nichts mit dem Brandunglück zu tun. Nach dem Brandunglück, nach dieser furchtbaren Katastrophe, die unsere Her­zen zerschmettert hat, muß man allerdings sagen: Soll ein Wiederauf­bau zustande kommen, so ist dazu eine starke Anthroposophische Gesellschaft notwendig; denn ohne diese wäre ein Wiederaufbau nicht möglich.

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Also es muß einfach eine Konsolidierung, eine innere Festigung, ein deutliches Wollen der Anthroposophischen Gesellschaft zustande kommen.

Das hat recht schwierige Verhandlungen in den letzten Wochen zunächst in Stuttgart gegeben. Ich sagte: Da müssen sie zuerst gesche­hen, dann werden sie auf internationalem Boden sein können. Nun, ich müßte Ihnen ein Buch erzählen, ein reichlich dickes Buch, wenn ich Ihnen all das, was da verhandelt worden ist in diesen Wochen, erzählen wollte. Aber es ist ja eigentlich im Grunde bis gestern ergeb­nislos gewesen. Und vorgestern machte ich dann den Vorschlag, daß, nachdem die Dinge so geworden sind, eine Art Komitee sich damit befassen solle, ein Rundschreiben abzufassen, in dem wirklich die heute die Anthroposophische Gesellschaft und Bewegung berühren-den großen Fragen herangebracht werden an die Mitglieder; daß in einem solchen Rundschreiben aufgefordert werde, nach Stuttgart eine Delegiertenversammlung zunächst für die deutschen und österreichi­schen Zweige zusammenzurufen, damit an dieser Konsolidierung gearbeitet werden kann [siehe S. 268].

Dieses Komitee, dessen Wirksamkeit zunächst ja nur gedacht ist bis zu der Delegiertenversammlung, die Ende Februar, am 25., 26., 27. Fe­bruar, stattfinden soll, ist ein provisorisches. Bis zu dieser Delegierten­versammlung soll es in der mitteleuropäischen Anthroposophischen Gesellschaft die führende Stellung haben. In diesem Komitee ist als Vertreter des alten Zentralvorstandes Dr. Unger, als Vertreter des «Kommenden Tages» Herr Leinhas; dann sind drinnen von Stuttgar­ter Persönlichkeiten, ganz aus den Verhältnissen heraus: Dr. Rittel-meyer, Herr von Grone, Herr Wolfgang Wachsmuth, Dr. Palmer, Dr. Kolisko; von anderen noch Herr Werbeck aus Hamburg und für den «Philosophisch-Anthroposophischen Verlag» Fräulein Mücke. Die­sem Komitee sind also die vorbereitenden Arbeiten für die Konsoli­dierung übertragen. Es ist zunächst eben, nachdem alles übrige ergeb­nislos geblieben ist, gestern ein Entwurf eines Aufrufs zur Delegier­tenversammlung zustande gekommen, der nun vollendet werden wird und im Beginne der nächsten Woche verschickt werden wird, in dem wirklich die heutigen Lebensfragen der Anthroposophischen Gesell­schaft drinnen sein sollen. Das ist es also, was ich zunächst noch zu verkündigen habe.

Es ist ja wirklich das, was da verhandelt wurde, mit Unbefriedigtheit

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in den weitesten Kreisen begleitet gewesen. Nachdem wir gestern fertig geworden waren mit den Verhandlungen über den Aufruf-Entwurf zunächst - ich glaube um 12 1/2 Uhr nachts -, ist es mir dann auch möglich gewesen, die ja namentlich sich beunruhigenden Mit­glieder unserer akademischen Jugendbewegung noch zu sprechen; so daß ich hoffe, daß in den Tagen, in denen ich jetzt hier in Dorn ach bin, die Jugend mit dem Alter in entsprechender Weise verhandelt. Ich drückte es vorgestern so aus, daß ich sagte: Ich hoffe, daß nunmehr, Rücksicht nehmend auf das neue Komitee, die Jungen unter den Alten akzeptiert werden von den Alten unter den Jungen.

Es mußte ja schon so etwas stattfinden, denn überall verlangt man ein neues, frisches Lebenselement. Das muß kommen. Die Jugend pocht an die Tore. Sie hat dazu ihre volle Berechtigung; sie muß verstanden werden. Aber das Alter kann nicht abgesägt werden, das muß wirken; aus ihm ist gekommen das Fundament der Anthroposo­phischen Gesellschaft. Es muß möglichst rasch ein Modus gefunden werden, der zu einer starken Anthroposophischen Gesellschaft führt, sonst werden wir nicht weiterarbeiten können.

Das wollte ich am Schlusse heute noch mitteilen, damit Sie infor­miert sind von diesen Dingen. Der alte Zentralvorstand hat damit aufgehört zu sein, und dieses Komitee führt mittlerweile die Angele­genheiten bis Ende Februar. *

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Dornach, Freitag, 16. Februar 1923

Schlußworte des Abendvortrages

über das «Schneiderproblem» der Anthroposophischen Gesellschaft

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Morgen will ich das Thema von einer anderen Seite betrachten, von der Seite, wie nun weiter das ausgeführt werden muß, was Nietzsche angetroffen hat, damit die Moralität in der richtigen Weise im Men­schenleben verstanden und in Einklang gebracht werden kann mit der Erkenntnis unserer Zeit. Solche Fragen müssen es ja sein, die sich gerade die Angehörigen der Anthroposophischen Gesellschaft stellen. Daß man Sinn und Verständnis habe für solche Fragen, das gehört zur Anthroposophischen Gesellschaft. Und die ist jetzt gerade dabei, zur Selbstbesinnung zu kommen.

* Siehe dazu Vortrag Stuttgart, 23. Januar 1923, in GA 257

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Ende Februar wird, ich will das noch anfügen, eine Versammlung von Delegierten in Stuttgart stattfinden - wenn die Verkehrsverhält­nisse es dann noch gestatten -, in der zunächst beraten werden soll uber das Schicksal der deutschen Anthroposophischen Gesellschaft, damit dann auch im weiteren Umkreise die Lebensbedingungen der Anthroposophischen Gesellschaft besprochen werden können. Diese Dinge müssen heute sehr ernst genommen werden. Denn gerade bei meiner Anwesenheit in Stuttgart habe ich es so recht empfunden, wie von denjenigen, die etwas tun wollen innerhalb der Anthroposophi­schen Gesellschaft, vor allen Dingen bedacht werden muß, daß die Anthroposophie in den drei Stadien, die ich Ihnen ja auch hier vor kurzem geschildert habe, etwas geworden ist, was herausgewachsen ist über dasjenige, was die Anthroposophische Gesellschaft vielfach bleiben will.

Man hat in den ersten Stadien der anthroposophischen Gesell­schaftsentwicklung sich keine Gedanken darüber gemacht, wie später unter dem Einfluß eines Goetheanum und anderer Dinge die Men­schen in den weitesten Umkreisen Anteil nehmen werden an der Anthroposophie, im gegnerischen Sinne und im anhängerischen Sinne. Die Gesellschaft muß mitwachsen mit dem Wachsen der An­throposophie. Und so ist das nächste Problem, das Ende Februar in Stuttgart die Geister der Anthroposophischen Gesellschaft beschäfti­gen soll - verzeihen Sie, meine lieben Freunde, wenn ich das in einer bildlichen Weise ausspreche -, das nächste Problem ist ein Schneider-problem. Es ist nämlich das Problem, das dadurch aufgeworfen wird, daß die Anthroposophie heute etwas ist, dem gegenüber die Anthro­posophische Gesellschaft Kleider darstellt, aus denen die Anthroposo­phie herausgewachsen ist. Die Ärmel des Rockes gehen nicht bis zu den Händen, nicht einmal bis zu den Ellbogen mehr, von den Beinklei-dem gar nicht zu sprechen. Jetzt muß das Schneiderproblem wirklich mit Aufwendung allen Geistes gelöst werden: Wie macht man aus der Anthroposophischen Gesellschaft der Anthroposophie die richtigen Kleider? Das wird das große Problem sein für Stuttgart Ende Februar. Und darauf ist ja in einigem hingewiesen in dem Aufruf, welcher jetzt verschickt ist.

Was mir eben stark entgegengetreten ist, das ist namentlich, daß nicht genügend vorhanden ist dasjenige, worauf ich am Ende meines letzten Vortrages hier vorige Woche hindeutete. Ich sagte: Gewiß, es

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kann nicht jeder einzelne im anthroposophischen Sinne Mediziner werden, aber Verständnis kann dasein für das, was von der Anthropo­sophie aus in der Medizin befruchtend auftritt in weitestem Umfange, Verständnis kann dasein, Interesse kann dasein. Dieses Interesse muß im weitesten Umkreise der Mitglieder der Anthroposophischen Ge­sellschaft dasein für alles, was innerhalb der Anthroposophie ge­schieht. Dann wird es auch gelingen, das Schneiderproblem zu lösen. Aber es muß gelöst werden, sonst muß eben auf andere Mittel geson­nen werden; denn die Gegner sind voller Interesse und sind außer­ordentlich aufmerksam auf alles, und ihre Methoden bestehen ja na­mentlich darinnen, daß sie gute Verbreiter dem anthroposophischen Weltanschauung sind. Oh, wären die Mitglieder der Anthmoposo­phischen Gesellschaft ebenso gute Verbreiter der anthroposophischen Weltanschauung wie die Gegner, dann ginge es ausgezeichnet!

Die Gegner reißen aus den Schriften alles mögliche heraus, inter­pretieren es in das Absurdeste und verbreiten das mit rasendem Inter­esse. So daß Anthroposophie sehr bekannt ist - aber als Karikatur -von seiten dem Gegner. Dem gegenüber stand bisher nicht ein Gleiches in bezug auf die wahre Gestalt der Anthroposophie. So ist es schon. Das aber ist es, was jetzt krisenhaft geworden ist und was unbedingt einem Lösung entgegengeführt werden muß. Wir brauchen für die nächste Zeit eine starke und nicht eine schwache Anthroposophische Gesellschaft.

Ich habe Ihnen neulich die Namen des provisorischen Komitees angeführt, welches die Angelegenheiten innerhalb Deutschlands einst­weilen leiten wird, bis die Delegiertenversammlung stattfindet. Das letzte Mal, als wir in Stuttgart waren, haben sich nun einige Persön­lichkeiten bereit erklärt, bei der Delegiertenversammlung ihre Stimme ertönen zu lassen, und haben dadurch nun in denen, welchen die Anthmoposophische Gesellschaft am Herzen liegt, die Hoffnung er­weckt, daß in wirklich eindringlicher Weise die Tragkraft der Anthro­posophie nach den verschiedensten Richtungen hin vor die Welt hin-gestellt wird. Aber es müssen die Referenten, die sich bereit erklärt haben, schon wirklich alle ihre Kraft zusammennehmen und alles Interesse in sich rege machen, damit sie ihren Aufgaben genügen können. Wir wollen sehen!

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#TI

Dornach, Donnerstag, 22. Februar 1923

Schlußworte des Abendvortrages

über die Erneuerung der drei großen Ideale der Menschheit:

Kunst, Wissenschaft und Religion

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... So aufgefaßt, entstehen die drei neu belebten großen Ideale dem Menschheit vor des Anthroposophen Seele: das religiöse Ideal, das künstlerische Ideal, das Erkenntnisideal. Durch die Formen des Goe­theanum sollte sich der Anthroposoph begeistert fühlen zum Erleben dieser Neugestaltung der hehren großen Menschenideale. Das müssen wir jetzt still in unsere Seelen einschreiben. Aber wir müssen uns daraus Begeisterung holen. Und wenn wir uns Begeisterung holen für das, was uns in dieser Weise durch die drei Ideale zum Göttlich-Geistigen erhebt, dann wird uns das irdische höchste Ideal daraus. Wenn im Evangelium gesagt wird: Liebe deinen Nächsten als dich selbst und Gott über alles -, so muß auf dem andern Seite gesagt werden: Wer das Göttlich-Geistige so ansieht, wie es im Sinne der drei in die Gegenwart hineinversetzten Ideale von dem modernen Men­schen angesehen werden muß, der lernt das Göttlich-Geistige lieben, denn er fühlt, daß er nicht Mensch sein kann, wenn er sich nicht mit aller ihm nur möglichen Liebe hingibt an diese drei Ideale. Dann aber fühlt er sich mit denen, die diese Liebe in gleichem Weise nach oben schicken können, auch in gleichem Weise vereint. Er lernt das Göttlich-Geistige über alles lieben - und dann seinen Nächsten als sich selbst, aus der Liebe zum Göttlichen. Und die Ranküne kommt nicht auf.

Das aber ist dasjenige, was die einzelnen Mitglieder der Anthropo­sophischen Gesellschaft zu einem Ganzen zusammenhalten kann. Das brauchen wir in dem Gegenwart. Wir haben es eben erlebt, daß wir die Phase durchgemacht haben in dem Anthmoposophischen Gesellschaft, welche das Anthmoposophische in einzelne Zweige des Lebens hat ausfließen lassen: in das Pädagogisch-Didaktische, in andere prakti­sche Lebensformen, in das Künstlerische und so weitem. Wir brauchen heute einen Zusammenschluß. Wir haben ausgezeichnete Waldorf­Lehrer, ausgezeichnet Wirkende auf andern Gebieten. Wir brauchen heute bei allen denen, die auf ihren einzelnen Posten ihr Bestes geben, auch, daß sie nun den Weg finden, damit die Quellen des anthroposo­phischen Lebens selber neu fließen. Das brauchen wir heute.

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Und weil wir es brauchen, weil wir brauchen, daß Zeugnis abgelegt werde durch die führenden anthroposophischen Persönlichkeiten für das Bewußtsein, daß gegenwärtig eine Neubelebung der Anthroposo­phischen Gesellschaft notwendig ist, tritt diese Versammlung in Stutt­gart in den nächsten Tagen zusammen, und man muß, wenn man es ehrlich meint mit der Anthroposophischen Gesellschaft, die denkbar größten Hoffnungen für dasjenige haben, was in diesen nächsten Tagen in Stuttgart geschieht. Denn nur dann, wenn diejenigen Persön­lichkeiten, die dort auftreten werden, Töne finden werden für dies oder jenes, die herausklingen aus einer wahren, tatkräftigen Begeiste­rung für die drei großen Ideale, die zu gleicher Zeit in Liebe ausflie­ßende Ideale sind, nur dann, wenn Garantie dafür vorhanden ist durch die Kraft und den Inhalt der Worte, die da gesprochen werden, kann gehofft werden, daß die Anthroposophische Gesellschaft ihr Ziel er­reicht. Denn dasjenige, was da zutage tritt, wird eben dann in weiteren Kreisen ebenfalls zutage treten mussen.

Für mich selber wird es sich ergeben, was ich zu tun habe, je nachdem, wie diese Stuttgarter Tagung ausfällt. Erwartungsvoll sieht man ihr entgegen. Sie bitte ich, insofern Sie vielleicht nicht hinfahren, mit kraftvollen Gedanken dabeizusein. Denn es handelt sich um ein Dabeisein bei einem wichtigen Momente, um das tatkräftige Sichein­setzen auf einem gesunden Boden für die der heutigen Menschheit notwendigen großen Ideale, jene großen Ideale, von denen uns nicht eine menschliche Willkürschrift spricht, sondern diejenige Schrift, die aus der ganzen Entwickelung, aus dem Sinn der ganzen Entwickelung der Erdenmenschheit selber so klar zu uns spricht, wie die Tagessonne zu dem wachen Menschen spricht. Wollen wir in dieser Weise Begei­sterung anfachen in unseren Seelen, dann wird Begeisterung zu Taten werden. Und Taten brauchen wir.

[25.-28. Februar 1923: Delegiertenversammlung in Stuttgart. Siehe Seite 359 ff.]

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#TI

ANSPRACHE IN EINER SITZUNG DES

«BUNDES FÜR FREIES GEISTESLEBEN»

Stuttgart, Donnerstag, 1. März 1923

#TX

[Den auf die Delegiertentagung folgenden Tag war Rudolf Steiner noch in Stutt­gart und nahm an einer Sitzung des «Bundes für Freies Geistesleben» teil. Der folgende Wortlaut seines Votums ist von Dr. Karl Heyer überliefert, dem «Dr. Carl Unger im März 1923 ein Schriftstück mit dem Bemerken gab, es seien Ausführungen, die Rudolf Steiner (kurz vorher) über den Bund für Freies Geistes­leben in einer Sitzung in Stuttgart gemacht habe, in freier Wiedergabe nachge­schrieben von Dr. Unger. (Jene Sitzung dürfte eine solche vom 1. März 1923 gewesen sein.)»]

Wenn der «Bund für Freies Geistesleben» Aufgaben bekommen soll, so kann es nur unter Berücksichtigung der Wirklichkeit sein. Schon bei der Konstitution* habe ich darauf aufmerksam gemacht, auf was es ankommt. Bis zum letzten Drittel des 19.Jahrhunderts hat es eigent­lich diesen Bund gegeben und [er] bestand aus Menschen, die sich als freie Geister abhoben von dem philiströsen Geistesleben. Der Unter­schied zwischen alt und jung, wie er sich heute heraushebt, ist ober­flächlich. Früher bestand von der vierten nachatlantischen Kultur her eine natürliche Autorität, aber schon zur Goethe-Zeit ging der Mensch in seinem Alter in die Philistrosität ein. Goethe selbst war in seinem Alter natürlich immer der geniale Mensch, aber nebenbei auch der dicke Geheimrat mit dem Doppelkinn. Jetzt sind wir in die Epoche der Freiheit eingetreten, das kommt in der Jugend zum Ausdruck. Goethe schildert zum Beispiel in seinen «Unterhaltungen deutscher Ausgewanderter» einen solchen Bund, der instinktiv vorhanden war. Da besprechen sich Menschen der verschiedensten Sphären auf völlig freiem neutralen Boden; auch ein Spiritist ist dabei. Solche Menschen haben sich immer unterschieden von den philiströsen geistigen Zu­sammenhängen, wie zum Beispiel Theologen, Juristen, Mediziner und was aus der vierten Fakultät hervorgegangen ist. Ein solcher Bund muß in bewußter Weise entwickelt werden. Zur Zeit des Wiener Kongresses [gemeint ist der internationale Kongreß der anthroposo­phischen Bewegung vom Juni 1922 in Wien] wurde ein sogenannter Kulturbund von sieben Menschen begründet, natürlich in falscher Weise, es war auch ein Jesuit dabei. Aber es handelt sich um eine

* Im Juli 1922, ein Protokoll liegt nicht vor.

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weltmännische Angelegenheit. Dieser Kulturbund schilderte in der ersten Nummer seiner Zeitschrift die Idee der Dreigliederung, wenn auch in versteckter Weise, aber durchaus sachgemäß. Da ist die Rede von den banausischen Industriellen auf der einen Seite, den Bolschewi­ken auf der anderen. Dazwischen gibt es eine gewisse Gesellschafts­schicht, die sich zusammengehörig weiß: deklassierte Adelige, die Bildung haben, Leute, die sonst Bildung haben, aber aus der Entwick­lung herausfallen, die werden sich international konstituieren und sich überall erkennen. Auf so realer Grundlage muß sich der «Bund für Freies Geistesleben» begründen, aber mit vollem Bewußtsein. Da werden auch die spirituellen Menschen Geltung haben. Die Leute sind sicher da. Von vorhandenen Beziehungen halte ich nichts. Die Dinge müssen sich natürlich ergeben. Vorträge nützen, wenn man den laten­ten Erfolg ausnützen kann. Man findet die Menschen, wenn man sie an sich herantreten läßt und sie nicht zurückstößt. Es handelt sich um Menschen besonderer Geistesart, um Leute, die eigentlich das Bedürf­nis haben, an ein Geistiges heranzukommen außerhalb der Schablone, in die sie durch ihren Bildungsgang hineingestellt sind. In der zerfal­lenden Sozietät von Europa sind diese Menschen überall zu finden. Sie haben das Bedürfnis, mit Gleichstrebenden in einer Gemeinschaft zu sein auf geistigem Boden. Aus diesen erwachsen die Interessenten für eine freie Hochschule. Am leichtesten wird es auf künstlerischem Gebiete werden. Die Idee einer freien Hochschule innerhalb Mittel­europas könnte in Amerika das größte Interesse erwecken, gerade finanziell, aber wir brauchen auch die Dozenten dafür, denn wir können nicht immer die gleichen Menschen mit allem belasten.

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MEMORANDUM FÜR DAS KOMITEE

DER FREIEN ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT ZU DESSEN ORIENTIERUNG

niedergeschrieben zwischen dem 7.-1 1. März 1923

#TX

[Bei einer am 7. März 1923 stattgefundenen Besprechung Rudolf Steiners mit dem leitenden Gremium der bei der Delegiertentagung im Februar gebildeten Gesell­schaft für die anthroposophische Jugend eröffnete Rudolf Steiner (nach Ernst Lehrs, einem Vertreter der Jugendlichen, in seinem Erinnerungsbuch «Gelebte Erwartung«, S. 215 f.), «daß wir eine selbständige Gesellschaft zu sein hätten mit eigener Mitgliedsaufnahme unter Verwendung der gleichen (im Verhältnis zu den später von ihm geschaffenen Zertifikaten unscheinbaren) Mitgliedskarten, wie die alte Gesellschaft sie hatte. Er gab ferner an, daß er uns in Besitz eines Memoran­dums zur eigenen Orientierung unseres Komitees setzen würde, worin wir Grundsätzliches über die innere Struktur unserer Gesellschaft und die Pflege des Lebens in ihr dargestellt finden würden. Das geschah nicht lange danach durch Übergabe seiner Niederschrift an Maikowski[*] - wir anderen waren inzwischen an unsere verschiedenen Arbeitsstellen abgereist -, wobei er ihm mitteilte, daß unsere Gesellschaft sich hinfort als Freie Anthroposophische Gesellschaft bezeich­nen solle.»]

1. In bezug auf die äußere Konstitution der Freien Anthroposophi­schen Gesellschaft wäre darauf hinzuarbeiten, daß diese Gesellschaft dem «Entwurf der Satzungen»[**] entspricht. Dadurch ist es möglich, Menschen zu einer Gesellschaft zu einigen, die sich darin individuell ganz frei empfinden, ohne daß der Gesellschaft fortwährend die Auf­lösung droht. Wer den «Entwurf» im rechten Sinne lebendig versteht, wird das alles in demselben erfüllt finden müssen.

2. Zunächst ist notwendig, alle diejenigen Persönlichkeiten zusam­menzufassen, die bereits Mitglieder der Anthroposophischen Gesell­schaft sind und von denen das gebildete Komitee der Meinung ist, daß sie von denjenigen Gesichtspunkten ausgingen, die in berechtigter Art die Trennung in zwei Gruppen der Gesamtgesellschaft bewirken mußten. Bloße Unzufriedenheit mit der alten Leitung kann nicht genügen, sondern nur die positive Orientierung auf ein anthroposo­phisches Ziel, von dem angenommen werden muß, daß es von der alten Leitung nicht erreicht werden kann.

[*] Nach Notizbucheintragung Rudolf Steiners am 11. März.

[**] Gemeint sind die damals gültigen Satzungen der alten Anthroposophischen Gesell­schaft, siehe unter Hinweise.

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3. Zunächst aus diesem so gebildeten Kreise dem Freien Anthropo­sophischen Gesellschaft sind Vertrauenspersönlichkeiten zu ernen­nen, die von dem Komitee anerkannt werden. Man sollte zu Vertrau­enspersönlichkeiten nur solche ernennen, die ein Interesse haben, der gegenwärtigen Zivilisation Anthroposophie zu geben. Es werden dann zu den schon in der Anthroposophischen Gesellschaft befindli­chen Persönlichkeiten solche kommen, die erst aufgenommen werden. Aber gerade bei diesen ist darauf zu achten, daß sie das Positive des Anthroposophischen zu der Grundrichtung ihres eigenen Lebens ge­macht haben. Menschen, die nur ein allgemeines gesellschaftliches Interesse haben, ohne intensiven anthroposophischen Einschlag, sollte man nicht zu Vertrauenspersönlichkeiten ernennen, wenn sie auch in die Gesellschaft mit der Idee etwa aufgenommen werden, daß sie zu wirklichen Anthroposophen heranwachsen.

4. Für die Aufnahme selbst sollte ein Darinnenstehen in der anthro­posophischen Weltanschauung bis zu einem gewissen Grade maßge­bend sein. Es muß aber zunächst für die Aufnahme in die allgemeine Freie Anthroposophische Gesellschaft Weitherzigkeit herrschen. Strenge sollte erst bei der Bildung der engeren Gemeinschaften ein­treten.

5. Die Freie Anthroposophische Gesellschaft sollte ein Werkzeug werden zur Verbreitung der Anthroposophie in der Welt. Aus ihrem Schoße müßte die Vortrags- und sonstige Verbreitungsarbeit hervor­gehen, auch Institute und sonstiges müßten aus ihr gebildet werden.

6. Ein anderes ist die allgemeine Freie Anthroposophische Gesell­schaft, ein anderes die in ihm zu bildenden Lebensgemeinschaften. In diesen - ob exoterisch oder esoterisch - müßten sich zusammenfinden die Menschen, die sich innerlich zusammengehörig fühlen, die den Geist gemeinsam erleben wollen. Neben solchen Lebensgemeinschaf­ten ist es durchaus möglich, daß sich das Zweigleben im Sinne des «Entwurfes» herausbildet. Die Zweige wären dann eben Gruppen der Freien Anthroposophischen Gesellschaft im allgemeinen. Es könnte aber durchaus sein, daß die Mitglieder der Freien Anthroposophi­schen Gesellschaft in die Zweige der Anthroposophischen Gesell­schaft eintreten und darinnen mit den Mitgliedern dieser gemeinsame Arbeit tun.

7. Die Arbeit in den Lebensgemeinschaften wird eine solche sein, die sich innerhalb derselben abschließt. Sie ist auf die geistige Vervollkommnung

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der Vereinigten gerichtet. Was ein Mitglied einer solchen Lebensgemeinschaft nach außen unternimmt, tut es als Vertreter der allgemeinen Freien Anthroposophischen Gesellschaft. Selbstver­ständlich kann dabei doch eine solche Lebensgemeinschaft zu einer bestimmten äußeren Wirksamkeit treten; allein, es bleibt wünschens­wert, daß dann ihre einzelnen Mitglieder eben als Repräsentanten der allgemeinen Freien Anthroposophischen Gesellschaft auftreten. Das braucht natürlich nicht eine bürokratische Verwaltung einer Vereins­tätigkeit zu begründen, sondern kann durchaus eine freie Bewußtsein­statsache der einzelnen sein.

8. Aus den beiden Komitees, dem der Anthroposophischen Gesell­schaft und dem der Freien Anthroposophischen Gesellschaft, wäre je ein Vertrauenskomitee zu begründen. Diesen beiden obliegt die Er­ledigung der gemeinsamen Angelegenheiten dem Gesamt-Anthropo­sophischen Gesellschaft.

9. Es sollten alle Institutionen dem Gesamt-Anthroposophischen Gesellschaft in den Interessenkreis der Anthroposophischen und der Freien Anthroposophischen Gesellschaft fallen. Das kann ganz gut sein, wenn eine Zentral-Verwaltungsstelle geschaffen wird, die die Angelegenheiten der Gesamtgesellschaft im Auftrage der beiden Ko­mitees (vermittelt durch ihre Vertrauens-Komitees) verwaltet. Es sollte die Gliederung in zwei Gruppen dem Gesellschaft durchaus nicht dazu führen, daß etwa eine anthroposophische Institution - insbeson­dere eine solche, die schon besteht - nur als eine Angelegenheit der einen Gruppe angesehen werde.

Es sollten in die Zentralkasse Quoten - die von den Komitees zu bestimmen wären - von den Mitgliederbeiträgen fallen, so daß die Angelegenheiten der Gesamtgesellschaft entsprechend versorgt wer­den können.

10. Es sollte die Meinung verstanden werden, daß die beiden Grup­pen nur entstanden sind auf Grundlage dessen, daß es unter den Mitgliedern eben schon zwei scharf unterschiedene Abteilungen gibt, die zwar beide dieselbe Anthroposophie wollen, die sie aber auf ver­schiedene Weise erleben wollen. Wird das richtig verstanden, so kann die relative Trennung nicht zu einer Spaltung, sondern zu einer Har­monie führen, die ohne Trennung nicht möglich wäre.

11. Von der Freien Anthroposophischen Gesellschaft sollte in kei­ner Art versucht werden, die historischen Entwickelungskräfte der

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Anthroposophischen Gesellschaft zu zerstören. Wer für sich die Frei­heit haben will, sollte die Freiheit des anderen ganz unangetastet lassen. Daß es Unvollkommenheiten in der alten Anthroposophischen Gesellschaft gibt, sollte nicht weiter zur Befehdung dieser, sondern dazu führen, eine nach der Meinung der maßgebenden Persönlichkei­ten entsprechende Freie Anthroposophische Gesellschaft zu bilden, welche diese Unvollkommenheiten vermeidet.

12. Es sind durch die Trennung alle Vorbedingungen vorhanden, daß sich insbesondere die Jugend in der Freien Anthroposophischen Gesellschaft wohl befindet. Denn die Lebensgemeinschaften werden freie Gruppen sich verstehender Menschen sein können; und das wird die Grundlage bilden können, daß sich auch in dem allgemeinen Freien Anthroposophischen Gesellschaft niemand in seiner Freiheit beengt fühlt.

Aus einem Brief Rudolf Steiners an Marie Steiner

Dornach, 15. März 1923

#TX

... Der Goetheanum-Brand war neulich wegen der Versicherung im Solothurnem Kantonsrat Gegenstand einer langen Verhandlung. Die Anthrop. [osophie] wurde von klerikalem Seite scharf angegriffen; doch gab es auf der andern Seite auch Verteidiger, die sogar recht wacker für das Goetheanum eintraten. - Ein Stück Bericht aber möchte ich Dir doch wörtlich mitteilen: Regiemungsmat Affolter: «Ein anderer Bau hätte nur durch ein Baureglement von Dornach erzwungen werden können. Kürzlich ging das Gerücht, die Anthroposophen wollen wie­der bauen, und man hörte schon wieder Gerüchte, sie vergeben alle Arbeiten ins Ausland. Von alledem ist nichts wahr. Aber es werden alle möglichen Gerüchte über die Leute ausgestreut. Im Johannesbau waren keine Kulissen, keine Vorhänge und kein Bühnenbau. Sie brau­chen das alles nicht für ihre eumythmischen Bewegungen (Heiterkeit, weil Affoltem diese Bewegungen mit den Armen vorzudemonstrieren versucht).»

Also, was will man mehr: Eumythmie im Soloth. Kantonsmat! Und Walliser hat gesagt: «Dreiviertel der Bevölkerung Dornachs und des Schwarzbubenlandes steht auf Seite der Anthroposophen.» Und Ek­kinger hat gesagt: «Steiner und die übrigen Anthroposophen haben

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sich nobel und korrekt benommen. Wir leben nicht mehr im Zeitalter der Hexenverbrennung, haben Geistesfreiheit.» Da verzeichnet der Bericht: (Bravos). - Im ganzen ging es bei der Debatte sehr scharf her.

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ÜBER DAS BRANDUNGLÜCK

IN ÖFFENTLICHEN VORTRÄGEN IN SCHWEIZER STÄDTEN

IM APRIL 1923

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[Da der Brand und die Frage des Wiederaufbaues des Goetheanum durch die öffentliche Presse gingen, sprach Rudolf Steiner am S. April in Bern, am 9. in Basel, am 10. in Zürich, am 11. in Winterthur, am 12. April in St. Gallen öffentlich über das Thema «Was wollte das Goetheanum und was soll die Anthroposo­phie?». Den Berner Vortrag (bisher unveröffentlicht) leitete er mit folgenden Worten ein:1

Bern, S. April 1923

Das schreckliche Brandunglück der letzten Dezembernacht hat eine äußere Hülle des anthroposophischen Strebens zerstört. Dieses Ereig­nis, das für viele, welche diesen Bau, das Dornacher Goetheanum, lieb gewonnen hatten, ein so schmerzliches ist, darf vielleicht Veranlassung geben, daß ich heute mit diesen Betrachtungen zunächst an das Goe­theanum in Dornach anknüpfe. Ich durfte ja viele Betrachtungen dieser Amt hier von dieser Stelle aus halten, und auch die heutige soll nur eine solche sein, die in demselben Stile gehalten wird wie die anderen, und nur eine Anknüpfung an das Goetheanum soll gesche­hen. Dieses Goetheanum hat ja gewiß viele Menschen gehabt, die aus einem Durchschauen desjenigen Wollens, welches von ihm ausgehen sollte, dieses Goetheanum außerordentlich verehrten und liebten. Al­lein man darf doch sagen, die große Mehrzahl auch der Besucher, der zahlreichen Besucher, die es ja waren im Laufe der Jahre, sie konnten aus diesem Goetheanum nichts Besonderes machen.

Es gab viele Menschen, die schon dem Name Goetheanum ärgerte. Und es gab dann viele, welche sich die Formen dieses aus zwei Kuppel-bauten zusammengefügten Goetheanumbaues ansahen, denen sie ein­fach absonderlich erschienen, denen sie vielleicht bloß als der Aus­druck eines phantastischen Strebens erschienen. Es gab dann Menschen,

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welche auf die eine oder andere Ausstmeuung hin glaubten, daß in diesem Goetheanum allerlei Spuk, vielleicht spiritistischer Spuk getrieben werde, daß das Goetheanum erbaut sei, um irgendeine un­klare verschwommene Mystik zu vertreten, um vielleicht sogar, wie manche sich ausdrückten, dem blindesten Aberglauben zu dienen und so weiter.

Und doch könnte man fast erstaunt sein darüber, wie weit dasje­nige, was gerade in der Gegenwart über dies oder jenes geglaubt wird, von dem Tatsächlichen entfernt sein kann; denn dieses Goetheanum hat ganz gewiß zu alledem, was ich eben ausgesprochen habe, nicht gedient. Und wenn es heute Bekämpfer aller jener mehr oder weniger rückständigen oder abergläubischen Richtungen gibt, diejenigen, die das wollten, was im Sinne der Embauung des Goetheanum wirklich gewollt wurde, die gehören ganz gewiß zu diesen Bekämpfern.

Aber ich will heute nicht von dem Negativen sprechen, ich möchte von dem sprechen, was das Goetheanum gewollt hat und was Anthro­posophie, der es eine Stätte sein sollte, eigentlich für die gegenwärtige Menschheit soll.

Daß der Name Goetheanum im Laufe der Zeit gewählt worden ist, entsprach ja im Grunde dem Herzensbedürfnis einer Anzahl Verehrer des Goetheanum und der Anthroposophie. Es wurde zuerst dem Name einem der Personen meinem Mysteriendramen, Johannes Thomasius -nicht der Evangelist Johannes, sondern der Name einer dem Personen meiner Mystemiendramen -, für diesen Bau auf dem Dornacher Hügel gewählt, und er wurde demgemäß Johannesbau genannt.

Gerade das gab natürlich, wie leicht begreiflich ist, zu vielen Miß­verständnissen Veranlassung, und ich habe daher immer wieder und wiederum betonen müssen, daß für mich dieser Dornacher Bau ein Goetheanum sei. Warum? Ich darf sagen: Seit mehr als 40 Jahren beschäftige ich mich mit demjenigen, was in dem Erkenntnis, in der Kunst, in dem Weltanschauung Goethes begründet ist. Und wer mit unbefangenem Sinne sich in Goethes Erkenntnisstreben, in Goethes Kunst, in Goethes Weltanschauungsstreben vertieft, sich hineinlebt in sie, der wird nicht bloß die Anregung dazu bekommen, dasjenige, was Goethe gewollt hat, äußerlich zu betrachten, sondern Goethe wird, wenn man sich wirklich auf ihn und auf das Allseitige seines Strebens einläßt, wirken wie ein lebendiger Impuls. Man kann die Seele mit dem, was er gewollt hat, durchdringen wie mit einem geistigen Lebensblut.

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Und aus dieser Durchdringung dessen, wovon ich überzeugt bin, daß es Goethe in Gemäßheit seines Zeitalters für gewisse Partien der menschlichen Anschauung gewollt hat, aus dem heraus, aus die­sem Erleben dessen, was man Goetheanismus nennen könnte, ist erwachsen Anthroposophie.

Gewiß, derjenige, welchem Goethes Weltanschauung, Goethes künstlerisches Wollen nimmt und sie äußerlich betrachtet, er wird nicht imstande sein, etwa mit irgendeiner Logik oder, sagen wir, mit irgendeinem gewöhnlichen künstlerischen Geschmack dasjenige, was in Anthroposophie gelegen ist, aus Goethe herauszuholen. Aber es gibt, ich möchte sagen, eine Logik der Gedanken - und es gibt eine Logik des Lebens. Derjenige, dem die Logik des Lebens zu seiner eigenen macht, er kann sich in so etwas, wie es Goethe der Welt geoffenb amt hat, hineinvertiefen, so daß es in ihm lebendig wird, daß es weitem wächst und sich entwickelt. Und in diesem Sinne einer lebendi­gen Logik fühle ich, wie Anthroposophie aus dem Goetheanismus widerspruchslos hervorgeht, so wenig man das heute zugibt. Und weil so Anthroposophie im Grunde genommen ihre Entstehung Goethe verdankt, war es ein selbstverständliches Gefühlsbedürfnis, diejenige Stätte, in dem Anthroposophie, sozusagen dem Abkömmling dem Goe­theschen Weltanschauung, gepflegt wurde, Goetheanum zu nennen.

Damit soll ja durchaus nicht dem alberne Anspruch gemacht wer­den, etwa dasjenige, was Goetheanismus ist, mit irgendeinem Vollkom­menheit zu vertreten, sondern ich möchte sagen, ehem wollte dieses Goetheanum eine Amt Huldigungsstätte sein für das, was Goethe der Welt gegeben hat. Durchaus sollte es nicht dienen dem Renommisterei, Goethesche Geistesamt zu vertreten, vielmehr sollte es sein dem Aus­druck dem Dankbarkeit für das, was aus Goethes Weltstreben zu erhalten ist. Und derjenige, dem diese Namensgebung im Sinne des Ausdrucks eines Dankbarkeitsgefühles empfindet, dem wird wahr­scheinlich sich dann nicht mehr über den Namen ärgern.

Soll ich aber weitergehen, meine sehr verehrten Anwesenden, und Ihnen zeigen, was das Goetheanum gewollt hat, so muß ich eben die Betrachtungen, die ich öfters hier in diesem Saal anstellen durfte, heute fortsetzen und sagen, was Anthroposophie soll.

Anthroposophie soll allerdings die Antwort finden, so weit sie dem Mensch finden kann, auf die höchsten Fragen des menschlichen Da­seins, auf diejenigen Fragen, die mit Menschenbestimmung und Menschenwümde

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im höchsten Sinne des Wortes zusammenhängen. Wenn sich der Mensch nicht über sein eigentliches Seelenleben betäubt, dann taucht ja doch immer wieder und wiederum die Frage dem Ewigkeit der Seele auf, dann taucht die Frage auf: Ist die menschliche Seele ein freies oder ein unfreies Wesen? Dann taucht die Frage auf: Inwiefern ruht die menschliche Seele und wirkt die menschliche Seele in demjenigen, was man eine göttliche Weltordnung nennen kann?

Über diese Fragen, die man oftmals die letzten Fragen des Daseins nennt, ist unsere heutige Wissenschaft, die für die äußeren Gebiete des Lebens so unsäglich Großartiges geleistet hat, ziemlich kleinmütig geworden; denn diese äußere Wissenschaft will sogar als wirkliche, wahre Wissenschaft nur das anerkennen, was mit den Sinnen geschaut werden kann, was durch die menschliche Vemstandestätigkeit aus den Sinneswahrnehmungen kombiniert werden kann, und sie lehnt dasje­nige ab, was über das Sinnliche hinausgeht. Sie lehnt aber damit auch ab jede Beantwortung der eben gekennzeichneten tieferen Fragen des menschlichen Daseins. Denn ohne einen Eintritt der Erkenntnis in das übersinnliche Gebiet kann der Mensch nicht einmal den Versuch wagen, an eine menschenmögliche Antwort auf diese Frage heranzu­kommen.

Anthroposophie will nun aber eben, so weit das dem Menschen möglich ist, die Antworten auf diese Fragen nicht in einer bloßen Glaubenslehre geben, Anthroposophie will auch nicht die Antworten auf diese Fragen durch eine unklare Mystik geben, sondern Anthropo­sophie will zu diesen Antworten möglichst weit vordringen auf die­selbe Weise, wie es eigentlich die heutigen Wissenschaften erstreben. Nur ist sich Anthroposophie klar darüber, daß dasjenige, was der Mensch als Erkenntnis bezeichnet, noch in einer ganz anderen Weise gefaßt werden muß, als es heute gerade oftmals von den maßgebend­sten Autoritäten geschieht, wenn man diese Frage überhaupt im rech­ten Lichte sehen will.

[Diesen einleitenden Worten folgte der eigentliche Vortrag, der in seiner Basler Fassung in dem Band «Was wollte das Goetheanum und was soll die Anthroposo­phie?», GA 84, enthalten ist. Er schließt wie folgt:]

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Basel, 9. April 1923

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... Anthroposophie will der Gegenwart dienen, um in der rechten Weise dem zu dienen, was die Menschen von dieser Gegenwart aus in die nächste Zukunft hinein brauchen. Was Anthroposophie unsicht­bar den Menschenseelen sein will, als Hülle, als Heim, das hat das Goetheanum für das Auge sein wollen. Wäre das Goetheanum nur ein symbolischer Bau gewesen, der Schmerz um seinen Verlust wäre kein so großer, denn man könnte ja in der Erinnerung die Sache immer wieder wachrufen. Aber das Goetheanum war nichts für die bloße Erinnerung. Das Goetheanum war etwas, was, wie jedes Kunstwerk sich unmittelbar der Anschauung, sich unmittelbar der Sinnenwelt hinstellen will, was vom Geiste für die Sinnenwelt künden wollte. Daher ist mit dem Niederbrennen des Goetheanums alles das verloren, was das Goetheanum hat sein wollen. Aber es hat vielleicht doch gezeigt, daß Anthroposophie nichts einseitig Theoretisches sein will, nicht eine bloße Erkenntnis sein will, sondern ein Lebensinhalt nach allen Seiten sein kann und sein soll. Deshalb mußte sie in einem eigenen Stil ihr Heim erbauen.

Es wollte das Goetheanum den Geist vor das Auge stellen, den die Anthroposophie vor die Seele stellt. Und es soll die Anthroposophie vor die menschliche Seele stellen, was diese Seele eigentlich aus dem innersten Bedürfnis dem Neuzeit heraus für eine Anschauung, eine Erkenntnis, ein künstlerisches Erfassen dem geistigen Welt verlangt, was die Seelen verlangen, weil sie immer mehr und mehr fühlen, daß sie nur dadurch, daß sie die volle Menschenbestimmung erleben, die volle Menschenwürde erfühlen können.

Das Goetheanum, es konnte abbrennen. Eine Schicksalskatastmo­phe hat es hinweggenommen. Der Schmerz derjenigen, die es lieb gehabt, ist wegen seiner Größe nicht zu schildern. Dasjenige, was aus denselben Quellen, aus denen die Anthroposophie fließt, und durch sie der Menschheit dienen will, für das sinnliche Auge geschaffen werden mußte, das mußte aus physischem Stoff geformt werden. Und wie der menschliche Leib selber gerade nach meiner heutigen Schilde­rung das sinnliche Abbild und die sinnliche Wirkung des ewigen Geistigen ist, dann aber mit dem Tode abfällt, so daß sich das Geistige in anderen Formen entwickelt, so konnte auch dasjenige - lassen Sie mich jetzt die Betrachtung schließen, indem ich sozusagen das Dornacher

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Unglück vergleiche mit dem, was sich auch sonst im Weltenlaufe vollzieht - so konnte dasjenige, was aus Stoff geprägt werden mußte, um fürs Auge hingestellt zu werden, von den physischen Flammen verzehrt werden. Das aber, was Anthroposophie soll, das ist aus dem Geiste heraus gebaut; über das können nur Flammen des Geistes kommen. So wie das menschliche Geist-Seelische über das Leibliche siegt, wenn dieses vernichtet wird im Tode, so fühlt sich Anthroposo­phie lebendig, trotzdem sie ihr Dornacher Heim, das Goetheanum, verloren hat. Und gesagt werden darf: Physische Flammen, sie konn­ten, was für das Auge aus dem äußeren physischen Stoff auferbaut werden mußte, zerstören; was als Anthroposophie dasein soll zur Weiterentwickelung der Menschheit, das ist aus dem Geiste heraus gebaut, das wird durch die Flammen des geistigen Lebens nicht aufge­zehrt, nicht getötet. Die Flammen des geistigen Lebens sind nicht verzehrende Flammen, sie sind vemstärkende Flammen, sie sind Flam­men, die erst recht Leben geben. Und dasjenige Leben, das als Er­kenntnisleben der höheren Welt durch Anthroposophie sich offen-baren soll, das muß durch die Flammen höchster menschlicher, seelischer und geistigem Begeisterung gehärtet werden. Dann wird Anthroposophie sich weiter wandeln.

Wer so im Geistigen lebt, der empfindet zwar nicht minder den Schmerz über den Hingang des Irdischen, allein er weiß auch, daß das Erheben über all das darin liegt, daß man weiß, gerade durch die Geist-Erkenntnis gelangt man zu der Überzeugung: Der Geist wird doch immer über den Stoff siegen und sich immer neuerdings in Stoff verwandeln.

[Zu diesen Ausführungen findet sich in einem der Notizbücher Rudolf Steiners folgender Spruch:]

Es wollte im Sinnenstoffe

Das Goetheanum vom Ewigen

In Formen zum Auge sprechen

Die Flammen konnten den Stoff verzehren.

Es soll die Anthroposophie

Aus Geistigem ihren Bau

Zur Seele sprechen lassen.

Die Flammen des Geistes

Sie werden sie erhärten.

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ARBEITSTAGE IN PRAG

27. bis 30. April 1923

Bericht von Dr. Otto Palmer

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Aus Nr.6 der «Mitteilungen. Herausgegeben vom Vorstand der Anthroposophi­schen Gesellschaft in Deutschland», Stuttgart im Juli 1923.

Demjenigen, der das Glück hatte, vom 27. bis 30. April d. J. in Prag inmitten der tschechischen und deutschen Freunde zu weilen, werden diese Tage nach mancher Richtung hin unvergeßlich sein. Man muß die Stadt Prag als solche auf sich wirken lassen und etwas von dem spüren, was sich als okkulte geistige Strömungen durch die Mauern hinzieht, um zu verstehen, welchen Eindruck gerade dort zwei öffentliche und zwei interne Vorträge Dr. Steiners hervorriefen und wie auch die Eurvthmievorführung im Deutschen Theater vor vollbesetztem Hause eine durchaus günstige Aufnahme fand. Eine Zeitung hatte allerdings nichts Besseres zu tun, als von vornherein in plumpester Weise über die Eutvthmie herzuziehen, während andere Blätter das Neue der eurvthmischen Kunst restlos anerkannten und derselben eine glückliche Zukunft verhießen.

Was die Vorträge Dr. Steiners selbst anbelangt, so fand einer im Saal der Urania, welcher etwa 850 Personen faßte, statt, während der andere im Saal der Produktenbörse, wo etwa 1 200 bis 1 500 Zuhörer sich eingefunden hatten, die es am Schluß an wärmstem Beifall nicht fehlen ließen, abgehalten wurde. Während Herr Dr. Steiner im ersten öffentlichen Vortrag von den geisteswissenschaftlichen Forschungsmethoden im allgemeinen sprach und die Zuhörer in die Anthroposo­phie und ihre Absichten in unserer Zeit hineinführte, sprach er im zweiten Vortrag über Menschenerkenntnis und Menschenerziehung und entwickelte vor den Zu­hörern die Entwickelungsprobleme des Menschen an den praktischen Erfahrun­gen der Waldorfschule in Stuttgart. In beiden Vorträgen, welche für den tschechi­schen und deutschen Zweig gemeinsam stattfanden und welche zwischen den beiden öffentlichen Vorträgen lagen, wurde das in den öffentlichen Vorträgen Gesagte nach jeder Richtung hin vertieft. Was für gewöhnlich in Prag nicht möglich war, nämlich ein gemeinschaftliches Zusammenarbeiten des tschechi­schen und deutschen Zweiges, Dr. Steiner brachte es zustande, und seine Worte trugen dazu bei, eine Harmonie hervorzuzaubern, wie sie nach Aussage der dortigen Mitglieder sonst nicht zu herrschen pflegte. Unsere Prager Freunde, Tschechen wie Deutsche, wetteiferten miteinander, die Tagung zu einer ein­drucksvollen und schönen zu gestalten und auch außerhalb des Rahmens der anthroposophischen Unternehmungen die Schönheiten der Stadt und ihre histori­schen Denkwürdigkeiten den auswärtigen Mitgliedern vor Augen zu führen.

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BEGRÜSSUNGSWORTE FÜR DIE MITGLIEDER IN PRAG

Prag, Samstag, 28. April 1923

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Es sind eben so herzliche Worte gesprochen worden, daß es natürlich nur nüchtern klingen muß, wenn ich nunmehr sage, daß es mir eine große, tiefe Befriedigung gewährt, nach einigen Jahren in Ihrer Mitte wieder einmal verweilen zu können. Sie wissen, wie wir uns hier in Prag auf anthroposophischem Boden innig nahegetreten sind, und da wir wissen, daß geistige Arbeit im Zusammenhange der Welt eine wirkliche Arbeit ist, dürfen wir sagen, daß wir hier auch wirklich geistig zusammen gearbeitet haben. Die sehr lieben Worte, die hier gesprochen worden sind, sie betrafen auch eine Art von Werturteil über meine Arbeit. Nun, meine lieben Freunde, Sie dürfen glauben, daß ich auf der einen Seite außerordentlich dankbar bin, daß ich aber selbstverständlich das, was als Urteil über meine Arbeit abgegeben wurde, nicht selbst in einer solchen Weise werten darf, sondern daß es im Herzen und Gemüte der lieben anthroposophischen Freunde lie­gen muß, wie über diese Arbeit geurteilt wird. Aber darum lassen Sie mich nicht weniger meinen herzinnigsten Dank sagen - sagen darum, weil alles, was gesprochen worden ist, in eine warme Liebe getaucht war, und diese warme Liebe gehört wirklich unter uns. Was wären wir Anthroposophen, wenn nicht diese Liebe unter uns wäre?

Auch ist erinnert worden an jenes schmerzliche Ereignis in der Silvesternacht des letzten Jahres. Dieses schmerzliche Ereignis in sei­nem ganzen Umfange zu beurteilen, kann mir heute noch nicht oblie­gen. Aber die Gegnerschaft, die sich im Anschluß an jenes schmerzli­che Ereignis geltend gemacht hat, darf mit jenen Worten bezeichnet werden, die Herr Professor Hauffen hier gebraucht hat. Denn es überkam unseren Freund, den Schweizer Dichter Albert Steffen, als er die Anwürfe niederster Art wahrnahm, welche entgegengewomfen wurden unserem Streben, einige nicht einmal allzuscharfe Worte ge­gen die Gegnerschaft zu sprechen: man hat alle möglichen Dinge ihm vorgeworfen. Er erinnerte daran, daß er unter seinen schriftsteller­ischen Leistungen eine Arbeit habe, welche die Roheit charakterisiert; was er vorgebracht hat, wurde nicht vorgebracht gegen eine Welt­anschauung, sondern gegen die Roheit. Von der Roheit, welche sich oft zur Groteskheit gesteigert hat, will ich Ihnen heute nicht

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sprechen, da wir zu etwas Besserem zusammengekommen sind. Aber ich will Ihnen zwei Dinge mitteilen. Eine Zeitung, die ganz besonders auf das schimpft, was in Dornach gepflegt wurde, schrieb: Nun, man kennt ja die ganzen Dinge, die da getrieben wurden am «Grutlu­anum». - Nicht einmal den Namen hat man gekannt! Eine andere Zeitung schrieb: Die Absurdität ging so weit, daß die Anthroposo­phen in Scharen während des Brandes gebetet haben, daß das Feuer aufliören möge.

Es ist schwer, etwas gegen Gegner auszurichten, die so gut organi­siert sind wie unsere. Als Beispiel hierfür möchte ich folgenden Vorfall anführen, der sich zutrug nach einem Vortrag, den ich in einer Schwei­zer Stadt hielt. Nach dem Vortrag sprach ich mit einer Persönlichkeit, die nie vorher zu uns in Beziehungen getreten war. Aber zwei Tage nachher bekam diese Persönlichkeit die schmutzigsten Gegenbro­schüren zugeschickt, was wohl hinweist auf die gründliche Organisa­tion der Gegnerschaft, der keine Mittel zu schlecht sind. Ich will keine anderen Beispiele anführen.

Dem steht gegenüber, daß eine von seltener Hingebung getragene Zusammenarbeit geleistet wurde, daß gerade bei diesem Unglück in der allerschönsten Weise die Liebe und Hingebung - ja man kann nicht anders als es sagen - sich gezeigt haben in dem Versuch, die Flammen zu bezwingen. Das konnte nicht gelingen; der Brand war von solcher Art, daß nicht daran gedacht werden konnte, ihn zu bezwingen. Und was im Laufe von zehn Jahren gebaut worden ist, wirklich von den allerverschiedensten Nationen angehörigen Kräften, ist in dieser Nacht ein Opfer der Flammen geworden. Und es ist schon so, daß das furchtbare Flammenlicht, das da gebrannt hat, sich geltend machen muß in allen, die mit unserer Sache verbunden sind. Und Sie können es schon glauben, daß es seither unmöglich ist, über Anthroposophie zu sprechen, ohne daß einem dieser Verlust vom Augen tritt.

Was physischer Natur ist, kann durch Flammen verzehrt werden. Diejenigen Flammen aber, die ich gerne sehe bei denjenigen, die begeistert sind, diese Flammen sind andere Flammen; diese zerstören nicht, sondern flammen an - durch sie wird sich, was wir durch unsere Arbeit erstreben, als unzerstörbar erweisen.

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KURZBERICHT ÜBER DIE PRAGER ARBEITSTAGE*

Dornach, Samstag, S. Mai 1923

zu Beginn des Abendvortrages

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Meine lieben Freunde! Ich will nur kurz berichten über die Prager Reise. Sie ist ja so verlaufen, daß ich zwei öffentliche Vorträge in Prag zu halten hatte und zwei Zweigvorträge. Die öffentlichen Vorträge waren außerordentlich gut besucht. Der erste hat stattgefunden in dem dortigen wissenschaftlichen Institut dem «Urania». Die Eurythmie­Vorstellung fand am Sonntag als Matinee statt, vor dem sehr großen und voll ausvemkauften Deutschen Theater in Prag.

Es hat sich ja auch bei dieser Gelegenheit wirklich gezeigt, wie tief die Sehnsucht überall ist nach einem spimituellen Leben, nach einem Neuaufbau des spirituellen Lebens, und daß es sich ja nur darum handeln würde, die Wege zu den vielen Menschen zu finden, die heute einen solchen Zugang zu einem Neuaufbau des spirituellen Lebens suchen. Deren sind wirklich, das kann man bei solchen Gelegenheiten eben durch die Erfahrung finden, deren sind wirklich heute in der Welt

- und zwar wohl bei allen Nationen - außerordentlich viele.

Leider konnte Frau Dr. Steiner die Rezitation wegen ihrer Indis­position diesmal nicht selbst besorgen und kann das auch nicht bei dem sich nun an die Prager und Stuttgarter Eurythmieaufführung anschlie­ßenden Eurythmieaufführung in Breslau, Nürnberg, Heidenheim und so weitem.

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* Von den stattgefundeneo Verhandlungen über Gesellschaftsfragen liegt kein Protokoll vor. Die Gründung einer tschechischen Landesgesellschaft erfolgte erst ein Jahr später, am 30. März 1924, in Anwesenheit von Rudolf Steiner, wie aus dessen Brief an Edith Marvon in Dornach vom l.April 1924 (GA 263/l)hervorgeht, in dem es heißt: «Der Sonntag [30. Märzl war durch die Versammlung, in der die böhmische Landesgesellschaft gebildet worden ist, fast ganz besetzt vom Morgen bis zum Abend.« Ein Protokoll von dieser

Versammlung liegt ebenfalls nicht vor.

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BITTE AN DIE MITGLIEDER,

DEN GOETHEANUM-WÄCHTERN IHRE ARBEIT

NICHT ZU ERSCHWEREN

Dornach, Montag, 7. Mai 1923

Schlußworte des Abendvortrages

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«Als Kuriosum wirken, wenn man sie in der Rückschau betrachtet, aber vielleicht doch bezeichnend für all die Dinge, denen Dr. Steiner seine Sorgfalt zuteil werden lassen mußte, die Schlußworte des Vortrages für Mitglieder, die sich auf den Wächterdienst jener beziehen, welche seit dem Brande das Amt des Wachens über die uns noch gebliebene Arbeitsstätte übernommen hatten.» (Marie Steiner)

Jetzt lassen Sie mich nur noch eine Bitte aussprechen, die darin besteht, daß ich unsere Freunde ersuche, doch auch in den Einzelheiten ein wenig die Notwendigkeiten der Anthroposophischen Gesellschaft zu respektieren. Wir haben ja die Möglichkeit, dadurch, daß uns eben jemand eine solche eröffnet hat, hingebungsvolle Persönlichkeiten hier zu haben, die Wache halten über das, was noch von unserem Bau geblieben ist. Dieses Wachehalten in seinen verschiedenen Formen ist ja wirklich eine aufopfernde Arbeit, und Sie müssen verstehen, meine lieben Freunde, daß man der Wache es möglichst leicht machen muß, ihren Dienst zu versehen, daß man es ihm nicht allzuschwem machen soll. Es ist schon notwendig, wenn wirklich sachgemäß gewacht wer­den soll, daß zum Beispiel nicht bei jeder Gelegenheit anthroposophi­sche Freunde den Schmeinereiraum zu jeder Nacht- und Tageszeit betreten sollen oder wollen und dann sich darauf berufen: Ich bin ein altes Mitglied, ich kann da überall hineingehen.

Nicht um hier drakonische Maßregeln einzuführen, sondern ein­fach um die Lebensmöglichkeiten herbeizuführen, ist es notwendig, daß man, nicht untertänigst gehorsam, sondern vernünftig sich fügt demjenigen, was eben von seiten dem wachehabenden Leute als not­wendig angesehen wird. Wenn also zum Beispiel einmal zwei Veran­staltungen hintereinander sind, und es ist notwendig, daß zuerst die einen, die bei dem einen Veranstaltung waren, hinausgelassen werden, bevor die anderen hereingelassen werden, so ist es nicht gut, wenn dann diejenigen, die nicht gleich hemeinströmen können, Krakeel schlagen! Ich sage nicht Dinge, die ich mir ausdenke, sondern die vorgekommen sind. Und deshalb, meine lieben Freunde, bitte ich Sie,

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auch in Kleinigkeiten doch die Anthmoposophische Gesellschaft real zu machen. Es kann nicht so sein, wie die allgemeine Auffassung zumeist ist, daß die Anthroposophische Gesellschaft darin bestehe, daß alles dumcheinanderrennt und jeder das will, was ihm gemade einfällt, und daß man das eben durchsetzen will, indem man sich auf die «Philosophie der Freiheit» beruft! Und so weiter. Es ist ja in Berlin vorgekommen, nicht wahr, daß der Vorsitzende jemandem das Wort gegeben hat, aber während der sprach, sprach auch ein anderer, und es drohte, daß noch mehrere hintereinander auch «gleichzeitig» sprä­chen! Da sagte der Vorsitzende: Das geht doch nicht, meine Freunde, daß alle zugleich sprechen! - Da meinte man: Wir haben doch die «Philosophie der Freiheit», da müssen wir doch alle auch die Möglich­keit haben, zu gleicher Zeit reden zu können! -Es ist schon notwendig, daß einfach Vernunft unter uns herrscht.

Deshalb bitte ich Sie, den wachehabenden Persönlichkeiten ihr Amt nicht allzuschwer zu machen, sondern es ihnen zu erleichtern. Wir sind ja da zur Brüderlichkeit und nicht zum Krakeelen. Ich sage das wirklich in aller Artigkeit, möchte es als eine Bitte aussprechen - aber es ist schon die Notwendigkeit vorhanden, daß ich eine solche Bitte ausspreche.

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WORTE ÜBER DAS BRANDUNGLÜCK

ZU BEGINN DER MITGLIEDER-VORTRÄGE IN NORWEGEN

Kristiania (Oslo), 16. Mai 1923

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Die herzlichen Worte von Herrn Ingerö möchte ich damit erwidern, daß ich Ihnen die Versicherung gebe, daß es mir die tiefste Befriedi­gung gewährt, auch wieder in solchen internen Vorträgen zu Ihnen ausführlicher von anthroposophischen Angelegenheiten sprechen zu können. Es ist ja so, daß es mir gerade gegönnt war, hier in Norwegen in Zyklen einschneidende anthroposophische Wahrheiten wiederholt entwickeln zu dürfen. Hier durfte ich auch jenen Zyklus sprechen, der immer wiederum vom meiner Seele steht, über die europäischen Volks-seelen, und hier durfte manches andere über anthroposophische Dinge gesprochen werden. Hervorgerufen ist das durch die besonderen Ver­hältnisse, die dadurch gegeben sind, daß gerade Norwegen gewisser­maßen, wie ich das bei früheren Gelegenheiten immer wieder charakterisieren

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durfte, an einem bemerkenswerten Punkte der europäischen Zivilisationsentwickelung liegt und daß die Zukunft von Europa ge­rade von Norwegen wird sehr viel zu erwarten haben.

Nun darf ich aber wohl in diese Worte tiefster Befriedigung auch hier ein anderes Wort hineinstellen. Das ist das, daß, wenn ich jetzt, meine lieben Freunde, zu den alten anthroposophischen Freunden über Anthroposophie spreche, wirklich immer im Hintergrunde steht das traurige Ereignis der Silvesternacht von 1922 auf 1923. Es haben auch viele unserer norwegischen Freunde das Goetheanum gesehen, ja, es haben norwegische Freunde hingebungsvoll während der zehn Jahre - während wir gearbeitet haben - an diesem Goetheanum mitge­arbeitet. Und endlich darf ich mit innigster Befriedigung des Umstan­des gedenken, daß es gerade norwegische Freunde waren, welche in ausgiebigster Weise ihre materielle Hilfe uns haben angedeihen lassen gerade in der Zeit, wo wir sie zum Aufbau des uns nun leider genom­menen Goetheanum am notwendigsten brauchten. Die opferwillige Betätigung norwegischer Freunde in dieser Beziehung wird tief einge­graben sein in die Geschichte des Goetheanum, denn geistig bleibt doch dasjenige mit der Geschichte der anthroposophischen Entwicke­lung verbunden, was in dieses Goetheanum hineingebaut war. Und diejenigen, die so große Opfer gebracht haben, wie einzelne unserer norwegischen Freunde, werden damit auch in geistiger Weise sich etwas - wir dürfen sagen - Bedeutsames eingetragen haben in die Annalen der spirituellen Entwickelungsgeschichte, welche mit dem Goetheanum verknüpft ist.

Im Hintergrunde, möchte ich sagen, steht die furchtbare Flamme, welche wir in der Silvesternacht haben unser Goetheanum verzehren sehen, in einer Nacht dasjenige, was in langer Arbeit errungen worden ist. Und es kann nur hinwegtrösten über dieses furchtbare, schmerzli­che Ereignis die Tatsache, daß in Anthroposophie selber etwas gege­ben ist, was aus unzerstörbarem Quell heraus ist, so daß es sich in der Entwickelung der Menschheit durchringen muß, auch wenn zunächst dieses äußere Denkmal und Symbolum vom Erdboden verschwunden ist und wohl auch unter günstigsten Verhältnissen nur in notdürftiger Weise wird wiederaufgebaut werden könnte. Es ist also in gewissem Sinne ein Ton der Wehmut, der jetzt unsere Betrachtungen durchdrin­gen muß, indem wir unsere Empfindungen nach diesem schmerzli­chen Ereignisse hinsenden müssen.

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WORTE ZUM BAUBRAND

UND ZUR GESELLSCHAFTSSITUATION

bei einem auf der Rückreise von Norwegen nach Dornach gehaltenen Vortrag

Berlin, 23. Mai 1923

Einleitungs- und Schlußworte

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Was ich Ihnen heute vorbringen möchte, wird, wie alles, was ich über Anthmoposophie in der letzten Zeit zu sagen hatte, mit einem gewissen Untemton gesagt werden müssen, der hemvorgerufen ist dumch das schmerzliche Ereignis, das unsere Sache und unsere Gesellschaft am letzten Silvesterabend getroffen hat: Das Goetheanum in Dornach ist ja augenblicklich nicht mehr. Es ist von den Flammen in der letzten Silvesternacht verzehrt worden. Und alle die, welche mit diesem einen Nacht die zehnjährige, lange Arbeit zerstört sahen, die ausgegangen ist von so vielen unserem Freunde, die in hingebungsvollem Weise diese Arbeit geleistet haben, alle, die aus dieser Arbeit und aus dem, was uns das Goetheanum war, dieses Goetheanum sehr lieb gehabt haben, die werden unter diesem Eindruck stehen müssen, daß wir dieses äußere Zeichen anthroposophischen Wirkens nicht mehr haben. Denn wenn auch - was ja durchaus sein sollte - irgendein Bau für unsere Sache an derselben Stätte wiederum entstehen wird: das alte Goetheanum kann es ja unter dem Einfluß der schwierigen Zeitverhältnisse selbstver­ständlich nicht mehr werden. So steht denn eigentlich im Hinter­grunde hinter alledem, was ich seit jenen Tagen zu sagen habe, die furchtbare Glut der Flammen, die in einem so herzzerreißenden Weise eingegriffen hat in die Entwickelung unserer ganzen Sache. Wir müs­sen uns da um so mehr, als dieses äußere Zeichen dahin ist, widmen dem Ergreifen der inneren Kräfte und inneren Wesenhaftigkeiten dem anthmoposophischen Bewegung und desjenigen, was mit ihr für die ganze Entwickelung der Menschheit zusammenhängt. So lassen Sie mich denn auch zunächst mit einer Art Betrachtung über das Wesen des Menschen beginnen. Ich habe solche viele hier in Ihrer Mitte angestellt und möchte nun heute wiederum eine solche von einem gewissen Gesichtspunkte aus anstellen.

Es folgte der eigentliche Vortrag, der mit folgenden Worten geschlossen wurde:

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Womit ich begonnen habe, damit darf ich vielleicht auch mit ein paar Worten schließen. Ich mußte längst hinweisen darauf, wie, ausgehend von einer sehr untergeordneten freimaurerischen Seite und dann aber wiederholt in allerlei astrologischen Werken, aufgegriffen von allen Gegnern seit längerer Zeit, dem Satz in die Welt gesetzt worden ist:

Geistige Feuerfunken seien in das Goetheanum in Dornach genug hineingeflogen; es werde die Zeit kommen, wo der physische Feuer-funke in dieses Goetheanum hineinfliegen wird. - Die Leute haben es durch zwei Jahre geschrieben. Das ist die Art und Weise, wie heute dasjenige, was wirklich aus dem Geiste heraus geschöpft wird, in der Welt empfangen wird! Demgegenüber muß es Menschen geben, wel­che mit dem Sich-Hineinversetzen in den Geist völlig Ernst machen können. Ernst machen kann man nicht durch das Reden vom Geist allein, sondern durch ein solches Reden vom Geist, das auch wirklich den Geist unter uns Menschen verbreiten kann. Eine solche Verbrei­tung des Geistes wäre es, wenn wir schaffend würden aus dem Geiste, wie alte Zeiten schaffend wurden aus dem Geiste. Ich habe des öfteren uber das Weihnachtsfest, das Osterfest, das heißt über alte Feste, unter Ihnen sprechen dürfen. Es ist schön, den Geist der alten Feste heraus­zuholen aus den Zeitenläuften. Aber ich möchte doch, daß man nicht nur versteht, wenn durch Anthroposophie das an die Oberfläche gebracht wird, was alte Weisheit gedacht hat, sondern ich möchte, daß man auch verstehen kann dasjenige, was aus dem Geist unserer unmit­telbaren Gegenwart als Aufforderung zu uns spricht. Es genügt nicht, bloß die Evangelien als Ausdruck des Christentums anzusehen, denn Christus hat gesagt: «Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Emdenzeiten.» Er ist da! Verstehen wir seinen Geist, seine Worte, dann können wir jeden Tag aus diesem Geiste heraus sprechen. Was die Alten schaffend gemacht hat aus einer Weltenweisheit, was gemacht hat, daß wir heute noch den tiefen Sinn dem Feste enthüllen können, das lebt doch unter uns. Wir wollen doch ganze Menschen sein. Dann mussen wir aber auch als ganze Menschen geistig schaffen können. Dann müssen wir nicht nur nachdenken können über den Sinn der alten Feste, dann müssen wir selber dadurch sozial schöpferisch sein können, daß wir aus dem Jahreslauf heraus Feste-schöpfend werden können.*

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* Es war von der Schaffung eines Michael-Festes aus dem Geiste gesprochen worden.

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Das mutet allerdings den Menschen mehr zu, als die alteingesesse­nen Feste zu erklären. Aber es ist eben auch eine wirkliche Anthropo­sophie, eine höhere Anthroposophie. Und geprüft werden kann die Anthmoposophische Gesellschaft doch nur daran, ob sie nicht nur tote Anthroposophie begreift, die über Vergangenes handelt, sondern ob sie auch lebendige Anthroposophie begreift. Die wird auch eine Summe von Feuemfunken sein können! Aber diese Feuerfunken wer­den in einem Tempel sein, der nicht aus äußerem Material besteht. Physische Flammen verzehren Tempel, die aus äußerem Material be­stehen. Die Flammen echter spimitueller Begeisterung, echten spiritu­ellen Lebens, die den Tempel durchdringen müssen, weil sie ihn erleuchten müssen mit dem, was im Geiste aufleuchtet, diese Flammen können den Tempel nicht zerstören, die können diesen Tempel nur immer herrlicher gestalten. Denken wir an das, was lebendige Anthro­posophie ist, als diejenige Feuerflamme, die uns immer weiter- und weiterführen wird, wie dem lebendige Geist der Anthroposophie sel­ber, der uns führen soll zum Fortschritt der Menschheit und zum Wiederaufbau desjenigen, was jetzt in einem so deutlichen Nieder-gange ist.

Das wollte ich Ihnen bei meiner diesmaligen Anwesenheit in Berlin sagen, meine lieben Freunde, weil es gut ist, wenn wir solche ernsten Dinge, gerade weil wir so selten zusammensein können, jetzt bespre­chen. Ich hoffe, daß ausgehen möge auch von diesem ein recht gutes Zusammensein in Gedanken. Denn Anthroposophie soll wirken im Geiste, nicht bloß im physischen Raume. Und so möge es als Gruß zu Ihnen gesprochen sein, daß wir beisammenbleiben mögen im Geiste, auch wenn wir jetzt räumlich längere Zeit wieder getrennt sein müssen.

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KURZBERICHT ÜBER DIE NORWEGEN-REISE

Dornach, Sonntag, 27. Mai 1923 zu Beginn des Abendvortrages

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Nur kurz möchte ich davon berichten, daß die nordische Reise, die von mir jetzt absolviert worden ist, wie ich glaube, ganz befriedigend ausgefallen ist. Es ist mir möglich gewesen, in Norwegen innerhalb acht Tagen 13 Vorträge zu halten, und damit konnte eben ein gutes Stück Anthroposophie zur Sprache gebracht werden. Ich glaube, daß unsere Freunde in Norwegen gerade gegenwärtig recht gute Arbeiter sind und daß wir mit einer gewissen Befriedigung dorthin blicken können.

Von diesen Vorträgen waren zwei öffentlich, die anderen Privatvorträge für Mitglieder und Freunde dem Mitglieder, also für einen engeren Kreis von Mitgliedern und auch Nichtmitgliedern, die aber persönlich eingeladen waren.

Von Tatsächlichem möchte ich noch das bemerken, daß sich wäh­rend meiner Anwesenheit in Norwegen die norwegische Anthroposo­phische Gesellschaft gebildet hat,* daß sie nun in ähnlicher Weise wie die Schweizerische Anthroposophische Gesellschaft besteht. Sie hat Herrn Ingerö zu ihrem Generalsekretär bestimmt und wird ihre weite­ren Statuten ausarbeiten. Sie hat in der Generalversammlung, die während meiner Anwesenheit abgehalten worden ist, die Geneigtheit ausgedrückt, wenn die internationale Gesellschaft, eventuell mit dem Sitze in Dornach, zustande komme, dann sich dieser internationalen Gesellschaft mit dem Sitz in Dornach anzuschließen. Wenn wir dann nacheinander die einzelnen Zweiggesellschaften gründen nach dem Muster der schweizerischen, so wird es ja möglich sein, die Konstitu­ierung der ganzen Gesellschaft in einer den heutigen Zeitverhältnissen Rechnung tragenden Weise herbeizuführen. Ich möchte das insbeson­dere auch deshalb erwähnen, weil es ja wichtig ist vielleicht für eine demnächst abzuhaltende weitere Generalversammlung der Schweize­rischen Anthroposophischen Gesellschaft,** die mittlerweile vollzo­gene Tatsache der [gegründeten Ländergesellschaften für eine] allge­meine Anthroposophische Gesellschaft ins Auge zu fassen.

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* Siehe Seite 469. ** Siehe Seite 512.

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OFFENER BRIEF RUDOLF STEINERS

BETREFFEND SEINEN RÜCKTRITT ALS VORSITZENDER

DES AUFSICHTSRATES DER «KOMMENDEN TAG AG»

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erschienen in der deutschen Wochenschrift «Anthroposophie«, Nr.48 vom 31. Mai, und in der schweizerischen Wochenschrift «Das Goetheanum» vom 17.Juni 1923. Auch als Rundbrief verschickt.

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An die Mitglieder dem Anthmoposophischen und der

Freien Anthroposophischen Gesellschaft

in Deutschland

Meine lieben Freunde!

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Die Entwickelung und die Aufnahme der anthroposophischen Bestre­bungen in der Gegenwart macht eine Ändemung meinem Arbeitsweise notwendig. Anthroposophie hat sich auf der einen Seite als ein Seelen-bedürfnis einem immer größer werdenden Anzahl von Menschen er­geben; sie sieht sich auf der andern Seite Mißverständnissen und un­richtigen Beurteilungen vieler immer mehr gegenübergestellt.

Das erfordert, daß ich den gesteigerten Anforderungen nach Pflege des anthroposophischen Bedürfnisses mehr entgegenkomme, als dies seit der Zeit der Fall sein konnte, seit praktische Institutionen von mancherlei Art sich durch die Zielsetzungen der Freunde unserer Sache gebildet haben. Diese Institutionen sind in durchaus berechtig­ter Art aus den Absichten dieser Freunde auf Grund der anthroposo­phischen Bewegung entstanden. Und es war auch begreiflich, daß bei diesen Freunden, als sie nach der Verwirklichung solcher praktischen Ideen strebten, der Wunsch entstand, mich selbst in den Verwaltungen der entsprechenden Institutionen drinnen zu sehen. - Ich bin diesem Wunsche entgegengekommen, obwohl ich mir bewußt war, daß dieses Entgegenkommen einer naturgemäßen Verpflichtung mich von mei­ner eigentlichen Aufgabe, der Pflege des Zentralen der anthroposophi­schen Arbeit, für einige Zeit zu stark wegziehen würde.

Für eine verhältnismäßig kurze Frist mußte ich den Wünschen der Freunde entsprechen. Aber ebenso muß ich jetzt mich auf den Stand­punkt stellen, daß ich weiterhin nur innerhalb dieses Zentralen des anthroposophischen Lebens mit seinen künstlerischen und pädagogi­schen Auswirkungen tätig sein darf. Ich muß ganz der Anthroposophie

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als solcher sowie ihren künstlerischen und Schulbestrebungen und ähnlichem gehören und den Institutionen wie «Kommender Tag» usw. nur insoweit, als die geistigen Anregungen der Anthroposophie in dieselben hineinfließen. Von allem Verwaltungsmäßigen dieser Insti­tutionen muß ich mich im Interesse der anthroposophischen Sache zu­rückziehen. Nur dadurch wird es möglich sein, daß durch mich in dieser Sache so intensiv gearbeitet werde, wie es angesichts von deren eigenen Anforderungen und der rasch wachsenden Gegnerschaft nötig ist.

Das sind die Gründe, welche mich bewegen, jetzt von dem Amte des Vorsitzenden im Aufsichtsrate des «Kommenden Tages» zurück­zutreten. Ich bitte die Freunde der anthroposophischen Sache dies nicht so aufzufassen, als ob dadurch eine Änderung in der intensiven, sach- und idealgemäßen Arbeit des «Kommenden Tages» einträte. Diese Arbeit ist in guten Händen; und ich bitte, fernerhin keinen Grad des Vertrauens ihr zu entziehen. Ich bin der Überzeugung, daß alles besser gehen werde, wenn ich selbst jetzt diese Arbeit auch formell in die Hände lege, von denen sie gut getan wird, und mich der Sache widme, die mir vom Schicksal zugeteilt ist. Was ich als geistige Anre­gungen dem Klinisch-Themapeutischen Institut, dem Kommenden-Tag-Verlag, den Forschungsinstituten, den Zeitschriften usw. geben kann, wird diesen besser zufließen, wenn ich aus der eigentlichen Administration herausgelöst bin. Praktisch wird sich innerhalb dersel­ben nichts Wesentliches ändern, da ich genötigt war, schon in der letzten Zeit durch die dargelegten Verhältnisse in den für die Zukunft als notwendig geschilderten Zustand hineinzuwachsen. Es wird also nur der faktisch entstandene Zustand auch offiziell festgelegt.

So hoffe ich denn, daß mein Austritt aus dem Aufsichtsrat des «Kommenden Tages» als eine Vertrauenskundgebung meinerseits für dessen Leitung aufgefaßt und zu einer solchen auch bei den Mitglie­dern der Anthroposophischen Gesellschaften werden wird. Er soll das Vertrauen stärken, nicht schwächen. Wäre Grund zu einer Schwä­chung vorhanden, so müßte ich bleiben. Die Sache liegt aber so, daß ich der sachkundigen, umsichtigen Leitung fernerhin unnötig und daher verpflichtet bin, zu der anthroposophischen Sache im engern Sinne zurückzukehren.

Dies bitte ich als Begründung des jetzt notwendigen Schmittes aufzufassen.

Rudolf Steiner

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ANSPRACHE BEI DER

ZEHNTEN ORDENTLICHEN GENERALVERSAMMLUNG

DES VEREINS DES GOETHEANUM*

Dornach, Sonntag, 17. Juni1923

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Meine lieben Freunde! Auch an mir wird es ja sein, anders und mit anderen Untergründen heüte zü Ihnen zu sprechen, als das in den verflossenen Jahren bei diesen Versammlungen geschehen konnte. Denn wir stehen ja bleibend unter dem Eindrucke des Hinganges unseres geliebten anthroposophischen Baues, des Goetheanum. Es braucht wohl nicht immer wieder auch von mir hervorgehoben zu werden, was das eigentlich bedeutet. Es ist Ihnen in den schönen Worten des Herrn Vorsitzenden [Dr. E. Grosheintz] dies heute nahege­bracht worden; und ich bin ja überzeugt davon, daß diese Worte aus der Seele eines jeden von Ihnen gesprochen waren. Es ist ja auch tatsächlich so, daß ein über ein bestimmtes Maß hinausgehendes Unglück im Grunde genommen nur in stummer Sprache sich offenbaren kann und daß Worte wirklich nicht hinreichen, um dasjenige zum Ausdruck zu bringen, was gerade für uns mit dem Goetheanum verloren worden ist.

Ich habe in den Vorträgen, die ich gelegentlich der Generalver­sammlung der Schweizerischen Anthroposophischen Gesellschaft und der Generalversammlung des Goetheanum-Vereines in der Zwi­schenzeit zwischen den beiden Versammlungen und im Anschlüsse an sie zu halten hatte, über alles dasjenige zu sprechen gehabt, was mir gerade zu sagen in dieser Zeit obliegt.

Im Grunde ist ja sehr vieles von dem, was ich in dieser Zeit zu sagen habe, gerade im Hinblick auf den großen Schicksalsschlag gesagt, der uns betroffen hat. Es darf auch durchaus nicht verkannt werden, wie sehr dieser Schicksalsschlag gezeigt hat, daß ein gemeinsames Fühlen innerhalb der Glieder der Anthroposophischen Gesellschaft in einem herzlichen Maße vorhanden ist.

Allein, meine lieben Freunde, dasjenige, was, ich möchte sagen, in einem für uns selbstverständlichen Weise zum Ausdrucke kam dazu­mal, als wir unter dem unmittelbaren augenblicklichen Eindrücke des Goetheanum-Brandes standen, daß wir die Kontinuität der Arbeit unseres Geisteslebens durchaus nicht aufgeben wollten, das muß uns

* Das Protokoll der Generalversammlung siehe in Teil III, Seite 547.

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ja immer beseelen. Und darauf kommt es ganz besonders an, daß wir uns tatsächlich zu verhalten wissen im Sinne des gestern von mir Gesagten: Arbeiten aus dem Zentrum des Geistigen heraus und sich selbst durch die schmerzlichsten, wie ja auch durch die erhebenden Eindrücke der Außenwelt in dieser eigentlichen inneren, aus dem Zentrum herauskommenden Arbeit und Gesinnung nicht beirren las­sen. Davon hängt doch die wirkliche Perspektive der anthroposophi­schen Bewegung ab. Sie hängt nicht davon ab, wie viele und wie geartete Schicksalsschläge von außen kommen. Diese müssen mit der­jenigen Gesinnung hingenommen werden, die sich aus der anthropo­sophischen Lebensanschauung von selbst ergibt. Aber daß trotz aller Schicksalsschläge, auch trotz aller günstigen Schicksalsschläge, die innere Energie im Herausarbeiten aus dem Zentrum des Geisteslebens nicht erlahmt, davon hängt dasjenige ab, was mit der anthroposophi­schen Bewegung erreicht werden soll und auch erreicht werden kann.

Aber dasjenige, was notwendig ist zu einem solchen Arbeiten, das müssen wir uns immer wieder und wieder vor die Seele führen, müssen es ganz besonders in dieser für uns so ernsten Zeit.

Ich möchte da nur bemerken, daß es in einer so gearteten geistigen Bewegung, wie es die anthroposophische ist, wirklich ernst damit werden muß, wenn sie den rechten Weg finden soll, daß Erfolg und Mißerfolg eigentlich im Grunde nichts bedeuten, daß allein dasjenige etwas bedeutet, was aus der inneren Kraft und den inneren Impulsen der Sache selbst hervorgeht. Da kommt aber sehr viel an auf das Bewußtsein derjenigen, die in dem Anthroposophischen Gesellschaft vereint sind.

Man muß das Folgende bedenken: Gesinnungen, Bewußtseinsim­pulse, realisieren sich nicht von heute auf morgen. Man kann nicht sagen heute, welches die Erfolge der Bewußtseinsimpulse und der Gesinnungen von vorgestern sind. Wenn man das täte, würde man in ein ganz anderes Fahrwasser hineinkommen, als das anthroposophi­sche sein kann. Man würde zum Beispiel, wenn man in dieser Weise äußerlich die Sache nehmen würde, sagen können: Wir verlassen uns auf unser gutes Glück. - Dann aber würde man, wenn dieses Glück einmal in der Amt, wie man es sich vorstellt, nicht da ist, auch sagen:

Wir verlieren den Mut, die Energie.

Ich hätte mir ja denken können, daß es in dem Zeit, als uns das furchtbare Unglück betroffen hat, Seelen hätte auch unter Anthroposophen

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geben können, die gesagt hätten: Ja, warum haben uns in diesem Falle die guten geistigen Mächte nicht geschützt? Kann man denn an die Schlagkraft einem Bewegung glauben, die in dieser Weise verlassen wird von den guten Geistern?

Solch ein Gedanke knüpft eben an Äußeres an, knüpft nicht an dasjenige an, was unbeirrt durch Äußeres, lediglich aus dem inneren Zentrum der Sache heraus kommt. Wenn man dieses ernst nehmen will, daß Gesinnungen, Gedanken, namentlich Bewußtseinsimpulse Realitäten sind, dann muß man an sie selbst glauben, an diese Bewußt­seinsimpulse, an diese Gedanken, an diese Empfindungen, nicht an die Hilfen, die sie von außen haben können, sondern an ihre eigene Kraft. Dann muß man sicher sein, daß dasjenige, was man aus solchen Impulsen hemausschöpft, trotz alles äußeren Scheinmißerfolges zu seinem richtigen Ziele kommt, zu dem Ziele, das ihm vorgeschrieben ist in der geistigen Welt; selbst dann, wenn es eines Tages durch die äußeren Umstände in dem äußeren Welt zunächst ganz vernichtet würde.

Derjenige, dem jemals den Glauben haben kann, daß ein Geistiges, das recht gewollt wird, durch irgend etwas in der äußeren Welt ganz vernichtet werden kann, wenn auch in der äußeren Maja die Vernich­tung da ist, dem glaubt nicht in Wirklichkeit an die Schlagkraft der geistigen Impulse, an die Schlagkraft dem geistigen Energie. Man muß noch sagen können in dem Augenblicke, wo alles Äußere zugrunde geht: Demjenigen, was aus dem Innern gewollt wird, ist der Erfolg sicher. Aber man darf dann vom Erfolg nur in der Weise sprechen, daß man dasjenige meint, was im Sinne dem inneren Impulse, der Gedan­ken, der Bewußtseinsabsichten selber liegt. Die Dinge, die in dem äußeren Welt sich vollziehen, vollziehen sich in der Regel in einem Weise, die oftmals erst erklärlich wird nach Jahrzehnten, vielleicht nach noch längerem Zeit. Und nach den augenblicklichen Konstellationen die, wenn ich so sagen darf, Regierung der geistigen Welt beurteilen, hieße kleinmütig sein gegenüber dieser geistigen Welt. Die geistige Welt muß sich selbst ihre Stärke und Schlagkraft geben. Nun gibt es innerhalb dem Emdenwelt nichts anderes als die Menschengemüter, in denen diese Schlagkraft ein Heim haben kann, ein Verständnis finden kann; nicht Einrichtungen, nicht Institutionen, und wären sie noch so schön oder noch so häßlich, können irgendwie beweisend oder widemlegend sein für dasjenige, was aus dem Geiste heraus wirklich gewollt wird.

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Wer aus Äußerem die Wahrheit oder die Unwahrheit des Geistigen beweisen oder widerlegen will, befindet sich auf einem falschen Wege; denn er steht nicht innerhalb des Zentrums der geistigen Impulse, sondern außerhalb. Für die Beurteilung desjenigen, was da in Frage kommt, ist einzig und allein das Innerste des Menschengemütes, nie­mals irgendwie ein äußerer Zusammenhang maßgebend.

Das aber bedingt auf der anderen Seite, daß die Menschen, die Träger sein wollen einer solchen geistigen Bewegung, eben dahin kommen müssen, wenigstens immer mehr und mehr diese innere Stärke anzustreben und Verständnis zu haben für dasjenige, was es eigentlich heißt, aus dem inneren Zentrum einer geistigen Bewegung heraus zu arbeiten.

Gerade in diesem Momente scheint es mir dringend notwendig zu sein, daß wir uns voll bewußt werden, wie schwer dieses ist und wie es nicht mit dem genügend erfüllt werden kann, was man oftmals da­durch ausdrückt, daß man sagt: Ich habe die anthmoposophische Ge­sinnung, ich habe den anthroposophischen Willen.

Und da möchte ich kommen auf ein Wort, das ich öfters seit dem Goetheanum-Brand ausgesprochen habe und von dem ich wünschen würde, daß es tatsächlich ein wirklich gründliches Verständnis fände; ich habe es oftmals ausgesprochen: Das erste Goetheanum, die Form des ersten Goetheanum, dieses Heim dem Anthroposophie, als Bau, wie er da stand, ist ja nicht wieder aufzurichten, kann nicht wieder aufgerichtet werden.

Wenn solch ein Wort, das aus dem Geiste heraus gemeint ist, ausgesprochen wird, so muß man es als Realität empfinden, so muß man die Voraussetzung machen, daß man es von den verschiedensten Seiten anschauen kann, wie man Realitäten von den verschiedensten Seiten ansehen kann, daß man oftmals erst von einem gewissen per­spektivischen Ausgangspunkte aus den richtigen Anblick gewinnen kann für ein solches Wort. Denn ein solches Wort ist ja zunächst aus einem geistigen Verpflichtung heraus gesprochen worden. Und man braucht in dem Augenblicke, wo das Wort aus einer geistigen Ver­pflichtung heraus gesprochen wird, durchaus nicht auf den physischen Händen herumzutragen all die Gründe, die sogenannten Gründe, die für ein solches Wort vorliegen.

Heute in diesem Stunde obliegt es mir weniger, von den äußeren Verhältnissen zu sprechen, sondern ich möchte heute besonders auf

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etwas zu sprechen kommen, das mit dem inneren Impuls dieses Wor­tes: Das erste Goetheanum kann nicht wieder aufgerichtet werden -zusammenhängt. Und zwar gestatten Sie mir schon, daß ich davon mit allem Ernste spreche; denn es kann ja nur dieser Ernst gegenüber der Aufgabe für den Wiederaufbau den Freunden die rechte Stellung geben.

Sehen Sie, eine äußere Tatsache können wir ja heute verzeichnen. Diese äußere Tatsache ist diese, daß nun die juristischen Untersuchun­gen, die sich angeschlossen haben an den Goetheanum-Brand, abge­schlossen sind; man kann sagen, so abgeschlossen sind, daß nun von behördlicher Seite der Entschluß gefaßt werden konnte, uns die Versi­cherungssumme von drei Millionen und einigen hunderttausend Fran­ken auszuzahlen. Die Auszahlung ist erfolgt. Diese drei Millionen sind da; und es kann diese Tatsache zunächst heute verzeichnet werden. Seit dem 15.Juni haben wir also diese drei Millionen.

Nun, meine lieben Freunde, könnte es sich herausstellen, daß See­len freudig aufatmen würden angesichts der Tatsache, daß wir nun diese drei Millionen für den Bau haben und höchstens noch weitere drei Millionen durch die Opferwilligkeit der Freunde aufzubringen haben. Man könnte die Tatsache so charakterisieren. Man könnte nun diesen 15.Juni als ein außerordentlich freudiges Ereignis in der Ent­wickelung der anthroposophischen Bewegung verzeichnen.

Meine lieben Freunde! Das ist er nicht. Und wenn ich also heute von einer ganz im Sinne des anthroposophischen Lebens gemeinten Seite her die Sache vor Ihnen beleuchten soll, so muß ich noch anders sprechen. Mir zum Beispiel ist diese Tatsache, die vielleicht von da oder dort als eine außerordentlich freudige bezeichnet wird, eine außerordentlich schmerzliche, eine außerordentlich traurige. Und zu denjenigen Leidempfindungen, die ich hatte seit dem Goetheanum­Brande, gehört diese ganz besonders, daß ich mir sagen mußte: Das, was jetzt geschehen ist, muß ja herbeigeführt werden, muß in der besten und energischsten Weise, muß eben notwendig geschehen; aber es muß etwas herbeigeführt werden, was eigentlich gar nichts zu tun hat mit dem Zentrum der anthroposophischen Bewegung, was ganz außerhalb des Zentrumwirkens dieser Bewegung liegt.

Der Ausspruch: Das erste Goetheanum kann nicht wieder aufge­führt werden - hat ja nicht nur einen ästhetischen, nicht nur einen opportunistischen, nicht nur einen äußerlich-historischen Hintergrund,

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sondern auch einen anthroposophisch-moralischen. Und über diesen anthroposophisch-moralischen Hintergrund lassen Sie mich einige Worte sprechen.

Sehen wir zurück in die Zeit 1913, 1914, und fragen wir uns: Aus welchen Untergründen heraus ist dazumal der Entschluß zum Bauen und die Inangriffnahme dieses Baues des Goetheanum erfolgt? - Was damals und im weiteren bis zum 31. Dezember 1922 beziehungsweise 1.Januar 1923 verfolgt worden ist, stand auf der Grundlage, daß jeder einzelne Franken, der in das Goetheanum eingebaut worden ist, ge­flossen ist aus der Opferwilligkeit derjenigen, die sich in irgendeiner Weise zur anthroposophischen Bewegung bekannt haben. Das Goe­theanum ist gebaut worden durchaus aus innerem Verständnis heraus. Jeder Franken floß aus innerem Verständnis für die Sache heraus.

Meine lieben Freunde, das Folgende ist Wahrheit, ist reale Wahr­heit, weil die Wirklichkeit mit dem Inneren der Sache übereinstimmt:

Wir hatten in dem Momente, wo der letzte Vortrag im Goetheanum gehalten worden ist, eine Heimstätte für die Anthroposophie, die mit den Opferpfennigen, mit den Opfercentimes derjenigen gebaut worden ist, die mit ihrem innersten Verständnis bei der Sache waren. Vom Dornacher Hügel herunter schimmerte ein Bau, der in jedem Kubikzentimeter Holz, in jedem Kubikzentimeter Stein eingebaut hatte anthroposophischen Willen, anthroposophische Opferwillig­keit. Diese moralische Substanz war in das erste Goetheanum hinein-gebaut.

Meine lieben Freunde, nun werden wir zu bauen beginnen mit drei Millionen Franken, von denen viele Franken aus den Taschen derjeni-gen stammen, die nicht nur etwa kein inneres Interesse an dem Goe­theanum haben, sondern ein Interesse daran haben, daß dieses Goe­theanum nicht sei. Und wenn das Goetheanum vom Dornacher Hügel wiederum herunterschimmern wird, dann wird nicht allein anthropo­sophische Opferwilligkeit hineingebaut sein, dann wird hineingebaut sein dasjenige, was außerhalb des Anthroposophischen im Gefüge der gegenwärtigen Welt gang und gäbe ist.

Dann, meine lieben Freunde, wird vom inneren geistigen Gesichts­punkte aus angesehen ein ganz anderer Bau da sein. Es wird ganz sicher Leute geben, die dasjenige, was nun einmal nach dem sozialen Zusammenhange, der jetzt besteht, aus ihren Taschen herauskommt und in das Goetheanum hineingebaut wird, nicht nur mit keiner tiefen

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Sympathie, sondern vielleicht sogar mit einer Art Verfluchung beglei­ten werden.

Ich habe es oft gesagt: Innerhalb einem solchen Bewegung, wie die anthroposophische ist, handelt es sich darum, wach zu sein, nicht zu schlafen. Dieses, was ich Ihnen jetzt gesagt habe, sagt man sich nicht im schlafenden, sondern im wachenden Zustande. Für uns dürfen Worte wie Segen einer Sache, Zusammenhang des Segens mit schönen Eigenschaften des Menschengemütes keine Phrase sein, für uns müssen sie Tatsache sein. Und daher erfolgte der erste Bau des Goethe­anum mit dem inneren Gefühle, daß man etwas tat, was aus seinen rechten Ursachen heraus den Weg nach vorwärts so nimmt, daß dieser Weg der der Ursachen selbst ist.

Jetzt bauen wir das Goetheanum auf in einer Richtung, die tragisch ist. Ein tragisch gebautes Goetheanum ist etwas anderes als das Goe­theanum, das wir 1913, 1914 in Angriff nehmen konnten.

Der Anthroposophie wird oftmals der Vorwurf gemacht, daß sie zu intellektuell sei. Nein, sie führt durch das, was in ihren wirklichen Impulsen liegt, zu den tieferen Empfindungen des Menschtums.

Man konnte mit freudigem Herzen 1913 zu bauen beginnen; be­ginnt man heute, dann ist es fast notwendig, daß man das unter Tränen beginnt. Ich gebe Ihnen damit eben eine solche Schilderung, die aus dem inneren Zentrum eines geistigen Denkens stammt; und ein sol­ches unterscheidet sich eben ganz wesentlich von dem Denken, das seine Impulse von äußeren Tatsachen hernimmt.

Ein Denken, das sich an die äußere Tatsache knüpft, würde wahr­scheinlich die Worte, die ich eben ausgesprochen habe, nicht ausspre­chen; sondern es würde freudig erregt sein darüber, daß der 15.Juni uns die drei Millionen gebracht hat.

Meine lieben Freunde, ich habe oftmals, wie es vielleicht vielen von Ihnen ungerechtfertigt erscheint, davon gesprochen, daß eine innere Opposition innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft vorhan­den ist gegen dasjenige, was ich manchmal aus dem Zentrum der Anthroposophie heraus zu vertreten habe; heute möchte ich diese Opposition nicht wieder charakterisieren; aber ich möchte nur die Frage stellen: Ist denn überall im Laufe der letzten Monate, seit dem Goetheanum-Brande, die Empfindung vorhanden gewesen, die ich eben jetzt zum Ausdruck gebracht habe? - Wenn eine andere vorhan­den gewesen ist, so war sie eben ein Beispiel von innerer Opposition.

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Es war dann eine Empfindung, auf die eigentlich nicht mehr hätte zu rechnen sein sollen, nachdem die anthroposophische Bewegung die drei Perioden ihres Daseins durchgemacht hat.

Als wir am ersten Tage nach dem Brande schmerzgebeugt hier auf dem Dornacher Hügel standen, da die Flammen draußen noch züngel­ten, da versammelten sich manche Anthroposophen um den noch brennenden Bau. Der oder jener hat etwas gesagt. Schließlich kam es mir wirklich gar nicht darauf an, was irgend jemand gesagt hat, denn der Inhalt der Worte ist ja für den eigentlichen spirituellen Untergrund immer nur ein Symptom; aber ich möchte sagen, in zweierlei Hinsicht unterschied sich dasjenige, was an diesem ersten Tage nach dem Aus­bruche des furchtbaren Unglücks gesagt worden ist. Da sprachen Anthroposophen das Wort zum Beispiel aus: Jetzt haben wir das Goetheanum nicht mehr, jetzt wollen wir es in unsern Herzen auf­bauen. - Es war eine elementare Empfindung, die schon etwas zu tun hatte mit dem Zentrum der Bewegung. Aber es waren andere Stim­men, die sprachen so: Das Goetheanum ist doch versichert; wird man es mit der Versicherungssumme wieder aufbauen können?

Meine lieben Freunde, ich will Sie in keinem Punkte des Lebens selbstverständlich zur Unpraxis verführen. Ich habe gar nichts dage­gen selbstverständlich, daß diese Dinge so praktisch wie möglich angesehen werden. Aber es kommt auf die Intentionen an. Es kommt darauf an, ob man den Unterschied merkt zwischen dem, was früher da war, und demjenigen, was jetzt notwendigerweise wird gebaut werden müssen. Denn das darf auf anthroposophischem Felde nie­mand sagen: Ach, es sei gleichgültig, wie die Gesinnungen sind, wenn nur das Goetheanum wieder aufgebaut wird.

Gesinnungen und Gedankenimpulse, namentlich Bewußtseinsim­pulse wirken eben nicht von heute auf morgen, sondern sie bewegen sich fort in der Strömung der geistigen Welt und müssen nicht nach den bloßen äußerlichen Tatsachen beurteilt werden, die für sie nur Symptome, nicht eine unmittelbare Realität sind.

Nun versuchte ich bisher, in allem, was nach dem Brande geschehen mußte, soweit es eben unter dem Einflusse der notwendigen Tatsachen ging, unser Wirken aus dem Zentrum der Sache heraus zu gestalten. Daher beruhigte ich die Freunde, welche gleich in den ersten Tagen als das notwendigste ansahen, uns aller möglichen Hilfen, zur Wahrung unserer Interesse zum Beispiel während dem Verhandlungen, wegen

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dem Versicherung zu bedienen. Ich versuchte soweit wie möglich alles dasjenige aus unserem Handeln wegzubringen, was nicht aus dem Kern der anthroposophischen Bewegung selbst herauskommt.

Ich wußte, daß ich eine Verantwortung den Freunden gegenüber damit übernehme. Denn wenn dem 15.Juni schlimmer ausgegangen wäre, so würde man natürlich gesagt haben: Hättet ihr dazumal die richtigen Advokaten genommen, so wäre es anders geworden. - Aber solche Verantwortungen muß man eben übernehmen, wenn es sich um die höheren Pflichten aus dem Zentrum des anthroposophischen Wir­kens heraus handelt. Die muß man ernst nehmen.

Und man nimmt sie eben nicht mehr ernst, wenn man nicht im konkreten Falle, soweit es möglich ist, innerhalb des bezeichneten Zentrums stehenbleibt. Man schildert ja sofort seine Ohnmacht, wenn man in einzelnen Fragen sich außer Stande erklärt, die Angelegenhei­ten, die die eigenen sind, nicht selber führen zu können aus dem Zentrum anthroposophischer Impulse heraus.

Natürlich können wir niemals uns heute vornehmen, dasjenige zu tun, was eigentlich, ich möchte sagen, als Radikalstes getan werden müßte - die drei Millionen zu irgendeinem wohltätigen Zwecke zu verwenden und das Goetheanum aufzubauen wiederum nur aus der Opferwilligkeit der Freunde heraus.

Betrachten Sie mich, wie gesagt, nicht als einen Menschen, der Sie zur Unpraxis verführen will. Aber es handelt sich mir jetzt nicht darum, die äußeren Taten bloß ins Auge zu fassen; es handelt sich mir darum, einmal die Worte auszusprechen, ganz unverhohlen auszu­sprechen, die gesinnungsbildend unter uns sein müßten. Wenn wir sie gesinnungsbildend machen, dann werden sie auch, im edleren Sinne gesagt, die richtigen Erfolge haben.

Diejenigen würden natürlich jetzt unrecht haben, die sagen: Also müssen wir die drei Millionen zu wohltätigen Zwecken verwenden und müssen warten, bis dem Bau aus Opferwilligkeit auferbaut werden kann. - Die würden ja wieder nach der anderen Seite verwechseln dasjenige, was geschehen muß, mit demjenigen, was den eigensüchti­gen, ehrgeizigen Absichten entspricht. Nicht darin besteht die Energie und die Kraft, daß man den bequemsten Weg wählt, auch wenn dem bequemste Weg als ein im egoistischen Sinne außerordentlich morali­scher geschildert werden kann; sondern darinnen besteht die Energie, daß man, auch wenn der Weg ein tragischer sein muß, sich eben, wenn

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ich so sagen darf, in die Tragik hineinstürzt. Das darf aber nicht schlafend geschehen, sondern man muß mit Bewußtsein sich in die Tragik hineinstürzen und wissen, daß man in einem Gebiete steht, in dem man nicht das rein Anthroposophische machen kann; man muß wissen, daß man also dasjenige, was man machen muß, trotzdem es nicht anthmoposophisch ist, auf der anderen Seite es durch ein um so stärkeres Anthroposophischsein ausgleichen muß. Wenn man etwas wiegt, so nimmt man ja auch nicht von der Waagschale, bei der sich ergibt, daß etwas zu schwer ist für die Gewichte auf der anderen Seite, von dem weg, das zu wiegen ist, sondern man gibt die Gewichte auf der andern Seite hinzu.

Das werden auch wir nötig haben. Wir werden gegen das, in das wir tragischerweise hineingeführt werden, als in etwas, was zum größten Teil, vielleicht zur Hälfte unanthroposophisch geschehen muß, die Gegengewichte schaffen müssen durch ein um so stärkeres Anthropo­sophischsein. Ich kann ja sagen, auch mir wäre es vielleicht am be­quemsten gewesen zu sagen: Ich reiche meine Hand zum Aufbau des Goetheanum nur dann, wenn die drei Millionen Versicherungssumme zu wohltätigen Zwecken verwendet werden und der Baufonds ganz und gar wieder durch Spenden geschaffen wird. - Es wäre nämlich das Bequemere gewesen, weil es weniger Schmerz verursacht hätte. Man darf auch den Schmerz nicht scheuen, meine lieben Freunde, wenn man im Gebiete der Wirklichkeit arbeiten will. Aber man darf auch den Schmerz nicht verschlafen wollen. Man darf nicht immerfort sich nur sagen wollen: Wir tun ja dasjenige, was das Allerschönste, was das Beste ist. - Das kann man in der irdischen Welt nicht tun. In der Gegenwart am allerwenigsten. Deshalb den Kopf sinken lassen und zu sagen: Dann sinkt mir überhaupt der Mut, - das geht nicht. Wenn es von den Göttern einmal scheint, als ob sie verschwänden, als ob sie nicht da wären, als ob die Menschheit von ihnen verlassen wäre, da besteht die Weisheit der Götter darinnen, daß die Menschen die Im­pulse bekommen sollen, sie an den Orten, wo sie sich verborgen haben, erst recht zu suchen, nicht aber über ihr Verschwinden und über ihre Untätigkeit zu klagen. Die Erde nur als ein sanftes Ruhebett haben wollen und nur dann sie göttlich finden, wenn sie sich so zeigt, daß sie immer dem entspricht, was man gerne hätte, das kann niemals die Gesinnung einer geistigen Bewegung bilden, denn das ist nicht Kraft, das ist Kraftlosigkeit.

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Und aus Kmaftlosigkeit werden wir das tragisch-kolorierte Goethe­anum nicht aufführen, sondern nur mit Kraftentwickelung, mit dem Bewußtsein davon, daß, wo die Götter scheinen sich zurückgezogen zu haben, sie erst recht gesucht werden müssen von uns an ihrem Orte, an dem sie scheinbar verborgen sind.

Meine lieben Freunde, ich wollte Aufbaugedanken entwickeln. Und da es recht schwierig ist, zwischen den Zeilen zu sprechen, so habe ich heute manches in die Zeilen selber hineingefügt, ich möchte sagen, mit einer gewissen Deutlichkeit. Aber desjenigen, was ich in diese Zeilen hineingefügt habe, bedarf es wirklich, wenn wir in der nächsten Zeit für den Wiederaufbau des Goetheanum und auch noch für andere Sachen die rechte Gesinnung entwickeln wollen. Es würde gar nichts helfen, uns einzulullen in diese oder jene Illusion; sondern es hilft einzig und allein, sich schleiemlos mit den Augen der Wahrheit gegenübemzustellen, in diesem Falle der inneren Wahrheit, die aus der moralischen Seite der Anthroposophie fließt.

Dann allerdings, wenn das geschehen kann, dann würde das eintre­ten, was eigentlich eintreten sollte, daß die Anthmoposophische Gesell­schaft inmitten des heutigen Weltgeschehens eine Stätte wäre, wo man sich einmal nicht den Illusionen hingibt, in denen heute alle leben. Denn für vieles, was in der Gegenwart geschieht, können Sie die Illusionen aufdecken. Seit 1914 leben die Menschen mit einem gewissen Wollust in Illusionen, weil sie gar nicht innerlich tapfer genug sind, sich die Wahrheiten zu gestehen. Wenn das erreicht werden könnte, daß die Anthmoposophische Gesellschaft, daß der Verein des Goethe­anum inmitten einem Illusionen hegenden Welt wachende Seelenkraft entwickelt, dann wäre der tragischen Situation, in dem wir jetzt stehen und der gegenüber wir uns keiner Illusion hingeben sollen, dasjenige eingefügt, was jedem wirklichen Tragik eingefügt ist.

Studieren Sie die Tragikem aller Zeiten. Sie werden sehen, es besteht die Tragik darinnen, daß alles Äußere zusammenzubrechen scheint und daß nur im Innern selber die Kraft ist, die über die Katastrophe hinausführt.

Wenn das in der Kunst auftritt, schauen es manche Leute gern an, obwohl heute schon nicht mehr viele, weil die Tragödien nicht mehr sehr beliebt sind. Aber wenn es in der Wirklichkeit eintreten soll, dann müssen eben die Dinge so geschehen, wie ich sie charakterisiert habe. Dann muß etwas geschehen, durch das sich die Anthroposophische

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Gesellschaft, der Goetheanum-Verein ausnehmen in ihrer innerlich auf das Geistige bauenden Gesinnung wie eine Inselbildung innerhalb einer auf Illusionen bauenden Welt. Dann kann ausstrahlen in die auf Illusionen bauende Welt dasjenige, was eine wirkliche Kraft ist.

Meine lieben Freunde, wenn wir die Worte in der richtigen Weise nehmen, die ich zu Ihnen sprechen mußte, dann wird viel Vorsatz, viel Vornahme, viel Anstreben eines anderen Zustandes, als in dem wir sind, in unserem Empfinden liegen. Dann wird nicht viel von Befriedi­gung, namentlich nicht viel von Selbstzufriedenheit uns blenden; wir werden die Gedanken von Befriedigung und Selbstzufriedenheit aus uns wegschaffen und in uns diejenigen Gedanken erregen, die aus einer rein geistigen Anschauung der Dinge hervorgehen können. Dann werden wir rechte Aufbaugedanken aus dem Geiste heraus haben.

Das wollte ich in allem Ernste, aber, wie ich glaube, auch mit aller Objektivität gerade am heutigen Tage zu Ihnen sprechen. Und ich danke dem Vorstand des Goetheanum-Vereines, daß er mir Gelegen­heit gegeben hat, gerade innerhalb dieser Veranstaltung diese Worte zu sprechen von dem, was so eng verknüpft ist mit dem Schicksal des Goetheanum, des vergangenen und des eventuell kommenden Goetheanum.

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AUS DEN GEDENKWORTEN ZUM TODE VON HERMANN LINDE

zweiter Vorsitzender des Vereins des Goetheanum

Dornach, 29. Juni1923

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... Und als dann in einzelne Seelen die Idee kam, der anthroposophi­schen Bewegung einen eigenen Bau zu errichten, da war es wiederum eine Selbstverständlichkeit, in den Kreis derer, die vom allen Dingen ihre Arbeit der Errichtung und Führung dieses Baues widmen wollten, Hermann Linde hereinzurufen, denn man wußte, da findet man Op­ferwilligkeit, da findet man Arbeitsgeneigtheit, da findet man vor allen Dingen das, was am allermeisten gebraucht wird: versöhnenden, liebe­vollen, Gegensätze ausgleichenden Geist.

Und so trat denn Hermann Linde in die kleine Gemeinschaft derjenigen, die als eine Art Komitee alles das leiteten, was zunächst mit der Absicht in München, dann mit der Wirklichkeit hier in Dornach zusammenhing: einen Bau der anthroposophischen Sache aufzurichten.

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Und er war dann auch einer der vordersten in den Reihen derer, welche die Arbeit an diesem Bau übernahmen. Er war von solchem inneren Liebe zur Sache durchdrungen, daß er sein ganzes Dasein nunmehr in den letzten Jahren mit diesem Bau verband.

Und wiederum möchte ich ein Wort, das ich heute morgen ausge­sprochen habe, wiederholen: Wenn ich zurückdenke an die Stunden, in denen ich Hermann Linde traf, arbeitend oben in unserem nun nicht mehr bestehenden Kuppelraum, arbeitend im Einklang mit unserer lieben Freundin, seiner Gattin, wenn ich da oben mit ihm die verschie­densten Angelegenheiten besprach, die mit der Führung des Baues zusammenhingen und mit dem Amte, das er innerhalb dieser Führung hatte, dann lag in alledem erstens die Offenbarung seiner unbegmenz­ten Opferwilligkeit, der unbegrenzten Einstellung seines künstleri­schen Könnens in das, was da errichtet werden sollte, und da war auch auf der andern Seite jener versöhnende, die Gegensätze ausgleichende Geist, der immer früher mit einem Rate als mit einer Kritik bei der Hand war. ...

Viele wissen nicht, wie umfassend die Sorgen im einzelnen waren, die gerade auf den führenden Persönlichkeiten in den letzten Jahren während des Dornacher Baues lasteten. Heute ist es selbstverständ­lich, hinzuweisen darauf, daß Hermann Linde einer derjenigen war, die in schönstem Weise diese Sorgen mitgetragen haben, daß Hermann Linde aber auch einer demjenigen war, die mit einem weitherzigen Interesse alles das verfolgt haben, was hier geschah, und die gern gesehen hätten, daß manches gerade durch Ausgleichung der Gegen­sätze sich zu größerer Fruchtbarkeit entwickele, als es sich hat bisher entwickeln können. ...

Und zuletzt hat Hermann Linde mit uns jenen Schmerz durchma­chen müssen, der unsere und seine Arbeit betroffen hat. Er mußte unter denjenigen stehen, die in kurzer Zeit das, was aus Liebe und Hingebung erbaut worden ist, zur Ruine haben hinschwinden sehen. Und es ist wirklich in tiefstem Sinne wahr, was ich heute morgen sprechen mußte, daß für das Erdendasein ihm dieses das Herz gebro­chen hat. Dieser Eindruck, der in der Neujahrsnacht erlebt worden ist und der für vieles, was unsere Sache ist, ein Tod war, war tief brennend in Hermann Lindes Seele. Und die kurze Spanne Zeit, die ihm auf Erden zuzubringen noch gegönnt war nach dem Goetheanum­Brande, stand ganz und gar unter diesem Eindrucke.

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SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS*

Stuttgart, 4. Juli1923

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Seit der Delegierten-Versammlung nahm Dr. Steiner heute zum ersten Mal wieder an der Sitzung teil.

Zuerst wurde der Aufruf Dr. Rittelmeyers zu einer Sammlung für das Goetheanum besprochen. Dr. Steiner riet ab, weil dadurch Geld ins Ausland fließen würde, was nach den gegenwärtigen Gesetzen verboten sei. Er machte dagegen den Vorschlag, den Impuls sich so auswirken zu lassen, daß man zum Beispiel einen «Goetheanum­Stiftungs-Fonds» gründe [siehe S. 167].

Nachdem die Angelegenheit so geregelt war, stellte Adolf Arenson mit großer Genugtuung fest, daß er genau dasselbe, was jetzt Dr. Steiner vorgeschlagen habe, in der Sitzung vor zwei Tagen fast mit denselben Worten gesagt habe, daß man aber auf ihn nicht habe hören wollen, während derselbe Ratschlag von Dr. Steiner jetzt ohne wei­teres hingenommen werde. Er möchte dies immerhin als Symptom hinstellen. Rittelmeyer entgegnete, es sei aber auch etwas anderes, eine Sache einfach unter den Tisch fallen lassen zu wollen oder daraus durch Mitdenken und Mitraten etwas Besseres zu machen, wie es soeben Dr. Steiner getan habe. Arensons Ausführungen seien nur als lähmend empfunden worden.

Dieser wehrte sich dagegen, und die Diskussion ging darüber hin und her, wobei auf die vorletzte Sitzung bei Dr. Unger zurückgegrif­fen wurde, welcher schon damals zusammen mit Benkendörfer Ein­wendungen gegen Rittelmeyers ersten Aufruf zu diesem Opfer, das eine spirituelle Tat sein müsse und bei dem er seinen Ehering geben werde, erhoben hatte.

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* Die Protokolle der Sitzungen von Anfang Januar bis zur Delegiertenversarnmlung siehe Teil III, Seite 201 ff.

** Die Stuttgarter Delegiertenversammlung Ende Februar, siehe Teil III.

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SITZUNG DES DREISSIGERKREISES

(ohne Rudolf Steiner)

Stuttgart, 10. Juli1923

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(In der Bibliothek des Forschungs-Instituts zur Vorbereitung auf die morgige Sitzung, zu der Dr. Steiner sein Erscheinen zugesagt hat.)

Eingangs wurde festgestellt, daß es auch nach der Ansicht Dr. Steiners nicht die Aufgabe des Kreises sei, Fragen zu erörtern, wie dies in der Sitzung vom 2.Juli geschehen und für die spätere Teilnahme Dr. Steiners an den Sitzungen vorgesehen worden sei, die darauf hinaus laufen, wie man sich auf die Erscheinung des ätherischen Christus vorzubereiten habe, wie man die Toten der Gesellschaft berücksichti­gen solle, welche Ideale welchem Kulturepoche (der S. oder 6.) in dem Grundhaltung der Gesellschaft zu repräsentieren seien. All dies seien Angelegenheiten intimen Studiums. In unserm Kreise seien dagegen die Vertreter dem Institutionen zusammen, um praktische Arbeit zu leisten. Die theoretischen Diskussionen müßten aufhören, und wir müßten endlich dazu übergehen, wirkliche Arbeit zu leisten.

Darauf wurden verschiedene Angelegenheiten vorgenommen. Es wurde darüber gesprochen, daß die Studenten (Maikowski, Rosenthal u. a.) beabsichtigen, aus den Mitteln, die bei der Delegierten-Vem­sammlung für eine Hochschule zur Verfügung gestellt worden sind, auf dem Gelände der Waldorfschule ein Haus zu bauen, das zugleich als Vemsammlungsmaum für die Freie Anthmoposophische Gesellschaft dienen solle. Da Leinhas, dem diesen Fonds verwaltet, nicht anwesend war, konnte nicht festgestellt werden, ob den Stiftern überhaupt von dieser nicht im ursprünglichen Sinn der Stiftung liegenden Verwen­dung Mitteilung gemacht wurde. Auf alle Fälle wurde jedoch festge­stellt, daß, wenn die Mittel nicht direkt für eine Hochschule Verwen­dung finden - Dr. Steiner habe nämlich einmal gesagt, selbst wenn wir Milliarden für eine Hochschule hätten, könnten wir keine solche aufmachen, weil keine Lehrer da wären und weil, wenn die Waldorf­lehrer dafür beansprucht würden, dann die Waldorfschule zugrunde gehen werde -, sie keinesfalls für einen solchen Bau aufgebraucht werden dürften. Dann sei es schon besser, sie für eine Bewegung für ein freies Hochschulwesen auszugeben oder sie mit dem beabsichtig­ten Goetheanum-Stiftungsfonds zusammenzulegen.

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Darauf erzählte Dr. Stein von einem Gespräch mit Herrn Kretz­schmar. Er habe diesen nach dem «Finanz-Besprechung» vom 22.6. darauf aufmerksam gemacht, daß sich die noch nicht im Kommenden Tag zusammengeschlossenen anthroposophischen Wirtschafter zu­sammentun sollten, um die Bewegung zu stützen, nachdem sich die Stuttgarter Finanzleute im Kommenden Tag festgelegt hätten. Kretz­schmam habe jedoch erwidert, dies sei gar nicht der Fall. Unger und Del Monte hätten im Gegenteil durch die Gründung des Kommenden Tags ihre Unternehmungen saniert, ein Bombengeschäft gemacht und liefen jetzt noch obendrein mit dem Heiligenschein herum. Stein sagte, er habe dies Leinhas mitgeteilt, der an Kretzschmar geschrieben, je-doch eine ausweichende Antwort erhalten habe.

Benkendömfer sagte dazu, solche Dinge tauchten immer wieder auf, er sei nach den trüben Erfahrungen, die er gemacht habe, an einer Aufklärung jedoch völlig desinteressiert. Unger erklärte, daß er sich um derartiges überhaupt nicht mehr kümmere.

Zum Schluß berichtete Dr. Stein, daß der Kerning-Zweig seit der Delegiertenversammlung ununterbrochen an den Vorstand wegen des Verbleibens Dr. Ungems in demselben hemantrete und selbst nachdem der Vorstand erklärt habe, er werde weiterhin mit Dr. Unger zusam­menarbeiten, auch nachdem er alles wisse, was dem Kerning-Zweig gegen ihn vorgebracht habe, sich nicht damit zufrieden gebe und drohe, die Angelegenheit weitem zu verfolgen.

Bei der Behandlung der Angelegenheit wurde auf Ereignisse ver­wiesen, die vor 16 Jahren den ersten Anlaß dazu gegeben haben.

Frl. Völker habe damals von der Judenhemrschaft gesprochen, die hier sei. Benkendörfem habe dagegen beim Sturz dem Besant geäußert, daß es Frl. Völker bald ebenso gehen werde.

Auch hier erklärten Benkendörfer wie Unger die Hoffnung auf eine Verständigung als völlig aussichtslos.

SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS Stuttgart, 11. Juli 1923*

#G259-1991-SE162 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS

Stuttgart, 11. Juli 1923*

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In Gegenwart Dr. Steiners wurde zuerst wieder der Plan des Gebäudes auf dem Waldorfschul-Gelände besprochen. Er erklärte, die «Freie Anthroposophische Gesellschaft» könne sich dort unter keinen Um­ständen Unterkunfts-Räume bauen. Ihre Mitglieder trieben sich ohne­hin schon viel zu viel in der Waldorfschule herum, wo durch ihren Einfluß auf die Schüler und Schülerinnen schon etwas wie Gymnasia­sten-Manieren eingerissen seien, die er unter keinen Umständen dul­den werde.

Nachher kam man auf die Affäre Völker-Unger zu sprechen. Frl. Völker wurde von allen Seiten bestürmt, der Sache ein Ende zu ma­chen, auch von Frau Dr. Steiner, die sie mit heftigen Worten angriff. Sie war und blieb aber obstinat, so sehr, daß ich an ihrem guten Willen und an ihrer Einsicht zweifelte. Sie meint eben, es liege gar nicht in ihrer Hand, die Sache zum Abschluß zu bringen, was nachher auch Dr. Steiner zu bestätigen schien. Rittelmeyer schlug ihr vor, in ihrem Zweig zu erklären, daß sie aus ihm austrete, wenn die Sache jetzt nicht zur Ruhe komme.

Es wurde noch weiter hin und her geredet, bis Dr. Steiner erklärte, er könne nicht weiter an diesen Sitzungen teilnehmen, wenn nur Wesenloses verhandelt werde.

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ABSCHIEDSWORTE VOR ANTRITT

DER MEHRWÖCHIGEN ENGLANDREISE

Dornach, 29.Juli 1923

Schlußworte des Vortrags

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Auf allen Gebieten sehen wir, wie es sich handelt um ein Sich-Aufraf­fen, um ein Erwachen der Menschheit. Das ist es, daß wir aufnehmen sollten diesen Impuls zum Erwachen, zum Hinausschauen, zum Er­blicken dessen, was ist und was nicht ist, und wo überall die Aufforderungen

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* Die Sitzungen vom 14., 25. Juli und 1. August, siehe Anhang II.

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liegen, weiter vorzuschreiten. Deshalb war es, daß ich eigent­lich jetzt vor dieser Sommerpause, die durch die englische Reise be­dingt ist, wollen mußte, sowohl bei der Delegiertenversammlung* wie jetzt in diesen Tagen, gerade mit solchen Betrachtungen abzuschlie­ßen, wie ich sie Ihnen gebracht habe. Diese Dinge gehen schon an den Nerv unserer Zeit. Und das ist notwendig, daß man das andere so hereinscheinen läßt in unsere Bewegung, wie ich versucht habe es anzudeuten.

...Das ist es, was bewirkt hat, daß die letzten Vorträge gerade in der Art gehalten werden mußten, wie sie gehalten worden sind: wo die äußere Kultur hereinleuchtet in unsere Reihen. Sie waren zugleich eine Aufforderung zum Augenaufmachen. Und ich versuchte, diese Vor­träge so zu gestalten, daß man an ihnen sehen kann, was es heißt: die Anthroposophische Gesellschaft soll sich alle Mühe geben, um aus der Sektiererei hinauszukommen, um über die Sektiererei hinüber-zukommen.

Möchten Sie doch, meine lieben Freunde, die Zeit, für die ich mich jetzt gerade mit diesen Worten für ein paar Wochen von Ihnen verab­schieden muß, dazu benützen, um nachzusinnen darüber, wie man aus dieser Sektiererei herauskommt! Sonst stellt sich eben die Sache so, daß die Anthroposophische Gesellschaft immer weiter und weiter in die Sektiererei hineinkommt. Und es sind starke Ansätze dazu da, nicht die Sektiererei abzuwerfen, sondern gerade erst recht hineinzu­segeln in das sektiererische Wesen.

Wie es möglich ist, die Sektiererei zu verneiden, das ist etwas, was unsere Empfindungen beschäftigen muß. Und diesen Ton wollte ich ganz kurz noch einmal anschlagen, weil es ungeheuer notwendig ist, ihn anzuschlagen. Ich wollte darauf aufmerksam machen, wie ich eben gerade in diesen letzten Vorträgen versucht habe, so zu sprechen, daß sozusagen überall hinausgeschaut wird in die Welt, daß nicht ein Einspinnen in eine Sekte stattfindet, sondern ein Leben in der Welt mit offenen Augen, mit praktischem Sinn, ein Drinnenstehen in der Welt. Das ist durchaus vereinbar mit äußerster Vertiefung in das Geistige hinein. Deshalb habe ich Ihnen gesagt, daß der Mensch heutzutage sogar wissen muß, daß es heute einen Inder geben kann, Rámanáthan, der sich die europäische Kultur anschaut und zu den Europäern sagt:

Lasset euch Lehrer schicken über den Jesus aus Indien, denn ihr

* Internationale Delegiertenversammlung, Seite 557ff.

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versteht ja nichts von Jesus Christus. Wir haben, als wir angefangen haben, das Neue Testament zu lesen, erst die Sache verstanden.

Wenn man sich so sektiererisch einspinnen will, wie dazu starke Ansätze während der Delegiertenversammlung vorhanden waren, dann erreicht man die große Aufgabe der Anthroposophie in der Gegenwart nicht, und die muß erreicht werden, denn es ist eine Menschheitsangelegenheit.

Indem ich dies zu Ihren Herzen gesprochen haben möchte, nehme ich für ein paar Wochen Abschied, und wir werden die nächsten Veranstaltungen dann wiederum entsprechend ankündigen lassen. In den nächsten Wochen werden ja Vorträge und Eurythmievorstellun­gen an verschiedenen Orten Englands stattfinden.

Dann also wollen wir für eine Sommerpause jetzt uns so rüsten, daß wir in dieser Sommerpause unsere Herzen ganz besonders regsam sein lassen für die rechte Empfindung dessen: Wie sollen wir fühlen, damit die Menschheitsentwicklung in der richtigen Weise weitergehen kann?

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SITZUNGEN DES DREISSIGERKREISES

(ohne Rudolf Steiner)

Stuttgart, 3., 5. und 9. August1923

Stuttgart, 3. August 1923

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Vor der Sitzung wurde mir* ein Brief von Frl. Völker überbracht. Sie erklärte mir dazu, sie bitte darin um ihren Austritt aus dem Kreis. Ich ubergab ihn zu Beginn der Sitzung Dr. Unger, der ihn vorlas. Sie sagt darin, daß sie nicht glaube, daß der Schritt, den Kreis in die Öffentlich­keit hinaus zu bringen, ein wirksamer Schutz für Dr. Steiner sein werde und daß sie die Mitverantwortung nicht übernehmen könne, solange hinter den Worten keine Taten und keine Gesinnungs-Ände­rung stehe. Der Brief erfuhr allgemeine Ablehnung. Unger bezeich­nete ihn wiederholt als «pharisäisch» und «pfäffisch». Frl. Völker sage:

«Gott sei Dank, daß ich nicht bin wie diese !» Die Ermah­nungen, die er enthalte, seien leere Phrasen. Stein meinte, er sei auf die Kränkung zurückzuführen, die Frl. Völker am 11 . Juli durch Frau Dr.

* Theodor Lauer, damals protokollierender Sekretär des Dreißigerkreises.

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Steiner erfahren habe. In der weiteren Aussprache wurde der Rücktritt als ein «Sich-der-Verantwortung-Entziehen» bezeichnet und ohne Widerspruch beschlossen, auf die weitere Mitarbeit von Frl. Völker zu verzichten.

Nachher berichteten Arenson und Stein [diese Passage siehe An­hang II, Seite 8291.

Bei der Frage der Unterzeichnung des Aufrufs und der Nennung der Namen und Adressen stellte sich heraus, wie wenig geordnet die Zugehörigkeit zum Kreise ist. Es wurde vorgeschlagen, für denselben, der in Zukunft «Vertrauenskreis der Stuttgarter Institutionen» heißen wird, einen Sekretär zu wählen. Ich wurde von zwei Seiten vorgeschla­gen, schüttelte aber jedes Mal den Kopf, worauf mich Arenson ermun­terte: «Nicht den Kopf schütteln, ja sagen!» Ich antwortete, daß ich nicht genügend Erfahrung besitze, worauf mir Stein erwiderte: «War­ten Sie nur, Sie werden schon Erfahrungen machen!»

Nachher wurde noch besprochen: das Gutachten von Dr. Huse­mann über den Fall Goesch, das Projekt des Irrenhauses Kennenburg (wozu Stein bemerkte, daß die Anthroposophische Gesellschaft ohne eine Irrenanstalt nicht existieren könne, da nach einem Ausspruch Dr. Steiners die Geisteskrankheiten in der nächsten Zeit epidemisch auftreten werden, schon zufolge der Unterernährung>, das Problem Dr. Noll und des Vademecums, und darauf die Sitzung auf Sonntag vertagt.

Beim Auseinandergehen wurde noch über den Separatismus der Rheinländer gesprochen und aus einem Brief des Redakteurs des «Kölner Mittagsblatts», H. Blume, an Dr. Büchenbacher vorgelesen, worin Blume über den hiesigen Vorstand schimpft und mitteilt, er werde seine Stellung niederlegen, da aus der Zeitung nichts zu machen sei. Voraussichtlich werde Sigismund von Gleich sein Nachfolger. Daraufhin setzte man sich nochmals und beschloß, Kretzschmar so­fort zu benachrichtigen, von Gleich unter keinen Umständen anzu­stellen, da dieser in keiner offiziellen Stellung für die Bewegung tätig sein dürfe. Es wurde dabei eine Äußerung Dr. Steiners erwähnt, er werde ein Haus, in welchem sich von Gleich aufhalte, nicht betreten.

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Stuttgart, 5. August 1923

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Dr. Palmer berichtet von einem Besuch bei Frl. Völker, welcher er mitgeteilt habe, daß der Kreis nur aus solchen Mitgliedern bestehen könne, welche die volle Verantwortung für das übernehmen, was er beschließe, und daher auf ihre Mitarbeit verzichten müsse.

Ich wurde aufgefordert, dies als Sekretär des Kreises zu Protokoll zu nehmen.

Die Veröffentlichungen in der nächsten Nummer der «Anthropo­sophie» wurden nochmals durchbesprochen und endgültig bereinigt.*

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Stuttgart, 9. August 1923

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Ich kam etwas zu spät und so mitten hinein in eine erregte Diskussion des in Korrektur vorliegenden «Aufrufs zum Deutschen Goethe­anum-Fonds». Besonders Leinhas ging scharf ins Zeug mit kritischen Bemerkungen.

Nachher wurde über die innere Gliederung der Arbeit des Kreises gesprochen, über die Aufstellung einer Geschäftsordnung usw. Ich erklärte, daß ich bereit sei, ein «Tagebuch» zu führen, daß aber die Eintragungen vom Kreis genehmigt werden müßten. Ich fragte nach­her Unger, der zum Vorsitzenden gewählt wurde, wie ich dies machen solle. Er sagte, er werde mir das nächste Mal endgültig Bescheid geben.

Inzwischen war die Nr.6 der «Anthroposophie» verteilt worden, und es wurde über die verschiedenen Publikationen gesprochen. **

Dann wurden Mitteilungen über die Affäre Stahlbusch und über gegnerische Persönlichkeiten gemacht, die in der Waldorfschule be­schäftigt seien (!), den Verlobten der Pflegetochter der Frau von Dra­chenfels, die Köchin der Frau Leicher (?) usw.

Leinhas gibt davon Kenntnis, daß der Kommende Tag das Projekt Kennenburg wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht weiter verfol­gen könne. (Im Klinisch-therapeutischen Institut hatte er gestern die eigentlichen Gründe für die Ablehnung mitgeteilt: Husemann könne keine neue Aufgabe übernehmen, bevor diejenige der Propaganda für die Heilmittel gelöst sei. Der Kommende Tag müsse darauf sehen, daß sich das Institut rentiere, und die Ärzte anhalten, nach dieser Richtung zu arbeiten.)

* Siehe Anhang II, Seite 829. ** Siehe Anhang II, Seite 829 ff.

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AUFRUF

ZUM DEUTSCHEN GOETHEANUM-FONDS

Liebe anthroposophische Freunde in Deutschland!

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In der Sylvesternacht 1922/23 leuchtete eine ungeheure Brandfackel in die Welt als erschütterndes Symbolum eines welthistorischen Augenblickes. Das Goetheanum, die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft in Dornach, brannte in jener Nacht herunter bis auf das Fundament. Ein Unbekannter hatte in heimtückischer Weise den zündenden Feuerfunken in das Heiligtum Tausender von Menschenherzen gelegt.

Dieses Ereignis konnte die Erinnerung wachrufen an ein anderes, in der Geschichte der Menschheit verzeichnetes Verbrechen. Am 6. Februar 356 v. Chr. schleuderte Herostrat die Brandfackel in das Heiligtum der Diana von Ephesus. Er wollte durch diese Tat für seine Person einen unsterblichen Namen erlangen. Schätze uralter Weisheit sanken damals in die Vergessenheit hinab; der Name Herostrat prägte sich der Nachwelt ein.

War der Brand zu Ephesus ein weltbistorisches Symbolum dafür, daß uralt-heilige Weisheit untergehen mußte, damit die menschliche Persönlich­keit zur Entfaltung kommen konnte, so kann der Brand des Goetheanum, das eine Stätte der Liebe sein wollte, die jetzt in neuer Gestalt zu den Völkern der Erde kommen will, ein Zeichen dafür sein, wie dem Kommen dieser Liebe sich in unserer Zeit verbrecherische Kräfte entgegenstellen.

In dem Geiste der Liebe hatten, während ringsum der Weltltrieg tobte und die Flammen des Völkerhasses emporschlugen, Anthroposophen aus 17 Na­tionalitäten unter der Führung ihres Lehrers das Goetheanum erbaut. Das Werk zehnjähriger hingebungsvoller Arbeit und aufopfernder Liebe war durch ein gemeines Verbrechen in wenigen schicksalsschweren Stunden ver­nichtet worden. -

Schon unmittelbar nach dem Unglückflossen auch in Deutschland die Gaben für den Wiederaufbau des Goetheanum zur Sammelstätte, die damals als «Verfügungskonto Dr. Rudolf Steiner» in Stuttgart errichtet worden war. Inzwischen sind von seiten unserer ausländischen Freunde Schritte zur finan­ziellen Sicherung des Wiederaufbaues unternommen worden. Die nötigen Garantien sind von der internationalen Delegierten-Versammlung in Dornach, die vom 20. bis 22. Juli d. J. tagte, aufgebrachtworden. Wiederwerden Menschen aus allen Ländern der Erde am Bau eines Goetheanum zusammenwirken. Wir deutschen Anthroposophen sahen uns zunächst außerstande, finanzielle Hilfe zu leisten. Nicht weil wir arm sind; wer etwas so liebt, wie wir den Bau lieben

- der nicht uns Anthroposophen gehört, sondern der ganzen Menschheit dienen soll -, der hat, selbst wenn er noch so arm ist, doch noch etwas zu geben. Aber wir mußten uns klar darüber sein, daß Geld und Geldeswert

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nicht über unsere Landesgrenze gehen darf. Das, liebe Freunde, war unser großer Schmerz: zu erleben, daß das Opfer, das wir für unsere geliebte Sache darbringen wollten, vom Schicksal unmöglich gemacht werden sollte.

Aber die moralische Kraft, die in der Anthroposophie lebt, hat uns den Weg gewiesen, auf dem unser Opfer dennoch wirksam werden kann. Was wir an materiellen Gaben aus Liebe und Opfergesinnung zu dem Bau des ersten Goetheanum beitragen durften, ist durch das Verbrechen der Neujahrsnacht vernichtet worden. Das neue Goetheanum wird zum großen Teil erbaut werden müssen aus der Versicherungssumme, die nicht aus opferfreudiger Freundeshand dargebracht wird. Darin liegt seine Tragik. Und von dem, was an materiellen Opfern von unseren Freunden für den Wiederaufbau gebracht werden wird, mußten wir deutschen Anthroposophen uns ausgeschlossen sehen. Aber der Opfersinn regte sich unter unseren Freunden. Deshalb be­schlossen wir, daß alles, was aus Deutschland an Spenden für das Goethea­num gegeben würde, zusammengefaßt werden sollte zu einem «Deutschen Goetheanum-Fonds». Dieser Fonds soll innerhalb der deutschen Grenzen Verwendung finden für Zwecke, die im Sinne der Bestrebungen des Goethea­num liegen. Zum Beispiel ist in Aussicht genommen, aus diesem Fonds deutsche Geistesarbeiter innerhalb der Grenzen unseres Landes zu unterstut­zen in ihren geisteswissenschaftlichen Arbeiten und Forschungen im Sinne der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Dr. Rudolf Steiner wird selbst das ausschließliche und alleinige Verfügungsrecht über die Mittel dieses Fonds haben.

Auf diese Weise konnten wir hoffen, daß unser Opfer, das in materieller Form dem Wiederaufbau des Goetheanum selbst nicht zugeführt werden konnte, dennoch über die Grenzen unseres Landes hinauswirken würde durch die ihm innewohnende moralische Kraft. Was uns durch Schicksals-macht in materieller Beziehung zu tun versagt ist, sollte aufgewogen werden durch den Geist, aus dem heraus wir unser Opfer darbringen wollten.

Diese unsere Absicht haben wir unseren ausländischen Freunden auf der internationalen Delegierten-Versammlung in Dornach vorgetragen. Unsere Freunde haben den Geist unseres Goetheanum-Opfers in schönster Weise zu würdigen gewußt. Ihre Delegierten haben die Erklärung abgegeben, sie seien entschlossen, demjenigen, was sie bereits willens waren, von sich aus für den Wiederaufbau des Goetheanum zu tun, noch soviel hinzuzufügen, als der in Deutschland für den Deutschen Goetheanum-Fonds gesammelte und dort verbleibende Betrag ausmachen werde. Und zwar würden sie dieses leisten aus Mitteln, die niemals nach Deutschland geflossen wären. Dadurch ist die Möglichkeit geschaffen, daß unsere Gabe innerhalb Deutschlands verbleiben kann und daß ihr Gegenwert dennoch dem Wiederaufbau des Goetheanum zugeführt werden wird.

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Jeder von uns will für das Goetheanum ein Opfer bringen. Ein Opfer, das er, aus einer klaren Einsicht in die weltgeschichtliche Notwendigkeit dieses Baues, nur für diesen Zweck zu bringen vermag. Diesem Opfer soll eine moralische Kraft innewohnen, als Gegengewicht gegen die tragischen Tatsa­chen, die in das werdende Goetheanum hineinwirken werden.

Dieses Opfer soll ein einmaliges sein, durch das solchen Unternehmungen in unserem eigenen Lande, wie zum Beispiel der Waldorfschule, nichts entzo­gen werden soll von den regelmäßigen Unterstützungen, die für diese Unter­nehmungen in dieser Zeit so unentbehrlich sind.

In diesem Sinne wenden wir uns heute an unsere deutschen anthroposo­phischen Freunde mit der Bitte um Spenden für den Deutschen Goetheanum­Fonds. Dieser Fonds wird dem Wiederaufbau des Goetheanum dienen, ohne daß unserem Volke dadurch irgend etwas entzogen wird. Wie während des Weltkrieges die Nationen, die draußen miteinander im Kampfe lagen, in Dornach gemeinsam am Aufbau des Goetheanum gearbeitet haben, so stehen jetzt beim Wiederaufbau, während Deutschland wirtschaftlich zugrunde geht, die Anthroposophen der anderen Nationen wirtschaftlich für uns ein.

Diese Tatsache beweist, daß Anthroposophie über den Haß der Völker hinweg den Weg zum Menschen zu bahnen vermag. Weil dem so ist, dürfen wir noch einmal bauen. Bauen wir, Freunde, hinein in diesen Bau die Kraft der Moralität, die Kraft der Liebe, damit der starke Bau eine starke Gesellschaft hinter sich habe!

Möchte doch das Verhalten der anthroposophischen Freunde in außer-deutschen Ländern gegenüber den deutschen Anthroposophen beispielge­bend sein für die Nationen! Dann könnte mit dem Neubau in Dornach das Zeitalter der Verständigung der Völker beginnen. Möchte in diesem Sinne der Neubau des Goetheanum von der ganzen Welt aufgenommen werden!

Stuttgart, im August 1923.

Der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland:

Jürgen von Grone, Dr. Eugen Kolisko, Emil Leinhas,Johanna Mücke, Dr. Otto Palmer, Dr. Friedrich Rittelmeyer, Dr. WalterJohannes Stein, Dr. Carl Unger, Wolfgang Wachimuth,

Louii Werbeck.

Das Komitee der Freien Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland:

Moritz Bartsch, Dr. Hans Büchenbacher, Jürgen von Grone, Dr. Ernst Lehrs, René Mai­kowiki, Wilhelm Rath, Dr. Maria Röichl, J. G. W. Schröder.

Die deutschen Vorstandsmitglieder des Vereins des Goetheanum.

der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft:

Graf Otto Lerchenfeld, Gräfin Pauline Kalckreuth, Dr. Felix Peipers.

Alle Spenden erbitten wir an das Bankhaus Hans Stammer & Co., Stuttgart, Rotestr. 4, zugunsten der Treuhandgesellschaft des Goetheanum in Stuttgart, für das «Verfügungs-konto Dr. Rudolf Steiner».

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ANSPRACHE IN EINER AUSSPRACHE ÜBER DIE ZUKUNFT

DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN ENGLAND

Penmaenmawr, 19. August 1923

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Meine sehr verehrten Anwesenden! Über das Thema der heutigen Diskussion würde es sich empfehlen, wenn ich, nachdem die eine oder andere Ansicht zur allgemeinen Klärung sich geltend gemacht hat, noch einmal in den nächsten Tagen oder gegen das Ende der Diskus­sionsabende hin sprechen könnte. Für heute möchte ich nur einiges gewissermaßen zum voraus bemerken.

Es handelt sich ja in der Tat bei der Ausbreitung der anthroposo­phischen Bewegung, der Anthroposophie überhaupt, um einige Schwierigkeiten. Aber diese Schwierigkeiten sind zu überwinden, wenn sich eine möglichst große Anzahl von Menschen findet, welche die Bedingungen einer solchen Bewegung, wie es die anthroposophi­sche ist, wirklich im strengsten Sinne in ihr Herz aufnimmt. Die anthroposophische Bewegung kann sich eigentlich nicht so ausbreiten wie irgendeine andere Bewegung durch die äußere Organisation oder durch die Organisation der Form. Denn derjenige, der einfach als ein für das geistige Leben interessierter Mensch der Gegenwart von der anthroposophischen Bewegung im allgemeinen hört und dann sich die Frage vorlegt: Soll ich mich beteiligen an dieser anthroposophischen Bewegung?-, der wird zunächst sehr häufig sich daran stoßen müssen, daß es so aussieht, als ob die anthroposophische Bewegung gewisse Dogmen in sich trüge, zu denen man sich bekennen müsse, als ob sie forderte, daß man sich zu diesen oder jenen Sätzen geradezu, ich möchte sagen, mit seinem Namen verschreiben müßte. Oftmals hörte man aus dem Schoße der Anthroposophischen Gesellschaft heraus:

Ach, der - oder die - kann ja doch nicht als ein richtiger Anthroposoph angesehen werden, denn sie hat - oder er hat - über dieses oder jenes Ding das eine oder andere gesagt! - Dann sieht es so aus, als ob die anthroposophische Bewegung irgend etwas zu tun habe mit einer Rechtgläubigkeit oder überhaupt einer Gläubigkeit. Und gerade das schadet am allerallermeisten einer rein geistigen Bewegung, wie es die anthroposophische sein will.

Gewiß, auch eine solche Bewegung muß eine Organisation haben; aber das, was sie gegenüber der Organisation noch außerdem haben

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muß, ist eine möglichst große Weitherzigkeit. Diese Weitherzigkeit, die muß allerdings mehr im Gefühl, ich möchte fast sagen, im Takte leben derjenigen, die sich schon fühlen als Träger der anthroposophi­schen Bewegung, als in irgendwelchen Grundsätzen. Daher schien es mir schon immer bedenklich, daß die anthroposophische Bewegung weiter fortbehalten hat die drei sogenannten Grundsätze, die von der Theosophischen Gesellschaft herübergenommen worden sind - da­mals ja ganz gewiß mit Recht, als die theosophische Bewegung bestan­den hat -, aber die eigentlich doch noch immer das Vorurteil hervorru­fen könnten, als ob es sich bei der anthroposophischen Bewegung um irgend etwas Sektiererisches handelt. Daß diese Meinung in der Welt nicht nur entstehen kann, sondern daß vielfach doch - verzeihen Sie, wenn ich das ganz offen ausspreche - von der Anthroposophischen Gesellschaft selbst etwas ausgeht, was die Bewegung wie in einem sektiererischen Lichte zeigt, das macht es so außerordentlich schwer für die Außenstehenden, an die anthroposophische Bewegung heran-zukommen. Man braucht dem gegenüber ja nur die anthroposophi­sche Bewegung selbst zu stellen.

Ich habe vorgestern drüben in Ilkley gesagt: Ich selber möchte am liebsten alle acht Tage für die Bewegung, um die es sich handelt, einen anderen Namen haben! Wenn das leicht ginge, organisatorisch ginge, dann wäre mir dieses das Allerliebste; denn der Name ist zunächst schon etwas, bei dem die Leute nicht gern verweilen wollen, weil sie ja zunächst nachdenken darüber: Anthroposophie - was ist das? - Sie bilden sich einen Namen erst recht aus den Grundsätzen heraus: eins, zwei, drei - und bekennen sich dann zu allem möglichen, nur nicht zu dem, was real durch die anthroposophische Bewegung nun wirklich fließt.

Sehen Sie, hier in England ist das ja noch nicht so stark ersichtlich, aber auf dem Kontinente würden Sie alsbald die Erfahrung machen können, wie stark noch immer das Vorurteil wirkt, als ob die anthro­posophische Bewegung etwas Sektiererisches, eine Sekte, wäre. Die Schriften, die heute über Anthroposophie auf dem Kontinente er­schienen sind, sind ja tatsächlich in ungeheurer Zahl erschienen; man kann sagen: Jedes Mal, wenn man wieder in eine Buchhandlung kommt und sich die Schriften, die unterdessen erschienen sind, zeigen läßt, so ist irgendeine Schrift wieder darunter über Anthroposophie. Aber wenn man alle die Schriften liest, die über Anthroposophie

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gegnerisch, manchmal auch sogar mit dem Glauben, daß man es gut meint mit der Anthroposophie, erschienen sind, dann muß man sich wirklich sagen: Was ist in diesen verschiedenen Schriften aus der Anthroposophie eigentlich geworden! Ich muß gestehen, wenn ich oftmals nicht gerade abscheuliche gegnerische Schriften, die gibt es natürlich in viel größerer Zahl, aber wenn ich auch solche Schriften lese, die scheinbar objektiv die Anthroposophie beurteilen wollen, und mich dann frage, welches Bild sich da über die Anthroposophie ergibt, welches Bild der eine oder andere Theologe oder Philosoph oder auch nach allen Richtungen hin Laien über die Anthroposophie sich gebildet haben, und mir dieses Bild vorstelle, dann sage ich mir:

Ich möchte wirklich kein Anthroposoph werden! Denn es ist ja eigent­lich so, daß man dieses nimmt und aus dem, was man gelesen hat und was die Gegner gesagt haben, auch aus allen möglichen kurzen Berich­ten über Vorträge, sich Meinungen bildet, Meinungen, die dann so unzutreffend wie möglich sind. Um was es sich handelt, das ist, daß an die Stelle solcher Meinungen, die das Haupthindernis für die Ausbrei­tung der anthroposophischen Bewegung sind, der richtige Inhalt der Anthroposophie vor die Welt hinaus könne: Das ist es, um was es sich handelt. Und dieser Inhalt der Anthroposophie, der müßte eigentlich so vor die Welt hingebracht werden, daß man einsieht: Da handelt es sich nicht um etwas Sektiererisches, nicht um etwas, was man mit einem Namen umfassen kann. Man muß da wirklich gegenüberstellen jenen kurzen Darstellungen, die auf vier oder fünf Seiten das Wesen der Anthroposophie erörtern, die Tatsache, daß Anthroposophie nach und nach nun wirklich sich über alle möglichen Gebiete verbreitet.

Nehmen Sie das Gebiet, das wir in den letzten vierzehn Tagen in Ilkley besprochen haben: das pädagogische Gebiet. Dieses pädagogi­sche Gebiet wird so behandelt, daß nur die pädagogischen, die didakti­schen Methoden in der besten Weise aus der anthroposophischen Bewegung herausgearbeitet werden sollen. Die Waldorfschule in Stuttgart, in der diese Pädagogik, diese Didaktik, zur Anwendung kommt, ist nichts von einer Sektenschule, nichts von einer dogmati­schen Schule, nichts von dem, was die Welt gern eine Anthroposo­phenschule nennen möchte. Denn wir tragen nicht anthroposophische Dogmatik in die Schule hinein, sondern wir suchen die rein didak­tisch-pädagogischen Methoden so auszubilden, wie sie allgemein menschlich sind. Und damit wird von diesen Gebieten aus auf die

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Anthroposophie doch in einer ganz bestimmten Weise hingedeutet. Es wird so hingedeutet, daß man sagen kann: Es gibt heute viele Bewe­gungen in der Welt - jeder Mensch macht ja fast schon heute eine Bewegung, man kann auch nicht sagen, daß nicht alle diese Bewegun­gen sehr vernünftig wären, denn das ist ja vor allen Dingen das Cha­rakteristische des gegenwärtigen Menschen, daß er vernünftig ist. -Wir haben es doch dahin gebracht, daß die Vernünftigkeit eine allge­meine Eigenschaft der Menschen geworden ist: Daher kann ich mir leicht vorstellen, daß sich heute 5, 10, 15 zusammensetzen, die sehr gescheit sind, und ein Programm ausarbeiten mit 12 oder 30 Paragra­phen, die außerordentlich vernünftig sind, über die beste Pädagogik, die man haben kann - ich kann mir vorstellen, daß nicht das geringste gegen ein solches Programm zu sagen wäre. Aber in der Praxis, in der Schulpraxis kann man mit solchen Programmen gar nichts anfangen; da muß man wissen, wie sich das Kind jedes Jahr entwickelt, wie man der einzelnen kindlichen Individualität entgegenkommt. Und selbst das genügt nicht: In einem solchen sehr vernünftigen Programm über Reformpädagogik könnte zum Beispiel drinnen stehen, wie die Lehrer beschaffen sein mussen. Ja, da könnte ich mir vorstellen, daß unglaub­lich schöne, herrliche Bilder von der Beschaffenheit der Lehrer in einer solchen Schule gemalt werden könnten - aber wenn die Lehrer dann nicht da sind, so wie sie in diesen Programmreihen gemalt werden, und wenn auch zunächst keine Aussicht ist, daß diese Lehrer so sein können, wie es in diesen vernünftigen Programmen steht, so muß man diejenigen Lehrer nehmen, die man hat, die man bekommen kann, und muß mit denen das relativ Beste machen. Das ist Praxis - Praxis, die sich auch ausdehnt auf die Wahl der Menschen, die man an irgendeinen Platz stellt. Und so handelt es sich darum, daß Anthroposophie in dem Augenblicke, wo sie ins Leben eingreifen will, nur allgemein mensch­lich sein will, absehen will von jeder Dogmatik, wiederum das Leben selber ergreifen will, darstellen will. Das wollen - kann man sagen - die andern Reformbewegungen auch; aber dazu sehe man sie eben an, ob sie es wollen, ob nicht heute die Menschen, die gerade am meisten Praktiker zu sein glauben, die stärksten Theoretiker sind, weil sie alles von der Theorie, vom Programm abhängig machen. So paradox es klingt: In den kommerziellen und industriellen und namentlich in den sogenannten praktischen Berufen stecken heute die stärksten Theore­tiker drinnen. Kein Mensch, wenn er heute im meinetwillen praktischen

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Leben steht, sieht die wirkliche Praxis, sondern das, was er sich einbildet.

Es ist daher kein Wunder, daß die aufgebauten Systeme von Wirt­schaftszusammenhängen, die ganz theoretisch sind, nach und nach zusammenbrechen. Dasjenige, was wir heute brauchen, ist ein unmit­telbares Hineinarbeiten ins Leben, ein Sehen dessen, was in den Men­schen ist und sein kann. Und diesen Unterschied der anthroposophi­schen Bewegung gegenüber anderen Bewegungen, den müßte man sich bestreben, der Welt klar zu machen: ihr Umfassendes, ihr Unvor­eingenommenes, ihr Vorurteilsloses, ihr Dogmenfreies: daß sie bloß eine Versuchsmethode des allgemein Menschlichen und der allgemei­nen Welterscheinungen sein will.

Und so konnen wir sagen: Im Künstlerischen - ja, wenn Sie den Dornacher Bau, der in so tragischer Weise geendet hat, wenn Sie die Eurythmie-Vorstellungen sehen -, was ist denn da dasjenige, was mit irgendeiner Dogmatik zusammenhängt? Beim Dornacher Bau wurde aus den Bauformen, die als die besten, anschaulichen Formen aus dem Holz hervorgeholt werden konnten, gebaut. Ein Baustil, wie er eben aus dem unmittelbaren Leben der Menschen der Gegenwart hervorge­hen konnte! In der Eurythmie wird ja nicht etwa gezeigt, wie man, ja wie soll man sagen, anthroposophische Dogmen realisieren solle, son­dern wie man die besten aus dem menschlichen Organismus herausfol­genden Bewegungen macht, so daß diese Bewegungen zu einer wirk­lichen, künstlerisch zu gestaltenden Sprache werden. Und so könnte man sagen: Für die verschiedensten Gebiete wird durch Anthroposo­phie die durch den Geist vertiefte Sachkunde und Sachpraxis eben angestrebt. Dadurch unterscheidet sich das Anthroposophische von dem anderen, was heute in der Welt da ist.

Und so möchte man eigentlich, daß Anthroposophie jede Woche einen andern Namen haben könnte, damit sich die Leute gar nicht gewöhnen können an all das, was aus einer Namengebung folgt. Denken Sie doch nur einmal, daß gerade diese Namengebung in der neueren Zeit einen so furchtbaren Zivilisationsunfug bewirkt hat. Ich weiß nicht, ob es in England auch so war, aber zum Beispiel auf dem Gebiete der Malerei, ja, da hat man im Laufe der letzten Jahrzehnte auf dem Kontinent alle möglichen «Schulen» erlebt. Da waren zum Bei­spiel die Freilicht-Maler, die Impressionisten, die Expressionisten, die Futuristen, die Kubisten und so weiter, und die Leute haben sich

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gewöhnt, weil solche Namen die Dinge umfaßten, alles mögliche zu sagen, aber nur nichts zu reden über Malerei, wenn gemalt wurde. Es handelt sich ja wirklich nicht darum, wenn man malt, ob man ein Kubist oder Impressionist oder ein anderer «-ist» ist - es handelt sich doch wirklich darum, daß man malen kann! Und so handelt es sich auch im Leben wirklich darum, daß man da, wo es sich gibt, das Leben in der richtigen Weise anfaßt. Und so möchte ich, daß man der Anthroposophie eben alle acht Tage einen andern Namen geben könnte, weil dann die Leute sich überhaupt an keinen Namen gewöh­nen und an die Sache selber herankommen würden. Das wäre für die Anthroposophie das beste!

Ja nun, man muß solche Dinge so extrem, so radikal ausdrücken. Aber dasjenige, was gemeint ist, werden Sie verstehen: Es handelt sich wirklich darum, das Umfassende für die Anthroposophie taktvoll vor der Welt geltend zu machen und sie ja nicht in irgend etwas einzuspan­nen, was den Glauben hervorrufen kann: Du mußt dich zu irgendei­nem Dogma bequemen, wenn du dein Aufnahmegesuch unterschrei­ben mußt. - Es ist wirklich anzustreben, daß diese Weitherzigkeit im Vertreten der anthroposophischen Bewegung Platz griffe; dann wer­den wir über die anderen Fragen wirklich leichter hinwegkommen können, als das der Fall zu sein scheint.

In der letzten Zeit hat sich aus den Dingen, die sich innerhalb der anthroposophischen Bewegung aller Länder abgespielt haben, von selbst als das Beste sozusagen gezeigt, wenn sich in den einzelnen Ländern die Anthroposophen zusammenschließen zu Landesgesell­schaften, wenn sich also hier eine britische Gesellschaft begründen würde und sich dann alle diese einzelnen Gesellschaften wiederum zusammenschlössen zu einer allgemeinen Gesellschaft, die ihren Sitz in Dornach haben sollte. Dasjenige, was außerordentlich schwierig ist, um eine solche internationale Gesellschaft zu einer gewissen Zufrie­denheit zu bringen, das ist die Verständigung. In bezug auf die Lehren selbst glaube ich, daß sich ja wirklich die Mittel zu dieser Verständi­gung herausbilden. Wir sehen ja, daß auch hier in Ihrer Zeitschrift «Anthroposophy», die durch Baronin Rosenkrantz begründet wor­den ist, sich eine sehr schöne Vermittlerin zwischen Dornach und hier gebildet hat. Was wir aber brauchen würden, das wäre ein internatio­nales Mittel der Verständigung. Man müßte, ob es nun eine einzelne Zeitschrift ist oder ob die einzelnen Zeitschriften für die Länder das

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besorgen - wirklich, auf die äußere Form kommt es auch da nicht an -, aber man müßte die Möglichkeit haben, irgend etwas vor sich zu bekommen, durch das man über die anthroposophische Bewegung in der Welt von Zeit zu Zeit etwas erfahren kann.

Gewiß, die Lehren müssen durch die anthroposophische Bewegung fließen; aber die einzelnen Anthroposophen sollten die Möglichkeit haben, sich ein Bild davon zu machen, was da oder dort in der Welt in bezug aufAnthroposophie geschieht. Über nichts bin ich so viel als über diese Sache in den verschiedensten Ländern gefragt worden! Immer wieder und wiederum wird gesagt: Der Anthroposophischen Gesell­schaft fehlt es daran, daß man ja niemals weiß, was in andern Gebieten vor sich geht, daß keine Verbindung, keine Kommunikation da ist. -Ja, sehen Sie, so durch Organisation läßt sich das auch nicht machen, denn durch Organisationen werden immer ungeheuer viele Kräfte verzettelt. Wenn man irgend etwas einrichtet, dann macht man Komi­tees und Zwischen-Komitees; dann richtet sich jedes Komitee einen Sekretär ein, und eigentlich braucht man ja auch ein Buro, womöglich ein ganzes Palais, wo geschrieben wird nach aller Welt, wo Adressen aufgebracht werden und unzählige Briefe geschrieben werden, die dann in den Papierkorb geworfen werden oder sonst auf andere Weise nicht gelesen werden, woran täglich unendlich viele menschliche Kräfte gewandt werden und vor allem auch - woran ja manchmal gedacht werden muß in der Anthroposophischen Gesellschaft -furchtbar viel Geld verloren geht. Durch Organisation erreicht man gewiß [manches] und alle Anerkennung sei ihr entgegengebracht. Man hat zwar, wenn man in der deutschen Zivilisation gelebt hat, nicht viel übrig für Organisation, weil man da - nun ja, man liebt da die Organi­sation nicht so stark, das ist aber nur eine Zwischenbemerkung -, also vor der Organisation, möchte ich sagen, habe ich allen schuldigen Respekt. Aber um eine Sache einzurichten, handelt es sich darum, daß man möglichst viele Menschen hat, die das Interesse für etwas lebendig entwickeln: dann entsteht das andere schon. Wenn in Dornach ein Zentrum wäre, in dem man die Nachrichten von allen Ländern sam­melt, so wäre das ja sehr gut. Es müßten von allen Ländern Leute sein, die in allen möglichen Sprachen schreiben können; in Dornach wird schon dafür gesorgt sein, daß man sie lesen und weiter verbreiten kann.

Aber das wird nötig sein: das Interesse zu entwickeln für die anthroposophische Bewegung in der Welt! Es liegt ja ein wenig in der

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ganzen anthroposophischen Bewegung, daß dies schwerer ist als für andere. Wenn man eine andere Bewegung begründet, hat man einen Anhaltspunkt für solche Ziele; bei der anthroposophischen Bewegung ist es so, daß sie, obzwar sie etwas Allgemein-Menschliches ist, doch etwas ist, was über das einzelne hinaus geht. Für den einzelnen, für sein Herz, für seine Seele etwas zu bekommen, das ist vollständig gerechtfertigt selbstverständlich; es muß das so sein. Aber auf der anderen Seite wiederum stehen wir heute vor der anthroposophischen Bewegung als vor einer solchen, die doch Zivilisationsaufgaben zu lösen hat! Und deshalb handelt es sich darum, daß man auch für die Bewegung als solche wirklich Interesse gewinnt; dann wird sich das andere von selbst ergeben.

Die Zeit ist schon soweit vorgerückt, daß ich jetzt die Auseinander­setzungen abbrechen möchte; aber ich werde sie, wenn sich wieder Gelegenheit bietet, in den nächsten Tagen ins Konkretere fortsetzen.

#TI

ABSCHIEDSWORTE

London, 2. September 1923

am Schluß des Vortrages für Mitglieder

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Als ich das letzte Mal hier von diesem Orte zu Ihnen sprechen durfte, da mußte ich schließen mit einer großen Sorge, die dazumal auf meiner Seele lag. Es war die Sorge für den Weiterbau des Goetheanum, das hier auf Erden ein Zeichen sein sollte für dasjenige, was eben durch anthroposophische Geisteswissenschaft in die Welt kommen soll, und es wurde dazumal jener Sorge, die ich aussprach, Verständnis ent­gegengebracht.*

Seit jener Zeit ist das geschehen, was ja als ein unaussprechlicher Schmerz tief eingeschrieben ist in die Geschichte der anthroposophi­schen Bewegung. Abgewendet konnte dieser Schmerz nicht werden. Er war durch jene feindlichen Gewalten, die der anthroposophischen Bewegung entgegenstehen, eben tief in das Schicksalsbuch der anthro­posophischen Bewegung eingeschrieben. Aber es strahlt seit jener Zeit wirklich auf alles, was ich zu sagen habe, dasjenige aus, was in diesem

* Am 19. November 1922, siehe unter Hinweise.

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Schmerze liegt. Und so muß ich heute nicht nur aus einer solchen Sorge heraus sprechen wie das letzte Mal, als ich hier sprechen durfte, sondern ich muß sprechen, wie ich überhaupt jetzt nur noch sprechen kann, aus jenem tiefsten Schmerze heraus, den uns die Silvesternacht vom Jahre 1922 auf 1923 gebracht hat. Auch Ihre Vertreter neben denen der anderen Länder haben ja während der Delegiertenversamm­lung im Juli 1923 in Dornach den Vorsatz gefaßt, alles das zu tun, was zum Wiederaufbau dieses Goetheanum führen soll. Wir werden na­türlich trachten müssen, wenn auch das Goetheanum in einem anderen Materiale das zweite Mal aufgeführt werden muß, in dem es eben weniger gerade durch Feuergewalten zugrunde gehen kann, daß es auch in dieser Art würdig zur Ausführung gebracht werden kann.

Ich möchte Ihnen diesen Wiederaufbau des Goetheanum, der jetzt aus tiefstem Schmerze heraus die Sorge derjenigen sein muß, die das Goetheanum geliebt haben und die dasjenige, was es der Welt sein kann, lieben, am Ende dieser Betrachtungen heute wiederum in die Seele schreiben.

Handeln wir so, meine lieben Freunde, wie wir handeln müssen aus dem Schmerze heraus und aus dem Bewußtsein, daß geistiges Leben wiederum in unsere Kultur hineinkommen muß, und bleiben wir in diesem Bewußtsein zusammen, auch wenn wir wieder eine Zeitlang nicht zusammen sind. Denn dasjenige, was aus Anthroposophie, was überhaupt aus einer solchen spirituellen Bewegung ausströmen kann, ist ja schon das allgemein Menschliche, so daß dadurch die Seelen zusammen sein können im Geiste, auch wenn sie räumlich getrennt sind: sie werden sich immer wiederfinden. Sie werden sich aber nicht nur wiederfinden, sondern stets zusammen sein können im Geiste, den wir ja gerade durch eine solche Bewegung in seiner wahren Wirklich­keit suchen.



[Rudolf Steiner, der zur September-Tagung der Anthroposophischen Gesell­schaft nach Stuttgart gekommen ist, nimmt an der folgenden Sitzung teil.]

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SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS

seit kurzem genannt «Vertrauenskreis der Stuttgarter Institutionen»

Stuttgart, 7. September 1923

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Vollzählige Versammlung des Kreises - auch Rittelmeyer, Ruhten-berg, Molt und andere waren nach längerem Fernbleiben wieder da -in der Landhausstraße in Anwesenheit von Herrn und Frau Dr. Stei­ner. Dr. Steiner berichtete über seine englische Reise, über die pädago­gische Veranstaltung in Ilkley und dann besonders über den Sommer-kurs von Penmaenmawr, den er als eines der bedeutsamsten Ereignisse in der Geschichte der Bewegung bezeichnete. Diese letztere Veranstal­tung fand statt in der Nähe alter Druidenstätten, von denen er im einzelnen vieles erzählte. Einmal sei er ganz allein mit Dr. Wachsmuth auf eine einsame Hochebene hinaufgestiegen und habe dort zwei Mulden gefunden, eine große und eine kleine, die von oben gesehen genau so aussähen wie der Grundriß des Goetheanum, ferner einen Druiden-Zirkel, über dessen Bedeutung er dann noch sprach. Im allgemeinen, sagte er, steht in der Astralsphäre dieser Gegend die ganze geistige Vergangenheit dieser Stätten wie mit unvergänglichen Buchstaben eingezeichnet, und Imaginationen, die sich sonst verwan­deln und verschwimmen, bleiben dort gewissermaßen stehen. In der Nähe ist auch die Insel, von der die Artus-Mysterien ausgegangen sind. (Während Dr. Steiner sprach, ging das Licht aus, es wurde eine Lampe gebracht, von deren Schein beleuchtet er weitersprach, bis das Licht wieder anging.)

Nachher las Kolisko eine Reihe von Zustimmungs-Erklärungen vor, die auf die Kundgebung in Nr.6 der «Anthroposophie» eingegan­gen waren. * Fast alle waren eindrucksvoll und zum Herzen sprechend und legten lebendiges Zeugnis davon ab, was die Persönlichkeit Dr. Steiners unzähligen Menschen bedeutet. Dr. Steiner schrieb sich alle Namen der Einsender auf, die nicht Mitglieder waren.

Kolisko sprach dann nochmals von seiner Reise, worüber er schon in der Sitzung vom 15. August ausführlich berichtet hatte, und über die geplante neue Organisation der «Anthroposophischen Gesell­schaft in Deutschland», worüber er schon am 5. September referiert

* Siehe Anhang II, Seite 830 ff.

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hatte.* Durch einen «erweiterten Vorstand» soll die Zentrale auch in der Peripherie anwesend sein. Ein Kreis von Vertrauenspersönlichkei­ten soll jedes Mitglied einzeln in die Gesellschaft aufnehmen. Erst dann soll es in einen Zweig eintreten, in dem die esoterische Arbeit sich abspielen soll.

Auch Stein und von Grone berichten nochmals über ihre Reise nach Thüringen. An Steins Schilderung seines Besuches in Weimar schloß sich eine interessante Aussprache über Friedrich Lienhard an: Seine letzten Aufsätze im «Türmer» wurden gebracht und von Dr. Steiner selbst vorgelesen. Er und auch Frau Doktor erzählten dann noch eine Menge zum Teil humorvolle Einzelheiten über Lienhard, den Dr. Steiner unter keinen Umständen als «Gegner» behandelt wissen will.

#TI

WORTE BEI DER STUTTGARTER SEPTEMBER-TAGUNG

Stuttgart, 17. September 1923

#TX

Im Anschluß an Ausführungen von Dr. Walter Johannes Stein, der den anthroposophischen Impuls als eine Weltangelegenheit bezeichnet hatte, sagte Rudolf Steiner**: «es sei gewiß schön und es entspräche einem naturge­mäßen Enthusiasmus, der aus der Anthroposophie bei jedem kommen muß, der sie liebt, wenn in enthusiastischer Weise die lieben Freunde jetzt diese Versammlung schließen» und fuhr dann fort:

Dasjenige aber, was an Enthusiasmus in die Herzen der hier Versam­melten eingezogen ist, das entspricht doch gerade heute - wie ja immer in der anthroposophischen Bewegung - gerade heute auch einem Weltenimpuls, der schon auch konkret angeschaut werden sollte - -Ich wurde vor ganz kurzer Zeit, vor einigen Tagen möchte ich

sagen, drüben im Westen gefragt, von einem Orientalen gefragt, was es denn im Erdenkarma für eine Bewandtnis damit habe, daß einzelne Völker dazu berufen scheinen, andere von sich abhängig zu machen. Sie verstehen, daß in der heutigen, keineswegs schon sehr objektiv

* Von diesen beiden Sitzungen liegen keine Notizen vor.

* Gemäß Notizen von Lilly Kolisko (in »Eugen Kolisko, Ein Lebensbild», Manuskript-druck für Mitglieder, Gerabronn 1961, S. 87/88). Ein offizielles Stenogramm dieser Abschiedsworte liegt nicht vor.

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gewordenen Menschheit es nicht gerade leicht ist, eine Antwort auf eine solche Frage zu geben, denn solche Antworten werden wirklich recht wenig verstanden. Aber ich konnte doch darauf antworten, daß die Dinge eben innerlich sich manchmal anders ausnehmen, als sie äußerlich scheinen, und daß, wenn es auch richtig ist, daß in der weitgeschichtlichen Entwickelung zuweilen ein Volk von dem andern physisch abhängig wird, so verbirgt sich hinter dieser physischen Abhängigkeit oftmals das geistig Umgekehrte. Das physisch unter­drückte Volk wird zuweilen auf eine ganz geheimnisvolle Weise der geistige Sieger über das Siegende. Es sollte dies nur eine andeutende Antwort sein, sie bezog sich nicht auf Europa, wenigstens nicht auf das kontinentale Europa, sie bezog sich auf weitere Kreise der Erde.

Aber die Gedanken, die dabei angeregt werden können, haben doch auch in einem gewissen Sinn mit dem Horizonte, in dem die mitteleu­ropäischen Menschen leben, schon etwas zu tun. Sehen Sie, meine lieben Freunde, zu den schmerzlichsten Dingen in einem tieferen Sinne gehört, trotzdem vieles darinnen außerordentlich schmerzlich ist, gehört doch dasjenige noch nicht, was uns heute in einer so bedrückenden, furchtbar schrecklichen Weise umgibt und was durch­aus noch schrecklicher werden wird. Zu dem Allerschmerzlichsten gehört das noch nicht. Zu dem Allerschmerzlichsten gehört schon etwas, was dazumals, wenn auch nur in einer andeutenden Weise schon in dem «Aufruf an das deutsche Volk» darinnen stand, es gehört das, daß in einem starken Sinn gerade in Mitteleuropa in der Gegen-wart die mitteleuropäische Vergangenheit in geistiger Beziehung viel-fach verleugnet wird, vergessen worden ist. Aber heute ist die Sache so, daß jenes Wollen, was mitteleuropäisches Wollen ist, trotz des physi­schen Elends in einer gewissen Art der Auferstehung harrt. Es erregt dasjenige, was da im Hintergrunde steht, wirklich ganz bedeutsame Empfindungen. Es harrt manches von dem, was sogar an Geistesleben Mitteleuropas wie begraben scheint, es harrt einer gewissen Zukunft. Man wird in weitesten Kreisen der Welt in verhältnismäßig gar nicht langer Zeit dasjenige, was sogar hier vielfach heute verleugnet wird von älterer mitteleuropäisch-geistiger Gesinnung, mit Sehnsucht er­greifen. Man wird in der Welt mitteleuropäische Geistigkeit mit Sehn­sucht ergreifen wollen.

Und da komme ich auf dasjenige, meine lieben Freunde, was ich gerade an dieser Stelle doch noch mit diesen wenigen Worten andeuten

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möchte. Sehen Sie, es mag mancherlei Schlimmes dadurch bewirkt werden, daß im Geistigen heute einiges übersehen wird, vieles überse­hen wird. Aber eines dürfte dennoch nicht kommen, denn das wäre das Furchtbarste, daß, wenn die Welt schreien wird - und das wird sie in verhältnismäßig nicht langer Zeit tun - zu ihrer eigenen Rettung nach der Auferstehung des mitteleuropäischen Geisteslebens, daß dann in Mitteleuropa die Menschen nicht vorhanden wären, die nun selber die sein könnten, die dann an wichtiger geistiger Stelle stehen, wenn die diesen Ruf nicht verstehen könnten.

Wenn man sagen muß, daß die außerhalb Mitteleuropas sich be­findliche Welt heute auf eine Geistigkeit wartet, dann wäre es sehr schlimm, wenn man es erleben müßte, daß die mitteleuropäische Menschheit nicht auf diese Geistigkeit wartet. Denn das wäre ein allergrößter Verlust der Welt. Das wäre eine der furchtbarsten Kata­strophen, die die Erde erleben könnte, wenn einmal gegen Mitteleu­ropa herein der Ruf ergeht - mag dann das Äußere so oder so ausse­hen -, wenn der Ruf herein ergeht: Dieses Geistesleben brauchen wir-, und in Europa würde man achtlos an diesem Ruf vorübergehen, weil man es selber nicht schätzen könnte, dieses mitteleuropäische Geistesleben. Gedenken wir heute des Umstandes, daß es vielleicht die Mission gerade des mitteleuropäischen Menschen sein könnte, in der allernächsten Zeit aus dem Wesen der mitteleuropäischen Geistigkeit heraus zu verstehen, was die Welt von Mitteleuropa wird empfangen wollen, denn es wäre furchtbar, wenn man dann in Mitteleuropa niemanden hätte, der ein Verständnis für das Geben haben würde.

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KURZBERICHT ÜBER DIE WIENER TAGE

Dornach, 5. Oktober 1923

Einleitungsworte vor dem Vortrag

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Die Wiener Tagung, die eben abgelaufen ist, von der ich komme, ist ja in einer ganz befriedigenden Weise verlaufen. Es hat sich darum gehandelt, daß zwei öffentliche Vorträge gehalten worden sind am 26. und 29. September, die recht gut besucht waren: der erste Vortrag über Anthroposophie als Zeitforderung, der zweite Vortrag über die moralisch-religiöse

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Bedeutung der Anthroposophie. Dann war ich in der Lage, vier Zweigvorträge im Rahmen dieser Tagung zu halten, in denen ich namentlich die Beziehung der Anthroposophie zum menschlichen Gemüte behandelt habe, wobei einiges von dem einge­flossen ist, was hier schon von den verschiedensten Gesichtspunkten aus erörtert worden ist: von der Bedeutung und der möglichen Er­neuerung des Michaelfestes.

Dann hat am Sonntag, den 30. September, eine sehr gut besuchte Eurythmievorstellung stattgefunden im Wiener Neuen Stadttheater. Der erfolgreiche Ablauf dieser Eurythmievorstellung hat die Veran­lassung gegeben, daß am nächsten Sonntag, übermorgen, noch einmal in Wien eine solche Eurythmievorstellung stattfinden wird. Die Eu­rythmievorstellungen haben ja auch noch eine Einschiebung dadurch erhalten, daß eben gerade am heutigen Abend, während ich hier zu Ihnen spreche, in Gmunden im Salzkammergut eine solche stattfindet. Es ist möglich, daß sich noch andere Eurythmievorstellungen in Österreich an die Sache anschließen.*

Am Montag, den 1. Oktober, fand eine Versammlung der öster­reichischen Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft statt. Zu den anderen Landesgesellschaften wird nun auch die österreichische Anthroposophische Gesellschaft hinzukommen, so daß unter den Landesgesellschaften, welche bei der Begründung der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft zu Weihnachten in Dornach sein werden, eben auch diese österreichische Anthroposophische Gesell­schaft sich einfinden wird.

Dann konnte noch am Dienstag Abend auf die außerordentlich verdienstvolle Anregung von Frau Dr. Wegman hin durch unsern ärztlichen Freund, den Dr. Glas in Wien, ein Vortrag und eine ganz ausführliche Besprechung mit einer Anzahl von Wiener Ärzten, Na­turwissenschaftlern, Medizin-Studierenden stattfinden im Hause von Herrn van Leer, die, wie wir schon sagen dürfen, ebenso wie die ähnlichen im Beginne des Septembers in London, einen sehr befriedi­genden Verlauf genommen haben, so daß wir hoffen dürfen, daß gerade auf diesem Wege manches getan werden kann auch für diese medizinisch-therapeutische Seite des anthroposophischen Strebens.

* Es folgte eine solche in Salzburg.

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#Bild s. 184

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BEMERKUNGEN ZUR GOETHEANUM-SPARBÜCHSE

Dornach, am 21. Oktober 1923

nach dem Vortrag

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Und jetzt habe ich Sie zum Schlusse aufmerksam darauf zu machen, daß Sie dort in der Ecke ein durch die Bemühungen von Mr. Pyle zustandegekommenes kleines Kunstwerk sehen. Dieses Kunstwerk stellt außerdem, daß es ein Kunstwerk ist, dessen Anblick Sie erfreuen soll, auch noch etwas anderes dar. Es ist nicht nur schön, sondern auch nützlich. Es braucht ja etwas dadurch, daß es schön ist, nicht alle Nützlichkeit zu verleugnen. Und so verleugnet auch dieses kleine Kunstwerk nicht die Nützlichkeit. Sie haben oben den Adler, dann den Löwen und die Schlange. Also Sie sehen, die Bildlichkeit ist etwas verschoben. Das ist aber gerade gut für diese Aufgabe. Das ganze Ding hat vorne einen Rachen, einen Löwenrachen, und der Rachen will etwas. Der Löwe will fressen. Wissen Sie, was er fressen will? Spenden für das Goetheanum, damit wir wieder aufbauen können. Und das soll so arrangiert werden, daß möglichst viele eine solche Sparbüchse kaufen, denn es ist eine Sparbüchse, und der Löwenrachen stellt den Spalt dar, durch den man dasjenige, was man erspart an Zigaretten, an allerlei anderen Dingen, da hineinschiebt, in kurzen Zwischenräumen, damit's recht bald voll ist. Es wird dann unten eine Vorrichtung sein, damit man öffnen und den Inhalt für das Goetheanum abliefern kann. So ist es gedacht von Mr. Pyle, die Idee stammt von ihm.

Es wird in Gips oder Terrakotta ausgeführt werden. Ich glaube, es wird sehr schön sein. Zuerst ist nur das Modell hier, aber man kann sich einschreiben, und dann können die Dinge später hier bezogen werden. Man wird also Gelegenheit finden, sich eine solche Spar-büchse anzuschaffen, etwas Schönes immer zu haben, aber etwas, was auch ebenso Nützliches verlangt. Sehen Sie sich beim Hinausgehen dieses schöne nützliche Ding an und bekommen Sie die Meinung, die Empfindung, daß auch dieser Adler, dieser Löwe etwas sein soll zur Ergänzung desjenigen, was der Mensch sonst mit seinem Geld tut. Man braucht schon seine Umwelt; da ist ein Stück Umwelt geschaffen. Ergänzen Sie sich durch diese Umwelt!

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BERICHT ÜBER NEUESTE ANGRIFFE

AUF DIE ANTHROPOSOPHIE

Dornach, 26. Oktober 1923

nach dem Vortrag

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Nun, meine lieben Freunde, nachdem ich Ihnen dieses mitgeteilt habe, bin ich doch auch verpflichtet, etwas, was uns mehr noch als die Pflanze auf die Erde führen wird, kurz mitteilen. Ich werde es aber nur ganz kursorisch mitteilen, damit Sie es wissen, weil ich mich eben doch verpflichtet fühle, manches von dem, was immer gesagt wird, auch zu erhärten. Ich werde zunächst zwei Tatsachen zusammenstellen, die zusammengedacht zu werden verdienen, wie Sie ja gleich nachher sehen werden.

Ich weiß nicht, ob Sie gesehen haben, daß angekündigt wurde auch hier - was ja übrigens an vielen Orten Amerikas und Europas ange­kündigt wird -, daß angekündigt waren in den um den 20. herumlie­genden Zeitungsnummern Vorträge in Basel und in der Umgebung von Basel. Hier ist zum Beispiel die Annonce: «Alle Nationen im Aufmarsch nach Armagedon. Sechs Millionen jetzt Lebender werden nie sterben. Öffentlicher Vortrag Montag, den 21. Oktober 8 Uhr im Hans Huber-Saal des Stadtkasinos Basel. Eintritt frei. Internationale Vereinigung ernster Bibelforscher.»

Dieselbe Annonce können Sie auch im Birsecktagblatt finden:

«Alle Nationen im Aufmarsch nach Armagedon. Sechs Millionen jetzt Lebender werden nie sterben. Öffentlicher Vortrag Samstag, den 20. Oktober 8 Uhr im Hotel Bahnhof Münchenstein, Montag 21.0k-tober Gasthof Zum Ochsen Arlesheim. Eintritt frei. Internationale Vereinigung ernster Bibelforscher.»

Halten Sie an dem Titel dieser Ankündigung fest; Sie haben es ja vielleicht auch lesen konnen im Birsecktagblatt, wie da darauf hinge­wiesen wird, daß die Bibel nun richtig ausgelegt werden soll nach dem Buch Daniel und nach der Apokalypse und so weiter. Es wird dann den Leuten versprochen, die die Sieger sein werden in dem großen Streit, der bis zum Jahre 1927 sich abwickeln soll, daß diese dann überhaupt auch in ihrem physischen Leibe nicht sterben. Und ich wurde schon, während im vorigen Jahre unser Wiener Kongreß ge­spielt hat, von Leuten daraufhin angeredet, wie man es denn macht,

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daß man in der Schlacht von Armagedon zu denen gehört, die nicht sterben werden. Sie wissen ja, daß in der Schweiz viele solche Vorträge gehalten werden. Es handelt sich also um dasjenige, was sich eben knüpft an diese Schlacht von Armagedon.

Nun möchte ich Ihnen aus einem Büchelchen etwas vorlesen, das da heißt: «Der Antichrist. Die prophetischen Geheimnisse der biblischen Endzeit, besonders für 1924-1927», von Paul Westphal- ein Buch, das nicht durch den gewöhnlichen Buchhandel, wohl aber durch diejeni­gen Kanäle sehr verbreitet wird, die gerade zu derjenigen Bevölkerung führen, die nicht in die Buchhandlungen geht, um sich Bücher zu kaufen, sondern die Bücher auf anderem Wege zugeschanzt erhält. Deren Bildung erfließt dann aus demjenigen, was aus solchen Büchern stammt.

Nun werde ich die Einleitung, das Hauptkapitel, wegen welchem diese Schrift eigentlich geschrieben ist, nur erzählen, denn ich kann Ihnen nicht stundenlang vorlesen. Das Hauptkapitel heißt «Auf den Spuren des Antichrist». Und dann wird erzählt, wie die Aussaat war. Bei der Schilderung dieser Aussaat wird nämlich das Folgende erzählt:

Es hätte einmal in den Jahren 1897 bis 1900 ein Mann, der dann später ein moderner Dr. Faust geworden wäre, das «Magazin für Litteratur» redigiert, und in diesem «Magazin für Litteratur» wäre erschienen ein Roman «Aus der Dekadence».

Der ist ja auch wirklich erschienen. Er stammte von dem Sohn eines Mitgliedes, das in Stuttgart schon vor langer Zeit gestorben ist. Dieser Roman ist erschienen. Ich habe natürlich daran keinen anderen Anteil als den des Redakteurs gehabt, der die Sache künstlerisch und nach ihrer literarischen Wertigkeit zu beurteilen hat, und sonst noch den bitteren Nachgeschmack, daß mir gerade jener Roman einen Prozeß mit dem Verleger der damaligen Zeitschrift, einen Prozeß, der jahre­lang gedauert hat, eingebracht hat, was nicht eine angenehme Erinne­rung ist. Aber an diesem Roman wird angeknüpft, zum Zeichen dafür, daß derjenige, der damals das «Magazin für Litteratur» redigiert hat, schon damals angefangen hat, die Zeitenverirrung zu benutzen, um in seinem Sinne irgend etwas zu fischen.

Dann wird weiter dargestellt, welche Wandlungen der durchge­macht hat, wie er zu einer Art Fatist Secundus, einer Art zweitem Faust geworden ist, und zwar in einem manchmal höchst merkwürdi­gen Stil, von Jahr zu Jahr: «Etwa um 1900 betrachtet mit einem

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seltsamen Interesse ein ungefähr vierzigjähriger, nicht gut genährter Mann jene alten Skulpturen und wird wie von einer Vorahnung durch­zuckt. Trotz großen Wissens hat er es noch zu keiner bürgerlichen Sicherstellung gebracht; zumal er ein halber Ausländer ist, hat er das Schicksal der Überflüssigen. Dabei ist er ehrgeizig im größten Stil, machtsüchtig, seiner Fähigkeit fast zu sehr bewußt - etwas eitel.»

Dann werden diesem Manne allerlei andere Eigenschaften zuge-schrieben, die zusammenhängen sollen mit seinen Machtgelüsten. Zum Beispiel: «Er spürt und wittert nach allen Richtungen, wo der Erfolg zu suchen sei; sein Äußeres» - es ist sehr interessant - «sein Äußeres zu jener Zeit gleicht etwas dem des Napoleon, als dieser 1793 .» Nun gehen die weiteren Wandlungen vor sich dieses Machtsüchtigen, und es wird nun geschildert: «Er gleicht nach der Schrift dem Diebe, der auf dem Hinterwege (Okkultismus) sich in den Schafstall einschleichen will.» Nun, wie gesagt, es wird von Jahr zu Jahr verfolgt: Studierte Goethes «Faust» eingehend, breitet systematisch die magischen Dämonenkräfte über die ganze Kultur-welt aus.

«Faust steht bei Beginn seiner Hauptwirksamkeit in dem Alter, welches Dan. 6,1 angibt, er ist etwa 62 Jahre alt. Wie der in Dan. 6 genannte Darius in seinem Reiche eine Dreiteilung der Funktionen schafft (Vers 3), so beginnt Dr. Faust in Anlehnung an die ...», und so weiter. «Als Satan in der Wüste den Herrn versuchte, nahm er ebenfalls auf die Bedürfnisse dieser 3 Teile bedacht, indem er das Brot, das Wunder und die Macht - nicht gab, sondern in Aussicht stellte...»

«Unter seinen Anhängern stehen die Damen voran, jene ungestill­ten, die an ihrer Leerheit leiden und ungestüm nach Füllung mit irgend etwas Positivem oder Männlichem verlangen. Der feste dämonische Wille gibt ihnen Inhalt und macht sie zu selbsttäti gen Kraftzentren, die genau nach den ihnen durch Suggestion eingesetzten mechanischen Formeln arbeiten. Besondere Bemühungen gelten der Jugend; der Meister läßt sie Tanzrhythmen üben und überwacht sie lauernd, wer wohl durch die raschen Bewegungen zur Ekstase zu bringen sei. Die wählt er dann aus als Werkzeuge für seine magischen Zwecke; die übrigen mögen nur weiter tanzen und naiv glauben, daß sie damit Kulturleistungen vollbringen. Der falsche Prophet sinnt oft darüber, wie er sich zur Kirche stellen solle. Zunächst hat er den Versuch

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gemacht, sein System als den geistig Anspruchsvolleren schmackhaft zu machen.... Der Papst, die Kardi­näle, Erzbischöfe, hervorragende Kirchenlehrer werden vielleicht in magische Fernbehandlung genommen. Von dem Erfolge dieser okkul­ten Beeinflussung wird es abhängen, ob der falsche Prophet die gefügi­gen Teile der Kirche in seinen Dienst einspannt oder gegen die ganze Kirche mit der Wut des apokalyptischen Tieres losschlagen wird.»

Und nun die genauere Beschreibung, soweit sie gegeben ist, desje­nigen, was von dieser Seite geschildert wird über die Wirksamkeit:

«Es tut nicht not, die umfangreiche Taktik bis in Einzelheiten zu verfolgen. Dem schwarzen Meister ist es um die Wenigen, Seltenen zu tun, die im engeren und engsten Kreise an seinen magischen Arbeiten mittätig sein können; jede dieser Personen übt eine besondere Verrich­tung aus. Da ist ein Medium, durch das der Dämon spricht, ein anderes, durch das er schreibt. Die einen sind hellsehend, die anderen zur Ekstase und räumlichen Versetzung ihres Bewußtseins fähig, an­dere beherrschen die und können von dort, etwa aus der Erde, Kräfte heranholen, die z. B. zur Beeinflussung ferner Perso­nen, hauptsächlich im Schlafe, verwandt werden. Immer häufiger werden die nächtlichen Arbeitssitzungen. Einer hält als Exorzist die unbequemen niederen Dämonenkräfte, die sich wie Fliegengeschmeiß herandrängen, durch Räucherungen mit salpetriger Säure fern. Ein anderer opfert den erwünschten Dämonen, damit sie aus den beim Räuchern stark ätherischer Pflanzen und Harze freiwerdenden Stoffen Substanz schöpfen und sich wahrnehmbar machen können. In den Dunst des Weihrauches werden magische Befehle geflüstert, die sich als Willensinhalte mit dämonischen Kraftformen verbinden (In anti-christlicher Benutzung von Offenb. 8,4). Die so mit Suggestionen geladenen Gebilde dienen als magische Post zur Fernbeeinflussung entweder solcher, die man als Anhänger der Bewegung gewinnen, oder solcher, die man als unbekehrbare Gegner verletzen, vielleicht gar unschädlich machen will. Man hat auch Photographien der zu beeinflussenden Personen vor sich und stellt mit ihnen den magischen Kontakt her. Da sitzt etwa «Faust» vor einem tiefschwarzen Hohl­spiegel, um Schwingungen der Sehnerven auf dem umgekehrten Wege, nämlich von dem dämonischen Eindruck im Hirn zurück über die Netzhaut auf das Spiegel glas zu projizieren und durch solche Objekti­vation gegenständlicher und besser wahrnehmbar zu machen. Für die

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Fernbeeinflussung wichtiger Persönlichkeiten, die auf den Gang der Weltereignisse einwirken, werden besondere Arten scheußlicher Dä­monengeister benutzt. Die einen sind die , wie sie in Dan. 9,27 (nach genauer Übersetzung) genannt werden; sie übertragen die Suggestionen auf Menschen, die schlafen, und diese wachen mit bestimmten Zwangsideen auf, die auf ihr Handeln einwir­ken. Die andere Art ist die der (Offenb. 16,13). Diese Art scheint z. B. aus einer Art Drüse eine Substanz abzusondern (dieses kann nur bildlich erörtert werden), mit denen auf andere Menschen Fern-Injektionen bewirkt werden, so daß Lähmungen eintreten. Der schwarze Meister will z. B. in irgend einem Hirn den moralischen Widerstand oder die kritische Besonnenheit oder irgendeine Geistes-funktion abschwächen oder ausschalten, damit seine Suggestionen ungehemmt wirken. Ein dergestalt Zubereiteter fällt dann bei der ersten persönlichen Begegnung dem Verführer anheim. Mitten aus einer Versammlung heraus wird ein bisheriger Gegner durch einen Blick, einen Händedruck, durch ein belangloses freundliches Wort zum Anhänger der Bewegung gewonnen. - Und der Zweck des gan­zen Treibens? Dem kommenden Antichrist die Bahn zu bereiten! »

Nun, es geht noch weiter in dieser Art der Schilderungen. Und dann kommt folgendes:

«Wenn der Weissagung gemäß nach 3 1/2 Jahren, d. h. im Spätherbst 1927, die Herrschaft des Antichrist zu Ende geht und der falsche Prophet in der großen Schlacht Armagedon den Tod findet, dann wird er genau ein Alter von 66,6 Jahren erreicht haben. Man prüfe, ob die Menschenzahl in 0ff. 13,18 die Lebensjahre des falschen Propheten bedeutet. »

Sie sehen, in dieser Weise werden die unteren Volksschichten bear­beitet! Sie sehen, daß gesagt worden ist, es wäre nötig, aufzuwachen. Das ist nicht so ganz ohne Bedeutung, denn auf der Gegenseite wacht man sehr. Da kennt man die Methode, wie man alle Volksschichten in entsprechender Weise bearbeiten kann.

Wie man die mittlere, die sogenannte gescheite Volksschicht bear­beitet, dafür will ich ein anderes Beispiel vorlesen. Es ist aus dem vierten Bande von Fritz Mauthner «Der Atheismus und seine Ge­schichte im Abendlande». Vielleicht wird es Sie interessieren, meine Besprechung vorzunehmen, die ich angedeihen habe lassen den ersten zwei Bänden von Fritz Mauthners «Atheismus», als der dritte und

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vierte Band - also dieses «Atheismus» - noch nicht erschienen waren; und Sie können da einen merkwürdigen Vergleich anstellen. In jenem vierten Bande von Fritz Mauthners «Atheismus» steht folgendes:

«Ganz unberechtigt war freilich die Sorge der Pazifisten und Freiden­ker nicht, die Todesnot des Weltkrieges könnte ein Wiederaufleben mittelalterlichen Volks aberglaubens auslösen; nur daß die Epidemie ganz anderswo ausbrach, als die Kirchendiener gehofft und ihre Geg­ner gefürchtet hatten. Der vierte Stand wollte sich, nach dem ersten Schrecken, auch von der Todesangst nicht mehr in die Kirche zurück­treiben lassen; Zweifel und Unglaube waren doch zu stark geworden. Aber auch der dritte Stand, das halbgebildete Bürgertum, griff lieber nach einem jüngeren Aberglauben als nach einem der ältesten. Die greifbare Wirkung der Kriegsnot war zumeist ein Aufschwung der Schwarmgeisterei, die man ja auch eine Form des religiösen Bedürfnis­ses nennen darf. Die Zahl der Spiritisten und der Theosophen mehrte sich in England und in Deutschland. Der Wahn schöpfte neue Kraft aus der Verzweiflung. Unbekümmert darum, daß Geschichte keine Wissenschaft ist, standen Propheten auf, die die Zukunft vorausbe­rechneten, scheinwissenschaftlich und geistreich wie Spengler in sei­nem , dumm und frech wie seine pöbel-haften Nachahmer. Natürlich wurde die Stimmung auch von gemei­nen Hochstaplern benützt: Ein Anstreicher trat als Heiland auf, als der , und soll einen Jahresverdienst von mehreren Millionen gebucht haben; ein anderer Weltheiland, ein Weinreisender, machte sich weniger aus Gold als aus Frauenliebe und wurde schließ­lich durchgeprügelt; wieder ein machte die Gegend von Frankfurt am Main unsicher und wurde aus Deutschland erst als steinreicher Mann ausgewiesen. In diese Gruppe von Schwindlern gehört vielleicht auch der jüdische Mystiker (kein Jude von Geburt) Eliphas Levi, den Meyrink mit besserem Humor hätte einführen sollen. Aber das Fett abgeschöpft aus den Börsen wundersüchtiger Männlein und Weiblein hat doch Rudolf Steiner, der Theosoph, der sich ausweichend einen Anthroposophen nennt, der sich bei der An­preisung seiner übermenschlichen Gaben des Fernsehens mit dreiste­ster Scheinwissenschaftlichkeit auf den Buddha, auf Christus, auf Goethe und sonst auf alles Hohe beruft und von den Schwarmgeistern erklecklichen Zulauf erfahren hat. Eine Widerlegung dieses neuen Cagliostro wäre für eine gesunde Logik schwerer, als man denken

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sollte; das Hexeneinmaleins ist nicht zu widerlegen, nur auszulachen. Ein starker Komödiendichter müßte sich des Stoffes bemächtigen.»

Und die Fußnote dazu lautet:

«Nur darüber freilich kann ein Deutscher nicht lachen, was Einge­weihte längst wußten, was aber erst durch eine Unklugheit des Steiner aller Welt bekannt geworden ist, daß der für die Heerführung verant­wortliche oberste General im Weltkriege, wieder einer des Namens Moltke, der Freund und Vertreter des Theosophen war; wieder rächte es sich am ganzen Volke, daß - wie vor der großen Revolution - die Cagliostro Gläubige gefunden hatten bei Personen aus den höheren Schichten der . Auch wer der Frage undogmatisch gegenübersteht, fester Republikaner nur ist, weil der letzte Monarch Wilhelm II. hieß, auch der wird sagen müssen:

in einer Republik hätte ein Geisterseher nicht ein so realpolitisches Amt erhalten können wie dieser Moltke II.»

Sie sehen, es ist für alle Volksschichten genügend gesorgt, und wer die Lügen verfolgen kann, die von da ausgehen zu den veranlassenden Mächten, der darf schon sagen, daß wirklich mehr Wachsamkeit nötig wäre, als gerade in unseren Reihen gefunden wird und daß eigentlich auch mehr Interesse entwickelt werden könnte für dasjenige, was ich ab und zu gerade über diese Dinge sagen muß. Man will nicht glauben, daß gegenwärtig der Haß gegen die Wahrheit in einem Zunehmen ist wie niemals in der Welt und daß daher derjenige, dessen Pflicht es ist, die Wahrheit zu vertreten, einiges Verständnis finden könnte, wenn er eben davon spricht, daß Wachsamkeit schon einmal nötig ist.

Nun, ich will nicht auf einzelne Dinge der Unwachsamkeit heute eingehen, aber ich wollte Ihnen wenigstens ein Bild davon geben des gegenwärtigen Standes derjenigen Dinge, die im Werke sind; man kann schon sagen: die im Werke sind. Ich muß ja immer denn doch warten, bis einiges Interesse vorhanden ist für die Dinge, die ich auch einmal als Episoden in die Vorträge eben einstreuen muß, damit die Dinge nicht ganz unbewußt bleiben.

Morgen um 8 Uhr wird dann der nächste Vortrag sein.

#SE259-193

#TI

HINWEIS, DASS DIE VORTRÄGE

BIS WEIHNACHTEN AUF DIE WEIHNACHTSTAGUNG

INNERLICH EINSTIMMEN SOLLEN

Dornach, 23. November 1923

#TX

Den ersten Vortrag, der nach der holländischen Tagung wieder in Dornach gehalten wurde, leitete Rudolf Steiner mit einem Bericht über die Gründung der holländischen Landesgeselischaft ein (siehe Seite. 684) und schloß daran noch folgende Worte:

Wir wollen nun, meine lieben Freunde, die Zeit, die uns hier für Vorträge innerhalb dieses Goetheanum vor den Weihnachtswochen bleibt, so gestalten, daß jene Mitglieder, die hier in Dornach in der Erwartung leben, daß die Weihnachtswoche kommt, möglichst viel in sich tragen können, was die anthroposophische Bewegung in die Herzen der Menschen hineinzubringen vermag. So daß auch wirklich gerade diejenigen, die bis Weihnachten hier verbleiben werden, in ihren Gedanken etwas zu sagen haben werden gerade über das, was noch in letzter Stunde jetzt geschehen kann. Nicht werde ich etwa über die Internationale Anthroposophische Gesellschaft sprechen, das wird in ein paar Stunden erledigt werden können während der Ver­sammlung selber. Aber ich werde nun doch versuchen, diese Betrach­tungen so anzulegen, daß sie auch für die Stimmung, die dann sein sollte, etwas werden abgeben können. Was ich schon in den letzten Wochen hier ausgeführt habe, werde ich von einem anderen Aus­gangspunkte aus zu erreichen suchen. Ich werde heute einmal damit beginnen, vom Seelenleben des Menschen selber aus zu einem Durch­schauen der Weltengeheimnisse zu gelangen.

#SE259-194

#TI

AUS BRIEFEN AN MARIE STEINER

ÜBER DEN WIEDERAUFBAU

Dornach, 25. November 1923

#TX

... Ich habe hier viel Sorge. Ich muß diese Tage mit dem Entschluß fertig werden, in welchem Umfang das Goetheanum wieder gebaut werden soll, und das ist schwer, weil man so gar nicht sagen kann, wie es mit den Mitteln stehen wird. Alles ist recht schwer. ...

#TI

Dornach, 6. Dezember 1923

#TX

... Und doch hängt jetzt alles davon ab, daß die Weihnachtsveranstal­tung amjahrtage des Brandes eine würdige werde, auch durch die Zahl der Teilnehmer. Wenn das nicht der Fall sein würde, so hielte ich es für das beste, überhaupt nicht mehr zu bauen. Nach den bitteren Ver­sammlungen in London und Haag kann es hier doch gut gehen; aber man muß auch alles dafür tun.[*]

- - -

[*] Nachdem in der Delegiertenversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz am 9.Juni 1923 Rudolf Steiner erstmals angedeutet hatte, daß der künftige Bau in Beton errichtet werden soll (siehe Seite 511), entwickelt er bei der «Weihnachtsta­gung» in seinem Vormittagsvortrag des 31. Dezember, wie er den neuen Bau gestalten werde, gedenkt im Abendvortrag des Brandunglückes vor einem Jahr und setzt in seinem Vortrag am Neujahrsmorgen die Ausführungen über die künftige Baugestaltung fort und skizziert das Hauptmotiv an der Wandtafel. Vgl. den Band GA 260 «Die Weihnachtatagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesell­schaft«. Über die weiteren Stadien des Neubaues im Verlaufe des Jahres 1924 vgl. den Band «Die Konstitution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft - Der Wiederaufbau des Goetheanum», GA 260a.

Die schrittweise Verwirklichung der neuen Organisationsform der Anthroposophischen Gesellschaft Kristiania, 17. Mai 1923

#G259-1991-SE195 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

#TI

III

Die schrittweise Verwirklichung der neuen

Organisationsform der Anthroposophischen Gesellschaft

durch die Begründung von Ländergesellschaften,

die zu einer internationalen Anthroposophischen

Gesellschaft zusammengeschlossen werden sollten

Das internationale Leben und Weben der Anthropo­sophischen Gesellschaft würde am besten dadurch ge­deihen, daß sich in den einzelnen Sprachgebieten Lan­desgesellschaften begründen und diese sich zusam­menschließen würden in Dornach zu einer internatio­nalen Anthroposophischen Gesellschaft.

Kristiania, 17. Mai 1923

#SE259-196

#Bild s.196

#SE259-197

Die Verhandlungen zur Neuordnung

der deutschen Gesellschaftsverhältnisse

#TX

Weil die Anthroposophie von Deutschland ausgegan­gen ist und die Welt das auch weiß und akzeptiert hat, (ist es notwendig), daß zunächst innerhalb der deut­schen Anthroposophischen Gesellschaft eine gewisse Ordnung geschaffen werde, daß aber dann dies der Ausgangspunkt sein soll für das Ordnung-Schaffen

auch außerhalb. Dornach, 4. März1923

Vorbemerkungen des Herausgebers

Die erste Mitgliederversammlung, die seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Sommer 1914 abgehalten werden konnte, hatte am 4. September 1921 in Stuttgart stattgefunden. Es war zu einer neuen Vorstandsbildung gekommen (Dr. Carl Unger, Emil Leinhas, Ernst Uehli) und der Sitz der Gesellschaft offiziell von Berlin nach Stuttgart verlegt worden. Kurz darauf wurde ein Kreis gebildet, der nach seiner Mitgliederzahl «Dreißigerkreis» genannt wurde und ein Binde­glied sein sollte zwischen Vorstand und Mitgliedschaft (Die Teilnehmer am Drei­ßigerkreis siehe S. 832). Als man nach dem Brand des Goetheanum mit Rudolf Steiner über die Frage der Konsolidierung der Gesellschaft verhandeln wollte, sah Ernst Uehli - Mitglied des Zentralvorstandes und Lehrer der Waldorfschule -dafür ein kleineres Gremium vor, den sogenannten «Siebenerkreis». Bei der ersten Besprechung mit Rudolf Steiner war dieser Kreis zusammengesetzt aus Ernst Uehli und den weiteren sechs Lehrern der Waldoifschule : Caroline von Heyde­brandt, Eugen Kolisko, Maria Röschl, Karl Schubert, Erich Schwebsch, Walter Johannes Stein.

Marie Steiner schildert die damaligen Verhältnisse im Vorwort zu der von ihr 1947 herausgegebenen privaten Vervielfältigung «Studienmaterial aus den Sitzun­gen des Dreißigerkreises» wie folgt:

«Im Vorstand der deutschen Gesellschaft hatte sich durch die schwere Erkran­kung Michael Bauers und den Rücktritt von Frau Marie Steiner-von Sivers,* deren wesentliche Aufgaben nun in Dornach lagen, ein Personenwechsel vollzogen. Seit 1921 war der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft vertreten durch die in Stuttgart wohnenden Herren Dr. Carl Unger, Emil Leinhas und Ernst Uehli. Deutschland war ein ununterbrochen brodelnder Kessel. Die unendlichen Schwierigkeiten, die mit den verschiedenen Umtrieben der politischen und sozia­len Gruppen und der immer wachsenden Inflation verbunden waren, machten alle

- - -

* Im Jahre 1916 auf Veranlassung Rudolf Steiners. Siehe hierzu die biographische Doku­mentation «Marie Steiner-von Sivers, Ein Lehen für die Anthroposophie», Dornach 1988 und 1989.

#SE259-198

Reformbestrebungen zunichte. Das zusammenbrechende wirtschaftliche Leben drohte das geistige Leben zu ersticken. Das Zerreibende dieses Kampfes spiegelte sich in den Seelen ab und lähmte die Energien. Dieses trostlose Bild trat einem an den zurückgeschlagenen Bemühungen der anthroposophisch Strebenden fort­während immer wieder entgegen. Schon hatte der Antisemitismus angefangen tief in den Seelen zu wühlen. Als ein äußeres Zeichen der Kampfansage alldeutscher Kreise konnte man schon auf manchen Türen ein hingemaltes Hakenkreuz erblik­ken. Überfälle und Morde in den verschiedenen politischen Lagern waren an der Tagesordnung; es wurde systematisch damit gearbeitet; hier sei nur auf die Er­mordung Walther Rathenaus hingewiesen. - Auch Rudolf Steiners öffentliche Vortragstätigkeit wurde im Moment ihrer wirksamsten Entfaltung durch solche Umtriebe jäh abgebrochen: der Zudrang zu den Vorträgen war ein gewaltiger gewesen, und so setzte die stärkste Gegenkraft der Feinde auf allen Fronten dagegen ein, um diese Wirkung zu zertrümmern. Dr. Steiner sah mit Schrecken, wie manche Energien auch der früher begeisterten Anthroposophen in diesem Trubel erlahmten, und wie die Triebkräfte in den Seelen der unerfahrenen jungen Menschen Raum gewannen und sich überschlugen. Er sah die Gefahr des Ausein­anderfallens durch Einzelbestrebungen, die Außerachtlassung des nährenden und zusammenhaltenden Mutterbodens der Anthroposophie. Eindringlich warnte er die führenden Mitglieder in Stuttgart. Im Dezember 1922 hatte er dem in Gesell­schaftsfragen nach Dornach gereisten Herrn Uehli einen Auftrag gegeben,* dem er eine entscheidende Bedeutung zumaß: Er sollte mit den Vorstandskollegen in Deutschland besprochen werden, damit die gemeinsame Antwort darauf ihm bei seiner nächsten Ankunft in Stuttgart gegeben würde. Dort hatte sich ein «Dreißi­gerkreis» gebildet, der zu den Problemen der Zeit und der Gesellschaft in ernsten Beratungen Stellung nehmen wollte. Dazwischen gab es noch kleinere Kreise, die sich noch eindringlicher mit den ihnen am Herzen liegenden Problemen beschäf­tigten und sie in intimeren Sitzungen Rudolf Steiner nahezubringen wünschten. Um solche Sitzungen handelt es sich bei den Auseinandersetzungen des »Dreißi­gerkreises», die wir jetzt bekanntgeben wollen. Der Versuch ist gemacht worden, dasjenige stenographisch festzuhalten, was von Rudolf Steiner selbst gesprochen wurde. Nicht war es möglich festzuhalten, was kreuz und quer in den sich überstürzenden Fragen und Meinungsäußerungen der Mitglieder sich kundgab. Aber das Bedeutsamste ist gerettet worden : die Antwort, die Rudolf Steiner gegeben hat auf die Frage, um die es damals ging: Welches sind die Aufgaben der Anthroposophischen Gesellschaft? Hier erleben wir die von Rudolf Steiner gege­benen Richtlinien für die Führung einer Gesellschaft, seine Methodik, die immer ruht auf der Grundlage der Respektierung der Freiheit des anderen, des Nichtein­greifens in den individuellen Kern der Seelen, aber der unnachgiebigen Strenge in allen Fragen, welche die Wahrheit berühren, so daß die Selbsttäuschung nicht

* Laut Rudolf Steiner (siehe Fußnote zum Protokoll vom 16.Januar 1923) hat das Gespräch am 10. Dezember stattgefunden. Es muß somit nicht in Dornach, sondern in Stuttgart gewesen sein, da Rudolf Steiner dort am Abend vorher einen Vortrag gehalten hat.

#SE259-199

Raum gewinnen und zum System werden kann. Der Bequemlichkeit, die auf diesem Boden leicht erwachsen kann, um den Schwierigkeiten auszuweichen, und persönlichen Einstellungen rückte er unbarmherzig auf den Leib. Und so spiegeln diese Mitteilungen die Methode Rudolf Steiners in den Fragen der Gesellschafts­führung wider, die uns auch heute so not tut.

Während der «Dreißigerkreis» in Stuttgart sich mit der dort entstandenen katastrophalen Lage und dem befürchteten Zerfall der Gesellschaft beschäftigte, erfolgte in Dornach in der Silvesternacht 1922 der Brand des Goetheanum.

Auch in Stuttgart standen die Sitzungen des «Dreißigerkreises» im Zeichen der Tragik des niederschmetternden Ereignisses; man versuchte der eigenen Unzu­länglichkeiten bewußt zu werden, die karmisch ein solches Geschehen hatten möglich machen können. War es etwa darin zu suchen, daß der Enthusiasmus der ersten Jahre durch die entstandenen Schwierigkeiten äußerer und innerer Art hatte lahmgelegt werden können, so daß der geistige Zusammenhang untereinander und mit den anthroposophischen Zweigen verlorengegangen war? - Als Bestrebungen einzelner differenzierter Gruppen standen die «Institutionen» da; aber innerhalb dieses sozialen Zusammenschlusses fehlte das menschlich verbindende geistige Band. Mit der Bitte um Rat und Hilfe wandte man sich wieder an Rudolf Steiner, der aber seinerseits die moralische Reaktion erwartete auf den von ihm an den Stuttgarter Vorstand gerichteten Auftrag vom Anfang Dezember. Zu helfen war er immer bereit, und so entschloß er sich hinzureisen und seine Zeit in den folgenden Wochen zwischen Dornach und Stuttgart zu teilen. Es fanden in Stuttgart neben den Sitzungen im «Siebenerausschuß» unendlich lange Bespre­chungen des «Dreißigerkreises» bis tief in die Nacht hinein statt.»

Für diese Besprechungen reiste Rudolf Steiner mit Marie Steiner von Mitte Januar bis Ende Februar jede Woche von Dornach nach Stuttgart. Außerdem hielt er in diesen Wochen im Stuttgarter Zweig vier Vorträge über die Entwicklungs­phasen der Anthroposophischen Gesellschaft, die Notwendigkeit ihrer Reorgani­sierung und die Bedingungen anthroposophischer Gemeinschaftsbildung. Siehe den Band «Anthroposophische Gemeinschaftsbildung», GA 257.

#TI

Notwendige Bemerkungen zur Qualität und Wiedergabe

der Protokolle der Stuttgarter Verhandlungen

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Die im folgenden wiedergegebenen Besprechungen Rudolf Steiners mit den Stutt­garter Führungsgremien «Siebenerkreis» und «Dreißigerkreis « beruhen nicht auf

einer wortwörtlichen stenographischen Mitschrift eines Berufsstenographen, son­dern auf teils ausführlichen, teils mehr oder weniger lückenhaften stenographi­schen Aufzeichnungen. Die Protokolle sind Dr. Karl Schubert, Lehrer an der damals ersten Waldorfschule in Stuttgart, zu verdanken. An deren Übertragung in Klartext ging er mit Hilfe von Dr. Erich Gabert aber erst viele Jahre später. In den Vorbemerkungen dazu von Gabert, datiert «Stuttgart, 10. April 1935>, heißt es:

#SE259-200

«Weil das Stenogramm nach so langer Zeit zum Teil schwer lesbar war, ist manchmal der Text unsicher geblieben. Wenn es nicht gelingen wollte, den Sinn mit Sicherheit zu erraten und zu ergänzen, sind die Worte unverändert gelassen, auch wenn sie zunächst unverständlich erscheinen. Es ist seinerzeit nicht immer notiert worden, wer die aufgeschriebenen Worte gesagt hat. Deshalb mußte die Abtrennung der Sprechenden zuwei!en als fraglich bezeichnet werden; leider kann auch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob Dr. Steiner die Worte, die unter seinem Namen stehen, auch wirklich alle gesagt hat oder ob Worte eines Ge­sprächsteilnehmers dabei sind. Nicht von allen Sitzungen, die im Dreißigerkreis stattgefunden haben, sind Nachschriften vorhanden. Die vorhandenen sind hier alle wiedergegeben. Das, was die übrigen Teilnehmer an den Sitzungen gesagt haben, ist nur so weit wiedergegeben worden, als es zum Verständnis der Worte von Dr. Steiner notwendig erschien. Die Worte von Dr. Steiner selbst sind so vollständig mitgeteilt, wie sie im Stenogramm enthalten waren.»

Um die Schubert-Gabertschen Kürzungen der Voten der übrigen Teilnehmer bewerten zu können, wurde ein Vergleich mit den im Archiv der Rudolf Steiner­Nachlaßverwaltung vorliegenden Originalstenogrammen Karl Schubert vorge­nommen. Der Vergleich ergab, daß durch das Zusammenfassen und teilweise Weglassen dieser Voten sich der übertragene Umfang der Protokolle im Verhält­nis zum Gesamtumfang des Stenographierten in der Regel auf etwa 3/4 bis ¼, zum Teil auf weniger als die Hälfte reduziert hat. Dies ist zu berücksichtigen, will man sich ein Bild der Dauer der Sitzungen und des wirklichen Anteils Rudolf Steiners an den Besprechungen machen. Diesbezüglich fällt aber noch mehr ins Gewicht, daß auch die Originalstenogramme einen sehr unterschiedlichen Grad von Lük­kenhaftigkeit aufweisen. Sie reichen von annähernd vollständigen Protokollen bis zu nur wenigen stichwortartigen Notizen. Eine vollständige Übertragung der Originalstenogramme jedoch heute noch vorzunehmen, würde eine jahrelange äußerst mühsame Arbeit erfordern und das Ergebnis wahrscheinlich doch sehr unbefriedigend bleiben. Das Wesentliche für die Rudolf Steiner Gesamtausgabe sind ja auch in erster Linie die Ausführungen Rudolf Steiners.

Die in der von Marie Steiner in Jahre 1947 herausgegebenen Vervielfältigung häufig vorkommenden Pünktchen (...) markieren nicht, wie irrtümlich ange­nommen werden könnte, von ihr vorgenommene Textauslassungen, sondern ihr Bedürfnis, optisch wahrnehmbar zu machen, daß die Protokolle an zahlreichen Stellen unvollständig sind. Da jedoch in den Klarteztübertragungen von Karl Schubert keine Pünktchen auftreten und diese im allgemeinen Auslassungen anzeigen, ist für die vorliegende Ausgabe davon Abstand genommen worden. Hauptsächlich deshalb, um dem Mißverständnis vorzubeugen, daß irgendwelche Auslassungen vorgenommen worden seien.

Einige Textkorrekturen gegenüber der Ausgabe Marie Steiners vom Jahre 1947 gehen auf einen neuen Vergleich mit den Vorlagen von Karl Schubert zurück; ferner auf Kurznotizen von Dr. Karl Heyer, ebenfalls Teilnehmer an den Sitzun­gen des «Dreißigerkreises». Einfügungen in eckigen Klammern FI stammen vom

Herausgeber. H. W.

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Die ersten Stuttgarter Verhandlungen

am 16. und 17.Januar 1923

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Dienstag, 16. Januar: Erste Sitzung mit dem Siebenerkreis (Nachtsitzung) Mittwoch, 17. Januar: Zweite Sitzung mit dem Siebenerkreis (nachmittags)

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ERSTE SITZUNG MIT DEM SIEBENERKREIS

Dienstag, 16.Januar 1923 (Nachtsitzung)

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[Rudolf Steiner und Marie Steiner kommen abends in Stuttgart an und werden im Hause der Anthroposophischen Gesellschaft, Landhausstraße 70, von dem «Sie­benerkreis« empfangen. Von der ersten noch am gleichen Abend die ganze Nacht hindurch startgefundenen Sitzung liegt kein Protokoll vor. Marie Steiner berichtet in ihrer Ausgabe von 1947 aus der Erinnerung mit der Bemerkung: «Es ist etwas mißlich, sich nach Jahrzehnten nur auf das eigene Gedächtnis zu verlassen, man müßte an dem der anderen kontrollieren können»:]

Zweck dieser ersten Sitzung war gewesen: darzustellen die Unstim­migkeiten, die sich ergeben hatten zwischen dem Vorstand und den andern führenden Persönlichkeiten, besonders aber die Klagen der Jugend zu untersuchen. Dr. Steiner wies das sehr persönlich gefärbte Gerede über Dr. Ungers Unzulänglichkeiten recht ungehalten zurück und wollte wissen, warum sein Auftrag nicht erfüllt worden sei und der Vorstand nicht Antwort gegeben habe.* Keiner wußte etwas davon. Uehli hatte geschwiegen, die Sache einfach vergessen.** Nun

* Siehe hierzu Rudolf Steiner im Vortrag Dornach, 9. Februar 1923 (in diesem Band auf Seite 113)

** Uehli äußerte sich dazu in einem Brief vom 16.Januar 1948 an Emil Bock so: «Es ist nicht wahr, daß ich den mir damals von Dr. Steiner erteilten Auftrag habe. [Dies bezieht sich auf Marie Steiners Formulierung in ihrem Rückblick, vgl. Seite 21 dieses Bandes.] Wahr ist, daß ich mich außerstande sehen mußte, ihn auszuführen. Was sich dann Januar-Februar 1923 im Dreißigerkreis zugetragen hat, daß nicht einer, auch ich nicht, in der Lage war, auch nur einen Teil von dem zu leisten, was Dr. Steiner von dem Dreißigerkreii erwartete und forderte, das habe ich vorher in wochenlanger Qual und Bedrückung durchgemacht, und darum habe ich den Auftrag in der mir erteilten Form nicht ausführen können.... In dem tragischen Zwiespalt, in welchem ich mich damals befand, habe ich als Auiweg den Siebenerkreis gebildet, um die Lage der Gesellschaft mit Dr. Steiner zu besprechen.»

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wurde es mehr als ernst. Dr. Steiner hielt nicht mit seiner Entrüstung zurück. Er verlangte energisch, daß sich der Vorstand über seine Aufgaben klar werde, die Lage überprüfe und bei der nächsten Sitzung ihm die erwarteten Vorschläge mache, die bis dahin ausgearbeitet werden müßten. Die Nacht müßte dazu verwendet werden.

An anderer Stelle berichtet Marie Steiner über diese Sitzung so:

Die erste der intimen Sitzungen war von ausschlaggebender Bedeu­tung. Sie war gefordert worden von einer Gruppe, die sich der «Sie­benerkreis» nannte, und sollte die Absägung Dr. Ungers zum Ziele haben. Dr. Steiner bat um die Liste der Namen und fragte erstaunt:

Aber der Name Dr. Ungers fehlt ja! - Der wäre nicht eingeladen, antwortete man. Sie werden doch nicht Klagen gegen Dr. Unger vor­bringen, antwortete Dr. Steiner empört, ohne ihm Gelegenheit zu geben, darauf zu anworten?! Beschämt nahm man das zur Kenntnis. Herr Uehli war der erste Redner; er sprach lange, aber inhaltslos. Das Schwerwiegendste, was er vorbrachte, war der Umstand, daß die Jugend nicht mit Dr. Unger arbeiten wolle; sie könne keine Beziehung zu ihm finden und wolle unter sich arbeiten als eigene Gesellschaft. Andere Klagen bestanden darin, daß Dr. Unger in die Zeitung blicke, wenn er mit den Leuten spräche, und ähnliches. Die ganze Sache hatte keinen realen Boden; man versank im Wesenlosen. Dr. Steiner schwieg. Ich wagte zu sagen: Ach, Herr Uehli, würden Sie nicht ihre Anklage noch einmal vorbringen? - Er tat es, und die ganze Angele­genheit zerfiel plötzlich wie eine aufgeplusterte Schaumblase. Aber Dr. Steiner machte seiner Empörung Luft: Für so etwas werde ich gerufen, für etwas, das auf Klatsch, Antipathien und Konkurrenzneid beruht!*

- - -

* Ergebnis dieser Nachtsitzung war der Rücktritt von Ernst Uehli aus dem Zentralvorstand.

#SE259-203

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ZWEITE SITZUNG MIT DEM SIEBENERKREIS

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und den neuen Teilnehmern : Carl Unger und den beiden Waldorflehrern Paul Baumann und Dr. Herbert Hahn. Es werden als neuer Vorstand vorgeschlagen :

Emil Leinhas, Dr. Hahn, Paul Baumann, Dr. Kolisko, der an die Stelle des aus dem Zentralvorstand zurückgetretenen Ernst Uehli tritt.

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Mittwoch, 17. Januar 1923 (nachmittags)*

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Die Sitzung beginnt mit einem Vorschlag, die künftige Zusammenstel­lung des Zentralvorstandes betreffend, aus dem Herr Uehli sich zu­rückgezogen hat. Der Siebenerausschuß ist durch drei Mitglieder er­weitert worden: Dr. Unger, Baumann und Dr. Hahn sind zu der Sitzung zugezogen worden. Wortführer ist Dr. Kolisko; er über­nimmt vorläufig im Zentralvorstand die Stelle des Herrn Uehli. Es wird davon gesprochen, daß die Pflege konkreterer Beziehungen zu der Jugend notwendig sei und daß Dr. Unger den Weg zu den Jungen nicht fände; ihre Art verbände sich nicht mit der seinen.

Zu den von den vier Herren mitgeteilten Vorschlägen und Be­schlüssen, nun Anthroposophie intensiver in den Mittelpunkt der Arbeit treten zu lassen, bemerkt Dr. Steiner, daß dies der einzige Weg sei, um mit der Opposition in den Kreisen der Jugend fertig zu werden. Wenn auch die nach dieser Richtung hin tendenziös beein­flußte Jugend gefunden hätte, daß die Vorträge Dr. Ungers zu trocken seien, so dürfte das für ihn kein Grund sein, inaktiv zu werden; auch für den Zweig sei die Arbeit Dr. Ungers dringend notwendig.

Es wird von den Herren des weiteren darüber gesprochen, daß den Mitgliedern und den Zweigen in der Peripherie Informationen gege­ben werden sollten über die brennenden Fragen der Gesellschaft. Die Vertrauensleute der Zweige würden gebeten werden, zu den wichtigen Besprechungen demnächst nach Stuttgart zu kommen. Verständigung mit der religiösen Erneuerungsbewegung sollges ucht werden. Eineneue Einstellung gegenüber der Gegnerschaft ist als notwendig erkannt.

Dr. Stein: Wir wollen zusammen arbeiten. Ich glaube, daß auch Dr. Unger mit uns arbeiten kann.

Dr. Unger: Die nächstliegenden Aufgaben sind in diesen Vorschlägen zusammen­gefaßt. Worauf stützt sich das Vermuten, daß Vertrauen da sein wird?

* In Marie Steiners Ausgabe - aufgrund des Protokolls von Karl Schubert - mit «Kurz nach dem 8. Jan. 1923» bezeichnet. Das genaue Datum konnte erst jetzt erruiert werden.

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Dr. Steiner: Ich möchte eine Frage aufwerfen bezüglich der gemachten Vorschläge. Es kommt nicht darauf an, daß jetzt eine Anzahl von Persönlichkeiten die Dinge, die hier formuliert worden sind, im Kopfe haben und sie aussprechen; denn diese vier Wände hier hören ganz stumm zu! Es kann zunächst die Meinung sein, daß es außerordentlich gut gehen wird; man muß aber einen Anfang damit machen, einsehen zu wollen, ob das eine Realität ist. Von dem mangelnden Vertrauen ist ja auch viel gesprochen worden. Wie würden Sie sich das vorstellen, den Dreißigerkreis der in Stuttgart residierenden Persönlichkeiten Montag zusammenzurufen, um die fertigen Vorschläge vorzulegen? Würden Sie sich vorstellen können, was die Versammlung zu diesen Dingen für ein Gesicht machen würde? Können Sie sich lauter Einig­keit dabei vorstellen? Wie war es denn schon bei der ersten Sitzung des Auschusses der Sieben? - Man kann nicht behaupten, daß zum Bei­spiel Herr Uehli am vorigen Abend dabei war. Er war nicht in Wirk­lichkeit dabei. Er kam, um seine Ämter zur Verfügung zu stellen. Den Eindruck, daß Herr Uehli den Siebenerausschuß zu mir gebracht hat, habe ich auch nicht empfangen. Den Eindruck hatte ich nicht. Ich hatte wohl den Eindruck, daß Herr Uehli nur mitgeschleppt wurde. Wirklich, ich hatte nicht den Eindruck, daß Herr Uehli diesen Kreis zu mir gebracht hat. Diesen Glauben konnte ich nicht haben.

Es spricht zuerst Frau Marie Steiner. Dann äußern sich mehrere Personen über die Sachlage, so wie sie von ihnen gesehen wird.

Dr. Steiner: Diese Darstellung würde ein kleines Opiat sein. Wenn wir so beginnen, so ohne Klarheit, so fußen wir auf etwas, was nicht wahr ist. Wie hätte man darauf kommen sollen, daß Herr Uehli diesen Siebenerausschuß herbeigebracht hat. - Es ist so viel gesprochen wor­den von aktiver Energie, die nun erwacht sei durch das Bewußtwerden dessen, was innerhalb der ersten Sitzungen vor sich gegangen ist. Man konnte das nicht bei allen Anwesenden merken. Herr Uehli war nicht in Wirklichkeit dabei; man kann auch nicht behaupten, daß Herr Uehli dabei war, als die Ergebnisse des ersten Abends besprochen wurden.

Mehrere Personen schildern ihre Eindrücke und Vorsätze.

Dr. Steiner: Wenn jetzt etwas geschehen soll, so kommt es darauf an, daß dies gleichsam auf einem lebendigen Gerüst stehe. Die sich Aufraffenden

#SE259-205

müssen sagen : Bisher ist das, was notwendig ist für die ganze Gesellschaft, nicht geschehen, und wir müssen es jetzt machen. - Sonst genügt es nicht; Sie müssen davon durchdrungen sein, daß es weiter nicht so geht. Sogar in einem Zirkular muß es wirklich gesagt werden:

Es geht nicht so weiter. Alles muß begründet und substantiiert wer­den. Man muß sich ganz klar darüber sein: Will man den alten Vor­stand behalten, oder will man etwas Neues haben?

Nehmen wir dieses von Ihnen auf die Tagesordnung gebrachte Beispiel der «Religiösen Erneuerung». Diese «Religiöse Erneuerung» ist ein Geschehen. Eines Tages traten Dr. Rittelmeyer und Emil Bock auf und setzten diese Sache in die Welt. Ausgegangen ist das von den verschiedenen Versammlungen, die gehalten worden sind mit den prominenten Persönlichkeiten der religiösen Erneuerungsbewegung. Aus all diesen Versammlungen haben die führenden Persönlichkeiten ihre Konsequenzen gezogen. Bei all diesen Versammlungen war Herr Uehli dabei. Es lag nicht nahe, Herrn Leinhas dazu zu berufen, son­dern just Herrn Uehli. Er kennt ganz genau alles, um was es sich handelt. Die anderen Kursteilnehmer haben ihre Aktion begonnen, das Mitglied des Zentralvorstandes aber hat sich auf den kurulischen Stuhl gesetzt!* Daraus entstand der Brei, den Sie jetzt auskochen müssen.

* Uehli war nicht nur Mitglied des Zentralvorstandes, sondern auch Religionslehrer für den freien Religionsunterricht der Waldorfschule. Aufgrund dieser beiden Funktionen war er zu den Vortragskursen für die religiöse Erneuerungsbewegung zugezogen worden. Ru­dolf Steiner hatte es als selbsn>erständlich erwartet, daß die Gesellschaft durch den Zentralvorstand, respektive Uehli, entsprechend orientiert würde. Da dies nicht gesche­hen war, gab Rudolf Steiner in seinen zwei unmittelbar vor dem Brand des Goetheanum gehaltenen Vorträgen (30. und 31. Dezember 1922) selber diese Orientierung. Vom Zen­tralvorstand erschien dann nach dem Brand in den von ihm herausgegebenen «Mitteil'm­gen» (Nr. 2, Januar 1923) folgende Mitteilung:

«Das Auftreten der Bewegung zur religiösen Erneuerung hat in weite Kreise der Anthro­posophischen Gesellschaft Schwierigkeiten und Mißverständnisse getragen. Kurz vor Beginn ihres öffentlichen Wirkens hatten die drei Mitglieder des Zentralvorstandes der Anthroposophischen Gesellschaft [Dr. Carl Unger, Emil Leinhas, Ernst Uehli] in Dor­nach eine Unterredung mit den vier leitenden Persönlichkeiten der Bewegung zur religiö­sen Erneuerung [Friedrich Rittelmeyer, Emil Bock, Werner Johannes Klein, Gertrud Spörri] über das Zusammenarbeiten beider Bewegungen. Im Sinne dieser Besprechung hatte sich der Zentralvorstand entschlossen, eine kurze Darstellung der geschichtlichen Entstehung und der Aufgaben der Bewegung für religiöse Erneuerung den Mitgliedern an dieser Stelle zur Kenntnis zu bringen. Diese Darstellung sollte unmittelbar nach Abschluß der über Weihnachten und Neujahr stattfindenden Veranstaltungen in Dornach ausge­sandt werden. Das erschütternde Ereignis der Vernichtung des Goetheanums durch ein

#SE259-206

Es folgt eine weitere lebhafte Debatte. Dr. Steiner schließt sie ab mit folgenden

Worten:

Dr. Steiner: So würde es sich also darum handeln, daß wir Montag zusammenkommen mit dem Dreißigerkreis und mit Leuten, die Sie außerdem noch zuziehen wollen. Nicht wahr, der Dreißigerkreis ist zunächst die erste Peripherie. Es handelt sich jetzt darum festzustellen, wer noch da sein soll.

Es werden Namen genannt, und die Sitzung wird geschlossen.

#TI

Die zweiten Stuttgarter Verhandlungen

Montag, 22.Januar 1923

Montag, 22.Januar: Sitzung mit dem Siebenerkreis (nachmittags), kein Protokoll Zweigversammlung; kein Protokoll

Sitzung mit dem erweiterten Dreißigerkreis (Nachtsitzung)

SITZUNG MIT DEM ERWEITERTEN DREISSIGERKREIS

Stuttgart, 22. Januar 1923 (Nachtsitzung)

#TX

Vor der Sitzung hatte eine Zweigversammlung stattgefunden, in der Bericht erstattet wurde über die Dornacher Vorträge Rudolf Steiners vom 30. und 31. De­zember 1922 über die Stellung zur religiösen Erneuerungsbewegung. Dr. Carl Unger hatte Rudolf Steiners Ansprache vom 6.Januar (in diesem Band siehe Seite 73) referiert und erklärt, indem er von der Kritik gesprochen hatte, die an der Stuttgarter Arbeit geübt wird, daß er kein Hindernis für den Fortgang der anthro­posophischen Arbeit sein wolle. Eine Diskussion über die Möglichkeit, die Ursa­che der gerügten Unmethoden zu erkennen und zu bekämpfen, wurde auf den nächsten Zweigabend angesetzt.

Nun fand anschließend die von Rudolf Steiner gewünschte erweiterte Dreißi­gerkreissitzung mit ca. 60 Teilnehmern statt.

böswillig angelegtes Feuer ist unterdessen als furchtbarer Schmerz in alle Herzen gedrun­gen. Die letzten Vorträge, die Herr Dr. Steiner noch im Goetheanum gehalten hat, behandelten die Aufgaben der anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft, und am 30. Dezember 1922, am Tage vor der Katastrophe, sprach Herr Dr. Steiner über die Bewegung zur religiösen Erneuerung; es soll im folgenden statt unserer Darstellung, die schon fertig vorlag, eine freie Wiedergabe dieses Vortrages stehen.«

#SE259-207

Dr. Steiner: Nach einer fast zehnjährigen Arbeit und nach ebenso langen Sorgen ist uns das Goetheanum zugrunde gegangen, und ich brauche Ihnen ja hier den Schmerz über diesen Untergang nicht zu schildern, schon aus dem Grunde, weil ja großer Schmerz nicht eigent­lich in Worten auszusprechen ist. Aber ein paar Worte möchte ich auch heute vor diesen Verhandlungen sprechen.

Es muß gesagt werden, daß mit der Absicht, das Goetheanum zu bauen, die Anthroposophische Gesellschaft, aus deren Mitte dieser Bau hervorgegangen ist, eine andere Gestalt angenommen hat, als sie früher hatte. Der Bau war ein Mittel, zur heutigen Welt im allgemeinen zu sprechen. Er war ein zunächst vor diese Welt tretender; und es mußte darauf gesehen werden, den Bau in solchen Formen aufzufüh­ren, daß tatsächlich durch diese Bauformen heute zur ganzen Welt gesprochen werden kann. Und das ist ja durch den Bau in einem gewissen Sinne geschehen. Damit war, ich möchte sagen, eigentlich erst die richtige Möglichkeit gegeben, heraus zureißen die anthroposo­phische Bewegung aus einem sektiererischen Wesen und ihr jene Bedeutung zu geben, von der ja nach dem Wesen der Sache seit ihrem Beginn immer wiederum gesprochen werden mußte.

Nun kann heute natürlich kaum ein richtiges Wort über die furcht­bare Dornacher Katastrophe zustande kommen, wenn nicht aus tiefe­ren Untergründen heraus über sie gesprochen wird. Das aber kann ja nicht sein. Es ist in der letzten Zeit ja fast ganz unmöglich geworden, daß innerhalb auch nur der engsten Kreise in der Anthroposophischen Gesellschaft irgend etwas von mir gesprochen wird, was uns nicht in sehr kurzer Zeit von den Gegnern in einer verkehrten Weise wieder entgegentönt. Über tiefere Angelegenheiten esoterisch zu sprechen ist ja heute deshalb unmöglich geworden, weil die Worte eben nicht innerhalb der Kreise bleiben, in denen sie gesprochen werden. Und so muß ich sagen, daß es ja - abgesehen davon, daß es in diesem gegen­wärtigen Augenblick nicht gut angeht, über die geistige Seite der Dornacher Katastrophe zu sprechen -, wahrscheinlich überhaupt nicht möglich sein wird, über diese geistige Seite zu sprechen. Es können sich verschiedene Leute mancherlei Gedanken machen, warum das so hat kommen können. Allein, diese Dinge muß ich eben, wie gesagt, leider unausgesprochen lassen.

Es tritt uns ja eine andere Seite dieses so unendlich schmerzlichen Ereignisses sofort entgegen. Und da wir uns durch den Schmerz nicht

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niederdrücken lassen dürfen, so geht uns zunächst diese andere Seite doch vor allen Dingen an. Das ist dasjenige, was, ich möchte sagen, von der Brandnacht an sogleich vorausgesetzt werden konnte; näm­lich die Art und Weise, wie uns das Echo der Welt, nachdem uns das Unglück getroffen hat, entgegentönt. Die Gegner benützen das Un­glück, um weitere Waffen für diese Gegnerschaft zu schmieden. Wir sehen aus dem Hohn und Spott, mit dern uns überall begegnet wird, etwas sich herausbilden wie die Spitzen neuer Angriffswaffen, die in der nächsten Zeit immer stärker werden sollen. Und wir müßten vor allen Dingen auf dasjenige sehen, was uns bevorsteht.

Deshalb mußte ich in Dornach betonen, und damit komme ich auf den Zweck unseres heutigen Zusammenseins, der sich mit der Zukunft befassen soll, daß es sich ja, wenn daran gedacht wird, irgend etwas wiederum in Dornach oder sonstwo aufzubauen - etwas Bestimmtes kann ja noch nicht gesagt werden -, was ein äußeres Wahrzeichen der anthroposophischen Bewegung sein kann, daß es sich darum handelt, die Anthroposophische Gesellschaft zu konsolidieren. Denn in einem gewissen Sinne fehlte dern Dornacher Bau, der laut zur ganzen Welt sprach, der Hintergrund der schützenden Anthroposophischen Ge­sellschaft. Die Anthroposophische Gesellschaft verfiel im Grunde genommen von dem Moment ab, wo man den Bau begann. Nicht daß die Zahl der Mitglieder eine geringere geworden war, aber gerade die Art der Ausbreitung in den letzten Jahren, die notwendig und erfreu­lich war, die hat der Sache selbst in einer außerordentlich starken Weise geschadet. Und der Bau hätte nötig gehabt, daß eine starke Anthroposophische Gesellschaft ihm zur Seite gestanden hätte.

Nun, meine lieben Freunde, dasjenige, was in dieser Beziehung zu sagen ist, haben schon kleinere Körperschaften während meiner bei­den Anwesenheiten gesagt, und es soll Gegenstand der heutigen Ver­handlungen sein. Ich selbst möchte nur vorausschicken, was von meiner Seite vorausgeschickt werden muß, damit von meiner Seite aus die heutige Zusammenkunft nicht unverständlich bleibt. Im Verlauf der Debatte, die ich nicht aufhalten möchte, soll dann nur das von mir gesagt werden, was schon seit längerer Zeit mir als schwere Sorge auf der Seele gelegen hat und was dazu geführt hat, daß ich bei meiner Anwesenheit hier im Dezember [am 10. Dezemberj ein Gespräch herbeiführte mit einem Mitglied des Zentralvorstandes. Dieses Ge­spräch beschäftigte sich im wesentlichen mit der Notwendigkeit, diejenigen

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Aufgaben in Angriff zu nehmen, welche der Anthroposophi­schen Gesellschaft aus ihrer Mitgliedschaft erwachsen sind. Nicht so sehr durch dasjenige, was ich selbst zu tun hatte. Es war notwendig geworden, darauf aufmerksam zu machen, daß gegenüber diesen Auf­gaben und gegenüber der Situation, die sich allmählich herausgebildet hatte, mir nur zwei Dinge [zu erklären] blieben, da ich nicht weiter zuschauen könnte. Zwei Dinge, von denen das eine war, daß ich Herrn Uehli als vor mir sitzenden Repräsentanten des Zentralvorstandes sagen mußte: Ich setze voraus, daß der Zentralvorstand sich in den allernächsten Tagen über die Anthroposophische Gesellschaft berät, damit er zunächst für sich selbst, verstärkt durch prominente Persön­lichkeiten hier, mir bei meiner [nächsten] Anwesenheit von sich aus seine Meinungen, Ansichten und Vorschläge entgegenbringe, die ich mir dann anhören werde, um zu sehen, ob aus der Mitte der Gesell­schaft heraus durch ihre bisherige Führung es möglich ist, wirklich diese Gesellschaft zu konsolidieren. Ich sagte also: Ich erwarte vom Zentralvorstand, daß er bei meiner [nächsten] Anwesenheit in Stutt­gart in solcher Weise mir entgegentritt, daß er mir seine Vorschläge unterbreitet. Sonst sähe ich mich gezwungen, den Zentralvorstand weiterhin zu ignorieren und mich direkt an die gesamte Mitgliedschaft zu wenden, indem ich versuchen würde, den Anfang zu einer Konso­lidierung der Gesellschaft zu machen. Ich würde es unendlich bedau­ern, wenn dieser Schritt notwendig wäre, deshalb schlage ich den anderen vor.

Ich mußte damals abreisen und erwartete die entsprechenden Kon­sequenzen dieser meiner Aufforderung. Nun, meine lieben Freunde, dann verging die Zeit mit den Vorbereitungen für alles, was in Dorn-ach stattfinden sollte : zu dem naturwissenschaftlichen Kursus, den Weihnachtsspielen, der Eurythmie. Im Laufe des Dezembers konnte ich nicht wiederum herüberkommen. Und dann kam die Katastrophe. Ein großer Teil der hiesigen Freunde war drüben in Dornach. Und das möchte ich nicht unterlassen zu erwähnen : In der Brandnacht hat, wie immer, wenn es darauf ankommt, das Nötige zu tun, die Mitglied­schaft nicht versagt, sondern sie hat so gewirkt, daß es jedem Ideal entspricht.

Nun erfuhr ich von seiten des Zentralvorstandes, daß als erster Schritt unternommen werden sollte, sich an die Mitglieder mit den Mitteilungen zu wenden, welche die Bewegung für religiöse Erneuerung

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betreffen. Es sollte dies ein erster Schritt sein, und weitere Schritte sollten folgen. Es war selbstverständlich, das verständlich zu finden, denn ich hatte ausdrücklich Stuttgart als den Ort bezeichnet, wo sich diese Dinge zugespitzt hatten. Und so war das in Ordnung.

Nun aber, nachdem die Katastrophe uns betroffen hatte, sollte auf Veranlassung des Zentralvorstandes eine Versammlung der Mitglieder stattfinden. Und ich wurde, kurz bevor die Versammlung beginnen sollte, gefragt [am 5.Januar in Dornach], was dabei geschehen solle. Ich antwortete: Wenn man in dieser Situation sprechen will, so muß man über die Konsolidierung der Gesellschaft sprechen. Herr Uehli sagte, das soll in Stuttgart im engeren Kreis geschehen. Ich setzte voraus, daß man nicht darüber sprechen kann, ohne daß man sich über das Wichtigste informiert hat.

Am nächsten Tage wurde die Versammlung gehalten [am 6. Januar in Dornach], und bei dieser Gelegenheit habe ich eine Ansprache gehalten, die Ihnen von Dr. Unger referiert worden ist [am 9. Januar in Stuttgart]. Dann kam ich vorige Woche an, und es war auf irgendeine Weise ein Kreis zustande gekommen, der mit mir am Dienstag der vorigen Woche [16.Januar] eine Nachtsitzung abhielt, in der die Dinge zum Ausdruck kamen, die Ihnen von den betreffenden Persön­lichkeiten mitgeteilt werden können. Und ich war im Grunde genom­men vor der Situation, daß dasjenige, um was ich den Zentralvorstand gebeten hatte, nicht geschehen war, daß mich aber eine freie Gruppe von führenden Persönlichkeiten erwartete und über die Konsolidie­rung der Gesellschaft verhandelt. Am nächsten Tage [17. Januar] wurde auch Dr. Unger hinzugezogen. Heute nachmittag bemerkte ich zu derselben Gruppe,* daß es sich nicht darum handeln könne, irgend etwas am grünen Tisch zu beschließen, sondern daß diejenigen, die etwas wollen, wurzeln müßten in etwas Realem, in den wirklichen Intentionen der Mitgliedschaft. Und ich bat deshalb, den nächst weite­ren Umkreis zu berufen, damit nicht bloß darüber geredet wird, was schön wäre, sondern damit sich zeigen könne, ob von alledem [was geredet wird] etwas in den Menschen der Gesellschaft wirklich wurzelt.

Ich hoffe von dem heutigen Abend, daß sowohl von seiten derjeni­gen, die bisher die Initiative ergriffen haben, wie auch von seiten der anderen eine ehrliche Aussprache stattfindet. Es ist unmöglich, sich

* Siebenerkreis. Von dieser Sitzung liegen keine Notizen vor.

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damit zu begnügen, sich vorzumachen : Es wird schon gehen. - Son­dern es handelt sich darum, daß tatsächlich alle die Dinge zum Vor­schein kommen, die der Zersplitterung der Gesellschaft zugrunde liegen, daß zum Vorschein kommt, in welcher Weise man in der Zukunft arbeiten will, damit die Gesellschaft bestehen [bleiben] kann. Denn so, wie es bisher war, kann sie nicht bestehen [bleiben]. Es würde nichts nützen, einen Bau aufzuführen, denn so, wie die Dinge jetzt liegen, würde die Gesellschaft, ehe er fertig wäre, nicht mehr bestehen, sie würde in ihre Atome auseinandergefallen sein. Es handelt sich darum, daß in der bestimmtesten Weise gesprochen wird, damit gesehen werden kann, inwiefern die Gesellschaft aus ihrem eigenen Schoße fortgeführt werden kann.

Emil Leinhas: Es sind Mitglieder aus den verschiedensten Schichten der Gesell­schaft für heute abend zusammengerufen worden, um über die Lage der Gesell­schaft zu beraten. Ein engerer Kreis hat die notwendigen Fragen in Fühlung mit mir, mit Dr. Unger und Herrn Uehli besprochen. Es ist da eine Entschließung ausgearbeitet worden, die heute abend vorgelesen werden wird.

Eugen Kolisko: Es entstand durch eine Ansprache von Dr. Steiner [6.Januar] die Aufgabe für die Mitglieder, sich zu kümmern um die Führung der Gesellschaft und um die Art, wie diese Führung seit 1919 gehandhabt wurde. Es ist eine starke Kritik am Zentralvorstand vorhanden und viel Mißtrauen. Es ist keine Verständi­gung mit der Jugend da und auch keine harmonische Zusammenarbeit innerhalb des Zentralvorstandes.

Es werden Vorschläge gemacht zur Neugestaltung des anthioposophischen Le­bens durch Schaffung einer Vertrauensorganisation. Eine Erklärung an die Ge­samtmitgliedschaft soll gegeben werden. Dr. Unger ist bereit zurückzutreten. Herr Uehli hat sein Amt niedergelegt. Es werden vorgeschlagen die Herren Leinhas, Hahn, Baumann und Kolisko.

Dr. W J. Stein erklärt, daß er und seine Freunde bereit sind mitzuarbeiten, wie sie sich gegenseitig versprochen haben. Es würde sehr gut sein, wenn sich herausstel­len würde, daß in sehr weiten Kreisen der Wille zur Mitarbeit vorhanden ist.

Paul Baumann: Die Person von Kolisko ist mir dafür Bürge, daß keine Clique emporsteigt.

Mehrere Redner sprechen sich für Eugen Kolisko aus; einige bitten Carl Unger, im Vorstand zu bleiben. Es entsteht ein Hin und Her verschiedenartigster Mei­nungen, und es erfolgen noch andere Vorschläge für eine Vorstandserweiterung.

Paul Baumann: Dr. Unger ist belastet durch die Leute, die ihn besonders stützen wollen, die seine Clique sind.

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Dr. Unger erklärt, daß er nicht im Wege sein wolle, wenn ein anderer Kreis die Sache machen wolle. Erst wenn diesem dies nicht gelänge, würde er die Verpflich­Lung fühlen, die Sache wieder in die Hand zu nehmen. Es sei die Probe zu machen, ob der Kreis Vertrauen finde.

Emil Leinhas erinnert an Dr. Steiners Ausspruch Herrn Uehli gegenüber, daß er genötigt sein würde, wenn nichts geschähe. sich in einem Rundschreiben direkt an die Mitglieder zu wenden.

José del Monte: Die vorgeschlagenen Herren außer Herrn Leinhas sind sehr jung in der Gesellschaft, sie würden nicht viel Vertrauen bei den älteren Mitgliedern finden. Dr. Unger sollte doch dabei sein.

Es werden noch einige andere Vorschläge gemacht.

Dr. Steiner: Aus dieser heutigen Versammlung müßte, ganz abgesehen von Personenfragen, hervorgehen, in welcher Weise sich die Dinge in der Zukunft aus dem Schoß der Gesellschaft selbst ändern werden. Es ist heute wiederholt auf einen Kreis hingewiesen worden, der hier in Stuttgart als ein erweiterter Kreis für die verschiedenen anthroposo­phischen Angelegenheiten Sorge getragen hat. Ich habe in diesem Kreis verschiedenes vorgebracht, von dem man sagen kann, die Dinge können nicht gleich bis zum letzten gelöst werden. Man könnte sich interessieren dafür und wirklich - das soll alles sine ira gesagt wer­den-: Ein einziges Mal ist mein Wort gehört worden, wenn ich in diesem Kreise davon gesprochen habe, daß es nötig ist, für die Ord­nung der Angelegenheiten drüben in der Schweiz einzutreten, indem nämlich seither Herr Leinhas sich in intensiver Weise der damals gestellten Forderung hingegeben hat. Dadurch ist für den Zentralvor­stand eine Schwierigkeit eingetreten. Ich konnte nicht wünschen, daß Herr Leinhas sich den Geschäften des Zentralvorstandes widmet. Er hatte wirklich für den ganzen Menschen vollständig genug zu tun.

Mit dieser Sache steht zugleich in Verbindung, daß nicht auch für den «Kommenden Tag» durch ein Nichtweiterfunktionieren die Un­methode einträte, die Sache so zu machen, daß man sie anfängt und dann verläßt. Daß Herr Leinhas eine führende Persönlichkeit sein muß, ergibt sich aus der Natur der Sache. Ich betone dies ausdrücklich, daß dies der einzige Fall war, wo man sich interessiert hat für die Dinge, die ich vorgebracht habe. Es ist eine große Merkwürdigkeit, daß ich von einer so außerordentlich wichtigen Angelegenheit gespro­chen habe und von zwei Seiten behauptet wird, die Dinge seien nicht vorgekommen. Also, daß das nicht so fortgehen kann, ist selbstverständlich

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und beweist, wie sehr es eine dringende Notwendigkeit war, das auszusprechen.

Die Dinge, die hier besprochen worden sind, sind nicht gehört worden. Die gewichtigsten Angelegenheiten fanden nicht das gering­ste Echo. Es kann so nicht weitergehen. Ich betone eines: Schließlich sind ja vom Jahre 1901 bis 1918 die Dinge in der Anthroposophischen Gesellschaft nicht leichtsinnig gemacht worden. Sie sind entstanden; und so kann man auch sagen, daß der Zentralvorstand aus der Historie entstanden ist. Er hat dies Stück Geschichte hinter sich. Er ist mit alledem belastet, was wir heute abend gehört haben. Das eine müssen Sie bedenken: Es ist doch ganz unmöglich, daß man bloß aus abstrak­ten Diskussionen heraus eine Änderung herbeiführen kann. Es müs­sen positive Willensimpulse hervortreten. Nach dem, was heute abend gesprochen worden ist, muß ich sagen: Ich habe erwartet, daß man irgendwie etwas meint über die Sache, nicht daß man allerlei Vor­schläge macht und dergleichen. Selbstverständlich ist es unmöglich, daß - wie vorgeschlagen worden ist - drei Waldorflehrer eine neue Führerschaft bilden. Wenn aus diesem Ton heraus geredet wird, kom­men wir nicht zu einer neuen Führung. Es muß irgendwie etwas ersichtlich sein nach der Richtung hin, daß gearbeitet werden soll aus einem anderen Impuls heraus. Solange das nicht der Fall ist, ist es nicht möglich, die Gesellschaft auszuliefern an eine neue Führung. Etwas, was sich vom Jahre 1901 bis 1918 ergeben hat und was nicht entwach­sen war der Ära des Projektemachens, das läßt sich nicht, indem man das Projektemachen fortsetzt, auf einen grünen Zweig bringen. Das muß mit Ernst aufgefaßt werden. Wenn dieser Ernst heute abend nicht zutage tritt, kann diese Diskussion nicht zu einem Resultat führen. Die Majorität hat geschwiegen, um hinterher malkontent [=unzufrieden, mißvergnügt] zu werden. Wenn man ein paar Worte sagt, so ist damit nicht gedient. Es handelt sich darum, daß wir hier zusammengekom­men sind, damit die Dinge, aus denen ein neuer Impuls entsteht, gehört werden können. Zum bloßen Sitzen ist keiner gerufen worden, und es muß jeder eine Meinung haben, die zum Impuls werden kann. Wenn die Diskussion in dem Fahrwasser sich weiterbewegt, in dem sie sich bis jetzt bewegt hat, kommen wir nicht weiter. Alte Mitglieder, die zu solchen gewichtigen Versammlungen bloß als Beisitzer kom­men, zeigen kein Interesse am Fortgang der anthroposophischen Be­wegung.

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Es sprechen eine große Anzahl von Mitgliedern.

Adolf Arenson: Es wäre schon immer Gelegenheit gewesen, Vertrauen zu haben und Initiativen zu ergreifen.

Frl. Waller: Es wäre zu erwägen, ob nicht etwas Besseres herauskäme, wenn Dr. Steiner seinen Weg allein weiterginge.

Eine Reihe anderer Persönlichkeiten äußern sich.

Dr. Noll: Die Konsolidierung ist verpaßt worden. Es wird alles verflattern, wenn Dr. Steiner nicht mit den Zweigen in Verbindung tritt.

Es äußern sich Dr. Krüger, die Herren Ruhtenberg, Kühn, Leinhas.

Dr. Steiner: Ich weiß nicht, was Dr. Krüger mit der «Abkapselung» gemeint hat. Ich glaube, daß er darunter nur das «Stuttgarter System» verstehen kann. Ich will das «Stuttgarter System» an zwei Beispielen illustrieren. Es ist jetzt schon lange her. Wenn es auch an Orten, wo das vorgekommen ist, nicht mehr vorkommt, so kommt es doch in anderer Form vor. Es handelt sich darum, daß jemand mit jemandem in der Champignystraße 17 etwas zu besprechen hatte. Der eine war in seinem Amt in der dritten Etage, der andere zu ebener Erde. Der betreffende Herr in der dritten Etage hat sich mit dieser Mitteilung an den andern in der Weise gewendet, daß er einen Brief in die Schreibma­schine diktiert hat und diesen Brief kuvertieren ließ. Der Brief ist liegengeblieben bis Montag früh; er wurde Dienstag zugetellt.

Ich habe mit Herrn Uehli am 10. Dezember gesprochen. Herr Uehli ist als Mitglied des Zentralvorstandes Kollege von Dr. Unger; die beiden Herren besorgen den Zentralvorstand. Diese wichtige Mit­teilung wurde in nur mangelhafter Form am 24. Dezember wieder besprochen [und vor allem ohne Dr. Unger]. Ich frage mich: Ist dies dadurch so untergetaucht, daß sich die beiden Herren nicht bespro­chen haben? Das sind die Dinge, die in Stuttgart passieren und die dahin führen, daß man von einer Bürokratisierung spricht. Es treten einem einzelne, verlaufene Menschen entgegen. Das ist das Stuttgarter Unglück, das ist die Abkapselung eines jeden von jedem. Wir müssen in den heißen Brei hineintippen. Versuchen Sie sich die Frage zu beantworten: Wie kommt der einzelne an den anderen heran? - Ich kann nicht glauben, daß aus Diskussionen irgend etwas Segensreiches herauswachsen kann.

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Es sprechen für den neuen Vorstandsvorschlag [Emil Leinhas und die drei Wal­dorflehrer Dr. Herbert Hahn, Paul Baumann, Dr. Eugen Kolisko]: Frl. Dr. Mel­linger, Dr. Palmer, Jürgen von Grone, Herr Kieser, Frl. Völker, Dr. Streicher, Herr Benkendoerfer.

Dr. Steiner: Derjenige, der sich das vorstellen kann, soll sich vorstel­len, was es bedeutet: drei Waldorflehrer müssen die Führung überneh­men. Das geht nicht von seiten der Anthroposophischen Gesellschaft. Es geht auch nicht von seiten der Waldorfschule. Die Waldorfschule, die sorgfältig als eine Nicht-Weltanschauungsschule gehalten werden soll, hat allen Grund, keinen einzigen Lehrer in den Vorstand zu schicken. Es ist eine schmerzliche Tatsache, daß just nur Waldorfleh­rern ein Licht aufgegangen ist. Dagegen habe ich nicht bemerkt, daß Herr Uehli im Komitee real drinnen war. Der Kreis, der mir entgegen­getreten ist, bestand lediglich aus Waldorflehrern. Es ist ein schmerzli­ches Ereignis, daß nur denen ein Zündholz aufgegangen ist in ihrem Gehirn. Denen ist aus ihrem eigenen Vermögen die Sache aufgegan­gen. Wenn ein Waldorflehrer im Vorstand darinnen ist, so ist das schon viel. Aber so, wie Sie den Vorstand vorschlagen, kann er nicht sein. Mitarbeiten kann ein weiterer Kreis. Nun also : Es ist [nicht] wünschenswert, daß möglichst viele Waldorflehrer darin sind. Sobald man diesen Vorschlag macht, bezeugt man, daß man die Situation nicht richtig beurteilt. Es herrscht ja nur Verwirrung. Die Tatsache, daß es nur Waldorflehrer sind, ist ein Beweis für die Stuttgarter Abkapselung. Die Waldorfschule sollte keine Clique sein; sie ist eine Körperschaft. Es stecken hier diejenigen die Köpfe zusammen, die in denselben Raum hineingebannt sind. Wenn in Stuttgart so gearbeitet wird, so kommt nie etwas zustande. Ich bin durchdrungen davon, daß viele von denen, die hergekommen sind, draußen gut arbeiten. Aber in Stuttgart werden sie dann etwas Besonderes. Das Aktenmachen muß von innen heraus überwunden werden. Eine gewisse Regierung riß schon ein; man stellte sich vor, man könne regieren. Das trat schon 1919 auf, wo man Dinge, die bestimmt waren, mit dem ganzen Ernst genommen zu werden, in Form der «Gschaftlhuberei» machte. Stu­dieren Sie, wie sich diese Dinge entwickelt haben, und betrachten Sie nur, was da plötzlich für ein Getue auftrat. Manches ist zum Verzwei­feln gewesen. Und die Früchte zeigen sich nun. Gerade seit 1919 hat uns das «Stuttgarter System» ins Unglück hineingefahren durch einen gewissen Mangel an Ernst bei den Dingen, die nach und nach unternommen

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worden sind. Dieser «Bund für freies Geistesleben» ist nur ein Beispiel dafür. Er besteht überhaupt aus nichts als aus einem Stück Papier, worauf zwölf Namen stehen.

Es ist die Frage, ob nicht gleich heute die Einberufung der Ver­sammlung zu erwägen wäre.* Es ist die Fühlung von Mensch zu Mensch so verlorengegangen, daß diese Frage zu erwägen wäre: ob nicht zur Wiederbelebung dieser Fühlung eine wirkliche Versamm­lung einberufen werden müßte, in der zutage treten könnte, was man denkt und will. Es fragt sich, ob das weiter so geht, daß man der Gesellschaft einfach diktiert. Ob sich nicht die neue Führung verstän­digen muß mit denen, die da kommen. Wenn ich bedenke, daß die Sache hier noch so unreif war, daß ich heute nachmittag bitten mußte, diesen Kreis zusammenzuberufen, weil man nicht zwischen vier Wän­den sagen kann: Wir machen vier Leute zum neuen Vorstand. Das Echo war voll von gutgemeinten konventionellen Aussagen, aber es war weder nach der einen noch nach der anderen Seite hin dezidiert. Es war der Ausdruck guter Absichten, aber es war nicht der Ausdruck des starken Willens.

Solche Dinge, wie ich sie geäußert habe, wenn ich auch den Mitwir­kenden damit nichts Schlechtes nachsagen möchte, solche Dinge sind durchaus real. Ich bin absolut in der Lage, sagen zu können: Hier in Stuttgart ist eine Unsumme der besten Talente. Das Unglück ist, daß die Menschen ihre Talente nicht in entsprechender Weise anwenden wollen. Am Können fehlt es nicht. Erleuchtete Geister sind hier. Wenn ich versuchte, auf Leistungen hinzuweisen, so ist das für viele ein Grund, diese Leistungen fast totzutreten. Das ist die innere Oppo­sition. Ich möchte einmal wissen, wer in der Lage ist zu sagen, daß Dr. Unger nicht die allerhöchsten Fähigkeiten hätte. Gegen das Kön­nen ist nichts einzuwenden. Der Wille muß gefunden werden! Nicht mit Donnerworten ist es getan, sondern mit dem Willensinhalt. Man muß anfangen, die Dinge zu studieren.

Ein anderes Beispiel ist dies: Es geschieht alles für die religiöse Erneuerungsbewegung. Herr Uehli ist dabei. Und nachdem in Dornach am 17. September die Sache fertig ist,** geht er nicht nach Stuttgart,

* Vermutlich war bereits von der Absicht einer allgemeinen Mitgliederversammlung ge­sprochen worden, die dann Ende Februar als Delegiertenversammlung realisiert wurde.

** Am 17. September1922 war der Kreis der Urpriester begründet worden. Ernst Uehli als Mitglied des Zentralvorstandes war von Rudolf Steiner zugelassen worden.

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um die richtigen Maßnahmen zu treffen unter der Vorausset­zung, daß etwas Wichtiges dadurch geschaffen worden ist, sondern er setzt sich auf seinen kurulischen Stuhl und tut nichts. Es wird dann Ende Dezember furchtbar spät ein Kind geboren.» Vor dem wird heute gestanden. Das wird vielen Leuten, die diese oder jene Stellung eingenommen haben, Seelenschmerzen bereiten. - Und weiter: Es macht gar nichts aus, daß man einen Titel trägt, sondern, daß man etwas tut. Es ist vieles versäumt worden. Es ist das keine Zeitfrage, sondern eine Interessen- und Unterscheidungsfrage. Man muß den Willen haben, die Dinge auf ihre Wichtigkeit, auf ihre Bedeutung oder Unbedeutung hin anzuschauen. Eine große Resonanz wäre notwen­dig. Diese Befestigung darf nicht auf bürokratische Weise herbeige­führt werden, sondern auf sachlich-menschliche Weise.

Emil Leinhas spricht.

Dr. Steiner: Vielleicht wird es doch draußen jemandem einfallen, auch die Ursachen dieser Dinge ins Auge zu fassen; ohne das kommt man nicht weiter. Es ist eine geistige Bewegung. Man muß zurückgehen auf die geistigen Ursachen der Dinge. Nicht wahr, jetzt kann man mit Recht furchtbar erstaunt sein über die Erfolge der religiösen Erneue­rungsbewegung. Man stutzt plötzlich, daß die Leute so viel Anklang finden. Aber man geht nicht auf die Ursachen zurück, darauf, wie sich das Ganze entwickelt hat, wie diese religiöse Erneuerungsbewegung entstanden ist. Wenn diese Methoden so weitergehen, wird die An­throposophische Gesellschaft dastehen wie ein gerupftes Huhn, weil ihr alle Federn ausgerupft werden. Sie mag noch den ursprünglichen Saft haben.-- Die Vorträge werden eingesperrt; und dann kommen die anderen zu mir [und wollen sie lesen], und ich muß sagen, die haben sie eingesperrt. So weit kriegen Sie die Sache. Nun hat sich diese [religiöse] Erneuerungsbewegung gebildet. Denken Sie, wenn Sie in der Anthroposophischen Gesellschaft die Kraft gehabt hätten, sie zu absorbieren! Dr. Rittelmeyer und Emil Bock sind aber weggegangen [von der Gesellschaft].

Es war eine gute Sache, daß hier in Stuttgart die «Bewegung für Dreigliederung» betrieben wurde. Wie ist sie betrieben worden? Es ist ein Büro gegründet worden. Was waren die Ortsgruppen? Die Zweige der Anthroposophischen Gesellschaft. Die Orts gruppen hat man ruiniert

* Siebe unter Hinweise.

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durch den Stuttgarter Bürokratismus. Der Bürokratismus der Dreigliederungsbewegung hat von Stuttgart aus direkt die Zweige untergraben. Wenn jetzt die religiöse Erneuerung sich der Zweige bemächtigt, so tut sie nichts anderes, als was die Dreigliederungsbewe­gung auch getan hat. Ich muß gestehen, daß ich mich mit einem gewissen Schrecken daran erinnere, wie sich hier diese Bewegung inauguriert hat. Neues hat die Dreigliederungsbewegung nicht ge­macht. Man erinnere sich daran, wie sich die Dreigliederungsbewe­gung mit nicht geringen Posaunen hier festgesetzt hat. Es geht nicht weiter, wenn nicht jemand auftritt und sagt : Wir wollen gründlich Kehraus machen mit den Methoden von 1919. - Hier handelt es sich darum, daß man diese Dinge einsieht: warum man zum Beispiel einen Brief schreibt; und warum durch vierzehn Tage hindurch die Spitzen der «Behörden» nicht miteinander reden. Wenn das nicht anders wird, so geht es nicht weiter. Es wird nicht anders, wenn Sie nicht von diesem Gesichtspunkt aus den Dingen real entgegentreten und die Sache beim richtigen Namen nennen. Durch das, was bis jetzt gesche­hen ist, wird es nicht anders. Darauf kommt es an, daß man aus einem andern Ton heraus spricht und handelt, und zwar schnell und rasch, daß nicht alles wieder in den Wind geschlagen wird, was ich gesagt habe. Ich wußte überhaupt nicht, warum ich hier erscheinen sollte;* meine Worte wurden in den Wind geschlagen. Mit Ausnahme des einzigen Falles, der in ausgezeichneter Weise erledigt worden ist, war es so, daß man mir begreiflich machte: «Mach' ja bloß nichts!» Es ist nur der Ernst der Situation, aus dem heraus ich die Notwendigkeit habe, so zu sprechen.

Ich möchte die Empfindung hervorrufen für dasjenige, was not­wendig ist. Ich will wahrhaftig nicht irgend jemandem eine Lektion erteilen. Man kann heute nicht anders, als auf den Ernst der Situation aufmerksam machen. Wenn sich die Anthroposophische Gesellschaft so weiter verhält, verkaufen Sie in fünf Jahren kein einziges anthropo­sophisches Buch mehr. Die Anthroposophische Gesellschaft hat sich zu einem argen Hemmschuh entwickelt. Da muß eine vollständige Umkehr stattfinden.

- - -

* «Mit der Bitte um Hilfe wandte man sich an R. Steiner.» Aus Marie Steiner» Ennnerungs­notizen der ersten Siebenersitzung.

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Reaktion auf die Versammlung vom 22. Januar 1923 von seiten eines Mitgliedes

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ZWEI BRIEFE VON LIA STAHLBUSCH AN RUDOLF STEINER

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Tiefverehrter Herr Doktor! Stuttgart, 23.1.23

Ich danke es dem Schicksal, das mich teilnehmen ließ an der gestrigen Sitzung und mich Einblicke tun ließ in Dinge, die man wohl mitempfand, aber nicht in ihrer Realität kannte.

Lange schon empfinde ich die Notwendigkeit einer Erneuerung in der Anthro­posophischen Gesellschaft, weiß ich, daß die Eiseskälte, welche darin herrscht in dem Verhältnis von Mensch zu Mensch, ein Ausfluß ist falscher Einstellung, die Zerstückelung zeitigt und die nicht den Kämpfen von draußen gewachsen sein kann. Hätten wir nur in einem kleinen Teile Soziales gelebt, es wären viele Angriffe und vielleicht auch das Schlimmste zu Neujahr unmöglich geworden. So zwang es mich gestern, zum Ausdruck zu bringen, daß wir nicht berechtigt sind, Anklagen dem Vorstand gegenüber zu erheben. Ich meine, dies sei unter der Wucht der Erkenntnisse und Tatsachen unmöglich und dürfte nur allein von seiten des Herrn Doktor geschehen. Der gestrige Abend hätte vielleicht bessere Früchte zeitigen können, wenn wir aufnehmend in uns das, was der Herr Doktor uns über die Persönlichkeiten des Vorstandes und ihre Fehler zu sagen hatte, wir unsererseits uns mit Vorschlägen zur Konsolidierung der Gesellschaft beschäftigt und ausgesprochen hätten. Ich mußte mich fragen, ob es gut war, sogleich die drei Persönlichkeiten zu nennen, die für die Neuwahl aufgestellt waren - ob es nicht besser gewesen wäre, zu unbefangener Neuwahl in dem verhältnismäßig kleinen Kreise aufzufordern ohne eine sofortige Herausstellung bestimmter Persönlich­keiten, wodurch sogleich in eine Stellungnahme hineingedrängt wurde. Mein sofortiges Empfinden, daß nicht drei Waldorflehrer an der Spitze der Gesellschaft stehen könnten, wurde durch Herrn Doktor bestätigt. Der Kreis, aus dem diese Vorschläge erwachsen sind, hat bei allem guten Wollen aber doch bewiesen, daß auch ihre eventuelle Leitung einer Ergänzung bedürfen werde. Diese Erwägung drängte mir wiederum die Einsicht auf, wie schwer es ist, den richtigen Vorstand zu finden, weil wir wohl alle nur mehr oder weniger Teilkräfte darstellen, die in der Ergänzung erst ein Geeignetes werden können. So meinte ich, daß eine Kraft, wie Herr Dr. Unger, dessen klares und entschiedenes Vertreten, das bei den letzten bedeutsamen Anlässen sich uns wiederum darlebte, schwer zu ersetzen sein wird, und ich wähnte, daß, wenn statt Herrn Uehli eine glücklichere Ergän­zung gewählt würde, der von uns allen gewiß bitter empfundene Bürokratismus

zu beseitigen wäre. So bat ich um die Wiederwahl des Herrn Dr. Unger. Auch wünschte ich einzutreten für die Wahl einer Frau in den Vorstand, weil ich glaube, daß die Frauen eine bestimmte Aufgabe in der Gesellschaft zu erfüllen haben und eine Vertreterin im Vorstand notwendig wäre. - Ich wollte dies alles gestern einbringen, es zeigte sich aber, daß ich nicht sprechen konnte. Gestatten Sie mir,

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tiefverehrter Herr Doktor, es heute zu tun, auf diesem Wege. Nicht weil ich das Gesagte für wichtig halte, sondern um der Klärung willen des gestern von mir Vorgebrachten.

Darf ich noch einige Worte bezüglich der religiösen Erneuerung sagen. Ich möchte gewiß nicht deuteln daran, daß den Vorstand eine Schuld an der Verwir­rung unter den Mitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft trifft. Die grö­ßere Verantwortlichkeit aber hatte wohl ein jedes Mitglied für sich selbst. Denn Herr Dr. Unger hatte dieses Verantwortlichkeitsgefühl gleich zu Anfang des Heraustretens der religiösen Erneuerung schon berührt. So muß ich mir als Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft sagen: Wenn der Herr Doktor in dieser Angelegenheit Schonung walten läßt gegenüber uns Mitgliedern der An­throposophischen Gesellschaft, so ist diese Schonung belastender als die Anklage gegenüber der Leitung unserer Gesellschaft. Dieses Geschontwerden ist ein Be­weis für unsere Unreife. Viele anthroposophische Freunde glaubten, in der reli­giösen Erneuerung durch die Kulthandlung Esoterik zu bekommen - die Sehn­sucht hiernach ist groß. Zu dieser Sehnsucht bekenne auch ich mich, obgleich ich weiß, daß Esoterik aufzufinden wäre und nur meine Schwäche sie für mich nicht auffinden läßt.

Ach, tief verehrter Herr Doktor, Enthusiasmus ist da, aber soviel anderes fehlt, um uns geeignet zu machen, und es gehört zu den bittersten Leiden, sich so wie gestern ungeeignet zu finden, wenn des Herrn Doktors Ruf an uns ergeht. - Das Herz ist übervoll, aber die Hände, die Taten tun sollen, sind leer. - Aber ich will! -

In tiefer Verehrung Lia Stahlbusch

Tief verehrter Herr Doktor! Stuttgart, 4.2.23

Schon in der Nachtsitzung am 22. Januar lebten in mir die Einsicht und der Wunsch, der Herr Doktor möchte die Persönlichkeiten für den Zentralvorstand wählen - aus der Notwendigkeit heraus. Ich glaubte damals eine diesbezügliche Bitte nicht äußern zu dürfen, weil der Herr Doktor uns aufgerufen hatte. Nun haben wir unsere Unfähigkeit durch die Tage hindurch bewiesen - soweit ich es überschauen und empfinden kann -; und es drängt mich, die Bitte auszusprechen, zu der mich die Fühlungnahme mit einer verehrten Persönlichkeit in den allerletz­ten Tagen noch ermutigt : Bitte - tief verehrter Herr Doktor - treffen Sie die Wahl ganz ohne uns. - Sie sprachen es aus, daß die geeigneten Persönlichkeiten oder Kräfte unter uns sind.

So traurig die Beweise unseres Unvermögens und Versagens - die Wahl betreffend - sind, so schwer dies auf mir lastet, ich empfinde es wiederum befreiend, daß die Wahrheit einmal herauskommt und dargelebt wird. Dadurch empfinde ich eine Reinigung der Atmosphäre und glaube, daß die traurigen Einsichten und Erlebnisse uns alle aufrufen werden zu besserem Wollen. -

In tiefer Verehrung Lia Stahlbusch

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#TI

Die dritten Stuttgarter Verhandlungen vom 29. bis 31.Januar 1923

Montag, 29. Januar: Stuttgarter Mitgliederversammlung (kein Protokoll)

Dienstag, 30. Januar: Vortrag im Stuttgarter Zweig über Fragen anthroposophi­scher Gemeinschaftsbildung (in GA 257).

Im Anschluß daran: Sitzung mit dem Siebenerkreis

Mittwoch, 31. Januar: Sitzung mit dem Dreißigerkreis.

SITZUNG MIT DEM SIEBENERKREIS

Stuttgart, Dienstag, 30. Januar 1923 (Nachtsitzung)

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Dr. Unger: Es gilt, die Delegiertenversammlung vorzubereiten. Ich habe mich mit Dr. Kolisko beraten und die Diskussionen von gestern für das Mittelpunktsthema vorbereitet: Die Gesellschaft muß konsolidiert werden.

Dr. Kolisko: Die Vertreterversammlung müßte bald stattfinden.

Dr. Unger: Wie soll dieser Kreis wirken bis zur Versammlung? Es muß die Frage gestellt werden, ob es mit mir noch geht.

Es findet ein Gespräch statt zwischen Dr. Schwebsch und Dr. Unger.

Dr. Schwebsch: Man konnte gestern den Eindruck haben, daß es sich um die Familie Unger-Arenson handelt und nicht um die Gesellschaft.

Dr. Kolisko: Man muß zunächst ein Provisorium machen, auch in den Zweigange­legenheiten.

Dr. Unger: Das Mißtrauen gegen mich besteht weiter.

Marie Steiner: Man hat damals, als die Frage des Zusammenschlusses der beiden Zweige auftauchte, von den Herren Hahn, Baumann und Palmer aus gegen die Herren Arenson und Unger gearbeitet. Wenn solche Wünsche auftauchen wie das von Frl. Hauck Vorgebrachte, so zeigt es, daß man mit diesen Dingen fertig werden kann. Warum sollte es nicht möglich sein?

Dr. Schwebsch: Es sind imponderable Dinge.

Dr. Unger: Es ist hier die Meinung, daß es mit mir nicht geht.

Dr. Steiner: Wir kommen keinen Schritt weiter, wenn wir diese Frage diskutieren. Es ist eine absolut nicht notwendige Frage, die den Abend

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nicht zu beschäftigen hat. Um was es sich handelt, ist wirklich nicht, was der Stuttgarter Zweig für sich wünschenswert oder nicht wün­schenswert findet oder wie die Arbeit von Herrn Arenson und Dr. Unger gewertet wird, sondern die Frage ist, daß der Zentralvorstand in diesen Jahren nichts geleistet hat. Das zweite ist dies, daß etwas auftreten muß, dem man ansieht: Nun kann etwas entstehen. Alle anderen Fragen müssen von diesen zwei Gesichtspunkten aus betrachtet werden. Auch die Frage des Mißtrauens oder Vertrauens muß von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet werden. Wir können uns nicht noch vierzehn Tage darüber unterhalten. Das ist es. Es handelt sich um die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland und Österreich, und von der war die Rede im Auftrag an Herrn Uehli. Was mit dem Stuttgarter Zweig wird, das ist eine ganz andere Sache. - Ich habe mit dem «Stuttgarter System» immer dasjenige gemeint, was von hier aus zersetzend, richtig zersetzend auf die Gesellschaft ge­wirkt hat, weil der Zentralvorstand keine Ideen hatte. Das muß die Richtung der Unterhaltungen sein.

Marie Steiner: Ich finde, daß sich Dr. Schwebsch in sehr einseitiger Weise gewen­det hat und das Wesentliche nicht sieht.

Dr. Steiner: Das Wesentliche ist, daß nirgends das zweite positive Element hervortritt und daß dasjenige nicht hervortritt, was die Da­men und Herren zu tun gedenken. Bedenken Sie doch, in welcher sterilen Situation wir stehen! Der bisherige Vorstand hat es für verein­bar gehalten, daß der eine seine Funktionen zur Verfügung gestellt hat und daß Dr. Unger provisorisch zurückgetreten ist. Dann haben wir eine traurige Nachtsitzung gehabt, und dann ist es noch zu einer Sitzung gekommen, in der wir notdürftig versuchten zu skizzieren, wohin denn die Reise gehen muß. Nun habe ich erwartet, daß nach dieser Richtung hin Beratungen gepflogen werden : wohin die Reise gehen sollte.

Die erste Sitzung ging tumultuarisch vor sich in der Kritik. Dann begann ein allgemeines Schweigen; man setzte sich um den Tisch herum, und diejenigen, die am meisten geredet haben in der Kritik, reden am wenigsten, wenn es sich darum handelt, einen positiven Aufbau zu skizzieren.

Dr. Unger: Ich war bestrebt, etwas Neues hinzustellen.

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Dr. Steiner: Die beiden Aufrufe sind bloß bürokratische Schrift­stücke: Einberufung von Versammlungen! Wenn Sie die Meinung haben, daß das nun weiser sein wird, als was bisher getan wurde, so irren Sie sich. Es handelt sich darum, daß die Anthroposophische Gesellschaft geführt werden muß, daß also derjenige, der schon Ver­sammlungen einberuft, Ideen haben muß, wie die Reise weitergehen soll. Mit diesen Aufrufen sind bürokratische Schriftstücke geschaffen.

Mehrere Redner sprechen, oft mit Bezug auf «gestern».

Marie Steiner: Es reden gewöhnlich nicht diejenigen, die etwas zu sagen haben.

Emil Leinhas spricht.

Marie Steiner: - - aber Besessene wirken stark. Wenn Sie nicht jahrelange Erfah­rungen haben, merken Sie die Wirksamkeit nicht auf den ersten Schlag. Man ist dem nicht immer gewachsen, und die «ewige Jugend» fällt schließlich doch darauf herein. Was Dr. Unger sagt: «das Lebenswerk Dr. Steiners von allen Seiten be­leuchten», ist vielleicht nicht neu, aber - -FrL Dr. Maria Röschl spricht.

Dr. Steiner: Nehmen Sie die Dinge, wie sie in diesen Tagen gewesen sind. Im Grunde genommen wurde vieles von dem, was hätte gesche­hen sollen, im Dreißigerausschuß schon immer gesagt. Am 10. De­zember [1922] habe ich [mit Herrn Uehli] gesprochen und gesagt, ich erwartete, daß man vom Zentralvorstand her mit einigen anderen Leuten an mich herantrete, sonst müßte ich mich in einem Rund­schreiben an die Gesellschaft selbst wenden; diese Gesellschaft ist im Zerfall begriffen. - Ich will nicht alles wiederholen, was dazwischen liegt. Ich kam wieder her. Sie versammelten sich alle unabhängig von jenem Auftrage, den Sie dadurch zum Ausdruck gebracht haben, daß Sie scharfe Kritik am Zentralvorstand geübt haben, weil nichts ge­schieht. - Bitte, was ist dasjenige, was geschehen muß? Der Kreis muß auf die Persönlichkeiten hindeuten, von denen er glaubt, daß sie es wissen.

Frl. Dr. Maria Röschl [zu Dr. Unger]: Wie stellen Sie sich die Zweigarbeit vor?

Dr. Unger: Das Buch «Theosophie» sollte studiert werden. Das müßte man, entsprechend vergrößert, auf die ganze Bewegung erstrecken. Archive müßten in der richtigen Weise geöffnet werden. Man müßte einen «Führer» ausarbeiten durch die Werke Dr. Steiners.

Mehrere andere reden, dann Herr Uehli und Dr. Unger.

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Dr. Steiner: Seit 1919 ist keine Führung da. Durch die Begründung von diesem und jenem ist die Notwendigkeit entstanden, daß die Gesellschaft durch Persönlichkeiten geführt wird - - -. Sie bedarf einer Führung, [aber] sie wird nicht geführt, weil sich die Persönlich­keiten, die führen sollten, nicht bewußt sind, daß sie führen sollten. Wie verlaufen die Dinge in der Gesellschaft? Was geschieht? Und was geschieht nicht?

Die «Bewegung für religiöse Erneuerung» ist entstanden. Eine Dame ist mit aller Leidenschaft hineingegangen; sie hat nichts anderes gefühlt, als daß sie dort hineingehen soll. Irgendwelche ihr plausible Direktive ist nicht entstanden. Sie hat gehört von meinem Vortrag vom 30. Dezember [in GA219]; es ist ihr alles mögliche gesagt worden, wodurch sie irregeworden ist. Nun habe ich hier letzten Dienstag vorgetragen. * Von dem Vortrag hat sie den Eindruck gehabt, sie werde ihre frühere Stellungnahme wiederfinden. Hinterher ist ihr gesagt worden, es gehe aus meinem Vortrag hervor, daß kein Anthroposoph sich an der religiösen Erneuerungsbewegung beteiligen solle. -Ja nun, da ist sie nun völlig außer Rand und Band gekommen. Dieses «soll» und «soll nicht»! Fortwährend «soll» man das tun, oder man «soll» es nicht tun - - was aber gar nicht vorkommt in dem, was ich vortrug.

Es wird nicht eigentlich gewirkt. Was für diese Bewegung ein klassisches Beispiel ist: Es wird nicht gewirkt für die Verbreitung des Anthroposophischen, sondern für die Verhinderung des richtigen Anschauens des Anthroposophischen. Das ist der Fall, daß für die Verhinderung des richtigen Anschauens des Anthroposophischen ge­wirkt wird. Es wurde nicht gewirkt bis Ende Dezember. So kam es, daß dieser ganze Fragenkomplex, der sich herausgebildet hat in bezug auf die religiöse Erneuerungsbewegung, ein Mißurteil ist. Man nahm keine Stellung dazu, bis Ende Dezember der Zentralvorstand kam und eine bloße Abwehrbewegung machen wollte, die viel zu spät kam. Und dies war nicht begleitet von dem wirklichen Bewußtsein: Was soll die anthroposophische Bewegung tun? Es war ein Sichauseinanderset­zen mit etwas anderem.

Nehmen wir das andere dazu, daß die anthroposophische Bewe­gung begründet worden ist 1901 und bis zum Jahre 1918 positiv weiterging. Und daß von da ab Gründungen begannen, die sich hin­eingesetzt haben in die fertige Anthroposophische Gesellschaft. Man

* Vortrag Stuttgart, 23. Januar 1923, in GA 257.

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hat die Anthroposophie zur Dreigliederung gemacht, zu allem mögli­chen hat man das Anthroposophische gemacht. Überall wurden die eigensinnigen oder die bequemen Wege gesucht, währenddem alles, was von mir hervorgehoben wurde, durch die Finger geblasen worden ist, mit Ausnahme des einzigen, daß Herr Leinhas die Sanierung des «Futurum» in die Hände genommen hat. Die eigentliche Führung fehlt vollständig. Und deshalb mußte geredet werden von dem «Stutt­garter System», das darin besteht, alles mögliche der Anthroposophi­schen Gesellschaft aufzupfropfen, nicht aber sich die Mühe zu geben, für Anthroposophie zu wirken. Auf der anderen Seite ist das System, alles zu beginnen und es nicht fortzusetzen, wie unter anderem den «Bund für freies Geistesleben»; der ist nur Programm geblieben. Und dann, nicht wahr, dies: Überall die bequemsten Wege wählen und jeden wieder verlassen, sich nicht weiter darum kümmern. Das Sitzen auf kurulischen Stühlen ohne jede Aktivität! Alles das ist typisch für das «Stuttgarter System».

Das sind die absoluten «Unmethoden»: sein Amt erledigen, aber jede reale Aktivität vermeiden. Die Aktivität ist vermieden worden seit 1919. Verfolgt ist nichts worden, währenddem man immerhin die Versprechungen gemacht hat, die Dinge zu verfolgen. Das sind die Dinge, die vor allem in Betracht kommen. Es kommt mir vor, als ob es leicht wäre, zum Positiven überzugehen. Wenn ich zum Beispiel die Tätigkeit von Dr. Stein betrachte, so kommt sie historisch mir so vor: Zuerst hat er geschimpft, so daß er sich erhoben hat bis zu der Charakteristik: Der Vorstand ist zum Kindergespött geworden -, dann ist er in Lethargie verfallen. Etwas Positives wäre kaum hervor­zuheben. Es nützt nichts, wenn Sie sagen, ich solle raten. Dann führt es dazu, daß irgend etwas, was ich anführe, weitergesagt wird. Ich tadle nicht, daß Sie es gesagt haben; nur hilft es nichts. Es hilft nur das­jenige, was auf eigenem Grund und Boden wächst, aber so, daß es gegenständlich wird und vom Willen durchsetzt. Solange wir in dem Stadium bleiben, nicht über Allgemeinheiten hinauszukom­men, so tun wir, als ob die Gesellschaft gar nicht da wäre. Da sie aber da ist, muß man anders reden. Man muß von realen Dingen reden. Wir sind doch nicht vor die Frage gestellt, jetzt die Anthroposophi­sche Gesellschaft zu begründen. «Menschlich finden den anderen :

das sind Redensarten, die man in jeder humanitären Gesellschaft gebraucht.

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Nun bildete sich dieses Siebenerkomitee. Das konnte sich doch nur zusammenfinden, indem es sagte: Wir wollen dies oder das, und deshalb sind wir mit dem und dem unzufrieden. - Wo auch immer die Möglichkeit gewesen wäre, in dieser Zeit hier auf eine positiv mensch­liche Weise irgend etwas zu bewirken, ist sie nicht ergriffen worden. Das ist es, was ich als das System der inneren Opposition erklärt habe. Talente muß man in den Dienst der Sache stellen, nicht sie abstoßen. Wenn das in der Waldorfschule wirklich versucht wird, ist es nur auf den Umstand zurückzuführen, daß ich selbst mir die Besetzung der Stellen vorbehalten habe. Wo ich aber nichts zu sagen hatte, ist das System befolgt worden, Talente herauszuschmeißen. Talente sind oft höchst unbequeme Wesenheiten.

Auf diese Weise treiben wir fortwährend Inzucht, indem wir in der Gesellschaft das System der letzten vier Jahre fortsetzen. In den letzten vier Jahren ist fortwährend Inzucht getrieben worden, mit Ausnahme derjenigen Menschen, die ich selbst berufen habe. Es ist immer der Weg der Bequemlichkeit gewählt worden. Wieviel ist hier dadurch ruiniert worden, daß man nicht verstanden hat, Talente zu pflegen. Diejenigen, die da sind, werden auch nicht gepflegt. Man schimpft über sie. Die Aufgabe ist, sie zu pflegen, sie zu verwenden in der Weise, daß sie ihre Talente und Kenntnisse in den Dienst der Gesell­schaft stellen.

Der «Kreis» findet gar nicht die Möglichkeit, über seine eigene Clique hinauszukommen. Er denkt nicht daran, wenn er selbst nicht weiterkommt, andere herbeizuziehen, um die Talente oder den guten Willen zu verwenden. So wird fortwährend Inzucht getrieben. Das ist keine Art, daß sich ein paar Waldorflehrer zusammensetzen und die Gesellschaft reformieren wollen, wenn sie es doch nicht können. Wenn sie es können, dann sollen sie es nur machen.

Von diesem Aufruf von Dr. Unger weiß überhaupt niemand. Auch nicht von dem anderen, der fast gleichlautend ist. Die Leute wissen nicht, warum sie kommen sollen. Es hat natürlich nur dann einen Wert, wenn diejenigen, welche die Sache in die Hand nehmen wollen, sagen, was zu tun ist. Es ist nichts darinnen, was von der Gesellschaft zu tun ist, und deshalb nicht getan wird, weil die Gesellschaft nicht funktioniert.

Wir haben Forscher, Institute! Da sind: Dr. Theberath, Maier - Strakosch ist der Oberste davon -, Smits, Lehofer, Dechend, Pelikan,

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Streicher, Spieß. Neun Forscher sind aus der Anthroposophischen Gesellschaft hervorgegangen. Das ist eine brennende Frage, daß der «Kommende Tag» nicht bankerott wird an diesen neun Forschern. Das ist eine der brennendsten Fragen der Anthroposophischen Gesell­schaft. Das ist alles aus dem Schoße der Anthroposophischen Gesell­schaft hervorgegangen. Haben Sie sich gekümmert um die Sachen, die nicht gemacht werden?

Dr. Kolisko: Diese Fragen kennen wir genau.

Dr. Steiner: Es wächst sonst alles ins Bodenlose, wenn sich die Gesell­schaft nicht um die Dinge kümmert und nicht daran denkt zu pflegen, was aus ihr hervorgewachsen ist. Die Anthroposophische Gesellschaft so zu verwalten, wie Sie es heute besprechen, das kann man auf dieselbe Weise machen, wie man es 1910 gemacht hat. Die Leute haben die Waldorfschule gefordert. Es gibt keine Möglichkeit mehr, daß man die Dinge so weitermacht wie früher. Die Leute haben Tätigkeiten gefordert, die verrichtet sein wollen. Es erwächst den Leuten, die das gefordert haben, die Verantwortung, sich auch darum zu kümmern. Statt dessen halten wir Sitzungen, die es verhindern, daß man sich darum kümmert.

Ich möchte fortwährend auf konkrete Fragen hinweisen. Ich weise hin auf die Forscher, die Sie spazieren gehen lassen. Der Zentralvor-stand hat nicht einmal darüber nachgedacht, daß er die Verpflichtung hat, sich darum zu kümmern, daß die etwas tun. In der Zeitschrift «Anthroposophie» steht nichts darin. Aber neun Forscher und vier Ärzte gehen spazieren. Selbstverständlich wird der «Kommende Tag» an diesen neun Forschern, zu denen vier Ärzte kommen, bankerott gehen. Und auf dies hin bekommen wir die Gegnerschaft. Das führt dazu, daß die Leute sagen, wir versprechen der Welt alles mögliche, und es geschieht nichts davon.

Emil Leinhas spricht.

Dr. Steiner: Im Augenblick, wo man hört, daß da Leute sitzen, die nichts tun, bekommen wir Gegnerschaft.

Marie Steiner: Neulich bei der Sitzung erwartete ich, daß gerade diese Dinge zur Sprache kommen würden.

Dr. Steiner: Es fiel keinem Menschen ein, von diesen realen Dingen zu sprechen, trotzdem ich noch andere Sachen gesagt habe. Seit 1919

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wollte man etwas anderes haben als die Anthroposophische Gesell­schaft.

Einige Mitglieder äußern sich dazu.

Dr. Steiner: Dazu reicht die Zeit nicht. Damit ist die Verantwortlich­keit den anderen zugewachsen, mitzusorgen für die Anthroposophi­sche Gesellschaft. Das ist dasjenige, was geschehen muß. Archive machen und aus den Archiven Vorträge vermitteln, das hätten wir auch sonst arrangieren können. Dasjenige, was 1919 verlangt worden ist, fordert Mittätigkeit von andern Leuten, nicht bloß vom engsten Kreis. Wenn man neun Forscher anstellt, das steht unter der Verant­wortlichkeit von jedem, der gerade die Wissenschaft will.

Marie Steiner: An die Eurythmie zu denken, ist niemandem eingefallen.

Dr. Steiner: Erst heranbändigen mußte man unsere Freunde, daß sie an der Eurythmie etwas fänden, während anderes sich hier parasitär festsetzt. Die eigentlichen Dinge werden in den Wind geschlagen. Das muß in den Aufrufen stehen, wenn auch nicht mit den Worten, mit denen ich es ausspreche.

Wenn wir immer nur schwätzen davon, wir wollen «den Menschen finden», dann kommen wir nicht weiter. Ich empfinde da eine Unge­rechtigkeit. Ist es erhört, daß ich seit längerer Zeit in eine ganz be­stimmte Richtung die Forschungsziele richte und sage, die Dinge liegen in der Luft? Neulich erzählte mir Herr Strakosch, daß die Dinge schon gemacht werden. In der «Anthroposophie» müssen die Taten unserer Forscher darinnen stehen, und dafür ist der Zentralvorstand verantwortlich.

Es handelt sich darum, daß unsere Ärzte etwas tun. Sie haben der Aufgaben genug, es sind konkrete Aufgaben da.

Meinungsäußerungen werden laut über einiges, was unter den Geschehnissen des letzten Jahres zu verzeichnen ist.

Dr. Steiner: Man darf sich nicht beruhigen bei dem himmelschreien­den Unrecht und nicht in aller Tiefe empfinden wollen. Es ist die Sache nicht in der Form besprochen worden, daß es «ein Skandal» ist, wenn so etwas passieren kann.

Dr. Kolisko spricht.

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Dr. Steiner: Es ist nicht dasselbe, ob man etwas bei den Hörnern anpackt oder nur diskutiert. Ich erwähne das nur als ein Beispiel. Ich habe das immer vorgebracht: man redet von Allgemeinheiten. Bei der Waldorfschule sollten Sie doch diesen Intellekt gebrauchen, der durch eine ganz besondere Selektion von Mitteleuropa zustande gekommen ist. Die Inzucht innerhalb dieses Kreises führt zu weiter nichts. Damit ruinieren Sie auch alle Zweiggründungen. Neue Leute werden wir nicht hinzuziehen.

Marie Steiner: Es müßte alles von einer anderen Gesinnung durchdrungen sein. Es müßten außer den Waldorflehrern auch andere Menschen zur Geltung kommen.

Einige Anwesende sprechen.

Dr. Steiner: Ich rede nur von den Dingen, die man selbstverständlich [machen] kann. Man kann nach Dornach fahren, und man kann einen Vortrag halten. Man kann, wenn die Milz-Broschüre erscheint, be­haupten, die hätte eine fortwährende Diskussion hervorrufen sollen. Eine Untersuchung braucht Zeit. - Natürlich sollte das auch ein bißchen Interesse hervorrufen. Ich will nicht sagen, daß die Leute zahlreich sind, die so etwas interessiert; aber dasjenige, was jeder kann und können muß, das ist, irgend etwas vor die Öffentlichkeit zu bringen, was eine positive Verarbeitung des anthroposophischen Stof­fes ist. Das kann doch gemacht werden. Dazu braucht man sich bloß auf die Hosen zu setzen. Von der Genialität rede ich gar nicht, an der mangelt es nicht. Von Spieß weiß ich es nicht. Bei den andern ist die Kapazität vorhanden; aber sie sind nicht fleißig. Sie können etwas, aber sie werden nicht angeregt, etwas zu tun. Was ist aus den For­schern hervorgegangen, außer der Pendel-Geschichte von Rudolf Maier? Das ist das einzige wirklich positive Resultat.

Mit mir hat Schmiedel über Maiers Vortrag nicht gesprochen. So sind alle diese Dinge. Und wenn schon, so würde das nur die Auffor­derung sein, daß Schmiedel eine Widerlegung schreibt. Das ist dasje­nige, was da zu folgen hätte. Das könnte eine sehr interessante Debatte geben.

Es wird geredet über die Oppositionsstimmung in der Jugend.

Dr. Steiner: Frl. Mellinger wollte die Stimmung der Jugend wiederge­ben. Diese Ideen, die von dieser Ecke kommen, gehen alle davon aus, daß die Leute sagen, es kommt auf keine Leitung an. Wissen Sie, wenn

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die Gesellschaft da ist, kann sich auch der entsprechende leitende Mensch finden. Es geht nicht ohne Führung. Es muß Zielbewußtheit in die Versammlung hineinkommen. Sie kann vielleicht ihre Einwen­dungen machen, wenn ihr die Leute nicht passen. Da sind Polzer, Frl. Mellinger, Lauer, - Maikowski ist nur der Stimmführer. Es ist alles greisenhafter, als man es sich vorstellen würde. Es müssen diejenigen ihren Standpunkt vertreten, die gewohnt sind, ihre Zunge zu gebrau­chen. Daß Dr. Stein plötzlich stumm geworden ist, das ist ja traurig.

Marie Steiner: Ich dachte, daß man gerade über diese Mängel sprechen würde. Unter dieser Voraussetzung lebte ich; aber ich höre nichts davon.

Es werden verschiedene Stimmen laut.

Dr. Steiner: Polzer vertritt das gegenwärtig noch tätige Österreicher­tum. Frl. Mellinger kann alles Negative sagen. - Lauer ist ja Vertreter der Jugend; Maikowski ist der Theoretiker der Jugend. - Man kann sie ja für den Anfang verpflichten, daß sie nicht reden. - Es wird nach und nach die Position unmöglich, wenn man Frl. Mellinger zuzieht und Maikowski nicht. Nehmen Sie bloß Polzer und Lauer.

[Dr. Steiner?] : Mittwoch 1/2 9 Uhr Dreißigerkreis

SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS Stuttgart, Mittwoch, 31. Januar 1923 (Nachtsitzung bis zum nächsten Morgen)

#G259-1991-SE230 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS

Stuttgart, Mittwoch, 31. Januar 1923

(Nachtsitzung bis zum nächsten Morgen)

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Dr. Steiner: Die Verhandlungen über die jetzt schwebenden Angele­genheiten dauern schon so lange, und es ist so dringend, andere Angelegenheiten zu erledigen, daß es unter allen Umständen fast eine Katastrophe bedeuten würde, wenn die Verhandlungen am heutigen Abend wieder in einer gleichen Weise inhaltslos verlaufen würden wie jene vom letzten Montag. Ich habe gebeten, diese Verhandlungen nicht vor einer so ausgebreiteten Körperschaft zu führen wie dazumal, weil das nur noch mehr dazu beiträgt, daß die Dinge ergebnislos verlaufen und wir aus der gegenwärtigen Krise nicht hinauskommen. Ich werde selbst möglichst wenig sagen, ich will hören, was für Ab­sichten vorliegen zur Weiterführung der Anthroposophischen Gesell­schaft.

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Ich möchte nur dieses sagen, damit kein Mißverständnis auftaucht über die Bedeutung unserer Verhandlungen. Solche Verhandlungen, wie wir sie jetzt pflegen, wären ja bis zu einem gewissen, nicht sehr weit zurückliegenden Zeitraum gar nicht möglich gewesen. Sie sind möglich geworden und stellen sich heute als etwas Selbstverständli­ches heraus, weil wohl der größte Teil der Persönlichkeiten, die heute hier versammelt sind, in der Lage war, im Laufe der letzten vier Jahre etwa, die Angelegenheiten der Anthroposophischen Gesellschaft all­mählich in führender Stellung mitzuübernehmen. Also jenes frühere Verhältnis, in dem zahlreiche von den heute hier Versammelten wa­ren: daß sie sich nämlich angeschlossen haben an die bestehende Anthroposophische Gesellschaft und gewissermaßen nicht das volle Maß der Verantwortlichkeit hatten, dieses frühere Verhältnis besteht heute nicht mehr.

Sie müssen sich darüber klar sein, daß eine große Anzahl von Persönlichkeiten mit voller eigener Initiative sozusagen sich führend gemacht hat in den anthroposophischen Angelegenheiten. Daher ist es heute auch notwendig geworden, daß die Verantwortlichkeit für einen großen Teil der anthroposophischen Angelegenheiten auf diese Per­sönlichkeiten zurückfällt. Und es sollten sich diese Persönlichkeiten bewußt sein, daß die Veränderungen, die sich vollzogen haben, nicht auszulöschen sind.

Nachdem aus der Mitgliedschaft diese Veränderungen eingetreten sind, ist es daher ganz selbstverständlich gewesen, daß ich gegenüber der Frage, die aus den Verhältnissen an mich herangetreten ist, genö­tigt war, mich an die führenden Persönlichkeiten zu wenden, bevor ich an die einzelnen Mitglieder appelliere, um eventuell den früheren Zustand wieder herzustellen. Denn diese Veränderungen legten mir Pflichten auf, die mich meinen früheren Pflichten entzogen haben. Es ist also selbstverständlich, daß, bevor ich die früheren Zustände wieder herzustellen versuche, ich mich noch einmal an die führenden Persön­lichkeiten wandte - was ja vergeblich geschehen ist -, um diese zu veranlassen, ihrerseits zu sehen, was sie tun wollten, bevor ich mich an die einzelnen Mitglieder wende. An den heutigen Verhandlungen will ich mich nicht materiell beteiligen. Ich werde heute zunächst bloß hören, was aus dem Schoße dieser heutigen Versammlung hervorgeht, um danach zu sehen, wie man weiterkommen kann. Es hängt also davon ab, ob Sie die Verhandlungen in fruchtbarer Weise gestalten.

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Sonst muß ich annehmen, daß Sie kein Interesse daran haben, wenn die Anthroposophische Gesellschaft in der allernächsten Zeit in eine Katastrophe hineingeführt wird.

Ich bitte Sie, damit wir nicht ergebnislos auseinandergehen, heute wenigstens die Sache mit dem wirklichen Ernst und mit dem Gefühl der Verantwortlichkeit zu führen. Das bitte ich also als eine Einleitung zu den heutigen Verhandlungen zu betrachten. Es wird sehr viel von dem abhängen, was Sie heute tun werden.

Darauf sprechen Dr. Stein und Dr. Kolisko.

Dr. Unger: Wir müssen Wege suchen, das «Stuttgarter System» zu überwinden.

Es sprechen Dr. Maier, Dr. Palmer, Frl. Toni Völker, Paul Baumann.

Die Frage eines beabsichtigten medizinischen Vademecums wird behandelt.

Dr. Steiner: Man hätte über die Krankheitsbilder im Großen umden­ken lernen sollen. Wir dürfen nicht Obstruktionen treiben, das ist ja ganz selbstverständlich. Man kann ein Gebäude aufführen, wobei die Schwierigkeiten unendlich groß sind; die kommen aber dabei gar nicht in Betracht. Geradesowenig als bei der Begründung der Waldorfschule in Betracht gekommen ist, die Methode zu beraten. Die Frage geht darum, was heute vor zwei Jahren schon hätte geschehen sein können. Um diese Unterlassungen handelt es sich. Wenn wir um die Sache herumreden und Entschuldigungen anführen, dann ist es selbstver­ständlich, daß die Entschuldigungen für das Schreiben eines Vademe­cums nicht in Betracht kommen. Die Schilderung der Herzkrankheit muß in anderen Formen gedacht werden, ganz abgesehen davon, ob die einzelnen Mittel schon gebraucht werden können. Über die Herzkrankheit muß anders gedacht werden. In anderer Art dargestellt, wird es plausibler vor die Welt hintreten können als in den bisherigen Handbüchern. Es handelt sich um den guten Willen, auf dem Gebiet der Medizin umzudenken aus den geisteswissenschaftlichen Grundla­gen heraus. Aber weil die ganzen Diskussionen auf tote Geleise ge­führt werden, so muß ich sprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, was geschehen soll, aber ich kann mir vorstellen, daß die Medizin umge­dacht werden kann, wenn der gute Wille dazu vorhanden ist. Viel­leicht liegt eine viel größere Notwendigkeit dazu vor, aus der Physio­logie heraus zu arbeiten und die Krankheitsbilder physiologisch um­zudenken. Das hängt nicht davon ab, ob man die Krankheitsmittel

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ausgeprobt hat oder nicht. Das ist etwas, was «an sich» gilt. Wenn man noch so stark die Schwierigkeiten nicht unterschätzt, darf man doch bei den Schwierigkeiten nicht so herumreden, wie herumgeredet wor­den ist, sonst kommen wir zu nichts. Es handelt sich nicht darum, das Pathologische restlos darzustellen. Die Handbücher werden immer korrigiert. Es handelt sich nicht darum, der Welt bloß Heilmittel zu empfehlen. Ich halte die «Heilmittelliste » so für das Schädlichste, was hat entstehen können. Es handelt sich darum, die Methode zu vertre­ten. Alles andere halte ich auch nur wieder für etwas, was uns gescha­det hat. Darauf brauchen wir nicht zu warten, bis die Leute heute so etwas annehmen; dann können wir bis in die nächste Inkarnation warten. Es handelt sich darum, daß wir die Sache vor der Welt vertre­ten, wie auch andere ihre Methode vertreten haben; sie werfen sich untereinander nicht geringe Schmähreden zu. Es handelt sich nicht darum, daß wir die Sache jedem einzelnen Professor der Medizin in den Mund hineinstreichen, sondern daß wir sie so vertreten, wie sie hätte vertreten werden können sechs Monate nach der Inaugurierung der Sache. Das heißt also, daß wir die Sache so vertreten, wie man einstmals die Naturheilmethode vertreten hat. Es ist eine Frage des medizinischen Denkens. Die Diskussion soll nicht auf tote Geleise geführt werden. Wir sollten über dasjenige sprechen, was vorliegt, nicht über dasjenige, was selbstverständlich ist. (Notiz von Dr. Heyer: «Vor diesem Votum hatte Dr. Steiner im Laufe der Verhandlungen schon zweimal gesprochen. Das eine Mal sagte er auf die Schilderung der konkreten Schwierigkeiten, die Dr. Noll gegeben hatte, man käme zu einem , wenn so aus den Schwierigkeiten gemacht würden. Das andere Mal sagte er: Wann hätten wir so je die Waldorfschule gründen können?»)

Dr. Unger: Ich wollte vom aktiven Vertrauen sprechen.

Dr. Steiner: Die Methoden sind von mir genau und ausführlich darge­stellt worden. Die Herren Ärzte sind nicht aus einem Himmlischen heraus geboren worden, indem ihnen die Aufgabe gestellt worden ist. Im allgemeinen erscheint es einem plausibel, oder es erscheint einem nicht plausibel.

Es sprechen zur Sache die Ärzte Dr. Husemann, Dr. Noll, Dr. Palmer, ferner Fugen Benkendoerfer.

Graf Polzer: Wer wird das Vademecum schreiben?

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Dr. Noll: Es soll bestimmt geschrieben werden.

Emil Leinhas, Dr. Palmer, Dr. Kolisko sprechen dazu.

Dr. Steiner: Es würde einen gewissen Wert haben, wenn eine Ausein­andersetzung darüber geschähe, warum das Vademecum bis jetzt nicht zustande gekommen ist, und wenn dann daraus ersehen werden könnte, daß es aus der Einsicht in die wahren Gründe zustande kom­men kann. Wenn man die Gründe wirklich auseinandersetzt, dann kann man darauf bauen, daß es in der Zukunft zustande kommen kann

- meine Überzeugung ist, daß es ein Mann in sechs Monaten zustande bringen kann -, aber es gibt Gründe, die nicht im Objektiven liegen und die aufgedeckt werden müßten. Dann würde man sehen können, ob es in der Zukunft zustande kommt.

Wenn wir die weitere Diskussion auch so führen wie bisher, wird nicht ersichtlich sein, ob die Gesellschaft über diese Krisis hinwegge­führt werden kann! Die Krisis ist dadurch herbeigeführt worden, daß seit 1919 eine Bewegung zustande gekommen ist, die zu allen mögli­chen Gründungen geführt hat. Es handelt sich darum, daß sich Per­sönlichkeiten verantwortlich fühlen müssen und daß sie diese Verant­wortung übernehmen. Das müßte ersichtlich werden, wenn wir eine Garantie für den Fortbestand der Gesellschaft haben wollen. Es würde vielleicht dann erörtert werden, welche Schwierigkeiten vorliegen, um eine physikalische Untersuchung zustande zu bringen. Wir würden etwas darüber erfahren, warum der Öffentlichkeit ein Vortrag ange­kündigt wird, dann aber unterbleibt.* Hinter dem liegen ganz andere Schwierigkeiten. Wir haben sehr nötig, die Dinge zu erörtern, die schon mit dem anthroposophischen Leben zusammenhängen. Wenn gar nicht die Diskussion auf ein fruchtbares Feld geführt werden soll dadurch, daß man passive Resistenz macht, so möchte ich auf einzelne Dinge aufmerksam machen, die zeigen, daß es sich um ganz zentral-anthroposophische Angelegenheiten handelt.

Es war vor der Abhaltung des Wiener Kongresses [1.-12. Juni 1922]. Dr. Kolisko hatte die Absicht gehabt, nach Wien zu gehen und einen Vortrag zu halten. Ich war nicht sehr erbaut darüber, daß er gerade das Migräne-Thema in Aussicht nahm. Aber schließlich ist das nicht meine Sache. Es handelte sich für mich darum, das Gespräch darüber aufzunehmen. Im Verlaufe dieses Gespräches fiel das Wort:

- - -

* Siehe Hinweis zu Seite 68 und das Programm Seite 851.

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«Wenn ich ins Klinisch-Therapeutische Institut komme, verweigern sie mir das Material.» - Die Sache ist diese, daß solch ein Wort fallen kann! Da kommen wir darauf, daß dies kein anthroposophisches Verhalten ist in dieser Angelegenheit, wenn es wirklich richtig ist, daß das Migräne-Material zum Vortrag verweigert wurde. Wenn wir uns anthroposophisch verhalten würden, würden die Dinge zustande kommen, die zustande kommen sollen. Die Äußerlichkeiten seit 1919 haben Schwierigkeiten ergeben gerade durch das nicht-anthroposo­phische Verhalten der einzelnen in Stuttgart lebenden Persönlichkei­ten. Wenn von Hemmungen die Rede ist, sollte von den wirklichen Hemmungen gesprochen werden. An diesen Dingen scheint man vorbeigehen zu wollen.

Ich wollte nur auf dieses Charakteristische hinweisen, möchte aber dennoch die Diskussion darauf zurückführen, daß wir auf ein frucht­bareres Geleise kommen als dasjenige, wohin geführt worden ist. Wenn diese Abschnürungen nicht aufhören, dann werden diejenigen, welche anthroposophisch zusammenarbeiten sollen, nicht zusammen­arbeiten, sondern sich gegenseitig hindern, das Vademecum zu schrei­ben. Das ist mir vielfach entgegengetreten, daß gesagt worden ist, daß die einzelnen sich hindern, es zu schreiben. Das sind die Dinge, die dann eingesehen werden müßten, und wenn sie eingesehen werden, wenn wirklich auf die Wunden hingewiesen wird, dann wäre eine Garantie vorhanden, daß die Dinge in der Zukunft abgestellt werden könnten. Nach dem, was bisher geredet worden ist, ist keine solche Garantie vorhanden. Es gibt keine andere Garantie, als daß gesagt wird, warum keine Zusammenarbeit da ist zwischen Gmünd und dem Klinisch-Therapeutischen Institut [in Stuttgart]. Die Dinge werden dann erzählt, wenn gefragt wird, warum nicht zusammengearbeitet wird! Es wird eine Art Obstruktion geführt. Das ist dasjenige, was ich bitte zu berücksichtigen. Wenn heute nicht seriös gesprochen wird, so muß das zu einer Katastrophe der Anthroposophischen Gesellschaft führen. Mit den bloßen Versprechungen können wir nicht weiterar­beiten.

Dr. Kolisko: Für die Migräne-Frage hat man mir später das Material nachge­schickt. Es war nicht ganz das, was ich brauchte. Persönliche Differenzen zwi­schen den Herren verhindern, daß «das Buch» [Vademecum] geschrieben ist.

Dr. Steiner: Jedenfalls lag die Sache so, daß gesagt werden konnte: Die da oben geben ihre Sachen nicht heraus. - Wenn ich diesen Fall

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vergleiche mit dem Verhalten des [Klinisch-Therapeutischen] Instituts gegenüber der Milz-Arbeit,* so muß ich sagen, daß diese Dinge nicht sehr vielversprechend sind.

Es reden einige Mitglieder.

Dr. Steiner: Um so besser wäre es gewesen, wenn zwei Individualitä­ten gesprochen hätten. Ich sehe wieder nicht ein, wo die Methode liegt, durch die wir weiterkommen.

Emil Leinhas: Es muß rückhaltlos über die Dinge und ihre Gründe gesprochen werden.

Dr. Steiner: Das, was gesagt worden ist, ist das Folgende: Ich habe von Anfang an, als hier medizinische Betätigungen auftreten sollten, ge­sagt, es komme nicht darauf an, einzelne Heilmittel anzubieten, son­dern eine medizinische Methode. Ich will nur anführen, daß einmal die Methode der Homöopathie verbreitet worden ist, ein anderes Mal eine andere Methode. Es kommt darauf an, für eine medizinische Methodik einzutreten. In der Landhausstraße habe ich ziemlich lange, bevor dieses Büchelchen die Welt erblickt hat, Dr. Noll den Vorschlag ge­macht, sich hinzusetzen und ein Vademecum zu schreiben. Ich habe gesagt, ich verspräche mir nichts von einem «Kollegium»; schreiben müsse es ein einzelner. Diesen Vergleich, wie über Homöopathie und Naturheilkunde die Dinge vertreten worden sind, diesen Vergleich habe ich sehr früh gebracht. Dieser Vergleich wurde gebracht, um zu zeigen, daß eine Agitation für ein einzelnes Heilmittel nicht das rich­tige sein kann, was in diesem Falle der Welt aufhilft, sondern daß es sich darum handelt, der Welt zu sagen: Hier liegt eine bestimmte medizinische Denkweise vor. - Dieses, was ich von Anfang an vor den Ärzten als Überzeugung zu Dr. Peipers, was ich von Anfang an zu Dr. Noll gesagt habe, dieses führte dann noch einmal dazu, daß ich zusammenfassend sagte: Dieses Methodische könne am besten durch ein Vademecum der Welt klar gemacht werden.

Wenn ich so etwas vor Laien ausspreche, dann wird sofort verstan­den, daß uns alle diese Sachen nur diskreditieren können. Daß van Leer aufgetreten ist, das rührt davon her, daß bei der Sitzung, die neulich abgehalten worden ist, eben auch davon gesprochen werden mußte, welches die Grundlage einer Wirksamkeit für unsere Heilmittel

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* Siehe Hinweis zu Seite 70.

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sei, und daß da wiederum gesagt werden mußte: es müsse zuerst die Methodik verbreitet werden, so wie man zum Beispiel einmal die homöopathische Methodik verbreitet hat. Das hat der Laie van Leer begriffen und die Konsequenz daraus gezogen; der Laie begreift das sofort. Aber unser Ärzte-Kollegium hat daraus die Konsequenz ge­zogen, es musse eine pedantisch-methodologische Abhandlung ge­schrieben werden.

Es handelt sich da um Dinge, von denen man glaubt, man brauche sie nur anzuschlagen, so würden die Leute, die in der Lebenspraxis darinnenstehen, sie verstehen. Man könnte hundert Beispiele anfüh­ren, um das zu erhärten. Wiederum, ohne über Wert oder Unwert etwas auszumachen, will ich dies anführen.

Der Tübinger Schlegel hat sich einmal einen Kreis von Ärzten eingeladen. In diesen Kreis von Ärzten hat er hinein gesprochen und hat sich einen Stenographen mitgenommen. Da ist im Grunde genom­men, abgesehen von dem Wert oder Unwert der Methode, ein außer­ordentlich anregendes Büchelchen entstanden. Es ist eine Art Vade­mecum entstanden. Da haben sie einen Fall, wie so etwas in der Praxis entsteht, wenn man will. Dieses Büchelchen hat dem Schlegel sehr geholfen. Denken Sie sich, in der ganzen Welt wird über Homöopa­thie diskutiert. Wenn sie mit einer solchen Sache, die den Leuten etwas sagt, herausgekommen wären, so hätte man wirklich etwas gehabt. Es handelt sich um eine medizinische Methodik, wie Homöopathie oder Allopathie. Das ist es, um was es sich handelt.

Frl. Rascher spricht.

Dr. Steiner: Das hängt nur von dem Willen ab. Ich möchte die Behaup­tung aufstellen: Das Vademecum, das von Ihnen verlangt wird, müsse jeder der Ärzte im Kopfe tragen. Etwas, was Sie selbstverständlich im Kopfe tragen, müssen Sie aufschreiben. Ich möchte wissen, wo wir heute wären, wenn so etwas vorliegen würde wie dieses Vademecum! Ich möchte wissen, wo wir dann heute sein könnten! Mit der Heilmit­telliste kommen wir nicht weit genug.

Ich wollte nur darauf hinweisen, daß das Vademecum in verhältnis­mäßig kurzer Zeit geschrieben werden könnte, daß die Einwände, die heute gemacht worden sind, nicht diejenigen sind, über die man zu sprechen hat. Solange wir nicht den Willen haben, auf die Dinge wahrheitsgemäß hinzuweisen, so lange werden wir nicht die Anthroposophische

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Gesellschaft auf die Beine bringen. Denken Sie, wenn wir in der Lehrerkonferenz anfangen würden, so zu sprechen, als ob man unsicher sei in bezug auf die Methode!

Emil Leinhas: Rückhaltlose Aussprache muß sein, sonst werden die Dinge chro­nisch. Es ist der Ausdruck «Saustall» gebraucht worden.

Dr. Palmer sagt, er glaube nicht, daß Dr. Noll die Sache schreiben könne.

Dr. Steiner: Haben Sie die Überzeugung, daß Dr. Peipers oder Dr. Husemann die Sache machen kann? Wir müssen uns darüber klar sein, daß die Fertigstellung durch gemeinsame Arbeit sich höchstens als eine Beschleunigung herausstellen würde, daß es aber etwas ist, was jeder allein machen kann.

Dr. Palmer: Es liegt so viel Material in den Vorträgen vor. Es ist aber furchtbar schwer, es umzuarbeiten.

Dr. Steiner: Das würde nur dazu berechtigen, daß Sie von sich aus die Behauptung aufstellen, es nicht allein machen zu können. Ich habe nicht an Sie persönlich die Zumutung gestellt. Ich habe es von anderen vorausgesetzt und war mir klar darüber, daß ich es dort voraussetzen darf; wie ich mir ebenso darüber klar war, daß ich es bei Ihnen nicht voraussetzen darf. Der Fall kann schon geklärt werden. Ich war mir aus den Antezedienzien klar bewußt, worum es sich handeln würde:

nämlich, daß die anderen Herren die wissenschaftliche Arbeit leisten, während Sie die praktische Arbeit leisten - und dann hat die wissen­schaftliche Arbeit versagt. Der einzige, dem ich keinen Vorwurf ma­chen kann, sind Sie; das kann man ebenso aufrichtig sagen wie das andere: ob es vielleicht nicht doch möglich gewesen wäre, die Sache zu fördern, wie man in der populären Sprache sagt.

Dr. Palmer äußert, es hätte eine Hemmung vorgelegen.

Dr. Steiner: Worin bestand diese Hemmung? Sie haben nicht gesagt, worin die Hemmung bestand.

Dr. Palmer: Man hätte glauben können, daß es an dem guten Willen und an Enthusiasmus gefehlt hat.

Dr. Steiner: Das habe ich ja immer vertreten, daß es an dem guten Willen gefehlt hat. Es ist mir sehr wichtig, daß Sie mir das heute zugestehen.

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Dr. Peipers: Wir hören heute zum ersten Male, daß Dr. Noll diesen Auftrag ge­habt hat.

Dr. Noll: Ich habe den Auftrag nicht so genommen, als ob ich allein imstande wäre, so etwas zu machen.

Dr. Palmer: Geben Sie einmal zu, daß die Sache bei Ihnen liegt.

Dr. Kolisko: Mir war klar geworden, daß Dr. Noll sich zu nichts entschließen kann.

Dr. Steiner: Ich glaube nun nicht, daß wir weiter über diese Frage zu einer Entscheidung kommen werden. Es wird sich darum handeln zu sehen, wie sich die anderen Dinge mit dieser Frage zusammen ausneh­men. Es hängt von vielen einzelnen Dingen ab, ob wir vor einer Katastrophe stehen oder nicht. Also, wir wollen zunächst das Verspre­chen von Dr. Palmer protokollieren.

Dann würde ich Sie bitten, sich über die Dinge weiter auszuspre­chen, von denen Sie auch glauben, daß sie besprochen werden müssen. Es wäre wichtig, über solche Dinge einen Aufschluß zu erhalten. Die Frage geht weit über den Rahmen desjenigen hinaus, was Stuttgart betrifft. Nur strahlt sie von Stuttgart aus. Gewisse Schwierigkeiten, die uns in Dornach entgegentreten, wenn die Angelegenheiten des dorti­gen Laboratoriums behandelt werden, führen immer dahin, daß es hier mit Gmünd nicht geht. Es ist auch schon in meiner Gegenwart über dieses Verhältnis gesprochen worden. Ich habe immer die Überzeu­gung gehabt, daß in bezug auf die Zusammenarbeit doch mehr gelei­stet werden könnte, als man sich Mühe gibt in unseren Kreisen. Denn nicht wahr: Menschen sind so, daß sie einem auch Schwierigkeiten und Hindernisse in den Weg legen! Man muß mit den Schwierigkeiten fertig werden. Nun mag manche Schwierigkeit eben in Dr. Knauer liegen. Aber ändern wird man ihn nicht. Ich konnte nie dahinter kommen, was da vorliegt in bezug auf das Verhältnis des Klinisch-Therapeutischen Institutes und Dr. Knauer.

Emil Leinhas: Es liegt im Charakter Dr. Knauers.

Dr. Steiner: Es ist notwendig bei uns in der Bewegung, wenn einmal ein Schritt getan worden ist, das Engagement gegenüber dem ersten Schritt nicht ohne weiteres abzubrechen. Ich habe nichts dagegen haben können, daß die Ärzte Dr. Knauer hereingebracht haben. Wenn man ihn nicht in die Intimitäten hineingezogen hätte, hätte man später

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mit ihm fertig werden können. Nachdem man ihn aber hineingenom­men hat, so muß man zum A auch B sagen. Das heißt: Man muß auch weiter mit ihm fertig werden. Diese Dinge müssen berücksichtigt werden. Die Nicht-Berücksichtigung solcher Dinge führt zu den größten Schäden unserer Gesellschaft. Es wird immer etwas in einer gewissen leichtsinnigen Weise begonnen. Ich mache nur darauf auf­merksam, wie leichtsinnig wir mit Sigismund von Gleich waren! Durch diese Art entstehen unsere anthroposophischen Sorgen, indem man nicht den Willen hat, B zu sagen, nachdem man A gesagt hat. Dies gehört zu den Dingen, die bei uns anders werden müssen.

Dr. Palmer und Emil Leinhas äußern sich dazu.

Dr. Steiner: Mir hat immer geschienen, daß der Gescheitere nachgibt. Dr. Knauer kann nicht als eine Autorität gelten. Wenn ihm das Ärzte-Kollegium nur imponiert hätte, dann wäre es schon gegangen. Man hat mit ihm verspielt. Es kann bei uns nicht das Prinzip herrschen, daß man jeden, den man zuerst heranzieht, dann wieder hinauswirft, wenn er einem nicht mehr paßt. Sie können sehen, daß ein großer Teil von dem, was uns von außen zugefügt wird [an Gegnerschaft], auf ein paar Ausschlüssen beruht, die von der Anthroposophischen Gesellschaft gegen meinen Willen vollzogen worden sind.

Die Diskussion geht auf ein anderes Thema über. (Notiz von Dr. Heyer: «An dieser Stelle war es 1 Uhr nachts.»)

Dr. Kolisko spricht über das Forschungsinstitut und über Dr. Theberath.

Dr. Theberath spricht über sein Versagen. Dr. Schmiedel habe, ohne ihn darum zu fragen, seinen Namen auf das Programm gesetzt.

Dr. Steiner: Fühlen Sie sich nicht verpflichtet, gegenüber der Öffent­lichkeit etwas zu tun im Interesse der Anthroposophischen Gesell­schaft?

Dr. Theberath: Ich hielt mich verpflichtet, die Versuche durchzuführen. Eine Verzögerung der Versuche ist aufgetreten, weil das, was vorher Nebensache war, Hauptsache wurde.

Dr. Steiner: Auf diese Weise werden wir aus unsern Forschungsinsti­tuten niemals etwas herauskriegen.

Dr. Kolisko: Ich hätte den Artikel Dr. Theberaths abweisen müssen. Es liegt ein Fehler der Redaktion vor.

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Dr. Steiner: Wenn wir von dem Grundsatze ausgehen, daß derjenige, dem etwas vorgehalten wird, sich eben einfach rechtfertigt, dann bin ich überzeugt davon, daß alles, was besprochen wird, in einer Recht­fertigung enden wird. Wenn in dieser Richtung gedacht wird, dann kommen wir nicht vorwärts. Sie müssen daran denken, daß aus dem Schoße der Gesellschaft heraus die Ideen dieser Gründungen entstan­den sind. Nun können Sie nicht unbedingt annehmen, daß die Gesell­schaft bankerott werden muß daran, daß in diesem Forschungsinstitut nichts geleistet wird. Daß eine Versuchsreihe noch genauer und ge­nauer gemacht werden kann, ist selbstverständlich, aber endlich ist es notwendig, daß der Welt etwas gezeigt wird. Der einzig gültige Ein­wand gegen die Milz-Versuche ist dieser, daß man die Versuchsreihe hätte vermehren können. Selbstverständlich, wissenschaftlich würde es sich schon rechtfertigen lassen, daß eine Versuchsreihe nie ganz vollständig zustande kommt. Ich denke doch, daß man die Aufgabe hätte zu fragen, wie das [Forschungs-]Institut durch Arbeitsleistungen fruchtbar werden kann. Wenn wir jede Frage nur persönlich nehmen -und die Auffassung dieser Frage von Dr. Theberath ist ein Schulbei­spiel dafür-, dann kann man nicht anders als sagen, daß die Anthropo­sophische Gesellschaft sich als unfähig erweist, die Wege von 1919 weiterzugehen. Dann muß die Sache aufgegeben werden und ist zu­rückzuschieben auf den Stand, den sie 1918 hatte. Wenn Sie durchaus die Frage nicht so behandeln wollen, daß die Sache fruchtbar wird und daß die maßgebenden Persönlichkeiten darüber nachdenken: Wie ver­treten wir die Sache vor der Welt, so daß sie fruchtbar wird? -, dann kommen wir nicht weiter.

Dr. Kolisko: Einige Abhandlungen sind noch da.

Dr. Steiner: Ich frage: Hat einer der Physiker über die Abhandlung von Dr. Maier in der «Anthroposophie» geschrieben? Hat einer unse­rer Physiker geschrieben? Darum handelt es sich gerade, daß die Welt darauf aufmerksam wird und merkt, daß etwas geschieht. Geradeso wie es uns geholfen hätte, wenn über die Milzversuche geschrieben worden wäre.

Dr. Maier: Ich habe nicht viel Interesse gefunden. Der einzige war Dr. Dechend. Besser wäre es gewesen, wenn jemand anders schriebe.

Dr. Steiner: Natürlich wäre es besser, wenn jemand anders schriebe! Das ist gerade das Wesentliche, daß die Leute zusammenwirken sol­len.

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Es wäre darauf angekommen, die große Bedeutung der Arbeit in einer klaren Weise auseinanderzusetzen: dem hätte sich jeder unter­ziehen können; dazu braucht man nicht ein Physiker zu sein. Warum geschehen solche Dinge nicht? Warum wird über diese Frage nicht gesprochen? Ich habe diese Frage immer wiederum in ihrer methodi­schen Bedeutung hervorgehoben. An der Milzfrage habe ich gezeigt, wie eine innere Opposition betrieben worden ist. Und als mir dann berichtet worden ist, was für eine Geschichte das gegeben hat - das wurde dann ein Skandal! (Notiz von Dr. Heyer: «Milzgeschichte ein Skandal: einer der Grundschäden.») Die Dinge werden dadurch nicht besser, daß man sich über diesen Punkt ausschweigt, der der funda­mentalste ist. Auch heute hat man sich total darüber ausgeschwiegen. Mir kommt es darauf an, daß diese Dinge in einer Anthroposophi­schen Gesellschaft besprochen werden. Es liegt aber die Tendenz vor, Täuschungen zu rechtfertigen! Die Dinge sollten nicht erst soweit gebracht werden, daß dann der Gegner recht hat. Über den ganzen Verlauf der Versuchsreihe will ich nicht reden. In der Frage der Phänomenologie ist doch die Sache auf den Punkt getrieben worden, daß der Gegner, so wie die Sache heute liegt, Recht hat, und die Anthroposophen haben Wesenloses vorgebracht. Man hat erst die ganze Frage aufs Glatteis geführt, um es den Gegnern so leicht wie möglich zu machen. Das einzig Greifbare, was im Atomismus-Streit vorgebracht worden ist, steht in der Erwiderung von Frl. Dr. Rabel selbst - das einzige, was für die anthroposophische Position vorge­bracht werden kann.

Es spricht Dr. Unger. Dann Dr. Theberath des längeren.

Dr. Steiner: Von der Phänomenologie ist bis zum Jahre 1919 über­haupt nicht gesprochen worden. Ich war genötigt, davon zu sprechen, als ich diese Verhältnisse feststellen mußte. Das, was Sie Phänomeno­logie nennen, haben Sie in die Anthroposophische Gesellschaft hinein-getragen. Sie haben mir hier die Führung entwunden, indem Sie die Gelehrsamkeit hineingetragen haben. Deshalb haben Sie die Verant­wortung für die Dinge, die hereingekommen sind. Die Gemeinschaft der Gelehrten hat die Phänomenologie hineingetragen.

Es wird weiter über diesen Gegenstand gesprochen.

Dr. Steiner: Nun wird das so dargestellt, als ob ich die ganze Phänome­nologie hineingetragen hätte. Die Forscher sind es, welche diesen

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Tatbestand in die Anthroposophie hineingebracht haben. Ich würde es weit von mir abweisen, für so etwas die Verantwortung zu überneh­men wie für diesen Artikel über den Wasserstoff in der «Drei».

Es wird weiter über diesen Gegenstand gesprochen.

Es wird weiter über diesen Gegenstand gesprochen.

Dr. Steiner: Heute stehen wir vor der Bescherung. Sie lehnen die Verantwortung ab, indem Sie sich bloß persönlich rechtfertigen wol­len. Wenn Sie Phänomenologie wollen, dürfen Sie nicht philosophie­ren. Das aber würde bedeuten, die Apparatur schon in eine Richtung zu bringen, die man fruchtbar nennen kann. So haben wir zum Beispiel in Dornach praktische Phänomenologie betrieben, da wir vor die Aufgabe gestellt waren, daß wir in der Arbeit bestimmte Probleme zu lösen hatten. Wir haben doch Farben zustande gebracht, mit denen wir die Kuppel ausmalen konnten. Bisher haben sich diese Farben gehal­ten. Wir sind eben von einem klar zutage liegenden Gedanken ausge­gangen. Wir haben flüssiges Papier gemacht und haben auf flüssiges Papier die Farben aufgetragen. Davon sind wir ausgegangen, Stück für Stück uns vortastend an den Tatsachen. Das war eine Art phänomeno­logisches Experimentieren. Hier in Stuttgart hat nie der Wille bestan­den, in phänomenologischer Weise zu arbeiten, außer im Biologischen Forschungsinstitut, da, wo zwei Versuchsreihen herausgekommen sind, die halten. Wenn Sie sich an diese Methode halten, die herausge­wachsen ist aus der Anthroposophie selber, dann werden Sie den Mut nicht zu verlieren brauchen. Aber das Hereintragen der Universitäts­methoden geht nicht. Es handelt sich wirklich darum, daß für dasje­nige, was durchaus in Einklang gebracht werden kann tnit der Anthro­posophie, auch die Verantwortung übernommen werden muß. Darum handelt es sich, wie man da fruchtbar vorwärts kommt, und nicht um unendliche Versuchsreihen, die zu nichts führen.

Da haben wir vom «Kommenden Tag» her die Finanzierung in Angriff genommen, im Vertrauen, daß wirklich gearbeitet wird; und das wird jeder wirkliche Wissenschaftler zugeben, daß man auch mit unvollendeten Versuchsreihen hervortreten kann, wenn wirklich ge­arbeitet wird. Jedenfalls müßten diejenigen, die sich hier niedergelas­sen haben, um auf unserem Boden die Dinge zu treiben, die müßten für die Sache auch aufkommen.

Die Debatte geht weiter.

Dr. Steiner: Ich will die Möglichkeit geben, durch Stellung einer

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bestimmten Frage vielleicht doch noch irgend etwas herauszuholen. Ich frage folgendes: Ich bin genötigt worden, den Artikel in der «Drei» zu erwähnen, und stelle nun die folgende Frage: Bedurfte es der Unternehmung unserer Forschungsinstitute, oder bedurfte es bloß einer Umänderung der Denkmethoden und der Verwertung derjeni­gen Kenntnisse, die man auch ohne die Unternehmungen hätte gewin­nen können, um solch einen Aufsatz zu schreiben wie den über den Wasserstoff? Ich stelle diese ganz konkrete Frage. Oder hätte nicht vielleicht jeder diesen Aufsatz schreiben können, der einfach die über­all bekannten heutigen Tatsachen auch kennt und sich hinsetzt, um sie phänomenologisch zu interpretieren? Artikel, die ein Resultat der Forschungsinstitute sind, hätten kommen müssen! Wir müssen uns darüber unterhalten, ob die Forschungsinstitute fruchtbar sind. Ebenso frage ich Sie: War es nötig, die Forschungsinstitute zu errich­ten, um den Atomismus-Streit zu machen? Unsere Zeitschriften sind doch auch im Zusammenhang damit entstanden. Es ist darauf gerech­net worden, daß in unseren Zeitschriften etwas von den Resultaten aus unseren Forschungsinstituten erscheint. Das imponiert der Welt nicht, wenn jemand sich hinsetzt und dasjenige zusammenstellt, was man in den Handbüchern sammeln kann, der eine atomistisch, der andere phänomenologisch.

Emil Leinhas: Es liegt eine Reihe von Aufgaben, von Dr. Steiner gegeben, vor.

Dr. Steiner: Die muß man lösen und nicht sich um unnötige Dinge kümmern, wie das zum Beispiel, daß ein Buch, Moltke, auf Konfe­renzbeschluß bestellt worden ist. Es gibt Stellen in dem Buch, durch welche man es hätte rechtfertigen können. [Siehe unter Hinweise.]

Reden und Fragen der Mitglieder.

Dr. Steiner: Ich bin ganz unschuldig am Programm oder Unpro­gramm des heutigen Abends. Ich habe gebeten, es möchte heute [nicht wieder] ein großer Kreis berufen werden, damit man zu einem Resul­tat komme. Ich habe am 10. Dezember [1922] an Herrn Uehli eine Bitte gerichtet, die an den ganzen Zentralvorstand gerichtet war. Es war mir klar geworden, daß die Dinge zu einer vollständigen Deroute der Anthroposophischen Gesellschaft führen müssen. Ich habe ge­fragt: Was ist zu tun? Ich sagte: Ich könnte mich auch an jedes einzelne Mitglied wenden, um einen möglichen Zustand herbeizuführen. Aber

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ich möchte lieber davon absehen, da die Tatsache vorliegt, daß aus dem Schoße der Gesellschaft Führungen übernommen worden sind, und ich bäte den Zentralvorstand, die Dinge in die Hand zu nehmen und sich mit führenden Persönlichkeiten in Stuttgart darüber ins Beneh­men zu setzen, damit eine Katastrophe abgewendet werden könne. Denn man müsse sehen, daß die Sache in einem raschen Hinabgleiten ist. - Ich mußte dann abreisen und sprach nach wenigen Tagen mit Dr. Kolisko, indem ich ihm von diesem Auftrag erzählte. Ich erwar­tete, daß mir die Ausführung dieses Auftrages entgegentreten würde, wenn ich dann wieder hierher käme. Es kamen die traurigen Tage von Dornach, die dann zu allerlei geführt haben: zum Beispiel zu jener Jugend-Versammlung im Glashaus [am 6. Januar, nachmittags], auf der so schreckliches Zeug geredet worden ist. Dann zur aufgeschobe­nen [Mitglieder-]Versammlung vom 6. Januar. Herr Uehli fragte mich [einen. Tag] vorher nach dem Programm. Ich sagte, daß jetzt über die Konsolidierung gesprochen werden solle. Am nächsten Tag verlief die Versammlung so, wie sie eben verlaufen ist. Als ich dann [am 16.] hierher kam, wurde ich nicht empfangen von dem Zentralvorstand mit führenden Persönlichkeiten, sondern von einem Komitee, das sich gebildet hatte aus dem Dreißigerkreis heraus. Herr Leinhas erzählte mir beim Wegfahren aus Dornach, daß Dr. Unger nicht dabei sein solle. * Ich kam am Abend an, und in diesem Komitee wurde sehr scharf über diesen Zentralvorstand gesprochen. Man konnte von der Versammlung den Eindruck bekommen, man wolle sich überhaupt nicht mit dem Zentralvorstand einlassen, sondern man müsse selbst die Sache behandeln. Nun, ich meinte, Dr. Unger müsse doch dabei sein. Es fielen starke Worte. Es wurde unter anderem der Zentralvor­stand so kritisiert, daß von Dr. Stein gesagt wurde, er wäre ein Kinder­gespött geworden. Es war in Aussicht genommen, die Luft hier ener­gisch zu reinigen. Herr Uehli ist abgereist [zurückgetreten]. Es wurde die große Versammlung einberufen [am 22. Januar]. Dabei kam nichts heraus. Es wurden kleinere Versammlungen einberufen. Es kam nichts heraus, als daß ein Rundschreiben geschickt werden sollte. Nun sagte ich, daß man wissen müsse, was man den Delegierten sagen wolle. Gestern ging die kleine Versammlung tatenlos auseinander.** Da es

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* M. Steiner machte in ihrer Ausgabe die Bemerkung: «Man wollte Dr. Unger ausschal­ten.»

** Von dieser Versammlung des Siebenerkreises liegt kein Protokoll vor.

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doch klar ist, daß man mit einer kleinen Versammlung nicht weiter­kommen kann, beschloß man, diesen Dreißigerkreis zu berufen.

Die Verhandlungen dieses Kreises haben Sie heute abend mitge­macht. Der Ausgangspunkt war der, zur Reorganisation der Gesell­schaft etwas zu tun. Das haben Sie dadurch herbeizuführen versucht, daß sie die einzelnen Institutionen aufgefordert haben, sich über sich selbst zu äußern. Nun bitte ich, weitere Vorschläge darüber zu ma­chen, wie Sie sich denken, daß aus dem Schoße der Gesellschaft die Sache geleistet werden soll. Es würde sich darum handeln, daß dieses Komitee sagt, was es seinerseits will. Negative Kritik ist genug geübt worden.

Sie selbst behaupten, der Zentralvorstand sei zum Kindergespött geworden und er könne nicht bleiben, und Sie deuten darauf hin, daß etwas anderes an dessen Stelle treten müsse. Was ist das? Der Versuch müßte darin bestehen, daß man also wirklich diejenige Körperschaft an die Spitze der Bewegung stellt, die eine Garantie dafür bietet, daß es anders wird. Wie stellen Sie sich heute den Fortgang der Situation vor?

Dr. Palmer rät zu der Rückkehr zum Zustand von 1918.

Dr. Steiner: Sollte es nicht Mittel und Wege geben, sich nicht bloß in den Abgrund zu stürzen, sondern weiterzukommen?

Graf Polzer: Heute müßte die Anthroposophische Gesellschaft sich loslösen von diesen Institutionen. Die Verantwortung für diese sollte von bestimmten Persön­lichkeiten übernommen werden.

Dr. Steiner: In diesen Institutionen ist so viel Kapital investiert! Da­durch ist die Situation so geworden, daß sich diese Frage nicht mehr aus bloßen abstrakten Vorstellungen heraus lösen läßt. Denn das würde ja bedeuten, daß ich mich zurückzöge und die Sache von neuem begründen würde. Das würde folgen müssen. Wenn aus solchen wo­chenlangen Verhandlungen am Ende das zustande kommt, was bis heute geschehen ist, so würde es dazu führen, daß ich sage: Man muß etwas Neues begründen. - Man ist doch bei der Sache engagiert! Man muß doch aus den wirklichen Tatsachen heraus die Sache auffassen! Ich kann das nicht ausführen, was ich ausführen möchte. Das geht nicht. Es geht auch das nicht, daß man einfach eine Kampagne entriert, die dann so verläuft. (Notiz von Dr. Heyer: ... . daß die Gesellschaft öffentlich ab rückt von allem, was außer der Lehre Dr. Steiners entriert

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ist?») Man hat auch dafür die Verantwortung, daß man die Zeit nicht in der Art totschlägt, wie sie seither totgeschlagen worden ist.

Dr. Wolfgang Wachsmuth: Läßt sich das nicht so regeln, daß die Gesellschaft das bekannt gibt, öffentlich abrückt von allem, was außer der Lehre Dr. Steiners entriert ist?

Dr. Steiner: Nehmen Sie an, die Gesellschaft setzt in dieser Weise die Sache fort und ich würde genötigt werden, mich an die Mitglieder zu wenden: so müßte ich vermeiden, daß das Ansehen der Institutionen nicht gewahrt würde. Es darf das Ansehen des «Kommenden Tages» keine Einbuße erleiden. Es handelt sich lediglich um die Alternative:

Entschließt sich die Führerschaft, die jetzt die Sache in die Hand genommen hat, uns zu verraten, von welchen Ausgangspunkten sie ausgegangen ist, oder muß ich mich an alle Mitglieder wenden? Dann aber wäre es gut, es gleich am ersten Tag zu sagen, daß das erst geboren werden soll, was an die Stelle des Kindergespöttes zu setzen ist.

Dr. W. J. Stein: Wir dachten an die Änderung der Gesinnung und Änderung der Arbeitsrichtung.

Dr. Steiner: Was stellen Sie sich vor, was Sie der Delegiertenversamm­lung sagen werden?

Dr. Unger: Man müßte die Möglichkeit haben, der Versammlung etwas vorzule­gen, was zeigt, daß das Stuttgarter System überwunden worden ist. Palmer hat die Verantwortung übernommen für die Klinik, Leinhas für den «Kommenden Tag». Bei der Delegiertenversammlung würde ich vorschlagen, daß die Anthroposophi­sche Gesellschaft die Verantwortung für das, was sich «Bund für freies Geistesle­ben», nennt, übernimmt.

Dr. Steiner: Soll es dabei bleiben, daß dieses Dreier-Kollegium Lein­has - Unger - Kolisko* bis zur Delegiertenversammlung fortwirkt? Dr. Unger: Man wartet, daß von irgendeiner Leitung darüber berichtet wird.

Dr. Steiner: Sie dürfen nicht vergessen, daß es tatsächlich aufhören würde, daß der eine vom anderen etwas hält, wenn man in einer Delegiertenversammlung so redet, wie heute abend geredet worden ist. Vor eine große Versammlung muß man nicht mit Selbstkritik oder dergleichen, sondern mit positiven Ideen treten. Was geschehen ist die ganze Woche über, das ist: daß ein Kreis sich gebildet hatte, der

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* Dr. Kolisko war an Stelle von Ernst Uehli getreten.

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unzufrieden war. Solcher Kreise soll es noch verschiedene andere geben. Das ist furchtbar leicht: unzufrieden zu sein! Aber ohne daß Sie einer solchen Delegiertenversammlung irgend etwas Positives vorle­gen, kommen Sie zu nichts anderem, als daß die letzte Spur des Vertrauens verlorengeht.

Ich will vielleicht noch ein paar Fragen stellen. Es wird hier seit vielen Tagen verhandelt. Es war die große Versammlung hier. Ich stellte die Frage: Warum wird mit Positivem nicht in der Weise der Anfang gemacht, daß sich unter denjenigen, die sich als führende Persönlichkeiten betrachten, einzelne finden, die sich vorbereiten, so etwas bei der entsprechenden Gelegenheit vorzubringen, so daß die Zuhörer eine gewisse Besserung verspüren? Warum bereiten sich die Mitglieder, die führend waren, nicht auf gewisse Dinge vor? Warum läßt man die Dinge so laufen? Was für einen Eindruck haben wir bei den Mitgliedern gemacht, als Frl. Ruben* dazumal anderen obliegende Führereigenschaften schlimmster Sorte entwickelt hat dadurch, daß sie vorbereitet gekommen ist vor eine Versammlung. Warum bereiten sich nicht die führenden Persönlichkeiten auf die Situation vor? Wün­schen Sie auch eine Delegiertenversammlung, in der nur ein Frl. Ruben vorbereitet kommt und Allüren einer Führerpersönlichkeit entwik­kelt? Wenn man sich nicht bekümmert um das, was geschehen soll, sondern die Sachen laufen läßt, dann kommen wir nicht vorwärts, wenn noch so viel schmutzige Wäsche gewaschen wird.

Wenn wir nicht in bezug auf Eifer und Willen vorwärtskommen, dann kommen wir nicht vorwärts. Warum soll sich nicht die Möglich­keit finden, ein bißchen vorbereitet zu kommen, um etwas sagen zu können? Die kleinen Versammlungen sind so verlaufen, daß die Mit­glieder des Siebenerkreises erschienen sind, ohne auch nur vorher nachgedacht zu haben.

Ich habe einmal auf dasjenige hingewiesen, was eigentlich zur Schiefheit in der Entwicklung der Bewegung für religiöse Erneuerung geführt hat. Ich habe darauf hingewiesen, daß man diesem Kreis für religiöse Erneuerung den Vorsprung gelassen hat, das wirksamste Buch zu schreiben, so daß man sich nicht zu verwundern braucht, wenn diese Gesellschaft nun auch Erfolg hat, Wirksamkeit entwickeln

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* Ein Mitglied des Jugendkreises. Die betreffende Versammlung war die erweiterte Dreißi­gerkreissitzung am 22. Januar 1923. Was Frl. Ruhen vorbrachte, ist nicht festgehalten worden.

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kann, während die Anthroposophische Gesellschaft nur dazu ge­kommen ist, sich lediglich auf Abwehr des Unberechtigten zu be­schränken.

Gestern war wieder eine solche Versammlung.* Sie war verstärkt durch Herrn Uehli. Ich war genötigt, darauf hinzuweisen, daß die Sache gemeinschaftlich sein müßte und daß man sich bekümmern müsse um die Institutionen. Wir haben erlebt, daß Dr. Stein aufgetre­ten ist und das wiederholt hat, was ich gesagt habe. Heute versammeln wir uns hier, und weil ich gestern hingewiesen habe auf das Konkrete dessen, was uns zusammengeführt hat, wird heute das zum Programm gemacht, was ich gestern nur illustrativ angeführt habe. j

Warum findet man nicht die Möglichkeit, etwas, was man vorher überlegt hat, vorzubringen? Warum findet sich nicht die Möglichkeit, ein wesenloses Geschwätz von Frl. Ruben zurückzuweisen? Warum findet sich nicht die Möglichkeit, das zurückzuweisen, was Bock vorgebracht hat und was ich vorgestern zurückweisen mußte?** Was ich selbst also zurückweisen mußte? Warum halten wir Versammlun­gen, ohne daß sich die Persönlichkeiten darauf vorbereiten? Der Grundfehler ist der, daß sich kein Mensch auf das vorbereitet, was er hier vorbringen will. Wenn ein Mensch zeigt, daß er sich vorbereitet hat, dann bringt er es mit Wärme und mit Enthusiasmus vor. Einen Enthusiasmus hat es heute nur im Schimpfen gegeben. Man möchte nur wünschen, daß irgend etwas im Positiven mit Wärme vorgebracht würde! Das ist dasjenige, was man brauchen würde! Und das ist das, was fehlt. Hier herrscht eine Kälte, die das Ungeheuerlichste ist, und die ganze Versammlung hat dieses gemeinsame Charakteristikum, daß sie kalt ist bis zum Exzeß, daß keine Wärme verspürt worden ist!

Wenn man dieses erlebt, kann man nicht glauben, daß man dabei ist, die Gesellschaft fortführen zu können. Man könnte nur konstatieren, daß Sie nicht einmal nachdenken. Das ist das eigentümliche, daß man nicht innerlich Gedanken entwickelt. Heute abend sind alle Stühle zu kurulischen geworden. Wirklich, es ist eine Überraschung gewesen, daß dasjenige, was nur als Illustration von mir vorgebracht wurde, heute abend schon zum «Programm» gemacht worden ist.

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* Mit dem Siebenerkreis, siehe Seite 221.

** Bocks Ausführungen müssen ebenfalls in der erweiterten Dreißigerkreissitzung am 22. Januar erfolgt sein und von Rudolf Steiner in der Versammlung am 29.Januar, von der jedoch kein Protokoll vorliegt, zurückgewiesen worden sein.

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Adolf Arenson: Der Enthusiasmus ist nicht da. Andererseits ist doch in allen ein großer Schmerz vorhanden, daß sie das nicht aufbringen, was zu leisten wäre. Wenn es nicht möglich ist, etwas Positives zu finden, dürfen wir uns dann nicht um einen Rat an Sie wenden? Nicht heute vielleicht? Ich sehe sonst nicht, wie es möglich ist weiterzukommen. Ich bin überzeugt, daß wirklich alle vereint weiter-wirken möchten.

Dr. Steiner: Es ist doch etwas unmittelbar Aktuelles, daß tatsächlich am verflossenen Montag [22. Januar] Frl. Ruben den Vogel abgeschos­sen hat; daß man dies hat ruhig geschehen lassen, daß man aus Unauf­merksamkeit die Dinge von Bock hat hingehen lassen. Was hilft ein Rat, wenn die Dinge so verlaufen? Wenn man in wichtigsten Momen­ten die ungeeignetsten Dinge unmoniert geschehen läßt? Was hilft ein Rat, wenn ich schon seit Monaten erwähne, ich würde gern hören, warum das geschehen ist, daß die Milz-Broschüre boykottiert worden ist? Was hilft ein Rat? Ich darf nicht hören, was das Kollegium veran­laßt hat, hier den Auftrag zu geben, daß auf die Broschüre kein Auge fällt! Ich darf nicht hören, warum diese Dinge so sind!

Da hilft es nicht, davon zu reden, daß Ratschläge erteilt werden sollen. Das gehört zu dem, was die Gesellschaft ruiniert. Wie anders ständen heute unsere wissenschaftlichen Unternehmungen da, wenn einer der Ärzte den Mund aufgemacht und etwas gesagt hätte, was weiß Gott wie lange gesucht worden ist! Sie können zehn Heilmittelli­sten herausgeben mit wesenlosen Anpreisungen! Wenn aber die Welt erfahren würde, daß die Dinge an einer Klinik gemacht worden sind, so hätte die ganze Welt davon gesprochen. Warum geschieht so etwas nicht? Warum wird über so etwas nicht gesprochen, trotzdem ich seit Wochen darum bitte? Warum verschweigt man das? Man wird alle meine Ratschläge so befolgen, daß man sie boykottiert. Warum ist das so? Die Anthroposophische Gesellschaft hat sich zu dem entwickelt, daß man sagen könnte: Es wird innere Opposition gemacht; zum Beispiel bei denjenigen, denen es zugekommen wäre, die Milz-Bro­schüre zu behandeln. Die Anthroposophische Gesellschaft hat es ge­schehen lassen, daß ein Kreis zu mir in offene Opposition getreten ist. Lind das, obwohl ich wiederholt bemerklich gemacht habe, daß alles von mir Gesagte in den Wind geschlagen worden ist. Ist es erhört, daß hier ein Ärzte-Kurs gehalten wird und dann das, was unmittelbar als bedeutende Leistung in Erscheinung tritt, so boykottiert wird? Wür­digt man das ganz Skandalöse, das in dieser Sache liegt? Das ruft die

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Notwendigkeit hervor zu sagen: Die Gesellschaft tut ja nichts.* Die Frage ist die: Will sich die Gesellschaft jetzt so einsetzen, daß mir nicht mehr ins Gesicht geschlagen wird durch die Anthroposophische Gesellschaft wie bisher? Dr. Rascher quartiert sich in Dornach in einem Hause ein, wo die Frau Häfliger wohnt, und die erfährt dort von ihm einiges über die Opposition gegen die Milz-Broschüre. Ich frage Sie: Wie werde ich, wie wird eine solche Sache selbst in engeren Kreisen behandelt? Wie hat sich die Ärzteschaft verantwortlich ge­fühlt für dasjenige, wofür sie sich verpflichtet hat, es in ihren Kreisen bleiben zu lassen? Das ist die Anthroposophische Gesellschaft! - - Die Sache muß sehr schnell gegangen sein. Denken Sie sich diese Blamage. Ich werde immer molestiert, ich solle die Erlaubnis geben, daß man die Ärzte-Kurse lesen darf.

Dr. Rascher: Ich möchte doch die Ärzte fragen, ob sie nicht antworten wollen. Dr. Husemann: Es ist aus Angst vor der Broschüre geschehen. Ich hatte Angst vor der Diskussion. Aus Feigheit ist es geschehen.

Dr. Steiner: Wenn wir weiter die Dinge so anstellen werden - -[Lücke]

Ich habe noch keine Besprechung der Broschüre von Frau Kolisko in der «Anthroposophie» gefunden. Der Weg, den Sie eingeschlagen haben, ist der, daß Sie die Sache verschwinden machen werden, um sie vielleicht nach zehn Jahren in einer Klinik aufleben zu lassen. Studie­ren Sie die deutsche Gelehrtengeschichte des 19. Jahrhunderts, was da alles vorgekommen ist.

Ich habe wirklich in der letzten Zeit mit positiven Ratschlägen nicht zurückgehalten. Keiner ist befolgt worden. Es handelt sich darum, daß man an einer bestimmten Stelle Ratschläge gibt und daß sie dann alle in den Wind geschlagen werden. Und zwar so stark wie dieser.

Es sprechen einige über die vorangegangene Lethargie.

Marie Steiner: Dr. Unger ist gewillt, dies in starke Aktivität umzuwandeln. Er ist derjenige, der die Anthroposophische Gesellschaft mit in die Welt gesetzt hat. Er hat eine solche Erfahrung, die es ihm möglich machen wird, einiges wieder gutzumachen, während ich nicht glaube, daß jemand anders diese selben Fehler vermeiden wird. Ich finde es sonderbar, daß man Dr. Unger als Zentralpunkt der Angriffe genommen hat. Bei zahlreichen Mitgliedern ist die Tendenz vorhanden, gegen Dr. Unger zu arbeiten. Wenn ich nach Stuttgart komme und merke, wie die

- - -

* Hier ist in der Übertragung von Karl Schubert angemerkt: «Lücke».

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Zahl der Angestellten wächst, und wenn ich bedenke, wie andere in Dornach arbeiten, ohne Gehalt, so muß ich sagen: Diejenigen, die angestellt sind, arbeiten viel weniger. Mir wird es nie einfallen, in diesen Vorstand eintreten zu wollen. Aber ich würde gerade meinen, daß Dr. Unger jemand ist, der bleiben kann; ihm fehlt aber jetzt der Glaube an sich. Man muß ihm die Möglichkeit geben, den Glauben wiederzugewinnen. Und Dr. Unger müßte selbst auch etwas dazu tun.

Es wird ein Vorschlag gemacht, den Dr. Unger zurückweist. - Dr. Hahn spricht. Es werden Vorschläge gemacht.

Dr. Steiner: Meinungen und Äußerungen interessieren mich nicht. Herr Dr. Hahn hat sein Interesse darauf beschränkt, um verschiedene Besprechungen zu bitten. Wenn Sie bloß aus irgendwelchem Glauben heraus das beweisen wollen, dann begründen Sie es auch.

Dr. Hahn: Mir scheint dieser Vorschlag indiskutabel zu sein.

Dr. Steiner: Aus verborgenen Gründen heraus werden Vorschläge gemacht. Aus solchen Meinungen und Überzeugungen setzt sich das Siebenerkollegium zusammen!

Eugen Benkendörffer: Ich habe es begrüßt, als ich hörte, daß Dr. Kolisko in den Vorstand aufgenommen werden sollte.

Es wird dazu Stellung genommen.

Eugen Benkendörffer: Trotzdem bin ich der Meinung, daß Herr Dr. Kolisko vorläufig in den Zentralvorstand eintreten sollte. Dann kann in neuer oder breite­rer Weise über die Führung der Geschäfte der Gesellschaft gesprochen werden.

Dr. Unger: Wenn ich mich bereit erkläre, es wieder zu machen, so muß ich annehmen, daß sich die Freunde mit Überzeugung dahinterstellen. Wenn wir uns verstehen, werden wir die Arbeit wieder aufnehmen können. Wenn wir nur hindurchschauen durch alle die vielen Schleier von Vorurteilen, werden wir sicher unsere Beziehungen wiederfinden.

Dr. Steiner: In nächster Zeit steht der Fragenkomplex des Goethe­anums und der Führung der Gesellschaft in anderer Art zur Diskus­sion. Nun muß ich sagen, daß ich aus den Besprechungen, die hier stattgefunden haben, nicht die Überzeugung gewinnen kann, daß das in irgendeiner Weise erfüllt würde, was ich in den Vorträgen ge­stern und vor acht Tagen [in GA 257] ausgesprochen habe: daß das Goetheanum nur aufgebaut werden könne, wenn auch eine starke Gesellschaft da ist.

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Ich habe dieses Siebenerkomitee mit einer gewissen Befriedigung emp­fangen und nicht vorausgesetzt, daß sich alles genau erfüllen würde, was ich befürchtet hatte. Ich habe mich gefreut, daß sich eine Anzahl von Menschen zusammengefunden haben, die etwas tun wollen. Aber nun, die Wochen, die uns beschäftigt haben, die haben meine Besorg­nis nicht vermindert! Und nun muß ich sagen: Wiederum mit der absoluten Ungewißheit über das Schicksal der Anthroposophischen Gesellschaft abreisen zu müssen - das ist hart. Und eigentlich wundere ich mich jetzt darüber, nachdem Zeit gewesen ist, sich irgendwie mit der Frage zu beschäftigen: wie Sie doch so ganz unvorbereitet wieder aufgetreten sind. Nicht wahr, Sie tun doch so, als ob Sie ahnungslos gewesen wären! Eine wirkliche Beschäftigung mit dieser Frage liegt nicht vor. Der Jugendkreis wird revoltieren, wenn nicht aus diesen Verhandlungen wirklich etwas hervorgeht. Ich möchte den Siebener­kreis an seine Pflichten erinnern.

Stellen Sie sich vor, ich wäre hier angekommen, ohne daß sich dieser Siebenerkreis gebildet hätte. Dann hätte ich der Tatsache gegenüber­gestanden, daß Herr Uehli meinen Auftrag nicht ausgeführt hat. Ich wäre sehr besorgt gewesen um die Sache. Ich hätte mit dem alten Vorstand die Sache zunächst auszufechten gehabt. Dasjenige, was herbeigeführt worden wäre, wäre dann gewiß so verlaufen, daß nicht die Spatzen das alles von den Dächern herunterpfeifen würden. Nun ist es so weit gekommen, daß heute, wenn nichts Erhebliches ge­schieht, die offene Revolte in der Gesellschaft da ist, weil alles hinaus­getragen worden ist. Was hier verhandelt worden ist, das ist so gut wie in die ganze Gesellschaft hinausgetragen worden. Dadurch sind die Besorgnisse nicht vermindert, sondern vermehrt worden.

Ich wundere mich darüber, daß dieser Siebenerkreis, der ein neues Element hinzufügen könnte, sich so wenig seiner Verantwortung bewußt ist. Das ist schon natürlich eine Sache, die heute außeror­dentlich schwerwiegend ist. Man darf nicht ungestraft eine solche Initiative ergreifen und sich nachher zurückziehen. Herr Leinhas hat von allem Anfang gesagt, daß man etwas Positives an die Stelle des Alten setzen solle. Wenn wenigstens dies befolgt worden wäre! Die ganze Studentenschaft ist der Meinung gewesen, daß der alte Vor­stand nichts taugt. Nun hat das Siebenerkomitee diese Meinung zu der seinigen gemacht, und die ganze Sache verläuft wieder im Sande! So gehen die Dinge nicht weiter. Es ist ganz sicher, daß wir die

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Anthroposophische Gesellschaft einfach nicht in dieser Verfassung lassen können.

Adolf Arenson: Es ist jetzt der Wille zum Übernehmen von bestimmten Aufgaben von Dr. Unger geäußert worden. Herr Dr. Kolisko hat sich bereit erklärt, mit Dr. Unger zusammen die Arbeit zu machen. Dazu gehört, daß wir uns alle herzlich dahinterstellen. Wenn das möglich ist, dann gebe ich die Hoffnung nicht auf.

Dr. Steiner: Nun fragt es sich, ob man sagen kann, daß die alte Anthroposophische Gesellschaft weiterarbeiten wird. Es ist aber die Jugend da, mit der müßte etwas Besonderes begründet werden. Sie kennen die Stimmung der Jugend nicht. Sie wird sich nicht mit alledem zufrieden geben, das versichere ich Sie, was hier gesagt worden ist. Das zweite ist, daß dieses Goetheanum den Nebentitel hat «Freie Hoch­schule für Geisteswissenschaft» und daß die Prätention hervorgerufen worden ist, wissenschaftliche Leistungen aufzuweisen. Die Gegner­schaft mag noch so groß sein, aber die Leute dürfen nicht Recht haben. Es ist unmöglich, gegen diese Gegnerschaft mit dem Bau eines Goe­theanum, dieser Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, aufzu­kommen, wenn darauf hingewiesen werden kann, daß wissenschaft­lich nichts geleistet wird. Wie leichtsinnig gebärden wir uns mit so etwas wie mit dieser Atomismus-Polemik! Wir brauchen nicht anzu­streben, was Dr. Theberath meint: nur ja das Wohlgefallen der Privat­dozenten zu erringen! Sondern wir müssen ehrlich vor die Welt hin­treten mit Dingen, die in sich die Möglichkeit haben, wissenschaftlich dazustehen. Das müssen wir haben, nicht wahr?

Bei der Jugend wird Aufklärung nichts fruchten. Bei der Jugend wird nur fruchten, wenn ihr der Zentralvorstand so entgegentritt, daß sie anfängt, an ihn zu glauben. Aber mit Bezug auf die Prätention der wissenschaftlichen Richtung kann uns die Gegnerschaft angreifen. Man will nicht einen ernstlichen Anfang machen mit dem, womit man einen unernstlichen Anfang gemacht hat. Es bleibt nur die Waldorf­schule übrig; die muß gehegt werden, damit die nicht auch fällt. Man muß mit der Jugend fertig werden und mit alledem, was sich an Gegnerschaft dadurch aufgehäuft hat, daß seit 1919 die ganzen Ange­legenheiten so geführt worden sind, daß die Leute wütend geworden sind und nichts Vernünftiges gegen diese Wut gemacht worden ist.

Ich hatte nicht einmal Zeit, so etwas zu lesen-- [Lücke]. Die Dinge [Institutionen] sind begründet worden, und ein jeder setzt sich dann

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auf seinen kurulischen Stuhl. Dann muß ich mir überlegen: Wie werde ich fertig mit den Dingen, die jetzt auch an mich herangekom­men sind.

Sie legen mir erstens die Verpflichtung auf, mit der Jugend allein fertigzuwerden; zweitens allein aus zub aden, was durch die ganz schiefe Stellung gegenüber der Wissenschaft angerichtet worden ist. Auf den Rest der Anthroposophischen Gesellschaft, auf den ziehen Sie sich dann zurück. Die ist nicht von Gelehrten begründet worden, wahrhaftig nicht! Man muß sich vorstellen, wie sich die Dinge in den nächsten Tagen entwickeln können. Es muß doch etwas gemacht werden können! Wenn man sagt: «Wir werden arbeiten», das genügt noch nicht. Man hat Projekte aufgestellt und die Gesellschaft dazu benützt, diese Projekte in sie hineinzutragen: Alle diese Begründun­gen haben sich ergeben als Parasiten der alten Anthroposophischen Gesellschaft, und man zeigt kein Verständnis dafür, daß zugleich ein neues Verantwortungsgefühl auftreten müßte.

Aus jedem Wort in dieser Versammlung geht hervor, daß kein Verständnis nach irgendeiner Richtung vorhanden ist. Wir sind daran, uns wissenschaftlich gründlich zu blamieren. Fortwährend dieses Schweifwedeln vor der Wissenschaft habe ich niemals verlangt! Dar­auf brauchen wir keinen Anspruch zu machen, daß die Universitäts-professoren unser Vademecum loben. Innerlich muß es mit Gediegen­heit auftreten können; das ist dasjenige, um was es sich handelt. Die Gegner werden schimpfen, sie dürfen nur nicht Recht haben! Es geht nur voran, wenn eine Führerschaft wirklich da ist für etwas, was begründet worden ist. Eine Führerschaft muß da sein. Wenn keine Führerschaft da ist, wenn man sagt, man habe Angst vor der Diskus­sion: Wie will man da überhaupt weiterarbeiten? Da hat man Institu­tionen, von denen der Welt gesagt worden ist, sie wollten etwas Großartiges! Und dann hat man Angst davor, mit jedem Schaf, das von einer Klinik herkommt, zu diskutieren.

Machen Sie es mir möglich, meine Tätigkeit auf die Waldorfschule einzuschränken, da sich die Tätigkeit in der Waldorfschule auf eine kurze Zeit beschränken läßt. Machen Sie mir möglich, daß ich das Forschungsinstitut nicht mehr zu besuchen habe! Wenn Sie das bewir­ken, dann werde ich wissen, wie ich die Sache zu dem alten Status zurückzubringen habe. Ich werde mich dem Schicksal der Anthropo­sophischen Gesellschaft widmen können.

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Befreiung in diesen vier verschiedenen Richtungen - dann werde ich fertig. Und bequemen Sie sich, nicht unvorbereitet zu jeder Ver­sammlung zu kommen, sondern auch einmal vorbereitet zu kommen.

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Die vierten Stuttgarter Verhandlungen

vom 5. bis 8. Februar 1923

Montag, 5. Februar: Sitzung mit dem Dreißigerkreis

Dienstag, 6. Februar: Vortrag im Zweig über Fragen anthroposophischer Ge­meinschaftsbildung (in GA 257). Anschließend: Sitzung mit dem Dreißigerkreis (Nachtsitzung)

Mittwoch, 7. Februar: Sitzung mit dem Dreißigerltreis

Donnerstag, 8. Februar: Besprechung mit einer Jugendgruppe

SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS

Stuttgart, Montag, 5. Februar 1923

laut Dr. Heyer, Beginn 11 Uhr abends

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Dr. Unger berichtet, man wolle sich in ernster Verantwortung zum Weiter­führen der anthroposophischen Angelegenheiten zusammenfinden. Eine Er­klärung gegenüber der Mitgliedschaft mit den Unterschriften aller hier Anwe­senden solle endgültig formuliert werden. Für die Gründungen wollten ein­zelne die Verantwortung übernehmen.

Dr. Palmer sagt, Dr. Noll solle entlastet werden und bis zum 1. August für das Vademecum Zeit haben.

Dr. Noll hat die Hoffnung, daß die Hindernisse überwunden und das Buch geschrieben werden könne.

Dr. Peipers will sich verantwortlich fühlen für die Verbindung mit den Ärzten und für die Vorträge vor Arzten usw.

Alexander Strakosch sagt, die 1920 gestellten Aufgaben sollten wieder im Mittelpunkt stehen. Dr. Maier solle die Arbeit mit dem Magnetfelde, Dr. Noll die Aufgabe des Vademecum, Dr. Streicher die Kristall-Lösungen und Pflan­zen-Substanzen erledigen; Dr. Theberath betrachtet die Tag- und Nacht-Aufgabe als abgeschlossen. Sie wollten sich alle bemühen, daß Dr. Steiners Kurse richtig bearbeitet werden könnten.

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Es berichten:

Dr. Heyer über die Arbeit an der Wochenschrift «Anthroposophie»;

Dr. Theberath über seine wissenschaftliche Arbeit, das Vergleichen der Zer­setzlichkeit lichtempfindlicher Substanzen bei Tag und bei Nacht;

Dr. Hahn über die Bearbeitung des sprachwissenschaftlichen Kurses und

über das Verhältnis zur Jugendarbeit;

Dr. Kolisko über die Vertrauensorganisation;

Dr. Unger auch über die geplante Vertrauensorganisation;

Paul Baumann über die Arbeit in der Schule;

Jürgen von Grone will den Komplex der Gegnerschaft bearbeiten.

Dr. Steiner: Zunächst kann ich da keinen Punkt finden, der aus irgend­einer Beratung hat hervorgehen sollen. Daß verschiedenes verspro­chen worden ist, das steht in der Initiative der verschiedenen Persön­lichkeiten. Der einzige Punkt, der mir aufgefallen ist, ist der, daß heute eine Beratung mit der Jugendorganisation stattgefunden hat. Dies könnte etwas Positives enthalten.

Dr. Unger über diese Verhandlung mit der Jugend. Dauernde Fühlung. Austausch .

Dr. Steiner: Was war Inhalt der Besprechung?

Dr. Unger: Mißtrauen der Jugend gegenüber den Älteren. Zusammenarbeit beschlossen.

Dr. Steiner: Das sind Formalien. Was das Konkrete? [Hier folgt offensichtlich eine Lücke im Stenogramm.]

Dr. Steiner: Was soll der Delegiertenversammlung vorgelegt werden? Oder was soll im Rundschreiben darinnenstehen? Dann möchte ich fragen: Hat dieses Siebenerkomitee zu dem, was heute gesagt worden ist, seinerseits etwas zu sagen? Fühlt es sich befriedigt von dem Ergeb­nis der Beratungen der letzten Tage?

Dr. Kolisko: Wir haben es als unsere Aufgabe angesehen, mit dem ganzen Kreis zusammenzuarbeiten.

Dr. Steiner: Man könnte sogar, wenn man heute einen Aufruf machen wollte, unter Umständen einzelne Sätze, die von mir zur Aufklärung gegeben worden sind, in entsprechender Formulierung zusammen­stellen. Es würde dann ein Aufruf herauskommen und das Bemerkenswerte

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vorliegen, daß man gar nicht bemerkt hat, daß ich ja schon in den letzten Wochen Ratschläge gegeben habe. Das ist eine bemerkens­werte Tatsache, daß man fortwährend Ratschläge verlangt und sie dann nicht einmal bemerkt.

Es liegt die Alternative vom 10. Dezember vor: Ich muß meinerseits bitten, ob - aus den Ereignissen der letzten Jahre heraus - der Zentral-vorstand mit den anderen zusammen in der Lage ist, seinerseits zu sagen, was er tun will, damit die zerfallende Anthroposophische Ge­sellschaft weiterkommen kann. Sonst wäre ich genötigt, über die Köpfe hinweg das zu tun, was ich meinerseits für notwendig halte. Wenn zwei Dinge dieser Art, wie sie sich hier gegenüberstehen, in Betracht kommen, dann kann man nicht so sprechen, wie Sie heute wiederum gesprochen haben. Es kann sich nicht darum handeh, daß ich irgendwelche Direktiven gebe, die ausgeführt werden sollen. Denn ich habe angedeutet: Wenn ein Zentralvorstand einen Sinn haben soll, so muß er etwas wollen, was natürlich über die bloßen Formalien hinausgeht. Der Willensinhalt des Zentralvorstandes darf nicht gleich Null sein. Sonst können Sie noch so viele Versprechungen in bezug auf die einzelnen Institutionen machen, daß sie recht brav sein wollen, nachdem sie es früher nicht waren. Es würde alles nichts helfen. Es wäre wirklich notwendig, daß wir heute nicht bloß theoretisieren, sondern daß etwas Greifbares vorläge, was geschehen soll. Ich finde, daß in allem, was vorgebracht worden ist, das Wichtigste nicht gesagt ist. Denn die Jugend ist nicht das Wichtigste. Die Jugend sollte ein Echo für Sie sein, nicht umgekehrt. Die Jugend erwartet in Wirklich­keit etwas von den Alten. Impotent---Was ist in Wirklichkeit in den letzten Tagen positiv beraten worden? Die nächste Tat müßte diese sein, daß ein Aufruf zu einer Delegiertenversammlung erlassen würde und daß die Dinge darinnenstehen, von denen ich dachte, daß sie greifbar behandelt werden müßten. Der Hochschulbund ist die steril­ste und eine der schädlichsten Gründungen: steril, da nichts getan; schädlich, weil Kundgebungen, hinter denen niemand stand. Dadurch Unsumme von Gegnerschaft. Aus Hochschulbund Anzahl junger Leute: still für uns uns in Anthroposophie vertiefen; haben gar nicht gesagt, daß sie etwas tun wollen, in der Zukunft der Jugend etwas zu geben. Die erste Aufgabe wäre, daß wir die Tatsachen mit den richti­gen Worten bezeichnen. Nehmen Sie die Haltung meines Kursus für die Jugend [GA 217].

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Dr. Unger spricht über den geplanten Aufruf.

Dr. Steiner: Ich darf vielleicht noch fragen: Wie denken Sie sich die Fortsetzung der laufenden Angelegenheiten? Es wäre genug gewesen, wenn die Kundgebung verlesen worden wäre. Die Kundgebung war töricht durch die Tatsache, daß niemand dahinterstand; an sich war die Kundgebung gewiß gescheit.* Die Jugend hat gar nicht erklärt, daß sie etwas tun will. Der Pädagogische Jugendkurs [GA217] enthält Rat­schläge, die nur nicht beachtet worden sind. Mit dem Brand des Goetheanum hängt das nicht zusammen, was wir hier verhandeln. Das Goetheanum stand noch, als der Auftrag vom 10. Dezember gegeben wurde. Die Tatenlosigkeit ist fortgesetzt worden. Das erste war, daß ich von einem jungen Mann überfallen worden bin, der mir gesagt hat, daß die heutige Diskussion** noch schrecklicher verlaufen sei als bisher und daß, mit Ausnahme einer Unterredung mit der Jugend, nichts wirklich geschehen sei. Ich werde noch einmal herkommen, weil ich erwarte, daß wenigstens die erste Tat getan wird: der Aufruf. Meinetwillen will ich auch morgen nachmittag eine Konferenz abhal­ten. Es ist nicht die Gesinnung dazu vorhanden, daß etwas Frucht­bares gemacht wird. Wenn man der Meinung ist, daß überhaupt etwas gemacht werden soll, so weiß ich nicht, warum nicht wenigstens der erste Ansatz dazu gemacht wird. Was ist der Inhalt der Kundgebung? Dieser Inhalt der Kundgebung mit der Konstatierung - - - [Lücke] ist etwas, was ich nicht verstehe. Die Art, wie das heute dargestellt worden ist, hat sehr ungünstig gewirkt. Daß dann Unsinn geredet wird, ist natürlich.

Dr. Unger hat gesagt, der Entwurf solle nicht früher gemacht werden, als bis nicht die wichtigsten Dinge vorgebracht worden seien.

AdolfArenson: Dr. Unger hat es zwei Tage versucht, aber die Beschäftigung von morgens bis abends hat es ihm nicht möglich gemacht.

- - -

* Diese Kundgebung liegt nicht vor.

** Vermutlich eine Besprechung, die vor Rudolf Steiners Ankunft stattgefunden hat.

SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS Stuttgart, Dienstag, 6. Februar 1923 (Laut Dr. Heyer Nachtsitzung nach Rudolf Steiners Zweigvortrag)

#G259-1991-SE260 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS

Stuttgart, Dienstag, 6. Februar 1923

(Laut Dr. Heyer Nachtsitzung

nach Rudolf Steiners Zweigvortrag)

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[Die bisher ergebnislosen Verhandlungen haben zu dem nicht protokollierten Vorschlag Rudolf Steiners geführt, ein Neunerkomitee zu bilden, das anstelle des Zentralvorstandes die Leitung bis zur Delegiertenversammlung übernehmen soll.]

Dr. Stein: Es ist so wenig die Möglichkeit gegeben, neue Vertrauenspersönlichkei­ten zu designieren.

Es sprechen über den Aufruf Dr. Schwebsch, Dr. Noll, Karl Stockmeyer, Dr. Un­ger, Paul Baumann, Dr. Hahn, Hans Kühn, Alexander Strakosch.

Marie Steiner: Der erste Satz des Aufrufs scheint mir die Gesellschaft ganz plötzlich auf eine demokratische Basis zu stellen.

Es sprechen Adolf Arenson, Dr. Unger, Frl. Dr. von Heydebrand, Dr. Kolisko, Jürgen von Grone, Dr. Stein - alle über den Aufruf.

Marie Steiner: Zentralvorstand? Ein solcher Vorstand kann doch nicht «Zentral-vorstand» genannt werden! Ein solcher Riesenvorstand verdient wohl nicht den Namen «Zentralvorstand».

Dr. Blümel: In welcher Stellung steht der Zentralvorstand zum internationalen Leben?

Dr. Steiner: Es kann hier, so wie die Verhältnisse liegen, nur von der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland, nicht einmal in Österreich gesprochen werden. Die anthroposophische Bewegung ist von Deutschland ausgegangen. Wir haben immerhin das erreicht -durch den englischen Lehrerbesuch ist es bekräftigt worden-, daß sozusagen das Ausland diese Tatsache hingenommen hat und anzuer­kennen bereit ist - trotz aller sonstigen Abneigung gegen Mitteleu­ropa -, daß die anthroposophische Bewegung von Deutschland ausge­gangen ist. Deshalb ist es notwendig, daß die Konsolidierung jetzt von Deutschland besorgt wird. Es hat sich die Anthroposophische Gesell­schaft in der Schweiz gebildet. Eben in Bildung begriffen ist die Gesellschaft in Frankreich, ebenso in England. Die schwedische Ge­sellschaft ist von Anfang an eine eigene gewesen. Die norwegische will auch eine eigene werden. Diese Gesellschaften werden in Zukunft

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selbständig sein und einen gemeinsamen Mittelpunkt in Dornach su­chen, so daß der internationale Mittelpunkt in Dornach bleiben wird. (Notiz von Dr. Heyer: «Dornach suchen, wenn Dornach bleibt.») Ich habe immer darauf bestanden, daß die Konsolidierung hier in Deutschland geschehen muß, weil diese historische Tatsache ja aner­kannt wird, daß die anthroposophische Bewegung von Deutschland ausgegangen ist. (Notiz von Dr. Heyer: «Überall Krisis, falls in Deutschland keine Konsolidation.») Beschließen können Sie hier aber nichts. Die französische Gesellschaft wird die Tatsache anerkennen, sich mit der deutschen Gesellschaft in Dornach - wenn es bleibt - als zukünftigem Mittelpunkt zusammenzuschließen. Was hier geredet worden ist, gilt nur für die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland. Außerdem ist notwendig, daß sich diese Gesellschaft in Deutschland, als Ausgangspunkt der Anthroposophie, konsolidiert -und alles weitere sich dann anschließen kann. Das ist dasjenige, was formell zu verstehen ist: Daß hier, auf Grundlage der Historik, nach allen Seiten hin konsolidiert wird. Auch die Festsetzung der Mitglieds­beiträge ist nicht für außerhalb Deutschlands zu machen. Das, was Sie «international» beschließen, darum kümmert sich keine Katze drau­ßen. Ein Zentralvorstand kann nur für die Anthroposophische Gesell­schaft in Deutschland dasein.

Adolf Arenson spricht über die Einladung der Delegierten.

Dr. Steiner: Erstens könnte über den Aufruf gesprochen werden. Aber Sie müssen sich klar sein, daß der provisorische Zentralvorstand von sich aus diesen Aufruf nicht unterschreiben kann. Da kommen, wenn alle diese Ding darinstehen, die Gründe von Herrn Arenson in Be­tracht, daß die Majorität des bisherigen Zentralvorstandes, die bleiben würde, nur ausgefüllt mit Dr. Kolisko, nach Weggang des Herrn Uehli, diesen Aufruf nicht unterschreiben kann. Der Aufruf kann auch nicht in dieser Weise gemacht werden, daß bloß eine Selbstan-klage hinausgeschrieen wird in die Welt. (Notiz von Dr. Heyer:

«Schrulle von Dr. Stein, daß Selbstanklage... ») Er müßte mindestens von einer Vorstandsmajorität unterschrieben sein, die nicht in ihrer Mehrheit den bisherigen Vorstand darstellt.

Man kann nicht wirken dadurch, daß man seine eigene Schuld unterschreibt. Es können ja die Vorstandsmitglieder darunter stehen -es müßte aber eine Majorität da sein, die sich nicht identifiziert mit der

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Schuld. Diesen Aufruf, unterschrieben von drei Mitgliedern des provi­sorischen Vorstandes - Unger, Leinhas, Kolisko - hinauszusenden, hieße der Gesellschaft den letzten Todesstoß geben. Man stellt ein Vertrauen nicht dadurch her, daß man sich selbst ein Mißtrauensvo­tum ausstellt. Das gibt es nicht. Das kann nur Dr. Stein aus einer gewissen Lebensunpraxis heraus als etwas Mögliches ansehen!

Das zweite ist, daß Sie real berücksichtigen, wie weit die Dinge schon gediehen sind. Gerade heute habe ich einen Brief von Frau Wolfram bekommen, die darüber schreibt, daß der Leipziger Zweig kaum mehr funktioniert, weil sich die Zweigmitglieder zusammenge­tan haben zum «Bund für freies Geistesleben», der ohne Zusammen­hang mit der Anthroposophischen Gesellschaft wirken wird. Diese Dinge werden sich vermehren. Man wird anfangen, die Anthroposo­phie außerhalb der Gesellschaft zu propagieren. Das Positive liegt darinnen, daß in einem gewissen Sinne auch neue Leute sich dafür einsetzen, nicht bloß in der Majorität die alten.

Mir ist dargestellt worden, daß die Jugendgruppe ganz versöhnt wäre. Dagegen ist mir heute dieses Schriftstück übergeben worden. Ich will durchaus nicht behaupten, daß im Sinne dieses Schriftstückes verfahren werden solle; es zeigt aber die Stimmung. Mit der hier ge­meinten Vertretung der Jugend geht es nicht so, daß man einen in die Gesellschaft hereinruft, aber die Strömung müßte vertreten sein. Diese Gruppe müßte die Verantwortung für die fruchtbare Fortfüh­rung ihrer Arbeit übernehmen. Nicht wahr, eine solche Sache kann nur so bearbeitet werden, daß zunächst diese Leute ihre Entschließung für sich allein fassen; denn diese Gruppe steht vorläufig überhaupt noch nicht in der Anthroposophischen Gesellschaft darinnen. Es müßte also etwas entstehen, was als ein Ganzes mit solchen Gruppen in irgendwelche Beziehung tritt. Alle Kompromisse führen zu nichts, weil die Differenzen doch bald wieder da sind und nicht überbrückt worden sind.

Ich möchte, daß Sie sich darüber klar werden, daß in dieser Form der Aufruf nicht von den drei Vorstandsmitgliedern unterschrieben werden kann, sondern daß Sie auf Mittel und Wege sinnen müssen, um nun wirklich das zu umfassen, was heute zur Anthroposophie will, ganz gleichgültig, wie Sie es im Werte beurteilen.

Dann möchte ich noch auf folgendes aufmerksam machen. Es ist notwendig, daß diese Delegiertenversammlung an der Konsolidierung

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der Gesellschaft mitarbeitet. Dazu ist wirklich nicht notwendig, daß man etwas anderes für die Zusammensetzung der Delegierten als Grundsatz aufstellt, als daß alle Delegierten, die hergeschickt werden, im Sinne eines anthroposophischen Zusammenschlusses arbeiten. Da können keine solchen herkommen, die anti-anthroposophisch sind. Um zu konsolidieren, braucht man nicht Redner herzuberufen, die gegen die Anthroposophie reden. Da es sich um den Zusammenschluß der Anthroposophen handelt, ist es nötig, daß sie für die Anthroposo­phie reden.

Nicht wahr, die Anknüpfung an die alte Vertrauensmänner-Orga­nisation wird im tiefsten Sinne des Wortes verstimmen. Es wird kaum etwas zustande kommen, wenn die alte Vertrauensmänner-Organisa­tion gelten wird. Die Delegierten sollen mit denen, die hier führend sind, über dasjenige beraten, was laufende Angelegenheiten des an­throposophischen Zusammenschlusses sind. Es ist notwendig, daß man alles Bürokratische von der Kundgebung ausschließt, so daß Sie die Frage: Wozu kommen die Delegierten her? - einfach so beantwor­ten müssen, daß sich die führenden Persönlichkeiten in Stuttgart über die laufenden Angelegenheiten besprechen wollen. Kein Programm vorher aufstellen! Dann wissen die Leute, wozu sie herkommen sol­len. Aber wenn man eine Art bürokratische Organisation machen will, dann werden sie nur verstimmt. Es sind Haßstimmungen gegen das bürokratische System von Stuttgart da. Das muß total vermieden werden. Man muß so wenig wie möglich darüber sagen, wie man die Delegierten wählen soll. Bloß dies, daß es sich darum handelt, daß die Leute zusammenkommen, die von den Zweigen oder von den beste­henden Gruppen geschickt werden, damit hier eine gemeinsame Be­sprechung stattfinden kann. Ganz unbürokratisch die Sache machen!

Dann hielte ich es nicht für günstig, wenn zu stark bloß das Nega­tive betont wird. Es kommt ja trotzdem. Wenn Sie die zwei Dinge zusammenlegen,* so werden Sie sehen, daß im wesentlichen das Nega­tive betont worden ist und nicht dasjenige, was als Positives dasein soll, um das man sich dann scharen sollte.

Aber ein Letztes, was nicht verschwiegen werden kann, ist dieses, daß Sie auf heftigen Widerstand stoßen werden, wenn Sie diesen Aufruf so gestalten, daß der Dreißigerausschuß in seiner Ganzheit die

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* Es dürften hier der zuletzt entstandene Entwurf zum «Aufruf» und das dazugehörige Begleitschreiben gemeint sein.

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Sache unterschreibt. Dadurch werden Sie die Leute auseinanderstre­ben machen. Dieser Dreißigerausschuß ist ein Gegenstand des Ansto­ßes, der gewiß nicht wirkt. Er ist braver und besser als sein Ruf - aber unterschreiben kann er nicht. Dieser Ausschuß hat sich gründlich mißhellig gemacht.

Es sprechen einige.

Marie Steiner sagt dazu: Man solle nichts festlegen; Dr. Steiner kann ja nicht Vorstand sein.

Dr. Steiner: Der Zustand von 1918 ist nicht wiederherzustellen! - Also das ist schon richtig, was darüber im Aufruf steht, daß der Zustand von 1918 nicht wiederherzustellen ist, daß man nicht einfach geradewegs verlangen kann, daß sich irgendwie ein Vorstand bildet. Das kann nicht sein. Das müßte in anderer Form geschehen. Aber warum sollte denn tatsächlich die Chance nicht genützt werden, daß also gewisser­maßen doch ein Weg gefunden würde, um diesen anthroposophischen Zusammenschluß zu bewirken, nachdem seit 1919, manchmal mit großem Aplomb von der Gesellschaft aus, alle möglichen Dinge unter­nommen worden sind. Ehe es zu spät ist, könnte doch ein Weg zum Zusammenschluß gefunden werden!

Aber Sie müssen sich klar sein, daß dazu ein wenig weltmännische Allüren gehören. Das Weltmännische würde fehlen, wenn man bloß diese zwei Elaborate zusammenstellt. * So kann man heute überhaupt nichts in die Welt hinausschicken; man muß sich auch an die Kreise wenden, die eigentlich schon innerlich abgefallen sind. Denn diese Nachricht habe ich heute bekommen, daß in Leipzig sich ein «Bund für freies Geistesleben» begründet hat, weil dort der Zweig zerfällt und man doch Anthroposophie pflegen will. Sie dürfen die Sache nicht so machen, um einen Zusammenschluß zu bekommen, daß sich die Leute zusammenschließen im Gegensatz zur Gesellschaft. Sie verlie­ren diese Sache, wenn Sie nicht im letzten Moment einen Zusammen­schluß bewirken. Dazu ist notwendig, daß Sie mit denen, die noch draußen stehen, wie die Jugend, wirklich aus einem neuen Ton heraus reden, ohne diese bloße Pater-peccavi-Idee, wo Sie sich selbst nur ein Mißtrauens-Votum geben. (Notiz von Dr. Heyer: «Sonst akzeptieren

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* Es dürften hier der zuletzt entstandene Entwurf zum «Aufruf und das dazugehörige

Begleitschreiben gemeint sein.

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die Leute es!») Das fürchte ich. Es handelt sich darum, daß man die Sachen weniger negativ formuliert, daß Leute - wenn auch in Stuttgart

- darunter stehen, die bisher nicht mit dem identifiziert werden, was man das «Stuttgarter System» nennt.

Die Kongresse sind ein Schulbeispiel dafür, wie es nicht hätte gemacht werden sollen. Diese Kongresse sind abgehalten worden mit vielen Kräften, und sie sind dann absolut nicht im Sinne der anthropo­sophischen Bewegung ausgemünzt worden, trotzdem ich betont habe, daß diese Kongresse uns, weil Anthroposophie unbegrenzt bespro­chen wird, letztendlich eine Gegnerschaft schaffen, die uns wie eine Mauer umgibt. Die Ausmünzung der Kongresse ist nie geschehen. Daher das Unglück mit dem Wiener Kongreß! Der Wiener Kongreß ist an sich - in seinem Rahmen - etwas sehr Gelungenes gewesen. Aber durch das Nichtausmünzen ist er tatsächlich zu unserem Schaden ausgelaufen. Es hat jetzt in Dornach eine Besprechung stattgefunden, ob man in Berlin einen Kongreß machen sollte [siehe Seite 66]. Das hat nun dazu geführt, in Berlin keinen zu machen. Wären die früheren Kongresse nicht bloße Kraftanstrengungen gewesen, hinter denen die Anthroposophische Gesellschaft nicht stand, sondern wäre sie dahin­tergestanden, dann könnten wir auch einen neuen Kongreß machen. Denken Sie doch, was irgendeine andere Körperschaft aus einem solchen Kongreß gemacht hätte! Sämtliche Zeitschriften würden mo­natelang solch einen Kongreß ausgemünzt haben! Bei uns ist das nicht geschehen. Wir machen aus alledem nichts.

Es hat an Veranstaltungen gewiß nicht gefehlt. Wenn die Veranstal­tungen zu unseren Gunsten gekehrt worden wären, dann würden wir nicht nötig haben, von einer Konsolidierung der Anthroposophischen Gesellschaft zu reden. Daß wir aus alledem nichts machen können, das ist gerade unser Unglück. Das, um was es sich handelt, ist dies, was überall hervortritt. Als die Leute von der «Religiösen Erneuerung» mit mir diskutiert haben, wo ich klargemacht habe, daß ich mich nicht am Herumreden beteiligen würde, da fragte ich: Habt Ihr irgend etwas, das zeigt, daß ich mich jemals so geäußert hätte über die religiöse Bewegung? - Wenn der rechte Standpunkt gewahrt worden wäre, so würde die Anthroposophische Gesellschaft durch ihre Organe klarge­macht haben, was das bedeutet, daß außer allen übrigen Dingen auch noch eine religiöse Erneuerungsbewegung aus der Anthroposophi­schen Gesellschaft hervorgegangen ist. Ich möchte wissen, welche

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Körperschaft in der Welt überhaupt auf so viele Dinge hinweisen kann wie die unsrige! Dazwischen läuft immer die Anthroposophische Gesellschaft wie das fünfte Rad am Wagen.

Alle diese Dinge haben wir nicht vertreten als Gesellschaft, und darauf käme es gerade an. Man muß wirklich den Stier bei den Hör­nern packen. Deshalb würde ich meinen: Wäre es nicht das vorteilhaf­teste - nachdem die Dinge nun einmal diesen Verlauf genommen haben -, jetzt in Erwägung zu ziehen, ob nicht dasjenige, was beab­sichtigt war am 10. Dezember, doch als eine Anregung aufgenommen werden könnte, damit irgend etwas dabei herauskommt? Es hat sich darum gehandelt, daß der Zentralvorstand, verstärkt durch andere Persönlichkeiten, etwas aufnimmt, was aus der Gesellschaft selbst heraus in positiver Weise auf eine Konsolidierung hinweist.

Wir haben ja erlebt, daß das Siebenerkomitee aufgetreten ist. Es hat sich leider in Negationen verloren, und als sich die Negationen er­schöpft hatten, hat es sich annulliert, es ist nicht mehr aufgetreten. Ja, nun wäre es doch möglich, daß dieselben Anregungen, die der Zentral-vorstand ignoriert hat, in irgendeiner Weise doch aufgenommen wür­den, damit etwas geschieht, nicht vom Dreißigerausschuß, sondern von einer Anzahl prominenter Persönlichkeiten in Stuttgart, die etwas zu vertreten haben. Ich gebe Ihnen das bloß zur Erwägung. Wenn Sie die Sache so machen, daß die Majorität des früheren Vorstandes und der Dreißigerausschuß diesen Aufruf unterschreiben, dann erreichen Sie gar nichts.

Die Mitglieder diskutieren weiter.

Dr. Steiner: Es ist nicht mehr viel Zeit vorhanden, es ist zu lange gezögert worden. Meine Meinung ist diese, daß eigentlich viele Leute hier wissen könnten, was zu geschehen hat. Aber es kommt nur so wenig bei den Beratungen heraus. Es wäre traurig, wenn nichts heraus-käme. Die Mehrzahl macht von der Gelegenheit keinen Gebrauch: Das ist ganz unbedingt so. Frl. Dr. Mellinger ist in der Jugendgruppe. Es hat gar keinen Sinn, sich mit der Jugendgruppe vorher zusammen-zusetzen, bevor die Alten sich nicht konsolidiert haben. Es kommt nur eine Rederei heraus, wenn man mit der Jugend verhandelt. Dann könnten Sie ebensogut alle Weltbewohner zusammenrufen. Zustande kommen kann doch nichts, wenn die Alten nicht wissen, was sie wollen. Es dürfte gar nicht anders sein, als daß die Jugend vertrauensvoll

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bei den Alten etwas sucht. Vorher dürfte es gar nicht dazu kom­men, sich mit der Jugend zusammenzusetzen. Diese Vertretung der Jugend kann erst kommen, wenn die alte Gesellschaft sich gefunden hat. Sonst - - wir können doch nicht den Bolschewismus im Prinzip einführen.

FrL Dr. Me/linger äußert sich zu der Sache.

Dr. Steiner: Die Sache ist so - wollen Sie sie im Prinzip auffassen-:

Die realen Institutionen, die zusammengehören und dasein müssen, sind: Berliner [Philosophisch-Anthroposophischer] Verlag; hiesiger [Kommender-Tag]Verlag; «Kommender Tag», Zeitung [«Anthropo sophie»]; Waldorfschule fruherer Vorstand vielleicht zerstreute In teressen; «Religiöse Erneuerung» Arzte Kollegium Das For schungsinstitut muß erst zeigen, daß es da ist Nicht wahr, nun würde sich ergeben, daß jemand da sein muß vom «Philosophisch Anthroposophischen Verlag». Den konnen wir selbst vertreten, fur das würde Frl. Mücke in Betracht kommen; hierfür kann nur Frl. Mücke in Betracht kommen. - Hiesiger Verlag: W. Wachsmuth; Kli­nik: Dr. Palmer; die Zeitung: von Grone; «Kommender Tag»: Herr Leinhas; früherer Zentralvorstand: Dr. Unger; Waldorfschule:

Dr. Kolisko; «Religiöse Erneuerung»: Dr. Rittelmeyer; zerstreute In-teressen: Herr Werbeck.

Im Prinzip würde damit etwas geschaffen sein, was unter dem Aufruf stehen kann. So ungefähr habe ich mir zusammengestellt ge­dacht das Komitee, das ich genannt habe: die prominenten Persönlich­keiten, an die der Zentralvorstand sich wenden könnte. Ich habe mir gedacht, daß der Zentralvorstand sich ungefähr durch diese Persön­lichkeiten ergänzt. Man muß wirklich die laufenden Dinge berück­sichtigen. Es kommt doch in Betracht, daß beim Zusammenschluß der anthroposophischen Bewegung das Moment berücksichtigt wird, daß die Bewegung vor der Welt dasteht. Nun hat Herr von Grone diesen Aufsatz in der letzten «Anthroposophie» geschrieben, der beweist ja im eminentesten Sinne, daß er mitredet in der Richtung, die er ange­schlagen hat in diesem Aufsatze, und daß Sie ihn aufnehmen müssen. Sie müssen sich nach den Tatsachen richten.

Es würden sich morgen in möglichst früher Tagesstunde die sieben Herren wieder zusammenfinden können: W. Wachsmuth, Dr. Pal­mer, Emil Leinhas, Dr. Unger, Dr. Kolisko, Dr. Rittelmeyer, Herr

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von Grone. Diese Sieben vereinigen sich, um den Aufruf zu Ende zu beraten. Dieser Aufruf muß eine Tat sein! Dagegen würde nur eines stehen: wenn sich die Persönlichkeiten gegenseitig nicht mögen! Ich möchte ganz gerne, zur Strafe, Dr. Stein darin haben; ich will Ihnen aber diese Strafe nicht antun. Es würde eine Strafe für die andern sein, wenn er neuerdings anfangen würde mit dem Pater-peccavi.

Dr. Palmer: Wie Herr Leinhas das [Klinisch-Therapeutische] Institut behandelt hat, das hat mir nicht gefallen.

Dr. Steiner: Herr Leinhas hat den «Kommenden Tag» zu vertreten; das ist aus der Sache heraus gemeint, daß die Interessen in einer intimeren Zusammenkunft ihrer Vertreter miteinander durchgespro­chen werden.

Es müßte morgen in möglichst früher Stunde, so früh es nur sein kann, dieser Aufruf beraten werden. Wir müßten uns doch wieder um 5 Uhr als dieser Ausschuß hier vereinigen können. Es kommen mir morgen die jungen Leute auf den Hals, insbesondere wenn sie hören, daß ich etwas von «Bolschewismus» gesagt habe! Ein geschlossener Kreis ist nur dadurch real, daß die Dinge in diesem Kreise geschlossen bleiben. Sonst kommt es ganz auf dasselbe heraus, wie wenn man überall in die Aufsichtsräte die Gewerkschaftsführer hineinstellte. Das ist im Prinzip - spaßhaft charakterisiert - - Haben denn die hier versammelten Frauen nicht Männer und die Männer Frauen, die in der Jugendbewegung sind, so daß alles hinausgetragen wird?

Wir können uns um 6 Uhr dann wieder treffen.

#TI

SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS

unter dem Vorsitz von Dr. Steiner

[neu hinzugekommen ist Dr. Rittelmeyer]

Stuttgart, Mittwoch, 7. Februar 1923, 18 Uhr

#TX

Dr. Koli£ko verliest das Rundschreiben [den neuen Entwurf des Aufrufs].

Adolf Arenson ist nicht dafür, daß die ganze Geschichte gedruckt in die Welt hinausgeht, sondern daß man sie nur der Delegiertenversammlung vorlege.

Dr. Schwebsch fragt Dr. Rittelmeyer, was er von der Sache, die vorgelesen worden ist, für einen Eindruck bekommen habe.

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Dr. Rittelmeyer: Ich hatte den Eindruck, als ob rings um die Gesellschaft Feuer angelegt worden sei. Solche Diskussionen, wie die am Montag, sind unmöglich. Heute nachmittag bin ich dabeigewesen. [An dieser Besprechung hatte Dr. Steiner nicht teilgenommen.] Im ganzen würde ich wünschen, daß ein wärmerer Ton hineinkäme, daß das Positive, was die Gesellschaft will und kann, überzeugend ausgesprochen wird. Der Ton, der angeschlagen wird, soll bezeugen, daß jeder einzelne zur Ausübung seiner Funktion gebracht wird. Große Parolen müssen von Stuttgart ausgehen. Es sollte von jedem der Aufruf so angesehen werden, daß etwas Großes dadurch geschieht. Auch sollte dafür gesorgt werden, daß das anthroposophische Geistesgut richtig vermittelt wird. Man sollte sich dafür ein­setzen, daß die rechte Art der Polemik und Apologetik geleistet würde.

Dr. Steiner: Die Gegner dürften es nicht erfahren, daß so ein negativer Eindruck von uns selber zugegeben wird,

Viele Redner sprechen: Dr. Hahn, Dr. Schwebsch, Alexander Strakosch

Dr. Rittelmeyer: Worum es sich handelt, ist dies, daß wir zur Selbstbesinnung kommen angesichts der ungeheuren Schicksalsstunde. Wäre es nicht das richtige, um einen positiven Vorschlag zu machen, daß eine Anzahl von uns ganz für sich, ohne Rücksicht darauf, was bisher an Programmen vorgelegen hat, sich besinnen würde auf das tiefste Wesen des anthroposophischen Impulses und das von sich aus zu Papier brächten. Dann könnte das entweder so, wie es ist, verwendet werden, oder das Geeignetste, womit sich alle am besten verbinden können, würde hinausgeschickt werden.

Dr. Husemann unterstützt diesen Vorschlag.

Dr. Steiner: Ich würde es begreiflich gefunden haben, wenn Herr Dr. Husemann heute vor drei Wochen einen solchen Vorschlag gemacht hätte. Daß ihn Dr. Rittelmeyer macht, ist begreiflich. Aber daß Dr. Husemann in diesem psychologischen Moment uns zumutet, es solle für eine Gesellschaft so etwas getan werden, um die herum - wie Dr. Rittelmeyer mit Recht gesagt hat - Feuer gelegt worden ist, was ich ja auch schon immer betont habe -, wenn Herr Dr. Husemann uns so etwas zumutet, dann kann ich nur sagen, daß ich seine ganze Auffas­sung und Anteilnahme nicht begreifen kann. Sich wiederum hinzuset­zen, um möglichst lange über nichts zu brüten, dazu ist der psycholo­gische Augenblick nicht da. Es ist Zeit genug gegeben worden, seit den vielen Wochen, wo wir die Zeit immer zubringen mit Hin- und Herfahren zwischen Dornach und hier, um die Dinge, über die man

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hier verhandelt hat, zu erfahren. Man darf nicht glauben, daß man einem alles bieten kann, Herr Dr. Husemann!

Dr. Hahn äußert sich dazu.

Dr. Steiner: Das Beste muß in dem Aufruf Zum Ausdruck kommen. Herr Arenson sagt, diese Fassung werde sofort in den Händen der Feinde sein. Den Glauben, daß dies nichts schadet, halte ich für die größte Naivität. Man muß sich klar darüber sein, daß man doch nicht die ganzen Vorgänge der Anthroposophischen Gesellschaft verschla­fen kann. Man muß sich klar sein: Welche Fassung auch immer hinaus-gegeben wird, morgen wird sie in den Händen der Feinde sein. Also muß man sich darüber klar sein, daß man eine Fassung hinausgehen läßt, die in die Hände eines jeden kommen kann. Diese Fassung darf nicht beginnen mit dem Satz: «Für die Gesellschaft ist die Schicksals-stunde eingetreten». Wenn Sie in dieser Fassung die Sache hinaus-schicken, dann haben jene, welche das Feuer gelegt haben, die allerbe­ste Grundlage. Ich war befriedigt, daß heute gerade dies aus der Mitte der Diskussion heraus gesagt worden ist. Ich habe es ja selbst immer wieder betont. Man hört nur niemals hin auf das, was ich sage. Daß Ihnen dies bekannt sein könnte, muß doch jeder zugeben. Alle Dinge werden hier so gemacht, als ob eine Gegnerschaft gar nicht bestünde. Solch einen Aufruf können Sie nur dann hinaussenden wollen, wenn Sie sich durch Wände von den wirklichen Tatsachen, die bestehen, abschließen. Fast wörtlich so hatten wir diesen Aufruf schon gestern. Deshalb hatte ich gebeten, daß er bis heute beraten würde. Der Erfolg der Beratung ist der, daß derselbe Aufruf wieder erscheint.

Adolf Arenson und Herr Baumann sprechen dazu.

Dr. Steiner: Auf Seite 2 steht der Satz: «Dieser Auftrag wurde von Herrn Uehli nicht erfaßt. Solche Versaumnisse wurden offen zugege­ben.» Seite 3: «Da Herr Dr. Steiner in allen Sitzungen darauf drang, daß man bis zur Erkenntnis der wirklichen Schäden vordringe,... »; Seite 4 zum Beispiel der unmögliche Satz: «es fortan besser machen und Fehler rückhaltlos aufdecken...», «Die Personenfrage nicht in den Vordergrund treten lassen...».

Wenn Sie zum Beispiel einen solchen Satz aufschreiben, werden Sie erleben, daß eine große Anzahl von Menschen, die darauf dringen, daß

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eine Reorganisation eintritt, sagen: «Diese Leute verstehen nicht ein­mal das Allerelementarste. Die machen Vorschläge, die Personenfrage zurücktreten zu lassen.» Auf die Personenfrage kommt es gerade an! Es handelt sich für draußen um Menschen und nicht um den Zentral-vorstand.

Erst heute ist mir erzählt worden, wie böses Blut es gemacht hat, als hier der pädagogische Kurs tagte und die Einladungen zu besorgen waren. Die Sache ist mir so erzählt worden - sie dient bloß zur Charakterisierung des «Stuttgarter Systems», sie mag sogar korrigiert werden können-: Da handelte es sich darum, daß dieser Jugendbund, der den Kurs veranstaltet hatte, den Zentralvorstand einladen sollte; da soll ein Gespräch stattgefunden haben zwischen den Einladenden und Dr. Unger, wobei Dr. Unger gesagt haben soll, es läge ihm nichts an einer persönlichen Einladung, aber der Zentralvorstand müßte eingeladen werden. Die jungen Leute haben nämlich die drei Herren persönlich und einzeln eingeladen; aber den Zentralvorstand hatten sie nicht eingeladen.

Wenn man in dieses Feuer, das innerhalb der Gesellschaft existiert, jetzt diese Sätze hineinwirft, wird man sagen: Die haben nicht das geringste Talent, etwas zu machen, worauf es ankommt. - Dadurch beschwören Sie herauf, daß sich diese Schicksalsstunde in einer un­möglichen Weise verschärft.

Das Ganze, was als Kommende-Tag-Darstellung folgt, ist ein ein­ziger Angriffspunkt. Zum Beispiel, daß ich auch denen, die außerhalb der Bewegung sich für Dreigliederung einsetzen, meinen Rat geben soll. Die Leute werden darüber lachen. Als wenn ich vorausgesetzt hätte, daß ich der ganzen Welt Ratschläge geben sollte! Das Verhältnis zur religiösen Erneuerung ist hier auch ganz schief dargestellt. - «Die führenden Persönlichkeiten sind sich der Versäumnisse und falschen Methoden voll bewußt. Daß gerade von Stuttgart diese Methoden besonders ausgeführt worden sind... » Wenn in einem Aufruf solche Sätze vorkommen, dann werden vor allen Dingen die Leute, die jetzt gerne die Gesellschaft so haben möchten, wie Sie sie ja kennen - vor allen Dingen die außenstehenden Gegner-, die werden sagen: Das ist also alles; die waschen Schmutzwäsche nicht nur im eigenen Haus, sondern was diese Gesellschaft da tut, ist, daß sie vor aller Welt ihre schmutzige Wäsche aushängt.

Ich habe mich so sehr darum bemüht, auf dasjenige hinzuweisen,

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was dazu führt, daß man die Sache in einer plausiblen Art vor die Weit bringen kann. Das ist nicht berücksichtigt worden. Natürlich mußte man auch von den Schäden sprechen. Es wurde aber von den Schäden nur gesprochen, um zu positiven Dingen zu kommen.

Es sprechen mehrere Anwesende.

Dr. Steiner: Die Sache liegt so sehr auf der Hand. Man muß auf die Dinge sehen, die ich angeführt habe und die zum positiven Teil des Aufrufs gehören. Man könnte sagen: Es ist nun einmal so, daß seit 1919 die Tatsache eingetreten ist, daß hier in Stuttgart zusammen­gezogen worden sind die prominenten Persönlichkeiten, die wir in der Gesellschaft haben. Das hätte dazu führen müssen, daß also von hier aus ein mächtiger Impuls für die Bewegung ausgegangen wäre. Statt­dessen haben sich diese Gründungen vollzogen. Es ist eine Waldorf­schule entstanden. Die Waldorflehrer fühlen sich so: Was brauchen wir uns zu kümmern um das, was links und rechts um uns herum vorgeht, wir haben ja die Schule.

Ich habe gesagt: So kann man die Sache nicht weitermachen. Das ist etwas, was für die Gegner Wasser auf deren Mühle ist. Hat man sich je darum gekümmert, was ich da gesagt habe? So war es doch bei jeder Gelegenheit. Ich war heilfroh, als Dr. Rittelmeyer seine Rede gehalten hat. Er hat herausgehoben, daß dieser «Bund von nicht-anthroposo­phischen Kennern der Anthroposophie» gewisse Dinge von früher vorbringt. Das ist ein sehr wichtiger Hinweis, den man nun wahrhaftig außerordentlich gut ausnützen kann. War es denn notwendig, daß wir nicht schon durch Jahre hindurch die Verteidigung der anthroposo­phischen Sache selber in die Hand genommen haben? Daß wir nicht immer wieder auf konkrete Verleumdungen in einer entsprechenden Weise hingewiesen haben? Ich komme selber nicht dazu, weil andere Dinge notwendiger sind. Man war verpflichtet, den Gegnern nicht fortwährend neues Material zu liefern, sondern auch die Verteidigung der Gesellschaft in die Hand zu nehmen. Jetzt tritt man mit einem Aufruf hervor, in dem die Gesellschaft angeklagt wird. (Notiz von Dr. Heyer: «Der bringt Dinge vor, die wir ausnützen müßten, um mit einem Keulenschlag auf die Dinge hinzuweisen -- die konkreten Verleumdungen hinzustellen -- Verteidigung der Anthroposophischen

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Gesellschaft -- Im Aufruf muß stehen: daß man jetzt tun will, was früher nicht getan wurde.»)

Herr Fink: Es sollen sich die einzelnen zurückziehen und etwas ausarbeiten.

Herr Stockmeyer unterstützt den Antrag, daß sich die einzelnen zurückziehen sollten, jeder einen Entwurf für den Aufruf macht und daß man sich dann wieder versammelt.

Dr. Steiner: Ich möchte kurz skizzieren, was Dr. Rittelmeyer gesagt hat. Erstens: daß überall in der Umgebung der Anthroposophischen Gesellschaft Feuer angelegt worden ist; zweitens: daß hier im Zweig zweimal hintereinander unmögliche Diskussionen stattgefunden ha­ben; drittens: daß er wünscht, daß ein wärmerer Ton im Ganzen darinnen sei; weiter: daß das Positive stark betont werden solle; daß gewisse starke Parolen ausgegeben werden sollten; daß der sektiereri­sche Geist zurücktreten müsse; daß das anthroposophische Geistesgut in sorgfältiger, nicht in entstellter Weise wie von den Gegnern der Welt vermittelt werde; daß er sich in den Diskussionen das Anstößige angehört habe und daß dann die Geschichte von dem Wolkengeheim­nis [?] herausgekommen sei; daß er vor allem richtige Vermittler des anthroposophischen Geistesgutes vermisse.

Dr. Steiner (zu Frl. Dr. Röschl): Warum dürfte man nicht verraten, daß man die Schrift [des Bundes der nicht-anthroposophischen Ken­ner der Anthroposophie] kennt? [Darin steht doch:] «Es gilt einen Kampf auf Tod und Leben.» Sollen wir noch offen dokumentieren, daß wir uns um die Gegner nicht kümmern?

Dr. Noll: Dr. Goesch charakterisiert sich als Epileptiker. Zwei Absencen. Die Leute lassen sich von einem Epileptiker an der Nase herumführen.

Dr. Steiner (zu Dr. Noll): Tun Sie es! Sie sind doch Arzt! Die Wochen­schrift «Anthroposophie» wartet auf Material für ihre nächste Num­mer. Die «Anthroposophie» ist so langweilig wie nur möglich, weil niemand einen Stoff liefert, und diejenigen, welche den Stoff kennen, liefern nichts.

Es ist der Antrag gestellt worden, daß wir uns vertagen.

Die Sitzung wird unterbrochen, und die Teilnehmer schreiben ihre Entwürfe. Nach zwei Stunden wird die Sitzung fortgesetzt.

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#TI

Fortsetzung (Nachtsitzung, Beginn 22 Uhr 30)

#TX

Dr. Steiner: Dann kann also begonnen werden.

Eine große Anzahl der Teilnehmer lesen ihre Entwürfe vor, oder sie reden über die Schwierigkeiten der Gesellschaft: Dr. Noll, Herr Apel, Dr. Heyer, Dr. Röschl, Dr. Stein, Herr Stockmeyer, Herr Maier, Herr Wolffhügel, Herr Strakosch, Dr. von Heydebrand.

Dr. Steiner: Zwölf Aufrufe! Ich bitte um Vorschläge, in welcher Form wir verhandeln wollen.

Dr. Riuelmeyer: Mir scheint, bei den Aufrufen ist das Phrasenhafte vorwiegend. Es wird viel zu wenig konkret aus der Situation heraus geredet. Von Ernst wird zwar gesprochen, aber er kommt zu wenig zu seinem Recht.

Ich stelle mir vor, es könnte etwa folgendermaßen lauten - ich habe es mir aufgeschrieben -: «Es ist uns das Bewußtsein davon erwacht, daß die Gesellschaft in der jetzigen Form nicht der rechte Träger des Geistesgutes ist. Sie ist zu sehr in die Absperrung, in das selbstsüchtige und genießerische Verhalten gekommen. Es hat an einem Zusammenhalten der Kräfte gefehlt. So ist es dahin gekommen, daß gerade die in der Jugend erwachende Sehnsucht in der Gesellschaft nicht die rechte Stätte gefunden hat, wo sie Befriedigung findet. Das überall vorhandene Bedürfnis nach Geisterkenntnis hat nicht das rechte Organ gefunden. Die Gegenwart ruft uns auf, unserer Pflicht eingedenk zu werden. Eine Gegnerschaft ist erwacht, die uns schon allerhand Proben gegeben hat. Wir müssen uns dessen voll bewußt werden, welch hohes Geistesgut in dieser weitgeschichtlichen Stunde uns anver­traut ist. Wir tragen die Verantwortung dafür, daß das Geistesgut in einer richtigen Art vermittelt wird. Neue elastische, freie Formen müssen gefunden werden für das, was uns anvertraut ist. Überall handelt es sich darum, daß der Geist in voller Freiheit und reinster Klarheit bis in die Tiefen geführt werden muß, wo die Lösung der Probleme aufleuchtet. Wenn wir uns der Aufgaben bewußt werden, dann dürfen wir hoffen, daß es zur Lösung kommen kann.»

Paul Baumann: Man soll Dr. Rittelmeyer bitten, den Aufruf zu verfassen.

José del Monte ist dagegen, daß eine einzelne Persönlichkeit den Aufruf macht. Er solle durch Zusammenwirken aller zustande kommen.

Dr. Unger: Dr. Rittelmeyer soll mitwirken.

Dr. Stein: Dr. Rittelmeyer soll sich die wählen, mit denen zusammen er glaubt, es machen zu können.

Dr. Rittelmeyer: Ich bin eigentlich nur in der Lage, daß ich auch das von mir Verfaßte Ihnen zur Verfügung stelle. Ich brauche mindestens bis morgen vormittag,

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damit ich es vertreten kann. Ich möchte nicht, daß alles das verlorengeht, was m den einzelnen anderen Aufrufen stand.

Dr. Steiner: Wir sind soweit wie am ersten Tag. Die Situation hat sich tragisch gestaltet. Nicht wahr, bedenken Sie nur einmal: Gestern habe ich Sie gebeten, die einzelnen Institutionen zusammenzufassen. Aber sehen wir jetzt in diesem Augenblick davon ab. Was ging denn voran den Diskussionen, die begonnen haben über die Reorganisation der Gesellschaft? Es ging dem voran eine Polemik gegen ein nicht richtiges Verhalten der Anthroposophen zur «Bewegung für religiöse Erneue­rung». Dann hat sich ein kleines Komitee gebildet, das in einem historischen Zusammenhang steht mit dieser Abwehr gegen das, was die Gesellschaft überwucherte. Es hat sich ein Sieb enerkomitee gefun­den, um die Reorganisation in die Hand zu nehmen. Und nun über­trägt die Vertretung der Anthroposophischen Gesellschaft selbst die Reorganisation der Gesellschaft dem Führer der religiösen Erneue­rung! Das ist die Tatsache, die Sie jetzt organisiert haben. Bedenken Sie nur einmal, daß noch dazu derjenige, der den Antrag gestellt hat, zugleich der Führer des Siebenerkomitees gewesen ist.

Wenn Sie glauben, daß wir auf diesem Wege weiterkommen, daß auf diesem Wege die Schritte, die wir einleiten, eine Bedeutung haben, dann liegt die Situation der Gesellschaft recht tragisch. Denn gestehen Sie sich ein, was es heißt, mit einer bloßen negativen Kritik einen Reorganisationsplan zu übergeben. Ich selbst habe gestern den Vor­schlag gemacht, Herrn Dr. Rittelmeyer zu rufen. Ich habe das alles jetzt nur als eine Charakteristik der Situation gegeben, in die wir versetzt sind.

Marie Steiner : jetzt ist die Anthroposophische Gesellschaft begraben, und es kann der Grabstein darauf gelegt werden.

Dr. Unger (springt auf): Wenn niemand anders sich dazu anbietet, es zu machen, dann will ich mich verpflichten, den Aufruf allein zu machen. Ich wiederhole das Anerbieten, diesen Aufruf zu machen. Er könnte bis morgen früh fertig sein.

Dr. Steiner: Bedenken Sie doch nur, welches der tiefere Sinn der ganzen wochenlang dauernden Unterredungen ist. Das ist der: Wenn etwas geschieht in der Gesellschaft, so muß doch auch der Wille von Menschen dahinterstehen. Es genügt doch nicht, daß man Gedanken ausspricht und die anderen dann sagen, sie seien damit einverstanden. Es ist nun einmal so, daß in Stuttgart die Menschen zusammengezogen

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sind, welche die Führung der Gesellschaft äußerlich in den letzten Jahren innehatten. Heute stehen wir an einem Punkt, wo es nicht mehr geht, bloß den Schein einer Führung zu haben, sondern wo die Füh­rung mit einer realen Kraft in die Hand genommen werden muß. Wenn ich noch so viel sagen würde an Gedanken, es würde Ihnen ja doch nichts nützen. Nachdem all das geschehen ist, nützt es ja nichts, daß Gedanken überliefert werden, mit denen man sich dann einver­standen erklärt. Wenn man die Gesellschaft auf dem Standpunkt von 1918 gelassen hätte, hätte man keinen «Kommenden Tag» und keine Waldorfschule. Nachdem nun dies alles einmal da ist, handelt es sich darum, daß die Führung davon auch real in die Hand genommen wird. Dazu muß sich der Wille mit den Gedanken in denen, die führen wollen, verbinden, sonst liegt kein Wille und keine Kraft zugrunde. Man muß die Kraft aufbringen, um etwas zu tun. Diese Kraft muß ins Positive übergehen können. In sich selbst muß man etwas haben. Und, nicht wahr, wenn nun versucht wird, hier so etwas vorzubringen wie heute, so führt das zuletzt dazu, daß solche Vorschläge, wie der eben getane, gemacht werden. Es ist der ganzen Gesellschaft nicht eingefal­len bis gestern, Dr. Rittelmeyer einzuladen. Von der ganzen Gesell­schaft, die hier wochenlang beraten hat, was sie tun soll, von der wird nun Dr. Rittelmeyer aufgefordert, den Aufruf zu verfassen. Es darf nicht so aufgefaßt werden, als ob die ganze Anthroposophische Gesellschaft damit einverstanden wäre.

Adolf Arenson: Ich betrachtete es als eine Erlösung, als vorhin Frl. Dr. von Heydebrand sprach.

Dr. Steiner: Wir hätten sagen können, wir selber wollen nichts, wir ubertragen das Ganze Dr. Rittelmeyer. Man soll lieber alles ausspre­chen, wie es ist. Es bleibt nichts anderes übrig, als daß wir sagen: Der alte Vorstand bleibt, und dann wartet man ab, was die andern sagen, die man in dieser Weise aufgerüttelt hat. Das ist das Fazit : Es bleibt der alte Vorstand, nachdem man ja zu keinem Ergebnis gekommen ist; warten wir ab, was die Gesellschaft morgen dazu sagen wird. Wozu war der ganze Feldzug aber? Wozu ist das alles inszeniert worden?

Dr. Stein: Man wollte ein Kabinettstück aufführen.

Dr. Steiner: Wir haben damit begonnen zu sagen, der alte Vorstand sei ein Kindergespött geworden, und wir endigen damit, daß die Ergeb­nislosigkeit dazu führt, daß der alte Vorstand bleiben muß.

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Dr. Blümel: Könnte nicht Dr. Steiner, als der okkulte Führer, diejenigen bezeich­nen, die die Fähigkeiten haben, die Gesellschaft aus dem Chaos herauszuführen?

Adolf Arenson: Es handelt sich jetzt darum, den Aufruf zu verfassen.

Emil Leinhas: Der alte Zentralvorstand kann nicht mehr funktionieren.

Dr. Steiner: Es handelt sich darum, daß die Anthroposophische Ge­sellschaft in ihren Führern etwas wollen soll; das kann sogar mit dem auseinander gehen, was ich selber für wünschenswert halte. Es muß hervortreten dasjenige, was die Gesellschaft in ihren Führern will. Die Sache ist von dem Dornacher Unglück ganz unabhängig. Ausgegan­gen ist sie von dem Auftrag, den ich Herrn Uehli am 10. Dezember gegeben habe. Ich habe Herrn Uehli gebeten, mit anderen Mitgliedern des Zentralvorstandes zusammenzutreten, verstärkt durch führende Persönlichkeiten hier in Stuttgart, um Vorschläge zu machen über die Meinungen, die bestehen im Zentralvorstand und im Komitee über eine weitere Fortführung der Gesellschaft. Aus der Sache ist nichts geworden. Denn es trat mir, als ich hier ankam, ein Ausschuß von sieben Mitgliedern, eigentlich unter Führung von Herrn Uehli, entge­gen. Dieser Ausschuß gebärdete sich wirklich so, als ob er den Stein der Weisen in bezug auf die Reorganisation in Händen hätte; und seine Kritik gipfelte darin, daß der alte Vorstand ein Kindergespött sei. Seither wird verhandelt. Ich stellte auch den anderen Teil der Alterna­tive hin: daß ich sonst gezwungen wäre, mich selbst an jedes einzelne Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft zu wenden, um ir­gendwie die Gesellschaft selber in Ordnung zu bringen. Nun, wie gesagt, statt der Ausführung des Auftrages an den Zentralvorstand ist mir hier ein Komitee entgegengetreten, und die Taten dieses Komitees haben jetzt zu diesem Ergebnis geführt, das eben charakterisiert wor­den ist. Entweder erklärt die Führung der Gesellschaft: Wir geben die Möglichkeit auf, die Führung weiter zu machen -, oder sie muß aussprechen, was sie will. Aber sie muß in irgendeiner Weise eine Garantie dafür bieten, daß die Gesellschaft einen Willen hat und nicht bloß schimpfen kann. Ein wirklicher Wille muß dasein.

Nun, nicht wahr, die Verhandlungen sind aus dem Grunde so weit geführt worden, weil ich ja natürlich die äußerste Chance bieten muß, daß die Anthroposophische Gesellschaft als Gesellschaft weiter han­deln kann. Sie müssen die Dinge betrachten, wie sie sind. Was gesche­hen

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ist, können wir nicht ungeschehen machen. Was bedeutet das: die Dinge bis zum Jahre 1918 zurückzuführen? Ich will nur zwei Dinge nennen. Das eine wäre die Auflösung der Waldorfschule, das andere die Ausbezahlung sämtlicher Beträge, die für Aktien einbezahlt wor­den sind. Man muß sich von allem die Konsequenzen klarmachen. Tiraden reden ist leicht. Wir stehen in der Gesellschaft darinnen mit Institutionen, die weitergeführt werden müssen. Deshalb ist es keine einfache Sache, wenn ich mich an jedes einzelne Mitglied wenden muß. Man kann doch nicht die Waldorfschule auflösen! Man kann doch nicht die Aktien zurückkaufen! Das aber sind die realen Unterlagen für solch eine Aktion. Wenn ich nun doch genötigt wäre, dies zu tun, so würde das bedeuten, daß von der alten Anthroposophischen Ge­sellschaft nichts übrigbliebe als diese realen Institutionen. Der «Kom­mende Tag», der muß so behandelt werden, daß er seinen Ruf nicht verliert; die Waldorfschule muß bestehen bleiben. Die Anthroposo­phische Gesellschaft aber muß sich auflösen, und ich wende mich an die Mitglieder, um etwas Neues zu schaffen.

Deshalb muß die letzte Chance ausgenützt werden. Ich habe, als sich die Anthroposophische Gesellschaft konstituiert hat, die aus­drückliche Bedingung gestellt, daß ich nicht ihr Mitglied bin. Sie haben lediglich darüber zu diskutieren: Wollen Sie Ihre Führung abdizieren, oder wollen Sie weiterführen? Bedenken Sie doch, daß ich mich nie­mals beteiligt habe an der Verwaltung der Anthroposophischen Ge­sellschaft. Die Dinge müssen so genommen werden, wie sie sind. Man kann nicht so aus den Affekten heraus auftreten, wie Sie es getan haben, und sagen, der alte Zentralvorstand sei ein Kindergespött. Glauben Sie, daß es leicht ist, den Leuten entgegenzutreten und zu sagen, wir hätten wieder eine Nacht ergebnislos gesessen? 0, das pfeifen uns schon die Spatzen von den Dächern entgegen: «Laßt's uns aus mit allen euren Führungen!»

Marie Steiner: Es ist der Wille darauf gerichtet, Dr. Unger abzusägen. Es ist aber nicht der reine Wille da für die Reorganisation der Anthroposophischen Gesell­schaft und für die Sache selbst.

Dr. Steiner: Man hat auch das Recht, einen abzusägen; aber man muß wissen, wen man dann an die Stelle setzt. Man denke sich nur einmal:

Mit Recht ist das ein Kindergespött zu nennen, wenn hier beschlossen wird, nachdem drei Wochen verhandelt worden ist: Vertagen wir uns

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jetzt. Und das, nachdem zwölf Aufrufe entstanden sind! Nach zwei Stunden hatten zwölf Menschen beschlossen, etwas zu tun, nachdem sonst nur gewartet worden ist, daß der andere etwas tut. Ich kann nur sagen : Die einfache Tatsache, daß da zwölf Aufrufe nach zwei Stunden auftauchen, das bezeugt die Interesselosigkeit an einer Sache, die man mit einem Eifer vertreten hat, der seinesgleichen sucht. Was hätte geleistet werden können, wenn dieselben Intentionen, die in den letz­ten zwei Stunden entwickelt worden sind, früher vorhanden gewesen wären!

Daß nichts Erhebliches gesprochen worden ist, das ist nicht zu verwundern. Die Art und Weise, wie man denkt über eine im tiefsten Sinne ernste Sache, das ist das Charakteristische, das ist das «Stuttgar­ter System» bis in diese Stunde hinein. Die Anthroposophische Gesell­schaft habe ich nicht zu reorganisieren. Ich habe mich an diejenigen zu wenden, die sich zur Anthroposophie gewandt haben. Die Anthropo­sophische Gesellschaft, über deren Schicksal entscheiden Sie! Es geht nicht, daß man morgen wieder zu den Leuten sagt: Seid so gut --wartet, wartet!

Adolf Arenson spricht über die Reorganisation. Er gibt eine Zusammenstellung der Punkte, über die man mit den Freunden verhandeln will: Was ist nun das, was noch fehlt? Er findet nur die Notwendigkeit, die Freunde zusammenzurufen, um die schwachen Punkte zu starken zu machen.

Dr. Steiner: Nicht bloße Programme dürfen gegeben werden. Wenn man eine Willenskundgebung erlassen will, muß man darin etwas sagen. In den Worten muß eine Willensrichtung stecken. Der Vor­schlag von Dr. Rittelmeyer war gut, aber es ist die tragische Situation, daß die anderen meinen, ohne das, was Dr. Rittelmeyer «starke Paro­len» genannt hat, könnten sie jetzt überhaupt nicht mehr die Gesell­schaft retten, an diese Parolen müßten sich die anderen alle halten. Was glauben Sie? Die Leute, die Sie als Delegierte herrufen, die wollen eine Führung hier finden. Es muß die Situation hervorgerufen werden, daß die Leute sagen : Jetzt treten uns die Stuttgarter so entgegen, daß wir ihnen folgen wollen. In Stuttgart muß man wissen, was zu tun ist. Die anderen lauern darauf, zu erfahren, was hier in Stuttgart gemacht wird. Sonst kommen wir in die reine Negation hinein.

Die Jugend ist nicht das Wichtigste. Was glauben Sie, wenn Sie heute zu keinen Parolen kommen, so wird morgen die Jugend sagen :

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Die wissen nichts; jetzt müssen wir es machen! - Die Jugend weiß auch nichts; die glaubt nur, etwas zu wissen, aber sie weiß nichts. Sie sprechen das Urteil über die Gesellschaft aus mit dem, was Sie jetzt wollen oder nicht wollen. Das muß in Betracht gezogen werden. Man kann nicht sagen : Nun, berufen wir eine Delegiertenversammlung ein; die wird uns dann sagen, was wir wollen sollen.

Es sprechen Adolf Arenson, Frl. Dr. Röschl und Dr. Schwebsch.

Dr. Steiner: Das Komitee, das gestern zustande gekommen ist, hat heute getagt. * Ein Sprecher hat den ersten Entwurf vorgelegt. Das ist der Aufruf des Komitees. Dann, nicht wahr, sind die anderen Aufrufe, die auch noch vorgebracht worden sind, da: von Dr. Unger, Dr. Heyer und so weiter. Das sind persönliche Aufrufe, genauso wie die anderen. Diese zwei Dinge müssen absolut verschieden betrachtet werden. * *

Es ist die Sache so, daß dieses Komitee gestern den Entwurf von Dr. Kolisko als etwas Fertiges gehabt hat. Wir gingen auseinander : erstens, mit der Ernennung des Komitees; zweitens, mit der Bitte an dieses Komitee, den Entwurf ins Positive umzusetzen. Außerdem kann na­türlich der Entwurf mit alledem, was er enthält, nicht vom provisori­schen Zentralvorstand unterschrieben werden. Es war also zweitens der Ausgangspunkt für den heutigen Aufruf: daß seine negativen Punkte ins Positive übergeführt werden sollten. Der Fehler ist also der, daß keine positiven Punkte neu hineingesetzt worden sind, son­dern daß nur die alten negativen Punkte weiter geblieben sind. Ich habe erwartet, daß die Negationen ins Positive umgesetzt werden würden. Materiell ist es wichtig, daß die zwölf Aufrufe an einem Übermaß von Phrasenhaftigkeit leiden; sie haben nicht genug Sub­stanz. Diejenigen, welche den Aufruf machen, handeln nicht selbstän­dig genug.

Früher hat Dr. Stein einmal gesagt: Wir sollten uns das Lebenswerk Dr. Steiners nicht nehmen lassen. - Es hat nun der Aufruf den folgen­den Eindruck gemacht: Die Punkte, die ich selbst gegeben habe, sind zwar gehört worden, aber sie sind ohne innere Verknüpfung in dem Aufruf aufgetaucht. Es handelt sich darum, daß man eine solche Sache als etwas Eigenes macht. Ich habe deshalb diese Dinge noch einmal wiederholt. Nicht wahr, was Sie da hineingeschrieben haben, das hat

- - -

* Ohne Rudolf Steiner. Hiervon liegt kein Protokoll vor.

** Von den zahlreichen Entwürfen, die für den Aufruf gemacht wurden, liegt nichts vor.

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nicht genug Affinität zu den Persönlichkeiten. Das ist schon das, worauf es ankommt.

José del Monte spricht.

Dr. Steiner: Dr. Rittelmeyer hat seine Rede damit begonnen, daß er dasjenige, was er gesprochen hat, innerhalb des Komitees ausführlich mitgeteilt hat. Ich wundere mich nur, daß davon in dem Aufruf des Komitees nichts steht, auch dasjenige nicht, was gestern als Auftrag erteilt worden ist: die Negation in ein Positives zu verwandeln.

Ich kann nicht die Punkte formulieren, die zuletzt die positiven sein sollen. (Notiz von Dr. Heyer: «Es wäre schädlich, wenn ich die positi­ven Punkte angäbe.») Das müssen diejenigen machen, die in der ange­gebenen Richtung zu arbeiten haben. Ich will nur das Folgende sagen im Zusammenhang mit dem, was entstanden ist. Vielleicht nicht auf Grundlage, aber in zeitlicher Aufeinanderfolge mit meiner Bitte an Herrn Uehli am 10. Dezember geschah, daß ein Komitee auftrat, als ich hier ankam. Dieses Komitee hätte in zweierlei Weise verfahren können gegenüber denjenigen Menschen, die sich heute für die Reor­ganisation der Gesellschaft interessieren. Dieses Komitee hätte versu­chen können, sich dafür einzusetzen, daß etwas an die Stelle des alten Zentralvorstandes gesetzt würde, wenn der alte Vorstand nichts taugt. Oder es hätte sich dieses Komitee nach der Richtung hin einsetzen können, das Vertrauen zum alten Vorstand wieder in irgendeiner Weise zu befestigen durch ein arbeitendes Herstellen von möglichen Verhältnissen. Diese zwei Dinge wären möglich gewesen. Nun hat dieses Komitee das erstere gewählt, aber ist mit keinem wirklichen positiven Vorschlag gekommen.

Nun sind wir aus all der Misere gestern dazu gekommen, ein Komitee zu bilden, das ungefähr so ist wie dasjenige, was ich mir vorgestellt hatte, daß es der alte Vorstand hätte bilden können. Ich habe mir das so vorgestellt, daß der alte Vorstand ungefähr dieses Komitee gebildet hätte aus der Synthese der positiven Tätigkeiten in der anthroposophischen Sache. Es ist aus allen nötigen Antezedenzien zusammengesetzt. Dieses Komitee hat zu gleicher Zeit die Möglich­keit, die Schattierungen des Alten zu vertreten, und es hat durch seine beiden Mitglieder Herr von Grone und Wolfgang Wachsmuth, die jung sind, die Möglichkeit, vor der Jugend bestehen zu können. So daß ich schon heute morgen - weil man der Jugend eine Auskunft geben

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muß - sagte:* Ich bin bloß neugierig, ob die Alten unter den Jungen akzeptieren werden die Jungen unter den Alten. Ich fragte also, ob die Alten unter den Jungen die Jungen unter den Alten akzeptieren wür­den. Man sagte mir, das würde nur davon abhängig sein, wie die uns entgegenkommen würden. - Das neue Komitee hat die Möglichkeit, als etwas Altes zu bestehen; und es hat zu gleicher Zeit die Möglich­keit, von der Jugend akzeptiert zu werden.

Die Dinge müssen sich aus den realen Tatsachen ergeben. Das Komitee ist außerdem, wie schon gesagt, so zusammengestellt, daß es eine Synthese ist derjenigen positiven Tätigkeiten, welche die maßge­benden sind in der anthroposophischen Bewegung. Dieses Komitee ist aus der Sache selbst heraus gegeben. Wenn wir aber nichts zustande bringen, dann muß die Gesellschaft abdizieren.

Wenn nur das Komitee sich in der richtigen Weise betätigt. Dr. Kolisko gehört für die Jugend zu den Alten; er wird schon der «zweite seelenlose Dialektiker» genannt; Dr. Kolisko gehört zu den Jungen unter den Alten. Indem dieses Komitee zwei Prominente, noch ganz unbeschriebene Persönlichkeiten unter sich hat, braucht es sich nur nach der einen oder anderen Richtung hin in der richtigen Weise zu offenbaren. Ein Komitee muß so sein, daß es nach den verschiedensten Richtungen hin wirken kann. Das Komitee könnte nicht besser zusammengesetzt sein. Warum es nicht gehen soll, kann ich nicht begreifen.

Bedenken Sie nur: Wir haben hier eine gegenseitige Anschuldigung in ärgstem Maße angehört, bevor ich in der vorigen Woche weggefah­ren bin. Ich bat, als ich wegfuhr, es solle der provisorische Ausschuß die Sache so weit bringen, daß wir am nachsten Montag die Sache verhandeln könnten. Ich hatte im Gedächtnis dasjenige, was hier verlesen worden war. Es ist die Frage gewesen, ob man hier noch eine Montag-Sitzung abhalten soll. Wenigstens konnte der Aufruf vorge­bracht werden. Was ist geschehen am Montag? Diese Sitzung am Montag war eine glatte Wiederholung der Sitzung, die schon war, bevor ich nach Dornach gereist bin. Es war dasselbe wieder geschehen. Natürlich kommen kleine Varianten vor; die macht schon die Zeit allein, weil man sich an den früheren Vorgang nicht mehr genau erinnert. Als ich monierte, daß eine genaue Wiederholung da sei, wurde mir gesagt, es sei mit anderen Untergründen. Man antwortete

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* Kein Protokoll.

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mir außerdem, daß man mit den Leuten verhandeln müßte. Nun waren wir gleich so weit, daß eine glatte Wiederholung stattgefunden hatte und man neuerdings begreiflich machen mußte, daß ein solcher Aufruf zustande kommen müsse. Wir können die Sache so fortsetzen. Von gestern auf heute ist es eine glatte Wiederholung, mit Ausnahme dessen, was die Gedankenpause hervorgebracht hat.

Wir haben gestern eine denkwürdige Abstimmung gehabt.* Ich habe darüber abstimmen lassen, wer den Aufsatz von Herrn von Grone gelesen habe. Ich habe abstimmen lassen, wer ihn nicht gelesen hat: Das war die überwiegende Majorität. Wenn ich in die Waldorf-schule hinaufkomme, liegen da die Zeitschriften viele Tage lang. Die Interesselosigkeit beginnt damit, daß man sich nur um sein eigenes engstes Gebiet kümmert. Man ist hier nicht mehr Anthroposoph -nach und nach; man ist wirklich nicht mehr Anthroposoph. Man braucht drei Wochen, bis man zu dem Entschluß kommt, sich auf die Anthroposophie zu besinnen.

Aus alledem folgt das, was heute abend Dr. Rittelmeyer gesagt hat. Sie würden nicht in Abrede stellen können, wenn Sie bei den kleinen Komitee-Verhandlungen gewesen wären, daß diese Punkte alle schon vorgebracht worden sind; das meiste sogar ausführlicher. Um das hat man sich nicht gekümmert. Man hätte zurückgreifen können auf die Dinge, die hier wochenlang behandelt worden sind. Solange wir uns nicht bequemen, aus der Wirklichkeit heraus zu schöpfen und nicht aus einem Buch heraus Tiraden zu holen, kommen wir zu nichts. Der Leser spürt, ob etwas Reales in dem Aufruf steckt. Es muß der Geist hineinkommen, der mit gutem Willen auf die Tatsachen eingeht. Und dieser Geist ist es, gegen den man Opposition macht.

Nun weiß ich nicht, ob wir morgen abend abermals eine Kopie erleben werden. Wenn wir nicht alle Anstrengungen machen, dann kommen wir schließlich dazu, daß die Revolution in der Gesellschaft lichterloh brennt. Mindestens darüber müßte man sich klar sein, daß auch Herr Leinhas dableiben müßte, wenn wir dableiben und erst Freitag früh fahren. Dann müßte die Zeit aber verwendet werden zur Arbeit.

Adolf Arenson: Ich wehre mich dagegen, daß es heißt, daß dieser Kreis jenen Vorschlag gemacht hat.

- - -

* Es war nicht festzustellen, in welchem Kreis die Abstimmung erfolgte.

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Dr. Steiner: Es kann sich jeder wehren, der den Antrag nicht gestellt hat. Die Tatsache liegt doch vor, daß heute abend aus diesem Kreis heraus dieser Antrag gestellt worden ist. Sie können nun entsetzt sein darüber, daß diese Tatsache aufgetreten ist. Mindestens über die fun­damentalsten Dinge müßte ein solcher Kreis einig sein, so daß er sich nicht selbst ad absurdum führt.

Morgen also der Gesamtkreis.

#TI

SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS

Stuttgart, Donnerstag, 8. Februar 1923 (abends)

#TX

Emil Leinhas: Der Entwurf ist noch unvollkommen. Wir haben aber harmonisch zusammengearbeitet. (Er liest den Entwurf vor.)

Es sprechen dazu Dr. Maier, Dr. Heyer, Dr. Peipers.

Alexander Strakosch: Man muß noch die Frage des Vorstandes klären.

Dr. Steiner: Der Passus über die Gegnerschaft entspricht nicht ganz dem Faktum. Aus der im Persönlichen liegenden Begründung des Widerstands gegen das anthroposophische Geistesgut wäre die Geg­nerschaft, die mir erwachsen ist, eine nicht weiter erhebliche, sie wäre von keiner erheblichen Bedeutung gewesen; sie wäre als eine törichte Episode erschienen. Erst durch die Begründung der verschiedenen Unternehmungen seit 1919 werden die Angriffe von einer Gegner­schaft, die größtenteils an den Angriffen selbst kein Interesse hat, als Mittel zum Zweck benutzt, um die anthroposophische Bewegung aus der Welt zu schaffen.

Marie Steiner: Die Gegner werden zu glimpflich behandelt, indem gleich gesagt wird, daß durch das Zusammenstellen der Zitate die Angriffsflächen gebildet werden, während sich die Gegnerschaft doch gemeiner Mittel bedient.

Dr. Steiner: Das eine ist die Gegnerschaft, die sich der Verleumdung bedient; das andere ist das, was die Gegnerschaft durch Aufstellung eines Zerrbildes macht. Dann fragt es sich, ob nicht doch diese Geg­nerschaft unter Umständen - Sie können sich darüber ja äußern - ein bißchen kühner angegriffen werden müßte, was nur durch die Ver­wendung einzelner Worte möglich und notwendig ist.

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Nicht wahr, die Gegner sind vielfach geschützt durch ein gewisses Ansehen, das sie in offizieller Weise haben. Denn für die Welt ist der gestern von Dr. Rittelmeyer erwähnte Dr. Jeremias eben der bekannte Orientalist der Leipziger Universität, während er - wenn das so ist, wie Dr. Rittelmeyer dargestellt hat - eine ganz gemeine Natur ist. Der hat mich wiederholt besucht, hat sich über einzelne Fragen in ernsthaf­ter Weise auseinandergesetzt, hat gebeten, beim Vortrag in Leipzig anwesend sein zu können. Es war kein Grund vorhanden, ihn nicht anwesend sein zu lassen. Nachher entpuppt er sich als ein gemeiner Heuchler. Solche Beispiele sind eigentlich etwas, was man heute nicht mehr entbehren kann in der Charakteristik der Gegner. Man muß den Leuten diese Maske herunterreißen. Ich führe das nur als ein Beispiel an. Man müßte sich klar darüber sein, was das heißt, wenn sich jemand eingeschlichen hat in der Maske desjenigen, der «erkennen will» und nachher auftritt als gemeiner Verleumder. Wenn wir nicht dazu gelan­gen, diese Gemeinheit unter Leuten, die einfach durch ihre amtlichen Würden geschützt sind, etwas zu enthüllen, wenn uns das nicht gelingt, dann geht die Sache schwierig.

Dr. Rittelmeyer: Ich bin bei der Versammlung dabeigewesen. Da hat er Sie, Herr Doktor, persönlich preisgegeben. Er hat gesagt, er unterscheide zwischen der Anthroposophie selbst und der Person des Gründers der Anthroposophie. Der Güterzug könne Waren enthalten, die gut seien, wenn auch die Lokomotive schadhaft sei.

Dr. Steiner: Solch eine Sache muß man vor der Welt an den Pranger stellen. Das ist heute nach der einen Seite so. Aber nach der anderen Seite muß die besondere Art der Kampfesweise charakterisiert wer­den, die darin besteht, daß die Gegner sich nicht einlassen auf eine Diskussion, sondern sie nehmen zum Teil die Sache an wie der Goesch, aber zugleich treten sie mit den gemeinsten, unsachlichen, rein persönlichen Verleumdungen auf. Dies ist die ganz präzise Tat­sache; davor kann in der Gegenwart nicht zurückgeschreckt werden, diese zu kennzeichnen. Eventuell müßten einzelne Beispiele charak­terisiert werden. Aber das braucht nicht mit Namen angeführt zu werden, vielleicht ist es sogar nicht gut, Namen anzuführen, viel­leicht können die Namen vermieden und die Leute einfach charakte­risiert werden.

Sie werden eine Charakteristik von Seiling dadurch herausbekommen,

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daß Sie sagen: Es gab da einen Menschen, der Dr. Steiner durch seine fanatische Anhängerschaft, die bei jedem Besuch durch einen Handkuß bekräftigt wurde, besonders ekelhaft war. Jetzt aber wird er von der Gegnerschaft benützt, um allerhand Verleumdungen zusam­menzustellen. Jeder hat Gelegenheit, im rechten Moment auf so etwas hinzuweisen. Durch eine solche Charakteristik erreichen Sie mehr als durch Namennennung, weil man dann im entsprechenden Moment auf solche Leute hinweisen kann.

Jeremias ist ein alter Typus, der sich angebiedert hat, der zum Beispiel zu Frau Doktor in die Loge des Theaters in Leipzig gekom­men ist und dort seine Reverenzen gemacht hat. Die Zusammenstel­lung dieses Logenbesuches dazumal mit dem, was Dr. Rittelmeyer erzählt hat, charakterisiert den Menschen als ein Ekel. Man braucht nur zu sagen: Einer der Gegner, der an einer der verleumderischen Versammlungen anwesend war, machte sich noch vor nicht ganz einem Jahr dadurch unangenehm bemerkbar, daß er in der biedersten Weise seine Reverenzen vor Frau Dr. Steiner in der Leipziger Theater­loge während einer Eurythmieaufführung machte. Er verlangte das. Er erschien auf der Bühne und wollte in die Loge gebracht werden. Er drängte sich hinein in die Intimitäten. Solche Masken müssen mit einer kräftigen Charakteristik gezeichnet werden.

Leisegang habe ich nicht persönlich kennengelernt; den müssen die charakterisieren, die mit ihrer Person dafür eintreten können.

Dann hätte ich noch das folgende zu sagen. Wenn Sie heute hinhor­chen auf die Unzufriedenheit, so ist überall ein Grundton durchleuch-tend. Es ist mir unangenehm, das zu sagen, aber ein Ton ist überall durchleuchtend. Das ist der, daß nicht dafür gesorgt worden ist, daß wirklich das Anthroposophische in der Gesellschaft vertreten wird. Wieweit dieser Vorwurf berechtigt ist, darüber bitte ich Sie, sich zu äußern. Ich referiere nur, was von den verschiedenen Seiten empfun­den wird. Es wird empfunden, daß eigentlich innerhalb der Anthropo­sophischen Gesellschaft die Vertretung der Anthroposophie viel zu kurz gekommen ist, daß sich anderes an die Stelle der Anthroposophie gesetzt hat und dadurch das innere Leben verlorengegangen ist. Ein mehr «wissenschaftliches», äußeres Treiben ist dafür eingetreten, also eine gewissen Veräußerlichung. Die Leute drücken das so aus, daß sie sagen, es sei dies eine Intellektualisierung der Anthroposophie. Man muß der Stimmung entgegenkommen, die in der Jugend so stark ist,

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die auf Verinnerlichung geht, ohne daß man aber dabei in eine Schwär­merei verfällt. Es wird das empfunden gerade in den Kreisen der akademischen Jugend. Die will eben nicht, daß man ihr diese Kost vorsetzt, wie sie ihr in den Hochschulkursen vorgesetzt worden ist; sie will eine Verinnerlichung des menschlichen Seelenlebens. Es ist das ein Debakel, daß die Hochschulkurse von der Jugend als etwas empfun­den worden sind, was nur ein etwas anderer Aufguß desjenigen ist, was sie ohnedies schon hatten. Man sagte ihnen die Dinge, die sie auf der Universität schon hatten.

Der Aufruf müßte dies enthalten, daß der Wille vorhanden ist, Anthroposophie wirklich zu treiben, Anthroposophie zu treiben so­wohl nach der Erkenntnis- wie auch nach der Gemütsseite sowie nach der moralisch-religiösen Seite hin. Das müßte im Aufruf stehen. Dann müßte gegenüber den Dingen, die aufgeführt worden sind - wir haben darüber schon gesprochen -, etwas darinstehen von der Leitung der Anthroposophischen Gesellschaft. Es erreicht die Aufregung in ge­wissen Kreisen schon einen pathologischen Zustand. Die Leute ma­chen den Eindruck, in einer pathologischen Aufregung zu sein. Es müßte dem gegenüber etwas in dem Aufruf stehen, woran sich die Leute persönlich halten können. Es müßte darinstehen etwas von einer Gruppe von Menschen, welche die Leitung übernommen haben. Das sind die sieben oder neun Menschen, die vorläufig die Leitung der Angelegenheiten der Gesellschaft in die Hand genommen haben bis zur Einberufung der Delegiertenversammlung. Es müßte nicht vom «Zentralvorstand» - schon das Wort ist ein rotes Tuch -, es müßte nicht vom Zentralvorstand die Rede sein, sondern von den Sieben oder Neun, die den Aufruf auf ihrem Gewissen haben; die müßten als die Leiter hingestellt werden. Wenn Sie jetzt vom Zentralvorstand reden, dann führt das dazu, daß sich einfach diese oder jene Gruppe abglie­dert, daß die Gesellschaft sich als Folge davon auflöst und daß sich für die Anthroposophie andere Gruppen bilden.

Man kann nur sagen: Die Leute haben absolut die Stuttgarter Führung satt, sind aber guten Willens. Im Augenblick, wo sie sehen, daß Leute etwas ernsthaft in die Hand nehmen, sind sie auch bereit zu folgen. Die Stimmung ist eine psychologisch merkwürdige und charakteristische. Die jungen Leute warten darauf, daß irgend etwas geschieht. Das ist dasjenige, was ich zum Inhalt des Aufrufs zu sagen habe.

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Der Passus über die innere Arbeit müßte ausgearbeitet werden. Es müßte herauskommen, daß ein Wille da ist, auf das einzugehen, was von den einen mehr in naiver Weise, von den anderen mehr in gebilde­ter Weise ausgedrückt wird, daß nämlich die Leute sagen: Wir erfah­ren gar nichts von der wirklichen Anthroposophie; uns wird alles mögliche vorgetragen, was wir gar nicht hören wollen. - Das ist dasjenige, was gesagt wird. Der eine sagt es naiver, der andere sagt es gebildeter. Es kommt aber aus allen Kreisen. Es ist merkwürdig: Wenn man noch so ideell redet, so genügt es den Leuten doch nicht. Wenn es sich darum handelt, daß das Ideelle bis zur anthroposophischen Ver­tiefung kommt, darf niemals die Gemütsseite vermißt werden. Es wird immer betont, daß in der Anthroposophischen Gesellschaft kein Herz und kein Gemüt mehr sei. Das ist der heikle Punkt, daß die Leute sagen: Man kommt an die Stuttgarter Herren gar nicht heran; man bekommt keinen menschlichen Zugang zu ihnen, sie sind zugeknöpft, man kommt ihnen nicht nahe. - Also dies ist ein heikler Punkt. Es gehört in dieses Kapitel hinein, wo die Dinge gesagt werden müssen, wie sie wirklich sind. Man muß ausdrücken, wie man etwas verbessern will, ohne ein Pater-peccavi zu machen. Es müßte eine Möglichkeit gefunden werden, in der Zukunft dafür zu sorgen, daß die menschli­chen Verhältnisse unter den einzelnen Anthroposophen gepflegt oder wenigstens anerkannt werden, gleichgültig, ob sie führende oder nicht führende Stellen haben.

Dann war es das Ziel der letzten Tage, nachdem wir alles Frühere durchgemacht haben, nun endlich zu einem Aufruf zu kommen, der Hand und Fuß hat. Der Aufruf kann natürlich noch so stark Hand und Fuß haben: Wenn nicht die Kräfte dahinterstehen, die in diesem Kreise hier sein sollten, dann wird er keine Folgen haben. An die weitere Diskussion des Aufrufes müßte sich auch schließen, nicht bloß - wie es in der letzten Zeit der Fall war -, daß man über Negatives redet, sondern daß die Diskussion einen gewissen Inhalt (Substanz) hat. Man muß dasjenige aussprechen, wodurch man manche Fehler, die in Stutt­gart hervorgetreten sind, in der nächsten Zeit verbessern will. Man möchte darüber etwas hören, auf welche Art die Stuttgarter Persön­lichkeiten sich hinter den Aufruf stellen wollen. Denn daß Sie mit ihm einverstanden sind, ist nur die eine Seite der Sache. Die andere Seite ist diese, daß man nicht etwa denkt: Morgen ist nun der Aufruf glücklich gedruckt, jetzt gehen wir wieder hin und unterrichten in der Waldorfschule,

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sind Bürochefs im «Kommenden Tag» und so weiter. Es müßte sich doch etwas Greifbares nach dieser Richtung hin zeigen, daß es hinter dem Aufruf steht. Der Aufruf hat nur dann einen Wert, wenn Menschen hinter ihm stehen.

Emil Leinhas: Was im Aufruf steht, muß in der Delegiertenversammlung ausgear­beitet werden.

Dr. Steiner: Dieser Punkt müßte viel gründlicher und aufmerksamer behandelt werden. Wenn dieser Kreis eine Bedeutung haben soll in der Weiterführung der Sache, so müßte dieser Punkt viel gründlicher behandelt werden. Sie müßten sich entschließen dazu, auf solche Sachen ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu verwenden. Man müßte wirklich darauf Aufmerksamkeit verwenden.

Sehen sie, wenn Sie da zum Beispiel den Namen von Rudolf Meyer in Berlin erwähnen. Dieser Meyer ist eine charakteristische Persön­lichkeit aus dem Grunde, weil er nicht nach der Richtung eine Abir­rung darstellt, daß die Dinge aus dem Kopf herauskommen, weil er eine Persönlichkeit sein will, die alles aus der eigenen Erfahrung heraus darstellen möchte. Dasjenige, was also einzelnen in Stuttgart vorge­worfen wird - überwiegende Intellektualität -, das wird dem Meyer nicht so vorgeworfen.

Da müssen Sie eben aus dem, was aus dem Kreis der Mitglieder zumeist aus einer richtigen Empfindung, aber aus einer falschen Inter­pretation hervorgeht, das müssen Sie auf das Richtige reduzieren und dafür sorgen, daß eine richtige Anschauung darüber Platz greift. Bei Meyer ist zuviel Selbstgefälligkeit da. Dasjenige, was aus einer wirk-lichen Innerlichkeit kommt, ist niemals selbstgefällig und stößt nicht zurück; das, was aus einem scheinbaren Erleben kommt und unge­heuer selbstgefällig auftritt, das stößt dadurch zurück. Was die Leute darüber sagen, ist einerlei. Die Realität muß irgendwie erfaßt werden. Irgendwo muß eine Stelle sein, wo sie erfaßt wird. Woran es fehlt, das ist die von allem Nebulosen abseits liegende Vertiefung in ein gewis­ses, nun wirklich seelisches Leben. Was die Menschen immer «dialek­tisch» nennen, das ist eben das Reden über die Dinge so, daß diesem Reden die Seele fehlt. Und wenn das nicht in die Realität hinein-kommt, wenn also Scharfsinn, Spitzsinn und solche Dinge die Leute zu stark überwältigen, dann fühlen sie sich abgestoßen.

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Bei den Stuttgarter Herren wird es so empfunden : Wenn nun doch einmal einer an einen der Stuttgarter Herren herankommt, so geht er weg, als wenn er sein Ich verloren hätte; da wird einem alles so verstandesmäßig an den Kopf geworfen, daß man dabei sich selbst verliert. - Es wäre mir unangenehm, wenn gefordert würde, daß ich Namen nenne. Die Leute fühlen sich, wenn die Stuttgarter Herren mit ihnen reden, wie ausgeleert und ichlos. Nun, nicht wahr, das hängt mit dem zusammen, daß nun wirklich sich in Stuttgart ein «System» herausgebildet hat, daß nämlich die Leute hier wie in einer Festung mit hohen Mauern leben und nicht wissen, was unter den Menschen vorgeht, die zur Gesellschaft gehören. Sie reden von der inneren Seite der Festung heraus, ohne sich um dasjenige zu kümmern, was vorgeht in der Anthroposophischen Gesellschaft; und die Leute, die herkom­men, die haben dann das Gefühl, daß sie nicht angehört werden, wenn sie mit ihren Erfahrungen kommen; sie haben das Gefühl, daß sie überhaupt nicht angehört werden.

Manchmal ist das Gefühl, das die Menschen haben, so ausgedrückt worden: In Stuttgart schalten sich die menschlichen Persönlichkeiten aus. - Mir ist entgegengetreten, daß gesagt wurde: Die Stuttgarter schicken uns Herren her, die kommen mit ihren Notizbüchern, stellen ihre Fragen, schreiben etwas hinein, und dann werden diese Notizbü­cher ins Archiv gestellt, denn es wandern alle Dinge ins Archiv; die Persönlichkeit, die kommt nicht zu uns, sondern sie bringt ein Notiz­buch mit und trägt dies dann ins Archiv; wir möchten mit Persönlich­keiten einen menschlichen Verkehr haben.

Ich erzähle nur die Dinge, die gesagt werden. Die Dinge mögen furchtbar schief ausgedrückt werden; in der Schiefheit, die aus der schlimmen Erfahrung kommt, liegt aber noch viel mehr darin. Aus dieser Empfindung spricht vielleicht eine noch stärkere Wahrheit, als da zum Ausdruck kommt. Es muß doch gesonnen werden darüber, wie dem abgeholfen werden kann. Sonst ist wirklich nichts mehr zu retten.

Wenn die Delegiertentagung wirklich zustande kommt und solche Urteile sich bilden, dann kommen wir auch nicht weiter. Ebenso wäre es gut, wenn die Mißurteile, die hinausgehen, wirklich auch hier bewußt zur Sprache kommen würden. Dr. Rittelmeyer hat gesagt, es müßten von hier aus «schlagkräftige Parolen» ausgegeben werden. Solche Parolen werden ja wirklich ausgegeben.

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Marie Steiner: Ich möchte dazu etwas sagen, was sich auf München bezieht. Es hat mir leid getan, von den Dingen zu hören, die sich um die Arbeit des jungen Priesters Klein abspielen. Solche Sachen wie «Anlaimmelung» und «Anbetung» können so einen jungen Mann in den Glauben versetzen, daß er alte Leute leiten kann. Nun erkundigte ich mich, ob die Dinge wohl stimmten. Was mir als Echo da entgegenkam, war die Frage: Warum hat man die anthroposophische Arbeit in München zugrunde richten wollen? Der Bericht gipfelte in dem Satz, daß noch vor einigen Monaten dieser Herr die Parole bekommen hätte von einem Mitglied, das hier ist : Die religiöse Arbeit solle gestützt werden, und die Zweigarbeit solle schlafen. Von einer prominenten Persönlichkeit, so wurde gesagt, sei diese «Pa­role» ausgegeben worden. Es sind dadurch solche Dinge entstanden, die einige Mitglieder zu diesem Glauben gebracht haben. In München sind spezielle Verhält­nisse gewesen, Zweigschwierigkeiten besonderer Art, aus denen heraus solche Meinungen entstehen konnten. Er, der Berichterstatter, stand da als einer der Ankläger.

Dr. Peipers: Als Klein bei mir war, hatte ich den Eindruck, daß in München am ehesten etwas von der religiösen Bewegung zu erhoffen sei.

Dr. Steiner: Dies scheinen Sie in der Tat gesagt zu haben. Die Leute haben es so verstanden, daß die Führung in Stuttgart die Münchner Arbeit weiter schlafen schicken will und die religiöse Erneuerung an die Stelle der anthroposophischen Bewegung setzen will. Wir werden die Dinge, die von dem «Stuttgarter System» ausgehen, als Mißver­ständnisse enthüllen müssen. Solche Tatsachen sind schöpferisch! Das also ist eine «Parole», die von Stuttgart ausgegangen ist: Man solle die Münchner Zweigarbeit schlafen schicken; es sollten sich alle an die Arbeit für religiöse Erneuerung halten. - Wenn das jemand sagt, der der religiösen Erneuerung führend vorsteht, so wäre nichts dagegen einzuwenden. Wenn das aber von Führern der anthroposophischen Bewegung gesagt wird, dann läßt eine solche Parole die anthroposo­phische Bewegung zugrunde gehen.

Dr. Peiper5: Ich habe die Unterstützung abgelehnt.

Marie Steiner: Das eben Gesagte bezieht sich aber auf Ihr Gespräch mit Klein. Es wurde mir gesagt, daß Sie eine hohe Summe für die religiöse Erneuerung geben wollten, außerdem, daß Sie finden, die anthroposophische Arbeit solle schlafen. Diese Worte haben aber gewirkt.

Dr. Peipers: Was man sagt, wird so leicht mißdeutet.

Marie Steiner: Diese Parolen fliegen pfeilgeschwind weiter.

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Emil Leinhas äußert sich darüber.

Dr. Steiner: Derjenige, der diese Parole ausgegeben hat, gehört in Stuttgart zu den «Großköpfen», und schon deshalb wäre in München diese Parole maßgebend gewesen. So gräbt uns die religiöse Bewegung das Wasser ab. Die Münchner sind entrüstet, daß man von Stuttgart aus die anthroposophische Arbeit in München zerstört.

Dr. Peipers: Mir wurde geklagt, daß die Münchner Leute überhaupt keine Arbeit mehr leisteten.

Dr. Steiner: Wir werden alles als «Mißverständnis» aufklären. Das hindert aber nicht, daß diese Dinge, die in Stuttgart als Parolen geprägt wurden, zerstörerisch wirken; daß also durch das «Stuttgarter Sy­stem» nach der Peripherie hinaus die anthroposophische Arbeit sich auflöst.

Der Ausdruck «Großkopf» hängt zusammen mit Zeichnungen in Witzblättern. Man hat solche Leute in Witzblättern so dargestellt, daß man ihnen einen Riesenkopf und einen kleinen Körper gibt. In Öster­reich nennt man sie die «Großkopfeten». So sind Mißverständnisse schöpferisch.

Über diese Dinge kann man sich keine Vorstellungen bilden, wenn man nicht von solchen Voraussetzungen ausgeht, wie sie hier ange­schlagen worden sind. Das meiste, was man hier getan hat, muß unterlassen werden; darüber würde zu verhandeln sein. Bis jetzt ist noch nicht mehr geschehen, als daß man sich hinter den Aufruf gestellt hat. Die Delegiertenversammlung muß zustande kommen, und bei der müssen die Herrschaften nicht so erscheinen wie hier, indem sie sich um den Tisch setzen und gefaßt warten auf das, was der andere tut. Es muß jeder seine Meinung dorthin tragen, aber das nächste ist - ich muß morgen ganz früh abreisen -, daß hier in einer geschickten Weise übernommen wird, nun wirklich zum Beispiel die Jugendbewegung zu beruhigen, denn die wartet auf Antwort. Man muß mit ihr in Verhandlung auf erweitertem Boden eintreten. Die warten heute dar­auf, daß man ihnen sagen kann: Hier ist etwas geschehen. - Nun wird sich der Boden, auf dem sich bisher alles abgespielt hat, erweitern müssen. Man wird die Jugend zulassen und mit ihr verhandeln, und zwar muß es von morgen ab ohne Gardinen geschehen.

Es wird ein anderer Vorschlag in bezug auf die Verhandlungen mit der Jugend gemacht.

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Dr. Steiner: Das wird besser sein, als wenn die Herrschaften der Jugendbewegung an den Sitzungen hier teilnehmen würden. Das würde eine Errungenschaft sein. Vor allen Dingen mache ich darauf aufmerksam, daß innerhalb derjugendbewegung das Wort gefallen zu sein scheint, daß die Opposition gegen die Gesellschaft organisiert werden solle. Es würde nun sehr gut sein, wenn diese Organisation der Opposition auch wirklich Verständnis fände. Ich habe mir vorgestellt, daß außer Dr. Palmer auch Herr von Grone und Herr [Wolfgang] Wachsmuth einen Sinn haben könnten für dieses Unzufriedensein in der Gesellschaft. Ich glaube, daß man in Stuttgart ein Verständnis haben könnte für das Unzufriedensein. Warum soll man nur in Phra­sen der Harmonie zusammentreffen? Wenn man Verständnis zeigt für das, womit die Leute unzufrieden sind, wird schon etwas geschehen sein. Nicht von oben herunter, sondern dadurch, daß man zeigt, daß man selber etwas von dem Stachel der Unzufriedenheit in sich trägt, wird man etwas bei der Jugend erreichen. Wenn der andere fühlt: Das ist auch einer, der zufrieden ist, dann sagt er sich: Mit dem will ich riichts zu tun haben. Nehmen Sie das als eine in Humor gekleidete Darstellung von etwas, was aber ernst gemeint ist.

Jürgen von Grone spricht dazu.

Dr. Steiner: Nun ist dies in Stuttgart nicht gelungen. Unzufriedenhei­ten, die aus der Sache herauskommen, die sind zuweilen sehr frucht­bar; aber wenn bei der Unzufriedenheit nicht gerechnet wird mit dem, was die Leute empfinden, sondern wenn daran vorbeigegangen wird, dann wirkt sie zerstörend.

Marie Steiner: Es bezieht sich auf das, was im Zyklus gesagt wurde.

Dr. Steiner: Tatsächlich muß man das sagen. Wir haben doch diese zwei Phasen der akademischen Jugendbewegung gehabt, die so cha­rakterisiert werden müssen: Zuerst ist der Hochschulbund gegründet worden. Die Zelebritäten haben die studentischen Leiter alleingelas­sen und standen nicht hinter ihnen. Es löste sich das Band zwischen den studentischen Leitern und den Stuttgarter Zelebritäten auf. Nun wußten die studentischen Leiter nichts mehr anzufangen, und dann bildete sich diese Art von Studentenverbindungen, die Maikowski gewählt haben. Nun, Maikowski ist ein Mensch, der ungemein leicht von etwas zu überzeugen ist, wenn man nur in seiner Sprache zu reden

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versteht. Nun war jeder Anschluß zwischen dieser Jugendbewegung und den Stuttgarter Herren unmöglich. Die Jungen waren nicht mehr aufgeschlossen für irgend etwas, was von seiten dieser Herren kam. Es bildeten sich Illusionen heraus. Es ist heute noch so, wie es gewesen ist, als diese Leute hier den «Pädagogischen Jugendkurs» veranstaltet haben. Ich meine, daß dieses Wort von der «Organisation der Opposi­tion» aufgekommen ist, das kommt daher, weil die Leute das Gefühl haben, sie könnten nicht an die Stuttgarter Herren herankommen. Die Alten draußen haben alle ein ganz ähnliches Gefühl.

Das Wesentliche müßte schon besprochen werden. Dasjenige, was nach dieser Richtung spielt, möchte ich so charakterisieren : Es gibt in Stuttgart viele Fragen, auf die man vermeidet, eine Antwort zu ertei­len. Dazu gehört diese: Wenn man heute mit sehr vielen Menschen redet, so haben die das Bedürfnis, sich zu unterhalten über die Gestal­tung der Zweigarbeit. Die führenden Persönlichkeiten dagegen haben nicht das Bedürfnis, über die Gestaltung der Zweigarbeit zu sprechen. Das muß aber geschehen. Es muß sogar in den Aufruf hinein, wie die Vermittlung des anthroposophischen Geistesgutes geschehen soll. Nun könnte es auch geschehen, daß vermieden wird, über diese Fra­gen zu sprechen. Über die wichtigsten Fragen wird hier überhaupt geschwiegen.

Ernst Uehli: Immer fragen die Zweigleiter in den Orten, wie man die Zweigarbeit gestalten soll.

Emil Leinhas spricht dazu.

Dr. Steiner: Es existiert diese Hauptfrage : Wie können wir dazu kommen, daß die Zweigarbeit überhaupt so wird, daß sie uns befrie­digt? Da hört man nur dies : Wie soll man das machen, daß man mit den Herren reden kann? Wie sollen wir es machen, daß wir an die Stuttgar­ter Herren herankommen, damit die von uns hören, was wir gerne hätten? - Es handelt sich darum, daß da Fragen sind, auf die vermieden wird, eine Antwort zu geben. Es müßte eine positive Antwort darauf gegeben werden. Man müßte sich hier darüber aussprechen, was wir denen für eine Antwort geben, die da sagen: Wir sind rein verlorene Mitglieder, wir haben früher Freude an den Zyklen gehabt; an wen sollen wir uns wenden, damit jemand das weiß, daß wir jetzt nicht zufrieden sind?

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Alexander Strakosch spricht anerkennend über die frühere Arbeit von Frl. Stinde und über einzelne Zweige.

Dr. Unger spricht über die Schwierigkeiten, die entstehen durch die neuen Kräfte. Man kann die Zweigarbeit nur durch Beispiel darlegen; es sollten Schilderungen gegeben werden.

Emil Leinhas: Die Menschen wollen Persönlichkeiten sehen, die selbst die An­throposophie in sich haben.

Marie Steiner: Das Verlangen, das einem entgegentritt, ist ein viel größeres nach Vorlesung der Vorträge als nach Referieren. Es ist ein dringendes Verlangen nach den Vorträgen Dr. Steiners da.

Dr. Unger fragt über die Art des Vorlesens.

Marie Steiner: Man muß ganz schlicht und verständnisvoll lesen, nicht zu schnell. Rhetorisches Gebaren sollte man möglichst ausschalten und nur durchlässig sein für den Inhalt. Jemand, der im Drang der Geschäfte steht und nur schnell ein bißchen die Vorträge ansieht, trifft es nicht. Viermal müßte man die Sache durchle­sen. Man muß eine Einteilung des Textes haben in den Interpunktionen. Außer­dem muß der Inhalt durch einen hindurchfließen können. Man muß die Vorträge gründlich durcharbeiten und dann das Persönliche auslöschen. Man muß zuvor mehrere Stunden darin leben können.

Emil Leinhas spricht über die Frage von Vorlesen oder Referieren.

Marie Steiner: Es muß vor allem eine bestimmte Seelenattitüde dasein. Man muß die furchtbar eindringliche Verstandesbetonung vermeiden, sich selbst immer ausschalten und sich so wenig wie möglich zur Geltung bringen wollen.

Dr. Peipers: Es muß beides gemacht werden : Vorlesen und Referieren.

Dr. Unger: Man muß die Archive in Leseräume umwandeln. Ein Referat ist kaum möglich, wenn man bei dem Vortrag nicht selbst dabei war. Es müßten in verschie­denen Stufen Kurse abgehalten werden.

Marie Steiner: Im Zyklenmaterial liegt so viel vor, daß es für mehrere Leben ausreicht. Wenn jemand besondere Studien machen will, ist die Möglichkeit für solche Zwecke auch gegeben. Für besondere ernste Facharbeit ist diese Möglich­keit also auch da. Es hat sich gezeigt, daß man dieses Bedürfnis im starken Maße gehabt hat. Von einem großen Teil dessen, was vorgebracht worden ist, wurde gesagt, das könnte man auch anderswo hören, und das ist nicht dasjenige, was man als besondere Zweigarbeit braucht.

Dr. Steiner: Wir sind abgekommen von dem, was im gegenwärtigen Moment fruchtbar sein kann. Wir sind von dem abgekommen, was

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fruchtbar sein könnte für den heutigen Abend, für das Sichstellen hinter diesen Aufruf. Der Modus, wie man es macht in den Zweigen, das ist im gegenwärtigen Augenblick nicht gemeint. Was jetzt die Mitglieder ausdrücken als etwas, das sie unbefriedigt läßt, das ist doch etwas ganz anderes. Was die Mitglieder meinen, das ist, daß sie das Gefühl haben : Sie hören zu wenig von Anthroposophie. Ob sie es nun vorgelesen kriegen oder ob es vorgetragen wird in anthroposophischer Weise, das kann nicht Gegenstand der heutigen Diskussion sein. Es handelt sich darum: Was kann getan werden, damit in der richtigen Weise vor die Welt, und zwar zuerst vor die Zweige, das Anthropo­sophische herangebracht werden kann?

Nicht wahr, dazu müßte die Frage viel gründlicher erfaßt werden. Denn die Unzufriedenheit, welche herrscht, geht zurück auf die Ge­schichte der letzten vier Jahre. Sie mussen nicht vergessen, was für Kompromisse geschlossen worden sind von den Rednern, die da wild losgelassen worden sind hinaus auf die Zweige und auf die Welt. Was das für eine Aufregung gegeben hat, wenn immer wieder Kohl geredet worden ist! Nicht wahr, Herr Uehli hat geredet in dem Elberfelder Zweig. Das Wichtigste ist nicht das, was er ausgeführt hat; das Wich­tigste ist, daß der Damnitz eine heillose Angst gekriegt hat. Der ist uberzeugt davon, daß er persönlich nur durch Vorlesen etwas leisten kann. Aber es sind Leute gekommen, großgezogen durch die Mißer-ziehung in Stuttgart, es sind Leute aufgetreten, die ihren eigenen Kohl vorgetragen haben. Das sind die Stuttgarter Unarten durch die im «Bund für Dreigliederung» eingerissene Unsitte des Vortragswesens. Was kommt da für ein Kohl heran an das Publikum! Die Unbefriedigt­heit geht auf das zurück, was hier von Stuttgart angerichtet worden ist. Eine absolute Mißerziehung ist von Stuttgart ausgegangen. Man müßte der Unzufriedenheit entgegenkommen. Da war dieser von mir gehaltene Rednerkurs, bevor eine Horde auf das deutsche Publikum losgelassen worden ist. Schauen Sie sich das Echo dessen an, was durch diesen Hordenzug angerichtet worden ist! Was alles da draußen ver­zapft worden ist, das ist manchmal etwas gewesen, was an Groteskheit alles übertrifft. Ob es nun die Vervielfältigung der Vorträge war oder ob es ein Loslassen der Redner war: Es lag keine Gesinnung darin. Es lag ein scheußlicher bürokratischer Betrieb darin, es lag keine Inner­lichkeit darin. Es wurden scheußlich vervielfältigte Nachschriften an die Leute herumgeschickt in einer wirklich bürokratischen Weise.

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Dieses Besondere, was hier eingerissen ist, dieses Unpersönlich-Büro­kratische, der Mangel an innerlicher Gesinnung, alles, was von dem «Bund für Dreigliederung» her als besonderer Unfug eingerissen ist, das wirkt noch fort, das ist noch nicht ganz heraus. Das kommt, mit der Sache verbunden, in alle Dinge hinein. Es muß der Wille dasein, viele Dinge zu unterlassen, die gemacht worden sind, und vieles zu tun, was unterlassen worden ist. Dafür muß sich jemand einsetzen; dann wird es schon besser werden. Ebenso geschieht es, daß wiederum einfach wahllos Leuten, von denen man wünschen müßte, daß sie die Dinge kriegen, alles vorenthalten wird. Dagegen jemand, der bloß Sensationslust daran hat, der bekommt die Dinge. Eine gewisse Sorg­falt müßte da walten. Wenn man die Leute anstellt, ist es auch so, daß man keine Sorgfalt anwendet. Sorgfalt muß man anwenden! Man darf das Gefühl nicht hervorrufen, daß es kategorisiert, eingeteilt ist, son­dern daß ein menschlicher Impuls dahintersteht. Was hilft es, zu sagen: Die menschlichen Beziehungen müssen gepflegt werden! -, wenn man dann in der Handhabung der Dinge unmenschlich verfährt? Wenn man so etwas sagt, fühlt sich niemand getroffen, weil man es gar nicht sieht, wie schrecklich das System in der Handhabung der Sache ist. Oftmals haben diejenigen den Unfug am ärgsten gepflegt, die ihn jetzt am ärgsten kritisieren. Wie gesagt, in Elberfeld traten Herren auf, die großgezogen worden sind durch den Unfug, der [in der] Dreiglie­derungsbewegung [aufgetreten ist]. Damnitz hätte gar nichts dagegen gehabt, wenn freie gute Vorträge gehalten worden wären. Wogegen er sich gewendet hat, das hat er selber gesagt. Es waren ein paar Herren beim Stuttgarter Kongreß, und sie fühlten sich daraufhin berufen, in Elberfeld-Barmen freie Vorträge zu halten. Ich bin überzeugt, daß die reinen Kohl geredet haben und daß dadurch die Anthroposophie diskreditiert worden ist. Damnitz selbst hätte vielleicht gesagt, daß er es auch nicht könnte. Dieses System, daß jeder seinen eigenen Kohl reden müßte - ich rede nicht gegen Selbständigkeit, sondern gegen dieses Nicht-unterscheiden-Wollen zwischen dem, was sein sollte, und dem, was nicht sein sollte -, dabei kommt man leicht in spekula­tiv-dialektische Erörterungen hinein.

Gewiß, es kann immer unterlaufen, daß schlechte Leistungen auf­treten. Aber es ist ein großer Unterschied, ob die Handhabung eine solche ist, wie sie in den letzten Jahren hervorgetreten ist, oder ob man als Mensch hinter den Dingen steht. Man kann den einzelnen Leistungen

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gegenüber wissen, ob es eine gute oder eine schlechte Leistung ist. Ich habe nichts dagegen, wenn jemand einen eigenen Vortrag hält. Im Gegenteil: soviel wie nur irgend möglich. Ich habe es ja selbst gefor­dert, Das-eigene-Vorträge-Halten. Ob nun jemand einen referierten oder einen eigenen Vortrag hält : Innerhalb unserer Bewegung soll alles dazu dienen, unsere Sache zu pflegen, und nicht, sie zu diskreditieren. Das ist das, worauf es ankommt. Die Dinge sind alle relativ. Ich kann mir gut denken, daß es in den verschiedenen Zweigen verschieden gehandhabt wird. In dem einen Zweig wird jemand sein, der vorliest; in einem anderen wieder jemand, der von sich aus etwas gibt.

Da sind auch manchmal merkwürdige Auffassungen. Ich kenne einen Zweig - es kommt das auch zu diesen eben gesprochenen Dingen hinzu, weil sich dadurch ein Gesamturteil ergibt -, dessen Vorsitzen­der sich nie dazu herbeigelassen haben würde, irgendwelche Vorträge bloß vorzulesen, sondern der sich das Material bei mir geholt hat über Dinge, die ich noch gar nicht einmal selbst vorgetragen hatte. Die Themen hat die betreffende Persönlichkeit sich gewählt. Nun kann man garnicht entscheiden: Ist so etwas ein eigener Vortrag oder nicht? Es kommt auf die Eigenheiten der betreffenden Persönlichkeit an, ob es mehr oder weniger frei oder unfrei ist.

Die Frage des gesinnungsmäßigen Förderns der anthroposophi­schen Sache: ja, das ist eine prinzipielle Sache. Da müßte man gewisse Dinge unterscheiden lernen. Gewiß, Sie stoßen manchmal an dasje­nige, was schwer zu beurteilen ist. Und dann wird dadurch, daß Sie an solche Dinge stoßen, die schwer zu beurteilen sind, das Urteil im weitesten Umkreis konfus. Nicht wahr, manchmal wird es schließlich gräßlich sein.

Es muß Enthusiasmus entstehen! Und Enthusiasmus kann nur entstehen, wenn man eine Sache in der richtigen Weise anfaßt, zum Beispiel die Anthroposophie in entsprechender Weise in die Welt bringt. Hier entwickelt man Enthusiasmus für mancherlei Dinge, die nichts mit der anthroposophischen Sache zu tun haben. Dagegen wird es nicht leicht jemandem einfallen, in der entsprechenden Weise das­selbe zu tun für das, was auf unserem Boden selbst wächst, zum Beispiel das Eurythmische. Das Eurythmische, mit alledem, was drum und dran hängt, das mit Enthusiasmus hineinzustellen in die ganze Bewegung, dadurch würde für die anthroposophische Sache gewirkt werden! Während es eigentlich ein bißchen abführt von unserer Sache,

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wenn man so etwas arrangiert wie ein Konzert in unseren Räumen am nächsten Samstag. Das ist etwas, was im eminentesten Sinne abführt; was hat das mit unserer Sache zu tun?

Paul Baumann äußert sich dazu.

Dr. Steiner: Da kommen wir an die Punkte, wo es gilt, die anthroposo­phische Gesinnung zu haben oder nicht. Deshalb sage ich: Man stößt da an die Grenzen an. Von dem Stuttgarter Zentrum geht es aus, wo alles, was Anthroposophie ist, zum Verhudeln kommt. Wenn es halt möglich ist, so läßt sich eine Sängerin herbei, in unseren Räumen zu singen. Auf diese Weise kommen wir durchaus vom Wesentlichen ab. Dann verdienen wir eben, so behandelt zu werden von der Welt, wie es geschieht, wenn wirklich perfide Auffassungen der Anthroposophie vorkommen. Das gehört zu dem, um was es sich handelt. Ich wundere mich nicht, wenn so etwas gar nicht gefühlt wird, daß von Stuttgart aus die ganze Anthroposophische Gesellschaft verhudelt wird, daß alles Gefühl dafür verlorengegangen ist, was eigentlich mit der Anthropo­sophie gegeben werden soll.

Marie Steiner: Die Damen, die hier an der Eurvthmieschule arbeiten, werden oft von Mitgliedern gefragt, was sie hier eigentlich tun. Also, man hat keine Ahnung davon, daß hier eine Eurvthmieschule ist.

Dr. Steiner: Wenn wir uns dazu herbeilassen, eine Ablagerungsstätte für jeden sein zu wollen, der auch sonst überall sein könnte, ohne daß er irgend etwas hat, das mit dem Anthroposophischen zusammen­hängt, dann verliert die Bewegung ihre Stoßkraft.

Marie Steiner: Es sind nur zugereiste Damen, die hier in die Eurvthmieschule gehen. Es ist nicht ein einziger Stuttgarter in diesem Kurs.

Es wird über die Gründungen gesprochen.

Dr. Steiner: Ich möchte auch das ins Positive verwandelt wissen, ich möchte, daß ein Enthusiasmus dafür entstehe, das Anthroposophische in entsprechender Beleuchtung in die Welt zu tragen. Wir haben auch wirklich keine Berechtigung, die Dinge äußerlich zu begründen und sie dann nicht zur Pflege der Sache zu verwenden. Das ist also dasje­nige, was so schrecklich ist. Wir haben die äußere Möglichkeit, das Anthroposophische zu pflegen, herbeigeführt dadurch, daß wir mate­rielle Opfer in Anspruch genommen haben; wir müssen diese Möglichkeit

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auch ausnützen. Wir müssen dazu kommen, daß die Zeit­schrift «Anthroposophie» etwas ganz anderes wird, daß sie der an­throposophischen Sache dient, daß man nicht nur das Gefühl hat: Es ist jede Woche die Sorge da, daß sie voll wird. Das gehört dazu, wenn ich sage, man muß hinter dem Aufruf stehen.

Der Aufruf ist jetzt glücklich zustande gekommen. Mit welchen Schwierigkeiten! Die nötigen Änderungen können leicht gemacht werden; der Aufruf ist aber wirklich zustande gekommen. Die Dis­kussion über das Hinter-dem-Aufruf-Stehen ist wieder genau so, daß es in den nächsten Wochen wiederum so verlaufen könnte wie vorher, ob man mehr oder weniger vorlesen oder selbst vortragen solle. Das meinen die Leute nicht, die heute unbefriedigt sind. Die Dinge verlau­fen ergebnislos, weil man sich nicht mit ihnen beschäftigt.

Dr. Unger und Emil Leinhas sprechen; andere machen Vorschläge.

Dr. Steiner: Ich fürchte nur, wenn Vorträge gehalten werden, wenn Eurythmievorstellungen am Abend gegeben werden, ich fürchte nur, daß sich viele dann drücken werden, den Ernst der Lage auf die Tagesordnung zu bringen. Die Vortragenden werden sich nicht um die Besprechung des Schicksals der Anthroposophischen Gesellschaft kümmern. Ich fürchte, das würde etwas werden, was an sich ausge­zeichnet sein könnte, was aber nicht das werden wird, was wir im gegenwärtigen Moment brauchen. Wir haben glänzende solche Veran­staltungen gehabt. Wir haben doch die Kongresse hintereinander ge­habt. Wir haben sie in Wien, in Stuttgart, in Dornach gehabt. Ja, die Dinge waren in sich ausgezeichnet. Aber der anthroposophischen Bewegung haben sie dadurch, daß sie niemals ausgenützt worden sind, stärker geschadet als genützt.

Emil Leinhas rät zu Vorträgen von Dr. Steiner und Berichten über die Institutio­nen.

Dr. Kolisko äußert sich dazu.

Dr. Steiner: Sie müssen auch behandelt werden. Wenn die heutige Diskussion von dem Augenblick an, wo wir den Aufruf fertig bespro­chen hatten, diesen Verlauf nimmt, so ist das ein Musterbeispiel, wie diese Delegiertenversammlung nicht sein darf. Sie darf nicht so sein! Könnte nicht auch die Frage ein bißchen behandelt werden, woher es denn kommt, daß dieser Dreißigerausschuß so steril geworden ist, wo

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doch die gescheitesten Menschen Mitteleuropas beisammen sitzen? Vielleicht würde es nützlich sein zu fragen, warum denn dieser er­lauchte Kreis so unfruchtbar geblieben ist?

Dr. Schwebsch spricht dazu.

Dr. Steiner: Ich weiß, daß hier Persönlichkeiten sitzen, welche die ganze Sache für unnötig halten, daß man sich mit der Frage der Konsolidierung der Anthroposophischen Gesellschaft beschäftigt. Wenn man diese Dinge niemals behandelt hätte, wenn man sich für all das keine Mühe gegeben hätte, dann säßen Sie heute überhaupt nicht da. Dann gäbe es keine Fonds, aus denen die Waldorfschule gespeist wird. Dessen können Sie sicher sein, daß das einmal anders war. Man hat einmal aus dem Leben heraus die Gesellschaft begründet, und daraus ist die Möglichkeit entstanden, daß Sie heute hier sitzen - und finden können, daß das alles unfruchtbar sei. Wenn es immer so gewesen wäre, wenn zum Beispiel viele solche Menschen, wie Sie sind, beim Ausgangspunkt der Gesellschaft gesessen hätten, dann könnten Sie heute nicht das itzen. Sie sind wie die berühmte Persönlichkeit, die sich an ihrem eigenen Haarschopf in die Höhe ziehen will. Deshalb wären Sie schon verpflichtet, die Sache tiefer zu begründen. Warum sagen Sie denn nicht selbst das Bedeutende, das Ihnen hier fehlt und wodurch die Sache gehoben würde? Das Leben ist nicht dazu da, daß es bloß angenehm ist. Wenn es sich um bloße Annehmlichkeiten handeln soll, kann man nicht Dreißigersitzungen abhalten. Warum machen Sie es nicht selbst besser? Man kann auch hier sitzen und doch nicht dasein.

Marie Steiner: Man muß sich plagen, wenn es sich um Gruppengeist-Erkenntnisse handelt.

Toni Völker: Man hat nicht verstanden, Sie, Herr Doktor, als esoterischen Lehrer zu nehmen. Das ist nicht gehandhabt und verstanden worden, das Esoterische ins praktische Leben hineinzutragen. Daran scheint mir zu liegen, daß es so gewor­den ist.

Dr. Steiner: Die Dinge, die hier besprochen werden sollen - und zwar real besprochen werden sollen -, die sind im Grunde genommen notwendig geworden durch das, was in der Gesellschaft nach und nach hervorgetreten ist. Was aber früher in der Gesellschaft gefunden wer­den konnte, daß ein Wort von mir in einem engeren Kreise geblieben

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ist, das ist heute nicht mehr vorhanden. Und daher ist es unmöglich geworden, sich über die notwendigen Dinge real zu besprechen. Heute steht es so, daß ich eigentlich nicht den Anspruch machen dürfte, ein Wort in einem engeren Kreise zu sagen, weil jedes Wort in die Welt hinausgetragen wird. Im Sinne von Esoterik, von esoteri­schen Wahrheiten, in dem Sinne können wir mehr als früher sprechen. Jetzt wird in den öffentlichen Vorträgen mehr esoterischer Gehalt gebracht als früher in den Zyklen; aber es war früher doch in einem gewissen Sinne möglich, in engeren Kreisen etwas zu bringen, was in diesen engeren Kreisen geblieben ist. Aber heute ist das ausgeschlos­sen; heute ist es absolut ausgeschlossen.

Toni Völker: Wenn man das Esoterische ins Leben trägt, dann könnten die Zustände nicht eintreten, wie sie jetzt sind. Es käme darauf an, daß man die Sachen tut, statt über sie zu verhandeln.

Dr. Steiner: Die Dinge, von denen man sich nie hätte träumen lassen, von denen man sich gar nicht würde einfallen lassen, daß sie aus den Kreisen hinauskommen würden, die erscheinen in den brutalen Arti­keln in den Zeitungen; die sind seit Jahren besprochen worden, über die schreibt der Pfarrer Kully in den Zeitungen. Es müßte die Neigung bestehen, darüber nachzudenken, warum die Gesellschaft so gewor­den ist. Dieses Herunterkommen der Gesellschaft ist verknüpft mit dem Gang der Ereignisse, wie er sich in Stuttgart seit vier Jahren entwickelt hat. Er hat dazu geführt, daß die Anthroposophische Ge­sellschaft so furchtbar heruntergekommen ist. Es überwiegt der Klatsch gegenüber dem Ernst. Es überwiegt die Trivialität gegenüber dem, was nach dieser Richtung sein sollte, nach der Richtung des Pietätvollen hin. Es wäre gut gewesen, wenn die Zeit, die jetzt verwen­det worden ist zu Trivialitäten, wenn diese Zeit eben dazu verwendet worden wäre, daß diese furchtbare Lage der Gesellschaft mit einer etwas größeren Klarheit zur Sprache gebracht worden wäre. Die An­throposophische Gesellschaft müßte eine Realität werden. Sie ist ein Schemen geworden, aber dieses Schemen ist wirklich ein sehr ahri­manisches Produkt. Die Anthroposophische Gesellschaft ist überall ahrimanisch durchlöchert.

Ernst Ueh/i: Es ist an der Gesellschaft durch die Dreigliederungsbewegung gesun­digt worden. Es war dieser Dreißigerkreis da, aber es ist nicht wirklich gehandelt worden. Was besprochen wurde, wurde nicht ins Willensmäßige umgesetzt.

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Dr. Röschl: Man geht nicht auf die konkreten Fragen ein. Ich habe immer den Gedanken: Was soll ich eigentlich da?

Dr. Steiner: Die Sache würde sofort besser werden, wenn man eben nicht so weiter verführe, in dem Augenblick, wo man die Dinge klar einsieht. Gewiß, die Dinge haben auch ihre Berechtigung. Auf der anderen Seite liegt der Verlauf der Verhandlungen in einer bestimmten psychologischen Verfassung des Kreises. Wenn Sie zugehört haben, wie die Diskussionen verlaufen sind, so werden Sie bemerkt haben, daß ein großer Teil der Reden, der Wortmeldungen, seit Wochen darauf hinausgelaufen ist, daß jemand sagt: Ich schlage vor, daß wir uns über dies oder jenes unterhalten. - Eine solche Art des Vorschla­gens hat sich bloß in diesem Kreis herausgebildet. Irgendwoanders würde das nicht vorkommen, daß jemand sich meldet und sagen würde: Ich schlage vor, daß wir uns über dies und das unterhalten. -Hier in diesem Kreis ist das immerfort vorgekommen. Woanders fängt man an, über das zu reden, was man über etwas meint. Ich könnte zeigen, wie wenige etwas zu ihrem Thema gesagt haben. Ein großer Teil der Debatten läuft auch darauf hinaus, daß jemand sagt: Ich stelle mich voll hinter das und jenes. Das ändert nichts im Materiellen der Sache. Einer der Abende hat darin bestanden, daß einer nach dem anderen gesagt hat, er stelle sich voll hinter das und das. Denken Sie nur einmal, wenn dieses psychologische Moment ins Auge gefaßt würde, wie durch den Inhalt des Gesprochenen einfach dies bewiesen wird: Man fühlt sich selbst gar nicht als eine Realität. Man fühlt sich nicht als Realität; man gestattet sich, ein Schemen zu sein. Halten Sie Rückwärtsschau, wie oft diese Dinge vorgekommen sind! Es ist leich­ter, Fragen zu stellen, als Antworten zu geben. Nehmen Sie die Sache von der psychologischen Seite her.

Ich möchte noch folgendes sagen. Die Dinge können in aller Gut­mütigkeit erörtert werden. Sie verlangen da etwas, was Sie nicht ver­langen sollten. Derjenige, der von dem Seminar geredet hat, der kennt genau die Geschichte davon, seitdem er mit dem betreffenden Herrn gesprochen hat. * Wenn er die Sache auftischt, dann könnte er während der Spanne Zeit, seit er das erfahren hat, darüber nachgedacht haben. Er könnte die Ergebnisse des Erfahrenen bringen, statt die Ergebnisse des Nichtnachdenkens zu bringen.

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* Es ist nicht bekannt, worauf hier Bezug genommen wird.

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Überhaupt herrscht im Dreißigerkreis dies im allgemeinen, daß viel von den anderen gefordert wird, aber möglichst wenig von sich selbst. Dadurch hebt sich so viel auf; die Rechnung hebt sich auf. Es wird von den anderen fast Unmenschliches gefordert, und keiner mutet sich zu, dasselbe von sich selber zu fordern. Darin liegt schon vieles. Ich kann deshalb nicht ganz einverstanden sein, wenn Dr. von Baravalle fort­während sagt: «Ich habe nichts von diesem Kreise.» Warum fragt er nie danach: Wieviel hat der Kreis von mir? Diese Frage müßte von jedem einzelnen aufgeworfen werden. Denn das rächt sich. Das ist so lange hier der Fall, als der Kreis besteht. Es wird so furchtbar viel geschimpft; es weiß ein jeder, was der Dreißigerkreis für Schäden hat; daher sollte man voraussetzen, daß die Schäden abgestellt werden. Da es ja alle wissen, könnte von allen heute darüber nachgedacht worden sein. Das Schimpfen und Nichtnachdenken ist so Gewohnheit gewor­den, und man verfällt immer wieder in diese Gewohnheit.

Heute ist der Aufruf zustande gekommen. Er ist aus der Intelligenz dieser erlauchten Körperschaft hervorgegangen. Halten Sie es für ganz ausgeschlossen, daß man diesen Aufruf nicht auch nach der dritten Sitzung schon hätte zustande bringen können? Der Aufruf ist ein Ausfluß der Intelligenz. Daß er nicht schon vor drei Wochen zustande gekommen ist, das ist ein Mangel an einem Ausfluß des Willens. Sie würden ja furchtbar gescheit werden, wenn wir zehn Jahre so weiter warten wollten. Ich bin nicht der Meinung, daß zur Abfassung des Aufrufs durch die gestrige Sitzung so viel beigetragen worden ist. Es ist eine Willensfrage. Man muß sich zu diesen Dingen entschließen. Man muß etwas wollen. Warum ist das nicht, daß man etwas will? Warum ist nur das Negative da, das Ablehnen des anderen? Warum ist das Einsetzen für den anderen nicht da? Eigentlich gehört viel mehr Spitzfindigkeit dazu, die Fehler des anderen so genau zu erkennen, wie wenn wir alle die Absicht hätten, auch das Positive des anderen zu sehen. Wenn man nur ein Viertel davon für das Positive verwenden würde, so würde viel dabei herauskommen.

Wir sind jetzt darüber klar, daß von jetzt bis zur Delegiertenver­sammlung, die aber möglichst bald stattfinden muß, dieses Siebener-komitee hier führt [Dr. Unger, Dr. Kolisko, Emil Leinhas, Dr. Pal­mer, Dr. Rittelmeyer, Frl. Mücke, Herr von Grone]. Ich wollte, daß dieses Siebenerkomitee so gut führt, daß die Delegierten wünschten, es solle bleiben. *

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Ich muß heute abend eine Antwort geben: Wann sollen wir die Delegiertenversammlung abhalten? Ich denke in 14 Tagen. Wir kön­nen drei Tage in Aussicht nehmen. Es wäre gut, wenn man für die Tagesversammlungen den Raum hier bekäme und für die Abendvor­träge den Sieglehaus-Saal.

Die Mitglieder äußern sich dazu.

Dr. Steiner: Es würde besser sein, man schickte den Ausländern einen Bericht über den Verlauf der Versammlungen, weil man die ganze Sache als eine abgeschlossene behandeln sollte. Den Aufruf, der die Ausländer nichts angeht, sollte man nicht schicken.

Herr Leinhas: Österreich, Holland und Skandinavien haben sich als hierher gehörig betrachtet.

Dr. Steiner: Ich weiß nicht, ob man es nicht so machen müßte, falls man es nach Österreich schickt, daß man den Aufruf an die Leitung in Österreich schickt und es ihnen anheimstellt, es ihrerseits auch in Österreich zu verbreiten. Man kann es an die Leitung in Wien schik­ken, und die sollte es mit ihrer eigenen Gegenzeichnung verbreiten.

Emil Leinhas: Die Orts gruppen haben keine Zentrale in Wien. Dr. Steiner: Meinetwegen kann man es auch schicken.

Emil Leinhas: Herrn Steffen müßte man wohl den Aufruf zur Kenntnisnahme schicken.

Dr. Steiner: Man kann ihm den Aufruf privat übergeben. Offiziell geht es ihn nichts an.

Herr Leinhas: 25., 26., 27. oder 24. Februar? Abends Eurvthmie und 2 Vorträge. Marie Steiner: Wegen der Proben müßte ich hier sein.

Dr. Steiner: Ich habe große Sorge darüber, daß der Eifer nachläßt. Ich habe eine heillose Sorge darüber. Ich werde mich entschließen müssen, am Montag wiederzukommen. Es ist erst ein Rohbau da; die Sache mit dem «inneren Leben» muß noch sorgfältig ausgearbeitet werden. Es muß am Montag in einer noch ganz und gar durchkorrigierbaren Form vorliegen. Es kann am Dienstag gedruckt werden. Die Kuverts können schon fertig sein. Es kann am Dienstag herausgehen.

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* Dieses Gremium wurde dann Vorstand der «Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland».

BESPRECHUNG MIT EINER JUGENDGRUPPE ZUR VORBEREITUNG DER DELEGIERTENVERSAMMLUNG Über den Ausbau der Anthroposophischen Gesellschaft Stuttgart, 8. Februar 1923, 23.30 Uhr

#G259-1991-SE306 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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BESPRECHUNG MIT EINER JUGENDGRUPPE

ZUR VORBEREITUNG DER DELEGIERTENVERSAMMLUNG

Über den Ausbau der Anthroposophischen Gesellschaft

Stuttgart, 8. Februar 1923, 23.30 Uhr

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Dr. Steiner: Man ist jetzt so weit, daß wenigstens der Entwurf eines Rundschreibens an die Anthroposophische Gesellschaft gemacht ist.* Damit ist eine Art Boden geschaffen, auf dem eine Verhandlung möglich wäre. Ich glaube, daß es jetzt Vielleicht gut wäre, wenn Sie das, was Sie selber wünschen, in einer gemeinsamen Verhandlung mit dem bis zu einer Delegiertenversammlung vorhandenen Komitee verhan­deln würden. Dieses Komitee ist rein sachlich zusammengestellt, so sachlich, daß nicht, wie es früher war in dem Ihnen bekannten Dreißi­gerausschuß, die Mitglieder der einzelnen Institute, sondern diejeni­gen, welche die bestehenden Einrichtungen zu repräsentieren haben, in diesem Komitee darinnen sind. Dieses Komitee ist so zusammenge­setzt, daß von dem alten Zentralvorstand Herr Leinhas für den «Kom­menden Tag», Dr. Unger als Rest des alten Zentralvorstandes, Dr. Rittelmeyer als Repräsentant der Bewegung für religiöse Erneuerung, dann Wolfgang Wachsmuth, Herr von Grone, Dr. Palmer, Dr. Ko­lisko, für den Philosophisch-Anthroposophischen Verlag Fräulein Mücke und für die übrigen auswärtigen Interessen Herr Werbeck aus Hamburg darinnen sind. Die sieben Stuttgarter habe ich gebeten, daß sie mit Ihnen gemeinschaftlich die von Ihnen gemeinten Schritte un­ternehmen. Ich werde selber morgen früh nach Dornach abreisen müssen und am Montag wieder da sein. Ich bedaure, daß ich an den nächsten Besprechungen nicht teilnehmen kann. Ich glaube nun, daß es jetzt das allerbeste ist, da ja mit mir selbst auch von Ihrer Seite keine Differenz sein kann, daß Sie rein von sich aus die Verhandlungen mit diesen Persönlichkeiten führen. So wie die Verhältnisse liegen, sind diese Persönlichkeiten die gegebenen, da alle Schattierungen unter ihnen vertreten sind; die jugendlichen durch die Anwesenheit von Herrn von Grone und Wolfgang Wachsmuth - ich sehe davon ab, ob Ihnen diese beiden sympathisch sind -, die ja völlig jungfräulich in bezug auf alle Vorstandschaft sind. Außerdem hat Dr. Palmer erklärt, daß er jede mögliche Brücke zu der Jugend bauen will.

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* Siehe Seite 274ff.

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Der Aufruf an die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft ist im Entwurf vorhanden. Er wird im wesentlichen das enthalten, was jetzt die Anthroposophische Gesellschaft sagen mußte. Er mußte naturgemäß aus denen hervorgehen, die die Anthroposophische Ge­sellschaft bis jetzt geführt haben. Vom 25. bis 28. Februar wird eine Delegiertenversammlung insofern stattfinden, als die einzelnen Zweige und Gruppen, die sich zusammengehörig betrachten, ihre Delegierten hierherschicken, damit eine Art Generalversammlung stattfinden soll. Damit ist Gelegenheit gegeben, alle Ansichten über den Ausbau vertreten zu können. Bis jetzt stand man ja vor der Alternative, es so zu machen oder aber die Anthroposophische Gesell­schaft, so wie sie war, eingehen zu lassen und etwas völlig Neues zu begründen. Im Jahre 1918 hätte man leichter Hand etwas Neues begründen können; jetzt steht man vor positiven Einrichtungen, mit denen man vor der Welt engagiert ist und aus denen man nicht heraus­kommt, daher muß alles aus der Gesellschaft heraus entstehen. Die Gesellschaft selbst muß in sich freier gestaltet sein, und es muß un­möglich sein, sich in ihr beengt zu fühlen. Ich denke, es wird gehen, möchte aber gerne etwas hören, was Sie von sich aus zu sagen haben. Daß es so lange gedauert hat, bis wir so weit waren, muß man auf die Bedächtigkeit des Alters schieben. Wir werden gerne hören, was Sie im gegenwärtigen Augenblick zu sagen haben.

Ein Vertreter der Jugend spricht über das Darinnenstehen der jüngeren Menschen in der Gesellschaft mit Rücksicht auf das, was Dr. Steiner in dem letzten Stuttgar­ter Zweigvortrag über die einzelnen Phasen in der Geschichte der Anthroposophi­schen Gesellschaft gesagt hat.

Dr. Steiner: Was Sie sagten von der Scheidewand, die entstanden ist im Zusammenhang mit der ersten, zweiten und dritten Phase der Bewe­gung, die sehr deutlich voneinander zu scheiden sind, ist richtig. Man muß ja berücksichtigen, daß die einzelnen Phasen annähernd sieben Jahre gewährt haben, wie ja die Gesellschaft selbst etwa im einund­zwanzigsten Lebensjahr steht. Was richtig ist, ist dieses: Die Impulse des Eintretens und der Beteiligung sind eigentlich bei den früheren Mitgliedern andere gewesen als jetzt bei den wesentlich akademisch-jugendlichen Kreisen. Sie sind insofern verschieden, als die Leute, die während der ersten Phase gekommen sind, mit dem ganzen Komplex, zwar aus den heutigen Zeitverhältnissen, aber mit ganz unbewußten

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Sehnsuchten gekommen sind; sie haben sich nicht im Zusammenhang mit irgendwelchen Zeitverhältnissen gewußt und waren in einem Le­bensalter, in dem man sich über sein Verhältnis zur Zeit nicht klar Rechenschaft gibt. Sie kamen mit ganz allgemein menschlichen Inter­essen, die mit der Zeit in Beziehung stehen, aber die Leute gaben sich nicht darüber Rechenschaft. So war es fast auch noch in der zweiten Phase. Die Anthroposophie kam wesentlich weiter, aber die Anthro­posophen, mit Ausnahmen, interessierten sich weniger für die auf das Zeitgemäße gehenden Fragen. Die dritte Phase war den früher Einge­tretenen gruselig. Sie kamen mit denen allen zusammen, die unbefrie­digt waren - nicht mit unbestimmten Zeitverhältnissen, sondern in ganz bestimmter Art mit dem, was diese Menschen in den heutigen Bildungsanstalten erfahren hatten. Sie würden nicht zur Anthroposo­phie gekommen sein, wenn nicht der starke Gegensatz zu den heutigen Bildungsanstalten in ihnen vorhanden gewesen wäre. Sie kamen mit anderen Impulsen als die, die zum geringsten Teil auch eigentlich die Anthroposophie im Verhältnis zur Zeit gesehen hatten. Ich selber habe darüber sprechen müssen. Was ich über das Verhältnis der An­throposophie zur Zeit gesagt habe, ist eigentlich sehr wenig aufgenom­men worden. Sie aber kamen merkwürdigerweise und doch nicht merkwürdigerweise mit einer Sehnsucht, die eigentlich auf das Zen­trale der Anthroposophie geht.

Es hat sich nun ein Merkwürdiges herausgestellt: nämlich das Miß­verständnis gegenüber den Hochschulkursen. Ich will nichts sagen gegen ihren Wert. Aber die Hochschulkurse waren ein Mißverständ­nis. Es ist von Ihnen das gar nicht gesucht worden, was dort ausge­sprochen worden ist. Sie suchten Anthroposophie an sich. Das konn­ten diejenigen nicht verstehen, die in früheren Zeiten als Akademiker in die Anthroposophische Gesellschaft hineingekommen waren. Diese wollten ihre akademische Arbeit mit der Anthroposophie zu-sammenschweißen. Sie haben das nicht akzeptiert. Sie werden also auch mit der Zeit in gar keinen Konflikt kommen mit dem, was ich das Gros der Anthroposophischen Gesellschaft genannt habe. Der wirk­liche Konflikt bestand nur mit den Akademikern, weil diese geglaubt haben, auf biologische, chemisch-physikalische, historische Weise Anthroposophie vertreten zu wollen. Sie wollen das nicht. Sie wollen reine Anthroposophie haben. Sie haben die Schwierigkeit, über diesen Berg zu kommen, gemeinsam auch mit der gesamten Gesellschaft. Das

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Akademische, das da eingedrungen ist, ist wie ein Berg; hinüber und herüber muß er aber übergangen werden. Wenn von beiden Seiten mit gutem Willen gearbeitet wird, so wird sich das vielleicht nützlich erweisen. Auf der anderen Seite aber, wenn man weiterkommen will, so bedarf es zuletzt auch ein bißchen des Spezialisierens. Wenn auf beiden Seiten der gute Wille vorhanden ist, so wird es gehen.

Ein Teilnehmer spricht über einige Wünsche der jüngeren Menschen in bezug auf die Umgestaltung der Zweigarbeit, insbesondere des Vortrags- und Referat­wesens.

Dr. Steiner (unterbricht): Dieses Büchelchen von Albert Steffen ist deshalb berechtigt, weil es in einer wirklich künstlerischen Art den Inhalt meiner Vorträge wiedergibt. Es ist kein Journalistenreferat; es steht auf selbständigem Boden. Früher ist etwas Derartiges nicht geschehen. Wir werden sehen, ob das Schule macht. Es wäre ein Glück.

Nicht wahr - der Aufruf, der wird im wesentlichen zweierlei um­fassen müssen. Das eine: die Betonung der Notwendigkeit eines inner­lichen Arbeitens in der anthroposophischen Bewegung. Zweitens ist jetzt schon ein so starkes Geschlossens ein in der Anthroposophischen Gesellschaft unerläßlich, daß es die auftretenden Gegner abwehren kann. Abwehr nicht durch Polemik, sondern durch wirkliche sachge­mäße Arbeit vor der Welt. Wenn endlich in Anbetracht der Gegner­schaft nichts gemacht wird, so geht die Anthroposophie zugrunde. Man kann nicht in der Weise arbeiten, daß der eine dies behauptet, der andere es widerlegt. Bei den wichtigsten Gegnern kommt man nicht an das Publikum heran. Wenn heute aus den Kreisen der Alldeutschen und Deutschvölkischen über Anthroposophie Verleumdungen ausge­streut werden, so hat man dafür ein Publikum, das unter allen Umstän­den alles glaubt. Dem kommt man nicht bei. Man muß die Menschen, die unter diesem Publikum sich befinden, kennen. Man kann gewisse Dinge nicht einem katholischen Publikum sagen. Sind die Widerle­gungen falsch, so sind sie falsch. Sind sie aber richtig, so nützen sie uns nichts, sondern - ich muß schon dieses Wort gebrauchen - schaden uns nur, gerade bei den Katholiken. Sie ärgern sich, wenn man in der Lage ist, die gegnerischen Behauptungen zu widerlegen. Recht haben schadet uns heute, Unrecht vielleicht weniger. Die Dinge kann man nur durch die positive Arbeit entkräften. Machen Sie sich stark, wie die

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andern es sind. Dr. Rittelmeyer hat mit Recht neulich den Ausspruch gebraucht, ich selbst habe auch schon oft gerade darauf hingewiesen:

Man ahnt gar nicht, wie überall etwas ist, wovon man sagen kann: Es wird überall Feuer gemacht! Unsere Gegnerschaft wird in der näch­sten Zeit in ganz furchtbarer Weise zum Ausdruck kommen. Ihr gegenüber ist es nötig, eine geschlossene Körperschaft zu bilden. Alle Dinge, die gut sind, gereichen der Gesellschaft zur Gefahr. Es ist schon so, die Bewegung für religiöse Erneuerung gereicht der Anthroposo­phischen Gesellschaft zur Gefahr. Es ist so, daß man sich nicht vorge­stellt hat, daß auch noch auf diesem Gebiet von uns etwas zustande kommt. Und wenn wir, was natürlich wiederum sehr wünschenswert ist, in das Akademische weiter hineinarbeiten, dann werden die Leise­gangs überall hervorschlüpfen. Es macht mir wirklich Sorge, weil die alten reaktionären Mächte immer stärker werden. Bei Gründung des Hochschülbundes waren viel mehr Chancen vorhanden, die alten Mächte zurückzustauen. Heute sind diese Chancen geringer gewor­den. Sie werden viel zu leiden haben. Aber selbst dann, wenn die Anthroposophie getötet würde, sie würde wieder aufstehen, denn sein muß sie doch, und eine Notwendigkeit ist sie doch. Entweder gibt es eine Erdenzukunft oder keine. Die Erdenzukunft ist von der Anthro­posophie unzertrennlich. Wenn diese keine Zukunft hat, dann erreicht die ganze Menschheit keine Zukunft. Die Tendenz allein genügt. Die Anthroposophie kann bezüglich ihrer Ausbreitung manche Phasen durchmachen. Ich glaube schon, daß Sie über diesen Berg, den ich vorhin angedeutet habe, zum Vorteil der Gesellschaft in allem Frieden werden kommen müssen.

Ein Teilnehmer spricht über ein anderes Verhältnis, das die Jugend zur Gesell­schaft haben müßte.

Dr. Steiner: Sie müssen nur bedenken, daß bei alten Kulturströmun­gen, die schon weltgeschichtlich erwachsen sind, ganz andere Seelen-haltungen vorhanden waren als bei solchen, die historisch ganz jung sind. Man hat heute einfach keine Vorstellung mehr, wie schwer es war in den ersten christlichen Jahrhunderten, ein Christ zu sein. Heute ist es bequem, ein Christ zu sein. Es war früher nicht die äußere Märty­rerschwierigkeit, sondern die innere Seelenschwierigkeit. Es war schwer, vor sich selber ein Christ zu sein. Heute ist es schwer, ein richtiger Anthroposoph zu sein. Es ist in gewissem Sinne schwer.

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Diejenigen, die schon lange Anthroposophen sind, die tragen in sich, in ihrer ganzen Seelenhaltung, die ganze Schwierigkeit, verbunden zu sein mit dem ersten Auftreten einer geistigen Bewegung; in ihnen ist das Verständnis für gewisse Erscheinungen des Lebens nicht so stark. Diejenigen, die schon lange Anthroposophen sind, länger als die Jun­gen, reden manchmal diesen gegenüber glatt aneinander vorbei. Erst in diesen Tagen ist mir ein sehr krasses Beispiel aufgetreten. Diese Freunde hatten Besprechungen; die Stimmung war dort, daß der Glaube darüber vorhanden war, jetzt sind alle Brücken gebaut, jetzt versteht man sich auf das i- Tüpfelchen. Man war drüben ganz ehrlich. Bei Ihnen dagegen trat mir die Stimmung entgegen, man müsse die Opposition organisieren; man hat sich gar nicht gefunden. In dem spiegelt sich durchaus die leichte Illusionsfähigkeit über die Verhält­nisse des Lebens wider, wenn man in einer gewissen Lebenshaltung ist, die ich charakterisiert habe. Es ist schwer, Anthroposoph zu sein; es ist nicht leicht, eine gewisse Starrheit zu überwinden. Die Illusionisten sind ehrlich. Sie kommen mit der Frischheit der Seele, und deshalb sind Sie, als einer, der noch nicht müde geworden ist, weniger geneigt, diese Illusionen zu haben, als ein Müder. Viele sind müde und mürbe geworden durch die Schwierigkeiten, die sich uns entgegengestellt haben. Daher ist auch in diesen Tagen viel aneinander vorbeigeredet worden.

Ein Teilnehmer spricht über seinen ursprünglichen Plan, die für die Opposition verwandten Kräfte besonders von seiten der Jugend umzubiegen und in frucht­barer Weise zu organisieren.

Dr. Steiner: Manche Dinge sind schon so, daß ein realistisches Denken sie auch ins Auge fassen muß. Irgendwie muß es auch in der Zukunft so etwas geben, was Ihre Bildungsanstalten sind. Wenn auch gerade in dieser Hinsicht alle Zukunftshoffnungen im Keime sind, so darf es doch nicht so sein, daß die Hochschule eine bloße Attrappe bleibt. Da macht es mir wirklich Sorge, wie weit entfernt wir davon noch sind. Auf der andern Seite ist das Hochschulwesen ganz im argen. Vor einem Jahrhundert hatte man wenigstens noch eine einheitliche Welt­anschauung; das ist jetzt ganz vorüber, auch in der Gesinnung der Menschenwürde. Sehen Sie, Leisegang - es kommt ja gar nicht auf die Art an, wie er mich behandelt -, aber Leisegang, der ja demnächst Professor werden wird, da er ja alle Aspirationen dafür besitzt, hat

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jetzt ein Werk über Plato herausgegeben, einen ersten Band. Er behan­delt mich gar nicht so schlimm wie den Plato, er behandelt den Plato viel schlimmer, er macht eine Karikatur aus ihm, nur - die Leute merken es nicht. Sehen Sie, und da macht es mir Sorge, wirklich Sorge, wie weit weg man von der Möglichkeit ist, eine Hochschule zu schaffen.

Ein Teilnehmer weist auf die Art und Weise hin, wie in dem Gefangenenlager, in dem er tätig war, von den Gefangenen eine Hochschule geschaffen worden ist, und stellt dies als Beispiel für die Schaffung einer Hochschule für Geisteswissenschaf­ten hin.

Dr. Steiner: Man kann ja heute nicht eine Hochschule ins Leben rufen, weil dazu erst als Vorbedingung notwendig ist, daß die einzelnen Wissenschaftler vorhanden sind. Ideen und Ansätze sind zwar schon vorhanden. Solange man aber die Menschen, die innerhalb der Bewe­gung arbeiten sollen - ich muß mich schon kraß ausdrücken -, eben nur als Hungerleider haben kann, wird es schwer gehen. Das wird deshalb täglich schwieriger, weil die Zeit sich naht, wo man kaum daran denken kann, daß die vorangehende Zeit die nachfolgende mit Stipendien versorgt. Die Möglichkeit herbeizuführen, auf eine andere Art eine vollkommen neue Bildung ins Leben zu rufen, wird täglich schwieriger. Ich muß schon bei jeder Gelegenheit aus rein spirituellen Gründen zwei Dinge betonen: erstens, mit aller Intensität danach zu streben, so stark als möglich zu werden; zweitens, alle Energie darauf zu verwenden, daß der Kreis der Freunde größer wird. Es wäre [vom Spirituellen herj nicht notwendig, nach der Zahl zu sehen, nur in Anbetracht der Zeitverhältnisse. Im Spirituellen muß zwar das Gegen­teil richtig sein, der Zeit gegenüber aber ist es so. Es braucht die Erweiterung des Kreises nicht auf Kosten der Vertiefung zu gehen, aber Anstrengungen dahin gehend muß man schon machen, damit man eine große Zahl von Freunden erhält. Sonst ist der Untergang des einzelnen und der Bewegung als solcher eher möglich. Es ist schon so. Sie dürfen sich aber nicht scheuen, um die Vergrößerung nach außen zu erreichen, auch als Jugend recht stark zu sein.

Ein Teilnehmer spricht darüber, wie schwer es ist, sich mit dem Alter zu verstän­digen.

Dr. Steiner: Abgesehen von Bewertungen, ist es aber in gewissem Sinne so, daß das Nichtverstehen gegenseitig ist! Das Alter ist so, daß

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man sagen kann: So, wie es ist, ist es nicht seine Schuld, sondern sein Schicksal. Das Wehren der Jugend gegen das Alter aber ist Schutzmit­tel und Schwäche zugleich!

Werden Sie Genies an Interesse!

#TI

Die fünften Stuttgarter Verhandlungen vom 13. und 14. Februar 1923

Dienstag, 13. Februar: Nachmittags Sitzung mit dem Dreißigerkreis. Abends:

letzter der vier Vorträge im Zweig über anthroposophi­sche Gemeinschaftsbildung (in GA 257). Anschließend Fortsetzung der Sitzung mit dem Dreißigerkreis.

Mittwoch, 14. Februar: Besprechung mit einer Jugendgruppe.

SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS

Dienstag, 13. Februar 1923 (nachmittags 4 Uhr)

#TX

Dr. Steiner: Nachdem nun der Aufruf glücklich zustande gekommen ist* und damit die Geneigtheit dieses Kreises sich gezeigt hat, die Angelegenheiten der Anthroposophischen Gesellschaft in Angriff zu nehmen, wäre es gut, wenn für die heutige Verhandlung nun aus der Mitte der Versammlung heraus eine Art Vorsitz dieser Versammlung gewählt würde. Dann würde das dem inneren Gang der Sache am besten entsprechen. Wir waren bisher gewissermaßen eine ungeord­nete Gruppe von Menschen, und die soll jetzt in eine bestimmte Willensgemeinschaft hineintreten, was auch schon öfter betont wor­den ist. Deshalb möchte ich Sie bitten, daß ein Vorsitzender aus Ihrer eigenen Mitte gewählt würde, damit die Verhandlung heute recht fruchtbar ist und möglichst so verläuft, daß man sieht, daß aus der Delegiertenversammlung etwas werden kann. Es wird nur dann etwas daraus werden, wenn aus der Gruppe der hier versammelten Persön­lichkeiten eine Art selbstverständliche geistige Führung und Direk­tion hervorgeht.

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* Siehe auf Seite 334.

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Es folgt der Vorschlag, Emil Leinhas zum Vorsitzenden zu bestimmen.

Emil Leinhas: Ich möchte nur zu bedenken geben, daß ich nicht genügend im Bilde bin.

Dr. Steiner: Da nun offenbar im Laufe der letzten Tage sich das Heutige vorbereitet hat, so würde es begründet sein, daß irgend je-mand, der mitten drinnen steht, den Vorsitz übernimmt.

Herr Baravalle: Ich schlage Dr. Wolfgang Wachsmuth vor. wenn es Herr Leinhas nicht sein könne.

Dr. Wolfgang Wachsmuth und Dr. Kolisko werden vorgeschlagen. Emil Leinhas: Ich nehme die Wahl an, wenn es sein muß.

Dr. Steiner: Dann bitte ich diejenigen der verehrten Anwesenden, die für Herrn Leinhas sind, die Hand zu erheben.

Es wird abgestimmt und Emil Leinhas zum Vorsitzenden gewählt.

Dr. Steiner: Ich werde jetzt um so aufmerksamer zuhören können.

Emil Leinhas: Das Rundschreiben soll an alle Mitglieder in Deutschland versandt werden. Herr Werbeck soll doch wohl teilnehmen? (Notiz von Dr. Heyer: «Auf-ruf ohne Unterschrift von Werbeck? Empfindlichkeiten gegen Werbeck?»)

Es sprechen dazu: Dr. Kolisko, Dr. Heyer, Emil Leinhas und Toni Völker.

Dr. Steiner: Außer dem vorgebrachten Grunde der Empfindlichkeit sehe ich nicht, was dagegen sprechen könnte. Die Tatsache, daß diese Empfindlichkeit eine solche Rolle spielt in der Anthroposophischen Gesellschaft, diese Tatsache ist die eigentlich ruinöse. Wir können die Anthroposophische Gesellschaft aufstecken, wenn wir auf die Emp­findlichkeiten rechnen. Diese Empfindlichkeiten zeigen sich nicht nur in ihrer nackten Gestalt, sondern auch in allen möglichen Masken. Sie sind im Laufe der Jahre zu einer ungeheuren Gewalt gekommen, da sie kajoliert worden sind. So ist dies einer der Faktoren, die ruinös gewor­den sind. Wenn man gleich wieder mit den Empfindlichkeiten rechnet, ist die Neugestaltung vergeblich. Man muß anfangen, die Unwahrhaf­tigkeit abzulegen und mit Wahrhaftigkeit zu sagen: Wir können eine Philister-Gesellschaft gründen, dann können Empfindlichkeiten eine Rolle spielen. Wir werden dann aber die Anthroposophie aus der Gesellschaft heraustreiben. - Man muß sich Mühe geben, diese Emp­findlichkeit zu überwinden.

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Emil Leinhas: Man muß oft Rücksicht darauf nehmen.

Dr. Steiner: Das kann man in anderen Dingen tun. (Notiz von

Dr. Heyer: «nicht in prinzipiellen Dingen»)

Emil Leinhas: Werbeck wird ins Komitee aufgenommen, und es soll später eine Erklärung abgegeben werden, warum sein Name nicht unter dem Aufruf steht. Dr. Kolisko spricht.

Emil Leinhas gibt das genaue Programm der Delegiertentagung bekannt und stellt es zur Diskussion. Viele Redner sprechen dazu.

Dr. Steiner (?): Dann würden wir auf die Vorschläge von Schwebsch eintreten, der am meisten spezialisiert ein solches Programm vorge­schlagen hat.

Dr. Schwehsch: Ich habe mir einiges überlegt, wie Tagesüberschriften: 1. Lage der Zwerge; 2. Zweigarbeit; 3. Vertrauensorganisation; 4. innere Geschichte und Geschichte der Institutionen; 5. Nachwuchs und Jugendbewegung; 6. Gegnerbehandlung.

Ein Redner meint, es solle gefragt werden, ob die Delegiertenversammlung damit einverstanden ist, daß dieses Komitee die Führung behält.

Dr. Steiner: Sie setzen sich der Gefahr aus, daß eine Zufallsführung kommt. Wie wollen Sie es verhindern, daß ein Zufalispräsident ge­wählt wird?

Dr. Kolisko: Die Leitung muß von da ausgehen, von wo die Einladungen aus­gehen.

Dr. Steiner: Es wird sich bloß darum handeln, daß die Frage vorher durch das Auftreten des Komitees verhindert wird. Es sollte gar nicht das Begehren entstehen, daß irgendwie ein Präsident gewählt wird. Es sollte dies Begehren nicht entstehen. Was ich fürchte, ist, daß eben nicht genügend vom Komitee und aus diesem Kreis heraus gesprochen wird, so daß wirklich von vorneherein ein neuer Ton da wäre. Also das ist dasjenige, was so stark als ein Mangel aufgetreten ist, daß man sich nicht bewußt geworden ist, was es heißt, eine solche Gesellschaft zu führen. Das kann bei dieser Delegiertenversammlung dazu führen, daß ein Zufallspräsident gewählt wird. Irgendein Mitglied, das vorge­stern in die Anthröpösophische Gesellschaft eingetreten ist und das etwas geschickt sagt, wird dann als Präsident gewählt. Das passiert namentlich, wenn sich solche Dinge wiederholen und wenn man sich

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nicht bewußt ist, daß sie sich nicht wiederholen dürfen. Dann ge­schieht alles mögliche.

Es ist gestern moniert worden, daß - wenn ich mich so ausdrücken darf - die Regie ganz und gar versagt habe. Ich konnte nur die Nach-wirkungen wahrnehmen, weil ich erst spät angekommen bin. Gestern soll es so gewesen sein, daß im Grunde genommen während des ganzen Abends dieser Dreißigerausschuß überhaupt nicht in Aktion getreten ist, sondern durch geistige Abwesenheit geglänzt habe. * Es kann schiefgehen, wenn dies bei der Delegiertenversammlung sofort wieder auftritt, daß kein Ton angegeben wird, daß man sich nicht bewußt ist, was die eigentliche Pflicht dieses Kreises der «Großköpfi­gen» ist. Wenn man sich dessen nicht bewußt ist, daß etwas getan werden muß, damit die anderen auch einen Grund haben, das Komitee anzuerkennen, dann kann es auch schiefgehen.

Mehrere, Dr. Unger, Dr. Kolisko und Emil Leinhas, reden darüber, daß die Mitglieder des Kreises sprechen sollten.

Dr. Steiner: Alle Mitglieder dieses Neunerkömitees sind ja in diesem Dreißigerkreis darinnen. Und ebensogut, wie diese Sieben aus dem Dreißigerkreis unterschrieben haben, könnten auch unter Umständen andere Sieben es sein und wiederum andere Sieben. Der Aufruf wird von den einzelnen Mitgliedern des Dreißigerkreises unterschrieben. Nur vom Dreißigerkreis selbst könnte er nicht unterschrieben sein, weil der Dreißigerkreis als solcher - was hinausgesickert ist-, eben in seiner Gesamtheit sich als ein Unmögliches hingestellt hat. Es ist doch so, daß dieser Dreißigerkreis etwas Furchtbares ist. Besonders schrecklich gewütet hat er in der Versammlung, wo sich der Kreis verstärkt hatte [siehe die erweiterte Dreißigerkreissitzung vom 22. Ja­nuar]. Wenn darunter geschrieben worden wäre: Dreißigerkreis, so wäre das unmöglich gewesen. Wenn seine Mitglieder aber gegenüber der Delegiertenversammlung als einzelne auftreten, so ist das nur eines jeden Pflicht und Schuldigkeit. Ich sehe nicht ein, warum sie nicht dabei sein sollten. Das ist doch tatsächlich gar nicht zu ergründen, warum erst ein Mandat geschafft werden sollte für diejenigen, die hier hätten das Interesse der Gesellschaft vertreten sollen.

Beachten Sie eine einzige Tatsache, die heute abend erwähnt wor­den ist. Man könnte eine zweite ebensogut kriegen. Das ist dies, daß

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* Von dieser Sitzung liegt kein Protokoll vor.

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die Mitglieder der einzelnen Zweige hocherfreut waren, als das zweite Mitteilungsblatt gekommen ist. Wenn nur die Mitglieder draußen überhaupt etwas hören von dem, was in Stuttgart vorgeht, dann sind sie froh. Das Schreckliche war nur das, daß der Zentralvörstand am 4. Dezember sich gesagt hat: Ich werde da ein Mitteilungsblatt hinaus­gehen lassen; und nachher hat er die Gesellschaft ignoriert. In der Zeit seither ist nichts geschehen. Als dann ein Lebenszeichen kam in der Form des Mitteilungsblattes, waren die Mitglieder heilfroh. Wenn nur jemand freundliche Nasenlöcher machen wird im anthropösophi­schen Sinne, dann wird die Sache schön da sein. Sie können nicht verlangen, daß durch die bloße Unterschrift - man kann die Nasenlö­cher ja nicht dazu zeichnen -, daß ohne diese freundlichen Nasenlö­cher die Mitglieder das mit entnehmen, was der Dreißigerkreis mit dem Aufruf geleistet hat. Die einzelnen Mitglieder sind nicht ausge­löscht dadurch, daß man sagt, der Dreißigerkreis als Ganzes sei eine Blamage. Um so mehr sollte man sich darauf präparieren, am besten vor dem Spiegel, die freundlichen Nasenlöcher zu machen. Hoffent­lich konzentriert der Kreis die Aufmerksamkeit etwas auf die Nasen­löcher.

Ich muß morgen mit den einzelnen Menschen sprechen und Leh­rerkonferenzen abhalten; abends ist es schon zu spät. Es müßte heute fortgesetzt werden können.

[Da die Sitzung wegen des Vortrages von Rudolf Steiner im Stuttgarter Zweig unterbrochen werden muß, soll später fortgesetzt werden.]

Fortsetzung der Sitzung um 22 Uhr 45

Es wird geredet über den Gang der Verhandlungen [der Delegiertenversamm­lung]. Es wird noch einmal der Vorschlag Schwebsch mit den 6 Punkten erwähnt.

Dr. Unger: Die Entstehung des Komitees muß geschildert werden und die Ab­lösung des Zentralvorstandes durch dieses Komitee.

Dr. Steiner: Es kommt auf diesen Punkt viel an. Von diesem Punkt hängt eigentlich alles ab. Zunächst hat Dr. Schwebsch sehr gut abstrakt bezeichnet, daß die Sache dahin tendiert und daß man in Stuttgart die Sache kennt. Es müßte das nur etwas konkreter charakterisiert wer­den. Es müßte gesagt werden, was man sich darunter vorstellt; überdies,

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wie man die falsche Lage des Steuers charakterisiert - man kann ja nicht bloß immer jammern - und wie man die Umdrehung des Steüers charakterisiert. Das müßte derjenige vorbringen, der daran denkt, das Referat zu halten. Es hängt sehr viel davon ab, daß dies in der richtigen Weise vorgebracht wird.

Die Sache erfordert ein eingehendes Studium.

Theodor Lauer und José del Monte bitten Dr. Kolisko, diesen Bericht zu geben.

Dr. Unger: Es sollte mit einem Mitglied des alten Zentralvorstandes zusammen geschehen.

Dr. Schwebsch spricht.

Dr. Kolisko: Es sollte von Herrn Leinhas geschehen.

Dr. Steiner: Wenn es von einem Mitglied des alten Zentralvörstandes geschieht, klingt es zu stark nach Theosophischer Gesellschaft. Es müßte so sein, daß derjenige, der dieses Referat hält, von außen spricht, spricht als ein Beobachter von außen, und daß höchstens der alte Zentralvörstand sich nachher dazu äußert. Der muß keine Recht­fertigung vorbringen, sonst klingt es zu stark nach Theosöphischer Gesellschaft. Wie soll der alte Zentralvorstand unbefangen dieses Re­ferat halten? Das möchte ich wissen!

Emil Leinhas: Eindrucksvoller wäre es, wenn es jemand machte, der zu der Führung in Opposition gestanden hat.

Dr. Steiner: In den letzten Wochen haben alle sehr gut gewußt, was der Inhalt eines solchen Referates sein soll. Das müßte doch auch mit entsprechender Vertiefung durch Studium und Ordnen der Gedanken in ein ganz respektables Referat zu bringen sein. Es haben doch viele genau gewußt, was die Sünden sind.

Von Emil Leinhas und anderen wird Dr. Kolisko für das Referat vorgeschlagen.

Dr. Kolisko: Die Versäumnisse würden verständlich gemacht werden können aus einem Mangel an Bewußtsein.

Dr. Steiner: Sehr schade ist es, daß nicht jemand dieses erste Referat halten kann, der dadurch mit den Lebensbedingungen der anthröpo­söphischen Bewegung verknüpft ist, daß er einmal einen Zweig ge­gründet hat. Es sind - unter vielen anderen Gründen - in demselben Maße die Lebensbedingungen der anthroposophischen Bewegung geschwunden,

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als in führende Stellungen Persönlichkeiten eingetreten sind, die nicht verknüpft waren mit der Begründung von Zweigen. Überall werden die Zweige absterben unter den Nachfolgern, weil die Nachfolger nicht den gleichen Enthusiasmus aufbringen wie die Gründer. Sie mögen die Qualität so öder so beurteilen, einen Zweig gegründet zu haben oder ihn auf die Beine gebracht zu haben, das bedeutet noch etwas ganz anderes, als in eine Position, die schön geschaffen war, eingetreten zu sein. Bei Werbeck würde es in einem gewissen Sinne zutreffen, daß er wohl unterrichtet sein könnte über dasjenige, was man bei der Begründung eines Zweiges entbehrt hat dadurch, daß keine Zentralleitung da war. Das würde so jemand wissen von den früheren Zweigleitern.

Wenn Sie Frau Wolfram oder irgend jemand nehmen, der einen Zweig auf die Beine gebracht hat, so werden Sie finden, daß die Betreffenden wissen, wie es steht um das Zusammenwirken mit einer Zentralleitung. Das haben gewisse Zweigleiter entbehrt. Gerade nach dieser Richtung hin wird Werbeck nicht zu klagen haben. Sagen Sie ihm, Herr Leinhas, er soll alle Freundschaft zu Ihnen abrechnen, und fragen Sie ihn dann um seine Meinung. Er wird natürlich auch nur das Negative bringen; aber das nützt dann, wenn es in dem Sinne vorge­bracht wird, daß man daraus entnehmen kann, was an Positivem daraus hervorzugehen hat.

Emil Leinhas antwortet hierauf.

Dr. Steiner: Es müßte studiert werden, und zwar von diesem Gesichts­punkt aus, was jemand, der einen Zweig führen sollte, durch den Mangel an Zentralleitung entbehrt hat.

Dr. Krüger spricht dazu.

José del Monte: Dr. Kolisko soll den Bericht geben.

Dr. Steiner: Es scheint mir hauptsächlich aus dem Grunde nötig zu sein, weil sich kein anderer dafür findet. Diese Aufgabe darf man nicht unterschätzen. Sie müssen bedenken, daß derjenige, der dieses Referat hält, in einem gewissen Sinne in der Lage von jemandem ist, der bisher an der Spitze der Opposition gestanden hat, der tatsächlich die Sympa­thie dieser Opposition eben hat. Der muß erwärmen schön durch die Art, wie er auftritt. Er muß den Gegenkomplex dessen vertreten, was war, nämlich: was werden soll. Es ist die denkbar schwierigste Aufgabe,

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der sich jemand unterziehen soll in bezug auf die Anthroposo­phische Gesellschaft.

Emil Leinhas: Also dürfen wir Dr. Kolisko mit dieser Aufgabe betrauen?

Dr. Steiner: Er muß es wohl schon machen. Die Schwierigkeit liegt nur darin, daß er als Mitglied der Anthroposöphischen Gesellschaft erst neun Jahre alt ist, denn seine Mitgliedschaft besteht seit 1914; also ein gesellschaftliches Kind. Nun, Kriegsjahre rechnen aber doppelt; öster­reichische Nasenlöcher sind auch immer liebenswürdiger als andere, selbst wenn man den Kopf zurückwirft.*

Dr. Unger: Ob [er] die ganze Opposition herunterrasseln soll?

Dr. Steiner: Bei genügender Zusammenarbeit würde es schon gehen. Natürlich wird im Schoße der Gemeinschaft, die hier sitzt, sehr leicht alles aufzutreiben sein, was man vorzubringen hat.

Emil Leinhas: Es wird doch wohl so zu behandeln sein, daß wir gemeinsam ein Schuldbekenntnis vorzubringen haben?

Dr. Steiner: Das muß trotzdem nicht sein.

Emil Leinhas und mehrere andere sprechen über die innere Geschichte der Gesell­schaft (und Geschichte der Institutionen).

Dr. Kolisko: Dahin gehört: Religiöse Erneuerungsbewegung, Bund für freies Geistesleben und die Waldorfschule.

Dr. Steiner: Es ist eine sehr schwierige Geschichte. Es muß darauf gesehen werden, daß da sachlich, recht sachlich verfahren wird. Nicht wahr, bisher hat die Diskussion über diesen Punkt einen emotionellen unsachlichen Charakter gehabt. Es müßte sachlich verfahren werden. An sich ist der Punkt «Innere Geschichte» geeignet, das Ganze auf ein sehr ernstes Niveau zu bringen. Man muß dabei zeigen, wie einzelne Institutionen aus einem Universellen der Anthroposophie heraus ha­ben entstehen können, wie diese daher auch die inneren Bedingungen des Gedeihens haben. Und dann muß man zeigen, wie also diese Institutionen gedeihen können, wie zum Beispiel die Waldörfschule es dazu bringt, daß ein japanischer Professor sie anguckt, daß Engländer kommen und so weiter. Die Sache ist so, daß aus dem, was gesund ist in den Institutionen, und aus dem, was krank ist, sich die Rückwirkungen

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* Eine typische Geste von Dr. Kolisko.

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auf die Gesellschaft zeigen. Darauf muß Bedacht genommen werden, daß solche Institutionen, die schon festliegen in der äußeren Welt, nicht Schaden leiden. Der Waldorfschule und dem «Kommen­den Tag» darf nicht geschadet werden, denen muß genützt werden. Man darf nicht blind daraufloswüten. Dagegen muß also auch hervor­treten, daß die anderen Institutionen denen, die gedeihen, nacheifern müssen.

Dr. Kolisko: Die schwierige Frage der religiösen Erneuerung muß auch behandelt werden.

Dr. Hahn spricht zu diese Frage.

Dr. Steiner: Es könnte doch vielleicht irgend jemand schon andeuten, wie so etwas wie die religiöse Erneuerung behandelt werden muß; die Richtung davon wenigstens. Sonst ist keine Sicherheit vorhanden. Es muß ein Bewußtsein vorhanden sein, wie so etwas behandelt wird, von welchen Gesichtspunkten aus. Gerade wenn die Lebensbedingungen der Gesellschaft in Betracht kommen, muß man sich klar sein darüber, von welchen Gesichtspunkten aus die religiöse Erneuerung behandelt werden muß.

Emil Leinhas: Es soll doch wohl das Grundlegende nicht von Dr. Rittelmeyer vorgebracht werden?

Dr. Steiner: Es wird notwendig sein, daß der richtige Gesichtspunkt von seiten der Anthröposophischen Gesellschaft herbeigebracht wird. (Notiz von Dr. Heyer: «Die religiöse Erneuerung soll auf der Dele­giertentagüng vom Gesichtspunkt der Anthroposöphischen Gesell­schaft aus behandelt werden.»)

Dr. Unger und Stockmeyer sprechen dazu.

Marie Steiner: Wenn man zu den Ausgangspunkten zurückkehrt und als Punkt 1 nimmt: das mangelnde Bedürfnis nach dem Erkenntnisweg, wenn man dies als den ersten Punkt hinstellt, also wenn man Punkt 3 zu Punkt 1 machen würde, weil das den Ausgangspunkt der religiösen Bewegung zeigt, so wäre das gut. Der Aus­gangspunkt war, daß die Theologen zu Dr. Steiner gekommen sind und gesagt haben: Die Religion kann einem nicht mehr das geben, was man braucht, um die geistigen Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Nun ist es aber so, daß die Anthroposophische Gesellschaft einige Leute zurückschreckt. Könnten wir das, was die Seelen brauchen, ihnen in einer mehr religiös gestimmten Form geben? -Jedenfalls sind die Theologen diejenigen, die darum gebeten haben und die gewußt haben, daß alle Erkenntnis durch die Anthroposophie und durch Dr. Steiner

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gegeben werden könne. Ich hatte ein Gespräch mit Prof. Beckh, der sagte: Wir haben einen großen Fehler begangen. Wir haben es so gemacht, daß wir die Erkenntnis, die Anthroposophie nicht der Gemeinde vermitteln, so daß man unter sich über anthroposophische Erkenntnisse redet, aber nicht in der Gemeinde. -Der Ausgangspunkt war, daß die Anthroposophische Gesellschaft sich mit der religiösen Erneuerungsbewegung nicht verquicken sollte, die nicht in erster Linie die Erkenntnis weitergibt, sondern die Seelsorge pflegt. Was geschehen ist, das ist dies, daß man die Inhalte der anthroposophischen Erkenntnis genommen hat, daß man die materielle Grundlage von der Anthroposophischen Gesellschaft herge­nommen hat und nun tut, als ob man alle Erkenntnisse aus der Theologie heraus-hole. Es hat aber nicht die Anthroposophie das Bedürfnis nach religiöser Erneue­rung gehabt, sondern die anderen, die Theologen.

Dr. Steiner: Warum sollte nicht die Hauptsache als solche geltend gemacht werden, daß man, mit voller Anerkennung des Inhaltes der religiösen Bewegung (Notiz von Dr. Heyer: «Unger kennt sie offen­bar zu wenig.»), in den Vordergrund stellt, daß die anthropösophische Bewegung die Schöpferin der religiösen Erneuerungsbewegung ist? Warum sollte man nicht diesen Punkt, der doch die Hauptsache ist, in den Vordergrund stellen? Wenn man es gewissenhaft schildert, so war es doch so, daß jüngere Theologen aufgetreten sind, die gesagt haben:

Wir sind am Ende, wir sind fertig. Aus der Theologie kann keine Seelsorge mehr gewonnen werden. Die Theologie hat kein Verständ­nis für das wahre Christentum. Nun brauchen wir die Anthroposo­phie, die uns das wiederum gibt. - Das ist geschehen. Ein Kultus ist wirklich entstanden.

Nun, daß dies in der Gegenwart eine Notwendigkeit ist innerhalb der Zivilisation, das geht einfach daraus hervor, daß diese Sehnsucht schon stark hervorgetreten ist gerade innerhalb der Theösophischen Gesellschaft. Als Olcott noch Präsident der Theosophischen Gesell­schaft war, sind einige Menschen zum Katholizismus übergetreten. Olcott hat den Ausspruch getan: Wenn alle Theösophen zum Katholi­zismus übertreten, dann können wir die Theosöphische Gesellschaft schließen. - Das ist also schon akut gewesen innerhalb der Theosophi­schen Gesellschaft. Dann ist die ganze Kalamität gekommen mit der Leadbeater-Krise der Theösophischen Gesellschaft, und das alles mit den übelsten Ausartungen. Leadbeater ist übergetreten zu einer altka­tholischen Kirche. Was vollständig fehlte, war das schöpferische Ele­ment. Es ist zum alten Kultus krampfhaft zurückgekehrt worden.

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Äußerlich hing es zusammen mit der Theorie, die in der Abstam­mungstheorie bis zum Uraffen zurückgekehrt ist. Ich weiß nicht, ob man die Dinge näher kennt?

Hier aber in der Anthroposophischen Gesellschaft ist etwas Neues schöpferisch aufgetreten. Selbstverständlich wird jeder Kultus die al­ten Elemente mitenthalten; hier aber ist das notwendige schöpferische Element neu aufgetreten. Warum sollte man nicht darauf hinweisen, daß innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft das geschaffen werden konnte, was die religiöse Bewegung braucht? Man braucht nicht die kleinlichen gegenseitigen Rankünen in den Vordergrund zu stellen. Es handelt sich doch darum, dieses Moment hinzustellen, daß die anthroposophische Bewegung in der Lage war, diese religiöse Bewegung zu schaffen. Es handelt sich darum, das gegenseitige Ver­hältnis zu regeln, und zwar in einer ganz klaren Weise. Nun müßte dann der Advöcatus Diaboli kommen und sagen, daß die Anthroposo­phische Gesellschaft nicht den richtigen Riecher gehabt hat. Das ist dasjenige, was kommen müßte, daß man ein Bewußtsein entwickelt von allem, was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht. Die Anthroposophische Gesellschaft aber hat alle Tatsachen verschlafen.

Es wird in der Welt viel über die Waldorfschule geredet. Die Leute in der anthropösophischen Bewegung aber mußte man immer erst darauf stoßen, daß sie aufmerksam wurden auf die Waldorfschule. Von der Anthroposophischen Gesellschaft ist wenig gekommen, was die Waldorfschulbewegung ins entsprechende anthroposophische Licht gerückt hat. Gerade von anthroposophischer Seite könnte das Moment hervorgehoben werden, daß es nur der anthroposophischen Bewegung gelungen ist, eine Schule zu begründen, die allgemein-menschlich ist. Anthroposophie geht darauf aus, keine anthroposo­phische Weltanschauungsschule zu gründen, sondern eine allgemeine Menschheitsschule. Daß etwas anthroposophisch sein kann, ohne daß es «anthröposophisch» zu sein braucht, das sind Dinge, die bei dieser Gelegenheit herauskommen müssen an eklatanten Beispielen. Es stand in der «Anthroposophie» kein Artikel über die religiöse Bewegung. Ich weiß, daß die Zeitschrift «Anthroposophie» nicht sehr bekannt ist in diesem Kreise hier. Das wichtigste Ereignis der anthröposophischen Geschichte fehlt in dem, was die Anthroposöphische Gesellschaft tat.*

- - -

* Dieser Satz lautet in den Notizen von Karl Schubert: «Das wichtigste Ereignis der anthroposophischen Geschichte fehlt in dem, was die anihroposophische Bewegung tat.«

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Die trottet so fort. Wenn ich in die Waldorfschule komme, sehe ich dort die Nummern der «Anthroposophie» ausliegen; sie werden ziem­lich spät abgeholt. Aber ich meine, was ich gesagt habe, gehört zur Geschichte der religiösen Bewegung. Wenn zu diesem Ausgangspunkt zurückgekehrt wird, ist alles gesagt.

Emil Leinhas: Innerhalb der religiösen Erneuerungsbewegung wird über den Ursprung aus der Anthroposophie nicht gesprochen.

Marie Steiner: Ich konnte aus den Worten des Herrn [der Name ist nicht festge­halten] sehen, daß dieser Standpunkt strikte befolgt wird. Ich kann mir nicht

denken, daß Dr. Rittelmeyer so etwas tut. Aber was andere getan haben, scheint fraglicher.

Mehrere sprechen über das Verschweigen des anthroposophischen Ursprungs der religiösen Erneuerungsbewegung: Dr. Streicher, Dr. Heyer usw.

Dr. Steiner: Es handelt sich darum, zu vermeiden, daß die Gegner zur alten Gegnerschaft neue Gegnerschaft hinzufügen. Indem man mit den Fingern gerade auf dies hindeutet, daß in Dornach und hier in Stuttgart die Dinge gegeben worden sind, schafft man sich nur neue Feinde. Es ist nicht nötig, daß man dies den Leuten auf dem Präsen­tierteller vörbringt. Bei dieser Diskussion handelt es sich darum, daß man so etwas ganz gut vermeiden kann, denn das würde bloß Wasser auf die Mühle der Gegner sein. Sie brauchen eine solche Tatsache nicht zu verleugnen, aber auch nicht darzubieten.

Ich habe nicht gesagt, daß man darauf hinweisen sollte, wie das geschehen ist. Es ist nicht nötig, die äußere Geschichte zu präsentie­ren. Daß die religiöse Bewegung ein Kind der Anthroposophie ist, das kann aus der Natur der Sache hergeleitet werden. Es ist nicht nötig, daß jemand die äußere Geschichte jetzt darstellt. Es handelt sich nicht darum, mit Fingern auf die Dinge hinzudeuten, die den Gegnern Wasser auf die Mühle sind. Es war verabredet, daß man nicht in unklar-verwaschener Weise die Dinge der Welt darbietet, sondern in klarer Weise die Sache darstellt aus ihrem Wesen heraus. Dasjenige,

Das Wort «Bewegung« wurde von Marie Steiner in ihrer Herausgabe ersetzt durch das Wort «Gesellschaft». Dr. Heyer hat anstelle dieses Satzes notiert: «Die wichtigsten Ereignisse fehlen in der .»

Offensichtlich konnten die Ausführungen Rudolf Steiners nur ungenügend festgehal­ten werden. Sinngemäß dürfte gesagt worden sein, daß in der Zeitschrift «Anthroposo­phie» nicht nur das letzte wichtigste Ereignis der anthroposophischen Bewegung nicht gebracht wurde, sondern die wichtigsten Ereignisse überhaupt darin fehlen.

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was ich vorhin skizziert habe, kann vorgebracht werden, ohne daß irgend jemand von der religiösen Bewegung etwas dagegen einwenden kann. Das führt nur zu Zänkereien, wenn man ihnen vorwirft, daß sie ihren Ursprung verleugnen. Sie können dasjenige sagen, was die von sich aus auch für Wahrheit halten.

Emil Leinhas spricht dazu.

Dr. Steiner: Wenn gesagt wird, daß sie nicht von Anthroposophie reden, so ist das ein Unsinn: Sie reden nur von Anthroposophie. Was liegt für eine Bedeutung darin, diesen Leuten in einer solchen Weise gegenüberzutreten? Wenn sie andere Menschen an das spirituelle Le­ben heranbringen, was liegt dann daran, daß sie durch das Wort «Anthroposophie» nicht gleich den Wauwau hinstellen? Die haben allen Grund, das Wort «Anthroposophie» zu vermeiden.

Marie Steiner: Ich hatte den Eindruck, daß sie es so darstellen, als ob sich das alles aus der Theologie herausholen ließe.

Dr. Steiner: Das ist ein Streit um das Eigentum. Hier handelt es sich um etwas anderes als um den Streit über das Eigentum. Es handelt sich darum, daß man die anthropösophische Bewegung selbst charakteri­siert. Wenden Sie die Frage um: Gäbe es eine religiöse Erneuerung, wenn es keine Anthroposophie gäbe? - Damit aber ist die Frage schon beantwortet. Da könnte man bei Emil Bock erst recht fragen, ob seine Aufsätze Anthroposophie vertreten. Es kommt darauf an, daß die Anthröposophische Gesellschaft für sich in Anspruch nehmen soll, die Angelegenheit der Anthroposophie zu pflegen. Ich bemerke in dieser Hinsicht keine Taktik bei den Leuten. Die Taktik war beim Geldsammeln.

Es kommt da verschiedenes in Betracht. Sie müssen bedenken, daß hier in Stuttgart eine andere Aufgabe besteht gegenüber solchen Din­gen als in einem beliebigen Zweig draußen. Hier hätte sich das ganz richtige Verhältnis herausbilden sollen.

Denken Sie sich einen beliebigen Zweig, der geleitet wird von jemandem sehr Braven. Einer der bravsten Zweige ist der in Elberfeld. Nehmen wir an, eine der Persönlichkeiten, die jetzt innerhalb der Erneuerungsbewegung steht, träte auch in Elberfeld auf. Nun ist es natürlich, daß diese Leute - und wenn es der Jüngste ist - eine Summe

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vön Begriffen haben, die der andere gar nicht ahnt; man ist dann den geistigen Fragen anders gewachsen.

Es wird dazu gesprochen.

Dr. Steiner: Das sind spezielle Fragen, die kann man nicht sö behan­deln. Hier in Stuttgart wäre die Aufgabe, daß sich allmählich das richtige Verhältnis herauszubilden hätte. Das würde darin bestehen, daß dasjenige, was sich in der Landhausstraße 70 abspielt, für die Theölögen selbst sö wichtig würde, daß sie immer selbst erscheinen würden. Dann werden die Gemeindemitglieder schön miterscheinen. Es handelt sich darum, daß die Anthröpösöphische Gesellschaft nicht blöß die Mutter ist, söndern auch die Mutter bleibt. Dazu gehört ein wirkliches reales Leben in der Anthröpösöphischen Gesellschaft. Das muß dasein. Nun ist es sö, daß das blöße Förttrötten nicht mehr geht in der Anthröpösöphischen Gesellschaft, daß die mitwachsen muß in diesen Dingen. Es ist nötwendig, daß ein Zentrum dieses Mitwachsens sich gerade in Stuttgart bildet.

Man kann alles sagen, aber man muß es mit dem Bewußtsein sagen, daß die Überlieferung des Kultus an die religiöse Erneuerung dieser religiösen Bewegung das Rückgrat gegeben hat. Wenn Sie einfach meinen Vörtrag vöm 30. Dezember 1922 [in GA 219] interpretiert bekömmen in der Weise, daß Ihnen blöß negativ gesagt wird, der Anthröpösöph brauche keinen Kultus, dann verlieren die Leute dieses Rückgrat. Es handelt sich niemals darum, daß man die negativen Behauptungen allein hinstellt, söndern daß man das andere, was ich radikal hervörgehoben habe, auch hinstellt: Für die gegenwärtige Zivilisatiön ist es nötwendig, daß eine abgesönderte Anthroposophi­sche Gesellschaft besteht, die diese andere Bewegung speist. Wenn

man das in der richtigen Weise hinstellt, dann kann die Anthroposo­phische Gesellschaft nur gewinnen dadurch, und man braucht gar nicht auf Rankünen einzugehen. Die Anthröpösöphische Gesellschaft ist unabhängig vön den Töchterbewegungen, die Töchterbewegungen aber nicht vön der Anthröposophischen Gesellschaft.

Es fallen einige Bemerkungen.

Dr. Steiner: Die meisten von den draußen wirkenden Leuten wissen gar nicht furchtbar viel von der Art und Weise, wie die finanzielle Seite

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der Sache gehandhabt wird.* Für uns aber handelt es sich darum, die Fruchtbarkeit der anthröposophischen Bewegung in der Delegierten­versammlung zu zeigen.

Marie Steiner: Ich habe Briefe gelesen von Vertretern der religiösen Erneuerung, die nicht diesen Eindruck der Zurückhaltung machten. Es ist ein furchtbar starkes Werben da, das autoritativ wirkt.

Es wird vorgeschlagen, es müsse sich ein Referent für die Frage der religiösen Erneuerung finden. Man schlägt Dr. Hahn vor. Leinhas und Dr. Hahn sprechen darüber.

Dr. Steiner: Wir haben hier wieder ein Schulbeispiel. Denken Sie doch einmal, wie leicht es einem Vertreter der religiösen Erneuerungsbewe­gung würde, von seinem Standpunkt aus über die Sache zu reden. Die Anthropösophische Gesellschaft aber hat es unterlassen, sich über die Sache zu informieren. Ich bin überzeugt, diese Information wird fehlen, wenn nicht ein eifriges Studium eintritt. Sach- und fachgemäß muß darüber geredet werden.

Marie Steiner: Man wird nicht berichten über das, was während der Kurse geschah.

Dr. Steiner: Man sollte über diese Dinge überhaupt nicht so reden, daß man glaubt, man müsse den Inhalt der äußeren Geschichte mitteilen, sondern das Wesen und die Bedeutung der Sache für die anthroposo­phische Bewegung.

Ernst Uehli äußert sich dazu.

Dr. Steiner: Über die religiöse Bewegung braucht man überhaupt nichts dabei zu sagen. Man kann sie ja kennenlernen. Also, die braucht man den Leuten nicht zu charakterisieren. Aber der anthroposophi­sche Gesichtspunkt, der bisher nicht geltend gemacht worden ist, der muß dabei in Betracht kommen. Dieser anthroposöphische Gesichts­punkt ist furchtbar leicht zu finden, wenn man sich nur dafür interes­siert. Steffen veröffentlicht jetzt im «Goetheanum» meine Vorträge über Scholastik. Darin haben Sie alle Gesichtspunkte, die Sie brau­chen. Natürlich müssen Sie sich mit der Materie vertraut machen.

- - -

* Dieser letzte Satz wurde von Marie Steiner redigiert. Ursprünglich lautet er in den Notizen von Karl Schubert: »Die meisten von den draußen wirkenden Leuten wissen gar nicht furchtbar viel von der Art und Weise, wie die Sache finanziell (?)«- darüber steht

>freiheitlich> (?) - »verwertet wird.»

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Wenn Sie sich nur ein bißchen informieren, dann haben Sie alles, was Sie brauchen. Leo XIII. hat für die katholische Kirche den Thomismus wieder aufleben lassen, aber auf eine tote Art. In dieser toten Art hält sich das ganze Christentum. Die religiöse Erneuerungsbewegung ver­langt aber eine lebendige Art. Sie haben alles in dieser Vortragsserie über die Scholastik. Die Elemente sind überall gegeben worden.

Es muß doch irgendwo eine Zentrale sein, wo man sich interessiert für die anthroposophischen Fragen, und das sollte Stuttgart sein. Man sollte die Dinge doch gegenwärtig haben! Das «Goetheanum» kommt ja auch nach Stuttgart. Ich sehe es oben in der Waldorfschule liegen. Aber jedenfalls kann doch, was darinnen steht, verarbeitet werden. Die Gesichtspunkte sind überall da, die Gesichtspunkte sind wirklich da.

Dr. Hahn: Auf dieser positiven Grundlage würde es mir Freude machen, das Referat zu halten.

Es wird über die Waldorfschule gesprochen.

Dr. Steiner: Das kann geschehen. Ich sehe aber nicht ein, warum dies die Hauptsache sein soll. Die Hauptsache ist, daß ein Waldorfschul­Prinzip da ist. Über diese Sache liegen genug Dinge vor. Es müßte sich derjenige dazu äußern, der ein Referat übernehmen will. - Frl. Dr. von Heydebrand will also über die Waldorfschule sprechen. Hoffentlich hört sie dann auf, Waldorflehrerin zu sein und ist Anthroposophin.

Es wird über die Hamburger Schule gesprochen.

Dr. Steiner: Von hier aus kann zu anderen Schulen nicht Stellung genommen werden. Die finanzielle Frage wird die Sache von selbst entscheiden. Man kann nicht alle beide Schulen bestehen und dadurch zugrunde gehen lassen, während man eine erhalten könnte. Das müßte sich furchtbar leicht regeln lassen. Werbeck selbst und sein ganzer Anhang sind nicht dafür, daß diese Schule in Hamburg gemacht wird. Der Werbeck-Zweig ist doch sehr groß. Einen zweiten Zweig zu gründen auf Pohlmanns und Kändlers Autorität hin, das wird schwer

möglich sein.

Der Blumenthal hat einmal gesagt, beim Theater könne man alles fälschen: Kritik, Applaus - just die Kasse könne man nicht fälschen. Die Mitglieder, die bloß erfunden sind, werden für die Goetheschule nichts bezahlen.

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Emil Leinhas: Man wendet sich nicht nur nach außerhalb. Pohlmann hat ange­droht, daß er sich auch an die Anthroposophische Gesellschaft wenden will.

Dr. Steiner: Die Briefe an mich werden nicht viel beweisen. Die ganze Schule ist daraufhin entstanden, daß Pohlmann bezahlen wollte. Von diesem anderen Vorsatz, daß er sich an die Gesellschaft wenden will, weiß ich noch nichts. Das beweist aber noch gar nichts. Eine Verstän­digung scheint ja nicht möglich zu sein. Dann muß man es eben ohne Verständigung lassen. Ich glaübe nicht, daß Werbeck eine Verständi­gung wünscht. Ich glaube gar nicht, daß es zu etwas anderem führen kann, als daß sich Werbeck dagegen ausspricht. So sind alle unsere Sachen Privatangelegenheiten. Das ist die alte Frage, ob man über­haupt diesen Gesichtspunkt allein gelten lassen kann, daß man die ganze Anthroposophische Gesellschaft für eine Schule engagiert. Es läßt sich nur darüber reden, ob man etwas tun soll, um den Kändler dort zu haben.

Emil Leinhas: Eine Verständigung kann vielleicht dahin gehend erzielt werden, daß in Hamburg eine Teilung des Interesses eintritt.

Dr. Steiner: Pohlmann ist der Begründer. Zu Pohlmann paßt Kändler ganz gut. Warum kann man nicht diesen Standpunkt einnehmen:

«Herr Pohlmann, Sie sind der Begründer der Schule; tun Sie, was Sie wollen. Wir können uns nicht dafür einsetzen, weil wir kein Geld haben. Wir müssen zunächst die Waldc'rfschule in Stuttgart als eine Musterschule bestehen lassen.» Man braucht es nicht bis zu dem Punkt zu bringen, daß eine Feindschaft daraus entstehen kann. Man kann das in nichts auflösen. Die Leute werden kein Geld dafür haben, wenn es der Pohlmann nicht macht. Mir hat er kein Protokoll geschickt. Es kann nichts anderes darin stehen, als daß Pohlmann die Schule grün­den wollte und daß Kändler der Lehrer ist. Ich habe ihnen gesagt:

Wenn ich nach Hamburg komme, werde ich die Schule besuchen.

Dr. Heyer wird bei der Delegiertenversammlung sprechen über den Hochschul-bund und die Dreigliederung. Dr. Unger spricht dazu.

Dr. Steiner: Beim Hochschulbund müßte gezeigt werden, wie man es nicht machen dürfte.

Dr. Stein und Dr. Kolisko wollen übernehmen die Frage: Wissenschaft und Hochschulkurse. Die Frage entsteht über den «Bund für freies Geistesleben«. Ernst Uehli weiß nichts daraus zu machen. Dr. Unger äußert sich zu dieser Frage.

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Dr. Steiner: Es haben über zwölf Persönlichkeiten dieses Blatt [«Bund für freies Geistesleben»] unterschrieben. Es waren die ehemaligen Mitglieder des Ausschusses. Alle Genannten sind Schulbeispiele der kurulischen Stühle.

Würde es nicht vielleicht besser sein, über den «Bund für freies Geistesleben» nicht zu reden, da er keine Schöpfung der Anthroposo­phischen Gesellschaft ist? Das Zu-Grabe-Tragen ist ja schon reichlich genug geschehen. (Notiz von Dr. Heyer: «Der Bund könnte noch heute etwas werden.») Es ist merkwürdig, daß es niemandem einfällt, den «Bund für freies Geistesleben» neu zu beleben.

Dr. Kolisko und Dr. Krüger äußern sich dazu.

Dr. Steiner: Wir haben neulich unsere Forscher zusammengerechnet. Von diesen elf Forschern scheint sich kein einziger für den «Bund für freies Geistesleben» interessiert zu haben, trotzdem gerade das freie Geistesleben der Boden sein müßte, auf dem diese Forscher stehen.

Dr. Streicher sagt etwas dazu.

Dr. Steiner: (Notiz von Dr. Heyer: Der «Bund für freies Geistesle­ben» sollte Menschen gewinnen, die erst suchen nach einem Stand­punkt.) Es gibt zahlreiche Menschen, die nach Standpunkten suchen. Wenn die Anthroposophische Gesellschaft selber so begründet wor­den wäre wie diese Gründung, daß man nämlich auf das Papier nur 12 Unterschriften setzte und dabei stehengeblieben ist (Notiz von Dr. Heyer: «Kurulische Stühle»), dann wäre die Anthroposophische Ge­sellschaft gar nicht da. Der «Bund für freies Geistesleben» könnte ein guter Vortrupp für die Anthroposophische Gesellschaft sein dadurch, daß Leute, die zunächst nicht Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft werden wollen, die aber teilnehmen wollen an einem realen Geistesleben, das sich in unabhängiger Weise aufbaut, mitma­chen würden. Man hat bisher nichts dazu getan, wie unsere Forscher überhaupt nichts getan haben. Es müßte auch da möglich sein, daß jemand sich dahinter stellte, um für diese Idee eine Art Vortrupp für die Gesellschaft zu sein. Warum sollten diese Dinge nicht möglich sein? Warum sollte so etwas nicht gemacht werden können?

Ein Symptom für diesen ganzen Problem-Komplex sind Sie selbst. Ihr Herberufen ist nur dadurch zustandegekommen, hatte nur da­durch einen Sinn, weil man die Dreigliederungsbewegung als «Bund

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für freies Geistesleben» auffaßte. Nun hat man - von der Zeit an, wo man Sie herberufen hat, bis zu der Zeit, wo Sie gekommen sind -vergessen, wozu man Sie berufen hatte.

Dr. Kolisko: Für das Wissenschaftliche würden sich viele Menschen interessieren.

Dr. Steiner: Versuchen Sie einmal, die schwere Masse des Forschungs­instituts auf die Beine zu bringen, so daß die bei der Delegiertenver­sammlung wie ein Block hinter Ihnen steht.

Es wird die Frage besprochen, wer ein Referat über die Institute übernehmen wird.

Dr. Steiner: Es wird nur die Frage zu entscheiden sein, ob jemand spricht, der darinnen ist, oder jemand, der draußen ist.

Es wird festgesetzt, daß Strakosch und Maier über das wissenschaftliche For­schungsinstitut sprechen werden. Dr. Palmer soll über das Klinisch-Therapeuti­sche Institut sprechen, Emil Leinhas das Korreferat übernehmen.

Dr. Steiner: Sie haben sich geirrt mit dem Vergleich vom Pferd. Mit den primitivsten Mitteln ist angefangen worden. Die Sache hat erst angefangen zu stoppen, als das Pferd mit der richtigen Aufzäumung in Trab gebracht werden sollte.

Dr. Kolisko und Emil Leinhas sprechen über die Frage der Propagierung.

Dr. Steiner: Bei der Delegiertenversammlung sollte eine Art menschli­ches Vertrauen inauguriert werden. Es sollte wenigstens ausgenützt werden, daß man eine Reihe von Vertretern der Gesellschaft hier hat, die mitarbeiten an der Verbreitung der Mittel. Aus der Art und Weise, wie geredet wird, müßte folgen, daß die Anthroposophische Gesell­schaft eine Art Mitarbeiter würde in der Verbreitung der Sache. Von seiten der Ärzte müßte jemand auftreten, der die ganze Bedeutung der medizinischen Strömung darlegt, der die Vorrede spricht zum Vade­mecum. Auf medizinischem Gebiet ist es furchtbar leicht, eine Sache hinzustellen, die wie eine Bombe einschlägt. Solche Dinge, die schließ­lich von den Fachleuten entschieden werden müssen, kann man aber nicht auf einer Delegiertenversammlung entscheiden. Da käme nur ein Gerede heraus. Das sollte man so machen, daß man die Gelegenheit benützt, um die Gesellschaft zur Mitarbeiterin in dieser Sache zu machen. Man muß nur denken, wie leicht sich die Leute für zwei Gebiete interessieren: das religiöse und das medizinische; weil sich die

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Leute fürchten für die Seele nach dem Tode und für den physischen Leib vor dem Tode. Diese zwei Gebiete sind am allerleichtesten zu bearbeiten.

Dr. Palmer spricht zu dieser Sache.

Dr. Steiner: Von speziellen Dingen würde ich glauben, daß es wün­schenswert wäre, hinzuweisen auf die Zentrifuge.

Das ist so, wie wenn zwei Eheleute sich streiten. Keiner ist schuld, die Schuld liegt in der Mitte.

Es wird über die Zweigarbeit verhandelt.

Dr. Steiner: Es kann höchstens über die Ergebnisse der Zweigarbeit verhandelt werden. Man kann da keine Direktiven geben. Man kann nur eine Aussprache über die Erfahrungen machen, welche die Ergeb­nisse betrifft, die dabei erzielt worden sind. Aber jedenfalls muß vermieden werden, in die Freiheit der Zweige einzugreifen.

Jürgen von Grone: Ich bin dafür, daß man über die Jugendbewegung keine Rede hält.

Dr. Steiner: Es handelt sich darum, daß sich jemand findet, der vom anthroposophischen Gesichtspunkt aus über die Jugendbewegung re­det. Es kann sich doch nur darum handeln, wie weit man fördernd eingreifen muß, um unter der Jugend den Nachwuchs zu haben. Es ist eine delikate Frage. Dadurch, daß der Zusammenhang zwischen den Generationen ganz abgerissen ist, ist die Jugend leicht obstinat zu machen, wenn man ihr väterlich, mütterlich oder tantig entgegen­kommt. Man darf ihr nicht schmeicheln, nicht ungerecht werden und nicht schmeicheln.

Emil Leinhas spricht darüber.

Dr. Röschl will Dr. Hahn helfen bei der Vorbereitung des Referats über die Jugendbewegung. Dr. Wachsmuth spricht darüber. Es wird die Gegnerfrage behandelt. Dr. Rittelmeyer solle darüber sprechen, er habe eine umfassende Erfahrung. Dr. Stein äußert sich dazu.

Dr. Kolisko: Man sollte die Gegner charakterisieren, zum Beispiel Seiling und Goesch.

Kolisko will den Fall Seiling, Dr. Unger den Fall Goesch übernehmen.

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Marie Steiner: Fräulein von Heydebrand müßte den Fall Schmettau behandeln.

Dr. Steiner: Warum soll man den Fall Schmettau als solchen behan­deln? Der Fall Schmettau ist doch kein Fall, der in Betracht kommt.

Marie Steiner: Aber die Gegner benutzen diesen Fall ---Dr. Steiner: Aber nun ist es so, daß ich sie nur einige Male gesehen habe.

Die Gegner, was weiter im Falle Schmettau - - - Fräulein von Schmettau stand - - - [hier ist eine größere Lücke in den Notiz enl - - -die Dinge sind einfach. Man braucht gar nicht den psychologischen Fall von Ruth von Schmettau zu behandeln. Dagegen Goesch ist psychiatrisch zu behandeln wegen der vielen Indikative und Konjunk­tive. Es muß gezeigt werden, daß einige Menschen ganz gewöhnliche Lügner sind. Bei Goesch muß man nicht davor zurückschrecken zu zeigen, daß die ganze Bande einen Verrückten ernst nimmt. Es müssen die Dinge von der charakteristischen Seite erfaßt werden. Man kann doch nicht die ganze Klatscherei auftischen. Ich glaube nicht, daß es schwer ist, die Sache zu machen.

Dr. Kolisko und andere sprechen über die Vertrauensorganisation und die Lei­tung der Gesellschaft, Leinhas über die Publikationen und den Verlag, die Zeit­schriften »Dreigliederung« und «Anthroposophie«.

Dr. Steiner: Die letzte Nummer der «Anthroposophie» war unbefrie­digend. Es wird da eine Änderung eintreten müssen.

Dr. Kolisko: Die Bekämpfung der Gegner in der «Anthroposophie« muß aufge­nommen werden. Es müssen Artikel über Seiling, Goesch und Leisegang darin erscheinen. Ich denke daran, daß ich einen Artikel über Seiling schreiben werde, einer der Ärzte über Goesch. Die Abonnentenzahl ist viel zu gering.

Dr. Steiner: Die «Anthroposophie» muß auf die kulturelle Basis ge­stellt werden, auf die sie gehört. Die «Anthroposophie» muß der Ausdruck der Bewegung werden.

Man sollte nicht theoretisch reden, man sollte angeben, wie durch die Anthroposophische Gesellschaft die Sachen getragen werden können.

Dr. Heyer spricht dazu.

Marie Steiner.' Es wird noch eine Schülervorstellung gegeben werden.

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Aufruf und Einladung zu der Delegiertentagung

#TI

AN DIE MITGLIEDER DER

ANTHROPOSOPHJSCHEN GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND

#TX

Liebe Freunde!

Die Anthroposophische Gesellschaft ist in eine neue Phase ihrer Entwicklung eingetreten. Es gilt diese mit vollem Bewußtsein zu erfassen und die anthro­posophische Arbeit danach zu gestalten. In früheren Jahren mochte es genü­gen, die Ergebnisse der Geistesforschung mit offenem Sinn und empfängli­chem Herzen aufzunehmen und ihr in kleineren Kreisen Stätten zu bereiten. In den letzten Jahren ist die anthroposophische Bewegung mehr und mehr eine Weltbewegung geworden. Diese Tatsache stellt neue Anforderungen an diejenigen, die Anthroposophie vor der Welt vertreten wollen. Das ergibt sich sowohl aus dem inneren Fortschritt der Anthroposophie als auch aus dem Wandel der allgemeinen Zeitverhältnisse. Die Erkenntnis der Fruchtbarkeit der Anthroposophie für alle Gebiete des Lebens gab einer Reihe von Persön­lichkeiten seit dem Jahre 1919 den Mut, eine Reihe von Unternehmungen im Sinne der anthroposophischen Weltanschauung und ihrer Auswirkung in der Lebenspraxis zu begründen. Diesem Wollen kam Dr. Steiner entgegen im Vertrauen darauf, daß sich diejenigen, welche die Unternehmungen in Angriff nahmen, auch mit unbeugsamem Willen für die Durchführung einsetzten. Angesichts der Tatsache, daß in weiten Kreisen der Anthroposophischen Gesellschaft die Meinung Platz gegriffen hat, Dr. Steiner sei selbst der Be­gründer solcher Unternehmungen, ist es unsere Pflicht, zu betonen, daß dies nicht der Fall ist. Die volle Verantwortung liegt vielmehr bei denjenigen, die sie begründet haben. Wie Anthroposophie das Leben befruchtet, dort, wo sie aus ihren eigenen inneren Impulsen heraus wirken kann, zeigen solche Schöp­fungen wie das nun vernichtete Goetheanum und die eurythmische Kunst, welche sich unter der Leitung von Frau Marie Steiner in den letzten Jahren in ungeahnter Weise entfaltet hat. Sie haben in der Welt Anerkennung gefunden als Schöpfungen von allgemein menschlicher Bedeutung. Ebenso hat die Freie Waldorfschule in Deutschland und weit darüber hinaus durch die aus anthro­posophischer Geisteserkenntnis geborene Pädagogik die größte Beachtung gefunden. Auf dem Gebiet des praktischen Wirtschaftslebens war es möglich

- trotz der heftigen Anfeindungen, die gerade auf diesem Gebiet aus alten Anschauungen heraus auftraten -, die Aktiengesellschaft «Der Kommende Tag» so auszubauen, daß dieses Unternehmen seine wichtige Aufgabe inner­halb der ihm durch die allgemeinen Wirtschaftsverhältnisse gezogenen Gren­zen erfüllen kann.

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Dr. Steiner hat die Wege gewiesen, wie die wissenschaftliche Arbeit durch übersinnliche Erkenntnisse befruchtet werden kann. Dadurch ergeben sich aber für die anthroposophische Arbeit gewaltige Aufgaben. Der Wissen­schaftler kann ihnen nur gerecht werden, wenn er in sein Forschen anthropo­sophische Methode einfließen läßt, wie es z. B. in der Arbeit über die Milz­funktion von Frau L. Kolisko aus dem Wissenschaftlichen Forschungsinstitut geschehen ist. Wer die Schwierigkeiten kennt, mit denen die Forschung auf diesem Gebiete bisher zu kämpfen hatte, muß eine solche Entdeckung, wie sie in dieser Schrift hingestellt ist, als den epochemachenden Anfang einer neuen Erkenntnis von der Natur des menschlichen Organismus begrüßen. Die Arbeit von Dr. Hermann von Baravalle »Zur Pädagogik der Mathematik und Physik» bedeutet auf ihrem Gebiete eine Leistung von ähnlicher Wichtigkeit. Die Schrift über experimentelle Pädagogik von Dr. C. von Heydeb rand muß als eine Tat auf dem Gebiet der Pädagogik bezeichnet werden. Sie ergibt eine geradezu vernichtende Kritik der grotesken Ausartungen der Experimental­Psychologie und -Pädagogik, der sie zum erstenmal positive Ergebnisse der geisteswissenschaftlichen Erziehungskunst entgegenstellt.

Wie sollen diese Leistungen von der äußeren Wissenschaft berücksichtigt werden, wenn sie nicht in unseren eigenen Reihen in ihrem vollen Umfang gewürdigt werden?

Über solche positiven Ergebnisse hinaus ergibt sich aus vielen Hinweisen Dr. Steiners, wie in Fortsetzung berechtigter naturwissenschaftlicher For­schung sich gerade der Forscher selbst auf den Weg zur übersinnlichen Erkenntnis gestellt sehen kann. Diesen wichtigen Aufgaben muß die Anthro­posophische Gesellschaft, wenn sie die wahre Trägerin anthroposophischen Lebens sein will, lebendiges Interesse zuwenden. Die Pflege des geisteswis­senschaftlichen Erkenntnisweges ist Hauptaufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft. Das gegenwärtige Bewußtsein ist in vielen Menschen in einer Umwandlung begriffen, die so manchen in ein seelisches Chaos hineinzutrei­ben droht, wenn ihm nicht anthroposophische Arbeit Kraft zur Gestaltung entgegenbringt.

Die Jugend trägt eine Kraft neuen Werdens in sich. Aus der dumpfen Atmosphäre der Hörsäle, die manchmal auch noch bei unseren Hochschulkur­sen zu fühlen war, strebt diejugend dahin, wo sie die Anthroposophie als solche findet. Ihrem Verlangen nach gesunder Verinnerlichung muß Anthroposophie so entgegentreten, daß sie Erkenntnis, Gemüt, moralisches und religiöses Streben ergreift. Eine ältere Generation, die den Weg der inneren Seelenent­wicklung im Sinne der Anthroposophie beschritten hat, kann in keinen Gegensatz zur Jugend kommen, da diese Entwicklung jugendliche Kräfte in allen Seelen erweckt. Auf dieser Grundlage des anthroposophisch-seelischen Entwicklungsstrebens gibt es keinen Gegensatz zwischen Alter und Jugend.

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Der Verleumdungsfeldzug unserer Gegner verlangt einen mit sachlicher Deutlichkeit geführten, energisch betriebenen Gegenfeldzug. Diejenige Geg­nerschaft, welche Dr. Steiner aus der Begründung der anthroposophischen

Geisteswissenschaft erwachsen ist, wäre von keiner erheblichen Bedeutung gewesen. Eine gefährliche Gegnerschaft entstand erst seit der Begründung der verschiedenen Unternehmungen seit 1919. Diese letztere Art der Gegner­schaft griff törichte Behauptungen ehemaliger Mitglieder auf und verwendete sie als Mittel für ihre Absicht, die Anthroposophie aus der Welt zu schaffen. So brachte es eine skrupellose Gegnerschaft fertig, mit einer Flut von Ver­leumdungen die Person Dr. Steiners zu überschütten.

Es ist die Aufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft und besonders derjenigen, welche die Anthroposophie auf allen Gebieten nach außen vertre­ten wollen, diesen Verleumdungen energisch entgegenzutreten, um endlich Dr. Steiner in wirksamer Weise vor solchen Angriffen zu schützen. Vor allem gilt es Verleumdungen, wie sie z. B. in den «Psychischen Studien» enthalten sind und welche dann von fast allen Gegnern kritiklos kolportiert worden sind, dadurch energisch zu bekämpfen, daß ihre Urheber charakterisiert und an den Pranger gestellt werden.

So gab es in München einen Menschen, der Dr. Steiner durch seine fanatische Anhängerschaft besonders lästig fiel, indem er z. B. versuchte, ihm bei jeder Gelegenheit die Hände zu küssen. Nachher verwandelte er sich aus gekränkter Eitelkeit in einen ebenso fanatischen Gegner. Aus dieser Schmutz-quelle schöpften alle die anderen Gegner. Den Charakter unserer Gegner beleuchtet auch ein Beispiel aus der neuesten Zeit. Ein Privatdozent einer altberühmten Universität versuchte unter dem Deckmantel wissenschaftli­chen Interesses unveröffentlichtes Material von uns zu erlangen. Ungefähr um dieselbe Zeit bewies er seinen Mannesmut dadurch, daß er einige unserer Mitglieder bat, ihn in der polemischen Auseinandersetzung - wie er sagte -nicht so wie den Prof. Drews zu behandeln und ihm so seine Karriere zu verderben. Auch die Methode vieler dieser neuen Gegner muß gekennzeich­net werden. Sie haben ein Zerrbild der Anthroposophie vielfach unter Miß­brauch ihrer offiziellen Stellungen oder wissenschaftlichen Autorität den Zeitgenossen aufzudrängen versucht, indem sie zahlreiche aus dem Zusam­menhang gerissene Stellen aus den Büchern und Vorträgen Dr. Steiners böswillig zusammengestellt haben. Diesem Zerrbild muß von unserer Seite durch sachgemäße Vertretung das wahre Bild des anthroposophischen Gei­stesgutes entgegengestellt werden.

Wir sind es der Anthroposophie schuldig, daß bei ihren Vertretern eine durch selbständiges Erleben des Geistigen geschaffene Seelenhaltung zum Ausdruck kommt, welche sie befähigt, die Anthroposophie in voller Würde so hinzustellen, daß alle Menschenseelen den Weg zu ihr finden können. Es

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werden auch Behauptungen der Gegner wie z. B., daß die übersinnlichen Erkenntnisse über vergangene Menschheitszustände keine Bedeutung für das wirkliche Leben haben, ihre Widerlegung finden einfach durch das Lebens-verhalten der Anthroposophen selbst, wenn diese Erkenntnisse in der Zweig­arbeit und dem individuellen Leben so gepflegt werden, daß offenbar wird, was sie den Menschen an Erkraftung der Persönlichkeit und an Erleuchtung des Daseins zu geben vermögen. Die Erkenntnisse vom vorgeburtlichen und nachtodlichen Leben werden dann nicht abstrakt dogmatisch an die Men­schen herankommen, wenn sie als ethische Kraft unmittelbar fühlbar werden. Die Neubelebung des Christentums durch die anthroposophischen For­schungsergebnisse wird dann nicht als eine bestreitbare Behauptung oder als ein unsicheres Versprechen vor die Menschen hingestellt werden, wenn sie ihnen aus der ganzen Haltung der Anthroposophen selbst entgegentritt.

Dringend notwendig ist auch, im Hinblick auf die Stärke der Gegner­schaft, daß alle in der Anthroposophischen Gesellschaft vorhandenen leben­digen geistigen Kräfte weder in der Vereinsamung erlahmen noch sich in Gegensätzlichkeiten zermürben, sondern im freien Zusammenwirken sich voll entfalten, und daß von der Leitung der Gesellschaft aus jeder im echt anthroposophischen Geist Tätige möglichst zur vollen Wirksamkeit im Dienst der gemeinsamen Sache gefördert wird. Es muß ein menschliches Verhältnis unter den einzelnen Anthroposophen entstehen. Nach neuen be­weglichen Formen muß gesucht werden, wie die Anthroposophische Gesell­schaft aus ihrer Absperrung und Selbstabsperrung heraus zu einer vielseitigen Vermittlerin ihres Geistesgutes wird. Jede Leitung der Gesellschaft wird unterstützt und zugleich beweglich erhalten werden müssen durch eine leben­dige Organisation von Vertrauenspersönlichkeiten, die sich für die Gesamtar­beit mitverantwortlich fühlen werden.

Was wir in diesem Aufruf aus unserem Empfinden für die neuen Aufgaben der Anthroposophischen Gesellschaft nur in Umrissen dargestellt haben, möchten wir einer Vertreterversammlung zur Beratung vorlegen. Bei der außerordentlichen Tragweite der Entscheidungen, die wir treffen müssen, bitten wir die Arbeitsgruppen in Deutschland, solche Persönlichkeiten, denen eine Neugestaltung der Anthroposophischen Gesellschaft warm am Herzen liegt, zu einer vom 25. bis 28. Februar in Stuttgart stattfindenden Tagung zu entsenden.

Bis zur Vertreterversammlung werden wir Unterzeichneten die leitende Vertrauenskörperschaft für die Angelegenheiten der Anthroposophischen

Gesellschaft bilden. Stuttgart, den 13. Februar 1923.

Jürgen v. Grone, Dr. Eugen Kolisko,

Johanna Mücke, Emil Leinhas, Dr. Otto Palmer, Dr. Friedrich Rittelmeyer, Dr. Carl Unger, Wolfgang Wachsmuth.

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AN DIE ARBEITSGRUPPEN DER

ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND

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Liebe Freunde! Stuttgart, den 13. Februar 1923

Aus dem Aufruf, den wir Ihnen hiemit überreichen, werden Sie ersehen, von welcher Bedeutung für die Anthroposophische Gesellschaft die vom 25. bis 28. Februar 1923 stattfindende Delegierten-Versammlung sein wird. Wir le­gen in dem Aufruf zugleich diejenigen Gesichtspunkte vor, die wir als wesent­lichste Grundlagen für die Beratungen ansehen. Wir dürfen die Hoffnung aussprechen, daß, wenn Sie nun die Delegierten Ihres Vertrauens zu dieser Versammlung entsenden, wir alle gemeinsam in der Lage sein werden, in brüderlicher Gesinnung unsere Angelegenheiten zu beraten und zu ordnen.

Wir möchten Ihnen in der Art, wie Sie Ihre Delegierten bestimmen wollen, auch in der Anzahl der Delegierten, völlig freie Hand lassen; insbesondere halten wir es für gut, wenn sich auch solche Gruppen vertreten lassen, welche innerhalb oder außerhalb der anerkannten Arbeitsgruppen gemeinsame an­throposophische Arbeit leisten. Außer den Delegierten ist jedes Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft zur Teilnahme an den Beratungen berechtigt. Es wird gebeten, Delegierten-Ausweise und Mitgliedskarten mitzubringen. Während der Tage der Versammlung werden Räume zu freien Zusammenkünften, Gruppenberatungen, Einzelbesprechungen usw. zur Verfügung gestellt werden können.

Über die Versammlung wird ein eingehender Bericht erstattet werden.

Wir werden versuchen, einer beschränkten Anzahl Delegierten freie Un­terkunft bei unsern hiesigen Mitgliedern zu verschaffen. Wir bitten daher, die Namen der Delegierten, die darauf an gewiesen sind, und Wünsche wegen der Unterbringung evtl. telegraphisch hierhergelangen zu lassen.

Falls es einzelnen der Arbeitsgruppen finanziell schwer fallen sollte, ihre Delegierten hierherzusenden, bitten wir um rasche Benachrichtigung, damit es uns möglich ist, nach Maßgabe der vorhandenen Mittel auszuhelfen.

Alle Zuschriften in Angelegenheit der Delegierten- Versammlung bitten wir zu richten an Herrn Jürgen von Grone, Stuttgart, Champignystr. 17, und mit dem Vermerk «Delegierten-Versammlung» zu versehen.

Wir machen aufmerksam, daß die Angelegenheit eine äußerst dringende ist, und bitten Sie um schnellste Inangriffnahme der Vorbereitungen zur Bestimmung der Delegierten.

Mit herzlichen anthroposophischen Grüßen

Jürgen von Grone, Dr. Eugen Kolisko, Emil Leinhas,

Johanna Mücke, Dr. Otto Palmer, Dr. Friedrich Rittelmeyer,

Dr. Carl Unger, Wolfgang Wachsmuth

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Zum Programm der Delegierten- Versammlung

Am Sonntag, den 25. Februar 1923, abends 8 Uhr, Landhausstraße 70 Versammlung der Delegierten.

Die weiteren Beratungen finden im Gustav-Siegle-Haus, Stuttgart, Leon­hardsplatz, statt, und zwar Montag, den 26. Februar, 9 bis 12Uhr vorm., 3 bis 6 Uhr nachm. und 8 bis 11 Uhr abends. Dienstag, den 27. Februar, 9 bis 12Uhr vorm. und 2 1/2 bis 4V2 Uhr nachm. Mittwoch, den 28. Februar,

9 bis 12Uhr vorm. und 2½ bis 4½ Uhr nachm.

Dienstag, den 27. Februar, abends 5 Uhr, Landhausstraße 70 Darbietung eurythmischer Kunst

unter Leitung von Frau Marie Steiner. Die Aufführung wird am Mittwoch,

den 28. Februar, abends 5 Uhr, daselbst wiederholt.

Dienstag, den 27., und Mittwoch, den 28. Februar, je abends 8 Uhr, im Gustav-Siegle-Haus, Leonhardsplatz

Vortrag von Dr. Rudolf Steiner.

NB: Am l. März werden die Preise der Fahrkarten voraussichtlich wieder eine Erhöhung erfahren, doch ist anzunehmen, daß auch diesmal die am

28. Februar gelösten Fahrkarten drei Tage Gültigkeit besitzen werden.

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ANSPRACHE BEI EINER ZUSAMMENKUNFT

MIT DER JUGENDGRUPPE

über die drei Hauptfragen für die anthroposophische Jugendarbeit

Stuttgart, 14. Februar 1923

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Meine lieben Freunde! Ich denke, ich darf annehmen, daß der vorlie­gende Aufruf an die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland Ihnen allen bekannt geworden ist. Sie haben ja daraus gesehen, daß eingesehen wird in den Kreisen der Anthroposophischen Gesellschaft, daß gewissermaßen das Steuer, wie es bisher namentlich von Stuttgart aus getrieben worden ist, jetzt gedreht werden muß und daß doch ein Bewußtsein vorhanden ist von dem, daß eine solche Wendung in der Steuerung notwendig ist. Die Einzelheiten, die dabei

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in Betracht kommen, werden naturgemäß auf der Delegiertenver­sammlung besprochen werden. Ich glaube, Sie werden ja vorzugsweise Interesse haben an all dem, was da vorgehen wird. Sie haben ja die Gesellschaft in einer bestimmten Verfassung vorgefunden, als Sie selbst aus den äußeren Verhältnissen Ihres Lebens heraus den Weg zur Anthroposophie gesucht haben. Sie haben sich gerade vorgestellt, daß doch irgendwo das gefunden werden muß, was ein junger Mensch sucht aus den Tiefen seiner Seele heraus, es aber nicht finden kann in den Institutionen der heutigen Welt. Sie waren hineingestellt in diese Institutionen und fanden, daß das, was durch die neuere Geschichte kerausgekommen ist, nicht übereinstimmt mit dem, was aus der menschlichen Seele als Menschentum eigentlich gefordert wird. Viel-leicht haben Sie gesucht, wo diese Forderung nach wahrem Men­schentum erfüllt sein würde, und schließlich glaubten Sie dies in der Anthroposophischen Gesellschaft finden zu können. Nun stimmte manches nicht überein mit den Tatsachen, so wie sie da waren. Zu­nächst waren Sie alle es ja nicht, welche dieses Nichtstimmen irgend­wie zu einem Konflikt getrieben haben. Sie haben zwar manches unbefriedigend gefunden, aber Sie blieben zunächst bei der Konstatie­rung dieser Unbefriedigtheit stehen. Dagegen muß schon vor den vergangenen und frischen Tatsachen innerhalb der Anthroposophi­schen Gesellschaft selbst die Tatsache ins Auge gefaßt werden, daß einfach die Anthroposophische Gesellschaft der Entwickelung der Anthroposophie nicht nachgekommen ist, und daß ins Auge gefaßt werden muß, inwieweit etwas ganz Neues geschaffen werden muß oder die alte Anthroposophische Gesellschaft mit einem völlig neuen Impuls weiterzuführen ist.

Das ist von den Persönlichkeiten, die in engerem oder weiterem Umfang an der Führung beteiligt waren, ins Auge gefaßt worden:

Manche alte Sünde, die ja meist in Unterlassungen bestand und in bürokratischen Formen, manche bürokratische Form zu verlassen und den Versuch zu machen, im Einvernehmen mit den Vertretern der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland zunächst die Grundlage zu schaffen, auf der die Gesellschaft weitergeführt werden kann.

Es ist ja in Stuttgart so, daß man sagen muß, die Entwickelung der letzten Jahre hat hier zusammengeführt eine große Anzahl ausgezeich­neter Arbeiter. Als Einzelpersönlichkeiten sind sie ja ausgezeichnete

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Leute, auf einen Haufen zusammengebracht sind sie in ihrer Art ja eine wirklich große Bewegung. Aber wie auch schon hier eine der leitenden Persönlichkeiten gesagt hat, jeder steht dem andern im Wege. Das ist eigentlich auch in vieler Beziehung hier das Unfruchtbare gewesen. Jeder einzelne hat seinen Posten ganz gut ausgefüllt. Man kann mit der Waldorfschule im höchsten Grade zufrieden sein. Aber die eigentliche Anthroposophische Gesellschaft, trotzdem die Anthroposophen da waren, ist im Grunde nach und nach verschwunden, begann sich, man kann nicht einmal sagen, in Wohlgefallen, sondern in Mißfallen aufzu­lösen. Diesem Zustand muß ein Ende gemacht werden, wenn die Gesellschaft nicht vollständig zerfallen soll.

Dieses haben Sie ja offenbar sehr deutlich bemerkt und sich dann Ihre Ansichten gebildet. Aber es ist ja doch notwendig gewesen, daß die Anthroposophische Gesellschaft aus ihren alten Stützen heraus sich wieder eine Form gibt. Denn immerhin liegt ja in dem Gros der Anthroposophischen Gesellschaft die Arbeit von dreiundzwanzig Jahren vor. Viele, die darin sind, sind in einer ganz anderen Lage und finden ja doch etwas vor, was besteht: Auch wenn der Zweig zerfällt, die einzelnen Anthroposophen bleiben, und die Anthroposophie fin­det schon ihre Verbreitung; zum Beispiel Frau Wolfram, die in Leipzig durch lange Jahre den Zweig geführt hat und dann zurückgetreten war von der Leitung, hat vor kurzem eine Ortsgruppe des «Bundes für freies Geistesleben» gegründet, im bewußten Gegensatz gegenüber dem dortigen anthroposophischen Kreise.

Daß die Ersetzung der alten Kräfte durch junge Kräfte allein nicht genügt, zeigt sich in Leipzig, denn der dortige Vorsitzende ist aus der Studentenschaft hervorgegangen. Es muß also der Ausgleich geschaf­fen werden zwischen dem, was durch zwei Jahrzehnte geschaffen ist, und dem, was an junger Kraft hereinkommt.

Der Aufruf soll ja auch in rechter Weise dieses vertreten. Viele Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft haben in dieser Ge­sellschaft ein beruhigendes Element gesucht; es war ihnen dann immer sehr unangenehm, wenn gegen äußere Gegnerschaft etwas gesagt wer­den mußte. Man mußte manchmal scharfe Worte gebrauchen. Aber das wird auch in der Zukunft nicht zu umgehen sein, denn die Gegner­schaft nimmt immer wüstere Formen an. Eine merkwürdige Verteidi­gungsstellung muß darum schon eingenommen werden. Das darf man nicht aus dem Auge verlieren. Die Alten haben es schwer, gute Anthroposophen

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zu sein, nachdem das beruhigende Element in ihnen Gewohnheit geworden ist.

Sobald man in der Anthroposophie so lebt, daß man die Dinge, die man erlebt, wie aus einer Gewohnheit heraus erlebt, so ist dieses etwas sehr Schlimmes. Anthroposophie ist ja etwas, was eigentlich jeden Tag aufs neue erworben werden muß; anders kann man Anthroposophie nicht haben. Man kann nicht bloß sich erinnern an das, was man sich auch einmal zurechtgelegt hat. Und dieser Schwierigkeit, daß der Mensch ja - als ich ganz jung war, sagten wir immer - ein Gewohn­heitstier ist, dieser Tatsache verdankt die alte Anthroposophische Gesellschaft die Schwierigkeiten. Denn Anthroposophie darf nicht zur Gewohnheit werden. Sie werden ja wiederum die Schwierigkeiten finden, daß eben Anthroposophie doch fordert, daß man heraus­kommt über alles auch bloß im erkenntnismäßigen Sinne Egoistische. Der Mensch kann ja natürlich wie andere Lebewesen egoistisch sein. Anthroposophie aber und Egoismus vertrageü sich nicht. Man kann ein leidlicher Philister sein, wenn man Egoist ist, sogar ein leidlicher Mensch. Wenn man als Anthroposoph egoistisch ist, dann verwickelt man sich in fortwährende Widersprüche. Das liegt daran, daß der Mensch eigentlich nicht wirklich mit seinem ganzen Wesen auf der Erde lebt. Wenn er von einem vorirdischen Dasein herunterkommt auf die Erde, so bleibt immer noch ein Stück von ihm im Astralischen, so daß, wenn der Mensch morgens aufwacht, das, was da in ihn hineingeht, nicht der ganze Mensch ist; vom übersinnlichen Menschen stammt eben das, was untertaucht. Der Mensch ist nicht ganz auf der Erde, er beläßt einen gewissen Teil seines Daseins im Übersinnlichen. Und damit hängt zusammen, daß es eigentlich eine vollständig befrie­digende soziale Ordnung nicht geben kann. Eine solche soziale Ord­nung kann nur aus irdischen Verhältnissen stammen. Innerhalb einer solchen sozialen Ordnung können die Menschenwesen nicht ganz glücklich werden.

Ich habe es immer wieder gesagt: Die Dreigliederung ist nicht das Paradies auf Erden, sondern sie zeigt einen in sich möglichen Organis­mus. - Denn das wäre sonst Betrug, da der Mensch nicht allein ein irdisches Wesen ist. Dieser Umstand ist es, an den man sich eigentlich halten muß, um seinen ganzen Menschen wirklich zu fühlen; und das ist es, warum der Mensch niemals mit einer bloß materialistischen Weltanschauung zufrieden sein kann, wenn er sein volles Menschentum

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in sich fühlt. Erst wenn wir dieses so recht fühlen, sind wir eigentlich für Anthroposophie in Wahrheit reif, wenn wir fühlen, wir können nicht ganz auf die Erde herunterkommen, wir brauchen etwas für unseren übersinnlichen Menschen.

Derartiges haben Sie offenbar ganz instinktiv gefühlt, und darauf­hin sind Sie zur Anthroposophischen Gesellschaft gekommen und werden sich klar werden müssen, daß Sie durch diese Tatsache mehr oder weniger Ihre Schwierigkeit fühlen. Denn wenn auf der einen Seite Anthroposophie niemals Gewohnheit werden kann, 50 iSt auf der andern Seite notwendig, daß Anthroposophie nicht in einem Wesen aufgeht, das wirklich von einem bloß irdischen stammt. Denn das, was im Egoismus aufgeht, hängt mit dem Irdischen zusammen. Der Mensch wird also schlechter, wie er als Mensch ist, wenn er übersinn­lich und zugleich egoistisch ist: es wird ein übersinnliches Wesen ganz zum Charakter eines sinnlichen Wesens gemacht. Spirituelles Fühlen und Empfinden verträgt sich nicht mit dem Egoismus. Da fängt das Hemmnis an.

Nun, da liegt aber auch der Punkt, wo die anthroposophische Bewegung zusammenfällt mit dem, was die Jugend von heute wirklich sucht aus dem Umstande heraus, daß jeder Zusammenhang mit der geistigen Welt doch verloren worden ist. Und nun sind die äußeren Institutionen da. Die Jugend flieht sie und sucht nach einem Bewußt­sein von ihrem Menschentum. Aus diesem Gefühl heraus müssen Sie eben versuchen, zurechtzukommen mit dem, was schon da ist und mit Ihrem eigenen Inneren fühlen. Sie müssen die Schwierigkeit, die Sie finden, zusammenhalten mit den Schwierigkeiten, die die andern ha­ben, dann wird der Weg gefunden werden können, daß wir für die nächste Zeit tatsächlich eine starke Anthroposophische Gesellschaft -auch in dem Kreise, der die Verinnerlichung sucht -, eine starke anthroposophische Bewegung bekommen.

Wenn Sie diesen Weg gehen, werden Sie durch manche Entbehrung und durch manche Schwierigkeit hindurchgehen müssen, denn die Menschheit will eine solche Bewegung nicht. Es wird Ihnen manches noch bevorstehen, bevor Sie wirklich so weit sind, daß Sie wirklich mit Ihrem ganzen Menschen fest mit der Sache verbunden sind. Dann wird sich auch die Anthroposophie unter allen Umständen geltend machen. Das Zerbrechen der zivilisierten Welt ist ein so starkes, daß Europa nicht mehr lange Zeit haben wird, wenn es nicht zum Geist sich

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wendet. Nur aus dem Geist heraus kann ein Aufstieg kommen! Daher muß das Geistige unbedingt gesucht werden, und in diesem Streben haben Sie recht getan, haben Sie den richtigen Weg eingeschlagen. Jetzt handelt es sich nun darum, daß die Arbeit aufgenommen werden wird für die nächste Zukunft. Und um da noch einiges zu hören, was Sie sich vorstellen, wie Ihre Intentionen sich gestalten werden, sind wir heute ja zusammengekommen.

LAnschließend folgt eine Fragenbeantwortung, ganz abgedruckt in GA 21 7a. Hier wird nur wiedergegeben, was auf den Gesellschaftszusammenhang Bezug hat:] Ein Teilnehmer: Üher die Schwierigkeiten der Studenten, sich mit anthroposophi­schen Arbeiten geltend zu machen.

Dr. Steiner: Die Anthroposophische Gesellschaft muß einsehen ler­nen, wie wichtig es ist, daß nicht das, was an Leistung in ihrem Rahmen da ist, unbeachtet liegen bleibt; sie muß zur Anerkennung der Leistungen kommen. Sie muß Arbeiten, wie die von Dr. von Baravalle oder die Broschüre von Caroline von Heydebrand «Gegen Experi­mentalpsychologie und -pädagogik» werten lernen. Nach und nach muß es auch so werden, daß - angenommen, unsere Forschungsinsti­tute würden die Aufgaben schon gelöst haben, die in den naturwissen­schaftlichen Kursen und Zyklen liegen-, daß es dann dahin kommt, daß selbst die Gegner sagen, da ist etwas vorhanden, vor dem sie Achtung haben, was in der Anthroposophischen Gesellschaft gearbei­tet wird. Man muß sich schulen, menschliche Leistungen anzuerken­nen. Heute wird der Student, der eine anthroposophische Dissertation macht, zurückgewiesen! Die Gesellschaft muß zu einer Stätte werden, in der derartige Dinge «das Gewissen» werden, so daß es nicht mehr vorkommen kann, daß ein Professor eine anthroposophisch orien­tierte Arbeit aus diesen Gründen ablehnt. Die Forschungsinstitute, in denen Menschen der Praxis sind, müssen dahinterstehen, so daß der Student, der in einem Seminar arbeitet oder eine Doktorarbeit macht, diese auch zugestanden bekommt. Die Anthroposophische Gesell­schaft muß so werden, daß der Professor eine anthroposophisch orien­tierte Seminararbeit oder Dissertation annehmen muß, sofern sie sub­stantiell genug ist, weil er Sorge hat, daß er die Anthroposophische Gesellschaft sonst auf den Hals bekommt.

Dr. Steiner fragt, ob Vertreter der Jugend zur Delegiertenversamm­lung kommen.

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Ein Vertreter der Jugend sagt einiges zur Delegiertenversammlung.

Dr. Steiner: Es wäre gut, wenn in möglichst kompendiöser Form mit völligem Ernst etwas vorgebracht würde über die drei Hauptfragen, um die es sich hier handeln muß:

Erstens: Wie steht es überhaupt mit der studentischen- undjugend­bewegung?

Zweitens: Was macht jemand, der sein volles Menschentum aus der Anthroposophie heraus fühlt, an den Hochschulen für Erfahrungen?

Drittens: Was erwartet der akademische und jüngere Mensch von der Anthroposophischen Gesellschaft?

Diese Dinge müssen natürlich dadurch zur Wirksamkeit gebracht werden, daß man sie in einer eindringlichen Weise erfaßt. Wie es mit unseren Bildungsanstalten um die Wende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gestanden hat, hat Nietzsche in eindringlicher Weise gezeigt. Er hat glänzend geschildert, wie die Bildungsanstalten sein müßten und was er von ihnen erwartet. Leider ist Nietzsche ja fast vergessen. Heute würde das überboten werden müssen, was Nietzsche damals geschildert hat. Diese drei eben charakterisierten Fragen sind die wichtigsten. Und wenn es gelingt, daß überhaupt die Persönlich­keiten in das Zentrum der Anthroposophischen Gesellschaft hinein­kommen, die nicht nur auf ihrem Gebiet das höchste Interesse haben, sondern auch Aufmerksamkeit für alles das, was in der Gesellschaft und überall vorgeht, dann wird alles gut werden. Das Interesse und die Aufmerksamkeit hat gefehlt. Es zeigt dies die Tatsache, daß das Ent­stehen der religiösen Bewegung bis zum Moment ihres Auftretens nicht bemerkt worden ist. Aufmerksamkeit und Interesse für alles muß einziehen in die Anthroposophische Gesellschaft. Denn es ist schon so, daß Gedanken nicht wachsen, sie bleiben unverändert, daß aber Aufmerksamkeit und Interesse wächst und Früchte tragen kann.

Man muß vor allen Dingen klar und entschlossen den Weg in die übersinnlichen Welten suchen und gehen. Dann wird man auch das richtige Verhältnis zu den Menschen finden. Und umgekehrt: Hat man das richtige Verhältnis zu den Menschen gefunden, dann ist man auch nicht mehr weit von dem Eintritt in die übersinnlichen Welten.

Die sechsten und zugleich letzten Stuttgarter Verhandlungen vor der Delegiertentagung am 24. Februar 1923

#G259-1991-SE346 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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Die sechsten und zugleich letzten

Stuttgarter Verhandlungen vor der Delegiertentagung

am 24. Februar 1923

SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS

Stuttgart, 24. Februar 1923

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Dr. Steiner: Es kommt darauf an, daß die Anthroposophische Gesell­schaft geltend macht, was sie will.

Emil Leinhas: Es soll vorgetragen werden, was zu den Referaten [über die ver­schiedenen Institutionen an der Delegiertenversammlung] noch zu sagen ist.

Mehrere: Heyer, Stein, Maier, Hahn, Stockmeyer, Ritte/meyer, Krüger und Lein­has sprechen über den «Bund für freies Geistesleben». Man solle ihm konl,rete Aufgaben für die Jugend stellen.

Dr. Steiner: Der «Kommende Tag» kann die Dinge nicht mehr finan­zieren. Bei den großen Ausgaben, die unsere Institute erfordern, wird es nicht möglich sein, derartige Dinge zu finanzieren. Dann muß sich aber zeigen, daß die Welt sich dafür interessiert. Der «Kommende Tag» könnte nur in der Lage sein, solche Dinge zu finanzieren, wenn er auf eine breitere Basis gestellt werden könnte. Es begegnet einem oft die Meinung, daß sich die Leute nicht dem «Kommenden Tag» an­schließen wollen, wohl aber daran verdienen möchten. Solange dies nicht möglich ist, daß wir alles in den «Kommenden Tag» mit hinein-beziehen, so lange werden wir nichts erreichen können.

Eine große Anzahl von Rednern - Stockmeyer, Kolisko, Werbeck, Baravalle, Heyer, von Grone, Leinhas, Kolisko, Ritte/meyer - sprechen programmatisch über den «Bund für freies Geistesleben« und auch über die Zeitung «Anthroposo­phie«.

Dr. Steiner: Wenn wir zufällig erfahren hätten, daß ein Referat über Eurythmie gehalten werden sollte, so würde man das natürlich depla­ciert gefunden haben. Die Eurythmie hat ihren Inhalt in sich. Es handelt sich wohl darum, daß sich gar nicht die Notwendigkeit ergibt, über die Eurythmie zu sprechen. Denken Sie sich, wenn das Referat über religiöse Erneuerung die Anweisungen darüber enthielte, was die

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Leiter zu tun hätten, zum Beispiel beim Gottesdienst! Dagegen gibt es eine Menge von Agenden, die der Gesellschaft zufallen in bezug auf die Bewegung für religiöse Erneuerung. Auf die gleiche Weise müßten wir reden über solche Dinge wie die Zeitung [«Anthroposophie»] und den «Bund für freies Geistesleben». Dagegen unterhalten wir uns fortwährend über die Substanz der Sache. Das wird nicht die Aufgabe der Delegiertenversammlung sein, sondern es wird die Aufgabe sein, zu zeigen, was die Anthroposophische Gesellschaft als solche dabei zu leisten hat. Sie werden auch das Referat über die Waldorfschule nicht so gestalten [können], daß Sie über den Lehrplan reden, sondern darüber, was die Gesellschaft zu tun hat. Wenn man sich nicht an die Sachen hält, so werden die Leute auseinandergehen. Die Fragen müs­sen so behandelt werden, daß man in der Delegiertenversammlung den Eindruck bekommt: Diese Leute wissen, was sie mit der «Anthropo­sophie» machen, diese Leute wissen, was sie mit dem «Bund für freies Geistesleben» machen.

Nun handelt es sich darum, den Mitgliedern Anregungen zu geben, was die Anthroposophische Gesellschaft zu tun hat, damit die anthro­posophische Bewegung durch sie gespeist werden könne. Auf diesen Punkt müßte die Erörterung konzentriert werden. Man müßte ein Bild geben, zum Beispiel beim «Bund für freies Geistesleben», daß er eine große Berechtigung im ganzen Geistesleben der Gegenwart hat. Man muß mit ein paar Strichen darauf hinweisen, wo die Faktoren sind, aus denen er seine Substanz schöpfen kann. Man müßte zeigen, wie die Gesellschaft das in sich aufnehmen will und was sie dabei tun kann.

Die Frage der Finanzierung beantwortet sich durch die anthropo­sophische Bewegung. Wir haben nie uns um die Finanzierung der anthroposophischen Bewegung gesorgt. Wir haben gar nichts finan­ziert. Der «Bund für freies Geistesleben» wird am besten finanziert sein, wenn man ihn sich selbst finanzieren läßt. Wenn man fortwäh­rend danach trachtet, Fonds zu schaffen, die man ausgibt in der unsachlichsten Weise, bis nichts mehr da ist, und nicht darauf schaut, daß die Sache selbst sich finanziert, so geht es nicht. In der Anthropo­sophischen Gesellschaft haben wir bis 1918 nicht über Finanzierungs­fragen zu sprechen gehabt. Wenn man so reden muß, wie vorhin über Finanzierungsfragen geredet worden ist, so ist das darum, weil man nur an Fonds denkt.

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Dinge, die innerliche Lebenskraft haben, werden sich selbst durch­setzen. Es darf die Gesellschaft am Mittwoch nicht so auseinanderge­hen, daß kein Ergebnis geliefert wird; daß über alles mögliche geredet wird, nur nicht über die konkreten Aufgaben der Gesellschaft, diese großen Aufgaben, die vorliegen für die Waldorfschule, für das For­schungsinstitut, Eurythmie, Kunst. Dann kommt die Erörterung über das Gemeinschaftsleben von selbst in die Diskussion hinein. Wenn wir uns so wie bisher weiter unterhalten, dann gehen die Mitglieder am Schluß wieder so fort, wie sie kommen werden. Es muß gezeigt werden, daß die Dinge da sind und was man mit ihnen zu tun hat. Wenn über die Aufgaben der Gesellschaft geredet wird, wird aus einer solchen Diskussion hervorgehen, daß auch die Zeitung ordentlich redigiert wird.

Es wird über den Verlag [«Kommender Tag»] gesprochen, Wolfgang Wachsmuth, Dr. Kolisko.

Dr. Steiner: Der Verlag des «Kommenden Tages» ist gerade eine Institution für ein freies Geistesleben, was wiederum eine Gabe der Anthroposophischen Gesellschaft ist. Die Gesellschaft müßte diese Tätigkeit fortsetzen.

Die Dankbarkeit muß dadurch zum Ausdruck kommen, daß das Geistesgut verbreitet wird. Aus dem Vorhandensein des Geistesgutes ergibt sich die Verpflichtung, das Geistesgut zu schützen.

Es wird über den Philosophisch-Anthroposophischen Verlag gesprochen.

Dr. Steiner: Der Philosophisch-Anthroposophische Verlag kann zu­frieden sein. Er wird seine Aufgaben erfüllen auch dann, wenn die Gesellschaft wirklich in Tätigkeit tritt. (Notiz von Dr. Heyer: «Er bekommt höchstens neue Aufgaben, wenn die Gesellschaft funktio­niert».) An sich braucht man ihn kaum zu erwähnen.

Marie Steiner: Es war aber doch eine Zeit da, wo man ihn als überwunden hinstellte und über ihn hinauswollte. Es war eine Epoche da, wo er sich hat wehren müssen.

Dr. Steiner: Es handelt sich darum, daß man das, was gut geht, richtig sich entwickeln läßt und auf den wirklichen Schaden hinweist. Der liegt in der Tendenz, daß man etwas tun wollte für den Verlag. Dieses Nicht-sich-Hineinmischen in etwas, was in sich solid begründet ist,

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das ist dasjenige, was die wirkliche Aufgabe ist. Auf eine allgemeinere Note muß man es stellen. Es ist schon früher so gegangen, da ist die Tendenz aufgetaucht, man müsse mit den Dingen etwas tun, die in Ordnung waren. Statt daß man sich bekümmert hat um die Dinge, die in Unordnung waren, hat man sich immer bekümmert um Dinge, die in Ordnung waren.

Marie Steiner: Man hat gedacht, daß die Damenwirtschaft abgetan werden sollte und die Sache weltmännisch werden müsse.

Dr. Steiner: Man erwähnt ihn als in der Sache begründet, in national-ökonomischen Vorträgen als ein Beispiel dafür, das auf einer gesunden Grundlage basiert ist. Man hatte zuerst den Konsum, so daß er auf einer gesunden Grundlage basiert ist. Man muß ihn vom anthroposo­phischen Gesichtspunkt aus erwähnen. Gewiß, man kann auch zuerst einen Rahmen haben und dem nachher einen Inhalt geben. Im Grunde genommen ist der Unterschied bei diesen Verlagen der, daß der Philo­sophisch-Anthroposophische Verlag aus der anthroposophischen Be­wegung hervorgegangen ist, und der «Kommende Tag»-Verlag ist deshalb entstanden, weil man einen Verlag gründen wollte in Opposi­tion gegenüber dem Philosophisch-Anthroposophischen Verlag. Das ist etwas, was hier in Betracht kommt. Das eine ist etwas, was aus anthroposophischen Angelegenheiten heraus notwendig geworden ist; das andere ist etwas, was ungeheuer verknüpft ist mit den Dingen, die aus unsachlichen Gesichtspunkten gegründet worden sind. Alle diese Art Gründungen haben dadurch der Bewegung diese vielen Schwierigkeiten bereitet. Sie glauben gar nicht, welche Schwierigkei­ten es jetzt macht, vor welchen berghohen Schwierigkeiten man jetzt dadurch steht, daß zum Beispiel die Schrulle aufgetaucht ist, die finan­ziellen Angelegenheiten des Goetheanum durch eine Stuttgarter Treu­hand-Gesellschaft verwalten zu lassen. Das ist etwas, was einem wie Fesseln anhängt. Ich bin sogar genötigt gewesen, in den letzten Tagen den Experten zu sagen, man wolle jetzt etwas als vernünftig hinstellen, was ich für unvernünftig angesehen habe. Diese Dinge haben «die wirklich praktischen Leute» begründet, und sie stellen sich heraus als das unpraktischste Zeug, das es geben kann. Gewiß, wenn Stimmung der Persönlichkeit und Energie der Persönlichkeit dahintersteht, kann man in solche recht viel hineingießen. Davon muß in den nächsten Tagen geredet werden. Man kann die Dinge seit 1918 nicht aus der

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Welt schaffen; aber man muß erklären, daß man ihnen einen Inhalt geben will.

Dr. Krüger äußert sich dazu.

Dr. Steiner: Es liegt viel daran, wie die Dinge seit 1918 getrieben worden sind. Es muß der Wille ersichtlich werden, daß die Dinge nicht so weiter getrieben werden, daß sie nicht aus Gesichtspunkten ge­macht werden, die zu der Anthroposophie heterogen sind. Es ist da der rein anthroposophischen Tätigkeit etwas von außen angeflogen. Es ist nicht die Anthroposophie, die einen von der übrigen Welt abschließt. Sie können sogar die Erfahrung machen, daß die Leute von der Anthroposophie durchaus alles mögliche wissen wollen. Die Dinge, die sich daran gereiht haben, die sind es, welche die Anthropo­sophie diskreditieren. Man muß die Dinge schon beim richtigen Na­men nennen.

Ist es notwendig gewesen, daß man 1918 zum Württembergischen Staatspräsidenten gelaufen ist ohne mein Wissen, so daß einem nun diese Dinge angehängt werden? Ist es nötig gewesen, daß man etwas so Unanthroposophisches verquickt hat mit der anthroposophischen Strömung? Diese Dinge sind dasjenige, was uns in den Abgrund geführt hat. Man muß sich bewußt werden, daß die Dinge so nicht gemacht werden dürfen. Ist es notwendig, daß man diesen ganzen Kohl machte? Wenn in den nächsten Tagen nicht geredet wird von den Dingen, auf die es ankommt und bezüglich derer man sich sagen kann:

Da sind Fehler gemacht worden - und die Fehler werden auf die Weise vermieden, daß man sich bewußt wird, in welcher Richtung die Fehler gemacht worden sind und wie man es also anders machen wird-, so kommen wir nicht weiter. Es muß gezeigt werden, daß es auf dieses positive Andersmachen ankommt (Notiz Dr. Heyer: «nicht

).

Ernst Uehli: Ich habe es übernommen, ein Referat über Eurv'thmie zu halten.

Dr. Steiner: Ich benutze nur die Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, daß die Frage behandelt werden muß: Was hat die Gesellschaft zu tun in bezug auf die vorhandenen Probleme? Es kann dabei geredet wer­den über die Dinge, die von unseren anthroposophischen Bestrebun­gen abgeführt haben. Alle diese Bestrebungen hätten auch anthropo­sophisch geleitet werden sollen, wie es bei der Eurythmie der Fall war.

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Alle diese Dinge hätten auch im anthroposophischen Sinne gemacht werden können. Man hat sie aber im bürokratischen Sinne gemacht. Es wäre gerade so, als wenn man die Waldorfschulmethode dadurch verbessern würde, daß man allen möglichen Kohl hineinmischt. In den übrigen Gebieten ist es aber geschehen, daß man allerhand Kohl von außen her hineingemischt hat.

Louis Werheck soll das Referat über die Gegner übernehmen.

Dr. Steiner: Man muß sich auf den Standpunkt der wirklichen Verhält­nisse stellen. Es kommt darauf an einzusehen, daß die Verhältnisse schlechter werden, so daß wir damit zu rechnen haben, daß die Bücher auf dem Wege durch den Sortimentsbuchhandel boykottiert werden. Mit diesem Faktum muß durchaus gerechnet werden. Nun muß in den nächsten Tagen zu unsern Mitgliedern so geredet werden, wie das «Berliner Tageblatt» sich getraut hat, zu seinen Abonnenten zu reden. Die Franzosen haben es im Ruhrgebiet wegen bestimmter Artikel verboten. Das «Tageblatt» hat gesagt: «Wir werden trotzdem Mittel und Wege finden, daß alle diejenigen das Tageblatt weiter bekommen, die es vorher bekommen haben.» Wir können nichts erreichen nach der Richtung hin, daß die Sortimenter die Bücher verzapfen. Wir müssen die Mittel und Wege suchen, wie unsere Literatur verbreitet werden kann.

Dann wird es notwendig sein, daß sich die Zweige zu Verbreitern der anthroposophischen Literatur in realer Weise machen, aber so, daß man es merken kann, daß tatsächlich die Gesellschaft tätig ist für die verschiedenen Gebiete. Wir müssen neue Kanäle suchen. Das emp­fehle ich schon seit zwei, drei Jahren; nur ist es nicht viel berücksich­tigt worden. Um neue Kanäle aufzusuchen, dazu muß man schon sein Hirns chmalz in Bewegung setzen. Zur Kritik gehört nur Gescheitheit. An Genies fehlt es uns ja wirklich nicht. Aber es fehlt am guten Willen. Beim guten Willen muß man das Hirns chmalz in Tätigkeit setzen. Das ist beim Geniewirken nicht nötig. Man kann zugleich ein Genie sein und ein bloßer Automat.

Es wird in bezug auf die Gegnerfrage über den Fall Goesch gesprochen

Dr. Steiner: Sie brauchen sich nur das dicke Elaborat zu nehmen, das der Goesch geschrieben hat, kurz nachdem er ausgeschlossen worden war. Das brauchen Sie sich nur vorzunehmen: fortwährende Wiederholungen,

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Kleinigkeitskrämerei, Berührungsfurcht vor Händedruck und so weiter. Sie können ein absolut sicheres Krankheitsbild aus diesen Dingen zusammenstellen. Ich halte es nicht für richtig, aus seinen eigenen Äußerungen die Dinge zusammenzustellen. Das ist nicht maßgebend. Bei diesen Dingen kann man «Situationen» hinwer­fen. Ich habe die Sache irgendwo erwähnt; man könnte das wissen, nachdem jeder Dreck nachgeschrieben wird. Zum Beispiel schreibt da der Goesch, daß die Kinder acht Tage vor einer großen Schlacht speien. Wenn Sie das Elaborat nehmen, finden Sie alle Symptome, die ein geschlossenes Krankheitsbild ergeben. Dieses klinische Bild habe ich in einem Dornacher Vortrag behandelt.

Die Hauptsache ist die, daß es sich darum handeln würde, daß die Anthroposophische Gesellschaft begreift, was ihre Pflichten sind. Der Fall Goesch ist liegengeblieben; er ist liegengelassen worden. Man hat sich nicht weiter darum gekümmert. Aber wenn die Anthroposophi­sche Gesellschaft da ist und an einen Anforderungen stellt, so wäre sie verpflichtet, die Sachen zu verfolgen. Es handelt sich darum, aufmerk­sam zu machen, welches die Aufgaben der Anthroposophischen Ge­sellschaft in jedem einzelnen Falle sind.

Ebenso einfach ist es bei Seiling klarzumachen. Er ist Gegner geworden bloß aus dem Grunde, weil unser Verlag seine Christus-Broschüre nicht angenommen hat. Es nützt nichts, wenn das in einem Nebensatz steht. Das muß immer wiederum vor die Nase gerückt werden, es muß immer wieder gesagt werden. Die Archive haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Sachen einzusperren und in nichts eine Verantwortung zu übernehmen. So wurden auch die Vorträge, in denen so etwas steht, eingesperrt, so daß die Dinge jetzt zum Skandal geworden sind. Das gehört mit in den Rahmen des Ganzen. Man muß die Gegner richtig charakterisieren.

Der Goesch ist ein Krankheitsfall. Er ist fachmännisch zu ver­nichten, weil er einfach ein pathologischer Fall ist. Viele Leute hätten über ihn eine Abhandlung schreiben können, haben es aber nicht ge­tan. Ich begreife nicht, warum es nicht gelungen ist, diesen Fall Goesch interessant zu finden. Es ist ein interessanter medizinischer Fall. Da muß man wirklich sagen: Jedes einigermaßen psychiatrisch interes­sierte Journal würde diese Abhandlung übernommen haben, wenn statt «Goesch» «y» gesagt haben würde. Heute hätte man dann auf den Goesch hinweisen können. Dazu ist die Psychiatrie berechtigt.

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Es wird über die wissenschaftlichen Kurse Dr. Steiners «Wärme- und Lichtlehre« [GA 320, GA 321] und ihre Herausgabe gesprochen.

Dr. Steiner: Es handelt sich darum, daß Sie selbst das machen, was Sie für notyvendig halten. Bei den Kursen handelt es sich darum, daß ich sie korrigieren müßte, damit sie nicht verschiedenen Kohl enthalten, sondern sinngemäß sind. Wir kommen nicht mehr daran herum, daß alle diese Dinge einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Der eine Kurs hat gehandelt über Wärmelehre. Nun kann, mit Zugrundelegung dieses Kurses, eine Wärmelehre geschrieben werden, wie man gewohnt ist, eine Wärmelehre zu schreiben. Es kann eine Optik mit Zugrundelegung dieses Kurses über Lichtlehre geschrieben werden, so daß die Physiker sehen würden, daß es möglich ist, solche Kapitel auf diese Weise anthroposophisch zu behandeln. Dabei würde es sich zeigen, daß manche Dinge dort flüchtig behandelt worden sind. Man wird darüber nachdenken müssen, wie man dieses und jenes Problem von dem Gesichtspunkt des Kurses aus behandelt. Die be­treffenden Kapitel wären so zu behandeln, daß man, mit Zugrundele­gung dieser Prinzipien, eine Wärmelehre, eine Optik anthroposo­phisch schreibt. Das habe ich deutlich ausgesprochen.

Es kommt immer wieder vor, daß die andern ihre eigene Meinung sagen und dann behaupten, das wäre meine Meinung. Ich habe niemals geäußert, daß dieser Kurs bloß dazu dienen soll, Experimente zu machen. Das ist eine Aufgabe, die nie vollendet ist. Ich weiß nicht, warum man immerfort die eigenen Meinungen so an die Leute heran-bringt, als ob ich sie gesagt hätte. Man kann den Dingen anhören, ob ich sie gesagt haben kann oder nicht.

Dr. von Baravalle: Das ist mir die liebste Antwort. Diese Aufgabe hätte ich in diesem Sinne gerne übernommen.

Dr. Steiner: Ich hätte nicht das mindeste dagegen gehabt, wenn nach der Zeit meines Kurses die Dinge auf diese Weise gebracht worden wären. Die Steffensche Wiedergabe des pädagogischen Kurses ist eine selbständige Arbeit. Aber warum zerbricht man sich immerfort die Köpfe, wie man meine Aufgaben lösen soll? Etwas ganz anderes wäre es gewesen, wenn jemand - in der Art wie Steffen im «Goetheanum» -in der «Anthroposophie» [über die Kurse] berichtet hätte. Die «An­throposophie» muß von sich aus die Aufgaben lösen.

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Es wird über die Verarbeitung des von Dr. Steiner gegebenen Sprachkurses « Geisteswissenschaftliche Sprachbetrachtungen« [GA 299] gesprochen.

Dr. Steiner: Es kann sich nur darum handeln, eine kurze Sprachwis­senschaft als selbständige Arbeit zu schreiben. Ein Zürcher Student hat in seiner Art die Probleme behandelt. Die Stuttgarter sind so faul, daß sie die Sachen im Archiv verstauben lassen. Es wäre eine entspre­chende Terminologie zu finden. Wenn die Stuttgarter das leisten wür­den, was sie könnten, dann würde die Anthroposophische Gesell­schaft die glanzvollste Gesellschaft der Welt sein. Die Dinge, die als Anregung gegeben werden, müssen von mir selbst durchgesehen wer­den. Ich habe gemeint, daß auf Grundlage des sprachwissenschaftli­chen Kurses gearbeitet wird. Statt dessen ist überhaupt nicht damit gearbeitet worden.

Es wird vom Hochschulbund und der akademischen Jugend gesprochen.

Dr. Steiner: Der Hochschulbund war der Drehpunkt der Sache, wo die Dinge angefangen und liegengelassen worden sind. Von dem Hochschulbunde hatte ich von vornherein gesagt, so etwas nähme man sich nur vor, wenn man es auch weiterführen wolle, damit es gelingt. Man hat es liegenlassen. Der Hochschulbund gehört zu den Dingen, die am wesentlichsten das illustrieren, was nicht zu geschehen hat. Dieses Phänomen des Hochschulbundes, von dem man wußte, daß uns dadurch noch die Privatdozenten auf den Hals gehetzt wür­den: mit aller Kaltblütigkeit hat man einen Schlag ins Wasser ausge­führt. Sie haben doch hier Möglichkeiten gehabt, mit einer ganzen Reihe von jungen Leuten zu verkehren und sich also zu überzeugen, was diese Leute sagen, um aus dem, was nun als die traurigen Trümmer geblieben ist, die Grundlagen für etwas Positives zu gewinnen.

Als ich hier, nachdem neulich die erlauchte Versammlung zu Ende war, mit den jungen Leuten zusammensaß [am 14. Februar], da haben die ihre wissenschaftlichen Schmerzen vorgebracht, wollten wissen, was sie als Anthroposophen gegenüber der Wissenschaft zu tun haben. Die jungen Leute sind völlig wild. Sie müssen ihnen das klarmachen:

Die Möglichkeit muß geschaffen werden, daß eine solche freie Hoch­schule befähigt wird, Doktordiplome auszustellen. Das ergibt sich als eine der Aufgaben für die Anthroposophische Gesellschaft, daß etwas gemacht wird mit diesem «Bund für freies Geistesleben», daß er nicht Fiasko macht. Dazu braucht man die jungen Leute. Das können Sie

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nicht mit den alten Tanten machen, das können Sie nur mit den jungen Leuten machen. Dann müssen Sie auch die jungen Leute für die Anthroposophische Gesellschaft haben. Gegenwärtig ist kein Herz da für die Anthroposophische Gesellschaft. Ich habe das Gefühl, den Jungen wäre es am liebsten, wenn es gar keine Gesellschaft mehr gäbe.

Nicht wahr, es kann sich das nur dann ergeben, wenn Sie imstande sind, mit Bezug auf diese jungen Leute wirkliche Begeisterung zu erwecken. Das große Fiasko war dies, daß keine Begeisterung erweckt worden ist. Sie mussen bei den jungen Leuten Begeisterung erwecken. Die Jugend geht mit, wenn Begeisterung erweckt wird. Die nationali­stische Universitäts-Torheit hat die Jugend hinter sich, weil sie eben Begeisterung erweckt hat. Wenn aber die Genialität dazu verwendet wird, trockene Theorien vorzutragen, dann wird die Jugend nicht mitgehen. Schwung muß in der Anthroposophie sein! Warum ist das so in Stuttgart, daß die Genialität nicht benützt wird? Daß man sich sträubt, den Willen zu aktivieren, um den Kopf zu benützen? Warum ist das Sitzorgan das Wirksamste, und warum will die Seele nicht herauf in den Kopf?

Es wird über die Freie Schule und den Weitschulverein gesprochen. Dr. Hahn und Frl. Dr. von Heydehrand sprechen darüber.

Dr. Steiner(?): Gesundes Selbstbewußstein könnte der Gesellschaft bekommen.

Louis Werbeck: Die Gesellschaft sollte sich für die Zentraischule interessieren.

Dr. Steiner: Die Schwierigkeit ist diese, daß zunächst für den ersten Anhub die Leute, die irgendwo leben, nicht ein unmittelbares Inter­esse daran haben, eine Schule in Stuttgart zu unterstützen, in die sie ihre Kinder nicht schicken können, so daß sie sich sagen müssen: Wir unterstützen eine Schule, aber die Wohltat der Schule können wir unseren Kindern nicht angedeihen lassen. Das ist nicht anders zu überbrücken als dadurch, daß man die Sache zur allgemeinen Mensch­heitsangelegenheit macht. Daß man etwas fördert, was von mir schon oft betont worden ist: Die Idee der Freien Schule in der Form eines Weltschulvereins zu propagieren. Dann würden die Leute ihr primä­res Urteil erweitern und sich sagen: Wir sehen ein, durch diese Me­thode können die Schulen besser werden, eine solche Schule als Mu­sterschule muß dasein. - Dann würde man nicht so sehr auf die Detail-Wirksamkeit,

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sondern auf den großen Gedanken der Freien Schule bauen. So etwas müßte populär gemacht werden, an die Zweige heran­gebracht werden. Das müßte als eine allgemeine anthroposophische Angelegenheit aufgefaßt werden, daß die freie Pädagogik behandelt würde. Dann würde sich wirklich etwas erreichen lassen.

Dann würde man durch Beiträge die eine Schule halten können, und die anderen Schulen würde man so behandeln, daß man sagen würde: Ihr könnt sie gründen, wenn ihr das Geld habt, sie auf private Weise zu halten. Aber eine Angelegenheit der Anthroposophischen Gesellschaft ist die eine Musterschule, durch die einfach demonstriert werden soll das Praktische dieser Methodik. Es kommt bei allen Dingen darauf an, daß man sie vor die ganze Welt hinstellt. Dann würde es gehen. Aber die Begründung des Weltschulvereins ist in den Wind geschlagen worden. Ich sehe nicht ein, warum dieser nicht hätte gefördert werden können. Ich sehe nicht ein, warum der Welt­schulverein nicht hätte entstehen sollen. Aber wenn es sich darum handelt, die Genialität in die Tat überzuführen, dann versagen die Kräfte.

In Hamburg ist die Sache verhudelt worden. Was war der Aus­gangspunkt? Pohlmann war gekommen und hatte gesagt, er wolle eine Schule begründen. In dieser Sache ist er allein voll verantwortlich. Heute müßte Pohlmann verpflichtet werden, seinen Verpflichtungen nachzukommen: Er sollte als Privatmann seine Schule gründen. Ich dachte, diese Gemeinschaft würde eine gute sein, denn diese Gemein­schaft Pohlmann und Kändler scheint mir ganz gut zu passen, und das würde gegangen sein. Wenn man nur so etwas in unserer Mitglied­schaft gerade und nicht immer schief nehmen würde! Ich weiß nicht, warum diese Privatschule, die der Pohlmann als Steckenpferd haben will, warum man diese Schule als Zweigangelegenheit haben wollte. Diese Schule hat Herr Pohlmann übernommen, also soll er sie auch durchführen.

Es ist nicht möglich gewesen, den Weltschulverein zu begründen. Denn die Stuttgarter Untugend trat auch außerhalb Deutschlands zutage.

Es ist auch nicht eine Animierung der ausländischen Freunde von Deutschland aus geschehen. Die Schwierigkeit ist die, daß die Leute sich sagen: Wir können unsere Kinder nicht nach Stuttgart schicken. Deshalb müßte man diese Sache auf eine andere Karte setzen.

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Louis Werbeck: Die Leute empfinden es als eine Weltangelegenheit.

Dr. Steiner: Sie können sicher sein: Wären dieselben Verhältnisse heute möglich wie vor dem Kriege - daß nämlich eine große Anzahl von Leuten mit Leichtigkeit ihre Kinder hergeben könnten -, dann würde eine große Anzahl von Eltern an verschiedenen Orten verstreut sein, und die Leute würden viel mehr Herz für die Waldorfschule aus primären Gründen haben. Man muß den sekundären Grund populärer machen: den Gedanken der Freien Schule. Für pädagogische Ideen sind die Menschen leicht zu begeistern. Von einzelnem Lobenswerten abgesehen, herrscht in unserer Gesellschaft das nicht, was Begeiste­rung genannt werden muß. Wie oft habe ich hier in solcher Terminolo­gierungsweise meine Verzweiflung ausgedrückt, wie schwer so ein Dreißigerausschuß in Schwung zu bringen ist! Es herrscht da eine Zähigkeit wie in einem Strudelteig. Es wird alles herausgewürgt. Höchstens wenn geschimpft werden kann, dann herrscht Schwung. In den idealen Dingen fehlt der Schwung. Wenn dieser Schwung doch da hineinkommen könnte! Genialität ist da, aber Schwung und Begeiste­rung müßte in diese Genialität hineinkommen! Man urteilt nicht zu streng, wenn man sagt, daß Begeisterung und Schwung hier zu vermis­sen sind. Die Leute tragen den kurulischen Stuhl mit sich, auch wenn sie gehen. Es werden die Dinge so grenzenlos gescheit erörtert. Diese grenzenlose Gescheitheit, die herrscht auch in der Beurteilung des andern.

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#TI

Die Begründung der deutschen Landesgeselischaft

«Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland» und der

«Freien Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland»

bei der Stuttgarter Delegiertenversammlung

Stuttgart, 25. bis 28. Februar 1923

#TX

Ergebnis der viertägigen Verhandlungen: Auf Vorschlag Rudolf Steiners bildet sich eine deutsche Landesgesellschaft «Antliroposophische Gesellschaft in Deutschland« und eine «Freie Antliroposophische Gesellschaft in Deutschland« für jene hauptsächlich jüngeren Mitglieder, die sich in der bisherigen Gesellschaft nicht heimisch fühlten.

Die Leitung der «Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland» über­nimmt weiterhin das sogenannte Neunerkomitee: Dr. Carl Unger als Repräsen­tant der Anthroposophischen Gesellschaft, Emil Leinhas als Leiter des «Kom­menden Tages», Dr. Eugen Kolisko als Leiter der Forschungsinstitute, Johanna Mücke als Leiterin des Philosophisch-Anthroposophischen Verlages, Dr. Fried­rich Rittelmeyer als oberster Lenker der Bewegung für religiöse Erneuerung, Dr. Otto Palmer als Leiter des Klinisch-Therapeutischen Institutes Stuttgart, Jürgen von Grone als Redakteur der Zeitschrift «Anthroposophie», Dr. Wolfgang Wach­smuth als Leiter des «Kommenden Tag Verlages», Louis Werbeck als Repräsen­tant der anthroposophischen Zweige.

Die Leitung der «Freien Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland» übernimmt ein Ausschuß von acht Persönlichkeiten: Moritz Bartsch, Hans Bü­chenbacher, Jürgen von Grone, Ernst Lehrs, René Maikowski, Wilhelm Rath, Maria Röschl, J. W. G. Schröder.

Als Verbindungsglied zwischen beiden Gesellschaften wird Jürgen von Grone, der beiden Gremien angehört, vorgesehen.

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Von Dr. Carl Unger und Dr. Walter Johannes Stein verfaßter Bericht über die Delegiertenversammlung, erschienen in «Mitteilungen, herausgegeben vom Vor­stand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland», Nr. 5, Stuttgart, Juni 1923. Die Fußnoten ohne [] in diesem Protokoll stammen von den Bericht-verfassern.

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Der folgende Bericht über die Delegiertenversammlung soll allen Freunden, wel­che bei der Versammlung selbst nicht haben anwesend sein können, ein Bild geben von dem, was sich zugetragen hat.

Um die Kosten für die Drucklegung dieses Berichtes in erschwinglichen Grenzen zu halten, wurden die stenographischen Unterlagen der einzelnen Aus­führungen der Delegierten möglichst zusammengefaßt. Es konnte daher nur ein Teil der Ausführungen im Wortlaut wiedergegeben werden. Es wurde jedoch versucht, ein objektives und getreues Bild der Verhandlungen zu geben. Die Fülle des vorhandenen Materials und die damit verbundene weitläufige Redak­tionsarbeit bedingte, daß dieser Bericht erst jetzt erscheinen kann.

Die beiden Vorträge, welche Herr Dr. Steiner im Rahmen der Delegierten-versammlung am 27. und 28. Februar gehalten hat, sind gesondert im Philosoph­isch-Anthroposophischen Verlag, Berlin, erschienen und durch dessen bekannte Auslieferungsstellen zu beziehen.

#TI

Sonntag, den 25. Februar 1923, abends

#TX

Die Versammlung wurde Sonntag, den 25. Februar 1923, abends 8 Uhr, durch eine Begrüßungsansprache des Vorsitzenden, Herrn Emil Leinhas, Stuttgart, eröffnet. Herr Leinhas begrüßte in warmen Worten Herrn Dr. Rudolf Steiner und Frau Marie Steiner, sowie die Delegierten und Mitglieder der Anthroposophischen

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Gesellschaft. Er wies darauf hin, daß die Anthroposophische Gesell­schaft an einem bedeutsamen Wendepunkt ihrer Entwickelung angelangt sei, und daß es jetzt darauf ankomme, daß jedes einzelne Mitglied die Aufgaben der Gesellschaft mit vollem Bewußtsein erfasse. Herr Leinhas knüpfte an die Emp­findungen des furchtbaren Schmerzes und der Trauer über den Verlust unseres Goetheanums an. Er wies dann auf die Aufgaben der Gesellschaft gegenüber dem vernichteten Goetheanum, gegenüber der neuen Kunst der Eurvthmie, der Waldorfschule, dem «Kommenden Tag» und den anderen Unternehmungen, sowie gegenüber der religiösen Bewegung und auch gegenüber der wohlorgani­sierten Gegnerschaft der Anthroposophie. Er forderte auf, in der Kritik nicht zimperlich zu sein, sondern die Dinge frei und ungeschminkt auszusprechen, aber auch positive Vorschläge zur Neugestaltung nicht zu vergessen und in allen Stücken so zu sprechen, daß man fühlt, daß der ganze Mensch mit seinem lebendigen Interesse und mit seinem, von den hohen Idealen des Wahren, Schö­nen und Guten befeuerten Willen dahintersteht. «Wir vertreten die herrlichste Sache der Welt!« rief Herr Leinhas aus. «Eine Sache, die nicht zugrunde gehen darf, mag Europa noch so sehr den Niedergangskräften verfallen. Anthroposo­phie wird leben; denn Anthroposophie ist eine neue Welt!« Er wies in eindringli­chen Worten hin auf den ungeheuren Ernst der Lage, auf die Verantwortung gegenüber der geistigen Welt und auf die Größe unserer Aufgabe, die nur durch Liebe und Begeisterung zur Sache erfüllt werden könne.

Herr Dr. Eugen Kolisko, Stuttgart: Referat über

Die Lage der Anthroposophischen Gesellschaft

Wir sind in einem für unsere Gesellschaft außerordentlich wichtigen Augen­blicke hier zusammengekommen. Es ist seit der Zeit der Begründung der An­throposophischen Gesellschaft die erste bedeutende Zusammenkunft, welche allein den Angelegenheiten der Gesellschaft gewidmet ist. Zwischen den Verhält­nissen jener Zeit und heute besteht ein ungeheurer Unterschied. Damals war der größte Enthusiasmus für die Angelegenheiten der Gesellschaft bei allen Mitglie­dern vorhanden. Die Führung wurde bei der Gründung von drei Persönlichkei­ten übernommen, denen sich die anderen anschlossen. Es war damit ein Anfang gemacht, daß die Gesellschaft sich selbst weiterführen sollte. Die Aufgabe einer solchen selbständigen Führung war ihr damit schon damals gestellt.

In jener Zeit war ein starker Zusammenschluß vorhanden. Die Zyklenvor­träge und Reisen Herrn Dr. Steiners, der durch sein unermüdliches Wirken zwischen allen Zweigen, Gruppen und auch den einzelnen Menschen stets ein vermittelndes Element bildete, hatten dazu beigetragen. Der Bau des Goethe­anums, das uns jetzt entrissen ist, war ein lebendiges Zeugnis für den Enthusias­mus, der unsere Mitglieder verband. Damals hatte sich auch durch die gemein­sam erlebten Geburtsschmerzen der Anthroposophischen Gesellschaft zur Zeit der Lostrennung von der Theosophischen Gesellschaft ein intensives Zusammengehörigkeits

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gefühl entwickelt. Jedes Mitglied lebte mit, was von der damali­gen Gegnerschaft unternommen wurde. Jeder empfand es wie gegen seine eigene Person gerichtet. Was von einzelnen Persönlichkeiten der Gesellschaft als Lei­stungen vorhanden war, das kannte jeder, lebte es mit. In den Zweigen wurde an den verschiedensten Orten durch unermüdliche Arbeit eine intensive und stetige innere Arbeit geleistet. Kurz, neben vielen Unsitten und Sektiererischem, das noch als Tradition aus der Theosophischen Gesellschaft vorhanden war, erwies sich die Anthroposophische Gesellschaft in diesen ersten Zeiten als eine Realität. Und wir haben diese Realität wieder erlebt in der furchtbaren Brandnacht am 31. Dezember, wo alle so zusammenarbeiteten, wie es nur aus einem realen Empfin­den dieses Verbundensein durch die Anthroposophie möglich war.

Eine neue Phase der Bewegung begann jedoch im Jahre 1919 durch die Grün­dungen, welche von Persönlichkeiten aus dem Schoße der Gesellschaft gemacht worden sind. Ich meine die Bewegung für Dreigliederung des sozialen Organis­mus, den «Kommenden Tag«, die Waldorfschulbewegung, die Hochschul-Be­wegung, die Forschungsinstitute und zuletzt die Bewegung für religiöse Erneue­rung. Der ganze Enthusiasmus ist in diese Gründungen hineingegangen. Die Gesellschaft ist damals zur Tat übergegangen. Führende Kreise sind aufgetreten. Alles strömte nach Stuttgart. Was dagegen schwand, war der Enthusiasmus für die Angelegenheiten der Gesellschaft selbst. Es war eine ungeheure Verantwor­tung, welche jene Begründer der Institutionen auf sich nahmen. Blieben diese Persönlichkeiten nicht bei der Stange, so mußten die Folgen auf die Anthroposo­phische Gesellschaft zurückfallen. Durch diese Gründungen sollte einerseits et­was Allgemeinmenschliches gegeben werden, weite Kreise sollten hingeführt werden zur anthroposophischen Bewegung. Auf der anderen Seite aber mußte sich die Anthroposophische Gesellschaft mitentwickeln, sie mußte Schritt halten mit den Begründungen.

Aber in den führenden Kreisen der Gesellschaft war nicht das Bewußtsein vorhanden, daß die GeseHschaft in einer neuen Weise bewußt geführt werden müßte. Herr Dr. Steiner konnte nicht mehr, wie früher, selbst die Führung der Gesellschaft in die Hand nehmen. Die Leitung wandte alle Aufmerksamkeit auf die Vertretung der Tochterbewegungen. Die einzelnen Mitglieder fühlten immer weniger eine Unterstützung durch die Leitung, sie fühlten sich sozusagen allein gelassen, isoliert. Auch die Zweigleiter waren ohne Rückhalt von seiten der Leitung. Sie standen völlig allein. Die Mitglieder strömten zu, aber niemand nahm sich ihrer an. Keine Maßnahmen wurden getroffen, um die Mitglieder zu tätigen Mitgliedern der gemeinsamen Sache zu machen. Eigentlich wurde die Peripherie durch die Leitung verlassen.

Schaut man auf die Entwickelung in den letzten Jahren zurück, so muß man sagen : Die besten Kräfte der Gesellschaft sind nach Stuttgart gegangen, haben aber nicht das, was sie selbst durch ihre Arbeit dort gewonnen haben, der Mitglied­schaft an der Peripherie zurückgegeben. Es kamen keine Informationen von Seiten der Leitung hinaus zu den Mitgliedern der Gesellschaft. Man hatte kein Bewußtsein

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dafür, daß ein kontinuierlicher Strom von Nachrichten über das von Dr. Steiner vermittelte Geistesgut, über die Aufgaben der Gesellschaft, die Leistungen in derselben, die Gegnerschaft usw. hinausfließen müsse.

Und auch in Stuttgart hatte man für die Anthroposophische Gesellschaft kein Herz. Wir hatten gute Vertreter der einzelnen Tochterbewegungen, gute Lehrer, Vertreter der Dreigliederungsbewegung, der religiösen Erneuerung usw., aber fast keine guten Mitarbeiter in der Anthroposophischen Gesellschaft. Dabei wurde, wie es Dr. Steiner in einem seiner letzten Vorträge hier genannt hat, die Mutter, die Anthroposophische Gesellschaft, immer mehr vernachlässigt. Man trug in die einzelnen Tochterbewegungen seinen Enthusiasmus hinein, den man aus der früheren Zeit her hatte, aber man ging nicht dazu über, für die Gesellschaft selbst zu wirken und auf die Notwendigkeit hinzusehen, gerade das zentrale anthropo­sophische Leben weiterzupflegen. «Man kann auch ohne die Gesellschaft arbei­ten.« Das war der große Irrtum, der ganz allgemein vorhanden war.

Diese Art hat sich ganz besonders in Stuttgart entwickelt. Die einzelnen Persönlichkeiten in den Unternehmungen trugen aus den Tochterbewegungen ein noch nicht völlig umgegossenes Wissenschaftsleben usw. in die Gesellschaft. Gewissermaßen unverarbeitet wurde viel Spezialistisches in die Zweige hineinge­tragen. Das anthroposophische Zweigleben konnte nicht Schritt halten mit den Begründungen. Gegenüber den meist erfolgreichen Kongressen und sonstigen äußeren Veranstaltungen war man nicht imstande, die Aufgaben, die sich für das Gemeinschaftsleben ergaben, auch wirklich zu lösen.

Das war «System von Stuttgart«. In Stuttgart standen sich die Forscher, Lehrer usw. einzeln gegenüber. Es entstand ein Bureaukratismus in Stuttgart. Viele, die hierherkamen, fühlten das als eine gewisse eisige Kälte. Es war eben nicht gelun­gen, als es nicht mehr wie früher möglich war, Anthroposophie nur im Privatleben zu vertreten und seinen Beruf daneben zu haben, jetzt diese beiden Dinge in einem zu verbinden.

Eigentlich hätte die Leitung der Gesellschaft ihre Tätigkeit verdoppeln, ja verzehnfachen müssen, damit das anthroposophische Leben in der richtigen Weise und verstärkt weitergeführt werden konnte. Wenn die Anthroposophische Gesellschaft als solche nicht weiterkommt, müssen zuletzt auch die einzelnen Begründungen leiden; denn ohne die reale Anthroposophische Gesellschaft wären die Begründungen nicht möglich gewesen.

Dieses Verdoppeln der Sorge für die anthroposophischen Angelegenheiten ist nicht eingetreten. Es fehlte bei den Führenden und auch bei den meisten Mitglie­dern das Bewußtsein davon, daß man die Gesellschaft auf ein Niveau bringen mußte, das der Fruchtbarkeit der Anthroposophie auf allen Gebieten gerecht werden konnte. Dagegen war überall ein Mangel von Zusammenleben zwischen Leitung und Mitgliedern der Zweige vorhanden. Schon zur Zeit der Dreigliede­rungsbewegung wurde nicht darauf hingewiesen, daß in noch ausgedehnterem Maße wie früher das zentrale anthroposophische Leben hätte gepflegt werden müssen. Man hörte von den Aufgaben der Dreigliederungsbewegung, aber nicht

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von den Aufgaben der Mutter, der Anthroposophie. Derselbe Mangel an Informa­tion zeigte sich auch, als die Bewegung für religiöse Erneuerung ins Leben trat. Auch da kamen zu den Mitgliedern keine Mitteilungen der Leitung, die hätten Aufitlärung geben können. Auch schwand das Bewußtsein dafür, was Anthropo­sophie dem Menschen bieten kann, indem sie gerade zu einer Vereinigung von Wissenschaftlichem, Künstlerischem und Religiösem hinstrebt.

Dieser Mangel hängt auch zusammen mit den letzten Vorgängen hier in Stuttgart. Dazu muß die Vorgeschichte jenes Aufrufes berührt werden, der jetzt an die Mitglieder ergangen ist. Diese Vorgeschichte begann schon vor der Dorn­acher Katastrophe, hatte nichts mit ihr zu tun, denn sie lag begründet in der eben geschilderten langen Geschichte der Gesellschaft. Was auf dem Kongreß in Stutt­gart (1921) beschlossen war, als der neue Zentralvorstand sich konstituierte, eine Vertrauensorganisation in der Gesellschaft zu schaffen, war nicht erfüllt worden. Im Zentralvorstand war kein richtiges Zusammenarbeiten vorhanden. Am 10. Dezember 1922 fand eine Unterredung zwischen Herrn Dr. Steiner und Herrn Uehli als Mitglied des Zentralvorstandes statt. In dieser Unterredung wies Herr Dr. Steiner darauf hin, daß entweder der Zentralvorstand durch Beratung mit anderen Persönlichkeiten eine Konsolidierung der Gesellschaft herbeiführen müsse, oder daß er sich über den Kopf des Vorstandes an die Mitglieder wenden müsse. Von Herrn Uehli wurde die Tragweite und der Ernst dieser Situation nicht erkannt. Infolge der Unstimmigkeiten im Zentralvorstand wurde dieser Auftrag nicht ausgeführt.* Es kam dann nach der Dornacher Katastrophe aus der Initiative einiger Persönlichkeiten zu einer größeren Zahl von Besprechungen, in denen zum Teil eine sehr heftige Kritik der bisherigen Tätigkeit des Zentralvorstandes geübt wurde. Im Anschluß daran trat Herr Uehli von seiner Stellung als Zentral-vorstandsmitglied zurück, Herr Dr. Unger bedingungsweise, falls die Initiative der genannten Persönlichkeiten zu positiven Zielen führen sollte. Dies geschah jedoch nicht. Herr Dr. Steiner hielt dann hier in Stuttgart eine Reihe von Vorträ­gen über die Probleme der Gesellschaft, und es fanden auch noch weitere Bespre­chungen statt. Schon in seinem Vortrage am 6. Januar1923 in Dornach hatte Herr Dr. Steiner das «Stuttgarter System« charakterisiert, und dies geschah auch in der eindringlichsten Weise hier in Stuttgart.

Da zeigte sich, daß alle diese Fragen nur gelöst werden könnten, wenn man eine Versammlung einberief, in der die ganze Mitgliedschaft zur Mitarbeit aufge­rufen würde. Es wurde zunächst nach dem Rücktritt von Herrn Uehli ein «provi­sorischer Zentralvorstand» durch Kooptation von Herrn Dr. Eugen Kolisko gebildet. Jedoch konnte diese Lösung nur eine provisorische sein. Nach langen Verhandlungen bildete sich dieses Komitee, das den Aufruf unterzeichnet hat, als

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* Der Hergang war so, daß Herr Uehli, nachdem er die Tragweite dieses Auftrags nicht erkannt hatte, auch keine Veranlassung nahm, Herrn Dr. Unger von diesem Auftrag Kenntnis zu geben. Erst am 24. Dezember fand eine Unterredung statt, in welcher unter snderem auch Schritte zur Reorganisation der Gesellschaft besprochen wurden. Daß ein Auftrag von Herrn Dr. Steiner vorlag. erfuhr Dr. Unger erst am 17. Januar.

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eine Art Vertretung der einzelnen Institutionen. Es wurde durch den provisori­schen Vorstand kooptiert. Man wollte dadurch zum Ausdruck bringen, daß eine solche provisorische Vertrauenskörperschaft nur aus den Institutionen gebildet werden könne und daß seitens dieser Institutionen die Absicht bestehe, der Anthroposophischen Gesellschaft zurückzugeben, was sie von ihr bekommen haben. Sie sehen aus der Zusammensetzung des Komitees, daß die wichtigsten Institutionen darinnen vertreten sind: «Kommender Tag», Waldorfschule, beide Verlage, die Zeitung, die Bewegung für religiöse Erneuerung, der alte Zentralvor­stand, die zerstreuten auswärtigen Interessen.

Wir müssen also die ganze Aufmerksamkeit auf die Gesellschaft selbst richten. Denn, was ist denn die Lage der Anthroposophischen Gesellschaft? Wir stehen ohne innere Geschlossenheit einer Welt von Feinden gegenüber, von der die Mitglieder nicht einmal wissen, wie stark sie ist, und wie sie darauf hinarbeiten will, der gesamten anthroposophischen Bewegung ein Ende zu machen. Wir müssen uns darüber klar sein, je weniger für die Gesellschaft etwas geschieht, je mehr sich im Innern ein Vakuum bildete, desto mehr hat sich die Gegnerschaft draußen verstärkt und vergrößert. Es wird nötig sein, daß die Mitgliedschaft durch Berichte diese Gegnerschaft und ihre Motive kennenlernt, um durch diese Kennt­nis zu wissen, wie man etwas dagegen unternehmen kann.

Und dann muß wieder ein Kontakt zwischen Leitung und Gesellschaft zustan­dekommen, damit jedes einzelne Mitglied an dem Anteil nehmen kann, was geleistet wird. Mit dem «Stuttgarter System» muß gebrochen werden. Nur wenn offene Ohren vorhanden sind für alle Bedürfnisse der Mitgliedschaft, kann wieder ein anthroposophisches Leben erstehen. Es wird ja Gelegenheit sein, daß die einzelnen Institutionen im Verlaufe dieser Tagung ein Bild ihres Wirkens und ihres Standes geben, damit dies auch den Mitgliedern bekannt werden kann.

Jetzt hat die Anthroposophische Gesellschaft die Pflicht, ihre inneren Aufga­ben vor allem zu pflegen. Denn durch die Vernachlässigung der inneren Angele­genheiten der Gesellschaft hat sich das Gesamtbild der gegenwärtigen Lage erge­ben. Dann wird auch die Gesellschaft nach außen nicht ein Hindernis bilden für die Verbreitung der Anthroposophie, wie dies bisher der Fall war. Dann werden in der Gesellschaft alle die befriedigt sein können, die nach Anthroposophie sich sehnen, dann werden die anderen, die außen stehen, nicht abgestoßen werden.

Die Delegierten mögen nun ein Bild geben über den Zustand des anthroposo­phischen Lebens in den Zweigen. Dann wird durch die Aussprache sich die Möglichkeit ergeben, daß die anthroposophischen Angelegenheiten richtig be­sprochen werden können, damit ein jeder mitarbeiten kann an der Neugestaltung des anthroposophischen Lebens.

Herr Emil Leinhas, Stuttgart: Es wird nun notwendig sein, diesen Bericht von Herrn Dr. Kolisko dadurch zu ergänzen, daß die Freunde sich darüber äußern, welches ihrer Meinung nach die Aufgaben der Gesellschaft sind. Darüber soll jetzt die Aussprache eröffnet werden.

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Herr Kurt Goldstein, Berlin, regt an, in bezug auf die Aussprache nicht die sonst übliche chronologische Reihenfolge der Redner, sondern die logische zuzulassen.

- Der Antrag wird abgelehnt.

Herr Prof Hermann Craemer, Bonn: In den Zweigen draußen vermißt man vielfach diejenige Lebendigkeit des Geisteslebens, welche Kraft des Wollens und Klarheit des Denkens gibt. Die Kraft und die Stärke des Gemeinschaftslebens wird aber nicht nur, wie bisher betont wurde, vermißt mit Bezug auf das Verhältnis der Leitung zu den Mitgliedern, sondern auch unter den Mitgliedern selbst. Man muß Stuttgart als Ganzes nehmen und mit anderen Zweigen vergleichen, dann sieht man innerhalb der Zweige dieselben Erscheinungen. Dr. Kolisko meinte, die Übelstände in den Zweigen seien vielfach darauf zurückzuführen, daß die Zweige in den Dienst der Dreigliederung gestellt worden sind. Der wahre Grund für die Übelstände liegt aber darin, daß die Dreigliederung undurchdacht hereingetragen wurde. Halb unbewußt haben sich die Mitglieder gesagt: Ich nehme die Dreiglie­derungsgedanken nur an, weil ich ja sonst nicht als vollwertiges Mitglied genom­men werden würde. - Man sagt uns, es herrsche bei uns noch ein starker Autori­tätsglaube, so daß dadurch die Kraft unserer Bewegung aufs höchste gefährdet wird. Aber Dr. Steiner selbst gibt nie sogenannte «Vorschriften«, nach denen man handeln soll. Trotzdem beruft man sich vielfach in einer solchen Art auf Dr. Steiner, daß man sagt: «Ja aber... Dr. Steiner hat da oder dort dieses oder jenes gesagt.« Dieses darf in unserem Leben kein Argument bilden.

Notwendig ist daher das auf volle Verantwortung gestellte selbständige Han­deln, selbst auf die Gefahr hin, daß wir uns einmal vergreifen. Und solange man nicht der Kritik selbst auch etwas Positives folgen lassen kann, kann man sich die Kritik sparen.

Frau Else Pfäumer, Dresden: Ich bin hierher gekommen auf das Schriftstück hin, das überschrieben war «Aufruf«. Und aus alledem, was mir da entgegengetreten ist, aus dem, was überschrieben war mit «Aufruf» ist etwas wie Todesluft gekom­men; als wenn man etwas organisieren wollte, was eigentlich ein Organismus ist, was der Leib werden will zu einem Menschen, zu dem Menschen «Anthroposo­phie«. Und da finde ich, möchten wir uns doch wirklich einmal zuerst zu diesem «Menschen« bekennen, und dann anfangen, uns auseinanderzusetzen mit diesem Organismus.

Beim letzten Hochschulkurs hat Herr Dr. Steiner das Wort gesprochen:

Anthroposophie ist ein Mensch. Als dieses Wort in mich hineinfiel, stand vor mir ein Bild: Johannes am Kreuz, in seinen Armen die Mutter Sophia. «Siehe, das ist deine Mutter. Und er nahm sie an sein Herz.»

Und so wie Anthroposophie hereingetreten ist in mein Leben, habe ich sie empfunden, daß sie Kraft der Katharsis ist, Kraft der Mutter Sophia. Und ich meine darum: Wir haben erlebt in der Neujahrsnacht, wie uns gestorben ist ein Mensch in unserem Bau. Und ehe wir daran denken können, daß uns wieder ein Bau erwächst, müssen wir gestalten, müssen wir unser Herzblut hineintragen, daß

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erstehen kann der Bau dieses Leibes der Anthroposophie. Dann erst können wir daran denken, daß Vitae Sophia daraus werden kann, mit der man etwas begrün­den kann, mit dem man hineingehen kann in die Wissenschaft, die man als Anthroposophie hineintragen kann in die religiöse Bewegung. Wenn man das, was Herr Dr. Steiner uns übermittelt, so wie er es uns gibt, hineinträgt in die Wissen­schaft, ist es manchmal so, als wenn man etwas gestohlen hätte, wenn es nicht lebendig geworden ist, wenn es nicht einfach Kraft der Katharsis geworden ist.

Ich kann mich schlecht ausdrücken, aber so wogt und brandet es in mir. Und ich hoffe, daß die anderen Menschen, die es ausdrücken können, die die Kraft haben, es zum Ausdruck zu bringen, was ich eben aus der Empfindung heraus sagen konnte, es hinnehmen möchten und es befruchten, daß wirklich etwas wird aus unserer Zusammenkunft. Daß wir nicht nur sagen : Dieses oder jenes sind unsere Aufgaben, sondern daß wir einfach uns zu dem bekennen, was uns hinein-getrieben hat in die Anthroposophie; daß wir uns zu unserer Sehnsucht stellen, die Keim geworden ist in der Anthroposophischen Gesellschaft, und daß, wenn wir diese Sehnsucht fassen, die eigentlich den Keim einer Anthroposophischen Gesell­schaft heruntergeholt hat, daß wir diesen Keim zum Wachsen bringen lassen, daß dann eine Gesellschaft gewachsen ist und nicht organisiert.

Herr Otto Westphal, Hamburg, spricht zur Geschäftsordnung. Er will dazu beitragen, daß gleich von Anfang an des Zusammenseins Wachsamkeit walte. - Da er nicht zur Geschäftsordnung spricht, wird er unterbrochen.

Herr Josef Elkan, München, führt aus, er sei schon mit einem ganz bestimmten Programm hierher nach Stuttgart gekommen. Das wichtigste davon möchte er in Form einiger Wünsche aussprechen. Zunächst wünsche er, es möchte derjenige Zentralvorstand an die Spitze der Bewegung kommen, der sich der Aufgaben bewußt ist, die erfüllt werden müssen, um die Bewegung auf die entsprechende Höhe zu bringen. Dazu ist aber auch vor allem notwendig, daß einerseits von der Zentrale Richtlinien gegeben würden, anderseits die Autonomie der Zweige voll gewahrt bleibe. Mitgliederaufnahme, Art der Einführungskurse können nicht nach bestimmten Regeln oder Direktiven gehandhabt werden. Würden aber die Zweigleiter genügend orientiert werden vom Zentralvorstand, so würden sie in vollständiger Weise Vollstrecker des Willens des Zentralvorstandes sein können. Jetzt käme es darauf an, die Beratungen so zu gestalten, daß die Delegierten mit positiven Resultaten in die Heimat zurückkehren.

Herr Paul Knoop, Bochum, wünscht, daß man einen Aufruf an die Jugend richte, sich an der Bewegung zu beteiligen.

Herr Emil Leinhas, Stuttgart, erinnert daran, daß über die Jugendbewegung noch verhandelt werden soll.

Herr Dr. Wilhelm Zitkowsky, Linz, spricht zum Thema «Organisation der Zweige». Er warnt vor einer «Abkapselung der Zweige nach außen». Er schlägt vor, mehr als bisher die Schaffung von einzelnen kleineren Arbeitsgruppen ins

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Auge zu fassen. Besonders soll man sich mit der «Philosophie der Freiheit« in solchen Arbeitskreisen befassen, da ohne philosophische Grundlage Anthroposo­phie nicht an die Außenwelt herangebracht werden könne. Die Impulse des Buches «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?« müßten realisiert werden.

Herr Dr. Friedrich Rittelmeyer, Stuttgart, weist auf den ungeheuren Ernst der Lage hin gegenüber der sehr zahlreichen Gegnerschaft. Es habe eine Versammlung «Nicht-anthroposophischer Kenner der Anthroposophie« stattgefunden, in der die bekannten Vorwürfe wieder vorgebracht wurden, und durch die sie wieder durch Versendung des Protokolls weithin verbreitet werden. Das Hauptproblem, das der Gesellschaft jetzt vor allem auch durch die kultische Bewegung gestellt ist, sei die Frage, wie man in der Anthroposophischen Gesellschaft von den eigenen Geistesvoraussetzungen aus zu wahrer Gemeinschaft kommen könne. Man habe aus der Anthroposophie einen Egoismus gemacht und hätte eine große Menschen­liebe daraus machen müssen. Man lebe auf einer Insel und müßte als ein weithin sichtbarer Wallfahrtsberg mit einer Menschenheilstätte in der Kultur stehen. Wenn das Wort Anthroposophie wirklich innerlichst zur Wahrheit wird, wenn aus dem Wissen eine persönliche erarbeitete Weisheit und durch sie wirklich ein neues Menschentum wird, dann und nur dann würde die Arbeiterschaft, würde die Jugend Vertrauen gewinnen können.

Frau Lili-Maria Eljakim-Werner, Wien, greift in bezug auf die Arbeit in der Außenwelt einiges heraus : wie nämlich eine bestimmte Art des Arbeitens uns genützt, eine andere Art uns geschadet hat. Das müßte mitgeteilt und ausgetauscht werden. «Abkapselung« zum Beispiel schadet insbesondere, wenn man den Men­schen Anthroposophie bringen will. Will man dies, so muß man die Menschen kennen, wie sie sind. Dazu wäre es wünschenswert, sich auch mit anderen Bewe­gungen zu befassen. Man dürfe solche Bewegungen nicht als inferior bezeichnen. Die Menschen dort haben einen guten Willen; die Antwort aber auf die Fragen, die sie bewegen, haben wir. Man müsse beachten, daß es ein Unterschied sei, ob Herr Dr. Steiner etwas sagt, oder wir. Wenn wir es nicht erlebt haben, so sei es Kenntnis und nicht Erkenntnis. Schädlich sei vor allem eine Kritik der Gegner von oben herab. Herr Dr. Steiner stelle Tatsachen hin, und wir hätten die Urteile, die wir uns daraus gebildet hätten, vor die Welt gestellt. Die anderen müßten einsehen, daß hinter der Anthroposophie etwas stehe, das man kennen muß. Zwischen der Welt und der Anthroposophie stehen wir Anthroposophen.

Herr Louis Werbeck, Hamburg: Man fordert hier Dinge, die überholt sind, oder Selbstverständlichkeiten. Seit dem Kongreß haben wir darauf gewartet, daß Tat würde eine Kooptation des Zentralvorstandes über Deutschland hin. Dieser Aus­bau ist nicht in Erscheinung getreten. Es besteht die Notwendigkeit, daß der Zentralvorstand an vielen Orten seine Vertreter hat, die im Zusammenklang mit Stuttgart arbeiten. Die Dinge müssen aber reif sein. Die andere Notwendigkeit weist auf das Gemeinschaftsleben. Wir brauchen Formen des Verkehrs, wenn

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auch nicht gerade kultische. Die Dinge können so gegeben werden, daß sie jeder Mensch verstehen kann. Das Geistesgut kann im guten Sinne popularisiert wer­den. Die Zweige müßten sich auswachsen zu anthroposophischen Hochschulen. Jeder einzelne kann mehr leisten als er glaubt.

Herr Dr. Eugen Kolisko, Stuttgart: Die Schwierigkeiten in der Gesellschaft hän­gen damit zusammen, daß man die besten Kräfte hierhergerufen hat. Man könnte sagen, wenn man sie alle wieder zurückschicken könnte, dahin, woher sie gekom­men sind, so wäre alles gut; hiermit war gemeint, daß alle diejenigen, welche heute in den Stuttgarter Institutionen arbeiten, früher in den Zweigen, zum Teil sogar als Zweigleiter, intensive anthroposophische Arbeit geleistet haben. Dann aber müßte alles ungeschehen gemacht werden, was mit den Gründungen zusammen­hängt und wir können nicht die Verhältnisse von 1918 ohne weiteres wiederher-stellen. Außerdem sind neue Kräfte, die von außen hinzukommen sollten, mehr abgestoßen wie angezogen worden. Die Gemeinschaftsbildung ist das allerwich­tigste Problem, aber sie ist hier besonders erschwert. Denn wir können uns nicht wie bei der religiösen Erneuerung auf einen Kult stützen, der die Gemeinschaft bewirkt, sondern wir mussen von den Individualitäten ausgehen und trotzdem Gemeinschaftsbildung haben. Die Größe der Leistungen der Anthroposophie ist in der Gesellschaft gar nicht anerkannt worden. Was hätte nicht für die Eurythmie geschehen können? Man kennt vielfach die Aufgaben gar nicht, die es zu lösen gilt. Leider hat sich bei der heutigen Diskussion kein Bild über die Lage in den einzelnen Zweigen herausgebildet : Wir können aber uns gar kein Urteil bilden, wenn nicht die Delegierten selbst uns ein solches Bild der Lage in der Gesellschaft geben.

Schluß 11 Uhr.

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Montag, den 26. Februar 1923, vormittags

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Der Vorsitzende, Herr Emil Leinhas, eröffnet um 9 Uhr die Versammlung. Herr Wilhelm Goyert, Köln, Herr Wilh. Salewski, Düsseldorf, Frl. Maria Hachez, Stuttgart, Herr Fritz und Frau Ilse Wittenstein, Barmen, Frl. Toni Förster, Köln, Herr Andreas Grunelius, Freiburg, Frl. Erika Linke, Stuttgart, Frau Marie Wundt, Düsseldorf, bringen folgenden Antrag zur Tagesordnung ein :

Zur Tagesordnung.

Einige Mitglieder und Delegierte der Anthroposophischen Gesellschaft sind der Überzeugung, daß auf dem bisher eingeschlagenen Wege keine Möglichkeit zur Verständigung und Überwindung der Krisis gegeben ist. Die Diskussion des ersten Abends hat gezeigt, daß kein allgemeiner Gesichtspunkt gegeben ist, von dem ausgehend eine Besprechung fruchtbar sein könnte. Schon in der Leitung zeigte sich eine Unstimmigkeit in der Auffassung. Herr Leinhas wies hin auf das zu erwartende Gesamtreferat, daß dieses «eine Orientierung» bringen sollte. Herr Kolisko hingegen faßte sein Referat so auf, daß es eine allgemeine Ausspra­che, Schilderung von Lokalverhältnissen ermöglichen solle und war erstaunt, daß die Diskussion sich ins Uferlose verlor.

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Es ist nicht möglich, daß auf dieser Basis die Delegiertenversammlung weiter stattfinden kann.

Zunächst sollte vor die Versammlung dasjenige hingestellt werden, worinnen wir alle einig sind und zu dem wir alle hinstreben: das anthroposophische Ideal. Es wurde versucht, von der Dame aus Dresden und Herrn Pfarrer Rittelmeyer, dieses nachzuholen. Das fand bei der Leitung keine Aufnahme und bei den Versammel­ten keinen vorbereiteten Boden. Der Aufruf war nicht geeignet, einen solchen zu schaffen.

Selbst bei Ablehnung einiger Punkte könnte nun doch versucht werden, den Auf?uf als richtunggebend für die Besprechung hinzustellen. Man müßte ihn aber sozusagen von rückwärts lesen. Dann ergäben sich folgende Punkte, die in einer organisch bedingten Weise zur Klärung hinführen könnten :

1. Hinstellen des anthroposophischen Ideals.

2. Darlegung der Grundlage einer Verständigung von Mensch zu Mensch im Sinne der Anthroposophischen Gesellschaft. Daraus ergäbe sich

3. Ein neues Verhältnis zu Dr. Steiner.

4. Haltung zur Gegnerschaft.

5. Stellungnahme zu den vorhandenen Institutionen usw.

Wir glauben, daß auf diese Weise eher die Möglichkeit einer allgemeinen Verstän­digung gegeben ist und bitten die Leitung der Delegiertenversammlung, dieses als

«zur Tagesordnung« der Versammlung vorlesen zu wollen.

Der Antrag wird zur Diskussion gestellt.

Herr Dr. Hans Büchenbacher, Stuttgart: Dr. Kolisko hat in berechtigter Weise ausgesprochen, daß nicht das aus der Versammlung herausgekommen ist, was er auf seinen Vortrag hin erwartet hat. Der Grund hierfür liegt aber in der Hauptsa­che daran, daß viele Freunde, durch die Art, wie der Aufruf abgefaßt war und durch den Vortrag selbst, nicht genügend über die katastrophale Lage in der Gesellschaft orientiert waren. In der Jugendbewegung war eine enge Verbindung mit der Stuttgarter Geschäftsstelle vorhanden, man war in diesen Kreisen über die Lage informiert. So hatten wir gestern nachmittag eine wirklich fruchtbare Sit­zung im Hochschulbund, wo man positiv sprechen konnte. Von der Stuttgarter Zentrale aus hatte man keine lebendige Verbindung mehr mit den Zweigen. -

Man hat in Stuttgart aus einem Schematismus heraus ein Wirken nach außen entfaltet, was an vielen Orten zu mißglückten Veranstaltungen führte. Man hat die anthroposophischen Impulse so an die Außenwelt herangetragen, daß man überall angestoßen hat. Diese Dinge wurden so gehandhabt, daß es so bureaukratisch war, wie etwa beim Militär. Wir haben dadurch uns sehr viele Gegner gemacht, jedenfalls keine Beziehungen zu der Außenwelt gewonnen. - Andererseits ver­mißt man in Stuttgart mit Recht allerlei im Zweigleben. Dieses Leben ist immer mehr zurückgegangen, eine Art Schlaf ist vielfach eingetreten, oder die Abende sind in traditioneller Weise einfach gehalten worden. Daran sind die Zweige selbst schuld. Wenn in den letzten Jahren in einen solchen Zweig jemand

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eintrat, der aus dem Studium der Schriften Dr. Steiners sich ein gewisses Bild gemacht hatte, wie es nun in einer Anthroposophischen Gesellschaft sein müßte, so bekam er - das war häufig der Fall - einen recht kräftigen Schock, so daß man am liebsten wieder ausgetreten wäre, zum mindesten bald von den Abenden weggeblieben ist. Man erkannte, daß die Anthroposophische Gesellschaft hinter dem, was Herr Dr. Steiner gegeben hat, zurückgeblieben ist, vor allem in der Entwickelung des Menschentums. Die goldene Regel aus dem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?«, ist nicht beachtet worden: «Wenn du einen Schritt vorwärts zu machen versuchst in der Erkenntnis geheimer Wahrhei­ten, so mache zugleich drei vorwärts in der Vervollkommnung deines Charakters zum Guten.«

Es hat aber in den Zweigen vielfach schon an der gewöhnlichen sozialen Moralität gefehlt, nicht einmal vorgestellt wurden die Neueingetretenen den alten Mitgliedern, sie mußten wie Fremde dasitzen. Man müßte Ernst damit machen nach einer Entwickelung des inneren Menschen in anthroposophischem Sinne zu streben, dann wird man auch die Verbindung mit den Menschen nach außen finden. Die Außenwelt müßte sagen, die Menschen, die Anthroposophie vertre­ten, gefallen uns.

Vor allem müssen aber wir nun hier auf beiden Seiten uns sagen: Ach was, Feindschaft, Streit oder Übelnehmen, das gibt es nicht, wir müssen schon zusam­menstehen. Wenn man schon mit dem Aufruf und dem einleitenden Vortrag so vorgegangen ist, daß die Verbindung mit den Versammelten nicht zustande ge­kommen ist, so müssen wir Delegierten versuchen, von uns aus in aller Liebe Kritik zu üben und den Stuttgartern zeigen: So könnt ihr wieder mit uns in Verbindung kommen. Es ist schon so, die Stuttgarter sind in einer absoluten Isolierung; gewiß, es ist natürlich eine glänzende Isolierung (Lachen und starker Beifall), aber sie kommen allein nicht aus ihr heraus. Und wenn man weiß, wie sehr man sich in Stuttgart in den vergangenen Wochen geplagt und geschunden hat, aus dieser katastrophalen Lage herauszukommen, so muß man aus vollem Herzen heraus sagen : Wir wollen diesen Menschen helfen, daß sie aus dieser Isolierung herauskommen. Es wird gehen, wenn man sich so ausspricht, daß man getragen wird von dem Bewußtsein des Strebens nach anthroposophischem Menschentum.

Herr Alfred Reebstein, Karlsruhe, will aus demselben Empfinden sprechen wie der Vorredner. Er bittet, ein Urteil zu ermöglichen über die zur Rede stehenden Fragen. Dr. Steiner habe beim Kongreß sagen müssen : Ich habe oft gesprochen, aber man hat nicht gehört. Viele würden den Ernst und die furchtbare Tragweite besser sehen, wenn bekanntgegeben würde, was Dr. Steiner in den beiden Vorträ­gen hier über diese Dinge gesagt hat.

Herr Alfred Überhahm, Breslau: Wir brauchen Richtlinien für die Gesellschaft zur Weiterarbeit. Dr. Steiner hat zwei vierzeilige Sprüche gegeben als kosmisch­kultische Handlung. Diese ist nicht in die Tat umgesetzt worden. Redner stellt den Antrag, daß diese Worte in den Zweigen gesprochen werden mögen.

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Herr Leinhas übergibt den Vorsitz an Herrn Dr. Palmer.

Herr Emil Leinhas, Stuttgart: Dem, was Herr Dr. Büchenbacher gesagt hat, kann man nur zustimmen. Die Teilnehmer waren von der gestrigen Generaldiskussion nicht befriedigt. Man ist bei uns schon verpflichtet, nicht nur zu kritisieren, sondern selbst aufzutreten und die Dinge besser zu machen.

Herr Leinhas schlägt vor, die Anträge fallen zu lassen, denn es werde bei der Behandlung der einzelnen Gegenstände Gelegenheit sein, dazu zu sprechen. Er bittet an das Referat von Dr. Kolisko anzuknüpfen, denn in allen lebe die Sorge. Er erinnert an die Größe unserer Sache. Sodann bittet er, nicht mit der Kritik zurückzuhalten. Man höre, der Zentralvorstand sei ein Popanz, ein Kinderge­spött. Die Kritik solle hier herauskommen. Sie brauche nicht unfruchtbar zu sein, wenn alle erfüllt seien vom heiligen Eifer für die Sache. Man müsse hinzufügen, was hätte gemacht werden sollen und wie es weitergehen kann.

Herr Albert Steffen, Dornach: Es ist nicht meine Absicht, hier kritisch aufzutre­ten, denn ich bin überzeugt, daß diese Selbstzerfleischung gar nichts nützt. Wir wissen diese Dinge längst und sollten nun anfangen, mehr positiv zu sprechen. Ich glaube, es ist vor allen Dingen zusagen, daß die Anthroposophie als solche unserer Gesellschaft die Konfiguration geben sollte, also dasjenige, was Herr Dr. Steiner aus dem Geistigen uns gibt, umzusetzen ins Wirkliche. Da ist zunächst ja zusagen, daß diese Anthroposophie als Grundlage die Freiheit hat. Die Freiheit, sie verlangt vom einzelnen Menschen, daß er aus dem eigenen Ich heraus die Impulse zu seinem sittlichen Handeln sucht. Sie verlangt also einen ethischen Individualis­mus. «Handle so, daß du dir selbst genügst, daß du Liebe zur Idee hast, dann wird es möglich sein, daß das Ganze zusammenstimmt!«

Es ist die erste Grundforderung unserer Gesellschaft, daß der einzelne eine Persönlichkeit ist, und als solche «Ja« zu sich sagt; als solche das Vertrauen zu sich hat. Wenn er in sich sucht, daß er Schöpferkraft findet, und daß er diese Schöpfer­kraft anwendet, dann wird auch das Ganze unserer Gesellschaft sich mehr konso­lidieren. - Eine Mannigfaltigkeit von schöpferischen Persönlichkeiten ist zuerst notwendig.

Es wurde zuerst gesagt, daß unsere Gesellschaft darunter leide, daß so viele Individualitäten da sind, die nicht zusammengehen. Aber wenn diese Individuali-täten gemäß der Freiheit denken, fühlen und handeln, wird ein Ganzes zustande­kommen. Wir brauchen originelle Menschen unter uns, aber sie dürfen nicht so Originale sein, so Dorf- oder Stadtoriginale, Zweigoriginale, so eine Art Haus-trottel werden, und das einzige Mittel, daß sie das nicht werden, besteht darin, daß sie eben die Anthroposophie als Ganzes aufnehmen.

Gestern wurde von einer Dame in sehr herzlicher Weise gesagt, die Anthropo­sophie sei ein Mensch. Sie ist ein Mensch, und sie ist der größte Mensch. Sie ist ein geistig-seelisches Gebilde, und dieses müssen wir in uns aufnehmen, damit wir als Persönlichkeiten nicht Eigenbrödler werden. Das können wir aber nur, indem wir den Versuch machen, in dieses Geistig-Seelische, dieses Übersinnliche auch wirklich

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einzudringen. Und dazu Ist meiner Ansicht nach der einzige Weg die Übung, hauptsächlich die Übungen, wie Sie sie in dem Buche «Wie erlangt man Erkennt­nisse der höheren Welten?« finden. Dieses Üben, um wirklich einzudringen ins Geistig-Seelische, das ist die zweite Grundbedingung unserer Gesellschaft, ohne die ist eine innere Konsolidierung gar nicht möglich, und noch viel weniger eine äußere. Das muß vor allen Dingen unter den Führer-Persönlichkeiten unter uns verlangt werden.

Ein Beispiel: Sie wissen alle, Goethe und Schiller waren eigentlich Naturen, die sich entgegengesetzt waren. Sie waren sich in einer gewissen Periode ihres Lebens unsympathisch. Und jener Augenblick, wo sie eigentlich Freunde wurden, der trat ein in jener Naturforscher-Versammlung, wo Schiller mit Goethe über die Ur­pflanze zu sprechen begann, wo also Schiller das Geistig-Seelische der Pflanze zu begreifen begann. Da wurde Goethe sein Freund, und von hier aus hat dasjenige seinen Ausgang genommen, was dann zu der gewaltigen Epoche führte. Was Goethe in der Urpflanze als Geistig-Seelisches fand, das können wir viel besser finden noch durch die Übungen, die uns Herr Dr. Steiner über das Pflanzentum gegeben hat. Man stelle sich einmal vor, daß solche Übungen in einem unserer Institute durchgeführt würden, da würde eintreten mit Notwendigkeit, daß diese Menschen, die da tätig sind, Freunde werden, daß sie schöpferisch werden, daß das, was sie zutage fördern, ausstrahlte von ihnen in die ganze Kultur. Es strahlt deshalb zum Beispiel nichts von unseren Universitäten, von unseren Hörsälen und Laboratorien aus, weil daselbst unter den Professoren, den Privatdozenten und Studenten dieses Geistig-Seelische nicht erfaßt wird. In jenen Organisationen wird der Zusammenhang dadurch gefunden, daß man ein Examen vor sich hat, also durch eine gewisse Furcht. Das kann bei uns ja nicht sein. Der einzige Antrieb kann bei uns darin bestehen, daß man einzudringen sucht in das Geistig-Seelische, in das Übersinnliche, wie es zum Beispiel dargestellt ist in den Einleitungen zu den naturwissenschaftlichen Schriften Goethes. Herr Dr. Steiner hat solche Übungen für Physiker, für Chemiker, für Ärzte, für Soziologen gegeben, aber auch für Menschen als solche. Man stelle sich vor, daß in unseren Zweigen wiederum Ernst gemacht würde damit, daß man wirklich lebendig denken lernt, was ja die erste Übung ist; dieses Zweigleben würde wiederum auffiammen. Es kann gar nicht anders auffiammen, als gerade dadurch. In dem Augenblick, wo ein Mensch zu uns spricht, der wirklich etwas vom Übersinnlichen hereinholt, sind wir wie­derum eine Gesellschaft, die ein richtiges Leben hat. Sie werden den Beweis erleben, wenn Herr Dr. Steiner selbst spricht. Da werden alle diese Zwistigkeiten verschwinden, und man wird sich wiederum unter sich einig fühlen. Aber so müßte jeder in dieser Beziehung ein richtiger Schüler Dr. Steiners werden, beson­ders jeder Führer. Oder man denke zum Beispiel, in welcher Art und wodurch die Eurythmie zur Blüte gelangt ist. Doch nur dadurch, daß Frau Dr. Steiner das Wort als solches in solch geistgemäßer Art erfaßt hat. Dadurch lebt man die Eurythmie. Dadurch bringt sie diesen Impuls zur Schönheit wiederum in unsere Kultur. Oder man denke an die Waldorfschule, die durchaus positiv zu nehmen ist. Was

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unterscheidet die Waldorfschule von anderen Schulen? Daß die Lehrer daselbst etwas vom Geistig-Seelischen in sich hineingearbeitet haben; daß dadurch ein Waldorfschulgeist entstehen konnte. Das ist alles sehr zu schätzen.

Als ich von Dornach hierher gereist bin, freute ich mich eigentlich sehr auf Stuttgart, weil ich wußte, daß ich bedeutende Menschen hier finden würde. Ich wußte, daß ich als Mensch und als Dichter durch sie bereichert werden würde. Ich war gewiß, daß ich hier einen bedeutenden Philologen fand, einen bedeutenden Geschichtskenner fand, einen bedeutenden Kenner der Mythologie fand usw. Und ich nahm mir ein Notizbuch mit, um mir etwas nach Hause zu nehmen. Ich wollte mich bereichern. Durch Zufall griff ich zu einem Notizbuch, das alt war, das ein kleines Tagebuch enthielt, das vor dem Krieg geführt wurde von mir, vier Wochen vor dem Krieg, als ich selbst am Bau arbeitete, worin ich meine große Liebe zum Bau niederlegte, meine Begeisterung beim Schnitzen. Ich schrieb einen Satz : Es ist Abend, ich bin sehr müde, kann die Hand kaum bewegen. Nun schaue ich den Bau noch einmal an, und ich fühle mich wieder frisch. - Oder ich beschreibe, wie ich den Bau anschaute und nachher in die stille Nacht gehe, und dann die Sterne ganz neu empfand. Dieser Bau war für mich ein lebendiger Organismus. Er war das, was die Anthroposophie für uns sein sollte, nämlich ein geistig-seelischer Mensch in viel erhöhterem Maße noch. Er war ein Wesen. Herr Dr. Steiner sagte einmal zu mir: Der Bau möchte etwas Neues hören, er möchte Vorträge, worin wirklich schöpferische Menschen sprechen. Wir alle in Dornach, wir empfanden diesen Bau als Wesen, und wir empfanden sein Abbrennen als den Verlust auch eines Wesens.

Hier, verehrte Anwesende, bin ich, ohne es eigentlich zu wollen, von Stuttgart wiederum weggekommen zu einem, das mir auch wichtig zu sein scheint, weil es nämlich nicht nur für Deutschland wichtig ist, sondern für die ganze Welt. Ich habe die Empfindung: man sollte weiter blicken, über Deutschland hinaus, man sollte beachten, daß die anthroposophische Sache eine internationale Angelegen­heit geworden ist. Wir bekommen Briefe von Rußland. Persönlichkeiten von dort kommen nach Dornach und erzählen, was in Moskau geschieht, wie man dort arbeitet, wie man dort zu wirken sucht. Wir bekommen Briefe von England, von Australien. Es hat sich sogar in Neuseeland eine anthroposophische Gesellschaft gebildet, die sich Dornach anschließt. Das alles ist ungeheuer wichtig. Deshalb muß die deutsche Gesellschaft, von der ja so viel abhängt, positiv nun sein. Es hängt ja von Deutschland zunächst die Konsolidierung der Gesellschaft über­haupt ab. Wenn es in Deutschland nicht zustandekommt, daß wir eine starke Gesellschaft werden, so ist der Wiederaufbau des Goetheanums gefährdet; denn es hat ja keinen Sinn, wenn man keine Gesellschaft hat, einen Bau zu haben.

Man hat gesagt, daß dieser Bau «nicht so schön» sein wird. Dieser Bau wird von Herrn Dr. Steiner ausgeführt werden; er wird ein Werk seiner Hand sein und er wird uns lieb sein, wenn er auch nicht so schön ist. Das glaube ich überhaupt nicht. Er wird anders sein, er wird meiner Ansicht nach so sein, daß er gewappne­ter ist gegen die Außenwelt. Er wird ja nicht aus Holz, sondern aus Beton sein. Er

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wird einen Steinpanzer haben. Er wird vielleicht mehr an etwas erinnern, was in den Katakomben zu sehen war, geistig-seelisch. Er wird eine Burg sein. Und ich möchte zum Schlusse dessen, was ich sagte, Sie bitten, dieses Bild in sich zu tragen. Ich glaube, wenn Sie dieses Bild haben dieses gepanzerten Baues, dann werden Sie sich selbst auch panzern. Sie werden stark werden. Sie werden die Feinde abweisen können. Dann wird, was Dr. Steiner einmal sagte, ganz gleichgültig sein, wie diese Feinde sind, wir werden gepanzert sein. Und wenn diese Feinde mit Kanonen gegen uns rücken, wie Dr. Steiner sagte, es kann uns gleichgültig sein - wenn wir nur Geist in uns haben und damit das Recht zur Existenz! Die Götter werden uns nicht im Stich lassen.

Herr Leinhas übernimmt wieder den Vorsitz : Herr Steffen hat gezeigt, daß man auch zur Sache sprechen kann.

Frau Gertrud Müller-Thalwitzer, Königsberg, spricht über die Arbeit im Osten Deutschlands und schlägt vor, daß örtlich einander naheliegende Zweige sich zusammenorganisieren mögen, zum Beispiel Danzig und Königsberg. Auch von alljährlichen «Gautagungen» einzelner Teile Deutschlands könnte man sich etwas versprechen, da die einzelnen Gegenden Deutschlands ganz verschieden sind. Die Zyklen Dr. Steiners, besonders die älteren, sind oft nicht mehr zu bekommen; das Ausleihen für die Zweigarbeit zu erleichtern, wäre eine dankenswerte Aufgabe. Dann sollte etwas geschaffen werden, um die materielle Lage der Zweige oder Zweigleitungen zu sichern; das ist besonders wichtig im Hinblick auf die Wühlar­beit der Gegner, durch die heute mancher um seine Existenz kommen könnte, bloß weil er Anthroposoph ist. Es wäre daher auch eine Aufgabe, die Hilfsbereit­schaft unter den Mitgliedern zu fördern.

Sie machte den Vorschlag: einen «Haupthilfsfonds» zu gründen für die not­leidenden Mitglieder der Gesellschaft.

Rudolf Steiner: Ich möchte eigentlich positiv nicht eingreifen, da ich der Überzeugung bin, daß in diesen Tagen das, was geschehen soll, aus der Mitte der Anthroposophischen Gesellschaft selbst hervorgehen muß und daß es sich von mir aus nur um einige Anregungen handeln kann, die ich aber auch später vorbringen könnte. Was mich veranlaßt, gerade jetzt in die Diskussion einzugreifen, ist dies: vielleicht auf einiges aufmerksam machen zu können, was die Diskussion fruchtbar gestalten würde. Aus verschiedenen Äußerungen in der Diskussion ging hervor, daß doch zu wenig Information bei unsern Freunden herrscht über den Grund, warum wir eigentlich diesmal hier zusam­mengekommen sind. Man hörte das aus den Diskussionen heraus, aber auch aus der Art, wie dadurch notwendigerweise gesprochen werden mußte. Deshalb möchte ich das Positive, das ich zu sagen habe, mir auf einen späteren Zeitpunkt sparen, indem ich die beiden Vorträge, die

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ich halten werde, aus diesem Thema heraus gestalte. Ich werde deshalb morgen sprechen über die Bedingungen der Gemeinschaftsbildung in einer Gesellschaft, wie es die anthroposophische ist, werde also na­mentlich die Anregungen, wie sie von Dr. Rittelmeyer und anderen ausgegangen sind, behandeln. Den zweiten Vortrag werde ich ebenso aus einem Thema behandeln, das sich aus der weiteren Diskussion ergeben wird. Aber darauf möchte ich aufmerksam machen, daß un­sere jetzige Versammlung nur fruchtbar werden kann, wenn auf Grundlage der Erkenntnis der Man gelh aftigkeiten - die ja wohl zuge­geben werden-, also der konkreteren Erkenntnis desjenigen, was mangelhaft ist, zu einer Gestaltung des Positiven geschritten wird. Daher möchte ich auch als Anregung namentlich für die Behandlung der Referate in den nächsten Stunden und Abenden eben doch auch

einiges Negative vorbringen, aber etwas, was durchaus so geartet sein soll, daß es zu etwas Positivem führen kann.

Was seit 1918 die Arbeit so schwierig machte in der Anthroposo­phischen Gesellschaft, ist ja - wie ich glaube - in treffender Weise eigentlich doch in der Diskussion herausgekommen, und manches Wort, was zum Beispiel Dr. Büchenbacher gesprochen hat, könnte schon eine tiefgehende Anknüpfung finden. Ich möchte anknüpfen an Worte, die bereits gefallen sind, zum Beispiel an das Wort, das auch von mir öfters gebraucht wird: die Isolierung durch das Stuttgarter System.

Es ist im Jahre 1918 unter den Ihnen bekannten Umständen der «Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus» begründet wor­den. Er konnte bei seiner Gründung durchaus als etwas angesehen werden, das aus den Intentionen der Anthroposophischen Gesell­schaft heraus eigentlich den Zeitverhältnissen gemäß gebildet werden mußte. Nur arbeitete man zunächst innerhalb des Gesamtrahmens der Anthroposophischen Gesellschaft für diesen Bund für Dreigliederung mit - wenn ich mich so ausdrücken darf - dem Apparate, mit dem bürokratischen Apparat, der hier in Stuttgart im Bunde für Dreiglie­derung eingerichtet worden ist. Denn was sollte man denn auch ande­res tun? Aber da ergab sich folgendes: Ich kam eines Tages einmal hierher, erfuhr hier, daß vor - vielleicht waren es damals einige Wo­chen schon, ein Rundschreiben versendet worden ist, in das man hineingelegt hatte auch einen Aufruf zur Begründung des «Kommen­den Tages». Es war das, was dazumal geschehen war, ein solcher

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Taktfehler, ein ungeheurer Taktfehler, der mitwirken mußte zu dem, was vorhin geschildert worden ist: Man bekam einen Schock, wenn man in die Anthroposophische Gesellschaft im Jahre 1918/19 hinein-kam. Und ich mußte einfach darauf hinweisen: es durften eben nicht die zwei Dinge miteinander konfundiert werden! Denn was sollten sich die jungen Mitglieder denken, wenn sie sich erst noch mit unseren idealistischen Dingen befassen und dann den Aufruf zur Gründung des «Kommenden Tages» zugeschickt erhielten? Ich mußte es also in der entschiedensten Weise ablehnen, daß solche Dinge geschehen. Ich erkundigte mich bei der Leitung des «Bundes für Dreigliederung», wie das gekommen sei, und man erklärte mir damals, es sei geschehen, weil man eben nur ein Briefcouvert verwenden wollte für beides. Aber sonst ist man nicht so darauf bedacht! Denn in dieser valutaelenden Zeit wurde mir neulich ein Couvert überreicht mit dem Bemerken, daß so etwas doch übelgenommen werden müßte: ein Couvert, mit dem jemand eine Gutschriftanzeige über 21 Mark erhielt und das frankiert war mit 150 Mark. Es ist ganz selbstverständlich, daß solche Gedankenlosigkeiten auf einer gesunden Grundlage der Gesellschaft nicht wuchern würden. Ich erkundigte mich auch weiter bei den Leitern des Bundes über diese Angelegenheiten und erfuhr, daß sie von der ganzen Sache nichts wußten. Ich stand also vor einer, im echten Sinne des Wortes, zur Konfusion führenden Demokratie und konnte mir nicht anders helfen, als daß ich sozusagen mit Fäusten um mich schlug und sagte: Da mache ich nicht mehr mit! - Das führte zu einer Art Regeneration des Bundes für Dreigliederung - den Per­sönlichkeiten nach, aber nicht dem Geiste nach -, denn was dann weiter gemacht wurde, das wurde aus demselben Geiste heraus unternommen.

Ich führe dies an, weil daraus ersichtlich wird, wie die Dinge, die hier aus den Intentionen der Anthroposophischen Gesellschaft ge­macht wurden, auf den Sand gelaufen sind. Deshalb hatte ich erwartet, daß nach dem Vortrage von Dr. Kolisko ein Redner aufstehen und sagen würde: Wir wünschen eine Äußerung derjenigen, die am Stutt­garter System beteiligt sind, daß sie uns sagen, was sie dazu vorzubrin­gen haben! Dann hätte daraufhin weiter diskutiert werden können. -So wie die Dinge seit 1918 liegen, war ich genötigt, mit der Stuttgarter Organisation zu arbeiten - denn ich konnte sie nicht, nachdem sie einmal da war, übergehen. Und die Stuttgarter Organisation isolierte

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sich immer mehr und mehr. Aber was war die Folge? Da ich das Stuttgarter System nicht desavouieren konnte, so war die Folge, daß ich mit isoliert wurde. Deshalb mußte ich im Herbst 1922 [am 10. Dezember] mit Herrn Uehli reden, daß er sich bespricht mit den Mitgliedern des Zentralvorstandes, wie die Dinge anders werden könnten, und daß, wenn ich wieder nach Stuttgart käme, die promi­nenten Führer der Bewegung sich mit mir unterredeten, wie die Dinge anders werden könnten; widrigenfalls ich genötigt wäre, mich über die Köpfe der Organisation hinweg an die Mitglieder der Gesellschaft zu wenden, damit die Dinge anders würden. - Wir sind ja aufgefordert worden, «frisch von der Leber weg» zu reden, ich will also damit beginnen.

Die Isolierung wurde geradezu systematisch betrieben. Im Septem­ber 1921 fand ein Kongreß statt, wobei auch eine Art Versammlung der Anthroposophischen Gesellschaft stattfand. Da wurde ein Zen­tralvorstand gebildet; der gab zunächst den Inhalt dessen, was damals verhandelt worden war, in einem «Mitteilungsblatt» heraus. Von da an konnten die Mitglieder in einem gewissen Sinn fragen: Wo ist denn der Zentralvorstand? Denn das letzte Mitteilungsblatt kam heraus Neu­jahr 1923, und bis dahin hatte der Zentralvorstand nie etwas an die Mitglieder gelangen lassen von dem, was ich selbst gesagt habe. So war mir die Möglichkeit genommen, mit der Gesellschaft selbst in Verbin­dung zu treten. Also ich wurde im besten Sinne mit isoliert. Ich möchte die Frage stellen - ich weiß ja die Antwort, aber hier in der Delegiertenversammlung muß diese Frage gestellt werden: Was hat der Zentralvorstand zwischen den beiden Mitteilungsblättern vom Jahre 1921 und 1923 getan?

Diese Dinge erwähne ich jetzt deshalb, weil sie Gegenstand der Spezialdebatte werden müssen. Es sind die Punkte der Spezialdebatte angekündigt worden; sie kann aber nur fruchtbar werden, wenn diese Dinge wirklich beantwortet werden. Denn man wird daran handgreif­lich sehen, wie es in der Vergangenheit gegangen ist und wie es in der Zukunft nicht wird gehen können. Man muß aus dem, was in der Vergangenheit geschehen ist, die Schlüsse ziehen für das Arbeiten in der Zukunft.

Ich möchte nun noch auf etwas anderes hinweisen, was uns wieder auf einen größeren Horizont führen kann. Die Aufgaben, welche die Anthroposophische Gesellschaft erhalten hat, sind immer größer geworden.

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Es war die Pflicht der Leitung, mit diesen Aufgaben zu wachsen. Dazu war es nötig, daß man sich in eingehender Weise für die Aufgaben interessierte. Deshalb möchte ich ganz kurz skizzieren, weil das in die Spezialdebatte einfließen muß, daß vor allen Dingen einer solchen Gesellschaft, wie es die anthroposophische ist, aus allem, was sie in der Gegenwart tut, die striktesten Verpflichtungen für die Zu­kunft erwachsen. Die Gegner prellen hervor - einfach deshalb, weil die Anthroposophische Gesellschaft da ist. Nun kann man im Augen­blicke nicht alles mögliche tun, aber die Wege müssen beschritten werden, daß die Dinge weitergeführt werden. In Stuttgart lagen die Sachen so, daß man fortwährend «Programme machte» und sich dann um das, was man so an Programmen bildete, nicht weiter kümmerte. Ein Beispiel dafür ist der «Bund für freies Geistesleben». Ohne den Willen zur Durchführung - und auf diesen Willen kommt es an - kann eben nichts fruchtbar werden in der Anthroposophischen Gesell­schaft. - Wir haben die Waldorfschule gegründet und bilden aus den Kräften, die sich aus der Anthroposophie heraus ergeben, mit einer durch die Anthroposophie gegebenen Pädagogik und Didaktik Schü­ler aus. Was da geleistet werden kann, spürt man bis in die ganz junge Schülerschaft der Waldorfschule hinunter. Aber schon lange bevor das Stuttgarter System eingetreten ist, mußte ich immer wieder eines hervorheben, was mir schmerzlich vorkam. Ich mußte sagen: Wenn wir nun jemanden auf diesem oder jenem Gebiete ausgebildet haben, dann muß er in die Verhältnisse der Welt hinaustreten, die wir negie­ren. Damit ist von vornherein vieles, was wir tun, zur Unfruchtbarkeit verurteilt. Es kommt ja selbstverständlich jemand, der nach unseren Kräften ausgebildet worden ist in unserer Mitte, in das hinein, was man «die Außenwelt» genannt hat, wo er Verhältnisse trifft, in denen er nichts anwenden kann von dem, was er in unserer Mitte erreicht hat. Daher entsteht die große Sorge: Wie gestalten wir die Zukunft derer, die ihre Kräfte aus unserer Mitte heraus bekommen? - Ich habe immer wieder und wieder auf diesen Gedanken hingewiesen, weil gerade die idealsten Aufgaben wenig Anklang gefunden haben. - Ich habe Ihnen nun von denen, die so jung sind, daß sie noch gar nicht drinnen sein können in der Gesellschaft, auch eine Zuschrift zu verlesen, die Sie zusammenfassen können als eine Art Fazit.

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Erklärung

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Eine Anzahl Schüler der obersten Klassen der Freien Waldorfschule möchte folgendes zur Kenntnis der Delegiertenversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft bringen :

An Ostern 1924 geht die erste Klasse der Waldorfschule ab. In unserem heute üblichen Mittelschulwesen ist mit diesem Abgehen die Reifeprüfung verbunden. Besonders durch die wachsende Gegnerschaft, die sich gegen die anthroposophi­sche Bewegung und in ebenso scharfem Maße auch gegen die Freie Waldorfschule richtet, wird aber dem Abiturienten das Ezamen außerordentlich erschwert. Außerdem widerspricht es dem Wesen der Waldorfschul-Pädagogik, wenn in solchen Augenblicksprüfungen über das Wesen des werdenden Menschen ent­schieden werden soll.

Nur diese Maturitätsprüfung eröffnet uns jedoch den Zugang zum heutigen Hochschulwesen. Aus allem, was man von den gegenwärtigen Hochschulen hört, geht hetvor, daß dort nicht mehr jene Wissenschaft gelehrt wird, die lebendig den ganzen Menschen erfaßt; sie ist nur ein abstraktes, haltloses Wissen, das immer mehr in den Dienst wirtschaftlicher Interessen gestellt wird. Die Zeitverhältnisse beweisen, daß aus jenen Anstalten nicht mehr jene geistigen Führer hervorzuge­hen vermochten, die das deutsche Volk und die ganze Menschheit in der Gegen­wart brauchen.

Darum bedarf es gerade heute solcher Hochschulen, die den im Menschen schlummernden Anlagen voll zur Entfaltung verhelfen und nicht in äußerlicher Weise dem Fachstudium und der bloßen Berufsausbildung dienen. Das, was mit der Waldorfschul-Erziehung angestrebt wird, muß auch darüber hinaus für die Hochschulen gelten, sollen die in der Waldorfschule gelegten Keime sich auch weiterhin frei entfalten können.

Die Waldorfschüler sehen in dieser Lage nur einen Ausweg: Es muß ein freies Hochschulwesen angestrebt werden. In einer freien Hochschule muß aus anthro­posophischem Geiste heraus seine Fortsetzung finden, was mit der Waldorfschul­Erziehung begonnen wurde. Wir Waldorfschüler hoffen, daß die anthroposophi­sche Bewegung das, was aus ihr heraus in der Waldorfschule entstanden ist, weiterführen wird und dem Bedürfnis nach einem freien Hochschulwesen gerecht werden wird. Wir hoffen, daß diese Idee das liebevolle Verständnis und die kraftvolle Unterstützung finden wird, die nötig ist, damit die Kräfte, die durch die Waldorfschule zur Geltung gebracht werden können, sich später auch kraftvoll auswirken und zur Geltung kommen da, wo sie gebraucht werden.

Hier spricht die Sorge desjenigen, was wir bei den Jüngsten sehen, bei den Knaben und Mädchen, die unserer Bewegung nahestehen. Daraus ergibt sich die Frage: Wie stellt sich die eventuelle Leitung einer Anthroposophischen Gesellschaft zu den wichtigsten Zukunfts­fragen? Wie denkt sie darüber? - Selbstverständlich können die Dinge

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nicht von heute auf morgen gemacht werden. Aber wie wird weiter gedacht über die Dinge, seitdem nach dem Aufstellen des Programms des Hochschulbundes überhaupt nicht mehr durchgreifend gedacht worden ist? Also die Frage ist weiter zu behandeln: Wie denkt man in der Anthroposophischen Gesellschaft, so in Zukunft zu wirken, daß wirklich an die Zukunft gedacht wird?

Dieses Nichtdenken an die Zukunft drückt sich sehr stark aus. Wir haben eine Reihe von Kongressen gehabt, die sind in sich glänzend verlaufen. Gerade bei den Kongressen war es so, daß Ausgezeichnetes von den Intelligenzen innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft geleistet worden ist. Hat man sich dann umgesehen innerhalb eines weiteren Horizontes über die Auswirkung eines solchen Kongresses, so hat man erfahren: Ja, das ist sehr schön, was da vorgebracht worden ist, aber die Anthroposophen sind so, daß es uns gar nicht einfällt, ihnen nahetreten zu wollen. - Das ist etwas, was eigentlich in Anknüp­fung an jeden Kongreß erfahren werden mußte. Das ist etwas, was ich kleiden möchte in den Satz: Vieles ist - gerade von den führenden Persönlichkeiten - durch den Fanatismus und durch die Engherzig­keiten, die da walteten, dazu beigetragen worden, Leute abzustoßen, deren Mitarbeit wir sehr nötig hätten!

Das ging einfach aus gewissen Dingen hervor, die in der Unum­gänglichkeit lagen. Man muß da sehr stark auf Gefühlsmomente hin­weisen : Es war keine Neigung vorhanden, sich mit der Welt auseinan­derzusetzen. Und auseinandersetzen muß man sich mit der Welt, wenn man ihre Mitarbeit, nicht ihre Gegnerschaft haben will. Das zeigte sich dann sehr stark in der realen Folge. Ich bitte Sie nur zu berücksichtigen, daß es immer schwerer wird, Waldorfschullehrer zu finden. Warum? Weil die Einkapselung System geworden ist. Und nachdem die Zahl derjenigen erschöpft ist, die noch in den besseren Zeiten der Anthroposophischen Gesellschaft sich in diese hineinge­funden haben und diese Persönlichkeiten in die in Frage kommenden Posten hineingekommen sind, ist es nicht möglich, daß wirklich neue Menschen sich hineinfinden. Gerade wenn man auf solche Systeme stößt, wie es vorhanden war im «Bund für Dreigliederung», dann ist es handgreiflich, daß Persönlichkeiten, die gute Mitarbeiter werden könn­ten, wenn sie auf eine menschliche Weise die Anthroposophie kennen­lernten, sich zunächst einfach - nicht durch die Anthroposophie, sondern durch die Behandlung, die sie erfahren- abgestoßen fühlen.

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Diese Beziehungen müssen in der Spezialdebatte geregelt werden, denn hier liegen die Aufgaben für die Zukunft. Die Aufgaben liegen vielfach in einer Umänderung des ganzen Taktes, der in der Gesell­schaft herrscht. Die Aufgaben liegen darin, daß es nicht darauf an­kommt zu sagen: Die Stuttgarter haben keine Zeit. - Es werden schon die Freunde nicht verlangen, daß mit jedem einzelnen Stunden zuge­bracht werden; aber was in den Minuten geschieht, das ist es, worauf es ankommt und was so vielfach dazu geführt hat, daß einem das Echo von draußen entgegentönte: Ja, wenn man nun doch einmal nach Stuttgart kommt, so verschlägt es einem die Rede! Und wenn man dann wieder weggegangen ist, so verschlägt es einem den Atem! - Ich kleide das in etwas radikale Ausdrücke, aber wir sind ja aufgefordert worden, «frisch von der Leber weg» zu sagen, was vorgebracht wer­den müßte.

Das sind die Dinge, über die gesprochen werden muß von dem abtretenden oder von dem wieder hinzutretenden Zentralvorstand, Dinge, über die nicht geschwiegen werden darf. Denn fragen Sie:

Wodurch sind die Zweige eingeschlafen? -, so erhalten Sie die Ant­worten, daß der Vorstand nicht einmal während der zwei Jahre Mittei­lungen hinausgesandt hat. Ich will keine Kritik üben, es ist nur termi­nologisch gemeint. Aber indem auch von seiten der Stuttgarter diese Dinge in ihrem Lichte erörtert werden, kann dasjenige entstehen, was entstehen muß und was die Gesellschaft weiterführen kann. Was sie weiterführen kann, ist allein der Wille dazu. Der Wille der Mitglieder muß aber in richtiger Weise mit dem Willen der Leitung zusammenge­hen können. Wenn das nicht der Fall ist, muß wenigstens herauskom­men, warum das nicht der Fall ist; dann wird sich schon zeigen, wie der Sache abzuhelfen ist.

Also es handelt sich nicht darum, daß wir über ganz Allgemeines sprechen, sondern daß wir aus der Erkenntnis der Mangelhaftigkeiten fruchtbare Ideen finden für die Fortführung der Anthroposophischen Gesellschaft. - Die Behandlung der einzelnen Fragen bitte ich doch unter diesen Gesichtspunkt zu stellen; dann wird die Diskussion fruchtbar werden; auch wenn nur fünf Minuten von jedem geredet wird.

Ich möchte dann selbst in meinen zwei Vorträgen gerade über Angelegenheiten des anthroposophischen Lebens sprechen, wie sich die Dinge mir aus den Verhältnissen heraus ergeben.

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26. Februar (in der Nachmittagsversammlung)

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Herr Leinhas gibt bekannt, daß vorgesehen ist, daß über die in Betracht kommen­den Punkte am Nachmittage gesprochen werden soll, und er macht den Vorschlag, im Sinne der Anregungen Dr. Steiners jetzt weitere Anregungen zu geben.

Herr Dr. Carl Unger, Stuttgart, will im Zusammenhang mit dem, was Herr Dr. Steiner gesagt hat, einiges vorbringen, was mit den Antezedenzien zu tun hat. Aus einer Rückschau ergibt sich vor allem, daß auch viele Stuttgarter und gerade diejenigen, die ursprünglich Träger der anthroposophischen Arbeit in Stuttgart waren, furchtbar gelitten haben unter dem, was man das Stuttgarter System genannt hat. In dem Maße, wie hier die Begründungen vollzogen worden sind, wurden von auswärts viele Persönlichkeiten zugezogen, die Mitarbeiter werden sollten, um die Unternehmungen vorwärts zu bringen. Dadurch wurde man aber selbst abhängig von dem, was man heraufgerufen hatte. Die Hierherberufenen wurden nun auch zur Mitarbeit im anthroposophischen Leben geworben, damit sie die Verantwortung tragen helfen. Aber es war eine Zeit, wo man kein Interesse finden konnte für die Angelegenheiten der Anthroposophischen Gesellschaft. Es mag daran gelegen haben, daß man selbst nicht imstande war, dieses Interesse allgemein lebendig zu erhalten. Sodann wies der Redner darauf hin, daß er sich veranlaßt sah, sich zurückzustellen, da er keine Möglichkeit sah, das Anthroposo­phische in der Weise weiterzupfiegen, wie es gerade in Stuttgart durch fünfzehn Jahre hindurch im Mittelpunkt stand. Mit den Begründungen sind die Aufgaben der Gesellschaft gewachsen. Bei der Einfügung der Unternehmungen in die Ge­sellschaft sind sicher Fehler gemacht worden, insbesondere fehlte es an der Ver­antwortlichkeit der anthroposophischen Leitung gegenüber diesen Gründungen. Der Sprecher wies darauf hin, wie er sich selbst gerade in wichtigsten Angelegen­heiten zur Inaktivität verdammt fühlte, dadurch, daß er kein Ohr mehr fand für das, was aus der alten Verbundenheit mit der Gesellschaft vielleicht hätte zur Geltung kommen sollen.

Herr Ernst Uehli, Stuttgart, schilderte, wie er nach Stuttgart berufen wurde im Jahre 1919 als Redakteur der Zeitung, und wie er dann durch das Nichtfunktionie-ren der Leitung des «Bundes für Dreigliederung« mit der Leitung dieses Bundes betraut wurde, als dieser schon bureaukratisch geworden war. Er gibt zu, daß es ihm nicht gelungen ist, den Bund aus dem Sumpf, in den er geraten war, herauszu­führen. Als dann die Teilnahme an der Redaktion der «Drei« und die Arbeit des Zentralvorstandes dazukam, sei ihm die Last zu schwer geworden. Er hätte Aufgaben auf sich genommen, denen er nicht gewachsen war. Nun wolle er versuchen, sich aus der Isolierung herauszuziehen. Er habe sich daher vom Zen­tralvorstand zurückgezogen, um nicht mehr fortzufahren das zu tun, was er nicht könne, sondern zu tun, was er könne. Er kenne seine Fehler im Verkehr mit den Menschen, werde aber nun suchen, seine Arbeit als freier Mensch hineinzustellen in die Entwickelung der Gesellschaft.

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Herr Rektor Moritz Bartsch, Breslau, sprach nun aus, was die Zweige ihrerseits unterlassen haben zu tun. Die Autonomie der Zweige, von der Dr. Steiner gesprochen hat, sei zu wenig beachtet worden. Im Osten wurde man weniger berührt von dem Stuttgarter Bureaukratismus. Die Selbständigkeit der Persön­lichkeiten und der Zweige beruhe auf dem Geist der «Philosophie der Freiheit«. Bei der inneren Entwickelung sei immer die Gefahr des Subjektivismus. Es sei manchmal wie in der Dorfkirche, wenn derjenige, der gemeint ist, sich darüber freut, daß ein anderer etwas abgekriegt habe.

Herr Andreas Körner, Nürnberg: Man spricht zuviel von der Neugestaltung der Anthroposophischen Gesellschaft, aber zu wenig vom Entwurf der Grundsätze. Davon scheint wenig eingefiossen zu sein. Es fehlt an Interesse für das Individuelle im andern Menschen. Wir kennen den Vorstand aus Vorträgen und Büchern, aber der Vorstand muß auch die Mitglieder kennen. Dr. Steiner sagte einmal, er denke jeden Tag an jedes Waldorfschulkind, bei uns sollte etwas Ähnliches geschehen.

Herr Dr. Eugen Kolisko, Stuttgart: Es kommt nicht darauf an, daß der Zentralvor­stand sich entschuldigt, sondern darauf, daß im Sinne wie Dr. Steiner angedeutet hat, fortgefahren wird, die konkreten Verhältnisse zu schildern, die zum Stuttgar­ter System geführt haben. Der Mangel an Aufklärung ergibt sich besonders bei der Angelegenheit der religiösen Erneuerung.

Herr Uehli war zu den sämtlichen Theologenkursen und zu der Begründung der Bewegung für religiöse Erneuerung zugezogen worden. Aber es fehlte ihm völlig das Bewußtsein, daß er die Gesellschaft über die Bewegung zur religiösen Erneuerung aufklären müsse. Sogleich hätte bei der Rückkehr von Herrn Uehli aus Dornach der Zentralvorstand sich beraten, Mitteilungen hätten sogleich statt im Januar herausgehen und überall hätte die Mitgliedschaft aufgeklärt werden müssen. Es war eben eine ganz allgemeine Erscheinung, daß kein Bewußtsein davon vorhanden war, daß man für die Anthroposophische Gesellschaft etwas zu tun habe. Ähnlich war es zur Zeit der Dreigliederungsbewegung gewesen. Da war eine Zeit, wo es wie eine Art Parole war, daß es jetzt Dreigliederung gelte und nicht mehr Anthroposophie. Wir müssen versuchen zu verstehen, wie psycholo­gisch so etwas wie das Zusammenbrechen Herrn Uehlis unter der Last der Arbeit und die Inaktivität Dr. Ungers zu verstehen ist. Zu den für das «Stuttgarter System« symptomatischen Dingen gehört auch, wieviel durch Briefe, die von Stuttgart ausgingen, usw. von allen Seiten gesündigt worden ist. Wir müssen solche Dinge, die geschehen sind, konkret aussprechen. Wir werden nur weiter­kommen, wenn wir das Negative hinstellen und das Positive tun.

Der Vorsitzende, Herr Emil Leinhas, kündigt an, daß die von den Einberufern der Versammlung vorbereiteten Referate nun ablaufen sollen.

Dagegen erhebt sich allgemeiner Widerspruch. Es kommt zu einer Geschäftsord­nungsdebatte, in welcher die Redner ausführen, man wolle die Referate jetzt nicht hören, denn damit vergehe die Zeit, viele der Freunde müßten wieder abreisen,

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ohne vielleicht zu Wort zu kommen, die Generaldiskussion müsse fortgesetzt werden.

Herr Ernst Lehrs, Jena, führt aus, man müsse den Einzelreferaten das Menschlich­Anthroposophische vorausschicken. Dr. Rittelmeyer sei hierzu der Geeignetste.

Herr Wilhelm Rath, Berlin, Herr Walter Mayen, Breslau, stimmen dem zu.

Herr Dr. Friedrich Rittelmeyer, Stuttgart, sagt, es sei nötig, daß ein Gesamtbild gegeben werde, aber er möchte es selbst nicht tun.

Herr Dr. Carl Unger, Stuttgart, weist auf die Notwendigkeit der Referate über die einzelnen Institutionen hin, weil gerade aus ihrer Begründung die Schwierigkeiten gekommen sind.

Herr Dr. Walter Johannes Stein, Stuttgart, bittet die Versammlung, die Referate anzuhören. Würde man sie nicht anhören, so sei all die Mühe der Vorbereitung umsonst, auch die Mühe, die sich Herr Dr. Steiner gegeben habe mit denen, die nach vieler schmerzlicher Selbsterkenntnis, zu der sie Herr Dr. Steiner geführt hat, die Prüfung der hiesigen Methoden vorgenommen haben. In den Referaten werde im einzelnen herauskommen, wo die Fehler gemacht wurden, und nur auf Grund dieser Einsicht könne es besser werden. Seiner Überzeugung nach sei niemand im Saal anwesend, mit Ausnahme Herrn Dr. Steiners, der das Wort dazu aber wohl nicht ergreifen würde, der imstande wäre, ein Gesamtreferat zu geben.

Herr Dr. Rudolf Stein er weist darauf hin, daß man das Praktische ins Auge fassen müsse, sonst käme man nicht weiter. Mit Geschäftsord­nungsdebatten käme man nicht weiter. Daher stelle er jetzt auch einen Antrag zur Geschäftsordnung, nämlich den :

Herr Leinhas möge das Neuner-Komitee fragen, wer das allge­meine Referat halten wolle. Finde sich jemand, so sei das gut. Wenn nicht, so sei das auch eine Manifestation. In der Vorbereitung seien jedenfalls nur einzelne Referate herausgekommen, und Dr. Stein habe ehrlich gesagt, wie es damit stehe.

Da niemand sich meldet, bietet sich schließlich Dr. Unger an, das Gesamtreferat zu halten. Der Vorsitzende stellt fest, daß die Versammlung dieses Referat von Dr. Unger nicht wünscht.

Die Versammlung erklärt sich nun bereit, die Einzelreferate zu hören. Es folgt daher das vorgesehene Referate über Dreigliederung.

Herr Dr. Carl Unger, Stuttgart: Mit der Bewegung zur Dreigliederung des sozialen Organismus stehen wir am Ausgangspunkt der Schwierigkeiten, die heraufgekommen sind. Diese Bewegung wandte sich voll an die Außenwelt. Durch ihr Mißlingen hat sie die Anthroposophische Gesellschaft am meisten

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geschädigt und in ihrer Arbeit gestört. Es handelt sich nun bei diesen Referaten darum, das Verhältnis der Anthroposoplüschen Gesellschaft als Gesellschaft zu den Institutionen, welche seit 1919 in ihrer Mitte Platz gegriffen haben, zu bestimmen. Da kann darauf verwiesen werden, daß es die Anthroposophie immer in ihren geistigen Impulsen trug, für das praktische Leben wirksam zu werden. Es hat dies seinen Ausdruck gefunden im Entwurf der Grundsätze, den ja Herr Dr. Steiner verfaßt hat. Sodann darf auf die Aufsätze von Dr. Steiner in «Luzifer-Gnosis» verwiesen werden, die 1905 über die soziale Frage erschienen sind. Herrn Molt, dessen Name ja mit der Dreigliederungsbewegung verbunden ist, wurde vom Referenten etwa 1908 der Rat gegeben, sich mit diesen Aufsätzen zu beschäf­tigen, die überhaupt kaum beachtet worden waren. Dr. Steiner verwies in seinem Wiener Zyklus 1914 auf die soziale Frage als Karzinom im gegenwärtigen Leben, und die Herbstvorträge von 1918 in Dornach wirkten als starker Impuls, so daß nach dem Zusammenbruch der deutschen Verhältnisse in Stuttgart der Versuch gemacht wurde, aus anthroposophischer Arbeit heraus in das Chaos einzugreifen. Dies führte später dazu, daß eine Abordnung von Stuttgart von Herrn Dr. Steiner Rat und Hilfe erbat. Es soll nun keine geschichtliche Darstellung gegeben werden, aber es ist zu beachten, daß diese Bewegung aus anthroposophischem Enthusias­mus unternommen wurde. Die rasche Aufnahme der Stuttgarter Initiative bei den anthroposophischen Freunden weist auf die angesammelte anthroposophische Energie hin, die zur Auslösung kam. Der anfängliche Erfolg war dem unermüdli­chen Wirken Dr. Steiners zu danken. Als die «Kernpunkte» erschienen, konnte auch in diesem Werk der anthroposophische Hintergrund wohl erkannt werden. Und es wurde hier oft versucht, dies zur Geltung zu bringen. Die Bewegung brach plötzlich zusammen, ließ aber eine ungeheure Gegnerschaft zurück, die sich nun auf die Anthroposophie und Dr. Steiner stürzte. Nun hätte das Anthroposophi­sche sich rein herausgliedern sollen, wozu schon der Kulturratsaufruf ein Auftakt hätte werden können. Aber die Arbeit der Anthroposophischen Gesellschaft war weitgehend zerstört worden. Die Zweige waren in Beschlag genommen durch die Dreigliederung. Die Agitation in der Öffentlichkeit hatte zu einer gewissen Ober­flächlichkeit geführt, die nun dem anthroposophischen Vortragswesen anhing.

Die Dreigliederungsbewegung ließ vieles zurück. Zunächst in gutem Sinne die Waldorfschule, die aus sozialem Impuls von Herrn Molt gegründet wurde, ferner den «Kommenden Tag«, der innerhalb seiner selbstgesetzten Grenzen ausgezeich­net arbeitet. Aber es hängen auch damit zusammen die verschiedenen wissenschaft­lichen Institute, das Klinisch-therapeutische Institut, die Zeitschriften und der «Bund für freies Geistesleben», über deren Verhältnis zur Anthroposophischen Gesellschaft besondere Referate berichten sollen. Für die Gesellschaft selbst gilt es nun, in ihrer Arbeit den Impuls des Sozialen im Inneren auszuwirken. Da kann er beitragen zur Entfaltung des ganzen Menschen. In der sozialen Forderung liegt etwas, was mit der Umgestaltung des ganzen Menschen zusammenhängt. Auch nach außen darf die Vertretung des Sozialen nicht versäumt werden. Das Beispiel dafür, wie dies geschehen kann, sind die Vorträge, die Dr. Steiner beim Wiener

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Kongreß gehalten hat. Die Frage des Sozialen darf bei der Konsolidierung der Gesellschaft nicht fehlen, wenn sie im rechten Sinn erfolgen soll.

Der Vorsitzende, Herr Leinbas, eröffnet nun die Diskussion:

Herr Emil Molt, Stuttgart, weist darauf hin, daß es für ihn in vieler Beziehung darauf ankommt, neu anzufangen. Großer Schaden wurde angerichtet durch Vergessen der Pflichten der Gesellschaft gegenüber infolge des Aufgehens im Alltäglichen und im Berufe. Er spricht über die Gründe der Lähmung seines Wollens, erklärt sich aber, um der Verantwortlichkeit gerecht zu werden, bereit. am Wiederaufbau mitzuwirken, und bittet, ihm dabei zu helfen.

Herr Karl Herdener, Schnaitheim, spricht von dem, was einen Proletarier drückt. Er sei von Anfang an bemüht gewesen, auch mit Bürgerlichen zusammenzuarbei­ten, und berichtet, wie er zur Bewegung gekommen sei. Hier hätte er gehört, es gäbe eine Arbeitsgruppe von Proletariern, das könne er nicht verstehen. In Hei­denheim habe man frei zusammengewirkt. Es werde immer von Gemeinschafts­bildung und Menschentum geredet, in beinahe schlagwoitartiger Form. Über Dreigliederung sei vom Unternehmerstandpunkt aus berichtet worden. Der Pro­letarier brauche die andere Seite. Das wisse der Anthroposoph am besten. Sodann spricht er über die Schule und von der Aufgabe, den Kindern, wenn sie die Schule verlassen, weiterzuhelfen. Wenn er in den Gewerkschaften darüber spreche, daß Liebe der Gedanke des Klassenkampfes sei, werde ihm immer entgegengehalten, daß die Aktionäre des «Kommenden Tages« Kapitalisten seien. Er erwähnt den Zeitungsartikel über die Zuchthausordnung der Waldorf-Astoria. Es müsse von der Anthroposophie aus etwas geschehen, was den Standpunkt des Proletariers berücksichtige, sonst könne er nicht mehr in der gleichen Weise für Anthroposo­phie eintreten, wenn er wieder zurückkehre. Es seien zuviel Doktoren zum Wort gekommen und kein Proletarier. Er wünscht, mit positiver Arbeit hier weggehen zu können.

Herr Adolf Arenson, Stuttgart, zur Sache: Im Zweig Stuttgart seien viele Proleta-rier, und wenn Herr Benzinger einen besonderen Zweig gegründet habe, müsse ihm dies freistehen. Im übrigen sei jetzt ein besonderer Abend für alle Mitglieder eingerichtet worden.

Herr Dr. Eugen Kolisko, Stuttgart: Bei der Arbeit des «Bundes für Dreigliede­rung« hat man es nicht verstanden, mit dem Proletariat so zu sprechen, daß es fühlte, daß ein volles Menschentum dahinterstand. Man hat nicht aus der Anthro­posophie heraus gesprochen. Die Industriellen hat man verärgert. Später sind Agitatoren ohne genügend liebevolle Arbeit und Vorbereitung der Redner hinaus-geschickt worden, so daß durch manchen Redner die Anthroposophie in Mißkre­dit gebracht worden ist. Damit hing es zusammen, daß bei der Vertretung der Dreigliederung in Oberschlesien trotz allem Enthusiasmus Fehler gemacht wor­den sind, welche dann dazu führten, daß die nationale Gegnerschaft entfesselt

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wurde. Mit dem Arbeitsmaterial des Bundes ist so verfahren worden, daß sogar ein unkorrigierter Vortrag Dr. Steiners bis in die Redaktion des «Hammer« (!) ge­langte. Der Vortrag Dr. Steiners vor den Arbeitern der Daimler-Werke ist wahllos versandt worden, ohne Rücksicht darauf, daß er aus einer besonderen Situation gehalten worden ist. Bei anthroposophischer Gesinnung wäre eine solche Behand­lung von Dr. Steiners Vorträgen unmöglich gewesen. Der Kulturratsaufruf ist liegengelassen worden, obwohl damit die wichtige Frage einer freien Hochschule verknüpft war. Da der «Bund für Dreigliederung« nicht mehr ezistiert, kann bei dieser Debatte nichts Positives vorgebracht werden, aber man kann an diesen Fällen zeigen, wie dieses alles bei richtiger anthroposophischer Gesinnung nicht möglich gewesen wäre und wie man jetzt nach außen Anthroposophie vertreten muß.

Herr Rektor Moritz Bartsch, Breslau, glaubt nicht, daß in Oberschlesien Fehler gemacht worden sind.

Herr Dr. Eugen Kolisko, Stuttgart, gibt noch einige Erklärungen dazu.

Herr Dr. Herbert Hahn, Stuttgart: Man muß die Sprache des Proletariats spre­chen, wenn man zu Proletariern spricht. Als Dr. Steiner in der Waldorf-Astoria­Fabrik einen Vortrag hielt, war das Anthroposophische so lebendig, wie es der Proletarier braucht. Das hatten die anderen Redner nicht, und als der Rückschlag erfolgte, wirkte die Art zu sprechen auf die anthroposophische Sache zurück.

Herr Dr. Hans Büchen bach er, Stuttgart: Herr Dr. Unger hat davon gesprochen, wie die Dreigliederungsbewegung hervorgegangen ist aus den Grundimpulsen der Geisteswissenschaft. Es wird ja nicht nötig sein, weiter gerade davon zu reden, sondern man sollte darüber sprechen, ob das Hinaustragen der Dreigliederungs­bewegung in anthroposophischer Weise geschehen ist. Wenn man wirklich An­throposoph ist, so kommt man zu einem gründlicheren Menschenverständnis, zu einem Verstehen der Zeitströmungen. Dies war bei der Dreigliederungsarbeit nicht vorhanden. Als während der Kämpfe um die Abstimmung in Oberschlesien von vielen anthroposophischen Rednern auch in Deutschland die Dreigliederung als friedliche, einzig gesunde Lösung der Frage hingestellt wurde, tauchte in der Presse die Anklage des Landesverrates wegen dieser Stellungnahme auf. Unsere Redner konnten überall in den Versammlungen mit diesen verleumderischen Anklagen fertig werden. Sie konnten ja schließlich immer darauf hinweisen, daß die Dreigliederer, wenn es doch zur Abstimmung käme, natürlich für Deutsch­land stimmen würden und daß dies auch Herr Dr. Steiner klar ausgesprochen habe. Von Stuttgart aus ließ man eine recht stolze Erklärung hinausgehen, die aber gerade diesen Punkt überhaupt nicht berührte. Man mußte dies dann nachholen, aber man mußte sich nun eben sagen lassen, daß dieser Standpunkt erst nachträg­lich auf Grund der Angriffe eingenommen worden sei, und das Odium des Landesverrates blieb so doch auf uns sitzen. Es ist das ein konkretes Beispiel dafür, wie gerade die Dreigliederung nach außen so vertreten wurde, daß Menschenver­ständnis, wie es Anthroposophie geben kann, sehr stark fehlte.

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Herr Fred Geuter, Stuttgart: Das sogenannte «Stuttgarter System« hat seinen Ursprung darin, daß nicht verstanden wurde, gerade das zu vermeiden, gegen das wir uns in allen Reden und Vorträgen kritisierend wandten - gegen die Denkme­thoden und Willensimpulse des «Westens». Der Bund bekam zum Beispiel unter anderem die Aufgabe gestellt, für eine «ehrliche Diplomatie» zu wirken. Wer diese Entwickelung dieser Institution zu verfolgen vermag - mußte ein Gegenteil feststellen. Was zunächst getan werden muß, ist, daß wir die Impulse, die wir entgegennehmen, in unseren Herzen verwirklichen, damit wir auch in der Tat

handeln, wie wir reden. Sonst entstehen Seelenspannungen und Konflikte, die Unzufriedenheit, Krisen und nur unnötige Gegnerschaft hervorrufen.

HerrJohannes Thielemann, Meissen, spricht von ahrimanischen Wirkungen im Ätherleib der Gesellschaft, die überwunden werden müssen.

Herr Max Benzin ger, Stuttgart, weist den Vorwurf von Herrn Herdener zurück. Er habe einen Zweig begründet, weil er sehen wollte, ob man ein Doktor oder so etwas Ähnliches sein müsse, um einen Zweig zu leiten, oder ob ein Proletarier das auch könne. Außerdem wolle er das fortsetzen, was in der Dreigliederungszeit begonnen war mit den Proletariern. Der Redner rügt das vielfach falsche Verhal­ten der Anthroposophen gegenüber den Proletariern. Zum Beispiel gegen Dienst­boten. Zwischen Tun und Sagen sei ein Abgrund. Er schildert einige Erlebnisse aus der Dreigliederungsbewegung, deren Ausschuß er angehörte. Die Proletarier haben Dr. Steiner verstanden, aber nicht diejenigen, die sonst darüber sprachen, deren Taten nicht mit ihren Worten im Einklang standen. Aus der Champigny-straße berichtet er, es sei einem Angestellten in der Frage der wöchentlichen Auszahlung der Gehälter gesagt worden, er sinke ja auf die Stufe der Arbeiter herunter. Der Arbeiter sei feinfühlig, weil er fühle, ob der Mensch das auch tut, was er spricht. Er selbst sei als Hetzer verschrien worden.

Herr Wilhelm Conrad, Köln, stellt den Antrag, alle Referate hintereinander anzuhören.

Herr Dr. Rudolf Steiner: Ich meine, man sollte wirklich darauf Rück­sicht nehmen, daß wir zu einem fruchtbaren Ende kommen. Es ist vielleicht tatsächlich so, obgleich das nicht gründlich genug betont worden ist, daß von diesen drei Tagen das Schicksal der Gesellschaft abhängt. Kommen wir in diesen drei Tagen nicht zu einem Ergebnis, so bleibt nichts anderes übrig, als daß ich mich selbst an jedes einzelne Mitglied der Gesellschaft wende, daß das ausgeführt wird. Also, soll aus der Gesellschaft eine Reorganisation stattfinden, so muß das in diesen drei Tagen geschehen. Wir sind in einer Anthroposophischen Gesellschaft, da hängt alles zusammen. Sie werden sich am besten ein Urteil bilden können ünd auch über die Dreigliederung reden können,

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wenn Sie alles gehört haben. Es greift alles ineinander. Deshalb ist es am praktischsten, wenn Sie die Referate ablaufen ließen und sich ein Gesamtbild bilden, dann kann eine fruchtbare Diskussion herauskom­men, während so jeder Redner versucht wird, über jede Einzelheit zu sprechen, was zur Unfrüchtbarkeit führt. Herrn Conrads Antrag ist praktisch, daß wir so schnell wie möglich die Referate ablaufen lassen, damit wir wissen, was in der Gesamtheit vorgegangen ist in Stuttgart. Dann kann fruchtbar alles besprochen werden.

Dem Antrag Conrad wird stattgegeben.

Herr Emil Leinhas, Stuttgart, nimmt die Reihe der Referate durch einen Bericht über den « Kommenden Tag« auf. Er schildert die Entstehung der Aktiengesell­schaft als den Versuch, einen Keimpunkt eines assoziativen Wirtschaftslebens zu bilden durch einen Zusammenschluß von Bank, Industrie und Landwirtschaft mit wirtschaftlich- geistigen Unternehmungen. Die Durchführung der Idee im großen scheiterte an dem mangelnden Verständnis, das ihr von maßgebenden Kreisen des Wirtschaftslebens entgegengebracht wurde. Im Frühjahr 1922 mußte, um nicht in Unwahrhaftigkeit zu verfallen, eine «Programmbegrenzüng» proklamiert wer­den. Im Rahmen des unter den gegenwärtigen Verhältnissen möglichen Pro­gramms erfüllt der «Kommende Tag» seine Aufgaben und erweist sich als ein Unternehmen von wirtschaftlicher Tragfähigkeit. Herr Leinhas verschweigt nicht die Kinderkrankheiten, die das Unternehmen, das in einer recht schwierigen Zeit begründet worden ist, durchmachen mußte. Er weist ferner auf die Schwierigkei­ten hin, die im menschlichen Zusammenarbeiten vielfach aufgetaucht sind, die aber immer mehr überwunden werden, je mehr es gelingt, die wirtschaftlichen Aufgaben des Unternehmens herauszuarbeiten und sie nicht mit den Angelegen­heiten der Anthroposophischen Gesellschaft zu vermengen. Herr Leinhas bittet die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft, sich ihrer Aufgaben gegen­über dem «Kommenden Tag» und seinen einzelnen Unternehmungen, insbeson­dere dem Verlag und dem Klinisch-therapeutischen Institut bewußt zu sein und diese durch lebendiges Interesse für sie und ihre Produkte tatkräftig zu unterstüt­zen. Allen aus dem Schoße der Anthroposophischen Gesellschaft hervorgegange­nen Unternehmungen gegenüber sollte der Standpunkt der Mitglieder der An­throposophischen Gesellschaft immer mehr der werden, daß sie sich fragen : Was kann ich tun für diese Unternehmungen, wie kann ich mich für sie interessieren? Nicht: Wie kann ich mich in die Angelegenheiten derjenigen einmischen, die für die Führung dieser Unternehmungen verantwortlich sind. Überhaupt müßte immer mehr in unserer Gesellschaft der Grundsatz zur Geltung kommen : Was kann ich tun? Nicht der: Was sollen die anderen tun?

Montag, den 26. Februar 1923, abends Fräulein Dr. Caroline von Heydebrand, Stuttgart

#G259-1991-SE392 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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Montag, den 26. Februar 1923, abends

Fräulein Dr. Caroline von Heydebrand, Stuttgart: Referat über

Die Freie Waldorfschule und ihr Verhältnis

zur Anthroposophischen Gesellschaft

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Die Freie Waldorfschule wurde begründet von Herrn Emil Molt aus der Einsicht in die sozialen Notwendigkeiten unserer Zeit, für die die Ideen der Dreigliede­rung des sozialen Organismus die Augen öffnen konnten. Alle Menschen, gleichgültig, aus welchen Gesellschaftskreisen, sollten die Erziehung genießen, die den Anforderungen einer wahren Menschenerkenntnis entspricht. So wurde die Waldorfschule die erste Einheitsschule in Deutschland (1919). In ihr sollten für Unterricht und Erziehung nur geistig-pädagogische Gesichtspunkte maßge­bend sein. Daher entstand die Waldorfschule als freie Schule, die sich nur dem Geistesleben verantwortlich fühlen wollte. Ihre pädagogischen Grundlagen konnte ihr Begründer, Herr Molt, nur bei der Anthroposophie suchen, denn in den Werken Dr. Rudolf Steiners ist eine Menschenerkenntnis gegeben, aus der sachgemäße Erziehungsimpulse hervorwachsen konnten. Es ist in ihnen eine Geschichte der Seelenentwickelung der Menschheit gegeben, die zum Verständ­nis der Notwendigkeit einer im echten Sinne zeitgemäßen Erziehungskunst für die Gegenwart und die nächste Zukunft führen konnte.

Herr Molt bat Dr. Rudolf Steiner, die pädagogische Leitung der Waldorf­schule in die Hand zu nehmen. Dr. Rudolf Steiner ging auf seine Bitte ein. Die Lehrer der Waldorfschule empfinden die Verantwortung, die ihnen aus der Tatsa­che erwächst, daß der Begründer und Führer der anthroposophischen Bewegung pädagogischer Leiter der Schule ist. Sie empfangen die reiche Fülle geisteswissen­schaftlich-pädagogischer Erkenntnisse in Vorträgen und einzelnen Ratschlägen in dem tiefen Gefühl, daß sie dafür der anthroposophischen Bewegung, ja der ganzen Menschheit verantwortlich sind. Das innerste Herz der Waldorfschul-Pädagogik sind die eine anthroposophische Menschenerkenntnis vermittelnden pädagogi­schen Lehrkurse Dr. Rudolf Steiners. Aus dieser anthroposophischen Menschen-kunde entwickelte er eine Methodik und Didaktik als Erziehungskunst. Vorur­teilslose Menschenherzen überzeugend, so steht diese Erziehungskunst in der Welt, als Kunstwerk wirkend, wie einst das Goetheanum und wie die Eurythmie. So hat Anthroposophie aus ihren Urgründen eine Schul- und Erziehungsbewe­gung hervorgebracht, die ihrer Anlage nach eine weltumfassende Bewegung wer­den könnte. Leider hat sich die Idee des «Weltschulvereins», abgesehen von zarten Ansätzen, noch nicht verwirklichen lassen. In weiten Kreisen über Mitteleuropa hinaus wird anerkannt, daß die Waldorfschule nicht die Weltanschauungsschule einer sektiererischen Bewegung ist, sondern daß sie eine allgemein-pädagogische Bedeutung hat. Die Waldorfschul-Pädagogik hat in vielen nichtanthroposophi­schen Kreisen Beachtung gefunden. Schweizer Lehrer ließen sich von Dr. Rudolf Steiner in Basel pädagogische Vorträge halten, an Weihnachten 1921/22 hielt er

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englischen Lehrern am Goetheanum einen Lehrerkurs, der in der Verarbeitung Albert Steffens erschienen und bereits in die schwedische Sprache übersetzt ist. Während der Konferenz in Oxford im August 1922 über «Geistige Werte in Erziehung und sozialem Leben« hielt Dr. Steiner zahlreichen englischen Lehrern zwölf Vorträge über Erziehung und Unterricht. In den nordischen Ländern wird die Waldorfschul-Pädagogik besonders lebhaft studiert. Viele Gäste besuchen die Waldorfschule, auch Abgesandte fremder Regierungen, so hat zum Beispiel vor kurzem ein Professor aus Japan mehrere Tage voller Anteilnahme die Schule besucht. Anfang Januar haben siebzehn englische Lehrer an ihr geweilt und sich mit wahrer Begeisterung in sie eingelebt. So sollte die bedeutsame Tatsache lebendig im Bewußtsein jedes Mitglieds der Anthroposophischen Gesellschaft vorhanden sein, daß die anthroposophische Bewegung eine Pädagogik als Kunst in die Wek gestellt hat, die als solche nicht von einer Weltanschauung abhängig ist, sondern allgemein menschlich ist. Darum sollte die Waldorfschul-Pädagogik nicht als etwas empfunden werden, was enge eigene Bedürfnisse oder pädagogi­sche Sehnsuchten einiger Eltern, Kinder und Lehrer befriedigt, sondern als etwas, das seine Aufgabe nur erfüllt, wenn es diese Aufgabe weltgeschichtlich erfaßt und sich selbstlos, als künstlerisches und heilendes Element in die Niedergangserschei­nungen unserer Zeit hineinstellt. Den Deutschen ist die Pflege ihres Geisteslebens als ihr letztes kostbarstes Gut geblieben, innerhalb des deutschen Geisteslebens haben immer Erziehungsfragen an erster Stelle gestanden. Den Mitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft ist die Waldorfschule und ihre Idee als eine Menschheitssache warm ans Herz gelegt. Sie steht als Modellschule, als Muster-schule da und sucht den Gedanken der freien Pädagogik zu verwirklichen. Als solche Musterschule muß sie Angelegenheit der ganzen Anthroposophischen Gesellschaft sein. Sie bedarf der tatkräftigen Unterstützung, des liebevollen Ver­ständnisses, der warmen Anteilnahme jedes einzelnen Mitgliedes in jeder Bezie­hung. Als ein wunderschönes Geschenk aus Geisteswelten Menschenherzen und

-händen anvertraut, so empfinden wir Mitglieder der Anthroposophischen Ge­sellschaft diese Erziehungskunst und diese Schule, die zunächst als einzige Mu­sterschule in umfassender Weise unter der liebevollen Leitung Dr. Rudolf Steiners anthroposophische Erziehungsideale zum Segen der Menschheit pflegt. Sie bedarf einer starken Anthroposophischen Gesellschaft, die das uns allen anvertaute Gut hüten, stützen und kräftigen kann!

Herr Dr. Otto Palmer, Stuttgart: Referat über

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Das Klinisch-therapeutische Institut «Der Kommende Tag»

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An die Spitze meines Referates, welches ich über das Klinisch-therapeutische Institut vor dieser Delegiertenversammlung zu erstatten habe, möchte ich zwei Fragen stellen, welche ich während meiner Ausführungen selbst zu beantworten suche, und welche ich, falls sich eine Diskussion an meine Ausführungen anschlie­ßen sollte, Sie mit zu beantworten bitte.

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Die erste Frage lautet: Was verspricht die durch geisteswissenschaftliche For­schung inaugurierte Medizin nicht nur der Anthroposophischen Gesellschaft, sondern auch der gesamten Menschheit zu geben?

Zweitens: Was hat die Anthroposophische Gesellschaft ihrerseits zu tun, um der im Klinisch-therapeutischen Institut vertretenen, auf geisteswissenschaftli­cher Forschung beruhenden Behandlungs- und Heilweise in der Welt Geltung und Bedeutung zu verschaffen?

Beide Fragen sind nur dann in rechter Weise zu beantworten, wenn wir uns selbst darüber vollkommen klar sind, was uns durch die Geisteswissenschaft Dr. Steiners nach jeder Richtung hin geschenkt worden ist. Das mag paradox erschei­nen, jedoch glaube ich, daß sich viele Mitglieder der Anthroposophischen Gesell­schaft über die Bedeutung des uns übergebenen Geistesguts nicht klar sind, denn wären wir es, wie könnte es dann überhaupt zu dieser geradezu entsetzlichen Lauheit und Gleichgültigkeit kommen, welche im Grunde zu der Krisis geführt hat, in welcher wir uns zur Zeit befinden.

Wir haben es uns im Laufe der Zeit angewöhnt, die uns in so reichem Maße gebotene Geisteskost mit einer gewissen Selbstverständlichkeit hinzunehmen, und anstatt im Innersten der Seele aufgerüttelt zu werden und in uns die Kräfte zu entwickeln, die nun wiederum mit elementarer Gewalt nach außen wirken und sich in einem gewissen Enthusiasmus Luft machen sollten, legten wir uns auf das Ruhekissen und dachten gar nicht daran, das Empfangene so auszuwerten, wie es sein sollte.

Seit 1908 hat uns Dr. Steiner zum erstenmal in jenem Prager Kurs, welcher über «Okkulte Physiologie» handelt, eine geisteswissenschaftliche Erkenntnis vom Menschen gegeben, und in einer ganzen Reihe von Vorträgen, welche diesem Prager Kursus gefolgt sind, hat er ergänzende Bemerkungen über das Wesen des Menschen in dieser Richtung einfließen lassen. In anderen Vorträgen hat er uns die karmischen Zusammenhänge geschildert, welche sich von früheren Leben her in diesem Leben als Krankheiten auswirken.

1917 gab er uns in seinen «Seelenrätseln« die Physiologie des dreigliedrigen Menschen.

1920/21 führte er die Ärzte und Medizinstudierenden in längeren Kursen in die geisteswissenschaftliche Pathologie und Therapie ein - und im vorigen Oktober endlich ergänzte er diese Kurse durch Vorträge, welche er auf der Medizinischen Woche hier in Stuttgart hielt. Als eine Frucht der Vorträge in den Jahren 1920/21 ist entstanden das Klinisch-therapeutische Institut - und eine Fülle von Aufgaben erwuchs denjenigen, welche als Mitarbeiter an das Klinisch-therapeutische Insti­tut berufen wurden. Vor allem aber uns Ärzten war die Aufgabe gestellt worden, unter zwei- bis dreitausend Ärzten auf Grund des in den Kursen uns Gegebenen eine Bewegung hervorzurufen.

Um sich das Gewaltige, was durch das Wirken Dr. Steiners seit dem Jahre 1908 auf medizinischem Gebiet inauguriert worden ist, in rechter Weise vor Augen zu führen, braucht man nur einen Blick zu werfen auf die staatlich konzessionierte

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Schulmedizin und ihre Hilflosigkeit, speziell auf dem Gebiete der Therapie. Alles Große, was durch sie erforscht wurde, soll nicht nur restlos anerkannt werden, sondern es soll betont werden, daß wir uns in bezug auf wissenschaftliche For­schungsmethoden in keinen Gegensatz zu ihr setzen wollen. Über eines nur müssen wir uns klar sein: daß die gesamte medizinische Forschung über die Pathologie basiert ist auf dem Ausbau der pathologischen Anatomie, das heißt einer Kenntnis derjenigen Veränderungen, welche durch Krankheitsprozesse an den Organen zu Lebzeiten vor sich gegangen sind und nun auf dem Sektionstische als solche konstatiert werden. Bis zu einem gewissen Grade kann man die For­schungen auf diesem Gebiet als abgeschlossen betrachten und annehmen, daß mit den zur Zeit üblichen Untersuchungsmethoden nicht viel Neues mehr wird zutage gefördert werden. Nichtsdestoweniger lautete die Parole des Freiburger Anato­men Aschoff auf dem Naturforscherkongreß: «Gebt uns Leichen!» Als ob Lei­chen uns Aufschluß geben könnten über das Lebendige! Beziehungsweise über die im lebendigen Organismus verlaufenden Krankheitsprozesse!

Die Therapie ist bis auf wenige spezifische Mittel, wie Quecksilber, Chinin, Salizyl als eine Experimentaltherapie zu betrachten. Von einer wirklichen Ratio ist sicherlich bei den meisten Krankheiten nicht die Rede. Warum gibt es denn so viele Kurpfuscher, warum so viele Laienärzte neben der Schulmedizin? Doch sicherlich nur aus dem Grunde, weil die Menschen bei der Schulmedizin in vielen Fällen nicht das finden, was sie suchen.

Vergleicht man unsere Zeit mit einer weit zurückliegenden Epoche, etwa vom vierten bis fünften Jahrhundert v. Chr. bis zum fünfzehnten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, wo unsere naturwissenschaftliche Forschung einsetzt, so wird man konstatieren können, daß man zu jener Zeit noch eine Ahnung hatte von dem Hereinwirken einer geistigen Welt und von einer auf gewissen Intuitionen und atavistischem Hellsehen beruhenden Therapie.

Interessant ist, daß jene Periode abschließt mit der Ermordung des Paracelsus, und daß kaum ein Jahrhundert später das berühmte Rembrandtsche Gemälde «Die Anatomie» gleichsam ein Symbol bildete für das Heraufziehen der naturwis­senschaftlichen Zeitepoche, in welcher wir noch mitten darinnen stehen.

Die Tat Dr. Steiners besteht darin, daß er das «Ignorabimus» («wir werden nicht wissen») Du Bois-Reymonds verwandelt hat in ein «Cognoscimus» (wir wissen). Wir können wissen, wenn wir durch Ausbildung unserer Seelenorgane schauend geworden, und sind wir selbst auch noch nicht schauend geworden, so ist es uns doch möglich, bei gutem Willen, das nachzudenken und denkerisch zu ergreifen, was Dr. Steiner uns an geisteswissenschaftlichen Forschungsresultaten gibt. Für uns Ärzte als Schüler Dr. Steiners handelt es sich nun nicht mehr da­rum, den physischen Leib allein in den Bereich unserer Forschungen zu ziehen, sondern mit den höheren Wesensgliedern des Menschen bei unserem Forschen zu rechnen.

Die Dreigliederung des Menschen in: Nerven-Sinnes-System, rhythmisches System und Stoffwechsel-Ghiedmaßen-System ist zur Grundlage einer neuen

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Physiologie zu machen. Bei den Krankheitsprozessen sind die Naturprozesse draußen in Betracht zu ziehen und in Parallele zu stellen. Kosmisch-planetarische Einflüsse einerseits, tellurische Einflüsse andererseits sind zu berücksichtigen.

Das bis dahin uns so einfach erscheinende Menschenwesen wird zu dem kompliziertesten Organismus, welcher in den soeben genannten Zusammenhän­gen allein verstanden und richtig beurteilt werden kann. Ferner finden wir im Mineral-, Pflanzen- und Tierreich eine Reihe von Prozessen, welche auch in irgendeiner Weise im Menschen selbst sich abspielen. Es würde zu weit führen, im Rahmen eines kurzen Referates weiter auf diese Prozesse einzugehen, nur soll gesagt werden, daß diese Prozesse Fingerzeige dafür geben, welche Mittel, aus irgendeinem dieser Reiche stammend, bei gewissen Krankheitsprozessen sinnge­mäß und rationell angewandt werden müssen. Es wird Aufgabe der Ärzte des Institutes sein, in einem Vademekum die Methode unserer Arbeit und Therapie darzulegen und dieses Vademekum zur Grundlage einer Werbearbeit unter den Ärzten zu machen. Freudigkeit zu unserer Arbeit werden wir nur dann bekom­men, wenn wir unseren Dienst an der Menschheit und unsere Arbeit im Laborato­rium auffassen als einen Gottesdienst im schönsten Sinne des Wortes.

Zu betonen ist, daß unsere Heilweise mehr und mehr zu einer individuellen werden soll. Es ist wohl der Mühe wert, die leidende Menschheit auf diese Heilweise aufmerksam zu machen und alle Kräfte daranzusetzen, derselben in der Welt Geltung zu verschaffen.

Und damit komme ich auf die zweite Frage: «Was kann von seiten der Anthroposophischen Gesellschaft getan werden, um der in unserem Klinisch­therapeutischen Institut vertretenen, auf geisteswissenschaftlicher Forschungser-kenntnis beruhenden Behandlung und Heilweise in der Welt diejenige Geltung und Ausbreitung zu verschaffen, welche sie verdient?»

Sind die Voraussetzungen erfüllt, daß das Klinisch-therapeutische Institut seinerseits alles tut, die Aufgaben, welche ihm gestellt sind, zu erfüllen, das heißt ein Vademekum, unter zwei- bis dreitausend Ärzten eine Bewegung zu machen, so käme es für die Anthroposophische Gesellschaft in erster Linie darauf an, das Klinisch-therapeutische Institut in dieser Aufgabe zu unterstützen, ein jedes Mitglied an seinem Teil. Die einzelnen Zweige mögen vom Institut Redner anfordern, welche aufklärende Vorträge in den Zweigen halten. Die Mitglieder mögen in taktvoller Weise ihre Hausärzte auf unsere Schriften und Mittel hinwei­sen. Ich sage in taktvoller Weise, so etwas läßt sich nicht definieren, das muß man fühlen.

Ich könnte mir vorstellen, daß Ärzte geradezu abgestoßen werden könnten durch eine taktlos betriebene Propaganda. Es müßte ferner dafür gesorgt werden, daß unsere Mittel in den Apotheken zu haben sind, beziehungsweise daß die Apotheken erfahren, woher sie unsere Mittel beziehen können. Auch das muß in takivoller Weise geschehen, denn die Apotheker sind allen solchen Mitteln von vornherein abhold, bei deren Herstellung sie nicht beteiligt sind, und welche sie nur verkaufen sollen, wie ein Kaufmann seine Ware verkauft.

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Die Mitglieder können bei Verwandten und Bekannten auf Grund von Heiler-folgen die Mittel weiterempfehlen, womöglich nicht unter Umgehung des betref­fenden behandelnden Arztes. Sehr wirksam wäre auch die Empfehlung unserer Mittel bei Kassenvorständen oder sonstigen bei der Kasse einflußreichen Persön­lichkeiten unter Hinweis, daß zum Beispiel unser Grippemittel, das Infludoron, die Krankheit sehr abzukürzen imstande ist, daß der Kasse auf diese Weise eine Menge Krankengelder erspart werden könnten. Sollten junge Mediziner sich in den Reihen, welche Interesse für geisteswissenschaftliche Forschungsarbeit ha­ben, in Verlegenheit um ihre Doktordissertation sich befinden, so sind wir gerne bereit, eine ganze Reihe Dissertationsthemen zu nennen, welche sich aus den medizinischen Kursen Dr. Steiners ergeben.

Die bei uns gepflegte Heileurythmie, welche in zahlreichen Fällen gute Heilre­sultate ergeben hat, bedarf noch weiterer Ausbildung und soll an diejenigen weitergegeben werden, welche unter ärztlicher Leitung Heileurythmie in der Praxis anwenden wollen.

Vor allem aber kommt es darauf an, daß bei jedem einzelnen Mitglied und in den Zweigen das Bewußtsein geweckt werde, daß unsere Heilweise herausgebo­ren ist aus geisteswissenschaftlicher Erkenntnis vom Menschen, und daß man sich dessen immer mehr bewußt wird, daß die in der «Theosophie« gegebene Zusam­mensetzung des Menschen keine graue Theorie ist, sondern daß sie sich in ihren Auswirkungen als überaus praktisch und für die Menschheit heilbringend in allen medizinischen Maßnahmen erweist. Die Heilmittel allein helfen uns nichts, wenn nicht die geistige Realität ihres Ursprungs einem jeden klar und zur Gewißheit geworden ist. Erst dann kann er für sie eintreten und sie in rechter Weise propagie­ren.

Herr Dr. Rudolf Maier, Stuttgart: Referat über

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Das Wissenschaftliche Forschungsinstitut «Der Kommende Tag»

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Für die Ziele des Wissenschaftlichen Forschungsinstituts ist maßgebend, was im Entwurf der Grundsätze einer Anthroposophischen Gesellschaft bereits im ersten Satz ausgesprochen ist: «Der Mensch bedarf zu einer befriedigenden und gesun­den Lebensgestaltung der Erkenntnis und Pflege seiner eigenen übersinnlichen Wesenheit und der übersinnlichen Wesenheit der außermenschlichen Welt.» In Anwendung auf das, was wir in unserem Forschungsinstitut tun und treiben, lautet dies einfach dahingehend, daß die Naturforschung der Gegenwart ohne die Erkenntnis des Übersinnlichen zu einem gedeihlichen Vorwärtskommen und zu einem wirklichen Erfassen ihrer Ziele nicht gelangen kann. Unser Forschungsin­stitut hat sich daher die Aufgabe gestellt, für Einführung und Anwendung der anthroposophischen Erkenntnisse in der Naturforschung Sorge zu tragen. Wir suchen unsere Aufgabe dadurch zu erfüllen, daß wir erstens Maßnahmen ergrei­fen, welche geneigt sind, Verständnis für echte und wahre Naturforschung in weitesten Kreisen zu erwecken, daß wir zweitens am praktischen Beispiel durch

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Anwendung der antliroposophischen Erkenntnisse in der experimentellen For­schung und Naturbeobachtung zeigen, wie weit die Naturforschung über bisheri­ges herauszukommen vermag. Als solche Beispiele sind zu nennen die Abhand­lung von Frau Lily Kolisko über «Milzfunktion und Plättchenfrage» und die soeben erschienene Abhandlung von Dr. Rudolf Maier »Der Villardsche Versuch, eine experimentelle Untersuchung». Frau Koliskos Abhandlung zeigt, wie auf die seitherigen Forschungen längst bekannter Beobachtungstatsachen durch eine an­throposophische Erkenntnis ein Licht fällt, dasso viel, was an den bereits bekann­ten Beobachtungstatsachen rätselhaft geblieben, aufklärt, und wie man durch diese Erkenntnis zu neuen Entdeckungen auf biologischem Gebiete kommt (Blut-bild, neue Plättchenart: Regulatoren). Die Abhandlung Dr. Maiers zeigt, wie die in der Anthroposophie angegebene Methodik des physikalischen Erkennens große Irrtümer der bisherigen Forschung aufzudecken ermöglicht, wie man da­durch lernen kann, unbefangen zu experimentieren, um da heraus die Tatsachen, so wie sie wirklich sind, aufzufassen. Die Abhandlung Dr. Maiers ist ein Beispiel dafür, daß Anthroposophie lebenspraktisch macht, indem das darin über physika­lische Forschung Enthaltene sich als bis in die Praxis hinein anwendbar und als richtig gezeitigt hat.

Wir sind uns klar darüber, daß von seiten der meisten heutigen Wissenschafter, namentlich der maßgebenden, unseren Bestrebungen viele Vorurteile im Wege stehen. Wir glauben indessen, daß die Macht der von uns erforschten Beobach­tungstatsachen schließlich allen Widerstand brechen muß und wird. Die anthro­posophischen Mitglieder können uns sehr viel bei der Erfüllung unserer Aufgabe behilflich sein. Schon wenn man uns allgemeineres Interesse entgegenbringt, empfinden wir dies für unsere Arbeitsfreude förderlich, insbesondere aber können die anthroposophischen Mitglieder uns dadurch sehr viel helfen, daß sie in ihrem Bekanntenkreise auf unsere Veröffentlichungen aufmerksam machen, daß sie dafür sorgen, daß auch den weiteren Kreisen diese Veröffentlichungen bekannt werden. Wir vertrauen darauf, daß Wissenschafter, welche mit den hiesigen wissenschaftlichen Betrieben weniger verstrickt sind, unser Wesentlichstes, was wir wollen, leichter erkennen als andere, und daß sie auch durch unsere Veröffent­lichungen für Anthroposophie selbst gefördert werden, und zwar namentlich dadurch, daß dem Vorurteil, Anthroposophie sei nicht wissenschaftlich, durch planmäßige Arbeit der Boden entzogen wird. Das Wissenschaftliche Forschungs­institut hat von seiten des Herrn Dr. Steiner Aufgaben gestellt bekommen, auch persönliche Ratschläge, über die Ausführung derselben. Die Lösung dieser Aufga­ben bilden den Mittelpunkt unseres Strebens. Wir werden in Zukunft noch mehr als bisher schon ihnen unsere ganze Energie zuwenden.

Herr Dr. Fu gen Kolisko, Stuttgart: Referat über

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Anthroposophie und Wissenschaft

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Die wissenschaftliche Bewegung hat an der Überwindung zweier Schranken zu arbeiten, einer solchen nach innen und einer andern nach außen. Bisher hat sich

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diese Wissenschaftsbewegung nach beiden Seiten nicht in der richtigen Weise durchsetzen können. So wie es der pädagogischen Bewegung, wie es auch der Eurythmie gelungen ist, das Allgemein-Menschliche so zum Ausdruck zu brin­gen, daß mit einer gewissen Selbstverständlichkeit weite Kreise dafür gewonnen werden, so mußte auch die Wissenschaftsbewegung, wenn sie Erfolg haben sollte, für den weiten Kreis von Menschen gedacht sein, der sich heute nach Erneuerung der Wissenschaft sehnt.

Da muß aber nun gesagt werden, daß es nicht gelungen ist, bei den heutigen Wissenschaftern sich verständlich zu machen. Wir haben ihnen gegenüber nicht die Sprache gefunden, die unseren Bestrebungen eine selbstverständliche Aner­kennung verschafft hätte. Diese wird nur möglich sein, wenn einerseits eine praktische Phänomenologie entsteht, das heißt Experimentaluntersuchungen, die für sich selbst sprechen, und andererseits umfassende, die Ausführung unserer so fruchtbaren Ideen enthaltende Gesamtdarstellungen vor die Welt hin gestellt wer­den, die sich von selbst Anerkennung verschaffen müssen. Es muß vor allem auch viel mehr auf die modernste Gestaltung der Wissenschaft eingegangen werden, und wir müssen jene Grundeinstellung der Geisteswissenschaft einhalten, daß die Berechtigung der heutigen Naturwissenschaft auf den ihr zugänglichen Gebieten iückhaltlos anerkannt und zugleich aufgewiesen wird, wie durch Geisteswissen­schaft überall die Weiterführung der naturwissenschaftlichen Ideen gegeben ist. Dann wird keine unfruchtbare Polemik entstehen können, sondern es wird gelin­gen, auch auf dem wissenschaftlichen Gebiete eine Zwischenschicht von Men­schen zu schaffen, welche, ohne zunächst der Anthroposophischen Gesellschaft anzugehören, die Ergebnisse unserer Forschung als etwas Wichtiges und Bedeu­tendes anerkennen.

Nach innen aber ist es notwendig, das Wissenschaftliche soweit zu führen, daß es ganz von anthroposophischem Geiste durchdrungen wird. Es darf nicht im Fachwissenschaftlichen steckenbleiben. Viel ist gesündigt worden durch ein Hin-eintragen von nicht voll Umgearbeitetem, Spezialwissenschaftlichem in die Zweige. Es ist doch vielfach die Anthroposophie verphysiziert, verchemisiert usw. worden, statt eine anthroposophische Physik und Chemie usw. zu begrün­den. Früher hatte man in den Zweigen und Gruppen vielfach gute anthroposophi­sche Arbeit geleistet. Das Wissenschaftliche war zu dieser Zeit noch wenig einbe­zogen. Heute müßte es so werden können, daß von den einzelnen Freunden, die mit Hilfe der Anthroposophie auf den verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten arbeiten, die Ergebnisse völlig ins Anthroposophische umgegossen werden und so der Arbeit in der Anthroposophischen Gesellschaft zurückgegeben werden. Wir haben ja an der Art, wie Herr Dr. Steiner durch Jahre hindurch die schwierigsten Probleme der Einzelwissenschaften in anthroposophischen Zweigvorträgen be­handelt hat, wie er sie heute noch zum Beispiel in seinen Dornacher Vorträgen behandelt, das Beispiel, daß in dieser Form Wissenschaftliches nicht mehr als Fachwissenschaftliches, Spezialistisches, sondern als allgemein-menschlich Be­deutsames empfunden wird und wirksam ist. Geschieht diese Umarbeitung des

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Wissenschaftlichen nicht, dann wird im Gegenteil die anthroposophische Arbeit zerstört. Nur wenn unsere Wissenschafter dahin arbeiten, in der inneren Arbeit das Fachwissenschaftliche zu überwinden und richtig anthroposophisch über Wissenschaft zu reden, dann kann auch jene Kluft überwunden werden, von der Dr. Steiner schon zur Zeit des Wiener Kongresses und im Haag gesprochen hat, die zwischen der Wissenschaftsbewegung und der Anthroposophie im engeren Sinne besteht. Dann können die Wissenschafter der Mutter Anthroposophie zurückgeben, was sie ihr verdanken.

Die Anthroposophische Gesellschaft hat ihrerseits mannigfaltige Aufgaben gegenüber der Wissenschaftsbewegung. Es muß dahin kommen, daß die Leistun­gen, die auf dem wissenschaftlichen Gebiete vorliegen, von der gesamten Mit­gliedschaft gekannt sind und gewürdigt werden. Es müßte ein wirklicher Enthusi­asmus vorhanden sein zum Beispiel für so etwas, wie das Buch unseres Freundes Dr. v. Baravalle über «Pädagogik der Mathematik und Physik». Man müßte es kennen, wissen, was es für Pädagogik und Wissenschaft bedeutet usw. Die neue Leitung wird es sich zur Aufgabe machen, daß der Mitgliedschaft auch wirklich die Kenntnis aller Leistungen innerhalb unserer Bewegung bekannt wird. Denn wenn schon nicht in unserer Gesellschaft ein Bewußtsein von all dem vorhanden ist, woran in unseren Forschungsinstituten, woran von unseren Wissenschaftern uberhaupt gearbeitet wird, was geleistet worden ist, wie soll es draußen bekannt werden? Die richtige Kenntnis wird auch verhindern, daß in unverständiger Weise nach außen diese wissenschaftlichen Bestrebungen dargestellt und vertreten werden.

Es handelt sich darum, daß das Forschen unserer wissenschaftlichen Mitarbei­ter mit der größten Energie sich auf die ungeheure Fülle von Problemen und Anregungen richtet, die von Herrn Dr. Steiner im Laufe der letzten Jahre gegeben sind. Jedes dieser Probleme führt, richtig erforscht, zu bedeutenden Resultaten, die allgemein menschliches Interesse haben, im Sinne der Erkenntnis und der praktischen Wirksamkeit. Hier liegen unzählige Aufgaben, die jetzt endlich ener­gisch in Angriff genommen werden müssen.

Es ist oft davon gesprochen worden, wie ein künstlerisches Element in die Wissenschaft hineinkommen muß. Man nehme etwa die Lehre von der Dreiglie­derung des menschlichen Organismus. Zu ihr kommt man gar nicht ohne eine künstlerisch-wissenschaftliche Anschauung des Menschen. Erlebt man, wie zum Beispiel im Menschen fortwährend der Kampf stattfindet zwischen dem Sinnes-Nerven-System, das greisenhaft, absterbend, mineralisiert ist, Todeskeime in sich trägt, und dem Stoffwechselsystem, das überlebendig, jugendlich sich dagegen stemmt, und wie der harmonische Ausgleich durch das rhythmische System erfolgt, dann kann dies nur erfolgen, indem man künstlerisch-imaginativ die Begriffe faßt. Als Arzt, als Lehrer erlebt man dann so den Menschen als das gewaltigste Kunstwerk der Natur. Wir müssen dazu kommen, daß wir als Wissen­schafter, als Physiker, als Chemiker, als Ärzte zuletzt, von den geistigen Wesen­heiten überall konkret sprechen können, die hinter den äußeren Phänomenen

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stehen. Dann, wenn wir uns so hineinleben in ein solches wissenschaftlich­künstlerisches Element, finden wir überall auch die Brücke zu wahrhaft religiösem Empfinden. Gelingt es uns so, Wissenschaft bis zur Zentrale des Anthroposophi­schen hineinzuführen, sprechen wir davon in unseren anthroposophischen Zwei­gen und tragen wir nach außen eine solche Art des Wissenschaftlichen, daß wir aus einer Gesinnung sprechen, wie sie hier charakterisiert worden ist, so daß wir nicht abstoßen, was heute Sehnsucht hat nach einer Erneuerung der Wissenschaft durch Anthroposophie, so wird die Wissenschaftsbewegung kein Fremdkörper sein innerhalb der Gesellschaft nach innen und außen, sondern sich harmonisch ein­ordnen in den Rahmen unserer Bewegung.

Herr Dr. Herbert Hahn, Stuttgart: Referat über

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Das Verhältnis der Anthroposophischen Gesellschaft

zur Bewegung für religiöse Erneuerung.

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Im September 1922 ist eine Bewegung ins Leben hinausgetreten, die den Rat der Geisteswissenschaft empfangen wollte, die die Verantwortung für die Auswir­kung dieses Rates von allem Anfang an selbst übernahm. Diese Bewegung widmet sich der Arbeit für religiöse Erneuerung. Sie erlebt als ihre wesentliche Aufgabe, den in der Zeit fortschreitenden Christusimpuls in reinen Formen zu vielen Seelen zu tragen. Will sie aber diese Zeitenaufgabe recht erfüllen, will sie der moralischen Gesundung aus religiösen Kräften dienen, so darf sie im tiefsten Sinne ein anthro­posophisches Verständnis beanspruchen.

Was ihr aber im Anfang ihrer Entfaltung entgegentrat, war ein nicht genügend tiefes und warmes Verständnis. Es war vielfach falsches Verständnis oder man­gelnder Wille zur Verständigung von seiten anthroposophisch strebender, aber der anthroposophischen Verantwortlichkeit nicht voll entsprechender Persön­lichkeiten. Es wurde namentlich versäumt, in den Arbeitsgruppen der Anthropo­sophischen Gesellschaft eine solche Erkenntnis über die Bedeutung der Bewegung für religiöse Erneuerung zu wecken, die ein urteilsklares und führungssicheres Verhältnis zu jener Bewegung in selbständiger Weise hätte begründen können.

Dr. Steiner mußte in einem Dornacher Vortrage einer bereits geschaffenen Notlage Worte abrin gen, die die nötige Klärung in sich trugen. Da man aber selbst gegenüber jenen von Dr. Steiner gesprochenen, von den führenden Persönlichkei­ten der Anthroposophischen Gesellschaft versäumten Worten die Methode des philologisch-kränklichen Deutelos in vielen Fällen anwandte, statt zu eigener wurzelfrischer Erkenntnis vorzudringen, blieb in weiten Kreisen eine Notlage bestehen.

Interessevolles Eingehen auf die Eigenart der Bewegung für religiöse Erneue­rung kann aber zeigen, daß Anthroposophen deshalb ein herzliches Verständnis für die Aufgabe dieser Bewegung haben können, weil die Anthroposophie im Lebenswerk Rudolf Steiners eine zeitgerufene religiöse Erneuerung in allen wesentlichen Punkten erst möglich machte. Die religiöse Erneuerung konnte

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schöpfen aus den Inhalten der Anthroposophie. Die Anthroposophie konnte schaffend auftreten gegenüber den Formen, welche die Bewegung für religiöse Erneuerung aus eigenem Suchen annehmen wollte. Nur durch anthroposophische Geistesarbeit konnte die Bewegung für religiöse Erneuerung in ihrer heutigen Form gezeitigt werden.

Das kann in allen Einzelheiten deutlich werden. Während in der protestanti­schen Theologie der Streit um den Leichnam des Wortes immer breiteren Raum gewann, während in der katholischen Theologie die Auffassung des überliefe­rungsmäßig festgehaltenen Buchstabens immer mehr erstarrte, führte die Anthro­posophie das Evangelienverständnis auf neuen Quellgrund. Was wäre eine Bewe­gung für religiöse Erneuerung ohne diese Quellenbezüge zum Evangelium? Zu völliger Unfruchtbarkeit ware sie verurteilt. Als aber eine Anzahl jüngerer, vor­wiegend evangelischer Theologen an Dr. Steiner für eine religiöse Erneuerung ratsuchend herantrat, lag als einer der schönsten Erweise für die Fruchtbarkeit der Anthroposophie auf religiösem Gebiete bereits die Tatsache vor, daß in umfassen­den Vortragszyklen Goldschätze neuer Evangelienerkenntnis von dem Begründer der Geisteswissenschaft aufgehäuft worden waren. Zyklen über die einzelnen Evangelien und die Beziehung der Evangelien zueinander. Während die Theologie in bezug auf das Evangelienerlebnis verödete, zeitigte die Anthroposophie gera­dezu einen neuen Frühling des Evangelienlebens. Das konnte Vertrauen erwek­ken, aus Anthroposophie zu schöpfen, Vertrauen, Anthroposophie als Schöpferin anzurufen.

Wie aber ließe sich Vertrauen zu religiöser Neuschöpfung pflegen, wenn nicht alle Anschauung des religiösen Lebens zu einem wahrhaftigen Erfassen der Chri­stus-Wesenheit drängte, in einem wahrhaftigen Erfassen der Christus-Wesenheit ihren Mittelpunkt fände? In einer Zeit, wo die Auffassung der Persönlichkeit des Jesus von Nazareth zu einem umstrittenen historischen Problem geworden war, erwies Rudolf Steiner das Christentum als mystische Tatsache. Er deckte in Seelentiefen die Kräfte der Liebe zur schöpferischen sittlichen Tat auf und erfaßte im Wandel der Seelenkräfte, in der wechselseitigen Läuterung des Denkens und des Wollens den wandelnden Christusimpuls im Eigengebiete seiner Freiheit. Die «Philosophie der Freiheit», als bildnerisches Buch erlebt, war und ist eine Vorbe­reiterin neuer Christus-Offenbarung. Denn nur im Freiheitsgebiete kann sich der Christus-Impuls heute offenbaren. Was die Freiheit leugnet oder sie nicht begrün­den kann und nennt sich doch christlich, das mißbraucht heute den Namen des Christentums. Dr. Steiner führte zu dem erschütternden Erlebnis einer überzeu­genden Offenbarung des Christentums in dem Bewußtsein und in der Geschichte der vom Ich erkämpften Neuerweckungen sittlichen Lebens. Und er zeigte in seinem anthroposophischen Lebenswerk, wie die menschliche Geschichte im großen sich erleuchtet im Vorbereiten und im urbildgemäßen Ausprägen der ich­erstarkenden Opferkräfte, welche sich im Mysterium von Golgatha darbrachten. Hier lag in doppelter Art die Möglichkeit begründet zu einer Neugestaltung des religiösen Kultus. Dieser konnte auf die Höhe des von der Zeit überall gesuchten

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Sohneserlebnisses gehoben werden und in denjenigen von Freiheit erfüllten For­men dem Bewußtsein der Einzelmenschen nahegebracht werden, die von den Tiefen dieses Bewußtseins heute allein aufgenommen werden wollen. Wo gab es sonst irgend etwas in der Zeit, das eine Produktivität auf dem Gebiete wahrer Kultformen hätte entfalten können? Läuft nicht alles Streben auf diesem Gebiete m ein blasses, verarmendes Reformertum aus, das durch seine Schwäche die suggestive Kraft altgewordener Formen nur noch verstärkt? Aus dem überhistori­schen allgegenwärtigen Christus-Erlebnis der Anthroposophie konnte eine Bewe­gung für religiöse Erneuerung Richt- und Formkraft schöpfen. So durfte sie auch die Anthroposophie als Schöpferin anrufen.

Aber alles Erleben kultischer Formen scheitert heute an einer Grunddiskre­panz. Der moderne Mensch erlebt im Wandel der inneren, moralischen Kräfte ein Werden. Er erlebt im Wandel der physischen Erden- und Weltenkräfte ein Ver­nichten und Vergehen. Eines fügt sich nicht sinnvoll in das andere, die Finsternis des materiellen Todes zieht heute jegliches moralisch-religiöse Leben in ihren Abgrund. Nicht Kultpflege, nicht Seelsorge ist möglich gegenüber diesem im Bewußtsein der ehrlichsten Menschen klaffenden Riß. Anthroposophie, die von dem heiligenden Einzug des Christus in die Erdensubstanz in überzeugender Weise zu reden berufen wurde, erfüllte die Auffassung aller irdischen Wandelvor­gänge mit Moralität. Sie erhob wahrhaftig den chemischen Experimentiertisch zum Altar. So aber konnte sie die Grundlagen neu schaffen, daß der auf dem Altar der kultischen Zusammenhänge erlebte, weltenbedeutsame, seelener­neuernde Wandel von wirklichen Andachtskräften im Herzen aufgefaßt werde. So durfte und konnte sie wiederum als Schöpferin angerufen werden, um sich als Brücken schaffend zu erweisen gegenüber dem Riß im Zeit- und Einzel-bewußtsein.

Alle Pflege religiösen Lebens findet in der Zeit und durch die Zeiten ihre Tragfestigkeit in der Gemeinschaftsbildung. Auch Gemeinschaftsbildung ist aber aus den heutigen Bewußtseinsformen nicht ohne weiteres möglich. Die Verstan­desspekulation hat die Atomtheorie als Gespinst über alle Welt gezogen. Was in der Weltanschauung als ein Gespinst wirkt, lebt sich jedoch zwischen Menschen und im Menschen mit unerhörter Realität aus. Die Menschen werden heute atomisiert. Alles Reden über das Soziale aus den Verstandeskräften heraus ist hohl und unwahr. Der Verstand zersplittert Menschen und Menschenverbände und entwürfe er für deren Zusammenhalt die schönsten Programme. Der Verstand zersplittert, Ideal und Bild vereinigen. Aber die Bilder und Ideale alter Zeit stoßen heute ab. Die Zeit sucht heute nach einem Bild, das über der Sphäre der erworbe­nen Gedankenklarheit erlebt werden kann, sie kann nicht anerkennen, was aus Tiefen emporwirbelt, die unter dieser Sphäre sind. Anthroposophie weist, indem sie den Weg einer gesunden Imagination eröffnet, den gesuchten Ausblick zum einigenden, sozial schöpferischen Ideal und Bild. Ein Kultus wird nur dann im heutigen Zeitensinne einigend wirken, wenn er die Stärke reiner Imaginationen in seine Wesensprägung aufnehmen darf.

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Hier konnte, eine brennende Zeitnot lösend, die Anthroposophie abermals schaffend auftreten, indem sie, von den Trägern religiösen Erneuerungswillens als Schöpferin angerufen, Kultformen schuf, die in echtem Sinne menschenerhöhend und gemeindebildend sind.

In vier wesentlichen Punkten erleben wir die Anthroposophie als schöpferi­sche Mutter der Bewegung für religiöse Erneuerung. Wer dies erkennt, der versteht, daß die Anthroposophie selbst einen Urquell religiösen Lebens birgt. Sie braucht ihn nirgends außerhalb ihres eigenen Wesens zu suchen. Weil sie aber in allem religiösen Erleben das Zusammenkommen von Freiheitsringen und -opfern der Gnadenwirkung erlebt, würdigt und liebt sie auch die ihrer Tochterbewegung vermittelten Freiheits- und Gnadenkräfte. Sie weist dem anthroposophischen Gesellschaftsleben die innere Pflicht, stützend zu wachen mit denen, die religiöse Erneuerung in die Welt tragen wollen. Sie schenkt ihm die Kraft, liebend die Menschen zu empfangen, die aus religiöser Erneuerung zur Anthroposophie vorzudringen reif geworden sind.

Die Bewegung für religiöse Erneuerung geht deh Weg ihrer eigenen spirituel­len Verantwortlichkeit. Sie wirkt aus anthroposophischer Kraft. Sie wirkt aber nicht für die Anthroposophie, wenn sie deren Früchte einer nach neuem Christus-heil hungernden Welt vermittelt.

Die Anthroposophische Gesellschaft kann eines der Instrumente der anthro­posophischen Bewegung werden, die ihrerseits einen Weg höchster und umfas­sendster eigener Verantwortlichkeit geht. Sie darf ihren Namen nur tragen, wenn sie den ganzen Menschen verkörpert. Das religiöse Menschentum ist eine wichtige Wesensoffenbarung dieses ganzen Menschen. Die Anthroposophie, die die Bewe­gung für religiöse Erneuerung schaffend formte, will um der Wahrheit ihres Namens willen im anthroposophischen Leben die Urgaben religiöser Kraft in stetem Neuschaffen erwecken. Hierin liegen die Wurzeln eines natürlichen und guten Verhältnisses der Anthroposophischen Gesellschaft zur Bewegung für reli­giöse Erneuerung.

Herr Dr. WalterJohannes Stein, Stuttgart: Referat über den

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« Bund für anthroposophische Hochschularbeit»

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Der Hochsehulbund, über den ich Ihnen zunächst zu berichten habe, gehört ebenfalls zu den Institutionen, die nach jenem für unsere Bewegung so bedeu­tungsvollen Jahr 1918 gegründet worden sind. Welche Bewandtnis hat es mit diesem Jahr? Das war es, was sich mir als Frage immer wieder vor die Seele stellte, auch da, wo es mir in der Vorbereitung für diese Tagung oblag, über den Hoch­schulbund nachzudenken. In diesem Jahr, auf dessen Bedeutung für unsere Bewe­gung Herr Dr. Steiner in letzter Zeit wiederholt hingewiesen hat, regte sich ja zuerst das selbständige Wollen der Mitglieder unserer Bewegung für die Angele­genheiten des äußeren sozialen Wirkens. Aber es verlief diese Willensentfaltung noch halb instinktiv. Noch konnte man sich nicht durchringen im Sinne der

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«Philosophie der Freiheit», selbst ergriffene Intuitionen zu verwirklichen. Man kam daher immer wieder zu Herrn Dr. Steiner mit der Bitte um Rat. Dr. Steiner hat dann im Laufe der Zeit immer deutlicher und deutlicher gezeigt, wie sein Ziel nur sein konnte, freie Menschen um sich zu haben. Rat erteilte er den noch Unfreien, so daß diese immer mehr dazu kommen konnten, selbstergriffene Ideen zu verwirklichen. So reifte der Gesellschaft allmählich seit 1918 die Aufgabe, vor der sie heute steht: sich selbst zu lenken und zu leiten. Dies aber ist die Aufgabe der Menschen im Zeitalter der Bewußtseinsseele. So wuchs seit 1918 Gesellschaftsauf­gabe und Zeitenaufgabe in eins zusammen. Und die Krisis, die unsere Gesellschaft heute durchlebt, ist ein Spiegelbild der großen Zeitenkrisis, die dadurch hervorge­rufen ist, daß zwei Zeitalter miteinander streiten. Das alte Zeitalter der griechisch-lateinischen Kulturepoche ist noch nicht verklungen. Längst zwar kündet die Sternensehrift am Himmel den neuen Zeitgeist. Aber der konnte sich seinen Einzug in die Welt noch nicht erkämpfen. Noch herrscht der Geist der Intellek­tualität einer verflossenen Epoche und der Geist des neuen spirituellen Zeitalters kämpft noch um seinen Einzug. Und das muß so sein. Denn das Zeitalter der Bewußtseinsseele kann nicht durch die Schrift am Himmel, durch Götterwollen, es kann nur völlig siegen, wenn Menschenwollen sich zum Mitkämpfer des Götterwollens macht, weil Menschen in Freiheit ergreifen, was nur sie als ihren ureigensten Entschluß verwirklichen können.

Sehen Sie hin nach Frankreich. Da kämpft ein Ausläufer der lateinisch-romani­schen Völker- und Zeitenströmung. Es ist ein absterbendes Volk, das physisch ausstirbt und sich selbst zerfleischt, indem es sein Blut mit dem tieferstehender schwarzer Rassen durchsetzt. Es ist ein Volk, das wie verlassen von der Führung geistiger Wesen, die sonst Völker lenken, Handlungen vollzieht, die in Geistesab­wesenheit vollzogen werden. Dies Handeln aus der Abwesenheit des Geistes kommt aber da nur stärker zum Ausdruck, weil es sich machtvollerer Mittel bedient. Es ist aber Symptom der Zeit. Auf allen Gebieten vollzieht sich dasselbe. Ein Zeitgeist, dessen Epoche abgelaufen ist, umkrallt noch die Menschen und führt, während ihm selber sich das Bewußtsein umdämmert, die Menschen in geistloses Tun. Da ist es Zeit, daß die Menschen den eigenen Geist erwecken, denn der Geist des spirituellen Zeitalters wird nur Erwachte führen können.

Dies große weltgeschichtliche Geschehen spielte auch in unsere Bewegung. Lassen Sie mich das an einem allerdings persönlichen Beispiel zeigen. Ich kam 1913 zur Bewegung. Ich war einer von denen, die zur Anthroposophie drängten, weil sie es an der Universität nicht aushielten. Dort ging mir der Atem aus. Es war keine geistige Lebensluft da. Alles war tot. Und die großen Geister schienen der Vergangenheit anzugehören und moderten in Bibliotheken. Ich aber suchte für meine Wissenschaft, die ich liebte, Leben. Was ging mich die Anthroposophische Gesellschaft an? Nicht sie, sondern meine Wissenschaft lag mir am Herzen. Naturwissenschaft und Philosophie empfand ich als an einen Punkt gelangt, über den hinaus sie durch sich nicht kommen konnten. Da fand ich die Anthroposo­phie. Ich war entschlossen, sie gründlich kennenzulernen. Da kam ich nach

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München. Ein älteres Mitglied empfing mich. Ich sagte: »Ich bin gekommen, um die Brücke zu schlagen zwischen Anthroposophie und Naturwissenschaft.» »Das ist schon geschehen», sagte das Mitglied, «da kommen Sie zu spät.» Ich war also gekommen, um der Naturwissenschaft willen. Aber jetzt wollte ich die Myste­rienspiele sehen. «Die dürfen nur Mitglieder sehen», sagte man mir. Ich war nicht Mitglied, wollte auch keins werden. Ich wendete mich an Dr. Steiner. Ja, das sei richtig - die Mysteriendramen-Aufführungen seien nur Mitgliedern zugänglich. Aber ich könne ja für den Tag der Aufführung Mitglied werden und am nächsten Tag wieder austreten. Darauf ging ich ein. Ich war also in der Aufführung. Nachher kam Dr. Steiner und fragte: «Nun, Herr Stein, wie haben Sie sich amüsiert?» Ich sagte: «So ein Esel wie gestern bin ich jetzt nicht mehr - und austreten aus der Gesellschaft tu ich auch nicht mehr.» So wurde ich Mitglied der Gesellschaft. Es ist symptomatisch. Derjenige, welcher gekommen war, die Brücke zu schlagen zwischen Naturwissenschaft und Anthroposophie, war durch die Mysteriendramen gewonnen worden. Ich sagte eben - das war symptomatisch. Denn es ging den andern, die nach mir kamen, ebenso. Dr. Roman Boos und wir, die wir zu jener Generation gehörten, die es an den Universitäten nicht aushielten, wir wollten die Anthroposophie in die Hörsäle tragen. Das sollte geschehen durch einen Aufruf, der im Herbst 1920 an die deutschen Studenten hinausging. Dr. Steiner hatte ja in der Aula der Technischen Hochschule in Stuttgart vor den Studenten, veranlaßt durch eine Aufforderung von studentischer Seite, über «Gei­steswissenschaft, Naturwissenschaft und Technik» gesprochen. Herr Palmer und Herr Werner Rosenthal sandten dann im Anschluß an diesen Vortrag im Juli 1920 Entwürfe eines Aufrufes an die Freunde in Breslau, Freiburg i. Br., Hamburg, Heidelberg, Karlsruhe, Leipzig, München, Tübingen. Viele andere Fassungen liefen ein. Schließlich verarbeiteten wir in Stuttgart alle Anregungen zu dem Aufruf, der dann hinausging. Dieser Aufruf war reichlich geharnischt. Er hat uns, weil keine der sogenannten führenden Persönlichkeiten ihm wirklich eine Tat folgen ließ, reichlich Gegnerschaft, aber keinen positiven Gewinn eingebracht. Vor allem die Hochschullehrer wurden zu Gegnern gemacht. Es war ein Irrtum, zu glauben, Anthroposophie müsse in die Hörsäle. Wissenschaft sollte anthropo­sophisch befruchtet werden. Nicht Polemik, sondern Weiterbildung der Wissen­schaft wäre das richtige gewesen. Aber dazu war es zu früh. Die Wissenschaftser­neuerung konnte damals von uns nicht bewerkstelligt werden. Und die Jungen? Wollten sie eine anthroposophisch frisierte Wissenschaft? Nein. Sie wollten An­throposophie. Aber das haben wir damals nicht erkannt. Ich war selber nicht durch anthroposophische Wissenschaft, sondern durch die Mysteriendramen ge­kommen. Aber das blieb unbeachtet. Immer breiter wurde die Kluft zwischen denen, die Anthroposophie in die Hörsäle tragen wollten, und der jüngsten Generation, die die Anthroposophie selber suchte. Heute erst ist mir klar, daß wir selber ja auch nichts anderes wollten als Anthroposophie. Darum meine ich, daß wir, die etwas ältere Generation, die «Dozenten» der Hochschulkurse - und wie alle die Veranstaltungen heißen - uns jetzt doch richtig mit der Jugend finden

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werden. Denn in mir selber lebte - freilich von mir nicht erkannt - was auch in ihr lebt. Das war das Tragische, das war unsere Schuld, daß wir eine Bewegung inauguriert hatten, die dann versickerte. Dt. Steiner hielt naturwissenschaftliche Kurse - in der Erwartung, daß die, welche sie verlangt hatten, das Gegebene verarbeiten würden. Jetzt erst geschieht es. Dr. Hermann von Baravalle arbeitet an einer Optik, an einer Wärmelehre, andere verarbeiten anderes. Allerlei Arbeits­gruppen haben sich gebildet. Sprachwissenschafter, Pädagogen, Architekturstu­dierende haben sich zusammengefunden. Über das, was nun aus derJugend heraus werden will, wird Herr Lehrs zu Ihnen sprechen. Ich wollte nur den Blick wenden auf den historischen Moment, auf den Sturm der Zeitgeschichte, der hereinbrauste 1918 auch in unsere Bewegung. Lassen Sie uns diesen Sturm bewußt erleben, damit er zum Brausen werde, welches uns die Feuerzungen erweckt, die jene Sprache sprechen, die alle verstehen, jung und alt.

Schluß 11 Uhr.

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Dienstag, den 27. Februar 1923, vormittag

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Am Dienstag, den 27. Februar, eröffnete Herr Leinhas die Versammlung, indem er die Teilnehmer bat, Herrn Dr. Steiner ihre Glückwünsche zu seinem Geburts­tage durch Erheben von den Sitzen zum Ausdruck zu bringen.

Herr Dr. Steiner dankte.

Herr Emil Leinhas, Stuttgart, wies dann darauf hin, welche Fülle von Weisheit, Schönheit und Kraft Dr. Steiner in zwei Jahrzehnten seines Wirkens über die Gesellschaft ausgegossen habe, wie aber die Gesellschaft hinter der Entwicke­lung der Anthroposophie selbst zurückgeblieben sei und wie besonders ihrer Führung die glückliche Hand gefehlt habe. Er betonte, daß es gegenüber den Aufgaben, die sich aus der Entwickelung der Sache ergeben, keine Entschuldi­gung geben könne. Die Kritik, die bisher auf der Versammlung geübt worden sei, sei ja den Betroffenen nicht neu, sie sei auch nicht immer sehr höflich gewesen, aber die Tatsache, daß überhaupt Kritik in diesem Ausmaße vorhanden sei, sei ein Zeichen dafür, daß eben die Führung die geschickte Hand vermissen lasse und daß sie nicht imstande gewesen sei, eine Atmosphäre des Vertrauens zu begründen. Vertrauen zur Führung sei aber die Grundvoraussetzung ihres Wir­kens. Er hoffe, daß die führenden Persönlichkeiten der Gesellschaft aus einer wirklichen Einsicht in ihre Ohnmacht, aus ihrer Liebe zur anthroposophischen Sache und aus ihrer Liebe zu Dr. Steiner die Kraft gewinnen werden, ihre schwere Aufgabe zu erfüllen.

Herr Ernst Lehrs, Jena: Referat über

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»Jugendbewegung und Anthroposophie»

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Im Verlauf der Mitgliederversammlung, die während des Stuttgarter Kongresses im Herbst 1921 stattfand, hat Dr. Steiner das Wort ausgesprochen: «Hier hat ein

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Vertreter der Jugendbewegung gesprochen! Hier sitzen eine ganze Anzahl von Vertretern der Studentenschaft, meine lieben Freunde! Daß die Angehörigen solcher Bewegungen oder solcher Körperschaften zu unserer Anthroposophi­schen Gesellschaft gekommen sind, das ist etwas, was wir als epochemachend innerhalb der Geschichte unserer anthroposophischen Bewegung betrachten müssen!» Damals hat manchem jungen Menschen das Herz höher geschlagen und ein überwallendes Gefühl hat seine Hände zum Beifall gerührt. Und doch waren es nur mehr Hoffnungen und Erwartungen, was ihn bewegte. Jetzt aber ist der Zeitpunkt gekommen, da die anthroposophische Jugend kundgeben will, was sie glaubt gefunden zu haben, um mithelfen zu können an der Entfaltung anthroposophischen Lebens.

Seit etwas mehr als einem Jahr ist einer immer größeren Anzahl von jungen Menschen stärker und stärker etwas bewußt geworden, was sie unwillkürlich sich wenden ließ zunächst gegen den Bund für anthroposophische Hochschularbeit, dem sie zum großen Teile ja selber angehörten. Ihnen war es zum Erlebnis geworden, daß sie jungen Menschen begegneten, die eine ganz neue Seelenlage und ungeheure Zukunftskräfte keimhaft veranlagt offenbarten, die aber nichts anfangen konnten mit Anthroposophie, sowie sie sie vorfanden. Und während die einen die Dinge weiter so gestalten wollten, wie sie den Kräften entsprachen, die sie selber mitbrachten, richtete sich der Blick der anderen immer mehr auf die noch nicht aktiv tätigen Kräfte in den ihnen begegnenden jungen Menschen und in der eigenen Brust, und sie empfanden die Verpflichtung, dem, was keimhaft in ihnen und um sie herum vorhanden war, zu helfen, daß es wirklich Anthroposophie treiben konnte. Und während das, was einmal ein durchaus zeitgemäßer Versuch gewesen war, Anthroposophie hineinzutragen in die Hörsäle, im Hochschulbund zur ausschließenden Parole geworden war, mußte jene Jugend sich aufmachen, Anthroposophie zu tragen in junge Menschenherzen. So hat es Dr. Steiner kürz­lich selber ausgedrückt.

Wie kam es nun, daß man sogar in den Reihen des eigenen Hochsehulbundes sowenig Verständnis fand für das, was hier erstrebt wurde? Das lag daran, daß sich in ihm zwei Generationen gegenüberstanden. Und das ist kein Wunder. Denn wenn man ein Empfinden hat für das rasende Tempo seelischer Entwickelung in der Gegenwart, so erlebt man, daß die Generationen bald semesterweise einander ablösen! Die ältere der beiden Generationen stand unter der Tragik, die Dr. Stein in seinem Berichte aufzeigt, dort, wo er schildert, wie er und seine Freunde zur Anthroposophie kamen, belastet mit dem ganzen Geiste der Vergangenheit. Und das ist wirklich der Gegensatz zwischen diesen beiden Generationen. Die jüngere kam nicht nur ohne diese drückende Last, sondern wie mit einem saugenden Nichts auf den Schultern! Um wieviel mehr muß sich dieser Gegensatz aber noch zeigen zwischen diesen Jungen und den älteren Jahrgängen der Anthroposophi­schen Gesellschaft überhaupt!

Wenn man sich von den älteren Anthroposophen ihren Weg zur Anthroposo­phie erzählen läßt, wenn man ihre Jugend nachzuerleben versucht, so empfindet

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man, wie diese Jugend noch verlaufen ist in einer geistig-seelischen Selbstverständ­lichkeit. Gebettet war sie noch in Traditionen von allen Seiten her, und nur aus einer gewissen, mehr unbestimmten Sehnsucht heraus, haben sie zur Anthroposo­phie gegriffen. Bei der gegenwärtigen Jugend aber ist es keine Sehnsucht mehr, kein Bitten um Geist mehr, sondern ein furchtbares - Betteln um Geist, mitten aus dem vollständigen Nichts heraus! Das ganze Weisheitskapital, von dem die Menschheit seit urferner Vergangenheit gelebt hat, ist aufgezehrt. Kein Wissen hilft ihr mehr als eines, das sie selbst sich in jedem Augenblicke erarbeitet: sie ist wahrhaft ein Proletariat im Geiste! So gibt es für sie keine Möglichkeit, Brücken zu bauen von vergangenem Geistesleben in die Zukunft hinein, sondern aus dem Nichts heraus gilt es in der Zukunft selbst ein neues Fundament zu bauen, von dem aus dann die Brückenbögen rückwärts geschlagen werden können.

So kommt diese Jugend dazu, nichts anderes zu erstreben als reine Anthropo­sophie selbst. Sie will Anthroposophie so leben, daß sie das Moralische darin in jeder Beziehung zur Wirklichkeit, zur Tat machen will. Und erst von dort aus will sie sich in die mehr speziellen Formen des Geisteslebens hineinringen. Darin aber glaubt sie ein unmittelbares Verständnis finden zu können gerade bei den älteren Anthroposophen. So manches Mal kommen ältere Menschen und sagen: «Un­glaublich gebildete Leute treten mir oft gegenüber und beweisen mir alles Mögli­che gegen Anthroposophie. Ihr Jungen, zumal ihr Studenten, habt es da nicht sehr schwer. Was aber tue ich da als ein einfacher, naiver alter Anthroposoph?» Und dann konnte ich solche Menschen in freudiges Erstaunen versetzen, wenn ich, gerade aus der Einstellung von uns Jungen heraus, ihnen sagte: «Gar nichts hilft es, Anthroposophie aus dem Intellekt heraus, gegen den Intellekt zu beweisen. Deshalb lasse ich am liebsten mein ganzes Universitätsstudium beiseite, und bemühe mich, den anderen in seinen Begriffen bis dahin zu führen, wo sie anfangen moralisch - das heißt leider in vielen Fällen unmoralisch - zu werden. Denn, was zunächst not tut, das ist das, daß die Menschen aufhören, sich vor den moralischen Konsequenzen ihrer intellektuellen Begriffe zu drücken! »

Werden durch diese Einstellung nicht aber die ganzen wissenschaftlichen Bestrebungen in der anthroposophischen Bewegung über den Haufen geworfen? Ja, ist es nicht vielleicht sogar ganz richtig, daß das geschieht? Keineswegs! Im Gegenteil! Noch lange nicht klar genug sieht man in der Anthroposophischen Gesellschaft, welche Verantwortung sie hat, dafür zu wirken, daß wirklich Wis­senschaft, Kunst und Religion wieder zu einer Einheit werden. Gar mancher ältere Anthroposoph meint, was gehe ihn in seinem Streben nach reiner Anthroposophie die gegenwärtige Wissenschaft an! Aber er ahnt nicht, mit welch furchtbarer Gewalt allein schon das denkerische Betreiben heutiger Wissenschaft die Seele zwingt, in ihren ursprünglichsten Verrichtungen unmoralisch zu sein. Da heraus kommt dann eine Lähmung der Seelenkräfte im Verkehr der Wissenschafter untereinander, mit den Studenten und der Studenten untereinander, die verhee­rend hineinwirkt in das soziale Dasein der Menschen. Und das ist in allen Wissen­schaften so, von der mathematischen bis hinüber zu den sozialen. Das Gefährlichste

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daran aber ist dies, daß das dauernd so verläuft, daß die Seelen selber davon nichts merken, und daß sie schließlich zu gelähmt sind, um sich überhaupt noch dagegen regen zu können. Und dieser Alp wird so fürchterlich, daß manche Menschen, die eigentlich die Berufensten wären, aus neuen Kräften heraus zu arbeiten am Neuen, wenn sie gar wach geworden sind, aufstöhnen: «Ich kann ja nicht mehr anders!»

Der kommenden Jugend also gilt es, von vornherein einen neuen Wissen­schaftsweg zu zeigen, ihr, von der jetzt schon der bekannte Pädagoge Eduard Spranger sagt, sie werde nur noch eine solche Wissenschaft anerkennen, in der sie ihr ethisches Menschenwesen befriedigt findet; die der heutigen Wissenschaft Goethes Wort über Kants Philosophie zurufen wird: «Ich fühle mich in nichts gebessert!».

Warum glauben die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft im Durchschnitt aber immer noch, hierin keine eigene Aufgabe zu haben? Weil das Wort «Wissenschaft» sie zwingt, eine Analogie zur heute gültigen Wissenschaft zu machen. Aus der ganzen Schilderung heraus des Nichts, in dem die gegenwärtige und kommende Jugend steht, kann man sich aber eigentlich genötigt fühlen, das Neue nicht mehr «Wissenschaft» sondern «Können-schaft» zu nennen!

Inwiefern kann aber ein jeder echte Anthroposoph zu ihr etwas beitragen? Ja, aus all dem Geschilderten geht ja hervor, daß sie sich nur auferbauen kann auf dem alltäglichsten Gewahrwerden des Geistigen selbst. Und wo tritt dieses uns am offenbarsten entgegen? Im Du des anderen Menschen. Als wir hinter den Kulissen des Wiener Kongresses in aller Stille um ein erstes Gestalten dieser Impulse rangen, da rief uns Dr. Steiner in seinem dortigen Zweigvortrage zu: Nicht hat anthroposophische Wissenschaft hinzuführen zu einer Brüderlichkeit, sondern sie selber kann nur erwachsen aus Brüderlichkeit. - Und eben dieses ist es, was die Jugend im Laufe dieser Monate stärker und stärker erstrebte: dieses bewußte Zusammenwirken vom Ich und Du. Das aber ist auf der anderen Seite eine ungeheuer schwere Aufgabe für die Jugend allein. Denn zum rechten Du-Erlebnis braucht man ein gerüttelt Maß Lebensweisheit, wie sie erwachsen kann einem älteren Menschen aus seiner Lebenserfahrung. Und da möchten wir Jungen grei­fen nach helfenden Menschenhänden aus der Anthroposophischen Gesellschaft. Denn wir fühlen: Ein Nichts sind wir gegenüber dieser Aufgabe des Du-Erlebnis­ses mit unserer Lebenserfahrung allein. Allerdings eine Lebenserfahrung, wie sie heute beim Alter meist üblich ist, die sich einem dauernd wie ein Klotz vor die Füße wirft, indem sie grinsend von zerstörten Illusionen, von abgeschliffenen Jugendidealen spricht, eine solche brauchen wir nicht! Aber gerade Anthroposo­phie kann wohl das Alter lehren, Erfahrungen in Weisheit zu verwandeln.

Eine solche Wissenschaft hat aber noch eine weitere wichtige Aufgabe, als nur die, wissenschaftlich strebenden jungen Menschen die Möglichkeit eines men­schenwürdigen Seelenweges zu bieten oder sie davor zu bewahren, mit der Klampfe in Feld, Wald und Wiese herumzulaufen, um hernach doch Philister zu werden, oder rein aus dem Gefühl heraus soziale Siedelungsexperimente zu

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machen. Und diese andere Aufgabe ergibt sich daraus, daß die besten unter den heutigen Proletariern eigentlich müde geworden sind an allen sozialistischen Theorien, allen Parteiprogrammen, aller volkshochschulmäßigen Scheinwissen­schaft. Das Denken ist ihnen kompromittiert! Und sie beginnen etwas auszuspre­chen, was eigentlich ganz russisch ist: «Jetzt wollen wir einmal anfangen, nur zu leben. Das Leben wird sich schon selbst regulieren. Mit unserem vielen Denken haben wir es nur darin dauernd gestört!» - Damit aber machen sie sich ja nur zu einem umso leichteren Opfer des einzigen, worin die Menschheit heute ganz wach ist, des harten, kalten, tötenden, gemütslosen Denkens. Wir können aber nicht anders weiterkommen als dadurch, daß wir diesem Denken ein anderes Denken entgegensetzen. Und so gilt es, durch unsere neue Wissenschaft all diesen Men­schen das Vertrauen zum Denken zurückzugeben.

Aber gerade und nur aus Anthroposophie kann eine solche Wissenschaft erwachsen. Denn konnte noch Nietzsche, auf dessen glänzende Kritik der Bil­dungsanstalten in den siebziger Jahren Dr. Steiner letzthin öfters hinwies, in seiner positiven Forderung außer einem nebulosen Naturerleben zu nichts anderem kommen als zu einem Zurückgreifen auf die letzte von kosmischer Weltanschau­ung getragene Kultur, die hellenische, so gibt erst Anthroposophie einen dem gegenwärtigen Denken erfaßbaren Zusammenhang aller geistigen und körperli­chen Vorgänge Himmels und der Erden, und so werden die kommenden Spezial-wissenschaften als Gemeinsames haben: den Menschen; auseinanderteilen wie ein Fächer werden sie sich nur bezüglich der Erforschung des Zusammenhanges des Menschen in all seinen Einzelheiten mit all den Phänomenen des Natürlichen und des Sozialen um ihn herum. Das Wort aber, das Dr. Steiner oft von seiner Geistesforschung gebraucht hat: verstehen könne sie ein jeder, nur um sie zu erforschen, brauche man die Geistorgane - dieses Wort wird entsprechend gelten können von der neuen Wissenschaft. In ihr wird der Fachmann vor dem Laien nur das Erforschen voraus haben, nicht aber das Verständnis. Sie wird ihre Popularität in sich selber tragen; - einem heutigen Universitätsprofessor aber darf sie gar nicht verständlich sein! Zwei großartige Beispiele haben wir hierfür: Goethes «Farbe­nlehre» und Dr. Steiners «Kernpunkte der sozialen Frage».

Und wie kann solche Wissenschaft nun konzentriert und intensiv geschaffen werden, wie die Not der Zeit es gebieterisch heischt? Wie finden wir auch nur genügend künftige Mitarbeiter dazu? Durch nichts anderes, als durch die Arbeit an einer gemeinsamen Stätte, einer neuen Freien Hochschule! Solange wir stets nur vor die Jugend in der Außenwelt hintreten und unsere Worte gipfeln müssen in: «Wir möchten» - «wir könnten» - «man müßte», solange erwecken wir meist nur ein bald erlahmendes Interesse. Ganz anders aber werden wir wirken können, wenn wir gleichsam mit dem Finger auf diese Stätte werden weisen können. So ist uns die Schaffung einer solchen Freien Hochschule ein ebensolcher brennender Wunsch, als wie er von den älteren Waldorfschülern zu hören war. Und das könnte eine heilige Aufgabe sein, an der alle Generationen der Anthroposophi­schen Gesellschaft zusammen wirken könnten.

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So ist es nur natürlich, daß wir Jungen aus diesem heraus, was uns so am Herzen liegt und heraus möchte rein menschlich zunächst, und dann erst hinein in die Spezialisierung des geistigen Lebens, daß wir da greifen möchten nach den Händen der ganzen Anthroposophischen Gesellschaft. Wir hatten uns durch unsere Erlebnisse am «Stuttgarter System» verleiten lassen zu einer Opposition gegen die ganze Anthroposophische Gesellschaft. Wir haben aber inzwischen ein brennendes Interesse gewonnen an der Organisation der Anthroposophischen Gesellschaft und wir haben gelernt, daß es nicht unsere Forderung sein kann:

«Reorganisiert uns die Anthroposophische Gesellschaft, damit wir etwas davon haben!», sondern daß wir selbst mit unseren besten Kräften zur Reorganisation helfen müssen! Denn wir haben erlebt, wie wir ein Nichts sind ohne die Kräfte der Anthroposophischen Gesellschaft, so wie wir andererseits in einer gewissen Selbstbewußtheit meinen, daß die Anthroposophische Gesellschaft ein Nichts ist ohne uns und die kommenden Generationen. Darum aber bitten wir die älteren Freunde, was uns Jüngeren, die wir so aus dem Nichts als Bettler um Geist kommen, so viel selbstverständlicher ist, daß sie mit uns zusammen hinblicken auf die uns entgegenwachsenden Menschen, damit jede Metamorphose der Anthro­posophie, mag sie auch noch so unerwartet sein, sich ausleben kann in der Anthroposophischen Gesellschaft.

Wenn wir in solch gemeinsamem Bewußtsein gemeinsamer Liebe zur Mensch­heitsaufgabe zusammenarbeiten werden, verbindend das Ursprüngliche der Ju­gend mit dem dem Alter Eigenen, dann werden wir von jetzt an in alle Zukunft hinein etwas tun, was nicht nur Vergangenes gut machen kann, was die Anthropo­sophische Gesellschaft nicht nur reorganisieren, nicht nur eine Organisation des Geistigen schaffen kann, sondern was etwas erwirken kann, das wie eine Pflanze ist, die in jedem Augenblick Keim ist für die Zukunft, die unsterblich ist aus einem ewigen «Stirb und Werde» und aus der uns allen gemeinsam noch unendliche Freude und unendliche Aufgaben erwachsen können.

Herr Louis Werbeck, Hamburg, bittet, ein Komitee zu bilden zur Schaffung einer Freien Hochschule, und fordert zu Stiftungen auf.

Herr Louis Werbeck, Hamburg: Referat über

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«Die Gegnerschaft» Fsiehe unter Hinweise]

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Schon seit Jahren bestand für die anthroposophische Bewegung die Notwendig­keit, sich des Angriffs einzelner Gegner zu erwehren. Erst in neuerer Zeit sieht sich die Bewegung genötigt, mit einer geschlossenen Gegnerschaft zu rechnen. Die Einheit dieser Gegnerschaft ist von innerer Gliederung durchsetzt: Das ganze, in sich differenzierte traditionelle Geistesleben erhebt sich gegen die Anthroposo­phie und ihren Schöpfer.

Dem Angriffe dieses materiell gewaltigen Phänomens kann man nur metho­disch begegnen. Nicht indem man die Schriften der Gegner widerlegt- die Feinde sollen ihre Überzeugungen und Weltanschauungen haben; denn Differenzierung

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ist die Voraussetzung für die Entwickelung des menschlichen Geisteslebens -sondern indem man das «Wie» der gegnerischen Kampfesweise methodisch und rückhaltlos charakterisiert.

Alle Menschen haben ein Interesse daran, daß die großen Kulturkämpfe, die mit Notwendigkeit an den Wendepunkten der Entwickelung auftreten, nicht aus dem Gebiete herausfallen, in dem sie urständen: aus dem Geistgebiete. Bedient sich eine Gegnerschaft untermenschlicher oder gar krimineller Mittel, so wird damit prinzipiell die Existenz eines jeden Menschen angetastet.

Eine methodische Untersuchung der Kampfesweise der Gesamtgegnerschaft enthüllt überzeugend die üblen Mittel, die diese in ihrem Angriffe auf die Anthro­posophie und ihren Schöpfer verwendet. Alle Gegner stellen das Objekt ihres Widerspruchs unzulänglich dar. Was sie als «Anthroposophie» auf der Grundlage oberflächlichen Teilstudiums der geisteswissenschaftlichen Werke oder gar nach oberflächlichem Einblick in die Gegnerschriften darstellen, ist in den meisten Fällen nichts mehr als eine Karikatur der Anthroposophie. Dieses selbsterzeugte Gespenst machen sie populär, dieses bekämpfen sie.

Bei der Konstruktion dieses Schemens spielen alle Handgriffe niedrigster Journalistik eine Rolle: falsches oder verrenktes Zitat, Wiedergabe schockieren­der, aus dem Zusammenhang gerissener Tatsachen, suggestive Beeinflussung des Lesers durch Form und Aufmachung der Schriften, Lüge, Verleumdung, Fäl­schung, Unterschiebung von Absurditäten usw. Diese immer wiederkehrenden Phänomene lassen sich zu Kategorien ordnen, die typisch für die einzelnen Gegnergruppen sind.

Die innere Schwäche und Hohlheit des literarischen Gesamtwerkes der Geg­ner offenbart sich in einem vierfachen Widerspruche, der sich unter exakten Beweis stellen läßt. i. widersprechen sich die Einzelschriften in sich selber, 2. widersprechen sie sich untereinander, 3. widersprechen sich die einzelnen Geg­nergruppen, und 4. ist der einheitlich aufgefaßte Widerspruch der Gesamtgegner­schaft vor der zulänglich erfaßten Anthroposophie unhaltbar. Sie löst ihn in sich auf. Es läßt sich faktisch der Beweis erbringen, daß sich die Gegnerschaft durch Selbstzeugnis in diesem vierfachen Widerspruche geistig selbst vernichtet.

Aber nicht nur in der Abwehr des gegnerischen Angriffs kann Methode walten, sondern auch in der Art, wie die anthroposophische Bewegung die Auf­klärung über die perfide Gegnerschaft an die Zeitgenossen heranbringt.

Der an aller Wahrheitserkenntnis resignierende Zeitgenosse steht dem Inhalte der literarischen Erscheinungen immer skeptischer und gleichgültiger gegenüber. Auch die Inhalte der Streitschriften beginnen ihn kalt zu lassen. Noch aber ist er ästhetisch zu erregen. Schutzschriften für die anthroposophische Bewegung soll­ten daher von Künstlern geformt werden, sollten Kunsterzeugnisse sein, die durch ihre Form auf den Willen und durch Bildlichkeit auf das Gefühl wirken. Auf diesem Wege allein kann Interesse für den Inhalt solcher Schriften entfacht wer­den. Heute gilt es, nicht einseitig auf den Kopfmenschen, sondern unmittelbar auf den ganzen Menschen zu wirken.

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Zur Schaffung von so gearteten literarischen Abwehrwaffen muß daher eine Gesellschaft aufgerufen werden, die einen so unaussprechlich köstlichen Besitz zu verteidigen hat wie die anthroposophische; sie muß es um so energischer, als sie ihre Pflichten in diesem Betracht seit Jahren versäumte. Ein vitales Interesse bindet heute die Anthroposophische Gesellschaft an einen organisierten Abwehrkampf. Jeder Anthroposoph, dem es um seine Weltanschauung ernst ist, ist zur Beteili­gung an diesem Abwehrkampfe aufgerufen. An ihm scheiden sich die Lauen und Flauen von denen, die eines wahrhaft guten Willens sind.

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Hierauf wurde die Versammlung um 12 Uhr unterbrochen. Fortsetzung 2 Uhr.

Dienstag, den 27. Februar, nachmittags

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Eröffnung durch den Vorsitzenden, Herr Emil Leinhas, um 2 Uhr.

Es melden sich einige Redner zur Geschäftsordnung. Da sie aber zu den Gegen-ständen sprechen, die später beraten werden sollen, werden sie vom Vorsitzen­den unterbrochen.

Herr Dr. Karl Heter, Stuttgart: Referat über den

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«Bund für freies Geistesleben»

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Der «Bund für freies Geistesleben», über den hier unter den Gesichtspunkten der Anthroposophischen Gesellschaft gesprochen werden soll, hat seine Da­seinsgrundlage darin, daß es heute zahlreiche Menschen gibt, die zwar mit der Anthroposophischen Gesellschaft zunächst nichts zu tun haben wollen, die aber ein lebhaftes Bedürfnis nach dem haben, was als Auswirkungen aus der Anthropo­sophie auf den verschiedensten Lebensgebieten hervorgegangen ist. An diese sollte der Bund bewußt sich wenden. Dadurch könnten zum Beispiel Studien-kreise für bestimmte Gebiete (wie Physik, Nationalökonomie, Pädagogik, Theo­logie usw.) ins Leben gerufen werden. Damit würde ein Kreis von Menschen sich bilden können, der eine Art von Zwischenschicht zwischen der Anthroposophi­schen Gesellschaft und der «Außenwelt» abgeben würde. Eine solche gerade im Interesse der Anthroposophischen Gesellschaft notwendige Zwischenschicht fehlt heute. Sie würde in sachgemäßer Art über Anthroposophie diskutieren und auch ein gesundes, sachgemäßes Urteil über die Gegnerschaft der Anthroposophie entwickeln können. Es kommt vor allem darauf an, daß jeder, der so in die Außenwelt wirken kann, auch den Willen hat, dies zu tun. Gut ist es auch erfahrungsgemäß im Interesse einer sachgemäßig öffentlichen Diskussion über Anthroposophie, daß neue nichtanthroposophische Vereinigungen durch Anthroposophen Vorträge über Anthroposophie halten lassen, wozu ja auch unsere Freunde manches tun können. Redner wird der Bund nach Möglichkeit vermitteln. Ein anderes: Das deutsche Volk ist in Gefahr, immer mehr sich von

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den Grundlagen seines eigenen Wesens zu entfernen. Auf dieses Wesen, wie es Geister wie Fichte, wie es die Goetheanisten aufgefaßt haben, hinzuweisen, wäre eme der vornehmsten Aufgaben eines Bundes für freies Geistesleben, der dadurch zugleich auch für die im deutschen Geistesleben wurzelnde Anthroposophie Vorarbeit leisten würde. Der Bund kann zur Quelle einer gesunden Urteilsbil­dung über alle Fragen des gegenwärtigen sozial-kulturellen Lebens werden. Sol­che Urteilsbildung fehlt der Gegenwart nur allzusehr. Aus Anthroposophie muß und kann sie gewonnen werden. Indem der Bund - zum Beispiel auf dem Gebiet der Völkerpsychologie - in dieser Richtung wirkt, wird er zugleich zum Zeugen werden für die Fruchtbarkeit der anthroposophischen Welterkenntnis. Wenn der Bund für eine Befreiung des Geisteslebens von Staat und Wirtschaft, insbesondere für freie Schulen eintritt, so stellt er sich wiederum gleichermaßen in den Dienst einer allgemeinen Zeitnotwendigkeit wie auch der anthroposophischen Bewe­gung, die ohne ein freies Geistesleben nicht zu ihrer vollen sozialen Auswirkung kommen kann. Für alle diese und viele andere Aufgaben braucht der Bund die Mitwirkung aktiver Persönlichkeiten. Er selbst kann nichts anderes sein als die Gesamtheit derer, die in solcher oder ähnlicher Art aktiv mitarbeiten wollen mit Ortsgruppen, die nur auf dem Papier stehen und zu denen sich Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft zusammenschließen, die dann nichts anderes tun, als was sie auch bereits als Zweig getan haben, ist dem Bunde nicht gedient. Wer aber in der angedeuteten Weise mitarbeiten will, den bitte ich, sich unter Angabe des Arbeitsgebietes mit uns in Verbindung zu setzen. Gelingt es uns, den Bund zu einem lebendig wachsenden Organismus zu machen, dann wird durch ihn der Vertrauensorganismus, den wir innerhalb der Anthroposophischen Ge­sellschaft begründen wollen, sich über diese hinaus in die Außenwelt gleichsam fortsetzen, und wir werden auch von dieser Seite her die Isolierung überwinden können, in der sich heute unsere Gesellschaft gegenüber der Welt befindet.

Für die folgende Diskussion wird die Redezeit auf zehn Minuten beschränkt. Der

Vorsitzende, Herr Leinhas, bittet, nunmehr zum Positiven zu sprechen. Eine

Geschäftsordnungsdebatte wird abgebrochen.

Herr Dr. Rudolf Toepel, Komotau, stellt den Antrag, einen neuen Vorstand wählen zu lassen.

Herr Dr. Rudolf Steiner: Diese Versammlung ist hier zusammenge­kommen, um über das Schicksal der Gesellschaft zu entscheiden. Und es ware wirklich notwendig, daß die einzelnen Teilnehmer sich be­wußt werden der Wichtigkeit des Moments. Die Anthroposophische Gesellschaft ist ganz gewiß kein Kegelklub. Man kann also unbedingt in der Anthroposophischen Gesellschaft nicht, bevor über die Ver-hältnisse, wie sie nun gegenwärtig sind, eingehend konferiert worden ist, auftreten mit der Prätention: es solle jetzt ein Vorstand gewählt

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werden. Das kann man in einem Kegelklub, aber nicht in der Anthro­posophischen Gesellschaft, wo vor allen Dingen Kontinuität notwen­dig ist. Es kann sich nur darum handeln, daß diese Versammlung zu Ende geleitet wird von denjenigen, die die führenden Persönlichkeiten in Stuttgart waren. Wie darüber diskutiert werden kann, in diesem Augenblick besonders, ist mir unverständlich. Wir kommen in ein absolutes Chaos hinein, wenn solche Anträge wie die des Herrn Doktor Toepel in solchem Augenblicke fallen. Solche Anträge kann man überhaupt nur dann stellen, wenn man die Absicht hat, die ganze Versammlung in die Luft zu sprengen.

Der Antrag Dr. Toepel wurde abgelehnt.

Herr Erwin Horstmann, Breslau, will positive Vorschläge machen. Die freie anthroposophische Jugend in Breslau habe etwas verwirklicht nach dem Grund­satz, daß, wo zehn leben können, auch der Elfte erhalten werden kann. Er schlägt vor, daß diejenigen, die sich ganz da einsetzen wollen, 5 Prozent ihres Einkom­mens der Bewegung zur Verfügung stellen, und wünscht unterschriftliche Ver­pflichtung.

GrafLudwig Polzer-Hoditz, Wien: Wenn man hört, daß das Schicksal der Gesell­schaft entschieden wird und daß das Goetheanum als Menschheitssache auf dem Spiel steht, muß eine Unruhe entstehen, und es ist begreiflich, wenn man mit der Zeit nicht zurechtkommt. Wir müssen etwas finden, was eine Konsolidierung ermöglicht. Er berichtet darauf, wie Österreich auf die Lage reagiert habe. Man habe sich gesagt, es müsse etwas geschehen, der Vorstand habe versagt, also müsse man eine neue Leitung machen. Man hätte sich entschlossen, einen Vertrauens-kreis zu bilden, wo die Menschen zusammenkommen können, und zwar in regelmäßigen Zusammenkünften. Dann werden sich Persönlichkeiten heraushe­ben. Die benachbarten Kreise werden sich dann schon verständigen. Ähnlich wie in Wien, wo die beiden Zweige eine Verbindung hergestellt hätten.

Herr Martin Münch, Berlin: Die Anthroposophische Gesellschaft hat keine Sat­zungen, sondern den Entwurf der Grundsätze. Wir sollten eine Anthroposophi­sche Gesellschaft begründen, welche sich zu diesen Grundsätzen bekennt. Dazu braucht man Vertrauenspersönlichkeiten, die anerkannt werden. In Berlin gab es einen Vertrauenskreis, der funktioniert hat, nämlich die Jugendbewegung. Hier ist ein Anschauungsunterricht, denn die Leitung hat keine Vertrauenspersönlichkei­ten ernannt und bestätigt. Bei der Aufnahme von Mitgliedern darf es nicht bei der Registratur bleiben. Die Einführungskurse sollten nicht Sache der Zweige sein, wir brauchen Helfergruppen zum Empfang der Neueintretenden. Der Zentral-vorstand muß diejenigen kennen, die Einführungen halten. Es handelt sich um

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eine Belastungsprobe der Menschen in Stuttgart. Wenn in Stuttgart gar nichts geschehen wäre, dann wären auch keine Fehler gemacht worden. Er verweist darauf, daß die Unterschreiber des Aufrufes da sind, man dürfe nichts abreißen lassen, sondern müsse die Angelegenheiten fortführen. In dem Neunerkomitee könne man etwas sehen, was bestehen bleiben kann.

Herr Dr. Robert Wolfgang Wallach, Stuttgart, sagt, er sehe wesentliches in dem, was Lehrs gesprochen habe. Die wichtigste Frage darin sei, das richtige Verhältnis von Älteren und Jüngeren herzustellen. Dies sei bisher im richtigen Sinne nicht ganz gelungen, denn das, was die Älteren den Jüngeren haben geben wollen, sei nicht das gewesen, was die Jüngeren suchen. Die Jugend suche nicht lehrhafte Belehrung, sondern sie suche solche, die dem entspringt, was die Älteren sich erarbeitet haben.

Herr Walter Hartwig, Lörrach-Stetten: Es sei genug an Kritik. Man musse zu praktischen Vorschlägen kommen. Das Komitee solle als Vorstand vorläufig fungieren. Es könne dann ergänzt werden durch Persönlichkeiten wie Lehrs, Büchenbacher. In drei Tagen könne man es nicht herausbringen, wer die Leitung haben solle. Dr. Steiner dürfe scharf kritisieren, denn er könne es selbst besser machen. Man möge es mit den Persönlichkeiten des Komitees versuchen, denn sie hätten bewiesen, daß sie einen guten Willen haben. Jeder Gruppenleiter wisse genau, wie schwer es sei, Vertrauen zu erwerben.

Herr Eugen Storck, Efilingen: Man müsse nicht nur über das Proletariat, sondern mit ihm denken. Wir brauchen eine Vertrauensorganisation mit Menschen aus allen Schichtungen. Es sollen dies nicht nur denkende, sondern auch fühlende Menschen sein.

Herr Dr. Friedrich Rittelmeyer, Stuttgart, ging nochmals vom «Stuttgarter Sy­stem» aus und charakterisierte es aus seiner eigenen früheren Erfahrung. Man möge ihm seine eigenen Worte vorhalten, wenn sie in der religiösen Bewegung in dieselben Fehler verfallen: Das Alles-besser-Wissen, die Meinung, man müsse alles von Stuttgart aus machen, während man dann doch nicht dazu kommt, die Weltfremdheit in der Isolierung, die Neigung zum Intellektualismus, ohne die nötige menschliche Wärme, die ungenügende Führung der Mitarbeiter in Stuttgart selbst. Man habe die größten Besorgnisse haben müssen, wie es gehen wird, wenn einmal Dr. Steiner physisch nicht mehr unter uns weile. Wenn sich die Gesell­schaft eine neue Leitung gebe, so müsse diese Leitung auch einen neuen Willen haben, müsse sich dafür verantwortlich fühlen, daß das beste Leben der Gesamt­heit überallhin geleitet werde, daß alle lebendigen Kräfte in der Gesellschaft durch Hilfe Anregung und Förderung möglichst zur Funktion gebracht werden, daß starke Parolen für die gemeinsame Arbeit und Orientierung von Stuttgart ausge­hen. Durch eine Vertrauensorganisation von etwa zwölf hervorragenden Anthro­posophen, die vor allem auch das Leben von außen zurückströmen lassen, müsse die Leitung beweglich erhalten werden. Als die wichtigsten Aufgaben der nächsten

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Zukunft ergeben sich: Es muß die anthroposophische Hauptaufgabe wieder stärker erfaßt werden, vom Intellektualismus zur Sophia, vom Spezialistentum zum Anthropos müsse zurückgekehrt werden. Nach lebensvoller Gemeinschaft aus anthroposophischer Spiritulität heraus müsse gestrebt werden. Das Geistesgut der Anthroposophie müsse viel mehr nach allen Seiten vermittelt und nicht nur im engen Kreis gepflegt werden, wofür aus der Erfahrung einige Vorschläge gemacht werden, die Verteidigung der Anthroposophie und ihres Führers müsse viel großzügiger geführt werden. Ganz besonders müsse erstrebt werden, ein unorga­nisierter Gesinnungsbund aller anständigen Menschen, die die Anthroposophie nicht vernichten lassen, sondern sie ernst genommen und geprüft haben wollen. Die Zwischenschicht derer, die zwischen den Anthroposophen und den Anthro­posophiegegnern stehen, müsse vergrößert werden. Schließlich müsse die ganze Arbeit auf die Jugend eingestellt werden, dann fangen auch die Alten wieder zu hoffen an und die Feinde müssen es leiden.

Herr Bernhard Behrens, Hamburg, spricht von der Notwendigkeit, feste Ge­meinschaften in der Jugend zu bilden.

Herr Dipl. -Ing. Ulrich Hallbauer, Hamburg: Eine Vertrauensorganisation muß sich auf Freiheit und Vertrauen gründen. In den einzelnen Städten und Arbeits­gruppen sollten sich in freier Weise einzelne Persönlichkeiten ihren Wirkungs­kreis suchen. Je vielseitiger, desto besser. Geisteswissenschaftliche Arbeit könne nur von den Zweigen geleistet werden. Die anderen Gebiete, insbesondere das Fachmäßig-Wissenschaftliche, gehöre außerhalb der Zweige. In kleinen Gruppen könne eine eigene Initiative zur Geltung kommen. Auch Eurythmie könne sich so einfügen. Die einzelnen Gruppen könnten sich zusammenschließen in der Ge­meinschaft der Vertrauenspersönlichkeiten. Dadurch ergeben sich größere Kreise, deren Zusammenfassung den Vorstand bilden könnte. Außerdem müßten die einzelnen Gruppen direkte Verbindung mit der Zentrale haben.

HerrJohannes Pingel, Hamburg, wird nach wenigen Sätzen unterbrochen.

Herr Emil Leinhas, Stuttgart, als Vorsitzender gibt zum Schluß eine Zusammen­fassung.

Schluß 1/2 5 Uhr.

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Dienstag, den 27. Februar 1923, abends

I. Vortrag von Herrn Dr. Rudolf Steiner über

«Die Bedingungen einer Gemeinschaftsbildung in

einer Anthroposophischen Gesellschaft»

Lmit dem Vorschlag: zwei Gesellschaften zu bilden. Siehe GA 2571

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Herr Emil Leinhas, Stuttgart: Wir hatten beschlossen, Ihnen vorzuschlagen. die Diskussion dem anzupassen, was durch Dr. Steiners Vortrag gegeben ist.

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Herr Ernst Uehli, Stuttgart: Nicht als Mitglied des Zentralvorstandes möchte ich in diesem Augenblicke, nachdem Herr Dr. Steiner gesprochen hat, mir erlauben, das Wort zu ergreifen. Ich möchte Sie herzlich bitten, vor allen Dingen Dr. Steiner bitten, davon überzeugt zu sein, daß ich aus ehrlichem Wollen heraus vor Ihnen stehe und aus ehrlichem Wollen heraus den Weg suchen will zu dem, was für die Zukunft nottut. Nicht nur aus ehrlichem Wollen heraus, sondern aus ehrlicher Liebe, die ich Dr. Steiner gegenüber und gegenüber der Anthroposophischen Gesellschaft, so gut ich konnte, im Herzen bisher getragen habe. Es war mir die Aufgabe gestellt, zu sprechen heute oder morgen, ich möchte dies aus sachlichen Gründen sagen, über eurythmische Kunst, und wollte im Verlaufe des Vortrages dann einmünden in das, was zur Fortentwickelung der Gesellschaft notwendig ist, weil ich mir sagte, daß in der eurythmischen Kunst etwas vorliegt, das immer im anthroposophischen Sinn positiv gewirkt hat, dann aber, von einem solchen Felde aus, den Weg besser zu finden für dasjenige, was für die Fortentwickelung der Gesellschaft zu sagen sei.

Ich wollte im Laufe dieses Referats zurückkommen auf diejenigen Worte, die heute früh von Herrn Lehrs gesprochen worden sind; deshalb, weil sie zu meinem Herzen gesprochen haben und mich tief ergriffen haben, wollte ich auf die Worte des Herrn Lehrs zurückkommen. Ich gehöre zwar zu den Alten, die seit zwei Jahrzehnten in der Bewegung stehen. Daß ich aber ein junges Herz habe, das dürfen Sie mir glauben. Ich empfinde es tief, was da durch die Jugend hereingetra­gen worden ist, und ich kann es mitempfinden, und ich will das, was sich mir als wesensfremd übergestülpt hat, abwerfen. Ich möchte Sie bitten, nehmen Sie es an. Glauben Sie mir, daß es mein ehrlicher Wille ist. Dann möchte ich das andere, was ich auch heute morgen sagen wollte, erwähnen. Wenn es mir gegönnt sein kann, daß es von den jungen Freunden verstanden und aufgenommen werden kann, so werde ich in jeder Weise, so wie es in mir erlebt wurde, so wie ich glaube es gestalten zu können in Zukunft, zusammenarbeiten wollen in wahrem anthropo­sophischen Sinn, so wie es von Dr. Steiner in so durchgreifender und eindringli­cher Weise hingestellt worden ist. Das möchte ich in Zukunft zu meiner ernsten und echten Lebensaufgabe machen, und in diesem Sinne möchte ich auch mit der Jugend zusammenarbeiten können. Aber nicht nur dieses möchte ich als meine Aufgabe ansehen können. Auch da, wo die alten Anthroposophen der Gesell­schaft sind, möchte ich mitarbeiten können. Ich möchte hineinwachsen, mehr als es bisher möglich gewesen ist, in die anthroposophische Familie, möchte alles dasjenige zu meinen Pflichten und heiligen Aufgaben machen, was wir aus ehrli­chem anthroposophischem Willen, soweit wir es unter Führung von Dr. Steiner vermögen, lebendig machen können. Glauben Sie mir, es ist mein ernster und mein heiligster Wille, das zu suchen. Ich will nicht viele Worte machen. Ich will nur sagen, daß ich in diesem Sinne meine Aufgabe in der Zukunft für die Fortent­wickelung der Anthroposophischen Gesellschaft suchen will.

Ich glaube dann, meine lieben Freunde, wenn es uns gelingt, die Hand einzu­schlagen in die Hand der Jungen und auf der anderen Seite in dasjenige, was früher

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schon da war als Anthroposophische Gesellschaft, und wenn wir Hand in Hand und Herz in Herz weiterarbeiten wollen und glauben wollen in Zukunft an die Anthroposophische Gesellschaft, dann hoffe ich, daß auch das, was seit 1919 als die verschiedensten Institutionen gegründet worden ist, von allen getragen wer­den kann. Ich bin der festen Überzeugung, daß wir dann die Institutionen hintra­gen können zu dem, was für sie nötig ist. Wenn Sie einschlagen in die Hand und in die herzliche Bitte, die ich nur stammelnd vorbringen kann, dann werden wir doch den Weg finden. Das möchte ich aus gedrängtem Herzen heraus sagen.

Dr. Unger: Ich fühle mich verpflichtet, aus einem etwas anderen Tone und aus anderen Hintergründen heraus zu sprechen, als das, was eben Herr Uehli aus seinem Herzen zu Ihnen gesprochen hat, denn es handelt sich für mich in diesem Augenblick darum, Rechenschaft abzulegen über das, was geschehen ist seit der Zeit, als hier in Stuttgart begonnen worden ist mit den Gründungen, die dann zu den Schwierigkeiten geführt haben. Wir wissen, daß diese zum Untergang der Anthroposophischen Gesellschaft führen können. Was bedeutet das, wenn wir rückblickend auf die Geschehnisse hinschauen? Gestatten Sie mir, gerade in dieser Beziehung manches zu schildern, was bis jetzt in diesen Verhandlungen noch nicht zum Ausdruck gekommen ist. Es handelt sich darum, daß wir uns klar darüber werden, inwiefern gerade diese Gründungen als Realitäten unter uns stehen, inwiefern wir imstande sind zu verantworten, daß sie vorhanden sind. Ich möchte davon ausgehen, daß wir in älterer Zeit, in den ersten Jahren bis zum Jahre 1918, eine Anthroposophische Gesellschaft gehabt haben, die in sich das Streben trug, Anthroposophie als solche zu betreiben. Wir haben es einerseits zu tun mit weiten Kreisen, die hindrängen an die Anthroposophische Gesellschaft, um An­throposophie kennenzulernen; aber wir haben es bei dieser Gesellschaft auch zu tun mit etwas, das eine Geschichte hat. Wir dürfen und können sie nicht überge­hen. Und wenn wir hinschauen darauf, daß wir, unter Erwägung all dieser Gründungen, den Aufruf hinausgesandt haben, daß wir in diesen Verhandlungen referieren wollten von den verschiedensten Gesichtspunkten heraus über die Tatbestände, so stoßen wir auf ein Unverständnis für diese Tatsächlichkeit. Wenn von Stuttgart aus Gründungen ausgegangen sind, die in ihrer Art auch dienen wollten der anthroposophischen Bewegung, die aber in Anspruch nahmen die anthroposophische Hilfe, die Beratung von Dr. Steiner, die Belastung von Dr. Steiner, so obliegt es uns, das Interesse für diese Gründungen wachzurufen bei allen denen, die in der Anthroposophischen Gesellschaft drinnen sind. Man kann sagen, die Anthroposophische Gesellschaft hat sich diese Gründungen gefallen lassen ... aber das Interesse für diese Dinge den Menschen beizubringen, das haben wir von der Leitung der Anthroposophischen Gesellschaft aus vielleicht nicht verstanden. Betrachten wir, was aus dieser Bewegung hervorgegangen ist an einzelnen konkreten Gründungen; nehmen wir das, was mit der wirtschaftlichen Bewegung zu tun hat: die Gesellschaft war nachher nicht mehr die gleiche wie vorher. Die Außenwelt hat sich angeschaut, was gemacht worden ist; es hat sich

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dadurch Gegnerschaft gebildet, gerade im Zusammenhang mit diesen Gründun­gen im schärfsten Sinne. Daher mußten wir auf die Gründungen hinschauen und prüfen, was nicht in Ordnung ist. In Ordnung ist die Waldorfschule, in seiner Art in Ordnung ist der »Kommende Tag»; nicht in Ordnung sind die Gründungen der wissenschaftlichen Bewegungen. Die wissenschaftlichen Institute, die aus den Mitteln des »Kommenden Tages» gestaltet worden sind, sind nicht in Ordnung, weil aus der Art ihrer Vertretung Gegnerschaft gebildet worden ist. Es ist nicht verstanden worden, in den Gründungen den anthroposophischen Geist so leben­dig zu halten, daß sie der Anthroposophischen Gesellschaft zugemutet werden können. Diese Zumutung wurde aber gestellt, und es handelt sich darum, ob die Anthroposophische Gesellschaft nun weiterleben will ohne sie oder ob sie einver­standen ist, daß diese Institutionen in ihrer Mitte weilen und zu Recht bestehen. Was zu dieser Krise geführt hat, ist, daß wir in einem großen Kreise von Mitarbei­tern dieser Institutionen uns vor die Frage gestellt sahen: Werden wir imstande sein, sie so gesund zu machen, daß die Anthroposophische Gesellschaft sie zu tragen vermag; werden wir ein solches Interesse für sie zu erwecken vermögen, wie es notwendig ist?

Das Komitee der Neun, das sich gebildet hat, repräsentiert in gewisser Bezie­hung ja auch das, was an solchen Gründungen vorhanden iSt, was vertretbar ist in ihrer Idee, in ihrer Anlage. Die Kämpfe, die wir ausgefochten haben, bestanden darin, daß die Leitung der Anthroposophischen Gesellschaft sich nun auch dafür verantwortlich fühlen will, daß gerade aus anthroposophischer Gesinnung heraus etwas geleistet werde, was vertretbar ist der Außenwelt gegenüber. Die Gegner dürfen nicht recht haben. Das ist es, worum es sich handelt. An sich allein sind die Institutionen als solche nichts; nur durch die Menschen, die in ihnen arbeiten, haben sie Bedeutung, und an die Menschen wollen sie sich wenden, damit sie tragen helfen. Dazu ist notwendig, daß ein Zusammenschluß der hier Arbeitenden zu einer Gemeinschaftsbildung wirklich vorhanden sei. Damals, als die neuen Menschen hierher gekommen sind, um die Dinge hier zu übernehmen, wurde damit auch die Verpflichtung übernommen, sie durchzutragen.

Nehmen wir die Angelegenheit des Verlages. Er wurde gegründet, weil man Neues brauchte. Es gab ja schon einen Verlag, der gesund war, der als solcher heraus gewachsen war aus den selbstgewordenen Dingen der Anthroposophischen Gesellschaft, nämlich den Philosophisch-Anthroposophischen Verlag. Der Ver­lag des »Kommenden Tages« aber ist gegründet worden, und man mußte ihm erst einen Inhalt geben. Für diesen Interesse zu erwecken, ist eine Aufgabe. So geht es auch mit den anderen Dingen. Wir haben ein Klinisch-therapeutisches Institut. Es muß sich so darstellen, daß es innerhalb der eigenen Kreise mit Recht besteht.

Und nun, wenn wir eine einheitliche Anthroposophische Gesellschaft sein wollen, müssen wir imstande sein, diese Unternehmungen in Ordnung zu brin­gen. Wenn Sie den Mut haben, uns nach dieser Richtung hin Vertrauen zu schenken, so hoffen wir imstande zu sein, die ersten Schritte zu tun, um den lebendig fließenden Strom, der uns mit der Gesellschaft verbinden soll, wach

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erhalten zu können. Zu diesem Ziele zu gelangen wird die Aufgabe des morgigen Tages sein. Es wird die Aufgabe des Komitees sein, morgen zu erklären, was es unternehmen will.

Dr. Kolisko: Ich möchte den ganzen Ernst der Situation noch einmal vor Sie hinstellen. Es ist dies durch den alten Zentralvorstand, durch das, was Dr. Unger und Herr Uehli sagten, nicht zur Genüge geschehen. Herr Dr. Steiner hat die Möglichkeit einer Trennung der Gesellschaft vor Sie hingestellt. Es scheint mir, daß wir uns ganz klar machen müßten, was diese Trennung bedeutet. Wir haben zwei Gruppen in der Gesellschaft. Die einen, welche an den Institutionen hängen, die anderen, welche das nicht tun. Letztere sind die alten Mitglieder sowie die der jüngeren Generation, welche jetzt hinzugekommen sind. Früher trieb man an­throposophische Arbeit in den verschiedensten Kreisen. Diese Mitglieder fühlten sich nicht verantwortlich für die Institutionen, ebensowenig die jungen, welche jetzt aus Sehnsucht nach Anthroposophie herangekommen sind. Wir stehen vor der tragischen Situation, daß es uns nicht gelungen ist, diese Gruppen von Mitglie­dern zu der Überzeugung zu bringen, daß die ganze Anthroposophische Gesell­schaft sich für diese Institutionen interessieren muß, sie mittragen muß. Das war die Schuld des alten Zentralvorstandes, daß er nicht die Aufgabe erfüllt hat, die ganze Gesellschaft zu einer Einheit zu gestalten, welche die Institutionen trägt. Unsere Referate sollten dem Zweck dienen, bei Ihnen ein wahres Interesse für die Institutionen zu erwecken. Es ist uns leider nicht gelungen, durch diese Referate das zu erreichen: sie waren unvollkommen. Wir müßten bei einer solchen Spal­tung der Gesellschaft alle die Hoffnungen zu Grabe tragen, die wir hatten! Machen Sie sich die Konsequenzen ganz klar! Die neue freie Gesellschaft würde sich um diese Institutionen nicht kümmern. Es ist der letzte Moment, wo wir noch zu einer Einsicht kommen können, und ich glaube, daß es meine Aufgabe ist, von diesem Standpunkt aus zu sprechen, da ich meine ganze Kraft diesen Institutionen zur Verfügung gestellt habe, seit ich in der Bewegung wirke. Es war die Schuld des alten Vorstandes, daß es nicht gelungen ist, alle Mitglieder für die Institutionen zu gewinnen. Jetzt kann noch ein letzter Versuch gemacht werden, um es zu verhin­dern, daß die Gesellschaft sich spalten muß. Ich bitte Sie also, sich bewußt zu sein, daß diese Spaltung die Vernichtung aller dieser Hoffnungen bedeutet.

Dr. Steiner: Ich habe nur eine Bitte: Sie haben gesehen aus dem, was besprochen worden ist, daß wir morgen alle Veranlassung haben, über diejenigen Dinge zu sprechen, die zu einer Art Konsolidierung der Gesellschaft in der einen oder anderen Form führen. Ich sehe keine Notwendigkeit, daß gesprochen wird über solche Dinge, die in Ord­nung sind, zum Beispiel das Referat über Eurythmie.[*] Es muß damit

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[*] Diese Bemerkung bezieht sich auf die Äußerung Uehlis am vorigen Abend (s. Seite 419), daß er ein Referat über Eurythmie hatte halten wollen.

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begonnen werden, daß der bisherige Zentralvorstand seine Ansicht in kurzer Weise darlegt, so daß zu etwas Positivem gekommen werden kann. Ich sehe nicht ein, daß es notwendig ist, über die Dinge zu sprechen, die in Ordnung sind! Warum will man die Zeit damit ausfüllen und nicht endlich eingehen auf diejenigen Dinge, die in Ordnung gebracht werden sollen? Auf diese Notwendigkeit möchte ich hinweisen mit der Perspektive, daß ich Sie bitte, heute nacht oder morgen etwas zu überlegen und sich zunächst mit dem zu beschäfti­gen, was nötig ist, umzugestalten - oder neu zu gestalten.

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Mittwoch, 28. Februar, vormittags

Herr Emil Leinhas eröffnet die Versammlung um 9 Uhr.

Ansprache Dr. Rudolf Steiners

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Meine lieben Freunde! Nach dem Verlaufe unserer Versammlung an den beiden ersten Tagen sah ich mich gestern genötigt, einige Richt­linien zu geben - wie ich schon sagte: aus meiner Sorge heraus für den weiteren Ablauf der Verhandlungen. Denn wir müssen ja heute zu einem positiven Resultat kommen, und die Sache darf nicht so sein, daß unsere lieben Freunde, die zu dieser Delegiertenversammlung hergereist sind, heute abend in derselben Weise abreisen, wie sie am Sonntag angekommen sind. Wir müssen zu einem positiven Resultate kommen. Ich versuchte dasjenige, was ich sagte, aus dem Realen dessen heraus zu sagen, das aus den Verhandlungen hervorging. Wir müssen immer die Dinge so nehmen, wie sie sich in der Realität ausnehmen, und unsere jetzige Realität ist das, was sich durch die Verhandlungen in den zwei Tagen gezeigt und gezeitigt hat. Man konnte zu dieser Versammlung nicht mit einem fertigen Programm kommen, denn dann hätten wir nicht zusammenzukommen brauchen. Sonst hätte irgendein Programm ausgearbeitet und jedem einzelnen geschickt werden können, und die Sache wäre fertig gewesen. Es handelt sich darum, daß diese Verhandlungen ernst genommen wer­den und daß in dieser Versammlung jedes Mitglied durch die Dele­gierten zu Worte kommt.

Nun hat sich doch herausgestellt, daß ganz deutlich - ganz abgese­hen von kleineren Gruppen - zwei Hauptgruppen in der Mitgliedschaft

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sich ergeben haben und daß es ganz aussichtslos ist, daß sich diese Hauptgruppen auf ein absolut gemeinsames Programm einigen.

Ich will bei einem ganz anderen Punkte anfangen, ich will zeigen, wie sich die Dinge wirklich ausnehmen. Ich habe gestern im Beginne meines Vortrages gesagt: In den zwei Jahrzehnten des Lebens der Anthroposophischen Gesellschaft ist doch etwas erlebt worden. Die Anthroposophische Gesellschaft ist nicht etwas, was man neu begrün­den kann, wovon man sprechen kann wie vor 15,20 Jahren gesprochen worden ist. So muß aber derjenige sprechen, der vor kurzer Zeit erst eingetreten ist. Das kann außerordentlich gut sein, aber es ist von einem anderen Gesichtspunkte aus gesprochen. Dieses Leben der Anthroposophischen Gesellschaft hatte ich von meinem Gesichts­punkte aus mitzuerleben. Und für dieses mein Miterleben waren die in diesen zwei Tagen heivortretenden Schattierungen in den letzten Jah­ren ganz scharf vorhanden. Wie waren sie vorhanden? Sehen Sie, meine lieben Freunde: Wenn ich nach Stuttgart kam, so traf ich hier die führenden Persönlichkeiten der Anthroposophischen Gesellschaft. So hatten sich nun einmal die wirklich erlebten Verhältnisse zugetragen. Wenn ich herkam, kam ich aus gewissen Gründen her, es waren Intentionen auszuführen, Absichten auszuführen. Wenn ich hier in Stuttgart sprach mit jemandem, der hier langjährig in seiner Tätigkeit darinnen steckte, dann brauchte ich gewissermaßen nur an eine Feder zu drücken, in ein paar Minuten war dasjenige erledigt, was ich zu sagen hatte. Man verstand mich, man kannte die Bedürfnisse der Anthroposophischen Gesellschaft. Zum Beispiel: Ein Waldorfschul-lehrer steckt lange in seiner Sache drinnen, denn er stand schon, bevor er Waldorfschullehrer war, vom anthroposophischen Gesichtspunkte aus in der Pädagogik drinnen. Der Fehler war nicht darin - das setzen die meisten voraus-, daß ich etwa in Stuttgart nicht verstanden wurde. Ich wurde verstanden - nur ausgeführt wurde dasjenige, was verstan­den worden ist, nicht. Das aber braucht man. Für mich ist natürlich nicht die Zeit vorhanden, das alles im einzelnen darzulegen. Warum die Zeit dafür nicht vorhanden ist, das werde ich in meinem heutigen Vortrage noch ausführen.

Also das liegt auf der einen Seite vor: Man wird hier in Stuttgart von den wirklich gut informierten, durch das Erlebnis gestärkten Leuten sogleich verstanden. Es geht alles in bezug auf das Verstehen wie am Schnürchen. Das sind die alten guten Mitglieder, die es in den anthroposophischen

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Angelegenheiten bis zu einer empfindungsgemäßen Ge­nialität gebracht haben. Nach dieser Richtung ist alles in Ordnung. Und ich habe mich nur zu bemühen gehabt, daß uns das Komitee, das ich selber mit vieler Mühe gefunden habe nach wochenlangen Hin-und Herverhandlungen, sagt, wie es nun die Brücke finden will von dem leichten Begreifen zum Willen! Deshalb mein Appell an dieses Komitee, daß es uns endlich sagen soll, was es eigentlich will.

Nicht wahr, wie das Wesentliche mißverstanden worden ist, es trat mir ganz grotesk vor Augen, als aus voller Unkenntnis der Verhält­nisse ein Antrag vorgebracht wurde, daß man jetzt, mitten in allem Unerledigten, etwa daran gehen sollte, einen neuen Zentralvorstand zu wählen. Wie unmöglich das ist, das wird begreiflich sein, wenn ich nun die andere Partei charakterisiere.

Sehen Sie, da ist das Folgende ganz natürlich: Wenn ich mit jeman­dem, seien es Gruppen, seien es einzelne, die im Auftrag von Gruppen kommen, verhandle: Ja, dann versteht man zunächst nichts von dem, was ich sage. Das ist ganz natürlich - nichts versteht man davon, gar nichts! Aber es ist vorhanden eine unendlich große Aktivität, ein unendlich guter Wille. Alles, was man nicht verstanden hat, wird gleich getan! Reden, die gehalten werden von den von auswärts Kom­menden, sind im echtesten Sinne durchtränkt von edelstem anthropo­sophischem Wollen. Aber man muß hineinwachsen in die alte Histo­rie, man muß mit allen Einzelheiten bekannt werden! Und diese zwei Gruppen, die mögen sich noch so lange sagen: Wir haben den besten Willen, zus ammenzuwachsen, - sie werden nicht zusammenkommen, sie reden immer aneinander vorbei. Glauben Sie nicht, daß ich damit nur die Jugendgruppe meine. Es gibt sehr alte Mitglieder der Anthro­posophischen Gesellschaft, die sind in demselben Fall. Alles wird gleich getan, was ich sage - aber es wird dasjenige getan, was nicht verstanden worden ist. Nun handelt es sich darum, daß wir vor der wirklich mit tiefer Sorge erfüllenden Notwendigkeit stehen, die Ge­sellschaft dennoch in absoluter innerer Solidarität und Solidität wei­terzuführen. Das kann man nur, wenn man eine solche Form für sie findet, daß beide Gruppierungen zu ihrem Recht kommen; wenn also gemäß des Entwurfs unserer Grundsätze[*] die alte Anthroposophi­sche Gesellschaft fortbesteht, und zwar so fortbesteht, daß sie geleitet wird zunächst von dem Neuner-Ausschuß, der nicht als eine bloße

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[*] Siehe Hinweis zu S. 571.

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Verlegenheitssache zustande gebracht wurde, der auch aus den histo­rischen Verhältnissen heraus entstanden ist. Also dasjenige, was histo­risch geworden ist, muß historisch weitergeführt werden. Und die anderen werden - gleichgültig, ob sie alt oder jung, fünfundneunzig oder fünfzehn Jahre alt sind, ob sie Waldorfschüler oder Senioren sind

- eine lose Vereinigung bilden - Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft sind sie ja trotzdem -, so daß sie dann nach den karmi­schen Zusammenhängen dieser oder jener Mitglieder gewissermaßen einen inneren esoterischen Zusammenhang haben. Da wird schon aus dieser losen Vereinigung etwas Bestimmtes herauskommen. Diejenige Gruppe, welche die Historie vertritt, die wird aus ihren Erfahrungen heraus, die ja reichlich vorhanden sind, anzugeben haben, was sie und jeder einzelne weiter tun will. Diejenigen aber, welche die lose Verei­nigung bilden, werden zunächst diese lose Vereinigung dadurch bil­den, daß sie sich sagen: Wir sind echte, wahre Anthroposophen - das sind oftmals die Allerjüngsten-, und wir werden uns nun weiter eine Form für unser Wirken suchen. - Die brauchen gar nicht heute gleich zu irgendeiner Wahl oder dergleichen zu kommen, die werden versu­chen, ihre lose Vereinigung so weit zu bringen, daß wir dann das bindende Glied zwischen beiden schaffen können.

Nachdem gestern unsere Verhandlungen beendet waren, bin ich um 12 Uhr [nachts] gebeten worden, noch zu einer Versammlung zu kommen in der Landhausstraße 70. Am Ende der Versammlung wurde eingewendet: Wir haben doch gesehen, daß jene, welche die alte Gesellschaft repräsentieren, die hier in Stuttgart ihre führenden Per­sönlichkeiten hat, nicht in der richtigen Weise vom anthroposophi­schen Standpunkt sich zu den einzelnen Institutionen, Unternehmun­gen stellen können. Diejenigen, die nun nicht damit einverstanden sind, erst recht nicht! Da würden ja diese Unternehmungen ganz auf den Sand gesetzt sein, sie würden ohne allen Anhang sein. - Ich sagte:

Wenn das so eintrifft, dann ist der wünschenswerte Zustand erreicht; denn das abstrakte Mithelfenwollen ist gar nichts. Es kommt erst ein gesunder Zustand heraus, wenn die Unternehmungen, die hier in Stuttgart sind - ich meine das nicht ironisch -, mit guten Ratschlägen in Ruhe gelassen werden. Es war der Fehler, der bei den Referaten gemacht worden ist, der, daß man immer über die Unternehmungen gesprochen hat und nicht über die Aufgaben der Anthroposophischen Gesellschaft in bezug auf die Unternehmungen.

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Die Unternehmungen als solche sind ja entweder in Ordnung oder nicht in Ordnung. In Ordnung ist die Eurythmie-Unternehmung, in Ordnung ist die Waldorfschule, in Ordnung ist der Kommende Tag. Nicht in Ordnung ist der Bund für freies Geistesleben. Aber einen Bund für freies Geistesleben wird man nicht aus dieser Versammlung heraus begründen; ebensowenig - das werden Sie doch einsehen, meine lieben Freunde- werden die zwei Zeitschriften[*] etwa von dieser Versammlung jetzt redigiert werden können. Das, worum es sich handelt, ist, daß die Stuttgarter Unternehmungen in Ruhe gelassen werden müssen. Man kann zu ihnen Vertrauen haben, und es ist gar nicht die Rede davon, daß die Persönlichkeiten, die in diesen Institu­tionen darinnen sind, irgendwie auf das Vertrauen hin geprüft werden sollen. Jeder Tag in der Waldorfschule zum Beispiel zeigt, daß die Waldorfschule eine ganz ausgezeichnete Leitung hat. Wir sind hier, um uns über das zu unterhalten, was die Anthroposophische Gesell­schaft in der Zukunft werden soll. Da handelt es sich darum, daß wir in ganz positiver Weise so vorgehen - ich bitte, meinen Vorschlag zu diskutieren-, daß alle jene, die fühlen können: Sie sind nicht historisch verbunden mit dem, wo man nur die Feder zu drücken braucht für ihr gemeinschaftliches Wirken innerhalb der ganzen Sache der Anthropo­sophie -, eine solche Form finden, die in sich Bestand hat. Dann wird durchaus auch die Sorge nicht dazusein brauchen, die etwa so formu­liert werden kann: Was macht dann die alte Gesellschaft mit den Unternehmungen, wenn die Jungen nicht mitmachen? Die lose Verei­nigung wird sich schon interessieren, wenn sie - verzeihen Sie das scheußliche Wort - so organisiert ist, wie sie es haben will. Dann wird das Interesse erwachen. Ich möchte, daß eine Form gefunden wird, innerhalb welcher das wirkliche Interesse vorhanden sein kann.

Das ist es, meine lieben Freunde, um was es sich handelt: Nicht um eine Scheidung in zwei Gruppen, sondern um eine Einordnung, so daß jene, welche vertraut sind mit den Dingen, die vorhanden sein müssen, tatsächlich in ihrer Art weiter walten können, daß sie die andern aber nicht stören, sondern daß beide Gruppen einträchtig zusammen wir­ken können. Man darf sie nicht zusammenbringen wollen. Zusam­menreden werden sie sich nie, aber zusammenwirken werden sie prachtvoll. Es muß jeder dasjenige tun, was ihm liegt und so wie er

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[*] «Anthroposophie», »Die Drei».

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veranlagt ist. Also dadurch kommen wir dazu, tatsächlich einen Modus zu finden, wie die Gesellschaft weiterbestehen kann.

Ich möchte immer wieder eine groteske Tatsache erwähnen. Der Bund für Dreigliederung hat drei Häupter nacheinander gehabt.[*] Das erste Haupt - wie ich schon kurz erzählt habe - verblieb so lange, bis ich eben erklärte: Ich kann das nicht mehr mitmachen. -Das zweite Haupt war eine Persönlichkeit, die, wenn sie auf dem richtigen Posten wirkte, ganz außerordentlich gut wirkte; das hat sie gezeigt an vielen Orten ihres Wirkens innerhalb der Anthroposophi­schen Gesellschaft. Ich war längere Zeit nicht da, und kam wiederum hierher. Es fand eine Besprechung statt mit der Führung des Bundes für Dreigliederung. Ich erkundigte mich, was geschehen sei, und man erzählte mir: Wir haben eine Kartothek angelegt von solchen und solchen Zetteln; alle Zeitungsausschnitte, die sind da und da; dann haben wir größere Zettel aus dickerem Papier, da sind dann alle gegnerischen Artikel; und dann haben wir andere Zettel, die sind dünner und können zusammengefaltet werden, da ist der Einlauf darinnen und so weiter. So daß ich endlich sagte: Ja, aber meine lieben Freunde, ich will ja nicht wissen, was ihr in euren Kartotheken habt. Habt ihr denn nicht auch Köpfe? Ich will nicht mit Kartothe­ken, sondern mit Köpfen verkehren. - Die Köpfe waren nicht etwa nicht vorhanden, aber sie wurden ausgeschaltet, und eine Kartothek wurde mir gegenübergestellt.

Sie lachen darüber! In einem gewissen Sinne ist gar nicht einmal darüber zu lachen. In einem gewissen Sinne ist dies das Stuttgarter System, und diejenigen, die darin stehen, sind manchmal ganz und gar nicht einverstanden mit dem, was sie tun. Ich habe keine größeren Gegner des Stuttgarter Systems gefunden als diejenigen, die es ausfüh­ren. Das ist nun einmal so. Ja, meine lieben Freunde, wenn aber das so ist, dann muß man sich doch klar sein, daß es daneben eine solche Form geben muß, die bestehen kann. Diejenigen, die auf der einen Seite unter ihrer Pflicht keuchen, müssen notwendigerweise ganz anders denken als die anderen, die gar keine Veranlassung haben, so zu denken, sondern die gemäß ihrer Einsicht denken: So muß es sein in der Anthroposophischen Gesellschaft, wenn man nicht in der Cham­pignystraße 17 und in der Landhausstraße 70 gesessen hat! - Die beiden

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[*] Es waren: 1) Herr Hans Kühn, 2) Herr Walter Kühne, 3) Herr Ernst Uehli.

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Gruppen können ja unmöglich sich miteinander verständigen! Deshalb ist das nicht eine Scheidung in der Gesellschaft, was ich vorschlage, sondern es ist gerade das Mittel zu vereinigen. Auf geistes­wissenschaftlichem Boden vereinigt man sich dadurch, daß man diffe­renziert, individualisiert, nicht daß man zentralisiert. Tragen Sie Rech­nung demjenigen, was ich gesagt habe, reden Sie von diesem Stand­punkte aus, dann kommen wir heute tatsächlich zu Ende.

Jene, die daran denken, eine ursprünglichere Gestalt der Grund­sätze einer Anthroposophischen Gesellschaft zu realisieren, in einer Vereinigung zu sein von kleineren Gruppen, in denen sie nicht beengt werden, die werden sich darin ausleben können. Und darauf kommt es zunächst an. Ich hoffe doch, daß man auf diese Weise so weit kommt, daß jeder weiß, zu welcher Gruppe er gehört. Dann kann es weiterge­hen, dann kann sich die lose Vereinigung bilden, kann sich ein Haupt geben auf eine so unfreie oder freie Weise, wie sie es will. Es kann dann ein Verbindungsglied geschaffen werden - nicht zwischen den zwei anthroposophischen Gesellschaften, sondern zwischen den Brüdern, den beiden Gruppen der einigen Anthroposophischen Gesellschaft. Aber über das müssen wir diskutieren, meine lieben Freunde. Das ist dasjenige, was ich nur als eine Richtlinie hineingeworfen habe.

Im Namen des Neuner-Vorstandes, der an die Stelle des alten Zentralvorstandes nun getreten ist, gibt Dr. Unger folgende Erklärung ab:

1. Aus dem alten Zentralvorstand ist Herr Uehli endgültig ausgeschieden.

2. Die Beiden anderen Mitglieder des Zentralvorstandes haben sich die Mitglieder des Komitees kooptiert und sind bereit, weitere Persönlichkeiten zu einem erweiterten Vorstand zu kooptieren.

3. Diese Persönlichkeiten des Komitees sind bereit, als neuer Vorstand die Füh­rung der Anthroposophischen Gesellschaft zu übernehmen.

4. Die in Stuttgart wohnenden Mitglieder des neuen Vorstandes werden die Verwaltung der Angelegenheiten der Gesellschaft übernehmen.

5. Sie übernehmen insbesondere die Verantwortung zusammen mit den führen­den Persönlichkeiten der in Stuttgart gegründeten Institutionen für die richtige Eingliederung dieser Gründungen in die Anthroposophische Gesellschaft.

Für die Führung der Gesellschaft stellt sich der neue Vorstand die folgenden

Richtlinien:

1. Die Leitung wird sich dafür verantwortlich fühlen, daß das Leben der anthro­posophischen Gesamtbewegung in alle Glieder der Gesellschaft hineingeleitet wird. Dazu sollen Berichte über Vorträge, Forschungen und Früchte anthroposophischer

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Arbeit gehören. Diesen Aufgaben soll ein Mitteilungsblatt als Organ der Gesellschaft dienen.

2. Die Leitung der Gesellschaft wird sich dafür verantwortlich fühlen, daß sich die individuellen Schaffenskräfte in der Gesellschaft zur Entfaltung bringen können und daß die in der Arbeit stehenden Persönlichkeiten sich durch das Interesse, das die Gesellschaft an ihrer Arbeit nimmt, gefördert sehen.

Für beide Aufgaben ist die Leitung angewiesen auf Vertrauenspersönlichkei­ten im Sinne des Entwurfs der Grundsätze einer Anthroposophischen Gesell­schaft.

Der Vorstand hofft, in einer zu bildenden Körperschaft der Vertrauenspersön­lichkeiten eine Stütze für die Angelegenheiten der Gesellschaft und eine Hilfe in der Durchführung seiner Aufgaben zu finden.

Zu den Arbeitszielen, die sich die Anthroposophische Gesellschaft gemäß dem Entwurf der Grundsätze stellt, gehören die folgenden Aufgaben: Pflege des universellen anthroposophischen Lebens - Entwickelung und Pflege anthroposo­phischer Gemeinschaft - Vermittlung des anthroposophischen Lehrgutes nach außen - Einführung und Weiterführung - Studienkreise - Organisation der Ab­wehr der Gegnerschaft - Einstellung der Arbeit auf die Zukunft.

Herr Dr. Hans Büchenbacher, Stuttgart: Es handelt sich bei unserer Gruppe durchaus um etwas, was erst werden will, und es ist deshalb klar, daß wir nun im Beginne dieses Werdens nicht mit einem Programm aufwarten können. Das ist ganz unmöglich. Ich kann Ihnen also bloß ganz kurz schildern, wie diese ganze Unternehmung eigentlich - sozusagen innerlich - von uns betrachtet wird. Der Ausgangspunkt ist der, daß das, was wir als anthroposophisches Entwickelungs­streben betrachten, sich nicht hat verwirklichen lassen in dem engen Zusammen­gespanntsein in der Anthroposophischen Gesellschaft, so daß wir zunächst in der Lage waren, daß wir uns absolut nicht verständigen konnten, und daß wir der Anstoß zu dem waren, was gestern schließlich die Gesellschaft in ein Chaos hätte hineinführen können. In dem Augenblick, wo Herr Dr. Steiner den Vorschlag machte, die Gesellschaft in zwei Gesellschaften zu gliedern, weil zwei verschie­dene Willensrichtungen da seien, sind wir erschrocken über diese Konsequenz. Wir erkannten dann aber, daß gerade durch diese Gliederung wieder Harmonie in der Gesellschaft sich ergeben kann. So sind wir Herrn Dr. Steiner sehr dankbar, daß er uns geholfen hat, eine Möglichkeit zu finden, unsere eigene anthroposophi­sche Entwickelung weiterzuführen, und eben doch nicht dazu beitragen zu müs­sen, daß ein solches Chaos, eine Atomisierung der Anthroposophischen Gesell­schaft entsteht. Deshalb handelt es sich jetzt darum, daß wir nun versuchen müssen, in einer gewissen Selbständigkeit gegenüber dem, was als historisch gewordene Gesellschaft dasteht, unsere eigenen Entwickelungsbedingungen zur Geltung zu bringen. Aber es ist selbstverständlich für uns - wenn wir nun die Möglichkeit haben, weiter zu wachsen als Anthroposophen -, daß dann die Früchte dieser Entwickelung der ganzen anthroposophischen Bewegung zugute

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kommen müssen. Daß dann die Entwickelung der anthroposophischen Bewegung ihre stärksten Förderer in uns haben wird, und daß wir von vornherein der Überzeugung sind, daß wir die einzelnen Institutionen, den Verlag, das Institut und so weiter brauchen, daß wir aber eben gerade in einer gewissen Selbständig­keit, in einer gewissen Distanz unsere Entwickelung besser zur Entfaltung bringen können.

Wenn ältere Mitglieder der Gesellschaft mit uns sympathisieren, so ist es für uns ganz selbstverständlich, daß zu diesen «jungen Leuten» auch solche gehören können, die fünfundneunzig Jahre alt sind, wie Dr. Steiner gesagt hat. Es ist zum Beispiel vollkommen möglich nach dieser Ansicht, daß eine und dieselbe Person in beiden Zweigen der Anthroposophie aktiv darinnen steht, und jedes Mitglied von den älteren Freunden kann mitarbeiten bei uns. Wir wollen dieses ganz frei haben, je nachdem sich Menschen eben zusammenfinden aus menschlich-anthroposophi­schen Impulsen.

Für uns liegt es mit diesem eigentlich Anthroposophischen so, daß dieser Unterschied zwischen Alter und Jugend, der vielfach in höchst philiströser Weise die Debatte erschwert hat, nicht besteht. Es ist so, daß ich selbst älter bin wie mancher von denjenigen, die sich mit der Jugend nicht verstanden haben. So daß von dieser Seite her gesagt werden kann, daß bezüglich der Gefahr des weiteren Auseinanderfallens, Zersplitterns bei uns die Überzeugung vorhanden ist, daß diese Gefahr nicht besteht. Das gehört zu einem Grundimpuls, daß es irgendeinen Unterschied des Alters, des Standes oder Berufes gar nicht geben darf, daß diese Dinge für uns so verwachsen sind mit dem Anthroposophischen, daß wir ja sofort unwahrhaftig würden, wenn uns so etwas passierte, irgendwelchen Unterschied in dieser Beziehung zu machen. Wir müssen da sehen, daß wir anthroposophische Wahrhaftigkeit einführen.

Wir können versuchen, indem wir aus diesen Entwickelungsmöglichkeiten heraus arbeiten, eine gewisse Verbindung anzustreben, die dann zu einer freien Organisation führen wird. Aber das ist eigentlich gar nicht die erste Sorge, wie diese Organisation ausschauen wird, auch nicht wie dieses Verbindungsglied zur alten Gesellschaft sich finden wird. Das sind Dinge - dieser Überzeugung bin ich durchaus -, die sich von selbst ergeben werden, wenn einerseits die Anthroposo­phische Gesellschaft aus ihren Entwickelungsbedingungen heraus weiterarbeiten kann, ungestört von einer Opposition, die ihr nicht helfen kann, und sich selbst dadurch auch nicht hilft, wenn andererseits die Jugendgruppe sich auch nach ihrer Eigenart entwickeln kann. Dann wird sich diese Verbindung ganz von selbst ergeben, denn schließlich ist es doch so, daß wir nach beiden Seiten das Bewußt­sein haben: sie sind Anthroposophen und wir sind Anthroposophen. Damit ist das Bindeglied, als dessen Repräsentant Dr. Steiner selbst da ist, vorhanden.

Aus diesen Gesichtspunkten, die von Herrn Dr. Steiner, von Herrn Dr. Unger und von mir vorgebracht wurden, könnte nun wirklich ganz freundschaftlich und sachlich die Diskussion fortgeführt werden und einen ganz anderen Charakter haben als die gestrige.

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Es wäre notwendig, daß wir einmal bei den guten Ausgangspunkten bleiben und das durchhalten, was wir als einen positiven Weg, der uns von Herrn Dr. Steiner gewiesen ist, begonnen haben.

Herr Emil Leinhas, Stuttgart, spricht über die Bildung einer Vertrauensorganisa­tion[*] und warnt davor, eine solche in bureaukratischer Weise entstehen zu lassen. Eine wirkliche Vertrauensorganisation müsse sich bilden durch lebendige Beziehungen. Das Minimum sei das Recht der Vertrauenspersönlichkeiten, Mit­glieder zur Aufnahme in die Gesellschaft in Vorschlag zu bringen. Darüber hinaus müßten sich zwischen dem Vorstand der Gesellschaft und den Vertrauensperson­lichkeiten die mannigfachsten Beziehungen ergeben. Der Vorstand müsse die Möglichkeit haben, in verschiedenen Angelegenheiten mit ganz verschiedenen Persönlichkeiten als Vertrauensleuten zu arbeiten. Die Vertrauenspersönlichkei­ten müßten von dem Vorstand ernannt, nicht von seiten der Mitglieder gewählt werden, aber sie müßten getragen sein von dem Vertrauen der Mitglieder. Prinzi­piell sei die Angelegenheit der Vertrauensorganisation durch die «Grundsätze» bereits in umfassender Weise geregelt. An Hand dieser Grundsätze lasse sich auch das Verhältnis zur Jugendgruppe in beide Teile befriedigender Weise ordnen.

Wenn man an eine solche Sache wie die Schaffung einer Vertrauensorganisa­tion herangeht, muß man sich hüten, in einen Optimismus zu verfallen. Wir müssen zurückgehen auf dasjenige, was im Ausgangspunkte der Anthroposophi­schen Gesellschaft bei deren Gründung als Entwurf der Grundsätze gegeben worden ist. Da finden wir ganz genau enthalten, wie eine Vertrauensorganisation gehandhabt werden muß.

Man könnte zum Beispiel denken, eine Vertrauensperson kann dadurch bestimmt werden, daß ein Mitglied von sieben andern dazu vorgeschlagen wird. Die Vertrauenspersönlichkeiten haben bei Anmeldung von Mitgliedern eine Garantie zu übernehmen. Das ist quasi ein Mindestmaß dessen, was die Vertrau­enspersönlichkeiten zu tun hätten; darüber hinaus gilt es, die Organisation der Vertrauenspersönlichkeiten auszubauen. Ich meine nun, daß es darauf ankommt, daß wir nicht jetzt irgendwie in theoretischer Weise Vertrauenspersönlichkeiten ernennen, sondern daß eine solche Organisation sich bildet aus der Arbeit heraus. Der Ausgangspunkt wäre der, daß Vertrauenspersönlichkeiten vorgeschlagen werden und das Zentralkomitee diese Persönlichkeiten anerkennt. Dann ist eine Basis geschaffen für die Aufnahme der Mitgliedschaft, und das Vertrauensverhält­nis muß anfangen sich zu entwickeln. Das muß nun entstehen aus der Arbeit heraus, die das Zentralkomitee und die so ernannten Vertrauenspersönlichkeiten leisten. Es kann sich nicht darum handeln, daß das Zentralkomitee zu allemja und Amen sagt, sondern es muß sich überzeugen, ob es selbst die Verantwortung übernehmen kann. Natürlich finden sich leicht sieben zusammen, die man gar nicht kennt, und bringen so Vertrauenspersönlichkeiten herein, die gar keine sind. Wir können in der Anthroposophischen Gesellschaft nicht nur von unten herauf

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[*] Siehe Seite 463 dieses Bandes.

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arbeiten, sondern müssen auch von oben nach unten arbeiten. Dieses darf auch nicht vergessen werden, sonst kommen wir in eine Art Demokratie oder Bolsche­wismus hinein.

Dann handelt es sich um einen vertrauensvollen, lebendigen Verkehr. Dazu aber gehören beide Teile. Sowohl von der Leitung als auch von den Mitgliedern muß der gute Wille dazu entfaltet werden.

Ferner handelt es sich darum, daß Herr Dr. Steiner entlastet werden muß von den Unternehmungen, aber nicht, daß man ihn an die Luft setzt. Dr. Steiner hat oft durch Jahre hindurch immer dasselbe gesagt, und es wurde nicht gehört. Und endlich kommt man heute darauf, daß man eigentlich das tun muß, was Dr. Steiner vor Jahren schon gesagt hat. Das könnte ich Ihnen an praktischen Beispielen zeigen. Wenn er gehört wird, dann kommt er mit sehr wenig Zeit aus, und wir haben alle Hände voll zu tun, das auszuführen. Für die übrigen gilt, daß sie sich sagen müssen: Wir sollen uns nicht hineinmischen in die Unternehmungen. Was glauben Sie, was ich für Ratschläge bekommen habe, überhaupt in bezug auf Engagements? Jeder müßte sich sagen: Nicht, was sollen die andern tun, sondern was soll ich tun?!

Herr Leinhas teilt mit, daß ca. 55 Wortmeldungen und einige schriftliche Mitteilungen vorliegen.

Herr Dr. Eugen Kolisko, Stuttgart: Nachdem sich herausgestellt hat, daß eine solche Spaltung keine »Spaltung», sondern eine »Gliederung» ist, möchte ich sagen, daß ich nicht festhalten will an dem, was ich darüber gesagt habe.

Herr Ernst Lehrs, Jena, betont die Notwendigkeit des Zusammenarbeitens der Jungen mit den Alten.

Graf Hermann Keyserling, Koberwitz bei Breslau: Die Depression, die wohl auf uns allen gelegen hat, ist einem freudigen Gefühl gewichen, als Herr Dr. Steiner uns in freundlicher Weise aus der Not geholfen hat. Redner dankt dem Neuner-Ausschuß für die Selbstlosigkeit, mit der er eine so große Arbeit, wie die Vorberei­tung dieser Tagung, unternommen hat. Redner stellt den Antrag, die Diskussiön nun nicht weiterzuführen, sondern über das Programm des Neuner-Komitees abstimmen zu lassen.

Herr Otto Coppel, Edenkoben, meint, die Geschäftsleitung hat nicht genügend deutlich gemacht, was sie wolle. Daher war der vorgestrige Versuch, die Ver­sammlung zu sprengen, so unsinnig er war, doch selbstverständlich. Jetzt müsse man, ehe man abstimmt, doch erst über das Programm diskutieren.

Nun folgt eine Geschäftsordnungsdebatte, ob abgestimmt werden solle oder ob man weiterdiskutieren soll.

Herr Ernst Lehrs, Jena: Wir drohen in eine falsche Richtung hineinzukommen. Wir sind doch alle miteinander Anthroposophen und unterscheiden uns nur durch die Art, wie wir es geworden sind; nicht darum handelt es sich, ob abgestimmt werden soll oder ob weiterdiskutiert werden soll, sondern ich möchte die folgende

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Anregung geben: Nachdem die Richtung für die Weiterentwickelung gegeben ist, wäre es doch nötig, daß eine Anzahl von Menschen sich herstellt und sich so äußert: Das und das, glaube ich, ist das Richtige, und ich halte es aus den und den Gründen für gut.

Frau Emma von Staudt, München, betont, man sollte das ungeheure Maß von Selbstkritik und Selbsterkenntnis, die von innen heraus geübt wurde, nicht über­sehen. Es werde schwierig sein, zu zwei Familien unter einem Dach zu leben. Darum möchte sie einen taktischen Vorschlag machen für das Zusammenleben. Wenn die drei verschiedenen Richtungen: Kunst, Wissenschaft und Religion unbeschadet der eigentlichen Leitung der Zweige mehr vertreten wären, so würde dieses Zusammenleben leichter sein.

Herr E. A. Karl Stockmeyer, Stuttgart: Es handelt sich nicht darum, daß wir etwa abstimmen, wer sich zu der alten und wer sich zu der neuen Gesellschaft schlägt, sondern darum, zu erkennen, daß die Dinge so geworden sind und daß wir innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft nur so weitermachen können, daß wir jetzt auf der einen Seite so arbeiten, wie es aus der Geschichte geworden ist, auf der anderen Seite so arbeiten, wie es denen richtig erscheint, für die eben Herr Dr. Büchenbacher gesprochen hat. Es wurde vorhin davon gesprochen, daß einzelne Teile der Gesellschaft sich mit anderen Teilen nicht verstehen. Mir scheint, daß davon nicht die Rede sein kann, man versteht sich wohl. Es käme aber darauf an, daß möglichst stark und von möglichst vielen Seiten zum Ausdruck gebracht würde, inwiefern man sich sehr wohl verstehen kann, wie man eine Verbindung herstellen könne zu den Institutionen und ein Verständnis für diese Institutionen bei den Mitgliedern. Es schiene mir sehr notwendig, daß nicht einfach durch Stillschweigen zum Ausdruck gebracht würde: Ja, nun ist es halt so, wir sind damit einverstanden, sondern daß dieses Einverständnis durch Reden zum Ausdruck gebracht würde. Es wäre notwendig, daß in ganz kurzer Weise darüber gesprochen würde, wie man die ganze Angelegenheit versteht, wie man glaubt, innerhalb dieser so getrennten Gesellschaft arbeiten zu können.

Es wäre selbstverständlich zu dem Programm Dr. Ungers das eine oder andere zu sagen, aber mir scheint es nicht darauf anzukommen, das Programm zu erörtern, sondern darauf, daß man es durchführt.

Die Versammlung stimmt auf Befragen des Vorsitzenden dem Programm ein­stimmig zu.

Herr Louis Werbeck, Hamburg, weist darauf hin, daß in Hamburg immerhin verhältnismäßig viel geschehen ist; spricht von einem »Hamburger System», das in der Aktivierung des Menschen beruhe. Die Persönlichkeiten hier hätten sich Antipathie erworben neben Sympathie, weil die «Aktivierung des Menschen» nicht geschehen sei. Er habe in der Arbeit des Komitees allerdings jetzt schon manches gefunden, was in diese Richtung gehe. Was in seiner geringen Kraft liege, das solle geschehen, damit diese »Aktivierung des Menschen» in dem Komitee, das sich noch ergänzen werde, allmählich maßgebend werde.

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Herr Ernst Uehli, Stuttgart: Ich möchte zu der jetzt geschaffenen überschaubaren Lage einiges sagen, was ich gestern nicht sagen konnte, weil ich die Dinge nicht überschaute. Wie Sie gehört haben, bin ich aus dem Zentralvorstand ausgeschie­den, weil es mir nicht möglich war, in fruchtbarer Weise zu arbeiten. Nun ist ja die Lage die, daß ich von selber hineinwachse in die Organisation der Freien Gemein­schaft, weil ich der Meinung bin, daß ich arbeiten kann in der Weise, wie es möglich ist, aus Menschenfreundschaft heraus. Ob ich die anderen Dinge weiter-führe oder nicht weiterführe, werde ich mit dem Komitee abzumachen haben, das gehört nicht hierher, zum Beispiel »Bund für freies Geistesleben», Zeitung «Drei». Ich will als freier Mensch arbeiten können.

Herr August Everbeck, Brake: Gestern drohte sich die Gesellschaft in ein Chaos aufzulösen - heute sind die Schwierigkeiten nicht mehr vorhanden, nachdem man Dr. Steiner gehört hat. (Er will ausführen, wie sich die Stuttgarter Arbeit von der Peripherie ausnimmt. - Es ertönt der Zwischenruf: Positive Vorschläge! - Redner faßt seine Ausführungen daraufhin zusammen: Das einzige, das man draußen in den Zweigen vermissen konnte, war der Zusammenhang mit Stuttgart.)

Herr Dr. Josef Kalkhoff Freiburg: Hätten wir «Praktisches Denken» und »Die Philosophie der Freiheit» in uns aufgenommen, dann hätte nicht ein großer Arzt uns erst sagen müssen, woran es fehlt. Wer glaubt, daß er Dinge in der Diskussion vorzubringen hätte, kann das nach Stuttgart schicken in Form eines Referates, dann wird es schon verarbeitet werden - oder in den Papierkorb wandern.

Was zu geschehen hat, ist nicht so furchtbar neu, es muß nur erst ins Bewußt­sein gehoben werden. Wir haben eine medizinische Arbeitsgruppe. Man kann auch in der Dreigliederung weiterarbeiten, denn nicht die Arbeit soll abgeschafft werden, nur die Organisation. Man soll, was aus der Besprechung hervorgeht, nicht in den Papierkorb werfen. Nicht auf ein Programm soll man sich festlegen, das würde sich schon ergeben.

Herr Professor Hermann Craemer, Bonn: Es handelt sich um praktische Vor­schläge für die Zukunft, und was die Versammlung an Anregungen gegeben hat, in die Tat umzusetzen, und dazu die ersten Schritte sich klarzumachen, von der Natur einer solchen Versammlung ausgehend. Da sind über tausend Menschen, die sich verständigen sollen, und das ist ungeheuer schwer. Wir haben auch gesehen, daß innerhalb dieser großen Schar einzelne Scharen sind, namentlich die Jugendbewegung, die, wenn einer aufsteht, sich ausgezeichnet verstehen, ohne daß der Betreffende viel gesagt hat. Wir müssen die Kunst noch lernen, in großen Versammlungen uns zu verständigen und nicht aneinander vorbeizureden. Das kann geschehen, wenn es in den Zweigen so gehalten wird, daß man lernt, auf den anderen Menschen zu hören, daß man sich nicht nur interessiert für den Inhalt dessen, was er sagt, sondern dafür, daß er es sagt. Dieses Zum-Erleben-des-Du-Kommen, wenn man das in den Zweigen übt und weiter in etwas größerem Kreise übt, so werden wir ja wohl allmählich auch dazu kommen, uns in größeren

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Versammlungen zu verstehen. Die Leute, die in geographischen Bezirken woh­nen, sollten gemeinsam arbeiten, vom einfachsten persönlichen Verkehr an bis zur Durcharbeitung der Probleme, mit denen wir es zu tun haben. Hier müssen wir von vorne anfangen und kein Opfer scheuen, damit wir von unten herauf dazu kommen, aus Zersplitterung und Atomisierung zusammenzuwachsen zu einem Organismus.

Herr Heinrich Weishaar, Stuttgart, erklärt sich mit dem Programm des neuen Zentralvorstandes als Sprecher des Kerning-Zweiges Stuttgart einverstanden. Lei­der war zu bemerken, daß gegen eine Person des neuen Zentralvorstandes eine Mißstimmung herrscht, die auch er teilt; dies sei die Person des Dr. Carl Unger (Zwischenrufe.) Redner erklärt, er werde sich persönlich mit Herrn Dr. Unger aussprechen.

Herr Dr. Praußnitz, Jena, steht voll und ganz hinter Herrn Leinhas, hat eine Bitte an die Versammlung: Heute abend auf die Bewegung zur religiösen Erneuerung zurückzukommen.

Herr Ernst Lehrs, Jena: Es kann gar keine Frage sein, ob das Neuner-Komitee die Sache weiterführt oder nicht. Die Sache erfordert es doch, daß die Angelegenhei­ten von diesem Komitee weitergeführt werden.

Herr Louis Werbeck, Hamburg, bespricht die Angelegenheit der Gründung der

Freien Hochschule; er teilt mit, daß Herr Emil Molt zehn Millionen Mark für die

Freie Hochschule gestiftet hat.

Herr Emil Leinhas, Stuttgart: Sie fragen sich, die Mitglieder des Neuner-Aus­schusses: Was sollen wir tun, wenn wir durch das Vertrauen getragen sind? Glauben Sie gewiß nicht, daß es nur eine Ehre ist, hier am Komiteetisch zu sitzen und sich Schmeicheleien sagen zu lassen. Das ist das nicht, was uns reizt, sondern aus Pflichtgefühl und Verantwortungsgefühl heraus stellen wir uns zur Verfü­gung. Ihnen braucht es nicht so schwer zu fallen, zu sagen: Ihr müßt!, wie es uns schwer wird zusagen: Wir müssen! Wenn wir wieder zusammenkommen, werden wir uns nicht herausreden können: Wir haben keine Zeit gehabt! (Stimme aus der Versammlung bittet, einstimmig zu rufen: Ihr müßt!)

Schluß der Vormittagsdiskussion.

II. Vortrag von Herrn Dr. Rudolf Steiner über

»Die Bedingungen einer Gemeinschaftsbildung

in einer Anthroposophischen Gesellschaft» [in GA 257]

Mittwoch, den 28. Februar 1923, nachmittags Herr Emil Leinhas eröffnet die Versammlung um 1/2 3 Uhr.

#G259-1991-SE437 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

#TI

Mittwoch, den 28. Februar 1923, nachmittags

Herr Emil Leinhas eröffnet die Versammlung um 1/2 3 Uhr.

#TX

Herr Ernst Lehrs, Jena, teilt mit, daß sich ein Ausschuß gebildet hat, der aus folgenden Persönlichkeiten besteht: J. G. W Schröder, Dr. Hans Büchenbacher, René Maikowski, Jürgen von Grone, Dr. Maria Röschl, Wilhelm Rath, Berlin, wahrscheinlich Rektor Bartsch und Ernst Lehrs.

Herr René Maikowski, Sruttgart, teilt die Persönlichkeiten des Komitees mit, das sich mit der Gründung und mit den Aufgaben der Freien Hochschule befassen will: Emil Molt, Dr. Walter Johannes Stein, Ernst Lehrs, Werner Rosenthal, Louis Werbeck, René Maikowski.

Herr Manfred Kries, Jena, weist auf die Notwendigkeit der gemeinsamen Arbeit speziell auf medizinischem Gebiet. Man müsse als Mediziner beim Anthroposo­phischen beginnen. Das Moralische, die Liebeskräfte, seien das, wovon ausge­gangen werden müsse. Mit der Verbreitung der Heilmittel können wir nur Er­folg haben, wenn wir den nötigen Rückhalt haben von der Klinik. Wir können nicht nur in propagandistischer Weise arbeiten, sondern wir brauchen die Erfah­rung derjenigen, die hinter uns stehen. Es gibt eine Charakteristik, wie anders die Jungen drinnenstehen in der Medizin als die Älteren. Wir können nicht aus einer Erfahrung heraus uns eine neue Methode aneignen und davon aus heruntergehen ins Physische, sondern wir müssen von dem reinen Anthroposophischen ausge­hen. Wir müssen erst als Menschen einmal soweit sein, daß wir das rein Mensch­liche, das Allgemeine, so spezialisieren können, daß wir hineinfinden bis ins einzelne Organ des Physischen.

Herr Otto Maneval, Stuttgart, fühtt aus, däß die Sorge um die Waldorfschule eine wichtige Aufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft sei. Es seien noch lange nicht alle Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft Mitglieder des Waldorfschulvereins. Auch gegenüber dem Staat müsse man die Waldotfschul­idee zur Geltung bringen, indem man sich zu ihr bekenne.

Herr Wilh. Salewski, Düsseldo'f, meint, daß die Grundlage echter Gemein­schaftsbildung künstlerische und pädagogische Einstellung sei. Man müsse nicht nur mit Anthroposophen, sondern auch mit Nicht-Anthroposophen sich zu gemeinsamer Arbeit finden. Mit solchen könne man auf irgendwelchem Gebiete arbeiten. Tut man es richtig, so führt sich eine solche Arbeit von selbst in eine anthroposophische über. Wenn man aus dem Ruhrgebiet komme, empfinde man besonders die Notwendigkeit, aus der Stunde heraus zu den Menschen zu spre­chen, sie moralisch aus der Weltsituation heraus zu ergreifen. Darauf müssen wir merken: Was sagt die geistige Welt, was sagt Herr Dr. Steiner, was es heute zu tun gibt? Wenn wir darauf hören, wird sich ein rhythmisches Aus- und Einat­men ergeben. Die Brücke zu den andern Menschen kann nur aus dem Herzen, aus der Liebe kommen.

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Herr E. A. Karl Stockmeyer, Stuttgart, führt aus, daß das, was vorhin Herr Maneval vorgebracht habe, beachtet werden sollte. Die finanzielle Lage der Wal­dotfschule sei eine sehr schwierige, und in dieser Beziehung müsse er erinnern an die Gefahren, von welchen Herr Dr. Steiner gesprochen habe anläßlich der letzten Generalversammlung des Waldorfschul-Vereins. Es sei wirklich für den wirtschaftlichen Fortbestand der Schule unerläßlich, daß sie die stete Sorge der gesamten anthroposophischen Mitglieder werde. Die Schule hätte sich bisher überhaupt nicht halten können, wenn nicht ausländische Freunde geholfen hät­ten. Aber dies genüge in keiner Weise. Gegenüber dem Staat sei zu sagen, daß 1925 das Grundschulgesetz zum letzten Male die Aufnahme von Schülern in die erste Klasse von Privatschulen zulasse. Es käme daher darauf an, der Waldorf­schule so starke Sympathien zu erwerben, daß dieser Paragraph auf sie keine Anwendung haben könnte. Also materielle Mittel und ideelles Interesse, das sei es, was die Waldorfschule in ihrem Fortbestand sichern könne.

Herr Jürgen v. Grone, Stuttgart: Meine lieben Freunde! Ich bin aufgefordert worden, in dem provisorischen Ausschuß der Jüngeren mitzuwirken, und bin somit in beiden Komitees tätig. Um meine Stellung zu erklären, will ich auf ein Erlebnis hinweisen, das ich im Jahre 1908 in Berlin hatte.

Um diese Zeit trat es ein, daß mehrere junge Menschen aus ganz verschiede­nen Lebenskreisen heraus, aus verschiedenen Himmelsgegenden sich zusammen-fanden und in der Motzstraße 17 sich allwöchentlich zusammenfanden, um phi­losophische Schriften Dr. Steiners intensiv zu studieren. Es war eine scheinbar zufällige Gemeinschaft. Das Bedeutsame aber war dabei, daß das, was die Men­schen bewog, sich in Gemeinschaft zusammenzufinden, die bei jedem vorhan­dene Liebe war, sich in die Ideenwelt zu vertiefen. Unter den betreffenden Persönlichkeiten wurde nun durch diese Zusammenarbeit in der Motzstraße ein wirkliches Sichkennenlernen im intensivsten Maße ermöglicht, und, wie ich nachträglich bemerken konnte, es entstanden aus dieser Arbeit Schicksalsver­knüpfungen. Als ich vor einigen Jahren nach Stuttgart kam, traf ich wieder mit Menschen zusammen, die diesem Kreise angehört hatten, und ich kann die Versi­cherung geben, daß wir unmittelbar spürten, wie ein gemeinsames inneres Erle­ben gerade seit diesem Studium der philosophischen Werke uns verbunden hatte. Es leuchteten gewissertnaßen die Augen auf, als wir uns wiedersahen.

Als ich nach dem Kriege beim Studium der «Kernpunkte» bemerkte, daß aus dem Anthroposophischen heraus etwas getan werden sollte, das unmittelbar in die sozialen Nöte der Gegenwart eingreifen wollte, da war es dieser Impuls, der meine Mitarbeit an der Zeitung herbeiführte. Es war für mich in der Tat eine starke Verbindung da zwischen den Erinnerungen aus dem Jahre 1908, dem anthroposophischen Erlebnis der damaligen Zeit und dem Willen, dieses anthro­posophische Erleben einzuführen in eine soziale Tat. Auf der anderen Seite muß ich hervorheben, habe ich seit der scheinbar so unwillkürlichen Gemeinschafts­arbeit in der Vergangenheit ein tiefes, inneres Verständnis für dasjenige, was die heutige anthroposophische Jugend und alle die, die sich mit ihr verbunden fühlen,

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wollen. Seit der Zeit habe ich ein intensives Interesse daran, mitzuarbeiten für solche Gemeinschaften, die vor allen Dingen es für notwendig erachten, daß durch eine intensiv geleistete Mittäterschaft wahre Anthroposophie in einem Kreise von Menschen gefördert wird.

Ich wollte nur auf diese beiden Gesichtspunkte hindeuten, damit Sie sehen, warum ich mich bereit erklärt habe, dem Komitee anzugehören, und warum ich auf der anderen Seite mich bereit erklärt habe, vorläufig dem provisorischen Ausschuß anzugehören.

FrL Dr. Gahriele Rahel, Stuttgart: Es ist mir sehr lieb, Gelegenheit zu haben, vor einem größeren Kreise von Anthroposophen zu sprechen. Ich will meine persönli­che Stellung zur Anthroposophie möglichst klar verständlich machen. Ich bin vor zwei Jahren eingetreten, um die Anthroposophie gründlich kennenzulernen. Bei der Aufnahme wußten alle, daß ich keine Anhängerin bin. Es war auch Dr. Steiners Absicht, daß mir Gelegenheit geboten würde, die Sache gründlich zu studieren. Das Resultat dieser zweijährigen Prüfung ist ein eigentümliches Gemisch aus Sympathie und Antipathie.

Warme Sympathie bringe ich all dem entgegen, was ich an Menschlich-Persön­lichem, an Seelischem in der Bewegung beobachtet habe und an ehrlichem Streben nach Seelischem Sichvervollkommnen; die allerwärmste Sympathie empfinde ich demgegenüber, was in der Landhausstraße und hier in diesen Tagen sich abspielt. Es war wunderschön von Dr. Steiner, daß er den Brand des Goetheanums so weise ausgenützt hat, daß er ihn zum Anlaß genommen hat, um eine große Buß- und Einkehrbewegung zu inaugurieren.

Dieser Geist, der in diesen Reden herausgeleuchtet hat, von Selbsterkenntnis, läßt vermuten, daß es leicht sein könnte, daß vielleicht in einigen Jahren der Brand des Goetheanums nicht als ein Unglück, sondern als ein Glück zu bezeichnen ist. Jedes Ereignis ist nur das, was man aus ihm macht.

Ich habe das Wort gehört: Das Goetheanum hätte nicht abbrennen können, wenn wir so wären, wie wir sein sollten. Das ist eine ausgesprochen religiöse Einstellung. Meine persönliche Überzeugung ist die, daß in dieser Einstellung, in der Betonung des religiösen Charakters, das Heil und die Zukunft der Anthropo­sophie liegt.

Hingegen stehe ich einem anderen Gebiet, auf das Dr. Steiner einen sehr großen Wert legt, der anthroposophischen Wissenschaft, mit großer Skepsis gegenüber. Da bin ich Gegnerin. Ich bin nicht nur sogenannter Gegner, wie Dr. Steiner sagte, ich bin wirklicher Gegner. Ich habe mit wahrem Schauder in den Abgrund von Unwissenheit, Denkunfähigkeit und Anmaßung von Menschen hineingesehen, der aus einer großen Zahl von anthroposophischen Arbeiten mir entgegenkommt. Es ist wirklich trostlos, solche Arbeiten zu lesen. Es reden da Leute, die keine Ahnung haben von der Naturwissenschaft. Die betreffenden tragen den Doktortitel. Es ist leider so an den Universitäten, und es ist eines der traurigsten Kapitel, daß der Doktortitel heute sehr leicht zu erwerben ist.

Ich kann hier natürlich diese Behauptungen nicht näher beweisen. Ich habe in

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dem letzten Artikel in der «Drei» schon angefangen, den Beweis zu führen, und will ihn weiter fortsetzen und zwar so lange, als die Redaktion der «Drei« so loyal und liebenswürdig ist, meine Kritik anzubringen. Ich fühle mich verpflichtet zu einer Kritik. Es ist notwendig, daß man sachlich auf die Einzelheiten eingeht. Aber es ist nicht damit getan, daß man sagt, die ganze Polemik ist wesenlos. Es ist notwendig, daß in Einzelheiten gezeigt wird, wo die Denkfehler stecken. Ich werde mich bemühen, das so klar und deutlich als möglich zu machen.

Diese Diskussion über Atomtheorie hat mich in anderer Weise die Gefahren der Anthroposophischen Gesellschaft noch deutlich erkennen lassen. Es handelt sich um Gefahren, auf die schon vielfach hingewiesen worden ist, auch von mir selbst. Aber es ist doch eine ganz andere Sache, ob man allgemein von etwas spricht oder ob man konkrete Beispiele hat, an denen man zeigen kann: Da liegt es. Ich habe in dem ersten Artikel folgendes geschrieben: Die Stellung der Anthropo­sophie zur Atomtheorie ist vollständig unklar. Herr Dr. Steiner selbst hat früher nicht an die Realität der Atome geglaubt, ist aber inzwischen, wie er gesprächs-weise geäußert hat, in diesem Punkte durch die Tatsachen belehrt worden und glaubt jetzt, wie wir, an die Existenz der Atome. Darauf wurde mir von anthropo­sophischer Seite geantwortet, das sei wieder einmal eine Legende, die nur zu dem Zweck aufgetischt wird, um das Vertrauen in die Persönlichkeit Dr. Steiners zu erschüttern. Einer solchen Gesinnung steht ein wissenschaftlicher Mensch voll­ständig ratlos und verständnislos gegenüber. Mir wäre es selbstverständlich, daß dann mein Vertrauen erschüttert wäre, wenn er sich nicht durch Tatsachen beleh­ren ließe, und eigensinnig an etwas festhielte, was er einmal gesagt hat, nur weil er es gesagt hat.

Aber wie steht es in der Anthroposophie? Wenn Sie auf dem Standpunkte stehen, daß Dr. Steiner nicht darauf angewiesen ist, die Tatsachen zu berücksichti­gen, daß er aus seinem eigenen Denken heraus alle Zusammenhänge durchschaut, ja, dann natürlich, dann ist es nur folgerichtig, wenn man zu solchen Anschauun­gen kommt. Da ist eben eine Kluft zwischen Anthroposophie und Wissenschaft. Als Anthroposophen glauben Sie an die Unfehlbarkeit Dr. Steiners; als Wissen­schafter dürfen Sie nicht daran glauben. Ich weiß sehr gut, daß Sie mir darauf sagen: Wir glauben nicht an die Unfehlbarkeit Dr. Steiners, auf Seite soundsoviel steht doch: Der Hellseher kann sich irren. Ja, da steht es, da lesen Sie es ab, aber in Praxis habe ich es noch nie erlebt, daß jemand einen Zweifel geäußert hat an dem, was Dr. Steiner gesagt hat. Wenn er in einer Geschäftsordnungsdebatte oder in irgendeiner wissenschaftlichen Diskussion das Wort ergriffen hat, dann war der Fall erledigt. Und jetzt hat Dr. Steiner neulich zu dieser Atomdiskussion gespro­chen, und hat die Legende, die ich damals aufgetischt habe, bestätigt. Er hat ausdrücklich gesagt, daß ich (dieser Gegner) recht habe, daß es keinen Zweck habe, Resultate der Wissenschaft zu negieren. Ja, was machen jetzt diese Herren, die sich so fanatisch dafür eingesetzt haben, daß es keine Atome gibt? Wenn Sie zu dieser Überzeugung gekommen sind, nicht durch Autoritätsglauben, sondern nach reiflicher Uberlegung auf sachliche Gründe hin, dann können Sie doch von

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dieser ihrer Überzeugung nicht so einfach lassen, dann müssen Sie doch folgerich­tig gegen Dr. Steiner polemisieren. Dieser Gedanke kommt Ihnen ganz absurd vor, daß einer von Ihnen gegen Dr. Steiner polemisieren könnte. Das ist der große Krebsschaden. Das ist das, was wir nicht verstehen können. Es ist eine religiöse Einstellung. Ich meine dieses Wort «religiös» jetzt im besten Sinne, daß man das eigene Urteil unterwirft unter etwas, das man als ein Hohes empfindet, zu dem man in Demut und Ehrfurcht aufsieht. Ich will Ihnen diese Gesinnung nicht verekeln. Aber die wissenschaftliche Gesinnung ist es nicht. Der wissenschaftliche Mensch muß vollständig frei sein Urteil sich bilden. Und darum, je mehr ich in die Anthroposophie hineinsehe, um so tiefer wird die Überzeugung in mir - früher war es nur eine Ahnung -, daß eben zwischen Glaube und Wissenschaft keine Synthese möglich ist, weil der wissenschaftliche Mensch frei und unabhängig sein muß, und der religiöse Mensch gerade das Gegenteil davon zu sein wünscht. Beide Einstellungen haben ihr Gutes und Schönes. Aber miteinander vermengen kann man sie nicht. Ich habe den Eindruck, daß das, was als das System der doppelten Buchhaltung gegeißelt wird, die einzig mögliche reinliche Trennung ist: Auf der einen Seite Wissenschafter, auf der anderen Seite religiöser Mensch. Ich wollte nur sagen, das sind einige von den Gründen, warum die Wissenschaft der anthroposo­phischen Wissenschaft mit Skepsis gegenüberstehen muß. Ich kann vorläufig nicht sehen, daß dieser Konflikt gelöst werden kann, wenn mich die anthroposophische Wissenschaft nicht eines Besseren belehren wird.

Ich möchte noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, der auch einen sehr starken Stein des Anstoßes gibt für die Wissenschaft. Ich weiß, es ist Ihnen und mir schon langweilig, das ist das unheilige Mysterium der Wandlungen Dr. Steiners. Es ist nicht möglich, daß man über diesen Punkt hinwegkommt. Es muß diese Frage gründlich behandelt werden.

Ich habe mich in der letzten Zeit mit sämtlichen Artikeln befaßt, die Dr. Steiner zwischen 1886 und 1903 geschrieben hat. Ich habe die Artikel sämtlich gelesen und viel Schönes und Gutes gefunden. Aber ich sehe absolut nicht ein, wie man über diese Widersprüche hinwegkommen soll.

Rednerin liest folgende Stellen vor:

«Aber wie sehr man sich auch Mühe geben mag, nie wird es jemandem gelingen, Einklang zu stiften zwischen der christlichen und der naturwissenschaft­lich modernen Weltanschauung. Ohne eine persönliche, weise Führung der Welt-geschicke, die sich in Zeiten der Not durch Fingerzeige ankündigt, gibt es kein Christentum. Ohne die Leugnung einer solchen Führung und die Anerkennung der Wahrheit, daß in dieser unseren Sinnen zugänglichen Welt alle die Ursachen der Ereignisse liegen, gibt es keine moderne Denkweise. Nichts Übernatürliches greift jemals in die Natur ein; alles Geschehen beruht auf den Elementen, die wir mit unseren Sinnen und unserem Denken erreichen, erst wenn diese Einsicht nicht in das Denken allein, sondern in die Tiefe des Empfindungslebens eingedrungen ist, kann von moderner Anschauungsweise gesprochen werden. Aber davon sind unsere modernen Geister recht weit entfernt. Mit dem Denken geht es. Der

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Verstand der Zeitgenossen findet sich allmählich mit dem Darwinismus ab. Aber die Empfindung, das Gefühl, sind noch durchaus christlich.»*

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* Die hier angeführte Stelle im «Magazin für Litteratur» findet sich in dem Artikel «Charles Lyell. Zur 100 jährigen Wiederkehr seines Geburtstages«, Magazin für Litteratur 1897, Nr. 47 [heute in GA 30], und lautet:

«... Ich kann nicht von Lyell oder Darwin sprechen, ohne an Raeckel zu denken. Alle drei gehören zusammen. Was Lyell und Darwin begonnen haben, das hat Haeckel weiterge­führt. Er hat es ausgebaut in dem vollen Bewußtsein, damit nicht nur dem wissenschaftli-ehen Bedürfnis, sondern auch dem religiösen Bewußtsein der Menschen zu dienen. Er ist der modernste Geist, weil seiner Weltanschauung nichts von alten Vorurteilen mehr anhaftet, wie das zum Beispiel bei Darwin noch der Fall war. Er ist der modernste Denker, weil er in dem Natürlichen das einzige Gebiet des Denkens sieht, und er ist der modernste Empfinder, weil er das Leben nach Maßgabe des Natürlichen eingerichtet wissen will. Wir wissen, daß er mit uns den Geburtstag Lyells als Festtag begeht, weil er für ihn der Tag sein muß, der den einen Begründer der neuen Weltanschauung gebracht hat. Der Festtag, der Lyell gilt, bringt uns so recht zum Bewußtsein, daß wir zur Haeckelgemeinde gehören. Wenn Haeckel über die Vorgänge der Natur mit uns redet, hat jedes Wort für uns eine Nebenbedeutung, die mit unserem Empfinden verwandt ist. Er sitzt am Steuer; er steuert kräftig. Wenn wir auch an mancher Stelle, an die er uns führt, nicht gerade vorbei wollen, er hat doch die Richtung, die wir einschlagen wollen. Aus Lyells und Darwins Händen hat er das Steuerruder bekommen; sie hätten ei keinem besseren geben können. Er wird es an andere abgeben, die in seiner Richtung führen. Und unsere Gemeinde segelt rasch vor­wärts, hinter sich lassend die hilflosen Fähimänner der alten Weltanschauungen. Dies sind die Vorstellungen, die der 14. November, an dem Lyells Geburtstag zum hundertsten Male wiedergekehrt ist, in mir aufgeregt hat.«

In einem Vortrag auf dem Stuttgarter anihroposophischen Kongreß am 1. September 1921 (wiedergegeben in «Die Drei«, 2. Jahrgang, Heft 7/8) [heute in GA 78] sagte Dr. Steiner über die vorher zitierte Stelle das Folgende:

«Und als ich zu schreiben hatte 1897, am hundertsten Geburtstage Lyells über Charles Lyell, einen Begründer der modernen naturwissenschaftlich-monisti sehen Denkweise, da stand mir auch Haeckel lebendig vor dem Seelenauge. Mir erschien im Geiste eine Gemeinde, welche imstande sein könnte, jenes Hineinleben in die Natur, welches man finden kann in der Linie der Geister von Lyell bis Haeckel, fortzusetzen in der Richtung, in der es fortgesetzt werden muß. Deshalb schrieb ich für diese ideelle Gemeinde, die suchen sollte den Weg, der begonnen war gerade mit dem Haeckelschen Monismus, diejenigen Worte, welche, wenn man sie richtig versteht, andeuten können, daß nun mit diesem Monismus zunachst dennoch ein Wall überschritten worden ist, über den man nicht mehr in frühere Zeiten zurückkehren darf, wenn man es nicht mit Niedergangs-, wenn man es mit Aufgangskräften der menschlichen Entwickelung zu tun haben will. Jawohl, meine sehr verehrten Anwesenden, vorwärts geschritten werden muß von diesem Monismus; nie und nimmer darf zurückgegangen werden zu dem, was durch diesen Monismus an alten Weltanschauungen überwunden worden ist. Deshalb schrieb ich dazumal die Worte nieder: Wenn wir auch an mancher Stelle - ich bitte, das zu beachten-, an die er uns führt (nämlich Haeckel) nicht gleich vorbei wollen - das kann niemand, in dessen Seele Anthroposophie keimt -, er hat doch die Richtung, die wir einschlagen wollen; aus Lyells und Darwins Händen hat er das Steuerruder bekommen, sie hätten es keinem Besseren geben können, und unsere Gemeinde segelt rasch vorwärts! Ja, möge sie dem strengen Wissenschaftsgeist, den die wahre Naturforschung heraufgebracht hat, in

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«Wir gehen in das neue Jahrhundert hinüber mit wesentlich anderen Gefühlen als sie unsere im Christentum erzogenen Vorfahren hatten. Wir sind wirklich geworden; aber wir, die wir uns zur neuen Weltanschauung auch mit dem Herzen bekennen, wir sind eine kleine Gemeinde. Wir wollen Kämpfer sein für unser Evangelium, auf daß im kommenden Jahrhundert ein neues Ge­schlecht erstehe, das zu leben weiß, befriedigt, heiter und stolz, ohne Christen­tum, ohne Ausblick auf das Jenseits.»*

Ich kann es nicht fertigbringen, das zu lesen, und dann die Aufsätze zu lesen, die fünf Jahre später in «Luzifer-Gnosis» stehen, und dann anzunehmen, daß der Mann, der die beiden Aufsätze geschrieben hat, sich nicht geändert hat. Wenn da eine Bekehrung stattgefunden hat, würde ich es begreiflich finden. Ich habe mir die Deutung selbst gegeben, daß es sehr häufig vorkommt in der Weltgeschichte, daß man das alles verdammt, was man vorher gepredigt hat, und umgekehrt. Aber daß ohne eine solche Umwandlung beide Meinungen sich miteinander vertragen, das verstehe ich nicht. Ich habe auch keine Erklärung darüber bekommen von irgend jemand. Das Einverständnis mit Haeckel geht sogar so weit, daß er sagen konnte: Wir, die kleine Haeckelgemeinde, sind die Gemeinde der Zukunft, wir verkünden das Evangelium. In einem Artikel in der «Drei« hat er versucht zu sagen, was ihn gefesselt hätte, wäre wohl das Künstlerische gewesen. Ich muß dringend bitten, auch im Namen all der Wissenschaftler, die Vertrauen zu Dr. Steiner zu haben versuchen: Nun ja, die Götter sind diesseits; die Götter gehören auch zu der Natur. Das sind Taschenspieler-Kunststücke. Ich bitte, daß diese Frage behandelt wird. Ich bin sehr gern bereit, mich belehren zu lassen und werde gerne auch öffentlich und laut, wie ich jetzt mit meiner Anklage hier stehe, verkünden, daß man dem Dr. Steiner Unrecht getan hat und daß mir die Sache jetzt aufgeklärt ist.

Rednerin schließt mit der Bitte, daß Herr Dr. Steiner selbst nach Möglichkeit zu dieser Frage Stellung nimmt.

Herr Dr. Praußnitz, Jena: Ich muß zuerst meine Anerkennung des außerordentli­chen Mutes aussprechen, den Fräulein Dr. Rabel bewiesen hat, indem sie ihren Standpunkt ruhig und unbekümmert dargetan hat. Ich weiß, was dazugehört, wenn man als Anthroposoph vor Gegnern spricht. Was die Frage der Atomtheorie betrifft, muß ich feststellen, daß ich auch vom Fache bin; mir sind dieselben Schwierigkeiten entgegengekommen wie Fräulein Dr. Rabel, auch mir ist der Weg von der philosophischen Seite her der einzig mögliche gewesen, erstmalig heran­zukommen. Ich bekenne ebenso offen, daß ich mich mit der anthroposophischen Wissenschaftsbehandlung noch nicht habe befassen können.

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* Magazin für Litteratur 1898, pag. 310. [Heute in GA 33, Seite 129.]

sich aufnehmen und rasch vorwärts schreiten in diejenigen Untergründe des Welten-daseins, die im Übersinnlichen liegen und doch nur durch übersinnliche Forschung ergründet werden können!«

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Man muß die Frage aufwerfen: Ist die anthroposophische Wissenschaft, wie sie in Stuttgart vertreten ist, eigentlich den Weg gegangen, den sie gehen muß, um sich der anderen, draußenstehenden Naturwissenschaft verständlich zu machen? Ich glaube, daß hier der Haken liegt... Unsere jungen Freunde wollen, daß wir durch Anthroposophie andere Menschen werden, und nicht bloß uns mit Anthroposo­phie beschäftigen. Ich für meine Person stehe schon lange in der Bewegung, und habe noch nicht die Zeit gehabt, mich in die Wissenschaft zu vertiefen wie Sie. Wir können an diese Wissenschaft erst heran, wenn wir andere Menschen geworden sind. - Redner bespricht noch weiter Einzelheiten der Atomtheorie.

Herr Dr. Walter Johannes Stein: Herr Dr. Steiner hat in seinem Vortrag darauf hingewiesen, daß allen Einzelaktionen unserer Gegner letzten Endes dies zu­grunde liegt, daß sie sich sagen: «Wie zwingen wir den Geistesforscher dazu, daß er sich selber verteidigen muß?« Fräulein Dr. Rabel hat ihre Ausführungen darin gipfeln lassen, daß sie bat, Herr Dr. Steiner möchte selbst Stellung nehmen zu dem, was sie gegen ihn vorgebracht habe. Dr. Steiner soll sich also selbst ver­teidigen.

Nun, ich weiß nicht, ob er das tun wird, aber ich möchte das, was ich vorzubringen habe, jedenfalls so vorbringen, wie er von uns gefordert hat, daß wir uns den Gegnern gegenüber verhalten sollen. Herr Dr. Steiner forderte uns auf, uns mit aller Liebe hineinzuversenken in die Seelen der Gegner. Es liegt mir ganz fern, zu glauben, daß etwa bewußt in Fräulein Dr. Rabel das ist, worauf ich jetzt hinweise. Aber es wirkt in ihr, wie in jedem Gegner, doch das, wovon Dr. Steiner eben sagte, daß es allen Gegneraktionen zugrunde liegt. Und auf diese Tatsache sollten wir merken. Dr. Steiner sprach davon, daß unendlich viel darauf ankommt, die Grenzen der verschiedenen Bewußtseinslagen zu kennen und diese nicht zu verwischen. Man darf das Traumbewußtsein nicht in die Sinneswelt tragen, und das, was richtig ist für die Sinneswelt, nicht in die übersinnliche Welt. Man muß beim Übergang von einem Gebiet in das andere seine Denkart ändern. Das aber gerade ist es, was Fräulein Dr. Rabel nicht tut. Was sie nicht versteht in Dr. Steiners Wirken und Sichverhalten, das versteht sie deshalb nicht, weil sie mit jenen Urteilsgewohnheiten und Denkformen, die richtig sind für das Gebiet der gewöhnlichen Wissenschaft, auch umfassen möchte, was dem Geistgebiet des Übersinnlichen angehört. Man müßte das natürlich Satz für Satz zeigen - aber man könnte zeigen, daß Herr Dr. Steiner das, was er selber zu den Einwänden von Fräulein Dr. Rabel zu sagen hat, Punkt für Punkt - natürlich mit Ausnahme jener Zitate, die vorgebracht worden sind - sonst aber wirklich alles - beantwortet hat im vorhinein durch seinen Vortrag. Sehen Sie, das, was Fräulein Dr. Rabel nicht richtig beobachten kann, ist das, was wir nennen: das richtige Überschreiten der Schwelle, das heißt die tatsächliche Wirklichkeitsforderung, daß man eine andere Art haben muß für das Sichverhalten im Sinnlichen als im Übersinnlichen. Sie sagt:

Mit dem Religiösen kann ich sympathisieren, mit dem Wissenschaftlichen nicht. Sie sieht auch eine Trennung zwischen diesen Gebieten. Aber was ist der Grund für das, was sie zwingt, von doppelter Buchführung zu reden? Der Grund ist, daß

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sie sich nicht zum Bewußtsein bringt den Akt, den der Mensch vollziehen muß beim richtigen Überschreiten der Schwelle, von dem einen in das andere. Daher begreift sie auch nicht für die verschiedenen Gebiete des Lebens oder der Gegen­stände des Erkennens, warum Dr. Steiner einmal innerhalb des einen Bereiches so sich verhält, daß es im vollen Gegensatz steht zu seinem Verhalten in einem anderen Bereich. Ihr stellen sich die Bereiche nebeneinander, und sie möchte sie alle in einer Art umfassen oder doppelt Buch führen, anstatt die Metamorphose als in dem Gebiet sachlich begründet zu erkennen. Da liegt für sie die Schwierigkeit, und dafür hat sie nicht das richtige Verständnis. Sie hat auch nicht das richtige Verständnis für das, was Herr Dr. Steiner heute behandelte: die Toleranz. Denn das Wesen der Toleranz besteht darin, daß man immer aus der Sache heraus spricht. Wenn Herr Dr. Steiner in seinen Aufsätzen im «Magazin« zu bestimmten Urteilsformen kommt, so kommt er dazu aus ganz bestimmten Voraussetzungen heraus, und die müssen eben beachtet werden.

Ich habe mich wiederholt bemüht und wirklich in redlichem Sichmühegeben bemüht - wenn auch vielleicht manchmal in etwas temperamentvoller Weise -, Fräulein Dr. Rabel klarzumachen, wie es sich auf diesem Gebiete verhält. Aber es liegt doch wohl als Grund des Mißverstehens nichts anderes vor als dieses, daß zwei Grundbedingungen nicht genügend berücksichtigt worden sind.

1. Wie das Herr Dr. Steiner ausführte, die Berücksichtigung der Umstellung beim Überschreiten der Schwelle zwischen Sinneswelt und übersinnlicher Welt.

2. Die Berücksichtigung der Umstellung beim Schreiten aus einem Tatsachenbe­reich zum andern.

Selbstverständlich sind alle die Sätze, die von Fräulein Dr. Rabel vorgelesen worden sind, und die zum Beispiel im «Magazin für Litteratur« stehen, so, daß Herr Dr. Steiner sie heute Wort für Wort geradeso hinschreiben könnte, wie sie dort stehen. Denn wenn er dort das Christentum ablehnte, so meinte er damit nicht das Christentum, das er später in seinen geisteswissenschaftlichen Arbeiten dargestellt hat, sondern er wollte zeigen, wie er damals jenes Christentum ableh­nen mußte, das damals als das einzige in der Welt bekannt war: nämlich das Christentum der christlichen Theologen. Und diese Theologen lehnt Dr. Steiner heute genau so ab mit dem, was sie Christentum nennen, wie sie ihn ablehnen. Also wo da ein Wandel Dr. Steiners liegen soll, weiß ich nicht. Es gibt keinen in dem Sinne von Fräulein Dr. Rabel. Es handelt sich nur darum, daß man sich vollständig auf die Sache einläßt und aus der Sache heraus urteilt, dann versteht man Herrn Dr. Steiner, versteht sein Verhalten und redet aus dem eigenen Nicht-verstehen heraus nicht von Taschenspielerkunststücken. Für uns Anthroposo­phen aber ist noch etwas anderes wichtig. Wir müssen in unserer Gesellschaft künftig wachsam sein. Und zur Wachsamkeit gehört schon auch, daß man be­merkt dieses gewaltige Phänomen, das darin besteht, daß erst Herr Dr. Steiner auftritt und sich selbst in seinem Vortrage verteidigt, und daß nachher die Anklage vorgebracht wird mit der Zumutung, Dr. Steiner zu einer Äußerung, zu einer Selbstverteidigung zu zwingen.

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Mittwoch, den 28. Februar 1923, abends

Der Vorsitzende, Herr Emil Leinhas, eröffnet die Versarnmlung.

Herr Dr. Hans Theherath, Stuttgart:Wenn Fräulein Dr. Rabel etwas Gefährli­ches in der anthroposophischen Wissenschaft sieht, so kann sie sich dabei nicht auf meine Atomaufsätze beziehen, da Herr Dr. Steiner selbst diese Aufsätze als anthroposophiefeindlich bezeichnete. In diesen Aufsätzen besteht aber kein Grund, sich gegen die anthroposophische Wissenschaft zu wenden.

Herr Dr. Steiner hat auch früher nicht die Existenz der Atome geleugnet, sondern sich nur dagegen gewandt, Atome in die Phänomene hineinzuinterpre­tieren. Deshalb verwies ich diesen angeblichen Gesinnungswandel Dr. Steiners in das Gebiet der Sage.

Fräulein Dr. Rahel fragt, was jetzt die Herren machen, die früher nicht an Atome geglaubt haben. Das weiß ich nicht, denn ich habe immer an die Existenz von Atomen geglaubt. [Siehe hierzu unter Hinweise.]

Herr Dr. Eugen Kolisko, Stuttgart: Ich möchte nur einiges sagen zu dem Punkte, daß die Ereignisse, die hier in der Anthroposophischen Gesellschaft stattgefun­den haben, mit der Vernichtung des Goetheanums zusammenhängen. Es ist hier auch schon wiederholt betont worden, daß alle diese Ereignisse vollständig unabhängig sind von der Dornacher Katastrophe, da ja die Anfänge für diese Krise bis auf den 10. Dezember zurückgehen, wo das erwähnte Gespräch mit Herrn Uehli stattgefunden hat. Es ist notwendig, daß dies betont wird gegenüber Mißverständnisse, die entstehen können, wenn so ironisch über die Dinge gesprochen wird, die einem in der Anthroposophischen Gesellschaft am heilig­sten sein müssen. Eine derartige Stellungnahme können wir uns nicht gefallen lassen.*

In bezug auf die Polemik in der «Drei» möchte ich sagen, daß der Aufsatz von Dr. Rabel angenommen ist und erscheinen wird zugleich mit einem Aufsatz von mir, der versuchen wird, diese ganze Polemik aus dem bisherigen toten Geleise herauszuführen.

Herr Ernst Lehrs, Jena: Durch die Worte, die Fräulein Dr. Rabel in ihrer «Abschiedsrede an die Anthroposophische Gesellschaft» gesprochen hat, wurde ich lebhaft erinnert an dasjenige, was Dr. Rittelmeyer während der Tagung bei der Behandlung der Gegnerfrage gesagt hat. Er sprach davon, daß wir es errei­chen müssen, daß die vielen Menschen guten Willens, die sich zwar nicht selber zur Anthroposophie bekennen könnten, doch bewußt die Einstellung hätten:

«Sie ist aber etwas, deren Ernst und hohes Streben wir zu klar erkannt haben, als daß wir zulassen könnten, daß sie durch Schlechtigkeit zertrümmert wird«, daß

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* Es bezog sich diese Verwahrung insbesondere auf den Ausspruch von Frl. Dr. Rabel, daß Dr. Steiner den Brand des Goetheanums «weise ausgenützt« und »ihn zum Anlaß genom­men hat, um eine große Buß- und Einkehrbewegung zu inaugurieren».

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diese als ein «Bund anständiger Menschen» ein Wall um die Bewegung sein könnten. Nun - ich konnte empfinden, daß Fräulein Dr. Rabel zu solchen Menschen gehört, und hoffe von Herzen, daß sie immer weiter dazu gehören wird! Und wir können dankbar sein, daß wir unter dem ganzen Wust und Schmutz von Gegnern einmal einen Menschen hören konnten, der wirklich versucht hat, sich mit Anthroposophie auseinanderzusetzen.

Auf zweierlei Punkte in Dr. Rabeis Worten möchte ich eingehen: einmal Dr. Steiners Artikel aus dem «Magazin», und dann die Atomtheorie.

Ich habe bis auf ganz wenige Ausnahmen, die ja auch in der Öffentlichkeit bekannt sind, vordem keine der von Dr. Rabel aus dem «Magazin» zitierten Stellen gekannt. Mir fiel aber sofort auf, mit welcher Ausschließlichkeit sich Dr. Steiner beruft auf dasjenige, was die Sinnesforschung an Tatsächlichem ergeben hat. Mit keinem Worte hat er in jenen Artikeln sich zu den gedanklichen Spekula­tionen über die Hintergründe der sinnenfälligen Erscheinungen bekannt! Und umgekehrt: auf dem allerjüngsten naturwissenschaftlichen Kursus um die letzte Jahreswende in Dornach ging wie ein roter Faden durch Dr. Steiners ganzen Zyklus hindurch die Aufforderung, anzuerkennen die gewaltigen Ergebnisse der Sinnesforschung, ja sie ist überhaupt zu erlösen aus ihrem Zauberschlaf, in den sie der Intellektualismus gebannt hat, durch geistige Forschungsmethoden! Zeigt sich also hier, wenn man nur richtig hinsieht, das Gegenteil jenes behaupteten «Bru­ches der Weltanschauung», so kann man sich dennoch vielleicht im ersten Augen­blick wundern, warum Dr. Steiner sich mit solcher Energie für die aus dem Darwinismus hervorgegangene Weltanschauung seinerzeit eingesetzt hat. Als ich nun, wie schon gesagt, zum ersten Male jene Worte Dr. Steiners hörte, da hatte ich ein ganz wundervolles Erlebnis. Ich erlebte nämlich, vor welcher Weltanschau­ungssituation sich Dr. Steiner damals befunden hat. Und nicht besser kann sie geschildert werden als mit Nietzsches Worten, die er in den schon bei anderer Gelegenheit zitierten Reden «Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten» ge­braucht hat, dort, wo er über das Gymnasium spricht. Man braucht in den wenigen Worten, die ich zitieren werde, nämlich nur stets das Wort «Gymna­sium» durch «herrschende Weltanschauung» zu ersetzen. Mit dieser Veränderung lautet die Stelle so:

«Wir kennen beide die herrschende Weltanschauung; glauben Sie zum Beispiel auch in Hinsicht auf diese, daß hier mit Ehrlichkeit und guten neuen Einfällen die alten zähen Gewohnheiten aufgelöst werden könnten? Hier schützt nämlich nicht eine harte Mauer gegen die Sturmböcke eines Angriffs, wohl aber die fatalste Zähigkeit und Schlüpfrigkeit aller Prinzipien. Der Angreifende hat nicht einen sichtbaren und festen Gegner zu zermalmen: dieser Gegner ist vielmehr maskiert, vermag sich in hundert Gestalten zu verwandeln und in einer derselben dem packenden Angriffe zu entgleiten und immer von neuem wieder durch feiges Nachgeben und zähes Zurückprallen den Angreifenden zu verwirren.»

Das war die schreckliche Situation, in der sich Dr. Steiner damals befand! Kein Mensch vor Haeckel hatte den Mut gehabt, nicht nur arn Alltag, sondern auch am

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Sonntag Materialist zu sein! Ein weichlich-schwüler Dunst verschleierte den Blick auf die Konsequenzen des Erkenntnislebens. Wie ein frischer Frühlingswind fegten da Dr. Steiners Worte hinein. Ein zäher Brei philiströser Denk- und Glaubensbequemlichkeit wurde von der geistig tonangebenden Volksschicht um alles gelegt. Und wenn Dr. Steiner es als seine Aufgabe sah, die Mauer des Materialismus einzurennen, so mußte er jene zähe Masse erst selber erhärten und zur Mauer aufrichten helfen. Was aber war das Härtemittel? Konsequenz! Dr. Steiner mußte die Welt erst einmal zwingen, konsequent zu sein! Kein Aufruf zu spiritueller Konsequenz konnte Resonanz finden ohne materialistische Konse­quenz. Und das ist es ja, was uns Jungen so am Herzen liegt, die denkerische, die gefühlsmäßige, die moralische Konsequenz, die die Welt immer und immer noch nicht kennt! Und darum sind jene jahrzehntealten Worte Dr. Steiners gerade aus dem Herzen an uns Jüngsten in der Anthroposophischen Gesellschaft gesagt!

Und nun zu der Auseinandersetzung über die Atomtheorie, gegen die sich Dr. Steiner ja in letzter Zeit so sehr gewehrt hat. Was ist denn hier geschehen, und wogegen mußte sich Dr. Steiner und muß sich eigentlich jeder Anthroposoph wehren? Bei den Diskussionen, wie sie in der «Drei» geführt worden sind, haben ja unsere Wissenschafter sich von dem Gebiete der Anthroposophie von Dr. Rabel hinüberziehen lassen auf ihr Gebiet, anstatt sie zu nötigen, sich auf anthroposo­phisches Gebiet zu begeben! Das ganze Gefecht hat überhaupt gar nicht auf anthroposophischem, sondern auf intellektualistischem Gebiete stattgefunden! Denn man hat mit Beweisen gefochten. Gerade während der Tagung konnten wir ja wieder von Dr. Steiner hören, was von «Beweisen« auf dem Gebiete der Anthroposophie zu halten ist. Man kann tatsächlich jede Behauptung und ihr Gegenteil «beweisen»: es kommt nur auf die Einstellung an! Dr. Rabel kann so gar nicht widerlegt werden, denn sie hat recht! Jeder, der versucht, sie durch Beweise zu widerlegen, ist ihr gegenüber im Unrecht!

Ein Beispiel auf einem anderen Gebiete, das ich kürzlich erlebt habe, kann ein helles Licht werfen auf dasjenige, auf das es hier ankommt. Ein antisemitischer Verlag hat eine Schrift herausgegeben: «Moses, ein Sprengbomben- und Dynamit-fabrikant!» Darin wird behauptet: Moses war ein großer Eingeweihter. Das Eingeweihtentum bestand darin, daß gewisse Persönlichkeiten die Gewalt über die höheren Naturkräfte hatten. Die höheren Naturkräfte sind diejenigen, die seit dem Anbruch des naturwissenschaftlichen Zeitalters allen Menschen zugänglich sind: die physikalisch-chemischen Energien. Andere gibt es nicht. Daher erklärt sich das Feuer auf dem Sinai, die Unberührbarkeit der Bundeslade usw. usw. Moses hat durch Feuerwerksscherze und dergleichen dem jüdischen Volke eine Gottesfurcht eingejagt, durch die er sich zu dessen Herrn machen konnte und unter deren lügenhaftem Zeichen alle jüdische Entwickelung seitdem steht. Usw.!

- Hier liegt also das Merkwürdige vor, daß dieses Buch, genau so wie wir, den Moses einen «großen Eingeweihten» nennt! Aber das Schreckliche ist das, daß es recht hat mit seinen Folgerungen, wenn man behauptet: es gibt nur materielle Energien! Kann man das Gegenteil beweisen? Nein! Zwei Weltanschauungen

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stehen einander gegenüber: beide nennen Moses einen großen Eingeweihten, die eine kennt nur materielle Kräfte, die andere auch übersinnliche; die eine kommt zu dem Resultat, daß Moses ein schwindelhafter Sprengbombenfabrikant gewesen ist, die andere sieht in ihm einen Götterboten!! Was allein kann hier die Entschei­dung bringen? Allein wieder das Verfolgen dieser Gedankengänge bis dahin, wo sie moralisch werden, wo sie Menschenwert und Menschenwürde berühren. Und da zeigt es sich denn, daß wenn man mit allen Konsequenzen sich in dem Strome des Menschlichwerdens zu erleben versucht mit der Einstellung jener Bücher, einem nichts übrig bleiben kann, als sich am nächsten Fensternagel aufzuhängen, während die andere Einstellung einen das Haupt freier tragen läßt, den Schritt stolzer macht und doch Demut und Liebe im Herzen walten läßt! So nur «be­weist» sich Anthroposophie!

Und so nur kann sich Dr. Rabel Gültigkeit oder Ungültigkeit der Atomtheorie beweisen. Sie behaupte sie weiter, sie betreibe, sie lehre sie weiter, denn es ist ihre Pflicht, solange sie «das andere» nicht erlebt hat! Das aber wird sie nie, solange man sie dort angreift, wo sie von sich aus im Rechte ist! Vielmehr rufe ich ihr zum Abschied zu: «Sie haben von Ihrem religiösen Gefühl gesprochen, dem Anthro­posophie so sympathisch sei. Nun bitte ich Sie recht von Herzen: Gehen Sie durch die kommenden Jahrzehnte Ihres Lebens mit einem immer klareren Blick für die Seelen der Ihnen begegnenden Menschen! Werden Sie wacher und immer wacher in diesen Erlebnissen! Nehmen Sie sie tiefer und tiefer auf in Ihr Herz und lassen Sie sie in der Wärme Ihres religiösen Gefühles wachsen und immer wachsen! Und wenn Sie dann zu einer Stunde beginnen werden, darunter zu leiden, daß es immer kältere und lebensfremdere Seelen sind, die sich für Ihre Atomtheorie noch interessieren können, daß aber all die, deren Wesensart Sie aus tiefstem Herzen bejahen, Ihnen stärker und stärker zurufen werden: Oh wie muß ich leiden unter deiner Atomtheorie, wie ertötet sie mein Edelstes, wie erstarre ich in der Kälte deiner Wissenschaft! Wo, wo ist die Wissenschaft, in deren wärmendem Lichte die Blume meines Lebens gedeihen kann! - Wenn diese Rufe Ihnen entgegentönen werden, Sie bis ins Lebensmark erschütternd, dann wird sich Ihnen vielleicht die Realität der Atomtheorie beweisen!»

Herr Dr. Friedrich Rittelmeyer, Stuttgart, sprach im Namen der religiösen Bewe­gung zunächst Herrn Dr. Steiner den tiefsten Dank aus für die ungeheure Lebenswohltat, die er durch seine Hilfe und seinen Rat in dieser Bewegung der Mensch­heit geleistet hat in selbstlosester Reinheit und Größe, dankte dann auch den Anthroposophen, die durch ihre freiwillige Unterstützung in der ersten schwer­sten Zeit der Bewegung Wege bereitet haben. Es sei an vielen Orten noch nicht recht gelungen, an die nichtanthroposophischen Kreise, für die man durchaus zu arbeiten entschlossen sei, heranzukommen. Auch habe man vor dem Dornacher Vortrag Dr. Steiners die Gefahren nicht genug wahrgenommen, die durch die neue Bewegung der Anthroposophischen Gesellschaft besonders entstehen, sowohl dadurch, daß ihr finanzielle Hilfe entzogen wird, als dadurch, daß die Befriedigung

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des menschlichen Gemeinschaftsbedürfnisses in der Kultusgemeinschaft viele von der Gesellschaft ablenkt, als vor allem dadurch, daß viele den Erkennt­nisweg, den sie einmal eingeschlagen haben, mit dem wohltuenderen Weg des Kultus vertauschen. Die Christengemeinschaft könne keine Freude haben an anthroposophischen Mitgliedern, die ihre finanzielle Verantwortung gegenüber der anthroposophischen Bewegung über der Christengemeinschaft versäumen, oder nicht die Möglichkeit finden, ihrem Erkenntnisweg volle Treue zu bewahren. Andererseits bittet er die Anthroposophen, diejenigen Mitglieder der Christenge­meinschaft, die jetzt oder in Zukunft nach Kenntnis des Materials aus ihrer Freiheit heraus bei beiden Bewegungen mitarbeiten wollen, als Vollanthroposo­phen gelten zu lassen, da der Kultus ja viele Möglichkeiten der inneren Beteiligung biete und nicht notwendig nur in einem gefühlsmäßigen Untertauchen mitgefeiert werden müsse, was gewiß unanthroposophisch sei, sondern auch geistig, nicht seelisch und aktiv, nicht passiv. Ferner bittet er die Anthroposophen, niemals als Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft bei der Christengemeinschaft irgendwelche besonderen Vorrechte zu erwarten, da sich die neue Bewegung ganz gleichheitlich zu allen Menschen stellen müsse, wenn sie sich zu Recht durch­kämpfen wolle. Und schließlich bat Dr. Rittelmeyer noch um dauernde Unter­stützung darin, daß die Christengemeinschaft die Menschen finde, die sie brau­chen, und um inneres Verstehen und Mittragen in der ungeheuer schweren Auf­gabe, die sie zu erfüllen habe.

Herr Dr. Carl Unger, Stuttgart: Herr Weishaar hat heute vormittag auf das Wort verzichtet. Es liegt mir aber außerordentlich viel daran, von mir aus dasjenige zu tun und zu sagen, was ich von mir aus für notwendig halten muß, damit künftighin in dem, was mein Verhältnis zur Kerning-Gruppe betrifft und zu deren Leiterin Fräulein Völker, es nicht zu weiteren Mißdeutungen kommen kann. Es tut mir leid, wenn sich Reste noch zeigen aus einer Zeit, in der es notwendig war, aus der Loslösung von der Theosophischen Gesellschaft her Front zu machen und aufzu­treten gegen mancherlei Erscheinungen, die eben zusammenhingen mit der in der Anthroposophischen Gesellschaft unberechtigten Mystik oder mystischen Ver­schrobenheit. Ich bin vielleicht manchmal über das Ziel hinausgeschossen. Was aber mein Verhältnis betrifft zu der Gruppe und zu ihrer Leiterin persönlich, so möchte ich doch betonen, daß ich in dieser Beziehung schon seit vielen Jahren überall dafür eintrete, daß gerade die vollberechtigte Arbeitsweise dieser Arbeits­gruppe, und ihr Bestreben, in geschlossenem Kreise diese Arbeit zu vollziehen, respektiert werden muß. Über mein persönliches Verhältnis kann ich nicht anders sagen, als daß ich nur weiß, daß ich seit vielen Jahren in freundschaftlichem Verkehr mit Fräulein Völker stehe, daß wir häufig beisammen waren und die anthroposophischen Angelegenheiten besprochen haben, und daß ich wünsche, daß das künftighin auch weiter geschehen möge.

Herr Heinrich Weishaar, Stuttgart: Fräulein Völker kann sich mit diesen Erklä­rungen noch nicht voll und ganz zufrieden geben. Aber damit möchte ich nicht die

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Versammlung behelligen. Ich möchte die ganze Angelegenheit dem neuen Zen­tralvorstand zur weiteren Behandlung übergeben und ihm das entsprechende Aktenmaterial aushändigen.

Man muß unterscheiden zwischen dem persönlichen Verhältnis, zwischen Fräulein Völker und Herrn Dr. Unger. Nach dieser Richtung hin ist Fräulein Völker durchaus zufrieden und einverstanden mit dem, was Herr Dr. Unger gesagt hat. Aber man muß einen anderen Standpunkt auch ins Auge fassen: daß Fräulein Völker als Vorsitzende einer alten Arbeitsgruppe auf der einen Seite steht und Herr Dr. Unger auf der anderen Seite als Mitglied des alten Zentralvorstandes, und daß hierwegen nötig ist, Aufklärungen zu geben in bezug auf Dinge, die vorliegen, die in Ordnung gebracht werden müssen; aber die Sache wird dann ja wohl erledigt werden.

Herr Dr. Walter Johannes Stein, Stuttgart: Referat über

«Die Gegner» [siehe hierzu unter Hinweise]

Unsere Gegner wollen den Quell, aus welchem die spirituellen Erkenntnisse fließen, verstopfen. Denn sie dienen bewußt oder unbewußt einer Strömung geistiger Weltauffassung, die meint, die Veröffentlichung spiritueller Erkennt­nisse müsse verhindert werden. Der erste Satz in dem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?« lautet: «Es schlummern in jedem Menschen Fähigkeiten, durch die er sich Erkenntnisse über höhere Welten erwerben kann.« Da spricht eine Geistesrichtung, die alle Menschen einbeziehen will in das über­sinnliche Wissen, die ein solches selber erlangen wollen oder wissen wollen, wie andere ein solches erlangen. Dadurch dokumentiert sich die Anthroposophie als ein Geistesweg, der keine Machtaspirationen in sich schließen kann. Macht näm­lich entsteht durch Wissen, das man anderen vorenthält. Die Geistesrichtungen, welche Machtaspirationen haben, die haben ein anderes kosmisches Ziel als die Geistesrichtung, die Freiheit und Liebe zu allen Wesen entfalten will.

Um Ihnen ein Bild zu geben, worauf Wirksamkeiten, die entfaltet werden, beruhen, soll das Folgende vor Sie hingestellt werden: In seinem Buch «Exercitia spiritualia« gibt Ignatius von Loyola folgende Meditation: «Stelle dir vor, wie Luzifer seine Fahne aufsteckt auf einem öden Felsen bei Babylon, wo alles in der größten Verwirrung und Unruhe ist; wie er die Höllengeister in die Welt aus-schickt, um die menschlichen Seelen zu seiner Nachfolge anzulocken. Christus hingegen hat die Kreuzesfahne auf einem Felde bei Jerusalem aufgepflanzt, wo alles in der schönsten Ruhe lebt; er sendet seine heiligen aus, die ganze Welt zu seiner Nachfolge einzuladen, mit der Versicherung, daß jeder, welcher der Kreuzesfahne Gehorsam schwört, Verachtung und Leiden geduldig erträgt, in alle Ewigkeit sein himmlisches Reich besitzen werde.« Hier haben Sie zunächst zwei Bilder hingestellt, die gleich näher besprochen werden sollen. Beide zeigen, daß wir es mit einer geist-militärischen Organisation zu tun haben, die nicht auf Freiheit, sondern auf Gehorsam basiert ist. Dieser Gehorsam erstreckt

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sich sogar auf das Erkenntnisvermögen: ... . es kann nicht geleugnet werden, daß der Gehorsam nicht nur die Ausführung umfaßt - daß man das Befohlene tut -und nicht nur den Willen-, daß man es mit Lust tut-; sondern auch das Urteil, so daß alles, was der Vorgesetzte befiehlt und urteilt, dem Untergebenen sowohl richtig als wahr erscheint, so weit, daß, wie gesagt, mit seiner Kraft der Wille die Urteilskraft zu beugen imstande ist.» (Briefstelle aus einem Briefe des Ignatius von Loyola vom April 1553. Vgl. «Jesuitica« von Roman Boos, Dreigliederungizei­tung Nr.40, April 1920.) Also wir haben es da mit einer geist-militärischen Organisation zu tun, die Macht entfaltet bis tief hinein in das Innerste des Menschen. - Nun aber wollen wir sehen - an einem historischen Beispiel sehen -, wie solch eine Macht wirkt. In Schillers «Dreißigjährigem Krieg«, im Ersten Buch, lesen wir von Ferdinand II., daß er auf der Akademie von Ingolstadt durch Jesuiten erzogen und unterrichtet worden ist. Und dann heißt es: «Man zeigte ihm auf der einen Seite die Nachsicht der Mazimilianischen Prinzen gegen die Anhän­ger der neuen Lehre und die Verwirrung in ihren Landen, auf der anderen Seite den Segen Bayerns und den unerbittlichen Religionseifer seiner Beherrscher; zwischen diesen beiden Mustern ließ man ihn wählen.» Hier haben Sie ein ge­schichtliches Beispiel dafür, wie ein Fürst eine Meditation bekommen hat, für deren Wirksamkeit der Verlauf der Geschichte Beweis ist. So war es zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Damals galt es, eine Geistesströmung auszurotten, die symptomatisch erfaßt werden kann in dem Werk des Comenius, das den Titel Pansophia trug. Warum nannte Comenius, was er vertrat, eine Pansophia? Weil, er eine Weisheit für alle Menschen schaffen wollte. In ihm lebte derselbe Impuls, auf den auch der erste Satz in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» hinweist: Er wollte sich an das wenden, was in jedem Menschen lebt. Darum redete er von einer Pan-sophia. Sie ist ausgerottet worden aus Impulsen, die schon charakterisiert worden sind.

In unserem Zeitalter spricht man allerdings anders. Da sagt man zu Jung­Solothurn: «Schare dich zusammen! Sturm dem Goetheanum!« (Vgl. «Das Goe­theanum* vom 7. Januar 1923.) Diese Worte wurden gesprochen in einer Ver­sammlung von katholischen Vereinen von Dornach, Arlesheim, Reinach. Es war am Nachmittag des 19. September 1920 im Hotel Ochsen in Dornach-Brugg. Referent in dieser Versammlung war Pfarrer Kully. Eine Broschüre gegen An­throposophie gerichtet, von diesem Pfarrer Kully verfaßt, schließt mit den Wor­ten: Christus vincit / Christus regnat / Christus imperat.

Es ist nicht ohne Bedeutung, daß ein anderes Buch, die Goethe-Biographie des Jesuiten Baumgartner, mit denselben Worten schließt. Ich habe das Buch in einem Vortrag charakterisiert, der dann abgedruckt worden ist in Heft 8 der «Drei», November 1921, Erster Jahrgang. Niemand wird die fleißige, mit wissenschaftli­chem Ernst geschriebene Goethe-Biographie, die in zwei Bänden mit Goldschnitt erschienen ist, mit der Broschüre des Pfarrers Kully auf einen Boden stellen wollen. Aber beide Bücher dienen dem selben Impuls. Es gibt schon etwas, wenn man nicht übersieht, daß sie mit den gleichen Worten schließen. Das eine Buch

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wendet sich gegen Goethe, das andere gegen alles, was vom Goetheanum ausgeht. Goethes wahres Wesen wird übersehen und verleugnet. Wogegen er selber kämpfte, als sein wahres Wesen hingestellt. Und dies, weil man etwas ganz bestimmtes in der Welt will. Goetheanismus, Pansophie, Anthroposophie haben ihre Feinde. Denn sie wenden sich an alle, und das darf nicht sein. Denn die höhere Erkenntnis sollen nur einige wenige besitzen, welchen die vielen Gehorsam schul­den, gradweise abgestuften Gehorsam. Und das soll erreicht werden durch ein geist-militärisches System. Und das Spiegelbild dieses Systems? Wo ist es? Es gibt auch eine Militarisierung des Wirtschaftslebens. Das äußerste Ende derselben ist der Bolschewismus. Wozu hat man denn das erfunden, zum Beispiel die Arbeiter­schaft zu organisieren? Wozu ihnen Parteimeinungen beigebracht? Weil es Mächte gibt, die eigenes Urteil, freie Willensinitiative des einzelnen ausrotten wollen. Theoretisch lebt dies als Wille in der materialistischen Geschichtsauffas­sung, praktisch in all dem, was diese Geschichtsauffassung, die an sich so einseitig wie nur möglich ist, immer mehr und mehr zum einzig und allein Richtigen macht. Das Spiegelbild einer auf Freiheit und Liebe gebauten Weltauffassung ist eine assoziative Wirtschaft, in der einer dem andern seine Lebenserfahrung selbstlos hinopfert und dadurch auf jegliche Machtentfaltung verzichtet, wie sie zum Beispiel im Konkurrenzkampf lebt. Militarisiertes Geistesleben aber spiegelt sich in militarisierter Wirtschaft. So verschieden oft die Dinge der Welt sind - betrach­tet man sie tief genug, so erweist sich sehr Unähnliches als Offenbarung einer Kraft. Viel konnte man dazulernen auch aus Vorträgen, die Pater Muckermann S. J. hier in Stuttgart hielt. Er sprach über wissenschaftliche Probleme. Der Unter­ton seiner Ausführungen war, Wissenschaft soll bloße Leibeswissenschaft sein. Als solche ist sie mit Recht materialistisch. Wissenschaft aber findet überall ihre Grenze. Jenseits derselben waltet die Kirche. Diese hat ebenso die Seelen zu verwalten, wie die Wissenschaft den Leib. Vom Geist muß man ja heute nicht mehr reden. Der ist seit 869 abgeschafft. Die materialistische Wissenschaft dient den selben Impulsen wie die die Seelen verwaltende Kirche. Die beiden gehören zusammen. Wenn Wissenschaft sich erkühnte, Leib, Seele und Geist zu umfassen, dann würden die Seelen anfangen, sich selber zu verwalten. Daher darf es keine Geisteswissenschaft geben. Es darf nur Leibeswissenschaft geben. Mso die mate­rialistische Naturwissenschaft, die braucht man. Die dient dem selben Impuls wie alles schon erwähnte Machtstreben.

In den Vorträgen, die Dr. Steiner in Dornach über Thomas von Aquino hielt, ist klar gezeigt, wie Goetheanismus und Anthroposophie geradlinige Fortsetzun­gen dessen sind, was als Realismus im Mittelalter vorhanden war. Und kurz zusammengefaßt ist, was über die Stellung der Anthroposophie zum Katholizis­mus zu sagen ist in dem ersten Teil der Schrift «Die Hetze gegen das Goethe­anum». Dort ist besonders auf Seite 24 und 25 gezeigt, wie voller Einklang besteht zwischen dem Methodischen des Buches «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und dem, was der allerrechtgläubigste Katholizismus für das Richtige erklärt hat. Trotzdem erklärt man von katholischer Seite, zum Beispiel

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tut das Pater Zimmermann S.J., daß Anthroposophie mit echtem Katholizismus unverträglich sei. Auch wird dort Anthroposophie geflissentlich mit anglo-indi­scher Theosophie vermengt und als Gnosis und alles Mögliche hingestellt. In Wahrheit ist aber in den Katholizismus alles Mögliche eingeflossen, was ganz gewiß nicht christlich ist. So ist zum Beispiel aristotelisch und nicht christlich die Lehre von der Ewigkeit der Höllenstrafen. Um dies zu belegen, setze ich Brenta­nos Worte hierher, mit denen er Seite 146 seines Buches über Aristoteles und seine Weltanschauung die Lehre des Aristoteles wiedergibt: «... Wenn die abgeschiede­nen Menschengeister den Weltplan schauen und sich selbst mit ihrem Erdenleben darein verflochten sehen, so erkennt der eine sich als identisch mit einem, der Edles übt, und ein anderer mit einem, der schmähliche Taten vollbringt. Es ist die Erkenntnis, zu der sie gelangen, zugleich ein ewiges, verherrlichendes oder ver­dammendes Weltgericht. . . . »

Ebenso ist die Lehre des Kreatianismus aristotelisch. Diese Lehre besteht darin, daß die Präexistenz geleugnet wird und gedacht wird, daß das menschliche höhere Wesen, das in die Verkörperung steigt, gelegentlich der Zeugung von Gott geschaffen wird. Ebenso ist die Messe großenteils eine Fortsetzung ägyptischer Einweihungsvorgänge. So würde eine genaue Untersuchung zeigen, wie der Katholizismus in sich Elemente enthält, die älteres vorchristliches Geistesgut darstellen, teilweise orientalischen Ursprunges. Die Behauptungen, welche ähnli­ches über Anthroposophie aussagen, sind nicht nur falsch, sondern projizieren gerade das auf die Anthroposophie, was für den Anschuldiger selbst charakteri­stisch ist. Anthroposophie hat an sich etwas wie einen Spiegel. Der Gegner sieht in denselben und entwirft, indem er angeblich Anthroposophie schildert, sein Por­trät. Anthroposophie lehrt nun tatsächlich die Präexistenz. Dadurch verstößt sie gegen das Konzil von 869. Dieses hatte den Geist auszurotten. Aller Orientalis­mus, der immer auf das Vorgeburtliche hinwies, wurde durch Aristotelismus verdeckt. Nur vom Nachtodlichen durfte geredet werden. Dies gilt auch für die evangelischen Theologen. Man begann damit an den Seelenegoismus zu appellie­ren. Die Seele hat ein Interesse, den Tod zu überdauern, nicht aber schon vorher dagewesen zu sein. Eine Art Horror vor dem Vorgeburtlichen, geistig Kosmi­schen entstand, aus dessen Regionen die Seele in die Geburt herabsteigt. Dieser Horror ist zum Beispiel an Professor Traub gut zu beobachten. Er hat Angst, daß die ethische Bedeutung des Mysteriums von Golgatha verlorengeht, wenn man seine kosmische in den Vordergrund rückt. Dieser Angst liegt eine wichtige Tatsache zugrunde. Diese Tatsache sei an einem symptomatischen Fall aufgezeigt. Thomas Morus hat die Ergebnisse übersinnlicher Erlebnisse in seiner Schrift Utopia (= Nichtörtlichkeit) dargestellt. Er schildert, wie auf seine Insel zwar ägyptische und römische Weise kommen, nicht aber das Christentum. Das heißt, Thomas Morus muß sich durch die Erlebnisse, welche er hat, die Meinung bilden, daß in der übersinnlichen Welt, die er schildert, der Christus nicht zu finden ist. Trotzdem hat die katholische Kirche den Thomas Morus selig gesprochen. Also die Wege derer, die selig gesprochen werden, in die höheren Welten, sind so, daß

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sie dort den Christus nicht finden. Man kann also begreifen, daß eine Art Horror sich ausbildet vor dem Betreten der übersinnlichen Welt. Es hat schon seine Untergründe, wenn man auf gewisser Seite den Geist-Kosmos, aus dem Christus einst auf die Erde herabstieg oder aus dem die Seele in die Geburt herabsteigt, so denken muß, daß er unverträglich sei mit Ethik oder Moral. Und man muß begreifen, wozu man von dieser Seite den Aristotelismus brauchte, der die Präexi­stenz ableugnet. Sei sehen an diesem Fall, auf den Dr. Steiner aufmerksam gemacht hat, daß gewisse Realitäten den Horrors der Gegner zugrundeliegen, die ja nicht allen, die solch einen Horror haben, bewußt sein müssen.

Ein anderes ist mir bewußt geworden in einem langen Gespräch, das ich einmal mit unserem Gegner Gogarten geführt habe. Der hatte einen anderen Horror. Er nahm Anstoß daran, daß wir zwischen Gott und den Menschen die Hierarchien schalten. Aus dem, was Gogarten mir erzählte, mußte ich entnehmen, daß er innere Erlebnisse habe. Er schilderte, wie er sich mit Gott vereinigt fühle, ja erlebe. Er schilderte Gott. Wenn ich seine Schilderung auf das anwende, was wir kennen, so müßte ich sagen, er schilderte, was wir einen Engel nennen. Nun müssen wir Gogarten verstehen. Wir schieben ja auch zwischen den Engel und den Menschen nicht Hierarchien ein. Wir glauben doch auch, daß der Engel unmittelbar über dem Menschen steht. Aber wir beten dieses Wesen, das so unmittelbar über dem Menschen steht, nicht an. Denn der Engel ist ja das höhere Selbst des Menschen, und jeder Mensch hat seinen besonderen Engel. Wenn also jemand zu seinem Engel betet, so würde er einen Gott verehren, der nicht der allgemeine Menschen-gott ist. Selbstvergötterung wäre die Folge und außerdem hätte jeder seinen Gott und einen anderen, wie der andere.

Sehen Sie, aber das sind wieder Dinge, die man der Anthroposophie vorwirft. Selbsterlösung, ja Selbstvergottung treibe sie. Es gibt schon solche Dinge, darauf hat ja auch Dr. Steiner aufmerksam gemacht - aber nicht bei der Anthroposophie sind sie zu suchen. - Wenn man irgend etwas sagt über die Anthroposophie - sie sei das oder jenes - und sie ist es nicht - dann sind es ja doch irgendwelche Gedankenfor­men, die die Leute denken, die also auch irgendwo herstammen müssen. Meist ist es so, daß die, welche über Anthroposophie etwas behaupten, was nicht stimmt, der Anthroposophie aufhängen, was sie selber charakterisiert. So ist Anthroposo­phie ein Wesen, das sich wehrt, mit einem Schild, der hell strahlt, der spiegelt, der jedem sein wahres Antlitz entgegenhält. Und sieht man im Spiegel das wahre Gesicht, dann weiß man, wie sie alle unsere Gegner demselben Ziel zustreben.

Da leben sie in einem Geist-Kosmos, den sie unmoralisch denken, weil ihnen der Christus in diesem Geist-Kosmos nicht erscheint, oder weil sie ihn nicht erscheinen lassen wollen durch die Wege, die sie gehen. Da leugnen sie darum die ganze vorgeburtliche geistige Welt, oder wollen wenigstens nur einige wenige hineinlassen. Da beanspruchen sie die Seelen für eine irdische Kirche. Da lehren sie eine bloße Leibeswissenschaft und gestalten das soziale ökonomische Leben so, daß Willensinitiative erlahmt, daß Individualität erstirbt. Und darüber organisiert sich ein Netz der Macht.

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Wohin führt das? Es führt dazu, daß nach Ertötung von Geist und Seele bloße Leibesautomaten bleiben ohne Urteil, ohne eigenes Wollen, hingeordnet auf Höhere, denen sie gehorchen. Ein untermenschliches Geschlecht, gelenkt und geleitet von einer oder mehreren dirigierenden Gruppenseelen. Die wollen die Erde umschweben, die Erde, die einst in Staub zerfallen soll, verewigen und bevölkern mit jenen untermenschlichen Wesen. Das ist ein furchtbares kosmi­sches Ziel. Daran arbeiten sie alle bewußt oder unbewußt. Dann ist das Erdenziel dahin. Dann wird keine Jupiterentwicklung möglich sein.

Einen Nebel schaffen diese Mächte, die das anstreben. Einen Nebel, in dem ununterscheidbar werden Irrtum und Wahrheit. Gedankenflocken, Affektfetzen schwirren in diesem Nebel. Herausgerissene Zitate, Gedankenfetzen, umhüllt mit dem, was Instinkte als Hülle geben können, eine elementarische Nebelflut, ziehen sie um die Erde. In diesem Nebel gebiert sich die Macht. Alle unlautere Macht stützt sich auf Lügenfeldzüge. Diese Machtinstinkte stehen heute auf aus allerlei Gruppenseelen. Farnilien-, Rassenseelen stehen auf gegen die Bewegung, die auf sich zur Freiheit ringende Individualität gestellt ist. Anthroposophie kämpft um ein kosmisches Ziel. Das letztemal durfte ich Ihnen zeigen, wie der Zeitgeist unsere Gesellschaft ergreifen will, heute muß ich weisen auf den Geist des Plane­ten. Für die Erdenzukunft kämpft Anthroposophie. Hell leuchtet ihr Schild, hell blinkt ihr Schwert. Aber dies Schwert ist das Wahrheitswort, das keine Macht entfaltet, die da herrscht, das Liebe entwickelt, die da bildet. Nicht Ritter vom Schwert, sondern Ritter vom Wort müssen die sich fühlen, die da kämpfen für die Erdenzukunft. Denn Himmel und Erde werden vergehen, auch wenn dunkle Mächte verewigen wollen, was Staub werden soll - aber das Wahrheitswort wird bleiben, wenn wir uns fühlen als verantwortlich für Erden- und Menschheitsent­wickelung und Zukunft durch die Liebe zu allen Wesen, die Menschen und Genossen des Menschen sind.

Herr Rektor Moritz Bartsch, Breslau: Frl. Dr. Rabel meinte, wir seien in unseren Ansichten und Entschlüssen zu sehr von der Autorität des Herrn Dr. Steiner abhängig. Wir nehmen alles gläubig von ihm hin, sehen die Widersprüche bei ihm nicht usw. Stimmt das? Sind wir so unfreie Menschen oder haben wir eine andere Auffassung von Freiheit als viele Gegenwartsmenschen? Nun, es wird wohl vielen von Ihnen so ergangen sein wie mir. Bei einer oberflächlichen Befas­sung mit Steinerschen Werken stoßen einem zunächst Widersprüche auf. Ich habe vor vielen Jahren dieserhalb Herrn Dr. Steiner selbst einmal befragt. Herr Dr. Steiner ist ein richtiger moderner Arbeitspädagoge. Er stößt einen nicht mit der Nase auf die Sache, sondern erwartet, daß man sich anstrenge, um des Rätsels Lösung selbst zu finden. Auch mich wies Herr Dr. Steiner darauf hin, solche Aussprüche aus den Zusammenhängen heraus zu verstehen, dann werde ich schon erkennen, daß wirkliche Widersprüche nicht vorhanden seien. Das tat ich; es gelang mir nach Jahren mühsamen Suchens den roten, niemals unterbrochenen Entwickelungsfaden in Steiners Werdegang zu finden: die «Widersprüche» lösten

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sich auf. Heute ist mir s schier unbegreiflich, wie man einmal so töricht sein konnte, so entsetzlich oberflächlich. In den Einleitungen zu Goethes naturwissen­schaftlichen Schriften, die doch schon in den achtziger Jahren des vorigen Jahr­hunderts von Dr. Steiner verfaßt wurden, wird u. a. der Gedanke von der Kom­munion mit dem Weltengeiste im Erkenntnisakte vertreten. Zu meiner Entschul­digung muß ich allerdings anführen, daß ich damals diese Bücher noch nicht studiert hatte. - Beim Studium der Geisteswissenschaft macht man überhaupt merkwürdige Erfahrungen. Unserem intellektualistisch durchtränkten Bewußt­sein wird es zunächst recht schwer, Steiner zu verstehen; da man sich selbst eben als einen sehr klugen Menschen betrachtet, hält man die geisteswissenschaftlichen Schriften für unklar, verworren oder für töricht und falsch. Mit der Zeit bemerkt man, daß solche dunkle Stellen gerade sehr tiefe Wahrheiten ausdrücken. Man sieht ein, daß Fichte recht hat, wenn er meint, zum Philosophieren müsse ein Mensch geboren werden oder sich dazu erziehen. Ja, der Mensch muß zum Empfange der Wahrheit heranreifen. Wie ein Mensch ist, ist seine Weltanschau­ung, muß man gleich Fichte erkennen. Die Klugheit allein weiß nichts vom Inhalte der Welt; Denken gibt nur die Form hin für den Ideengehalt des Seins. Um ihn empfangen zu können, muß der Mensch seinen Charakter läutern, muß vor allen Dingen Beachtung und Ehrfurcht gegenüber der Weltenweisheit besitzen. Den Weg über die Bescheidenheit zur Ehrfurcht findet man, wenn man beim Studium der Steinerschen Schriften das eigene Reifen erlebt und erkennt, daß die Grenzen seiner Erkenntnis doch noch nicht die Grenzen der Erkenntnis aller Menschen sind, daß es Geister mit viel weiterem Horizonte gibt als es der eigene ist. Da wird man bescheiden und dankbar gegenüber Menschen, deren Horizont sogar über die Pforte des Todes in die übersinnliche Welt hineinreicht. Einem solchen Men­schen gegenüber entsteht als eine menschliche Selbstverständlichkeit das Gefühl der Verehrung. Und ist es denn für den modernen Menschen ein so großes Verbrechen, wenn er wieder lernt, verehrend zu einem Größeren aufzuschauen, wenn er von seinem selbstüberheblichen Subjektivismus geheilt wird!? Gibt er damit seine Freiheit auf? Keineswegs! Ich habe noch heute zu Herrn Dr. Steiner ein ganz freies Verhältnis. Ich vertrete das von der Geisteswissenschaft, was ich mir in jahrelanger Arbeit zum Eigentum gemacht habe, und was ich noch nicht verstehe, lasse ich vorläufig liegen in der Hoffnung, daß ich vielleicht doch noch an diese tieferen Wahrheiten heranreife. Freilich, ehe man diesen Standpunkt errun­gen hat, fürchtet man manchmal um seine Selbständigkeit. Ich habe vor Jahren über diese Angelegenheit mit Herrn Dr. Steiner einmal ein Gespräch geführt. Ich glaubte, daß ich dadurch in eine gewisse Unselbständigkeit hineingeriete, daß ich in Vorträgen Steinersches Geistesgut vertrete. Ich konnte mich aber davon über­zeugen lassen, daß es im Geistgebiete ähnlich ist wie auf dem physischen Plane:

der Landwirt hat den Acker auch nicht hervorgebracht, aber was er mit seinem Fleiß darauf erzeugt, betrachtet er als sein Eigentum. Das Geistesgut wird der Mehrheit der Menschen auch geschenkt von wenigen schöpferischen Geistern; was sich der einzelne durch Fleiß davon erringt, darf er als sein Eigentum betrachten.

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Der heutige Mensch hat einen falschen Freiheitsbegriff. Er sucht ihn in jenem Subjektivismus, der alles besser zu wissen glaubt und jedwede Sache bekrittelt. Wahrhaft frei ist aber nur der Mensch, der den Ideengehalt der Welt zu seinem Gedankengehalt gemacht hat und ihn zu Motiven seines Handelns werden läßt. Ein solcher Mensch folgt sich selbst und darf sich folgen; er ist frei. Zu solcher Freiheit kommt man aber nicht durch Überhebung, sondern durch Demut. Sophia neigt sich nur zu dem herab, der ihr Verehrung entgegenbringt. - Man sieht:

Unsere Verehrung gegenüber Herrn Dr. Steiner führt nicht zur Unfreiheit, im Gegenteil, sie ist die Vorläuferin wahrer Freiheit. - Redner äußert sich dann noch in humorvoller Weise zur Jugendbewegung und erklärt seine Zustimmung zur Wahl in den Vorstand der Freien Anthroposophischen Gesellschaft.

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Schlußworte von Herrn Emil Leinhas

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(Die Veranstaltung hat furchtbar viel Geld gekostet..., draußen sind Körbe zum Sammeln von Geld aufgestellt.)

Das Komitee hat einen Entschluß gefaßt: In Kürze als Mitteilungsblatt einen Bericht über diese Delegiertenversammlung zu erstatten, der dann allen Mitglie­dern zugänglich gemacht werden kann.

Ich glaube, daß in uns allen die Überzeugung lebt, daß wir in diesen Tagen ein wichtiges Stück Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft miteinander durchlebt haben. Mit bangen Sorgen sind wir ja eingetreten, nach den heftigen Vorbereitungen, die stattgefunden haben, in die Delegiertenversammlung. Und die Delegiertenversammlung selbst hat durch ihren Verlauf bewiesen, daß diese Sorgen nicht unbegründet waren. Und wenn wir durch mancherlei Chaos, das da aufgetreten ist, glücklich hindurchgekommen sind, so verdanken wir das ja in erster Linie dem, daß im geeigneten Moment in der richtigen Weise eingegriffen worden ist von Herrn Dr. Steiner selbst. Ihm muß daher auch am Ende dieser Delegiertenversammlung unser Dank für die tatkräftige Hilfe erstattet werden. Wenn wir mit froher Zuversicht nun in die Zukunft hineinschauen, so ist das in erster Linie diesem Eingreifen Dr. Steiners zu danken.

Dann richtet sich auch unser Dank an Frau Dr. Steiner und die Eurythmistin­nen, die dazu beigetragen haben, daß nicht nur unangenehme Dinge Platz gegrif­fen haben, sondern daß auch die Möglichkeit vorhanden war, Erholung zu finden im Bereich der Kunst und Schönheit.

Dank im Auftrag des Komitees an die verschiedenen Referenten, die sich ja, mögen sie nun mehr oder weniger Beifall gefunden haben, redliche Mühe gegeben haben, ihr Referat zu halten.

Dank auch den Diskussionsrednern, die ja dafür gesorgt haben, daß die Dinge hier in einen gewissen Fluß hineingekommen sind. Nicht vergessen werden dürfen neben den Rednern die Delegierten und Mitglieder, die hierhergekommen sind, und die sich angestrengt haben, hier als Aufnehmende so manches über sich ergehen zu lassen. Ganz besonders danken müssen wir der Jugend, die durch ihr

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Eingreifen das erstemal in der Anthroposophischen Gesellschaft eine gewisse Frische und Lebendigkeit in die Beratungen hineingebracht hat. Mögen sie sich diese erhalten, einige Anzeichen dafür sind ja vorhanden.

Es ist halt doch die schönste Gesellschaft auf der Welt, sagte mir gestern einer unserer Freunde, und die Freude war ihm anzumerken trotz aller Trübungen. Ein anderer Freund von auswärts sagte: Ja, als ich im Sommer hier war, da war mir die Kehle wie zugeschnürt, das kam von der eisigen Luft; aber jetzt habe ich wieder Hoffnung.

Einen gewissen Erfolg hat dieses Beisammensein doch gehabt. Möge es dar-über hinaus auch dahin wirken, daß das Verständnis für die Aufgaben der Anthro­posophischen Gesellschaft in all unseren Köpfen und Herzen und Seelen in der richtigen Weise Platz greife. Möge darüber hinaus nicht nur Verständnis vorhan­den sein, sondern der Wille sich entzünden, die Aufgaben zu erfüllen. Ein Anfang muß gemacht werden, dann wird sich aus den Arbeiten heraus auch das richtige Tun finden. Nicht aus Diskussionen und Erwägungen heraus kann der Fortgang der Arbeit geschehen, sondern dadurch nur, daß wir in der Arbeit selbst und mit der Arbeit selbst die Kraft finden zu immer größerer und weiterer Arbeit.

Der Segen muß im Tun liegen, nicht im Reden darüber, was die anderen zu tun haben. Das Tun selbst, nicht reden, sondern Arbeit, soll unsere Aufgabe sein. Wenn wir die Dinge so auffassen, können wir froh in die Zukunft hineinschauen.

Möge in uns allen recht lebendig werden ein solches Aufschauen zu unserer Sache, ein Aufschauen auch zu dem Vorbild, das vor uns gelebt wird, das uns Mut und Kraft und Stärke gegenüber der Schwere der Aufgaben, die vor uns liegen, geben kann. Möge die Tagung mit dazu beitragen, daß in unserer aller Herzen recht lebendig werde, daß wir alle sagen und fühlen, nicht nur, wenn wir hier beisammen sind, sondern auch, wenn wir hinausgehen an unsere Arbeit, daß geadelt werden muß unsere Arbeit durch die Überzeugung, daß wir vertreten die herrlichste Sache, die es heute in der Welt gibt.

Damit schließe ich die Versammlung.

#TI

Dr Ing. Carl Unger, Dr. phil. Walter Johannes Stcin

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Nachwort

#TX

Wenn man, nachdem nun einige Zeit vergangen ist, seitdem die Delegiertenver­sammlung stattgefunden hat, versucht, sich das Bild dieser für die Anthroposo­phische Gesellschaft so wichtigen Veranstaltung vor die Seele zu stellen, so fühlt man sich dadurch nicht gerade sehr erhoben. Gewiß zeigten sich auf dieser Versammlung manche erfreuliche Anzeichen dafür, daß die Sehnsucht nach neuem Leben in der Gesellschaft in vielen Herzen stark gefühlt wird. Auf der anderen Seite mußte aber gerade dadurch auch die Tatsache voll in die Erschei­nung treten, daß die Gesellschaft in ihrer gegenwärtigen Gestalt der überragenden

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Größe und Bedeutung ihrer Aufgabe noch ganz unangemessen ist. Das muß klar erkannt und offen ausgesprochen werden.

Anthroposophie ist eine Sache von umfassender Weltbedeutung. Die Schrif­ten ihres Begründers sind, trotzdem sie ganz gewiß nicht gewöhnliche Anforde­rungen an den Leser stellen, heute bereits über die ganze Erde hin in Auflagen-höhen verbreitet, wie diejenigen keines zweiten wissenschaftlichen Autors der Gegenwart. Viele von ihnen sind in alle Kultursprachen übersetzt, und es gibt wenige gebildete Menschen, die nicht irgend einmal versucht hätten, sich damit auseinanderzusetzen. Die öffentlichen Vorträge und Kurse Dr. Steiners werden in fast allen Ländern Europas aus allen Bevölkerungskreisen besucht. Man findet dort den einfachsten Handarbeiter und Studenten neben den Angehörigen der höchsten Aristokratie jeder Art. Die Presse der ganzen Welt beschäftigt sich, wenn auch zumeist in verständnisloser Weise, mit der Gestalt und dem Wirken Dr. Steiners. Die heftigste Gegnerschaft gegen Anthroposophie geht aus von den einflußreichsten Gesellschaften der Welt. Das Goetheanum in Dornach war das einzige neuzeitliche monumentale Bauwerk der Erde, das einen neuen Stil offen-harte. Eine spätere Kulturgeschichte wird einmal feststellen, was der Menschheit entzogen worden ist dadurch, daß dieses Bauwerk einem der furchtbarsten Ver­brechen zum Opfer gefallen ist, die seit langer Zeit begangen worden sind. Aus dem Geiste der Anthroposophie wurde eine neue Kunst geboren: die Eurythmie. Wer ihre wundersame Entfaltung in den letzten Jahren mit liebevollem Ver­ständnis verfolgt hat und ihre grandiosen Entwickelungsmöglichkeiten ahnt, dem kann die Hoffnung aufdämmern, daß spätere Jahrhunderte in ihr vielleicht doch einmal den ersten Anfang einer neuen Kultur erblicken werden. Die aus der Anthroposophie heraus begründete Waldorfschul-Pädagogik hat bereits in den ersten vier Jahren ihres Bestehens die Aufmerksamkeit und das Interesse der ganzen pädagogischen Welt auf sich gelenkt. Man kann fühlen, daß, wenn erst einmal voll verstanden werden wird, was diese Pädagogik für die heranwach­sende Menschheit und damit für die Kultur der Zukunft bedeutet, es wie ein erlösendes Aufatmen durch die ganze Welt gehen wird. Auf manchen anderen Lebensgehieten konnten die Impulse der Anthroposophie infolge des geringen Verständnisses, das die Welt ihnen entgegenbrachte oder weil die Niedergangs-kräfte auf diesen Gebieten bereits zu sehr überhandgenommen hatten, nicht, oder noch nicht, zur vollen Auswirkung gelangen. Trauernd stehen wir am Grabe so mancher Menschheitshoffnung, der Anthroposophie hätte Erfüllung bringen können, wenn ihre Anregungen von den in Betracht kommenden Krei­sen rechtzeitig mit vollem Ernst und vollem Verantwortungsgefühl aufgenom­men worden wären. Zahlreiche wertvollste Keime hat hier eine geist- und kultur-lose Zeit grausam vernichtet. Unterdessen nimmt die innere Entwickelung der Anthroposophie durch die regelmäßigen Vorträge Dr. Steiners am Goetheanum in einem einfachen Schreinersaal) einen Fortgang, der jeden, der des Glückes teilhaftig wird, sie zu hören, mit tiefster Ehrfurcht und grenzenloser Bewunde­rung erfüllen muß. Diese Vorträge, von denen häufig ein einziger genügen

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würde, einem Menschenleben Inhalt zu geben, werden durch die Jahrhunderte wirken. Vielleicht schon in nicht allzuferner Zeit wird niemand verstehen, daß sie nicht schon zu ihrer Zeit in weitesten Kreisen Stürme von Erschütterung und Begeisterung hervorgerufen haben. (Von dem, was manche Schüler Dr. Steiners auf einzelnen Gebieten bereits geleistet haben oder doch zu leisten imstande sind, soll in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden. Aber auch dies ist, gemessen an anderen Kulturerscheinungen der Gegenwart, nicht ohne Belang.)

Das ist nun die Anthroposophie! Von manchen erfühlt, von wenigen nur in ihrer vollen Bedeutung erkannt. Eine Sache, so groß und herrlich, daß das gegen­wärtige Geschlecht, das seine Daseinsfreuden nur noch in den Niederungen des Lebens sucht, den Blick, wie durch ihre Schönheit geblendet, von ihr abwendet.

Diese Sache zu vertreten, wäre die Aufgabe der Anthroposophischen Gesell­schaft. Wie sie das bisher tat, dafür bot diese Delegiertenversammlung ein nicht sehr erfreuliches Bild. Wahrlich, Anthroposophie bedarf einer anderen Vertre­tung. Sie fordert eine Gesellschaft, die ihrer würdig sei; die achtunggebietend dasteht in der Welt; eine Gesellschaft, der anzugehören für jeden kultivierten Menschen als Ehre empfunden werden müßte; eine Gesellschaft, deren Mitglieder ohne Hochmut, aber in vornehmem Stolz, als Anthroposophen vor die Welt hinzutreten verstehen; die sich weder in sektiererischen Zirkeln abschließen, noch auf den Märkten umherziehen und durch auffälliges Benehmen die Aufmerksam­keit auf sich zu lenken versuchen.

Nun müht man sich um die Konsolidierung der Gesellschaft. Man fühlt: es muß anders werden. Aber gegenüber der Frage: Wie? herrscht allgemeine Ratlo­sigkeit. Man zerquält sich das Hirn und man erhitzt sich die Köpfe. Man ergreift Maßnahmen und sinnt auf Organisationsformen. - Aber vielleicht kommt es auf alle diese Dinge gar nicht in erster Linie an! Vielleicht sieht man auch hier den Wald vor lauter Bäumen nicht - oder vor lauter Gestrüpp, in das man sich verfängt. Vielleicht ist es viel wichtiger, daß man - anstatt sich in äußeren Anstren­gungen zu ermüden und in äußeren Maßnahmen zu erschöpfen - sich mehr besinnen würde auf Anthroposophie selbst und auf die ungeheure Bedeutung, welche sie für die Zukunft der Menschheit besitzt, und daß man ein Herz habe für diese Sache und ein lebendiges Interesse für alles, was mit ihr zusammenhängt, und eine große Liebe! Und in sich jene starke Hoffnung, die vertraut, daß zuletzt doch, was groß und göttlich ist, bestehen wird!

Welche Anstrengungen sind doch gemacht worden im Interesse der Gesell­schaft! Wieviel Arbeit und Mühe ist aufgewendet worden! Wieviel schlaflose Nächte sind geopfert worden - ohne daß eine durchgreifende Wirkung erzielt werden konnte! Am mangelnden Fleiß kann es nicht liegen. Geschäftigkeit ist genug vorhanden. Aber es fehlt - im ganzen genommen - doch noch immer die rechte Liebe zur Sache. Nicht als ob sie nicht da und dort vorhanden wäre! Aber sie ist noch nicht da als der große Zug, der durch die ganze Gesellschaft geht. Der ist aber die notwendige Voraussetzung für jede gedeihliche Arbeit in der Gesell­schaft. Denn nur, wenn die Gesellschaft als solche erfüllt ist von wirklicher Liebe

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zur Sache, kann jenes lebendige Interesse, jene warme innere Anteilnahme zustan­dekommen, die dann alle einzelnen Glieder ergreift, und ohne die eine geistige Bewegung sich in der Welt nun einmal nicht durchsetzen kann.

Was vor den Besten der Zeit bestehen soll, muß durch einen aus voller Seele quillenden, reinen Enthusiasmus getragen sein. Die Liebe und die Begeisterung öffnen den Mund des Sängers, daß er die Schönheit der Welt in Liedern preist. Diese Lieder sind es, die uns fehlen. Wie oft sprechen wir doch über Anthroposo­phie in einer Sprache, die ohne innere Schönheit ist und ohne den zündenden Funken der Begeisterung! Weil unser Mund nicht überläuft, wovon das Herz voll ist - und nicht nur der Kopf.

Weil jene Liebe nicht vorhanden ist, die scheu und andächtig verehren will, fehlt auch so vielfach der rechte Takt, die Bewegung in würdiger Weise vor der Welt zu vertreten; es fehlt jene glückliche Fähigkeit, in jedem Augenblick zu wissen, was man für die Sache tun kann, und arn rechten Ort stets auch das rechte Wort zu finden.

Wo die Liebe spricht, da wird alles einfach und groß. Da schweifen nicht die Gedanken mühsam in nebulose Fernen, sondern die Hände greifen nach dem Zunächstliegenden, und tun es mit Freuden. Sie finden darin ihr Glück. Da wird aus harter Pflicht Neigung. Und alles Schwere wird leicht. Da entsteht eine Atmosphäre, in der man arbeiten kann; weil die Arbeit jedes einzelnen gestützt und getragen wird von der Anteilnahme und dem Interesse aller anderen.

Diese Stimmung, dieses Gefühl, diese seelische Atmosphäre, bilden eine fun­damentale Voraussetzung für eine gedeihliche Arbeit in unserer Gesellschaft. Eine Voraussetzung, die bisher nicht gegeben war, die aber geschaffen werden muß, wenn Segen auf unserer Arbeit ruhen soll. Sie kann nur erwachsen aus inniger, aus ernster Erkenntnisarbeit geborener Liebe zur Sache. Möchte diese immer mehr zu einem Grundzug der Gesellschaft werden! Denn: gibt es eine Sache, die man mit größerem Recht lieben kann, als die Anthroposophie?! Gibt es eine Sache, die man mehr lieben kann als diese?! -

Aus der rechten Liebe zum Werke wird sich dann auch die rechte Liebe zu den Menschen entwickeln, die am Werke mitarbeiten. Die aber wird uns lehren, an unseren Mitarbeitern nicht nur die Schwächen und Unvollkommenheiten zu sehen (wie das jetzt in so ausreichendem Maße geschieht), sondern auch ihre positiven Qualitäten, die doch in unserer Gesellschaft in einem Maße vorhanden sind, wie in keiner anderen Gemeinschaft der Welt. Lernen wir diese Qualitäten zu sehen und anzuerkennen! Dadurch werden wir Kräfte entbinden, die mehr bewirken können als die scharfsinnigste Kritik es je zu tun vermöchte. - Nicht soll gegen die leider allzu berechtigte Kritik als solche etwas gesagt werden. Nur gegen ihre Ausschließlichkeit. Nur dagegen, daß sie nicht immer aus blutendem Herzen kommt, und daß sie nicht immer gepaart ist von dem Wunsche, anzuerkennen, was anerkennenswert, und zu lieben, was liebenswert ist.

Emil Leinhas.

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Rundschreiben des Vorstandes an die in Aussicht genommenen Vertrauensper­sönlichkeiten

Der Vorstand

der Anthroposophischen Gesellschaft

Stuttgart, im März 1923

Wie Sie bereits wissen werden, haben wir nachstehend Unterzeichnete bei der Delegiertenversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft, die vom 25. -28. Februar hier in Stuttgart tagte, als neuer Vorstand die Leitung der Anthroposophi­schen Gesellschaft übernommen. Dies geschah mit einmütiger Zustimmung der Versammlung und durch Kooptation seitens des alten Zentralvorstandes. Da wir in der Fülle der Arbeit noch einen aktiven Mitarbeiter brauchen, haben wir Herrn Dr. Walter Johannes Stein noch nachträglich in den Vorstand kooptiert. Demge­mäß hat er dieses Schreiben mitunterzeichnet. Eine unserer dringendsten Pflich­ten, schon im Sinne des «Entwurfes der Grundsätze einer Anthroposophischen Gesellschaft», ist es, einen Vertrauensorganismus zu schaffen. Dazu ist der erste Schritt, daß wir uns an solche unserer Freunde wenden, von denen wir wissen, daß sie von den gleichen Idealen für unsere Sache beseelt sind, von denen wir uns selber in unserer Arbeit leiten lassen wollen. Hierzu wollen wir zwei Einrichtungen ins Leben rufen:

1. einen erweiterten Vorstand

2. eine Körperschaft von Vertrauenspersönlichkeiten.

Der Zweck dieses Schreihens ist es, Sie zu hitten, in den Kreis der Vertrauens-persönlichkeiten einzutreten und uns ihr Einverständnis mitteilen zu wollen. Der erweiterte Vorstand ist in Bildung begriffen, und wir werden Ihnen mitteilen, welche Freunde ihm angehören, sobald er sich konstituiert haben wird. Der erweiterte Vorstand wird eine Körperschaft bilden, deren Verhältnis zum hiesigen Vorstand sich in der lebendigen Zusammenarbeit aller Beteiligten im einzelnen noch ergeben wird. Die Mitglieder dieses erweiterten Vorstandes werden zwar die Gesichtspunkte der Gesamtgesellschaft vertreten müssen, aber in viel höherem Grade in der Arbeit an den einzelnen Orten darinnen stehen, als dies einer einzigen zentralen Leitung möglich wäre. Die Mitglieder des erweiterten Vorstan­des werden ohne weiteres auch alle Befugnisse haben, welche den Vertrauensper­sönlichkeiten zugedacht sind.

Da wir unsere Aufgaben ganz im Sinne des «Entwurfes der Grundsätze einer Anthroposophischen Gesellschaft»[*] auffassen, wird auch für die Arbeit der Vertrauenspersönlichkeiten maßgebend sein, was hierüber auf Seite 4 und 5 des Entwurfes gesagt ist. Es wird ihnen demnach «obliegen, die Anmeldung von Mitgliedern entgegenzunehmen», und sie werden «für die von ihnen vorzuschla­genden Mitglieder die Garantie gegenüber dem Vorstande übernehmen.»

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[*] Siehe unter Hinweise.

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Angesichts des Ernstes der Lage, in der sich unsere Gesellschaft befindet, dürfen wir wohl voraussetzen, daß Sie die Wichtigkeit, welche der Aufnahme neuer Mitglieder zukommt, kennen. Es erwächst hier ein ungewöhnliches Maß von Verantwortung, denn es gilt, den vielen Menschen, welche sich in ihrem Wesensgrund nach Anthroposophie sehnen, den Zutritt in unsere Kreise zu ermöglichen, ja geradezu solche Menschen aufzufinden. Aber zugleich bedarf es der größten Sorgfalt, um zu vermeiden, daß unserer Gesellschaft durch neu hinzutretende Mitglieder Schaden geschieht. Unsere schlimmsten Gegner schöp­fep aus dem Material, das von ehemaligen Mitgliedern stammt. Selbstverständlich wissen wir aus eigener Erfahrung, wie ungeheuer schwer es ist, gerade in der Mitgliederaufnahme das Richtige zu treffen.

Aber es ergibt sich doch wohl eine Möglichkeit, diesen Aufgaben gerecht zu werden durch ein inniges Zusammenwirken der Vertrauenspersönlichkeiten mit den Leitern der Arbeitsgruppen und denjenigen Freunden, welche Einführungs­Kurse und öffentliche Vorträge über Anthroposophie halten, soweit nicht diese Tätigkeiten zusammenfallen. Immer wird es notwendig sein, daß diejenigen Freunde, welche bei der Neuaufnahme von Mitgliedern mitwirken, es sich zur Herzensangelegenheit machen, daß die neu Aufgenommenen auch in richtiger Weise innerhalb der Gesellschaft empfangen werden. In größeren Arbeitsgruppen werden dafür geradezu besondere Einrichtungen zu treffen sein. Wir werden uns erlauben, bei nächster Gelegenheit hierüber einige Gedanken zu übermitteln, und sind immer dankbar dafür, wenn uns Erfahrungen der Freunde draußen mitgeteilt werden.

Die Anthroposophische Gesellschaft hat ihr Leben von den in ihr wirkenden geistigen Impulsen. Für einen jeden Menschen bedeutet sein Eintritt in unsere Gesellschaft einen wichtigen Abschnitt seines Lebens. Der Empfang in unserer Mitte kann Ausdruck werden für diese geistige Tatsache; dann werden wir wach­sen an gemeinschaftsbildender Kraft. Von dieser gemeinschaftsbildenden Kraft sprach Dr. Steiner in seinen Vorträgen vom 27. und 28. Februar.* Es gilt die Wege zu suchen, diesen Impulsen Auswirkung zu geben bis in die Handhabung solcher konkreter Dinge wie die Mitgliedsaufnahme.

Es wird die Aufgaben der Vertrauenspersönlichkeiten erleichtern, wenn sie sich als eine geschlossene Körperschaft betrachten, die in ihrer Zusammengehö­rigkeit dem einzelnen Halt gewähren kann. Wir möchten mit jeder Vertrauensper­sönlichkeit in recht regem Verkehr stehen, würden es aber freudig begrüßen, wenn auch die Vertrauenspersönlichkeiten eines Ortes und benachbarter Bezirke mit­einander und mit den Mitgliedern des erweiterten Vorstandes in recht lebendige Beziehung treten. Auch hier kann ein Stück gemeinsamer anthroposophischer Arbeit erwachsen.

Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie sich zu den hier nur ganz kurz angedeute­ten Fragen äußern wollten, denn daraus wird sich viel Ersprießliches ergeben für

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* Erscheinen demnächst - nur für Mitglieder - im Philosophisch-Anthroposophischen Verlag Berlin. Näheres wird bekanntgegeben. LJetzt in GA 257]

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die Aufgabe unserer Gesellschaft, der Anthroposophie in den Herzen der Men­schen Raum zu verschaffen.

Mit herzlichen anthroposophischen Grüßen

Der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft

Jürgen von Grone, Dr. Eugen Kolisko, Emil Leinhas, Johanna Mücke, Dr. Otto Palmer, Dr. Friedrich Rittelmeyer, Dr. Walter Johannes Stein, Dr. Carl Unger,

Wolfgang Wachsmuth, Louis Werbeck.

Eine Liste derjenigen Persönlichkeiten, welche ein gleiches Schreiben erhalten, liegt bei.

Vorläufige Liste der Vertrauenspersönlichkeiten:

1. Frl. Lina Arnold, Bochum, Bergstr. 125

2. Herr Franz Alwes, Breslau, Heiligengeiststr. 7

3. Herr Adolf Arenson, Stuttgart-Cannstatt, Paulinenstr. 13

4. Herr Moritz Bartsch, Breslau, Gottschallstr. 8

5. Herr Otto Baster, Düsseldorf, Kaiser-Wilhelm-Str. 12

6. Herr Michael Bauer, Breitbrunn am Ammersee

7. Herr Max Benirschke, Düsseldorf, Gartenstr. 99

8. Herr Max Benzinger, Stuttgart-Ostheim, Rotenbergstr. 164 a

9. Herr Martin Borchart, Dresden, Schnorrstr. 49

10. Frau Luise Cayard, Frankfurt a. M., Suchaystr. 5

11. Herr Walter Classmann, Vohwinkel b. Elberfeld, Emilstr. 16 I.

12. Herr Willi Conrad, Köln, Hohenzollernring 37

13. Herr Prof. Hermann Craemer, Bonn, Rheinbacherstr. 13

14. Herr Otto Daeglau, Breslau, Schuhbrücke 81

15. Herr Felix von Damnitz, Elberfeld, Kluserhöhe 11

16. Herr Prof. Dr. Fritz Dauner, Konstanz, Schützenstr. 22

17. Herr Heinrich David, Bielefeld, Freiligrathstr. 7

18. Herr Claus van der Decken, Hannover, Bodenstedtstr. 13

19. Frau Clara Dennhardt, Magdeburg-Werder, Zollstr. 12 a

20. Herr Dipl.-Ing. Hugo Detert, Karlsruhe, Klauprechtstr. 35

21. Herr Anton Deutzmann, Barmen, Lindenstr. 14

22. Herr Dr. Friedrich Doldinger, Freiburg i. Br., Reiterstr. 20

23.* Herr Anton Dibbern, Hamburg 20, Geffkenstr. 10

24. Herr Wilhelm Eggers, Hannover, Voßstr. 43

25. Herr Dr. Otto Eisenberg, Kassel, Obere Königstr. 22 I.

26. Herr Josef Elkan, München, Karlsplatz 24

27. Herr August Everbeck, Hannover, Meterstr. 211.

28. Herr Bernhard Gantenbein, Berlin, Krausenstr. 39/39 a

29. Herr Ernst Gerst, Eßlingen, Ehnisstr. 2

30. Herr Karl Greber, Heidelberg, Zähringerstr. 6

31. Herr Wilhelm Goyert, Köln, Habsburgerring 23

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32. Baronin Gumppenberg, München, Neuberghauserstr. 11

33. Herr Richard Hannemann, Wierow b. Greifenhagen in Pommern

34. Herr Hugo Harder, Karlsruhe i. Baden, Edelsheimerstr. S

35. Herr Walter Hartwig, Lörrach-Stetten, Dammstr.

36. Herr Horst von Henning, Weimar, Luisenstr. 19

37. Frl. Elfriede Herrmann, Halle a. 5., Humboldtstr. 40

38. Herr Friedrich Hirsch, Memmingen, Ulmerstr. 13

39. Frl. Dr. Caroline von Heydebrand, Stuttgart, Werastr. 13

40 Herr Bernhard Hubo, Hamburg, Hohenfelderallee 12

4 Herr Johannes Jung, Erfurt, Alsenstr. 18

42. Herr Dr. Josef Kalkhof, Freiburg i. Br., Katharinenstr. 1

43. Herr Carl Kälber, Eßlingen, Olgastr. 10

44. Herr Carl Keyserlingk, Koberwitz bei Breslau

45. Herr Karl Kieser, Stuttgart, Schützenplatz 16

46. Frl. Luise Kieser, Heilbronn, Mörikestr. 8

47. Herr Andreas Körner, Nürnberg-Loher Moos, Heroldsbergerweg 67

48. Herr Friedrich Kiem, Berlin-Steglitz, Hollsteinischestr. 30

49. Herr Werner Klein, Düsseldorf, Viktoriastr. S

50. Herr Wilhelm Korth, Berlin-Schmargendorf, Breitestr. 3 III.

51. Herr Eugen Kuenstler, Köln, Belfortstr. 9

52. Herr Georg Kugelmann, Rostock, Schröderstr. 42

53. Herr Friedrich Kutscher, Dresden-Weißer Hirsch, Querstr. 11

54. * Herr Dr. Willibald Lehmann, Bremen, Wartburgstr. 8

55. Graf Otto Lerchenfeld, Schloß Köfering bei Regensburg

56. Frl. Anna Mahn, Vitznau, Kanton Luzern (Schweiz), bei Frau v. Brandenstein

57. Herr Walter Mayen, Breslau, Lehmdamm 68 II.

58. Herr Alfred Meebold, A.-G. Stahlwerke-Weißenfels, Julisch-Venetien (Italien)

59. Frl. J. Charlotte Mellinger, Frankfurt a. M., Bürgerstr. 90

60. Herr Rudolf Meyer, Berlin, Cottbuser Ufer 25

61. Frl. Anna Mollwo, Lübeck, Overbeckstr. 8

62. Herr Emil Molt, Stuttgart, Spittlerstr. 8

63. Herr José del Monte, Stuttgart, Spittlerstr. 8

64. Frau Gertrud Müller-Tlialwitzer, Königsberg i. Preußen, Ht. Tragh. 19

65. Herr Emil Mund, Leipzig A, Posadowsky-Anlage 17 III.

66. Frau Henny Mustert, Osnabrück, Friedrichstr. 22 I.

67. Herr Dr. Ludwig Noll, Stuttgart, Gänsheidestr. 88

68. Herr Dr. Felix Peipers, Stuttgart, Gänsheidestr. 88

69. Herr Carl Picht, Ulm a. D., Olgastr. 4

70. Herr Dr. Hermann Poppelbaum, Frankfurt a. M., Holzhausenstr. 30

71. Herr Hans Raether, Berlin NW 87, Solingerstr. 3

72. Frau Thekla von Reden, Berlin, Motzstr. 54

73. Herr Dipl.-Ing. Alfred Reebstein, Durlach b. Karlsruhe, Schloßstr. 6

74. Herr Dr. Paul Reiche, Greifswald, Knopfstr. 4

75. Frau Helene Röchling, Mannheim, L. 9.10

76. Herr Prof. Dr. Oskar Römer, Leipzig, Windmühlenweg 25

77. Frl. Dorothea von Schmehling, Wiesbaden, Adelheidstr. 91

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78. * Herr J. G. W. Schröder, Stuttgart, Schwarenbergstr. 84

79. Herr Friedrich Schuster, Essen, Papestr. 59

80. Herr Hans Schwedes, Bensheim a. d. Bergstraße, Schönbergerstr. 35

81. Herr Richard Seebohm, Zwätzen bei Jena

82. Herr Albert Seel, Pforzheim, Zähringerallee 25

83. Herr Franz Seiler, Stuttgart, Champignystr. 17

84. Herr Wilhelm Selling, Berlin, Motzstr. 17

85.* Herr Carl Stahlbusch, Berlin-Zehlendorf, Annastr. S

86. Herr Carl Stavenhagen, Hamburg, Klosterallee 49

87. Frau Gertrud Stein, Fahr bei Neuwied, Haus Hohenstein

88.* Frau Johanne Stockmeyer, Waldhaus Malsch, Amt Ettlingen bei Karlsruhe

89. Herr E. A. Karl Stockmeyer, Stuttgart, Kanonenweg 44

90. Herr Dipl.-Ing. Alexander Strakosch, Stuttgart, Kanonenweg 44

91. Herr Otto Thorwirth, Gotha, Leesenstr. 23 a

92. Frau Joanna Thylmann, Darmstadt, Herderweg 62

93. Herr Wilhelm Trommsdorff, Stuttgart, Gerokstr. 65

94. Herr Ernst Uehli, Stuttgart, Hohenheimerstr. 67

95.* Frau Hildegard von Veltheim, München, Ohmstr. 15

96. Frl. Toni Völker, Stuttgart, Falkertstr. 72

97. Frl. Ellida Wagner, Quedlinburg a. H., Heiligegeiststr. S

98. Herr Günther Wagner, Frauenalb bei Karlsruhe i. B.

99. Herr Kurt Walther, Frankfurt a. 0., Gurschstr. 6

100. Herr August Wegfraß, Erfurt, Schmidstetter Ufer 4

101. Frau Anna Weißbrod, Freiburg, Badstr. 50

102. Frau Ella Weißhaar, Schloß Wildberg a. Nagold

103. Herr Wilhelm Wittkopf, Lehe a. W., Kronprinzenallee 40

104. Herr Prof. Dr. Hans Wohlbold, München, Adalbertstr. 55

105. Herr Max Wolfffiügel, Stuttgart, Maienstr. 2

106. Frau Elise Wolfram, Leipzig, Karlstr. 26

107. Herr Wilhelm Zeuch, Gera, Flanzstr. 8 II.

108. Frau Magda Zoeppritz-Ney, Mergelstetten, Felseck, Wttbg.

109. Frau Clara von Zychlinski, Bonn, Schumannstr. 43

Im Oktober 1923 wurde in Nr.8 der «Mitteilungen» das definitive Verzeichnis der Vertrauenspersönlichkeiten publiziert. Von den oben angeführten 109 Namen traten die mit einem * bezeichneten nicht mehr auf. Dafür waren folgende neu hinzugekommen:

Herr Cornelis Apel, Stuttgart, Landhausstr. 95

Herr Dr. Hermann v. Baravalle, Stuttgart, Landhausstr. 14

Herr Paul Baumann, Stuttgart, Kanonenweg 44

Herr Eugen Benkendoerfer, Cannstatt, Paulinenstr. 13

Herr Christoph Boy, Stuttgart, Rechbergstr. 4

Herr Oberst Max v. den Brincken, Sondershausen, Marienstraße 60

Herr Albert Dibbern, Stuttgart, Werfmershalde 10

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Frl. Emmi Dresler, Siegen i. Westf., Burgstr. S

Herr Wilhelm Fink, Stuttgart, Ameisenbergstr. 1

Herr Ludwig Gauf, Darmstadt, Annastr. 36

Herr Wilhelm Gaum, Pforzheim, Nagoldstr. 9

Herr Jürgen von Grone, Stuttgart, Villastr. 14

Herr Max Gümbel-Seihng, Kaiserslautern i. d. Pfalz, Finkenstr. 1

Herr Dr. Herbert Hahn, Stuttgart, Landhausstr. 95

Herr Georg Heins, Bremen, Besselstr. 40

Herr Dr. Karl Heyer, Stuttgart, Im Kühnle 4 B

Herr Dr. Friedrich Husemann, Stuttgart, Gänsheidestr. 88

Gräfin Pauline Kalckreuth, München, Adalbertstr. 55 III

Herr Georg Klenk, München, Arcisstr. 49 III

Herr Rudolf Köhler, Bremen, Humboldstr. 141

Herr Dr. Eugen Kolisko, Stuttgart, Kanonenweg 44

Herr Dr. Bruno Krüger, Stuttgart-Obertürkh., Cannstatterstr. 20

Herr Hans Kühn, Stuttgart, Ameisenbergstr. 1

Herr Theodor Lauer, Stuttgart, Kornbergstr. 7

Herr Emil Leinhas, Stuttgart, Werastr. 13

Frau Erdwine Lindemann, Brake (Lippe-Detmold), Detmolderstr. 113

Herr Dr. Rudolf Maier, Stuttgart, Werfmershalde 8

Freifrau Nora von Malchus, Ravensburg, Rudolfstr. 8

Frau Meta Meier, Bremen, Humboldtstr. 133

Herr Oskar Meyer, Freiburg i. Br., Weberstr. 4

Frl. Johanna Mücke, Berlin W 30, Motzstr. 17

Herr Martin Münch, Berlin, Zahlendorf-Mitte, Gertraudstr. 10

Herr Dr. Otto Palmer, Stuttgart, Gänsheidestr. 88

Herr Wilhelm Pelikan, Stuttgart, Fraasstr. 14

Herr Dr. Kurt Piper, Stuttgart, Urbanstr. 31 A

Herr Dr. Paul H. Praußnitz, Jena, Johann-Friedrich-Str. 1 pt.

Herr Otto Reebstein, Stuttgart, Landhausstr. 70

Herr Otto Rennefeld, Charlottenburg, Kantstr. 130 A

Herr Dr. Friedrich Rittelmeyer, Stuttgart, Urachstr. 41

Herr Dr. Ludwig Roesel, Leipzig, Georgiring S

Frl. Dr. Maria Röschl, Stuttgart, Landhausstr. 90

Herr Wilhelm Ruhtenberg, Stuttgart, Kanonenweg 44

Herr Diplom-Ing. Lothar Schäfer, Bremen, Osterholzerstr. 35

Herr Franz Schäffier, Eßlingen, Urbanstr. 36

Herr Werner Schlitte, Naumburg a. 5., Friedenstr. S

Herr Wilhelm Schrack, Cannstatt, Teckstr. 4

Herr Dr. Erich Schwebsch, Stuttgart, Alexanderstr. 26 B

Herr Dr. Walter Johannes Stein, Stuttgart, Kanonenweg 44

Herr Dr. Simon Streicher, Stuttgart, Falbenhennenstr. S

Herr Dr. Hans Theberath, Stuttgart, Maienstr. 5/7

Herr Dr. Carl Unger, Stuttgart, Werastr. 13

Herr Wolfgang Wachsmuth, Stuttgart, Bopserstr. 19

Herr Louis Werbeck, Hamburg, Holzdamm 34

Herr Dr. Rudolf Zoeppritz, Mergelstetten, Felseck, Wttb.

Die Begründung der norwegischen Landesgesellschaft* Ausführungen Rudolf Steiners bei der Gründungsversammlung Kristiania (Oslo), 17. Mai 1923**

#G259-1991-SE469 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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Die Begründung der norwegischen Landesgesellschaft*

Ausführungen Rudolf Steiners bei der Gründungsversammlung Kristiania (Oslo), 17. Mai 1923**

#TX

Der Aufforderung des Vorsitzenden der Vidar-Gruppe*** gemäß soll ich einiges vorausschicken über die wünschenswerte Bildung einer norwegischen anthroposophischen Gesellschaft und ihrer Verbin­dung mit einer Art von internationalem Mittelpunkt in Dornach für die anthroposophischen Gesellschaften.

Sie wissen ja, meine lieben Freunde, daß sich im Laufe der letzten Jahre schon während des Krieges und namentlich nach dem Kriege für die anthroposophische Sache doch andere Verhältnisse ergeben haben, als sie früher vorhanden waren. Wir brauchen ja nur zurückzublicken, wie es war mit der anthroposophischen Sache im Verlauf der 21 Jahre, seit sie besteht, zuerst als eine Gruppe innerhalb der Theosophischen Gesellschaft, und dann seit 1912 und 1913 als selbständige Anthropo­sophische Gesellschaft.

Zur anthroposophischen Sache sind ja immer Persönlichkeiten her­angetreten, welche einen Drang gehabt haben nach einer spirituellen Vertiefung; Persönlichkeiten, welche geglaubt haben, aus dem, was sie erfahren konnten von der Anthroposophischen Gesellschaft, diesen Drang nach spirituellen Bedürfnissen innerhalb der Anthroposophi­schen Gesellschaft befriedigen zu können. Das hat der Anthroposo­phischen Gesellschaft eigentlich immer ihren Charakter gegeben. Es war hauptsächlich dieses, daß man als Mitglied der Anthroposophi­schen Gesellschaft von ihr etwas erwartet hat zu bekommen: spirituelle

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* Von der Versammlung - ausgenommen Rudolf Steiners Ausführungen, die von Helene Finckh mitstenographiert wurden - liegt kein Protokoll vor.

** Diese Ausführungen wurden chronologisch vorausgenommen, um den Zusammen-hang der auf S. 477 ff. beginnenden Dokumente (22. 4.-1 7.6) nicht zu unterbrechen.

*** Karl Ingerö.

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Lehren, spirituelles Leben. Und das ist ja auch so lange gut gegangen, als die Anthroposophische Gesellschaft eine bestimmte Ausbreitung nicht erreicht hatte. Und Sie, die Sie ältere Mitglieder sind, werden wissen, daß es eigentlich immer ganz gut gegangen ist, als die Anthroposophische Gesellschaft klein war. Nun kommt es nicht so sehr darauf an, daß die Anthroposophische Gesellschaft an Mitglie­derzahl groß geworden ist; aber in den letzten Jahren - Sie werden es bemerkt haben - ist die Anthroposophische Gesellschaft etwas gewor­den, wovon man in der ganzen Welt eben spricht. Nicht wahr, das Goetheanum, das uns ja leider verbrannt ist, hat schon zuerst bewirkt, daß Tausende und viele Tausende erfahren haben von der Anthropo­sophischen Gesellschaft. Sie ist in der Welt bekannt geworden. Und die Waldorfschule wiederum und alles das, was sich an die Anthropo­sophische Gesellschaft angeschlossen hat, hat die anthroposophische Sache in der Welt sehr bekannt gemacht. Und das fordert, daß die Anthroposophische Gesellschaft auch etwas tätiger werde, als sie bisher war.

Nicht wahr, es ist nicht eine Sympathie, die nur von mir aus oder irgendwelchen anderen Leuten im Innern der Anthroposophischen Gesellschaft hervorgeht, sondern es ist eine Weltnotwendigkeit, daß die Anthroposophische Gesellschaft tätiger werde, als sie bisher war. Ich selbst könnte ja für mich selbst ganz zufrieden sein, wenn die Anthroposophische Gesellschaft aus Menschen bestünde, die in Gruppen arbeiten und die dafür sorgten, daß ich selbst da und dort die Anthroposophie vertreten kann. Ich selbst könnte damit ganz zufrie­den sein, und vielleicht wäre ich selbst am allermeisten zufrieden, wenn das so wäre: denn sehen Sie, die anthroposophische Bewegung ist dann am besten gegangen. Seit man so viel von ihr spricht, wird sie auch immer mißverstanden. Die Gegnerschaften haben sich eigentlich erst gebildet, seit sie ausgebreitet worden ist. Und das alles kann man eben zusammenfassen in den Satz: Die Anthroposophische Gesell­schaft hat notwendig, daß sie etwas tätiger wird, mehr noch Arbeit leistet nach außen hin, damit sie vor der Welt als etwas dasteht, über das man nicht spottet, sondern das man ernst nimmt, wie andere Gesellschaften. Und nun, nicht wahr, indem alle diese Dinge in der letzten Zeit aufgetaucht sind, hat sich auch herausgebildet, daß eben ernst genommen werden muß alles das, was heute an Stimmungen in der Welt vorhanden ist.

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Die anthroposophische Bewegung ist ja von Berlin aus begründet worden, von Deutschland ausgegangen, und man hat sich ihr ange­schlossen, ganz ohne Rücksicht auf irgendwelche nationalen oder internationalen Beziehungen, rein aus der Sache heraus. Schon wäh­rend des Krieges hat das große Schwierigkeiten gemacht. Diese sind selbstverständlich nicht kleiner geworden. Und so hat sich doch all­mählich ergeben, daß die beste Art und Weise, wie die anthroposo­phische Sache weitergebracht werden könnte, die wäre, wenn sich Landesgesellschaften begründen würden.

Es ist ja so gewesen, daß gleich im Anfange, als die Anthroposophi­sche Gesellschaft begründet worden ist, sich zuerst begründet hat die Schwedische Anthroposophische Gesellschaft. Die schwedische Ge­sellschaft war immer eine Landesgesellschaft. Nun aber hat schon in den letzten Jahren sich auch die Schweizerische Anthroposophische Gesellschaft begründet. Die englische Gesellschaft, sie konnte wäh­rend des Krieges nur dadurch fortgeführt werden, daß die Engländer gar nicht gesagt haben, daß sie zu Deutschland gehören, sondern sie haben eine Englische Anthroposophische Gesellschaft begründet.

Man kann schon sagen: Das internationale Leben und Weben der Anthroposophischen Gesellschaft würde am besten dadurch gedei­hen, daß sich in den einzelnen Sprachgebieten Landesgesellschaften begründen und diese sich zusammenschließen würden in Dornach zu einer internationalen Anthroposophischen Weltgesellschaft. Das wäre die beste Art, wie die Anthroposophische Gesellschaft weiterarbeiten könnte. Denn, sehen Sie, wenn die Sache so fortgehen soll, wie sie eigentlich fortgehen muß, wenn nicht die Gegner uns - verzeihen Sie, wenn ich das Wort gebrauche - auffressen sollen, wenn also richtig gearbeitet werden soll, so müßte eigentlich immer eine Verbindung dasein mit einem Zentrum. Und das kann ja nach Lage der Sache eben nur Dornach sein.

Man müßte also doch zum Beispiel die Möglichkeit beschaffen, daß in Dornach, sagen wir, eine Art von Mitteilungsblatt begründet würde, das dann an die einzelnen Sektionen verschickt würde, wo­durch immer alle einzelnen anthroposophischen Zweiggesellschaften wissen, was in Dornach vorgeht, so daß ein Zusammenhang wäre, ein ideeller, ein spiritueller Zusammenhang.

Das alles kann man dann erreichen, wenn sich einzelne Landesge­sellschaften bilden, die nun nicht, wie es zum Beispiel hier der Fall war,

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Beiträge nach Deutschland abliefern, was gar keinen Zweck hätte, denn es wäre gar kein Zusammenhalt dadurch geschaffen, sondern wenn dieselben Beiträge nach Dornach abgeliefert würden. Man könnte dann ein gemeinsames Mitteilungsblatt haben, und man könnte international die Anthroposophische Gesellschaft auf diese Weise betreiben.

In Frankreich zum Beispiel hat sich die Sache so gemacht, daß Mlle. Sauerwein zu mir gekommen ist vor einiger Zeit und mich fragte, ob ich sie anerkennen kann als Generalsekretär der Französischen An­throposophischen Gesellschaft. Ich habe das getan, weil ich Vertrauen habe zu Mlle. Sauerwein.* Ich erkläre ja damit nur: Ich mache für diejenige Gesellschaft in Frankreich, die Mlle. Sauerwein als General­sekretär hat, alles das, was ich für richtig halte. Es ist nur ein Doku­ment, das also meine Bereitschaft erklärt, für die Anthroposophische Gesellschaft in Frankreich alles zu tun, was ich für richtig halte, wenn diese Persönlichkeit an der Spitze steht. So hat sich zum Beispiel ergeben, daß eine französische Anthroposophische Gesellschaft da ist. Die schwedische war schon immer da, die schweizerische ist auch da; die deutsche hat sich Ende Februar als selbständige Gesellschaft be­gründet, ist also deutsch, nicht mehr international; sie ist die deutsche Anthroposophische Gesellschaft.

Also wenn sich jetzt in jedem Lande eine Anthroposophische Ge­sellschaft bildet, die eine Persönlichkeit an der Spitze hat, mit der wir von Dornach aus verkehren können brieflich und so weiter, so daß die gemeinsamen Angelegenheiten dadurch besorgt werden können, so ist dadurch sowohl für die nationalen wie für die internationalen Angele­genheiten eine sehr gute Konstitution geschaffen. Wir würden allmäh­lich wirklich dazu kommen, die Anthroposophische Gesellschaft in der Welt zu einer gewissen Repräsentation zu bringen. Gewiß, aus inneren Gründen kann uns das gleichgültig sein, denn die spirituelle Welt macht sich schon geltend. Aber namentlich für das Außen kann es uns nicht gleichgültig sein. Da ist es doch notwendig, daß eine solche Repräsentation da ist, nachdem die Sache einmal bekannt ge­worden ist in der Welt. Das werden wir am besten machen können, wenn in jedem Lande - hier also eine norwegische - eine Anthroposo­phische Gesellschaft begründet wird, die sich wieder anschließt an die

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* Siehe Seite 488.

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internationale Anthroposophische Gesellschaft, die ihren Mittelpunkt in Dornach haben soll. Das ist etwas, was sich durchaus aus der Art ergibt, wie die Anthroposophische Gesellschaft sich in den letzten Jahren entwickelt hat.

Außerdem müssen wir aber auch dabei das Innere durchaus in Erwägung ziehen. Denn, sehen Sie, wo Sie heute hinkommen, überall ist ein tiefes Bedürfnis nach spirituellem Leben, viel mehr als man glaubt. Überall werden Sie Menschen finden, die nur wirklich so rufen nach einem spirituellen Leben. Die meisten haben noch nicht den Mut, zu einer so ausgesprochenen Geisteswissenschaft zu kommen, wie es die Anthroposophie ist. Diesen Mut werden sie schon bekommen! Aber wir müssen eben dazu arbeiten, daß die Leute diesen Mut haben.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, es ist ja manchmal jetzt ganz tragisch. Zum Beispiel unter den vielen Leuten, die heute zur Anthro­posophischen Gesellschaft kommen wollen, sind in der Welt überall zahllose junge Menschen, junge weibliche und junge männliche Men­schen. Die Jugend strebt nach der anthroposophischen Sache. Aber ich selber bin immer genötigt, den jungen Leuten zu sagen: Ja, seht ihr, Anthroposophie können wir euch geben, ihr könnt euer ganzes Stu­dium nach der Anthroposophie einrichten; aber bedenkt, wenn ihr nun in der Welt zu einer äußeren Position kommen wollt, dann sind wir heute noch nicht in der Lage, euch in irgendeiner Weise zu helfen. Da kommt ihr in einen starken Konflikt hinein. Und je bessere An­throposophen ihr werdet, desto stärker wird der Konflikt sein, in den das Leben euch hineinbringt. - Ich bin also immer genötigt, den Leuten eher Vorsicht zu predigen, als irgendwie sie hineinzustoßen in die Sache.

Die Anthroposophie wird niemals gedeihen, wenn man in ihr fana­tisch ist. Man muß ganz vernünftig sein und muß den Leuten immer ehrlich und aufrichtig die Wahrheit sagen. Und da ist es wirklich jammervoll, wie heute die Jugend nach Anthroposophie strebt und wie man ihr gar nicht immer raten kann, sie soll [nur nach Anthropo­sophiej streben - weil sie ja doch wieder hinaus muß ins Leben, und da stößt man sie zurück, wenn sie Anthroposophen geworden sind.

Das alles kann sich ändern dadurch, daß wir [die Anthroposophi­sche Gesellschaft] innerlich fest konsolidiert machen, so daß jeder, der drinnen ist, weiß: Er vertritt eine große Sache in der Welt, wenn er Anthroposoph ist. Das, glaube ich, könnte gefördert werden dadurch,

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daß Sie auch in Norwegen eine norwegische Anthroposophische Ge­sellschaft gründen und, wenn Sie sich dann an Dornach anschließen, uns helfen würden, kraftvoll die anthroposophische Sache in der Welt zu vertreten, dann könnte man darauf hinweisen: Da und dort sind überall Landes gesellschaften - und man wird also die Anthroposophi­sche Gesellschaft als etwas auffassen, was man ernst nehmen wird in der Welt. Auf diesem Wege ist man schon.

Aber die Gegner arbeiten heute so mächtig, daß es notwendig ist, darauf zu sehen, wie die Gegner arbeiten. Sie sind sehr gut organisiert, die Gegnerschaften - ich könnte Ihnen sehr viele Beispiele dafür anführen. Sehen Sie, heute zum Beispiel ist es manchmal schon gefähr­lich, wenn die Leute mit einem freundlich sind. Ich habe zum Beispiel in der Schweiz in den letzten Wochen eine Reihe von Vorträgen gehalten unter dem Titel: «Was wollte das Goetheanum und was soll die Anthroposophie?» Ich kam nach St. Gallen; da kam in einer ganz anderen Angelegenheit der amerikanische Konsul zu mir. Er war bei mir im Hotel, und was wir da sprechen konnten, das gefiel offenbar dem Mann so gut, daß er abends zum Vortrag kam, er brachte auch seine Frau mit. Wie es schien, gefiel ihm auch wiederum, was er im Vortrag hörte. Sie wissen, wenn Sie mich kennen, daß ich nicht mit solchen Dingen renommiere. Nun, zwei Tage hinterher bekam der Konsul einen Stoß von Gegenschriften geschickt, die ihm ins Haus gesandt wurden von ganz anderer Seite, worinnen die unflätigsten Dinge über mich und die anthroposophische Sache enthalten waren. Der Mann ist ein sehr vernünftiger Mensch; er hat uns das selber wieder erzählt. Aber Sie sehen, wie die Gegner organisiert sind! Wenn sie merken, daß irgendwo einer, auf den es ankommt, mit ei­nem redet, schicken sie ihm sofort die unflätigsten Gegenschriften ins Haus.

Dadurch unterscheiden wir uns von den Gegnern: Wir sind eben schlecht organisiert; die Gegner sind in allen Ländern viel besser organisiert, als Sie glauben! Deshalb müssen wir mit einer Organisa­tion beginnen, damit wir ruhig und kraftvoll arbeiten können. Ich könnte Ihnen viele Beispiele erzählen, wie die Gegner arbeiten. Ich könnte Ihnen zum Beispiel eine Organisation nennen, die von Berlin über Leipzig bis in die Schweiz hinein geht; die verständigt sich fortwährend durch Briefe, und alles wird da gemacht, was in einer Organisation gemacht werden kann. Da sind die Leute einig! Da sind

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die Evangelischen mit den Katholischen immer einig, wenn es gegen Anthroposophie geht.

Also Sie sehen, es ist notwendig, daß wir einen Boden finden, auf dem wir gut organisiert sind - obwohl ich selber gar nicht eine große Sympathie habe fürs Organisieren -, aber wir brauchen es. Deshalb würde ich Sie bitten, jetzt diese Sache zu beraten, wie ich sie vorge­schlagen habe. Ich glaube, sie ist vielleicht verstanden worden.

Im Laufe der Verhandlungen werden Fragen an Dr. Steiner gerichtet, die er wie folgt beantwortet:

Zur Frage der Aufnahme von Mitgliedern:

Die Sache ist diese: Die Aufnahme von Mitgliedern würde natürlich von seiten der nationalen Gesellschaft besorgt werden; aber damit die ganze Gesellschaft über die Welt eine einheitliche Struktur hat, könnte man ja schon den Modus anstreben, daß die Mitgliedskarten in Dorn-ach ausgestellt würden - respektive es ist in den «Grundsätzen», die Sie ja auch ins Norwegische übersetzt haben, nicht von einer Aufnahme die Rede, wie es sonst ist bei Gesellschaften oder Vereinigungen, sondern immer von einer Anerkenntnis; das muß schon bei einer spirituellen Gesellschaft etwas anders aufgefaßt werden. Und es würde dann die letzte Anerkennung, daß jemand Mitglied ist, allerdings durch die Unterschrift des Zentrums in Dornach besorgt. Das ist allerdings ein Vorschlag, den ich mache; aber es würde doch, damit die internationale Gesellschaft eine Einheit sein könne, wünschenswert sein, daß zwar die Aufnahme besorgt wird von den nationalen Gesell­schaften, daß aber die Mitgliedskarte unterschrieben würde von der Zentralstelle in Dornach. Es ist so überall gehandhabt worden. Es würde erstens einen gewissen Föderalismus begründen, der sehr wün­schenswert ist, auf der anderen Seite aber dokumentieren, daß da eine große Gesellschaft von Dornach ausgeht. Dazu ist natürlich notwen­dig, daß von Dornach aus das Vertrauen besteht zu demjenigen, der dann die nationale Gesellschaft gegenüber Dornach vertritt. Darauf kommt es an. Es beruht ja die ganze Konstitution der Gesellschaft auf diesem System von Vertrauenspersönlichkeiten.

Zur Frage über einen Generalsekretär:

Die Vertretung gegenüber der Zentrale in Dornach würde ein Gene­ralsekretär besorgen. Wie der zustande kommt, ist dann wiederum

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eine Angelegenheit der Landesgesellschaft. Nur setzt es voraus, daß man in Dornach volles Vertrauen hat zu derjenigen Persönlichkeit, die dann die Brücke bildet zu der Zentrale.

Zur Frage, ob nicht einfach der Vorstand zugleich Generalsekretär sein solle:

Das macht Schwierigkeiten, wenn man sich nicht an eine Persönlich­keit wenden könnte, sondern immer an eine Direktion. In einer sol­chen Gesellschaft, wie die anthroposophische ist, kommt es doch immer darauf an, daß man es mit Persönlichkeiten zu tun hat - nicht so sehr mit abstrakten Direktionen, sondern mit Persönlichkeiten, wenn eben die Absicht besteht, eine gewisse Kontinuität herbeizuführen. Der Vorstand - ich weiß nicht, wie es hier ist in Norwegen-, der Vorstand kann ja unter Umständen wechseln, während es eben gut wäre, dieses Amt des Generalsekretärs kontinuierlich zu haben, so daß man auch in der Welt endlich kennenlernen würde: das sind die Generalsekretäre der Anthroposophischen Gesellschaft. Es ist ja prak­tisch so, daß die schweizerische Gesellschaft ihren Generalsekretär hat in Albert Steffen, die französische Gesellschaft in Mlle. Sauerwein; die englische hat wohl noch nicht gewählt, weil sie sich erst konstituieren wird; aber die holländische Gesellschaft hat sozusagen auch schon einen Generalsekretär in Aussicht genommen. Also praktisch ten­diert die Sache doch darauf hin, daß man bestimmte Generalsekretäre haben wird.

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Versammlungen

der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz,

der Anthroposophischen Gesellschaft in Großbritannien und des Vereins des Goetheanum

zwischen dem 22. April und 17. Juni1923

Die daraus hervorgegangene Initiative

zu einer Internationalen Delegiertenversammlung

#TI

EINLADUNG ZUR GENERALVERSAMMLUNG DER

ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DER SCHWEIZ

#TX

An den Vorstand des ... Zweiges in...

Sonntag, den 22. April ... mittags ... Uhr, findet im Vortragssaal der Schreinerei am Goetheanum die diesjährige Generalversammlung der An­throposophischen Gesellschaft in der Schweiz statt, wozu jedes Mitglied herzlich eingeladen ist. Neben den Berichten des Vorstandes über die Arbeit des vergangenen Jahres wird eine Beratung betreffs der Konsolidierung und Belebung der Gesellschaft stattfinden, zu welcher wir von seiten der Anwe­senden gewiß einen offenen Sinn und eine rege Anteilnahme erwarten dürfen. Denn wir sind der Überzeugung, daß Herr Dr. Steiner sein Verhältnis zu der Gesellschaft um so fruchtbringender gestalten kann, je mehr innere Aktivität in den Seelen aufleuchtet. Wir hoffen deshalb, positive Vorschläge aus der Versammlung heraus zu hören.

Bitte dies den Mitgliedern Ihres Zweiges bekanntzugeben.

Ferner sei darauf aufmerksam gemacht, daß abends 8 Uhr ein anthroposo­phischer Vortrag von Herrn Dr. Steiner stattfinden wird.

Mit herzlicher Hochachtung

Dornach, den 10. April 1923 Albert Steffen

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#TI

GENERALVERSAMMLUNG DER

ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DER SCHWEIZ

Dornach, 22. April 1923, im Saal der Schreinerei

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[Die Versammlung, zu der als Gäste (ohne Stimmrecht) auch alle auswärtigen Mitglieder eingeladen waren, wurde um 10 Uhr 30 durch den Generalsekretär Albert Steffen eröffnet. Die Vormittagsverhandlungen, die den Gesellschaftsfragen und dem Wiederaufbau galten, wurden von Helene Finckh zwar protokolliert, aber nicht übertragen. Dafür liegt der folgende offiziell verschickte Bericht von H. J. Heywood-Sr'ith vor. Rudolf Steiner konnte an der Vormittagsversammlung nicht teilnehmen, da er den letzten Vortrag eines laufenden pädagogischen Kurses (GA 306) zu halten hatte. Zu den in dem Bericht angeführten Vortragsreisen Rudolf Steiners siehe: «Übersichtsbände zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, 1: Bibliographische Übersicht», Dornach 1984; «Das Vostragswerk Rudolf Steiners», Dor­nach 1978; »Rudolf Steiner - Eine Chronik», Stuttgart 1988.]

Herr Albert Steffen, als Generalsekretär der Anthroposophischen Gesell­schaft in der Schweiz, eröffnete die Versammlung, indem er Herrn Dr. Steiner, seine Mitarbeiter und die anwesenden Mitglieder begrüßte. Er erstat­tete Bericht über die Tätigkeit, die vom Goetheanum, als dem Zentrum der anthroposophischen Bewegung, ausgegangen war. Dieses wurde im Herbst 1920 durch einen dreiwöchentlichen Hochschulkurs provisorisch eröffnet. Dr. Steiner sprach über Anthroposophie und Fachwissenschaften. Seit jener Zeit sah die ganze Welt auf Dornach hin. In Liebe, aber auch in Haß. Im Anschluß an eine gegnerische Besprechung dieser Veranstaltung wurden damals von feindlicher Seite die Worte gedruckt: « Geistige Feuerfunken, die Blitzen gleich nach der hölzernen Mausefalle zischen, sind also genügend vorhanden, und es wird schon einiger Klugheit Steiners bedürfen, vers öhnend zu wirken, damit nicht eines Tages ein richtiger Feuerfunke der Dornacher Herrlichkeit ein unrühmliches Ende bereitet.»

Ein zweiter Kurs folgte im April 1921 als Ergänzung des ersten. Dann wurde der Sommerkurs von Baron Rosenkrantz für englische Künstler veran­staltet. Herr und Frau Professor Mackenzie besuchten ihn und erlangten dabei tiefere Einblicke in die Geisteswissenschaft Dr. Steiners. Sie kehrten zu Weihnachten mit etwa 40 Lehrern und Lehrerinnen nach Dornach zurück und ließen sich von Dr. Steiner einen pädagogischen Kurs geben, über den Herr Steffen eingehend im «Goetheanum» berichtet hat. Diese Aufsätze wurden in einem Buche gesammelt und in verschiedene Sprachen übersetzt. Auf diesen Zeitpunkt fällt auch die Gründung des Schweizerischen Schulvereins.

Eine weitere Folge dieses Besuches englischer Persönlichkeiten war, daß Dr. Steiner vom 17.-24. April 1922 nach Stratford zu den Shakespeare-Feier­lichkeiten eingeladen wurde, woselbst er mehrere Vorträge über Kunst und Erziehung hielt. Bedeutsam war, daß eine mitteleuropäische Denkerpersönlichkeit

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im Mittelpunkt einer Feier stand, die zu Ehren des größten englischen Dichters stattfand.

Mitte August wurde Dr. Steiner ein zweites Mal nach England gerufen, um in Oxford einen Ferienkurs über «geistige Werte in Erziehung und sozialem Leben» zu halten. Der Unterrichtsminister Fisher führte den nominalen Vorsitz und ließ eine Rede verlesen. Persönlich konnte er nicht erscheinen. In diese Zeit fällt die Gründung des Internationalen Weltvereins für Erziehungs­fragen, der sich zur Aufgabe macht, die anthroposophische Pädagogik zu verbreiten.

Eine dritte Reise Dr. Steiners fand im November 1922 statt, und eine vierte wird diesen Sommer folgen.

Es floß also durch Dr. Steiner eine mächtige Geistesströmung nach dem Westen. Aber nicht nur nach dem Westen, sondern nach allen Richtungen Europas. Im Frühjahr 1921 reiste Dr. Steiner nach Norwegen. Im Januar 1922 fand eine Vortragsreise durch ganz Deutschland statt. Er sprach in 12 Städten zu über zwanzigtausend Menschen. Im März gab er seine Hilfe zu einem Hochschulkurs in Berlin, im April zu einem solchen in Holland. Im Mai fand neuerdings eine Vortragsreise durch Deutschland statt, wobei es zu jenem Vorfall in München kam, wo eine Art von Attentat auf ihn versucht wurde. In grellem Lichte erschienen dabei die Absichten der Gegner, seine Tätigkeit zu verhindern.

Vom 1.-12. Juni tagte der West-Ost-Kongreß in Wien, wobei Dr. Steiner über die gegenwärtige wissenschaftliche und soziale Verfassung Europas sprach. Vieles, was er und seine Mitarbeiter daselbst in bedeutenden Vorträ­gen sagten, wurde von der Öffentlichkeit aufgegriffen. Der Antagonismus von westlicher und östlicher Denkart wurde von unzähligen Menschen in­folge dieser Tagung als ein brennendes Problem begriffen.

Vielfach wurde von nicht anthroposophischer Seite seither ausgesprochen, daß die anthroposophische Bewegung die wichtigste Geistesströmung der Gegenwart wäre. Sie ist in der Tat die einzige, die Zukunft in sich hat. Sie hat eine völkervereinigende Tendenz.

Aber damit ist noch in keiner Weise die ganze Tätigkeit Dr. Steiners, die vom Goetheanum ausging, charakterisiert. Neben dem schon erwähnten Lehrerkurs fanden noch andere Kurse statt. Unter anderem zwei medizini­sche, welche die Gründung des Klinisch-Therapeutischen Instituts in Arles­heim durch Frau Dr. Wegman zur Folge hatten. Ferner der nationalökonomi­sche (vom 24. Juli-6. August 1922, über den Herr Leinhas im «Goetheanum» berichtete), die französische Woche, ein Zyklus über Kosmogonie, Philoso­phie und Religion (den Herr Dr. Jules Sauerwein den französischen Gästen in sein glänzendes Französisch übersetzte und den Herr Dr. Steiner selbst im «Goetheanum» wiedergab). Gleichzeitig mit diesem Kurs fand ein solcher für

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deutsche Theologen statt. Diese waren an Herrn Dr. Steiner mit der Bitte herangetreten, daß er ihnen Aufschluß über Wesen und Bedeutung des Reli­giösen gäbe. Sie hatten dann unter eigener Verantwortung, geführt von Herrn Dr. Rittelmeyer, eine Bewegung für religiöse Erneuerung ins Leben gerufen, die allerdings zunächst auf Deutschland beschränkt blieb. Es folgte dann am Ende des Jahres ein naturwissenschaftlicher Kurs, der von dem Kreise der Naturforscher am Goetheanum veranstaltet wurde und in dessen Mitte die Katastrophe des Brandes fiel.

Diese vermochte die Tätigkeit Dr. Steiners und seiner Mitarbeiter nicht zu unterbrechen. Noch nie hatten die Mitglieder der Gesellschaft Dr. Steiner mächtiger sprechen hören.

Die unbeugsame Wucht seines Geistes trat auch für die Öffentlichkeit zutage, als er seine Vortragsreise durch die Schweiz hielt (Mitte April) und in Bern, Basel, Zürich, Winterthur und St. Gallen über die Aufgaben der An­throposophie sprach.

Auch mit diesen Daten ist die Wirksamkeit Dr. Steiners nur unvollkom­men skizziert. Wenn er nicht auf Reisen war, hielt er in Dornach allwöchent­lich freitags, samstags und sonntags Vorträge, worin er die Zuhörer über die tiefsten Probleme unterrichtete. Natur und Geschichte zeigte er in einem Lichte, das sonst nirgends strahlt. Wo wären solche Erkenntnisse zu erfahren, wie er sie gab über das Wesen der Farbe, der Töne, der Bewegung! Wo wurden die religiösen Impulse der Gegenwart und Vergangenheit tiefer er­faßt! Er gab, um nur ein Beispiel zu nennen, einen Zyklus über Katholizis­mus, besonders über Thomas von Aquino [GA 74], worin er die Geistesrich­tung, welche unsere Gegner als die ihre in Anspruch nehmen, auf positive Weise darstellte und so das Wort erfüllte: «Liebet eure Feinde».

Den Zuhörern wurde durch die Vorträge die Welt etwas anderes, und sie sich selber auch. Den meisten unter ihnen hat Dr. Steiner den inneren Men­schen inmitten des Zerfalls des gegenwärtigen Europas wiederum in Bezie­hung zum Wahren, Schönen und Guten gebracht und ihn dergestalt gerettet.

Dieses höhere Menschentum durften wir vorgebildet in der Kunst der Eurythmie bewundern. Frau Dr. Steiner hat diese, durch lange Jahre des Kampfes hindurch, zur höchsten Ausbildung erhoben. Mit ihren Schülerin­nen hat sie einen Siegeszug durch alle Länder Europas, durch England, Holland, Skandinavien, Osterreich gemacht, das Banner der schönen Seele immer hochgehalten. Diese Kunst wurde unter großen Opfern in Dornach gepflegt. Es ist eine Aufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft, ihr die Wege zu ebnen, auch in der Schweiz. Sie gehört zu dem Duktus des Lebens innerhalb unserer Gesellschaft.

Eine segensreiche Auswirkung geisteswissenschaftlicher Impulse liegt auf medizinischem Gebiete. Wie schon angedeutet wurde, verdankt das Klinisch-Therapeutische

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Institut in Arlesheim seine Entstehung der Initiative Frau Dr. Wegmans, die mit seltener Energie die Erkenntnisse und Impulse, die Dr. Steiner in den medizinischen Kursen vom Frühjahr 1920 und 1921 gegeben hat, in die Praxis einzuführen versucht. Schon nach kurzer Zeit mußte, da die Klinik stets besetzt war, der Suryhof erworben und als Dependence einge­nchtet werden. Bedeutsames wurde in Diagnose und Therapie geleistet. Eine Reihe ausgezeichneter Heilmittel wurden in den angegliederten Laboratorien hergestellt.

Hier ist auch die Heileurythmie zu erwähnen. Was so vielversprechend angefangen wurde, zu unterstützen, sodaß es sich heilsam auswirken kann, ist ohne Zweifel eine der bedeutendsten Aufgaben der Anthroposophischen Gesellschaft. Gerade dem Klinisch-Therapeutischen Institut sollten sich un­sere Mitglieder schicksalgemäß verbunden fühlen.

Im Sommer 1921 wurde die Zeitschrift «Das Goetheanum» gegründet. Albert Steffen wurde von Dr. Steiner mit der Redaktion betraut. Dr. Steiner hat dem jungen Unternehmen manche Stunde, ja, manche Nacht geopfert. Seine Beiträge würden ein starkes Buch füllen. Sie sind Kleinodien der Prosa-kunst. Die Leser wurden über die Lage Europas, über führende Denker der Gegenwart und Vergangenheit in einzigartiger Weise unterrichtet.

Albert Steffen gab viele der intimsten Vorträge Dr. Steiners in der Schrei­nerei wieder. Wer diese Berichte liest, in dem festigt sich der Eindruck, daß Dornach ein geistiger Mittelpunkt ohnegleichen ist. Wohl niemand, der die Zeitschrift zu lesen pflegt, möchte sie in Zukunft entbehren. Um sie jedoch halten zu können, bedarf sie der Unterstützung der Freunde unserer Bewe­gung. Wiederum ist hier eine wichtige Aufgabe der Gesellschaft angedeutet. Möchten doch alle Mitglieder Abonnenten werden.

Zum Schluß kam Herr Steffen auf die Feinde zu sprechen. Er zitierte, um zu zeigen, wie wenig diesen an der Wahrheit gelegen ist, zwei Stellen «evange­lischer» Kritik. Die erste von Pfarrer Frohnmeyer, welche lautete: «Es wird gegenwärtig in Dornach eine 9 m hohe Statue des Idealmenschen gemeißelt:

nach oben mit Zügen, nach unten mit tierischen Merkmalen. , sagte Steiner zu den anwesenden Besuchern,

Keinen luziferischen Zug und kein tierisches Merkmal hat selbstverständ­lich diese Statue. Das bezeugt jeder, der sie gesehen. Aber unzählige Men­schen, die sie nicht gesehen, tragen nun dieses Zerrbild infolge Frohnmeyers entstellenden Worten in sich. Wie belastend, daß sie gerade durch einen -Seelsorger ausgesprochen wurden.

Die andere Stelle steht in der Neuen Zürcher Zeitung [vom 15. April 1923], anläßlich des letzten Vortrags Dr. Steiners [in Zürich am 10. April 1923]. Sie ist unterzeichnet mit A. B. E. «Gründlich falsch», schreibt dieser, «war auch

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Steiners Behauptung, es handle sich in der Anthroposophie weder um Welt­anschauung noch um Religion.» Wer den Vortrag Dr. Steiners gehört hat, muß sagen, daß er dieses nie behauptete. Auch was A. B. E. über «eine Art anthroposophischer Kirche» sagt »mit fünfzig Zweiggemeinden, wo man in aufsteigende Weihrauchwolken hinein Gebete murmelt», ist eine gröbliche Entstellung, unwürdig eines Pfarrers. Ganz abgesehen davon, daß es sich bei der »religiösen Erneuerung», auf die hier angespielt wird, um eine Bewegung handelt, die durchaus unter eigener Verantwortung steht.

Zum Schluß zitierte Albert Steffen, um einen Begriff davon zu geben, wie sehr sich die Gegnerschaft schon vergißt und sich von den Geistern der Kloaken inspirieren läßt, ein Schmutzgedicht eines gewissen Herrn Theodor Rubischum in Dornach, der mit den Feinden der Anthroposophie in ausge­dehnter Korrespondenz steht und sie mit allem möglichen unwahren Klatsch versieht. Steffen mahnte angesichts solch gräßlicher Phantasie, ein stärkeres Zusammengehörigkeits gefühl zu entwickeln und wies auf die größte Aufgabe der Gesellschaft: die, das Goetheanum wieder zu errichten.

Nach ihm ergriff Dr. Blümel das Wort und skizzierte in anschaulicher Weise den Entwicklungsgang der anthroposophischen Schulbewegung in der Schweiz. Er stellte dar, indem er Bezug auf den eben beendeten pädagogi­schen Kurs für Schweizer Lehrer nahm, wie der Wunsch nach einer Schule, in der aus anthroposophischer Menschenerkenntnis heraus unterrichtet würde, sowohl in der Elternschaft als in der Lehrerschaft immer mächtiger würde. Er stellte es als Aufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft dar, den Schulver­ein, dem schon über 600 Mitglieder angehören, zu fördern. Das Ziel desselben ist die Errichtung einer solchen Schule.

Dr. W. J. Stein als nächster Redner wies in kraftvoller Weise auf die Kampfmethoden unserer Gegner, auf ihre ausgezeichnete Organisation und ihre ausgedehnten Verbindungen hin: Es erscheinen von ihnen sogar Inserate in den Zeitungen mit Anerbietungen, jedermann das entsprechende Material zur Verfügung zu stellen, aus denen heraus er Daten schöpfen könne, falls er beabsichtige, Dr. Steiner zu verunglimpfen (sei es auf theologischem, literari­schem oder sozialem Gebiet). Es handelt sich um einen Lügenfeldzug schlimmster Art, von dessen Ursprung die Außenwelt kaum eine Ahnung hat. Der Redner wies darauf hin, daß wir es uns zur Aufgabe machen sollten, Dr. Steiner der Notwendigkeit zu entheben, sich selbst auf jede dieser Schmähun­gen zu äußern. Das Ziel der Feinde wäre, Dr. Steiners Zeit und Kraft ganz mit dieser Polemik in Anspruch zu nehmen, so daß seine geistige Arbeit der anthroposophischen Bewegung verlorenginge.

[Die Nachmittagsversammlung begann um 14 Uhr 30. Von diesem Protokollteil liegt eine Übertragung vor. Demgemäß leitete Rudolf Steiner auf Bitte von Anwesenden

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die Versammlung ein unter dem Aspekt: die Anthroposophische Gesell­schaft als solche muß sich eine positive Aufgabe stellen.]

Dr. Steiner: Ich will nicht eine längere Auseinandersetzung bringen, sondern nur eben ein paar Worte sagen, die nicht einmal ausdrücklich, sondern nur, ich möchte sagen, der Empfindung nach, anknüpfen sollen an dasjenige, was heute schon gesagt worden ist.

Von der Versammlung in Stuttgart, die kürzlich stattfand* und der, die heute hier ist - und ich hoffe doch, daß in andern Ländern solche nachfolgen werden -, von denen möchte man, gerade angesichts des­sen, was auch heute hier, namentlich von Dr. Stein, gesagt worden ist, erwarten- ich sage nicht bloß «wünschen», sondern «erwarten» -, daß sie in einer gewissen positiven Weise ablaufen, so daß wirklich aus dem Willen der Versammlung und das heißt ja in diesem Fall der einzelnen Anthroposophischen Gesellschaften, also hier der Anthroposophi­schen Gesellschaft in der Schweiz, daß aus dem Willen der Versamm­lung ein Positives hervorgeht.

Es ist ja darauf hingewiesen worden, wie die Gegnerschaft organi­siert ist. Nun muß man sagen, daß die Anthroposophische Gesell­schaft sich gerade dadurch auszeichnet, daß sie nicht organisiert ist, in keiner Weise organisiert ist, ja, daß der größte Teil der Mitgliedschaft von einem auch nur, ich möchte sagen, menschlichen Organisieren bisher gar nichts hat wissen wollen.

Nun ging das ja in einem gewissen Grade bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Aber eben angesichts der heutigen Verhältnisse ist es un­möglich, daß das also weitergehe. Es ist notwendig, daß wirklich in der Anthroposophischen Gesellschaft so etwas auftritt, von dem es gelten kann, daß wenigstens für den größten Teil der Mitgliedschaft die Angelegenheiten der Gesellschaft als solche auch positiv von den Mitgliedern vertreten werden, wenigstens zunächst mit Interesse ver­folgt werden. Auch das letztere ist ja im Grunde genommen in einem erheblichen Maße gar nicht da. Und als ich jüngst gefragt wurde, was ich selbst von dieser Versammlung erwarte, da mußte ich eben auch gerade darauf hinweisen, daß es notwendig ist, daß die Anthroposo­phische Gesellschaft sich eine wirkliche Aufgabe setzt, so daß sie als Gesellschaft da ist, daß sie also etwas Besonderes noch ist neben der anthroposophischen Bewegung; also von Gesellschafts wegen sich

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* Gemeint ist die Delegiertenversammlung von Ende Februar.

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eine Aufgabe setzt. Denn solange diese Aufgabe nicht da ist, so lange werden die Verhältnisse, von denen heute gesprochen worden ist, niemals anders werden; im Gegenteil, sie werden sich immer mehr und mehr verschlimmern. Denn die Gegner zum Beispiel denken ja ganz anders - Dr. Stein hat schon einiges davon charakterisiert -, als die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft denken; in bezug auf die Gesellschaft meine ich das natürlich nur, ich spreche heute nur in bezug auf die Gesellschaft.

Die Organisation der Gegnerschaft ist für die Gegner vorhanden, ist eine Realität. Die Anthroposophische Gesellschaft aber ist für den größten Teil der Mitgliedschaft durchaus keine Realität, weil keine positive Aufgabe, die aus einer positiven Willensentschließung her­vorgehen könnte, da ist. Und deshalb wurden diese Verhandlungen in Stuttgart und hier gehalten. In Stuttgart suchte man, weil sich die Delegiertenversammlung nicht entschließen konnte, der Gesellschaft eine solche Aufgabe zu setzen, gewissermaßen zu dem Auskunftsmit­tel zu greifen, die Mitgliedschaft dahin zu führen, daß sie sich in zwei Mitgliedschaften für die Anthroposophische Gesellschaft in Deutsch­land trennt, damit man hoffen könne, daß aus dem gegenseitigen Verhältnis dieser beiden Gesellschaften nun dasjenige nach und nach sich entwickle, was aus der Delegiertenversammlung nicht hervor­gegangen ist.

So daß also die heutige Versammlung hier das große, schöne Ziel haben kann, ein Beispiel dafür zu geben, wie man der Anthroposophi­schen Gesellschaft als solcher eine positiv wirksame Aufgabe setzt, vor welcher auch der Mensch draußen Respekt haben kann. Also, es kann heute etwas Großes hier geschehen, wenn nicht bloß dem zugehört wird, was einzelne Persönlichkeiten in so schöner Weise ausführen, wie das heute geschehen ist, sondern wenn in der Tat aus der Gesell­schaft selbst, aus dem Ganzen der Gesellschaft, ein gemeinsames Wollen hervorgeht. Das könnte eigentlich sein. Sonst wird diese Ver­sammlung eben auch resultatlos, ergebnislos verlaufen. Also irgendein Ergebnis muß aus dieser Versammlung hervorgehen.

Ich spreche diese paar Worte jetzt, weil ich meine, daß man schon alles das, was an Berichten angehört wird, unter dem Gesichtspunkt eines solchen Zieles zur persönlichen Kenntnis nehmen soll, daß zum Beispiel alles in diesen Gesichtswinkel eigentlich gestellt werden sollte. Denn sehen Sie, Dr. Stein hat es ja einmal ausgesprochen: Wenn

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es wirklich notwendig werden sollte, daß ich mich lediglich damit beschäftige - was ja notwendig werden könnte -, die Gegner abzu­wehren, so ist das ja für mich eine Aufgabe, die natürlich unendlich viel schwieriger ist als die Abwehr der Gegner durch das positive Sich­stellen einer Aufgabe von seiten der Anthroposophischen Gesell­schaft. Aber der Entschluß, selber daranzugehen, die Gegner abzu­wehren, der Entschluß, aus Ergebnislosigkeiten weiterer anthroposo­phischer Verhandlungen selber ein Ergebnis zu ziehen, würde ja als erstes notwendig machen, daß ich meine Tätigkeit für die Anthropo­sophische Gesellschaft einstellen müßte, mich zurückziehen müßte auf bloß persönliches Wirken, daß ich also die Anthroposophische Gesellschaft, die sich eben nicht entschließen könnte, sich eine Auf­gabe zu stellen, nicht weiter zu meinem Arbeitsfelde machen könnte. Das würde eben durchaus notwendig sein, wenn ich gezwungen würde, selbst diejenigen Aufgaben, die heute von Dr. Stein bezeichnet worden sind, zu übernehmen. Denn die beiden Dinge lassen sich nicht miteinander verbinden. Und daß die Gegner gescheit genug sind, um das zu begreifen, dafür ist Ihnen heute der Beweis geliefert worden.*

Nun würde ich wirklich die lieben Freunde bitten, auch ihrerseits zu begreifen, daß das durchaus das ist, was über Nacht eine Realität werden kann. Die Dinge dürfen nicht mehr so hingenommen werden, daß sie nur mit einem gewissen Phlegma genommen werden, sondern sie müssen wirklich ernst genommen werden. Die Situation ist denn doch eine recht ernste. Und diese Situation der Anthroposophischen Gesellschaft verträgt es nicht weiterhin, daß wir bei allen Versamm­lungen immer zu Ergebnislosigkeiten kommen.

Also, ich will nichts weiter sagen als das, was ich durch diese paar Worte illustrieren wollte. Ich bitte Sie, meine lieben Freunde, gehen Sie heute nicht ergebnislos auseinander, sondern kommen Sie dazu, der Anthroposophischen Gesellschaft als solcher eine Aufgabe zu setzen, vor der die Menschen einen gewissen Respekt haben können und nicht immer denken: Die Anthroposophen lassen sich alles bieten.

Albert Steffen: Geehrte Anwesende! Herr Dr. Steiner hat hier ganz deutlich gesagt, daß, wenn wir nicht die Aufgabe übernehmen, die Gegner zu bezwingen, daß er dann nicht die Möglichkeit, nicht die Zeit hat, nicht mehr die Zeit finden kann für uns, sondern daß er sich von uns, von unserer Gesellschaft zurückziehen

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* In dem Vormittagsreferat von Dr. W. J. Stein.

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will. Wir müssen uns also über die Art klar werden, wie wir das machen, und ich bitte nun, vielleicht einzelne Vorschläge zu bringen.

Jetzt muß der Geschäftsbericht zunächst erledigt werden. Herr Storrer gibt die Geschäftsberichterstattung.

Verschiedene Redner sprechen: Herr Geering, Herr Dr. Hugentobler, Herr Sto­kar, Herr Leinhas, Herr Widmer, Herr Rietmann, Herr Dr. Stein, Frl. Dr. Vreede, Herr Dr. Grosheintz, Herr Dr. Lagutt, Herr Dr. Usteri, Herr Imrie, Herr Steffen, Herr Pfeiffer, Herr Dr. Blümel, Herr Dr. Wachsmuth, Herr Vett, Herr Gnädin­ger, Herr Ebersold, Herr van Leer, Frau von Vacano, Frl. Hauck, Dr. Unger, eine Lehrerin aus Straßburg.

Die Dame aus Straßburg: Es besteht in Frankreich die Absicht, eine spezielle anthroposophische Gesellschaft zu gründen. Es wäre nun wünschenswert zu erfahren, ob bereits offiziell etwas in Dornach dazu getan wird und ob, wie gesagt wird, eine Sekretärin von Herrn Dr. Steiner ernannt ist, damit, wenn von Straß­burg aus etwas geschehen soll, man über die Sache im klaren ist.

Dr. Steiner: Wie ich schon vorhin angedeutet habe, ist dadurch, daß in Stuttgart eigentlich nicht mehr das Zentrum für die ganze Anthropo­sophische Gesellschaft gesehen wird, die Sache so, daß in den verschie­denen Ländern nun die Bestrebungen vorliegen, aus den Anthroposo­phen der verschiedenen Länder Gruppen zu bilden, die eben direkten Anschluß an die Schweiz, an Dornach, haben wollen. Um das Organi­satorische durchzuführen, ist es vielleicht sehr gut möglich, daß in den verschiedenen Ländern, sagen wir, nationale Anthroposophische Ge­sellschaften entstehen. Und nun ist, soweit mir bekannt ist, Mlle. Sauerwein diejenige - es hat Mlle. Sauerwein eigentlich angeboten, das Generalsekretariat für Frankreich zu übernehmen. Es wäre sehr zu wünschen, daß gerade unsere französischen Freunde und selbstver­ständlich auch die Straßburger, die nun zu Frankreich gehören, Mlle. Sauerwein nach allen möglichen Richtungen unterstützen und ihr nicht mit Skepsis gegenüberstehen.

Die Dame aus Straßburg macht einige Zwischenbemerkungen, die nicht notiert sind.

Dr. Steiner: Bei diesen Dingen kommt es natürlich auf die richtige Form an, so daß man weiß, um was es sich dabei handelt. Man kann nicht sagen, daß Mlle. Sauerwein dieses Amt übernommen hat. Denn dann würde die weitere Frage entstehen, wer ihr dieses Amt gegeben hat und so weiter. Bei einer auf wirklicher Freiheit beruhenden Gesellschaft

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kann es sich nur um ganz andere Formen handeln. Nicht wahr, Mlle. Sauerwein hat sich bereit erklärt, in Frankreich alles zu tun, was ihr möglich ist, um dort eine Anthroposophische Gesellschaft ins Leben zu rufen. Und durch die Dinge, die ich von Mlle. Sauerwein weiß, konnte ich ihr ein Schriftstück - und von dem reden Sie jetzt -ausstellen, welches den Inhalt hat, daß ich für alles dasjenige, was von mir verlangt wird für eine Anthroposophische Gesellschaft in Frank­reich, Mlle. Sauerwein anerkenne als diejenige Generalsekretärin der französischen Anthroposophischen Gesellschaft, für die ich dasjenige tue, was man von mir verlangen wird. * Also wenn Sie den springenden Punkt darin sehen, daß man nach allen Seiten hin mit absoluter Frei­heit so etwas vollzieht, dann steht die Sache so: Wer Mlle. Sauerwein nun nicht anerkennen will, der braucht es ja nicht zu tun; nur wird Mlle. Sauerwein in Zukunft diejenige sein, für die ich mich nun bereit erklärt habe, dasjenige zu tun, was von mir verlangt wird.

Man muß nur die Verhältnisse in allen diesen Dingen beachten und studieren, wie man sie praktisch in der Anthroposophischen Gesell­schaft durchführen muß, so daß Sie wirklich nach allen Seiten frei sein können. Aber das hat man ja bis jetzt vermieden. Gerade diese Sätze, die in den «Grundsätzen» von 1913, glaube ich, ausgearbeitet sind, die zeigen, wie auf absolute Freiheit nach allen Seiten hin die Anthroposo­phische Gesellschaft begründet worden ist. Wenn irgendwie eine posi­tive Aufgabe herauskommen soll, so kann die auch nur aus einer solchen Freiheit heraus kommen.

Also dasjenige, um was es sich handelt, ist, daß, wenn sich eine Anthroposophische Gesellschaft in Frankreich bildet und mit mir etwas arbeiten will, so werde ich nur dasjenige tun, was ich im Ver­trauen zu Mlle. Sauerwein tun werde. So liegt die Sache. Die Freiheit hat jeder, für nichts anderes etwas zu tun, als wofür er etwas tun will.

Lebrer Wullschleger spricht über Schulfragen. Er findet Baravalles «Pädagogik der

Physik und der Mathematik» ausgezeichnet; es seien etwa 60 Lehrer zu einem

Kurs zusammengekommen.

Die Herren Storrer, Blümel, Steffen und Müller stellen Fragen über Mitgliederauf­nahmen und die damit verbundene Verantwortung.

Dr. Steiner: Die Aufnahme von Mitgliedern ist ja schließlich immer besorgt worden, und daß dabei ab und zu Fehler gemacht werden, das

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* Das Schriftstück siehe folgende Seite.

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wird sich auch in der Zukunft ereignen. Also ich glaube, die Diskus­sion wird etwas von der Hauptsache abgeleitet, wenn über diese Fragen, die eigentlich erst wirklich eine gute Grundlage bekommen, wenn die Gesellschaft über ihre Konsolidierung gesprochen hat, allzu früh verhandelt wird und dadurch vielleicht die Meinung entsteht, daß über die Konsolidierung selbst genug gesprochen worden ist.

Ich möchte daher dasjenige, was ich gesagt habe, noch etwas kon­kreter zum Ausdruck bringen. Über die eigentliche Aufgabe einer solchen Diskussion bei einer Generalversammlung einer Anthroposo­phischen Gesellschaft ist ja eigentlich erst später einmal zu sprechen. Denken Sie doch zurück an die Zeiten, in denen die Anthroposophi­sche Gesellschaft mit dem, was eben ihr Inhalt war, vor die Welt hingetreten ist und sich im Grunde genommen nicht zu kümmern brauchte um irgend etwas anderes als darum, innerhalb eines gewissen Kreises von Menschen die Anthroposophie zu verbreiten. Wir könn­ten ja, wenn eben nichts anderes gewollt worden wäre, im Schoße der Anthroposophischen Gesellschaft noch heute auf dieser Grundlage stehen. Theoretisch, hypothetisch wäre das durchaus möglich. Aber wir können es in der Realität nicht, einfach nicht aus dem Grunde, weil

- nun sagen wir - eben aus dem Schoße der Gesellschaft heraus das Bestreben, das ja sehr löbliche Bestreben geboren worden ist, ein Goe­theanum zu bauen. Das Goetheanum war eben einmal da. Damit ist die Anthroposophische Gesellschaft selber etwas ganz anderes gewor­den, als sie war, bevor ein solches Goetheanum gebaut worden ist.

Es kommt ja gar nicht darauf an, ob nun zunächst die eine oder andere Begründung, die ja aus der Gesellschaft hervorgegangen ist, mit mehr oder weniger Glück gemacht worden ist; aber es ist eben in einer gewissen Zeit aus der Gesellschaft heraus der oder jener Impuls ent­standen, das oder jenes zu tun. Dadurch ist die Welt dazu geführt worden, ganz andere Urteile über die mit der Anthroposophie zusam­menhängenden Sachen zu fällen, als zustande gekommen wären, wenn die Anthroposophische Gesellschaft eben so geblieben wäre, wie sie vor diesen Dingen gewesen ist, die gewissermaßen nach außen hin eine Offenbarung der Anthroposophischen Gesellschaft in sehr sichtbarer Weise gebildet haben. Die einzelnen Dinge können ja dabei wirklich sehr, wie es beim Goetheanum der Fall ist, außerordentlich bedeu­tungsvoll sein. Also das Goetheanum selber und andere Begründun­gen, die gemacht worden sind - schon die Begründungen von solchen

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Zeitschriften, wie es die Stuttgarter Wochenschrift «Anthroposophie» ist und die frühere Dreigliederungszeitung oder der « Kommende Tag», das «Futurum», die Kliniken und so weiter -, sie sind doch eben einmal aus dem Schoße der Anthroposophischen Gesellschaft heraus geschaffen worden. Nun könnten heute einzelne Mitglieder sagen:

Wir haben dabei ja gar nicht mitgemacht, wir haben keine Verantwor­tung dafür. -Ja, das würde eben beweisen, daß die Anthroposophische Gesellschaft nicht mit einem gemeinsamen Willen, nicht als eine be­stimmte Körperschaft mit dem, was sie nun einmal in ihrem Schoße hat, vor die Welt hintritt. Es ist also heute notwendig, daß durch den gemeinsamen Willen der Anthroposophischen Gesellschaft dasjenige geschieht, was wir nicht gebraucht hätten, wenn wir auf dem alten Standpunkte stehengeblieben wären. Aber wir stehen eben nicht mehr auf dem alten Standpunkte. Und so ist es notwendig, daß durch die Anthroposophische Gesellschaft einfach in Angriff genommen werde die andere Aufgabe, diese Anthroposophische Gesellschaft selbst so vor die Welt hinzustellen, daß die Leute einen gewissen Respekt davor bekommen.

Dazu ist natürlich notwendig, daß es überhaupt Angelegenheiten der Anthroposophischen Gesellschaft gibt. Sehen Sie, es gibt heute Angelegenheiten für den Wiederaufbau des Goetheanum, es gibt An­gelegenheiten des Kommenden Tages, der Kliniken und so weiter, aber es gibt eigentlich - das hat auch die heutige Diskussion wieder gezeigt - außerordentlich wenig, worüber man redet, wenn von der Anthroposophischen Gesellschaft als solcher gesprochen werden soll; höchstens über Mitgliedsbeiträge und so weiter. Aber die Gesellschaft muß sich einen solchen Inhalt geben, daß es unmöglich ist, daß fort­während das unwahrste Zeug über Anthroposophie in die Welt gesetzt wird, ohne daß die Anthroposophische Gesellschaft irgendwie das als ihre Angelegenheit betrachtet. Sie brauchte es ja nicht als ihre Angele­genheit zu betrachten, wenn sie nicht bestünde. Aber sie besteht eben. Sie besteht in der Historie mit dem, was sich ergeben hat im Laufe der Jahre. Und darüber sollten nun die weiteren Debatten geführt werden, wie es möglich ist, die Anthroposophische Gesellschaft so zu konsoli­dieren, daß sie einen wirklichen Inhalt als Gesellschaft bekommt.

Nun gewiß, einzelne Aufgaben sind ja sehr gut charakterisiert worden; aber diese einzelnen Aufgaben machen es zunächst nicht aus. Schon wie die Gegnerfrage behandelt worden ist, zeigt, daß nicht das

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Bewußtsein vorhanden ist, daß so etwas auf einen gar viel höheren Standpunkt gehoben werden muß. Es muß wirklich auf einen viel höheren Standpunkt gehoben werden. Wie hier über die Gegner ge­sprochen worden ist, das kommt mir so vor, wie wenn jemand einen Gegner vor sich hat, der einen mit Kanonenkugeln beschießt, und dann geht man her, stellt seine eigene Kanone auf und beschießt nun die Kanonenkugeln, die niedergefallen sind von dem Gegner. So wird gesprochen. Als ob es sich darum handeln könnte, bloß eine Verteidi­gung zu übernehmen, fortwährend bloß die Gegnerschriften, die es die Gegner beliebte zu schreiben, nun in der gewöhnlichen polemi­schen Weise zu widerlegen. Damit kommen wir nämlich zu nichts anderem als auf den Regressus in infinitum. Denn selbstverständlich:

auf alles, was von uns auf eine Gegnerschrift erwidert wird, erwidert der Gegner wieder, und es wird eben ein Regressus in infinitum. Davon haben wir gar nichts, wenn wir die Kanonenkugeln beschie­ßen! Nehmen wir diese letzte Schrift von dem Sichler in Bern. Sie zu widerlegen hat eigentlich gar keinen Zweck, denn es stehen ja über Anthroposophie natürlich nur Dummheiten drinnen. Wenn man die Dummheiten widerlegt, so widerlegt natürlich derjenige, der dumm ist, wiederum von seinem dummen Standpunkte aus die Gescheitheit, die man vorgebracht hat, und man ist gleich im Regressus in infinitum drinnen. Ebenso, wenn Sie im gewöhnlichen Stile die Ragazsche Schrift widerlegen. Sehen Sie, darauf kommt es an, daß man nicht solch eine Schrift wie den Sichler widerlegt, sondern zeigt, was dahinter ist an Wissenschaftlichkeit, an Erkenntnismethode, daß dahintersteht unter dem Schein von Wissenschaftlichkeit ein ganz gewöhnlicher, trivialer Dilettantismus. Also Sie müssen das, was dahintersteckt, direkt ins Auge fassen. In Stuttgart hat man immer versucht, die Behauptungen des General von Gleich zu widerlegen. Es handelt sich aber gar nicht darum, sie zu widerlegen, sondern darum, was da für ein Mensch dahintersteht. Daß die ganze Wissenschaftlichkeit, von der aus solche Dinge geschrieben werden, eben keine Wissenschaftlichkeit ist, darum handelt es sich. Also wir müssen uns angewöhnen, die Dinge auf ein ganz anderes Niveau zu bringen.

Das ist das eine Beispiel. Aber so müssen wir überhaupt die ganze Vertretung der Anthroposophie - wenn die Anthroposophische Ge­sellschaft diese Vertretung in die Hand nehmen soll - auf ein ganz anderes Niveau bringen. Sie muß in einem größeren Stil aufgefaßt

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werden, als das bisher der Fall war. Nicht, als ob ich das verlangen würde! Es fällt mir eigentlich gar nicht ein, das von mir aus zu verlangen. Ich wäre auch zufrieden, wenn es auf dem Standpunkt bliebe, auf dem es jetzt steht. Aber das geht nicht; aus dem Grunde nicht, weil die Anthroposophische Gesellschaft heute die Anthropo­sophie so vertritt, wie sie sie vertreten hat, als noch kein Goetheanum da war; sie vertritt sie so, als ob kein Goetheanum da wäre, keine solchen Begründungen wie der Bund für Freies Geistesleben und so weiter. Durch das alles ist, ich möchte sagen, das Urteil der Welt provoziert worden. Und nun sehnen sich die anthroposophischen Mitglieder nach «Ruhe»; sie möchten von dem allem nichts wissen. Das geht eben heute nicht. Ich wäre ja auch zufrieden, wenn es ginge. Aber dann hätte man eben unterlassen müssen, alle diese Begründun­gen zu machen. Nachdem man sich als Gesellschaft damit einverstan­den erklärt hat, muß man eben heute der Gesellschaft ein gewisses Ansehen verschaffen. Man könnte sagen: Ich kümmere mich einen blauen Teufel um dieses Ansehen, mir ist es ganz einerlei, dieses Ansehen. - Aber es kann eben nicht weitergearbeitet werden, wenn dieses Ansehen nicht geschaffen wird, wenn es immer nur so gemacht wird, daß eben in der Welt mit Recht gesagt wird:Ja, was ist denn diese Anthroposophische Gesellschaft? Da kommen die Leute zusammen, lesen sich Vorträge vor und so weiter; das ist ja nur eine Summe von Cliquen! -Also daß die Anthroposophische Gesellschaft wenigstens so da­steht wie andere Gesellschaften, die etwas Ähnliches tun, das ist dasjenige, was wir brauchen. Aber über das wird gewöhnlich gar nicht geredet. Und ich selber kann mir wiederum die Lungen herausreden -man geht einfach nicht auf das ein, wodurch die Anthroposophische Gesellschaft solch eine Physiognomie bekommt in der Welt, daß sie neben ihren Taten bestehen kann, nämlich neben dem, daß sie ein Goetheanum gebaut hat. Es war ja da! Eine Gesellschaft, die ein Goetheanum in die Welt stellt, die muß selber so ausschauen wie ein Goetheanum, wenigstens in einer gewissen Weise. Aber vergleichen Sie, was das Goetheanum war und was die Anthroposophische Gesell­schaft ist. Ich sage es nicht, um irgend jemandem etwas am Zeug zu flicken, denn mir wäre sie schon recht, die Anthroposophische Gesell­schaft, wenn sie eben kein Goetheanum gebaut, kein Futurum gegrun­det, keine Zeitschriften herausgegeben hätte. Nicht wahr, als die Zeitschrift

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Luzifer-Gnosis erschienen war, da hat man es mir selbst über­lassen, sie herauszugeben. Aber die Dinge sind allmählich Gesell­schaftsangelegenheiten geworden, und darum muß auch die Gesell­schaft da sein, damit die Gesellschaft dasselbe Gesicht hat. Heute aber hat die Gesellschaft nicht dasselbe Gesicht wie ihre Institutionen haben, selbst die unglücklichen, die zugrunde Gegangenen. Ja, das Urteil der Welt ist doch da! Das ist es, worum es sich handelt. Darüber müßte man sprechen, wie man dazu kommt, der Gesellschaft ein Relief zu geben! Ein schrecklicher Gedanke ist das, aber es kann ja auch im allerbesten Sinne aufgefaßt werden. Doch dann müssen die Dispositionspunkte wirklich am Schopfe gefaßt werden. Da muß man nicht über Dinge reden, die eigentlich nicht da sind. Man muß dann die Dinge doch wirklich so betrachten, wie sie sind.

Ja, meine lieben Freunde, das Goetheanum wird wiedererbaut un­ter zwei Bedingungen. Erstens: wenn man uns hier aufbauen läßt. Nun, das wollen wir sehen, darüber können wir ja heute nicht verhan­deln. Wir können aber darüber verhandeln, ob wir die Anthroposo­phische Gesellschaft zu einem solchen Relief bringen, daß man es ihr nicht versagen kann. Also wir müssen nicht über das zweite verhan­deln, bevor wir über das erste verhandelt haben.

Und das andere, meine lieben Freunde: Ja, ich bin voHig überzeugt, daß die Leute, die wir brauchen werden zum Aufbau des Goetheanum an Künstlern und anderen Arbeitern, die werden da sein, wenn die Grundlage da ist. Verzeihen Sie, daß ich das Wort noch einmal aus­sprechen muß: der Baufonds des Goetheanum, der ist die Grundlage. Kräfte zur Verfügung zu stellen oder so etwas, das ist heute nicht nötig, das ist da in dem Moment, wo der Baufonds da ist. Aber wirklich, die eine Frage geht auf die andere hin. Und es ist notwendig, daß nun endlich einmal irgendwo in einer Anthroposophischen Ge­sellschaft auch eine Versammlung zustande kommt, die über diese fundamentalen Bedingungen wirklich spricht. Nicht nur die Stuttgar­ter Versammlung sollte darüber sprechen; sie hat nicht darüber ge­sprochen, über die Hauptsache hat sich kaum jemand zum Wort gemeldet. Es ist angedeutet worden in den Referaten, die gehalten worden sind, aber diese Andeutungen haben die Versammlung weiter gar nicht interessiert. Sie mögen ja mehr oder weniger unglücklich gegeben worden sein; die Gegnerfrage zum Beispiel ist sehr eigentüm­lich behandelt worden. Sie ist eigentlich so behandelt worden, daß man

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den Antrag gestellt hat auf Übergang zur Tagesordnung, um nicht mehr weiter über die Gegner hören zu müssen. Und das wäre der richtige Moment gewesen, daß ich gesagt hätte: Ich gebe die Gesell­schaft auf, die solche Tagesordnungen annimmt! - Aber man muß eben an dem festhalten, an das man sich gebunden hat. Und es ist doch so, daß man wieder dazu kommen muß, daß jedes einzelne Mitglied weiß, es muß jetzt irgend etwas tun als Repräsentant der Gesellschaft, sonst kommen wir tatsächlich nicht weiter, sonst sind alle Versamm­lungen unnötig.

In Stuttgart erwartete man, daß, wenn nun die zwei Gesellschaf­ten beieinander sind und sich, ich will nicht sagen, gegenseitig ab­schleifen, aber gegenseitig anregen, daß nun in der Folge der Delegier­tenversammlung etwas geschieht, was aber in der Delegiertenver­sammlung nicht geschehen ist. Nun werden wir weiter warten für Stuttgart. Doch darüber haben wir ja jetzt nicht zu sprechen. Aber ich sagte schon: Es könnte diese Versammlung hier ein Beispiel dafür geben. Wirklich, es käme darauf an, daß neben all dem, wofür man die Verantwortung mit übernommen hat und was dasteht mit einem gewissen Gesichte, meinetwillen vielleicht zuweilen mit einem sehr bösen - beim Goetheanum ist es ja sicher nicht der Fall gewesen und bei den übrigen Bestrebungen sicher auch nicht -, daß dafür nun die Gesellschaft sich entschließe, etwas anderes zu werden, als was sie sein durfte, mit Recht sein durfte, für - nun ja - die Zustände in der Zeit bis zum Jahre 1918. Da war das Goetheanum noch nicht so weit, daß es vor die Welt hingetreten war. Seitdem sind doch wirklich ganz bedeut­same Änderungen vor sich gegangen. Aber es kann heute nicht die Anthroposophische Gesellschaft sagen: Wir wollen auf dem früheren Standpunkt bleiben, es paßt uns nicht, eine solche Gesellschaft zu werden, wie es eben notwendig ist, nachdem diese Begründungen da sind. - Aber die Mehrzahl möchte eben auf diesem Standpunkt stehen­bleiben.

Dann wiederum kommen Leute, die verlangen engere Gemein­schaften. Gewiß, eine solche Forderung mag ja ganz berechtigt sein, aber sie ist heute so lange ein bloßer Seelen-Egoismus, als die Gesell­schaft nicht eingeht auf dasjenige, was ich jetzt wieder, so wie schon am frühen Nachmittag, nur konkreter, zu sagen versuchte. Es ist heute tatsächlich fast etwas, was man nicht verantworten kann, wenn man dem Willen nach engeren Gemeinschaften nicht entgegenkommt.

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Aber man kann diesem Willen nicht entgegenkommen, wenn man auf der anderen Seite immer wiederum die absoluteste Lethargie in bezug auf die Angelegenheiten der Gesellschaft einem entgegentreten sieht. Ja, manchmal ist es so, daß aufgetreten wird mit der Prätention: Wir kümmern uns nicht um die Anthroposophische Gesellschaft, wir bil­den jetzt diesen engeren Kreis anthroposophischer Seelen! - Ja, das ist ein Seelen-Egoismus! Es sollte einen schon als die eigenste Angelegen­heit berühren, wenn man zum Beispiel zusammenkommt, um die Angelegenheiten der Anthroposophischen Gesellschaft zu bespre­chen, wenn man über die Konsolidierung spricht, davon, wie die Gesellschaft einen Inhalt bekommen kann, einen aktiven Inhalt, so daß sie als solche in der Welt dasteht und die Welt endlich weiß, was die Anthroposophische Gesellschaft als solche will. Sonst brauchte man ja keine Anthroposophische Gesellschaft mit den Prätentionen zu haben, wie sie es jetzt sind. Man könnte ja sonstige Gesellschaften begründen, brauchte nicht einmal eine Gesellschaft, sondern könnte irgend etwas auf irgendeinem Gebiet unternehmen, wo eine Anzahl von Leuten beisammen sind, die sich sonst keine Aufgaben stellen, als Vorträge zu hören oder Übungen zu bekommen. Das alles sind ja keine Aufgaben der Gesellschaft. Aber die Gesellschaft sollte eine Aufgabe haben. Das alles bitte ich Sie zu bedenken.

Ich wollte nur diese paar Worte sprechen, um darauf noch einmal aufmerksam zu machen.

Albert Steffen: Ich sehe keine andere soziale Angelegenheit, als daß wir versuchen, untereinander mehr brüderlich zu sein, daß einer dem anderen hilft.

Dr. Steiner: Man soll nur das fassen, was ich meine. Nehmen Sie zum Beispiel das Klinisch-Therapeutische Institut [in Stuttgart]. Das ist nun doch aus dem Schoße der Gesellschaft hervorgegangen. Aber die Mitglieder der Gesellschaft - ich meine das Gros, es sind ja sehr wenige, die es anders betrachten-, sie betrachten es so, daß man sich unter Umständen dort heilen läßt. Aber daß sie es als ihre eigene Angelegenheit - idealiter natürlich - betrachten, das ist es, was da sein sollte, so daß sie für die Sache eintreten. Man tritt nicht für die Anthroposophie ein. Man braucht es ja nicht für das einzelne zu tun; das einzelne kann natürlich dem einen oder anderen nicht gefallen. Es kann soundso viele Mitglieder geben, die das Klinisch-Therapeutische Institut hassen; die brauchen nicht dafür einzutreten, die werden aber

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für etwas anderes eintreten können. Aber diese Tendenz, nun wirklich einzutreten für die Gesellschaft, das ist es, worauf es ankommt.

Hedwig Hauck schlägt vor, Unterschriften für den Artikel von Herrn Steffen zu geben, der sehr gut geschrieben ist.

Albert Steffen: Ich glaube, Sie mißverstehen das Wesen eines Schriftstellers. Er schreibt schwerer als andere Menschen. Es ist nicht gut, zu viel zu schreiben, denn dann verliert das Wort einfach die Wirkung.

Willy Stokar schlägt vor, aus den schweizerischen Zweigen heraus einen Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz zu bilden.

Dr. Guenther Wachsmuth erwidert, dieser könne nicht gewählt, sondern nur ergänzt werden durch Vorschlag von Dr. Steiner und Herrn Steffen.

Albert Steffen: Es ist eben nötig, daß jeder einzelne immer wieder die Sache durchdenkt, sozusagen das Schicksal der ganzen Bewegung, und daß man es auch in Gruppen durchdenke, daß auch die ganze Gesellschaft darinnen lebt; aber es muß auch von innen heraus gehen. Ich für mich habe eigentlich immer versucht, das zu tun. Ich weiß nicht, wie ich mich anders verhalten soll.

van Leer meint, es sei eine Hauptfrage der Gesinnung von jedem einzelnen, die Unternehmungen so anzusehen, als ob sie seine privaten seien, die er selbst finanziere. Dr. Steiner habe das nur angedeutet.

Dr. Steiner: Und doch kann man etwas erreichen, wenn man es bespricht, so daß der eine dem anderen das sagt, was er weiß, und der dann einem andern wieder erzählt, was er weiß.

Man muß wirklich die Sache viel konkreter denken. Manchmal kommt es mir vor, als ob die Anthroposophische Gesellschaft über­haupt nur ein großes Loch wäre, als ob gar nichts darinnen ware. Verzeihen Sie, daß ich etwas ganz Konkretes sage. Sie werden mir nicht zumuten, daß ich aus irgendwelchen Untergründen jetzt anfan­gen will, in die Debatte Schmeicheleien hineinzuwerfen. Aber sehen Sie, diese Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz bekam ein­mal das große Glück, Herrn Steffen zum Generalsekretär zu haben. Ja, fast bis heute habe ich nichts von einem Urteil über diese außerordent­liche Tatsache überhaupt reden hören. Heute hat Herr Leinhas es ausgesprochen, daß man es mit derjenigen Persönlichkeit zu tun hat, die wahrscheinlich das beste Deutsch in der Welt schreibt. Man müßte doch meinen, daß so etwas für die Anthroposophische Gesellschaft etwas bedeutet. Daß man nicht nur hier und da höchstens einmal ein

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Urteil hört: «Es ist gut, daß wir den Steffen haben, denn wenn der unsern Aufruf unterschreibt und so weiter» - und sich nachher so verhält, daß wir das Ansehen als Gesellschaft auch noch verlieren. Das nützt nichts; aber daß wir in stärkster Weise hinweisen auf die Dinge, die wir haben - und wir haben ja die Dinge-, daß man sie gewahr wird! Ich habe bei jeder Gelegenheit auf diese Dinge hingewiesen. Aber es ist wirklich so, daß man keine Vermutung eigentlich hatte, was das für ein historisches Faktum in der Entwickelung der ganzen Anthroposophi­schen Gesellschaft ist, daß einer der Generalsekretäre in einer der Gesellschaften eben derjenige Mann ist, bei dem man noch manches andere sagen könnte, als was heute Herr Leinhas gesagt hat. Aber so etwas muß ja leben in der Gesellschaft, wenn sie selber leben will. Und nicht wahr, verzeihen Sie, ich weiß, daß es auch für andere Angelegen­heiten, die nicht unmittelbar zur Gesellschaft gehören, Choleriker gibt in der Gesellschaft, Sanguiniker und Melancholiker; aber in Gesell­schaftsangelegenheiten kommt es mir oftmals vor, als ob außer dem phlegmatischen Temperament kein anderes Temperament da wäre. Dieses Faktum also, daß Herr Steffen Generalsekretär der Anthropo­sophischen Gesellschaft in der Schweiz ist, das wurde bisher mit einem solchen Phlegma aufgenommen, wurde so betrachtet, ja, daß man keinen Lebenssaft merkt. Man merkt eben nur Phlegma, Phlegma. Wenn solche Dinge einfach hingehen - vor einiger Zeit habe ich die Geschichte mit der Baltz-Broschüre betont und so weiter -, wenn solche Dinge einfach hingehen, wenn eben nichts geschieht in der Gesellschaft, dann leben wir in sehr kurzer Zeit nicht mehr. Wir fangen da eben bei uns an, das Beispiel zu geben von der Nichtberück­sichtigung der Leistungen. Wie wollen sie denn in der Welt die Lei­stungen der Gesellschaft irgendwie bewerten, wenn es innerhalb der Gesellschaft selbst nicht geschieht?

Da macht man ja die kuriosesten Erfahrungen. Es ist fast blöde, daß man die Dinge zu erwähnen hat, aber es ist doch merkwürdig. Ich habe aus innerstem Herzensbedürfnis heraus einen Artikel geschrieben über Albert Steffens Lyrik. Die «Anthroposophie» druckt alles ab vom «Goetheanum»; just diesen Artikel hat sie nicht abgedruckt. Keine Ahnung hat man davon, daß das zusammenhängt mit einem wichtigen Faktum der Gesellschaft. Ja, ein Vermögen, die Dinge abzu­schätzen, ein Urteil sich zu bilden über das, was in der Gesellschaft vorhanden ist, das ist es, worauf es ankommt; nicht alles mit einem

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ungeheuren Phlegma, mit einer ungeheuren Selbstverständlichkeit hinzunehmen. Nicht wahr, man versteht eben nicht, was ich meine, wenn ich davon rede, daß die Gesellschaft einen Inhalt bekommen sollte. Es kommt wirklich darauf hinaus, daß man nicht bloß sagt, jeder einzelne solle nun in sich gehen, sondern man soll sich die Dinge sagen. Was der eine nicht weiß, weiß der andere, was der andere nicht weiß, nicht wahr, das weiß der eine. Wenn eine solche Versammlung so verläuft, daß man ebensoviel Lust hat, über diese Dinge zu reden, wie man Lust hat, über den Unterschied von vier oder fünf Menschen zu reden, dann ist schon etwas getan. Heute ist noch nicht viel getan. Aber Sie können sicher sein: Wenn einmal dieses Interesse erweckt ist, dann wird etwas ganz anderes aus der Gesellschaft. Dann ist schon in eineinhalb Jahren aus der Gesellschaft etwas ganz anderes geworden, wenn nur einmal diese Dinge ganz seriös angefaßt werden, die von solcher Art sind. Dann wird auch das nicht vorkommen, daß auf der andern Seite man sich sagen kann: Da ist nun einer, der ist jahrelang in der Gesellschaft drinnen gewesen, er ist ein heftiger Gegner geworden; warum? Ja, man hat ihn eben, solange er drinnen war, verhimmelt, weil man eben kein Urteil hat über die wahren Leistungen innerhalb der Gesellschaft. Wie viele Leute sind in der Gesellschaft gewesen, denen man, ich weiß nicht was alles - weil man von diesem Erdenleben nicht sonderlich viel sagen konnte -, eben dem vorigen Erdenleben zugeschrieben hat. Nicht wahr, dieses überall Danebentreten neben das, was die Sache trifft, das ist dasjenige, was einmal ernsthaftig bekämpft werden sollte durch eine solche Versammlung. Dann wird das Positive hervortreten.

Also glauben Sie nicht, daß ich jetzt Herrn Steffen habe schmei­cheln wollen. Ich wollte Ihnen nur objektive Tatsachen hinstellen. Das ist notwendig, um ersichtlich zu machen, was man meint, daß eben an solche positiven Dinge angeknüpft wird. Es liegen wirklich die Dinge so, daß man hierbei einsetzen müßte. Ich könnte darüber noch manches andere sagen, aber ich will ja nur eigentlich Anregungen geben. Ich habe überhaupt nicht sprechen wollen in der heutigen Versammlung.

Albert Steffen: Sie haben mich insofern etwas beschämt und doch wieder nicht beschämt, indem ich sagen muß, daß ich eigentlich ein [guter] Schriftsteller oder überhaupt einer geworden bin, indem ich mich doch eben immer mit Ihren Schriften befaßt habe. Ich habe eigentlich seit meinem zwanzigsten Jahre immer,

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ich kann sagen jeden Tag, in Ihren Schriften gelesen, und dadurch habe ich eben meinen Stil, soweit es für einen Menschen von meiner Talentlosigkeit ging, gutgemacht. Aber ich glaube, das ist nicht so sehr mein Verdienst. Ich muß sagen, es ist doch besser - ich weiß nicht-, es ist doch besser, wenn man das mit Stillschweigen behandelt.

Dr. Steiner: Von Ihnen aus mag das ja mit Stillschweigen behandelt werden, aber die Gesellschaft kann es nicht so behandeln.

Emil Leinhas: Es habe etwas Bedrückendes, wenn man so etwas wie eben wieder hört und doch der Gesellschaft entgegengehalten werden muß, daß sie schläft, sich für nichts interessiert, wo man doch auf der einen Seite so viele prachtvolle Menschen hat, sozusagen eine Auslese, denn nicht jeder Beliebige kommt an die Anthroposophie heran - und doch die Tatsache bestehe, daß dieselben Menschen es sind, denen wieder gesagt werden muß, daß sie ihre Pflicht gegenüber den Gesellschaftsaufgaben nicht tun. Als Gesellschaft haben wir einen geistigen Über-reichtum, demgegenüber aber nicht genügend Interesse für die Gesellschaft. Auch in Stuttgart ist das wiederum vorgeworfen worden, daß die Gesellschaft schläft, nicht genügend Interesse hat, und das ist voll berechtigt. Man soll sich aber nicht niederdrücken lassen, sondern, trotzdem dieser Überreichtum da ist, die Kraft finden, Interesse und Aufmerksamkeit auf die Dinge, die da sind, zu erwecken... nicht nur sagen: Die machen ja alles falsch in der Gesellschaft -, sondern: Was kann ich tun für die Sache, für die Zeitung »Goetheanum», für das Klinisch­Therapeutische Institut usw., was es auch immer sei. Daß wir den Willen in uns so entfachen, daß wir auch das tun können, was wir so als unsere Pflicht erkennen. Das gilt allem gegenüber: daß lebendige Willensentfaltung da ist.

Dr. Steiner: Nicht wahr, die Sache wird trotzdem zu Ende kommen müssen. - Es sind schon große Sehnsuchten vorhanden, den Saal zu verlassen vor der Fortsetzung der Diskussion. Ich möchte nur noch ein paar Worte sagen, die notwendig sind, und das vorausschicken, meine lieben Freunde, daß ich noch viel weiter gehen möchte als Leinhas. Ich möchte nicht bloß sagen: Es sind sehr viele prachtvolle Menschen in der Gesellschaft vorhanden, sondern, fast alle sind prachtvolle Menschen. - Aber darum handelt es sich nicht. Lassen Sie es mich nur trocken aussprechen: Ich war schon mit diesen prachtvol­len Exemplaren der Menschheit zusammen bei allerlei, sagen wir, Mittagessen, Abendessen, Diners, Soupers und dergleichen - ja, sie sind da wirklich prachtvoll. Da haben sie Interessen, die sogar im Augenblicke entstehen; da wissen sie zu reden, da sprüht nur so das Feuer für das eine oder andere. Da wird auch die Gesellschaft, die so jeweils entsteht, dann ganz prachtvoll. Aber ich war auch schon in

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anthroposophischen Generalversammlungen oder in Versammlungen überhaupt, da sind dieselben Leute gar nicht so, da sind sie - verzeihen Sie - phlegmatisch! Für die Angelegenheiten der Gesellschaft sind sie phlegmatisch, und das ist dasjenige, was die Gesellschaft zu Fall brin­gen muß. Die Menschen sind wirklich prachtvoll, fast alle, aber sie zeigen es nicht, gerade wenn die Angelegenheiten der Anthroposophi­schen Gesellschaft in Betracht kommen. Nicht wahr, man kann von niemandem verlangen, daß er ein größeres Interesse für Anthroposo­phie hat, als er es eben hat; denn das hängt mit dem Innersten des Menschen zusammen. Aber wenn es sich darum handelt, daß eine Gesellschaft da ist, und man ist Mitglied, dann muß man sich als Mitglied fühlen und betätigen. Das erfordert das Gesellschaftsmäßige der Sache. Da geht es eben nicht so, daß man nicht dieselben Verpflich­tungen fühlt, die man zum Beispiel bei einem Souper fühlt, wenn man dabei ist.

Also das ist durchaus notwendig, daß man sich kümmert um die Angelegenheiten der Gesellschaft. Ich habe ja auch einzelnes ange­führt, worum man sich kümmern könnte. Ich will gar nicht sagen, daß ich zum Beispiel genötigt wäre, auf einem andern Felde unter den prächtigen Menschen, die wir nun schon einmal fast alle sind, auch in derselben Weise dieses Phlegma zu tadeln. Aber hier ist es eben notwendig. Also, es handelt sich wirklich nicht um den einzelnen Menschen. Ich spreche, indem ich hier spreche - glauben Sie das ja nicht -, durchaus nicht zu dem einzelnen Menschen, sondern ich spreche zur Gesellschaft als solcher, wie sie sich verhält. Und das ist eigentlich schon so, daß man nachdenken sollte darüber, wie es anders werden soll.

Nun liegt noch eine besondere Angelegenheit vor. Ich weiß nicht, wie die Gesellschaft darüber denkt - aber diese besondere Angelegen­heit kann nur hier in der Gesellschaft erledigt werden. Das ist nämlich dieses: Angesichts des Goetheanum-Brandes und nach demselben wandte sich an Herrn Steffen und mich eine schweizerische Persön­lichkeit, der Oberstdivisionär Gertsch, mit dem Vorschlage, sein in der Nähe von Winterthur befindliches Landgut, bei dem sich ein Schloß befindet, an die Gesellschaft zu verkaufen, weil er meint, daß dort, in einer anderen Umgebung, die anthroposophische Sache besser aufgehoben wäre und dort eben ein Goetheanum besser gebaut wer­den könnte als hier, wo wir diese Erfahrungen gemacht haben.

#SE259-501

Nun also, dieses Anerbieten ist da. Das Gut ist etwa 110 Jucharten* groß, es enthält dieses Schloß, das natürlich ganz ungeeignet ist, eine Repräsentanz der anthroposophischen Sache zu sein. Und es wirft sich dadurch natürlich die Frage auf, wie man sich zu einem solchen Anerbieten verhält. Das Anerbieten ist da. Ich glaube, weder Herr Steffen noch ich dürfen es auf unsere eigene Kappe nehmen, weder sich positiv noch negativ zu verhalten, sondern es muß aus den Erwägun­gen heraus, daß Dornach auch eine Historie hat, daß ja, wenn wir von Dornach weggehen würden, soundso viele Menschen da sind, die sich nun wirklich auch stark mit Dornach engagiert haben, auch nach der finanziellen Seite: es sind Häuser gebaut worden, man hängt mit der ganzen Sache hier zusammen. Es muß erwogen werden, daß auf der einen Seite zahlreiche Verhältnisse innerhalb der Mitgliedschaft es notwendig machen, wenn nur irgendeine Möglichkeit ist, daß gebaut werden kann, eben hier gebaut werden soll.

Auf der anderen Seite liegt das Anerbieten vor. Es ist uns angeboten diese Besitzung dort - ich kann im Augenblicke natürlich nicht beur­teilen, ob sie nun gerade verhältnismäßig billig oder teuer ist-, die wir würden haben können für 1 300000 Schweizer Franken. Wie gesagt, 110 Jucharten; ein großer Teil derselben ist mit Weinbergen bedeckt. Es sind auch einzelne Nebenhäuser neben dem Gebäude. Kurz also, das Anerbieten liegt vor. Und ich würde, damit eben eine Gesell­schaftsäußerung vorliegt, bitten, daß sich die Gesellschaft selber schlüssig wird, ob sie einen provisorischen oder einen definitiven Beschluß nach dieser Richtung fassen will. Ich bitte, sich unverhohlen über die Sache aussprechen zu wollen, denn es ist natürlich unnötig, daß auch in Anbetracht solcher Dinge die einzelnen eben sozusagen wiederum als Sündenböcke funktionieren, sondern daß die Gesell­schaft darüber schlüssig wird. Wenn jemand etwas weiter darüber wissen will, so kann er ja natürlich Auskunft haben. Aber das Wichtig­ste scheint mir, daß eben durch alles das, was vorgegangen ist seit 1913, ein Verbundensein mit Dornach da ist; so daß man eben eigentlich von hier nicht gerade fortgehen darf, ohne daß man hinausgeworfen wird; und auf der anderen Seite das Faktum dieses Anerbietens vorliegt.

Albert Steffen: Ja, ich selbst kann mich zu dieser Sache nicht äußern, weder positiv noch negativ, wie Sie selbst sagten, Herr Doktor.

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* 1 Jucharte = 36 Aren

#SE259-502

Emanuel van Leer ist dagegen, von Dornach wegzugehen, auch wenn noch so viele Schwierigkeiten auftreten würden. Er möchte vorschlagen, vorläufig prinzi­piell abzulehnen.

Rudolf Geering glaubt, daß alle derselben Ansicht wären wie Herr van Leer und kaum eine große Diskussion hierüber nötig sein werde.

Dr. Steiner: Es wäre natürlich nur wünschenswert, daß eine Resolu­tion nach dieser Richtung gefaßt würde und daß diese Resolution - ja, verzeihen Sie, ich weiß nicht, ob der Stenograph der Gegner da ist-, daß diese Resolution gescheit ist. Also, nicht wahr, die Resolution sollte schon mit all der Strenge, wenn das die Meinung der Gesellschaft ist, gefaßt werden, ausgesprochen werden. Aber es wäre doch zu erwägen, ob es nicht auch auf die Nebensätze dieser Resolution etwas ankommt, ob es also unter Umständen nicht bedeutsam sein könnte, wenn ausgesprochen würde: Weil wir unbedingt festhalten wollen an dem Gedanken, wieder hier aufzubauen, wir leider verhindert sind, auf einen solchen Vorschlag von außen einzugehen. Nicht wahr, dann könnte unter Umständen der eine oder andere doch sagen: Wir müs­sen schauen, daß die in Dornach bauen können, sonst - -Emanuel van Leer: Ja, das sind die Glacéhandschuhe, von denen ich sprach.

Dr. Steiner: 0 nein, das sind nicht die Glacéhandschuhe! Nicht wahr, es gibt doch sehr viele Menschen außerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft, die es ganz gern haben, daß wir hier bauen; und wenn bekannt würde, daß wir auch woanders bauen könnten, so könnte das unter Umständen ganz nützlich sein, wenn es sich in einem Neben-satze der Resolution drinnen fände. Nicht wahr, es ist ein Unterschied, wenn wir der Welt mitteilen, daß wir unter Umständen die Gelegen­heit haben, irgendwo sonst zu bauen und dennoch hier bauen! Ich weiß nicht, ob man das hier versteht?

Emil Leinhas fragt, ob in dieser Sache nur die Schweizerische Anthroposophische Gesellschaft sprechen solle oder ob es auch möglich wäre, die Resolution von der gesamten Anthroposophischen Gesellschaft herauszubringen?

Dr. Steiner: Da würde es gut sein, daß die hier versammelten schwei­zerischen Mitglieder und die nichtschweizerischen Mitglieder, also daß alle Mitglieder, die hier sind, über diese Sache entscheiden. Es ist ja natürlich Angelegenheit der Gesellschaft. Wir kriegen ja nirgends die ganze Gesellschaft zusammen, aber was wir beisammen haben, kann ja die Resolution fassen.

#SE259-503

Emil Leinhas fragt, ob nicht auch mit Grundstücksangeboten aus dem Ausland gerechnet werden könne? Denn wenn man darauf hinweisen könnte - -Dr. Steiner: Na, na, in der Schweiz ist Kantonswirtschaft.

Willy Storrer: In der Schweiz ist jeder Kanton für den andern schon ein Teil vom Ausland.

Dr. Unger macht darauf aufmerksam, daß Stuttgarter Behörden erwägen, das Goetheanum durch entsprechende Angebote nach Stuttgart zu ziehen. Es wäre vor einigen Tagen von einem Baurat ein dahingehender Anruf gekommen, aber näher habe er sich nicht geäußert.

Dr. Steiner: Wenn man darüber etwas Genaueres wüßte, wäre das natürlich ein prachtvoller Nebensatz.

Dr. Unger sagt, es sei noch nichts Definitives; Tatsache sei aber das Interesse der Stuttgarter Baubehörde.

Dr. Steiner: Nun, dann wird man ja vielleicht nur im allgemeinen, nur in diesem Sinne, wie es jetzt besprochen worden ist, die allgemeine Direktive geben und es Herrn Steffen überlassen, die entsprechende Resolution zu formulieren. Ich werde dann ganz gerne mit ihm zu­sammen das machen. Das ist nicht ein Antrag, sondern eben nur ein Rat. - Will noch jemand das Wort?

Ein Redner meint, man solle alle eventuellen Angebote anhören, das Gut in Winterthur ankaufen und dann trotzdem in Dornach bauen, damit man eine Ausweichmöglichkeit habe bei eventuell eintretenden Schwierigkeiten.

Dr. Steiner: Sie meinen also, daß wir das Gut ankaufen sollen? Ja, sehen Sie, wenn es jemand ankauft, um es eventuell in petto zu haben für diesen Fall, dann kann man ja nichts dagegen haben. Aber aus dem Gesellschaftsvermögen könnte man es nicht riskieren, denn man muß es ja auch wieder loskriegen, wenn man es ankauft. Ich habe zwar alles Vertrauen, daß, wenn wir das Geld haben, wir es ankaufen können, aber ich habe nicht das Vertrauen, daß wir es auch im rechten Moment wiederum, wenn man kein Geld mehr hat, loskriegen.

Rudolf Geering möchte der Gesellschaft den formalen Antrag stellen, daß die Sache von uns angenommen werde: nämlich, daß Herr Steffen im Sinne des Vorschlages eine Resolution redigiere, sobald der richtige Moment dafür gekommen ist - also nachdem man von Stuttgart genaueren Bescheid hat.

#SE259-504

Albert Steffen: Ich glaube, wir können diesen Bescheid nicht abwarten. Herr Gertsch ist Dragoner, und er drängt auf eine Antwort.

Dr. Steiner: Sie sind da. Ich könnte den Bescheid ruhig abwarten, denn ich bin in den nächsten Tagen nicht da, aber Herr Steffen ist noch da, dann ist er das arme Opfer. Ich schlage vor, diese Resolution sofort im besprochenen Sinne eben zu beschließen und Herrn Steffen anzuver­trauen. Und wenn dann von Stuttgart ein Angebot gemacht wird, dann wiederholen wir eben diesen Vorgang.

Albert Steffen: Ich kann es ja auch so machen, daß ich dem Herrn Oberstdivisio­nir Gertsch zuerst schreibe und dann nachher die Resolution nachschicke. - Die Zeit ist sehr vorgeschritten. Niemand meldet sich mehr?

Dr. Steiner: Ich möchte nur noch sagen, daß ja die Hauptfragen immer noch weiter beraten werden müßten und daß die Versammlung sehr bald wieder zusammenkommen müßte hier in der Schweiz. Denn es scheint mir tatsächlich von eminenter Wichtigkeit zu sein, daß gerade hier in der Schweiz etwas Kräftiges getan werde in der Anthroposo­phischen Gesellschaft. Ich habe das schon seit vielen Jahren geäußert, daß gerade dann, wenn hier von der Schweiz aus für die Anthroposo­phische Gesellschaft etwas getan würde, dieses von einer ganz beson­deren, auch geistigen Wichtigkeit wäre. Und deshalb habe ich eigent­lich große Erwartungen auf die heutige Versammlung gesetzt.

Nun aber wird es ja vielleicht doch dazu kommen, daß diese Erwar­tungen von einer möglichst baldigen Fortsetzung* übertroffen wer­den! Und daher werden wir ja wohl über dieses heute doch nicht mehr weiter debattieren können. Und jetzt kommen die «Glacéhand-schuhe»: Ich will also mit dem Beginn des Vortrages so lange warten, bis Sie Abendbrot gegessen haben. Vielleicht fangen wir den Vortrag erst so viertel vor neun Uhr an?

Herr Storrer: Die Sammlung für das Defizit der Anthroposophischen Gesell­schaft, die wir veranstaltet haben, betrug bis jetzt den Betrag von Fr. 459.50,

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* Siehe dazu die Versammlung vom 10. Juni 1923, Seite 512ff.

ZWEI RUNDSCHREIBEN AN DIE ZWEIGVORSTÄNDE DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DER SCHWEIZ Dornach, 14. Mai 1923

#G259-1991-SE505 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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ZWEI RUNDSCHREIBEN AN DIE ZWEIGVORSTÄNDE DER

ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DER SCHWEIZ

Dornach, 14. Mai 1923

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Liebe Freunde!

Wir schicken Ihnen hier einen Bericht über die Generalversammlung vom 22. April 1923,[*] den Sie aus Ihren eigenen Eindrücken ergänzen mögen, und bitten Sie, ihn Ihren Zweigmitgliedern zur Kenntnis zu bringen und im Anschluß daran die Lage der Gesellschaft ganz gründlich durchzusprechen. Wie Sie wissen, hat uns Herr Dr. Steiner vor die Möglichkeit gestellt, daß er, wenn ihm die Gesellschaft nicht mehr geeignet erscheinen kann, die Anthro­posophie zu fördern, sich zurückziehen muß.

Sie ersehen auch aus diesem Bericht, wie gewaltig die Arbeit Herrn Dr. Steiners ist und wie gering die Hilfe der Gesellschaft. Können wir unsere Aufgabe besser erfüllen?

In der letzten Generalversammlung kam man zu keinen Entschlüssen. Sie muß deshalb fortgesetzt werden. Das wird Anfang Juni geschehen. Das genaue Datum wird nach der Rückkehr Dr. Steiners von Norwegen kundge­geben. Vorher sollte noch eine Delegiertenversammlung stattfinden, woran die Zweigvorstände und andere Mitarbeiter teilnehmen sollten. Wir werden Ihnen den Tag der Zusammenkunft noch mitteilen.[**]

Zweierlei sollte zunächst geschehen: 1. Herr Dr. Steiner sollte durch so viele Menschen, als nur möglich ist, gebeten werden, das Goetheanum aufzu­bauen. Dann sollte von der Gesellschaft aus, mittels Namensunterschriften, an die Behörden die Frage gerichtet werden, ob und wann die Versicherungs­summe ausbezahlt wird, ob man überhaupt bauen kann.

Diese Resolution muß, wenn Herr Dr. Steiner nichts dagegen einzuwen-den hat, sobald als möglich gefaßt werden.

Wir bitten Sie, auch Ihrerseits über die Aufgaben der Gesellschaft und die Konsolidierung derselben Vorschläge bereitzuhalten, damit die nächste Ge­neralversammlung besser gelinge.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Albert Steffen

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[ *] Es handelt sich um den Bericht von H. J. Heywood-Smith, vgl. auf Seite 478 ff.

[**] Ein diesbezügliches Rundschreiben liegt nicht vor. Die Delegiertenversarnmlung fand am 9. und die Generalversammlung am 10. Juni in Dornach statt.

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Dornach, Ende Mai 1923

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An die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft

Anläßlich der Generalversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz am Sonntag, den 1O.Juni, hat sich Herr Dr. Steiner bereit erklärt, einen Vortragszyklus über

«Geschichte und Lebensbedingungen der anthroposophischen Bewegung

im Verhältnis zur Anthroposophischen Gesellschaft» [GA 258]

zu halten. Die Vorträge finden von Sonntag, den 10., bis Sonntag, den 17. Juni, allabendlich 8 Uhr im provisorischen Saal der Schreinerei am Goetheanum statt.

Ferner werden sprechen: Herr Albert Steffen über moderne Dichtung, Frl. Dr. E. Vreede über den Tierkreis, Herr Dr. Ernst Blümel über die Sprache kosmischer und irdischer Bewegungen, Herr Dr. Guenther Wachsmuth über die Atmung der Erde. Tag und Stunde dieser Vorträge werden noch bekannt­gegeben.

Außerdem sind an den beiden Samstagen und Sonntagen (9., 10., 16. und 17. Juni) Eurythmievorstellungen sowie am Mittwoch, den 13., eine Kinder­Eurythmieaufführung in Aussicht genommen.

Preis der Eintrittskarte für sämtliche Vorträge Fr. 15.-. Für die Euryth­mieaufführungen sind besondere Karten zu lösen.

Anmeldungen und Anfragen sind an Haus Friedwart (Frl. E. Vreede) zu richten.

Für die Anthroposophische Gesellschaft

in der Schweiz:

der General-Sekretär

Albert Steffen

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DIE INITIATIVE DER ENGLISCHEN FREUNDE

ZU EINER INTERNATIONALEN

DELEGIERTENVERSAMMLUNG IN DORNACH

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[Schon bevor der von H. J. Heywood-Smith verfaßte Bericht über die Generalver­sammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz vom 22. April von dieser mit Rundschreiben vom 14. Mai überailhin verschickt wurde, hatte Heywood-Smith den Freunden in England einen Kurzbericht mit folgendem Begleitschreiben vom 1. Mai geschickt (Übersetzung):]

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Haus Friedwart, Dornach, 1. Mai 1923

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Beiliegend ist ein kurzer Bericht über die Generalversammlung der Anthro­posophischen Gesellschaft in der Schweiz. Sie werden daraus ersehen, daß Dr. Steiner hofft, daß solche Zusammenkünfte auch in anderen Ländern abgehal­ten werden, wenn Anthroposophen sich vereinigen, um sich eine würdige Aufgabe zu stellen, welche die ganze Welt nicht anders als respektieren kann.

Es sind jetzt vier Monate her, seit das Goetheanum durch Feuer zerstört und die Anthroposophie dadurch heimatlos geworden ist, und nichts ist bisher geschehen, um das Gebäude wieder aufzurichten. Ist es nicht aus Rudolf Steiners ernsten Worten ersichtlich, daß die würdige Aufgabe, die die Gesellschaft als ein Ganzes übernehmen und an der sie mit aller Kraft und Energie arbeiten sollte, der Wiederaufbau des Goetheanum ist? Wäre das nicht eine positive Tat als Antwort auf die Angriffe der Feinde der Anthropo­sophie?

Würden Sie sobald als möglich eine Versammlung der Mitglieder der Gruppen einberufen und mit ihnen besprechen, was der Doktor von solch einer Versammlung erwartet, und wenn sie einverstanden sind, einen Ent­schluß fassen in dem Sinne, daß es ihre feste Absicht ist, das Goetheanum in Dornach wieder aufzubauen, und daß sie wünschen, daß die Arbeit sogleich beginnt. Solch ein Beschluß, gefaßt von Gruppen in mehreren Ländern, würde zu der Erfüllung der ersten Bedingung beitragen, unter welcher der Bau wieder aufgebaut werden könnte. Die Resolution sollte an Dr. Steiner geschickt werden, Villa Hansi, Dornach, Schweiz, sobald wie möglich, denn Dr. Steiner bat die Mitglieder, den Versammlungsraum nicht zu verlassen, bevor sie sich eine wirkliche Aufgabe gesetzt hätten, aber leider endete die Versammlung in Dornach, ohne daß es dazu gekommen wäre.

Mit freundlichen Grüßen H. J. Heywood-Smith

[Auf diesen Heywoodschen Appell hin wurde in England am 23. Mai eine Gene­ralversammlung einberufen. Rudolf Steiner erhielt darüber Bericht durch folgen­den Brief von Ada Drury-Lavin vom 25. Mai (Übersetzung):]

The Old House, Sonning-on-Thames 25. Mai1923

Lieber Dr. Steiner,

Sie werden unser Telegramm erhalten haben[*] mit dem Ausdruck des einmütigen Wunsches der Teilnehmer an einer Mitgliederversammlung am 23., daß das Goetheanum wieder aufgebaut werden sollte. Es wurde ein

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Komitee gebildet mit dem Auftrag, einen Plan auszuarbeiten, der Ihnen in ein paar Tagen durch Herrn Metaxa vorgelegt werden wird. Ich dachte, Sie würden gern hören, wie warm der Ausdruck der GefüMe der Teilnehmer war, mit welcher Dankbarkeit alle von dem gewaltigen Einsatz sprachen, der in der Vergangenheit gemacht worden war, um den Bau zu schaffen, und daß sein Verlust eine schwere Lücke in unserem Leben hinterläßt.

Die Versammlung war sehr repräsentativ, Mitglieder waren von allen Teilen von England gekommen und Schottland, und in allen lebte einzig der Gedanke: Das Goetheanum muß wieder aufgebaut werden! Inder Hoffnung, daß dieser allgemeine Wunsch bald realisiert werden möge, verbleibe ich, lieber Herr Dr. Steiner,

Ihre dankbar ergebene Ada Drury-Lavin

[Einige vom Komitee Delegierte reisten nach Dornach, um die Realisierung des Vorschlages mit Rudolf Steiner zu besprechen. Das Ergebnis wurde in der Fort­setzung der Londoner Generalversammlung am 6.Juni berichtet. Am 8.Juni 1923 erging von der Anthroposophischen Gesellschaft in Großbritannien ein Rund­schreiben an die Zweige in allen Ländern mit dem Aufruf, für den Wiederaufbau des Goetheanum international zusammenzuarbeiten und dafür eine internationale Delegiertenversammlung einzuberufen. Von der am 10. Juni in Dornach in Fort­setzung der Generalversammlung vom 22. April stattgefundenen Versammlung wurde der englische Vorschlag sofort aufgegriffen. Als Datum für die internatio­nale Delegiertenversammlung wurde Ende Juli vorgesehen. Die offizielle Einla­dung dazu sollte durch die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz erfol­gen. Das geschah mit Rundschreiben vom 16. Juli. Siehe die folgenden Doku­mente.]

Entwurf des Briefes der englischen Freunde.

[Von dem Entwurf liegt nur das erste Blatt vor, die definitive Fassung vom 8.Juni ließ sich trotz vieler Bemühungen nicht mehr finden. Das Datum «8. Juni» ist jedoch gesichert. Siehe hierzu Seite 553]

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[*] Das Telegramm lautete gemäß dem Protokoll der Generalversammlung «At meeting of members held to-night it was unanimously desired to have Goetheanum rebuilt. Mee­ting appointed comittee to take active steps to that end with international cooperation.» («Bei der heutigen Versammlung wurde der einhellige Wunsch geäußert, das Goethe­anum möge wieder aufgebaut werden. Es wurde ein Komitee gebildet, um dieses Ziel im Sinne internationaler Zusammenarbeit in die Wege zu leiten.»)

#SE259-509

#Bild s. 509

#SE259-510

Draft of letter to the groups in other countries. 46 Gloucester Place,

London, W 1, England

Dear Friends, June 1923

The earnestness and responsibiliry of the present moment for the Anthro­posophical Society has doubtless been in the hearts and minds of members all the world over. The tragic loss of the Goetheanum, and the message which Dr. Steiner has given at the recent meetings at Dornach and Stuttgart and in his lectures at Dornach during the last few months, have brought it home to us that the Society must rise to a new sense of its task as the bearer of a spiritual impulse for our age.

With the desire to take a real step forward in unity and consciousness of purpose, a General Meeting of the Anthroposophical Society in Great Britain was held at the London Headquarters on Wednesday May 23rd. From the many and varied contributions to the discussion there arose the sense of a real unity of desire and intention, and the meeting before adjournment appointed the undersigned to take active steps to give expression to this. We desire in the first place to send cordiai greetings, on behalf of the whole Society in this country, to the members and Groups in all other countries, and to acquaint them with the outcome of our meeting here.

[Übersetzung]

Entwurf zu einem Brief an die Gruppen in den anderen Ländern

Liebe Freunde, Juni1923

Der Ernst des gegenwärtigen Augenblicks für die Anthroposophische Gesellschaft hat ein daraus erwachsendes Verantwortungsgefühl in den Her­zen und Gedanken der Mitglieder über die ganze Welt hin erwachen lassen. Der tragische Verlust des Goetheanum sowie die Botschaft, welche Dr. Steiner bei den kürzlichen Versammlungen in Dornach und Stuttgart und durch seine Vorträge in Dornach während der letzten paar Monate an die Gesellschaft hat ergehen lassen, haben uns vor Augen geführt, daß die Gesell­schaft sich zu einem neuen Bewußtsein ihrer Aufgabe erheben muß als der Träger eines für unsere Zeit notwendigen geistigen Impulses.

In dem Wunsch, einen wirklichen Schritt vorwärts zu machen in der Einheit und im Bewußtsein unserer Aufgabe, hat eine Generalversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in Großbritannien im Londoner Hauptquartier am Mittwoch, 23. Mai, stattgefunden. Aus den zahlreichen und verschiedenartigen Voten in der Diskussion ergab sich eine wahre Einheit von Wunsch und Absicht, und die Versammlung beauftragte vor dem Auseinandergehen

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den Unterzeichneten, Schritte zu tun, um dies zum Ausdruck zu bringen. Zuerst senden wir herzliche Grüße, im Auftrag der gesamten Gesell­schaft in diesem Lande, an die Gruppen und Mitglieder in allen anderen Ländern und möchten sie nunmehr mit dem Ergebnis unserer Zusammen­kunft bekanntmachen.

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VERSAMMLUNG DER DELEGIERTEN DER

ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DER SCHWEIZ

Dornach, Samstag, 9.Juni 1923, im Haus Friedwart

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[Von dieser Besprechung liegt kein Protokoll vor, jedoch der folgende Bericht aus einem persönlichen Brief vom 11. Juni von Ernest Etienne aus Chancy/Genf, vgl. auch den Bericht von Dr. Ernst Blümel bei der Generalversammlung vom 10. Juni, Seite 522.]

Ich war also in Dornach für die Versammlung der Gruppenleiter und für die Versammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz. Wir hatten eine Sitzung von drei bis fünf nachmittags am letzten Samstag, dann Eurythmie und Vortrag, anschließend Sitzung von zehn Uhr bis ein Uhr nachts mit den Delegierten, wobei Dr. Steiner anwesend war. Eine Erklärung wurde verlesen, in der Dr. Steiner gebeten wird, den Wiederaufbau des Goetheanum in die Hand zu nehmen und die ihm volle Freiheit in der Wahl der Personen gewährt, die ihm helfen sollen und auch in bezug auf die Finanzen, die für den Wiederaufbau nötig sind. Unter der Bedingung also, daß niemand sich in seine Dispositionen einmischt, hat Dr. Steiner das ange­nommen, wobei er natürlich auch die ganze Verantwortung übernimmt für den Bau und das Finanzielle. Er hat nun außer den drei Millionen, die von der Versicherung zugesagt sind, weitere drei Millionen verlangt, um anzufangen. Er hat mitgeteilt, daß die Versicherung bezahlt hat und daß der Kanton Solothurn den Wiederaufbau wünsche und dementsprechend auch bewilligen würde. Er würde in Beton gemacht werden und würde den Charakter der neuen organischen Formen bewahren, die für die Anthroposophie typisch sind, der Bau würde schnell vonstatten gehen und etwa 12 bis 15 Monate benötigen. In Anbetracht der Unregelmäßigkeiten bei den Wechselkursen und den Schwierigkeiten, die sie mit sich brächten, ist Dr. Steiner gegen eine Aufnahme einer Anleihe und wünscht Spenden ä fonds perdu.*

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* Dieser Beschluß wurde anderntags an der Generalversammlung verlesen und angenom­men.

#SE259-512

Lange Diskussionen entstanden unter den Delegierten, um in Dornach eine Organisation zu schaffen, durch welche die Zweige etwas besser orien­tiert werden sollen. Das war eine recht unangenehme Sache, die viel Zeit genommen hat. Erst verlangte man sehr viel, und dann weigerte man sich, die notwendigen Kredite zu geben, die Berner waren recht hürokratisch und verlangten eine Geschäftsordnung und einen Anstellungsvertrag für die Per­son, die mit dieser Sache betraut werden soll. Eine weitere Schwierigkeit war das Lokal, das Mobiliar und schließlich die Person selbst. Mit Storrer war man nicht zufrieden, der alles an sich gerissen hat. Er wurde nur provisorisch bestätigt, und man hat ihm Herrn Stokar beigegeben, der 300 Franken im Monat kriegen soll und die bestehenden Einrichtungen mitbenutzen kann.

Ich habe die Notwendigkeit der Orientierung der Zweige und der Mit­glieder, die keiner Gruppe angehören, sehr betont. Mein Vorschlag wurde

angenommen:

1. Protokolle der Dornacher Sitzungen anzufertigen.

2. Häufigere Zusammenkünfte der Delegierten.

3. Schriftliche Mitteilung der behandelten Fragen sowie derjenigen, die be­handelt werden müssen.

Es wurde beschlossen, daß die Zweige Bern, Zürich, Olten, St. Gallen und Basel je einen Delegierten im Ausschuß haben sollten, um über die Beziehun­gen zwischen den Zweigen und dem Zentrum und über die Verwendung der Gelder zu wachen. Herr Steffen soll nichts mit diesen finanziellen Fragen zu tun haben. Stokar wird die Mitteilungen und die Protokolle besorgen. Die Beiträge der Zweige wurden erhöht, indem sie für diese Organisation zehn Franken für jedes Mitglied anstatt bisher fünf abführen werden und die Mitglieder, die keinem Zweig angehören (und darum auch keine Unkosten haben, die sich aus der Zweigmitgliedschaft ergeben) 25 Franken zahlen sollen. *

#TI

GENERALVERSAMMLUNG DER

ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT IN DER SCHWEIZ

Dornach, 10.Juni 1923, 10 Uhr, Schreinereisaal

in Fortsetzung der Versanimlung vom 22. April

Protokoll von Helene Finckh

#TX

Albert Steffen: Geehrte, liebe Freunde! Auch heute begrüße ich die Anwesen­den auf das herzlichste in dieser Fortsetzung der Generalversammlung vom 22. April. Besonders danke ich Herrn Dr. Steiner für seine Anwesenheit und

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* Wurde von der Generalversammlung anderntags bestätigt.

#SE259-513

dafür, daß er im Laufe dieser Woche allabendlich einen Zyklus halten wird, der für unsere Bewegung von so überaus wichtiger Bedeutung ist, nämlich über die Geschichte und die Bedingungen der anthroposophischen Bewegung im Verhältnis zu unserer Gesellschaft.

Und ich begrüße auch aufs herzlichste die ausländischen Mitglieder, die ich mit Freude hier anwesend sehe. Ich möchte auch nicht den Schimmer eines Anscheins erwecken, daß wir Schweizer für uns allein alles beraten möchten. Wohl möchten wir Schweizer einen festen Grund haben in unserer Gesell­schaft, aber wir möchten dann unsere Blicke so weit wie möglich hinausschik­ken. Die Gesellschaft umspannt ja die ganze Erde. Wir möchten eigentlich das sein, was unser Land schon vorbildet: Es hat einen granitenen Grund und hat sehr hohe Berge, was wir jetzt in keiner Weise natürlich erreicht haben. Herr Dr. Steiner hat ja einmal die Schweiz selbst dargestellt als etwas, was zum Mittelpunkte einer geistigen Bewegung werden könnte. Vielleicht darf ich Ihnen diese Stelle [aus Vortrag Dornach, 14. Oktober 1921, in GA 339], die er mich damals im «Goetheanum» abdrucken ließ, erwähnen: ... . Ein Staatswe­sen wie die Schweiz... ist etwas ganz Besonderes. Denn erstens ist die Schweiz, was schon während des Krieges bemerkbar war, wenn man es nur sehen wollte, etwas wie ein Schwerpunkt der Welt. Und gerade ihr Unenga­giertsein gegenüber den verschiedenen Weltverhältnissen könnte sie benüt­zen, um ein freies Urteilen und auch ein freies Handeln gegenüber ringsherum zu bekommen. Die Welt wartet ja nur darauf, daß die Schweizer das auch in ihren Köpfen bemerken, was sie in ihrer Tasche bemerken. In ihrer Tasche bemerken sie, daß der Franken vom Auf- und Absteigen der Valuta, von der Korrumpierung der Valuta, eigentlich nicht betroffen worden ist. Daß ja die ganze Welt sich um den schweizerischen Franken bewegt, das bemerken die Schweizer. Daß das auch in geistiger Beziehung der Fall ist, das bemerken die Schweizer eben nicht. Aber so, wie sie den unbeweglichen Franken, der gewissermaßen der Regulator geworden ist der Valuta der ganzen Welt, wie sie den zu würdigen verstehen, so sollten sie auch ihre durch die Weltverhält­nssse wirklich unabhängige Stellung, durch die die Schweiz tatsächlich eine Art Hypomochlion sein könnte für die Weltverhältnisse - dies sollten die Schweizer verstehen... »

Verehrte Anwesende, damit ist eigentlich gesagt, daß unsere schweizeri­sche anthroposophische Bewegung nicht nur eine geistige, sondern eine Na­turgrundlage hat und daß, wenn wir diese Gesellschaft nicht fundieren kön­nen, wir da eigentlich nicht nur etwas tun, was ungeistig ist, sondern was unnatürlich wäre.

Nun ist ja die Schweiz vom Schicksal dazu ausersehen - was ja auch eine Naturtatsache ist in diesem Falle-, das Goetheanum hier zu haben. Es ist eben notwendig, wenn wir wirklich unsere Aufgabe erfüllen wollen, daß das

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Goetheanum wieder hier aufgebaut wird. Diese Tatsache kam ja auch in der letzten Generalversammlung zum Ausdruck, aber höchst chaotisch und ohne daß ein Resultat eigentlich herauskam. Aber am Ende war doch die Stimmung einmütig: das Goetheanum muß wieder hier dastehen.

Sie wissen ja alle, was in dieser Versammlung verhandelt wurde, teils weil Sie anwesend waren, teils weil der Bericht hinausgeschickt wurde in die ganze Welt. * Dieser von Mr. Heywood-Smith so freundlich und gut verfaßte Be­richt, er ging also nach Amerika, England, Kalifornien, Italien, Frankreich und so weiter, und er hat ein außerordentlich freudiges Echo gefunden. Überallher kamen begeisterte Briefe, und es kam auch die Versicherung, den Aufbau durch Geld zu unterstützen. Ich möchte Ihnen doch einige dieser Briefe stellenweise vorlesen. Zunächst den Brief von Mrs. Greene aus New York an unseren Freund Mr. Heywood-Smith:

«Sie waren so freundlich, uns die Berichte über die Begebenheiten der Generalversammlung, abgehalten in der Schreinerei, zu übersenden. Ich habe unverzüglich eine Extra-Zusammenkunft zusammengerufen, und die Mit­glieder der St. Markus-Gruppe beschlossen, folgendes Kabel an Herrn Dr. Steiner zu senden: »

Ebenso kam ein solcher Brief von Mme. Ferreri aus Mailand. Sie hat mich nun leider gebeten, daß ich ihn nicht vollständig vorlese. Ich will also nur sagen, daß sie eben auch große Summen geschickt hat oder vor hat zu schicken und daß sie von ihrer Gruppe sehr darin unterstützt wird. Überhaupt ist aus diesem Brief ein so inniges Gemeinschaftsgefühl zu empfinden mit Dornach und mit der ganzen Bewegung.

Dann ein Brief aus Kalifornien von Mrs. Love, die eben dieselbe Versiche­rung gibt der geistigen und finanziellen Unterstützung.

Und dann besonders auch von England die Berichterstattung über die Generalversammlung dort. Nachdem also in dieser Generalversammlung über die englische Arbeit gesprochen worden ist, man einen Begriff bekom­men hat, daß dort wirklich sehr schön gearbeitet wird, erzählt Mr. Wheeler, daß es bis jetzt möglich war, seit dem Brande des Goetheanum durchschnitt­lich 100 Pfund pro Monat an Herrn Dr. Steiner zu senden. Herr Metaxa sagt dann: [wurde nicht notiert, vgl. Seite 517]. Und dann sprechen in diesem Sinne eine ganze Reihe von Mitgliedern der dortigen Zweige. Auch Herr Kaufmann zum Beispiel sagte, daß es in erster Linie darauf ankäme, die notwendige spirituelle Grundlage für den Bau herzustellen, und daß dies in einer neuen Solidarität und Einigkeit das Ziel sein muß, das in der Gesellschaft

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* Der Bericht findet sich auf Seite 557.

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bestehe. Herr Dunlop sagte dann, daß dies das Richtige im jetzigen Augen­blick sei. Die Gesellschaft sollte zu Dr. Steiner kommen mit einem bestimm­ten Willen und Ziel und sollte nicht alles ihm selbst überlassen; wenn wir der Welt richtig gegenüberstehen und ihr unseren Willen und unsere Entschlos­senheit zeigen zu bauen, so wird es keine Frage sein, daß die Behörden dies verhindern könnten, vielmehr würden sie es begrüßen, wenn sie fühlten, daß eine lebendige internationale Bewegung dahinterstände. - Miss Schlesinger und Herr Kaufmann haben dann vorgeschlagen, daß ein Komitee ernannt werden sollte, das sofort das Notwendige tun soll, damit durch den Willen und die Bemühung der Anthroposophischen Gesellschaft in der ganzen Welt das Goetheanum wieder aufgebaut würde. - Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen.

Nun ist es mit den Behörden folgendermaßen. Nach den Auskünften, die wir auf unsere Erkundigungen hin bekommen haben von diesen Behörden selbst, bekommen wir die Versicherungssumme heraus, und der Aufbau wird erlaubt. Es müßte dann etwas ganz Unerwartetes dazu kommen, was aber unserer Ansicht nach nicht der Fall sein wird. Also, von den Behörden wird es keine Hindernisse geben. Das einzige, was nun fehlt, um den Bau zu errich­ten, ist eben der Baufonds, das Geld. Herr Dr. Steiner hat gesagt, daß der Bau ungefähr das Doppelte kosten würde der Versicherungssumme.

Wir haben dann sofort auch begonnen, in dieser Beziehung zu arbeiten. Vor allem Frau Dr. Wegruan ist überaus tatkräftig ans Werk gegangen. Sie hat den Vorschlag gemacht, daß jedes Mitglied, wenn es dazu imstande ist natür­lich, tausend Franken gibt, und dadurch wäre eigentlich die Möglichkeit da, den Bau zu beginnen, wenn das durchgeführt werden könnte. Dieser Plan ist dann auch sogleich in Angriff genommen worden, und in drei Tagen haben wir hier in Dornach 35000 Franken zusammenbekommen.

Auch in St. Gallen ist sogleich Herr Knopfli ans Werk gegangen und hat dort auch eine verhältnismäßig sehr große Summe zusammengebracht. Es ist also etwas wie eine - im guten Sinne - Epidemie im Gang, Geld zu geben. Das kommt daher, weil ein wirklich tatkräftiges und gutes Herz die Initiative dazu gegeben hat, und gerade ein solcher Mensch, dessen Aufgabe im täglichen Berufe es ist, Epidemien zu verhindern, was auch gelungen ist schon in mancher Beziehung. Ich möchte hier nicht dem Bericht der Laboratorien vorgreifen, aber ich möchte doch sagen, daß letzthin in Zürich eine Ärzte-versammlung stattgefunden hat, die das Heuschnupfenmittel empfohlen hat, und daß sich daraufhin, ich glaube, es sind 200 Ärzte, an die Laboratorien gewendet haben, um dieses Mittel zu bestellen. Also man sieht, hier kommt alles aus der Opferfreudigkeit heraus. Wir wissen ja, daß Frau Dr. Wegman wirklich sehr opferfreudig ist. Sie nimmt ja viele Kranke umsonst auf in die Klinik, und das sollte uns eigentlich auch veranlassen, sie darin zu unterstützen.

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Ich möchte Sie überhaupt bitten, daß man auf das Innere wirklich etwas schaut.

Die Natur macht Sprünge. Also sie wird, weil das Goetheanum sozusagen auch auf der Naturgrundlage erstehen soll, sie wird darin auch Sprünge machen und uns Leute zuführen, die wirklich Spenden geben. Aber sie macht nur dann die Sprünge, die Natur - in geistiger Weise meine ich -, wenn eine geistige Grundlage da ist, das heißt, wenn die Leute sich zusammenschließen und eben Herz haben, wenn sie wirklich Opferwilligkeit haben. Denn die Natur macht sicher Sprünge in einem solchen Falle, nämlich wenn man weiß: Hier ist Geist vorhanden. Dann wird die Natur schenken. Aber wenn kein Geist ist, dann wird die Natur keinen Menschen veranlassen, irgend etwas zu schenken. Da wird zum Beispiel ein Mensch, der mit Freuden tausend Fran­ken gibt, im anderen Falle um zehn Franken streiten vielleicht. Ich möchte also an die schweizerische Gesellschaft die Bitte richten, daß sie zu einem Entschluß kommt, daß sie eine Resolution faßt, worin Herr Dr. Steiner dringend gebeten wird, den Aufbau des Goetheanum zu übernehmen. Es ist unter den Delegierten gestern diese Resolution gefaßt worden, und ich will sie im allgemeinen, denn sie ist noch nicht genau formuliert, vorlesen.

Es kommt nämlich noch eins in Betracht, verehrte Anwesende, bei dieser Gelegenheit. Wir haben ja oft die Erfahrung gemacht, daß das Werk Dr. Steiners in Mißkredit gesetzt wird dadurch, daß Leute eben nicht richtig die Anthroposophie vertreten. Es müßte wenigstens beim Goetheanum Herrn Dr. Steiner die volle Freiheit gewährleistet werden im Aufbau; daß ihm also niemand dazwischenredet; daß er die Arbeiter, die er haben will beim Aufbau des Goetheanum, selbst bestimmt, daß sie ihm nicht aufgedrängt werden; daß er alles nach seinen Plänen und so weiter machen kann. Dies kommt in der Resolution auch zum Ausdruck. Es sind zwei Fassungen da, ich lese vielleicht zunächst die eine.

«Resolution. Die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz drückt in der heutigen Generalversammlung den Wunsch aus, Herr Dr. Steiner möge den Wiederaufbau des Goetheanum in die Hand nehmen. Sie räumt Herrn Dr. Steiner Vollmacht ein, diesen Wiederaufbau in jeder Beziehung nach seinem eigenen Ermessen, Dispositionen, ohne Einmischung von seiten der Mitglieder durchzuführen.»

Es ist etwas deutlich ausgedrückt; vielleicht könnte man es etwas mildern. Aber ich glaube, wir sind doch alle damit einverstanden, und ich bitte Sie nun, das Wort zu dieser Angelegenheit zu ergreifen. Bevor wir zu etwas anderem übergehen, wollen wir nämlich hier wirklich zu einem Entschluß kommen. Ich bin der Ansicht, daß, wenn wir dies tun, wir dann wirklich eine Grundlage haben, worauf die Gesellschaft wieder emporwachsen und blühen kann.

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Harriet von Vacano: Bittet alle Anwesenden, den Vorschlag von Herrn Steffen gleich anzunehmen durch Akklamation und die Tatsache als Fest­stehendes hinzustellen. (Es geschieht.)

Albert Steffen: Wie der Baufonds in Angriff genommen werden kann, ist ja natürlich das notwendigste. Herr Metaxa hat schon in England die Sache in Angriff genommen und wird vielleicht selbst einige Worte darüber sagen.

George Metaxa: Da Herr Steffen Ihnen das Protokoll der Generalversamm­lung, die neulich in London gehalten wurde, schon teilweise vorgelesen hat, darf ich Ihnen vielleicht jetzt nur sagen, daß das Komitee, das gebildet worden war, um die Sachen für den Wiederaufbau zu besprechen, der Meinung war, daß der Wiederaufbau des Goetheanum in vollstem Sinne eine internationale Sache sein müßte. Es müßten die Mitglieder in allen Ländern wirklich fühlen, daß sie doch an diesem Wiederaufbau teilnehmen können, auch wenn sie nicht in der Lage sind, selbst hierherzukommen. Und wie Sie wissen, sind nur die allerwenigsten dazu in der Lage. Deshalb wurde dann ein Vorschlag gemacht, und er ist von Dr. Steiner gebilligt worden, und ich darf Ihnen diesen Vor­schlag offiziell ankündigen, der heißt, wir möchten vielleicht Ende Juli eine internationale Delegiertenversammlung hier einberufen, und es würden dann die Mitglieder in allen Ländern vertreten werden. Dann könnte die Sache der Sammlung von Geldern für den Wiederaufbau wirklich eine internationale Angelegenheit werden, und es könnten sämtliche anthroposophischen Kräfte dazu verwendet werden. Es könnten dann vielleicht auch noch andere Ange­legenheiten zu besprechen sein, so daß auch da die Gesamtkräfte der anthro­posophischen Bewegung wirklich zur Verfügung gestellt werden könnten. Sollte nun dieser Vorschlag für eine internationale Delegiertenversammlung hier von der schweizerischen Gesellschaft offiziell angenommen werden, dann ließe sich der Tag ankündigen. Einzelheiten könnten vielleicht mit Herrn Steffen besprochen werden.

Albert Steffen: Ein solcher Vorschlag kann natürlich nur auf das freudigste begrüßt werden von unserer schweizerischen Gesellschaft.

Emanuel van Leer: Meine lieben Freunde, bei der letzten Versammlung hatte ich schon über die finanzielle Lage des Goetheanum zu sprechen. Es war die Absicht, sofort eine größere Aktion anzufangen, um die Mittel, 2 bis 3 Millionen Franken, aufzubringen. Ich hatte inzwischen Gelegenheit, einer­seits die von Frau Dr. Wegman eingeleitete starke Initiative in der Schweiz kennenzulernen, andererseits war ich in England, und es kommt mir vor, als ob es doch nicht möglich wäre, schnell Hals über Kopf etwas zu machen, sondern ganz genau etwas zu machen; ich will nicht das allgemeine Wort

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«Programm» benützen, aber ich möchte doch sagen, wie Herr Metaxa vorge­schlagen hat, daß eine internationaie Delegiertenversammlung stattfinden soll Ende Juli. Wir können sie festsetzen auf den 22. oder 29. Juli. Allerwichtigst ist heute und in den allernächsten Tagen, genaue Mitteilung zu machen, was hier getan wird und gewollt ist, daß man bestimmte Pläne angibt und daß dann die verschiedenen Länder in ihrem eigenen Kreis all die verschiedenen Fragen in ihrem Lande besprechen könnten und daß die Delegierten zusammenkom­men, die auch wirklich Delegierte sind, nicht daß es geht wie in Stuttgart. Man kam da hin, man mußte da vielleicht erst hören: Was wollen die Leute eigentlich in Stuttgart? - Es lag da ein chaotischer Ideenkomplex vor, und die Delegierten waren oft nicht berechtigt, etwas Bindendes zu sagen, wenn es sich um irgend etwas handelte. Wenn man früher besprochen hat, das und das kann gemacht werden, dann sind die Delegierten in ihre Länder gereist, aber die Resultate waren ziemlich schwach. Wir sollten es jetzt umgekehrt versu­chen. Wir sollten den Leuten vier Wochen Zeit geben, um ihre Ideen auszu­denken, so daß die Länder mit ihren verschiedenen Vorschlägen kommen. Es ist natürlich von der Schweiz richtig, Dr. Steiner zu ersuchen, aufzubauen. Aber wie Herr Metaxa gesagt hat: Es kommt auf das Internationale an. Wenn wir von überall her die Aufforderung bekommen und die Delegierten kom­men, werden wir als eine große Körperschaft aufgefaßt werden. Ideen sind so billig wie Brombeeren. Es kommt darauf an, daß man dahinter stehenbleibt. Zum Beispiel die englischen Freunde stehen hinter ihren Ideen. Ich muß sagen, daß die englischen Vorschläge gerade mir in mancher Beziehung ange­nehmer und sympathischer erscheinen wie unsere schweizerischen, aus dem Grunde, weil bis jetzt alle Vorschläge immer von der Schweiz ausgegangen sind. In England steht man auf dem Standpunkt: Wir wollen es zusammen machen, aber wir wollen auch etwas mitzureden haben. - Über die Form, wie man das macht, kann man sich noch unterhalten, aber es kommt darauf an, die Sache international zu machen. Ich bin überzeugt, es ist von Herrn Steffen gar nicht schweizerisch gemeint. Aber es ist bis jetzt alles von der Schweiz aus gemacht worden. Die Engländer glauben eben, daß, wenn sie sich dahinter-stellen hinter die Sache, es gut wäre. Ich möchte vorschlagen, daß, wenn diese Vorschläge akzeptabel erscheinen, wir in den nächsten Tagen einen Aufruf oder ein Programm, oder wie Sie so ein Papier nennen wollen, verschicken werden, worauf mitgeteilt wird, daß wir eine internationale Versammlung abhalten werden und genau angegeben wird, was hier gewollt wird, so daß die verschiedenen Gruppen in den verschiedenen Ländern ihre Delegierten er-nennen, die aber auch wissen, was sie wollen. Es ist nicht sachlich, wenn man sagt: Diejenigen, die gerade in Dornach sind, sind unsere Delegierten. - Wenn alle Länder ihre Delegierten schicken, so glaube ich, daß dann eigentlich erst die Resultate der heutigen Besprechung herauskommen könnten.

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Albert Steffen: Es ist ganz selbstverständlich, daß der Aufbau eine internatio­nale Angelegenheit ist. Ich wollte ja nur zum Ausdruck bringen, was in unserer schweizerischen Gesellschaft mir not zu tun scheint, und wir, die Zweige der schweizerischen Gesellschaft, die Zweigvorsteher sind ja zusam­mengekommen, und sie haben sich einmütig bereit erklärt, eben darauf hin zu wirken, daß ein Baufonds zusammenkommt. Ich meine, in dieser Beziehung können wir doch nie zuviel tun, wenn wir uns da, sagen wir, anstrengen. Das wird ja das Internationale in keiner Weise beeinträchtigen, es kann es nur anfeuern. Ich meine, es müßte nun so sein, daß doch jetzt schon in den nächsten Tagen Delegierte der verschiedenen Länder, weil sie ja doch da sind, zusammenkommen und miteinander beraten und daß wir vielleicht die Freude haben würden, Herrn Dr. Steiner dabei zu haben, der uns ja die richtigen Ratschläge allein geben kann. Wir wollen ihm doch sozusagen nicht ins Handwerk pfuschen in solchen Sachen. Also mein Vorschlag wäre, daß wir uns, die verschiedenen Freunde aus dem Auslande, die hier sind, noch eigens versammeln - weil man solche Dinge vielleicht in der Vollversammlung nicht eingehend genug durchsprechen kann - unter dem Vorsitz von Herrn Dr. Steiner.

Wilhelm Nedella: Verehrte liebe Freunde! Es ist mir gestattet, einige Worte zu sagen, nicht nur im Namen derjenigen Freunde aus Amerika, die heute nicht bei uns sein können, deren Namen nicht unter denen von Herrn Steffen angeführten figurieren, besonders derjenigen der St. Michael-Gruppe in Chi­cago. Als uns seinerzeit die schmerzvolle Kunde von der Zerstörung des Goetheanum zukam und wir uns einigermaßen wieder erholt hatten von dem schweren Schlage, war der einmütige Wunsch: Werden wir wieder ein Goe­theanum haben können? Unmöglich ohne Goetheanum! Dieser Wunsch wurde verdichtet durch die letzte Generalversammlung (Ein Brief der St. Michael-Gruppe an Dr. Steiner wird vorgelesen.*) Diese Worte gelten von der atlantischen bis zur pazifischen Küste. Es gäbe in Amerika drüben ent­schieden eine Schicht, die aufrichtig eine Geistigkeit sucht, die hinhorcht auf das, was von Dornach kommt, und es sei nicht nur der Schmerz über den Verlust da, sondern auch ein starker Wille, an der Neuerstehung des Goethe­anum mitarbeiten zu können, einer Neuerstehung in einem anderen Material. Wir erblicken in der Zerstörung des Goetheanum eine Herausforderung unserer besten Kräfte, eine Prüfung, wie ernst der Wille und wie groß die Hingabe an das Werk ist, und wir hoffen, daß wir dieser Prüfung in jeder Beziehung gewachsen sein werden. Was aus der Schweiz kommt, wird in Amerika immer als eine Inspiration, eine Anfeuerung betrachtet. Dies im Namen aller abwesenden Freunde in Amerika, die heute nicht hier sein können.

- - -

* Dieser Brief liegt nicht vor.

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Albert Steffen dankt Herrn Nedella für seine Worte.

George Kaufmann: Verehrte liebe Freunde! In der Sache, die eben bespro­chen worden ist durch Herrn van Leer und von Herrn Steffen beantwortet worden ist, möchte ich von englischer Seite sagen, daß dasjenige, was wir vorgeschlagen haben, nicht gerade dieser schweizerischen Versammlung so­zusagen dazwischenreden möchte, gerade nicht am Anfang dieser Versamm­lung, und auch nicht, wie es ausgedrückt worden ist in ziemlich starker Weise von Herrn van Leer, daß die Initiative für den Wiederaufbau des Goetheanum eine internationale sein müßte - nicht daß dies etwa irgendwie in einem unbescheidenen Sinne aufgefaßt werden könnte, denn nach den äußeren Tatsachen hätten wir ja gerade in England gar keinen Grund, in diesem Sinne etwa unbescheiden zu sein, sondern es ist wirklich praktisch, auf die besten Resultate für die Zukunft hin gemeint. Und da sind wir der Überzeugung, daß wenn die neue Initiative für den Wiederaufbau auch in formeller Hinsicht ganz aus der internationalen Anthroposophischen Gesellschaft hervorgeht, daß das dann für die Finanzierung und für die weitergehende Unterstützung des Baues, welche ja auch notwendig sein würde in den nachherigen Jahren, die besten Resultate haben wird. Wenn es zum Beispiel geschehen würde, daß jetzt, da eben zufälligerweise diese oder jene Vertreter, diese oder jene Mit­glieder sollte ich sagen, aus verschiedenen Ländern vorhanden sind, diese zu Besprechungen herangezogen werden und diese Besprechungen dann die endgültigen sein ließe und die Mitglieder wieder zurückschickte in ihre Län­der, die dann berichten, was beschlossen worden ist, so ist das nicht ganz dasselbe, wie wenn die Mitglieder schon als bevollmächtigte Delegierte von ihren Ländern kommen. Es könnten ihnen vielleicht nicht explizite, aber implizite geantwortet werden: Aber wer hat euch denn bevollmächtigt, so etwas zu beschließen? - Und so meinen wir, daß eine Delegiertenversamm­lung, eine wirkliche Delegiertenversammlung, etwas Gutes wäre. Aber es kann sich eigentlich nur aus dieser jetzigen Besprechung heraus ergeben, ob das wirklich ein praktischer Vorschlag ist oder nicht. Vielleicht könnte im engeren Kreise der internationalen Mitglieder, die hier sind, aus den Bespre­chungen, die Herr Steffen vorgeschlagen hat, die richtige Tagesordnung für die Delegiertenversammlung und ein praktischer Ruf von der Schweiz aus in die verschiedenen Länder gehen, um eine solche Delegiertenversammlung im Juli einzuberufen. Das wird nur einen praktischen Sinn erhalten, wenn jetzt diese Versammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz das weiter bespricht, was Herr Steffen angedeutet hat. Als vor zwei Wochen die Generalversammlung in England war, sei der Bericht von der letzten General­versammlung hier vorgelegen, aber noch nicht die Kenntnis von der so erfreulichen von Frau Dr. Wegman eingeleiteten Aktion. Es würde sehr schön sein, wenn der Entschluß und die Aufnahme der Arbeit und auch das Tragen

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der Verantwortung seitens der Freunde in den verschiedenen Ländern wirk­lich hervorgehen würde und die Gesellschaften in den verschiedenen Ländern wissen, daß sie es auf sich genommen haben, daß sie selbst dann durch ihren eigenen Willen die Verantwortung tragen. Briefe sollen an alle Zweige hinaus­geschickt werden; die Empfindung stehe dahinter, in bescheidener, aber auch in freundlicher Weise Fühlung zu schaffen zwischen den Anthroposophen aller Länder, wie sie vielleicht gerade jetzt bei dieser Gelegenheit des Wieder­aufbaues des Goetheanum in praktischer Weise zustande kommen könnte.

Albert Steffen erwidert auf die Worte von George Kaufmann, daß wir ja auf die Hilfe der ausländischen Zweige und Gesellschaften angewiesen seien und daß deshalb eine solche Delegiertenversammlung wirklich das Notwendigste sei. Wie von Kaufmann und van Leer vorgeschlagen, könnte ja diese Ver­sammlung am 22.Juli stattfinden.

Es sei noch notwendig, andere Dinge zu besprechen, aber er möchte Herrn Dr. Steiner bitten, daß er gerade über den Aufbau des Goetheanum noch einiges sagen möge.

Dr. Steiner: Ich selber habe ja zu dem, was Sie gesagt haben, nichts hinzuzufügen. Nur möchte ich das eine sagen: Wenn diese Versamm­lung der Delegierten verschiedener Länder zustande kommt, daß ich nicht den Vorsitz habe, sondern nur dabeisein möchte, aber daß der Vorsitz vor irgend jemand anderem geführt würde.

Albert Steffen: Da möchte ich vorschlagen, daß der Vorsitz von Herrn van Leer oder Herrn Metaxa oder Herrn Kaufmann oder wie Sie es dann bestim­men gerade, geführt sein sollte. Wer wünscht noch in dieser Angelegenheit das Wort?

Willy Storrer: Herr Kaufmann hat in sehr schöner Weise gesagt, daß die Vorschläge der ausländischen Freunde uns ja nicht hindern können, unseren Willen auszudrücken und Stellung zu nehmen zum Wiederaufbau. In anderen Ländern sind ja wohl auch praktische Besprechungen darüber gewesen, daß kein Goetheanum mehr ist und wieder ein Goetheanum entstehen muß. Die Anthroposophie enthält Weltkräfte und keine Spießerkräfte. Ich denke, wir können heute im allgemeinen und in den konkreten Details unseren Willen zum Ausdruck bringen. Zum Teil ist es schon geschehen durch die Resolu­tion, die Herr Steffen vorgelesen hat, dann durch die Initiative von Frau Dr. Wegman und verschiedener anderer, zum Beispiel durch Dr. Wachsmuth und Herrn Pfeiffer in Dornach und Herrn Knopfli in St. Gallen, die auf diesem Gebiete arbeiten. Ich möchte den Antrag stellen, daß die schweizerische Anthroposophische Gesellschaft als Ganzes versucht, für jedes bei ihr angemeldete

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Mitglied einen Beitrag an den Wiederaufbau des Goetheanum von tausend Franken zu zahlen innerhalb eines Jahres. Das würde für die schwei­zerische Anthroposophische Gesellschaft einen Beitrag an den Wiederaufbau des Goetheanum von 700000 Franken machen.

Herr Koller: Dasjenige, was ich sagen wollte, hat ja zum Teil jetzt eben Herr Storrer gesagt. Mein Vorschlag wäre, daß wir doch trotz alledem, was gespro­chen worden ist, unser Einverständnis erklären können, was in der Resolution ausgedrückt ist. Nachdem wir nun schon einmal in corpore vorhanden sind, ob es jetzt intern ist oder als Grundlage dient, die internationalen Delegierten einzuladen, wir können jetzt durch Handaufheben bestätigen, daß wir einver­standen sind mit demjenigen, was in der Resolution gefaßt wurde.

Herr Steffen: Ja, ist jemand nicht einverstanden? Der soll die Hand aufheben. Ich glaube, wir können diesen Punkt als erledigt zunächst anschauen. Ich möchte nun Herrn Dr. Blümel das Wort erteilen, damit er einen Bericht gibt über das, was wir gestern in der Delegiertenversammlung verhandelt haben.

Dr. Ernst Blümel: Berichtet über die gestern nachmittag 3 Uhr stattgefundene Besprechung, in der die Frage des Wiederaufbaus des Goetheanum den ersten Punkt der Tagesordnung eingenommen habe, in der jene Resolution im wesentlichen gefaßt wurde, die ja auch zur Verlesung gekommen ist. Dann wandte man sich den eigentlichen internen Angelegenheiten der schweizeri­schen Anthroposophischen Gesellschaft zu. Verschiedene Stimmen wurden laut, daß eigentlich die Art und Weise, wie das innere Verwaltungsmäßige der Gesellschaft, überhaupt auch der ganze innere Zusammenhang der Gesell­schaft, der hier im Augenblick vorhanden ist, nicht allen Anforderungen, die in steigendem Maße herantreten werden, gewachsen ist. Speziell zur Ge­schäftsstelle am Goetheanum wurden gewisse Reorganisationsmöglichkeiten ins Auge gefaßt, daß ein klareres Verhältnis zu den Zweigen und des Aus­schusses, der die Anthroposophische Gesellschaft vertritt, in Angriff genom­men werden müsse. Herr Storrer hat dann seine Demission als Geschäftsfüh­rer am Goetheanum gegeben. Es wurde zunächst ein provisorischer Beschluß gefaßt, dahingehend, daß bis zur definitiven Regelung dieser Frage der Ge­schäftsstelle weiter der bisherige Inhaber noch beauftragt wird, bis dann bei einer nächsten Delegiertenkonferenz diese Angelegenheit bereinigt wird.

Im Zusammenhang mit diesen Fragen war es dann natürlich, daß man auch die finanzielle Seite der anthroposophischen Angelegenheiten aufgerollt hat, daß das, was im Augenblick nach dieser Richtung hin läuft, eben durchaus nicht den Anforderungen zu entsprechen in der Lage ist. Es wurde dann ein Vorschlag gemacht, wie man einerseits gewisse Aufgaben in der Gesellschaft sich stellen könnte und wie hoch ungefähr das wäre, was die Gesellschaft

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brauchen würde, um jenen Aufgaben zunächst rein gesellschaftlicher Natur nachzukommen. Es hat sich herausgestellt - und diese Vorschläge wurden dann im Plenum angenommen -, daß es notwendig wäre, das rein Verwal­tungsmäßige wirklich so zu finanzieren, daß es in entsprechender Weise wirklich rechnen kann mit einem fixen Zuschuß, damit nicht jene Schwierig­keiten immer auftauchen, und daß so etwas wie eine Summe von jährlich 6000 Franken teils für Verwaltungszwecke, teils auch für einen gewissen Kontakt zwischen der Geschäftsstelle und den verschiedenen Zweigen, jährlich nötig wäre. Für Bibliotheksunterstützung 2000 Franken; für die Anlegung von so etwas Ähnlichem wie einen Reservefonds für Kranken- und Invaliditätsver­sorgung - so etwas Ähnliches wäre auch in Angriff zu nehmen - etwa 2000 Franken. Und dann vielleicht, was ja eine der eminentesten Aufgaben sein könnte, recht aktiv in Angriff zu nehmen die Förderung der Zahlungsangele­genheiten in der Schweiz.Jetzt sind es jährlich 12000 bis 13000 Franken. Dem steht gegenüber, daß der jetzige Mitgliedsbeitrag, der geliefert wird, den Durchschnitt eigentlich nur von so viel beträgt, so daß es doch nur 7000 bis 8000 Franken beträgt jährlich. Die Notwendigkeit der Erhöhung der Mit­gliedsbeiträge ergibt sich daraus. Es hat sich ergeben, daß es nicht möglich war, den eigentlich notwendigen Mitgliedsbeitrag von Fr. 20.- pro Mitglied, der an die Zentrale gezahlt werden soll, aufzubringen. Man kann nur Fr. 10.-von den Mitgliedern verlangen. Es würde gut sein, auch die Ansicht der hier Versammelten zu erfahren. Es ist der Vorschlag gemacht worden, daß ein von der Gesellschaft zu bestimmendes Konsortium oder Komitee in engster Füh­lung bleibe mit der Zentrale hier, die diesen Ausschuß leitet, so daß diese die Verantwortung für das Finanzielle übernehmen würde. So daß, was sich hier vielleicht als kleiner Keim zeigt, die Möglichkeit haben wird, eine recht kräftige Pflanze zu werden. Und wenn unsere Gesellschaft mit recht gutem Beispiel vorangehen würde, so würden vielleicht auch die anderen Gesell­schaften einen gewissen Beitrag leisten. Für die Neuregelung als Fundament sind Mittel notwendig, aber es sind nicht die allernotwendigsten Mittel dazu vorhanden.

Edgar Dürler: Herr Steffen hat mir eine Anregung gegeben, nämlich zu berichten über meine Eindrücke als Schweizer in Neuseeland. Das ist ganz abgelegen von Europa, es sind aber gute Keime dort für Anthroposophie vorhanden. Es hat sich eine antliroposophische Gruppe oder anthroposophi­sche Sektion dort gegründet, die sich der allgemeinen anthroposophischen Gesellschaft anschließen will. Mr. Crompton-Smith hat dort die Arbeit gelei­tet, ebenso einige andere. Er sei zwei Jahre in Neuseeland und ein Jahr in Paris gewesen. Er habe sehr bedauert, zum Beispiel nicht gewußt zu haben, daß Mr. Collison nach Neuseeland herübergefahren ist und dort Vorträge in kleinem

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Kreis gehalten hat. Man habe keinen Rückhalt bis jetzt an der schweizerischen Zentrale gehabt, weshalb er die Gelegenheit habe verpassen müssen, Mr. Collison dort zu hören. Herr Dürler betont die Notwendigkeit einer interna­tionalen Gesellschaft, die durchaus nötig sei, und sagt, daß nur begrüßt werden könne, wenn ein internationales Zentrum der Anthroposophischen Gesellschaft geschaffen werde.

Albert Steffen: Das ist natürlich ein Punkt, der auch erörtert werden muß, der dringend notwendig geworden ist in der letzten Zeit; aber jetzt müssen wir doch auf dem Punkt bleiben, auf dem wir einmal sind, bei den Dingen, die Dr. Blümel angeregt hat.

Willi Aepph: Hofft, daß sich diese finanzielle Angelegenheit sehr rasch erledi­gen wird: der Beitrag muß erhöht werden; mit Fr. 3.50 läßt sich unmöglich etwas finanzieren; mit Fr. 7.- läßt sich schon eher etwas machen. Und wenn wir noch weitere Pläne haben, wie Bibliothek und Finanzierung des Schulwe­sens, so muß der Beitrag später 10 Franken sein und evtl. wieder erhöht werden. Vielleicht wollen sich einige dazu äußern?

Albert Steffen: Man hat mich eben ersucht zu sagen, daß in dem Falle ein Konsortium sich zusammensetzen würde, einerseits aus dem Arbeitsaus­schuß am Goetheanum und andererseits aus Vertretern der Zweige Bern, Basel, Zürich, St. Gallen, Olten. Die würden je einen Vertreter in diesem Konsortium haben, so daß wirklich die Gesellschaft auch peripherisch vertre­ten sein wird und bei der Regelung über finanzielle Angelegenheiten eine gewisse Verantwortung auf sich nehmen würde.

Willy Storrer: Möchte gern, daß die einzelnen Mitglieder statt Fr. 15.- imJahr nun Fr. 20.- bezahlen oder 20-30 Fr. davon jetzt schon geben und die Einzelmitglieder also Fr. 20.- bezahlen, damit die Gruppen nicht zu kurz kommen.

Ein namentlich nicht festgehaltener Herr stellt den Antrag, die Gruppen sollen Fr. 25.- zu verlangen haben.

Beide Anträge werden angenommen, sowohl der, daß für die Zweigmitglieder eine Erhöhung von Fr. 5.- auf Fr. 10.- eintritt, und der zweite, daß für die Einzelmitglieder, die nicht an Zweige angeschlossen sind, total Fr. 25.-an die zentrale Lage zu entrichten sind.

Albert Steffen: Es ist noch eine Frage zu beantworten, wie es dann laufend

1923 sein soll, weil weder die einzelnen Mitglieder noch die Zweige einen

Betrag bezahlt haben.

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Karl Keller: Es gehe nicht gut rückwirkend, es müsse ab 1. Juli festgelegt werden.

Willy Storrer: In bezug auf den Zweig Basel schlägt er vor: rückwirkend auf 1 .Januar.

Dr. Elisabeth Vreede: Unterstützt den Antrag Keller.

Albert Steffen: Ist eigentlich auch für den Antrag Storrer... Es scheint mir, Herr Storrer hat gesiegt.

Dr. Blümel: Wenn die Zweige von den Mitgliedern doch nicht dieses Geld bekommen, so könnte man vielleicht einführen, den ganzen Betrag zu be­kommen. Es ist einfach das abgeliefert worden, was einging, nicht was die Mitglieder leisten sollten.

Willy Storrer: Ist der Ansicht, daß die Vertreter nicht von sich aus praktisch entscheiden können; sie müssen ja wieder an ihre Mitglieder gelangen und fragen, was garantiert werden kann; ob sie für den Beitrag aller Mitglieder aufkommen können. Es sei ja eigentlich nur ein großer Zweig in der Schweiz:

650 Zweig- und 50 Einzelmitglieder. Er glaubt, daß wenn einzelne Persön­lichkeiten dafür zu haben sind, daß sie das Fehlende aufbringen für die Mitglieder, die nicht bezahlen können [so wäre dies das beste].

Die Versammlung ist mit diesem Antrag einverstanden.

Wir sind als Generalversammlung hier und sind beschlußfähig. Wir haben darüber abgestimmt; das ist angenommen worden. Es ist einfach eine Pflicht des Anstandes, daß die Gelder eingehen. Wie wir es den Mitgliedern gegen­uber halten, die nicht zahlungsfähig sind, das ist unsere Sache, nicht die der Generalversammlung

Dr. Blümel: Es muß eben ein Kontakt mit der Zentrale sein. Vielleicht muß man auch noch freiwillige Spenden und so weiter für die Gesellschaft bekom­men. Man kann sich auch noch nach anderer Seite umsehen.

Dr. Steiner: Ich rede zwar wirklich nicht in diesen Angelegenheiten mit, aber ich möchte eine kleine Ergänzung doch dazufügen. Es ist ja jetzt, wie ich mir schon erlaubte zu bemerken bei der letzten General­versammlung hier im April, die Begründung der einzelnen Länderge­sellschaften im Gange. Ich sagte, das müsse angestrebt werden. Nicht wahr, die deutsche Anthroposophische Gesellschaft ist begründet worden, indem sie sich herausgeschält hat aus der allgemeinen Weltge­sellschaft. Bei meiner letzten Anwesenheit in Norwegen ist die nor­wegische Anthroposophische Gesellschaft begründet worden. Die

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schwedische Anthroposophische Gesellschaft besteht schon so lange, als es eine Anthroposophische Gesellschaft gibt. Es besteht hier die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz. Und so werden eben mit Rücksicht darauf, Jaß in kleinen Gebieten ordentliche Verwaltun­gen werden sein können, sich diese Ländergeselischaften bilden. Aber es wird ganz selbstverständlich dann, wenn eine genügend große Anzahl von diesen Ländergesellschaften sich gebildet hat, der Zusam­menschluß stattfinden müssen, der auch überall, zum Beispiel neulich in Norwegen, besprochen worden ist, zu der einheitlichen, internatio­nalen Gesellschaft, eben mit dem Zentrum in Dornach. Das ist heute noch nicht da, aber es muß sozusagen wachsen mit der Idee des Wiederaufbaues des Goetheanum und dergleichen.

Also, man muß heute daran denken, daß in einer verhältnismäßig kürzeren Zeit wiederum die einzelnen Ländergesellschaften zu einer internationalen Gesellschaft mit dem Sitz in Dornach sich zusammen­schließen und daß dann die Zentrale in Dornach, die internationale Zentrale, eben sehr wichtige Arbeit auch wird zu leisten haben, näm­lich gerade solche Arbeit, daß zum Beispiel, wenn jemand in Neusee­land ist und wissen will, ob dort irgend jemand getroffen werden kann und dergleichen . . . [Lücke im Protokoll].

Und wenn auch nicht in ausführlicher Weise, so wird es doch notwendig sein, daß auch die einzelnen Ländergesellschaften - wenn auch in bescheidener Höhe - Beiträge abliefern an die internationale Zentrale, damit die funktionieren können wird, wenn sie einmal da ist. Das ist zwar etwas, was zurückgestellt werden muß, aber woran gedacht werden muß, ebenso wie an die anderen Dinge. Denn das hängt mit den Lebensbedingungen zusammen, daß eine solche inter­nationale Anthroposophische Gesellschaft hier in Dornach geschaffen werde, sobald in entsprechender Weise die einzelnen Ländergesell­schaften zustande gekommen sein werden.

Albert Steffen: Wir sind Herrn Dr. Steiner außerordentlich dankbar für diese Bemerkungen. Sie bilden eigentlich das Gerüst zu dem, damit wir wirklich auch die Arbeit von Herrn Dr. Steiner richtig aufnehmen können. Uns schwebt ja vor - ich glaube uns allen, die wir die Arbeit hier richtig verste­hen -, daß wir aus Dornach etwas machen müssen wie ein neues Weimar. Und wir wollen, daß eigentlich die Anthroposophische Gesellschaft zu Dornach in dem Verhältnis stehen müßte, wie der Großherzog Karl August zu Goethe gestanden hat. Also, die Anthroposophische Gesellschaft müßte eigentlich

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Herrn Dr. Steiner ermöglichen, daß er seine Impulse über die ganze Erde hin verbreitet. Die Gesellschaft ist ja, ich möchte sagen, dasjenige Gebilde, das heutzutage die einzige Möglichkeit hat von allen Gemeinschaften, wirklich zu bestehen. Wir sehen, wie die heutigen Gemeinschaften, eine nach der anderen, zusammenbrechen. Wir sehen es im Sozialismus, im Bolschewismus, wie das wirklich zu mörderischen Katastrophen führt. Wir sehen aber andererseits auch, wie religiöse Gemeinschaften dem Menschen Freiheit nehmen. Hier in der Anthroposophie ist wirklich die Möglichkeit für jeden da, daß er aus der Freiheit heraus ein Mensch ist, der Gesellschaftsinteresse haben kann. Und wenn wir wirklich eine solche Organisation zustande bringen, dann haben wir eigentlich das Ideal erreicht.

Aber jetzt sind immer noch, glaube ich, Sachen zu erledigen, die unsere schweizerischen sind.

Ich möchte fragen: Wer möchte weiter das Wort zu dem, was Dr. Blümel gesagt hat, ergreifen? -, nämlich zu demjenigen, was wir gestern in der Delegiertenversammlung verhandelt haben und was Dr. Blümel im Auszug vorgelesen hat?

Wenn das nicht der Fall ist, so müssen wir also auf ungefähr vier Wochen diese Angelegenheiten verschieben, wo sie dann durch eine Delegiertenver­sammlung aufs neue behandelt werden. Ich glaube, daß das der Wille der Versammlung ist.

Dr. Blümel fragt, ob diese Versammlung eigentlich die letzte in diesen Tagen sein soll.

Albert Steffen: Wenn die Versammelten etwas zu berichten haben, so ist es natürlich nicht die letzte. Ich hoffe, es ist die erste von vielen. Es gibt ja soviele Angelegenheiten der Gesellschaft, die wirklich erörtert werden müssen. Ich möchte zum Beispiel sagen: die Sache der Feinde-- Ich habe ja das «Goethe­anum», die Zeitschrift, zu leiten; aber ich stehe da ganz allein. Ich müßte wirklich, damit ich gewisse Dinge auch schreiben könnte, von unseren Freun­den unterstützt werden, sie müßten mir darüber berichten. Bis jetzt ist das im geringsten Maße der Fall gewesen. Die einzigen, die mich auf dem laufenden gehalten haben, das ist in Stuttgart Dr. Stein und hier in der Schweiz Dr. Hugentobler gewesen. Durch ihn weiß ich zum Beispiel genau die feindselige Stimmung, die in gewissen Redaktionsstuben in Zürich herrscht. Und durch andere, also zum Beispiel von Bern aus, werde ich ja auch ziemlich gut unterrichtet über dasjenige, was so in Pfarrerkreisen vorgeht. Es werden mir zum Beispiel Referate von Pfarrerversammlungen gebracht, die ich vielleicht nicht unmittelbar benutzen kann, aber ich bekomme so doch einen Eindruck von dem, was in der Schweiz vorgeht. Das müßte aber von allen Seiten geschehen. Es müßten wirklich, wenn Versammlungen in Zürich, Bern oder

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Genf stattfinden, einzelne von unseren Mitgliedern hingehen und aufschrei­ben, was dort los ist, damit ich mich danach richten kann. Es war zum Beispiel jüngst in Zürich ein Vortrag in einer sprachwissenschaftlichen Gesellschaft über Professor Beckhs kleine Broschüre über die Sprachlaute und so weiter. Da hätte jemand von unseren Mitgliedern dabeisein mussen. Das war eine sehr wichtige Aussprache unter den Sprachgelehrten. Professor Beckh wurde da als eine bedeutende Erscheinung hingestellt; er wurde aber auch wiederum abgelehnt. Es wäre gut gewesen, hier ein Referat zu haben, das nicht durch die «Neue Zürcher Zeitung» gegangen ist, das objektiver wäre. So sind aber viele Dinge. Es kennt wohl niemand unter Ihnen so recht die ausgezeichnete Organisation der Feinde. Es wurde ja vor einem Jahr in Berlin eine Konferenz der «nicht-anthroposophischen Kenner der Anthroposophie» veranstaltet, die auf den Ausführungen von unserem ehemaligen Mitglied, wenn man so sagen kann, fußen, auf Dr. Goesch, und auf den Referaten von Privatdozent Dr. Leisegang [siehe S.795]. Ich kann Ihnen das nicht voll vorlesen. Ich möchte Ihnen aber vorlesen, was diese Leute zuletzt beschlossen haben darüber, wie man die Anthroposophie bekämpfen soll. . . . [Hier wird das Protokoll sehr lückenhaft, da viel zitiert wird, nicht nur über diese Berliner Konferenz, sondern auch in bezug auf andere Fälle.]

Dr. Steiner: Selbst auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, möchte ich doch ein paar Worte sagen. Und ich werde jetzt wirklich einiges wiederum berühren müssen, was ich schon bei der Generalversamm­lung im April sagte.

Ich möchte anknüpfen an dasjenige, was unser lieber Herr Steffen vorgebracht hat über die Vereinigung - denn als solche muß sie ja wohl bezeichnet werden - nicht-anthroposophischer Kenner der Anthro­posophie. Was dahinter steckt und wie die Dinge geführt werden, das ging Ihnen wohl aus den Worten des Herrn Steffen hervor. Aber ich möchte daran anknüpfen, daß diese Leute ja es verstehen, so gut tätig zu sein und sich zu organisieren. Und so ging aus dieser Gesellschaft die Organisation hervor für Vortragende, die nun herumgeschickt werden und die an den einzelnen Orten, die man gerade für angemes­sen hält, die Dinge vorbringen, mit denen man sie in entsprechender Weise ausrüstet. Es ist ja aus dieser Gesellschaft hervorgegangen ein Verzeichnis all desjenigen, was die betreffenden Leute an den einzel­nen Orten zu sagen haben. Und es wird nun in einem, ich möchte schon sagen, großen Stil in all den Gebieten, die den Leuten zugänglich sind, das programmäßig von dieser Zentrale Ausgearbeitete vorgebracht.

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Das bitte ich Sie zunächst als eine Tatsache hinzunehmen und wiederum als einen Beweis dafür, wie außerordentlich gut zu organi­sieren gerade unsere Gegner verstehen.

Nun habe ich ja schon oft - und namentlich stark bei der letzten Delegiertenversammlung* - eines hervorgehoben. Ich sagte, man solle nicht glauben, daß bei sogenannten Widerlegungen, anthroposophi­schen Widerlegungen, durch dasjenige, was von diesem oder jenem vorgebracht wird, besonders viel erreicht werde. Gewiß, ich will nicht den Eifer in irgendeiner Weise abstumpfen, mit dem unsere lieben Freunde für dasjenige eintreten, was sie von sich aus zu sagen wissen über das Anthroposophische; und je mehr das geschieht, desto besser, selbstverständlich. Es ist ganz natürlich, daß jeder, aus seinem Eigenen referierend, berichtend und so weiter, dasjenige vertritt, was er aus der Anthroposophie, über Anthroposophie und in Anknüpfung an An­throposophie zu sagen hat. Allein ich möchte sagen: Das ist das eine der Sache. Und es muß immer wieder bemerkt werden, daß man sich auch in bezug auf die Gegnerfrage außerordentlich viel verspricht, wenn man sozusagen sich auf den Boden der Anthroposophie stellt und von der Anthroposophie aus dasjenige, was die Gegner von ihrem Standpunkt aus vorbringen, zu widerlegen versucht. Das ist zum Beispiel gerade das Vorzügliche an Herrn Steffens Aufsatz über Ra­gaz, daß er das nicht getan hat, sondern daß er darauf losgegangen ist, die inneren Widersprüche, Lächerlichkeiten, Torheiten und Unwahr­heiten zum Beispiel in einem solchen Fall wie dem, den er neulich behandelt hat, darzulegen. Denn mit Hin- und Hergeplänkel von diesem Standpunkt zu jenem und umgekehrt wird eben mit Bezug auf die Gegnerfrage - das bemerke ich ausdrücklich - gar nichts erreicht. Alle die Gegenbroschüren und dergleichen, die da geschrieben wer­den, die erreichen nichts, wenn sie sich auf diese Dinge einlassen, weil ja die Gegner nicht überzeugt sein wollen und eben einfach die Dinge auch nicht verstehen.

Es sollte deshalb scharf unterschieden werden - das ist dasjenige, was ich bei der letzten Delegiertenversammlung sagte - das sozusagen Inhaltliche, was die Gegner einzuwenden haben, und wiederum das Inhaltliche, was wir zu erwidern haben. In bezug darauf wird Anthro­posophie ihren Weg gehen. Es sollte das scharf unterschieden werden von etwas anderem. Sehen Sie, wenn Gegner aufgetreten wären im

» Gemeint ist die Versammlung vom 22. April.

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Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte und nur sachliche Einwendungen gegen Anthroposophie gemacht hätten, so hätten diese Gegner nichts erreicht. Es würde gar nichts den Gegnern gelungen sein, wenn sie sachliche Einwendungen nur gemacht hätten. Aber das wissen sie und machen daher auch sachliche Einwendungen, nun ja, der eine oder der andere - je nachdem - mehr oder weniger unehrlich. Aber darauf kommt es in der Gegnerfrage eben nicht an; sie erfinden Unwahrhei­ten, sie lügen; und wir müssen scharf unterscheiden zwischen dem, was sie sozusagen sachlich einwenden, und zwischen dem, was einfach gelogen ist. Wir haben ja öfter Gelegenheit gehabt, die Kapitallügen, die erfunden werden von unsern Gegnern, kennenzulernen. Wie oft ist die Frohnmeyersche Lüge, nicht wahr, von dem Christus, der oben idealische und unten tierische Züge hat, und dergleichen aufgetaucht. Also diese faustdicken Lügen, die sind ins Auge zu fassen, denn die sind es, durch die die Gegner etwas erreichen, und zwar aus dem Grunde, weil die Leute die Sache glauben. Und solange wir nicht den Mut haben, wirklich die Lügenhaftigkeit einer sehr, sehr großen und immer mehr und mehr zunehmenden Gegnerschaft ins Auge zu fas­sen, die Lügenhaftigkeit ins Auge zu fassen, so lange erreichen wir nichts. Und dazu fehlt, ich möchte sagen, vielfach der Mut. Man schreckt davor zurück, dem oder jenem, der in einer gewissen Position ist und ja eigentlich nicht lügen darf, aber eben doch lügt, zu sagen: Du hast gelogen, es ist nicht wahr; du lügst eben, du sagst nicht die Wahrheit. - Solange man das nicht ins Auge faßt, wird in aller Gegner-frage nichts erreicht werden. Das eminent Unmoralische, wodurch die Gegner gerade ihre großen Erfolge erzielt haben, dieses eminent Un­moralische, das muß man den Mut haben, ins Auge zu fassen.

Sehen Sie, ich möchte aber auch einen Beleg anführen für das, was ich eben ausgeführt habe. Resümiere ich das, was ich ausgeführt habe, so möchte ich sagen: Anthroposophie hat in sich schon das Zeug, sich auszubreiten, in Menschenherzen zu dringen. Dasjenige, was ihr scha­det, sind die Lügen der Gegner, nicht die Widerlegungen, sondern die Lügen der Gegner. Und ich möchte es Ihnen belegen, wiederum in Anknüpfung an jene Vereinigung nicht-anthroposophischer Kenner der Anthroposophie. Sehen Sie, die haben nun also ihre Redner. Einer

- ich glaube, er heißt Schweitzer - hat nun in Hamburg seinen Vortrag abgehaspelt vor einem selbstverständlich zahlreichen Publikum. Da marschieren dann alle die Unwahrheiten auf. Nun müssen Sie gerade

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einem solchen Vortrag gegenüber unterscheiden diese zwei Dinge, die ich hervorgehoben habe: die innere Kraft der Anthroposophie und die Kraft, welche die Gegner haben dadurch, daß sie lügen.

Nun, der Beleg für die innere Kraft der Anthroposophie war die nächste Folge dessen, daß dieser Herr Abgesandte der nicht-anthro­posophischen Kenner der Anthroposophie in Hamburg einen Vortrag gehalten hat - die Gegner sind ja nicht gekommen, denn Sie wissen, auf Hin- und Herreden kommt es ihnen gar nicht an, sondern darauf, zu verleumden; also die Gegner sind natürlich nicht gekommen - und sich herausstellte, daß der Vortrag einen wirklichen Erfolg hatte -nicht der Vortrag des Herrn Werbeck, der nur ein Abwehrvortrag war und sehr gut war, außerordentlich dankbar begrüßt werden muß, sondern der Vortrag des Herrn Schweitzer, und zwar insofern, als sich nämlich an die 200 Leute gemeldet haben, die nun über Anthroposo­phie noch direkt etwas hören wollen, denn sie möchten über so etwas, das in einer solchen zynisch-frivolen Weise angegriffen wird, auch die andere Seite hören. Und diese 200, die sich gemeldet haben, sind ernsthafte Leute, die es wahrscheinlich sehr seriös nehmen werden. Also, da haben Sie die innere Kraft der Anthroposophie. Der Vortrag des Schweitzer hat in Hamburg 200 Leute darauf aufmerksam ge­macht, daß es eigentlich an der Zeit ist, etwas über Anthroposophie zu hören. Also um die Schlagkraft der Anthroposophie brauchen wir nicht besorgt zu sein, meine lieben Freunde. Aber darüber müssen wir hinauskommen, daß uns täglich das Wasser abgegraben wird durch Verlogenheit, Unwahrheit und Verleumdung. Und dazu gehört schließlich der größere Mut, als sich hinzustellen und die Gegner der Anthroposophie zu widerlegen, etwas von dem zu sagen, was man weiß, der andere aber nicht weiß, weil er es doch nicht versteht. Aber nachzuweisen den Leuten, daß sie die Unwahrheit sagen, das ist doch etwas, was in der Anthroposophischen Gesellschaft erst gelernt wer­den muß, denn davor schreckt man zurück. Man findet: Man kann doch nicht - -! Der ist doch ein Pfarrer oder ein Professor; man kann doch solch einem Menschen nicht sagen, daß er gelogen hat, das geht doch nicht! -

Sehen Sie, das müssen wir scharf ins Auge fassen und dazu die Wege finden. Es ist wirklich so, daß da auch das van Leersche Prinzip der Internationalität Platz greifen muß. Sehen Sie, in der Schweiz geht es schon, wenn man dazu den Mut hat, in einer sehr handfesten Weise

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jemandem zu sagen, daß er gelogen hat. Aber in England zum Beispiel könnte man es nicht in derselben Weise sagen, denn da ist es noch viel mehr verpönt, irgend jemandem, von dem die Wissenschaft glaubt, daß er das nicht tun kann, zu sagen, er habe die Unwahrheit gesagt. Man muß eben dasjenige, was da dazugehört, überall lernen zu hand­haben. Aber es ist unbedingt notwendig, daß darauf immer wieder und wieder das Augenmerk gelenkt werden muß, sonst werden Sie es erleben, daß Anthroposophie sich verbreitet . . . [Lücke].

Auf derselben Versammlung [nicht-anthroposophischer Kenner der Anthroposophie in Berlin] hat der Dr. Jeremias, der an der Univer-sität Vorträge hält als Privatdozent, sogar die Bemerkung gemacht:

Was uns an der Anthroposophie gefällt, was wir da finden, was wir brauchen können, das wollen wir nehmen. Aber den Steiner und die Anthroposophische Gesellschaft wollen wir ausrotten. - So ungefähr, nicht wahr, steht es ja in dem Bericht darinnen. Dieser Dr. Jeremias ist ja ein besonderer Typus, nicht wahr. Der hat sich zunächst in einer Weise, die man hier in Mitteleuropa «anschmeißen» nennt, in einer grotesken Weise an die Anthroposophische Gesellschaft und an mich herangeschmissen. Er hat sich einmal die Erlaubnis geholt, an einem intimeren Vortrag teilnehmen zu dürfen. Und als eine Eurythmievor­stellung war in Berlin, kam er zu mir auf die Bühne, bat, er möchte auch in der Loge Frau Dr. Steiner vorgestellt werden und so weiter. Kurz, er schmiß sich an in einer unerhörten Weise, um eben den Eindruck zu machen: Da kannst du doch etwas haben davon. Aber nachher wird er das in einer [anderen] Institution ausbreiten. Manchen Leuten wäre es nämlich am liebsten, wenn ich längst tot wäre, die Anthroposophische Gesellschaft längst in alle Winde zerstoben wäre und sie nun aus den Büchern dasjenige in ihre Bücher hinübernehmen könnten, was sie brauchen wollen. Denn an der Widerlegung der Sache liegt es Ihnen gar nicht, sondern nur an dem, was ich Ihnen charakterisiert habe.

Wenn Sie das, meine lieben Freunde, nicht ins Auge fassen, wenn Sie immer wiederum glauben, daß man die Gegner anthroposophisch widerlegen kann, daß man mit bloßen anthroposophischen Widerle­gungen auskommt, dann richten Sie die Möglichkeit, Anthroposophie in einer fortschreitenden Weise zu treiben - so daß nicht nur die Bücher ausgebeutet werden-, zugrunde. Sie richten natürlich auch die Anthroposophische Gesellschaft zugrunde.

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Sehen Sie, es ist richtig: Anthroposophie läßt sich für die Gegner sehr gut gebrauchen. Als jetzt Herr Werbeck, der ja wirklich ein sehr geistreiches Buch über die Gegner schreibt, die Literatur der Gegner durchgestöbert hat, da kam er auf merkwürdige Sachen. Unter all den zum Teil recht trotteligen Dingen, die da erzählt werden, fand er auch einige ganz gute Gegenbemerkungen, einige ganz gute Einwände ge­gen die Anthroposophie. Aber die unterschieden sich im Stil etwas von denjenigen, die immer sagen, ich hätte einen schlechten Stil, weil sie den guten natürlich haben wollen. Also die unterschieden sich im Stil. Er ging der Sache nach und fand nun, daß diese Einwände aus meinen eigenen Büchern abgeschrieben sind. Wie Sie ja wissen, befolge ich seit Jahren den Usus, die möglichen Einwände an den betreffenden Stellen selber zu sagen. Also die Gegner haben es leicht; sie können meine eigenen Gegenbemerkungen, meine Gegeneinwände aus meinen Bü­chern abschreiben, wenn sie wollen. Bedenken Sie, was für eine Logi­zität darin liegt: wenn sie irgend etwas, was sie glauben lächerlich machen zu können, herausgerissen zitieren wollen, dann zitieren sie die «Geheimwissenschaft», Seite soundso viel, Zyklus soundso - denn die Zyklen haben ja die Gegner längst in der Hand. Wenn sie aber die Einwände, die ich probeweise mache, anführen, dann zitieren sie mich nicht, da schreiben sie das als ihre eigene Ansicht hin. Ja, das ist schon in einer Anzahl von Gegnerschriften zur Methode geworden. Welche innere Verlogenheit liegt in der ganzen Bekämpfung der Anthroposo­phie durch die Gegner! Für uns kommt es darauf an, daß man sich dessen bewußt ist und sich in diesem Sinne auch zu benehmen weiß in der Welt, daß man den Mut hat, sich entsprechend zu benehmen. Das muß ich immer wieder betonen.

Verzeihen Sie, ich bin ja in dieser Beziehung ganz schrecklich, daß ich dies immer wiederholen muß. Aber ich möchte Ihnen wirklich das betonen, weil man ja immer wiederum sehr gutmütig von manchen Leuten hört, daß sie sagen:Ja, es kann doch jeder seine eigene Meinung haben. - Selbstverständlich, aber die eigene Meinung darf nicht soweit gehen, daß gelogen wird, denn das geschieht in einer den Gegnern sehr geläufigen Weise.

Also das ist dasjenige, was einem, ich möchte sagen, mit urphäno­menaler Bedeutung entgegentritt, daß gutmütigerweise gesagt wird:

Ja, die Anthroposophen brauchen sich gar nicht zu beklagen darüber, daß andere Leute andere Meinungen haben. Selbstverständlich dürfen

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wir gar nicht den Anschein erwecken, daß andere Leute nicht andere Meinungen haben sollen; aber wir mussen mit aller Kraft darauf bestehen, daß man über uns nicht lügen darf und daß wir uns dagegen wehren möchten. Das ist dasjenige, was ich - wenn auch schon immer wiederholt - doch heute wiederum einmal sagen möchte.

Willi Aeppli: Wir sind Dr. Steiner und Herrn Steffen außerordentlich dank­bar, daß sie uns aufgeklärt haben über diese Gegnerfrage. Denn offen gestan­den, wir sind außerordentlich harmlos und naiv! Ich glaube, daß sich für uns die Überzeugung ergeben hat, daß wir in diesem Punkte doch mehr aufmerk­sam werden müssen, mehr arbeiten müssen, und vor allen Dingen, daß wir Herrn Steffen eigentlich in diesem aufreibenden Kampf unterstützen müssen. Herr Steffen hat die Möglichkeiten für uns schon aufgedeckt, ihm Mitteilung zu machen über die Art und Weise der Gegner, und zweitens uns womöglich, soweit unsere Fähigkeiten reichen, uns selbst arbeitend einzuleben. Mir scheint, daß die Kampfmethode der Gegner sich doch etwas geändert hat. Als Beispiel: Dr. Stein hat das Frohnmeyersche Elaborat erwähnt. Diese Flug­schrift ist ja mit einem sündhaften Leichtsinn geschrieben, mit einer Unwahr­heit, die bei einem Mann, der aus den Kreisen stammt, die wir kennen, zunächst wirklich erstaunt. Er hat sich aber auch mit dieser Schrift heillos blamiert. Das wissen seine geistigen Erben ganz genau. Man kann nun mei­nen, daß seine Flugschrift nun endgültig erledigt sei. Das heißt, man könnte gewisse Lehren daraus ziehen, sich still halten. Das ist aber nicht der Fall. Die Frohnmeyer- Schrift wird nächster Tage wieder erscheinen: umgearbeitet, erweitert, ergänzt. Prof. Heinzelmann in Basel, der angefragt wurde, ob er diese Umarbeitung übernehmen wolle, hat nach einigem Besinnen abgelehnt; ich glaube nicht, weil er von der Unwahrheit abgeschreckt worden ist, son­dern weil er als Akademiker, als Inhaber eines Lehrstuhles der Universität, sich gefürchtet hat. Deshalb hat diese Aufgabe ein indischer Missionar, ein Pfarrer in Zürich [Alfred Blum-Ernst], übernommen. Ich muß nun bemer­ken: Frohnmeyer hat die Schriften von Dr. Steiner gar nicht gelesen; der Bearbeiter, der hat sie gelesen, und zwar sowohl die öffentlichen: «Philoso­phie der Freiheit», «Rätsel der Philosophie», «Theosophie» wie auch die Zyklen. Diese Zyklenfrage ist eine schwierige Frage! Er hat 32 Zyklen - nicht nur 31, sondern 32 - gelesen und aus diesen seine Kenntnisse von der Anthro­posophie. Aus diesen öffentlichen Schriften und diesen Zyklen hat er sich nun ein Rüstzeug gebildet, um nun eben der Anthroposophie wieder einen Stoß zu versetzen. Der Zweck dieses Buches soll sein, die Kreise der Basler Mission usw. zu einem endgültigen Urteil über die Anthroposophie zu bringen, ihr ein Urteil aufzuoktroyieren. Es liegt also die Tatsache vor, daß eine Schrift, die von anthroposophischer Seite als unwahr dargestellt worden ist, daß die umgearbeitet

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ein zweites Mal erscheint und die Unwahrheit, die Lügenhaftigkeit wieder weitergeht. Dies als ein Beispiel zur Psychologie der Gegnerschaft.

FrL Simons, Mülhausen i. Elsaß: In organisatorischer Beziehung waren wir früher in Berlin angeschlossen. Seit Friedensschluß hängt die Sache in der Luft. Ich möchte nun fragen, ob wir uns beteiligen sollen an dem Zusammen­schluß mit Frankreich oder ob wir Elsäßer - ich kann ja nur für Mülhausen sprechen, nicht für die gesamten Elsäßer - uns hier in Dornach anschließen können? Es wäre uns leichter, Dr. Steiner hier in Dornach zu hören, als wenn wir noch lange warten müssen, bis Dr. Steiner nach Paris kommen kann. Die schöne Arbeit im Elsaß liegt brach. Wir können, wenn wir uns in Paris anschließen, der Sache nur schaden; außerdem ist in Paris noch nichts gesche­hen. Ich wäre sehr dankbar, da ja auch Frl. Sauerwein hier ist, wenn über diese Dinge gesprochen würde.

Emanuel van Leer: Es wäre doch vielleicht möglich, über die Aufgabe zu sprechen, die Frl. Sauerwein übernommen hat, ob sie sich unterstützt fühlt von Kolmar, Straßburg, Mülhausen? Wenn Sie sagen: Sie wollen Dr. Steiner hier hören - was schadet es? Sie können doch jede Woche nach Dornach fahren! - Die Sachen sind in Vorbereitung. Dr. Steiner wird im August in England sein und war im vorigen Monat in Skandinavien. Es wird so durchge­führt werden, daß eine französische Gesellschaft bestehen wird. Unterstützen Sie nur also Frl. Sauerwein in ihren Bestrebungen.

FrL Sauerwein will sich zur Aussprache mit den betreffenden Freunden treffen.

Albert Steffen: Es ist nun die Frage, ob die Versammlung heute nachmittag fortgesetzt werden soll, denn ich fürchte, morgen sind viele Leute nicht mehr da. Sind wirklich Leute da, die sich weiter aussprechen wollen, was ich sehr wünsche, so sollen sie sich melden. Oder ist niemand mehr da, der etwas zu sagen hat? - Ich möchte, was mich betrifft, die Versammlung fortsetzen.

George Kaufmann: Ich bin nicht ganz im klaren, ob diese Delegiertenver­sammlung, um die wir gebeten haben, von hier aus angenommen ist! Es müßte doch die Einladung von hier ausgehen und so weiter, das alles müßte be­stimmt werden. Wenn das schon der Wille dieser Versammlung ist, daß zum Beispiel durch den Arbeitsausschuß hier das geschehe, ehe - -

Zwischenruf: Es wird geschehen!

Albert Steffen: Meiner Ansicht nach war das schon erledigt. Ich glaube, wir haben das doch beschlossen? Meine Ansicht war, daß wir nachher vielleicht noch darüber sprechen, aber prinzipiell ist doch die Sache selbstverständlich.

Die Versammlung wird abgebrochen. Sie soll nachmittags 14 Uhr 30 fortge­setzt werden.

Nachmittags, 14.30 Uhr, Fortsetzung

#G259-1991-SE536 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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Nachmittags, 14.30 Uhr, Fortsetzung

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Albert Steffen: Geehrte Anwesende, wir haben nicht mehr lange Zeit, um die Aussprache weiterzuführen, um 4 Uhr muß nämlich der Saal geräumt werden wegen der Eurythmieaufführung; deshalb wollen wir gleich mitten in die Angelegenheiten hineinspringen. Dr. Blürnel möchte über die Schulangele­genheiten sprechen.

Dr. Blümel: Berichtet über die Pläne, die vorliegen, damit die Schulbewegung in der Schweiz möglichst an Umfang und Verständnis zunehmen könnte.

Albert Steffen: Dr. Schmiedel wird vielleicht über die Klinik etwas sagen?

Dr. Oskar Schmiedel: Über die Klinik kann ich nicht gut sprechen; vielleicht will jemand anderes es tun?

Albert Steffen: Frl. Vreede hat sich nun gemeldet zum Bibliotheksbericht.

Dr. Elisabeth Vreede: Verehrte Freunde, es kann sich nur um ein paar Worte handeln. Die Bibliothek ist entstanden in der Zeit, als hier an unserem alten Goetheanum gebaut wurde, und zwar in ihren ersten Ursprüngen gedacht, um etwas Lektüre für die Schnitzer und Arbeiter am Bau zusammenzuhrin­gen. Sie ist aus Schenkungen entstanden, ist später vergrößert worden in systematischer Weise, soweit es die beschränkten Mittel erlaubten, durch Fräulein Hanna Günther, die leider sehr krank ist, durch Werke aus der Zeit der Idealisten, Goetheanisten besonders, die sie gesammelt hat, und eben solche Schriften, auf die Dr. Steiner in seinen Vorträgen als bedeutend hinge­wiesen hat.

Was die äußere Lage der Bibliothek betrifft, ist es so, daß, als sie zu einem gewissen Bestand gekommen war - sie ist nicht äußeren Initiativen, sondern einer Privatinitiative entsprungen -, sie im Einverständnis eigentümlich über­tragen worden war an den Verein des Goetheanum, während der Zweig am Goetheanum für sie zu sorgen hat. Der Zweig am Goetheanum hat, seit dieser Zustand besteht, seit letzten Oktober oder November, monatlich 50 Fr. für diese Bibliothek beigetragen, was eine winzige Summe ist für Neuanschaffun­gen, denn die andere Arbeit ist freiwillig gemacht worden. Hoffentlich bietet sich eine Möglichkeit, daß man diese Bibliothek in größerem Maßstab aus-baut. Wenn die ganze Anthroposophische Gesellschaft sich für diese Biblio­thek interessieren würde, wäre es sehr gut. Aber sie könnte auch durchaus in größerem Kreise verwendet werden. Und vielleicht kann man im Laufe der Woche einmal Gelegenheit nehmen, sich die Sache anzusehen. Es wäre natür­lich sehr erfreulich, wenn die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz hier mithelfen würde. Der Zweig am Goetheanum hat eben die Verpflichtung

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auf sich genommen, ist aber gern bereit, diese mit der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz zu teilen.

Dr. Ita Wegman wird gefragt, ob sie über die Klinik sprechen würde? Sie sagt, daß sie keine Rednerin, mehr eine Frau der Tat sei.

Albert Steffen: Ein Argument, dem man eigentlich nicht widerstehen kann. Wird Dr. Schmiedel vielleicht doch darüber etwas sagen?

Dr. Oskar Schmiedel: Ich glaube, ich brauche nicht so sehr viel über die Klinik zu sagen, weil jedermann vor Augen hat, was Frau Dr. Wegman dort gemacht hat. Viele von Ihnen sind ihr ja schon sehr zu Dank verpflichtet in bezug auf ihre Heilung. Ich möchte mehr orientieren über die Arbeit in den Laborato­rien. Im allgemeinen scheint ja nicht so sehr viel von den Laboratorien gewußt zu werden. Ich glaube ja, daß es doch sehr wichtig ist, daß diese Laboratorien und die Bestrebungen, die mit ihnen zusammenhängen, mehr in das Interesse der Gesellschaft gerückt würden. Eine durchaus wichtige, eine Hauptaufgabe der Laboratorien besteht darinnen, die Impulse, die von Dr. Steiner eben auf medizinisch-therapeutischem Gebiete gegeben sind, für eine größere Anzahl von Menschen fruchtbar zu machen, immer mehr und mehr der Allgemein­heit nutzbar zu machen. Wenn eine pharmazeutische Industrie, Laboratorien, in die Welt gerufen werden soll, hat man auf äußerlichem Gebiete mit großen Hindernissen zu kämpfen. Der pharmazeutische Markt ist überfüllt. Bei uns ist die Schwierigkeit noch größer. Wir haben nicht nur diese Überfülle vor uns, sondern auch, daß wir auf ganz anderem Wege wandeln wollen, wie die gewöhnliche pharmazeutische Wissenschaft, nämlich: eine neue Therapie in die Wege zu leiten. Andererseits ist die Schwierigkeit, daß eine gewisse Animosität all diesen Bestrebungen entgegengebracht wird. So stehen wir ja bedeutend schwieriger da in der Welt als alle anderen. Es geht eben alles allmählich.

Aber wir können jetzt doch immer hoffnungsvoller und zuversichtlicher in die Zukunft blicken, wenn einmal eine Anzahl von Ärzten sich dazu entschließt, unsere Präparate anzuwenden, die an und für sich schon für sich selbst Propaganda machen, für sich sprechen. In der letzten Zeit versuchten wir etwas mehr das Heuschnupfen-Mittel an die Ärzte heranzubringen. Zu diesem Zweck wurde eine besondere Berichtsammlung über die bisher ge­sammelten Fälle, unter Mitwirkung von Dr. Knauer, ausgearbeitet. Dieser Artikel ist an eine große Anzahl von Schweizer Ärzten hinausgesandt wor­den, und es wird großes Interesse entgegengebracht. Sonst, wenn solche Dinge hinausgehen, haben wir 2 1/2-3 % Anfragen; diesmal hatten wir viermal so viel Anfragen wie gewöhnlich. Bitten um Proben wurden ausgesprochen. Wir haben auch schon eine ganze Reihe von Bestellungen bekommen und Mitteilungen, wie das Mittel ausgezeichnet wirkt. Aus einem Bericht über die

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kantonale Ärzte-Versammlung über das Heufieber... [Lücke in der Nach-schrift].

So werden wir immer mehr und mehr Fuß fassen können. Sie kennen ja auch den Namen. Wir nannten uns «Internationale Laboratorien A. G.». Der Name ist aus folgendem Gesichtspunkt entstanden, daß wir in allen Ländern Schwestergesellschaften errichten, gewissermaßen « Laridesgesellschaften» sich bilden, die auch eigene Produktionsstätten haben, die ganz eng mit uns arbeiten, so daß die einzelnen Ländergesellschaften dann die Lärider beliefern, bearbeiten. Dieser Idee liegt ungefähr dasselbe zugrunde, wie jetzt die An­throposophische Gesellschaft organisiert werden soll: daß man gewisserma­ßen getrennte Gesellschaften hat, die aber doch wieder eine Einheit bilden. Bisher haben wir in folgenden Ländern Einrichtungen: 1. in Frankreich (St. Louis bei Basel), 2. in Holland und 3. in der letzten Zeit in England (London). Das neueste wird, soweit wir die Nachricht haben, in kurzer Zeit auch möglich sein: daß wir in Amerika eine eigene Filiale, Gesellschaft, gründen. Die Dinge sind noch nicht ganz abgeschlossen, aber es scheint alles ziemlich sicher zu sein. Vorläufig ist es noch nicht so weit, daß alle Präparate dort selber erzeugt werden, sondern es ist noch so, daß wir die Sachen herstellen, in konzentrierter Form schicken, dort wird es dann weiter verar­beitet und abgefüllt. Dadurch sind die Länder dann schon vertraut mit unse­ren Produkten.

Sie wissen ja auch, daß wir eine ganze Reihe von Präparaten den Anregun­gen und Impulsen von Dr. Steiner verdanken und daß wir absichtlich noch nicht alle Präparate in den größeren Handel bringen. Es ist ja selbstverständ­lich, daß wir allen Ärzten, die es wünschen, die Sachen zur Verfügung stellen. Eine nette Anzahl von Arzten arbeitet ständig mit unseren Mitteln und sendet uns ständig ihre Mitteilungen ein. Die Produkte sind in Originalpackungen verpackt. Aber je mehr Produkte wir hinausschicken wollen, desto mehr Geld brauchen wir. Finanziell haben wir nicht so viel Unterstützung, als wir möchten. Wir haben schon Mittel gegen Influenza, gegen Heuschnupfen, gegen chronische Migräne - nicht ein Narkotikum wie Phenozin, Aspirin und so weiter. In nächster Zeit wird ein Mittel gegen die See- und Eisenbahn-krankheit herauskommen, dann noch ein Mittel gegen beginnende Sklerose, das ist schon vorbereitet. Außerdem wissen Sie ja auch, daß wir kosmetische Präparate, also Zahnwasser, Mundwasser, Haarwasser, Zahncreme in den Handel gebracht haben.

Ich muß dabei einen Punkt berühren, der uns gewissermaßen etwas ent­täuscht hat. Wir dachten, wenn wir diese Dinge hinausgehen, daß wir von allen Seiten der Anthroposophischen Gesellschaft ein Echo haben werden, daß wir in ganz kurzer Zeit, wenn bekannt wird, daß wir hier unter den Impulsen und Anregungen Dr. Steiners solche Präparate hinaussenden, die

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doch die meisten von Ihnen alltäglich brauchen, der Nachfrage nicht werden genügen können! Sie wüßten nicht, wo man die Dinge bekommt, hieß es. Wir haben daraufhin eine Liste sämtlicher Depots hinausgesandt. Wir haben eine Enttäuschung erlebt, denn leider waren die Nachfragen auch nicht in einem besonders großen Umfang vorhanden. Wir hätten sehr gut den Anforderun­gen entsprechen können. Ich möchte herzlich bitten, unsere Bestrebungen doch auch zu den Ihrigen zu machen. Sie werden ja auf der einen Seite sich selbst den besten Dienst leisten, indem Sie sich überzeugen können und müssen, daß das, was von uns herausgegeben wird, durchaus konkurrenzlos dasteht und allen anderen Mitteln, die im Handel sind, überlegen ist. Denn die Mittel sind eben ganz andere Produkte, aus dem Quell, aus dem sie fließen, und werden ganz anders nützlich sein. Man sollte sie deshalb nicht nur selbst gebrauchen, soweit es notwendig ist und angeht, sondern sie auch seinen Bekannten, Arzten und Freunden senden oder empfehlen. Zum Beispiel sind ja die Erfahrungen mit dem Heuschnupfenmittel schon sehr erfreulich; viele fremde Ärzte benutzen es schon. Und auch in England wirkt ausgezeichnet das Migränemittel. Die erste Abrechnung im Mai war schon über alles Erwar­ten ausgezeichnet. Solche Propaganda wie in England können wir ja momen­tan in der Schweiz in diesem Umfang nicht machen. Aber wenn Sie alle persönlich mithelfen, so wird auch noch die Zeitungspropaganda größer werden. Es ist betrüblich, wenn von Seiten, die nicht außerhalb stehen, sogar Gegnerschaft entstehen würde. Gerade in unseren Kreisen, einige von Ihnen werden es wissen, werden, ich muß sagen, die unwahrsten, die verlogensten Dinge über die Laboratorien verbreitet, und einzelne Persönlichkeiten wer­den in der brüskierendsten Weise angegriffen. Aber ich möchte Sie doch bitten, sich soweit zu orientieren, daß Sie eine Urteilsfähigkeit haben. Von Anfang an sind die Dinge durchaus verlogen, und wenn etwas Wahres einmal dabei ist, so sind die Sachen so verdreht. Einzelne dieser Elaborate - wir können uns natürlich nicht auf alle diese Dinge einlassen -, aber auf einzelnes muß von irgendeiner Seite aus ein Protest sein. Besonders in einem Briefe sind niederträchtige Beschuldigungen ausgesprochen, die durchaus unwahr und verlogen sind. Sie können wirklich die Zuversicht haben, daß wir aus der besten Überzeugung heraus arbeiten und daß, wenn Sie uns unterstützen und die Dinge so weitergehen können, wie es jetzt den Anschein hat, wir einer Zukunft in den Laboratorien entgegensteuern, die sehr erfreulich ist. Aller Reingewinn, der aus den Laboratorien erfließt, wird wieder zurückfließen können all den Bestrebungen zu, die in der Anthroposophischen Gesellschaft wurzeln. Alle diese finanziellen Klagen, daß Geld da und dort fehlt, für die Schulbewegung zum Beispiel, die werden in früherer oder späterer Zeit doch schwinden müssen dadurch, daß wir gerade aus unserer Industrie heraus so viel Kapital haben, um solchen geistigen Bewegungen, wie die Schulbewe­gung ist, helfen zu können.

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Es kommen öfters Klagen zu unseren Ohren, daß unsere Mittel etwas teuer sind oder wenigstens so teuer, wie die teuersten Produkte bei der Konkurrenz, und ob man nicht die gewöhnliche Zahncreme und so weiter mindestens zu demselben Preis liefern könne? Die ganze Verarbeitungsart für Mundwasser, Zahncreme und so weiter ist so, daß man sie nicht anders machen kann. Ich möchte bitten, daß Sie dieses Vertrauen uns entgegenbrin­gen, daß wir nicht übergroße Gewinne daran machen wollen.

Albert Steffen gibt Dr. Usteri das Wort.

Dr. Alfred Usteri: Ich möchte hier etwas zur Sprache bringen, was mir scheint, daß es eine gewisse Verhandlung erfordert. Ich habe wiederholt mit Arbeitern hier gesprochen. Da bekommt man immer wieder Klagen zu hören gegen die Bauleitung. Ich stehe nicht hier, um den Ankläger zu spielen. Die Anklagen können aus der Luft gegriffen sein; aber es ist doch wichtig, daß die Arbeiter, die für uns arbeiten müssen, nach jeder Richtung hin zufrieden sind. Ich habe aber auch darauf aufmerksam gemacht, daß es doch richtig wäre, diese Klagen nicht bei mir, sondern an zuständiger Stelle anzubringen. Sie sagten: Wir sind eben in Stellung und müssen riskieren, daß uns irgend etwas passiert, daß wir gemaßregelt werden. - Ich möchte, daß hier den Arbeitern, die anwesend sind, erlaubt werde, daß sie ihre Klagen, wenn sie solche haben, hier vorbringen. Sie sollen ruhig ihre Klagen vorbringen dürfen. Man kann immer wieder hören: Ja, Dr. Steiner, den mögen wir gern; aber mit der Gesellschaft als solcher wollen wir absolut nichts zu tun haben. - Das gleiche Motiv war da leitend: sie mögen nichts sagen, denn es könnte ihnen passieren, daß sie um ihre Stellung kämen. Wenn Klagen gegen meine eigene Person sich richten sollten, bin ich bereit, Rechenschaft abzugeben.

Albert Steffen: Wer möchte sich zu dieser Äußerung melden? Mir sind persönlich nie solche Klagen zugekommen; ich kann dazu eigentlich nichts sagen. Ich kann mir höchstens vorstellen, daß einzelne Mitglieder an einer gewissen Unfähigkeit leiden, höflich zu sein auch gegen Arbeiter. Aber ich möchte doch bitten, daß die Klagen gesagt werden. Ja - vielleicht sprechen einige, die gut mit den Arbeitern auskommen, über dieses Thema.

Frau Bollig: Ich kann vielleicht eine kleine Erklärung geben, die durchaus nicht irgendwie beleidigend wäre für irgend jemand aus der Gesellschaft, sondern es ist doch so: Der sozialistische Hauch, der diese Menschen erfüllt, hat eine gewisse Antipathie gegen uns, so daß sie sogar mit den Damen nicht sprechen wollten, wenn sie ihnen begegneten. Also ist das nicht ein Fehler der Gesellschaft, sondern es liegt bei den Arbeitern. Die Mitglieder könnten dadurch, daß sie doppelt liebenswürdig sind, die Sache mehr in Einklang bringen.

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Albert Steffen: Ich fürchte, es liegen doch die Fehler bei unseren Mitgliedern; denn wenn die Arbeiter sagen, daß sie mit Herrn Dr. Steiner gut auskommen können, kann es doch nicht an der Weltanschauung liegen. Ich meine, es kann doch einen Sozialismus geben, der anthroposophisch ist. Aber das sind ja überhaupt gewisse Dinge, die man auch von Nichtarbeitern zu hören be­kommt: Wenn ein Fremder nach Dornach kommt, so fällt es ihm auf, daß er nicht gegrüßt wird. Das zweite Stadium ist, daß er Moralreden hört.

Herr Kaufmann jr., Basel: Er sei bloß ein einfacher Proletarier und könne sich nicht so ausdrücken, wie es sein sollte. Aber es sei da so etwas, daß die Arbeiter im tiefen Innern fühlen, daß hier noch etwas wie ein Standesunter­schied herrscht. Ich fühle das auch, sagte er, aber ich bin über diesen Ton hinweg, ich kann das überwinden. Aber andere Arbeiter haben es wirklich viel schwerer. In der Tram zum Beispiel: Arbeiter, die am Goetheanum arbeiten, haben sich schon beklagt - - Ich habe auch schon Klagen gehört über die Bauleitung, die die Leute unter sich ausgetauscht haben und geschimpft haben. Zum Beispiel habe ich den Namen Schleutermann gehört und Aisen­preis. Ich habe sie viel im Tram getroffen; sie sagen: Die können Moral predigen, aber sie tun in der Tat nichts. - Es ist gut, ein Goetheanum zu bauen, aber damit haben wir nicht gegessen - - Der Standesunterschied ist sehr stark fühlbar, so daß in den Vordergrund tritt, daß man eben ein verachteter Proletarier ist. Besonders die, die das Geld haben, spielen sich stark auf, und das wird empfunden. Zum Beispiel die Arbeiter, die in Basel wohnen, verkeh­ren wieder mit vielen Arbeitern in Basel und bringen diese Sachen unter ihre Kollegen. Wir haben es kolossal schwer mit den sozialistischen Impulsen in den «Kernpunkten»; es heißt: Das ist für uns abgetan, die können uns nichts bringen. - Uber Schleutermann kommen alle möglichen Klagen - -

Albert Steffen: Wünscht jemand zu diesem Thema zu sprechen? Sehen Sie, es wäre ja dabei auch noch zu beachten, daß es im Schweizer Charakter liegt, daß er grob ist; aber daß er, wenn er grob ist, nicht alles so furchtbar ernst meint. Über Herrn Aisenpreis habe ich zum Beispiel hier in der Umgebung sehr viel Gutes gehört, muß ich sagen, besonders von den Bauern. Über Herrn Schleu­termann habe ich nichts Schlimmes gehört. - Aber ich möchte noch auf eines zurückkommen, nämlich auf die Trambahn, die von hier nach Basel fährt. Da bekommen wir nämlich wirklich von Leuten Gespräche berichtet, die darin stattfinden. Es mag schon ein Jahr her sein, da war ein Deutscher darin, unterhielt sich mit einem Schweizer und sagte: Ja, es ist nichts hier, das muß ganz anders organisiert werden in der Schweiz! - und solche Sachen mehr. Und die Leute, die im Tram saßen, die wurden natürlich wütend. Und wenn dann solche wütend gewordenen Leute das Blatt von Kully lesen, ja, dann fallen diese Aussprüche, die Lügen von Kully, auf einen fruchtbaren Boden.

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Das ist ganz selbstverständlich, und das ist dann sehr schwer auszurotten. Es wäre vielleicht klug, wenn man im Tram nicht auf diese Art spräche.

Herr (Name nicht notiert): Dieses Thema, das hier angeschnitten ist, ist ein alltägliches und scheint auch hier in Dornach unter den Anthroposophen so gut zu existieren wie auf andern Bauplätzen. Ich selbst bin Baufachmann, war 35 Jahre in leitender Stellung auf Bauplätzen - allen Leuten kann man es nie recht machen! Ich habe da manche Erfahrung; man muß wirklich ein ganz gediegener - ich weiß nicht recht, wie ich den Ausdruck bringen soll - Mensch sein, um sich da zurechtzufinden, um sich zwischen den Arbeitern und den Arbeitgebern durchschlängeln zu können, um es halbwegs recht zu machen zwischen diesen zwei Extremen. Ich habe den Namen Aisenpreis gehört; er ist ja hier der Bauführer auf dieser Baustelle. Sie werden es alle kennen: Über den Bauführer wird zuerst geschimpft. Man muß die Sachen nehmen, wie sie sind. Die Leute stellen sich vor, wenn sie hier arbeiten, sie sollten hier etwas sozialer behandelt werden als bei den übrigen Arbeitgebern, die einfach auf ihren Profit sehen. Andererseits muß man auch bedenken: Derjenige, der hier den Bau leitet, zu beaufsichtigen hat, der hat auch eine gewisse Verantwor­tung gegenüber der Gesellschaft. Das muß auch beachtet werden. Die Gesell­schaft ist immer auf fremde Hilfe angewiesen; beständig muß bei den Mitglie­dern herumgebettelt werden, wie wir Schweizer sagen, so daß die Leute sehr viel in Anspruch genommen werden, um die Mittel zusanimenzubringen, um wieder einen Bau herzustellen. Wir sind auch dazu da, daß wir unser Redli­ches getan haben, daß wir nicht nur unsern Lohn in der Tasche haben, sondern daß auch eine produktive Arbeit geleistet wird. Und wenn einmal von den Vorgesetzten vielleicht ein Wort gesprochen wird, das einen verletzt, so muß man bedenken: Der Mann hat nicht nur das, sondern vieles andere, das vielleicht nicht jeder Arbeiter übernehmen würde; der kann nicht Feier­abend machen, wenn die Glocke schlägt, da geht seine Arbeit erst an. Es sollte auf beiden Seiten Entgegenkommen herrschen und dafür Sorge getragen werden, daß nicht unnützerweise die Sachen so stark verteuert werden. Aber das sind lokale Angelegenheiten; sie sollten eigentlich nicht in einer General-versammlung zur Sprache kommen. Man könnte vielleicht in einer Bauver­sammlung darüber sprechen.

Albert Steffen: Es sind gewiß lokale Angelegenheiten, aber es ist doch ein wichtiger Kern dabei, nämlich etwas, was das Gemeinschaftsleben betrifft. Man wird, wenn man die richtige innere anthroposophische Verfassung hat, eigentlich mit einem Arbeiter gut auskommen, ich glaube sogar besser als mit einem anderen Menschen.

(Name nicht notiert): Ich bin derselben Meinung. Herr Doktor hat im Berner

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Vortrag* viel gesprochen von allgemeiner Menschenliebe; das sollte man im Praktischen verwirklicht sehen. Ein besseres gegenseitiges Verständnis sollte doch möglich sein, und man sollte sich doch gegenseitig besser verstehen lernen.

Dr. Steiner: Ich will nicht viel sagen, aber es scheint mir doch der Sache irgend etwas zugrunde zu liegen. Das schien mir aus verschiedenem hervorzugehen. Nicht wahr, wer mit dem Leben bekannt ist, weiß ja, daß irgendwelche Dinge, wie sie hier gerügt worden sind, mit Recht, schon überall vorkommen. Aber als wir im April die Generalver­sammlung hier hatten, na, nicht wahr, da kam es uns vor, als ob diese Generalversammlung nicht ganz abgeschlossen war. Herrn Steffen namentlich kam's auch nicht ganz abgeschlossen vor, und er hatte das Bedürfnis nach einer Fortsetzung. Nicht, er sagte dann dazumal zu mir, es müßte die Fortsetzung aber dann verbunden werden mit einem Vortragszyklus. Und da meinte ich, was für ein Thema das dann sein sollte, und er sagte, vielleicht könne man so eine Art anthroposophi­schen Knigge über den Umgang mit Anthroposophen einmal zum Thema machen. (Heiterkeit.) Nun, das schien mir auf eine bestimmte Empfindung hinzudeuten, und dann kommen, nicht wahr, allerlei Ideenassoziationen. Es ist schon wirklich so, wenn ich Ihnen die Stimmen, die mir von den allerverschiedensten Seiten da zukommen, einzeln vorlegen würde, so würden Sie Statistiker werden können, so viele kommen von allen Seiten. Nun, sie können dann doch zusam­mengefaßt werden, weil man die eine Bemerkung überall hört: Ja, Anthroposophie, das wäre schon ganz schön, aber der Gesellschaft treten wir nicht bei. - Und wenn man dann fragt: Ja warum denn nicht? -, dann heißt es: Na, diese Gesellschaft entbehrt doch der Menschenfreundlichkeit; und dazu sind die Leute, die drinnen sind, so sonderbar hochmütig.

Nun, ich habe ja auch, wie Sie gesehen haben, das Thema geändert, aus dem einfachen Grunde, weil ich nicht gleich sündigen wollte gegen dasjenige, was mir mit diesem Thema zugemutet wird. Wenn man über einen «anthroposophischen Knigge» sprechen wollte, so würde man ja gleich gegen ihn sündigen, denn es ist doch ganz entschieden eine Art von Unhöflichkeit. Aber nicht wahr, von außen kommt es so häufig. Ich habe einmal das Sprichwort gehört: «Höflichkeit ist eine

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* 6. April 1923, in GA 224.

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Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.» Das wird sehr häufig gerade auf Anthroposophen angewendet. Als ich neulich einmal in einem Vortrag* über verschiedene Persönlichkeiten sprach und wie diese ihre Moralgrundsätze aufgefaßt haben, da kam ich auch auf eine Persönlichkeit zu sprechen, die die Höflichkeit unter die Tugenden gerechnet hat. Ich zählte die Tugenden auf, die diese Persönlichkeit genannt hatte, und dabei war die Höflichkeit. Und da fiel mir auf, daß das auf das Auditorium einen so spaßigen Eindruck machte, daß die Höflichkeit eine Tugend sein sollte. Es wurde ja natürlich nichts gesagt, aber es wurde so empfunden; man weiß ja, wie das Auditorium empfindet. Es war so frappierend für das Auditorium: Höflichkeit soll eine Tugend sein. Und, ich will ganz gewiß selbst nicht unhöflich werden, aber ich möchte doch darauf aufmerksam machen, daß aus allerlei sektiererischen Tendenzen und aus einer bei sehr vielen Mit-gliedern auftretenden starken Beschäftigung nur mit sich selbst das hervortritt, daß wenig Interesse, natürliches Interesse für andere Menschen ist.

Natürlich, Theorie von Menschenfreundlichkeit, Theorie von Hilfsbereitschaft ist viel da, und im Ernstfall ist sie ja auch in Wirklich­keit da. Aber da ist doch auf der einen Seite die allgemeine Anschauung über die allgemeine Menschenliebe - und dann: nun, im Ernstfalle ist sie schon da, diese Menschenliebe, selbstverständlich - aber nun liegt etwas dazwischen. Und unglückseligerweise liegt eben auch der alltäg­liche Verkehr dazwischen, und da reduziert sich die Menschenliebe eben auf das gegenseitige Sich-Entgegenkommen. Und da, da sieht man manchmal - wenn man so vorbeigeht, wie ein Anthroposoph einem Nichtanthroposophen begegnet - doch so etwas, was man dann schon zu einer solchen Behauptung hinzu schlagen muß, daß die Leute einem sagen:Ja, wir können, wenn wir die Mitglieder anschauen, nicht beitreten. - Und das geschieht auf alle mögliche Art. Es ist schon etwas in den Dingen gelegen, was, wenn es nun diskutiert würde - ich möchte es ja von mir aus nicht diskutieren, aber wenn man sich einmal so recht aufrichtig darüber aussprechen würde -, so würde manches von dem herauskommen, warum die Anthroposophische Gesellschaft in vieler Beziehung so abgeschlossen bleibt. Die Gründe des Abge­schlossenseins liegen schon darinnen, daß der allgemein menschliche Ton so schwer gefunden wird, der über alles hinausliegt. Nicht wahr,

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* Dornach, 16. Februar 1923, in GA 221.

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ob schließlich einer Großherzog oder Arbeiter ist, er ist ein Mensch, und dieses allgemein Menschliche, dieses ganz unbefangen - auch ohne Theorie - Sichbegegnen, dieses Unbefangene, das ist doch natür­lich etwas, was im weiten Umfange, ich will nur sagen, nicht empfun­den wird.

Also, es liegen den Klagen schon reale Sachen zugrunde. Und auch Herr Steffen hatte nicht, wie ich glaube, ohne eine reale Unterempfin­dung mir diesen Vorschlag gemacht: Ich soll einmal acht Tage vor Ihren Ohren einen «anthroposophischen Knigge» verfassen. Ich werde es ja natürlich aus Kniggehaftigkeit nicht tun. Aber ich meine, es weist das auf allerlei Dinge hin, und man kann daran auch so sympto­matisch etwas erkennen.

Albert Steffen: Will sich noch jemand aussprechen?

Eine Dame: Wenn schon Herr Steffen auf die Höflichkeit hingewiesen hat, möchte ich sagen, wenn ich schon hierherkommen darf: Man kommt am Abend in den Saal herein, ist froh und dankbar, daß man einmal hier ist, und dann ist da ein Getümmel und Getöse im Saal und eine Unruhe am Anfang und auch am Ende - - Es wirkt wie eine Unhöflichkeit Dr. Steiner gegenüber.

Albert Steffen: Was die Dame gesagt hat, das wurde mir aufgetragen, auch in dieser Versammlung zu sagen; aber ich dachte, vielleicht sagt es vorher jemand. Ich wollte es eigentlich auch vorbringen. Uberhaupt, wenn man hinaufsteigt zum Goetheanum, sollte m n wirklich wissen wohin man geht Ich weiß, viele von unseren Freunden gehen immer fast ne' ugeboren hinauf Sie wissen ja, alles, was sie sehen die Blumen ringsum und das Licht und die Bäume, sie könnten es doch n cht so anschauen wenn sie ihnen nicht entzif fert worden wären. Sie sind wirklich zu einer neuen Anschauung zu einer neuen Naturanschauung gekommen Und das gibt den meisten von uns, so glaube ich wenigstens, ein feierliches Gefühl, wenn sie da hinaufhommen Und mit diesem Gefühl sollte man eigentlich in den Saal hier eintreten und sollte noch ein anderes Gefühl haben, namlich dasjenige, daß man Geschichte erlebt. Wirklich: Hier erleben wir Geschichte! Was wird man nach hundert Jahren von Dornach sagen? Man wird doch Dornach als den Mittelpunkt des geistigen Lebens rückschauend erkennen' Und jedermann wird sagen Hatten wir doch damals gelebt, hätten wir doch dieser Personlichkeit gegenüberge­standen, auch nur ein einziges Mal! Ein einziges Mal ihn angehört! - Dieses freudige Gefühl, verehrte Anwesende, erstens der Natur gegenüber, die uns durch Anthroposophie neu geschenkt wurde und zweitens der Geschichte gegenüber, die wir hier in ihrem höchsten Impuls erleben können, die trifft man überhaupt kaum, wenn man hier im Saale ist. Da ist ein Getümmel und

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Gerede, da sagt jeder, was er morgen zü Mittag kocht und so weiter, aber es ist schrecklich. Vielleicht täüsche ich mich darin, dann möchte ich um Verzei­hung bitten.

Verehrte Anwesende, möchte noch jemand das Wort ergreifen?

FrL (Name nicht notiert) aus Straßburg: Stellt eine Frage über die Gegner, insbesondere die «nicht-anthroposophischen Kenner der Anthroposophie». Man habe eigentlich das Verlangen, das betreffende Schriftstück ganz zü kennen.*

Albert Steffen: Es ist furchtbar lang und zuweilen auch sehr langweilig. Aber ich kann einmal vielleicht, wenn jemand das wünscht, die symptomatischsten Stellen daraus vorlesen.

Fragestellerin: Man weiß zu wenig darüber. Man sprach von einem Bund dagegen, kann das nicht bald der Fall sein?

Albert Steffen: Ja, dieser «Bund» sollte eben die Gesellschaft sein!

Fragestellerin: Man sollte öfters zusammenkommen, wenn man in Dornach ist, und darüber sprechen; man wäre mehr auf dem laufenden, könnte ande­rerseits einen Rat holen; so schläft es immer wieder ein.

Albert Steffen: Es ist ja so, daß verschiedene Leute schon arbeiten. Gestern schrieb mir Dr. Stein von einer medizinischen Persönlichkeit, die den Fall Goesch vom medizinischen Standpunkt aus betrachten wird, in bezug auf Wahnvorstellungen und dergleichen. Und auch Leisegang wird bearbeitet. Es fehlt nicht an Leuten, die das machen möchten, aber diese müssen auch Material bekommen von den andern, und sie müssen vor allen Dingen bei den anderen Interesse finden. Sie werden sich ja erinnern, daß in Stuttgart der Vortrag über die Gegnerschaft zuerst nicht angehört werden wollte?** Ich muß sagen, ich finde gerade dieses Thema eigentlich so außerordentlich interessant für die Gegenwart. Man kann nämlich so viel lernen über die Dekadenz unserer Zeit. Und wir Anthroposophen müßten doch eigentlich, was krank ist, gesund machen. Und deshalb müssen wir es kennenlernen. Es muß eben jeder sein Bestes tun.

Dr. Oskar Schmiedel: Es fehlte so sehr an einer richtigen Information. Es kann nicht jeder zu Herrn Steffen laufen. Kann man nicht einmal im Monat hier zusammenkommen? Man würde informiert über die Gegnerfrage oder andere lebenswichtige Fragen.

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* Siehe Seite 795 ff.

** Bei der Stuttgarter Delegiertenversammlung, siehe Seite 385 f.

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Albert Steffen: Ich bin selbstverständlich bereit; aber ich selbst müßte dann auch immer informiert werden.

Dr. Steiner: Jetzt kommt eben die große Schwierigkeit, darauf auf­merksam zu machen in möglichst einwandfreier Weise, daß wir hier in einer Stunde eine Eurythmie-Aufführung haben, und weil wir nicht viel Zeit übrig haben, will ich nicht erst viele Worte machen. Und kurze Worte machen - da ist es ganz besonders schwer, höflich zu sein, und ich möchte doch nicht gerade in diesem Moment gegen die Höf­lichkeit verstoßen, nicht wahr. Deshalb möchte ich Sie bitten: Neh­men Sie freundlichst die Einladung an, in die Natur draußen einzutre­ten, und zwar möglichst schnell einzutreten! (Heiterkeit.)

Schluß der Versammlung.

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GESCHÄFTSBERICHT DER ZEHNTEN ORDENTLICHEN

GENERALVERSAMMLUNG DES VEREINS DES GOETHEANUM

Sonntag, 17. Juni 1923, vormittags 10 Uhr»

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Die Versammlung wurde von dem Vorsitzenden Herrn Dr. Emil Grosheint7 mit folgender Ansprache eröffnet:

Sehr verehrte, liebe Freunde!

Im Namen des Vorstandes des Vereins des Goetheanum, der freien Hoch­schule für Geisteswissenschaft, begrüße ich Sie auf das herzlichste zu unserer heutigen zehnten ordentlichen Generalversammlung. Wir eröffnen diese Ge­neralversammlüng im Zeichen der Trauer, denn der letzte Tag des Jahres, über das heute hier zu berichten wäre, hat uns das Goetheanum, die Frucht einer zehnjährigen Arbeit, geraubt. Das erste Goetheanum ist nicht mehr. Nicht wir allein, die ganze Menschheit hat es verloren, denn dieser gehörte es. Wir hatten es nicht für uns selbst gebaut, sondern für die nach geistigen Walirhei­ten sich sehnende Menschheit. Das Goetheanum war eine Stätte zur Pflege der neuen Geisterkenntnis, wie sie durch Rudolf Steiner in der Anthroposophie der Welt geschenkt wird, eine Stätte der Wahrheit. Das Goetheanum war ein einziges unersetzbares Kunstwerk. Im Gleichmaß der Raumgestaltungen, in

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* Protokoll vermutlich von Helene Finckh. Das Stenogrsmm liegt nicht vor.

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der Harmonie der Formen und Farben trat hier, der staunenden Seele sich offenbarend, ein neues Reich des Schönen entgegen. - Das Goetheanüm war eine Tat der Allmenschlichkeit. Menschen der verschiedensten Nationen haben es errichtet zu einer Zeit, da die Völker des Erdenrundes sich Elend, Tod und Knechtschaft brachten. Es war ein Werk der Menschenliebe in einer Welt des Völkerhasses.

Das Goetheanüm war ein Werk Rudolf Steiners. Das Goetheanum gehört nun der Geschichte an.

Der Grundstein des Goetheanum würde gelegt am 20. September 1913. Sieben Jahre später, im September 1920, fand darin die erste Veranstaltung statt, der erste anthroposophische Hochschulkurs.

Er wurde eingeleitet durch eine schlichte provisorische Eröffnung. In seiner Eröffnungsrede wies Dr. Steiner der Hochschule für Geisteswissen­schaft den Weg, indem er von der Synthese von Wissenschaft und Kunst und Religion sprach, wie sie einstmals bestand und wie sie durch die Geisteswis­senschaft wieder herbeigeführt werden soll.

Neben zahlreichen Veranstaltungen und Kursen, die in den Nebengebäu­den stattgefunden haben, fand im Goetheanum neben vielen schönen Euryth­mie-Vorstellungen statt: ein zweiter Hochschulkurs; 1921 ein Sommerkurs für englische Künstler; im Winter 1921 ein pädagogischer Kurs; im Sommer 1922 die sogenannte französische Woche und zu Weihnachten 1922 ein naturwissenschaftlicher Kurs, in dessen Verlauf das große Unglück des Bran­des sich ereignete.

Der Kursus und die Veranstaltungen, die damals im Gange waren, würden nicht unterbrochen. Die geistige Arbeit ging weiter. Dies hat bei manchen Menschen, auch unter der hiesigen Bevölkerung, doch einen gewissen Ein­druck gemacht. Ein angesehener Bürger von Dornach drückte mir am Tage nach dem Brande sein Beileid über den Verlust des Goetheanum aus und sagte: «Man mag über die Anthroposophische Gesellschaft denken, wie man will, die viele Arbeit und Opferfreudigkeit, wovon das Goetheanum zeugt, muß einem Bewunderung einflößen. Aber am meisten habe ich bewundert» -so sagte er -, «daß Sie trotz Ihres schweren Unglücks die Veranstaltungen nicht unterbrochen haben. Und da» - sagte er -, «da mußte ich an die Verse Geibels denken, die Felix Dahn in seinem Roman als Motto vorangestellt hat.» Und er zitierte mir diese Verse. Sie beziehen sich auf diejenigen, die in diesem Kampf um Rom unterlegen sind. Sie lauten: «Wenn etwas ist, gewalt'ger als das Schicksal, so ist's der Mut, der's unerschüttert trägt.»

Aber, meine lieben Freunde, wir brauchen mehr als diesen passiven Mut des Tragens eines Schicksalsschlages. Wir müssen einen aktiven Mut entwik­keln. Die Zerstörung des Goetheanum ist ein Aufruf zur Tat.

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Wie die Anthroposophische Gesellschaft es bereits getan hat, so bekundet auch heute der Verein des Goetheanüm seinen Willen zum Aufbauen eines neuen Goetheanum und tritt an Herrn Dr. Steiner heran mit der Bitte, uns und der Welt ein neues Goetheanum zu schenken und uns mitarbeiten zu lassen.

Wenn dies Ihr Wille ist, so ersuche ich Sie, sich von Ihren Sitzen zu erheben.

(Die Versammelten erheben sich alle von ihren Sitzen.)

Und nun wende ich mich an alle diejenigen, die in unserer Bewegung stehen, mit der Bitte, dem Verein des Goetheanum als Mitglieder beizutreten. Die Sache unseres Vereins ist Ihre Sache. Wer Mitglied des Vereins des Goetheanum ist, hilft mitbauen.

Am 31. Dezember 1922 zählte der Verein 1 059 Mitglieder gegen 1 015 im Vorjahre. Der Zuwachs beträgt im Jahre 1922 44 Mitglieder. Von diesen 1 059 Mitgliedern sind 496 außerordentliche und 563 beitragende Mitglieder. Da­von gehören 694 dem valutaschwachen Mitteleuropa an und nur 365 der Schweiz und den übrigen Ländern.

Unsere erste Aufgabe wird sein die Schaffung des nötigen Baufonds, den wir Herrn Dr. Steiner zur Verfügung stellen. Dazu genügt die Summe, welche uns von der Versicherung ausbezahlt wird, die drei Millionen einhundertdrei­ündachtzigtausend Franken beträgt, nicht, sondern, wie Herr Dr. Steiner uns bereits mitgeteilt hat, wird diese Summe ungefähr die Hälfte von dem betra­gen, was als Gesamtsumme für die Vollführung der Arbeit notwendig sein dürfte. Wir haben Erfahrungen gesammelt, und die Zeiten haben sich geän­dert, seitdem das erste Goetheanum gebaut worden ist. Und so soll das Geld vorher da sein, ehe gebaut wird, wenigstens zu 5/6 sollte es da sein, ehe angefangen wird mit der Bautätigkeit.

Die bisher eingeleiteten Aktionen haben auch etwas Geld gebracht, viel­leicht so gegen hundertfünfzigtausend Franken.

Nun wird auf Anregung unserer englischen Freunde eine internationale Delegierten-Versammlung am 22. Juli hier zusammentreten und beraten über die weitere Finanzierung des Baues. Aber ohne die bedeutenden Anstrengun­gen eines jeden einzelnen in unserer Bewegung wird die Sache nicht gehen.

Meine verehrten Freunde! Über die Bautätigkeit des verflossenen Jahres Ihnen zu berichten wäre jetzt, da der Bau nicht mehr steht, ebenso schmerz­lich wie unfruchtbar. Wir wollen darum für dieses Jahr davon absehen. Unser Blick geht in die Zukunft, unser Wille unentwegt vorwärts.

Über die letzte Generalversammlung liegt ein Protokoll vor. Ich frage, ob Sie wünschen, daß dasselbe gelesen wird? Wenn das nicht der Fall ist, so möchte ich unseren Geschäftsführer bitten, den Kassabericht zu geben.

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EINLADUNG AN ALLE GESELLSCHAFTEN UND GRUPPEN ZUR

INTERNATIONALEN DELEGIERTENTAGUNG IN DORNACH

Dornach, 16.Juni 1923

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Liebe Freunde!

In der am 10.Juni in Dornach abgehaltenen Generalversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz ist einstimmig beschlossen worden, eine Versammlung von Delegierten der Anthroposophischen Gesell­schaft aller Länder für Ende Juli nach Dornach einzuladen. Dieser Beschluß ging aus einem Vorschlag hervor, welcher bereits enthalten ist in dem Briefe, der am 8.Juni von der Anthroposophischen Gesellschaft in Großbritannien an die Zweige in allen Ländern versandt wurde. Wir möchten hiermit auf jenen Brief Bezug nehmen, indem wir annehmen, daß er bereits in Ihren Händen sein wird.[*]

Der Zweck dieser Delegiertenversammlung soll vor allem dieser sein, daß der von uns allen ersehnte Wiederaufbau des Goetheanum und die dazu notwendigen finanziellen Maßnahmen hervorgehen aus einem gemeinsamen Entschluß der Anthroposophischen Gesellschaft aus allen Ländern. Wir dür­fen Ihnen nun die endgültige Mitteilung machen, daß von behördlicher Seite die Auszahlung der Versicherungssumme bereits erfolgt ist. Es wird nun

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[*] Siehe Seite 509 / 510.

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notwendig sein, alle unsere Kräfte zusammenzunehmen, um aufbauend auf der ausgezahlten Versicherungssumme die zum vollständigen Aufbau not­wendigen weiteren Mittel sicherzustellen. In diesem Sinne ist unter den Mitgliedern in der Schweiz bereits eine große Aktion erfolgreich eingeleitet worden. Es wurde angeregt, daß jedes Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz wenn möglich mindestens Fr. 1000.- spenden solle innerhalb der Zeit von 12-15 Monaten, welcher Plan mit einstimmiger Begeisterung aufgegriffen wurde. Der Geist der Anthroposophischen Gesell­schaft erfordert es aber, daß die Arbeit für den Wiederaufbau von allen Ländern gemeinsam in Angriff genommen wird. Wir möchten diesen Plan allen Mitgliedern aller Länder warm empfehlen.

Die Finanzierung sollte aus der internationalen Delegiertenversammlung Lm Juli in einheitlicher Weise hervorgehen. Von seiten der Anthroposophi­schen Gesellschaft in der Schweiz ist folgende Resolution gefaßt worden:

«Die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz drückt in der heuti­gen Versammlung den Wunsch aus: Herr Dr. Steiner möge den Wiederaufbau des Goetheanüm in Dornach an die Hand nehmen. Sie räumt ihm als maßge­bendem künstlerischen Leiter Vollmacht ein, den Bau in jeder Beziehung, sowohl was die Verwendung der hierzu bestimmten Gelder als auch was die Auswahl der mitzuwirkenden Persönlichkeiten betrifft, nach eigenem Ermes­sen und eigener Disposition ohne irgendwelche Einmischung von Seiten der Mitglieder durchzuführen. »

Aufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft aller Länder wird es nun sein, Herrn Dr. Steiner die materiellen Mittel zur Durchführung dieses gro­ßen Werkes zu beschaffen, damit er den neuen Bau als ein Symbol der Geschlossenheit und Tatkraft der Anthroposophischen Gesellschaft errich­ten kann.

Wir erlauben uns daher, Sie hiermit einzuladen, die bevollmächtigten Vertreter Ihres Landes zum 22.Jüli nach Dornach zu entsenden.

Wir hoffen, daß auch sonst viele Freunde aus den verschiedenen Ländern zugegen sein werden.

Herr Dr. Steiner wird einen Zyklus von drei Vorträgen halten über das Thema: «Drei Perspektiven der Anthroposophie» am 20., 21. und 22. Juli 1923 [in GA 225].

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Dornach, 22. Juni 1923

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Liebe Freunde!

Wir erlauben uns, Ihnen zugleich mit der Einladung zur Delegierten­versammlung eine Nachschrift der überaus wichtigen Ansprache Dr. Steiners bei der Generalversammlüng des Vereins des Goetheanum am 17.Jüni zu senden.[*]

Korrespondenz in der Angelegenheit der Delegiertenversammlung bitten wir zu richten an: Haus Friedwart, 1. Stock, Dornach - unter dem Vermerk «Delegiertenversammlung».

Mit freundlichem Grüß:

Dr. I. Wegman gez.: Albert Steffen

William Scott Pyle G. Metaxa

In den deutschen «Mitteilungen» kam das Schreiben mit folgendem Zusatz zum

Abdruck:

Das vorstehende Einladungsschreiben kam am 25. Juni in unsere Hände; wir geben ihm so rasch als möglich Verbreitung unter allen Arbeitsgruppen der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland. Wir hoffen sehr, daß recht viele unserer Mitglieder die Möglichkeit finden werden, bei dieser Delegier­tenversammlung anwesend zu sein. Da es die Zeit nicht mehr erlaubt, eine Generalversammlung der deutschen Anthroposophischen Gesellschaft ein­zuberufen, um vor der Delegiertenversammlung in Dornach über die dort zur Behandlung kommenden Fragen zu beraten, so bringen wir in Vorschlag, daß diejenigen Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland, welche nach Dornach kommen können, sich mit dem Vorstand der Anthro­posophischen Gesellschaft in Deutschland zu einer Vorbesprechung am 21.Juli im Glasatelier zusammenfinden.[**] Dem Vorstand der Anthroposo­phischen Gesellschaft in Deutschland wird dadurch die Möglichkeit gegeben sein, vor der Delegiertenversammlung die Wünsche und Anregungen der Mitglieder zu hören, darüber Aussprache zu pflegen und dadurch die Anthro­posophische Gesellschaft in Deutschland einheitlich zu vertreten.

Mit herzlichen Grüßen

Der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland

i. A.: Dr.-Ing. Carl Unger, Dr. Walter Johannes Stein

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[ *] Siehe Teil II, S. 146.

[**] Die Zuiammenkunft fand am 22. statt, vgl. hierzu auf S. 584.

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Die Internationale Delegiertenversammlung in Dornach vom 20. bis 23. Juli1923

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[Außer dem abgekürzten Gesamtbericht von Albert Steffen und Guenther Wachsmuth liegt kein durchgehendes Protokoll von sämtlichen stattgefundenen Besprechungen vor. Stenographisch protokolliert wurden die beiden Hauptver­sammlungen mit allen Delegierten und mit Mitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft vom 21. und 22. Juli. Die beiden Stenographen Helene Finckh und Walter Vegelahn haben aus ihren Stenogrammen jedoch nur die Voten Rudolf Steiners in Klartext übertragen. Die neben diesen beiden Hauptversammlungen stattgefundenen Sonderbesprechungen wurden nicht bzw. nur teilweise notizen-haft protokolliert, wiederum ausgenommen das Votum Rudolf Steiners bei der Besprechung der deutschen Freunde am frühen Morgen des 22. Juli. Im übrigen liegen einige wenige private Berichte vor. An den Gesamtbericht von Steffen und Wachsmuth schließt sich eine chronologische Übersicht über die Versammlungs­tage an mit der wörtlichen Wiedergabe der Voten Rudolf Steiners, wie sie von den Stenographen festgehalten worden sind.]

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Abgekürzter Bericht über die

Internationale Delegiertenversammlung

der Anthroposophischen Gesellschaft in Dornach

vom 20.-23.Juli 1923

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sowse einige Vorbemerkungen für die Gründung der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft zu Weihnachten 1923 in Dornach

Der Verlust des Goetheanum durch das Feuer in der Silvesternacht 1923 mußte als das erschütterndste Ereignis in der Geschichte der anthroposophi­sehen Bewegung die Aktivität der Mitglieder mehr als je wachrufen. Das Jahr 1923 soll zeigen, inwieweit aus dem geschlossenen Willen der Gesellschaft ein neuer Bau zur Wirklichkeit werden kann. - Da in den Monaten, die seit dem Brande des Goetheanum verflossen sind, durch Telegramme, Briefe und

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sonstige Nachrichten aus allen Ländern der Erde der feste Wunsch so vieler Menschen nach Dornach hinübergetönt war, das Goetheanum wieder aufzu­bauen, war durch ein internationales Komitee die diesmalige Delegiertenver­sammlung in möglichster Eile einberufen worden, um den Vertretern aus den verschiedenen Ländern Gelegenheit zu geben, sich über die zur Verwirkli­chung des Aufbaus erforderliche Tätigkeit gegenseitig zu beraten.

Bei der Vorbesprechung der Länder-Delegierten am Freitag, 20.Juli, wurde das Kongreßkomitee gewählt: Herr Albert Steffen als Vorsitzender, Mr. George Kaufmann als Vize-Vorsitzender, Dr. Guenther Wachsmuth und Mr. Heywood-Smith als Schriftführer. Dieser Arbeitsausschuß wurde er­gänzt durch: Dr. Ita Wegman, Mr. Scott Pyle, Herrn Leinhas, Herrn van Leer, Herrn de Haan.

Samstag, 21.Juli

Herr Albert Steffen begrüßte im Namen des Kongreßbureaus Herrn Dr. Steiner und die anwesenden Mitglieder der Anthroposophischen Gesell­schaft. Er dankte zuallererst Herrn Dr. Steiner für den Zyklus, den dieser am Vorabend über das Thema «Drei Perspektiven der Anthroposophie» begon­nen hatte und der den Veranstaltungen dieser Tage die Seele geben würde. Er dankte den Delegierten der Anthroposophischen Gesellschaft von Amerika, Belgien, Dänemark, Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Holland, Italien, Norwegen, Osterreich, Polen, Schweden, Schweiz, Tschecho-Slowa­kei etc. für ihr Erscheinen. Von den verschiedensten Orten der Erde denkt man heute in einheitlicher Weise an Dornach, das Zentrum der Anthroposo­phischen Gesellschaft. Trotz individueller und volksgemäßer Andersartigkeit weiß man sich an diesem Ort in einem Geist vereinigt. Man fühlt sich hier als Weltbürger. Eine Tatsache, die bei der heutigen Zersplitterung der Mensch­heit schon als solche wert ist, gebucht zu werden.

Der internationale Verkehr vereinigt die Menschen gemeinhin über die Oberfläche der Erde, aber nur im Äußerlichen. Die Technik kann ebensogut negativen Mächten dienen, indem sie als Mittel der Zerstörung mißbraucht wird. Sie muß die Zivilisation ruinieren, wenn sie nicht beseelt wird.

Welche Idee, welche Weltanschauung, welches Streben ist imstand, diese Beseelung zu bewirken?

Wenn wir nach Süden schauen, so finden wir die katholische Kirche. Ihr gewaltiger Wille sucht die ganze Menschheit zu einigen, aber auf Kosten der Freiheit des einzelnen. Dogmen verbieten, die geistige Welt vom Ich aus zu erforschen. Dadurch bleibt der Katholizismus auf der Stufe des Mittelalters stehen. Er macht den Impuls der Bewußtseinsseele nicht mit.

Dieser Impuls kommt im Westen zur Blüte. Shakespeares Dramen (die Konflikte Hamlets, Lears usw.) sind das Durchdringen der modernen Seele.

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Langsam schwindet das Bewußtsein der geistigen Welt. Humor und Moral leibt übrig in Schriftstellern wie Swift, Dickens, Bernard Shaw. Aber ihre Kulturkritik hat nicht mehr die Kraft, den Zerfall des Geisteslebens aufzu­halten.

Niedergang zeigt sich heute besonders in Mitteleuropa. Ihn könnte nur die Erfüllung des faustischen Strebens, das Übersinnliche zu erobern, verhin­dern. Aber die führenden Denker Deutschlands ergeben sich einer skepti­schen Denkart, wie Spengler, einer depressiven Kunst, wie Hauptmann, und das Volk folgt blind.

Im Osten sehen wir das Geistige übermächtig hereinbrechen, aber in ungesunder Weise. Der Russe, der vom Übersinnlichen berührt wird, will übergut oder überböse sein. Er bekommt infantile oder hysterische Züge, wie die Romanfiguren Tolstois und Dostojewskis zeigen.

So finden wir, ob wir nach Süden, Westen, Norden oder Osten blicken, zurückschraubende, verhärtende, zermürbende und kränkende Kräfte, Kräfte der Kreuzigung.

Auferstehungskräfte bringt heute nur eine Geistesströmung: die anthro­posophische. Sie setzt den Dogmen eine religiöse Erneuerung, gegründet auf esne Philosophie der Freiheit, entgegen.

Sie belebt das Bewußtsein, indem sie es über die geistige Welt ausdehnt. Die eurythmische Wiederbelebung des Geistesgehaltes der Shakespearedra­men (z. B. des Sommernachtstraumes, von dem einige Szenen an diesem Tage aufgeführt wurden) ist seit Schlegel und Tieck das Größte, was für diesen englischen Genius getan wurde.

Sie reinigt das faustische Streben zu einer Geisteswissenschaft, die nicht nur die Seele, sondern auch den Körper heilen wird. Man denke hier an die Erfolge der Heilmittel, die aus unseren Klinisch-Therapeutischen Instituten hervorgegangen sind.

Sie schafft endlich eine neue Kunst. Welch gewaltige dichterische Impulse sind aus ihr hervorgegangen: die Mysterienspiele Dr. Steiners, die Architek­tur, Plastik und Malerei des Goetheanum u. a.

Auf jedem Gebiet bringt Anthroposophie die Erneuerung, denn sie trägt die Kräfte in sich, die aus dem Geistigen kommen, wo Werdekräfte walten. Sie ist ein Wesen, das dem Tod nicht unterworfen ist. Aber sie hat kein Haus, worin sie sich in vollem Maße auszuwirken vermöchte. Wir sind, nachdem das alte Goetheanum abgebrannt ist, zusammengekommen, um über den Aufbau des neuen zu beraten. Das alte Goetheanum war ganz aus opferwilli­gen Spenden entstanden. Für den Wiederaufbau des neuen haben wir bisher wenig mehr als die Versicherungssumme. In dieser liegt gewiß kein Segen. Zu diesem Gelde, das von widerwilligen Steuerzahlern herrührt, müssen wir das Gegengewicht schaffen. Wir müssen noch mehr Opferfreude und Gemeinschaftsgefühl

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entwickeln als beim ersten Bau. Wir müssen uns als Gesellschaft auf das festeste zusammenschließen. Es gilt für das Größte einzutreten, das es gibt auf der Welt.

Dr. Guenther Wachsmuth berichtete nun über das Ergebnis der Vorbespre­chung der Länderdelegierten am vorigen Nachmittag. Er erwähnte als Vorge­schichte zu dieser Tagung, daß bei einer Generalversammlung der Anthropo­sophischen Gesellschaft in der Schweiz am 10.Juni 1923 die folgende Resolu­tion einstimmig angenommen worden sei:

«Die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz drückt in der heutigen Versammlung den Wunsch aus: Herr Dr. Steiner möge den Wiederaufbau des Goetheanum in Dornach in die Hand nehmen. Sie räumt ihm als maßgeben­dem künstlerischen Leiter Vollmacht ein, den Bau in jeder Beziehung, sowohl was die Verwendung der hierzu bestimmten Gelder als auch was die Auswahl der mitwirkenden Persönlichkeiten betrifft, nach eigenem Ermessen und eigener Disposition, ohne irgendwelche Einmischungen von seiten der Mit­glieder, durchzuführen.»

Ein Bericht über diesen Beschluß, der an die auswärtigen Zweige ver­schickt worden war, hatte überall begeisterte Zustimmung gefunden, und da von englischen Freunden die jetzige Tagung angeregt wurde, sei nunmehr die Gelegenheit gegeben worden, sich über die Aufbringung der Mittel zu bera­ten. Am wirksamsten sei wohl der Plan von Frau Dr. Wegman, daß für jedes Mitglied Fr. 1000.- beigetragen werden innerhalb 12-15 Monaten. Eine wö­chentliche Ersparnis von 20 Franken z. B. würde im Laufe eines Jahres eine solche Summe ergeben. Dies sei viel leichter möglich, als man von vornherein glaube. Skeptisch seien meist nur diejenigen, welche selbst noch nicht sam­meln gegangen sind. Diejenigen aber, die schon für den Wiederaufbau tätig geworben haben, machten oft überraschend gute Erfahrungen; so hätten z. B. von 37 Mitgliedern, die in Dornach besucht wurden, 35 Mitglieder je 1000 Franken als in 15 Monaten zahlbar gezeichnet, und zwar meist solche, die nicht wohlhabend sind. Gleiche Berichte lägen von auswärts überall vor, sobald nur wirklich begeisterte und überzeugte Aktivität entfaltet wurde. Ein schönes Beispiel hatte, wie Dr. Steiner am Vortage erzählte, eine Dame dadurch geben, daß sie erklärte, in ihrem Zweige wären 25 Mitglieder, die Arbeiter sind und daher alle nicht volle 1000 Franken geben könnten, aber sie selbst wolle für jedes Mitglied ihres Zweiges 1000 Franken zeichnen, also insgesamt 25000 Franken selbst geben. - Ein anderer Vorschlag von Mr. Pyle ging dahin, daß es in jedem Lande vielleicht Mitglieder gebe, die 15000, andere die 10000 und 5000 Franken geben könnten, so daß auf diese Weise doch in jedem Lande durch solche Abstufung für jedes Mitglied des Landes 1000 Franken zum neuen Goetheanum beigetragen werden könnten.

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Ein dritter Vorschlag, der von den englischen Freunden ausging, von Mr. Kaufmann, Miss Groves und Miss Melland ünterstützt worden war, regte die Abfassung einer Broschüre an, in der dasjenige, was in Kunst, Wissenschaft, Therapie, Pädagogik usw. aus anthroposophischen Quellen heraus geleistet worden ist, in einer für die Außenwelt geeigneten Weise zusammengestellt werden soll.

Es sei von anderer Seite gefragt worden, ob man bei der Werbetätigkeit für das neue Goetheanum überhaupt an außerhalb der Gesellschaft stehende Persönlichkeiten herantreten solle. Diese Frage sei aber nur aus dem Taktge­fühl jedes einzelnen heraus zu entscheiden. Dr. Wachsmuth wies auf einen Roman hin, der ihm in dieser Hinsicht einen starken Eindruck gemacht habe. Dort seien zwei junge Menschen geschildert, die wissen, daß es unzählige Vereinigungen von Menschen mit idealistischen Zielen verschiedenster politi­scher und konfessioneller Färbung gebe, aber noch keine Vereinigung aller derjenigen Menschen, die nichts anderes als eine stetige lebendige Beziehung zur geistigen Welt suchten und nichts anderes wünschten, als ein ritterliches Kämpfen für die Verwirklichung der Gesetzmäßigkeiten der geistigen Welt auf dem physischen Plan. Aus dieser Einsicht heraus bildeten diese jungen Menschen einen Bund, der sich der Bund der «Ritter vom Geiste» nannte. Der Bund wurde bald von Menschen aus allen Ländern mit Mitteln unterstützt, vor Gefahren gewarnt und beschützt, mit Nachrichten versehen, weil unend­lich viele, die noch nicht öffentlich diesem Bunde beitreten wollten, doch wünschten, daß es diesen Rittern vom Geiste ermöglicht werde, dasjenige auf Erden zu verwirklichen, was aus der geistigen Welt heraus verwirklicht werden soll. - Als Anthroposoph habe man wie nirgendswo anders Gelegen­heit, sich solche Menschenkenntnis zu erwerben, daß, wenn man selbst ein wahrer Ritter vom Geiste sei, man auch in der Außenwelt diejenigen erkennen werde, die Ritter vom Geiste sind oder werden. An solche Menschen könne man herantreten und ihnen Gelegenheit geben, mitzuhelfen am Wiederaufbau des Goetheanum. Denn man erweise einem Menschen Gutes, wenn man ihn mithelfen lasse am Errichten einer Lehrstätte, von der die aufbauenden geisti­gen Kräfte der Menschheit ausströmen sollen.

Selbstverständlich sei wohl, daß es nach Ablauf des Jahres 1923 zum mindesten kein Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft mehr geben dürfe, das nicht das Seine zum Wiederaufbau beigetragen habe.

Der Plan von Frau Dr. Wegman, für jedes Mitglied Fr. 1000.- aufzubrin­gen, habe das Gute, daß er sich an jeden Einzelmenschen wende, so daß sich ein jeder mitverantwortlich fühle und nicht allen Erfolg von den anderen oder gar einer unbestimmten Außenwelt erwarte.

Man habe in der Vorbesprechung den Vorschlag gemacht, daß unter Berücksichtigung ihrer Mitgliederzahl usw. die verschiedenen Länder es sich

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zum Ziele machen sollten, vorerst ungefähr die folgenden Beiträge aufzu­bringen:

England 300000 Schweizer Franken

Amerika 200000

Honolulu 200000

Schweiz 400000

Holland 300000

Italien 100000

Frankreich 50000

Österreich 50000

Tschechoslowakei 100000

Dänemark 100000

Skandinavien 100000

Übrige Länder . . . . 100000 (Belgien, Polen, Finnland, Neuseeland etc.)

vorerst ca. 2000000 Schweizer Franken.

Alle diese verschiedenen Vorschläge ständen nunmehr zur Diskussion. Dr. Wachsmuth bat die Delegierten, sich bei ihren Beratungen immer zwei Bilder vor Augen zu halten: Das neue Goetheanum solle errichtet werden für alle Menschen der Erde, die Ritter vom Geiste seien; und wir sollten hinausge­hen in die Welt und arbeiten für den entscheidenden Augenblick, in dem Dr. Steiner das Zeichen geben wird, daß die Arbeiter auf dem Hügel von Dornach zusammenströmen, um den neuen Bau zu errichten.

Mr. George Kaufmann, London, vertrat hierauf den Gedanken der Ausarbei­tung einer Broschüre, die zur Erleichterung der Arbeit in der Außenwelt das Wesentliche der verschiedenen anthroposophischen Arbeitsgebiete in lmap­per, künstlerischer Weise darstellen sollte .

Baroness Rosenkrantz, London, regte an, daß für solche Mitglieder, denen finanzielle Hilfe schwer ist, eine Möglichkeit geschaffen werde, die Arbeit ihrer Hände zum besten des Goetheanum zu verwenden, d.h. praktische Gebrauchsgegenstände, die noch zu bestimmen wären, unentgeltlich anzufer­tigen, deren Verkauf dann gemeinschaftlich organisiert werden müsse; und den Reinertrag dieser umsonst geleisteten Arbeit dem Wiederaufbaufonds zuzuführen. Ein kleiner Anfang in dieser Hinsicht sei von ihr schon gemacht worden.

Dr. Peipers, Stuttgart, erinnerte an die großen Opfer, die in früheren Zeiten für den Aufbau des alten Goetheanum von den deutschen Mitgliedern gelei­stet worden sind. Es sei die große Sehnsucht der deutschen Freunde trotz der traurigen Verhältnisse und fast unüberwindlichen Schwierigkeiten in Deutsch­land, auch für den Wiederaufbau wesentliches beizutragen. Obgleich in Anbe­tracht der augenblicklichen Lage von seiten des Vorstandes der Anthroposophischen

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Gesellschaft in Deutschland absichtlich nicht zur Sammeltätigkeit aufgefordert worden sei, wären doch von allen Seiten spontane Beiträge, Geld und Schmuckgegenstände, eingesandt worden nach Stuttgart, die von einer ergreifenden Opferwilligkeit zeugten. - Von deren Verwendung wird in diesem Bericht noch die Rede sein.

Dr. Praußnitz, Jena, unterstützte den Vorschlag von Baroness Rosenkrantz, freiwillige Arbeitsleistung, insbesondere während der Ferienzeit, zur Verfü­gung zu stellen und den Ertrag zugunsten des Goetheanum zu verwenden.

Herr Dr. Steiner betonte, daß wir während dieser wichtigen Tage zu einem konkreten Resultat kommen müßten. Die Abfassung einer Broschüre z. B. zu diskutieren sei zu abstrakt und allgemein. Man müsse genau angeben können, wer sie schreiben werde. Eine solche Schrift sei etwas ganz Persönliches, müsse aus dem künstlerischen Können einer einzelnen Individualität entstehen. Es habe also keinen Sinn, in einer Versammlung darüber zu beraten. Im übrigen liege schon so viel geeignetes Material vor, um überzeugend auf die Außen­welt zu wirken, daß die Mitglieder erst einmal mit dem Vorhandenen mehr als bisher arbeiten sollten. So haben wir z. B. die Wochenschrift «Das Goetheanum». Sie wird von einer Persönlichkeit redigiert, die, wie von anderer Seite letzthin gesagt wurde, das beste Deutsch schreibt, von Albert Steffen. Diese Zeitschrift berichtet ständig aus anthroposophischem Geiste heraus über bedeutsame Weltfragen, sie habe aber mehr Abonnenten unter den Außenstehenden als unter den Mitgliedern. Hier zeigt sich der alte Fehler der Mitglieder, immer Neues schaffen zu wollen, aber das vorhandene Gute nicht fruchtbrin­gend zu verwenden. Herr Dr. Steiner stellte dann falsche Ansichten in bezug auf die Verwendung der deutschen Beiträge richtig. Alles, was in Deutschland gesammelt werde, müsse, den dortigen Gesetzen ent-sprechend, selbstverständlich auch in Deutschland verzehrt werden. Er betone dies ausdrücklich. Obgleich die deutschen Freunde gewiß auch gern große finanzielle Opfer bringen würden, die jetzige Welt-lage erlaube es nicht. Die Hilfe aus Deutschland müsse in einem moralischen Opfer bestehen.

Andererseits dürfen die Freunde aus den anderen Ländern die Sicherstellung der Mittel für den Wiederaufbau nicht zu lange hinaus­schieben, am Ende dieser Versammlung müssen wir wenigstens wis­sen, mit welcher Summe man vorerst bestimmt rechnen könne, um dieser Summe entsprechend mit dem Wiederaufbau beginnen zu können.

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Es könne z. B. ein Bau aufgeführt werden, gleichsam ein Erinne­rungsbau an das gewesene Goetheanum, mit einer Summe von 1 bis 2 Millionen Franken. Das würde dann etwa eine bessere Scheune nach Art der Schreinerei, nur eben aus Beton, werden. Man könne aber auch etwas Schöneres aufbauen, das dann vielleicht 4-5 Millionen Franken oder mehr erfordern würde. Es handle sich eben darum, die genaue Summe festzustellen, die man für den Wiederaufbau sicherstellen will, damit man dementsprechend disponieren kann.

Vor allem dürfe aber auch nicht vergessen werden, daß mit dem Wiederaufbau sich neue, schwere Aufgaben für die Mitglieder ergeben werden, neue Kraftanspannung nötig sein wird, um Widerstände zu überwinden und die äußere anthroposophische Arbeit auf dem physi­schen Plan moralisch wirksam zu unterstützen. Ein moralischer Fonds muß geschaffen werden. Wenn es nur auf die Verbreitung der anthro­posophischen Wahrheiten ankäme, genügte dazu der gute Wille der Mitglieder, diese Wahrheiten durch positive Arbeit zu verbreiten. Da nun aber die anthroposophische Bewegung eine ganze Reihe von praktischen Unternehmungen ins Leben gerufen habe, die mit dem Widerstand der Außenwelt ringen müssen, z. B. die im anthroposo­phischen Sinne geleiteten Schulen, Kliniken, Laboratorien, wirtschaft­lichen Unternehmungen usw., so bedürfe es einer gesteigerten Wach­samkeit der Anthroposophen, um das Ungeheuerliche, was von geg­nerischer Seite an Lügen und Verleumdung gegen uns geleistet wird, aus dem Felde zu schlagen. Herr Dr. Steiner verglich unsere Lage mit der von Menschen, die in einer belagerten Festung sind. Oft werden den Gegnern durch Nachlässigkeit im Denken und Handeln der Mit­glieder die Tore der Festung von innen geöffnet. Nur äußerstes Wachsein der Mitglieder wird uns über die schweren Zeiten hinweg­helfen, die mit dem Wiederaufbau des Goetheanum kommen werden.

Herr Steffen erinnerte die Anwesenden daran, welche ungeheure Menge von Material in den Werken von Dr. Steiner vorliege, um sich selbst täglich vorwärtszubringen und auch die ganze Welt zu überzeugen, damit aber auch den Wiederaufbau des Goetheanum zu fördern.

Herr de Haan gab der Zuversichtlichkeit Ausdruck, daß die Tatkräftigen unter uns alle nötigen Mittel für den Bau aufbringen werden.

Am Nachmittag fand wiederum eine Sonderbesprechung der Länderdele­gierten statt.

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Sonntag, 22.Juli

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Herr Albert Steffen eröffnete die Versammlung und sagte, es wären wohl viele heute morgen durch Kanonenschüsse unsanft aus dem Schlafe gerüttelt wor­den. Denn heute sei unten im Dorf die Feier des Jahrestages der Schlacht von Dornach, die 1499 auf demselben Hügel stattfand, auf dem wir jetzt versam­melt sind. In dieser Schlacht kamen jene Freiheitskriege zu ihrem Gipfel-punkte, welche einst begonnen hatten, als die drei Gründer der Schweizeri­schen Eidgenossenschaft sich zum Schwure auf dem Rütli trafen. Wie man in schweizerischen Geschichtsbüchern lesen könne, sei diese Eidgenossenschaft das Vorbild für die Vereinigten Staaten von Amerika gewesen, die ihrerseits das Vorbild für die Republiken und Demokratien Europas wurden. Der Hügel von Dornach sei also ein entscheidend wichtiger Punkt für die Ge­schichte der Menschheit. Die anthroposophische Bewegung, die jetzt hier ihr geistiges Zentrum habe, sei aber weder politisch noch national. Am vergange­nen Goetheanum arbeiteten auf dem Hügel von Dornach auch während des Weltkrieges Menschen aller Nationalitäten friedlich nebeneinander. Es ist von größter historischer Bedeutung, sagte Herr Steffen, daß er heute die Ankündigung machen könne, daß zu Weihnachten dieses Jahres die Interna­tionale Anthroposophische Gesellschaft hier in Dornach wird gegründet werden können. Herr Steffen erläuterte dann an Hand einiger Beispiele, mit wie geistig niedrig stehender Gehässigkeit und Verlogenheit die Gegnerschaft gegen die Anthroposophie und das Goetheanum arbeitet, so daß es der einmütigen und rastlosen Hilfe der Mitglieder aller Länder bedarf, um die Errichtung und Erhaltung des neuen Goetheanum durchzusetzen.

Dr. Guenther Wachsmuth berichtete kurz über das Resultat der Sonder-Versammlung der Länderdelegierten am vorigen Nachmittag. Ein gewichti­ger Schritt vorwärts sei gemacht worden, praktisch und moralisch. Es müsse betont werden, daß es nicht genüge, anzugeben, wieviel Mittel ungefähr im Laufe eines Jahres vielleicht gesammelt werden könnten; sondern Herr Dr. Steiner könne nur dann gebeten werden, den Wiederaufbau in die Hand zu nehmen, wenn eine bestimmte Summe schon jetzt fest garantiert werde. Es sei ein schöner moralischer Erfolg, daß einige wenige Delegierte eine so schwere Verantwortung auf ihre eigenen Schultern genommen haben. Die folgenden Summen sind durch Unterschrift einzelner Delegierter schriftlich garantiert worden:

England 115000 Schweizer Franken

Holland 150000

Schweiz 200000

Dänemark 100000

Honolulu 200000

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Amerika 30000

Tschechoslowakei 30000 (von dortigen deutschen Mitgliedern)

Italien 20000

Österreich 10000

Schweden 10000

865000 Schweizer Franken

Wie von allen Delegierten ausdrücklich betont wurde, sei dies nur ein erster Anfang, um sogleich mit dem Bauen beginnen zu können. Man hofft, in den nächsten Monaten durch regste Tätigkeit bedeutend größere Summen sicherstellen zu können.

Ein zweites Problem, das nunmehr hier und auch nach der Rückkehr der Delegierten von diesen in ihren Ländern besprochen werden muß, sei die Gründung der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft zu Weih­nachten in Dornach. Im Verlaufe dieses Jahres würden noch mehrere Länder-gesellschaften, z. B. in England, Holland etc., aus deren eigener Initiative heraus gegründet werden, und es sei zu hoffen, daß mehrere andere Länder möglichst bald diesem Beispiel nachfolgten. Der Wiederaufbau in Dornach werde eine große Korrespondenz mit allen Ländern und Zweigen ergeben, weshalb die Gründung von Ländergesellschaften die gemeinsame Arbeit, Berichterstattung etc. außerordentlich erleichtern werde. An Hand einiger grotesker Beispiele wurde gezeigt, warum Mitglieder, die sich nicht an andere Zweige und Ländergruppen anschließen, mit Unrecht unzufrieden sind, wenn sie nicht rechtzeitig von Veranstaltungen benachrichtigt werden. Durch Anlegung eines möglichst vollständigen Adressenarchivs einerseits und Ver­einfachung der gegenseitigen Benachrichtigungen durch Gründung der Län­dergruppen andererseits steht zu hoffen, daß dies in Zukunft wesentlich leichter und besser werde. (Näheres siehe weiter unten.)

Bis Weihnachten ist zweierlei mehr denn je nötig: Tapferkeit, damit wir alle physischen Grundlagen für den neuen Bau bis dahin sicherstellen, Liebe, damit zu Weihnachten die Internationale Anthroposophische Gesellschaft geboren werden kann, eine Tat, die etwas bedeuten muß für die geistige Aura der Erde.

Herr Leinhas legte in klarer, eindeutiger Weise auseinander, daß es nach den bestehenden Gesetzen unbedingt erforderlich ist, die in Deutschland gesam­melten Beiträge, die bei der Treuhandgesellschaft in Stuttgart deponiert sind, in Deutschland zu belassen und dort zu verbrauchen. Er schlug als eine von mehreren Möglichkeiten vor, diese Mittel für einen Studienfonds zu verwen­den, der es Studenten erleichtern solle, sich zeitweise intensivst dem Verarbei­ten der verschiedenen anthroposophischen Lehrgebiete zu widmen.

Mr. Heywood-Smith wies auf den heutigen Tag hin, den 22. Juli, der ein wichtiger Tag in der Geschichte der Freiheitskriege der Schweiz sei. Wir

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befänden uns jetzt vor einem anderen entscheidenden historischen Momente, wo eine andere Tat vollbracht werden solle, die auch Vertrauen zu dem Ideal und das Einsetzen des ganzen Wesens verlange. Wir brauchten noch drei Millionen Schweizer Franken für den Wiederaufbau des Goetheanum. Die drei Eidgenossen am Rütli hätten ihr Leben für die Sache der Freiheit aufs Spiel gesetzt. Gäbe es drei Menschen in unserer Gesellschaft, die aus ihrem Besitztum für die drei Millionen Garantie leisten wollten und dadurch eine Liebestat gegenüber der Menschheit vollbringen? Die Mitglieder könnten es dann ihrerseits zu einer Tat der Liebe machen, dafür zu sorgen, daß die Garanten keinen Verlust erleiden, wenn die Beiträge fortwährend einfließen würden in den Fonds in gleichem Tempo, wie sie verbraucht würden für den Aufbau.

Dr. Büchenbacher schilderte die schweren Aufgaben moralischer Art, die von den Freunden in Deutschland zu bewältigen seien; man müsse, wie Dr. Steiner uns in seinen Vorträgen zeigte, dem Genius der Zeit gegenüber dem Dämon der Zeit zum Siege verhelfen. Deutschland sei in dieser Zeit ein besonders schwerer und gewichtiger Kampfplatz für diese Gewalten.

Mr. Scott Pyle, Amerika, drückte in herzlicher Weise aus, wie bedauerlich es sei, daß die deutschen Beiträge diesmal dem Goetheanum nicht unmittelbar zugute kommen könnten und daß es ein schöner Akt internationalen Ge­meinschaftsgefühls wäre, wenn die übrigen Länder, über ihre eigenen Stiftun­gen hinausgehend, auch noch die Aufbringung des deutschen Beitrags unter sich verteilten. Er ging selbst durch eine größere Summe mit gutem Beispiel voran.

Miss Woolley, England, ergänzte ihn durch Schenkung von Schmuckgegen-ständen zugunsten des deutschen Beitrags.

Herr Jan Stuten schrieb den Zuhörern die Notwendigkeit des neuen Goethe­anum vor allem für eine Wiedergeburt des künstlerischen Lebens eindringlich sn die Seele. Im alten Goetheanum waren alle Formen so harmonisch und musikalisch, daß sie auf den Künstler unmittelbar inspirierend gewirkt hätten. Aus dem Betrachten der Kapitäle, Architraven und der anderen lebendig-organischen Formen des Goetheanum hätte eine neue Musik geboren werden können. Er schilderte an Gegenbeispielen die phantasielos-unschöpferische Dekadenz moderner Kompositionen. Die anthroposophischen Künstler ha­ten die Freunde der Künste, ihnen zum neuen Goetheanum zu verhelfen, damit wieder eine Stätte voller Anregung für die Schöpferkräfte der Künstler auf Erden entstehe. Auch die Eurythmie braucht das Goetheanum als Umrah­mung aus gleichem Geiste. Die Darstellung, welche die Delegierten gestern z. B. von Shakespeares «Sommernachtstraum» gesehen hatten, wäre ein

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Ereignis gewesen, eine Renaissance von Shakespeares Werken in neuem Gei­ste. Wir fühlten uns Herrn und Frau Dr. Steiner gegenüber tief dankbar für dieses Ereignis. Herr Stuten schlug vor, eines oder mehrere der Mysterien-spiele Dr. Steiners im Verlaufe dieses Jahres in einer Festwoche auf großen Bühnen der Schweiz und des Auslandes zu spielen.

Frau Henström, Schweden, berichtete über die anthroposophische Arbeit in Schweden und garantierte auf eigene Verantwortung einen schönen Beitrag Schwedens für den Fonds.

Fräulein Lina Schwarz, Italien, sprach über die Wünsche der italienischen Freunde und hoffte, daß es in Zukunft vielleicht möglich sein werde, ein Mitteilungsblatt von Dornach aus an alle Länder zu versenden.

Graf Polzer, Österreich, sagte, in einer richtig geführten Budget-Debatte müßten auch die geistigen menschlichen Interessengebiete zur Sprache kom­men; er begrüßte, daß es in diesen Tagen gelungen sei, die Budget-Verhand­lungen hier auf ein solches Niveau zu bringen, daß man dabei gleichzeitig auch so tief geistige Probleme wie die Konsolidierung der Gesellschaft in ihrem Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Goetheanum besprechen könne. Ein Zentrum solle hier in Dornach gebildet werden, in regstem Austausch mit dem Leben in den Zweigen aller Länder. Er hoffte, daß trotz der wachsenden Schwierigkeiten sich die Delegierten und Mitglieder recht oft in Dornach zusammenfinden und dadurch immer persönlicher und herzlicher kennenlernen werden. Graf Polzer bat, daß nunmehr die Mitglieder der ubrigen Länder die von der Schweiz angenommene Resolution auch ihrerseits annehmen werden.

Herr Steffen bat diejenigen, welche der Resolution zustimmten, sich von den Sitzen zu erheben. - (Alle Delegierten blieben einige Augenblicke schweigend stehen.) - Die internationale Versammlung hat sich also hierdurch einstimmig zu dieser Resolution bekannt.

Die internationale Delegiertenversammlung wurde durch Herrn Dr. Steiner am Abend des 22. Juli, am Ende des dritten seiner Vorträge über «Drei Perspektiven der Anthroposophie», durch folgende Worte geschlossen:

Damit war versucht worden, die drei Perspektiven, welche die Anthroposophie eröffnen kann, zu charakterisieren, die physische, die seelische und die geistige Perspektive.

Es wird ganz zweifellos eine denkwürdige Zusammenkunft sein, meine liehen Freunde, wenn nun hervorgehen kann aus ihr der Aufbau eines neuen Goetheanum. Und es wäre schön, wenn dieses neue

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Goetheanum so werden könnte, daß es auch wieder in seinen Formen uns das entgegenstrahlen könnte, was durch das Wort auf dem Boden der Anthroposophie der Menschheit gesagt werden soll. Damit, meine lieben Freunde, werden Sie für die Anthroposophie sehr viel getan haben.

Ich darf in allen diesen Dingen in diesem Momente unpersönlich sprechen, auf mich kommt es dabei wirklich nicht an, möchte auch nicht sprechen über den Beschluß, der zustande gekommen ist, des Inhaltes, daß es mir überlassen werden solle, die inneren Dispositio­nen über den Bau zu treffen. Denn indem ich gebeten habe, wenn ich den Bau aufführen soll, ihn unter diesen Bedingungen aufführen zu können, so geschah dies aus dem Umstand heraus, daß ich die Verant­wortung für den Bau eben nur unter dieser Bedingung übernehmen kann. Und es bleibt dies alles innerhalb des Objektiven liegen.

Anerkennenswert bleibt es, daß man diesem Ansinnen verständnis-voll entgegengekommen ist. Es wird das, was daraus entsteht, schon der anthroposophischen Bewegung als solcher zugute kommen. Und so möchte ich eigentlich, indem ich am Schlusse dieser Tagung den hierher gekommenen Freunden herzlichsten Gruß sage, nur der Inter­pret des anthroposophischen Verständnisses sein, und die Rückwir­kung dieses anthroposophischen Verständnisses wird nicht ausbleiben für die, die dieses Verständnis haben. Es ist in Wahrheit aus dem Geistesreiche zu sehen, ein wie schweres Opfer unsere Freunde für den Wiederaufbau des Goetheanum bringen. Aber es ist eben das Gefühl eingezogen in unsere Reihen, daß das Wollen dessen, was da als Ideal vor dem Seelenauge steht, nicht zu verwirklichen ist ohne solche großen Opfer.

Der rechte Segen wird auf dem Goetheanum nur dann liegen, wenn es diejenigen wirklich wollen, die die Opfer bringen, und die Opfer aus einem heiligen Wollen kommen. Aber es darf schon die Schönheit, der schöne Ernst dieses Wollens durch den Interpreten der Anthropo­sophie als herzlicher Abschiedsgruß ausgesprochen werden. Und des­sen kann ich Sie versichern: Man wird das Goetheanum, nachdem nun die Opfer zustande gekommen sind, nach bestem Können wieder aufbauen.

Der Aufbau dieses zweiten Goetheanum wird stärkere, härtere Kämpfe kosten als der Aufbau des ersten, und ein moralischer Fonds zu dem physischen wäre schon im höchsten Maße nötig.

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So bin ich denn im Namen der Anthroposophie allen, die hierher geeilt sind, herzlich dankbar, und wenn es so ist, daß das richtige Verständnis immer mehr und mehr um sich greift, dann wird ja in einem gewissen Sinne der Segen auch nicht ausbleiben können, und dann wird man auch ruhig entgegensehen können den schweren Kämpfen, die gerade dieses Werk nach sich ziehen wird.

Deshalb möchte ich heute in einer besonders ernsten und auch in einer besonders herzlichen Weise den Freunden hiermit den Ab­schiedsgruß sagen.

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Einige Vorbemerkungen für die Gründung

der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft in Dornach

Weihnachten 1923

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Eine größere Anzahl der bei der Tagung vom 20. bis 23.Juli anwesend gewesenen Delegierten fand sich nach Schluß der Tagung noch einmal zusam­men, um diejenigen Probleme festzustellen, die der Vorberatung in den einzelnen Ländern und Gruppen während der nächsten Monate bedürfen, damit die Delegierten zu Weihnachten wohlorientiert über die Ansichten ihrer Freunde zu Hause und gewappnet mit fruchtbaren Vorschlägen für die Gestaltung der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft erscheinen können.

Es wird daher herzlichst gebeten, die folgenden Punkte in den Versamm­lungen der antbroposophischen Zweige und Gruppen in der Zeit zwischen jetzt und Weihnachten gründlich zu besprechen, damit eine Harmonie der Meinungen dann in Dornach auf Grund der geklärten Ansichten der Freunde aller Länder um so schneller erzielt werden kann:

1. Es wird zu sprechen sein über die Zusammenfassung der bereits gegrün­deten oder bis Weihnachten noch zu gründenden Ländergesellschaften zu einer Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft. Berichter­stattung über die verschiedenartige Gestaltung der einzelnen Länderge­sellschaften.

2. Eventuell erfolgte Ausarbeitung von Statuten seitens der Ländergesell­schaften, insoweit der jetzige Entwurf[*] geandert oder erganzt werden mußte.

- - -

[*] Bezieht sich auf den «Entwurf der Grundsätze einer Anthroposophischen Gesellschaft» aus dem Jahre 1912/13. Siehe unten «Hinweise«.

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3. Diejenigen Länder, wie z. B. Belgien, Polen etc., die den Wunsch ausge­sprochen haben, vorläufig bis zum stärkeren Anwachsen ihrer Mitglie­derzahl an die Schweizerische Anthroposophische Gesellschaft ange­schlossen zu bleiben, werden gebeten, an die Schweizerische Anthropo­sophische Gesellschaft ein genaues Adressen-Verzeichnis der Mitglieder ihrer Gruppe einzusenden sowie anzugeben, welche Persönlichkeiten bei irgendwelchen Veranstaltungen, Mitteilungen etc. benachrichtigt werden müssen, die dann ihrerseits für die Weitergabe an alle zu ihrer Gruppe gehörigen Mitglieder verantwortlich sind.

4. Vorschläge über die Persönlichkeit eines Generalsekretärs der Internatio­nalen Anthroposophischen Gesellschaft. Die Entscheidung liegt selbst­verständlich bei Herrn Dr. Steiner.

5. Von einzelnen Delegierten war vorgeschlagen worden, sogenannte Ge­sandte in Dornach zu bestimmen, d.h. solche Persönlichkeiten der ver­schiedenen Länder, die sowieso ständig in Dornach leben und im Verkehr mit den einzelnen Ländern beratend hinzugezogen werden könnten bzw. behilflich sind. Die Ansichten über die Zweckmäßigkeit einer solchen Organisation waren geteilt. Es wäre dies selbstverständlich nur zweck­mäßig, wenn es den Verkehr zwischen Dornach und den Ländergesell­schaften erleichtern, nicht komplizieren wurde.

6. Höhe und Termin des Beitrages, der pro Mitglied (bei Eintritt und jährlich) nach Dornach zu entrichten wäre, um die Unkosten des Gene­ralsekretariats zu decken. (Es darf nicht vergessen werden, daß die Ver­sendung solcher Mitteilungen, Veranstaltung von Versammlungen, Erle­digung der ständig anwachsenden Anfragen in Dornach etc., die sich aus dem internationalen Anwachsen der Gesellschaft ergeben, Mittel erfor­dern, die nicht ständig von der schweizerischen Gesellschaft oder aus Privatmitteln gedeckt werden können, sondern von allen Ländern ge­meinsam getragen werden müssen.)

7. Regelmäßige Ergänzung des in Dornach befindlichen Adressenarchivs der Mitglieder (soweit nichts Besonderes vereinbart). (Es wird vorge­schlagen, die Beiträge und die Verzeichnisse über Ein- und Austritt von Mitgliedern, Adressenänderungen etc. jeweils am i. Januar und 1.Juli nach Dornach zu senden.)

8. Feststellung der Verantwortlichkeit der Generalsekretäre, Vorstände etc. der Ländergesellschaften sowie des Internationalen Generalsekretärs in bezug auf die Aufnahme neuer Mitglieder in die Gesellschaft. - (Bei Besprechung mit holländischen Freunden wurde z. B. vorgeschlagen, die Aufnahmekarte eines neuen Mitgliedes durch den Generalsekretär eines Landes unterzeichnen und vom Internationalen Generalsekretariat ge­genzeichnen zu lassen.)

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9. Die Frage der Herausgabe eines Mitteilungsblattes ist nur zu lösen durch konkrete Vorschläge in bezug auf Persönlichkeit und Mittel.

10. Organisation einer würdigen und wirkungsvollen Abwehr der Gegner­schaft in allen Ländern. Die Internationale Anthroposophische Gesell­schaft muß diese Aufgabe durch erhöhte Zusammenarbeit über die ganze Erde hin so weitgehend übernehmen, daß Herr Dr. Steiner durch die lästige Gegnerabwehr nicht in wichtigen Arbeiten beeinträchtigt wird.

11. Mitarbeit der Mitglieder aller Länder an der Unterstützung der im Wer­den der Anthroposophischen Gesellschaft ins Leben gerufenen Unter­nehmungen auf den Gebieten der Pädagogik, Therapie (Verbreitung der Heilmittel, Unterstützung der Klinisch-Therapeutischen Institute etc.), der wissenschaftlichen Forschung, der Kunst usw. Es wäre sehr schön, wenn gerade in dieser Hinsicht die Delegierten nach eifriger Durchbera­tung in allen Ländern zu Weihnachten mit konkreten Vorschlägen und Berichten über eigene Tätigkeit nach Dornach kommen könnten.

12. Wieviel haben die einzelnen Länder und Gruppen für den Wiederaufbau des Goetheanum beitragen können? (Es wäre für die Kontinuität der Arbeit günstig, wenn hierüber schon bis 15. Oktober 1923 ein Vorbericht gegeben werden könnte.)

Es wird gebeten, die Namen der Delegierten, welche die Länder zu Weih­nachten in Dornach vertreten sollen, bis i. Dezember 1923 nach Dornach mitzuteilen. Desgleichen Bedarf an Quartieren etc. Außer den verantwortli­chen Delegierten sind natürlich alle Mitglieder der Gesellschaft eindringlichst und auf das herzlichste zur Teilnahme eingeladen. Das genaue Datum der Weihnachts-Versammlung wird noch mitgeteilt werden.

Alle Korrespondenz wird erbeten an «Das Sekretariat der Anthroposophi­schen Gesellschaft», Dornach bei Basel, Schweiz, Haus Friedwart, I. Stock.

Wir wiederholen die Schlußworte Dr. Steiners: «Es wäre schön, wenn dieses neue Goetheanum so werden könnte, daß es auch wieder in seinen Formen uns das entgegenstrahlen könnte, was durch das Wort auf dem Boden der Anthroposophie der Menschheit gesagt werden soll.»

Der Aufbau des neuen Goetheanum und das Hinaustragen der anthropo­sophischen Wahrheiten in die Geistigkeit der ganzen Erde - daran wird sich zeigen können, daß die Internationale Anthroposophische Gesellschaft, die zu Weihnachten geboren werden soll, ein lebendig-tätiges Wesen ist.

Kommen Sie bitte, liebe Freunde, zu solchen Aufgaben gerüstet, mit liebevollem Wollen zu Weihnachten nach Dornach.

Albert Steffen Dr. Guenther Wachsmuth

Chronologische Übersicht der Versammlungstage mit der wörtlichen Wiedergabe der Voten Rudolf Steiners Erster Tag, Freitag, 20. Juli 1923

#G259-1991-SE574 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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Chronologische Übersicht der Versammlungstage mit

der wörtlichen Wiedergabe der Voten Rudolf Steiners

Erster Tag, Freitag, 20. Juli 1923

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11 Uhr 30, Haus Friedwart: Vorbesprechung der schweizerischen Delegierten (ohne Rudolf Steiner). Es werden die offiziellen Delegierten gewählt und die Frage besprochen, ob die Schweiz für den Wiederaufbau die vorgesehenen 400000 Franken aufbringen könne.

16 Uhr, Glashaus: Vorbesprechung der deutschen Delegierten (ohne Rudolf Steiner). Von Carl Unger werden als 3 Punkte für die Tagung genannt: 1. Wieder­aufbau des Goetheanum, 2. Aufruf zum Sammeln (Opfer), 3. Anschluß an die «Resolution» der Schweizer. Beschlossen wird die Zusammensetzung der deut­schen Delegation aus Dr. Unger, Emil Leinhas, Wolfgang Wachsmuth, Hans Büchenbacher, Maria Röschl, Felix Peipers, Graf Lerchenfeld, Kurt Walther, Frau Goyert, Oberstleutnant Seebohm johanna Mücke ist zurückgetreten).

17 Uhr, Glashaus: Vorbesprechung aller von den verschiedenen Ländern namhaft gemachten Delegierten zur Festsetzung des Tagungsprogramms und der Ver­sammlungsleitung. Gewählt werden Albert Steffen zum Vorsitzenden, George Kaufmann aus London zum Vizevorsitzenden, Guenther Wachsmuth zum Schriftführer. Von dieser Besprechung berichtet der schweizerische Delegierte E. Etienne aus Genf in einem Privatbrief vom 29.Juli 1923 folgendes:

«Diese erste Aussprache war eigentlich mehr eine Fühlungnahme. Die ver­schiedenen Länderdelegierten waren mehr oder weniger orientiert hergekom­men, einige wußten kaum den Zweck der Versammlung; diese hatten daher auch keine Volirnachten mitbekommen und waren mehr hier, um etwas zu erfahren, worüber sie dann ihr Land und ihre Zweige informieren konnten. Das war natürlich erschwerend und hinderlich für eine glatte Abwicklung des rein finanziellen Teiles des Arbeitsprogramms.

Interessant war es, zu verfolgen, wie sich durch die Darlegung der ver­schiedenen Delegierten die Mentalität ihres Volkes spiegelte. Am opferwillig­sten zeigten sich die Schweiz, Holland, Deutschland und Österreich. Das Tragische ist dabei, daß für die beiden letzten Länder die Valuta-Verhältnisse derart sind, daß ihre ungeheuren Opfer so klein erscheinen, wenn in Franken umgerechnet. Dagegen versagen die nordischen Länder. Italien und Frank­reich haben wohl guten Willen, aber wenig Mitglieder und wenig Geld. Enttäuscht haben England und Amerika... Dagegen hat sich die deutsche Gruppe der Tschechoslowakei vorbildlich gezeigt. Von den 27 Mitgliedern sind bis jetzt 150000 tschechische Kronen (ca. 10000 Franken) abgeliefert worden, und ihr Delegierter hat sich persönlich für weitere 20000 Franken

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verpflichtet. Ob die drei tschechischen Gruppen auch so treu zur Sache stehen werden? Sie waren nicht vertreten.»

20 Uhr, Schreinerei: 1. Vortrag Rudolf Steiners über «Drei Perspektiven der Anthroposophie» (in GA 225).

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Zweiter Tag, Samstag, 21. Juli1923

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10 Uhr, Saal der Schreinerei: Erste allgemeine Versammlung der Delegierten und Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft. Begrüßungsansprache von Albert Steffen und Bericht von Dr. Guenther Wachsmuth über die gestrigen Vorverhandlungen. In der anschließenden Diskussion, wie die Mittel für den Wiederaufbau aufgebracht werden können, werden verschiedene Vorschläge ge­macht. Vgl. hierüber den Bericht von Albert Steffen und Dr. Guenther Wachs­muth auf Seite 557.

Am Schluß der Vormittagsversammlung ergreift Rudolf Steiner das Wort:

Liebe Freunde! Ich könnte höchstens, da nun eine Pause entsteht, ein paar Bemerkungen machen, die mir wichtig erscheinen. Ich hoffe, daß es nur die Ausfüllung einer Pause ist. Denn es ist ja klar, daß die Diskussion über die Angelegenheit nicht zu Ende ist.

Da will ich eben als erste Zwischenbemerkung diese machen, daß ich bitten möchte, die Debatten über diejenigen Dinge, um die es sich bei dieser wichtigen Versammlung handelt, möglichst in den einzelnen Punkten bis zur Präzision zu bringen. Und selbst auf die Gefahr hin, mißverstanden zu werden, möchte ich als ersten Punkt anführen, daß mit Abstraktionen, wie etwa, man solle eine Broschüre zustande brin­gen, zunächst in dieser abstrakten Form ja gar nichts anzufangen ist.* Man muß wirklich bei solchen Dingen sich immer ganz bestimmte Gedanken machen; nicht von außen eine Sache charakterisieren, son­dern man muß gerade bei einer solchen Sache auf die Verhältnisse eingehen. Es ist bei den verschiedensten Angelegenheiten, welche die anthroposophische Bewegung betroffen haben, immer wieder und wieder der Vorschlag aufgetaucht, man solle eine Broschüre schreiben. Wir stehen heute nicht zum erstenmal vor diesem Vorschlag; und ich habe meistens mich außerordentlich zurückhaltend verhalten zu diesem

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* Vorschlag von Miss Groves, unterstützt von Baronin Rosenkrantz, eine Broschüre auszu­arbeiten, mit der man sich sn die Außenwelt wenden könne, mit Bildern vom alten,

eventuell auch vom neuen Goetheanum.

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Broschürenschreiben, weil ich ja wußte, daß dabei, wenn nicht die Broschüre ein ganz besonderes Kunstwerk ist, aus der Individualität eines einzelnen hervorgehend und durch die Individualität des einzel­nen gerechtfertigt, ein real Wirksames dabei kaum herauskommen kann. Der Gedanke liegt nämlich nahe, so etwas zu machen, weil man gewöhnt ist, nicht Wirklichkeit zu denken, sondern eben irgend etwas zu denken - nicht einmal in allgemeinen Umrissen, sondern in allge­meinen äußeren Richtungen. Deshalb würde ich bitten, wenn der Vorschlag irgendwie weiter berücksichtigt werden sollte, über ihn zu diskutieren, daß man etwas dabei verstehen kann. Denn vorläufig kann ich mir unter dem, was gedacht ist, nicht gerade irgend etwas vorstellen. Das ist das erste, was ich bemerken möchte.

Dann ist es dieses, daß ich nicht möchte, daß gerade im gegenwärti­gen Momente falsche Vorstellungen auftauchen. Falsche Vorstellun­gen sind innerhalb einer geistigen Bewegung, insbesondere einer sol­chen Bewegung, die einmal steht unter der Devise: «Die Weisheit liegt nur in der Wahrheit», falsche Vorstellungen sind immer mit einem zerstörenden Impuls verknüpft, und man muß sehr achtgeben, daß nicht falsche Vorstellungen Platz greifen. Eine solche falsche Vorstel­lung würde es geben, wenn etwa die Meinung verbreitet würde, man könne heute sagen, daß der Bau, der Goetheanum-Bau von Deutsch­land durch bestimmte Mächte exiliert worden sei.* Wenn man darüber Anschauungen hat, so müssen diese natürlich ganz genau präzisiert werden. Denn äußerlich lagen die Tatsachen nicht so, daß der Bau durch Mächte exiliert worden ist, die in irgendeiner Weise etwa gar mit dem Brande in Zusammenhang gebracht werden können. Äußerlich lagen die Dinge so, daß ein gewisser Bauplan in München fertig war und dieser nicht etwa so abgelehnt worden ist, daß man sagen könnte:

Es haben Mächte auf die deutschen Gesetze Einfluß genommen, da­durch sei der Bau exiliert worden, und man hätte in Gebiete gehen müssen, wo nach dieser Richtung freiere Gesetze herrschen; sondern rein äußerlich lagen die Dinge so, daß es im wesentlichen die Münch­ner Künstlerschaft war, die auf die Beurteilung eines solchen Planes Einfluß hatte und die als Künstlerschaft, wirklich als Künstlerschaft,

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* Der Ausspruch des Delegierten Dr. Felix Peipers hatte gelautet: «... Der Bau, der erst in Deutschland stehen sollte, wurde exiliert von denjenigen Mächten, die Herr Steffen charakterisiert hat, und fand hier eine Heimat, wo diese Mächte nicht mehr so ausschlaggebend waren, daß sie die Gesetze bestimmten .. .»

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eben einfach auf die Sache nicht eingehen konnte, nichts Rechtes dazu zu sagen wußte. Und eines Tages hat man vor der Tatsache gestanden, daß, nachdem man hintereinander, was weiß ich, so ein paar Dutzend Pläne ausgearbeitet hatte, auch dann immer noch keine bestimmte Meinung von seiten der betreffenden Expertenkommission zu erhal­ten gewesen wäre.

Um nun den Bau möglichst rasch irgendwo hinzustellen, wurde eben der Entschluß gefaßt, ihn hierher zu stellen, wo uns der Bauplatz zur Verfügung gestellt war, und wo die sehr schöne Aussicht vorhan­den war, daß unter dem Nichtvorhandensein eines Baugesetzes so gebaut werden konnte, wie man es eben dazumal wollte. Also es müssen in einem solchen Falle nicht etwa - ich möchte sagen - Theo­rien heute verbreitet und Vorstellungen hervorgerufen werden, die nicht genau übereinstimmen würden mit demjenigen, was sich damals zugetragen hat. Denn es geschieht ja immer das Merkwürdige in der anthroposophischen Bewegung, daß von irgendeiner Seite Behaup­tungen aufgestellt werden, und dann erscheint irgend etwas Gegneri­sches, was diese Behauptungen mir selbst unterschiebt und mich we­gen dieser Behauptungen eigentlich angreift. Daher bin ich in der Zukunft verpflichtet, die Behauptungen, die ich nicht selber gemacht habe, ausdrücklich als solche hinzustellen, die nicht von mir selber gemacht worden sind. Ebenso können Sie ganz sicher sein, daß in der Zukunft irgendwo die gegnerische Bemerkung wiederum auftauchen wird: Dr. Steiner hat nun trotz allem und allem wiederum sich nicht zurückgehalten, auf gewisse Mächte hinzudeuten, die beim Dornacher Brand im Hintergrunde standen. Und ich möchte bemerken, daß von allem Anfang an, von der Brandnacht an, von mir niemals auf solche Mächte hingedeutet worden ist. Nur diese Tatsache möchte ich erwäh­nen und möchte sozusagen auf diesem Gebiet etwas zur Vorsicht mahnen. Wir sind heute viel mehr von lauernden Gegnern umgeben, als es beim Aussprechen solcher Dinge - ich meine natürlich mehr die Art des Aussprechens - gewöhnlich bewußt wird. Also auch mit solchen Ideen, wie diese ist, daß hingedeutet wird auf irgendwelche Hintergründe, möchte ich heute schon bemerken, daß ich nicht damit identifiziert werden möchte.

Ich halte es für außerordentlich notwendig, daß hier gerade in dieser Versammlung versucht werde, genau zu sprechen, und daß auch genau gesprochen werde über die Unmöglichkeit, überhaupt irgend

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etwas an Werten aus den deutschen Grenzen hierher zu bringen. Denn so wie die Dinge heute stehen, liegt die absolute Unmöglichkeit vor, irgendwelche Werte von Deutschland hierher zu bringen. Welche Möglichkeit sich ergeben könnte, liebevoll angebotene Arbeit zu ak­zeptieren, das wird sich, wie so vieles andere, während des Bauens selbstverständlich ergeben. Darüber mache ich jetzt keine Bemerkung. Aber die Tatsache, sie muß in aller Schärfe klar sein, weil sie sonst unabsehbare Folgen haben könnte: Es muß in aller Schärfe klar sein, daß dasjenige, was in Deutschland meinetwillen anläßlich des Wiederaufbaus des Goetheanum gesammelt wird, auch innerhalb Deutschlands gesetzlich verbleiben muß, dort ausgegeben werden muß, wenn ich mich deutlich ausdrücken will. Also alles das, was in Deutschland gesammelt wird, muß auch innerhalb Deutschlands ausgegeben, bes­ser gesagt, dort verzehrt werden, innerhalb Deutschlands verzehrt werden.

Für jene Seite kommen also vor allen Dingen nur die moralischen Opfer in Betracht, ein seelisches Opfer. Ein materielles Opfer, wenn ein solches nicht in irgendeiner Weise durch eine andere Kompensa­tion bewirkt wird, kann gar nicht in Betracht kommen. Und wenn die Dinge nur so ausgesprochen werden, wie sie bisher besprochen wor­den sind, dann ist wiederum Tür und Tor geöffnet für alle möglichen gegnerischen Absichten, so daß gesagt wird: Da steht ja in Aussicht, daß just Dr. Steiner das Ergebnis einer bestimmten Sammlung von Deutschland ins Ausland trägt! - Sie können ganz sicher sein, daß diese Version sehr bald erscheint, wenn nur in der Weise über die Sache gesprochen wird, wie bisher darüber gesprochen worden ist.

Nicht wahr, wir müssen schon als Anthroposophen uns klar sein darüber, daß das [materielle] Denken nicht in erster Linie steht; aber wenn es sich um praktische Angelegenheiten handelt, so müssen diese durchaus bedacht werden. Es muß klar gedacht werden. Und bei dieser Gelegenheit darf ich ja wirklich auf eines hinweisen, meine lieben Freunde: Es ist heute selbstverständlich außerordentlich be­deutsam, daß der Wille besteht, viele Opfer zu bringen für den Wie­deraufbau eines Goetheanum. Es ist auf der anderen Seite auch wün­schenswert, daß dieser Aufbau des Goetheanum nicht ins Unbe­stimmte hinausgeschoben werde, daß er möglichst bald zustande kommt. Beabsichtigen wir aber Bestimmtes uns vorzunehmen, so wäre es sehr gut, wenn bedacht würde, daß eigentlich doch durch diese

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Versammlung gewissermaßen dem Aufbau selbst eine Art Proposition gemacht werde. Es sollte sichtbar sein am Ende dieser Versammlung, wie das Goetheanum aufgebaut werden kann.

Meine lieben Freunde, man kann das Goetheanum aufbauen mit einer Million Franken - dann bleiben von der Versicherungssumme noch zwei Millionen Franken für andere Zwecke. Man kann das Goetheanum aufbauen mit zwei Millionen, man kann es aufbauen mit drei Millionen, mit vier Millionen. Wenn man es mit einer Million aufbauen wird, so wird eben als Andenken an das alte Goetheanum eine Art Scheune dastehen, aus Beton gebaut. Wenn zwei Millionen verwendet werden, so wird es ja' doppelt so schön sein als eine Scheune; aber es wird halt dann eben so sein, wie es für zwei Millionen aufgebaut werden kann, und so weiter. Und dasjenige, was angesichts der gegenwärtigen Lage, in der wir sind, notwendig ist, das wäre doch dies: daß gewußt werden könnte möglichst bald, mit einer wie großen Summe zu rechnen ist. Wird gewußt am Ende des morgigen Tages: es ist zu rechnen mit 5 Millionen, so wird ein Goetheanum aufgebaut für fünf Millionen. Das ist dasjenige, was man sich jetzt praktisch vorneh­men kann. Und da ich ja selbstverständlich voraussetze, daß in jeder Seele die Tendenz lebt, das Goetheanum so schön als möglich zu haben, so scheint mir, daß ja immerhin etwas sehr Beträchtliches, auch wenn man diese Absicht ganz ernst nimmt, entstehen kann. Aber es ist doch einmal notwendig, daß wir die Sache in der Form auffassen, daß bis zum Ende dieser Tagung eine Art Proposition gemacht werde und daß dann diese Proposition eben als ein Festes angesehen werden kann und daß man sich sagen kann: Im Sinne dieser Proposition wird eben hier auf dem Dornacher Hügel an die Stelle des alten Goetheanum etwas hingestellt. - Ich meine, die Zeiten sind viel zu ernst, als daß wir uns in Unstimmigkeiten einlassen. Es ist vielleicht notwendig, daß wir uns in der allerbestimmtesten Weise unmittelbar orientieren.

Meine lieben Freunde, es ist wirklich nicht meine Absicht, so vielem Schönen immer auch ein kleines Unangenehmes hinzuzufügen; aber wenn es halt von keiner andern Seite geschieht, so muß ich es eben immer tun, damit versucht werde, aus den Dingen ein Ganzes zu bilden. Es tut mir ja furchtbar leid!

Nun möchte ich bemerken, daß dasjenige, was ich eben jetzt aus­einandergesetzt habe, äußerlich zunächst gewiß, für einen äußeren Bau also in Betracht kommt; aber etwas anderes kommt durchaus

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noch in Betracht. Und zwar, daß in der Zukunft möglichst auch daran gedacht werde, daß es notwendig ist, die ganze anthroposophische Tätigkeit auch in irgendeiner Weise gegenüber der Welt moralisch zu stützen, moralisch irgendwie sozusagen einen Beitrag zu geben. Und solche moralischen Beiträge sind jetzt doch sogar das Notwendigere! Denn schließlich, wir werden irgend etwas ja hier bauen können - also die Möglichkeit, daß hier ein geistiges Zentrum geschaffen werde für die anthroposophischen Angelegenheiten, die müßte und wird gege­ben sein -, aber es müßte auch gedacht werden daran, wie eine morali­sche Stützung versucht werden könnte. Und da muß doch immer wieder und wiederum darauf aufmerksam gemacht werden, daß nach dieser Richtung hin außerordentlich viel zu tun wäre! Wenn einmal von seiten der Anthroposophischen Gesellschaft etwas getan würde in ausgiebiger Art, sichtbarlich getan würde, was dahin tendierte, vor der Welt die Anthroposophische Gesellschaft selbst so hinzustellen, daß man gar nicht anders kann, als sie als etwas tief Ernstes zu nehmen, wenn geradezu dies, ich möchte sagen, als Absicht hier entstehen würde, eine Art moralischen Fonds zu schaffen, an dem nun gerade diejenigen mitwirken könnten, die gegenwärtig sozusagen ihre Wert-objekte innerhalb ihrer Grenze lassen müssen, wenn eine Art morali­scher Fonds geschaffen werden könnte, dann wäre manches von dem erfüllt, von dem ich immer wieder und wiederum spreche.

Sehen Sie, in gewissem Sinne möchte ich schon darum gern wun­schen, daß über diese Broschüre, die erstklassig sein soll, wie gestern gesagt worden ist, hier gesprochen würde, weil ja damit in gewissem Sinne auch ein Urteil ausgesprochen ist über alle die Produktionen, die bis jetzt erschienen sind, und weil man damit das Urteil ausspricht, daß man all das, was bis jetzt an Produktionen erschienen ist, eigentlich nicht gebrauchen kann! Also ich würde schon ganz gerne im Genaue­ren, Konkreten hören, wie sich das Erstklassige zu dem bisher geleiste­ten Zweitklassigen oder Drittklassigen verhalten würde.

Diese Dinge, die liegen dann immer in Untergründen. Nun können Sie sagen, es sei ganz schlimm, daß man solche Dinge nun aus den Untergründen hervorholt. Ja, meine lieben Freunde, wenn man diese Dinge einfach unbedacht ausspricht und gar niemand aufmerksam macht, wie solche Dinge oftmals innerhalb unserer Reihen ausgespro­chen werden, dann braucht man sich nicht zu verwundern, daß die Gegner sie aufgreifen. Die Gegner werden schon bemerken, um was es

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sich handelt bei solchen Dingen. Und gegen den ganzen Ansturm der Gegner ist heute ja auch der Bau des Goetheanum durchzuführen! Der Bau des Goetheanum kann nicht nur mit Geld durchgeführt werden, sondern der Bau des Goetheanum muß durchgeführt werden, gestützt auch auf einen moralischen Fonds der Anthroposophischen Gesell­schaft. Anders geht es gar nicht. Dieser moralische Fonds muß da sein.

Und darüber müssen wir uns klar sein: Das Wirken nach außen hat heute schon eine sehr merkwürdige Gestalt angenommen. Auch das darf nicht im Unbewußten bleiben. In einer gewissen Beziehung ist alles dasjenige, was mit Anthroposophie zusammenhängt, wie in einer belagerten Festung. Und denken Sie darüber nach, welche Ideen die Menschen bekommen, wenn man einem so äußerlich sagt: Geht hinein in eine belagerte Festung. Das erste, was der Mensch heute von An­throposophie hört, wenn er ganz guten Willen hat, das ist dasjenige, was die Gegner sagen. Jedem, der mit dem besten Willen an Anthropo­sophie herangeht, werden heute die Schriften der Gegner, Aussagen der Gegner, die Verleumdungen der Gegner entgegengebracht. Und das ist eine Sache, die gerade dann außerordentlich schwer ins Gewicht fällt, wenn es sich um so etwas handelt wie den Bau des Goetheanum.

Ja, meine lieben Freunde, wenn es sich heute handeln würde um Verbreitung der Anthroposophie, dann würde ich sagen: Es braucht nichts anderes als den guten Willen, für die Anthroposophie einzutre­ten. Würde es sich heute bloß um Verbreitung der Anthroposophie in der Welt handeln, dann würde ich meinerseits mit absolutem Gleich­mut an fünfzig gegnerischen Verleumdungsbroschüren und Aussagen in der Welt vorbeigehen, sie absolut mit Gleichgültigkeit hinnehmen, mich um sie nicht kümmern, sondern nur im Positiven weiterarbeiten. Denn allein durch das positive Weiterarbeiten wird Anthroposophie verbreitet. Wenn es sich allein handelt um eine geistige Strömung, dann brauchten wir vielleicht überhaupt solche Versammlungen nicht; da könnten uns alle Gegnerschaften gleichgültig lassen. Wenn es sich aber darum handelt, daß heute Anthroposophie in sich schließt, wenn man nur ihren Namen nennt, eine ganze Fülle von äußeren Gründun­gen, zu denen dann natürlich auch der Bau des Goetheanum gehört, dann muß eben gesagt werden: Solche Dinge kann man nicht machen, wenn nicht eine kompakte Gesellschaft dasteht, welche in der Lage ist, unwirksam zu machen den Umstand, daß derjenige, der herankommt an die Festung, zunächst die gegnerischen Schriften in die Hand

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nimmt. Man muß durchaus unterscheiden zwischen den einzelnen Begründungen und dem, was die geistige Bewegung der Anthroposo­phie ist. Die trägt sich selber, die können Sie heute mit einem Schutt zudecken, der 50 Kilometer hoch ist, sie kann unwirksam gemacht werden meinetwillen für Dezennien: wird in einer richtigen Art gear­beitet, so wird sie ihren Weg durch die Welt machen! Wenn aber über Dinge, die eben auch unbegriffen vor die Außenwelt hingestellt wer­den - und unbe griffen sind alle die einzelnen Begründungen, die heute an die Anthroposophie sich anlehnen -, wenn die hingestellt werden vor die Außenwelt, dann bedarf es der geschlossenen, kompakten Gesellschaft.

Und das, meine lieben Freunde, muß vor allen Dingen bedacht werden in dem Augenblicke, wo man Vorschläge macht, die von der Anthroposophischen Gesellschaft aus an die Außenwelt treten sollen. Wirklich, ich kann es ja begreifen, wenn immer wieder diese Dinge überhört werden, die ich sage. Es tut mir ja furchtbar leid, daß ich das erwähnen muß. Aber ich möchte, daß sie nicht überhört werden, daß man sich dessen bewußt werde, wie man nicht auf einem Beton-, sondern auf einem Glasboden steht, wenn man für diese Sache Vor­schläge macht, und daß man es schon notwendig hat, auch den morali­schen Fonds zu schaffen.

Sehen Sie, hier in diesem Saal habe ich vor ganz kurzer Zeit vor einer viel kleineren Zahl von Mitgliedern als heute darauf aufmerksam gemacht, wie im Journal de Geneve darauf hingewiesen worden ist, daß auch den Schweizern von mir das Geld aus der Tasche genommen werden soll für den Aufbau des Goetheanum. - Die Antworten dürfen nicht fehlen, die eine wirksame Abwehr gegen solche Angriffe sind. Und so darf auch selbstverständlich nicht fehlen, daß vom ersten Moment an, wo so etwas auftaucht, jeder Mensch in der Lage sein müßte zu wissen, daß es sich gar nicht darum handeln kann, irgendwie nur einen Centime aus den deutschen Grenzen in die Schweiz herein-zubringen. Über dieses muß mit Bestimmtheit gesprochen werden. Denn so liegen die Dinge heute.

Liebe Freunde, ich habe natürlich am allerbesten ein Gefühl für das, was Begeisterung ist. Aber man muß heute wirklich mit den realen Möglichkeiten, vor allen Dingen mit den Realitäten selbst rechnen. Nicht um irgend etwas abzustoppen, sondern um geradezu zu bitten, daß mit diesen realen Möglichkeiten auch schon beim Aussprechen

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der Worte gerechnet werde - nur deshalb wollte ich diese Pause, die entstanden ist, ausfüllen. Denn mir hat es gewissermaßen weh getan, daß wiederum Dinge von der einen Seite besprochen werden, denen nicht gleich die Spitze genommen wird, damit auf der andern Seite nicht eine Handhabe für die Gegner dadurch geboten werde.

George Kaufmann übersetzt die Ausführungen Rudolf Steiners ins Englische.

Dann wird bis 13 Uhr weiter über die Finanzierung des Baues und die angeregte Broschüre verhandelt.

15 Uhr, Glashaus: Sonderbesprechung aller Delegierten über die von den einzel­nen Ländern zu erbringenden Summen. (Hiervon liegt kein Protokoll vor.)

17 Uhr, Schreinerei: Eurythmieaufführung mit einleitender Ansprache Rudolf Steiners (in GA 277).

20 Uhr, Schreinerei: 2. Vortrag Rudolf Steiners über «Drei Perspektiven der Anthroposophie» (in GA 225).

22 Uhr 30, Glashaus: Versammlung der Delegierten nach dem Vortrag Rudolf Steiners. Es liegt kein Protokoll vor, jedoch der schweizerische Delegierte E. Etienne aus Genf berichtet in einem Privatbrief vom 29. Juli über diese Versamm­lung, bei der auch Rudolf Steiner anwesend war, wie folgt:

«Es war teilweise bemühend, das Markten und Feilschen mit anzuhören. Das Komitee, das drängte zu großen Summen, um etwas Rechtes zustande zu bringen, und die Delegierten, zum Teil ohne Vollmachten, wirkliche Ver­pflichtungen einzugehen. Es ist deshalb zu hoffen, daß sie wirklich alles daransetzen werden in ihren Ländern, um die garantierten Minimalbeträge zu erhöhen, in Einklang zu bringen mit der Mitgliederzahl und den finanziell effektiven Möglichkeiten.

Nachdem man sich auf die Minimalbeträge geeinigt hatte (was davon abhing, ob Herr Doktor die angebotene Garantie als genügend erachtete oder nicht - er wollte absolut sicher sein und nahm nur Kenntnis von garantierten Beträgen), kam man zu dem Ergebnis, daß von den garantierten Beträgen wenigstens 25 % bis zum 15. Oktober nächsthin einbezahlt sein müssen. Auf diesen Termin wollte man ursprünglich wieder zusammenkommen, sämtli­che Delegierte jedoch mit genügender Vollmacht ausgerüstet und wohlinfor­miert über die definitiven Beträge, welche ihr Land an den Wiederaufbau leisten wolle und in welchen Raten.

Herr Doktor sagte, er werde nun sofort darangehen, das neue Goethe­anum zu projektieren für die jetzt zur Verfügung gestellten Gelder (Versiche­rung und Minimalbeträge). Wenn dann im Oktober die Delegierten größere Summen garantieren können als jetzt vorgesehen, so würden diese Gelder dann verwendet für Zubauten. - Das gab lange Gesichter, und sofort erhob

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sich der Einwand, hiervon in der morgigen Generalversammlung ja nichts verlauten zu lassen (wir Delegierten würden sowieso über alles Stillschweigen bewahren), denn jeder möchte doch sein Geld fürs Goetheanum geben und nicht für Zubauten. Der Opfersinn könnte erlahmen, wenn dies bekannt würde. Herr Doktor erwiderte hierauf, daß, wenn unser altes Goetheanum nicht abgebrannt wäre, wir gezwungen gewesen wären, auch Zubauten zu errichten, weil die Arbeit, die uns erwartet, eben nicht hätte getan werden können im alten Bau; das haben wir ja seinerzeit selber empfunden. Und wir sollen uns nur nicht einbilden, daß jetzt größere Opfer von uns gefordert würden, als wir sie ohne Brand hätten bringen müssen in den nächsten drei Jahren (wir hätten dann keine drei Millionen gehabt zum Anfangen!). Kurz, Herr Doktor war bestrebt, uns klarzumachen, daß Zubauten nicht nur kein Unglück, sondern etwas Wünschenswertes seien, und suchte uns aufzumun­tern. - Später trat er wieder auf und sagte sehr nett: Glauben Sie jetzt nicht, ich wolle einen Witz machen: Man kann sehr gut auch so vorgehen, daß ich für das vorhandene Geld ein Goetheanum entwerfe bis zum Dach, also vorder-hand ohne Dach. (Große Heiterkeit.) Ich nehme an, die meisten Anthroposo­phen möchten dann doch das Dach auch noch haben und das nötige Geld dafür beschaffen.

Der Vorschlag gefiel allgemein - aber ob Herr Doktor wirklich so vorgeht, wird wohl vom Grade des Vertrauens in unseren Opferwillen abhängen. Herr Doktor sagte eben deutlich, er wolle nicht ein zweites Mal die Misere der Geldbeschaffung mitmachen. Er baue nur mit dem, was wirklich aufgebracht werde und verlasse sich nicht auf Versprechungen.»

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Dritter Tag, Sonntag, 22. Juli 1923

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8 Uhr, Glashaus: Versammlung der deutschen Freunde in Anwesenheit Rudolf Steiners. Am Schluß der gestrigen allgemeinen Versammlung war von einem deutschen Mitglied die Frage gestellt worden, wann die deutschen Freunde zur Besprechung ihrer besonderen Aufgaben zusammenkommen würden. Dr. Carl Unger antwortete, daß am nächsten Tag, von morgens 8 Uhr an, vor allen Freunden, die aus Deutschland herübergekommen sind, referiert werden würde.

Diese Sonntags-Frühversammlung der deutschen Freunde wurde von Dr. Carl Unger eingeleitet, indem er die drei Punkte hinstellte, über die gesprochen werden soll: 1. Der Aufruf zum Sammeln, 2. die Resolution der Schweizer, 3. der morali­sche Fonds.

Anschließend ergriff Rudolf Steiner das Wort. (Stenogramm Hedda Hummel.)

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Dornach, 22.Juli 1923,8 Uhr morgens

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Ich werde nicht zu lange zu sprechen haben, da ich die Einzelheiten Ihnen überlassen will. Nur ein paar Worte möchte ich sagen: Ich möchte gerade bei dieser Gelegenheit, wo eben ausschließlich, wie mir scheint, die deutschen Vertreter hier vereinigt sind, etwas sagen, was vielleicht auch mehr oder weniger bloß unter den deutschen Vertre­tern eigentlich sein Wissen, sein Mitwissen finden soll. Denn natür­Lich, die Zeiten sind ja heute so, daß die Dinge, die eigentlich aber doch gewußt werden sollten, in der mannigfaltigsten Weise mißverstanden werden. Ich möchte das folgende sagen, bemerke aber ausdrücklich, daß dahinter selbstverständlich nicht im geringsten irgend eine natio­nale oder dergleichen Meinung steckt, sondern daß nur Tatsachen sprechen sollen.

Die Anthroposophische Gesellschaft hat wirklich nur dann eine Berechtigung, wenn sie beachtet dasjenige, was aus anthroposophi­scher Erkenntnis von Zeit zu Zeit auch, ich möchte sagen, in bezug auf das unmittelbare Leben immer hervorgehen kann. Sie werden das, was ich meine, aus den folgenden Andeutungen ersehen.

Sehen Sie, es war natürlich in gewissem Sinne eine Naivität, wenn geglaubt worden ist, daß die schwachen Kräfte Mitteleuropas sich gegen den Ring der ganzen Welt physisch halten können. Ich blicke zurück auf die letzten Zeiten. Es war eine Naivität, das zu glauben, als die Koalition der ganzen Welt außerhalb Mitteleuropas zustande ge­kommen ist. Und es war von Anfang an klar, seit 1914, daß es eine Naivität wäre zu glauben, daß irgendwie von einem äußeren Siege Mitteleuropas gesprochen werden könne. Diesen Glauben hat im Grund genommen Mitteleuropa bis jetzt nicht aufgegeben, sondern es zieht sich immer zurück auf bestimmte Gebiete und wird sich auch nicht abhalten lassen, da, wo die geistige Einsicht nicht vorhanden ist, diesen Glauben nun wenigstens auf das wirtschaftliche Gebiet noch so lange auszudehnen, so lange es eben nicht auf wirtschaftlichem Ge­biete das gleiche erlebt wie auf politischem.

Also davon, daß irgendwie, sagen wir, innerhalb des Gebietes des physischen Planes von Mitteleuropa aus aufgekommen wird gegen nun einmal die Machtmittel der ganzen Welt, daran zu glauben ist doch eigentlich eine Naivität. Dagegen muß man sich klar sein dar­über, daß dasjenige, was aus mitteleuropäischem, namentlich deutschem

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Geiste heraus der Welt zu sagen ist, eben noch lange nicht gesagt und getan ist, daß Mitteleuropa eben in geistiger Beziehung für die Welt noch Ungeheures zu leisten hat und daß Mitteleuropa sich endlich ein Gesicht dafür aneignen müßte, daß in der - wenn ich es so ausdrücken darf -, in der Maja die Dinge eben doch zuweilen sogar entgegengesetzt der Wirklichkeit sich ausnehmen. So daß also dasje­nige, was sowohl auf politisch-staatlichem wie auch auf wirtschaftli­chem Gebiete gegenwärtig in der Welt geschieht, eigentlich das Ge­genbild von dem ist, was auf geistigem Gebiet geschieht. Es ist das wahre Gegenbild. Denn in Wirklichkeit sind die Siege, die errungen werden - auch die wirtschaftlichen Siege werden es sein -, eigentlich Niederlagen; Niederlagen gegenüber der sich fortentwickelnden Menschheit. Und man wird es erleben, daß sich in gar nicht so ferner Zeit in der ganzen Welt, trotz allen Strebens nach politischer und wirtschaftlicher Präponderanz, trotz alledem sich ergeben wird in der ganzen Welt, und, wie gesagt, in gar nicht zu ferner Zeit, das Urteil: Das Geistige hat man in Mitteleuropa zu suchen! Das Geistige muß von Mitteleuropa genommen werden! - Und es wird auftauchen in der Welt eine förmliche Sehnsucht, den Geist zu nehmen von dorther, wo man in äußerer Weise eigentlich versklavt ist. Und das wird innig zusammenhängen mit der zukünftigen Gestaltung der Welt.

Aber ich möchte nicht vergessen lassen, daß solche Dinge vielfach zusammenhängen in unserer heutigen Kulturepoche mit der mensch­lichen Freiheit; daß es also einfach nicht möglich ist, den richtigen Moment zu versäumen; daß demgegenüber ein Wachen notwendig ist. Und die Anthroposophische Gesellschaft, sie hätte vor allen Dingen die Aufgabe, wach zu sein gegenüber dem, was auch in der unmittelba­ren Gegenwart sich abspielt. Es kann sehr leicht der Zeitpunkt verpaßt werden, der eben doch, man möchte sagen, wie vorgezeichnet ist in der Geschichte, wo aus zahlreichen Zentren in der Peripherie, in der Mitteleuropa umschließenden Peripherie, die Ansicht auftaucht: Ja, wir haben zwar an äußeren Machtmitteln gegenüber Mitteleuropa Ungeheures errungen; aber, wenn wir nicht auf der Erde geistig zu­grunde gehen wollen, müssen wir Mitteleuropa als den Quell des Geisteslebens ansehen.

Nicht wahr, denken Sie sich einmal das Ungeheure, was eintreffen könnte, daß diese Urteile, mehr oder weniger Gefühlsurteile, in den verschiedenen Zentren der Welt aufleuchten würden und in Deutschland

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alle Leute dastehen und Maulauffen feilhalten und nicht verste­hen, was da herankommt und was eigentlich zu tun ist.

Diese Dinge, die sind dasjenige, was als reale Gedankenbildung zu­grunde liegen muß dem, was man sozusagen exoterisch - wenn ich es so ausdrücken darf - nennt: «die moralische Forderung». Bei uns in der Anthroposophischen Gesellschaft dürfen die Dinge nicht Phrase bleiben - selbstverständlich redet jeder idealistische Phraseur auch von moralischen Forderungen -, sondern bei uns müssen sie durch geistige Realität gestützt sein.

Deshalb, um eine Richtung zu geben und Kraft in die geistigen Muskeln hinein, wollte ich diese paar Worte vorausschicken.

[In der darauffolgenden Diskussion wurde die Organisierung der Arbeit in der deutschen Gesellschaft, über die Möglichkeiten, zur Baufinanzierung beizutra­gen, und über die Gegnerfrage gesprochen. Die Fortsetzung wurde auf 15 Uhr vertagt. Es ging dabei um die Angelegenheit Lempp, siehe hierüber auf Seite 596.]

10 Uhr, Schreinerei: Zweite allgemeine Versammlung der Delegierten und der Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft. (Vgl. hierüber den abgekürzten Gesamtbericht von Albert Steffen und Dr. Guenther Wachsmuth.)

Laut Stenogramm sprachen Albert Steffen, Herbert J. Heywood-Smith, Emil Leinhas, Dr. Wachsmuth, William Scott Pyle, George Kaufmann, Oberstleutnant Seebohm, Jan Stuten, Frl. Henström aus Stockholm, Miss Woolley aus London, Baron Walleen aus Dänemark, Frl. Henström, Lina Schwarz aus Mailand über ein Mitteilungsblatt zur Orientierung der italienischen Mitglieder über die Arbeit in Dornach und bittet Rudolf Steiner um eine Meditation, die gemeinsam gemacht werden soll. Antwort Dr. Steiners: Dinge dieser Art können von mir nur in Vorträgen besprochen werden, nicht in Versammlungen, die eigentlich einen anderen Charakter haben. Dinge dieser Art gehören eben in Vorträge. Dann spricht Margarita Woloschin für die russischen Freunde, Ludwig Polzer-Hoditz, Albert Steffen, Dr. Blümel.

George Kaufmann gibt eine zusammenfassende englische Übersetzung.

Rudolf Steiner: Es scheint mir, als ob wir nun am Schluß der Tagung wären, und ich möchte dasjenige, was ich noch zu sagen habe, viel­leicht am Schluß des Vortrages [seines Abendvortrages] sagen.

Albert Steffen schließt nun die Versammlung mit dem Hinweis, daß noch viele ungeklärte Fragen in der Luft schweben, «zum Beispiel die wichtigste, diejenige eines Mitteilungsblattes, das sich zum Verkehr der Peripherie mit dem Zentrum bilden müßte. Aber wir haben diese Frage schon durchgesprochen, und es sind

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hier wirklich große Schwierigkeiten, die ich allein hier unmöglich lösen kann . .. Und so möchte ich die Versammlung, wenn sich sonst niemand zu Worte meldet, was mich betrifft, heute schließen.»

Rudolf Steiner: Wegen des Mitteilungsblattes - ich betrachte nämlich die Tagung nicht als abgeschlossen, ich möchte also nicht sozusagen irgendein Schlußwort jetzt sagen -, aber was das Mitteilungsblatt, das ja oft besprochen wird, betrifft, so möchte ich folgendes bemerken. Nicht wahr, man kann vieles machen; aber es ist ein anderes, in einer gewissen Abstraktheit die Notwendigkeit von etwas einzusehen oder die Dinge auch wirklich auf die Füße zu stellen. Nicht wahr, wir mußten irgendwo anfangen und haben wirklich aus guten Gründen heraus damit angefangen, die Zeitschrift «Das Goetheanum» hier zu begründen.

Ja, liebe Freunde, zu einer solchen Sache braucht man aber das Interesse zunächst der Mitgliedschaft. Das «Goetheanum» ist heute noch immer eine «inaktive» - wie man sie nennt - Zeitschrift, das heißt, es muß bei ihr draufgezahlt werden. Und man kann schon sagen, etwas hängt das durchaus mit dem ja schon besprochenen Mangel an Interesse zusammen. Wir hier stehen immer vor der Frage: Wir müs­sen irgendwo anfangen, beim Anfang. Oftmals wird aber dann die Forderung aufgestellt, man solle beim Ende anfangen. Das läßt sich eben nicht machen.

Wir haben versucht, im «Goetheanum» selbst ein Bild des zu­grunde gegangenen Goetheanum zu geben. Gestern ist schon mit Recht von Herrn Leinhas hervorgehoben worden: es ist gar nichts geschehen - die Aufsätze sind, glaube ich, auch in der «Anthroposo­phie» in Deutschland abgedruckt gewesen -, gar nichts ist geschehen, um diese Dinge bekanntzumachen. Woher soll denn - abgesehen von allem übrigen, was bei der Herausgabe einer Broschüre konzipiert werden muß -, woher soll denn die Aussicht kommen, daß eine solche Broschüre irgendwie mit einem größeren Eifer empfangen wird und für sie etwas getan wird, als wie es mit demjenigen geschieht, was wir eben als den Anfang bezeichnen müssen. Ich glaube, daß ebenso, wie hier die Zeitschrift «Goetheanum» ein schweres Dasein führt, so führt draußen in Deutschland auch ein schweres Dasein die «Anthroposo­phie». Und eine Broschüre, die geschrieben würde, die so wäre, daß sie aus dem Inneren der Sache hervorgehen würde - denn man kann ja natürlich für Anthroposophie nicht eine Reklame-Broschüre fabrizieren-,

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also dasjenige, was aus dem Inneren der Anthroposophie her­vorgehen würde, das würde heute wiederum in schweren Zentnern daliegen, ohne daß dafür ein Interesse wäre.

Nun, nicht wahr, ein Mitteilungsblatt erfordert wirklich ungeheuer vieles. Es ist leicht zu sagen, man soll ein solches Mitteilungsblatt machen; die Gründe sind selbstverständlich Hunderte, die man vor­bringen kann dafür. Aber dasjenige, was man vor allen Dingen braucht, ist ein Beleben des Interesses für die Dinge, die eben gemacht werden. Und man kann es auch gar nicht verantworten, die Dinge immer fortzusetzen - denn die Fortsetzung kostet ja immer neues Geld -, wenn die alten Dinge immer liegenbleiben. Nicht wahr, ge­wiß, es ist in Italien schon eine Broschüre hergestellt worden, aber das ist eben, ich möchte sagen, in einem kleinen Häuflein aus der Anthro­posophischen Gesellschaft geblieben.

Wir brauchen auch für diese Dinge wirklich mehr das Zulangen der Mitgliedschaft, denn es ist ein wahrhaftig gar nicht erheiterndes Ge­schäft, immer von dem sprechen zu müssen. Aber es wird ja allzuoft eben notwendig gemacht dadurch, daß von den Dingen gesprochen wird, die wirklich so, wie man sich sie denkt, einfach nicht ausgeführt werden können, bevor gesehen wird, wie das An-die-Hand-Gehen sich für den Anfang herausbildet.

Gewiß, man könnte es ja sogar als eine recht gute Tatsache begrü­ßen, wenn jeder Vortrag, der hier gehalten wird, ja was weiß ich, sich selber vervielfältigen würde und dann durch Taubenpost überall hin-getragen würde. Gewiß, es wäre eine sehr schöne Sache. Aber die Dinge lassen sich so im Gedanken nicht ausführen, sondern dasjenige, was zunächst notwendig wäre, das ist, daß man eingehen würde auf die Art und Weise, wie aus der Sache selbst heraus der Versuch gemacht wird, die Dinge zu verbreiten.

Denken Sie doch nur einmal: Eigentlich ist doch von Herrn Steffen

- man kann in diesem Falle nicht von Versuch sprechen, weil man etwas hat, was in sich vollendet ist, auch als selbständige schriftstel­lerische Leistung -, es ist von Herrn Steffen unternommen worden, vieles von dem, was hier vorgeht, nach auswärts zu berichten. Ja gewiß, es ist ein Erziehungskurs gedruckt worden. Aber das Echo, das diese Dinge eigentlich doch durch die Mitgliedschaft finden müßte, war ja nicht da; und es ergibt sich keine Möglichkeit, zu irgend etwas Esoterischem vorzuschreiten, wenn der Anfang nicht gemacht wird

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damit, daß ein regeres Interesse innerhalb der Mitgliedschaft entsteht für dasjenige, was nun wirklich gemacht wird. Es ist der Mangel an Interesse für die Dinge dasjenige, was doch zuletzt zugrunde liegt dem Umstand, daß sich alle mehr oder weniger unbefriedigt fühlen mit dem, was gemacht wird. Aber tatsächlich, vielleicht könnte man doch, aus dem Umstande zum Beispiel, daß innerhalb der Gesellschaft so jemand ist wie Herr Steffen, von dem bei der letzten schweizerischen Versammlung hier mit Recht gesagt worden ist, er ist ungefähr dieje­nige Persönlichkeit, die heute den besten deutschen Stil schreibt; es ist das immerhin etwas, was als Positives auch einbezogen werden sollte.

Aber wirklich, diese Tatsache zum Beispiel, die sehr viel bedeutet für die ganze anthroposophische Bewegung, daß die anthroposophi­sche Bewegung den besten deutschen Stilisten in Herrn Steffen in sich schließt, dies sollte also ein Anlaß dafür sein, daß die Zeitschrift «Das Goetheanum», deren Redakteur zu sein Herr Steffen der Anthroposo­phischen Gesellschaft geschenkt hat, daß dieses «Goetheanum» in einer ganz anderen Weise aufgenommen würde, als es in Wirklichkeit geschieht. Ich merke so wenig Echo von demjenigen, was eigentlich im «Goetheanum» steht, von seiten der Gesellschaft. Ich konnte ja, als vor vierzehn Tagen, glaube ich, einmal der Versuch gemacht wurde, ob sich vielleicht doch ein Echo dadurch hervorrufen läßt, daß man nun das Rätsellösen in einer Weise herausfordert; man konnte da sehen, nun wollten wenigstens die Leute dahinterkommen, was mit diesen Rätseln gemeint ist. * Aber sonst lebt viel zu wenig in der Gesellschaft von demjenigen, was in diesem «Goetheanum» steht. Es lebt viel zu wenig darinnen. Und wirklich, glauben Sie das, es ist wirklich außerordentlich schwierig, für Herrn Steffen oder eventuell für mich selber, sich hinzustellen und zu sagen, was das «Goethea­num» eigentlich für eine Zeitschrift ist. Man kann ja schon . . . [Lücke im Steno gramm].

Aber sehen Sie, vielfach habe ich das Urteil gehört: Ja, das «Goe­theanum» ist uns eben noch viel zu wenig. Aber ich habe bis heute überhaupt [Zweifel], ob die Zeitschrift «Das Goetheanum» nach der Ansicht der Anthroposophischen Gesellschaft für die anthroposophische

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* Aufsatz Rudolf Steiners: Der Philosoph als Rätselschmied. In: »Das Goetheanum», 2.Jg., Nr.48 vom 8.Juli 1923, jetzt in GA 36. In diesem Artikel werden vier Rätsel gebracht, die aus dem Büchlein «Aenigmatias. Neue Rätsel» von Franz Brentano, 2. Aufl., München 1909, stammen.

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Bewegung etwas bedeutet. Es besteht für uns hier heute immer noch die Möglichkeit, daß die Zeitschrift «Goetheanum» als etwas höchst Unnötiges angesehen wird von seiten der Mitgliedschaft. Diese Möglichkeit besteht noch immerhin durchaus. Es ist nicht irgendein wirkliches Teilnehmen da für solch eine Sache, in die tatsächlich etwas von den besten Kräften jede Woche hier hineingelegt wird. Ja, nicht wahr, es ist nicht eine Philippika, die ich hier halten möchte; sondern es ist eben etwas, worauf ich aufmerksam machen möchte, wenn gesagt wird: Wir können nicht genug haben mit dem «Goetheanum», das ist exoterisch, das können auch die Leute in der Außenwelt lesen, wir brauchen etwas viel Esoterischeres. -Ja, man warte doch einmal, was für Früchte kommen, wenn man erst die Wurzeln pflegt. Aber die Wurzeln müssen erst gepflegt werden. Das ist schon so.

Wir haben ja heute noch den ganzen Nachmittag, und ich werde Ihnen dasjenige, was ich dazu abschließend zum Abschied sagen will, am Ende der Tagung in meinem Vortrag sagen.

Emil Leinhas kommt auf die Frage nach der Verbreitung der Nachschriften von Rudolf Steiners Vorträgen zurück und meint, es komme auch das in Betracht, «daß Dr. Steiner immer wieder sein Mißfallen ausgesprochen hat über die Nachschriften und auch über die wahllose Verbreitung, daß es gar nicht seinem Geschmack entspricht. Man kann ja wohl verstehen den Wunsch nach den Nachschriften, aber man sollte auch den Wunsch Dr. Steiners, daß die Nachschriften nicht so hinausgehen, auch nicht unbeachtet lassen.»

Albert Steffen: Bevor ich also die Versammlung vertage auf heute nachmittag drei Uhr, möchte -Rudolf Steiner: Es würde sehr schwer sein, hier in diesem Saal am Nachmittag zu tagen.

Albert Steffen: Man kann sofort spüren die Schwierigkeiten, die bestehen, solange es kein Goetheanum gibt. Die Deutschen wollten sich im Glashaus, soviel ich weiß, um drei Uhr versammeln. Dieser Saal kann höchstens bis vier Uhr benutzt werden, denn um fünf Uhr soll Eurvthmie sein.

Rudolf Steiner: Ich wollte vorhin nicht irgend etwas ansetzen, sondein wollte nur sagen: Nach dem Programm gehören ja die Veranstaltun­gen um fünf und um acht Uhr auch noch zur Tagung. Deshalb wollte ich nicht irgendein Schlußwort sagen, bevor die Tagung zu Ende ist.

Albert Steffen: Ich habe nur noch nötig, Herrn Dr. Steiner zu danken für das, was er über mich als Schriftsteller gesagt hat. Ich muß sagen, daß ich mich in dieser

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Beziehung ganz als Anfänger betrachte, so daß ich, wenn ich mich übe im Worte, vielleicht es einigermaßen zu etwas bringen kann. Jedenfalls bin ich erst auf dem Wege dazu. Und ich möchte wenigstens zu der Bemerkung, die diejenige Persön­lichkeit an mich gerichtet hat, welche das Wort der Gegenwart und in der Vergan­genheit am besten beherrscht, dieser Persönlichkeit danken für das Zutrauen.

15 Uhr, Glashaus:

Fortsetzung der Morgenversammlung der Deutschen (kein Protokoll).

Ein Teilnehmer, Hans Büchenbacher, berichtete darüber in «Mitteilungen, her­ausgegeben vom Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland» Nr. 7, Stuttgart, September 1923, folgendes:

In den Versammlungen, welche die etwa achtzig in Dornach anwesenden Deutschen hatten, standen im Vordergrunde die rheinischen Freunde. Sie waren der Überzeugung, daß die Rheinländer der Gesellschaft bedeutende Anregungen zu geben hätten und daß Wichtiges für den Verlauf der ganzen Tagung von ihnen ausgehen müsse. Zugleich waren sie aber dabei in einer gewissen Kampfstimmung und besonders in einer oppositionellen Einstel­lung gegenüber dem Vorstande der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland. Daraus ergab sich aber folgendes. Zu Beginn der Vollversamm­lung der Deutschen am Sonntagmorgen im Glashaus sprach Herr Dr. Steiner in tief zu Herzen gehender Weise von der geistigen Aufgabe gerade des Deutschen Volkes. [Seite 585] Daß auf diese Worte Dr. Steiners in der darauf folgenden Aussprache nicht eingegangen werden konnte, lag nun in der Hauptsache wohl weniger an der Versammlungsleitung als an der oben cha­rakterisierten Einstellung der rheinischen Freunde. Die ganze Besprechung nahm dadurch einen chaotischen Verlauf, und die Situation war so, daß Dr. Büchenbacher sie mit der auf der Stuttgarter Delegiertentagung im Februar vergleichen mußte. Man wollte nicht einmal auf den Entwurf einer Kundge­bung für Herrn Dr. Steiner, die Dr. Unger anläßlich der Lempp-Angelegen­heit vorbrachte, eingehen.*

Es wurde beschlossen, am Nachmittag eine weitere Sitzung abzuhalten, um zunächst ganz ausführlich, ihrem Wunsche entsprechend, lediglich die rheini­schen Freunde zu hören. Diese forderten, daß auch ein Rheinländer den Vorsitz der Versammlung führen solle. Hierauf ging, was durchaus berechtigt ist, der Vorstand nicht ein, und Herr Leinhas gab nun als Versanamlungsleiter am Nachmittag in ausgiebiger Weise den Rheinländern Gelegenheit, alles, was sie zu sagen hatten, vorzubringen. Daß das Ergebnis, das sich nun herausstellte, sehr gering war, wäre an und für sich nicht schlimm gewesen.

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* Näheres darüber siehe Seite 596.

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Aber, darf man fragen, mußte darum stundenlang fruchtlos und zum Teil recht gereizt hin und her geredet werden, so daß auf die Worte Dr. Steiners, auf die Kundgebung für ihn, nicht eingegangen werden konnte? Möchten doch die für die Gesellschaft so wichtigen Verhandlungen im September bei aller Betonung des eigenen Standpunktes nicht mit einer Einstellung geführt werden, die, wie schon die Stuttgarter Delegiertentagung zeigte, den Bestand der Gesellschaft aufs ernsteste gefährdet. So war die für die Besprechungen zur Verfügung stehende Zeit fast dahingegangen, als Herr Leinhas den deut­schen Freunden eine Darstellung der Lempp-Angelegenheit geben konnte. Mit großer Schärfe und Bestimmtheit, für die wir ihm nur dankbar sein können, griff hier nun Dr. Steiner ein und stellte diese Angelegenheit in ihrer grundsätzlichen Bedeutung hin. Die Folge war eine begreifliche Erregung der Versammlung. Nun drängte man zu einer Kundgebung für Herrn Dr. Steiner. Dieser war schon weggegangen, der Beginn der Eurythmieaufführung war da. Zu einer geordneten Besprechung war keine Zeit mehr . . .

17 Uhr, Schreinerei: Eurvthmieaufführung mit einleitender Ansprache Rudolf

Steiners (in GA 277).

20 Uhr, Schreinerei: 3. Vortrag Rudolf Steiners über «Drei Perspektiven der

Anthroposophie» (in GA 225) mit den angekündigten Abschiedsworten an die

Tagungsteilnehmer:

#TI

Rudolf Steiners Abschiedsworte an die Versammlungsteilnehmer

Dornach, 22. Juli 1923 (Schlußworte des Vortrages>

#TX

Es ist heute in einer äußerlichen Weise darauf hingedeutet worden, daß man von der Anthroposophie ein Bild oder dergleichen ausführen sollte. Ja, ist sie denn nicht in ihrer Realität da? Brauchen wir noch ein Bild? Aber was wir bedürfen, das ist durch unsere eigene innerliche Ehrlichkeit intim werden mit Anthroposophie. Dann dringt sie in das innerste Gewebe unseres Seelenlebens und Seelenwesens ein. Nicht in einer äußerlichen Weise sollen wir versuchen, uns ein Bild zu machen. Aber innerlich sollen wir intim werden mit dieser lebendigen Wesens-gestalt, die als Anthroposophie, ich möchte sagen, überall zwischen unseren Reihen hindurchgehen soll, wenn wir als Menschen, die sol­che Dinge verstehen, vereint sind.

Wenn wir also mit Anthroposophie als einer realen Wesenheit, die unter uns in einem höheren Sinne herumgeht, real selbst leben, wenn wir real Menschen sind, wenn wir mit dieser Anthroposophie intim

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werden, dann wird in uns der Impuls aufgehen, das wirklich zu erleben, was die Menschheit so sehr nötig hat in unserem Zeitalter zu erleben: nicht bloß für das Seelenauge ein Bild, sondern für das Herz eine Liebe zum Wesen Anthroposophie. Das ist es, was wir brauchen, und das wird am meisten ein Impuls unseres Zeitalters sein können.

Damit aber habe ich versucht, hinzuzufügen zu der gezeichneten physischen Perspektive der Anthroposophie und zu der gezeichneten seelischen Perspektive die geistige Perspektive. Die geistige Perspek­tive ist nicht ein äußerliches Verfolgen des Geistes, die geistige Per­spektive ist im Gegenteil gerade das Erleben der Anthroposophie im tiefsten, intimsten Innern der menschlichen Seele und des menschli­chen Herzens. Und dieses tief intime Erleben von Anthroposophie in der menschlichen Seele und im menschlichen Herzen, das ist jene Meditation, die uns hinführt zur Begegnung, zur realen Begegnung mit Anthroposophie.*

Damit ist versucht worden, die drei Perspektiven, welche die An­throposophie eröffnen kann, zu charakterisieren: die physische, die seelische, die geistige Perspektive. Und es obliegt mir nur noch am Schlusse dieser Tagung, zu der von den Weiten der Welt viele unserer Freunde hierher gekommen sind zu einem Tun, das ihnen so sehr auf der Seele liegt, im Namen dieser Anthroposophie die tiefste Befriedi­gung über dasjenige, was sie mit Bezug auf den Bau des Goetheanum verhandeln wollten, auszusprechen.

Es wird ganz zweifellos eine denkwürdige Zusammenkunft sein, meine lieben Freunde, wenn nun hervorgehen kann aus ihr der Aufbau eines neuen Goetheanum. Und es wäre schön, wenn dieses neue Goetheanum so werden könnte, daß es auch wieder in seinen Formen uns dasjenige entgegenstrahlen könnte, was durch das Wort auf dem Boden der Anthroposophie der Menschheit gesagt werden soll. Damit werden Sie für die Anthroposophie sehr viel getan haben.

In allen diesen Dingen darf ich in diesem Momente unpersönlich sprechen. Auf mich kommt es dabei wirklich nicht an, auch möchte ich nicht sprechen über den Beschluß, der zustande gekommen ist, des Inhaltes, daß es mir überlassen werden solle, die inneren Dispositio­nen über den Bau zu treffen. Denn indem ich gebeten habe, den Bau,

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* Auf diese reale Begegnung wird noch näher eingegangen in den Vorträgen, die gedruckt sind unter dem Titel: «Die Geschichte und die Bedingungen der anthroposophischen Bewegung im Verhältnis zur Anthroposophischen Gesellschaft», GA 258.

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wenn ich ihn aufführen soll, unter diesen Bedingungen aufführen zu können, so geschah dies aus dem Umstand heraus, daß ich die Verant­wortung für den Neuaufbau eben nur unter dieser Bedingung über­nehmen kann - und es bleibt dies alles innerhalb des Objektiven liegen.

Anerkennenswert bleibt es in ganz objektivem Sinne, daß man diesem Ansinnen verständnisvoll entgegengekommen ist. Es wird das, was daraus entsteht, schon der anthroposophischen Bewegung als solcher zugute kommen. Und so möchte ich eigentlich, indem ich am Schlusse dieser Tagung den hierher gekommenen Freunden herzlich­sten Gruß sage, nur der Interpret des anthroposophischen Verständ­nisses sein. Und die Rückwirkung dieses anthroposophischen Ver­ständnisses aus der geistigen Welt heraus wird nicht ausbleiben für alle, die dieses Verständnis haben. Es ist in Wahrheit so, daß es kinderleicht zu sehen war, ein wie schweres Opfer unsere Freunde für den Wiederaufbau des Goetheanum bringen. Aber es ist eben das Gefühl eingezogen in unsere Reihen, daß das Wollen dessen, was da als Ideal vor dem Seelenauge steht, nicht zu verwirklichen ist ohne solche großen Opfer.

Sehen Sie, heute morgen ist das Wort ausgesprochen worden, das da oder dort gesagt wird: Ja, wozu eigentlich diesen Bau? Nun, wir wollen ihn aufführen, weil ihn Dr. Steiner will. - Ich habe es sehr dezidiert gerade in meiner Darstellung der Goetheanumverhältnisse nach dem Brande in der Zeitschrift «Das Goetheanum» ausgespro­chen, daß der Entschluß zu dem Bau einstmals von Freunden der Anthroposophie ausgegangen ist und daß ich sozusagen nur das die­nende, ausführende Glied war. Und es hatte eigentlich nicht ir­gendwo die Meinung entstehen sollen, daß damit ein Wollen von mir irgendwie in Betracht kommt; auch könnte darin kein rechter Segen liegen, daß man einem solchen Wollen folgt. Denn der rechte Segen wird bei dem Goetheanum nur dann liegen, wenn diejenigen wollen, welche die Opfer bringen, und wenn die Opfer aus einem heiligen Wollen heraus kommen.

Aber es darf schon die Schönheit, der schöne Ernst dieses Wollens, ich möchte sagen, durch den Interpreten der Anthroposophie hiernit als ein herzlicher Abschiedsgruß vor Ihnen ausgesprochen werden. Es würde mir selbst ja eine gewisse Befriedigung gewährt haben, wenn zu den Besprechungen über den physischen Fonds auch eben Besprechungen

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* Siehe: »Das Goetheanum in seinen zehn Jahren«, in GA 36.

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über den moralischen Fonds noch hinzugekommen wären. Denn dessen kann ich Sie versichern: Man wird das Goetheanum, nachdem nun die Opfer zustande gekommen sind, nach bestem Kön­nen, in Gemäßheit dieser Opfer aufbauen.

Der Aufbau dieses zweiten Goetheanum wird stärkere, herbere und härtere Kämpfe kosten, als der Aufbau des ersten gekostet hat; und ein moralischer Fonds zu dem physischen hinzu wäre schon im höchsten Maße nötig. Aber darüber herrschen eben vielleicht andere Ansichten, als ich sie haben muß, und deshalb dürfen Sie nicht glau­ben, daß ich irgendwie einen Schatten fallen lasse von dem, was ich zuletzt gesagt habe gegenüber dem Erstgesagten. Wenn ich dasjenige ins Auge fasse und durch mich sprechen lasse, was Anthroposophie sein soll in der Welt, dann bin ich doch eben im Namen der Anthropo­sophie denjenigen herzlich dankbar, die hierher geeilt sind, um in dieser wichtigen Angelegenheit zu verhandeln und zu tun. Und wenn es so ist, daß das richtige Verständnis immer mehr und mehr um sich greift, dann wird ja in einem gewissen Sinne der Segen auch nicht ausbleiben können, und dann wird man ruhig entgegensehen können den schweren Kämpfen, die gerade dieses Werk nach sich ziehen wird.

Deshalb möchte ich auch heute in einer besonders ernsten, aber auch in einer besonders herzlichen Weise den lieben Freunden, die zu diesen Verhandlungen und zu diesen Taten hierher gekommen sind, hiermit den Abschiedsgruß sagen.

[Nachdem Rudolf Steiner geendet hatte, ergriff Emil Leinhas das Wort. Das sehr lückenhafte Stenogramm ist vom Herausgeber wie folgt frei zusammengefaßt:]

Emil Leinhas Ich bin beauftragt von den hier anwesenden deutschen Freun­den, die heute Nachmittag zusammen waren, um in der Angelegenheit der in Nr.2 und Nr.4 der «Anthroposophie« erschienenen Artikel unserem Protest Ausdruck zu geben und den Fall hier kurz vorzutragen.

Im folgenden wird die Geschichte des Falles berichtet. Die Dokumente selbst sind auf Seite 795 wiedergegeben.

Vor einiger Zeit ist in der «Anthroposophie» ein Artikel erschienen von Dr. Rittelmeyer über eine in Berlin stattgefundene Tagung der Nichtanthroposo­phischen Kenner der Anthroposophie, einer äußerst ernstzunehmenden, um­fassenden Organisation eigentlich der gesamten Gegnerschaft. Sie hat einen Bericht über diese Tagung herausgegeben und überallhin versandt, wo ein Verein gegen Anthroposophie vorhanden ist. Die Hauptstütze bildet ein

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Referat, das der Ihnen ja allen bekannte Dr. Goesch gehalten hat. Diejenigen, die die Angelegenheit Goesch kennen [siehe GA 253], werden sich ja denken können, daß es so ungefähr die schlimmsten Verunglimpfungen Dr. Steiners enthält. Darauf hat Dr. Rittelmeyer in seinem ersten Artikel hingewiesen.

Nun hat sich in Stuttgart ein evangelischer Geistlicher, Dr. Lempp, Vorsit­zender des vielen Hunderttausende umfassenden Evangelischen Volksbundes in Württemberg bemüßigt gesehen, gegenüber dem Artikel von Dr. Rittel­meyer eine Einsendung an die Zeitschrift «Anthroposophie» zu machen, obwohl er selbst an der Tagung gar nicht teilgenommen hatte, also nicht aus eigener Anschauung berichten konnte, sondern nur nach dem Protokoll, in welchem das Referat von Dr. Goesch als Vortragsmaterial gegen Anthropo­sophie ausdrücklich empfohlen worden ist. In einem Vortrag von Dr. Lempp, bei dem Dr. Hahn in der Diskussion aufgetreten und mit ihm zusammenge­stoßen ist, hat er mit Dr. Hahn darüber gesprochen, daß er eine Einsendung gegen den Artikel Rittelmeyers bringen wolle. Dr. Hahn hat ihm scheinbar in Aussicht gestellt, diese Einsendung an die «Anthroposophie» weiterzugeben bzw. er hat ein kleines Handschreiben von Lempp entgegengenommen, womit ihm diese Einsendung übermittelt wurde, um sie an den Schriftleiter der «Anthroposophie», von Grone, weiterzugeben. Von Grone wollte seiner­seits diese Einsendung Lempps in einem Kreis von 30-40 Stuttgarter Mitar­beitern, zu denen auch Dr. Rittelmeyer gehört, die wöchentlich zusammen­kommen, zur Sprache bringen, und er hatte Dr. Rittelmeyer, der verreist war und während der Sitzung zurückerwartet wurde, bitten lassen, doch dazuzu­kommen. Als Dr. Rittelmeyer kam, ließ er von Grone herausrufen, um zu hören, was da Besonderes für ihn vorliege. Von Grone hatte noch nicht Gelegenheit gehabt, die Einsendung zur Sprache zu bringen, und übergab sie Dr. Rittelmeyer auf dessen Wunsch, der die Beantwortung übernehmen wollte. Von Grone hat dann zunächst die Sache als erledigt betrachtet und sie nicht mehr im Kreis zur Sprache gebracht. Nach einiger Zeit hat er den Erwiderungsartikel von Dr. Rittelmeyer bekommen und mit der Einsendung von Lempp in die «Anthroposophie» aufgenommen mit dem redaktionellen Hinweis «Abdruck und Erwiderung unlieb verspätet». Nun wird von Lein­has aus den Artikeln zitiert, was Rudolf Steiner wie folgt apostrophiert:

Rudolf Steiner: Aber ich bitte, nicht zu vergessen, daß dies in der eigenen Zeitschrift der Anthroposophenschaft abgedruckt wird, daß diese also das Sprachrohr ist für solche Dinge, die mir an den Kopf geschmissen werden. Wir sind also an dem Punkt angelangt, wo in der Zeitschrift, die in Stuttgart erscheint, die Verleumdungen der Gegner wörtlich abgedruckt werden; das heißt, wir brauchen nicht mehr die Gegner zum Verleumden, wir haben dazu die eigenen Zeitschriften.

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Emil Leinhas: Nun, diese Einsendung ist dann von Dr. Rittelmeyer beant­wortet worden in einer Weise, die anfängt: «Erfreulich an dieser Einsendung ist, daß doch ein gewisses Abrücken von dem Protokoll . . . » und so weiter vorliegt. In dem Stile geht es dann weiter: «Lieber Herr Doktor! Sie haben eine sehr verantwortungsvolle Stellung in Württemberg . . . » Es wird also flattiert nach allen Richtungen. Zum Schluß wird Lempp von Rittelmeyer zu einer geistig hochstehenden Diskussion aufgefordert beziehungsweise dazu, «der Welt das Vorbild einer geistig hochstehenden Auseinandersetzung« zu geben. - Dieser Artikel ist also von der Redaktion der «Anthroposophie» so abgedruckt worden und, wie Dr. Steiner eben ausgeführt hat, ohne daß irgendein wirksames Wort dagegen hinzugefügt worden ist, ganz abgesehen davon, daß es überhaupt überflüssig war, den Artikel von Lempp au£ zunehmen.

Dr. Steiner: Ich möchte doch noch einmal einen Einspruch machen, verzeihen Sie. Es liegt also die Tatsache vor, daß in der eigenen Zeitschrift das Sprachrohr gebildet wird für die Verleumdungen der Gegner, daß die Gegner nicht mehr nötig haben, ihre Zeitschriften zu benutzen. Wie ist es möglich, daß diese verleumdenden Gegner ver­himmelt werden in einem Artikel in unserer eigenen Zeitschrift?

Emil Leinhas: Man muß natürlich die Frage aufwerfen: Wie war es möglich, daß in einem Moment, wo es darauf angekommen wäre, daß diejenigen, die verantwortlich sind für die Zeitschrift «Anthroposophie«, so etwas durchge­hen lassen, daß so etwas passieren kann?

Nun, ich möchte durchaus nicht in irgendeiner Weise den Redakteur der «Anthroposophie» im besonderen dafür anklagen, sondern zum Ausdruck bringen, daß es eben eine Verantwortlichkeit geben sollte, damit solche Dinge nicht möglich sind innerhalb unserer Gesellschaft. Es hat sich Herr von Grone einfach durch die Aktivität von Dr. Rittelmeyer verführen lassen, diesem die Beantwortung zu überlassen, und nicht aufgepaßt, was dabei herausgekommen ist und was an Stellungnahme von seiten der Redaktion notwendig gewesen wäre. Er hat es auch nicht für notwendig gehalten, die Sache in dem Kreis von Mitarbeitern, die eben doch für die Führung det anthroposophischen Angelegenheiten in Deutschland verantwortlich sind, vorzutragen. Er hat zwar in einem Moment die Absicht dazu gehabt, sich aber dadurch, daß Dr. Rittelmeyer gar nicht in die Sitzung kam, davon abhalten lassen.

Nun, es ist ja vielleicht nicht das allerwesentlichste, wie sich das alles im einzelnen abgespielt hat, sondern worauf es ankommt, ist, daß solche Dinge überhaupt möglich sind, daß in einem solchen Falle, wo es sich um Verleumdungen

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schlimmster Art handelt, im Kreis der Freunde überhaupt nicht darüber diskutiert worden ist. Und da müssen wir alle, die wir beteiligt sind, zu der Einsicht kommen, woran es eigentlich liegt, daß im entscheidenden Moment das Interesse und die Liebe zur Sache versagen, daß einfach nicht eine Gruppe von Menschen da ist, die zwar nicht irgendwie amtlich verant­wortlich ist - das wäre ja in diesem Falle der Redakteur -, sondern in selbst­verständlicher Verantwortlichkeit, weil sie die Anthroposophie liebt, bereit ist, sich alles genau anzusehen, genau zu prüfen, wach zu sein für die Dinge, die die Anthroposophie angehen.

Es kann nicht meine Aufgabe sein, irgendwie zu entschuldigen oder zu beschönigen, sondern ganz im Gegenteil hier auszusprechen, daß es nichts zu entschuldigen und zu beschönigen gibt, daß es nicht darum geht, irgendwie einen Sündenbock oder den Verantwortlichen zu suchen, sondern zu sehen, daß bei uns allen, die wir beteiligt sind, diese Wachsamkeit immer in den entscheidenden Momenten nicht vorhanden ist, daß danach gestrebt werden muß, daß diese Wachsamkeit endlich immer bei uns da ist. Es müßte eben die Einsicht bei uns Platz greifen, daß es darauf ankommt dazustehen, die anthro­posophische Sache zu verteidigen, schmutzige Anwürfe abzuwehren und nicht aufzunehmen. Es sollte die Behandlung eines solchen Falles gerade dasjenige sein, was geeignet ist, allmählich einen moralischen Fonds entstehen zu lassen.

Dr. Steiner: Meine lieben Freunde, es ist mir zwar nicht erfindlich, warum diese Dinge nicht innerhalb der deutschen Gesellschaft ausge­macht worden sind - ich habe heute abend meinen Ton deshalb objektiv genommen, um eben nicht auf Persönliches zu sprechen zu kommen -, allein, da es nun einmal geschehen ist, daß dasjenige hier besprochen worden ist, was vielleicht nicht vor die auswärtigen Freunde gehört hätte, so kann ich gar nicht anders, als dem doch einige Worte hinzuzufügen.

Ich sehe - ich sage das in vollständiger Ruhe und in absoluter Hingegebenheit an die Worte, die ich am Schlusse meines heutigen Vortrages ausgesprochen habe und von denen ich am liebsten hätte, daß sie den Ausklang gebildet hätten dieser denkwürdigen Tagung -, aber meine lieben Freunde, ich sehe doch in dem, was sich hier als schier Unglaubliches ereignet hat, daß die Anwürfe der Gegner in der eigenen Zeitschrift erscheinen, daß der Gegner Komplimente be­kommt für die Anwürfe, die auf mich gerichtet sind, ich sehe darinnen denn doch etwas, was in einem gewissen Zusammenhange steht mit Dingen, die eben seit langer Zeit spielen.

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Nun, es ist ja nun einmal so: Die Anthroposophische Gesellschaft hat drei Epochen ihres Daseins durchgemacht. Das ist eine lange Zeit. Manche der älteren Freunde sind eben - vielleicht ohne daß sie es ganz wissen - dazu gekommen, das Gewohnheitsmäßige als etwas zu emp­finden, was nach und nach doch nicht mehr ganz paßt. Ich möchte sagen: Wenn sich die Zusammengehörigkeit der einzelnen Mitglieder mit mir ursprünglich ausgebildet hat, sich in eine Gewohnheit verwan­delt - es ist allmählich etwas Unbequemes geworden. Bei jüngeren Mitgliedern ist aus anderen Untergründen heraus ein ähnliches Ver­hältnis gekommen. Und ich war ja schon lange genötigt, hinzusehen darauf, wie es durchaus notwendig ist, mich mit aller Kraft und mit aller Energie jenen Pflichten hinzugeben, die mir von seiten der An­throposophischen Gesellschaft erwachsen.

Ich werde es auch in Zukunft nicht mangeln lassen, an alledem hingebungsvoll zu arbeiten - soweit ich es kann - was mir aus der Anthroposophischen Gesellschaft erwächst, kann aber denn doch nicht anders, als - weil es ja doch nicht ganz geht, solange man Mensch auf der Erde ist - das Persönliche abzutrennen von dem Objektiven. Ich werde es tun, selbstverständlich, aber es ist im allgemeinen Leben doch nicht so ganz möglich.

Und so kann ich doch nicht anders, als eben darauf hinzuweisen, daß ja sich seit langer Zeit in bezug auf die verschiedensten Dinge herausgebildet hat die gewohnheitsmäßige Anschauung, daß man ja notwendigerweise schon einmal zu der Anthroposophie hinzu meine Persönlichkeit als ein notwendiges Übel hinzunehmen muß und sie dulden muß, im übrigen aber diejenigen Dinge, welche sich in dieser Weise als Anwürfe oder dergleichen geltend machen, überhaupt dieje­nigen Dinge, die sich mehr auf mich beziehen, als eine Art Quantité négligeable betrachtet. Und es ist jetzt das nur zum höchsten Gipfel gelangt, was sich bei den verschiedensten Gelegenheiten ja in sehr deutlicher Weise zeigt.

Dasjenige, was auf mich Bezug hat, wird ja innerhalb ziemlich weiter Kreise der Anthroposophischen Gesellschaft betrachtet als eine Quantité négligeable. Man läßt mich ja allenfalls gelten; aber dann tut man doch nichts, was irgendwie damit zusammenhängt. Und wenn man in dieser Weise meine Person in den eigenen Zeitschriften so behandeln läßt, so wird schon die Sache gründlich darunter leiden. Aber die Empfindung der Quantité négligeable ist doch schon so groß,

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daß man die Dinge bis zu dem Punkte treibt, daß man drei, vier Wochen in Stuttgart einen solchen Anwurf liegen hat, daß sich nie­mand von den verantwortlichen Persönlichkeiten darum kümmert, daß er ihnen in die Zeitung hineinrutscht mit einer Verhimmelung des Gegners und daß dann eigentlich niemand recht verantwortlich dafür sein will. Und das geschieht, trotzdem sich ein größerer Kreis mehr­mals alle Woche versammelt, der ganz wichtige Dinge verhandelt. Aber daß hier in der eigenen Zeitung etwas kommt, was ein furchtba­rer Anwurf gegen mich ist, das verhandelt man nicht. Nachher sagt man: Ja, wir haben nichts gewußt davon.

Ich sage das ohne Bitterkeit, möchte aber doch, daß auch in diesem Falle die Tatsachen ordentlich formuliert werden und nicht unformu­liert bleiben. Die Sache ist schon einmal so, meine lieben Freunde, und man muß sie in einem gewissen größeren Zusammenhange betrachten. Sie läßt sich nicht isolieren aus einem größeren Zusammenhange her­aus. Ich komme ja dadurch in ganz verschiedene Situationen. Ich muß meine Pflichten tun auch innerhalb derjenigen Kreise, die dasjenige, was ich da charakterisiert habe eben als eine Quantité négligeable, behandeln. Ja, das muß schon geschehen, nicht wahr, das geht nicht anders. Aber ich kann sagen, ich habe ziemlich starke Gründe dafür, daß die Sache sich doch noch ganz anders abgespielt haben würde, wenn nicht folgendes geschehen wäre.

Nicht wahr, nachdem schon einmal das vor Ihnen gesagt worden ist

- ich bin ja gar nicht einverstanden, daß das vor diesem großen Kreise hier überhaupt zur Besprechung gebracht worden ist -, muß ich auch das andere notwendigerweise dazufügen.

Ich hatte, als ich das letztemal in Stuttgart war- nachdem also dieser schöne Artikel, dieser Anwurf, wochenlang dagelegen war, sich kein Mensch dort darum gekümmert hat, sondern in die Zeitung hineinge-rutscht ist mit dieser bewunderungswürdigen Anhimmelung des An­werfers -, also ich hatte Freitag [13.Juli] von 8 bis 9 [20-21 Uhr] eine Stunde. Nach dieser Stunde hatte ich noch eine sehr wichtige Bespre­chung. Dann fand ich, nachdem ich zu einem anderen Kreise um halb 10 Uhr zu gehen hatte, in den fünf Minuten, die dazwischen lagen, auf meinem Abendbrottisch diese Nummer der «Anthroposophie» lie­gen. Ich nahm sie in die Hand und fand diese Bescherung.

Ich kam in jenen Kreis, der gewissermaßen für alle Stuttgarter Kreise verantwortlich ist. Und man begann da zu verhandeln. Aber

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diese Quantité négligeable bildete keinen Gegenstand der Verhand­lung, sondern ich mußte selbst die Sache monieren, mußte selbst darauf aufmerksam machen, daß das überhaupt geschehen ist. Ich mußte mich also der unangenehmen Aufgabe doch unterziehen, diese Sache selbst zur Besprechung zu bringen. Nun, ich hatte genügend Grund zu glauben, daß die Sache überhaupt nicht zur Sprache gebracht worden wäre, wenn ich nicht selber darauf aufmerksam gemacht hätte, weil sie eben zu dem in der Reihe der Quantité négligeable gehört, von der ich gesprochen habe.

Nun, meine lieben Freunde, ich werde ganz gewiß dasjenige, was ich für die Anthroposophische Gesellschaft zu leisten habe, nicht ändern dadurch, daß gerade diese Angelegenheiten, die im engeren Zusammenhange stehen mit den Verunglimpfungen meiner Person, die in unseren Zeitungen abgedruckt werden, die in unseren Zeitungen unbesprochen bleiben, währenddem der Gegner aufgefordert wird, recht schön herbeizukommen. Man will ihm «die Hand reichen», man findet es «erfreulich», daß er eine solche Sache schreibt. Ich weiß nicht, wo noch in der Welt so etwas vorkommt als innerhalb der Anthropo­sophischen Gesellschaft, daß man eine solche Sache abdruckt, hinter­her einen Artikel folgen läßt, worinnen die Sache als «erfreulich» bezeichnet wird, worinnen der Gegner mit aufgehobenen Händen fast in Demut gebeten wird, einem «die Hand zu reichen». Ich weiß nicht, wo es noch vorkommt.

Nun, ich werde mich ja auch gar nicht [an so etwas] zu gewöhnen brauchen. Wenn man in die geistige Welt hineinsieht, gewöhnt man sich an diese Dinge. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß eben der Usus eingerissen ist, die Dinge, die sich gerade auf mich beziehen, als eine Quantité négligeable zu betrachten. Und im Zusam­menhang damit steht auch diese Sache, und davon läßt sich ja auch kaum etwas wegnehmen.

Ich bedaure außerordentlich, daß mit dieser Sache gerade diese Tagung ausklingt, meine lieben Freunde; ich hätte lieber gehabt, daß die Tagung mit dem ausgeklungen hätte, was ich am Schlusse des heutigen Vortrages zu Ihnen sagte. Denn ich weiß nicht, was eigentlich dadurch, daß das hier besprochen worden ist, viel besser geworden ist; es wird ja die Quantité négligeable dennoch bleiben.

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#TI

Versammlung zur Konstituierung der

englischen Landesgesellschaft*

RUDOLF STEINERS ANSPRACHE

London, 2. September 1923

#TX

Meine liehen Freunde! Wenn jetzt überhaupt gesprochen werden muß uber gewisse Konstitutionsfragen der Gesellschaft in den einzelnen Ländern, so rührt das namentlich davon her, daß ja die anthroposophi­sche Bewegung in den letzten Jahren eine gewisse Fortentwicklung erfahren hat. Die anthroposophische Bewegung hat doch mehr oder weniger so begonnen, daß sie zunächst aus dem spirituellen Leben heraus, das sie vermitteln will, gewirkt hat, sogar lange Zeit hindurch gewirkt hat mit der theosophischen Bewegung zusammen. Und erst in den letzten Jahren ist es so geworden, daß mit einer gewissen Notwen­digkeit die anthroposophische Bewegung als solche vor der ganzen Welt dasteht und viel beurteilt wird - daher auch, was ja eine selbstver­ständliche Nebenerscheinung sein muß, viel angefeindet wird. Die ganze Gestalt der anthroposophischen Bewegung, nicht im Innern, aber nach außen hin, ist eine andere.

Nun ist es ja bei einer solchen spirituellen Bewegung, wie es die anthroposophische ist, ganz mit inneren Gesetzen zusammenhän­gend, daß man nichts anderes tut als dasjenige, was aus der Notwen­digkeit des spirituellen Lebens selbst kommt, wie man es erkennt. So daß also selbstverständlich in dieser Bewegung selbst keine Rücksicht genommen werden kann auf dasjenige, was von außen kommt, sei es an Widerspruch und Anfeindung, sei es an Anerkennung. Der Sinn der anthroposophischen Bewegung muß derjenige sein, der rein aus der

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* Von der Versammlung - ausgenommen Rudolf Steiners Ansprache, die von Helene Finckh mitstenographiert wurde - liegt kein Protokoll vor.

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Sache selbst fließt. Man darf nichts anderes tun als das, was man als notwendig aus dem spirituellen Leben heraus für ein bestimmtes Zeitalter erkennt. Jede Rücksichtnahme auf Äußeres, sei es auf Aner­kennung, sei es auf Erfolg, sei es auf Widerspruch und Anfeindung, jede Rücksichtnahme führt zu einer Schädigung des spirituellen Le­bens, das in einer solchen Bewegung gefördert werden soll. Und das ruft notwendigerweise immer eine Art Zwiespalt hervor: Man muß den inneren Kräften folgen und muß selbstverständlich, damit die Bewegung nicht zugrunde geht, dasjenige tun, was die Bewegung auch in der Welt weiterbringen kann. Das ergibt immer einen Zwiespalt, der eine fortwährende Wachsamkeit von seiten der Mitglieder notwendig macht. Und so muß eben die Konstitution der Gesellschaft so sein, daß diese Wachsamkeit möglich ist, daß gewissermaßen einer solchen spirituellen Bewegung auch eine Art Vakuum geschaffen wird, ein leerer freier Raum, in dem sie sich wirklich entfaltet. Das ist nur möglich, wenn die einzelnen Gruppen und die Zusammenhänge der Gruppen in der richtigen Weise organisiert und administriert sind.

Nun kann eigentlich keine spirituelle Bewegung in unserer Zeit gedeihen, die irgendeine Spezialbewegung der Menschheit ist. Es ist das einfach ein okkultes, sagen wir, Gesetz, daß jede wirklich tragfä­hige und fruchtbare spirituelle Bewegung allgemein menschlich ist, dasjenige ist, was man im trivialen Leben international nennt, allge­mein menschlich ist. In dem Augenblick, wo heute, in diesem Zeital­ter, nicht das allgemein Menschliche, sondern eine Gruppe von Men­schen in irgendeiner Form ein in gewissem Sinne gruppenegoistischer Träger einer spirituellen Bewegung wird, in dem Augenblicke schädigt man den allgemein menschlichen Fortschritt, nützt ihm nicht, bringt ihn nicht wirklich weiter.

Über diese Angelegenheit ist eigentlich gar nicht zu diskutieren, ebensowenig wie über ein Naturgesetz zu diskutieren ist. Es ist ein geistiges Gesetz, daß eben einfach jede wirklich die Menschheit för­dernde spirituelle Bewegung allgemein menschlich sein muß.

Das hindert natürlich nicht, daß sie gerecht wird allen menschlichen Gruppenzusammenhängen. Man kann ebenso gerecht sein gegen seine eigene Nation wie gegen die anderen. Jede Nation hat selbstverständ­lich mehr oder weniger ihre großen Impulse in die Gesamtmenschheit zu tragen. Und zu glauben, daß das Internationale verknüpft ist mit einer Mißachtung etwa des eigenen Nationalen, das ist gar nicht berechtigt.

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Gerade innerhalb des Internationalen werden die Gesichts­punkte gegeben, um das eigene Nationale in der richtigen Weise zu taxieren und in das richtige Licht zu stellen.

Wenn daher das, was Mr. Collison erzählt hat, einem wirklichen, nicht illusionären Urteile entspricht, so ist das selbstverständlich eine Abirrung, sollten sich zwei Gruppen dadurch bilden, daß die eine Gruppe eben sich nicht ihrem nationalen Empfinden überlassen kann, gewissermaßen eine Art Selbstlosigkeit darinnen sehen möchte, sich sogar gegen das Wertvolle der eigenen Nation zu stellen. Ist man wirklich auf dem Boden der Anthroposophie, versteht man ganz das Wesen der Anthroposophie, so kann es sich ja nicht darum handeln, daß eine verschiedene Meinung über diese Dinge auch nur entsteht.

Ebensowenig wie in der Welt - verzeihen Sie, daß ich diese Triviali­tät sage - ein Zwiespalt darüber entstehen kann, daß Gebirgsluft gut ist und Seeluft gut ist; wenn die Menschen verschiedener Konstitution sind, so braucht der eine Bergluft, sie ist vielleicht gut für eine be­stimmte Art von Krankheitsdisposition, der andere braucht Seeluft, sie ist gut für ihn. Ebensowenig wie man verstehen kann, daß nun derjenige, der in die Gebirgsluft geschickt wird, furchtbar schimpft auf die Seeluft, ebensowenig kann man erwarten, daß der Enthusiasmus für eine Nation irgendwie sollte beeinträchtigen die internationale, das heißt die unbefangene Beurteilung alles dessen, was in der Welt aus den Nationalitäten heraus zusammenzuwirken, nicht auseinanderzu­wirken hat. Also beim wirklichen Verstehen dessen, was der tiefste anthroposophische Impuls sein muß, kann eigentlich ein solcher Zwiespalt nicht entstehen. Und das muß natürlich gesagt werden: Die wesentlichste Aufgabe von anthroposophischen Zweigen ist dann eben, solche Zwiespalte zu vermeiden, sich über diese Dinge zu ver­ständigen. Wenn die Dinge immer so verlaufen, daß sich die eine Gruppe gegen die andere wendet und immer sagt, wenn die das oder jenes tut, das ist gegen dasjenige, was Dr. Steiner sagt, das sind nicht richtige Anthroposophen - wenn diese Dinge dann so in den Unter­gründen verlaufen und nur immer davon gesprochen wird, daß nicht homogene Gruppen und keine allgemeinen Gruppen da sind, dann kann ja auch nichts besonders Fruchtbares erwachsen. Aber warum sollte denn das nicht möglich sein, daß gerade solche Dinge durch die Offenheit der Aussprachen in den anthroposophischen Zweigen ge­ordnet würden? Sehen Sie, das ist dasjenige, was ich - neben der

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Beobachtung der Art und Weise, wie die Außenwelt sich zur Anthro­posophie stellt, ob feindlich oder freundlich - nennen möchte: die Wachsamkeit innerhalb eines anthroposophischen Zweiges .

Man kann wachen im Leben, man kann schlafen. Ich meine jetzt nicht die gewöhnlichen Zustände - davon sprechen wir dann in dem Vortrage [in GA 228]-, sondern ich meine die Zustände gegenüber dem, was in der Welt geschieht. Da kann man schlafen, trotzdem man äußerlich wach zu sein scheint. Aber schlafen heißt ja doch wirklich nichts anderes als die Aufmerksamkeit von irgendeiner Sache ablen­ken. Wenn wir in der Nacht wirklich schlafen, so heißt das auch nichts anderes, als die Aufmerksamkeit von all dem, was uns überhaupt in der Erdenwelt beschäftigen kann, abzulenken. Wir lenken die Aufmerk­samkeit dann Dingen zu, für die wir noch nicht das Wahrnehmungs­vermö gen in der gegenwärtigen Menschheitsevolution haben. Deshalb bedeutet schlafen [gegenüber dem, was in der Welt geschieht], auch gar nichts anderes als die Aufmerksamkeit von etwas ablenken. Wir müssen uns aber als Anthroposophen intensiv für dasjenige interessie­ren, was in der Welt vorgeht. Die Welt interessiert sich für Anthropo­sophie; wenn wir uns nicht [für die Welt] interessieren, dann wird die Welt gegnerisch. Das erfordert eine Wachsamkeit. Und im Sinne dieser Wachsamkeit muß denn eigentlich nun die Anthroposophische Gesellschaft im ganzen konstituiert werden. Deshalb muß ich seit einiger Zeit aufmerksam darauf machen, daß sich gliedern sollten die einzelnen Ländergeselischaften in nationale Gesellschaften. Solche nationalen Gesellschaften haben sich gegliedert in der Schweiz, in Deutschland, der Tschechoslowakei, in Norwegen, werden sich in diesem Jahre in Österreich und Holland und so weiter bilden. Und es ist von außerordentlich großer Wichtigkeit, daß sich eine solche natio­nale Gesellschaft auch hier bildet und daß sich diese einzelnen nationa­len Gesellschaften wiederum zusammenschließen zur Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft, die in der Zukunft in Dornach ihren Mittelpunkt haben kann. Es soll ja zu Weihnachten, wie bei der Delegiertenversammlung im Juli 1923 in Dornach projektiert worden ist, die Zusammenschließung zur internationalen Gesellschaft in Dornach vorgenommen werden.

Das kann aber nur dann geschehen, wenn die nationalen Gesell­schaften im voraus sich gegliedert haben, denn zusammenschließen kann sich nur etwas, was sich schon gebildet hat. Und daher wäre es

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gut, wenn eben aus den Verhandlungen dieses Meetings die Konstitu­tion der englischen Anthroposophischen Gesellschaft als ein nationa­ler Körper hervorginge, mit der Tendenz, sich dann zu Weihnachten mit der internationalen Gesellschaft zusammenzuschließen und dann den nationalen Mittelpunkt in London zu haben, den internationalen Mittelpunkt in Dornach in der Schweiz. Das wäre gut.

Das ist im Grunde genommen alles, was von mir selber aus zu empfehlen ist. Denn selbstverständlich alles das, was im einzelnen, im speziellen gemacht werden soll, das muß von dem abhängen, was die Freunde hier für das allerbeste halten.

Wenn ich auf irgend etwas hinweisen darf, so ist es eben das, daß in der Zukunft ein viel stärkerer Zusammenhang, ein Zusammenwirken der Anthroposophen aller Länder stattfinden muß. Immer wieder und wiederum, wo ich hinkomme, werde ich darauf aufmerksam gemacht, daß man eine wahre Sehnsucht darnach hat, etwas zu erfahren von dem, was da oder dort vorgeht. Heute leben Anthroposophen, man kann wirklich sagen, fast in der ganzen zivilisierten Welt, aber sie wissen blutwenig voneinander. Manchmal ist das so stark, daß derje­nige, der in einer Straße wohnt, gar nicht einmal weiß, daß um die Ecke ein anderer wohnt. Sie wissen gar nichts voneinander. Und man sehnt sich eben nach einem internationalen Mitteilungsorgan. Das kann aber nicht aus der Idee heraus geschaffen werden, sondern kann nur dann geschaffen werden, wenn wirklich die nationalen Gruppen da sind und zu einer internationalen Gruppe zusammengekommen sind. Dann werden wir in Dornach auch die Möglichkeiten wirklich finden, solch eine Verständigung über die ganze Welt hinüber zu schaffen. Nicht wahr, bisher ist es immer in abstrakto angestrebt worden. Als die Zeitschrift «Das Goetheanum» in Dornach gegründet worden ist, war natürlich auch die Idee da, das solle überallhin Mitteilungen vermit­teln. Ja, aber erst muß man sie bekommen! Es muß erst alles nach Dornach berichtet werden, und dann kann von Dornach aus das wieder weiterberichtet werden. Dann bekommen wir auch internatio­nale Wahrnehmungen, internationale Meinungen. Das würde der Weg sein. Aber man kann das nicht aus den Gedanken heraus schaffen, das kann erst in wirklicher internationaler Zusammenarbeit geschaffen werden.

Auch in Frankreich ist ja eine solche nationale Gruppe unter dem Generalsekretariat von Mlle. Sauerwein gegründet.

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Was die anderen hier besprochenen Fragen betrifft, so scheint mir wirklich aus allem einzelnen Vorgebrachten nicht das geringste Hin­dernis hervorzugehen, daß Mr. Collison die allerbesten Vorbedingun­gen für sein Generalsekretariat habe. Ich kann nicht sehen, daß irgend etwas dagegen spricht. Diejenigen Dinge, die er selber hier zum Aus­druck gebracht hat, namentlich das über die Freimaurerei, die scheinen mir ganz und gar nicht ausschlaggebend zu sein. Denn - verzeihen Sie, daß man bei solchen Dingen trivial werden muß, aber sie sind Dinge des alltäglichen Lebens, und im alltäglichen Leben laufen eben manche alltäglichen Dinge unter, verzeihen Sie, daß man da trivial werden muß

- ich habe immer gesagt, wenn es sich darum gehandelt hat, ob man aus irgendeiner anderen Bewegung - also in diesem Falle war die Freimau­rerei gemeint - hereinkommen soll in die anthroposophische Bewe­gung: Es handelt sich wirklich nicht darum, was jemand in einer anderen Bewegung ist, sondern darum, daß, wenn er in diese anthro­posophische Bewegung hereinkommt, er ein guter Anthroposoph ist. Es handelt sich also wirklich nicht darum, ob einer, sagen wir, einer Schusterinnung oder Schlosserinnung noch außerdem angehört - ich vergleiche nicht, ich sage nur das Prinzipielle -, es braucht ja gar nicht dadurch, daß er einer Schuster- oder Schlosserinnung und so weiter angehört, in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen dasjenige, was an­throposophisch in ihm ist. Wenn er ein guter Anthroposoph ist, so ist das für die anthroposophische Bewegung das, worauf es ankommt. Ob er ein guter oder schlechter oder mittelmäßiger Freimaurer außer­dem ist, geht ja die Anthroposophische Gesellschaft gar nichts an. Und ich finde es eigentlich etwas merkwürdig, daß man auf die Urteile etwas gibt, die ja der eine oder andere hat, wenn eben Mr. Collisons Vermutungen richtig sein sollten - sonst würde sich ja das modifizie­ren -; ich sage sonst immer: Unter Anthroposophen kommt ja das nicht vor, aber so im allgemeinen Leben kommt es sonst auch vor, daß der eine oder der andere ein unverständiges Urteil fällt. Und es wäre ein unverständiges Urteil, wenn man überhaupt den Wert eines Mit­gliedes als Anthroposoph davon abhängig machte, ob er nun Freimau­rer ist oder nicht.

Ich habe das in Holland dazumal auf Mr. Collisons Frage geant­wortet, eben ganz von diesem Gesichtspunkt aus. Ich habe gesagt, daß eine Anzahl gerade der ältesten und wertvollsten Mitglieder Freimau­rer sind. Ich kann mir gar nicht denken, woraus ein Hindernis erwachsen

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sollte aus irgendeiner Form der Freimaurerei für das Angehören zur Anthroposophischen Gesellschaft. Ich kann mir das gar nicht denken. Ich finde, die anthroposophische Bewegung will selber etwas sein. Nicht wahr, sie würde eben nicht fruchtbar sein können in der Welt, wenn sie nicht aus sich heraus - lassen Sie mich den Ausdruck gebrauchen -, aus ihrem eigenen Samen heraus positiv wirkte. Darauf kommt es an: was sie positiv wirkt. Wie das sich nun ausnimmt, wenn man es mit dem einen oder anderen vergleicht, darauf kommt es doch nicht an. Wenn ich mir einen Anzug kaufe, so handelt es sich darum, daß er meinem Geschmack entspricht, aus meinen Intentionen hervor­geht. Was hat das damit zu tun, daß einer kommt und sagt: Der Anzug schaut ja nicht so aus, wie derjenige, den der andere anhat. - Es handelt sich ja wirklich gar nicht darum, daß man den Anzug des anderen anziehen soll, sondern seinen eigenen. Man zieht doch nicht, wenn man Anthroposoph wird, die Freimaurerei an. Also es ist eigentlich ganz unmöglich, dieses Urteil zu fällen.

Aber etwas anderes natürlich ist hinter einer solchen Sache. Es wird

- verzeihen Sie, daß ich das so sage -, es wird meiner Meinung nach die Anthroposophie gerade auch nicht immer von den Mitgliedern hoch genug eingeschätzt. Es ist eine solche Tendenz in der gegenwärtigen Menschheit, daß man immer dasjenige, was älter ist, was mehr Getue an sich hat, was mehr geheimnisvoll tut und so weiter, nun höher schätzt und daß man das, was offen und ehrlich einfach auftritt, dann abschätzt nach dem Maßstab des Getues und dergleichen, was sich so ein Ansehen gibt in einer unbestimmten Weise. Es ist eine Art von Herabwürdigung der anthroposophischen Bewegung, wenn man sie so taxiert, daß man sagt: Sie kann geschädigt werden dadurch, daß dieses oder jenes Mitglied aus dieser oder jener anderen Bewegung herkommt. - Sie müßte doch furchtbar schwach sein, wenn sie geschä­digt werden könnte durch solche Dinge!

Also ich glaube, dahinter steckt eben, daß man doch da oder dort immer eine geheime Sehnsucht hat zu sagen: Der oder jener ist kein guter Anthroposoph. - Dann sucht man nach Gründen. Man sucht ja eigentlich immer bei dem, was einem sympathisch oder antipathisch ist, nach Gründen - man macht nicht die Sympathie nach dem Grunde, sondern man sucht dann die Gründe zu dem, was einem sympathisch

oder antipathisch ist -, dann sucht man nach Gründen, und dann findet man zum Beispiel: Der andere ist Freimaurer, der kann also kein

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ordentlicher Anthroposoph sein, und so fort. - Man schaue doch, ob er ein Anthroposoph ist, ein richtiger, und dann komme man erst zu dem Urteil, daß er hereingehört oder nicht; man sehe gar nicht darauf, ob er Freimaurer ist oder so etwas.

Das erinnert mich immer an ein Urteil, das ich in dem erleuchteten Weimar hörte - aber ich meine das nicht ironisch, es ist etwas, was ich wirklich einmal auf dem Marktplatz gehört habe -: Da sprachen ein­mal zwei Frauen miteinander, und die eine sagte von irgend jemand, der sei ein Liberaler. Die andere sagte: Was, ein Liberaler ist der? Ich kenne ihn schon seit Jahren, ein Schuhmacher ist er!

Die Sache ist eben doch diese, daß man ungefähr in derselben Urteils richtung drinnenstehen würde, wenn man sagen würde: Frei­maurer können doch nicht in die anthroposophische Bewegung hin­einkommen!

Nicht wahr, es ist ja so, daß ich mich selbst, wenn nicht Opposition oder Feindschaft da wäre, wirklich immer enthalte, ein Urteil über andere gegenwärtige Bewegungen zu fällen. In dem Augenblick natür­lich, wo von irgendeiner Bewegung Feindschaft ausgeht, offene oder geheime Feindschaft, dann handelt es sich darum, daß man Stellung nimmt, dann muß man es tun, ich möchte sagen, zur Ehre der Anthro­posophie. Aber solange das nicht der Fall ist, ist es gar nicht möglich, daß man zu anderen Bewegungen irgendwelche Stellung offiziell oder inoffiziell nimmt. Und das gehört sogar zu den inneren Entwicklungs­gesetzen einer solchen Bewegung, wie es die anthroposophische ist. Wenn man fortwährend nach der einen Seite stößt, nach der anderen schaut, so hat man nicht den freien Raum, innerlich positiv aus dem eigenen Keim der Sache vorzugehen. Man muß versuchen, sich ganz und gar den inneren Impulsen zu überlassen, nicht nach außen zu gehen. Und das, meine ich, müßte die Grundlage der Verhand­lungen werden. Und sofern dies dann die eigentliche Grundlage der Verhandlungen sein wird, wird ja alles, meine ich, recht gut werden können.

Ich glaube, daß Mr. Collison unter diesen Gesichtspunkten, die zweifellos die seinigen sein werden, das Generalsekretarat annimmt. Er ist derjenige Mann, der das meiste getan hat für die Übersetzung und für die Verbreitung der anthroposophischen Literatur hier in England und in den Kolonien; er wird auch in Zukunft dasjenige, was an impulsiver Kraft in der Gesellschaft hier steckt, vertreten und am

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besten derselben dienen können. Daß selbstverständlich solch ein Mann wie Mr. Collison nicht jeden Brief selber schreiben kann, auch nicht bei jedem Meeting, Council, selber sein kann, ist ja ganz selbst­verständlich. Er muß also einen wirklich tüchtigen Sekretär haben. In welcher Weise man nun den Vorstand hier zusammensetzt, das wer­den die Herzen der Mitglieder, die sich auf den eben gekennzeichneten Standpunkt stellen und für eine Weile vergessen, was sonst an Schwie­rigkeiten hier ist, am besten selbst aus ihrer Gemeinschaft heraus finden. Damit glaube ich am besten die Frage eigentlich berührt zu haben, die hier in Betracht kommt.

Dr. Steiner zu dem Vorschlag, seinen Namen der Anthroposophical Socicty beizusetzen:

Darf ich ein paar Worte dazu sagen: Gerade wegen der Gestalt, welche die anthroposophische Bewegung angenommen hat im Laufe der Jahre, von der ich ja vorhin gesprochen habe, ist es eigentlich immer eine schwierige Frage für mich, irgendwie an ein äußerlich Genanntes mich heranzubringen. Ich habe ja darauf aufmerksam gemacht: Die anthroposophische Bewegung hat eben in sich gewisse Gesetze für eine so geartete geistige Bewegung, und das ist es immer wieder, was mich natürlich nachdenken machen muß, wenn es sich um eine sol­che Frage handelt, wie diejenige, die Mr. Dunlop vor einigen Tagen oder eigentlich schon vor Monaten, schon bei der vorjährigen Be­sprechung, an mich gestellt hat, und deshalb ist es notwendig, daß ich hier ein paar Worte über die Sache sage.

Nach außen hin muß die anthroposophische Bewegung wachsam vertreten werden. Nach innen, ich habe es heute schon ausgesprochen, muß sie rein aus ihrem eigenen Keim heraus wirken und nichts tun als dasjenige, was mit wirklichen okkulten Gesetzen in Übereinstimmung steht. Das hat mich denn bewogen, schon seit langer Zeit in bezug auf all das, was real spielt zwischen mir und der anthroposophischen Bewegung, in bezug auf all dieses eigentlich nichts anderes in der Gesellschaft sein zu wollen als das, was sich daraus ergibt, wozu ich innerhalb der Gesellschaft absolut notwendig bin.

Also sozusagen innerhalb der Gesellschaft selbst möchte ich nichts anderes sein, als was von selber wird dadurch, daß gewisse Dinge von mir gemacht werden müssen.

In einer gewissen Beziehung wird das auch von Frau Dr. Steiner

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gelten, mit der das seit Jahren immer wieder besprochen worden ist, daß auch sie als nichts anderes gelten soll, benamst werden soll, wenn man so sagen darf, als dasjenige, was unbedingt eben von ihr gemacht werden muß.

Daraus ergibt sich schon von selbst die Position. Und diese Position sollte weder durch Wahl noch durch irgend etwas anderes aufgebessert

- oder meistens wird es nur verschlechtert - werden, sondern es sollte so sein, daß eben all das, was an Beziehung besteht, sich unmittelbar aus der Art ergibt, wie man die Persönlichkeiten braucht.

Nun, natürlich handelt es sich darum, daß das als Grundlage ganz und gar innerhalb der Gesellschaft verstanden wird, dann kann man ja in bezug auf dasjenige, was man für notwendig hält, solche Gründe, wie sie Mr. Dunlop vorgebracht hat, voll würdigen. Und insofern dies in der Gesellschaft verstanden wird, daß es eben nur die Gründe sind, die Mr. Dunlop vorgebracht hat, bei der Vertretung, auch ideellen Vertretung der Gesellschaft nach außen - des Identifizierens der Ge­sellschaft in einer gewissen Beziehung mit mir -, insofern es nur diese Gründe sind, die vielleicht heute es als wünschenswert erscheinen lassen, daß ich nicht widerstrebe, dasjenige anzunehmen, was hiermit angeboten ist gerade für diese Gegend, will ich es tun. Aber eben das ist das eine: das Annehmen, das Übernehmen dieses Namens. Das andere ist aber, daß in der Gesellschaft wirklich das verstanden wird, daß ich aus einer solchen offiziellen Benamsung keine andere Konsequenz ziehe als diejenige, die ich mir bis jetzt auch durch die Selbstverständ­lichkeit der Tatsachen gezogen habe: Nicht eine andere Macht, nicht ein anderes Ansehen, nicht irgend etwas, was an ein Recht erinnern kann, möchte ich erringen durch solch eine Benennung, sondern möchte nur so in der Gesellschaft wirken, wie es sich aus der Sache selbst heraus ergibt. Ich möchte nur das sein in der Gesellschaft, was ich einmal sein muß, weil die Dinge, die in Betracht kommen, von mir gemacht sein wollen. Und das ist, was die Sache zu einer Zweiheit macht. Beide Seiten müssen in genügender Weise berücksichtigt werden.

Wenn das so der Fall ist - und das ist ja in den Intentionen des Mr. Dunlop gelegen, die Gründe sind ja daraus hervorgegangen -, so steht nichts irgendwie dem im Wege, daß der Vorschlag Mr. Dunlops angenommen wird. Ich glaube nicht, daß er dann zu etwas anderem führt, als zu dem, wovon ich auch nicht einen einzigen Schritt abwei­chen

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kann. Es muß die anthroposophische Bewegung eine innere bleiben, muß in gewisser Beziehung den esoterischen Charakter tra­gen, daß nichts anderes gemacht wird von mir selbst als dasjenige, was sich unmittelbar aus der Sache ergibt. Also muß die Sache nur wirklich gründlich so angesehen werden: Ich strebe keine andere Macht an als diejenige, die sich aus der Sache selbst ergibt. Das muß ich wegen der Gesetze einer spirituellen Bewegung. Und gerade bei der Art und Weise, wie Anthroposophische Gesellschaft und Bewegung heute in der Welt drinnen steht, muß im striktesten beobachtet werden, daß man auch keinen Schritt abgeht von dem, was durch die innere Gesetz­mäßigkeit der Bewegung selbst vorgezeichnet wird.

Einladungsschreiben in Nr.6 der «Mitteilungen, herausgegeben vom Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland», Stuttgart, Juli 1923

#G259-1991-SE615 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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September-Tagung der

Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland Delegiertentagung* zur Vorbereitung auf die Gründung der

Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft

Stuttgart, 13. bis 17. September 1923

#TX

Einladungsschreiben in Nr.6 der «Mitteilungen, herausgegeben vom Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland», Stuttgart, Juli 1923

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An die Mitglieder der

Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland

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Hierdurch laden wir alle Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland, insbesondere die Mitglieder des erweiterten Vorstandes und die Vertrauenspersönlichkeiten zu einer Haupttagung ein, die in der Zeit zwischen dem 10. und 15. September diesesjahres in Stuttgart stattfinden soll. Ein ausführli­ches Programm dieser Tagung können wir Ihnen heute noch nicht vorlegen, doch haben wir die große Freude, Ihnen mitteilen zu können, daß Herr Dr. Steiner vom 12. bis 15. September eine Reihe von Vorträgen zugesagt hat.

Anmeldungen zu dieser Haupttagung können schon jetzt an die Anthroposo­phische Gesellschaft in Deutschland, Stuttgart, Champignystraße 17, gerichtet werden.

Liebe Freunde!

Seit der Delegiertenversammlung hat Herr Dr. Steiner an verschiedenen Stellen, zum Beispiel bei den zwei Generalversammlungen der Anthroposophischen Ge­sellschaft in der Schweiz, davon gesprochen, daß sich die Anthroposophische Gesellschaft eine neue Aufgabe stellen muß, die ihr auch die Achtung der Außen­welt verschafft. Am eindringlichsten kommt die Frage in den acht Vorträgen zur Geltung, die er vom 10. bis 17. Juni in Dornach gehalten hat. Wir bringen in dieser

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* Aus Rudolf Steiners Ankündigung seiner Reise zu dieser Tagung nach seinem Vortrag in Dornach am 10. September und den im folgenden wiedergegebenen Dokumenten geht hervor, daß diese Tagung als eine «Delegiertentagung» verstanden wurde.

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Nummer der «Mitteilungen» einen zusammenfassenden Bericht über diese Vor­träge und möchten ganz besonders auf die Stelle am Schluß verweisen: «Darüber sollte überall verhandelt werden, wie man der Anthroposophischen Gesellschaft ein bestimmtes Gepräge gibt.»

Es standen solche Erörterungen auch schon seither im Mittelpunkt vieler Kreise, und was wir davon aus den Briefen, die uns zugingen, erfahren konnten, war uns außerordentlich wertvoll, und wir sind herzlich dankbar dafür. Nun wird es gewiß, ebenso wie hier in Stuttgart, in noch unendlich verstärktem Maße die Herzen bewegen, und wir sind der guten Zuversicht, daß es gelingen wird, die Früchte der Arbeit dieses Sommers von allen Seiten zu der Haupttagung zusam­menzutragen, um dann die Arbeit des kommenden Winters, die gewiß besonders schwierig wird, unter die neuen Gesichtspunkte stellen zu können.

Wir sehen die Notwendigkeit, möglichst rasch bei Wiederaufnahme der öf­fentlichen Arbeit mit schlagkräftigen Vorträgen über das Wesen der Anthroposo­phie an allen größeren Plätzen aufzutreten. Es schwebt uns für solche Vorträge ein neuer Stil, gewissermaßen eine neue Sprache vor. Es müßten die Schüler der Anthroposophie, die so lange aus dem lebendigen Geistesquell geschöpft haben, so auftreten, daß niemand sagen kann, es handle sich um einen Abklatsch von dem, was Dr. Steiner gesagt oder geschrieben hat. Wir haben viel eigene Überzeugungs­kraft in die Waagschale zu werfen, um die Werdekraft der Anthroposophie am lebendigen Menschen zu erweisen.

Zu einem solchen Auftreten braucht jeder einzelne hinter sich eine Gesell­schaft, deren Organisation die Einheitlichkeit des Vorgehens sichert. Schon heute zeigen sich spontan an verschiedenen Orten die fruchtbaren Keime einer naturge­mäßen Gliederung. Wir hören zum Beispiel von den Freunden in Mitteldeutsch­land, daß sie vierteljährliche Zusammenkünfte abhalten, so daß eine Reihe von Arbeitsgruppen in ihren Vertretern zum Erfahrungsaustausch und gegenseitiger Berichterstattung gelangen. Dasselbe haben die Freunde am Rhein trotz der unendlichen Erschwerung, welche durch die Besetzung gegeben ist, zustande-gebracht. Hier in Stuttgart können wir mit großer Befriedigung zurückschauen auf die Zusammenkünfte, die alle vier Wochen stattgefunden haben in der Weise, daß Freunde aus allen umliegenden Orten zu gemeinsamer Arbeit hierhergekom­men sind.

Wenn wir die hier vorliegenden Tendenzen bewußt ausbauen, werden wir erreichen können, was uns durch keine Korrespondenz und durch keine Sendung von Druckichriften gelingt. Wir haben im Bureau der Anthroposophischen Ge­sellschaft ungezählte Briefe geschrieben und erhalten und können ruhig ausspre­chen, daß, abgesehen von rein «bureaukratischen» Dingen, die an ihrem Orte berechtigt und notwendig sind, das Beste, was wir uns gegenseitig zu sagen und zu geben haben, nicht zum Ausdruck kommen kann. Aber stellen wir uns vor, daß wir über ganz Deutschland hin etwa sechs bis acht Mittelpunkte schaffen, welche allen in einem größeren Bezirk wohnenden Mitgliedern regelmäßig erreichbar sind, dann genügen vielleicht sechs bis acht Briefe, um eine regelmäßige und rasche

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Orientierung aller Freunde zu ereichen. Auch die Reisetätigkeit gewinnt damit Aussicht auf Erfolg, wenn bei solchen Zusammenkünften der größeren Bezirke ein gegenseitiger Besuch und insbesondere die Teilnahme des hiesigen Vorstandes möglich ist.

Solche Fragen wird die Haupttagung behandeln können. Ferner wollen wir zur Konstituierung des erweiterten Vorstandes und der Körperschaft der Vertrau­enspersönlichkeiten gelangen; und diese Angelegenheiten werden wiederum hin­weisen auf die innere Arbeit der einzelnen Arbeitsgruppen. Es sei zum Beispiel nur die wichtige Frage der Einführung in die Anthroposophie erwähnt: «Bis ins einzelne müssen wir uns zu Richtlinien durcharbeiten, die dann als das Selbstver­ständliche wirken werden. » So heißt es am Schluß des siebenten der Dornacher Vorträge.

Die Überwindung der «drei Punkte», die in ihrer Grundsätzlichkeit an ältere okkulte Gesellschaften erinnern, ist vielleicht die größte Aufgabe, die uns die Dornacher Vorträge stellen. Wir hoffen, Ihnen in Bälde einen Entwurf vorlegen zu können, der drei Richtlinien zur Geltung bringen soll: 1. Was diejenigen, die von außen herankommen, sehen können als Zweck der Gesellschaft, 2. was die in der Gesellschaft vereinigten Menschen sich selbst als Aufgabe stellen wollen, 3. was die Gesellschaft in alle Lebensgebiete hinauswirken will.

Wenn wir die richtige Selbstbesinnung aufbringen für das, was jeden einzelnen von uns zur Anthroposophie geführt hat, dann werden wir auch die richtigen Worte finden, die von den «heimatlosen Seelen« gehört werden können.

Die Zeit ist kurz und die Aufgaben sind groß.

#TI

Mit herzlichen Grüßen

Der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland

i. A.: Dr.-Ing. Carl Unger. Dr. Walter Johannes Stein.

#TX

Rundschreiben des Vorstandes der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutsch­land an die Arbeitsgruppen in Deutschland und Österreich sowie an die Ver­trauenspersönlichkeiten:

Stuttgart, 31.Juli 1923

Liebe Freunde! Champignystraße 17

Heute können wir Ihnen über die Haupttagung im September, zu der in den «Mitteilungen» Nr.6 eingeladen worden ist, nähere Angaben machen, wenn­gleich das Programm seine endgültige Gestalt auch jetzt noch nicht erhalten kann.

In bezug auf das Datum mußte insoferne eine kleine Verschiebung eintre­ten, als die Tagung nicht zwischen dem 10. und 15. September, sondern von Donnerstag, den 13. bis Montag, den 17. September 1923 stattfinden wird.

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Der Verlauf der Tagung ist so gedacht, daß an den Vormittagen von 1o-½ 1 Uhr Zusammenkünfte und Beratungen des erweiterten Vorstandes, der Vertrauenspersönlichkeiten und der Arbeitsgruppenleiter (aufgrund be­sonderer Mitteilungen an die Teilnehmer) stattfinden sollen.

Für nachmittags von 4-6 Uhr sind die Hauptreferate, insbesondere auch solche von hiesigen Mitarbeitern in Aussicht genommen. Anschließend Aus­sprache.

An den Abenden werden (von 8 Uhr ab) Vorträge von Herrn Dr. Steiner und eventuell von anderen Persönlichkeiten stattfinden.

Als Verhandlungsgegenstände für die Vor- und Nachmittagsveranstaltungen werden vor allem die folgenden in Frage kommen:

I. Die Anthroposophische Gesellschaft und ihre geistige Aufgabe im Inne­ren und nach außen. Als besondere Punkte sind vorgesehen:

I. Vertrauensorganisation, erweiterter Vorstand etc.

2. regionale Verbände von Arbeitsgruppen

3. Vortragswesen

4. «Einführungskurse«

5. Vortragsnachschriften

6. Mitgliederaufnahme

7. Finanzfragen.

II. Gegnerbekämpfung.

III. Bildung der anthroposophischen Gesellschaften in den einzelnen Ländern und Gründung der internationalen Gesellschaft in Dornach.

IV. Der Wiederaufbau des Goetheanum.

Berichte der Arbeitsgruppen (insbesondere zu 1 und II) und eventuelle Refe­rate bitten wir bis spätestens i. September anzumelden, damit sie bei Fertig­stellung der Tagesordnung entsprechend berücksichtigt werden können. Et­waige sonstige Wünsche bezüglich des Programms bitten wir uns gleichfalls möglichst bald mitzuteilen.

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Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland

Der Vorstand:

Dr. Carl Unger. Dr. W. J. Stein

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An die Vertrauenspersönlichkeiten

der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland!

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Liebe Freunde!

Wir laden Sie hiermit zu einer Versammlung der Vertrauenspersönlichkeiten ein, welche unserer Tagung vorangehen soll. Donnerstag, den 13. September 1923, vorm. 10 Uhr, wollen wir im Gustav-Siegle-Haus in Stuttgart zusam­menkommen, um über das Ziel der Tagung zu beraten. Denn nur wenn bei dieser Versammlüng der leitende Gedanke von allen Vertrauenspersönlich­keiten gehegt und getragen wird, wird es uns gelingen, eine Tagung zu halten, in der Gesellschaftsbewußtsein sich regt. Künftig wird der Vorstand und erweiterte Vorstand zusammen mit den Vertrauenspersönlichkeiten vieles aktiv zu gestalten haben.

Wir planen bei dieser Vorversammlung zunächst die zwei Körperschaften des erweiterten Vorstandes und der Vertrauenspersönlichkeiten zu konstitu­ieren. Jede dieser beiden Körperschaften muß sich als Körperschaft fühlen und sich ihrer Aufgabe bewußt werden.

Zur Erzeugung eines Gesellschaftsbewußtseins gehört es, daß sich die über ganz Deutschland verteilten Mitglieder des erweiterten Vorstandes als voll­ständig handelnde Vertreter ihrer Körperschaft fühlen und dies auch nach außen zur Geltung bringen. Es sollte ein Bewußtsein dafür vorhanden sein, daß die Arbeitsgruppen (Zweige) Gliederungen der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland sind, denen die innere Arbeit zufällt. Öffentlich nach außen sollten sie nicht auftreten. Alle öffentlichen Veranstaltungen sollten durch die einzelnen Mitglieder des erweiterten Vorstandes im Namen der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland veranstaltet werden. So wird also die Gesellschaft nach außen durch den Vorstand und erweiterten Vorstand repräsentativ vertreten.

Die Vertrauenspersönlichkeiten nehmen die Mitglieder auf. Auch sie ent­falten dadurch eine Wirksamkeit nach außen. Die Aufnahme erfolgt in die Anthroposophische Gesellschaft (zunächst nicht in irgendeinen Zweig). Der Vorstand vollzieht die Aufnahme, die Vertrauenspersönlichkeit schlägt durch den von ihr unterzeichneten Aufnahmeantrag vor. So wird also jedes Mitglied zunächst freistehendes Mitglied, d.h. Mitglied der Gesellschaft. Erst dann kann es Mitglied eines Zweiges werden, d.h. Mitglied einer esoterisch arbei­tenden Arbeitsgruppe. Dies soll nur ein Beispiel sein dafür, zu zeigen, welcher Art die Tätigkeit der Vertrauenspersönlichkeit ist.

Es ist geplant, jede Mitgliedskarte in Dornach gegenzeichnen zu lassen (der Vorschlag geht von Herrn Dr. Steiner aus), damit schließlich jedes einzelne Mitglied sich als Mitglied der internationalen Gesellschaft fühle, die

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in Dornach ihr Zentrum haben wird. Das wird aber erst in der Tagung der internationalen Gesellschaft zu Weihnachten festgelegt werden können.

Sie sehen, es kommt darauf an, die Ländergesellschaften für diesen interna­tionalen Zusammenschluß vorzubereiten. Aber dieses Organisatorische, so wichtig es ist, wird doch in zweiter Linie stehen. Das wichtigste Ziel unserer Tagung ist die Aussprache über das Gesellschaftsziel und die Abänderung der drei Leitsätze, die in dem Entwurf der Grundsätze enthalten sind.[*]

Diese drei Leitsätze enthalten noch etwas von dem Sektiererischen der Theosophischen Gesellschaft und sind deshalb als Leitsätze einer wirklichen Weltbewegung nicht angemessen. Soll unsere Gesellschaft sich so ausweiten, wie es ihrer Aufgabe in der Gegenwart entspricht, dann darf von niemandem gefordert werden, daß er sich zu Leitsätzen bekenne, sondern es muß jeder Mitglied werden können, der ein Interesse daran hat, daß eine Gesellschaft besteht, in welcher in rechtmäßiger Weise die Wege in die übersinnlichen Welten gesucht werden, um aus übersinnlicher Erkenntnis das Leben und seine praktischen Einzelgebiete zu befruchten. Menschen, die so etwas wol­len, gibt es aber viel mehr, als es Mitglieder unserer Gesellschaft gibt, und eine solche Umstellung der Gesellschaft würde daher eine ganz außerordentliche Erweiterung derselben zur Folge haben. Bei dieser Erweiterung aber wird alles auf die Menschenkenntnis der Vertrauenspersönlichkeiten ankommen und auf die Hilfe, welche ihnen von seiten der gesamten Mitgliedschaft erwächst. Denn künftig werden alle Arten von sektiererischen Maßnahmen bei der Mitgliedsaufnahme, wie das Verlangen eines Absolvierens von Ein­führungskursen, Lesen gewisser Bücher usw., wegfallen müssen, dafür aber eben alles auf die Menschenkenntnis ankommen. Die Vertrauenspersönlich­keiten werden Menschen suchen und finden lernen müssen, die durch ihr Wesen zu uns gehören, nicht solche, die eine Lehre angehört haben und sich nun dazu bekennen. Diese Tendenz und Reste eines Bekenntniswesens zu entfalten, wird überwunden werden müssen.

Alles dies werden wir zu besprechen haben und vieles andere, was die Freunde selbst werden vollbringen wollen. Aber wir hoffen, daß eine solche Vorbesprechung eine Einigkeit und Herzlichkeit schaffen kann, die dem Verlauf der ganzen Tagung anthroposophische Wärme und jugendlichen Schwung verleihen wird.

Recht herzliche Grüße

I.A.: Dr. WalterJohannes Stein

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[*] Siehe unten Hinweise.

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Rudolf Steiners Worte zur Stuttgarter Tagung am Beginn des ersten seiner drei Tagungsvorträge (in GA 228)

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Stuttgart, 14. September 1923

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Ein paar Worte der Einleitung gestatten Sie mir, meinem heutigen ersten Vortrag voranzuschicken. Ich habe in herzlichster Weise zu danken für die schöne Begrüßung, die Frau Dr. Steiner und mir zuteil wurde beim Beginn dieser Tagung. Es war selbstverständlich, daß wir gerade zu dieser Tagung erschienen sind, da wir ja wußten, daß sich diejenigen, die diese Tagung veranlaßt haben, unsere Stuttgarter Freunde, gerade von dieser Zusammenkunft der anthroposophischen Freunde außerordentlich viel versprochen haben und auch weiter versprechen. Die Tagung hat ja verheißungsvoll begonnen; wir wur­den in einer herzgewinnenden Weise in die Entwicklung der anthro­posophischen Bewegung hineingeführt, und es wurde auch noch am heutigen Nachmittag auf mancherlei Wichtiges, das aus der anthropo­sophischen Bewegung hervorgegangen ist, hingewiesen. Von man­chem, das aus der Geschichte der anthroposophischen Bewegung andeutungsweise erwähnt worden ist, wird allerdings hie und da eini­ges richtigzustellen sein; nicht so sehr bei der Besprechung desjenigen, was früher war, sondern bei der Charakteristik desjenigen, was -wenigstens mußte man es so verstehen oder im Anfange der anthropo­sophischen Bewegung - nicht dagewesen sein soll. Manches von den Bemerkungen, die in dieser Beziehung gemacht worden sind, wird allerdings später zu korrigieren sein. * Und es ware dann zu erwun­schen, daß das Protokoll, wenn bei den jetzigen teuren Zeiten ein solches von dieser Versammlung zustande kommt, mit besonderer Sorgfalt redigiert werden würde. ** Ich möchte nicht versäumen, hier die Hoffnung auszusprechen, daß nach dem außerordentlich verhei­ßungsvollen Anfang die weitere Tagung in einer recht fruchtbaren Weise für die Entwicklung der deutschen Anthroposophischen Ge­sellschaft verlaufen möchte. Es ist schon eine Notwendigkeit, daß gerade bei dieser Tagung sich manches von dem eifülle, was von unseren Stuttgarter Freunden gehofft worden ist. Und so lassen Sie mich denn in dieser kurzen Einleitung den Wunsch aussprechen, daß nun auch, wenn in die eigentliche Diskussion über den sachlichen Inhalt, den diese Tagung bekommen soll, nunmehr morgen eingetreten

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* Im Bericht von Dr. Kolisko. * Ein Protokoll liegt nicht vor.

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wird, diese Diskussion recht günstig für den weiteren Verlauf der anthroposophischen Sache in Deutschland sich gestalten möge.

Ich kann nicht umhin bei dieser Gelegenheit, weil sich ja zu solchen Dingen nicht immer Gelegenheiten finden und jede eigentlich ergrif­fen werden soll, die sich bietet, ich kann nicht umhin, gerade bei dieser Gelegenheit in diesen einleitenden Worten auf etwas hinzuweisen, was ja mit dem inneren Inhalt der anthroposophischen Bewegung in wei­terem Sinne gerade unmittelbar in dieser Zeit zusammenhängt. Es ist mancherlei erwähnt worden, was die anthroposophische Bewegung zustande gebracht hat. Und gerade bei der Lage, in der wir sind, wo so wenig Möglichkeiten sich bieten, daß die Aufmerksamkeit erregt werde für dasjenige, was aus dem Schoße dieser anthroposophischen Bewegung hervorgeht, sollte nicht versäumt werden, daß doch auch wiederum in diesen Tagen die anthroposophische Bewegung auf ein Wichtigstes in bezug auf die Forschung hinzuweisen hat, die innerhalb dieser anthroposophischen Bewegung getrieben wird. Wir könnten heute, wenn unsere Dinge ebenso aufgenommen würden in der Welt wie jene, die auf dem Felde des äußeren Wissenschaftsbetriebes verlau­fen, wiederum darauf hinweisen, wie Forschungsergebnisse allerer­sten Ranges aus dem Schoße der anthroposophischen Bewegung her­vorgewachsen sind. Man wird ja wissen, wie der medizinische Streit zwischen Homöopathen und Allopathen in einer langen Zeit geführt worden ist, wie man gegen die Verwendung kleinster Entitäten von Substanzen alles mögliche ins Feld geführt hat und wie man eigentlich bis heute nicht imstande war, exakte, maßgebende Experimente aufzu­weisen, welche in einwandfreier Weise zeigen, daß Entitäten bei ent­sprechender, gerade großer Verdünnung in die Metamorphose einer Wirksamkeit eingehen, die nunmehr etwas ganz anderes ist als ihre materiell-substanzielle Wirkungsweise. Nun ist es in unserem Biolo­gischen Forschungsinstitut gelungen, namentlich durch die hinge­bungsvolle Arbeit von Frau Kolisko, Ergebnisse über die Wirksamkeit von kleinsten Entitäten in einwandfreier Weise bis zu 1 zu einer Trillion wissenschaftlich festzustellen. Sehen Sie, das sind doch Dinge, die auf dem Boden anthroposophischen Arbeitens erwachsen. Und wir dürfen innerhalb unserer Gesellschaft an solchen Dingen wahrhaf­tig nicht schläfrig vorbeigehen, sondern es gehört schon zum Erlangen eines umfassenden Bewußtseins der Gesellschaft, daß diese Gesell­schaft weiß, was innerhalb ihres Horizontes, eigentlich innerhalb ihres

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Leibes vorgeht. Denn man kann sich ja wirklich nicht vorstellen, daß irgend jemand über sein Gesamtbefinden ein richtiges Bewußtsein haben soll, wenn er zum Beispiel nicht weiß, welche Vorgänge der Ernährung - ich meine jetzt nicht im wissenschaftlichen Sinn, sondern in dem Sinn, wie man das durch Hunger- und Durstgefühle verspürt -in ihm vorgehen. Deshalb wollte ich diese Gelegenheit ergreifen, um darauf hinzuweisen, daß in der Schrift, die aus dem Biologischen Forschungs-Institut hervorgegangen ist, von Frau Kolisko verfaßt, und die ja jetzt zu erwerben ist, wiederum etwas in die Welt getreten ist, worauf eigentlich heute hingewiesen werden sollte. So daß wir also schon sagen können: Innerhalb der anthroposophischen Gegenwart geschieht einiges, was wert ist, daß es in das allgemeine Bewußtsein der Anthroposophischen Gesellschaft übergehe. Denn dadurch wird ja ganz gewiß eine Stärkung und Kräftigung dieses Bewußtseins mit hervorgehen können. Ich weiß nicht, ob ich damit etwas vorwegge­nommen habe jemandem, der über die Sache hat sprechen wollen, aber ich wollte immerhin die Gelegenheit dieser Einleitung ergreifen und auch damit gerade dem biologischen Teil unserer anthroposophischen Forschung am heutigen Tage, wo ich zum ersten Mal während dieser Tage spreche, meinen herzlichsten Gruß entgegenbringen.

Den dritten der drei Tagungsvorträge (in GA 228) schloß Rudolf Steiner mit den

Worten:

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Stuttgart, 16. September 1923

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... daß nun morgen eine solche Diskussion hier beginnt, daß innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft etwas zu merken ist davon, daß wirklich jetzt gewollt werde in solcher Weise diese Gesellschaft zu gestalten, daß in dieser Gesellschaft gerade ein recht lebendiges Be­wußtsein vorhanden sei von dem, was der Vollmensch sein soll, der Vollmensch, der sich richtig verstehen muß als der Mensch der Zu­kunft. Denn diese drei sind auch eins. Und dasjenige, was der Mensch in Vergangenheit gewesen ist, in Gegenwart ist, was er in Zukunft sein wird, das wird erst einmal, ich möchte sagen, vor der göttlichen Weltenordnung umfassen den ganzen Anthropos. Aber er wird ange-strebt werden müssen dadurch, daß eine enthusiastisch, mit vollem Herzen ergriffene Anthroposophie hinleitet zu dem rechten, wahren Anthropos, dem totalen Menschen, dem Vollmenschen.

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GESAMTBERICHT ÜBER DIE STUTTGARTER

SEPTEMBER-TAGUNG (DELEGIERTENTAGUNG)

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[Von dieser Stuttgarter September-Tagung gibt es - mit Ausnahme der stenogra­phisch festgehaltenen drei Vorträge Rudolf Steiners - kein Protokoll. Carl Unger gab in der öffentlichen deutschen Wochenschrift »Anthroposophie» (5. Jg., Nr.13, vom 27. September 1923) den folgenden Gesamtbericht:]

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Tagung der Anthroposophischen Gesellschaft in

Deutschland vom 13. bis 17. September

Carl Unger

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Die Anthroposophische Gesellschaft besteht seit 10 Jahren, aber sie sieht aut ein Leben von 21 Jahren zurück, sie befindet sich im Alter ihres Mündigwer­dens. Sie wurde als besondere Gesellschaft begründet, als sich herausgestellt hatte, daß diejenigen Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft, die in der Geisteswissenschaft Dr. Rudolf Steiners die Erfüllung ihrer theosophischen Ideale sahen, nicht mehr in der Theosophischen Gesellschaft geduldet werden sollten; aber sie trat ins Leben schon damals, als an Dr. Steiner die Aufforde­rung herangebracht wurde, innerhalb des Rahmens der Theosophischen Ge­sellschaft für seine Forschungen Verbreitung zu suchen. So besteht die An­throposophische Gesellschaft durch den Zusammenschluß von Menschen, die im Werk Rudolf Steiners die Erfüllung ihrer Lebenssehnsucht fanden. Aber ihr Mündigwerden will mehr bedeuten! Der einzelne Mensch steht in der Geschichte seiner Zeit, und es ist noch nicht lange her, daß das Wirken uberragender Persönlichkeiten geschichtsbildend wirken kann. In unserer Zeit bedeutet der einzelne Mensch viel, wenn er geschlossene Persönlichkeit ist. Das Zusammentreten einzelner zu einer Masse in Versammlungen, Verei­nen, Parlamenten wirkt heute zumeist verheerend auf das Individuelle. Die Anthroposophische Gesellschaft will aber als Gesellschaft mehr bedeuten, als es jedes einzelne ihrer Mitglieder könnte; sie will in Steigerung der Individua­lität im ernsten Sinn geschichtsbildend wirken. Die Tagung, die vom 13. bis 17. September im Gustav-Siegle-Haus in Stuttgart stattfand, hat einen Anfang damit gemacht, daß sich die Anthroposophische Gesellschaft ihrer Weltbe­deutung bewußt wird und ihre geschichtliche Aufgabe in Angriff nimmt.

Die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft wendet sich an alle Menschen. Sollte sie den geistigen Gehalt einer Gesellschaft bilden, so mußte diese von Anfang an als Weltgesellschaft begründet werden. Anthroposophie als solche und die Werke Rudolf Steiners sind über alle Welt verbreitet. Aber es hängt mit der Weltkatastrophe der letzten Jahre zusammen, daß sich gerade jetzt rasch hintereinander die selbständigen anthroposophischen Ländergesellschaften

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bilden, die sich in ihrem geistigen Mittelpunkt Dornach im wie­dererstehenden Goetheanum, der Schaffensstätte Dr. Steiners, zur großen Weltgesellschaft zusammenfinden, allem Trennenden zum Trotz, das den Menschen vom Menschen, Volk vom Volk reißen will. Es ist in den letzten Jahren aus der anthroposophischen Bewegung heraus vieles unternommen worden, das die Lebensfruchtbarkeit der Anthroposophie auf allen Lebensge­bieten erweisen konnte: Hochschulkurse, Kongresse, wissenschaftliche und wirtschaftliche Begründungen haben weite Kreise gezogen; die Freie Wal­dorfschule und die wunderbare Kunst der Eurythmie haben zu ungeahnten Erfolgen geführt; die Kunstimpulse des Goetheanum sind wahrlich nicht mitverbrannt, wenn auch die herrlichen Mysteriendichtungen Rudolf Stei­ners nun noch länger warten müssen, bis sie in der ihnen angemessenen Form auf der Bühne wiedererscheinen können. Für alles dieses braucht es der Anthroposophischen Gesellschaft als eines menschlich-geistigen Mittelpunk­tes; sie soll die Sammelstätte der wahren Geisteswerte der Gegenwart sein. Eine starke und gesunde Gesellschaft soll der Anthroposophie selbst Woh­nung geben in den Herzen ihrer Mitglieder. Sie wird aber ein starkes Haus bilden müssen gegenüber dem Ansturm ihrer Gegner, einen festgefügten Wall aus lebendigen Seelen, denn vielleicht auf lange Zeit braucht der Geist feste Plätze im Lande der Menschen, das vom Ungeist verwüstet wird.

Wir wollen hier keinen protokollgemäßen Bericht über die Tagung geben, sondern auf die Mittelpunktfrage deuten, um die es bei allen Vorträgen und Verhandlungen ging: Wie will die Anthroposophische Gesellschaft ihre Ar­beit einrichten, um ihre Aufgaben inmitten einer zerfallenden Welt zu erfül­len? Es handelt sich hier nicht um endgültige Formulierungen oder organisa­torische Maßnahmen. Gewiß muß ausgesprochen werden können, was man will; gewiß braucht man Formen des Zusammenwirkens. Aber das Leben einer solchen Gesellschaft bildet sich in den wirklichen Beziehungen der einzelnen Menschen und Menschengruppen; was man tun muß, entscheidet zuletzt der einzelne Fall.

«Die Anthroposophische Gesellschaft will eine Menschengemeinschaft sein zur Pflege der echten Geisteswerte der Gegenwart; es sollen in der Anthroposophischen Gesellschaft die Wege in die geistige Welt gesucht und der Verbreitung echter Geisteswissenschaft gedient werden. »

Über die «Grundsätze« [*] der Anthroposophischen Gesellschaft wurde verhandelt. Was aber wichtiger ist, es setzte sich in der Tagung das Bewußt­sein durch, daß die Menschen der Gegenwart eine übersinnliche Erkenntnis brauchen und daß die Welt ein Interesse daran haben muß, daß eine Gesell­schaft existiert, in der die Wege in die geistige Welt wirklich gesucht werden. Die Hindernisse, welche dem Bewußtsein des gegenwärtigen Menschen gegenüber

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[*] Siehe Seite 635ff.

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diesen Notwendigkeiten erwachsen, müssen durch die Arbeit der Gesellschaft selbst überwunden werden. Anthroposophie wendet sich an die freie Urteilsfähigkeit, sie will freiem Fragen Antwort geben; die Gesellschaft will nun ihre Tore weit aufmachen für alle Menschen, welche nach den Wegen in die geistige Welt fragen. Die Zeiten alter Geheimgesellschaften, welche die Menschen durch Eide binden wollten, sind vorüber. Die Anthroposophische Gesellschaft empfängt die Menschen der Gegenwart in ihren Reihen auf Grund von freiem Vertrauen und freier Verantwortung. Die Gesellschaft soll den Menschen geben, was sie brauchen; sie muß ihre Arbeit so einrichten, daß sie finden, was sie suchen.

Für ihren Verkehr mit der Welt braucht die Gesellschaft eine Vertrauens-Organisation. Über deren Richtlinien wurde verhandelt, aber das Wichtige ist die Handhabung am einzelnen Fall. Dazu gibt Anthroposophie Tatsachen-sinn und Menschenkenntnis. Die Aufnahme der Mitglieder erfolgt durch die Vertrauenspersönlichkeiten unmittelbar in die Gesellschaft, die sich gerade dadurch freihalten wird von den heute so verbreiteten sektiererischen Nei­gungen. Aber die innere Arbeit vollzieht sich in Arbeitsgruppen, welche sich aus wirklichem Arbeitswillen in der verschiedensten Weise bilden. Für eine Vertretung der Gesellschaft gegenüber der Außenwelt sollen größere Ver­bände helfen. Organe der Gesellschaft sollen überall die Interessen der Gesell­schaft über alle lokalen und regionalen Verschiedenheiten hinweg wahren. Über solche Richtlinien wurde verhandelt, und die Tagung gab den vom Vorstand vorgeschlagenen Gesichtspunkten einstimmige Billigung. Der Geg­nererkenntnis und dem Problem der Gegnerbekämpfung war weiter Raum gegeben, und wir hoffen, daß sich die Wirkungen bald spürbar erweisen.

Herr Dr. Steiner gab drei Abendvorträge: «Der Mensch in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft» [in GA 228]. Sie führten in neuer Weise in die Geschichte der Menschheit als Bewußtseinsentwicklung ein, und ihre Impuls-kraft gab der ganzen Tagung ihren geistigen Halt. Die überragende Gestalt dieses Menschheitsführers gibt gewaltige Zukunftsausblicke. Persönlich griff Herr Dr. Steiner fast gar nicht in die Verhandlungen ein, aber was er sprach, war von eindringlichster Mahnkraft, und seine Gegenwart bedeutete für alle das tiefgefühlte Bedürfnis, sich zu ihm und seinem Werk zu bekennen. Die Kundgebung, welche kurz vor der Tagung vom Vorstand und einem Vertrau­enskreis in dieser Zeitung veröffentlicht wurde, wirkte in allen Herzen, und als der Antrag gestellt wurde, daß die Tagung diese Kundgebung von sich aus aufnehmen und weitertragen möge, erhob sich die ganze Versammlung wie ein Mann und brachte mit Begeisterung ihre Zustimmung zum Ausdruck.

Die Pausen zwischen den offiziellen Verhandlungen, ja auch manche Nachtstunde, waren reichlich ausgefüllt mit Besprechungen in kleineren Kreisen. Der Waldorfschul-Verein versammelte seine Mitglieder und Gäste.

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Das Klinisch-Therapeutische Institut veranstaltete Führungen. Das Wissen­schaftliche Forschungsinstitut führte die neuesten Forschungsergebnisse vor, insbesondere die epochemachende Arbeit von L. Kolisko: «Physiologischer und physikalischer Nachweis der Wirksamkeit kleinster Entitäten», deren Tragweite unabsehbar ist. Die schönsten Feierstunden bot Frau Marie Steiner mit dem Kreis der Dornacher Eurythmiekünstlerinnen. Zwei Darbietungen für die Teilnehmer der Tagung und vier weitere für die Öffentlichkeit im Bühnensaal Landhausstraße 70 machten besonders starken Eindruck durch die eurythmische Wiedergabe von Dichtungen von Albert Steffen. Wie Dich­tung und Eurythmie geistig ineinanderschwingen, wurde kaum je so ein­dringlich erlebt. Es gehört zu den stärksten Lebenswirkungen der Anthropo­sophie, was sie als Kunst zur Offenbarung bringt..

Der große Saal im Gustav-Siegle-Haus, der 1300 Plätze hat, war immer gefüllt und überfüllt, wenn Herr Dr. Steiner seine gewaltigen öffentlichen Vorträge hielt. Zu dieser Tagung kamen nur Mitglieder der anthroposophi­schen Gesellschaften zusammen, aber wiederum reichten die Sitzplätze im Saal nicht aus. Wer irgend konnte, war gekommen, aus den entferntesten Gegenden Deutschlands, trotz der großen Schwierigkeiten, trotz der Unsi­cherheit, mit der man rechnen mußte; und jetzt nach Schluß der Tagung können wir sagen: Sie werden alle wiederkommen, auch wenn die Schwierig­keiten noch unerhört wachsen werden, sie werden vielleicht zu Fuß kommen müssen, aber sie werden da sein, wenn es sich wieder um wichtige Angelegen­heiten der Anthroposophischen Gesellschaft handeln wird.

[Statutenentwurf für die deutsche Landesgesellschaft, vermutlich zur Diskus­sion gestellt bei der Tagung]

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Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland

Ehrenpräsident seit 3. Februar 1913 Dr. Rudolf Steiner

Statut

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l. Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft.

Die Anthroposophische Gesellschaft wurde am 28. Dezember 1912 in Köln gegründet. Die Gründung hat sich dadurch vollzogen, daß ein Komitee von drei Persönlichkeiten die Gesamtleitung übernahm. Ihm haben sich die Mit­glieder der Gesellschaft in freier Zustimmung zum Gründungsakt ange­schlossen. Die Gründung war als internationale Gesamtgesellschaft erfolgt. Es war vorgesehen, daß sich innerhalb ihres Rahmens einzelne Abteilungen, Verbände und dergl. bilden. In der Folge haben sich einzelne selbständige Landergesebschaften begründet.

Der ursprüngliche Gründungsvorstand hat sich durch Kooptation ergänzt

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und zu einem Vorstand von neun Persönlichkeiten erweitert. In der Delegier­ten-Versammlung im Februar 1923 zu Stuttgart haben diese Persönlichkeiten die Leitung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland übernom­men. Damit war die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland als Landesgesellschaft begründet. Zu gleicher Zeit erfolgte auch die Gründung der Freien Anthroposophischen Gesellschaft in Deutsch land.

In der Tagung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland zu Stuttgart im September 1923 wurde das Vorgehen dieses inzwischen auf zebn Personen kooptierten Vorstandes bestätigt und der Anschluß an die zu grün­dende Weltgesellschaft mit dem Zentrum in Dornach beschlossen. Ferner wurde der Vorstand ermächtigt, das Statut der Anthroposophischen Gesell­schaft in Deutschland aufzustellen.

2. Ziele und Aufgaben.

Die Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft ist aus der Überzeu­gung erfolgt, daß die Ergebnisse moderner naturwissenschaftlicher For­schung trotz ihrer großen Bedeutung für die menschliche Kultur nur dann im Sinne des geistigen Fortschrittes der Menschheit werden wirken können, wenn durch eine Geisteswissenschaft, welche heute bereits in einem bedeu­tenden Ausmaße vorhanden ist, eine gesunde auf das Übersinnliche gerichtete Forschung gefördert wird. Die in der Anthroposophischen Gesellschaft verei­nigten Persönlichkeiten sehen daher als die wichtigste Aufgabe der Anthro­posophischen Gesellschaft an:

Die Pflege der Anthroposophischen Geisteswissenschaft und die Förderung ihrer Wirksamkeit auf den verschiedensten Lebensgebieten.

Auf dem Gebiet der Pädagogik, der Medizin, der Naturwissenschaften sowie des Künstlerischen und des Religiösen sind solche bedeutende Ergeb­nisse vorhanden, welche aus der Anthroposophischen Gesellschaft hervorge­gangen sind.

Nur bei solcher konkreter Gestaltung der einzelnen Lebensgebiete kann die Arbeit der Anthroposophischen Gesellschaft zu dem Ziele führen, daß eine neue Brüderlichkeit beim Zusammenwirken der Menschen über die Erde hin entsteht. Sie kann so durch ein Verständnis der verschiedenen Weltan­schauungen und Religionen aller Völker und Zeiten dem einzelnen die Ge­winnung einer selbständigen Weltanschauung ermöglichen, und sie wird auf diese Weise ein Verständnis des geistigen Wesens des Menschen und der geistigen Grundlagen von Natur und Welt vermitteln.

Mittelpunkt der Bestrebungen der Anthroposophischen Gesellschaft ist das Goetheanum, die Freie Hochschule für Geisteswissenschaften in Dorn-ach und was von ihr in wissenschaftlicher, künstlerischer und religiöser Beziehung ausgeht.

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3. Mitgliedschaft.

Wer sich für die hier angegebenen Ziele und Aufgaben interessiert, kann die Mitgliedschaft der Anthroposophischen Gesellschaft erwerben. Die Meldung zur Mitgliedschaft geschieht durch Stellung eines Aufnahmeantrages.

Dieser Aufnahmeantrag wird in der Regel die Unterschrift einer Vertrau­enspersönlichkeit (s. u.) tragen, kann aber auch unmittelbar beim Vorstand eingereicht werden. Die Aufnahme erfolgt durch Anerkennung seitens des Vorstandes. Die Höhe der Eintrittsgebühren und des Mitgliederbeitrages bestimmt der Vorstand.

4. Vorstand.

Dem Vorstand obliegt die Gesamtvertretung der Anthroposophischen Ge­sellschaft in Deutschland gegenüber ihren Mitgliedern sowie nach außen. Er ist so zusammengesetzt, daß die aus der anthroposophischen Bewegung hervorgegangenen Institutionen in ihm ihre Vertretung finden können.

Die Mitglieder des Vorstandes führen ihr Amt auf unbestimmte Zeit; die Amtsführung der einzelnen Mitglieder des Vorstandes kann ihr Ende erreichen:

1) durch Rücktritt,

2) dadurch, daß die Mehrheit einer ordnungsgemäß einberufenen Gene­ralversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland mit der Amtsführung nicht mehr einverstanden ist.

Die Erweiterung oder Ergänzung des Vorstandes erfolgt durch Koopta­tion. Die Geschäftsstelle der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutsch­land befindet sich zur Zeit in Stuttgart, Champignystr. 17, wo auch der Vorstand derzeit seinen Sitz hat. Der Vorstand hat aus seiner Mitte die geschäftsführenden Mitglieder zu bestimmen. Organ der Anthroposophi­schen Gesellschaft in Deutschland sind die vom Vorstand herausgegebenen «Mitteilungen».

5. Der erweiterte Vorstand.

Der Vorstand hat durch Ernennung einzelner Persönlichkeiten aus den ver­schiedenen Gegenden Deutschlands einen erweiterten Vorstand gebildet. Den Mitgliedern des erweiterten Vorstandes obliegt die Vertretung der Inter­essen der Gesellschaft nach innen und außen für den näheren Umkreis ihres Wohnortes. Vorschläge zur Ernennung von Mitgliedern des erweiterten Vor­standes können von den regionalen Verbänden (siehe unten) an den Vorstand gerichtet werden. Die Mitglieder des erweiterten Vorstandes sind ohne wei­teres auch Vertrauenspersönlichkeiten (siehe unten). Die Mitglieder des er­weiterten Vorstandes führen ihr Amt auf unbestimmte Zeit; die Amtsführung kann ihr Ende erreichen:

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1) durch Rücktritt,

2) durch Beschluß des Vorstandes.

6. Vertrauenspersönlichkeiten.

Der Vorstand hat Vertrauenspersönlichkeiten ernannt [siehe Seite 463], denen es obliegt, die Anmeldung von Mitgliedern entgegenzunehmen. Sie überneh­men für die von ihnen vorgeschlagenen Mitglieder die Garantie gegenüber dem Vorstande. Die Ernennung weiterer Vertrauenspersönlichkeiten wird entweder durch den Vorstand erfolgen oder dadurch geschehen, daß ein Mitglied von sieben anderen Mitgliedern oder Persönlichkeiten, welche die Aufnahme ansuchen, als ihr Vertreter bezeichnet und vom Vorstand als solcher anerkannt wird. Die Vertrauenspersönlichkeiten bilden mit den Mit­gliedern des erweiterten Vorstandes eine Körperschaft, die durch den Vor­stand zur Beratung der Angelegenheiten der Gesellschaft zu besonderen Tagungen zusammenberufen werden kann. Eine Zusammenkunft dieser Kör­perschaft wird der Vorstand auch dann veranstalten, wenn mindestens 12 Vertrauenspersönlichkeiten dies verlangen. Die Vertrauenspersönlichkeiten haben ihren Charakter als solche für unbestimmte Zeit. Ihre Funktion kann beendet werden:

1) durch Rücktritt,

2) durch Beschluß des Vorstandes,

3) durch Beschluß der Mehrheit einer ordnungsgemäß einberufenen Ver­sammlung der Körperschaft der Vertrauenspersönlichkeiten.

7. Arbeitsgruppen.

Die allgemeine Mitgliedschaft muß von jedem Mitgliede einzeln erworben werden und bedeutet, daß der Vorstand eine einzelne Persönlichkeit als zur Anthroposophischen Gesellschaft gehörig anerkennt.

Die Arbeit der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland erfolgt in Arbeitsgruppen, die sich durch freies Zusammentreten von Persönlichkei­ten, welche die allgemeine Mitgliedschaft erworben haben, an allen Orten bilden können. Diese Arbeitsgruppen bedürfen der Anerkennung durch den Vorstand.

Zur Bildung von Arbeitsgruppen gehören mindestens 7 Mitglieder; falls an einem Orte weniger als 7 Mitglieder sind, können sie sich zu einem Zentrum zusammenschließen. Die Arbeitsgruppen und Zentren können sich zu Ver­bänden vereinigen, je nach den Bedürfnissen der Gegend, in welcher sie sich bilden.*

» Solche Verbände (regionale Verbände) bestehen z. Zt. für Mitteldeutschlsnd, Hessen, Pfalz, Bodensee-Gegend, Südwest-Deutschland, Rheinland-Westphalen. Für Nord-deutschland sowie Schlesien sind solche Verbände in Bildung begriffen.

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8. Gen eralversammlung.

Die Generalversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutsch-land wird vom Vorstand einberufen und geleitet. Sie gilt als ordnungsgemäß einberufen, wenn die Einladung 3 Wochen vorher abgesandt worden ist.

Der Vorstand wird eine Generalversammlung auch dann einberufen, wenn dies von mindestens 12 der vom Vorstand anerkannten Arbeitsgruppen ver­langt wird. Zur Generalversammlung haben alle Mitglieder der Anthroposo­phischen Gesellschaft Zutritt. Stimmberechtigt sind die Vertrauenspersön­lichkeiten und die Delegierten der vom Vorstand anerkannten Arbeitsgrup­pen. Für 7-50 Mitglieder kann jede anerkannte Arbeitsgruppe einen Delegier­ten bestimmen; für 51-100 Mitglieder zwei Delegierte usw. Die Zentren können je einen Delegierten bestimmen. Bei Abstimmungen in der General-versammlung entscheidet die einfache Mehrheit.

Die Generalversammlung berät über die vom Vorstand mit der Einladung zu versendende Tagesordnung; sie hat das Recht, die Entlastung des Vorstan­des für die Zeit seit der vorhergehenden Generalversammlung auszusprechen. Anträge zur Generalversammlung sind spätestens am dritten Tage vor der Generalversammlung dem Vorstand einzureichen.

9. Verhältnis zur Weltgesellschaft.

Bleibt den Verhandlungen in Dornach vorbehalten.

[Der folgende in »Mitteilungen...» Nr.8, Oktober 1923 veröffentlichte und hier faksimi­liert wiedergegebene »Entwurf der Grundsätze der Anthroposophischen Gesellschaft» basiert auf Rudolf Steiners »Entwurf der Grundsätze einer Anthroposophischen Gesell­schaft» von 1912/13 (siehe unter «Hinweise»). Die deutsche Landesgesellschaft folgte damit dem Beschluß der »Internationalen Delegiertenversammlung» vom 20. bis 23.Juli 1923, daß »eventuell erfolgte Ausarbeitungen von Statuten seitens der Ländergesellschaften, insoweit der jetzige

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[CARL UNGER]

Entwurf der Grundsätze

der Anthroposophischen Gesellschaft

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Der' nachfolgende Entwurf der »Grundsätze« wurde von Herrn Dr. Unger auf der Septembertagung in Stuttgart zur Verhandlung gestellt. Die Versammlung hat beschlossen, seine weitere Bearbeitung und seine Übermifflung an die Dornacher Tagung im Dezember dem Vorstand zu überlassen.

* *

*

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Motto : Die Weisheit iSt nur in der Wahrheit.

Zu einer befriedigenden und gesunden Lebensgestaltung be-darf die Menschennatur der Erkenntnis und Pflege ihrer eige­nen übersinnlichen Wesenheit und der übersinnlichen Wesen­lieit der außermenschlichen Welt Zu einem solcheni Ziele kön­nen die naturwissenschaftlichen Forschungen der neueren Zeit nicht führen, trotzdem sie innerhalb ihrer Aufgaben und ihrer Grenzen Unsägliches für die menschliche Kultur zu leisten be­rufen sind. Die Anthroposophische Gesellschaft will dieses Ziel verfolgen durch Förderung der auf das Übersinnliche gerich­teten cchten und gesunden Forschung und durch Pflege von deren Einfluß auf die menschliche Lebensführung.

Die Geschichte der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, daß die Menschheit in der Gegenwart eine Geistesforschung besitzt, die Dr. Rudolf Steiner in seinem Werk vor alle Menschen gestellt hat. Dieses Werk zeigt die Mittel und Wege, welche dem Men­schen im Sinne der Entwickelung unserer Zeit dienen können, die großen Rätselfragen des menschlichen Daseins auf solche Art der Lösung entgegenzuführein, welche die Forschung über das Sinnliche ins Übersinnliche erweitert, ohne. auf solche Ab­wege zu kommen, die dem echten Wahrheitssinne nicht ge­nügen können.

So sehr unsere Zeit die Pflege übersinnlicher Erkenntnisse braucht, so stark sind die Hindernisse, die ihr aus dem Be­wußtsein des gegenwärtigen Menschen erwachsen. Vor allem hat sich das Denken der Gegenwart in starren Geleisen fest­gefahren und begegnet jedem wirklichen Fortschreiten des Be­wußtseins, das sich mehr und mehr ankündigt, mit Skepsis und Kritik. Das Werk Rudolf Steiners gibt überall selbst die Hand­haben, für alle Lebens- und Wissensgebiete die berechtigten Einwände zu finden und zu überwinden und durch eine ge­sunde Ausbildung des Denkens den Zweifel in den Dienst der Wahrheit zu stellen.

Die empfindungsgemäße Einstellung der Menschen der Ge­genwart ist im stärksten Maße beeinflußt durch den Aberglau­ben des Materialismus, der sich mit einer Autoritätssucht auf

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allen Wissensgebieten verbindet Dagegen will sich Anthropo­sophie an die freie Urteilsfähigkeit als Gesinnung wenden. Dem freien Fragen der Menschenseele soll die Antwort der über­sinnlichen Forschung zugänglich gemacht werden. Heimatlose Seelen sollen im freien menschlichen Verkehr ein Zutrauen zu den im Menschen schlummernden Fähigkeiten, zu einem Glauben an den geistigen Wesenskern des Menschen gelangen können.

Das berechtigte Streben nach Individualität hat in der Ge­genwart dazu geführt, daß sich die Menschen atomistisch von­einander sondern. Die ganzen äußeren Lebensverhältnisse wir­ken aus der Mißachtung des wahrhaft Geistigen solche sozialen Zustände, die den Menschen gegen den Menschen stellen. Die Erkenntnis und Entwickelung des allen Menschen gemeinsamen Geistigen kann in allen Lebensgebieten befruchtend wirken und im rechten geistigen Streben nach dem Individuellen den Grund zu freier Menschengemeinschaft, zu sozial möglichen Lebens-verhältnissen legen.

Echte Geistesforschung, wie sie im Werk Rudolf Steiners begründet ist, führt in die übersinnliche Welt, und deren Pflege und Verbreitung kann ebenso Aufgabe einer Gesellschaft sein, wie irgendeine andere Wissenschaft. Der Anthroposophischen Gesellschaft soll wahre Geistesforschung und die aus ihr fol­gende Gesinnung ihren Charakter geben, der in folgendem Leit­satz zum Ausdruck gelangen kann :

»Die Anthroposophische Gesellschaft will eine Menschen-gemeinschaft sein zur Pflege der echten Geisteswerte der Ge­genwart; es sollen in der Anthropos9phischen Gesellschaft die Wege in die geistige Welt gesucht, und es soll der Verbreitung echter Geisteswissenschaft gedient werden.«

Hierzu kann treten, was sich daraus ergibt, wenn diese Wege in der rechten Weise beschritten werden:

»Durch freie Anerkennung eines gemeinsamen Geistigen in allen Menschenseelen, unbeschadet ihrer individuellen Ver­schiedenheiten, soll ein Zusammenwirken von Menschen über die Erde hin im Sinne allgemein menschlicher Ziele herbei-geführt werden.«

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Hohe geistige Erkenntnisziele können gemeinsam von Men­schen nur verfolgt werden, wenn brüderliche Gesinnung die Gegensätze überbrückt, welche sich allzuleicht aus allem er­geben, was im Denken, im Glauben, in den besonderen Lebens­interessen die Menschen trennt. Dieses Trennende wird niemals das Zusammenwirken stören, wenn die Grundlage des letzteren das gemeinsame Geistige in allen Menschenseelen ist, und da­her das Trennende unberührt und in seiner Eigenheit voll ge­achtet bleibt innerhalb der Gesellschaft. So geartet wird diese durch die Gesinnung, die ihr selbst notwendig ist, das Ideal des menschlichen Zusammenlebens erstreben, das unter voll­kommener Schätzung des Denkens und Fühlens des einzelnen doch den Boden findet, auf dem gegenseitige Liebe und Brüder­lichkeit gedeihen kann. Ihr geistiges Ziel wird die Gesellschaft nur erreichen können, wenn so ihre Mitglieder sich einem Le­bensideale widmen, das allgemein menschliches Ideal einer Le­bensführung sein kann :

»Ohne ein Bekenntnis irgendeiner Art zu fordern, will die Anthroposophische Gesellschaft der Erkenntnis der Wahrheit dienen und durch ein Verständnis für die Weltanschauungen der Völker und Zeiten alle Lebensgebiete der Gegenwart be­fruchten, um für die geistige Zukunft der Menschheit zu wirken.«

Die edelsten Früchte menschlicher Geistesentwickelung, die verschiedenen Weltanschauungen und Bekenntnisse der Völ­ker und Zeiten betrachtet die Geistesforschung nicht auf ihren Bekenntniswert hin, sondern insofern in ihnen das Ringen der Menschheit nach den großen geistigen Daseinsfragen zum Aus­druck kommt Es wird daher der Grundcharakter der Gesell­schaft nicht mit einer Bezeichnung belegt werden können, wel­che von einem speziellen Bekenntnisse hergenommen ist. Wenn zum Beispiel die Erforschung des Christusimpulses innerhalb der Menschheitsentwickelung durch die Geistesforschung ihre Pflege findet, so geschieht dies nicht im Sinne eines religiösen Bekenntnisses, sondern so, daß der Bekenner einer jeden reli­giösen Richtung sich zu dem entsprechenden geisteswissen­schaftlichen Ergebnis verhalten kann, wie sich etwa der Be-kenner der Hindureligion oder des Buddhismus zur Kopernikanischen

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Astronomie verhält, trotzdem diese nicht in seinen reli­giösen Urkunden sich findet. Der Christusimpuls wird als For­schungsergebnis zur Geltung gebracht auf eine Art, wie sie jeder Anhänger eines Religionsbekenntnisses annehmen kann, nicht etwa nur der christliche Bekenner.

Folgt das Statut der Anthroposophischen Weltgesellschaft, Sitz Dornach und der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland und der Freien

anthroposophischen Gesellschaft.

U.

#TI

BERICHT ÜBER DIE STUTTGARTER

SEPTEMBER-DELEGIERTENTAGUNG

mit einleitenden Erinnetungsworten an die Grundsteinlegun g

des Goetheanum am 20. September 1913

Vortrag, Dornach, 21. September 1923

#TX

Meine liehen Freunde! Hätten nicht die zerstörenden Feuerflammen zu Neujahr unser Goetheanurn in so furchtbarer Weise getroffen, so würden wir heute in einer tief befriedigenden Weise auf jene Grund­steinlegung hinzuschauen haben, die wir für dieses Goetheanum vor zehn Jahren hier auf dem Dornacher Hügel vorgenommen haben. So können wir nur hinschauen auf die Tatsache, daß uns, außer dem Grundstein, von diesem Goetheanum eigentlich wirklich sehr wenig geblieben ist. Und allerdings - dieser Grundstein war ja so gemeint, daß er nicht nur dasjenige sein sollte, als was er sich unmittelbar darstellte, und ebensowenig war die Feier dazumal so gemeint, daß sie nur das sein sollte, was unmittelbar zum äußeren Ausdruck kam. Das Schicksal, das mit der anthroposophischen Bewegung verknüpft ist, hat gewissermaßen dieses Goetheanum aus seinem Schoße herausge­boren, und der Grundstein ist zunächst natürlich für das Goetheanum gelegt worden. Aber die Art und Weise, wie dazumal die Feier began­gen worden ist, jene Art und Weise, die dann von der äußeren Welt, wie Sie wissen, in einer so furchtbar häßlichen Art dargestellt worden ist, die so beschimpft worden ist - diese Feier hat ja eigentlich der Befestigung des anthroposophischen Wesens überhaupt gegolten. Sie

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hat etwas sein sollen, was tief zum geistigen Teil der Herzen derer hat sprechen sollen, welche an dieser Grundsteinfeier nicht nur phy­sisch - wie es ja nur wenige konnten -, sondern die an ihr geistig teilgenommen haben. Und in dieser Art ist sie ja auch dazumal gehal­ten worden.

Wir dürfen heute vielleicht dieses aussprechen, daß wenn auch zunächst der Bau dahingegangen ist, der aus dieser Grundsteinfeier heraus erwachsen ist, der geistige Teil dennoch seine Festigkeit bewah­ren möge; jene Festigkeit, die schon die Welt in dieser Zeit braucht, die schwierig geworden ist und die noch immer schwieriger werden wird. Es dringt ja allmählich in einzelnen Seelen der Gegenwart die Über­zeugung durch, daß ein Durchbrechen des Geistigen das einzige Heil­mittel für diese Epoche sein könne.

Aber diese Überzeugung ringt sich nur außerordentlich schwer durch, denn es bestehen ja für die Menschen die mannigfaltigsten Hindernisse; so daß, wenn diese Überzeugung nur als eine außeror­dentlich kleine, schwache Flamme erstrahlt, sie sich nicht entwickeln kann. Es bestehen Hindernisse, die ja nun wieder in den Zeitverhält­nissen liegen. Denn es ist schon so, daß ein großer Teil der Ursachen, warum die Menschheit in die gegenwärtigen Schwierigkeiten hinein-gekommen ist, darinnen liegt, daß die Verhältnisse der Außenwelt in einem solch außerordentlichen Maße kompliziert geworden sind. Und der Mensch steht heute in den mannigfaltigsten Beziehungen darin­nen, in die er hineingeboren, hineinerzogen ist, in die er hineingekom­men ist durch die sozialen Verhältnisse. Und es fehlt eigentlich zu­meist der Mut - ich will gar nicht sagen, aus diesen Beziehungen herauszukommen, das brauchte ja nicht einmal der Fall zu sein-, aber es besteht nicht der Mut, der wirklich notwendig ist, sich über diese Beziehungen, die der einzelne Mensch zu der Welt, zu seinen Mitmen­schen und so weiter aus der außerordentlich komplizierten Entwicke­lung der letzten Jahrzehnte hat, Klarheit zu verschaffen.

Der Mensch sucht vielfach die Einsichten abzudämpfen, die ihm über diese Verhältnisse Klarheit bringen würden. Und dasjenige, was da wirkt als dämpfende, lähmende Kräfte für diese Überzeugung, das dämpft dann auch die kleine Flamme ab, die eigentlich im Innern vieler Herzen heute schon sagt: Ja, Rettung der Menschheit ist nur noch auf dem Wege einer geistigen Weltenströmung möglich. - Und so ist es außerordentlich schwierig, daß diese Flammen, die da sind in denjenigen

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Seelen, die ich vor einiger Zeit hier die heimatlosen Seelen genannt habe, wirklich zu dem führen, wozu sie nun eben doch einmal führen müssen. Und gerade zur Befestigung solcher Überzeugungen ist die Grundsteinfeier vor zehn Jahren für das Goetheanum hier gestaltet worden. Im Hinblick auf diese Grundsteinfeier ist ja immer dasjenige getan worden, was für das Goetheanum seither getan worden ist. Und es ist eigentlich gar nicht verwunderlich, daß zu den maßlosen Aus­brüchen der Gegner auch diejenigen gekommen sind, die sich auf diese Grundsteinlegung beziehen.

Es ist nun schon einmal so, daß auf der einen Seite heute - ich habe das oftmals ausgesprochen - die Notwendigkeit in einem eminente­sten Maße vorliegt, mehr als zu irgendeiner Zeitepoche der mensch­heitlichen Entwickelung, mit allen Fasern des menschlichen Gemütes nach einem Spirituellen hin zu arbeiten, daß aber auf der anderen Seite eben ein furchtbarer Haß besteht - «Haß» muß gesagt werden -, ein furchtbarer Haß gegen alles, was eben eine Spiritualität im wahren Sinne des Wortes auf seinem Antlitze trägt. Die Symptome eines solchen Hasses treten ja heute manchmal in paradoxer Weise auf.

Wir hatten ja gerade jetzt die Stuttgarter Tagung, über die im ganzen zu berichten ist, daß es auf ihr wesentlich friedlicher hergegan­gen ist als auf der Tagung im Februar; daß auch, ich möchte sagen, mehr freudige Zukunftshoffnungen sich geoffenbart haben, daß der Wille zum Ausdrucke gekommen ist, die Anthroposophische Gesell­schaft in einer energischen Weise auf eine neue Grundlage zu stellen. Dahin hat ja alles tendiert, und in diesem Satze läßt sich auch eigentlich alles zusammenfassen, so daß, was die deutsche Gesellschaft betrifft, eine richtige Vorbereitung geschaffen werden kann für die internatio­nale Delegiertentagung, die hier zu Weihnachten stattfinden soll. Nun gab es aber außerdem ja einzelne Episoden; und zu diesen Episoden gehört eine, die ich doch auch hier erzählen möchte, weil es vielleicht nicht unnötig ist, daß Sie, meine lieben Freunde, nun auch von dieser Sache hören.

Da trat ein jüngerer Mann auf, einer von denen, welche sich bemü­hen, in Stuttgart für die Landhausstraße 70 die Wache zu halten, und er sprach eigentlich in sehr eindringlicher, ernster Weise über die dringli­che Notwendigkeit, zu einem starken Bewußtsein innerhalb der An­throposophischen Gesellschaft zu kommen. Und da sagte er denn auch, es fordere einen ja schon manches, was man so beobachten

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könne, dazu heraus, immer in ernsterer Weise an diese Dringlichkeit zu mahnen. So zum Beispiel hätte er gesehen, während er da wachte für die Landhaus straße 70, also für das Zweiglokal in Stuttgart, wie ein Gemüsehändler vorbeigefahren sei, der zu irgend jemand anderem gesagt hat: Ja, das ist das Haus; Dornach hat gebrannt, aber in dieses Haus müßte man auch die Brandfackel hineinwerfen, und da oben unter dem Dache, da wohnen die Leute, die eigentlich notwendig machen, daß man da oben hineinschießt.

Nun, sehen Sie, es ist nicht gerade glaubwürdig, daß dieses «Ge­müse» auf dem eigenen Herzen, der eigenen Seele dieses Gemüsehänd­lers gewachsen ist, sondern man muß da schon annehmen, daß diese Stimme des Gemüsehändlers das oft vorkommende Echo von ganz anderswo herkommenden Parolen ist. Aber es ist immerhin nicht unnötig, diese Sache, die in Stuttgart vor der großen Versammlung vorgebracht worden ist, auch hier zu erwähnen. Aus der Beobachtung vielleicht von diesen oder jenen Episoden, wie sie auf der Stuttgarter Tagung vor der großen Versammlung vorgebracht wurden und die symptomatisch doch einiges sagen, kann sich ja vielleicht das zusam­mensetzen, was doch das rechtfertigen wird, was ich nun seit vielen Jahren wiederhole: Wachsamkeit nach allen Richtungen hin ist schon dasjenige, was wir brauchen, und Schläfrigkeit ist das, was wir am allerwenigsten gerade innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft brauchen können.

Nun, alles das kommt einem so in den Sinn, wenn man sieht, wie niedergebrannt ist, was aus jener Grundsteinlegung vor zehn Jahren erwachsen ist. Es kommt einem in den Sinn, weil man eben wirklich heute die enthusiastischste Sehnsucht im wahrsten Sinne des Wortes eigentlich haben muß, daß dasjenige, was nun gerade geistig mit jener Grundsteinlegung verknüpft war, was geistig jene Grundsteinlegung durchdrang, daß dies bedeuten möge eine Grundsteinlegung für ein Gebäude, das vielleicht nur unter ungeheuren Schwierigkeiten und Mühen aufgebaut werden kann, von dem heute vielleicht außer­ordentlich wenig noch steht: Ich meine den geistigen Teil! Man müßte ja dasselbe sagen, wenn auch schon ein neues Goetheanum wiederum äußerlich als Haus errichtet wäre! Daß dieses geistige Gebäude aber, von dem heute vielleicht noch wenig steht, durch den intensiven Enthusiasmus derjenigen, die erkannt haben, wie notwendig Anthro­posophie unserer Zeitepoche ist, immer fester und fester, eindrucksvoller

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und eindrucksvoller für die Welt werden möge, das ist schon dasjenige, was ich vor Ihnen heute habe aussprechen wollen.

Wir dürfen ja gerade in der Erinnerung an jene Grundsteinlegung sagen: Trotz des schweren Unglücks, das uns betroffen hat, soll uns diese Grundsteinlegung sogar weniger an dieses Unglück gemahnen als an das, was unsere Aufgabe ist im Bauen. Nicht sollen wir verhar­ren im Ansehen dessen, was nun einmal zerstört worden ist und was ja nur ein Teil eines Zerstörungswerkes ist, das als Zerstörungswerk lange nicht abgeschlossen ist.

Nun, meine lieben Freunde, möchte ich etwas anderes noch anfü­gen, was damit doch ein wenig zusammenhängt. Es soll nicht in sentimentaler Form vorgebracht werden. Ich habe es in Stuttgart auf der Delegiertenversammlung vorgebracht, aber auch dort nicht in sentimentaler Form. Und da es nun wahrhaftig - trotzdem es nicht in sentimentaler Form vorgebracht wird - tief ernst gemeint ist, von einem gewissen Gesichtspunkte her tief ernst gemeint ist, so gestatten Sie, daß ich das auch hier vorbringe - obwohl ich selbstverständlich auch hier, wie ich es in Stuttgart getan habe, in einem gewissen Sinne um Entschuldigung bitten muß, daß ich die Dinge in dieser Form vorbringe. Aber da ich doch wirklich so vieles hier vorbringe, was, ich möchte sagen, aus dem Herzblut heraus - im geistigen Sinne ist das natürlich durchaus gemeint - errungen ist, was also bezeugt, daß mir es wahrhaftig nicht um die Seele ist, von diesem Orte aus hier lronisch zu werden, sondern es immer seriös gemeint ist, so darf ich wohl auch in diesem Kreise darüber sprechen. Es ist eine Episode gewesen auf der Stuttgarter Tagung; man drängte darauf, gerade vor der allerletzten Versammlung um 8 Uhr am Montag, diese kleine Episode zu Worte zu melden. So darf ich vielleicht dieses Ereignis auch hier vorbringen.

Auf der Stuttgarter Delegiertenversammlung wurde nämlich viel darüber gesprochen, daß allmählich eine gewisse, ich möchte sagen, Lottrigkeit eingerissen ist mit Bezug auf die Handhabung der Anthro­posophischen Gesellschaft als solcher; vielleicht besser gesagt der Auffassung der einzelnen Anthroposophen von dem, was sie im Inter­esse der Festigkeit und inneren Sicherheit der Anthroposophischen Gesellschaft eigentlich zu tun hätten. Es wurde vielfach darauf hinge­wiesen, wie ja Leute ohne Mitgliedskarten in die Versammlungen hineingelassen werden, wie sich dadurch Gegner immer wieder und

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wiederum in diese Versammlungen einschleichen können. Es wurde hingewiesen zum Beispiel auf einen Fall, der sich während der Dele­giertenversammlung selber ereignet hat, wo jemand aufgetreten ist mit einer Mitgliedskarte, die von jemand anders - und zwar, ich glaube, von der Schwester - entlehnt war. Es wurde dann debattiert darüber, daß die Verhältnisse es notwendig machten, daß man auf den Mit­gliedskarten der Anthroposophen Photographien anbringt. Ich habe mir dabei die Bemerkung erlaubt, daß die nur helfen würden, wenn man sie zugleich mit einem Stempel abstempeln würde, weil man ja sonst die Sache abziehen und darüber kleben könnte. Es wurde dann auch sogleich mitgeteilt, daß diejenige Persönlichkeit, die diese Mit­gliedskarte gehabt hat, gesagt haben soll : Eine Photographie wird nichts helfen, denn ich sehe meiner Schwester zum Verwechseln ähn­lich. - Nun, es sind das eben sehr merkwürdige Auffassungen, die zu allerlei führen.

Sehen Sie, eine solche Auffassung ist ja namentlich auch eingerissen in bezug auf die Zyklen, von denen ja heute gesagt werden kann, daß sie vielleicht nicht von so vielen Leuten im einzelnen innerhalb der Gegnerschaft gelesen werden wie in der Anhängerschaft, aber daß sie von den Gegnern - ich möchte sagen, im Sinne der Gegner - fruchtbar gelesen werden: Sie werden nämlich in die Tat umgesetzt, sie werden ausgemünzt von der Gegnerschaft. Sie werden dort sehr genau gele­sen, und es wird alles mögliche getan, was man in Anlehnung an die Zyklen von seiten der Gegner tun kann. Es sind heute die Dinge ja schon so, daß man sagen kann, was mit den Zyklen von seiten der Gegner gemacht wird. Wir haben es ja neulich erfahren, wie der neueste Zyklus sogleich in einer gegnerischen Schrift ausgeschlachtet worden war. Also da herrscht ein großer Eifer, den man manchmal innerhalb unserer Mauern außerordentlich wünschen möchte. Es wurden auch in Stuttgart verschiedene Vorschläge gemacht, ohne natürlich zu bedenken, daß alle diese Vorschläge ja gar nichts nützen können. Denn man kann durch solche Maßnahmen gerade bei der Art und Weise, wie sonst wiederum die Mitgliedschaft gehandhabt wird, gegen das, was notwendig auftreten mußte, nachdem die Gesellschaft einmal eine bestimmte Ausbreitung gewonnen hatte, man kann gegen eine solche Sache nicht so auftreten. Man kann nur das eine sagen - bei vollem Wissen, daß heute alles, nicht nur was gedruckt, sondern auch was gesprochen wird, in die Hände und zu Ohren der Gegner kommt;

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bei vollem Wissen und beim Nichtverschleudern der Zeit mit allerlei Maßnahmen, um das zu verhindern, denn das bedeutet eben Ver­schleudern der Zeit-, kann man nur das eine sagen: Wenn in positivem Sinnefür das, was in den Zyklen steht, für die geistige Strömung, die in den Zyklen rinnt, in derselben Weise eingetreten wird, wie die Gegner gegen die Anthroposophie eintreten, dann ist das der beste Schutz für die Zyklen bei der Verbreitung, die die Anthroposophische Gesell­schaft heute vorläufig hat. Da nutzt heute nicht ein negativer Schutz, da nutzt bloß eben das Positive, das Aktive: daß man auch initiativ für die Sache auftreten kann.

Und so wurde mancherlei besprochen. Vieles auch so besprochen, daß man immer das Gefühl hatte: Es trifft eigentlich dasjenige, was geredet wird, die heutige Situation schon gar nicht mehr. So zum Beispiel stand zu all dem, was da gerade geredet wurde, um die Gesellschaft vor den Gegnern zu schützen, in einem grotesken Gegen­satz etwas, was nun Dr. Husemann vorbrachte, als er den Gegner Dr. Goesch besprach. Dieser Dr. Goesch hat ja einen ganz grandiosen Eindruck gemacht - in Klammer möchte ich das nur sagen, es war natürlich zum großen Teil ein geheuchelter Eindruck -, aber er hat eben einen grandiosen Eindruck gemacht auf diejenigen Leute, die vor einiger Zeit in Berlin versammelt waren unter der Parole: Die Nicht-anthroposophischen Kenner der Anthroposophie. Diese Versamm­lung bestand aus erleuchteten Pastoren, Lizentiaten, Professoren und so weiter. Und einen besonderen Eindruck hat außer einer gewissen Dora Hasselblatt dieser Dr. Goesch dort gemacht. Nun will ich das Ganze nicht aufrollen. Es ist ja auf der Stuttgarter Delegiertenver­sammlung vieles aufgerollt worden von dem, wie gerade Dr. Goesch seine Gegnerschaft betreibt. Was aber von symptomatischer Bedeu­tung ist, ist dieses : Er betreibt heute noch diese Gegnerschaft so, daß er sagt: 90 Prozent von all dem, was die Anthroposophie gibt, ist etwas, woran er durchaus mit voller Überzeugung festhält. Er bekämpft überhaupt nicht die Anthroposophie, sondern er bekämpft nur mich und die Anthroposophen.

Nun, das ist eine Unterscheidung, nicht wahr, die ja in einer merk­würdigen Seelenanlage begründet ist. Aber das will ich heute nicht einmal erwähnen, sondern ich möchte etwas anderes erwähnen. Ich möchte erwähnen, daß da also Leute versammelt waren - wie gesagt, erleuchtete Pastoren, Lizentiaten, Professoren -, die dann übereingekommen

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sind, Redner herumzuschicken, für die dasjenige, was in dieser Versammlung besprochen worden ist, zum Teil das Material bilden soll von gegnerischen Reden. Diese gegnerischen Reden haben ja schon sehr ihren Anfang genommen, und es ist auf der Stuttgarter Delegiertenversammlung außerordentlich stark hervorgehoben wor­den, daß man alle Gründe hat, daran zu denken, daß sie gerade vom Oktober an eine Fortsetzung erfahren werden. Da nun in der letzteren Zeit, namentlich innerhalb Mitteleuropas, die Zahl der gegnerischen Reden weit die Zahl derjenigen Reden übertrifft, die von Anhängern gehalten werden, so kann das ja eine hübsche Sache gehen, wenn es sich nun noch vermehrt.

Aber auch das ist es nicht einmal, worauf es mir in diesem Augen­blicke ankommt, sondern worauf ich hinweisen möchte und was also Dr. Husemann vorgebracht hat, das ist, wie diese Persönlichkeiten, die da versammelt waren und die aus der Versammlung den Impuls be­kommen sollten, als scharfe Gegner der Anthroposophie aufzutreten, wie diese von Dr. Goesch überzeugt worden sind und was er noch an Positivem vorgebracht hat, um sie zu Gegnern der Anthroposophie zu machen. Die Leute sagen und betonen ja jetzt immer - was aus den Reden hervorgeht, die da auf diesem Kongreß Nichtanthroposo­phischer Kenner der Anthroposophie gehalten worden sind -, daß Anthroposophie eine große Gefahr für die leibliche und seelische Gesundheit der Menschheit darstelle.

Nun, demgegenüber nimmt es sich doch sehr sonderbar aus, wenn man hört, was Dr. Goesch Positives vorgebracht hat. Unter diesem Positiven war zum Beispiel dieses, daß er sagte : Er wisse es ganz genau, was eigentlich im Mittelpunkt der Anthroposophie für Absichten bestehen. Es bestünde nämlich die Absicht, daß durch Frau Dr. Steiner und mich ein eigener Planet gebildet werde, der von der Erde abgekap­seIt wird und auf dem zunächst die Mitglieder der Anthroposophi­schen Gesellschaft angesiedelt werden sollen, damit man auf diese Weise eine Abkapselung von unserem Erdenplaneten mit der Anthro­posophischen Gesellschaft auf einem eigenen Planeten habe. Und zu diesem Zwecke sei eigentlich, trotzdem 90 Prozent von der Anthropo­sophie die reine Wahrheit sei, die Anthroposophische Gesellschaft begründet worden, und in dieser Gefahr befänden sich die armen Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft.

Nun bitte ich Sie, sich die Situation auszumalen, meine lieben

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Freunde : Erleuchtete Pastoren, Lizentiaten, Professoren lassen sich zu ihrem Studium gegen die Anthroposophie erzählen, es solle durch uns ein Stück Erdenplanet abgespalten werden, um eine kosmische Kolo­nie zu begründen. - Das ist die Legitimation, mit der sich Dr. Goesch dieser erleuchteten Versammlung in unserem erleuchteten Kulturzeit­alter darstellt.

Nun frage ich Sie : Wie viele werden denn nun von diesen erleuchte­ten Pastoren, Lizentiaten, Professoren und so weiter eine solche Sache sich so angehört haben, daß sie sie für Narrheit gehalten haben? Denn ich wüßte nicht eigentlich, was in den Gehirnen der erleuchteten Pastoren, Lizentiaten und Professoren vorgehen sollte - Anthroposo­phen sind sie ja nicht, die wollen sie ja gerade bekämpfen -, was also eigentlich da vorgehen sollte in den Gehirnen, wenn sie das nicht für Narrheit ansehen würden! Aber trotz alledem entspringt aus diesem «Positiven» der Impuls, die Anthroposophie zu bekämpfen.

Nun bitte, versetzen Sie sich nur einmal recht in die Seelenverfas­sung dieser Versammlung. Solch eine Versammlung ist heute möglich! Solch eine Versammlung wächst heraus aus dem Geistesleben unserer Gegenwart! Aber das ist es noch alles nicht, meine lieben Freunde, warum ich diese Sache anführe, sondern ich führe diese Sache noch aus einem ganz anderen Grunde an, und den will ich Ihnen jetzt charakte­risieren.

Sehen Sie, wenn Sie ein wenig weiterdenken als diejenigen, die nur einfach verrückte Tatsachen nehmen, um sie anzuschauen, so wie sie da sind, und eben nicht weiterdenken - wenn Sie nur ein wenig weiter­denken, so müssen Sie sich sagen : Da saßen bei dieser Seelenverfassung der Versammlung der erleuchteten Lizentiaten, Pastoren und Profes­soren, vielleicht am dritten, vierten Tage eine Anzahl von diesen Herren mit anderen ihresgleichen zusammen bei anderen Versamm­lungen, von denen wichtige Dinge ausgehen für die Ordnung des sozialen Lebens der Gegenwart. Am zehnten Tage, sagen wir, sitzt wiederum eine Gruppe von diesen Leuten mit ihresgleichen zusam­men. Sie müssen, meine lieben Freunde, etwas über diese Versamm­lung hinaus denken und müssen bedenken, daß das ja diejenigen Menschen sind, die sonst in Versammlungen beisammen sitzen, wenn die großen Menschheits-Angelegenheiten der Gegenwart geordnet werden. Und das ist das Wichtige, wenn man unsere Kultur beurteilen will, das ist dasjenige, was in Betracht kommt! Vor allen Dingen : Man

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kann schon so objektiv sein gerade auf dem Boden der Anthroposo­phie, daß man es natürlich bedauert, was alles für die physische Welt aus einer solchen Versammlung folgt; aber man muß sich doch bewußt sein, daß eine solche Versammlung selbst von den inferiorsten Gei­stern der geistigen Welt ja eigentlich nur mit gründlichstem Lachen aufgenommen werden kann. Das ist schon eine innerliche Wahrheit. Aber dabei bleibt das bestehen, daß damit in einer furchtbaren Weise auf die ganze Seelenkonstitution der Gegenwart hingewiesen ist, daß eine solche Versammlung ein ungeheuer sprechendes Symptom ist für das, was in der weiten Welt der sogenannten Geistigkeit heute ge­schieht! Und das ist das Wichtige.

Ich wollte es an diesen konkreten Beispielen zeigen, wie verschie­dene Dinge heute in Betracht kommen. Es sind Gegner da. Es wird Leute geben, die meinen, die Impulse dieser Gegner solle man mit dem oder jenem bekämpfen. Ja, meine lieben Freunde, bei der weitaus größten Zahl der Gegner ist es ja gar nicht möglich, die Impulse, die da zunächst auftreten, ernst zu nehmen! Denn diese Leute, die da jetzt als Gegner ihre Redner hinausschicken, die ihre Artikel geschrieben ha­ben, diese Leute des Kalibers des Herrn Lempp, über den ja hier in einer allerdings nicht sehr glücklichen Weise auch vor einigen Wochen gesprochen worden ist im Zusammenhang damit, daß unsere «An­throposophie» einen Artikel von ihm gebracht hat : diese Leute, die ließen sich ja überzeugen auf Grundlage der Angabe, daß wir ein Stück Planeten abspalten wollen und uns darauf ansiedeln wollen!

Ja, nun müssen Sie sich doch sagen: Also nicht nur kein Sterbens­wörtchen, sondern kein Sterbens-Atömchen glaubten ja die sämtli­chen Menschen von dem, was da vorgebracht worden ist! Mit keinem Wahrheitsfaden hängt dasjenige, was sie nun als Gegnerschaft entwik­keIn, mit dem zusammen, was ihnen vorgebracht worden ist als Gründe für diese Gegnerschaft. Mit keinem noch so dünnen Wahr­heitsfaden hängt das zusammen! So stark ist das Wahrheitsgefühl der Gegenseite heute ausgeschaltet. Das muß man wirklich heute in Be­tracht ziehen.

Auf der anderen Seite muß man sich eben klar darüber sein, wie die ubrige Kultur beschaffen ist, wenn solche Dinge möglich sind. Denn die Leute, die so wenig mit einem Wahrheitsfaden in dem, was sie tun, zusammenhängen mit dem Ausgangspunkte ihres Tuns, diese Leute sind vielfach heute dieselben, die sozusagen in offizieller Art die

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Kultur leiten. Wir brauchen gar nicht anthroposophischen Gesell­schafts-Egoismus zu treiben, wenn wir diese Dinge betrachten, son­dern gerade wenn wir keinen Egoismus treiben und solche Dinge zu Ausgangspunkten nehmen, um symptomatisch das Geistesleben der Gegenwart zu erfassen, dann ist das etwas, was uns eigentlich am meisten zu Herzen gehen muß.

Und in Anknüpfung also namentlich an den Umstand, daß ja gegenüber diesen wirklich entscheidenden Tatsachen manches, was heute in unseren Versammlungen gesprochen wird, sich, ich möchte sagen, recht wenig weise ausnimmt, wenig durchdrungen ist von dem Bewußtsein, wie eigentlich das beschaffen ist, dem man gegenüber­steht, sagte ich eben am Montag abend in Stuttgart: Ich wolle nicht sprechen über die genannten und ungenannten Gegner, die ja in einer recht prägnanten Weise in dem Buch von Herrn Werbeck abgehandelt werden, der wirklich in einer genialen Weise an der Verfassung dieses Buches arbeitet. Aber, so sagte ich, ich will ja überhaupt nicht in ausführlicher Weise auf die Gegnerfrage eingehen, weil ich dazu wirk­lich nicht die Zeit habe und manches andere doch unendlich viel Wichtigeres versäumen würde, wenn ich selbst auf diese Gegnerfrage eingehen würde.

Aber auf drei Feinde, sagte ich, will ich eingehen, die - und jetzt bitte ich auch Sie um Entschuldigung, daß ich von diesen drei Feinden spreche -, die tatsächlich fast in allen solchen Versammlungen sind, wie jetzt wieder die Stuttgarter Versammlungen waren! Auch dort waren drei Feinde - nicht gerade Gegner, aber Feinde -, die nun nicht etwa mit falschen Mitgliedskarten, sondern ohne alle Mitgliedskarten immer eingelassen werden und eigentlich immer da sind und die wirklich großen Schaden anrichten mit ihrer Feindschaft. Es sind zwei weibliche Gegner und ein männlicher Gegner.

Der erste weibliche Gegner ist eigentlich noch furchtbar jugend­lichen Alters, pausbackig, mit einem jugendlichen Gesichte, kindhaft fast noch, und etwas kokett in der Art, wie er sich gibt - nicht immer, aber insbesondere dann oftmals, wenn er in anthroposophischen Ver­sammlungen seine Impulse geltend macht. Das nämlich ist gerade ein Gegner, der sich so furchtbar stark auch in die intimeren Stuttgarter Versammlungen eingeschlichen hat! Immer waren die drei da. Sogar unter den Vertrauensleuten waren sie da. * Man kam im engeren Kreise

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* Gemeint ist der Dreißigerkreis.

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zusammen - die drei waren immer dabei! Also auch dieses jungfräu­liche Wesen, Naivität mit Namen - das ist nun wirklich ein sehr star­ker Feind in unseren Versammlungen -, kommt ganz ohne Mitglieds­karte.

Der zweite Feind ist auch weiblichen Geschlechts, ist wesentlich älter, mit einer Hornbrille, sagte ich, auf der Nase, einer spitzen Nase. Man könnte sie Tante nennen, aber ebensogut «Tunte». Das ist näm­lich die Dame Illusion. Sie wird aber außerordentlich geliebt, trotzdem sie wirklich außerordentliches Unheil anrichtet.

Gerade diesen zwei Persönlichkeiten gelingt es, jene Gedanken anzustiften, die dann zu den Vorschlägen werden von den Mitglieds­karten, von den Schutzmaßregeln zur Verbreitung der Zyklen; davon namentlich, was man auch oftmals hören kann und was so viel Schaden stiftete: Da hat wieder der oder jener «ganz anthroposophisch» gere­det. - Natürlich hat er gar nicht anthroposophisch geredet, sondern -nun, ich will nicht sagen wie. Aber jedenfalls, diese Sehnsucht bei denen, die soundso reden, es «ganz anthroposophisch» zu finden, damit man sich bequem beruhigen kann, gehört auch zu dem, was angestiftet wird durch die beiden weiblichen Persönlichkeiten Naivi­tät und Illusion.

Der dritte ist ein Mann, ein Mann, der den Namen trägt: Leberecht Frei-Herr vom Unterscheidungsvermögen. Dieser Mann, der ist auch immer in unseren Versammlungen. Und der verhindert, dasjenige, was im anthroposophischen Sinne einen inneren Wert hat, von dem an­throposophischen Geflunker zu unterscheiden. Das sind aber nur die extremsten Pole: anthroposophische Gediegenheit und anthroposo­phisches Geflunker - dazwischen gibt es viele Abstufungen. Und wenn wir nicht sozusagen einen Kern haben innerhalb unserer Gesell­schaft, der aus Persönlichkeiten besteht, die dieser Persönlichkeit, die ohne Mitgliedskarte immer erscheint und die frei ist von allem Unter­scheidungsvermögen und diese ihre Eigenschaft als Leberecht Frei-Herr vom Unterscheidungsvermögen auf so viele überträgt - wenn es nicht auch solche gibt, die diesem Baron Leberecht eine Nase drehen, dann werden wir ganz sicher mit alle dem, was wir sonst entwickeln, doch immer wiederum nur Hindernisse auf Hindernisse, Schwachheit auf Schwachheit häufen und so weiter.

Das sind schon drei starke Feinde, von denen man manchmal glauben könnte, sie schleichen sich durchs Schlüsselloch ein : die Damen

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Naivität, Illusion und der Baron Mangel an Unterscheidungsver­mögen. Auf diese Persönlichkeiten müssen wir nun auch wirklich stark aufmerksam sein.

Sehen Sie, es ist ja eine schwierige Sache, und ich habe mich ent­schuldigt, daß ich das vorgebracht habe; aber ich pflege sonst, wenn ich so etwas vorbringe, immer zu sagen: Die Anwesenden sind ausge­nommen.Ja, ich pflege das sonst zusagen. Nun, meine lieben Freunde, es ist ja nicht so schlimm gemeint, es ist aber als ein Aufmerksam­machen auf diese Feinde gemeint, die eben immer da sind.

Und tatsächlich, auch für diese Feinde gilt das, was Sie als eine Art Charakteristik in der letzten Szene zum letzten Mysteriendrama fin­den können, wo von gewissen geistigen Wesenheiten - denn Sie haben ja jetzt schon gesehen: geistige Wesenheiten sind es, die ich meine, geistige Feinde - gesagt wird, daß sie ihre Macht so lange haben, als man kein Bewußtsein von ihnen hat, daß ihre Macht aber sofort aufliört, wenn man ein Bewußtsein von ihnen entwickelt.

Darin besteht überhaupt das Geheimnis für sehr viele Dinge in der geistigen Welt, daß die bösen Mächte der geistigen Welt eigentlich nur so lange ihre Macht bewahren können, als man kein Bewußtsein von ihnen hat, als kein Bewußtsein von ihnen entwickelt wird. Dagegen wirkt die Entwickelung des Bewußtseins für gewisse geistig feindliche oder böse geistige Mächte so, wie der Tag für die unholdigen Gespen­ster: sie laufen davon, wenn Bewußtsein entwickelt wird.

Ich habe es ja oftmals betont, es ist von Schaden, wenn man sagt:

Dies oder jenes ist eine schädliche Wesenheit; also hüte man sich davor, mit ihr irgend etwas zu tun zu haben, laufe man selber davon vor ihr. - Nein, man stelle sich diese feindliche Macht mit aller inneren Stärke vor das Antlitz, lerne sie erkennen! Denn entsteht ein Spiegel­bild von ihr in dem eigenen Bewußtsein, so wirkt das als Licht, wovor sie davonläuft.

Ich habe das ja oftmals so charakterisiert, daß ich gesagt habe:

Mancher sagt, wenn er von Luzifer und Ahriman hört: 0, da muß man sich hüten! Weg, weg, weg davon! - Aber das ist nicht die Aufgabe; sondern die Aufgabe ist gerade, auch diese beiden Mächte so genau im Bewußtsein aufzufassen, daß sie vor uns davonlaufen. Das ist etwas, was wirklich weiterbringt. Denn in der geistigen Welt gelten ja vielfach andere Gesetze als diejenigen sind, die wir in der physischen Welt haben.

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Ich habe ja schon einiges davon angeführt. In der physischen Welt gilt zum Beispiel das Gesetz, daß das Ganze stets größer ist als einer seiner Teile. Die vier Dreiecke sind die Teile des großen Dreiecks; das große Dreieck ist größer als einer seiner Teile. Nun denkt man, das ist absolut richtig. Für die geistige Welt ist es gar nicht richtig, sondern da ist der Teil immer größer als das Ganze. Sie werden sagen, das kann nicht sein. Aber das kann man sich eben nur in der physischen Welt nicht vorstellen! Doch es ist eben eine Tatsache: In der geistigen Welt ist Ihre Leber unendlich viel größer als Sie als der Ganze sind. - Und so muß man sagen, auch das gilt in der geistigen Welt: Wenn ich vor Luzifer davonlaufe, so kommt er mir immer näher und näher. Nur wenn ich stehenbleibe und er davonläuft, dann tut er das im Sinne des Davonlaufens in der geistigen Welt - und dann kommt er mir wirklich fern, nicht nahe. Dagegen, wenn ich vor ihm davonlaufe - nun ja, vom geistigen Standpunkt würde ich es eben nicht tun, denn da würde ich dieses Geheimnis kennen, das ich gerade ausgeführt habe -, laufe ich aber vor Luzifer davon, so tue ich es so, wie man davonläuft in der physischen Welt: wenn man längere Beine hat, so entkommt man ihm mit dern Davonlaufen eben in der physischen Welt. Aber in der geistigen Welt kommt man ihm immer näher und näher, da gilt das Umgekehrte. Dagegen, wenn man ihn zum Davonlaufen bringt, so beobachtet er die Gesetze der geistigen Welt, und er macht es so wie die unholdigen Gespenster vordem Tagesanbruch: daß er vor seinem Spiegelbild in der menschlichen Seele wirklich sich entfernt.

Diese Dinge müssen schon ganz ernst genommen werden! Wenn wir sie ernst nehmen, so werden wir auch wissen, daß wir diese unsichtbaren Gegner, Naivität, Illusion, Mangel an Unterscheidungs­vermögen, nur dadurch bekämpfen können, daß wir uns - ja, wie soll ich sagen, in dem Augenblicke, wo man über sie spricht, da wollen sie schon wieder immer dasein -, daß wir uns über sie keine Illusionen machen, daß wir sie fortjagen. Also ich muß selbst sagen: Man muß dazu kommen, sich über Naivität, Illusion und Mangel an Unter­scheidungsvermögen nur ja keine Illusionen zu machen. Man muß also schon da wiederum der Illusion gegenüber auf dem richtigen Boden stehen.

Aber sehen Sie, das ist nun einmal meine Beobachtung, die sich auch in den letzten zehn Jahren immer mehr und mehr befestigt hat:

Daß wir von dem, was bei der Grundsteinfeier gemeint war, lernen,

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auch diese unsichtbaren, aber deshalb nicht weniger mächtigen und bedeutungsvollen Feinde aus unseren anthroposophischen Kreisen hinauszubringen. Und stehen wir ganz fest auf dem, was damals vor zehn Jahren mit der Grundsteinlegung gemeint war, dann werden wir diese Feinde innerhalb unserer eigenen Versammlungen hinaustrei­ben. Sonst aber werden diese Feinde - ich könnte noch einige andere nennen, aber für heute ist es ja genug -, sonst werden diese Feinde in unseren Reihen wirklich unsäglich viel dazu beitragen können, daß die Macht der Gegner außer unseren Reihen von Tag zu Tag wächst. Das wollte ich heute erstens als eine Erinnerung an die Grundsteinlegung, dann auch als einen kleinen Bericht über die Stuttgarter Tagung vor­bringen.

Gründungsversammlung Wien, 1. Oktober 1923 (nachmittags)

#G259-1991-SE655 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

#TI

Die Gründung der österreichischen Landesgesellschaft

anläßlich der Herbstveranstaltung

der anthroposophischen Bewegung in Österreich

in Wien vom 26. September bis 2. Oktober 1923

Gründungsversammlung Wien, 1. Oktober 1923 (nachmittags)

#TX

[Von der Versammlung liegt kein Protokoll vor. In den «Mitteilungen des Vor-standes in Deutschland» (Nr.8 vom Oktober 1923) heißt es in dem Bericht von Dr. Carl Unger «Wiener Tage vom 26. September bis 2. Oktober« über die Grün-dung der österreichischen Landesgesellschaft:]

Bericht von Carl Unger

«Die Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft in Österreich stellt die Freunde dort vor große Aufgaben und vor die Notwendigkeit, noch man­cherlei Schwierigkeiten zu überwinden. Doch ist der erste Schritt getan, der zu einer bedeutsamen Vertretung der Anthroposophie an wichtigster Stelle führen soll. Die Führung der Anthroposophischen Gesellschaft in Österreich wurde von einem Vorstand übernommen, der aus folgenden Persönlichkeiten besteht: Julius Breitenstein, Dr. Norbert Glas, Dr. Franz Halla, Dr. Hans Erhard Lauer, Graf Polzer-Hoditz, Alfred Zeißig. Ein Kreis von Vertrauens-persönlichkeiten, die auch die Städte Graz, Klagenfurt, Linz und Salzburg umfaßt, steht dem Vorstand zur Seite. Die Versammlung schloß mit einer Zustimmungserklärung zur Kundgebung für Dr. Steiner, die stehend ange­hört wurde.»

Wortlaut der damals gefaßten Resolution:

Gegenüber den in letzter Zeit immer brutaler und konzentrierter auftreten­den gegnerischen Angriffen auf die Person Dr. Steiners trat der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland kürzlich mit einer Kund­gebung vor die Öffentlichkeit. Im Anschluß an diese empfinden wir es bei der Gründung der österreichischen Anthroposophischen Gesellschaft als unsere erste Pflicht, auch vor aller Welt Herrn Dr. Steiner unsere unauslöschliche Dankbarkeit zu bekennen für die ungeheure Fülle geistiger Einsichten, wel­che er der Menschheit geschenkt hat.

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Wir erkennen in ihm die reinste Verkörperung wahrer Menschlichkeit, stärksten moralischen Wollens und blicken auf ihn als denjenigen berufenen Führer, der als Träger der Wahrheit allein imstande ist, die Menschheit aus dem Chaos der gegenwärtigen Zeit zu einer neuen Epoche menschlicher Geistesentwicklung zu führen. Wir Anthroposophen lerriten unter seiner Führung durch sein Wort und seine Lebenshaltung, wie das Denken zur Weisheit, das Fühlen zur Schönheit und das Wollen zur moralischen Stärke gelangen kann.

Wir lernten verstehen, wie diese neuen geistig-sittlichen Quellen der Menschheit erschlossen werden müssen. Wir wissen, daß auch die Anthropo­sophische Gesellschaft in Österreich nur unter seiner geistigen Führung den Aufgaben, die ihr gestellt sind, nachkommen kann, und bitten ihn, diese Führung übernehmen zu wollen, ohne daß wir derselben einen äußeren Namen geben.

Die Anthroposophische Gesellschaft in Österreich will bestrebt sein, sich dieser Führung würdig zu erweisen.

Heute erkennt sie es aber als ihre besondere Pflicht, Dr. Rudolf Steiner vor verleumderischen Angriffen zu schützen und der Außenwelt begreiflich zu machen, daß dieser Schutz die Pflicht aller wahrheitsuchenden und anständi­gen Menschen ist, ob sie innerhalb oder außerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft stehen.

Ludwig Polzer-Hoditz berichtet in seinen 1937 erstmals veröffentlichten «Erin­nerungen an Rudolf Steiner»:

«Bei der diesbezüglichen Versammlung, welcher Rudolf Steiner beiwohnte, führte Herr Zeißig den Vorsitz, der bisherige Vorstand des Wiener Zweiges saß am Podium. Die Versammlung verlief sehr unbefriedigend. Es wurde viel herumgeredet, so daß bis zum letzten Augenblick kein Beschluß gefaßt werden konnte. Dr. Steiner mußte in einigen Minuten weggehen, schaute immer schon auf die Uhr, die Versammlung drohte ergebnislos zu verlaufen. Nun stand ich auf, stellte einen kurzen Antrag zur Gründung der Gesell­schaft, bezüglich der Zusammensetzung des Vorstandes und zum Verzicht der weiteren Debatte, forderte diejenigen auf, die damit einverstanden waren, sich zu erheben. Der Antrag hatte die Majorität, und die Gesellschaft war gegründet. Da wir keine verpflichtende Geschäftsordnung hatten, so war der Vorgang möglich. Jedenfalls besteht die Landesgesellschaft bis heute und war die erste unter den Ländern, die eine solche sich auf Wunsch Dr. Steiners einrichteten. » [Sie war, wie aus dem vorliegenden Dokumentationsband her­vorgeht, nicht die erste, aber eine von denen, die auf «Wunsch Dr. Steiners» damals eingerichtet wurden.]

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#TI

WORTE ÜBER DIE GRÜNDUNGSVERSAMMLUNG

DER ÖSTERREICHISCHEN LANDESGESELLSCHAFT

#TX

Wien, 1. Oktober 1923 (Schluß des Vortrags) beim letzten Vortrag für Mitglied erwährend der österreichischen Herbstveranstaltung

Meine lieben Freunde! In der heutigen Nachmittagsversammlung ha­ben Sie eine Resolution angenommen, für die ich Ihnen dankbar sein muß. Ich spreche Ihnen diesen Dank aus tiefster, herzlicher Empfin­dung aus. Aber Sie müssen mir nicht böse sein, wenn ich auch ein wenig meine Meinung sage über das, was doch verknüpft sein soll mit dem, wovon heute nachmittag in manchmal so lauten Worten gespro­chen wurde: von der Weiterentwicklung, Neugestaltung, dem Mün­digwerden der Anthroposophischen Gesellschaft. Gewiß ist das alles außerordentlich gut, wenn ein recht starker Wille dahinter steckt. Aber, meine lieben Freunde, ich werde schon manchmal in die Lage gebracht, etwas konkreter sprechen zu müssen von dem, was eigent­lich notwendig ist. Da ich zu meinem Leidwesen nicht so oft in Wien sein kann, habe ich gerade von diesen Dingen hier in Wien weniger korikret gesprochen als zum Beispiel im Februar bei anderen Gelegen­heiten in Stuttgart. Doch es wird ja einiges auch durchgesickert sein von dem, was ich in Stuttgart oder Dornach zuweilen sagte mit Bezug auf das, was nötig wäre für dieses Mündigwerden der Anthroposophi­schen Gesellschaft in dem einundzwanzigsten Jahr ihres Lebens. Auf ein Wort mußte ich immer wieder hinweisen, was gar sehr in der Entwickelung der Anthroposophischen Gesellschaft notwendig ist:

Das ist das Wort Aufwachen, aufmerksam sein auf das, was in der Umgebung vor sich geht, ein Herz haben für das Leben - nicht bloß für Theorien über das Leben - in der Anthroposophischen Gesell­schaft. Verzeihen Sie, wenn ich dann auch Kleinigkeiten charakteri­siere; aber dem, der das Leben betrachtet, enthüllt es sich oft in Kleinigkeiten. Ich darf auf eine solche Kleinigkeit aufmerksam ma­chen, es ist gar nicht schlimm gemeint, aber es hat sich in diesen Tagen folgendes zugetragen.

Nicht wahr, so wenig als irgend möglich liegt mir an dem, was in der Öffentlichkeit über meine Vorträge oder über das, was ich tue, gesagt wird. Aber es gibt Ausnahmefälle. Da ist an dem Tage, an dem

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mein zweiter öffentlicher Vortrag war, hier ein Zeitungsartikel er­schienen, der- ich will jetzt ganz absehen, ob er sich lobend ausspricht oder nicht, mir sind lobende Artikel nicht wertvoller als furchtbar schimpfende -, der aber doch einige charakteristische Worte hat, die folgendes besagen. Ich erwähne es wegen des Mündigwerdens unserer Gesellschaft. Da wird von der übersinnlichen Erkenntnis gesagt:

«Sie (die Anthroposophie) hat der Zeitforderung nach Verbesse­rung unserer Existenz nicht genügt, sich also bis jetzt selbst nicht als Zeitforderung erwiesen. Und sie wird es auch nicht werden, bis sie nicht bei ihrer zu wirklich fördernden Erkenntnissen kommt. Was sie uns bietet, ist doch nur alte Mystik, die einschlief bei Erlebnis des Übersinnlichen und beim Erwachen alles Erlebte wieder vergessen hatte. Solche Vergeßlichkeit zu überwinden, das ist die Zeitforderung an Rudolf Steiner.» (Neues Wiener Journal vom 29. September 1923.)

Diese Worte sind außerordentlich charakteristisch. Ich bin ja nur, ich möchte sagen, wie durch ein Schicksal etwas eingegangen auf die Besprechung dieser Forderung, indem ich darauf hingewiesen habe, daß es Erkenntnisse gibt, zum Beispiel die über das menschliche Herz, die uns in der Pädagogik weiterführen. Aber denken Sie: Wenn ich diesen Artikel, statt ihn einen Tag nach dem Vortrage in die Hand zu bekommen, dann gehabt hätte, als der Vortrag war, dann hätte geant­wortet werden können: Das, was du da forderst, das besteht ja! - Ich habe es ja berührt, aber ich hätte es vielleicht im anderen Falle ausführ­licher getan. Die Dinge sind ja da - nur werden sie nicht berücksich­tigt. Aber dann kommen die Leute mit solchen Forderungen!

Nicht wahr, wenn einer unserer Freunde hier die Gewogenheit gehabt hätte, mir am Neunundzwanzigsten im Laufe des Tages diesen Artikel zu geben, so würde das bedeutet haben: Man wacht, man kümmert sich um die Dinge, die vorgehen, man geht mit! Denn ich hätte, wenn auch nur in fünf Zeilen, im Anknüpfen an den Schluß dieses Artikels etwas sehr Wichtiges gesagt, und es hätte dadurch etwas getan werden können. Mit dem bloßen Reden davon, daß wir eine neue Phase der Gesellschaft begründen, ist es nicht getan. Wir müssen wirklich aufwachen und mitarbeiten. Das können wir im Kleinsten und im Größeren. Denn ebenso wie ich diesen Artikel bekommen habe, als die Kuh aus dem Stalle war, hätte ich ihn bekom­men können, als die Kuh noch im Stalle war. Das ist es, was ich mir als

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das Mündigwerden der Gesellschaft einmal erbeten habe. Ich muß unangenehm werden, wenn ich von meinem Standpunkte aus die Dinge charakterisiere; aber es ist nun einmal geschehen, und es ist auch nicht so schlimm gemeint!

Aber auf diese Dinge muß man hinweisen, denn da kann wirklich mitgearbeitet werden! Es wäre ganz gut gewesen... ich weiß, es haben viele den Artikel gelesen, aber sie haben es nicht als der Mühe wert gefunden, mir am Tage vor dem Vortrag diesen Artikel zu übergeben. Es ist nur ein Symptom, und ich wähle, um bemerklich zu machen, daß ich es nicht schlimm meine, das läßlichste Symptom, aber es ist deshalb doch charakteristisch.

Und so möchte ich bitten, recht im Ernste zu nehmen, was ich mit dem Erwachen meine. Erwachen heißt: Anfeuern der Aufmerksam­keit für die Umgebung, mitarbeiten an der Welt, mitarbeiten für unsere große Sache, wenn unsere große Sache in Betracht kommt. Theoretische Auseinandersetzungen, daß wir «nun einundzwanzig Jahre alt werden», tun es nicht. Was hilft es, wenn man nun einund­zwanzig Jahre alt geworden ist? Wenn man es jedoch im Inneren der Seele wirklich erreicht hat, ist das Wachwerden dasjenige, was wir brauchen. - Es ist eigentlich gemeint als eine Freundlichkeit, was ich damit sage.

Ich bin am Nachmittage gefragt worden, ob ich selber sprechen möchte, und ich will nun dazu sagen: Im allgemeinen ist es auch gut für unsere lieben Freunde in Österreich, wenn sie - da ich Österreich so gerne habe - nicht bloß mitmachen würden dieses Erwachen, sondern wenn sie sogar ein Musterbeispiel für das Erwachen sein würden. Aber dann muß es beginnen bei den alltäglichsten Dingen, insofern es das Leben der Gesellschaft berührt. In Österreich hat man wirklich Gele­genheit, viel, viel zu tun gerade für diese geistige Bewegung, der wir ergeben sind. Denn Osterreich hat bei einem gewissen, ich möchte sagen, Fortentwickeln eines äußeren oder manches bürokratisch-me­chanischen Eingesponnenen der Lebensgeister dennoch immerdar eine starke Innerlichkeit gerade auf jenem Gebiete gehabt, wo Intel­lektuelles in Gemüthaftes übergeht. Und ich möchte wirklich niemals versäumen, dieses auszusprechen. Wenn man in die fünfziger, sechzi­ger Jahre oder noch an den Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückgeht, so gab es damals in Österreich die besten Schulbücher von der ganzen Welt, und dieses Gute erstreckte sich

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nicht etwa bloß auf die sogenannten humanistischen Schulbücher, sondern bis in die Mathematik- und Geometriebücher hinein. Und da muß man durchaus gerecht sein. Gerecht sein kann man auch gegen jene, die unsere Gegner sind. Es wäre wirklich an der Zeit, wenn man einsehen würde, daß Anthroposophie niemandes Gegner ist: die ande­ren sind Gegner der Anthroposophie. Ich mußte das einmal vor kur­zem bei einer unerquicklichen Angelegenheit in Stuttgart stark monie­ren. Man spricht davon, daß der oder jener mich als «Gegner» behan­delt. Dazu hat er gar kein Recht, da ich mich nicht als Gegner geriere, bis ich mich genötigt sehe, gegnerische Angriffe abzuwehren; die anderen werden Gegner. Dazu braucht man ein feines Unterscheiden. Daher muß man gerecht sein und sagen: Aus jener feinen Bildung heraus, die das geistige Leben ziselierte, die in Österreich bis in die Mittelschulen hinein die Bildung der Benediktiner, der Zisterzienser war, aus dieser Bildung ist etwas eingeflossen von Geistigem in das österreichische Gemüt, was Sie sonst nirgends finden. Ich will Ihnen sonst wirklich nicht schmeicheln, aber die Älteren von Ihnen haben es unbewußt in sich, berücksichtigen es vielleicht nicht. Man hat nicht ungestraft die späteren schauderhaften Geometriebücher eingeführt an Stelle zum Beispiel des Fialkowski oder des alten Moènik, den man als Geometriebuch früher in Österreich hatte, wo alles in der darstel­lenden Geometrie, ohne daß man es merkte, ins Gemüthafte hinüber-geführt war. Schon an den Figuren war das zu merken: Man hatte einen schwarzen Grund und darauf weiße Linien, statt der heute meist anzutreffenden schwarzen Striche. Das alles stand dem Gemüte unendlich viel näher. Davon lebt doch hier noch vieles. Es lebt in den Seelen; nur malträtieren die Menschen ihre eigene Seele: Sie unter­drücken diese Dinge. Und eben gerade der Umstand, daß jener refor­matorische protestantisch-evangelische Intellektualismus nicht als durchgreifende Welle durch das österreichische Gemüt gegangen ist, gerade das bedingt ein ganz besonderes österreichisches Seelenmilieu. Das Deutschtum in Österreich ist etwas anderes als das Deutschtum irgendwo in der Welt. Man braucht ja nur hinzuweisen auf jene feinen Geister, die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Österreich gewirkt haben. Ich will nicht Namen nennen, aber sie sind ja überall zu finden, manchmal gerade an den unscheinbarsten Orten.

Das alles könnte darauf hinweisen, daß mir ja auch dieser Gedanke in einem entscheidenden Augenblicke vorschwebte: Rede einmal über

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Anthroposophie und das menschliche Gemüt gerade in Österreich und gerade in Wien. Und wenn Sie auch in Ihren Oberseelen das alles so auffassen würden, wie die Welt das sonst auffaßt: In Ihren Unter-seelen können Sie das gar nicht so! Denn da ist etwas vorhanden von jenem feinen Vibrieren, das aus der eben doch tiefgehenden Bildung, die in Österreich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts da war, hervorgegangen ist. Und man muß sich die Frage: Was kann Deutsch-Österreich für die Anthroposophie tun? - eben mit dem Gemüt beant­worten. Man muß da nicht spekulieren darüber, wie der Unterschied zwischen diesem oder jenem Erdgebiete ist, sondern man muß fühlen, wie hier wirklich starke Innerlichkeit steckt. Das drückt sich in den geringsten Einzelheiten aus. Die anderen Deutschen fühlen das manchmal als etwas recht Fremdes.

Sehen Sie, daß Sie hier eine besondere Aufgabe haben, aus dem Gemüte heraus zu wirken, das mag Ihnen aus Einzelheiten hervorge­hen. Ich saß einmal in Weimar mit Herman Grimm zusammen. Wir kamen im Zusammenhange des Gespräches auf Grillparzer zu spre­chen, und Herman Grimm sagte: «Ich habe einmal gehört von Scherer (der von Wien nach Berlin berufen wurde), daß Grillparzer auch ein Dichter sein soll.» Denken Sie sich: Der Mann, der damals der geist­vollste unter den Vertretern des deutschen Geisteslebens war, sprach in dieser Weise! Und er erzählte dann weiter: « Ich hatte einmal bei einem Aufenthalt in München eine freie Stunde und schickte hinüber zur Hofbibliothek, um mir etwas von Grillparzer kommen zu lassen; und als ich las, da kam mir das vor, als wenn das eigentlich gar nicht in deutscher Sprache, sondern in einer fremden Sprache geschrieben wäre, es kam mir wie etwas ganz Fremdes vor.» Das sagte Herman Grimm!

Wer Österreich mit dem Gemüte faßt, der kann nicht so sprechen; dem wird eben diese Sprache, die gerade bei Grillparzer so stark hervortritt, als die Sprache des Gemütes sich offenbaren. Man muß schon mit dem Herzen sich diese Frage beantworten: Was soll Öster­reich für die Anthroposophie tun? - Es ist ja gut für den Österreicher, daß im Wort «Anthroposophie» nur ein R ist; denn Sie wissen ja- Sie werden mir recht geben -, der Österreicher lernt eigentlich niemals das R ordentlich aussprechen. Das ist gerade seine Eigentümlichkeit, daß er immer da, wo ein R ist, eigentlich ein A spricht. Wir vokalisieren das R. Erforschen Sie nur Ihre Vokal- und Konsonantengeheimnisse, und

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Sie werden finden, daß Sie zum R kein großes Genie haben! Es ist so beim Österreicher, daß er dieses «Rollen» des R eigentlich niemals mit seinem Sprachorgan begreift. Der Österreicher spricht eben ein «ge­mütliches» R; aber es ist eben nicht gemütlich - und so wird es kein ordentliches R. Doch ist es eben so, daß man das Wesenhafte da ergreifen muß, wo es ist.

Und so dachte ich: Ich möchte einmal durch diese Vortragsreihe Ihr Gemüt ergreifen! Das ist die Antwort auf die Frage, die unser lieber Freund Zeißig heute nachmittag an mich stellte. Das ist es, was ich als Abschiedsgruß sagen wollte. Damit schließe ich diese Vortragsreihe, und ich möchte nur noch hinzufügen, daß es mir eine tiefe Befriedi­gung gewährt hat, wieder einmal unter Ihnen in Wien zu sein. Und ich hoffe ja, daß wir bei unserer Geistesbewegung, wenn wir auch äußer­lich auseinander sind, uns immer innerlich zusammen wissen. Und da wir uns ja immer zusammen wissen und zusammen fühlen, so werden wir, auch wenn wir räumlich getrennt sind, geistig zusammen sein!

#TI

Kurzbericht in Dornach über die Gründung der

österreichischen Landesgeselischaft

Dornach, 5. Oktober 1923 (zu Beginn des Vortrags)

#TX

Am Montag, den 1. Oktober, fand eine Versammlung der österreichi­schen Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft statt. Zu den anderen Landesgesellschaften wird nun auch die österreichische An­throposophische Gesellschaft hinzukommen, so daß unter den Lan­desgesellschaften, welche bei der Begründung der Internationalen An­throposophischen Gesellschaft zu Weihnachten in Dornach sein wer­den, eben auch diese österreichische Anthroposophische Gesellschaft sich einfinden wird.

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#TI

Die Gründung der holländischen Landesgeselischaft

während der Herbstveranstaltung der anthroposophischen

Bewegung in Holland

Den Haag, 13. bis 18. November 1923

BEGRÜSSUNGSWORTE

vor den Vorträgen für Mitglieder («Der übersinnliche Mensch,

anthroposophisch erfaßt», 5 Vorträge, GA 231).

Den Haag, 13. November 1923

#TX

Meine lieben Freunde! Sie werden mit Recht annehmen, daß ich mit einer großen Befriedigung wiederum zu Ihnen hierher gekommen bin, um vor Ihnen und mit Ihnen Anthroposophisches zu besprechen. Es kann das natürlich selten genug geschehen, aber es wird ja auch mög­lich sein, daß manches gerade bei solchen Gelegenheiten wie richtung­gebend ausgesprochen und dadurch Veranlassung gegeben wird zu weiterer Verarbeitung des Ausgesprochenen. Und das ist ja immer die Grundlage für ein Zusammensein auch dann, wenn wir dieses Zusam­mensein nicht räumlich verwirklichen können.

Diesmal sind wir auch deshalb zusammengekommen, um bei dieser Gelegenheit die holländische Anthroposophische Gesellschaft zu for­men. Die Formung dieser einzelnen anthroposophischen Landesge­sellschaften ist ja gegenüber den gegenwärtigen Verhältnissen notwen­dig, wenn wir eine möglichst individuelle, gute, gediegene Grundlage schaffen wollen für das, was wir in der Gegenwart brauchen. Die Internationale Anthroposophische Gesellschaft, die dann zu Weih­nachten in Dornach ihre Begründung finden soll, wird ja nur begrün­det werden können, wenn die einzelnen Landesgesellschaften dann in einer solchen Weise vertreten sein werden, daß ihre Vertreter wirklich, ich möchte sagen, das innerlich Substantielle der einzelnen anthroposophischen

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Individualitäten zum Ausdruck bringen können. Damit werden wir aber auch bei Begründung der allgemeinen Anthroposo­phischen Gesellschaft etwas, was nun sehr notwendig ist, etwas sehr Wichtiges und Bedeutungsvolles, ausführen können. Wenn Sie mit mir fühlen können, wie wichtig diese Angelegenheiten für die Gegen-wart sind, dann werden wir alle für diese Tage die richtige Stimmung aufbringen. Und aus dieser Stimmung heraus möchte ich für Ihre Worte herzlichst danken und Ihnen allen meinen allerherzlichsten Gruß für diese Tage sagen.

#TI

AUSFÜHRUNGEN BEI DER GRÜNDUNGSVERSAMMLUNG

DER HOLLÄNDISCHEN LANDESGESELLSCHAFT

Den Haag, 18. November 1923 (nachmittags)

#TX

[Ein Gesamtprotokoll der in Holländisch geführten Verhandlungen liegt nicht vor. Doch Rudolf Steiners verschiedene Voten wurden wie folgt festgehalten:]

Meine lieben Freunde! Soweit ich mit Hilfe der Interpreten den Gang der Verhandlungen verstehen kann, müssen doch jetzt zur Geschäfts­ordnung ein paar Worte gesagt werden.

Mir scheint absolut notwendig, daß der Beschluß, der eben gefaßt worden ist, am Ende der Verhandlungen gefaßt wird. Ich möchte also vorschlagen, den feierlichen Beschluß zu annullieren, die Verhand­lungen über sich ergehen zu lassen und dann zu überlegen, ob der Entschluß gefaßt werden kann, die holländische Gesellschaft zu begründen.

Über den Charakter der zu begründenden Gesellschaft:

Meine lieben Freunde! Mir scheint, daß der nächste Gegenstand der Verhandlungen sein müßte die Konstituierung der Gesellschaft, und zwar in der Weise, daß das dann zu den Beschlüssen führen kann, die darin bestehen: die Gesellschaft als begründet zu erklären, den Gene­ralsekretär zu wählen, den Vorstand zu wählen und so weiter. Aber es müssen da doch einige Erwägungen vorgehen über die Gründe,

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warum jetzt überhaupt in solche Verhandlungen eingetreten wird, wie sie den Inhalt dieser heutigen Verhandlungen bilden sollen.

Sie werden wissen, meine lieben Freunde, daß vor einiger Zeit der Gedanke auftauchen mußte, eine Internationale Anthroposophische Gesellschaft zu begründen, die ihren Mittelpunkt in Dornach hat. Wir haben ja allerdings in Dornach den tiefen Schmerz erlebt am Beginn dieses Jahres, die Stätte zu verlieren, auf die wir alles aufbauen wollten, was in Dornach geschehen soll. Aber wir hoffen auch, daß mit Hilfe unserer Freunde in aller Welt ein Wiederaufbau dieses Goetheanum in Dornach möglich sein wird. Ich will mich hier nicht verbreiten über die Tiefe des Schmerzes, der uns befallen hat wegen der Zerstörung des Goetheanum, denn wir wollen uns ja heute den positiven geschäftli­chen Verhandlungen der Anthroposophischen Gesellschaft widmen. Allein der Gedanke, eine Internationale Anthroposophische Gesell­schaft zu begründen, muß uns doch eigentlich zunächst erfüllen, und wir müssen über seine Bedeutung und seine Tragweite nachdenken.

Sie haben, meine lieben Freunde, gleich zu Beginn der heutigen Tagung eine Anzahl wirklich recht bedeutsamer Auseinandersetzun­gen gehört über einzelne Gebiete der Arbeit innerhalb der anthropo­sophischen Bewegung, zum Beispiel über die Absichten in bezug auf die eben begründete Klinik von Herrn Dr. Zeylmans und über die Bestrebungen in bezug auf die hier auch begründete, nach dem Muster der Waldorfschule lehrende Schule. An beiden Institutionen durfte ich in diesen Tagen zu meiner großen Befriedigung einen, wenn auch in der Zeit kurzen, aber um so innigeren Anteil nehmen. Ich möchte nur erwähnen, wie es in einer außerordentlich bedeutsamen Weise Herrn Dr. Zeylmans gelungen ist, eine verhältnismäßig ganz große Anzahl von Ärzten zu interessieren für unsere modernen medizinischen Be­strebungen, vor denen ich dann im Institut von Herrn Dr. Zeylmans zwei Vorträge über diese unsere medizinische Bewegung halten durfte [in GA 319]. Das ist ein Erfolg, der herbeigeführt worden ist durch das Gebiet unseres medizinischen Wirkens, der wirklich in der unmittel­baren Gegenwart nicht genug anerkannt werden kann und der eine ganz große, eine ungeheure Bedeutung hat.

Das zweite ist die Schule. Auch von der Schule ist ein ähnliches zu sagen. Die Schule durchdringt wirklich - soweit es nur möglich war, das bei den zwei Besuchen zu konstatieren -, die Schule durchdringt zielbewußtes Wollen und eine ganz kluge, verständige, weisheitsvolle

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Verwendung unseres pädagogischen Inhaltes, wie er aus der anthro­posophischen Bewegung gefordert wird. Zielbewußtheit und schon ein ganz hoher Grad von Orientierungskunst auf unserem pädagogi­schen Gebiete, das tritt einem in dieser Schule entgegen. Hingebungs­volle Arbeit und Tüchtigkeit sind durchaus dasjenige, was einem sofort auffällt. Wenn wir dasjenige, was ja für unsere Schulbestrebun-gen ganz besonders neu ist, wenn wir die Pflege der Eurythmie an der hiesigen Schule ins Auge fassen, so darf ich gerade darüber auch eine tiefe, innige Befriedigung ausdrücken, denn die Sache durchdringt eine außerordentliche Hingebung, Opferwilligkeit und Tüchtigkeit. Das alles breitet wirklich etwas aus über die ganze Schule, so klein sie noch ist - sie wird ja hoffentlich größer werden -, was schon geeignet ist, Vertrauen einzuflößen.

Und gerade indem ich so etwas betone, meine lieben Freunde, möchte ich noch mit Bezug auf diese Dinge, wie in Parenthese, einige Einzelheiten hinzufügen, die mir aufgefallen sind. Sehen Sie, es wurde gesprochen über die angebliche Teuerheit der Heilmittel. Ja, die Sache liegt so, daß die Heilmittel eben gerade soviel kosten müssen als notwendig ist, um die Kosten der Herstellung, der Versendung und so weiter zu decken. Das ist immerhin gesünder - man muß ja auch bei der Medizin an die soziale und an die finanzielle Gesundheit denken, sonst ist man inkonsequent -, es ist viel gesünder, die Heilmittel so zu bezahlen, wie sie schon einmal kosten müssen nach den Herstellungs­kosten und so weiter, als sie geringer zu bezahlen und ein Defizit zu haben; das müßten Sie ja doch wieder bezahlen, wenn es nicht vom Monde herunter bezahlt werden soll. Das wären keine gesunden Ver­hältnisse. Diese Dinge müssen schon gerade bei uns so berücksichtigt werden, daß man für solche Fälle, daß dem einen oder anderen die Heilmittel zu teuer sind, einen Fonds gründet oder dergleichen, von dem aus dann diese Heilmittel bezahlt werden. Auch da müssen wir schon eine Art Vertrauen entwickeln, müssen dieses Vertrauen der Einsicht derjenigen entgegenbringen, die für diese Heilmittel arbeiten müssen. Dies nur in Parenthese.

Im ganzen wird sich doch aus den Darlegungen von Frau Mulder und Herrn Dr. Zeylmans dies mit aller Klarheit ergeben: Wo wir anfangen mit irgend etwas, was von vornherein einen überschaubaren Inhalt hat, den man in Begrenzung sehen kann, zeigt es sich gleich, daß wir weiterkommen, daß wir geistig wirken können. So, sehen Sie, geht

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es in den berechtigten Sondergebieten unserer anthroposophischen Bewegung.

Wir haben gesehen, wie in der letzten Zeit - und ich hoffe, das wird sich auch in Holland so ergeben - die Eurythmie ganz ungeheure Fortschritte gemacht hat. Es ist kaum möglich für Frau Dr. Steiner, alle die Wünsche, die in bezug auf das Sehen von eurythmischer Kunst überall in der Welt auftauchen, auch nur einigermaßen zu befriedigen. Wir haben auch hier jetzt während dieser Tagung gesehen, wie dasje­nige, was wirklich tief notwendig ist in der anthroposophischen Bewe­gung, insbesondere wenn die Eurythmie auf der einen Seite, das Schul­wesen auf der anderen Seite sich ausbreitet, wie die Kunst des Spre­chens, das Deklamatorische, das Rezitatorische, Interesse entflammt) hat und eigentlich fordert, daß es nun auch in entsprechender Weise gepflegt wird. Ich sagte schon: An dem Klinischen Institut und an der Schule sehen wir, wie dann, wenn wir eben einen substantiellen, überschaubaren Inhalt haben, wir auch vorwärtskommen.

Nun, sehen Sie, meine lieben Freunde, es ist ja so, daß alle diese einzelnen Bestrebungen nicht dasein könnten ohne die Zentralbestre­bung, die dabei die Hauptsache doch bleibt: die anthroposophische Bewegung selbst. Alle gehen sie ja hervor, und alle müssen sie gespeist werden aus der anthroposophischen Bewegung selbst. Nun könnten wir geradezu eine Musteridee für das Wirken der Anthroposophi­schen Gesellschaft gewinnen aus dem Wirken dieser einzelnen Bestre­bungen.

Man muß sich ja ganz offen und ehrlich aussprechen. Nehmen Sie einmal an, es besucht irgend jemand, der fachlich wenigstens denken will, die Schule, die hier begründet worden ist. Er wird überall achtge­ben, ob dasjenige, was die Erziehungs- und Unterrichtskunst durch­dringt, Aussicht hat, die Kinder wirklich vorwärtszubringen, die Kin­der so ins Leben hineinzustellen, wie sie nach den gegenwärtigen Zeitforderungen hineingestellt werden müssen. Keinen Augenblick wird ihm einfallen - ich habe die Schule gesehen, ich kann das sagen -, keinen Augenblick wird ihm einfallen zu sagen: Das ist eine sektiere­rische Schule; da kann man nicht mitgehen, da wird sektiererisch gearbeitet.

Und gehen wir hinüber ins Klinische Institut. Gewiß, diejenigen, die diese beiden Vorträge in den letzten Tagen gehört haben, sie werden gewiß in mannigfaltiger Weise mit dem einen oder anderen,

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vielleicht auch mit dem Ganzen nicht einverstanden sein; das schadet nichts, das muß im Anfang einer Bewegung so sein; da muß man das Vertrauen haben zu dem, was eben die dahinterliegende Kraft ist. Aber mögen die Leute auch mit Einzelheiten oder mit dem Ganzen nicht einverstanden sein, den Eindruck, daß man es da mit einer medizini­schen Sekte zu tun hat, den wird keiner der Teilnehmer irgendwie haben empfangen können. Das war ganz unmöglich. Ebensowenig wird man versucht sein, von sektiererischer Eurythmie, von sektiereri­scher Rezitation oder sektiererischer Deklamation zu reden.

Nun aber fragen wir uns, ob dasselbe gilt für die zentrale Bewe­gung, insofern sie in der Anthroposophischen Gesellschaft zentriert ist. Da bekommt eben gar mancher, der von außen hereinkommt, den Eindruck des Sektiererischen, desjenigen, was durchzogen ist von allem möglichen, von Fanatismus, von Eigensinn, von abstraktem Idealismus, von verschwommenem Mystizismus und so weiter, von allem möglichen, was ihm so riecht, wie es riecht in Sektengemein­schaften, geistig-seelisch. Ich sage das ja natürlich nur, weil die Sachen ausgesprochen werden müssen, nicht weil ich Vorwürfe machen möchte und dergleichen. Ich sage es auch nur, um sozusagen das Gegentableau, das sektiererische Gegentableau hinzustellen, weil ich betonen möchte: So, wie es in diesen einzelnen Bestrebungen, die ja so fruchtbar sind, ist, so müßte es eben in der Anthroposophischen Gesellschaft selber auch sein. Da müßte wirklich drinnen sein ein sachlicher, ein rein sachlicher, objektiver Geist, der als solcher sich dokumentiert vor der Welt.

Das lag zugrunde, meine lieben Freunde, der Idee, nunmehr von Dornach aus die Internationale Anthroposophische Gesellschaft zu begründen. Niemals habe ich etwas besser verstanden innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft, als wenn mir zum Beispiel gesagt worden ist - und ich sehe auch hier Persönlichkeiten, die mir wieder­holt so etwas sagten in den Jahren, in denen ich hier gewesen bin-: Ja, diese Anthroposophische Gesellschaft, sie kommt zusammen in klei­neren Zirkeln und so weiter, aber wir brauchen noch etwas anderes. Wir brauchen zum Beispiel in Dornach eine Zentrale, in der in irgend­einer Weise, vielleicht durch ein Blatt oder durch etwas anderes, alles dasjenige bezeichnet wird, was einer, der der Anthroposophischen Gesellschaft angehört, wissen soll, wofür er sich interessieren soll. Das soll dann für die einzelnen Mitglieder erhältlich sein. - Wir waren

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bisher durch die Zerklüftetheit, die Zerspaltenheit, weil einer vom anderen nichts wissen konnte, eine Gesellschaft, von der auch andere nichts wissen konnten. Wir waren nicht in der Lage, dieser ganz berechtigten Forderung entgegenzukommen. Es ist eine von den For­derungen, die eben einfach erfüllt werden müssen.

Wir haben einmal in der letzten Zeit auf wissenschaftlichem Ge­biete zwei eminent bedeutsame Entdeckungen, meinetwillen, sagen wir, zu verzeichnen. Ich will nur das hervorheben. Es sind zwei biologische Entdeckungen über die Milz und über die Wirksamkeit kleinster Entitäten. Ich will das jetzt nicht ausführen, aber es wäre interessant, wenn man einmal darüber abstimmen würde und alle die aufstehen würden, die noch nichts gehört haben von der Bedeutung dieser wissenschaftlichen Entdeckungen. Es muß wirklich bei uns so etwas geben, durch das man erfährt, was alles geschieht. Es geschieht ja ungeheuer viel in der Anthroposophischen Gesellschaft, aber der ein­zelne hat nicht einmal die Möglichkeit, die Dinge zu wissen. Ich empfand das, wie gesagt, als eine sehr berechtigte Forderung. Aber man kann das alles nur machen, wenn die Gesellschaft, so wie sie sein soll, da ist. Deshalb wurde der Entschluß gefaßt, die internationale Gesellschaft in Dornach so zu bilden - und das soll ja in den kommen­den Weihnachtstagen geschehen -, daß sie solche Aufgaben erfüllen kann. Also nicht bloß äußerlich formell soll diese Gesellschaft daste­hen, daß man also zum Beispiel einheitliche Mitgliedskarten hat, daß man Register hat, wo alle drinstehen, daß man eine Zentralstelle hat, wo alle bezahlen müssen und so weiter. Also nicht bloß in äußerlich formaler Weise soll eine Internationale Anthroposophische Gesell­schaft dasein, sondern in einem organischen Zirkulieren desjenigen, was in ihr geschieht. Denken Sie sich nur, wenn sie einmal da ist in dieser Form, die Internationale Anthroposophische Gesellschaft, dann werden unzählige Schwierigkeiten, die wir heute haben, einfach wegfallen.

Nun kann aber eine solche internationale Gesellschaft nur begrün­det werden in Dornach, wenn die einzelnen Ländergesellschaften zuerst zustande gekommen sind und ihre Delegierten nach Dornach schicken. Dann kann aus den Ländergesellschaften heraus die Interna­tionale Anthroposophische Gesellschaft begründet werden. Das war der Grund, warum in meiner Anwesenheit in verschiedenen Ländern Landesgesellschaften begründet wurden. In Schweden haben wir ja

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längst eine [seit 1913J; in Norwegen ist eine während meines Aufent­haltes gegründet worden [im Mai 1923]; die Schweizerische Anthro­posophische Gesellschaft und die englische sind begründet worden. In Italien wurde der Versuch gemacht. Die deutsche Anthroposophische Gesellschaft ist begründet worden. Die französische Anthroposophi­sche Gesellschaft ist in etwas anderer Form begründet worden, das liegt in den Verhältnissen; sie ist dadurch begründet worden, daß von mir Mlle. Sauerwein als Generalsekretär ernannt worden ist. Also alle diese Landesgesellschaften sind begründet worden, und ich durfte rechnen bei meiner Anwesenheit hier auf die Begründung der hollän­dischen Anthroposophischen Gesellschaft, die dann ihrerseits die mit allen möglichen Willensinhalten der gesamten Gesellschaft versehenen Delegierten zu Weihnachten nach Dornach schickt. Dadurch kom­men wir dann zu einer Internationalen Anthroposophischen Gesell­schaft, die endlich einmal wirklich arbeitet.

Nun wird es sich heute zunächst darum handeln - in vollem Be­wußtsein dessen, daß auch die ganze Anthroposophische Gesellschaft den Charakter tragen muß, den die einzelnen Bestrebungen, die Schule, die Medizin und so weiter tragen, die aus diesem Charakter heraus begründet wurden -, es wird sich darum handeln, daß man wirklich einmal draußen läßt alle sonstigen Differenzen und eben doch bedenkt, daß ja auch die anthroposophische Sache selber wirklich vor der Welt heute vertreten werden kann. Dazu ist natürlich notwendig, daß in der Leitung der einzelnen Landesgesellschaften die Persönlich­keiten bedacht sind darauf, so sachlich zu wirken, wie da auf den einzelnen Gebieten gewirkt wird. Man kann nicht sagen, daß auf den einzelnen Gebieten die führenden Persönlichkeiten nicht hinauskom­men über ihre subjektiven Meinungen. Sie kommen hinein in das sachliche, inhaltsvolle Wirken. Das muß aber auch auf dem Gebiete der gesamten Anthroposophie geschehen. Und darum muß man sich zunächst verständigen über die Statuten, aus deren Inhalt hervorgehen muß: Die Anthroposophische Gesellschaft kann sich heute vor die Welt hinstellen in durchaus unsektiererischer Weise, so wie die einzel­nen Bestrebungen. Auch über die Gestalt, über den Inhalt des Wirkens der Anthroposophischen Gesellschaft - daß das aus den Statuten hervorgeht - darüber wäre zunächst zu sprechen. Ich bin ja ganz der Meinung des einen Herrn, der hier gesprochen hat über Statuten oder so etwas. Mir sind ja die Statuten auch ein Greuel; aber darauf kommt

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es nicht an. Man könnte sich ja auch einfach über die Bedingungen der Anthroposophischen Gesellschaft verständigen, aber Statuten sind ja äußerlich einmal notwendig. Ich möchte sagen: Wenn ich selber zum Beispiel hier Holländer wäre unter Ihnen und wenn ich gefragt würde, ob ich Generalsekretär der holländischen Gesellschaft werden wolle und mich jetzt wählen lassen wolle, so würde ich sagen: Ja, erst muß ich hören, was diese Gesellschaft werden soll, wie sie aussehen soll; erst dann werde ich mich entschließen können, ob ich die Wahl annehmen will oder nicht. - Es ist selbstverständlich, daß nicht zuerst beschlossen werden kann, die Gesellschaft zu begründen, dann den Generalsekretär zu wählen - das alles muß am Ende der Verhandlun­gen stehen.

Also: Zuerst ist zu sprechen über den Inhalt der Statuten, über dasjenige, wodurch sich die Anthroposophische Gesellschaft in der Welt zeigen soll; wodurch sie zeigen soll, was sie will. Das muß sich ausgedrückt finden in formulierten Sätzen in den Statuten. Dann kann erst geschritten werden zur Wahl der Funktionäre. Zuerst die Konsti­tuierung der Gesellschaft, dann die Wahl der Funktionäre, denn dann können die Funktionäre erst wissen, ob sie gewählt werden wollen.

Im Verlauf der Diskussion über die Statuten ergreift Rudolf Steiner das Wort:

Vielleicht kann ich etwas helfen, wenn ich einiges von dem sage, was ich auch vorhabe, zu Weihnachten in Dornach vorzubringen.

Nehmen wir einmal Ihren Artikel 2: «Die Holländische Anthropo­sophische Gesellschaft will eine Menschengemeinschaft sein zur Pflege echter Geisteswerte der Gegenwart...» und so weiter. Das mag ja nun nachgebildet sein dem «Entwurf der Grundsätze einer Anthro­posophischen Gesellschaft». Dieser Entwurf war zunächst gerichtet an diejenigen Persönlichkeiten, die dazumal in der Theosophischen Gesellschaft vorher waren und die sich entschließen sollten, eine An­throposophische Gesellschaft zu begründen. Wer real denkt, der denkt ja immer aus den gegenwärtigen Verhältnissen heraus. Sie müs­sen sich also die Situation vorstellen des Überganges von der Theoso­phischen zu der Anthroposophischen Gesellschaft 1912/13. Da ist dieser Entwurf der Statuten als eine Anleitung geschrieben worden, aus dem ja erst Statuten hervorgehen sollten. Wenn man dann solche Statuten macht, die nun als fertige Statuten dienen sollen für diejenigen Menschen, die neu eintreten sollen, dann muß man vermeiden im

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Sinne dessen, was ich mir heute vormittag zu sagen erlaubte, den Eindruck hervorzurufen des Sektiererischen. Das ist eine Lebensfrage für die Anthroposophische Gesellschaft, daß das vermieden wird. Wenn man ein klassisches Beispiel liefern will dafür, wie man den Eindruck des Sektiererischen machen kann, dann macht man es eben so, daß man in Statuten diesen Artikel 2 und diesen Artikel 3 unmittel­bar nach der Namengebung anbringt. So kann man es aber in Statuten nicht machen. Man muß in Statuten etwas weltmännischer reden. Jeder stößt sich sogleich daran, wenn er eine solche Stilisierung findet:

«Die Holländische Anthroposophische Gesellschaft will eine Men­schengemeinschaft sein...» und so weiter. Erstens ist damit nichts gesagt, denn jeder hält diejenigen Geisteswerte schon ohne weiteres für die echten Geisteswerte der Gegenwart, die er anerkennt. Also, erstens ist nichts Besonderes damit gesagt; aber zweitens macht es den Eindruck, daß man eine Sekte ist. Sie müssen ja auch in Erwägung ziehen: Die Theosophische Gesellschaft war eine Sekte, ist es heute noch; die Anthroposophische Gesellschaft soll es nicht sein und kann es nicht sein nach ihrem ganzen Inhalt. So ist es auch nicht zu verwun­dern, daß der damalige Entwurf der Statuten erst sanft und gelinde [sich] herausarbeitet aus der sektiererischen Gesinnung der Theoso­phischen Gesellschaft.

Aber heute sind wir doch schon wiederum mehr als zehn Jahre weitergekommen als damals, wo dieser Entwurf niedergeschrieben wurde. So daß ich meine, es wird notwendig sein, wirklich diesen Statuten - ich muß das Wort noch einmal gebrauchen - einen weit­männischeren Stil zu geben. Ich habe mir die Sache auch noch nicht gründlich überlegt, weil ich erst Weihnachten darüber sprechen sollte. Ich möchte die Dinge immer ehrlich sagen. Es ist nicht richtig, zu sagen, es solle in Dornach erst verhandelt werden und es hätte keinen Zweck, alles festzulegen. In Dornach sollen die einzelnen Ländergesellschaften mit ganz fertigen Statuten kommen. Also das Richtige ist, schon heute die Statuten bis zum 1-Tüpfelchen fest­zustellen.

Ich würde Ihnen vorschlagen, aber natürlich nur der Richtung nach, versuchen Sie den Stil der Statuten etwa in der Richtung zu halten: «Die Holländische Anthroposophische Gesellschaft soll die Aufgabe haben, ein geistiges Leben in der Art zu pflegen, wie dies von der Gründungsversammlung am 18. November 1923 zu Haag im we­sentlichen

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als richtig angesehen wird.» - Da haben Sie einen positiven Ausgangspunkt. Da sagen Sie: Wir haben heute eine Meinung, und die Anthroposophische Gesellschaft soll diejenige Gesellschaft sein, die dann diese Meinung weiterführt. «Die hier versammelten Persönlich­keiten sind der Ansicht, daß in der heute schon in weitem Umfange vorhandenen anthroposophischen Geisteswissenschaft etwas vorliegt, das auf die geistigen und physischen Seiten der Zivilisation und des einzelnen menschlichen Lebens einen noch größeren Einfluß haben kann als die Ergebnisse der Naturforschung, der Naturwissenschaft auf die materiellen und technischen Seiten.» Dann müßte man etwa in Parenthese sagen: «Unter diesen Ergebnissen, die hervorgehen wer­den aus dem hier Intendierten, wird sein: ein wirkliches Menschenzu­sammenwirken in den Zivilisationen im Sinne von Brüderlichkeit; ein wirkliches Verstehen der auseinander sich ergebenden, äußerlich dif­ferenzierenden Weltanschauungen; die Gewinnung der eigenen, indi­viduellen Weltanschauung durch das Verständnis der verschiedenen Religionen und Weltanschauungen und ein wirkliches Verständnis des geistigen Kernes in allen Wesen und in allen Vorgängen.»

In dieser Art ungefähr könnte man in weltmännischer Weise etwas sagen, wobei kein Mensch daran denkt, du kommst in eine Sekte hinein, weil das so klingt, wie überhaupt solche Dinge in anderen Vereinigungen klingen, zum Beispiel in Naturforscherversammlun-gen. Aber in dem Augenblick, wo Sie den Leuten etwas sagen, was schon eine Theorie ist, in dem Augenblick macht das den Eindruck des Sektiererischen. Es ist schon eine Theorie, zu sagen: «Jeder, der ein wahrhaftiges Interesse hat...» und so weiter. Da ist ja schon ein ganzer Umfang von Dogmatismus darinnen. Wer das liest als Außen-stehender, der muß ja denken: Ich komme da bis über den Kopf in das Wasser des Sektiererischen hinein. - Und das muß man streng vermei­den. Sonst werden Sie es weiter erleben, daß die anthroposophische Bewegung nicht mehr aufzuhalten ist, daß aber die Anthroposophi­sche Gesellschaft nicht mehr imstande ist, zu fassen, was in der anthro­posophischen Bewegung enthalten ist. Die Anthroposophischen Ge­sellschaften machen vielfach auf die Welt den Eindruck von kleinen Sekten. Das ist die anthroposophische Bewegung nicht.

In der Art möchte ich empfehlen, über die Sache nachzudenken. Man kann natürlich alles hineinbringen, aber es handelt sich um das «Wie», wie man es hineinbringt. Die drei Punkte müssen hinein, Herr

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van Leer hat recht, aber wie müssen sie hinein. Man muß es so abfassen, daß niemand Anstoß daran nehmen kann, daß es nicht sektiererisch klingt. Damit wäre also der Artikel 2 gegeben.

Der Artikel 3 müßte weitherzig gefaßt sein, so, daß man gewiß im einzelnen Falle unerwünschte Ansucher abhalten kann, aber auch so, daß nicht immer gerade diejenigen Leute abgehalten werden, die ei­gentlich am besten in der Gesellschaft drinnen wären. Es werden heute wirklich viele Leute abgehalten, in die Gesellschaft einzutreten, da-durch, daß man ihnen in einer bestimmten Weise entgegenkommt von den Vorständen. Sie können nicht eintreten, wenn man sie so mit Aufnahmebedingungen traktiert, wie es heute vielfach geschieht. Das lassen sich die Leute nicht gefallen, da treten sie eben nicht bei. Es soll nicht getadelt, noch irgend jemand getroffen werden, aber ich muß doch Folgendes sagen: Da werden Einführungskurse gehalten, in denen einfach dasjenige gesagt wird, was in diesem oder jenem Buche oder Zyklus steht. Dann kommt jemand, der wirklich durch sein sonstiges Leben reichlich die Bildung hat, durch die er zu uns gehören kann, und es wird ihm gesagt:Ja, du hast aber keinen Einführungskurs durchgemacht. - Meine lieben Freunde, wenn solch eine Sache von der Gesellschaft gemacht werden kann, dann wird sie niemals wachsen, wie sie wachsen soll. Ich möchte in dieser Richtung die Diskussion jetzt orientieren, nicht etwa mit dem Gesagten Bestimmtes geben.

Der Schwerpunkt des Artikels 3 müßte in dem Modus für die Aufnahme der Mitglieder liegen, für die Mitgliedschaft. Der Artikel 2 müßte so gestaltet werden, wie ich es eben charakterisiert habe, daß er einen weltmännischen Charakter hat. Aber der Artikel 3 muß dann eine gewisse Richtung geben für den ganzen Charakter der Gesell­schaft. Es muß also etwas in den Statuten schon enthalten sein, wo­durch bestimmt werden kann, wer Mitglied werden kann. Aber auch das wieder in einer möglichst toleranten, liberalen, wiederum welt­männischen Form. Alles das sind aber nur Hinweise, nicht einmal Vorschläge. Ich lege großen Wert darauf, daß alles, was in den Statuten der Landesgesellschaften steht, nicht von mir kommt, sondern von den Landesgesellschaften selber. Ich möchte nur eingreifen und hel­fen, wenn die Diskussion stockt.

Ich meine also, es müßte dann naturgemäß in den Statuten enthalten sein: «Die hier charakterisierten Bestrebungen haben ihren Mittel­punkt in alledem, was in wissenschaftlicher, medizinischer, in künstlerischer,

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in religiöser Beziehung ausgeht vom Goetheanum, der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft in Dornach, und daran ange-knüpft werden kann.» Wenn Sie diesen Paragraphen in irgendeiner Fassung drinnen haben, dann haben Sie als aufnehmende Vertrauens-persönlichkeit ein Recht, jemanden abzuweisen, der vielleicht sagt:

Ich habe ein Bestreben, das Geistesleben zu pflegen, aber Dornach sehe ich als einen Dreck an. - Also eine gewisse Richtung muß schon angegeben sein. Es genügt nicht, daß man nur sagt: Die Aufnahme erfolgt durch Vertrauenspersönlichkeiten. - Es kann nicht einfach Willkür herrschen. Solch ein Paragraph müßte sich anschließen, und dann könnte man sagen: Jeder, der ein Interesse hat für die hier charakterisierten Bestrebungen, kann sich zur Mitgliedschaft melden. Die Aufnahme erfolgt so und so - bitte das so zu wählen, wie es die Landesgesellschaften für richtig halten. So ungefähr müßte sich das Denken bewegen; denn man muß doch irgend etwas sagen in den Statuten.

Es kommt wirklich bei solchen Dingen auf die Stilisierung an. Bedenken Sie, was es für ein Unterschied ist, ob Sie einen persönlichen Namen gebrauchen, wie in Artikel 2, oder ob Sie sagen: «Die charak­terisierten Bestrebungen haben ihren Mittelpunkt in alledem...» und so weiter. Es gibt zahlreiche Menschen, denen es gar nicht einfallen würde, sich einer Bewegung anzuschließen, die sich auf einen Namen gründet. Prinzipiell tun sie es nicht. Bei der eben angegebenen Stilisie­rung wird kein Mensch vor dem Passus zurückschrecken. Wer zu­rückschreckt vor dieser Fassung, den können wir auch wirklich nicht gebrauchen. Solche Sachen müssen wir wissen und berücksichtigen, sonst lebt man außerhalb der Wirklichkeit, wenn man Statuten macht.

Über das Amt des Generalsekretärs:

Das Amt des Generalsekretärs der Landesgesellschaften ist ein emi­nent wichtiges Amt, und selbst, wenn es das heute noch nicht wäre, so müßte es das doch werden. Es obliegen dem Generalsekretär zweierlei Verpflichtungen: Erstens die gesamte Repräsentation der Anthropo­sophischen Landesgesellschaft gegenüber den eigenen Mitgliedern; zweitens die Repräsentation der Landesgesellschaft gegenüber der Leitung der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft in Dornach. Dazu kommt aber ein Drittes, eine absolut notwendige

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Stenographische Notizen Rudolf Steiners auf dem Blatt 1 «Vorläufiger Entwurf der Statuten einer Holländischen Anthroposophischen Gesellschaft».

Die Holländische Anthroposophische Gesellschaft soll die Aufgabe haben, die Ergebnisse der heute schon bestehenden anthroposophi­schen Geisteswissenschaft, die durch ihre Natur eine noch weit grö­ßere Bedeutung für das Leben haben können als die für die moderne Zivilisation so fruchtbaren Naturwissenschaften, zu ihrer Wirksam­keit in der Welt zu bringen.

Die Holländische Anthroposophische Gesellschaft will ihre Wirk­samkeit in dem Sinne entfalten, wie es der Versammlung ihrer Begrün­der... [Punkte im Original] entspricht. Diese kennen die heute schon in weitem Umfang vorhandenen Ergebnisse der anthroposophischen Geisteswissenschaft für die Entwicklung der mehr geistigen Seite der menschlichen Zivilisation und des einzelnen menschlichen Lebens.

Langschriftliche Hinzufügungen von unbekannter Hand:

Gemeinschaft

der Vertrauenspersönlichkeit einer Gruppe

Die Vertreter der Gruppen werden von den Gruppen für mindestens ein Jahr ernannt

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Sache, wenn die Gesellschaft wieder blühen soll. Der Generalsekretär muß eine Persönlichkeit werden in den einzelnen Landesgesellschaf­ten, die man kennt, die man nennt, wenn man die Gesellschaft nennt. Daraus folgt, daß er nicht auf kurze Zeit ernannt werden kann, son­dern daß er eigentlich auf eine möglichst lange Zeit hin wirken soll. Nun haben Sie heute, so daß es, wie mir scheint, sogar Inhalt der Statuten werden soll, Herrn Dr. Zeylmans zum Generalsekretär er­wählt. Nun müßte also für dieses Amt des Generalsekretärs sich zunächst ein entsprechender Statuten-Paragraph vorfinden. Es müßte ungefähr folgendes dastehen: «Das Amt des Generalsekretärs gilt auf unbestimmte Zeit und kann nur aufhören: 1. bei eigener Demission; 2. wenn die Majorität der Mitglieder der Holländischen Anthroposophi­schen Gesellschaft mit dem Generalsekretär nicht mehr einverstanden ist; 3. wenn von der Leitung der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft in Dornach Einspruch erhoben wird.»

Über das Verhältnis zwischen den Landesgeselischaften und der internationalen

Gesellschaftsleitung:

Es ist besser, die ganzen Paragraphen und Formulierungen von inter­nationaler Leitung und so weiter wegzulassen. Die Landesgesellschaf­ten selbst, die müssen auf irgendeine Weise zutage treten aus den Statuten. Die Landesgesellschaften werden ja formiert vor der Begrün­dung der internationalen Gesellschaft in Dornach. Diese internatio­nale Gesellschaft soll ja erst entstehen auf Grundlage der Landesgesell-schaften. Daher sollte aus diesen Statuten hervorgehen, daß die heutige Gründungsversammlung designiert den Vorstand. Und dann muß wiederum ausgedrückt werden, wie auch beim Generalsekretär, wie lange der Vorstand bleibt. Und bezüglich der Erweiterung des Vor­standes sollte dann etwas gesagt werden. Der heutige Vorstand wird aus der souveränen Gründungsversammlung heraus designiert, da braucht es keine Anerkennung der internationalen Leitung. Aber dann könnte vielleicht dastehen: «Der Vorstand kann kooptiert werden; er kann erweitert werden durch eine Versammlung von Mitgliedern, bei der wenigstens soundso viele Mitglieder versammelt sind mit einer Majorität von soundso viel.» - Meinetwillen könnten Sie auch sagen:

«Der Vorstand kann erweitert werden durch Ernennung seitens des bisherigen Vorstandes...» und so weiter: «Die Wahl oder Ernennung zukünftiger Vorstandsmitglieder gilt, wenn von seiten der Internationalen

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Leitung in Dornach kein Einspruch erhoben wird.» - Es ist meine Meinung, daß das etwas zu weitgehend sein würde, aber wenn Sie es wollen, können Sie es so machen. Es ist in gewisser Beziehung gut, wenn, falls einmal die internationale Gesellschaft da ist, die Zu­sammengehörigkeit auch dadurch zum Ausdruck kommt, daß die internationale Leitung ein Veto einlegen kann gegen eine Ernennung, daß sie aber kein positives Mitbestimmungsrecht hat. Ein Einspruchs­recht ist ja ganz was anderes als ein positives Mitbestimmungsrecht.

#TI

RÜCKBLICK AUF DIE GRÜNDUNGSVERSAMMLUNG DER

HOLLÄNDISCHEN LANDESGESELLSCHAFT

im letzten Vortrag von

«Der übersinnliche Mensch, anthroposophisch erfaßt»

Den Haag, 18. November 1923 (Schluß des Vortrags)

#TX

Es erübrigt sich mir nur noch, im Anschlusse an das, was ich Ihnen bei dieser Anwesenheit aus der Anschauung der geistigen Welten heraus aussprechen durfte, anknüpfend an das, was sich für die Gründung der holländischen Anthroposophischen Gesellschaft abgespielt hat, zu sagen, wie es mein inniger Wunsch und meine Hoffnung ist, daß nun von dieser Tagung etwas ausgehen möge, was sich entzünden möge in Ihren Herzen und in Ihren Gemütern.

Wenn wir in der Lage sind, anthroposophische Erkenntnis nicht bloß lesend oder anhörend aufzunehmen, sondern wenn wir durch lebendige anthroposophische Betrachtung immer mehr und mehr da­hin kommen, den Inhalt der Anthroposophie mit unserem Herzen, unserem Gemüt zu erleben, dann wird es uns wirklich so, als ob nicht bloß der Sinn von Ideen eindringe in unsere Seelen, wenn wir in den anthroposophischen Zweigen beisammen sind und mit anderen Men­schen Anthroposophie treiben oder wenn wir im einsamen Kämmer­chen bleiben; sondern dann wird es uns so, als ob lebendige Weltenwe-sen in unsere Seelen einzögen. Dann erscheint uns immer mehr und mehr die Anthroposophie selber als etwas lebendig Wesenhaftes. Und wir werden dann schon gewahr, wie etwas an die Pforte unseres Herzens klopft mit der Anthroposophie und sagt: Laß mich ein, denn ich bin Du selbst; ich bin deine wahre Menschenwesenheit!

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Von dieser wahren Menschenwesenheit möchte Anthroposophie nicht nur erzählen, sondern mit dieser wahren Menschenwesenheit möchte Anthroposophie die menschliche Seele und das menschliche Gemüt erfüllen. Und Sie werden dasjenige, was Sie sich heute vorge­nommen haben, am besten zur Ausführung bringen, wenn Sie öfter einmal - sei es auf dem Wege zur Versammlung, sei es, ein Buch in die Hand nehmend oder sonst etwas beginnend, wovon Sie glauben, daß es in der anthroposophischen Bewegung fruchtbar werden soll -, wenn Sie öfter einmal sich dessen erinnern, wie aus einem wahren anthroposophischen Betrachten der Welt in uns aufstrahlen kann das Gefühl und die Empfindung, daß Anthroposophie eigentlich an un­sere Herzen pocht, um uns unseren wahren Menschen, unseren eigentlichen Menschen, um uns - uns selbst zu bringen und damit dasjenige in uns zu bringen, was wiederum den Weg hinausfindet in echter Menschenliebe zu den anderen Menschen. Dann, wenn wir Anthroposophie einlassen in unsere Herzen, nachdem sie gepocht hat, dann bringt uns Anthroposophie durch das, was sie selber ist, wahre Menschenliebe.

Oh, in unserer jetzigen Zeit ist es gar sehr notwendig, daß wir in diesem Stile den Inhalt der Anthroposophie betrachten. Denn sehen Sie sich ein wenig um in der Welt: Die Zeit ist da, in welcher die Menschheit schwer geprüft wird. Warum wird die Menschheit so schwer geprüft?Ja, wenige schauen hin auf das, meine lieben Freunde, was in den Tiefen des historischen Weltgeschehens sich abspielt, wo nicht mehr das menschliche heutige Bewußtsein, sondern wo das Unbewußte nur hineindringt. Ziemlich gedankenlos und schläfrig lebt eigentlich der größte Teil der Menschheit heute mit dem gewöhnlichen Bewußtsein dahin. Aber während wir im Kopfe dieses gewöhnliche Bewußtsein haben, schreitet unser tieferes Bewußtsein, welches das Herz ergreift, gerade eben historisch für die moderne Zivilisation durch die Schwelle zur geistigen Welt durch. Oben im Kopfe leben die Menschen mit alledem, was sie heute miteinander reden, namentlich mit alledem, was sie sich über die öffentlichen Verhältnisse vorlügen, und unten geht die ganze Menschheit - ohne daß sie es ahnt, wie wenn einer auf dem Vulkan ginge - durch die Schwelle durch. Und jenseits muß der Mensch entweder verderben - oder er muß vorrücken mit gutem Willen zu einer Erkenntnis der übersinnlichen Welt. Anthro­posophie hängt heute schon zusammen mit dem eigentlichen Fortgang

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der menschlichen Zivilisation. Aber das Elend, das heute innerhalb dieser Zivilisation gesehen werden kann, sollte eine Aufforderung sein, heranzutreten an eine übersinnliche Menschen- und Weltbe­trachtung. Das können wir aber nur, wenn wir ein offenes Auge für alles das haben, was in der Welt vorgeht.

Und so betrachten Sie den heutigen Tag als den Anfang zu dem, daß Sie wirklich nicht bloß sich zusammensetzen in Ihren anthroposophi­schen Zweigen, um sich gewissermaßen einsam abzuschließen von der Welt, sondern daß Sie hinausschauen in das, was im Leben vorgeht. Nehmen Sie das Wort, das ich heute vielfach gebraucht habe* - das ich sozusagen «totgetreten» habe -, das Wort «weltmännisch», «weltfrau­lich» in vollem Ernste: Versuchen Sie, mit der Welt zusammenzu­wachsen! Das wird das beste, das wichtigste «Programm» sein. Das kann man nicht in Statuten hineinbringen; das sollen wir aber als eine Flamme in unsere Herzen hineinbringen können. Nicht mit Pro­grammpunkten kann ich Ihnen am meisten dienen, sondern indem ich Sie hinlenke zu den rechten Empfindungen, den rechten Gefühlen, welche das anthroposophische Leben begleiten sollen. Und wenn Sie etwas warm werden von der Anregung zu diesen rechten Empfindun­gen, diesen rechten Gefühlen, dann ist einiges von dem erfüllt, was ich eigentlich erreichen wollte mit den Betrachtungen, die ich vor Ihnen anstellte über den übersinnlichen Menschen, wie man ihn anthroposo­phisch erfassen kann. Und wenn Sie immer wieder glauben werden, manches von dem ginge nicht, was Sie programmatisch in der Anthro­posophischen Gesellschaft wollen: es wird immer helfen, wenn Sie gerade an das zurückdenken, was in diesen wenn auch wenigen Vor­trägen nur andeutend leben konnte über den übersinnlichen Men­schen. Denn es wird Sie jederzeit erinnern können an das Gewichtige der Anthroposophie. Und wir können für die Verbreitung, für das richtige Hintragen der Anthroposophie vor die Welt eigentlich nichts Besseres tun, als wenn wir uns immer mehr und mehr bewußt werden des gewichtigen Impulses, der die Anthroposophie sein soll für den weiteren Fortgang unserer Zivilisation.

Damit, meine lieben Freunde, möchte ich den heutigen Tag und diese Vorträge abschließen und Ihnen so recht ans Herz legen, was ich eigentlich als den Empfindungsstrom habe durchziehen lassen wollen

- - -

* Bei der am Nachmittag stattgefundenen Gründungsversammlung der holländischen Lan­desgesellschaft.

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durch die Worte, die ich gerade in diesen Tagen über den übersinnli­chen Menschen zu Ihnen gesprochen habe. Wenn wir solche Gedan­ken rege und warm in unseren Herzen behalten, dann werden wir ja auch immer beisammen sein können, wenn wir auch räumlich getrennt sind. Dann werden wir die Gelegenheiten, in denen wir wieder zusam­men sein werden, sein lassen können Ausgangspunkte eines weiteren geistigen Zusammenseins. Dann wird uns ein solches physisches Zu­sammensein der Anlaß sein zu einem wirklichen geistigen Zusammen­sein. Möge ein solches geistiges Zusammensein zwischen uns allen sich wiederum fester und fester noch knüpfen als ein Ergebnis dessen, was wir zusammen in diesen Tagen erleben durften.

#TI

BERICHT IN DORNACH ÜBER DIE GRÜNDUNG DER

HOLLÄNDISCHEN LANDESGESELLSCHAFT

Dornach, 23. November 1923 (Einleitung)

#TX

Meine lieben Freunde! Letzten Sonntag wurde in Holland die hollän­dische Anthroposophische Gesellschaft begründet, und damit ist ja die letzte der Landesgesellschaften zustande gekommen, die als vorberei­tende Gründungen da sein sollen, wenn nun zu Weihnachten hier die Internationale Anthroposophische Gesellschaft aus diesen einzelnen Landesgesellschaften hervorgehen soll. Es wird ja die Aufgabe sein, dasjenige, was nunmehr auf Grundlage dieser einzelnen Landesgesell­schaften geschieht, zu etwas wirklich Realem zu machen, zu etwas so Realem, daß die anthroposophische Bewegung vielleicht dadurch eben ein Instrument an der Gesellschaft haben kann. Es ist heute durchaus schon so, daß man an den mannigfaltigsten Einzelerscheinungen, den mannigfaltigsten Symptomen sieht, wie diese anthroposophische Be­wegung an einer anderen Stelle viel, viel eindringlicher genommen wird als oftmals innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft. Ich meine damit nicht - ich bitte, mich nicht mißzuverstehen, meine lieben Freunde -, ich meine damit nicht, daß es innerhalb der Anthroposo­phischen Gesellschaft fehle an einzelnen Menschen, die mit Herz und Sinn bei der Bewegung sind, die ihre Gefühle laufend entfalten in der Richtung des Denkens und des Empfindens der Gesellschaft, wie es ja

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einmal sein muß. Was aber innerhalb der Gesellschaft fehlt, was eben immer den Worten zugrunde liegt, die ich über dieses Fehlen sprechen muß, das ist die reale Betätigung nach der Richtung hin, die durch die Impulse der anthroposophischen Bewegung gegeben ist.

Ich sagte, in dieser Richtung geschieht viel mehr an einer anderen Stelle: nämlich bei den Gegnern. Es ist ja so, daß heute tatsächlich von einer mehr oder weniger gegnerischen - oder oftmals, wie man es auch nennt - objektiven Seite aus kaum irgendeine zusammenfassende Dar­stellung der Geistesströmungen der Gegenwart erscheint, ohne daß die anthroposophische Bewegung in kräftiger Weise mitberücksich­tigt wird - natürlich zumeist mitberücksichtigt wird in abfälligem Sinne oder wenn nicht in einem abfälligen, so doch in einem solchen Sinne, daß der anthroposophischen Bewegung eben neuer Schaden zugefügt wird.

Alle diese Dinge können nicht berücksichtigt werden, wenn nicht das tätige Interesse innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft sich ebenso entwickeln kann wie bei denen, die außerhalb stehen, sei es als Gegner, sei es als sogenannte Objektive. Das tritt einem überall entgegen. Gerade die Gegner nehmen Anthroposophie im höchsten Maße ernst.

Ich bitte Sie, nur eines zu berücksichtigen. Wenn man so äußerlich die Dinge ansieht und das Gewicht der Anthroposophie in der Gegen­wart abschätzt nach der Zahl der Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft, so erscheint es ja fast lächerlich, möchte man sagen, daß von gegnerischer Seite diese Anthroposophie so wichtig genommen wird. Sie müssen nur bedenken, daß ja wirklich, wenn man die Mit­gliederzahl der Anthroposophischen Gesellschaft zählt, sie wahrhaftig im Verhältnis zu irgendwelchen anderen Gesellschaften oder geistigen Zusammenhängen ein furchtbar kleines Häuflein ist. Und den großen alten geistigen Bewegungen müßte es ja höchst gleichgültig sein, was bei einem solchen kleinen Häuflein von Menschen geglaubt oder nicht geglaubt wird. Nicht daran liegt es also, daß die Anthroposophie gegenwärtig in einer so eklatanten Weise befehdet wird; sondern es liegt schon daran, daß die Gegner ganz gut wissen, was Anthroposo­phie ist. Die Gegner schätzen Anthroposophie - natürlich in ihrem Sinne - und sie schätzen sie tätig.

Nun gewiß, es kann ja gesagt werden: Wir haben eben einmal innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft nicht Persönlichkeiten,

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die zur Aktivität veranlagt sind. - Gewiß, das ist durchaus ein Moment - denn die weitaus größte Zahl der Persönlichkeiten ist ja gekommen, um eben eine Weltanschauung aufzunehmen, nicht um tätig zu sein nach irgendeiner Richtung innerhalb der Gesellschaft. Aber auf der anderen Seite liegt heute diese Notwendigkeit vor: Wenn die Anthroposophische Gesellschaft bestehen will, so braucht sie tätige Arbeit, tätiges Wirken. Das muß immer wieder gesagt werden. Es mag ja ein Malheur sein, daß wir es brauchen, aber wir brauchen es eben.

Das tritt einem besonders stark dann entgegen, wenn man sieht, ich will es ganz positiv sagen, wie notwendig es heute ist, mit starken Aussichten dafür rechnen zu können, daß zu Weihnachten aus den einzelnen Landesgesellschaften eine ganz kräftige anthroposophische internationale Gesellschaft entsteht; denn wir können doch eigentlich nicht die ganze anthroposophische Bewegung so lassen, wie sie ist.

Die Notwendigkeit liegt eben vor, daß sich - gleichgültig, wer es ist -, aber daß sich innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft Menschen finden müssen, die ein Interesse haben für dasjenige, was in der Welt vorgeht, die sich zu befassen wissen mit dem, was in der Welt vorgeht! Es ist immer eigentlich ein großes Erstaunen zu sehen, wenn irgend etwas angeführt wird von dem, was in der Welt vorgeht.

Gewiß, ich weiß, daß viele ganz ausgezeichnete Menschen inner­halb der Anthroposophischen Gesellschaft eigentlich es übel nehmen, wenn heute überhaupt von der Gesellschaft gefordert wird ein sich Hineinstellen in die geistige Evolution der Menschheit der Gegenwart. Ich kann auch verstehen, daß es vielen lieber wäre, wenn die Anthro­posophische Gesellschaft eine Vereinigung von Menschen wäre, die ruhig auf ihren Stühlen sitzen und Weltanschauung treiben und sich nicht zu bekümmern brauchten um das, was sonst in der Welt vorgeht. Ich kann es begreifen, gewiß; aus dem ganzen Hergang, der sich vollzogen hat bei der Begründung und Entwicklung der Anthroposo­phischen Gesellschaft ist es begreiflich. Aber auf der anderen Seite sind doch wiederum eben die Notwendigkeiten der Welt auch da. Und da ist es ganz unerläßlich, daß wir in einem gewissen Sinne wenigstens uns diesen Notwendigkeiten doch fügen.

Dasjenige, was das reine anthroposophische Wirken ist, geht ja überall gut. Man kann nur sagen: Es geht gut. Es war in bezug auf dieses anthroposophische Zusammendenken und Zusammenempfinden

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jetzt im Haag eine ausgezeichnete Stimmung. Es vollzogen sich die Vorträge, die ich als Zweigvorträge hielt über den Zusammenhang des Menschen mit der übersinnlichen Welt, bei einer ausgezeichne­ten Stimmung. Auch die öffentlichen anthroposophischen Vorträge brachten eine ausgezeichnete Stimmung. Auch jene Vorträge, die im pädagogischen Sinne veranstaltet wurden, brachten eine ausgezeich­nete Stimmung.

Ferner hatten wir die Freude, eine kleine Waldorfschule im Haag begründet zu sehen mit einer ersten, vierten und achten Klasse, die einen außerordentlich befriedigenden Eindruck macht. Wir waren imstande, ebenso wie wir es schon in London und in Wien getan haben, in dem, was in anthroposophisch-medizinischer Richtung ge­leistet werden kann, einen Schritt vorwärts zu machen, indem auch da es zustande gekommen ist, daß im Haag vor Ärzten, die auf Einladung von Dr. Zeylmans, der eine Klinik in unserem Sinne dort errichtet hat, anthroposophisch-medizinische Vorträge gehalten werden konnten, veranstaltet von Frau Dr. Wegman und mir. Auch das konnte alles zustande kommen. Das ist alles, wie gesagt, ohne daß man das gering­ste dabei aussetzen kann. Die Dinge, die sachlich sind, gehen ausge­zeichnet. Aber wenn es darauf ankommt, die Dinge zusammenzuhal­ten durch die Anthroposophische Gesellschaft, da geht es natürlich auch noch so weit, als es sich um Gefühlsmäßiges, Empfindungsmäßi­ges handelt; aber dann tritt sogleich das auf, daß eigentlich die Anthro­posophische Gesellschaft so ein bißchen eine ausgebreitetere Familie sein möchte, die sich absperrt gegen die Außenwelt. Und sie ist auch so in ihren Usancen. Nicht wahr, meinetwillen können ja die Statuten gemacht werden, wie man will; die sind ja nicht das Wesentliche. Das Wesentliche ist, wie man sich verhält, verhält schon bei der Aufnahme von Mitgliedern. Bei der Aufnahme der Mitglieder kann man so verfahren, daß man die Gesellschaft absperrt, oder daß man sie mög­lichst zur Vergrößerung bringt. Und es ist einfach die Denkweise über das Hereinlassen von Mitgliedern in vieler Beziehung so, daß wir nicht darauf rechnen können, die Anthroposophische Gesellschaft nach der Richtung hin vergrößert zu sehen, nach der sie sich vergrößern muß, wenn sie in die Welt dasjenige tragen soll - ich sage nicht, in die Welt tragen will: Es steht einem ja heute nicht mehr frei, irgend etwas in die Welt tragen zu wollen oder nicht -, was die Anthroposophische Gesellschaft eben durch ihre Substanz geworden ist. Das steht ja einem

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heute nicht frei: Es müssen gewisse Dinge eben gemacht werden! Und dazu fehlt eben vielfach der Enthusiasmus. Diesen Enthusiasmus, den möchte man so gerne in der Gesellschaft sich entfalten sehen!

Ich sage das eben nicht gerade, weil es etwa eine Erfahrung ist, die in den letzten Haager Tagen gemacht worden ist, sondern eine Erfah­rung, die sich nun ergeben hat aus der Begründung der Landesgesell­schaften und die schon einmal wiederum hingestellt werden muß, bevor wir darangehen, dasjenige zu begründen, weswegen ja die Lan­desgesellschaften da sind: die Internationale Anthroposophische Ge­sellschaft, die in Dornach eben ihren Mittelpunkt haben müßte.

Dies ist ein - scheinbar - nicht ganz sachlich geführter, aber viel­leicht doch im Innern sachlicher als es zunächst äußerlich ausschaut, zu gebender Bericht über dasjenige, was im Haag sich vollzogen hat.

Delegiertenversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz Dornach, 8. Dezember 1923

#G259-1991-SE689 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

#TI

Delegiertenversammlung der

Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz

im Hinblick auf die an Weihnachten bevorstehende Gründung der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft

Dornach, 8. Dezember 1923

(anschließend an Rudolf Steiners Abendvortrag)

Protokoll von Helene Finckh

#TX

Albert Steffen begrüßt Dr. Steiner und die Anwesenden und sagt: Es handelt sich heute um eine Delegiertenversammlung, zu der jedes Mitglied eingeladen worden ist. Er schlägt vor, einen Ältesten-Ausschuß zu wählen: Dr. Steiner, Herrn Geering, Dr. Grosheintz, Albert Steffen, Dr. Lagutt, und fügt hinzu:

Nun möchte ich diesen Ältesten-Ausschuß bitten, über die Frage zu beraten, wie viele Delegierte jeder Zweig stellen soll.

Rudolf Geering äußert sich dazu.

Dr. Steiner: Nun werden wir uns also wohl im Schoße der Greisenhaf­tigkeit klar werden darüber, wie viele Delegierte von jedem Zweig nominiert werden möchten. Und ich werde mir dann erlauben, die Delegierten selber zu fragen, ob sie dann auch dazu ihre Zustimmung geben. Wobei ich aber natürlich zu berücksichtigen bitte, daß, wenn ein Ältesten-Ausschuß gewählt wird, er immer aus dem Grunde ge­wählt wird, daß man ihn für weise anschaut. Also man setzt voraus, daß er außerordentlich gute Gründe hat für dasjenige, was er tut. Es wird also sich darum handeln, lediglich die Frage zu entscheiden, wie viele Delegierte von jedem Zweig nominiert werden sollen.

Albert Steffen schlägt vor, zwei Delegierte von jedem der schweizerischen Zweige zuzulassen.

Dr. Steiner: Es ist vorgeschlagen, von jedem der schweizerischen Zweige zwei Delegierte zuzulassen. Es würde sich also darum handeln,

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daß jeder Zweig, der hier vertreten ist, zwei Delegiertenstimmen hat. Also auch wenn von irgendeinem Zweige nur ein Delegierter da ist, würde der auch zwei Stimmen haben, auch für den heutigen Abend. Wo gar kein Delegierter da ist, weiß ich ja allerdings nicht, wer die zwei Stimmen ausmachen soll.

Nun frage ich die verehrtesten Greise, ob sie mit diesem Vorschlag einverstanden sind? (Es wird bejaht.) Da die Greisenschaft einverstan­den ist, so bitte ich nun die Delegierten, sich zu äußern, ob sie irgend­welche Einwände zu erheben haben, etwa einen anderen Vorschlag machen wollen. - Es scheint das nicht der Fall zu sein. - Dann würden also die Delegiertenstimmen der einzelnen Zweige zu verzeichnen sein. Wir haben also an Zweigen: den Zweig am Goetheanum -, die zwei Stimmen sind ja vorhanden, wer übt sie aus?

Albert Steffen: Wir könnten es ja so machen, Herr Doktor, daß sich diese zwei Stimmen durch den ganzen Arbeitsausschuß vertreten lassen.

Dr. Steiner: Also: der Arbeitsausschuß! - Dann ist da der Zweig «Neue Generation». Sind diese zwei Stimmen vertreten? Wer übt sie aus?

Antwort: Herr Stokar und Herr Storrer.

Dr. Steiner: Zweig Basel: Dr. Lagutt, Herr Geering; in Vertretung: Herr Rudolf Hahn und Dr. Oskar Grosheintz. Zweig Bern: Frl. Ramser, Frl. Knüpfer. Zweig Zürich: Frau Weiß, Dr. Hugentobler. Zweig St. Gallen: Herr Dürler, Herr Knopfli. Olten: Es ist Herr Wulschleger da und [wahrscheinlich Herr Widmer]. Romanshorn:? Rorschach: ? Neuchâ tel: Herr Hotz. Kreuzlingen: Frl. Müller. Schaffhausen: Herr Gnädinger. Von Lugano ist niemand da.

Damit hätten wir 22 Stimmen. Also die einfache Majorität: 12 Stimmen, Zweidrittel-Majorität: 15 Stimmen. Es würde also dann das Stimmverhältnis sein: die einfache Majorität mit 12 Stimmen, die Zweidrittel-Majorität, wenn irgendeine in Betracht kommt, mit 15 Stimmen. Damit ist die Versammlung konstituiert. Und es würde sich jetzt darum handeln, daß diese Versammlung aus sich heraus das Büro wählt. Wünscht dazu jemand das Wort?

Albert Steffen: Vielleicht darf ich Herrn Dr. Steiner selbst als Vorsitzenden dieser Delegiertenversammlung vorschlagen?

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Dr. Steiner: Wenn darüber diskutiert werden soll, so bitte ich Sie, einen Augenblick den Vorsitz zu übernehmen. (Dies geschieht. Der Vorschlag Herrn Steffens wird angenommen.)

Albert Steffen: Es ist also einstimmig angenommen.

Dr. Steiner: Dann danke ich Ihnen sehr schön und werde versuchen, den Vorsitz zu führen. - Es werden dann weiter zu wählen sein ein Schriftführer und zwei Beisitzer.

Willy Stokar möchte als Schriftführer Dr. Guenther Wachsmuth vorschlagen.

Dr. Steiner: Es ist der Vorschlag gemacht, Dr. Wachsmuth als Schrift­führer zu wählen. Hat jemand von den Delegierten etwas dagegen, so bitte ich, die Hand zu erheben. - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann bitte ich Dr. Wachsmuth, das Amt des Schriftführers zu über­nehmen.

Nun bitte ich, noch zwei Beisitzer vorzuschlagen. Wünscht jemand sich dazu zu äußern? - Herr Dr. Hugentobler und Dr. Grosheintz sind vorgeschlagen. - Wünscht jemand dazu zu sprechen?

Dr. Grosbeintz: Bringt Herrn Steffen in Vorschlag. Dr. Lagutt: Schlägt Herrn Steffen vor.

Dr. Steiner: Wünscht noch jemand Vorschläge zu machen? - Wünscht jemand zu den Vorschlägen zu sprechen? - Wenn das nicht der Fall ist, so kämen wir zur Abstimmung. Soll per Akklamation abgestimmt werden? - Ich bitte diejenigen Freunde, welche dafür sind, daß per Akklamation abgestimmt wird, die Hand zu erheben. - (Es wird per Akklamation abgestimmt.) Vorgeschlagen sind: Dr. Hugentobler und Dr. Grosheintz.

Albert Steffen: Ich bitte diejenigen Freunde, welche dafür sind, daß die beiden

Herren zu Beisitzern gewählt werden, die Hand zu erheben. (Es geschieht.) -Die beiden Herren sind zu Beisitzern gewählt.

Wir hatten eigentlich die Absicht, daß den Herren Delegierten, die von auswärts gekommen sind, das Wort zuerst erteilt wird, damit sie selbst sich über das, was wir ihnen zu studieren empfohlen haben, aussprechen können.

Dr. Steiner: Es ist also der Vorschlag gemacht, daß die verehrten Delegiertenfreunde sich aussprechen über dasjenige, was sie mitge­bracht haben von ihren Zweigen her. Ich bitte also, das Wort zu nehmen.

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Edgar Dürler, St. Gallen, hat einen Antrag zur Geschäftsordnung: Wir haben eine Einladung erhalten, auf der zwei Punkte als Tagesordnung stehen. Ich möchte sie etwas genauer präzisieren und möchte erwähnen, daß ich im Auftrage von Neuchâtel, St. Gallen, Schaffhausen, der «Neuen Generation» und einer Arbeitsgruppe in Winterthur spreche. - Er stellt als Traktandum den Antrag, es solle heute als einziges Traktandum behandelt werden die Umwandlung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz in eine Schweizerische Anthroposophische Gesellschaft. - Ich möchte Ihnen kurz die Begründung ausführen: Wir stehen vor der Gründung der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft. Bei dieser Gründung werden die einzel­nen Ländergesellschaften, vertreten durch ihre Delegierten, hier ihren Beitritt zur Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft erklären müssen an Weihnachten. Es ist notwendig, daß auch von der schweizerischen Anthropo­sophischen Gesellschaft eine solche Beitrittserklärung abgegeben wird. Es ist eigentlich so, daß man keine einheitliche schweizerische Anthroposophische Gesellschaft hat. Durch dieses Neue, das da eintreten soll, diese internationale Gesellschaft, wird eine ganz andere Situation geschaffen. Ich meine, so, wie die einzelnen Ländergesellschaften in einer bestimmten Stellung stehen, so muß auch die schweizerische Gesellschaft eine Stellung einnehmen können. Ich möchte hervorheben, daß der Zweig am Goetheanum, der ja auch zur Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz gehört, etwas ganz Beson­deres darstellt und daß dieser Zweig am Goetheanum, der ja auch sehr viele Ausländer als Mitglieder zählt, eine ganz besondere Stellung einnimmt. So gut es eine Anthroposophische Gesellschaft in Holland, in England gibt und so weiter und diese Mitglied der Internationalen Anthroposophischen Gesell­schaft sind, ebensogut sollte auch eine Schweizerische Anthroposophische Gesellschaft dasein und daneben dann mit den gleichen Rechten und den gleichen Pflichten autonom. Ich möchte noch einmal den Antrag wiederho­len: Umwandlung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz in eine Schweizerische Anthroposophische Gesellschaft.

Dr. Steiner: Ich möchte zunächst nur, damit nicht in einer irrtüm­lichen Weise etwa die Diskussion geführt würde, bemerken - ich greife nicht ein in das Esoterische der Diskussion -, aber möchte bemerken, daß es ganz selbstverständlich wäre, wenn eine Internationale Anthro­posophische Gesellschaft zu Weihnachten begründet wird, daß diese nicht identisch wäre mit der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz, sondern daß auch die gegenwärtige Anthroposophische Ge­sellschaft in der Schweiz, so, wie sie nun besteht, dasselbe Verhältnis dann ja haben würde zu der zu gründenden Internationalen Gesell­schaft wie etwa die englische Anthroposophische Gesellschaft oder die

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holländische Anthroposophische Gesellschaft. Das ist das eine. - Also es würde eine Unklarheit nach dieser Richtung hin nicht geben.

Etwas anderes ist es natürlich, darüber zu diskutieren, ob der Zweig am Goetheanum - dieser eine Zweig am Goetheanum -, weil er natur­gemäß Mitglieder aus allen Ländern immer enthalten wird, ob dieser Zweig am Goetheanum des ferneren ein Mit-Zweig der - nennen Sie es nun «Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz» oder «Schwei­zerische Anthroposophische Gesellschaft» - bleibt. Das würde etwas anderes sein, das wäre eine andere Frage. Aber wie gesagt, das würde nicht zutreffend sein, daß etwa die Internationale Anthroposophische Gesellschaft zusammenfallen würde mit der Anthroposophischen Ge­sellschaft in der Schweiz. Das würde gerade dann, wenn die Interna­tionale Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz begründet würde, zwei ganz voneinander verschiedene Verwaltungen und so weiter haben, zwei ganz verschiedene Dinge sein. Ich glaube, die eigentliche Begründung dessen, was Sie meinen, müßte in einer andern Weise formuliert werden, etwa: Man müßte sich klar darüber werden, wie der Zweig am Goetheanum behandelt werden sollte. - Denken Sie sich nur einmal: Wenn der Zweig am Goetheanum ausgeschaltet ist, dann merken Sie es ja sofort, daß die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz ganz genau dieselbe Stellung hat zu der Internatio­nalen Anthroposophischen Gesellschaft wie die holländische oder eine andere.

Walter Knopfli (St. Gallen> möchte noch kurz beifügen: Wir meinen, daß gerade dieses auseinandergehalten werden sollte. Wenn eine schweizerische Gesellschaft da ist, die wirklich selbständig besteht, und daneben ein Zweig am Goetheanum, dann kann auch die schweizerische Anthroposophische Gesellschaft besser vertreten werden. Es sollte einmal eine wirklich schweize­rische Generalversammlung stattfinden. Das haben wir eigentlich nie gehabt, es sind immer nur zwei, drei Delegierte dagewesen, die hier um Dornach wohnen, und das eigentlich Schweizerische war nicht vertreten. Was hier in Dornach geschieht, trägt mehr einen internationalen Charakter, ist mehr auf das allgemein Menschliche gerichtet. Es ist notwendig, daß die Gesellschaft in der Schweiz anerkannt wird als eine Schweizerische Anthroposophische Ge­sellschaft. - Ich wünsche deshalb eine Trennung der schweizerischen Gesell­schaft und des Zweiges am Goetheanum.

Willy Storrer glaubt, man kann den Antrag, den der Vertreter des Zweiges St. Gallen, Herr Knopfli, gestellt hat, auch in der Weise begründen, daß man

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sagt: Uns kommt es darauf an, daß nicht nur in der Theorie eine Anthroposo­phische Gesellschaft in der Schweiz oder eine Schweizerische Anthroposo­phische Gesellschaft - auf den Namen kommt es uns nicht an - besteht, sondern daß eine solche Gesellschaft in der Praxis besteht, in der Wirklich­keit. Und daß dazu noch eine Änderung gemacht wird in größerem Stile. Dazu, haben wir gedacht, sollte heute eine gute Gelegenheit sein. Wir wollten den Antrag stellen, daß möglichst bald eine Generalversammlung der schwei­zerischen Mitglieder stattfinde, villeicht in Olten oder Zürich, wo eher die Möglichkeit besteht für die Mitglieder in der ganzen Schweiz, in größerer Zahl hinzukommen, um dann bei dieser Gelegenheit eben die Angelegenhei­ten der ganzen schweizerischen Gesellschaft ausführlich zu behandeln - nicht eben nur nach einem Vortrag, sondern vielleicht mit Beginn am Vormittag und mit Aussprache über den Nachmittag hin, wie das zum Beispiel in Holland und andern Ländern auch getan wurde. Wir halten eben dafür, daß alles getan werden muß, daß eine konkrete schweizerische Gesellschaft ent­steht. Das auch deswegen, weil eben der Wiederaufbau des Goetheanum doch bald beginnen soll, und für diesen Wiederaufbau sollten vor allem hier in der Schweiz, wo es ja stehen soll, Sicherungen geschaffen werden, und zwar jetzt schon. Denn wir mussen uns ja doch gewisse Vorwürfe machen, daß diese Sicherungen nicht bestanden haben, daß um das Goetheanum herum in der Schweiz keine wirkliche Gesellschaft bestand, sondern eben nur ganz unzu­sammenhängende Zweige und einzelne Mitglieder. Daß dieses anders wird, dazu möchten wir jetzt die Anregung geben in bestimmten Vorschlägen.

Dr. Steiner: Ich möchte nur dazu bemerken: Die Dinge, die wir regeln, müssen innerlich stimmen. Und es ist ja ganz außer Frage, daß zum Beispiel, wenn die Delegierten damit einverstanden sind, dies zustande kommen muß, was Sie und der Vertreter von St. Gallen unter einer Schweizerischen Anthroposophischen Gesellschaft verstehen. Es ist ja ganz selbstverständlich, daß das zustande kommen muß, wenn die Delegierten das bestimmen. Nur muß man sich klar sein darüber, daß es auf dem Wege, wie es Herr Storrer vorschlägt, zunächst einfach geschäftsordnungsmäßig unmöglich ist.

Nicht wahr, gegenwärtig besteht die Anthroposophische Gesell­schaft in der Schweiz, die enthält den Zweig am Goetheanum. Wenn also eine Generalversammlung einberufen wird, so geht es gar nicht anders, als daß der Zweig am Goetheanum eben dabei vertreten ist. In der gegenwärtigen Konstitution gibt es gar nichts anderes, als daß er vertreten ist! Es würde also notwendig sein, wenn die Sache entschie­den werden soll vor der Weihnachts-Delegiertenversammlung, daß

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nicht eine Generalversammlung einberufen wird - denn sie enthält dann auch die Mitglieder des Zweiges am Goetheanum -, sondern eine Versammlung, gewissermaßen eine Urversammlung der schweizeri­schen Mitglieder einberufen wird und daß diese schweizerischen Mit­glieder dann beschließen, eine Schweizerische Anthroposophische Gesellschaft zu begründen, ohne den Zweig am Goetheanum. Das ist das eine. Das würde aber zunächst im Wesen gleichkommen einer Art Ausschließung des Zweiges am Goetheanum. Daher würde es sich wahrscheinlich nicht gerade sehr gut empfehlen. - Es könnte natürlich auch der Weg gewählt werden, daß man nun eine Generalversamm­lung einberuft und, wenn der Zweig am Goetheanum erschiene, man den Antrag stellen würde, den Zweig am Goetheanum auszuschließen, natürlich bei allen Wiederholungen auszuschließen, falls dieser Antrag angenommen würde. Das wäre der zweite Weg.

Aber den dritten, den halte ich für den gangbarsten und für denjeni­gen, der mir der richtigste zu sein scheint. Das Opportunste, wie mir scheint, das wäre, wenn tatsächlich die schweizerischen Mitglieder, die der Ansicht sind, es solle dies geschehen, eine Versammlung abhielten und daß diese ihrerseits durch ihre Mitglieder oder Delegierten oder eine Anzahl Delegierte damit bezwecken würde: die Delegiertenver­sammlung stellt zu Weihnachten den Antrag, eine Schweizerische Anthroposophische Gesellschaft zu ermöglichen, die aus wirklichen schweizerischen Mitgliedern besteht, das heißt, daß der Passus gefaßt werde, es solle der Zweig am Goetheanum ein internationaler Zweig werden, also herausgenommen werden. Wenn das auf Eingabe der schweizerischen Mitglieder dann bei der Delegiertenversammlung zu Weihnachten geschehen würde, so würde ich das eigentlich für den günstigsten Weg halten: daß nämlich der Zweig am Goetheanum -wenn es sich nur um diesen handelt - zu einem internationalen Zweig gemacht wird. Dann ist er heraußen. Dann würde also die Frage sich dadurch lösen - was ich aus anderen Gründen für wünschenswert halte, ganz abgesehen von Ihrem Antrag -, daß der Zweig am Goe­theanum kein nationaler, sondern ein internationaler ist. Das ist etwas, was dann beschlossen werden kann. Und dann würden Sie auf Grund­lage dieses Beschlusses, ganz wie Sie wollen, die Schweizerische An­throposophische Gesellschaft begründen können; dann ist der Zweig am Goetheanum nicht mehr dabei, weil er vorher ein internationaler geworden ist. - Also ich würde meinen, daß dieses auch der freundschaftlichste

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Weg wäre, wie mir scheint, einfach aus dem Grunde, weil jeder andere Weg so ausschaut, als ob die Schweizer diejenigen, die heute auch Mitglieder sind der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz, herauswerfen wollten. Und, nicht wahr, das würde eben doch irgendwie einen Stachel zurücklassen können.

Ich will das nicht etwa als einen Vorschlag meinerseits machen -sonst würde ich nicht den Vorsitz behalten, sondern ihn während der Zeit abgeben -, sondern ich will nur zur Erläuterung dies in die Diskussion hineinwerfen, damit die Diskussion nicht auf irrigen Vor­aussetzungen gemacht wird; denn es ist der Vorschlag gemacht wor­den, es solle eine Generalversammlung einberufen werden. Aber eine Generalversammlung kann nur einberufen werden mit den Mitglie­dern. Also es ist dies eine einfache Erläuterung der notwendigen Geschäftsführung, die ich mache.

Albert Steffen sagt, ihm seien zwei Punkte nicht ganz klar: Ist es denn für einen Ausländer ausgeschlossen, beizutreten?

Willy Storrer: Nein, das ist ein Mißverständnis. Wir meinten nicht, daß die schweizerische Gesellschaft dann nur aus Schweizern bestehen würde, son­dern daß sie so eingerichtet werde, daß eben der schweizerische Charakter der Gesellschaft viel besser zum Ausdruck komme, als es bisher der Fall war. Und dies glauben wir dadurch fertig zu bringen, daß wir wirklich einmal die schweizerische Versammlung durchführen an einem Ort, wohin wir alle besser gelangen können, als wenn es in Dornach ist. Ich könnte mir selbstver­ständlich ganz gut denken, daß die Mitglieder des Zweiges am Goetheanum auch dabei sein werden. - Den zweiten Rat Dr. Steiners halte ich für durchaus richtig. Und die Vertreter der verschiedenen Zweige, die Herr Knopfli ange­führt hat, hätten es auch so verstanden, daß eine Generalversammlung aller schweizerischen Mitglieder stattfinden würde, also aller der schweizerischen Gesellschaft angeschlossenen Mitglieder- ganz gleichgültig, ob es Franzosen, Deutsche oder Schweizer sind -, und daß dann in dieser Generalversammlung die Organisation der Gesellschaft aus dem Gros der Mitglieder heraus neu gewählt werde, und zwar als Organ der Mitgliederversammlung die Delegier­tenversammlung, und dann ein eigentlicher aktiver Arbeitsausschuß. Und diesen stellen wir uns nicht identisch vor mit dem schon bestehenden Arbeits­ausschuß, sondern es müßte ein neuer Arbeitsausschuß sein, sofern er gewählt wird.

Dr. Steiner (zu Herrn Knopfli): Sind die Ausführungen des Herrn Storrer konform mit den Ihrigen?

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Walter Knopfli: Nicht ganz. Ich meine, die Mitglieder des Zweiges am Goe­theanum sollten das Gefühl haben, etwas anderes zu sein als etwa die Mitglie­der des Zweiges St. Gallen, weil wir in St. Gallen doch andere Aufgaben haben. Man kann selbstverständlich auch Mitglied an beiden Orten sein, nur muß man dann eben zweimal den Beitrag bezahlen. Es ist ja nicht ein persönli­ches Mißtrauensvotum, sondern nur eine rechtliche Frage, daß man es ausein­anderhält. - Ich glaube, es ist gut, wenn eine Gesellschaft richtig da ist mit einem Sitz, in rechtlicher Eintragung, so daß sie auftreten kann als etwas, das besteht und anerkannt wird. Und das möchten wir. Das wird auch nur richtig anerkannt werden, wenn es aus den Schweizern heraus kommt und wenn nicht hier in Dornach, sondern irgendwo in der Schweiz, in Zürich etwa, ein Sitz der neuen Anthroposophischen Gesellschaft ist. Es wäre eine bessere Lösung und ein viel besseres Zusammenarbeiten.

Dr. Steiner: Ich möchte nur bemerken: Dieser Antrag, den Zweig am Goetheanum zu internationalisieren, der wird auf alle Fälle kommen, weil es eigentlich stillos wäre, daß, wenn Dornach wirklich ein inter­nationales Zentrum wird, hier nicht ein internationaler Zweig ist. - Ich meine, die Möglichkeit, das zu erreichen, was Sie wollen, wird eigent­lich besser herbeigeführt, wenn dieser Zweig internationalisiert wird. Aber das hindert natürlich nicht, daß jetzt eine Art Urversammlung einberufen wird - meinetwegen in Zürich oder möglichst weit weg von Basel, von Dornach, die dann irgend etwas in ihrer Art beschließt. -Aber nicht wahr, man muß ja solche Dinge nicht so machen, daß man meint: Nur dadurch, daß man in Zürich eine Versammlung einberuft, wird das dann schon schweizerischen Charakter tragen! Was tun Sie, wenn dann die Dornacher alle beschließen, dorthin zu fahren? Da unterscheidet es sich ja wieder gar nicht davon! Ich glaube, lösbar ist die Frage wirklich nur - ich habe es auch aus Ihrer Diskussion entneh­men können -, wenn der Zweig am Goetheanum exekutiert wird, herauskommt aus der Sache. Dann wird das ja schon eine schweizeri­sche Sache.

Albert Steffen: Ich kann aber noch immer nicht einsehen, wieso jene Gesell­schaft den Charakter des Schweizerischen haben kann, wenn so viele Auslän­der dabei sind. Es sind zum Beispiel alle Mitglieder der «Neuen Generation» bei dieser Gesellschaft, und ein ziemlich großer Prozentsatz in dieser Gesell­schaft sind Ausländer. Wieso ist denn dieser Zweig dann schweizerisch?

Walter Knopfli: Wir sind 40 Mitglieder in St. Gallen und haben wenigstens 5 Ausländer. Das spielt keine Rolle. Die Delegierten der Schweizer Zweige

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sollen sich äußern, ob sie doch vielleicht im Prinzip einverstanden sind, eine schweizerische Gesellschaft zu begründen, und im Prinzip einverstanden sind, eben den Zweig am Goetheanum zu internationalisieren. Dann könnte man auch, wie Herr Dr. Steiner die Anregung gebracht hat, eine Urversamm­lung dieser Mitglieder einberufen und aus dem Schoße dieser Urversammlung die Gründung der Schweizerischen Anthroposophischen Gesellschaft be­schließen und dann mit einem Antrag an Weihnachten herkommen: daß da einerseits die Schweizerische Anthroposophische Gesellschaft ist und dann andererseits der Zweig am Goetheanum ein selbständiger Zweig ist am Goe­theanum, mit den gleichen Rechten. Und daß man von vornherein bei einer Urversammlung sich klar wird: Das ist nicht eine Generalversammlung, sondern eine Urversammlung. - Diejenigen, die am Goetheanum sind, die werden selbstverständlich diesem Zweig am Goetheanum angehören wollen, davon bin ich vollständig überzeugt. Die wenigsten werden zweimal bezahlen wollen.

Albert Steffen: Ich fürchte nur, daß dann der Zweig am Goetheanum nicht mehr von Schweizern gestützt werden wird und daß er es gegenüber den Behörden in dem Maße schwerer haben wird, als er es jetzt leichter hat.

Dr. Steiner: Das ist ein Gesichtspunkt, der sehr stark in Frage kom­men wird.

Dr. Emil Grosbeintz: Soviel ich verstehe, wollen Sie der schweizerischen Gesellschaft eine spezielle Aufgabe stellen, eine Aufgabe, die eine andere sein soll als die, welche zum Beispiel der Zweig am Goetheanum zu vertreten hat. Nicht wahr, es ist ja klar, daß auf schweizerischem Boden die Nationalität keine Rolle spielen kann, aber es können sich die verschiedenen Länder die verschiedenen Aufgaben stellen. Und da ist es für die Schweiz eine Frage der Opportunität, ob man das nun so machen soll, daß eine schweizerische Gesellschaft im allgemeinen in der Schweiz besteht und noch daneben ein internationaler Zweig am Goetheanum.

Dr. Steiner: Die Form, die muß halt dann gefunden werden. Und ich bin ja überzeugt davon, daß zum Beispiel auch die Antragsteller von heute zum Beispiel gegen den Modus nichts haben würden, daß sich die Schweizerische Anthroposophische Gesellschaft bildet und daß der Zweig am Goetheanum als ein Zweig der Schweizerischen An­throposophischen Gesellschaft dennoch angehört, aber ohne Stimm­recht und ohne Vertretung in den Generalversammlungen. Dann würde das Bedenken, das Sie haben, wegfallen. - Es würde also, nicht wahr, der Modus gefunden werden müssen! Es ist ein Unterschied,

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wie die Verwaltung innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft selber ist und wie man nach außen steht. Nach außen einen ganz abgesonderten Zweig am Goetheanum zu haben, also auf schweizeri­schem Boden einen direkt internationalen Zweig, das würde sich ja nicht empfehlen. Aber Ihrem Antrag ist ja vollkommen Genüge gelei­stet, wenn der Zweig am Goetheanum bloß Mitglied der Schweizeri­schen Anthroposophischen Gesellschaft ist, aber nicht Sitz und Stimmrecht bei den Generalversammlungen der Schweizerischen An­throposophischen Gesellschaft hat. Denn wenn ich Sie recht verstehe, handelt es sich Ihnen bloß darum, daß der schweizerische Charakter in der Schweizerischen Anthroposophischen Gesellschaft zum Vor­schein komme, den Sie gefährdet sehen, wenn die Gesellschaft über­haupt nur aus ein paar Schweizem besteht, die außerhalb von Dornach sind, und dann aus dem Gros derer, die jeweilig in Dornach sind. Denn es lassen sich ja diejenigen, die nur vorübergehend in Dornach sind, gar nicht nehmen, auch da zu sein. Und das ist, was - wenn ich Sie richtig verstehe - bei der ganzen Sache geniert.

Willy Storrer: Das würde bewirken, daß die schweizerischen Mitglieder das Stimmrecht verlieren, und es sind eben doch ziemlich viele.

Dr. Steiner: Das ist gar nicht möglich.

Willy Storrer: Da sie in der Schweiz leben, ist es wohl das Richtige - -Dr. Steiner: Sie können ja in die Schweizerische Anthroposophische

Gesellschaft eintreten, wenn sie Stimmrecht haben wollen!

Dr. Lagutt: Will Herrn Knopfli fragen, ob sie irgendwelche Bestimmungen etwa haben für die fünf Mitglieder anderer Nationalität? Wenn es zum Beispiel 20 sind, nehmen Sie den 21. noch auf? Gesetzt den Fall, daß Sie 21 bekämen, nehmen Sie den 21. dann noch auf? Haben Sie da irgendwelche Bestimmungen? Oder nehmen Sie ihn auch auf?

Walter Knopfli: Ja.

Dr. Lagutt: Ich begreife nicht, warum dann der schweizerische Zweig am Goetheanum nicht aufgenommen werden kann! Wenn man konsequent sein wollte, müßte man darauf beharren, daß Sie unbedingt keine Mehrheit von Ausländern gegenüber den Schweizern hätten in St. Gallen.

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Rudolf Geering: Ich habe mich heute gefreut, daß gleich von Anfang an genau die Delegierten gezählt wurden und das Stimmrecht verteilt wurde. Das ist ein Fortschritt. Ich glaube, wenn das in Zukunft so gemacht wird in Dornach bei Delegiertenversammlungen der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz, daß dann all das Überlegen unnötig wird über das, was hier bean­tragt worden ist. Es zeigen sich heute die Früchte von etwas, was in den letzten Delegiertenversammlungen der Schweiz vorgekommen ist: daß ei­gentlich gar niemand wußte, wer eigentlich Delegierter ist und bei den Ab­stimmungen etwas zu sagen hat. Es sind Vorschläge gemacht worden von allen möglichen Menschen, die überhaupt nichts mit der Schweiz zu tun haben und die rein geschäftlicher Art waren. Das hat in der ganzen Schweiz den Eindruck gemacht: Wenn wir in Dornach zusammenkommen, sind wir überhaupt keine schweizerische Gesellschaft, sondern eine internationale Gesellschaft. Man verfügt einfach über uns. Und wenn in Zukunft so gehan­delt wird wie heute, so können wir ruhig in den alten Verhältnissen bleiben.

Dr. Steiner: Dazu möchte ich nur eines sagen. Es ist ja die Schweiz natürlich in einer etwas anderen Stellung zur Anthroposophischen Gesellschaft, zur Weltgesellschaft, die jetzt begründet werden soll, als die anderen Länder. Und jedes Land, wo das Goetheanum stehen würde, wäre in demselben Verhältnis dazu wie die Schweiz, weil eben das Goetheanum eine Art Zentrum für die Weltgesellschaft werden soll. So steht natürlich schon die Schweiz in einem besonderen Ver­hältnis zu dem, was sich da gerade als Goetheanum nun bildet. Und ich könnte mir schon denken, daß noch mehr Wille da sein könnte als jetzt, das Goetheanum zu stützen, wenn die Schweizerische Anthro­posophische Gesellschaft sich homogen fühlen würde - ich könnte mir das schon denken -, wenn sie also wissen würde, wo die Grenze ist zwischen der Schweizerischen Anthroposophischen Gesellschaft und dem Goetheanum, das natürlich der schweizerischen Gesellschaft ge­rade so gut gehört wie der holländischen und so weiter. Die sind aber einfach dadurch geschützt, daß sie weiter entfernt sind. Und nun wollen die Freunde einen Wall aufrichten, der die Schweiz eben in ein solches Verhältnis zum Goetheanum bringt, wie es Holland oder England haben. Also ich kann mir die Motive zu diesem Vorschlag schon ganz gut denken, und ich meine, es wird sich nur darum han­deln, daß der Modus gefunden wird. Denn treffen werden sich hier immer für kürzere oder längere Zeit Mitglieder aus aller Herren Län­der. Es wird also auf Grundlage dessen verhandelt werden müssen,

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daß es wünschenswert ist, hier einfach eine richtige Grenze zu schaffen zwischen den schweizerischen Mitgliedern und zwischen denen, die vielleicht nur zufällig da sind. Die Sache hat schon ihre Schwierig­keiten!

Sehen Sie, wenn man dann eine Generalversammlung der Schwei­zerischen Anthroposophischen Gesellschaft in Dornach einberufen wird, so werden natürlich die zufällig anwesenden Gäste aus aller Herren Länder nicht dabei sein, aber es wird immer in dem Zweig am Goetheanum eine Stätte sein, wo sie sich wieder treffen können - das ist wünschenswert - und wo sie sich auch mit den schweizerischen Freunden werden treffen können. Nicht wahr, klarere Verhältnisse können schon geschaffen werden, als sie jetzt sind. Und gerade das, was Sie jetzt moniert haben, das ist ja natürlich etwas, was sich ergeben hat, wie sich so vieles in der Anthroposophischen Gesellschaft leider ergibt: Nämlich vieles ergibt sich einfach dadurch, daß man sich nicht gebunden fühlt für unsere Versammlungen an die Usancen, die sich von selbst ergeben. Es kann nämlich in der ganzen Welt sonst nicht vorkommen, daß man eigentlich nicht weiß, wer zu einer Versamm­lung gehört. Bei der Versammlung, von der Sie eben gesprochen haben, wußte kein Mensch - in der Praxis natürlich -, wer zu der Versammlung gehört, denn da hat jeder, der da war, geredet, und das Ganze war eine absolut heterogene Masse. Aber es hat sich jeder als gleichberechtigt gefühlt, jeder abgestimmt und so weiter. Man hat ja gar nicht gewußt, wer stimmberechtigt ist, was eine Majoritat ist und so weiter. Heute ging man lediglich deshalb davon ab, weil ich gestern den Antrag gestellt habe, daß das so geschehen muß, damit man weiß, aus wem eigentlich die Versammlung besteht.* Heute ist es also nur auf Grundlage einer präzisen Auffassung der Sachlage anders. Aber wenn Sie nicht irgend etwas tun, wodurch das präzisiert würde - wer garantiert Ihnen dafür, daß Sie in der Zukunft nicht wieder solche Versammlungen haben, wie die letzten gewesen sind?

Walter Knopfli meint, daß, wenn hier am Goetheanum etwas geschieht, ein Kursus oder eine Vortragsveranstaltung, dann ja jedes Mitglied Zutritt hat, sei es aus Holland oder der Schweiz; da gibt es keinen Unterschied. Aber wenn irgendwie andere Fragen, Beitragsfragen und so weiter, Geschäftliches zu erledigen sind, so wird das in Holland extra erledigt, und auch die Schweiz

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* Offenbar gab es am 7. Dezember eine Vorbesprechung, von der jedoch keinerlei Bericht vorliegt.

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muß es für sich erledigen. Es werden ja noch viel mehr Menschen sich hier ansiedeln, und daß der Zweig am Goetheanum eine andere Stellung einneh­men muß, weil hauptsächlich Ausländer hier sind, findet er ganz selbstver­ständlich. Wenn dieser Zweig sich selbständig macht und eben international wird, so kann deshalb doch ein Zusammenarbeiten stattfinden.

Dr. Steiner: Das ist ja ganz richtig. Es wird sich ja dann auch heraus­stellen, daß diese schweizerische Gesellschaft vorzugsweise in ihrem Vorstand Schweizer Vertreter hat oder wenigstens Vertreter der schweizerischen Zweige. Also es wird sich ein Büro ergeben, das den Charakter hat, den Sie haben wollen, währenddem, wenn ich nicht irre, jetzt immer die Angelegenheit besorgt worden ist von einem Büro, das zum großen Teil aus Nichts chweizern, außer Herrn Steffen, bestand.

Albert Steffen: Die Vorstände der Zweige waren ja immer dieselben.

Dr. Steiner: Ich meine das Büro, das einberufen hat. Gewiß, Herr Steffen ist ja hier unterschrieben. Aber die Einberufer außer Herrn Steffen, sind das alles Schweizer?

Albert Steffen: Nicht alle, aber Herr Storrer, Herr Stokar und Dr. Gros­heintz.

Dr. Steiner: Wünschen Sie nun einen bestimmten Antrag zu stellen, über den dann abgestimmt werden kann?

Walter Knopfli: Möchte zuerst den Antrag stellen, daß darüber abgestimmt wird, ob im Prinzip in dieser Weise eine Schweizerische Anthroposophische Gesellschaft in Aussicht zu nehmen ist und begründet werden soll in Zukunft und ob der Zweig am Goetheanum in diesem Sinne international werden soll.

Dr. Steiner: Der Antrag ist gestellt worden. - Ich muß nun nur noch fragen: Wünscht jemand einen anders formulierten Antrag über den­selben Gegenstand zu stellen?

Rudolf Geering: Möchte nur im Interesse des Goetheanum selbst wünschen, daß nach außen, der Außenwelt gegenüber, immerhin der Zweig am Goethea­num zur Schweizerischen Anthroposophischen Gesellschaft gehöre. Ich glaube, das ist um der Sicherheit des Zweiges willen notwendig, um des Ansehens willen, den er in der Schweiz genießen soll.

Dr. Steiner: Nicht wahr, der Modus läßt sich dann finden, da ja das, was Sie eigentlich wollen, die Antragstellung nicht ausschließt. Der

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Modus läßt sich dann schon finden. Und er wird sich eben auf leichte Weise finden lassen: Der Zweig am Goetheanum gehört zur Schweize­rischen Anthroposophischen Gesellschaft, ohne dort Sitz und Stimme zu haben. - Nun hat Herr Knopfli den Antrag gestellt, man solle abstimmen darüber, ob man im Prinzip über eine Abgrenzung von den jeweils hier Anwesenden oder auch dauernd anwesenden Mitgliedern, die weniger die Schweiz repräsentieren, ob man im Prinzip über die Sache weiterverhandeln soll. - Nun würde ich über diesen Antrag abstimmen, wenn nicht ein besonders modifizierter Antrag gestellt würde.

Albert Steffen: Wir sind ja alle hier ganz unvorbereitet, so daß man die Sache doch noch etwas besser durchdenken und diesen Antrag erst um Weihnachten stellen sollte. Ich sehe das Für und Wider noch nicht genau ein, ich durch-schaue das noch nicht ganz.

Frl. Emma Ramser möchte sich Herrn Steffen anschließen, denn sie glaubt, für die meisten bedeutet dieser Vorschlag eine kleine Überrumpelung, so daß man sich darüber erst klar werden muß.

Dr. Steiner: Ich glaube, dies ist dabei nicht ausgeschlossen, denn es soll der Antrag gestellt werden, ob dieser Frage, eine Schweizerische An­throposophische Gesellschaft zu begründen, nähergetreten werden soll oder ob über sie verhandelt werden soll. Ich meine, das schließt dies nicht aus. - Auch das Ihre schließt es nicht aus! Es wird ja nicht jetzt der Antrag gestellt, man solle dies oder jenes machen, sondern nur der Behandlung der Frage nähertreten, ob ein betreffender Antrag bei der Delegiertenversammlung zu stellen ist. - Wenn jemand einen modifizierten Antrag dem gegenüber stellen möchte, so bitte ich, das zu tun.

Dr. Lagutt möchte den Antrag stellen, daß wir nur eine schweizerische Gesellschaft begründen und es dem Zweig am Goetheanum überlassen, ob er als Zweig ihr beitreten will oder nicht. Also nicht, daß wir darüber bestim­men, daß wir einen Zweig ausschließen, sondern es sei dem Zweige überlas­sen. Denn je nachdem, wie es den Statuten entspricht, wird dies möglich oder unmöglich werden.

Dr. Steiner: Das ist, auch geschäftsordnungsgemäß, nicht durchzu­führen, denn die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz be­steht. Man kann sie also nicht begründen, man kann nur den Namen

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ändern. Ob sie nun «Schweizerische Gesellschaft» oder «Gesellschaft in der Schweiz» heißt, das ist eine bloße Namensänderung. Es muß also etwas getan werden nach der Richtung hin, daß der Zweig am Goetheanum eben nicht teilnimmt an den Verhandlungen der Gesell­schaft, die also eigentlich das repräsentieren soll, was hier gemeint ist. -Das muß man mehr empfinden, nicht wahr, es ist nicht so bestimmt zu begrenzen - da kann ich nicht sagen, wie man es benennen soll. Aber sonst würde es sich ja nur handeln um eine Namensänderung.

Dr. Lagutt: Ich glaube, daß es im Grunde nur eine Namensänderung sein wird.

Dr. Steiner: Aber wenn es nur eine Namensänderung ist, ist es sofort etwas anders. Wenn sich eine Schweizerische Anthroposophische Ge­sellschaft begründet, die den Zweig am Goetheanum zwar zum Mit-Zweig hat - aber dieser Zweig in der Schweizerischen Anthroposophi­schen Gesellschaft nicht Sitz und Stimme hat -, dagegen die Schweize­rische Anthroposophische Gesellschaft geradeso vertreten ist in der internationalen Gesellschaft wie jede andere Landesgesellschaft - also ich meine, das würde ein ganz klares Faktum geben! Und dann wäre nur zu bedenken, ob das gegenüber der Vertretung nach außen oppor­tun wäre. Denn ich könnte mir ganz gut denken, daß dieses, ebenso wie es vielleicht nach der einen Seite erschweren könnte den Verkehr mit den Behörden, ihn auch auf der andern Seite erleichtern könnte. Wenn man also den Behörden gegenüber sagt: Wir haben eine Schwei­zerische Anthroposophische Gesellschaft - und diejenigen, die also einen ausgesprochen nichtschweizerischen, einen Alle-Welt- Charak­ter - das Wort international wollen wir dann überhaupt vermeiden -repräsentieren, die haben nicht Sitz und Stimme in der schweizeri­schen Gesellschaft. Das könnte ja auch einen günstigen Eindruck machen, nicht? Nicht wahr, die Dinge sind immer mehr abzuwägen, als daß man darüber diskutiert. Meinen Sie nicht auch, Herr Dr. Lagutt?

Dr. Jan Lagutt widerstrebt etwas die Art und Weise, daß man einen Zweig ausschließen solle. Das sollte man diesem Zweig überlassen.

Rudolf Habn glaubt, daß, wenn sich eine schweizerische Landesgesellschaft bildet ohne den Verein am Goetheanum, dann hat dieser Verein den schwei­zerischen Behörden gegenüber ein größeres Gewicht, sonst wird der Verein am Goetheanum von den Behörden direkt als eine ausländische Gesellschaft angesehen. Und namentlich werden unsere Gegner dann eine sehr starke

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Waffe haben, indem sie sagen: «Diese fremden Fötzel sollen machen, daß sie herauskommen!» - Diese Ausdrücke hört man nämlich schon sehr viel in unserem Land. - Wenn dagegen der Verein am Goetheanum in der Landesge­selischaft bleibt, dann hat diese vielleicht der Behörde gegenüber einen etwas schwierigeren Stand, aber zugleich schützt sie den Zweig am Goetheanum. Ich glaube, diesen Schutz braucht er! Ich glaube, das ist mehr wert, als wenn die Gesellschaft in der Schweiz ohne einen Zweig am Goetheanum ihrer Behörde gegenübersteht. - Deshalb meine ich, daß der Zweig am Goethea­num drinnen bleiben soll, damit er an der schweizerischen Gesellschaft die Stütze hat, die er braucht.

Dr. Steiner: Aber würde denn das nicht auch der Fall sein, wenn dieser Zweig am Goetheanum - es wird ja kein Verein sein, nur ein Zweig -nicht Sitz und Stimme hätte in der Schweizerischen Anthroposophi­schen Gesellschaft?

Rudolf Hahn: Das wäre natürlich richtig.

Dr. Steiner: Ja, so, wie die Herren hier das ansehen, müßten sie sich gerade einverstanden erklären, wenn dieser Zweig am Goetheanum «Mit-Zweig» wäre und nur nicht Sitz und Stimme hätte in der schwei­zerischen Gesellschaft.

Rudolf Hahn hat bisher nicht gehört, daß darüber verhandelt worden ist. Dr. Steiner fragt: Haben Sie denn das nicht getan?

Albert Steffen: Es ist ja vielleicht möglich, daß Schweizer, gerade dadurch, daß sie Anthroposophen sind, nicht mehr so national empfinden. Und ist es nicht vielleicht denkbar, daß solche Schweizer sich bei einer solchen Tren­nung gerade dem Zweig am Goetheanum anschließen wollen? Das ist nämlich ganz gut denkbar - - so daß dieser Zweig sehr anwachsen würde. Und dann könnte unter Umständen die schweizerische Gesellschaft als solche auch geschädigt werden und verlöre doch eben vielleicht geistig ein gewisses Gewicht.

Ein Herr stellt den Antrag, daß auf den Antrag von Herrn Knopfli nicht eingegangen werde. Wenn dieser Antrag nicht notwendig ist, dann ist das eine Angelegenheit der Versammlung selbst, und dann soll eine Urversammlung der Schweizer einberufen werden, und in dieser Urversammlung der Schwei­zer soll die Sache diskutiert und abgestimmt werden. Der Antragsteller glaubt, daß die Ansicht von Herrn Knopfli sicher nicht von allen, nur von einem Teil der Anthroposophen geteilt wird. Er glaubt, daß Herr Steffen eher

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viel zu international denkt, als daß er einen zu stark chauvinistischen Charak­ter hätte.

Dr. Steiner: Wenn ich das richtig auffasse, so ist das ein Antrag auf Übergang zur Tagesordnung? Wünscht jemand dazu zu sprechen?

Willy Storrer: Möchte noch einmal sprechen und betonen, daß er den Rat von Dr. Steiner als die eigentliche Lösung findet, auch nach Ansicht seiner Freunde: daß der Zweig der Tatsache nach internationalisiert wird, er aber formell zur schweizerischen Gesellschaft gehört; dann aber allerdings die Mitglieder des Zweiges am Goetheanum bei der Schweizerischen Anthropo­sophischen Gesellschaft kein Stimmrecht haben, daß aber doch schweizeri­sche Mitglieder jenes Zweiges ohne weiteres dann die Möglichkeit haben sollten, in einem anderen, mehr schweizerisch orientierten Zweig Mitglied zu sein. Und weil ja viele nicht die Möglichkeit haben, zweimal Beiträge zu bezahlen, sollte man ihnen gestatten, in dem andern Zweig ohne Beitrag Mitglied zu sein. Aber auf was es ankommt, ist: Wir betrachten die bisherige Form und Organe der Gesellschaft als provisorische, und unser Antrag geht dahin, daß eine Urversammlung der schweizerischen Mitglieder irgendwo, in Olten oder Zürich, stattfindet und in dieser die Organe einer schweizerischen Gesellschaft gewählt werden - also die Delegierten und die eigentliche Lei­tung der schweizerischen Gesellschaft, eine Art Arbeitsausschuß -, damit eben vor der Öffentlichkeit dann beim Wiederaufbau des Goetheanum eine starke schweizerische Gesellschaft bestehe, welche die Möglichkeit hat, durch ihre Organe, durch ihre aktive Leitung eben all den Hindernissen und der Gegnerschaft, die in der Schweiz besteht, kraftvoll entgegenzutreten. Wir glauben, daß das bei den bisherigen Formen eben nicht so gut möglich ist, wie es in der Zukunft wäre, wenn die Vorschläge und Anträge durchgeführt werden, die wir eben stellen wollen.

Dr. Steiner: Soviel ich weiß, hat sich niemand weiter gemeldet? - Wir müssen jetzt zunächst diskutieren über den Antrag auf Ubergang zur Tagesordnung. Wünscht jemand zu diesem Antrag das Wort?

Walter Knopfli möchte, daß über den Antrag der prinzipiellen Fragen erst abgestimmt werde: Ob im Prinzip der Frage nähergetreten werden soll.

Dr. Steiner: Wenn ein Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gestellt wird, so muß der zuerst behandelt werden und über ihn abgestimmt werden. Das geht nicht anders. Es wird sich natürlich darum handeln, daß, wenn der Übergang zur Tagesordnung angenommen wird, es darauf hinauskommen würde, daß einfach auf einem anderen Wege die

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Dinge verfolgt werden. Das geht nicht anders. Aber es kann ja gegen den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gesprochen werden.

Willy Storrer stellt den Antrag, daß man über diesen Antrag zum Übergang zur Tagesordnung abstimme.

Dr. Steiner: Das ist ja selbstverständlich! Wenn aber sich niemand mehr zum Worte meldet, dann bitte ich diejenigen Delegierten, welche für Übergang zur Tagesordnung sind, die, welche die zwei Stimmen vertreten, beide Hände zu erheben. Die, welche nur eine Stimme haben, eine Hand zu erheben. - (Es geschieht.) 13 Stimmen also für Übergang zur Tagesordnung. Die einfache Majorität wäre 12 Stim­men. Der Antrag ist angenommen, es ist also nichts zu machen.

Der nächste Punkt würde sein - -Albert Steffen: Ja, da ist etwas, was mit dieser Frage in einem engen Zusam­menhang ist. Wir hatten die Absicht, eine Resolution zu bringen oder den Herren Delegierten vorzuschlagen, die ungefähr folgendermaßen lautet:

«In den Tagen, da in Dornach die Gründungsversammlung der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft stattfindet, möchte die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz ihrer Dankbarkeit und Begeisterung Ausdruck geben, daß das dem Kulturleben der ganzen Menschheit dienende Goetheanum gerade in der Schweiz wiederum errichtet werden darf. Sie sieht darin ein gutes Geschick und eine große Ehre für ihr Land. Sie möchte ihren Willen bezeugen, alles zu tun, damit sie die unerschöpfliche Fülle geistiger Impulse, die Rudolf Steiners Werk der Welt vermittelt, von hier aus überall weiter vermitteln kann. Sie freut sich, in gemeinsamer Arbeit mit den anderen Ländergesellschaften helfen zu dürfen, daß der reine und heilsame Quell Zugang zu allen Menschen finde, die ihn suchen.

#TI

Die Anthroposophische Gesellschaft

in der Schweiz.»

#TX

Dr. Steiner: Da mein Name in diesem Antrag vorkommt und Herr Steffen der Antragsteller ist, so werde ich Herrn Dr. Grosheintz bitten, den Vorsitz zu übernehmen.

Dr. Emil Grosheintz: Wünscht jemand zu diesem Antrag das Wort?

Rudolf Geering denkt, daß man ohne weiteres diese Resolution annehme.

Dr. Emil Grosheintz: Es ist der Antrag gestellt, diese Resolution anzuneh­men.

Willy Stokar: Entschuldigen Sie, aber ich möchte Sie bitten, den Zweck der Resolution noch einmal anzugeben.

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Albert Steffen: Der Zweck der Resolution ist eben, daß unsere Gesellschaft in der Schweiz es den Behörden gegenüber auch leichter hat, wenn zum Beispiel unsere Gesellschaft gerade zeigt, daß sie etwas ist in der Schweiz und daß wir dafür einstehen, daß man merkt, wir bedeuten etwas als Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz.

Dr. Emil Grosheintz: Ist es beabsichtigt, daß dies veröffentlicht werde? Albert Steffen: Ja.

Willy Stokar: In diesem Falle, wenn das geschehen soll, möchte ich doch wünschen, wenigstens von mir aus, aus meinen Empfindungen heraus, daß es erst dann geschähe, wenn die ganzen Gründungsgeschichten hinter uns lie­gen, wenn wir als eine Gesellschaft auftreten können, die wirklich imstande ist, so etwas als Resolution auch nachdrücklich zu vertreten, und daß dies erst nach Weihnachten geschähe, wenn wir über den Berg sind.

Albert Steffen: Ich habe das eigentlich auch in Betracht gezogen, da ich so anfing: «In den Tagen, da in Dornach die Gründungsversammlung der An­throposophischen Gesellschaft stattfindet... » Also ich meine nicht, daß es jetzt veröffentlich wird, sondern um Weihnachten.

Dr. Elisabeth Vreede: Ich möchte doch sagen: Die Anthroposophische Ge­sellschaft in der Schweiz ist doch da und besteht noch! Es wird vielleicht ein Beschluß gefaßt werden, sie umzuwandeln in eine andere, aber zunächst besteht sie noch und könnte die Resolution annehmen. Und sie kann dann vielleicht in ihren letzten Tagen oder Stunden dies noch einmal bekunden. -Die neue Gesellschaft kann die Resolution ja von neuem annehmen und bekunden. Aber die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz, sie besteht noch! Ich meine, es ist doch eine Resolution, die etwas mehr Zustim­mung und Begeisterung finden könnte.

Dr. Emil Grosheintz: Es handelt sich also darum, ob Sie dieser Resolution zustimmen wollen oder sie ablehnen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Es ist die große Mehrheit.

Dr. Steiner: Nun, der nächste Punkt der Tagesordnung, das wäre der in unserem Bericht in der Juli-Tagung* aufgeführte Punkt.

Albert Steffen: Das wäre besonders, Herr Doktor, daß die Delegierten uns nun sagen sollten, wer an den betreffenden Diskussionen vormittags über die Gebiete, die mit der Anthroposophie zusammenhängen, das Wort ergreift,

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* Internationale Delegiertenversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in Dorn-ach vom 20.-23. Juli 1923, siehe Seite 557.

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wer also berichtet. Wer über die Schule oder über die medizinischen Leistun­gen und so weiter berichtet, wie es eben hier steht im Programm.

Dr. Wachsmuth: Darf ich dazu einige Worte sagen? Es heißt dort etwa so: Wir werden jetzt eine Person ernennen, die, sagen wir, über Pädagogik, Medizin, Literatur und so weiter berichten wird. Erstens, sagen wir, was man in Holland oder England oder irgendwo auf dem pädagogischen Gebiet, der Schulkunde oder der Vorbereitung, wie sie jetzt in England auf dem Gebiete der Schulen gemacht worden ist, berichtet. Zweitens, was man in Zukunft in dem Fach zu tun gedenkt. Und drittens, was man sich von der internationalen Gesellschaft für Hilfe erwartet. - Ein anderer spricht mehr über das Medizini­sche, Gründung der Klinik in Holland oder Bericht über diese Arbeit in England. Ein anderer mehr über die literarische Arbeit.

Er würde sich denken, daß an den Tagen, die vorgesehen sind zur Diskus­sion, eben je ein Referent, auch in der Schweiz, über das bisher Geleistete und in Zukunft zu Erwartende berichte, damit dann daraus ein Bild der internatio­nalen Arbeit entsteht.

Dr. Steiner: Wünscht weiter jemand das Wort dazu? Dann würde es sich ja nur darum handeln können, ob jemand aus dem Kreise der Delegiertenversammlung etwas anzukündigen hat für diese betreffen­den Themen, ob er eben etwas anzumelden hat.

Willy Storrer möchte ein kurzes Referat anmelden über die Arbeit an der Wochenschrift «Das Goetheanum» für die Delegiertenversammlung.

Dr. Steiner: Will noch jemand ein Thema anmelden? Es scheint nicht der Fall zu sein. Dann kämen wir zum nächsten Punkt der Tagesord­nung: die in unserem Bericht über die Juli-Tagung angeführten 12 Punkte. Möchte jemand dazu etwas sagen? Will jemand einen beson­deren Vorschlag dazu machen? (Zu Herrn Steffen:) Möchten Sie einen Vorschlag dazu machen?

Albert Steffen: Ich erwarte diese aus den Reihen der Delegierten.

Dr. Steiner: Wünscht jemand, daß diese 12 Punkte verlesen werden?*

Willy Storrer möchte vorschlagen, daß vielleicht Herr Steffen ein paar von diesen 12 Punkten angibt, die zur Besprechung kommen sollen, denn es handelt sich ja nur um ein paar Punkte, die man hier besprechen kann.

Dr. Wachsmuth: Punkt 8 ist der folgende: In Holland ist darüber diskutiert worden: Feststellung des Generalsekretärs. - Dann einiges in bezug auf die

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* Siehe Seite 571 ff.

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Aufnahme neuer Mitglied er; ein außerordentlich wichtiger Punkt. Sie wissen, daß vorgeschlagen worden war, daß die Mitglieder, also neue Mitglieder, von dem Generalsekretär des Landes aufgenommen werden und daß dann diese Mitgliedskarten von dem internationalen Vorsitzenden oder dem Funktionär gegengezeichnet werden. Das ist in Holland damals vorgeschlagen worden, auch in England und wird hier vorgeschlagen werden an Weihnachten, rein formell. Nun wird es notwendig sein; daß man fragt, ob man das auch in der Schweiz so handhaben will oder der Versammlung überlassen will.

Der 10. Punkt: Abwehr der Gegner.

Der 11. Punkt: Mitarbeit der Mitglieder aller Länder an der Unterstützung der im Werden der Anthroposophischen Gesellschaft ins Leben gerufenen Unternehmungen.

Der 12. Punkt ist der Wiederaufbau des Goetheanum und was dafür getan werden kann.

Dr. Steiner: Wünscht jemand noch einen andern Punkt ins Auge zu nehmen?

Albert Steffen: Es ist hier ein Manuskript gekommen, betreffend einen Vor­schlag zur Regelung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Ich weiß nicht, ob der verlesen werden soll, er ist von Herrn Hahn. Wollen Sie es vielleicht selbst vorlesen, Herr Hahn?

Rudolf Hahn liest den Vorschlag vor. Er erinnert daran, daß Dr. Steiner einmal erwähnte, nicht die Einnahmen-Steuer, sondern die Ausgaben-Steuer wäre das Richtige, was Geld einbringen würde. Er schlägt vor, daß die Mitglieder eine Ausgaben-Steuer leisten.

Dr. Steiner: Ich möchte nur bemerken, daß der Satz, der darinnen war, ich hätte von einer «Ausgaben-Besteuerung» gesprochen, sich nicht auf die Besteuerung von seiten der anthroposophischen Mitglieder der Gesellschaft bezogen hat. - Es könnte sehr leicht die Meinung hervor-gerufen werden, daß ich schon einmal irgendwie von einer solchen Besteuerung gesprochen hätte, das ist aber ganz und gar nicht der Fall. Ich habe nur gesprochen davon: Wenn öffentliche Steuern, Staatssteu­ern erhoben werden, so kann eine Berechnung gerechterweise nicht nach den Einnahmen, sondern nach den Ausgaben erhoben werden. Ich sage das, damit nicht die Meinung entsteht, ich hätte mit dem Antrag irgend etwas zu tun oder hätte dies schon einmal gesagt.

Rudolf Hahn sagt, daß er es ganz von sich aus vorgeschlagen habe.

Dr. Steiner: Wünscht sonst noch jemand das Wort zu den Punkten 8, 10, 11, 12 respektive zu dem Antrag von Herrn Hahn?

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Frau Weiß (Zürich) kann allerdings nicht die Ansicht des Zweiges vertreten, sondern nur persönlich sprechen, weil der Zweig den Antrag noch nicht kannte. Aber sie möchte nur sagen, daß ihr persönlich dieser Antrag des Herrn Hahn sehr unsympathisch ist. Das sähe denn doch schon sehr nach Zwang aus, wenn die Besteuertang eingeführt werden sollte wie sonst in Kirchen, als Armensteuer, als Schulsteuer. Sie würde eine solche Besteuerung auf Grund von Einkommens- und Vermögensverhältnissen für die Anthro­posophische Gesellschaft in der Schweiz wirklich nicht begrüßen. Das sollte man doch der Freiheit des einzelnen überlassen.

Dr. Steiner: Wünscht noch jemand das Wort? - Stellen Sie das als Antrag, Herr Hahn?

RudolfHahn beantragt, darauf zu sehen, daß man doch auf irgendeine Weise zu Geld komme, um die finanzielle Leistung der Gesellschaft zu erhöhen. Er finde das als eine Möglichkeit, zu einer Besserung zu kommen. Und Geld müssen wir haben, mit unseren bisherigen Einnahmen kommen wir nicht aus. Vielleicht weiß jemand etwas anderes? - Er sieht nicht ein, warum man von Besteuerung spricht. Wir leisten einen Beitrag von 24 Franken, das genügt nicht. Aber wir haben eine große Anzahl von Mitgliedern, die überhaupt nicht mehr leisten können. Man sagt wohl, es sollen freiwillige Beiträge geleistet werden, aber da kommt ja nichts ein.

Walter Knopfli kann diesem Antrag auch nicht beistimmen. Er glaubt, man müsse Mitgliedsbeiträge einer Gesellschaft und Schenkungen, die der Institu­tion zur Verfügung gestellt werden, auseinanderhalten. Beiträge sind notwen­dig zur Geschäftsführung, Administration und so weiter. Was man für das Goetheanum oder für die Schule gibt, ist etwas anderes, also Schenkungsgeld. Und da sollte die Freiheit des einzelnen gewahrt werden.

Dr. Steiner: Wünscht noch jemand das Wort?

Walter Knopfli: Der Beitrag von 10 Franken sollte eigentlich genügen. Es wird ja dann Sache der internationalen Gesellschaft sein, wieviel die Angehörigen der ausländischen Gesellschaften an die Zentralstelle der internationalen Gesellschaft beitragen. Aus diesen Beiträgen, glaube ich, ist dann diese Geschäftsführung möglich.

Dr. Steiner: Also Sie würden meinen, daß die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz den Antrag stellen soll, daß festgesetzt werde von der internationalen Gesellschaft, was die einzelnen Landes-gesellschaften abzuführen haben? Da ist natürlich auch wieder der Unterschied, ob man einen fixierten Betrag abliefern läßt oder einen

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bestimmten Prozentsatz des Mitglieds beitrages der betreffenden Län­dergesellschaften. Ich glaube nicht, daß es möglich ist, eine solche Maßregel irgendwie in der Anthroposophischen Gesellschaft einzu­führen. Ich glaube, die Antipathie gegen ein Besteuerungssystem -ganz abgesehen davon, wie es praktisch durchgeführt werden soll -würde außerordentlich groß sein. Aber nicht wahr, eigentlich müßte schon eine solche Gesellschaft, wie die anthroposophische es in der Gegenwart ist, schon wirklich auf der Freiheit der Mitglieder beruhen in bezug auf die Beiträge-Zahlungen und in bezug auf Zahlungen überhaupt. Man kann nämlich nicht sagen, daß die Fixierung des Mitgliedsbeitrags gegen das Prinzip der Freiheit verstößt, denn derje­nige, der nicht bezahlen will, tritt gar nicht bei, oder er tritt aus, wenn er schon drinnen ist. Es steht doch jedem frei, den Mitgliedsbeitrag zu bezahlen, wenn er ihm nicht zu hoch ist. Wenn man aber einen Paragraphen einführt, eine Taxe geradezu, das, glaube ich, würde uns in einem sehr merkwürdigen Licht erscheinen lassen. - Und ich muß schließlich sagen: Diejenigen Dinge, die hier in dem Punkt 11 ange­führt sind, die werden doch wohl kaum gedeihen, wenn man sie nur auf eine solche Weise lösen wollte. Die einzelnen Zweige, nicht wahr, können ja natürlich über ihre Mitgliedsbeiträge verfügen oder be­schließen aus dem Schoße ihrer Mitglieder heraus, was sie mögen. Aber für alle diese besonderen Bewegungen wie Waldorfschule, Medi­zin und so weiter, da wird es immer notwendig sein, daß besondere Beiträge geleistet werden, die eben derjenige dann leisten wird, der sie leisten kann. Da kann man doch eigentlich wirklich nur an den guten Willen appellieren. Irgendeinen Zwang da auszuüben - was ja auch nur möglich wäre bei manchen Mitgliedern, die schon drinnen sind in der Gesellschaft -, eine solche Maßregel in den Statuten würde natür­lich eine Festungsmauer um die Gesellschaft herum aufrichten, und es würde kein Mensch oder sehr wenige Menschen noch beitreten. Nicht wahr, es ist ein bißchen sonderbar geredet, aber ich möchte doch sagen: Schließlich kann man nicht die Beitragszahlung darauf stützen, daß man den Leuten zur Pflicht macht, sie sollen einen in ihr Porte­monnaie hineinschauen lassen.

Rudolf Hahn sagt, daß es so nicht gemeint war. Wenn man sagt, es sei wünschenswert, 1 oder 1 1/2 Prozent abzugeben von der Ausgabe, so ist es ja ganz in die Freiheit oder in die Gewissenhaftigkeit des einzelnen gestellt. Das Geld müssen wir ja doch haben!

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Es wird noch weiter darüber verhandelt.

Dr. Steiner: Wodurch unterscheidet sich im Meritorischen dasjenige, wovon Sie hier sprechen, von dem, was die Gesellschaft wirklich einnimmt? Wenn etwa gesagt wird: Der Mitgliedsbeitrag ist soundso hoch, und wo es nicht möglich ist, das zu leisten, kann einer befreit werden. - Aber es steht jedem frei, einen größeren Mitgliedsbeitrag zu zahlen? Wir haben ja im Paragraphen: ... kann mehr bezahlen! Wo­durch unterscheidet sich das?

Rudolf Hahn: Daß angeregt werde, villeicht mehr zu bezahlen. Es zahlt nur vielleicht niemand 100 oder 200 Franken; aber es gibt Mitglieder, die das leisten könnten. Dagegen gibt es Mitglieder, denen ganz gut ein Erlassen des Beitrags gegönnt werden könnte.

Dr. Jakob Hugentobler: Herr Hahn hat ja eigentlich nur ein einziges Beispiel erwähnt, wo die Beiträge nicht ausreichen. Er hat von der Bibliothek gespro­chen. Daß man mit diesem Beitrag nicht die anderen Zwecke der Gesellschaft irgendwie speisen kann, daß aber die 24 Franken doch ausreichen sollten für das eigentliche Geschäftsmäßige, ist seine Auffassung. Herr Hahn müßte versuchen, in seinem Zweige in Basel so zu arbeiten, daß er von Fall zu Fall für diese besonderen Zwecke seine Beiträge bekäme. Es wird ihm sicherlich gelingen, wie in anderen Zweigen.

Rudolf Hahn sagt, daß man in Basel schlechte Erfahrtangen damit machen kann.

Dr. Steiner: Aber es ist wirklich dieses nicht einmal eine Anregung. Man muß schon, ich möchte sagen, eine moralische Anregung dabei bringen. Ich meine nicht, daß das unmoralisch ist, aber ich meine, an moralischere Impulse denken als an solche. Denn sehen Sie, es ist nicht möglich, daß irgend jemand aufgefordert werde, nach seinem Ein­kommen oder gar nach seinem Auskommen so etwas wie einen Mit­gliedsbeitrag zur Anthroposophischen Gesellschaft zu berechnen! Denn es kommt doch in Betracht, wieviel er in der Lage ist, von einem wirklichen Einkommen dann wiederum Abzüge zu machen. Denken Sie sich doch einmal: Wenn einer ein Einkommen hat von monatlich 1000 Mark, und er ist ein lediger Junggeselle, und ein anderer hat ebensoviel und hat zehn Kinder: Wie kann man da vorzugehen denken?

Rudolf Hahn: Vielleicht durch eine besondere Kommission?

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Dr. Steiner: Das halte ich für das Gefährlichste. Abgesehen, daß ich schon die Steuerkommission als genügend gefährlich fühle - dann noch eine größere Steuerkommission in der Anthroposophischen Ge­sellschaft? Ich könnte mir nicht denken, daß dies uns ein besonderes Ansehen verschafft.

Frau Weiß frägt, ob denn nicht die Frage bei der letzten Versammlung vollständig geregelt sei, so daß die Geschäftsstelle die Anträge stellt.

Dr. Wachsmuth sagt, er möchte erwähnen, daß der Antrag nicht von der Geschäftsstelle ausgehe.

Rudolf Hahn: Herr Dr. Blümel hat gesagt, daß nicht 10, sondern 20 Prozent nötig seien. Ich für mein Teil weiß schon, was ich zu tun habe mit dem Geld.

Dr. Steiner: Ich bin sogar überzeugt, daß Sie es nicht für sich verwen­den werden, sondern für die Gesellschaft. Aber ich weiß nicht - es geht wirklich nicht gut an, einen so formulierten Paragraphen oder ein Statut oder so etwas zu haben. Denn es würde tatsächlich abschrek­kend wirken auf diejenigen Menschen, die erst Mitglieder werden wollen.

Frage: Kann Herr Dr. Steiner nicht versuchsweise über diesen Antrag ab­stimmen lassen?

Dr. Steiner: Das würde aber nur bedeuten, daß es der Antrag auf Schluß der Debatte ist. Es ist der Antrag gestellt. - Bitte die Hand zu erheben! Bitte die Gegenprobe! Es ist angenommen. - Dann kommt der Antrag zur Abstimmung. Ich bringe also den Antrag des Herrn Hahn zur Abstimmung und bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. - Er ist einstimmig abgelehnt - mit einer Stimme, meine ich.

Nicht wahr, es handelt sich darum - ich bin wirklich kein Pedant, aber ich möchte doch darauf aufmerksam machen -, daß man am besten vorwärtskommt in den Verhandlungen, wenn diese kleinen Nuancen schon eingehalten werden: Es wird sofort abgestimmt, wenn jemand den Antrag stellt auf Schluß der Debatte. Also diejenigen Dinge, die schon einmal im Parlamentsleben richtig sich eingeführt haben, tragen sehr dazu bei, daß die Versammlung in regelrechter Weise verläuft. Hat jemand zu einem anderen dieser Punkte noch etwas zu sagen? Ich denke ja, daß die verehrten Delegiertenfreunde

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augenblicklich wenig vorbereitet sein werden, über diese 12 Punkte zu sprechen, weil sie wahrscheinlich noch nicht darüber gedacht haben. Es steht wohl in der Einladung, aber fruchtbar wird ja doch erst bei der Delegiertenversammlung zu Weihnachten über diese Dinge gespro­chen werden können. - Wenn jemand eine Anregung noch zu geben hat, so bitte ich, das zu tun.

Ein Herr ist sich nicht klar darüber, betreffend Punkt 8, warum die Aufnahme eines neuen Mitgliedes vom internationalen Sekretariat gegengezeichnet wer­den soll. Was für einen Wert das haben soll?

Dr. Steiner: Dies hat schon einen bestimmten Wert. Nur, muß ich sagen, kommt das hier bei dem Punkt 8 nicht mit der nötigen Klarheit zum Vorschein. Aber über diesen Punkt wird ja natürlich bei der Delegiertenversammlung an Weihnachten gesprochen werden. Es hat doch einen gewissen Wert. Es würde eine Bedeutung haben, wenn sämtliche Mitgliederkarten, die für die Anthroposophische Gesell­schaft ausgegeben würden, eine einheitliche Unterzeichnung hätten. Wie gesagt, einen Wert hätte es. Und nicht wahr, die Verantwortlich­keiten, die werden sich ergeben aus der Art und Weise, wie gewisser­maßen das Büro der internationalen Gesellschaft zu Weihnachten bestellt wird. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich diese Verantwort­lichkeit auf eine andere Art ergibt als dadurch, daß die verantwortli­chen Funktionäre hier in Dornach für die internationale Gesellschaft eben das nötige Vertrauen haben können zu den in den einzelnen Ländern vorhandenen Funktionären: Also zum Beispiel da, wo Gene­ralsekretäre ernannt worden sind, wie in Norwegen und in England und in Holland. Es muß natürlich derjenige, der hier verantwortlich zeichnet für die Gesellschaft, das Vertrauen haben zu den betreffenen Generalsekretären dort. Nur auf diese Weise kann es eine Verantwort­lichkeit gegenseitig geben. Das ist ja auch schon neulich bei der Dele­giertenversammlung der holländischen Gesellschaft dadurch festge­legt worden, daß gesagt worden ist: Die Gründungsversammlung wählt einen Generalsekretär. - Der ist gewählt worden. Und nun, nicht wahr, ist ja das natürlich vorbehaltlich dessen, daß der betref­fende Funktionär, der da an der Spitze der internationalen Gesellschaft stehen wird, hinterher die Einwilligung gibt und daß, wenn eine Änderung der Gesellschaft geschieht - das hat die holländische Gesell­schaft beschlossen -, dann in Dornach angefragt wird, ob man einverstanden

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ist damit. Das würde natürlich nicht hindern, daß sich der Vorstand der betreffenden Landesgeselischaft ganz autonom fühlt. Aber diejenigen Funktionäre der Landesgesellschaft, die den Verkehr mit Dornach vermitteln, die müssen also eben im Einverständnis mit Dornach irgendwie designiert oder gewählt werden, nicht wahr? Sonst hätten wir die internationale Gesellschaft nicht, wenn nicht so etwas gegründet würde.

Walter Knopfli möchte Näheres über den ersten Punkt dieser 12 Bestimmun­gen, über den noch gar nicht verhandelt worden ist, hören. Er meint: Wir sind jetzt hier als Delegierte der schweizerischen Gesellschaft und sollten doch so viel herausbringen, daß wir eigentlich mehr oder weniger dasjenige zusam­menfassend haben, was die schweizerische Gesellschaft an dieser inernationa­len Tagung zu vertreten hat. Aber wenn wir jetzt die Delegiertenversamm­lung schließen, und ich sollte meinem Zweig berichten, was gerade gegangen ist, so könnte ich nichts berichten. Es wurde wohl gesprochen, aber immer Schluß der Debatte gewünscht. Gerade dieser Punkt 1 ist das, was schon eingangs der Tagesordnung als notwendig zu besprechen erklärt wurde.

Dr. Steiner: Der Antrag ist gestellt, daß über den Punkt 1 verhandelt werde. Wünscht jemand dazu zu sprechen?

Willy Storrer: Wir würden bei diesem Punkt noch einmal unseren Antrag wiederholen: Es möchte die bisherige Form der Anthroposophischen Gesell­schaft in der Schweiz als eine provisorische angesehen werden, und man möchte vielleicht am nächsten Samstag oder Sonntag in Zürich oder Olten eine Gründungs-, eine Urversammlung der schweizerischen Mitglieder durchführen und bei dieser die Organisation der Gesellschaft beschließen und jene wählen, die dann bei der Delegiertenversammlung vertreten sollen.

Dr. Steiner: Wünscht jemand dazu zu sprechen?

Edgar Dürler möchte nur den Antrag von Herrn Storrer sehr unterstützen und möchte hoffen, daß das nicht wieder mit Schlagworten wie Chauvinismus kaputtgemacht werde.

Frl. Emma Ramser möchte beantragen, daß dies bis nach Weihnachten ver­schoben werde. Daß darüber gründlich gesprochen wird, scheint ihr auch nötig. Es scheint viel gegen die jetzige Gesellschaft vorzuliegen. Aus dem ergeben sich dann die Gründe für die Neubildung einer schweizerischen Gesellschaft. Aber es ist auf alle Fälle die Zeit vor Weihnachten zu kurz, um alles zu ordnen.

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Frl....? meint, daß, wenn jeder Delegierte, der hier ist, zu Hause darüber berichtet, dann an Weihnachten die Delegierten auch darüber berichten kön­nen, wie sich der Zweig zu dieser Frage stelle.

Frau Weiß meint auch, daß diese Versammlung noch vor Weihnachten statt­finden sollte, damit man dann wisse, wie man sich der internationalen Gesell­schaft anzuschließen habe.

Albert Steffen: Ich sehe keinen Grund ein, warum die schweizerischen Mitglieder sich nicht versammeln sollten. Sie sollen sich doch wirklich versammeln.

Willy Storrer: Ich sehe auch nicht ein, warum das nicht durchgeführt werden sollte. Denn man hat doch auch die Delegierten und die Mitglieder der Umgebung eingeladen, um diese ganzen Vorbereitungen für die Delegierten­versammlung zu erledigen, und hat diese Einladung eben für einen Termin gemacht, der eigentlich nicht Gelegenheit zu einer solchen Aussprache läßt, nämlich für nachts 10 Uhr. Wenn man gedacht hat, man kann in dieser relativ kurzen Zeitspanne die Sache erledigen, so muß doch eine ganze Woche dazu genügen, daß sich die Mitglieder äußern können. Er glaubt, es ist Zeit genug vorhanden, besonders wenn man als Versammlungstermin einen Samstag oder Sonntag wählt.

Dr. Steiner: Ja, wer soll denn die Versammlung einberufen? Nicht wahr, die Sache ist diese: Gegenwärtig besteht die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz. Die ist heute durch ihre Delegierten vertreten. Auf die ist bisher gerechnet, wenn es sich darum handelte, die einzelnen Landesgesellschaften zusammenzufassen. Also für die Weilmachtstagung wäre natürlich formell alles in Ordnung, und es kann ja gewiß auf der Weihnachtstagung die Anregung, die zuerst Herr Knopfli gegeben hat, gemacht werden. Also es könnte nur zwei­erlei geschehen: Entweder könnte von derselben Stelle aus wiederum eine solche Versammlung einberufen werden wie heute oder auch meinetwillen eine Versammlung der schweizerischen Mitglieder, oder aber es müßte eine Urversammlung einberufen werden. Und die kann nur dadurch einberufen werden, daß irgend jemand sie einberuft.

Willy Storrer glaubt, diese Frage könnte man dadurch lösen, daß man sagt:

Die bisherigen Delegierten der schweizerischen Zweige gehen heim und berufen eine Mitgliederversammlung ein und teilen eben dieser Mitglieder­versammlung mit, daß beschlossen worden ist von den bisherigen Delegier­ten, man wolle in Zürich eine Urversammlung durchführen für die einzelnen

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Mitglieder, die dann sich anschlössen. Es könnte die Sache durch das Sekreta­riat gemacht werden.

Dr. Steiner: Das geht natürlich formell nicht. Die Delegierten, die jetzt da sind, sind Delegierte der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz. Die können nicht beschließen, eine Urversammlung einzu­berufen. Die können nur beschließen, eine Versammlung derjenigen, die jetzt Mitglieder sind der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz, einzuberufen. Eine Urversammlung kann nur von jemandem einberufen werden, der das eben, nun ja, aus dem Urzustand heraus tut. Eine Urversammlung kann nur dadurch einberufen werden, daß jemand die Verantwortung übernimmt - allein oder mit einer Anzahl von Kameraden, die er sich mit wählt -, eine Aufforderung zu erlassen an alle diejenigen Mitglieder, die er will und mit denen er eine Urver­sammlung zu machen gedenkt; und diese Versammlung kann dann einen Antrag bei der Delegiertenversammlung zu Weihnachten brin­gen. Aber die Delegiertenversammlung der Anthroposophischen Ge­sellschaft kann nicht irgendwie den Antrag stellen, eine Urversamm­lung einzuberufen, denn es gibt keine «Urversammlung» einer beste­henden Gesellschaft.

Willy Storrer: In diesem Falle würden wir, also die Vertreter der Zweige St. Gallen, Neuchâtel, Schaffhausen und der «Neuen Generation», die hier anwesend sind, diese Urversammlung einberufen.

Dr. Steiner: Dann können Sie es von diesen Zweigen aus unter sich einberufen, müssen aber auch ein selbständiges Büro aus sich, aus ihrer Idee heraus schaffen. Aber es kann wirklich nicht eine «Urversamm­lung» von etwas schon Bestehendem einberufen werden. Es kann beschlossen werden, eine zweite Versammlung einzuberufen, ir­gendwo meinetwillen, aber nicht eine Urversammlung.

Walter Knopfli: Es sollte nicht hier ein Beschluß gefaßt werden, aber in der Weise vorgegangen werden, daß sich die Zweige unter sich einigen, wer die Sache in die Hand nehmen will. Dann wird der Betreffende, außerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz, außerhalb der Delegierten-versammlung, diese Einladung machen und dann außerhalb, ganz neutral, ganz aus dem Urzustand heraus, einberufen. Wer das macht, darüber werden sich ja die, die das wünschen, wohl einigen können. Dagegen kann man ja die Delegierten, die hier sind, ersuchen, wenigstens orientierungsweise ihre Mit­glieder daheim zu bitten, vorbereitend Stellung dazu zu nehmen.

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Dr. Steiner: Das kann schon geschehen, aber darüber kann kein Be­schluß gefaßt werden. Nicht wahr, das sehen Sie doch ein? Das ist nicht möglich, daß man darüber einen Beschluß faßt!

Walter Knopfli: Ja, das ist ein Punkt, der mir zu Punkt 1 sehr wichtig ist:

Berichterstattung über die Ländergesellschaften. Es ist eine gewisse Stim­mung dafür vorhanden.

Dr. Steiner: Ja, ist denn wirklich so wenig bekannt über diese Absicht, hier eine internationale Gesellschaft zu begründen? Ist wirklich so wenig darüber bekannt?

Walter Knopfli: Die beabsichtigte Gründung der internationalen Gesellschaft ist natürlich allen Mitgliedern bekannt, aber es handelt sich doch darum, wie wir als Schweizer Gesellschaft uns dazu stellen. Es handelt sich doch darum - -Dr. Emil Grosheintz (unterbricht): Sie stellen sich aber jetzt gegen die Schwei­zer Gesellschaft! Es ist etwas ganz Unmögliches, was Sie hier verlangen. Wir sind hier die Delegierten der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz. Nun paßt Ihnen diese Gesellschaft nicht, und Sie sagen: Wir wollen uns selbst erdrosseln dadurch, daß wir eine andere Versammlung einberufen oder auch etwas anderes machen aus der Gesellschaft. - Es ist einfach diese Gesellschaft, die jetzt besteht, die Ihnen nicht paßt! Wollen Sie, daß wir selber

- ich kann nicht anders sagen - uns erdrosseln, daß wir beschließen, wir wollen eine Urversammlung bilden und sofort neu anfangen? - Und dann ist es gar nicht zu verstehen, wie Herr Storrer dazu kommt, zu sagen, daß diese Gesellschaft, wie sie jetzt besteht, ein Provisorium ist. Sie ist kein Proviso­rium, sie besteht! Und ich glaube, wenn etwas anderes geschehen soll in der Gesellschaft, wenn sie sich dahin modifizieren soll, daß die Schweizer Mit­glieder sich enger zusammenschließen, dann die Gruppe hier, weil sie einen internationalen Charakter hat, diesen Charakter der Internationalität, wie er in Dornach eben natürlicherweise besteht, diesen Charakter auch am besten zum Ausdruck bringt, wenn ein internationaler Zweig am Goetheanum ent­steht. Wenn das auf diese Weise gemacht werden kann, wie es Herr Dr. Steiner vorgeschlagen hat, ist das der allerbeste und der allernatürlichste Weg. Ich weiß nicht, warum Sie jetzt drängen und darauf bestehen wollen, noch vor Weihnachten diesen Umsturz herbeizuführen.

Dr. Steiner: Aber vorhin konnte man ja ganz gut über die Sache beraten! Es war alles absolut klar, und es war in Wirklichkeit eigentlich kein Grund da, auf den Vorschlag noch einmal zurückzukommen. Es macht sogar den Eindruck - da man noch einmal auf ihn zurückkommt -,

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daß Hintergedanken noch walten, die man nicht zum Aus­druck bringen will. Denn jetzt stehen wir auf einem Punkt, wo man eigentlich nicht mehr verstehen kann, was gewollt wird. Zum Beispiel von dem, was Herr Storrer will, davon verstehe ich kein Wort.

Willy Storrer: Es kommt uns nur darauf an, daß eine Mitgliederversammlung stattfindet.

Dr. Steiner: Aber eine Mitgliederversammlung kann nur beschlossen werden hier von der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz.

Willy Storrer: Das wollen wir, Herr Doktor! Es ist uns gleichgültig, ob die Versammlung eine gewöhnliche oder außergewöhnliche ist. Der Zweig am Goe­theanum hat hier Vertretung durch Dr. Grosheintz und noch jemanden. Ich habe zum Beispiel nicht gehört, daß durchgeführt worden wäre, daß diese als Bevoll­mächtigte ihrer Mitglieder nun Stellung nehmen.

Dr. Steiner: Das können Sie ja natürlich hier beschließen, daß eine Mitgliederversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz einberufen werde.

Martha Schelling sagt, sie glaube, daß nur wenige Mitglieder diesem Ruf folgen können, denn sie können nicht zweimal in der kurzen Zeit kommen. Dr. Steiner: Man müßte doch zu dieser Frage sachlich sprechen. Ich möchte doch, nachdem wir schon die Vorsitzenden der Versammlung gewählt haben, darauf aufmerksam machen, daß es wirklich notwen­dig wäre, wenn man über so etwas spricht, die Dinge zu begründen. Daß man sagt: Wir wollen dieses und jenes, das ist eigentlich keine Begründung der Sache. Ich glaube nämlich, daß jetzt - heute ist der 8. Dezember, und am 24. beginnt die Delegiertenversammlung -, daß eine Mitgliederversammlung in der Schweiz jetzt an irgendeinem Orte einzuberufen eine so durchgreifende Maßregel ist, etwas so Einschnei­dendes ist, daß man sich das natürlich ganz wesentlich überlegen soll. Und vor allen Dingen glaube ich, daß nicht leichtsinnig in einer solchen Sache vorgegangen werden dürfte. Denn es ist ganz durchaus dies zu bedenken, daß jede Wahl eines Ortes, die Sie heute treffen, so gemacht werden kann, daß eine Gruppe die ganze Schweiz und die ganze Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz majorisiert. Sie wählen einfach den Ort danach. Sie wissen, an irgendeinem Ort in der Nähe, da sind Mitglieder, die wollen irgend etwas Bestimmtes. Sie wollen sich eine Majorität schaffen, und dazu wählen Sie einen Ort. Sie

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wissen: Wenn wir St. Gallen wählen, haben wir dort die Majorität, wenn wir Olten wählen, haben wir dort die Majorität und so weiter. Diese Dinge sind von einer solchen Wichtigkeit, daß sie zu bedenken sind gegenüber dem andern, das eigentlich vorgebracht werden müßte. Ist denn wirklich eine so große Unzufriedenheit vorhanden über die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz, daß jetzt auf Knall und Fall eine Mitgliederversammlung einberufen werden soll? Ist diese Unzufriedenheit wirklich so groß? Oder kann dasjenige, was Herr Knopfli vorgebracht hat, was ich sehr gut einsah, einfach in der Form eingebracht werden, daß diejenigen Mitglieder, die es für eine Notwendigkeit halten, dieses als Antrag, in Form eines Antrags vor­bringen? - Es kann ganz gut in Form eines Antrags von einzelnen Mitgliedern vorgebracht werden, dann haben Sie eine ganz reinliche Sache. Dann steht ein Antrag da, der meinetwillen von 30 oder wie vielen Mitgliedern unterstützt ist. Es ist ein reinlicher Antrag da, und Sie haben nicht jetzt Knall und Fall mit irgendwelchen Hintergedan­ken eine Versammlung einberufen durch den Willen einer ungleichen Majorität, den Willen von einzelnen Mitgliedern, also einer ver­schwindenden Minorität! Das muß man doch alles berücksichtigen! Natürlich habe ich nicht das Recht, in irgendeiner Weise in die Sache einzugreifen. Aber ich halte es für absolut gefährlich, wenn man, nachdem bis jetzt nichts geäußert worden ist über die Sache, nachdem bis jetzt längere Zeit Zufriedenheit war mit der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz, jetzt vom 8. Dezember bis 24. Dezember auf Knall und Fall eine Versammlung einberufen werden soll. Da müßte man wenigstens sagen, warum man eine Mitgliederversamm­lung braucht. Denn um den Antrag zu stellen, den Herr Knopfli gestellt hat, braucht man nämlich keine Mitgliederversammlung. Ich bin vollkommen überzeugt, daß - -Walter Knopfli sagt, er kann sich damit schon einverstanden erklären. Er

denkt sich, daß an Weihnachten auch einzelne Vertreter Stellung nehmen werden - der Delegierte des Zweiges am Goetheanum hat Stellung genom­men. Wenn dann wirklich zum Beschluß erhoben wird die Konstituierung der vorausgesetzten neuen Anthroposophischen Gesellschaft, der Eintritt in die internationale Gesellschaft, dann werde die bisherige Gesellschaft in der Schweiz formell den Eintritt geben, und erst nachher sollte die Umänderung erfolgen.

Dr. Steiner: Sehen Sie, es wird doch etwas in dieser Beziehung zu

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Weihnachten geleistet. Da würde schon eine bestimmte Internationa­lisierung des Zweiges am Goetheanum eintreten, und meiner Ansicht nach werden dann Verhältnisse geschaffen, mit denen Sie zufrieden sein können. Ich glaube schon, daß überhaupt die Sache - ob man nun den Namen auch noch ändert oder nicht, das ist wirklich eine sekun­däre Frage -, ich glaube tatsächlich, daß Sie das, was Sie wollen, haben können, wenn nicht eben etwas dahinter ist! Das, was gesagt wird als das, was Sie wollen, das kann durchaus erreicht werden mit den Beschlüssen, bei denen es mit richtigen Dingen zugeht.

Frl. Emma Ramser: Die Herren haben erklärt, daß, falls ihr Antrag angenom­men würde, sie konkrete Vorschläge machen. Würde der Antrag so, daß man auf die Trennung eingehe, dann wollten sie konkrete Vorschläge machen.

Dr. Steiner: Aber man kann doch auf die Trennung nicht eingehen! Das ist doch ganz unmöglich.

Frl. Emma Ramser: Könnten die Herren nicht vielleicht, was sie vorzubrin­gen haben, den Zweigen im Laufe der nächsten Woche Punkt für Punkt mitteilen, daß man darüber diskutieren könnte, nicht daß die Delegierten gewissermaßen wieder vor einem Fait accompli stehen, ich will nicht sagen:

überrtampelt werden. Aber wenn lange nicht die Zahl der Mitglieder kommen kann an Weihnachten ... daß man weiß, was gesprochen werden soll...

Dr. Steiner: Es hätte ja ganz gut, wenn die Meinung besteht, daß außer dem, was gesagt worden ist, manches noch in der Anthroposophi­schen Gesellschaft in der Schweiz mangelhaft ist, es hätte ja ganz gut heute vorgebracht werden können!

Walter Knopfli: Es sollte nicht ein Mißtrauensvotum sein, nur was vorge­bracht worden ist, habe ich gesagt. Und das, was konkrete Vorschläge sind, war die Erwägung von etwas, was einer Urversammlung gleich ist und wie sich die Gesellschaft neu zu konstituieren hat, wie man das machen soll, um Mißverständnissen vorzubeugen. Nicht irgendwelche Hintergedanken sind da.

Willy Storrer meldet sich zum Wort.

Dr. Steiner: Dieses, was Sie vorgeschlagen haben, ist tatsächlich in der leichtesten Weise zu regeln, auch im Hinblick auf den Punkt 1. Nicht wahr, ich habe zwar diesen abgekürzten Bericht über die Internatio­nale Delegiertenversammlung in Dornach mit diesem Anhang der Gründung der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft in

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Dornach gelesen [siehe S.557]; aber ich muß schon sagen: Das schaut natürlich furchtbar aus, diese 12 Punkte! Und wenn wir darüber in der Weise weiter debattieren wie jetzt, so sind wir morgen früh noch nicht fertig. Es wird zu sprechen sein über die Zusammenfassung der bereits gegründeten einzelnen Ländergesellschaften. Dieser erste Punkt kann sich bei der Delegiertenversammlung nämlich in fünf Minuten abspie­len. Das schaut nur nicht so aus, nicht wahr, weil hier vier Zeilen stehen; aber es braucht ja bloß der Wille zum Ausdruck zu kommen, daß man diese internationale Gesellschaft begründet. Und die Bericht­erstattung über die verschiedene Gestaltung der einzelnen Länderge­sellschaften, das wird auch nicht besonders lange Zeit in Anspruch nehmen. Wenn der gute Wille vorhanden ist, diese Internationale Anthroposophische Gesellschaft zu begründen, dann, glaube ich, sollte man über die Formalitäten überhaupt nicht viel reden, sondern man sollte dann den Übergang finden, über mancherlei wirklich wich­tige Dinge auf anthroposophischem Gebiet zu sprechen, über die dann verhandelt werden sollte. Ich glaube nicht, daß es gut sein wird, an Weihnachten bei dieser Tagung überhaupt lange Zeit über diese Fra­gen zu reden, die heute abend doch wiederum so zum Hin- und Herreden gemacht worden sind und bei denen man gewöhnlich nicht weiß, was eigentlich gewollt wird. Nicht wahr, ich hätte ja nach der Geschäftsordnung überhaupt den Antrag nicht mehr zur Diskussion zuzulassen brauchen. Es war schon ein Entgegenkommen, daß ich ihn zur Diskussion noch einmal habe zugelassen, aber es müßten doch dann die Gründe vorgebracht werden.

Willy Storrer: Ja, Herr Doktor, wir haben doch diese Gründe vorgebracht! Denn wir glauben, daß es nötig ist, daß sich die Organisation der Anthropo­sophischen Gesellschaft in der Schweiz neu konstituiere, daß sie es tun muß, und in dieser Richtung wollten wir dann Vorschläge machen. Wir wollten, daß diese Mitgliederversammlung sich ausdrücklich darüber ausspricht - -Dr. Emil Grosheintz: Herr Storrer! Wir sind jetzt in einer Delegiertenver­sammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz. Wenn Sie den Antrag stellen, daß sich diese Gesellschaft neu konstituieren soll - sagen Sie nicht «muß», sie muß sich neu begründen -, sondern sagen Sie dann die Gründe, warum Sie glauben, daß dies geschehen soll, und welches ihre Mängel und Schäden sind, außer denen, die schon vorgebracht worden sind.

Willy Storrer sagt, sowohl Herr Knopfli wie auch Herr Stokar und er seien sich in dieser Richtung darüber einig, daß sie es für besser halten würden für

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die Wirkung in der Außenwelt, wenn die Leitung der schweizerischen An­throposophischen Gesellschaft mehr aus Schweizern bestehen würde, wenn anstelle des Arbeitsausschusses, der ja ganz gut noch bestehen könnte am Goetheanum, noch ein Arbeitsausschuß bestünde, vielleicht eben aus den einzelnen Zweigen in der Schweiz zusammengesetzt.

Dr. Steiner: Bitte, dann stellen Sie bei der nächsten Versammlung, wo eine Wahl ist, andere Persönlichkeiten zur Wahl auf. Das ist ja gar kein Gegenstand zur Diskussion. Man kann doch nicht in irgendeinem beliebigen Zeitpunkt den Antrag stellen!

Willy Stokar: Ich beantrage Schluß der Debatte.

Dr. Steiner: Der Antrag auf Schluß der Debatte ist gestellt. Ich bitte diejenigen Delegierten, die dafür sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte nun diejenigen, die dagegen sind, die Hand zu erheben. - Der Antrag auf Schluß der Debatte ist also angenommen.

Ist noch etwas? Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann kommen wir zum Schluß. Ich danke den verehrten Freunden, daß sie zu dieser Delegiertenversammlung erschienen sind. Ich hoffe, trotzdem wir ja über manches ein bißchen «undurchsichtig» gesprochen haben, daß dennoch das, was wir gesprochen haben, bei der sehr wichtigen Dele­giertenversammlung zu Weihnachten seine guten Früchte tragen wird.

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# Bild s. 726

Vorbereitungen für die Weihnachtstagung Besprechung Rudolf Steiners mit Dr. Ita Wegman, Albert Steffen und Dr. Guenther Wachsmuth über die künftige Vorstandszusammensetzung

#G259-1991-SE727 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

#TI

Vorbereitungen für die Weihnachtstagung

Besprechung Rudolf Steiners mit

Dr. Ita Wegman, Albert Steffen und Dr. Guenther Wachsmuth über die künftige Vorstandszusammensetzung

#TX

Nachdem sich Rudolf Steiner endgültig entschlossen hatte, künftig die Ge­sellschaftsleitung selbst zu übernehmen und sich mit Marie Steiner über die Vorstandsbesetzung beraten hatte, orientierte er nun die anderen in Frage kommenden Persönlichkeiten. Dr. Ita Wegman war bereits schon vor dem 2. Dezember (siehe Seite 864), Dr. Elisabeth Vreede in gewisser Weise am 10. Dezember, Albert Steffen und Dr. Guenther Wachsmuth im Beisein von Dr. Ita Wegman am 16. Dezember orientiert worden. Albert Steffen berichtete von der Besprechung am 16. Dezember in der außerordentlichen Generalver-sammlung vom Dezember 1930 laut Protokoll wie folgt:

«Im Dezember vor der Weihnachtstagung, am 16. Dezember 1923, fand eine Sitzung statt, eine Vorsitzung. Herr Dr. Steiner rief heran Frau Dr. Wegman, Dr. Wachsmuth und mich und sprach damals so, daß ich es hörte zum erstenmal, wie er sich den Vorstand zusammengesetzt denkt, und da sagte er - das habe ich aufgeschrieben : Dann sagte er: Fräulein Dr. Vreede wurde damals noch nicht ge­nannt.»[*]

Albert Steffens Tagebucheintragung, auf die er hier Bezug nahm, lautet wörtlich:

«Am 16. Dezember in der Villa Hansi (Frau Dr. Wegman, Dr. Wachs­muth, ich). Dr. Steiner liest die Statuten vor und sagt dann, wie er sich den Vorstand denke. Er: Präsident. Frau Dr. Steiner und ich Vicepräsident. Frau Wegman Protokollführerin. Wachsmuth Kassier (Wachsmuth schlägt vor

[»] Nach Elisabeth Vreede hatte Rudolf Steiner ihr gegenüber aber schon in einem Gespräch am 10. Dezember eine Bemerkung gemacht, «in der im Grunde genommen enthalten war, daß er erwäge, mich in den Vorstand zu nehmen«. (E. Vreede, «Zur Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft seit der Weihnachtstagung 1923», Arlesheim 1935.)

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Einladung in der Wochenschrift «Das Goetheanum»

3. Jg., Nr. 19 vom 16. Dezember 1923

Gründungs -Versammlung der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft, Dornach,

Weihnachten 1923

Vortragszyklus Dr. Rudoll Steiners; ,,Die Weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung und als Grundlage der Er-

kenntnis des Menschengeistes".

Monlog, 24. Dezember 1923.

Vormittags 10 Uhr: Vortrag von Albert Steffen: ,,Aus der Schicksals-geschichte des Goetheanum".

Vormittags 11.15 Uhr: Eröffnungsvortrag von Dr. Rudolf Steiner.

Nachmittags 4.30 Uhr: Paradeis-Spiel.

Nachmittags 6.00 Uhr: Paradeis-Spiel (wiederholt).

Abends 8.00 Uhr: 1. Vortrag: Dr. Rudolf Steiner.

Dienstag, 25. Dezember 1923.

Vormittags 10.00 Uhr: Grundsteinlegung der internationalen An­throposophischen Gesellschaft durch Dr. Rudolf Steiner.

Vormittags 11.15 Uhr: Gründungsversammlung der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft.

Nachmittags 4.30 Uhr: Christ-Geburt-Spiel.

Abends 8.00 Uhr: 2. Vortrag: Dr. Rudolf Steiner.

Mittwoch, 26. Dezember 1923.

Vormittags 10.00 Uhr: Mitgliederversammlung. Thema: Die zu-künftige Arbeit der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft

und der Ländergesellschaften. Nachmittags 4.30 Uhr: Eurhythmie. Abends 8.00 Uhr: 3. Vortrag: Dr. Rudolf Steiner.

Donnerstag, 27. Dezember 1923.

Vormittags 10.00 Uhr: Anthroposophie und Naturerkenntnis. Dr. Guenther Wachsmuth: ,,Erdenantlitz und Menschheitsschicksal".

Nachmittags 4.30: Drei Königs-Spiel.

Abends 8.00 Uhr: 4. Vortrag: Dr. Rudolf Steiner.

Freitag, 28. Dezember 1923.

Vormittags 10.00 Uhr: Anthroposophie und Kunst. Jan Stuten:

,,Die Musik und die geistige Welt". Nachmittags 4.30 Uhr: Eurhythmie. Abends 8.00 Uhr: 5. Vortrag: Dr. Rudolf Steiner.

Samstag, 29. Dezember 1923.

Vormittags 10.00 Uhr: Versammlung der Anthroposophischen Ge-sellschaft. Einleitendes Referat Louis Werbeck: ,,Zur Gegnerschaft der Anthroposophie." Referate und Diskussion über Probleme der Gesellschaft. Pädagogik usw.

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Nachmittags 4.30 Uhr: Christ-Geburt-Spiel.

Abends 8.00 Uhr: 6. Vortrag: Dr. Rudolf Steiner.

Sonntag, 30. Dezember 1923.

Vormittags 10.00 Uhr: Anthroposophie und Religion. Dr. Karl

Schubert: ,,Anthroposophie, ein Führer zu Christus". Nachmittags 4.30 Uhr: Eurhythmie.

Abends 8.00 Uhr: 7. Vortrag: Dr. Rudolf Steiner.

Montag, 31. Dezember 1923.

Vormittags 10.00 Uhr: Versammlung der Anthroposophischen Ge­sellschaft: Referate und Diskussion, Medizin, Forschung usw.

Nachmittags 4.30 Uhr: Drei Königs-Spiel.

Abends 8.00 Uhr: 8. Vortrag: Dr. Rudolf Steiner.

Dienstag, 1. Januar 1924.

Vormittags 10.00 Uhr: Versammlung der Anthroposophischen Ge­sellschaft: Referate und Diskussion. Anthroposophische Literatur, Zeitschriften usw.

Nachmittags 4.30 Uhr: Rout.

Abends 8.00 Uhr: 9. Vortrag: Dr. Rudolf Steiner.

Wir weisen darauf hin, dass gerade die beiden ersten Tage der Ver­anstaltung die allerwichtigsten sind. In seinem Eröffnungsvortrag am Montag, 24. Dezember wird Herr Dr. Steiner die Richtlinien für die Weihnachtstagung und für die zukünftige Arbeit geben. Am Dienstag, 25. Dezember, soll in der Grundsteinlegung durch Dr. Rudolf Steiner die Internationale Anthroposophische Gesellschaft ihre Weihe erhalten. In der anschliessenden Gründungsversammlung am Dienstag, 25. De­zember, werden die Generalsekretäre bzw. Vorstände der verschiedenen Ländergesellschaften über den Werdegang und die vollzogene Grün-dung in ihrem eigenen Lande berichten, woraufhin die Begrundung der Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft erfolgen soll.

Diejenigen Freunde, die an der Gestaltung der Tagung aktiv teil­nehmen wollen, werden also gebeten, schon spätestens bis Sonntag, 23. Dezember in Dornach einzutreffen. Wir bitten die Generalsekretäre bzw. Vorstände, dies in ihren Ländern genügend bekanntzugeben.

Wegen Unterbringungsfragen, soweit dies nicht schon geregelt ist, wende man sich an Frl. Dr. Vreede, Dornach bei Basel (Schweiz), Haus Friedwart, 1. Stock. Alle Korrespondenz, welche die Weihnachts­tagung betrifft, bitten wir zu richten an: Das Sekretariat der Anthropo­sophischen Gesellschaft, Dornach bei Basel (Schweiz), Haus Friedwart,

1. Stock.

Für sämtliche Vorträge wird ein Beitrag von Fr. 15.- erhoben werden. Für Eurhythmie und Weihnachtsspiele sind Einzelkarten zu lösen.

Da die Weihnachtstagung ausschliesslich für Mitglieder der Anthropo­sophischen Gesellschaft ist, werden die Freunde gebeten, ihre Mit­gliedskarten mitzubringen.

Für die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz:

Albert Steffen. Dr. Guenther Wachsmuth.

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Schatzmeister, wozu Dr. Steiner lachend sagt: Der Name tut nichts zur Sache.) Dann Vorsteher der einzelnen Fächer. Dr. Steiner der ganzen Hoch­schule. Ich helles lettres. Wachsmuth Nationalökonomie. Er möchte lieber Naturwissenschaften. Aber Dr. Steiner sagt, es sei schade, daß er kein Mathe­matiker wäre.»

Albert Steffen gibt zweimal als Datum den 16. Dezember an: in seiner Tagebucheintragung und in der außerordentlichen Generalversammlung im Dezember 1930. Lediglich in der Generalversammlung von 1934 nennt er als Datum den «19. Dezember». Hierzu gibt Dr. Heinz Matile von der Albert-Steffen-Stiftung, Dornach, folgende Erklärung:

«Die Eintragung zum 16. Dezember befindet sich im Tagebuch nach rück-schauenden Eintragungen zum 19./20. 12., 18./19. 12., 17.118.12., 17.12. (in dieser Reihenfolge). Die nächstfolgende datierte Eintragung (im folgenden Tagebuch) bezieht sich auf den 20./21. 12. 1923. Daraus könnte sich erklären, warum Steffen an der Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophi­schen Gesellschaft am 27. März 1934, als er sich auf diese Tagebucheintragung bezog, den 19. Dezember 1923 als Datum der Besprechung nannte. (Vgl. Protokoll der GV im Nachrichtenblatt vom 22. April 1934, S.63).»

Auf die Gründe, aus denen heraus Rudolf Steiner Guenther Wachsmuth in den Vorstand aufnahm, fällt ein Licht durch einen Bericht Albert Steffens an Marie Steiner in seinem Brief an sie vom 8. August 1943, in dem es heißt:

«... Es war am 22. April 1923, als Herr Storrer demissionierte und ich einen Helfer im Auftrag der Delegiertenversammlung [der Anthroposophi­schen Gesellschaft in der Schweiz, deren Generalsekretär er war] für die Tätigkeit im Sekretariat vorzuschlagen hatte. Ich hatte diesen Vorschlag mit Herrn Dr. Steiner beraten und schlug demgemäß Herrn Dr. Wachsmuth vor. Diese Wahl wurde in dem Beisein von Herrn Dr. Steiner von allen Delegierten einstimmig angenommen. Dr. Wachsmuth erklärte, die Tätigkeit im Sekreta­riat zur Unterstützung von Herrn Steffen sehr gern und unentgeltlich über­nehmen zu wollen.»

Dr. Wachsmuth selbst berichtete in der Generalversammlung vom Jahre 1943 (gemäß Protokoll) folgendes:

«Man denkt zurück an die Zeit des Brandes, wo wir das erste Goetheanum durch Feuer verloren, an das Jahr vor der Weihnachtstagung; es werden sich noch viele erinnern, daß damals die Dinge alle noch vom Sekretariat der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz verwaltet wurden im Hause

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Friedwart. Aus jener Zeit entsinne ich mich auf stundenlange Sitzungen im Hause Friedwart, die damit zusammenhingen, daß die Kasse ein mächtiges Defizit hatte, ein mächtiges Loch war in der Kasse. Und so geschah es, daß Dr. Steiner zu mir sagte: Wollen Sie nicht diese Finanzverwaltung einmal über­nehmen, diese Verwaltung der Schatzmeisterei? Ich tat es, ich muß gestehen, mit einer gewissen Beklemmung; aber alles, was Dr. Steiner sagte, tat man auch wiederum gern. Und als das Jahr vorbei war, hatte es sich zum erstenmal gefügt, daß kein Defizit war, sondern ein kleiner Überschuß. Und es ist mir noch in lebendiger Erinnerung, wie gütig strahlend Dr. Steiner dieses entla­stende Ergebnis entgegennahm.»

#TI

Rudolf Steiner orientiert in Stuttgart die leitenden

deutschen Gremien über seinen Entschluß,

Weihnachten die Gesellschaftsleitung selbst zu übernehmen

Stuttgart, 18. oder 19. Dezember 1923

#TX

[Nach dem Orientierungsgespräch mit Dr. Wegman, Albert Steffen und Dr. Wachsmuth am Sonntag, den 16. Dezember, war Rudolf Steiner nach Schaffhau­sen gefahren, wo er für die Aufführung der Weihnachtsspiele besorgt war und einleitende Worte sprach. Am 17. oder 18. reiste er weiter nach Stuttgart, um sich dort mit Marie Steiner zu treffen, die am 18. früh aus Berlin kommend in Stuttgart eintraf, und mit ihr gemeinsam nach Domach zurückzukehren.

In Stuttgart - es kann nur am 18. oder 19. gewesen sein - orientierte Rudolf Steiner nun im Beisein von Marie Steiner die Vorstände der beiden deutschen Gesellschaften über seine Absichten in bezug auf die neue Gesellschaftsbildung. Ein Protokoll darüber liegt nicht vor. Aber ein Teilnehmer, Ernst Lehrs, berichtet m seinen Erinnerungen «Gelebte Erwartung», Stuttgart 1979, S.250 f.:]

«Da erfuhren wir, daß er vorhabe, eine neue Gesellschaft zu begründen, und zwar unter seinem Vorsitz. Dazu würden eine Anzahl (uns da noch nicht genannte) Persönlichkeiten kommen, die mit ihm zusammen deren Vorstand bilden würden. Wir erfuhren ferner von der Neueröffnung einer esoterischen Schule als und von einigen Grundzügen ihrer Einrichtung. Den Mitgliedern stünde es frei, seinen Vor­schlag anzunehmen, aber wenn dies einmal geschehen sei, dann wären die von diesem Vorstand ausgehenden Handlungen für die Mitgliedschaft bindend.»

#SE259-732

#TI

Rudolf Steiner gibt in Dornach erste administrative

Anweisungen für die Weihnachtstagung

Dornach, 21. Dezember 1923

#TX

[Nachdem Rudolf Steiner und Marie Steiner am 20. Dezember von Stuttgart nach Dornach zurückgekehrt waren, richtete Rudolf Steiner anderntags, den Abend­vortrag einleitend, folgende Worte an die anwesenden Mitglieder, nachdem vor­her durch jemand anderen gebeten worden war, die Pässe abzugeben:]

Auch ich habe noch, bevor ich den Vortrag beginne, allerlei anzukün­digen für die nächsten Tage.

Erstens würde ich diejenigen unserer lieben Freunde bitten, die immer oder wenigstens hauptsächlich immer hier sind, während der Weihnachtstagung ihre Sitzplätze zu nehmen in jenem Verschlag, den wir hier draußen machen. Es handelt sich nämlich darum, daß in besonders erfreulicher Weise der Besuch der Weihnachtstagung ein sehr großer sein wird, und wir werden die Schreinerei hier [zeigt wo] dadurch erweitern müssen - die Besucher werden hier nicht herein-gehen-, dadurch erweitern, daß wir hier - ja, wie soll ich's nennen -eine «interne Villa» anbauen, zu der große Fenster hinausführen. Ich hoffe, daß man da, ja, man kann sagen, sicher ebenso gut hören wird, wie man hier im Saale hört. Aber nun, nicht wahr, es gibt ja in der Welt so etwas wie eine Höflichkeit und daher würde ich bitten, daß diejenigen unserer lieben Freunde, die immer hier inmitten des Saales sitzen, wenigstens zum Teile sich da draußen placieren, wo die neuen Sitzplätze bereitgestellt werden. Hier im Saale bringen wir ja höchstens 600 Personen unter, und es wird ja das schon sehr schwierig sein. So bitte ich Sie, diese Aufforderung zu berück­sichtigen.

Dann würde ich bitten darum, daß die Öffnung für den Zutritt zu den Veranstaltungen nur jeweilig stattfindet für die Besucher der Veranstaltungen eine halbe Stunde bevor jeweilig die Veranstaltung beginnt. Denn wir werden in der Zwischenzeit, da eben die Gründe vorliegen, die ich gerade charakterisiert habe, in dem Saale hier sehr, sehr viel zu lüften haben. So daß also diese Schreinerei hier und der Verschlag nicht betreten werden können bis eine halbe Stunde vor Beginn der betreffenden Veranstaltung.

#SE259-733

Des weiteren habe ich noch ein schwerwiegendes Anliegen. Das besteht darinnen, daß ich selbst die ältesten Mitglieder - ich meine jetzt die an Mitgliedschaft ältesten - bitten möchte, für alle Veranstaltungen der nächsten Tage ihre Mitgliedskarte mitzubringen, weil ja eine scharfe Kontrolle stattfinden muß und die wirklich nicht stattfinden kann, wenn nicht die Mitgliedskarten vorhanden sind. Für Mitglieder, welche aus irgendeinem Grunde - ich habe zwar noch nicht gehört, daß es unter Anthroposophen Vergeßlichkeit gibt, aber es könnte ja doch vorkommen -, für Mitglieder, die aus irgendeinem Grunde doch ihre Mitgliedskarte nicht haben, besteht die Möglichkeit, sich beim Sekretariat unten im Haus Friedwart zu melden und eine Interims-karte für die Tagung sich ausstellen zu lassen.

Dann gibt es noch ein Viertes - in den nächsten Tagen wird noch ganz viel dazukommen -: Unsere Freunde werden gebeten, die zwei vorderen Reihen diesmal ausschließlich reserviert sein zu lassen, also nicht in den zwei vorderen Reihen Platz zu nehmen, wenn man nicht schwerhörig oder lahm oder in einer andern Weise so geartet ist, daß man einen besonderen Anspruch auf diese ersten Reihen hat. Das also möchte ich auch als ausnahmslose Regel bitten zu beachten.

Das sind die Dinge, die ich zunächst heute vorzubringen habe.

[Anschließend folgt der eigentliche Vortrag, siehe GA 232.]

#TI

Rudolf Steiner gibt in Dornach erstmals offiziell seinen Vorschlag zur Vorstandsbesetzung bekannt

Dornach, 22. Dezember 1923

Einleitende Worte vor dem Abendvortrag

#TX

Meine lieben Freunde! Auch ich muß mit verschiedenen Anliegen kommen,* die im Zusammenhange stehen mit der Delegiertenver­sammlung. Zum Teil sind die Dinge von mir schon vorgebracht wor­den. Auch diejenigen Dinge, die ich schon vorgebracht habe, werde ich noch einmal vorbringen, weil ja jeden Tag neue Freunde hier ankommen.

* Vorher hatte Dr. Wachsmuth vom Abgeben der Pässe gesprochen.

#SE259-734

Das erste, daß wir ja genötigt sein werden, wegen des erfreulichen, außerordentlich großen Besuches hier einen Anbau - ich sagte schon gestern eine Art von «innerer, interner Villa» - zu machen, um die Möglichkeit herbeizuführen, daß alle Besucher wirklich zuhören kön­nen bei denjenigen Dingen, die nun einmal gebracht werden können in diesen Tagen.

Dann würde ich aber auch bitten, das zu berücksichtigen, daß die zwei ersten Reihen diesmal ausnahmslos reserviert bleiben sollen für alle diejenigen Freunde, welche irgendwie schwerhörig oder lahm oder dergleichen sind und die diese Reihen brauchen.

Dann würde ich aber im Zusammenhange damit ganz besonders bitten, diesmal zu beachten, daß wir ja genötigt sind, wegen des großen Besuches die Stühle an ihre Plätze zu stellen, und darauf angewiesen sind, daß die Stühle auf ihren Plätzen bleiben. Also, es wird gebeten -schon aus feuerpolizeilichen Gründen müssen wir freie Plätze herstel­len -, es wird gebeten, dasjenige nicht zu machen, was sonst geschieht nach Vorträgen hier; also daß jeder Stuhl an dem Platz stehen bleibt, wo er gestanden ist.

Weiter bitte ich zu beachten, daß die Räume immer erst eine halbe Stunde vor einer Veranstaltung geöffnet und eine halbe Stunde nach der Veranstaltung geschlossen werden. Es geht eben anders nicht.

Ich möchte auch noch einmal erwähnen, daß wir auch darauf angewiesen sind, eine genaue Kontrolle auszuüben diesmal; deshalb müssen auch schon die älteren Freunde es sich gefallen lassen, bei dem Eintreten die Mitgliedskarte vorzuweisen. Man kann sonst sehr schwer sagen, wer soll sie nicht und wer soll sie vorweisen. Ich sagte schon gestern, es kommt ja nicht vor, aber wenn es doch vorgekom­men sein sollte, daß irgend jemand die Mitgliedskarte vergessen hat, so bitte ich, eine Interimskarte sich ausstellen zu lassen, die man jedesmal vorweist, wenn man überhaupt hereingeht.

Dann möchte ich noch darauf hinweisen, daß morgen um fünf Uhr eine Eurythmievorstellung hier stattfindet. Diese Vorstellungen, die Eurythmievorstellung und die Weihnachtsspielvorstellung, die kön­nen natürlich immer nur vor einem kleineren Kreise abgehalten wer­den. Nun wird ja schon dadurch, daß das meiste zweimal ist, gesorgt werden dafür, wenn einiges Entgegenkommen da ist von den Freun­den, daß jeder die Vorstellungen besuchen kann. Morgen werden zunächst so viele Karten ausgegeben werden für Plätze, von denen

#SE259-735

man was sieht. Und dann sollen sich die Freunde, welche morgen nicht Karten bekommen können, eben sich bemühen und sagen, diese mor­gige Vorstellung wird am Freitag, dem 28. Dezember, wiederholt, so daß alle Gelegenheit haben werden, sie zu sehen. Aber ich bitte wirk­lich, das jetzt nicht zur Veranlassung zu nehmen, daß morgen kein Mensch kommt und sich etwa dann sagt: Wir sehen's dann am näch­sten Freitag. - Also, ich bitte schon, es trotz des Schnees und so weiter auf sich zu nehmen, daß man, wenn man zu spät kommt, halt keine Karten mehr bekommt. Also, morgen um fünf Uhr.

Dann, meine verehrten Anwesenden, habe ich noch etwas vorzu­bringen gerade mit Rücksicht auf dasjenige, was eben sich abspielen soll in den Tagen, in denen hier unsere Delegiertenversammlung ist. Es wird ja diese Delegiertenversammlung die Anthroposophische Gesell­schaft zu gestalten haben, und diese Gestaltung wird jetzt schon eine solche werden müssen, meine lieben Freunde, daß diese Anthroposo­phische Gesellschaft die Bedingungen erfüllt, die eben einfach sich aus den heutigen Verhältnissen heraus ergeben. Und da muß ich sagen, es muß diese Weihnachtsversammlung so ablaufen, daß man sich von ihr versprechen kann: Nun wird eine arbeitsfähige Anthroposophische Gesellschaft entstehen. - Ich muß schon sagen, wenn diese Aussicht nicht vorhanden sein sollte, so würde ich doch nun einmal müssen jene Konsequenzen ziehen, von denen ich wiederholt gesprochen habe. Daher betrachte ich das, was während und durch diese Weihnachts-veranstaltung zu geschehen hat für die Begründung der Anthroposo­phischen Gesellschaft, der vorangegangen sind die [Begründungen der] Ländergesellschaften, als etwas außerordentlich Seriöses und et­was außerordentlich Bedeutungsvolles. So daß tatsächlich hier in Dornach wird etwas geschaffen werden müssen, was dann einfach durch seinen Bestand selber real ist. Über das Eigentliche werde ich ja zu sprechen haben bei der Eröffnungsversammlung, die am nächsten Montag stattfindet; aber was heute schon gesagt werden muß - weil auch schon der, ich möchte sagen, Urbeginn so geschehen muß, daß man sieht: Es wird jetzt aus anderem Grundtone heraus gehen in der Anthroposophischen Gesellschaft, die da begründet wird -, das ist, daß zunächst schon, und zwar von dem morgigen Tag ab, wo ja die meisten der Freunde da sein werden, die diese Gesellschaft mitbegrün­den wollen, ein Probevorstand, der aber im Laufe der allernächsten Tage der definitive Vorstand werden muß, da sei, der als solcher

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wirklich arbeiten kann. Und wirklich, meine lieben Freunde, ich habe mich mit der Frage, wie nun die Gesellschaft zu gestalten ist, in der letzten Zeit viel, viel beschäftigt. Ich habe ja auch manche Begründun­gen von Ländergesellschaften mitgemacht, mancherlei erfahren, was jetzt unter den Mitgliedern lebt und so weiter, und ich habe mich recht gründlich beschäftigt mit dem, was unmittelbar in der nächsten Zeit notwendig ist. Und da möchte ich heute zunächst eben meine Vor­schläge vorbringen, präliminarisch zunächst, weil einfach die Sache schon da sein muß, bevor man beginnt.

Sehen Sie, es kann nicht anders sein: Dem Ernste der Sache wird nicht Rechnung getragen, wenn die Bedingungen zum Fortbestande, das heißt eigentlich zur Neubegründung der Gesellschaft, von denen ich am Montag sprechen werde, wenn diese Bedingungen nicht erfüllt werden. Aber um diese Bedingungen zu erfüllen, muß ich eben selber gewisse, vielleicht zunächst manchem etwas radikal anmutende Bedin­gungen stellen. Es sind aber Bedingungen, die eigentlich so sind, daß ich sage: Ich sehe nur die Möglichkeit, weiterzuarbeiten mit der Ge­sellschaft auf anthroposophischem Boden, wenn diese Bedingungen erfüllt werden. Und so möchte ich denn meinerseits, damit Sie sich mit dem Gedanken vertraut machen können, den Vorschlag machen zur Konstituierung des Vorstandes, der einfach dadurch, daß ich Ihnen den Vorschlag heute mache, zunächst provisorisch funktionieren wird, und ich hoffe, er wird ein definitiver Vorstand werden.

Dieser Vorstand muß so sein, daß er tatsächlich Dornach in den Mittelpunkt der Anthroposophischen Gesellschaft stellen kann. Wie gesagt, ich habe mich viel mit der Frage, wie nun die Gesellschaft zu konstituieren ist, beschäftigt, und Sie dürfen mir glauben, gründlich. Und nach dieser gründlichen Beschäftigung kann ich keinen anderen Vorschlag machen, meine lieben Freunde, als den, daß Sie zum Vorsit­zenden der Anthroposophischen Gesellschaft, und zwar zum ganz offiziellen Vorsitzenden, mich selber wählen. Ich muß also aus den Erlebnissen der letzten Jahre einfach die Konsequenz ziehen, daß ich eigentlich nur mitarbeiten kann, wenn ich selber zum wirklichen Vorsitzenden gewählt werde. Ich will auf alles verzichten, von Ehren­vorsitzenden und so weiter; darauf gehe ich nicht mehr ein, auf alle diejenigen Dinge, wo man sozusagen nur hinter den Kulissen zu stehen und brav zu sein hat für das, was die andern tun. Ich werde also tatsächlich nur fortarbeiten können, wenn ich selber zum wirklichen

#SE259-737

Vorsitzenden der Anthroposophischen Gesellschaft, die hier begründet werden soll, gewählt werde. Selbstverständlich ist ja dann notwendig, daß, da ich die Arbeit selber in die Hand nehmen werde, dann mir zur Seite stehen werden diejenigen Menschen, die nun schon durch die Bedingungen in der Arbeit, die sich vorbereitet hat, die nächsten sind, die hier mit mir im Zentrum arbeiten können. Also, wenn ich gewählt werde zum Vorsitzenden - sonst würde ich ja gar nicht mitmachen -, so werde ich meinerseits vorschlagen zum zweiten Vorsitzenden, also Vorsitzenden-Stellvertreter, Herrn Stef­fen; als drittes Vorstandsmitglied Frau Dr. Steiner; als viertes Vor­standsmitglied Frau Dr. Wegman als Schriftführerin. Als fünftes Vor­standsmitglied schlage ich meinerseits vor Fräulein Dr. Vreede, als sechstes Vorstandsmitglied Herrn Dr. Guenther Wachsmuth, der dann das Amt des Sekretärs und Schatzmeisters zu versehen hätte.

Ich werde am Montag die Gründe auseinandersetzen, warum ich für den eigentlichen Zentralvorstand nur Vorschläge von solchen Per­sönlichkeiten mache, die unmittelbar hier in Dornach am Orte ansäs­sig sind. Ein Vorstand, der überall in der Welt zusammenzusuchen ist, der wird niemals ordentlich arbeiten können und kann nicht eigentlich arbeiten. Also es müssen in Dornach wohnende Menschen sein. Und diejenigen, die ich jetzt vorgeschlagen habe, wie gesagt mich selbst, Herrn Steffen als Stellvertreter, Frau Dr. Steiner, Frau Dr. Wegman als Schriftführer, Fräulein Dr. Vreede, und Dr. Wachsmuth als Sekretär und Schatzmeister, das würde dann der Vorstand sein, der von hier aus zu arbeiten hätte.

Nun aber fasse ich ja, wie ich einigen Freunden schon neulich im Haag gezeigt habe,* die Vorstandschaft so auf, daß sie tatsächlich nicht nur auf dem Papiere steht, sondern daß sie in aller Verantwortlichkeit auf dem Vorstandsplatze steht und die Gesellschaft repräsentiert. Deshalb werde ich bitten, daß von morgen ab dieser provisorische Vorstand bei jeder Gelegenheit eben hier den Freunden gegenüber sich auch tatsächlich als Vorstand repräsentativ plaziert, so daß die Sache wirklich so ist, wie ich ja den Freunden im Haag klargemacht habe: Es kann nicht ohne eine gewisse Form in einer ordentlichen Gesellschaft, die funktionieren soll, abgehen. Form muß vom Anfang an dasein. Ich bitte also, daß das berücksichtigt wird, daß soviel, als zunächst provi­sorische Vorstandsmitglieder sind, Stühle stehen und diese Vorstandsmitglieder

* Siehe Seite 664 f.

#SE259-738

mit den Gesichtern gegen die übrigen Mitglieder da sind, so daß man fortwährend vor Augen hat, daß das eben der Vorstand ist. Wenn einer da sitzt, der andere dort, so kann man sie niemals zusam­menkriegen, wenn man sie braucht. Also es handelt sich darum, daß nunmehr wirklich die Dinge als Wirklichkeiten aufgenommen wer­den. Wie gesagt, es ist das bloß, weil ich haben wollte, daß wir von morgen ab schon einen Vorstand haben, deshalb habe ich diesen provisorischen Vorstand ernannt. Die Begründungen für die Dinge, die schon in dem liegen, was ich ja damit gesagt habe, die werde ich dann am Montag bei der Eröffnungsrede noch ausführlich bringen. Ebenso werde ich am Montag selber einen Statutenvorschlag machen -ich hoffe, die Statuten sind dann gedruckt bis dahin -, der aus den jetzigen Bedingungen heraus der Konstitution der Gesellschaft zu-grunde liegen soll.

Nun, meine lieben Freunde, damit habe ich zunächst dasjenige gesagt, was mein Anliegen war beim Ausgangspunkte unserer Weih­nachtstagung hier. Ich habe aber zunächst in diesen beiden Vorträgen noch heute und morgen auszubauen und fortzusetzen, was in den letzten Vorträgen aus dem Mysterienwesen der verschiedenen Zeiten heraus hier von mir gesagt worden ist.

#TI

Rudolf Steiner gibt erneut administrative Anweisungen

für die Weihnachtstagung und wiederholt seinen Vorschlag

in bezug auf die künftige Gesellschaftsleitung

Dornach, 23. Dezember 1923*

Einleitende Worte vor dem Abendvortrag

#TX

Meine lieben Freunde! Auch ich möchte vor dem Vortrage noch die Dinge vorbringen, die ich ja auch zum Teil schon vorgebracht habe, die ich aber, da jeden Tag in erfreulicher Weise Freunde neu ankom­men, wiederum vorbringen möchte.

* SeitJahren zirkuliert ein Dokument, das angeblich Ausführungen Rudolf Steiner' wieder-gibt, die er in einer vor dem Abendvortrag stattgefundenen Zusammenkunft mit den als Gründungsvorstand vorgesehenen Persönlichkeiten gemacht haben soll. Dieser mit eini­gen Varianten kursierende Text kann jedoch aus verschiedenen Gründen nicht als authen­tisch gelten. Näheres siehe «Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe«, Nr. 105 (1990).

#SE259-739

Das erste ist ja schon eingerichtet: Wir mußten durch den erfreuli­chen zahlreichen Besuch unsere Räumlichkeiten durch diese Vortrags­villa hier erweitern, und ich möchte bitten, daß eben die Freunde, welche sonst hier Vorträge hören können, möglichst in dem Neben­raum Platz nehmen, damit der Hauptraum hier frei bleibt für diejeni­gen Freunde, die von auswärts gekommen sind und eben nur selten an unseren Veranstaltungen teilnehmen können. Aber es wäre doch in­teressant, zu hören, ob eine Möglichkeit besteht in dieser Anordnung, draußen zu hören, was man hier spricht. (Wird mit Ja beantwortet vom Nebenraum.)

Das zweite ist, daß wir bitten müßten, daß die Freunde berücksich­tigen, daß wir immer erst eine halbe Stunde vor Beginn einer Veran­staltung die Räume hier öffnen können und daß wir sie wieder schlie­ßen müssen eine halbe Stunde nach einer Veranstaltung. Wir können sonst bei dem zahlreichen Besuch nicht Ordnung halten, vor allen Dingen nicht für Lüftung sorgen und dergleichen. Also ich würde Sie bitten, sich nicht eher einzufinden als eine halbe Stunde vor Beginn einer Versammlung, und auch hinterher nicht länger zu bleiben als eine halbe Stunde. Ferner möchten wir bitten, immer zu allen einzelnen Veranstaltungen die Mitgliedskarten mitzubringen, selbst die älteren Mitglieder - es ist ja keine Grenze zwischen den älteren und jüngeren sonst zu ziehen. Wir müssen eine strenge Kontrolle haben aus leicht begreiflichen Gründen. Diejenigen Freunde - ich glaube ja schon, daß es keine solchen geben wird, weil man, wie schon gesagt, unter An­throposophen nicht vergeßlich ist -, diejenigen Freunde, die aber dennoch ihre Mitgliedskarte sollten vergessen haben, die werden gebe­ten, sich im Haus Friedwart eine Interimskarte ausstellen zu lassen.

Dann möchte ich auch heute noch einmal bitten, daß jeder Stuhl an dem Platze, genau wo er ist, stehen gelassen wird, so daß alle Gänge und Sitzreihen in der Ordnung bleiben, wie sie nun einmal aufgestellt worden sind. Wir können sonst nicht zurechtkommen, auch nicht gegenüber den polizeilichen Vorschriften. Wir brauchen nämlich die freien Gänge.

Dann möchte ich bitten, sich schon einmal der Ungewöhnlichkeit zu fügen, in Serien zu essen. Ich werde morgen noch genaueres ange­ben. Man bekommt Nummern von 1-113, sagen wir, das ist die erste Serie; die können zusammen hinuntergehen in die Kantine und wer­den dort das Essen bekommen. Wer aber 114 hat, nicht in der Serie ist,

#SE259-740

die mit 113 schließt, kann erst zur zweiten Serie kommen. Dann wird es noch eine dritte Serie geben. Es muß so eingehalten werden, damit man auf diese Weise zurechtkommt. Es ist auch da immer noch möglich, einzelne Bequemlichkeiten durchzuführen. Die Karten wer­den lediglich auf Nummern lauten, also vertauschen kann einer seine Karte gegen eine Karte bei einem anderen. Man wird es der Karte 125 nicht ansehen, ob sie eingetauscht ist oder nicht. Aber es darf sich keiner selber eine 125 etwa ausstellen, um zur zweiten statt zur dritten Serie zu kommen.

Dann habe ich noch anzukündigen, daß die Karten für sämtliche Weihnachtsspiele, die gegeben werden, immer vor und nach jedem Vortrage an dem Tische, wo sonst die Karten für Eurythmie und für solche Spiele zu haben sind, zu haben sein werden. Es wird gut sein, sich mit diesen Karten zu versorgen, damit eine Übersicht geschaffen werden kann, wie die Besuche für diese Dinge zu gestalten sind.

Dann habe ich noch aus der Fülle desjenigen, was morgen wird verhandelt werden müssen, nochmals mitzuteilen dasjenige, was ich gestern am Schlusse mitteilte, weil ja das zusammenhängt mit dem ganzen Arrangement unserer Delegiertenversammlung, das ja schon vorbereitet werden mußte und das auch sozusagen vor dem Beginne schon verwaltet werden muß. Ich habe noch zu erwähnen, daß ich ja in der letzten Zeit wirklich recht gründlich überlegt habe, wie nun ei­gentlich die Anthroposophische Gesellschaft, wenn sie ihre Aufgabe erreichen soll, in der Zukunft gestaltet werden muß.

Ich habe an einzelnen Orten immer wieder betont, die Anthropo­sophische Gesellschaft soll zu Weihnachten hier eine bestimmte Ge­stalt erlangen, die ja entstehen kann auf Grundlage desjenigen, was in den einzelnen Ländergesellschaften zustande gekommen ist. Ich habe nie gedacht, meine lieben Freunde, an eine bloß synthetische Zusam­menfassung der Ländergesellschaften. Da würden wir wiederum zu einem Abstraktum kommen. Wir müssen hier - wenn es überhaupt zu etwas kommen soll noch mit dieser Anthroposophischen Gesell­schaft -, wir müssen hier tatsächlich eine ihre Existenzkräfte in sich selbst tragende Gesellschaft formen. Nach den verschiedenen Erfah­rungen, die ich gemacht habe, nach all dem, was ich kennengelernt habe, habe ich mich entschlossen, nun an der Formung der Gesell­schaft nicht nur so mitzuarbeiten, wie das in früheren Zeiten gesche­hen ist, sondern tatsächlich intensiv und zentral an der Formierung

#SE259-741

dieser Gesellschaft mitzuarbeiten. Ich werde daher morgen den Freunden einen Statutenentwurf vorlegen, der aus dem engsten Kreise meiner Mitarbeiter in Dornach hier hervorgegangen ist; und ich möchte heute schon ankündigen - wie ich es ja gestern auch getan habe -, daß ich, so schweren Herzens ist das auch tue, dennoch gegenüber dem Verlauf, den die anthroposophischen Gesellschaftsan­gelegenheiten genommen haben, nicht anders kann, als Ihnen eben den Vorschlag zu machen, künftig die Leitung der Gesellschaft so zu bilden, daß ich selber diese Leitung als Vorsitzender der Gesellschaft, die hier in Dornach gebildet wird, habe. Und dann wird es schon notwendig sein, daß eben gerade diejenigen Mitarbeiter mir hier im engsten Kreise zur Seite stehen, die schon bisher eigentlich in der Weise, wie ich es morgen charakterisieren werde, an der Dornacher Arbeit so teilgenommen haben, daß ich mir gerade von der Fortset­zung dieser Arbeit die richtige Entwickelung der Anthroposophi­schen Gesellschaft versprechen kann.

Und so habe ich selber den Vorschlag zu machen, daß eben ich selber den Vorsitz der Anthroposophischen Gesellschaft ausübe, die hier begründet wird; daß dann Herr Steffen mir zur Seite steht als Vorsitzender-Stellvertreter. Dann würde weiter in diesem Vorstande sein Frau Dr. Steiner; dann weiter Frau Dr. Wegman als Schriftführer. Weiter würde drinnen sein in diesem engsten Arbeitsvorstand - es soll eben ein Arbeitsvorstand sein - Frl. Dr. Vreede und Dr. Guenther Wachsmuth. Damit würden wir den Arbeitsvorstand haben, und es würde dann morgen von mir in dem Eröffnungsvortrag zu rechtferti­gen sein, warum gerade in dieser Weise von mir gedacht werden muß über die Begründung und über den Fortgang der Anthroposophischen Gesellschaft.

Es ist schon so, daß gegenwärtig die Dinge sehr, sehr ernst, bitter ernst genommen werden müssen. Sonst müßte eigentlich dennoch dasjenige eintreten, wovon ich ja oftmals gesprochen habe, daß ich mich von der Anthroposophischen Gesellschaft zurückziehen müßte.

#SE259-742

#TI

HANDSCHRIFTLICHE NOTIZEN ZUR

ERÖFFNUNGSANSPRACHE DER WEIHNACHTSGAGUNG

Notizbuch Archivnummer NB 570

24.Dez.1923

#TX

Anknüpfung an 1913 = Führung zu einem Trümmerhaufen Zunächst war in der Gesellschaft

ein spirituelles Gut - das wurde in einer gewissen Art gepflegt -Der Krieg brach in die Gesellschaft ein = Er hatte sie unvorbereitet gefunden -1.) Es war eine Offenbarung des Geistes an

die Menschheit geschehen/man muß sie suchen -/Theosophie Anthroposophie -1.) Die Schwierigkeit der Öffentlichkeit

oder Geschlossenheit 2.) Die Schwierigkeit der inneren

Consolidierung = nicht zerklüften an

Äußerem - 1.) Anthroposophie selbst -2.) Künstlerisches

3.) Eurvthmie - Recit.[ation] etc.

24.Dez.1923

1.) Geführt zu Trümmerhaufen = 1922-23 Verlag - etc.

2.) das nur scheinbar. Es sind überall die Samen

3.) Es paßt, was entstand, nirgends in die Formen hinein, die da waren -Berliner Vortrag / Zeitung-Notiz

Vorstand: was soll er sein? Er möchte so genommen sein, daß man sich als selbständig ihm anschließt -Bücher wie «Theosophie» werden immer / inhaltvoller, je älter sie werden -Bücher wie «Kernpunkte» verlieren / immer mehr an Inhalt.

2 Puncte = Öffentlichkeit / Consolidierung Stuttgart = Weihnachtsspiele / mit den Lehrern

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# Bild s. 743

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# Bild s. 744

#TI

Anhang

I

Zum Brandgeschehen

A. Offizielle Dokumente

B. Zeitungsberichte

II

Dokumente zur Affäre der deutschen Wochenschrift «Anthroposophie»

III

Zusammenschau der Geschichte der Gesellschaftsproblematik des Jahres 1923

(Hella Wiesberger)

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I

A. Offizielle Dokumente zum Brandgeschehcn

#TX

Durch einen sogenannten «Zufall» sind in jüngster Zeit dem Archiv der Rudolf-Steiner­Nachlaßverwaltung die im folgenden wiedergegebenen offiziellen Dokumente zugekom­men. Leider handelt es sich nur um einen Teil des sicher umfangreicher gewesenen Aktenma­terials. Für das Fehlende muß angenommen werden, daß es nicht mehr existiert.

Bericht des Wachtmeisters R. Meister vom Polizeiposten Dornach an das Polizeikommando Solothurn auf vorgedrucktem Formular

Brandfall Sonntag, den 31. Dezember 1922

nachmittags 10% Uhr in Dornach

Hausnummer und Schatzung: Goetheanumbau No. 383, Schatzung 3 1/2 Million.

Eigentümer: Verein des Goetheanum Dornach

Hausbewohner: keine

Mobiliar hatten versichert: bei der Schweiz. Feuerversicherungsgesellschaft in St. Gallen zu 90000.- Fr.

Größe des Brandschadens ca.: Schaden an Gebäude 31/2 Million. Schaden am Mobiliar 90000.-.

Ort des Ausbruches: Im weißen Saal des Südflügels ob dem Südportal im II. Stock unter dem gewölbten Dach.

Hängig gewesene Anstände betreffend Feuerpolizei: keine

Letzte Rußung (durch wen und wann): keine Rußung' weil keine Kamine (Dampfwasserheizung).

In Aktion getretene Feuerwehren: Dornach, Arlesheim, Münchenstein und Basel-stadt.

Anrecht auf Spritzenprämie hat Arlesheim.

Mußtmaßliche Brandursache: Die Brandursache ist dermalen total unbekannt.

Sonstige Meldungen:

Der Brandausbruch wurde bemerkt von beiden Nachtwächtern, Umber und Pozzo, welche sofort Alarm machten. Die Feuerwehren aus Dornach, Arlesheim, Münchenstein und Baselstadt eilten auf die Brandstätte und traten in Funktion.

#SE259-748

Anfänglich glaubte man das Feuer löschen zu können. Erwas vor 12 Uhr nachts loderte das Feuer links vom Südflügel des Goetheanum zum Dach hinaus und dehnte sich auf die große Kuppel. Nun war alle Rettung verloren. Die Feuerwehr wurde total machtlos, und es befaßte sich dieselbe mit Rettungsarbeiten der nebenstehenden Schreinerei, welche fortwährend abgespritzt werden mußte und auch gerettet werden konnte. Der bereits fertig erstellte Goetheanumbau ist total abgebrannt. Das sich im Bau befindende Mobiliar wurde ebenfalls ein Raub der Flammen. Es verbrannte an Mobiliar: Bühnenrequisiten, Versatzstücke, Kulissen, Hintergründe, Bühnenvorhänge, Spielergarderobe, Musikinstrumente und son­stiges Inventar.

Dornach, den Ii Januar 1923 R. Meister, Wachtm.

Inspektorat der Solothurn, den 2.Januar 1923

Gebäude-Brandversicherung

und Feuerpolizei des

Kantons Solothurn Tit. Finanzdepartement

des Kantons Solothurn

Am 1. Januar 1923, 00.13 Uhr, erhielt der Unterzeichnete die telefonische Mel­dung «Goetheanum Dornach Vollbrand». Diese Meldung gaben wir an den Landamtmann Herrn Regierungsrat Ferd. von Arx und an den Vorsteher des Finanzdepartementes, Herrn Regierungsrat Dr. Affolter, weiter und begaben uns hernach mit dem Polizeiauto auf den Weg nach der Brandstätte.

Etwas nach 4 Uhr des ii Januar trafen wir auf dem Brandplatze ein. Der Oberbau des Goetheanum war bereits niedergebrannt, nur noch einige Holzsäu­len des großen Kuppelbaues ragten brennend aus den glühenden Holzmassen aus dem Boden empor.

Die ersten Erhebungen auf dem Brandplatze ergaben, daß das Schadenfeuer schon vor 221/2 Uhr des 31. Dezember 1922 ausgebrochen sein muß. Durch einen Wächter des Goetheanum wurde um diese Zeit im weißen Saal, einem großen Raume im Südflügelbau' Rauch wahrgenommen. Etwa eine Viertelstunde nachher wurde der Brandherd in der westlichen Hohlwand des Südflügels aufgedeckt, jedoch war es der starken Rauchentwicklung [wegen] nicht möglich, das Feuer erfolgreich zu bekämpfen. Um 22 3/4 Uhr wurden die Feuerwehren von Dornach und Arlesheim alarmiert und zugleich auch die Feuerwache von Basel zur Hilfelei­stung aufgeboten. Dornach war 22.50 Uhr mit allen Geräten zur Stelle. Ein Innenangriff war nicht mehr möglich, es wurden daher Offensivstellungen über das Äußere des Baues bezogen. Inzwischen hatte sich das Feuer durch die Hohl-wand des Südflügels nach dem Kuppelbau durchgearbeitet und erfaßte die fach­werkartige Holzkonstruktion desselben, breitete sich mit unglaublich großer

#SE259-749

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#SE259-750

Schnelligkeit im Raume zwischen den Kuppeln und der eigentlichen Fassade aus, so daß um 23 1/2 Uhr das Goetheanum vollständig in Brand war. Die Feuerwehren mußten eiligst ihre Stellungen ändern, um die Nebenbauten, denen das gleiche Schicksal wie dem Brandobjekte drohte, unter Schutz zu nehmen, was denn auch gelang. Mit dem Wechsel der Feuerwehrstellungen schlug das Feuer rings um das Gebäude herum aus dem Dache, sodaß um 24 Uhr alles lichterloh brannte und die mächtigen Kuppeln einstürzten.

Das Goetheanum hatte eine Schatzung von Fr. 3500000.-, der Brandschaden wird voraussichtlich Fr. 3000000.- übersteigen.

Bezüglich der Brandursache ergaben unsere ersten Erhebungen keine greifba­ren Resultate.

Mit Hochachtung!

Für das Inspektorat

der Gebäude-Brandversicherung

P. Reinhardt

Polizeikorps des Polizeiposten Dornach, den 3.Dez.1922

Kantons Solothurn [3. Jan. 1923]

Betrifft: RAPPORT

Brandkatastrophe an: Titl. Polizeikommando des Kantons

am Goetheanum Solothurn in Soloth.

Zur Brandkatastrophe am Goetheanum in Dornach teile [ich] Ihnen folgendes mit:

Dienstag und Mittwoch, den ii und 2.Januar 1923, wurden durch das Ober-amt D. Th. in Beisein des hies. Untersuchungsrichters mehrere Zeugen einver­nommen. Heute wurden die Elektrotechniker Müller Friedrich in Münchenstein und Bloch Karl, Adjunkt in Solothurn, als Experten auf die Brandstätte berufen, behufs Untersuchung der elektr. Kraft- und Lichtleitung. Beide gaben folgenden Expertenbericht ab: «Daß der Brand nicht durch die Kraftleitung entstanden war, geht daraus hervor, daß der Ventilator nach dem Brandausbruch immer noch in Funktion stand, bis er durch Pfeiffer Ehrenfried' Elektrotechniker am Goethe­anum, ausgeschaltet wurde. Daß der Brand durch Kurzschluß der Lichtleitung entstanden sei, wird als ausgeschlossen gehalten. Es wurde von mehreren Zeugen bewiesen, daß das Licht im Südflügel nach dem Brandausbruch noch brannte. Die Kraftleitung wurde in Stahlpanzerrohre gelegt und aus bestem Material erstellt. »

Brandstiftung wird nun vermutet.

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Heute wurde uns gemeldet, es sei seit der Silvesternacht von Arlesheim aus verschwunden, OttJakob, Fritzens und der Katharina, geb. Putzi von Bischofs-zell, Thurgau, geb. den 21. Oktober 1895 zu Zürich, Uhrmacher in Arlesheim. Ott ließ sich letzten Sommer als Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft auf­nehmen und besuchte die Vorträge und Kurse. An der Silvesternacht wurde er noch auf der Brandstätte gesehen. Seither begab er sich nicht mehr zu seinen Eltern und ist verschwunden. Ott dürfte auch in den Flammen umgekommen sein.

Die von uns gemachten Erhebungen haben ergeben, daß sich Ott an der Silvesternacht von 21 3/4 bis 22 1/2 Uhr bei Franz Kilcher, Landwirt in Arlesheim, aufgehalten hatte. Später wurde er noch auf der Brandstätte gesehen. Die Anthro­posophische Gesellschaft hat die Ansicht, Ott sei das Werkzeug einer gewissen Gruppe, die schon längere Zeit einen solchen Anschlag oder Vernichtung des Goetheanums im Auge hielten. Ott soll sich Mitgliedern darüber ausgesprochen haben, das Goetheanum sei gefährdet. Am Morgen wird eine Untersuchung gegen Ott eingeleitet.

Ein Fräulein Hess Klara will an der Silvesternacht um 10 Uhr abends in der Richtung des Südflügels am Goetheanum einen Knall, wie von einer Explosion, wahrgenommen haben.

Im Zimmer, in dessen Wand das Feuer zuerst entdeckt wurde, fand die Eurythmiedame Marie Walter [Mieta Waller] abends um 7 Uhr den Spiegel, der ganz in der Nähe der späteren Feuerstelle hing, heruntergeworfen und zerschla­gen. Es befand sich ein Gerüst vom Boden aus zu der Stelle, wo der Brand ausgebrochen war. Auf diesem Gerüst wurde zuvor gearbeitet.

Da nach Gutachten und Berichten der beiden Experten Müller und Bloch Kurzschluß von der Kraftleitung sowohl von der Lichtleitung für ausgeschlossen erscheint und da laut Einvernahme der Zeugen starke Verdachtsmomente für Brandstiftung vorliegen, wurden die Akten durch das Oberamt dem Untersu­chungsrichter heute abend überwiesen behufs Durchführung der Untersuchung. Dies zu Ihrer gefl. Kenntnisnahme.

R. Meister, Wachtm.

Brief des Polizeidepartements des Kantons Solothurn, Abteilung Departementskanzlei, an Alt-Nationalrat Hirter in Bern über den Brand des Goetheanum

Solothurn, den 4. Januar 1923

Sehr geehrter Herr,

Ihr Expreß-Schreiben d. d. 3.Januar a. ci ist mir soeben zugekommen. Ich beehre mich, Ihnen den vorläufigen Bericht d. d. 3.Januar a. ci des Oberamtmanns von Dorneck-Thierstein an das Finanzdepartement des Kantons Solothurn nach­stehend zur Kenntnis zu bringen:

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«Inder Nacht vom 31. Dezember 1922 auf den 1. Januar 1923 ist das Goethe­anum in Dornach fast vollständig niedergebrannt, was wir Ihnen am i Januar telegraphisch gemeldet haben. Seither haben wir uns ununterbrochen bemüht, die Brandursache festzustellen. Die Voruntersuchung ist abgeschlossen. Da in der Presse vorzeitige und sich widersprechende Nachrichten erschienen, die sogar als Meldungen aufgefaßt wurden, halten wir es für nötig, Ihnen zuhanden des Regierungsrates vom Resultat unserer Untersuchung vorgängig eines ausführ­licheren Berichtes über den Brandfall hiermit kurz Kenntnis zu geben. Aus den Berichten der elektrotechnischen Experten, der Herren Müller, Chefmonteur der Elektra Birseck, und Bloch, Adjunkt der Gebiudebrandversicherung und der Feuerpolizei des Kantons Solothurn, sowie des Herrn Pfeiffer, Mitglied des Vereins des Goetheanum, der die elektrische Anlage während des Brandes über­wachte und kontrollierte, geht hervor, daß Kurzschluß ausgeschlossen ist; denn die ganze elektrische Anlage war den Vorschriften vollständig genügend montiert. Die Beleuchtung funktionierte in allen Räumen, bis sie kurz vor dem Einsturz der großen Kuppel ausgeschaltet worden war; ein Ventilator, der an einer getrennt geführten Leitung angeschlossen war, wurde ebenfalls während des Brandes ausgeschaltet; zudem waren die Leitungen nicht an denjenigen Stellen des Baues durchgeführt, wo der Brandausbruch nach den Berichten der Zeugen stattgefun­den haben muß. Die Umstände lassen mit großer Sicherheit Brandstiftung vermu­ten. Wir haben daher gemäß Art. 64 des Gesetzes betreffend die Gebäudebrand­versicherung und die Feuerpolizei das Einschreiten des Gerichtspräsidenten ver­anlaßt. Um diesen von Anfang an auf dem laufenden zu halten, haben wir ihn bei der Administrativ-Untersuchung beigezogen. - Für die Annahme der Brandstif­tung spricht folgendes: Beim Brandausbruch bemerkte man zunächst nirgends Feuer, sondern überall nur starken, sehr scharfen Rauch; erst nach langem Suchen, ca. eine Viertelstunde nach Bemerken des Rauches, sah man aus der westlichen Außenwand über dem Südportal Rauch zwischen den Fugen hervorkommen. Als man hier von innen die Wand eingeschlagen hatte, fand man im ca. 10cm breiten Zwischenraum in der Wand starkes Feuer. Durch die Zwischenräume breitete sich das Feuer auch gegen die Kuppeln hin aus; denn es war ihm nicht beizukommen. Im Zwischenraum der Westwand im ersten Stock über dem Südportal muß der Brand gelegt worden sein. Es war diese Stelle über ein Gerüst, das am Südportal stand, leicht zu erreichen. Andererseits ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß der Brandstifter von innen an jene Stelle gelangen konnte. Als verdächtig wird zur Zeit gesucht ein Uhrmacher Ott aus Arlesheim, der seit dem Brandausbruch verschwunden ist. Es wird vermutet, er sei in den Flammen umgekommen. Ott war seit einiger Zeit Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft, so daß ihm der Bau genau bekannt war. Über die Motive zur Zeit sind verschiedene Gerüchte im Umlauf. Dies zu Ihrer Orientierung. »

Ihre Befürchtungen, daß der Brandfall das Signal zu Ausschreitungen gegen Leben und Eigentum der Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft bilden könnte, dürften zu weit gehen. Wir haben uns telephonisch über die Lage berichten

#SE259-753

lassen und dabei erfahren, daß naturgemäß zufolge des Brandfalles das Leben und Treiben der Anthroposophen das Tagesgespräch bildet; daß aber keinerlei Anzeichen dafür vorhanden sind, daß irgendwelche gewaltsame Akte geplant sind. Pogrome sind im Schweizerlande nicht «gang und gäbe».

Der unerhörte Rückschlag wird jedenfalls die Gegner der anthroposophischen Bewegung die Frage aufwerfen lassen, ob ein Wiederaufbau geduldet werden soll oder nicht. Bis jetzt sind noch keinerlei Wünsche angebracht worden.

Damit glauben wir Sie weitgehend orientiert zu haben.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Für das Polizeidepartement

Dr. R. Schöpfer

Polizeikorps des Polizeiposten Dornach, den 6.Jan 1923

Kantons Solothurn

Betrifft: RAPPORT

Goetheanumbrand an: Titl. Polizeikommando des Kantons

Solothurn

Sende Ihnen zwei Photo des flüchtig gegangenen Ott Jakob von Bischofszell, Th., geb. 1895, Uhrmacher.

An Hand der Platten beim Photograph in Basel konnte ich 12 Stück von der Seite und 12 Stück von der ganzen Gesichtsseite erhalten [liegen nicht vor]. Ein Zeuge hat heute bewiesen, daß er Ott am i Januar 1923 mittags etwas nach 12 Uhr in Dornachbrugg gesehen hatte, als er in Richtung Goetheanum oder Arlesheim zulief. Sende Ihnen die Nationalzeitung mit Photo des Ott. Die in der Zeitung enthaltenen Meldungen sind entstellt.

R. Meister, Wachtm.

Polizeikommando Solothurn, 6.Januar 1923

Solothurn

Bericht an

das Untersuchungsrichteramt Dorneck-Thierstein in Dornach

In der Kriminaluntersuchungssache wegen Brandstiftung, begangen am Goethea­num in Dornach in der Neujahrsnacht 1923, hat der Unterzeichnete auftragsge­mäß unterm 5. dies. in Basel folgende Erhebungen besorgt:

Betr. dem auf dem deutschen Paßbüro unterm 28. Dezember 1922 erteilten Ausreisevisum eines Martin Ott und Ausreise des Ott Jakob.

#SE259-754

#Bild s. 754

#SE259-755

#Bild s. 755

#SE259-756

Außer dem genannten Datum und dem Namen Martin Ott ist auf besagtem Paßbüro keine weitere Eintragung vorhanden, mit andern Worten: es werden dort die erteilten Visa nicht detailliert registriert.

Unter Vorweis der Photo des Jakob Ott kann sich keiner der Beamten und Angestellten des deutschen Paßbüro Basel auf ein Individuum besinnen, das in letzter Zeit wegen Paßangelegenheiten vorgesprochen oder das seit dem 31. De­zember abhin ausgereist wäre. Der deutsche Konsul, Hr. von Köllenbach, erachtet es übrigens als ausgeschlossen, daß der verfolgte Jakob Ott, der nachgewiesener­maßen nicht im Besitze eines Auslandspasses war, auf dem Konsulat um ein Ausreisevisum vorgesprochen habe.

Die Nachfragen auf der schweiz. Passierstelle, Grenzbüro, im Bad. Bahnhof in Basel, verliefen ebenfalls resultatlos. Einem Individuum auf den Namen Ott Jakob ist eine zur Ausreise per Bahn nach Deutschland notwendige Bescheinigung, sei es eine Perronkarte noch Transitkarte, noch Tagesschein oder Durchlaßkarte, nicht ausgestellt worden. Nach Photo und Beschreibung soll in der krit. Zeit auch keine solche auffällige und daher im Gedächtnis bleibende Person im Bad. Bahnhof ausgereist sein. Die Berichte der Grenzpassierstellen an der deutschen i .. [der fehlende Satzteil ist beim Kopieren der nicht mehr vorhandenen Originalvorlage untergegangen].

Unsere Nachfragen auf dem Elsässerbahnhof und den Passierstellen des klei­nen Grenzverkehrs an der französischen Grenze blieben auch resultatlos. Die Grenzkontrollorgane deponieren, daß ein Individuum nach Photo und Beschrei­bung des Ott Jakob ihres Wissens in der krit. Zeit nach dem Elsaß nicht ausge­reist ist.

Nach unserer Ansicht und nach der Ansicht von Grenzwachtorganen ist es aber nicht ausgeschlossen, daß jemand, der ohne Kontrolle ausreisen will (schwarz über die Grenze), dies gut fertig bringt, sei es nach Deutschland oder nach Frankreich. Zur Nachtzeit und an passender Stelle sei ein unbefugter Grenzüber­tritt ein leichtes.

Die Existenz des eingangs erwähnten Martin Ott konnten wir in Basel auch nicht feststellen. In Basel ist dieser Name in den Wohnregistern nicht enthalten. Es ist daher anzunehmen, daß dieses Individuum entweder im Kanton Baselland, Aargau oder Solothurn wohnt, welche Kantone in den Sprengel des deutschen Konsulates Basel gehören.

Betr. dem anonymen Briefund Anschuldigung eines gewissen Rene* Feigenwin­ter in Basel

Dieser junge Mann ist wohnhaft bei seinen Eltern in Basel, Hüningerstraße 5, II. Stock. Die Personalien lauten:

Feigenwinter René, Sohn des Johann und der Josefine Marie geb. Lichtle, geb. 1903 von Reinach, Mechaniker, früher in Arlesheim und Aesch wohnhaft. Dem Detektiven J. Fluri in Basel ist Feigenwinter jun. persönlich gut bekannt und hält derselbe den F. nicht fähig zur Begehung eines solchen Verbrechens. Dagegen wäre dem Feigenwinter nach Fluri schon zuzutrauen, daß er Sachbeschädigungen,

#SE259-757

wie im Briefe angetönt, verüben könnte. Feigenwinter soll beabsichtigen, am 9.Januar a. c. nach Frankreich auszureisen, um in Paris in der Automobilfabrik «Delage» als Automechaniker in Kondition zu treten.

... [Rest fehlt]

Sonntag, 7.Januar 1923, 15 Uhr, meldet Wachtmeister Meister in Dornach telefonisch folgendes:

1. Ein Zementfabrikarbeiter, Steiner Hans, Münchenstein, meldet auf hiesigem

Posten:

Er habe in der Brandnacht in der Zeit von 121/2 bis 12 Uhr 45 Jak. Ott unterhalb dem Goetheanum bei der Dampfspritze aus Basel stehen sehen. Er stand bei zwei unbekannten Herren, welche steife Hüte trugen (sog. Halbzy­linder).

Damals war die Kuppel bereits eingestürzt, somit ist anzunehmen, daß Ott nicht umgekommen ist.

II. Soeben brachte auf hiesigen Posten Architekt Aisenbreis [Aisenpreis] Überre­ste eines Petrolapparates, welche er an der Stelle, wo der Brandausbruch vermutet wird, gefunden hat. Der fragliche Apparat resp. die Überreste befin­den sich auf Pol. Posten Dornach. Nach den fehlenden Teilen des Apparates wird weiter gesucht. Ein ausführlicher Bericht wird morgen folgen.

Der Wacht-Chef:

H. Schwägli, Corpl.

Polizeikorps des Polizeiposten Dornach, den 7. Jan. 1923

Kantons Solothurn

Betrifft: RAPPORT

Untersuchung an: Titl. Polizeikommando des Kantons

Goetheanumbrand Solothurn in Solothurn

Steiner Hans, Johanns von Eggiwil, Bern, geb. 1897, Metzger, zur Zeit Zementfa­brik in Münchenstein, Untergasse 3, erschien heute auf hiesigem Polizeiposten und machte folgende Meldung:

Steiner Hans habe Jakob Ott in der Nacht vom 31. Dez. auf i Januar 1923 zwischen 12 1/2 und 123/4 Uhr gesehen, als er bei der Basler Dampfspritze unter­halb dem Goetheanum stand. Bei Ott sollen noch zwei Herren gewesen sein, welche steife Hüte, sog. Coks getragen haben. Steiner will Ott genau erkannt haben, weil er ihm persönlich die Neujahrsgratulation gewünscht habe.

#SE259-758

Somit ist Ort nicht in den Flammen umgekommen.

Als Hans Steiner dorthin kam, war die Kuppel bereits schon eingestürzt. Es wäre sehr von Interesse der Sache zu vernehmen, wer dort bei Ott gestanden ist und mit ihm verkehrt hat.

Dies zu Ihrer gefl. Kenntnisnahme.

R. Meister, Wachtm.

Polizeikorps des Polizeiposten Dornach, den 7. Jan. 192[3]

Kantons Solothurn

Betrifft: RAPPORT

Untersuchung an: Titl. Polizeikommando des Kantons

Brandfall Solothurn

Aisenpreis Ernst, Architekt in Dornach, und Wahler [Waller] Elisabeth Marie, Eurythmiedame in Dornach, fanden heute, den 7. Januar 1923, mittags 12Uhr, im abgebrannten Südflügel des Goetheanum Überreste eines Petrolkochapparates. Der Apparat wurde gefunden an der Stelle, wo der Brandausbruch vermutet wurde. Der Apparat wurde nicht etwa dort unter dem Schutt hervorgezogen, sondern er lag nach den Angaben des Aisenpreis und Wahler an der Stelle, wo der Brand ausgebrochen ist, bloßgelegt. Der Apparat muß somit an diesem Tage dorthin gelegt worden sein.

Es ist zu vermuten, daß eine Eurythmiedame, welche den Kochapparat wäh­rend des Kurses zum Teekochen gebraucht hatte, hervorgezogen hatte, und zwar aus Gewissensbissen, dorthin gelegt, um der Behörde oder der Anthroposophen-leitung zu erkennen zu geben, daß der Brand von diesem Petrolkochapparat aus entstanden sein dürfte.

Dies zu Ihrer gefl. Kenntnisnahme.

R. Meister, Wachtm.

N. B. Der Untersuchungsrichter verfügte sich in Begleitung des Unterzeichneten sofort an Ort und Stelle und traf folgende Verfügung. Der Brandherd, d. h. das Innere des Brandobjektes, ist sofort durch die Polizeiorgane abzusperren, und zwar auch von sämtlichen Mitgliedern der Anthroposophen.

Wir ersuchen, uns noch zwei Mann zur Verfügung zu stellen, um die Absper­rung des Brandobjektes Tag und Nacht durchzuführen. Unter dem Schutt im Südflügel dürften sich noch die übrigen Reste des Kochapparates vorfinden sowie noch das übrige Geschirr, wie Löffel, Tassen, Hafen etc.

#SE259-759

Polizeikorps des Polizeiposten Dornach. den 9.Jan.1923

Kantons Solothurn

Betrifft: RAPPORT

an: Titl. Polizeikommando des Kantons

Solothurn

Am 9.Januar 1923 vormittags erschienen auf dem Brandplatze zwei Oberexper­ten, welche die h. [hohe] Regierung bestimmt hatte. Nachmittags wurde mit der Räumung und Untersuchung des Schuttes begonnen. Die Aufsicht bei der Unter­suchung des Schuttes führte Wachtmeister Zimmermann. Nachmittags wurde in der Nähe der Brandausbruchsstelle die übrigen Bestandteile des Petrolkochappa­rates gefunden.

Dies zu Ihrer gefl. Kenntnisnahme.

R. Meister, Wachtm.

Polizeikorps des Polizeiposten Dornach, den 10.Jan.1923

Kantons Solothurn

Betrifft: RAPPORT

Leichenfund an: Titl. Polizeikommando des Kantons

Solothurn

Mittwoch, den 10. Januar 1923, mittags 12Uhr, wurden durch Pfeiffer Ehrenfried, Elektriker am Goetheanum in Dornach, im Bühnenuntergeschoß auf der Ostseite der Brandstätte, unter der abgebrannten kleinen Kuppel, Knochenteile eines Menschen aufgefunden. Sofort verfügte sich das Gerichtspersonal im Beisein des Dr. Hertenstein an Ort und Stelle, behufs Vornahme einer Leichenschau. Zuerst wurde die Stelle, wo sich die Knochenteile befanden, photographiert. Fast die ganze Leiche war in kleine Knochenteile verbrannt, mit Ausnahme der Ober­schenkel etc. Es konnten durch Dr. Hertenstein mit zieml. Sicherheit als Kno­chenteile eines Menschen erkannt werden: Stücke vom Schädel, Unter- und Oberschenkel, Wirbelsäule, Zähne etc. Die Knochenteile wurden sorgfältig zu­sammen gelesen, in Papiersäcke verpackt in eine Kiste gelegt und in das Totenhaus des hiesigen Spital verbracht.

Die Leichenteile werden in Basel von einem Prof. untersucht, und es wird versucht festzustellen, ob dieselben mit der Person des Ott Jakob identifiziert werden konnten.

Dies zu Ihrer gefl. Kenntnisnahme.

R. Meister, Wachtm.

#SE259-760

#Bild s. 760

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#Bild s. 761

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Polizeikorps des Polizeiposten Dornach, den 12. Jan. 1923

Kantons Solothurn

Betrifft: RAPPORT

Brandunters.[uchung] an: Titl. Polizeikommando des Kantons

Solothurn

Heute, den 12.Jan.1923, wurde dem Unterzeichneten zur Kenntnis gebracht, es befinden sich in der Schreinerei des Goetheanum seit dem Brande Kleiderstücke, welche von den Eigentümern bis heute nicht abgeholt wurden. Sofort begab sich der Unterzeichnete in die Schreinerei des Goetheanums. Daselbst befand sich an einem Kleiderrechen einen schwarzen Mantel mit Sammetkragen, enthaltend i Programm und i Toilettenetui. Ott Jakob zog am Sylvesterabend, beim Ausgang um 7 Uhr abends, den Mantel seines Bruders Fritz Ott, Liesbergerstraße 5 in Basel, an und begab sich um 23 Uhr damit auf die Brandstätte. Ott wurde auf der Brandstätte gesehen, als er sich mit Löscharbeiten beschäftigte und keinen Mantel trug. Somit hat er den Mantel dort ausgezogen und in die Schreinerei gelegt. Der Mantel wurde heute seinem Bruder in Basel vorgezeigt. Fritz Ott erkannte den Mantel sofort als sein Eigentum.

Es ist daher fast mit Sicherheit anzunehmen, daß J. Ott in den Flammen umgekommen ist.

Dies zu Ihrer gefl. Kenntnisnahme. R. Meister, Wachtm.

Dornach 14.Januar [192]3

Titl. Richteramt Dorneck-Thierstein

Brandunters.[uchung] in Dornach

Ihrem Auftrage gemäß begab sich der Unterzeichnete am 13.Januar 1923 nach

Basel und machte bei der Firma Max Wolf und Cie. Kleiderfabrik folgende

Erhebungen:

Am 12. November 1922 bezog Jakob Ott von Bischofszell, Uhrmacher in Neu-Arlesheim, bei Max Ott [Wolf?] obg. eine blaue Cheviot-Kleidung für Fr. 120.-. Diese Kleidung trug er in der Sylvesternacht auf sich. An der Stelle, wo die Knochenteile eines Menschen im Goetheanum lagen, wurde gefunden: i Hosen-knopf, mit der Inschrift «Solide, Elegant», I Hosenhafte, i Hosenschnalle. Diese gefundenen Gegenstände wurden dem Max Wolf, Kleiderfabrik in Basel, vorge­legt. Derselbe gibt an, die aufgefundenen Gegenstände, wie Hosenknopf, Hosen-hafte und Hosenschnalle, seien identisch mit denjenigen, welche die Firma Wolf an das Kleid des Jakob Ott im Monate November 1922 angenäht hatte.

#SE259-763

Als Beweis legt Mi Ott [Wolf?] je ein Gegenstück zu dem Rapport. Max Wolf gibt ferner an, das vorgewiesene angebrannte Stück Kleiderresten sei nicht von dem an Ott verkauften Kleide, eher von Damenstoff oder Unterwäsche.

Dies zu Ihrer gefl. Kenntnisnahme.

R. Meister, Wachtm.


Dornach, 19. Jan. [192]3

Titl. Richteramt Dorneck-Thierstein

Brandunters.[uchung] in Domach

Ein gewisser J. Drescher, Student am Goetheanum in Dornach, hat heute, den

19. Jan. 1923, nachmittags an der Stelle, wo die Überreste eines Menschen sich

befanden, an der rechten Treppenseite angebrannte Papierresten, i kleines Stück

Filz und neben der linken Treppenmauer noch i kleines Stück Knochen gefunden. Ferner wurde heute durch Edmund Meier, Arbeiter am Goetheanum' im

großen Kuppelraum an der vierten Stuhlreihe unter dem Schutt zwei Stück Stoff,

Farbe: braun, wie Hosenstoff, gefunden.

Diese Sachen wurden in Empfang genommen und liegen dem Berichte bei.

Dies zu Ihrer gefl. Kenntnisnahme.

R. Meister, Wachtm.

Handschriftlicher Briefentwuif Rudolf Steiners mit dem Vermerk:

Bitte diesen Brief mit der Unterschrift des Vorstandes

sogleich an den Oberamtmann Harbertür in Breitenbach abzuschicken. Steiner

An den verehrten Herrn

Ober-Amtmann

In Breitenbach

Der unterzeichnete Vorstand des Vereins Goetheanum

der genaue Titel einzusetzen gestattet sich dem Herrn Ober-Amtmann anzuzeigen,

daß der Vertrag zwischen der schweiz. Versicherungsgesellschaft

#SE259-764

«Helvetia» und dem Goetheanum über die

der genaue Titel einzusetzen Versicherung des Mobiliarbestandes, insofern dieser

durch die Brandkatastrophe vom 31.Dez.1922 bis

1. Januar 1923 vernichtet wurde, im Beisein des Herrn Oberinspektors Schunck der genannten Versicherungs­gesellschaft vollzogen worden ist, und zur Auszahlung

der Versicherungssumme nunmehr nur noch die behördliche Bewilligung an die genannte Gesellschaft notwendig ist.

Der unterzeichnete Vorstand erlaubt sich bei dem Herrn

Ober-Amtmann darum anzusuchen, diese Bewilligung an die Versicherungsgesellschaft gelangen zu lassen.

Der Vorstand des Goetheanums Der genaue Titel einzusetzen

Handschriftliche Vorlage von Rudolf Steiner für einen Brief an das Oberamt Dorneck­Tilierstein in Breitenbach

undatiert, vermutlich 21.Januar 1923

Da das verehrliche Oberamt schon vor einiger Zeit die Bewilligung zur Ausbezahlung der Mobiliar-Versicherung der durch den Goethea­num-Brand zu Grunde gegangenen beweglichen Besitzstücke gegeben hat, glaubt der unterzeichnete Vorstand des Vereins Goetheanum Dornach nun auch das Ansuchen stellen zu dürfen um Genehmigung der Auszahlung der Brandversicherungssumme für das Goetheanum-Gebäude.

Der Vorstand des Goetheanum-Vereines erlaubt sich dieses An­suchen, weil er sich genötigt sieht, baldigst über das weitere Schicksal des Goetheanums Entschlüsse zu fassen.

In vorzüglicher Hochachtung

Der Vorstand des Vereins des Goetheanum

#SE259-765

Handschriftliche Vorlage von Rudolf Steiner für einen Brief an den Oberamtmann von Dorneck-Thierstein in Breitenhach

undatiert, vermutlich 21.Januar 1923

Der unterzeichnete Vorstand des Vereins Goetheanum Dornach hat auf Grund der Wünsche aus seiner Mitgliedschaft sich genötigt gesehen, einen Privatwachedienst für die vom Brande übriggebliebe­nen Baulichkeiten einzurichten. Diesen Wachedienst besorgen Mit­glieder der Anthroposophischen Gesellschaft. Dieselben sind, um das nötige Abwechseln zu besorgen, 25 an der Zahl. Nun glauben diese wachehaltenden Personen ihren Dienst nur richtig besorgen zu kön­nen, wenn sie eine Schutz-Waffe tragen dürfen. Es erlaubt sich daher der unterzeichnete Vorstand an das verehrliche Oberamt das Ansu­chen um die Bewilligung von Waffenpässen für diese Personen zu stellen. Der Verein des Goetheanum will selbst die Verantwortung für die wachehaltenden Personen übernehmen.

In vorzüglicher Hochachtung

der Vorstand des Vereins des Goetheanum

Dornach, 22. Jan. [192]3

Brandunters.[uchung] Titl. Richteramt Dorneck-Tliierstein

Goetheanum in Dornach

Auftragsgemäß machte der Unterzeichnete einen Gang nach Basel, behufs Erhe­bungen zur Untersuchung: Goetheanumbrand.

Nachbenannte zwei als Zeugen angegebene Personen geben an, Pfund Augu­stin, geb. 1899, wohnhaft Frohburgstraße 27, zur Zeit Arbeiter in der Buchbin­derei Birknäuser, Elisabethenstraße in Basel, habe sich letztes Frühjahr oder Sommer, anläßlich der Arbeitszeit in der Buchbinderei Chr. Jäger, Weiße Gasse No. 3 in Basel, ihnen gegenüber geäußert: «Das Goetheanum in Dornach brenne noch einmal ab.»

Zeugen: i Stadlin Alois, Buchbinder, Hutgasse 11 in Basel.

2. Thierstein Rosa, Clarahofweg 18 in Basel.

Dies zu Ihrer gefl. Kenntnisnahme. R. Meister, Wachtm.

Pfund soll Anhänger der Schildwache sein (Kath).

#SE259-766

#TI

Bericht [vom 22.Januar 1923] des Oberamtmanns von

Dorneck-Thierstein an die Regierung des Kantons Solothurn

betreffend den Brand des Goetheanum in Dornach,

welcher am 31. Dezember 1922 um 22 1/4 Uhr stattgefunden hat.

#TX

Brandobjekt: Grundbuch Nr.2542. Gebäude Nr.383.

Eigentümer: Verein des Goetheanum in Dornach.

Mit dem Glockenschlag, der den Anbruch des neuen Jahres verkündete, schlug ob

Dornach eine Riesenfiamme zum Himmel empor, einer weiten Umgebung den

Untergang des Goetheanum verkündend.

Inder Nacht vom Sylvester auf Neujahr desJahres 1922 ist das Goetheanum in Dornach ein Raub der Flammen geworden. Der Unterzeichnete begab sich am 1. Januar 1923 früh auf die Brandstätte, wo von dem ehemals gewaltigen Bauwerk nur der von der Hitze an vielen Stellen geborstene Betonunterbau, erfüllt mit brennenden und rauchenden Holzüberresten, noch zu sehen war. Das Betreten und Absuchen der Gebäudereste war erst nach einigen Tagen möglich. Über die Brandursache schwirrten alle möglichen Gerüchte im Lande herum. In gewissen Kreisen der nähern Umgebung von Dornach machte sich eine ziemlich erregte Stimmung gegen die Mitglieder des Vereins des Goetheanum bemerkbar. Es mag sein, daß hiezu der Umstand nicht wenig beigetragen hatte, daß von Dr. Steiner und seinen Leuten selbst eine Untersuchung geführt und die Bedienung der Presse durchgeführt wurde. In einer der ersten Veröffentlichungen wurde die Behaup­tung aufgestellt, es liege BrandstLftung von außen vor, was die Gegner Dr. Steiners arg in den Harnisch brachte.

Die amtliche Untersuchung, die sofort eingesetzt hatte, stellte folgendes fest:

Am 31. Dezember 1922 um 17 Uhr fand im Goetheanum eine eurythmische Vorstellung statt, die kurz vor 7 Uhr zu Ende ging. Nach der Vorstellung wurde, wie gewohnt, das ganze Gebäude von den Besuchern entleert, genau kontrolliert und nirgends etwas Verdächtiges bemerkt. Um 8 Uhr begann ein Vortrag von Dr. Steiner, der gegen 10 Uhr beendigt war. Hierauf wurde wieder das ganze Gebäude entleert, von einem Wächter kontrolliert und abgeschlossen. Im Freien wurde das Gebäude von 5 bis 7 Uhr von einem und von 7 Uhr an von zwei Wächtern bewacht. In der Zeit von 7 bis 8 Uhr hielt sich im großen Saale und in ihrem Zimmer im 1. Stock des Südflügels, wie gewohnt, Frau Dr. Steiner auf. Ihr fiel nichts auf. Nach der Vorstellung, ca. um 7 Uhr, kam ein Fräulein Wahler [Waller] in ihr Garderobenzimmer, im 1. Stock des Südflügels gelegen, und be­merkte, daß der Spiegel, der einige Zeit vorher noch an der Wand hing, zerbrochen auf dem Boden lag; man maß dieser Beobachtung aber wenig Wert bei. Als nach der Leerung, Kontrollierung und Schließung des Gebäudes zwei Wächter auf ihrem Rundgange sich beim Südportal trafen, war es 103/4 Uhr. In diesem Moment

#SE259-767

roch der eine Wächter Rauch. Sie fanden im Südflügel im III. Stock im sog. weißen Saal starken Rauch hinter den Heizkörpern hervorkommen. Als auf den Alarm der Weckerlinie die Feuerwehrleute des Goetheanum herbeigeeilt waren und man nach dem Feuer suchte, fand man zunächst überall nur Rauch, aber kein Feuer. Es verging wohl eine 3/4 Stunde, bis man endlich im 1. Stock über dem Südportal aus den Fugen in der Westwand Rauch hervorquellen sah. Man schlug diese Wand ein und stieß auf das Feuer.

Es ist durch mehrere Augenzeugen die Tatsache festgestellt, daß vorher an keinem andern Orte des Gebäudes Feuer war, so daß angenommen werden muß, daß der Brandausbruch im Innern der Westwand über dem Südportal stattgefun­den hat. Laut den vorgelegten Plänen bestand die Wand aus den Konstruktionstei­len und innerer und äußerer Doppelverschalung (siehe Skizze). Im Innern der

#Bild s. 767

Wand waren somit Hohlräume vorhanden. Durch diese Hohlräume führte ein Frischluftzufuhrkanal aus Blech, der in einem Fenstersturz seinen Anfang nahm und hinter den Heizkörpern im sog. weißen Saal im III. Stockwerk ausmündete. Daher ist es erklärlich, daß in diesem Raume zuerst Rauch bemerkt wurde. Nachdem diese Wand geöffnet worden war, entwickelte sich das Feuer mit großer Schnelligkeit gegen die Kuppeln hin. Als gegen 223/4 Uhr die Feuerwehren von Dornach und Arlesheim und etwas später diejenige von Münchenstein und die Dampfspritze von Basel beim Brandobjekte erschienen waren, war der Aufenthalt im Innern des Gebäudes fast unmöglich geworden, und man mußte sich auf die Bekämpfung des Feuers von außen beschränken. Um 231/2 Uhr mußte der allge­meine Rückzug der Feuerwehren angeordnet werden, und um 24 Uhr stürzten die Kuppeln ein. In den folgenden Stunden strömte eine solche Hitze aus dem Brand-objekte, daß die in der Nähe stehende Schreinerei in beständiger Gefahr war, und die Feuerwehren mußten ihre ganze Kraft auf die Rettung dieses Gebäudes konzentrieren, was auch gelang. Die Spritzenprämie ist der Feuerwehr Arlesheim auszurichten.

Es ging aus der Einvernahme zahlreicher Personen hervor, daß der Brandherd in der oben näher bezeichneten Westwand im I. Stock des Südflügels anzunehmen ist. Wie ist der Brand entstanden? Mit dieser Frage beschäftigte man sich in den

#SE259-768

ersten Tagen nach dem Brande allgemein, zeitweise auch sehr vorlaut. Sehr nahe lag die Vermutung, daß Kurzschluß in den elektr. Leitungen die Ursache sein könnte. Diese Frage wurde, wie wir Ihnen in unserm Bericht vom 3.Januar mitteilten, mit Bestimmtheit in negativem Sinne entschieden. Im Verlaufe der weitern Untersuchung wurde bekannt, daß der Uhrenmacher Ott in Arlesheim, der seit kurzer Zeit Mitglied des Vereins des Goetheanums war, vermißt wird. Dieser Umstand und die Aussagen einzelner Mitglieder des Vereins des Goethea­num über Warnungen, die Ott geäußert hat, ferner die Feststellung, daß das Feuer im Hohlraum der bezeichneten Wand, wo aber keine elektr. Leitung durchführte, ausgebrochen sein muß, sowie die Tatsache, daß an der Außenseite des Baues in der Nähe des Südportals ein Gerüst stand, mittelst welchem der Ort des Brandaus­bruches mit Leichtigkeit zu erreichen war, führte zur Vermutung, daß Brandstif­tung vorliegen könnte. Spuren einer Brandlegung waren nicht festzustellen, da die mehrfach bezeichnete Wand bis auf den Grund niedergebrannt ist. Der einzige Zugang aus dem Innern des Gebäudes zu den oben bezeichneten Räumen im I. Stock über dem Südportal soll beständig bewacht gewesen sein und der Zutritt nur den Mitgliedern der Gesellschaft gestattet gewesen sein. Die oben erwähnte Spiegelgeschichte könnte mit der Brandstiftung insofern in Beziehung gebracht werden, daß man sich vorstellen könnte, ein durch das wahrscheinlich nicht geschlossene Fenster im Zimmer der Frl. Wahler [Waller] (Fckzimmer im I. Stock) eingestiegenes Individuum hätte in der Geschwindigkeit den Spiegel heruntergeworfen. Es müßte dies während der Vorstellung vom 31. Dezember von 5 bis 7 Uhr nachm. gewesen sein. Ob Ott der Täter ist? Über diese Zeit ist nämlich sein Alibi nicht einwandfrei festgestellt.

Gemäß § 64 des Gesetzes betreffend die Gebäude-Brandversicherung veran­laßte der Unterzeichnete am 3.Januar das Einschreiten des Gerichtspräsidenten, der seither die Untersuchung weiterführt.

Die weitern Zeugeneinvemahmen haben ergeben, daß Ott vor dem Zusam­menbruch der Kuppeln im Kuppelzwischenraum gesehen wurde. Anläßlich der unter Aufsicht der Polizei systematisch durchgeführten Räumungsarbeiten fand man in der Gegend der Bühne die Überreste eines menschlichen Skeletts, und einige Tage später wurde in der Schreinerei auch der Mantel, den Ott am Sylvester getragen hatte, aufgefunden. In Anbetracht, daß sonst niemand vermißt wird, ist es sehr wahrscheinlich, daß Ott beim Brande des Goetheanum umgekommen ist. Die Untersuchung durch den Gerichtspräsidenten ist heute noch nicht abge­schlossen. Am 4. Januar fand durch die lt. Regierungsratsbeschluß Nr.29 vom 2.Januar 1923 gewählte außerordentliche Kommission die Abschatzung des Scha­dens statt.

Das eingeäscheite Gebäude war für Fr. 3'500'000.- brandversichert. Die Über­reste wurden auf Fr. 317'000.- gewertet, so daß der Schaden Fr. 3'183'000.-beträgt. Gegen diese Abschatzung wurde vom Eigentümer, der Verein des Goe­theanum, innert nützlicher Frist (abgelaufen den 19.Januar) keine Einsprache erhoben.

#SE259-769

#TI

Kostenberechnung

#TX

i. Brandschaden: Auszuzahlen an den Verein des Fr. 3'183'000.-Goetheanum in Dornach

2. Abschatzungskosten: 15.-

An Herrn Joh. Boder, Präsident der Gebäude-Schat­

zungskommission Dorneck-Thierstein in Dornach

An Theodor Heinis, Mitglied der Gebäude-Schatzungs- 15.-

kommission Dorneck-Thierstein in Hofstetten

An Herrn Alfred Probst, Präsident der Gebäude- 34.50 Schatzungskommission Solothurn-Lebern in Solothurn

3. Untersuchungskosten: 51.20

An A. Haberthür, Oberamtmann, in Breitenbach, 4 mal

Reiseentschädigung von Breitenbach nach Dornach und 4

Taggelder

4. Telegrammaustagen des Oberamts D.-Th. 3.-

5. Spritzenprämie: 25.-

An die Feuerwehr Arlesheim

Total Fr. 3'183'143.70

Breitenbach, den 22.Januar 1923.

Für das Oberamt Dorneck-Thierstein Der Oberamtmann: gez. Haberthür.

Beilagen: [liegen nicht vor]

a) i Polizeirapport;

b) i Zählkarte;

c) Das Abschatzungsverbal wurde am 19. d. M. an die Staatskasse abgeschickt;

d) Die Untersuchungsakten wurden am 3. Januar 1923 dem Gerichtspräsidenten übergeben.

770

Polizeikorps des Polizeiposten Dornach, den 20. Febr. 1923 Kantons Solothurn

Betrifft : RAPPORT

Agnoszierung des an: Titl. Polizeikommando des Kantons

Leichenfundes Solothurn

Auf hiesigem Richteramt befindet sich das Gutachten des Basler Spezialisten für pathologische Anatomie, Prof. Dr. Rössle, betreffend der beim Brande des Goe­theanum auf der Brandstätte aufgefundenen menschlichen Reste.

Der sehr umfangreiche, ausführliche Bericht enthält am Schlusse folgende

Ausführungen:

«Zusammengefaßt ist also in Beantwortung der Frage 3 mit Sicherheit zu behaupten, daß die Person, welcher die vorhandenen Teile angehört haben, eine besondere Körperbeschaffenheit gehabt hat. Es hat sich um einen erwachsenen, höchstwahrscheinlich männlichen Menschen gehandelt, der vor einer Reihe von Jahren eine Knickung der Wirbelsäule im Bereich der untern Brustwirbelsäule durchgemacht haben muß. Die Stelle der Buckelbildung selbst ist gerade noch in ihrem Beginn in dem einen der erhaltenen Teile, nämlich in dem Stück Brustwir­belsäule, enthalten: außerdem sind in dem 2. Stück Lendenwirbel die Teile unmit­telbar unter dem Buckel vorhanden. Es genügen aber die vorliegenden Befunde, um mit vollständiger Sicherheit zu behaupten, daß ein Spitzbuckel, und zwar höchstwahrscheinlich durch Tuberkulose, vorlag.

Ein weiterer Schluß, etwa der, daß die Teile dem vermißten Jakob Ott angehört haben, ist vom wissenschaftlichen Standpunkte aus nicht erlaubt, es kann nur behauptet werden, daß die Leichenteile einem Menschen angehört haben, der genau wie Ott körperlich gestaltet war. Dies ergibt sich aus der Betrachtung der den Akten beiliegenden Photographie des Ott, besonders derjenigen in seinem Arbeitskittel und aus der ausfindig gemachten Krankengeschichte des Basler Kinderspitals aus den Jahren 1899 und 1907.»

Dies zu Ihrer gefl. Kenntnisnahme.

R. Meister, Wachtm.

#SE259-771

Handschriftliche Brief'«'orlage Rudolf Steiners (siehe die Faksimilewiedergabe S. 772/773):

Gesuch an das Finanz-Depsrtement des Kantons Solothurn um Auszahlung der

Versicherungssumme. Die Auszahlung erfolgte am 15. Juni 1923.

Dornach, 2. Juni 1923

An das (verehrliche) Finanz-Departement

des Kantons Solothurn in

Solothurn

Auf die geehrte Zuschrift vom 29. März des verehrlichen Finanz-Departements und im Sinne der dem Vorstande des Goetheanum-Vereines von diesem Departement am i . Juni gewährte Besprechung erlaubt sich dieser Vorstand das folgende vorzutragen. Vorstand und Mitglieder des Goetheanum-Vereines waren vom ersten Tage nach der Brandkatastrophe von der Absicht beseelt, das Goetheanum wieder aufzubauen. Es ersucht deshalb der unterzeichnete Vorstand das verehrliche Finanz-Departement um die Bewilligung der Auszahlung der Brand-Entschädigung nach der abgeschlossenen gerichtlichen Untersuchung.

Der unterzeichnete Vorstand erlaubt sich dieses Ersuchen zu stellen, weil er sich seinen Mitgliedern gegenüber verpflichtet fühlt, so bald als nur irgend möglich, mit den Arbeiten

zur Wiederherstellung des Goetheanum zu beginnen. Er ersucht um die Auszahlung am 15.Juni im Sinne der stattgehabten Besprechung an die Solothurner Cantonalbank in Solothurn und bittet um Benachrichtigung nach erfolgter Auszahlung.

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Mit vorzüglicher Hochachtung der

Vorstand des Vereins Goetheanum Dornach

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#Bild s. 772

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Der Brand des Anthroposophentempels Goetheanum in Dornach

#G259-1991-SE775 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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I

B. Zeitungsberichte

«National-Zeitung», Nr.1, Basel, Dienstag, 2. Januar 1923

Der Brand des Anthroposophentempels Goetheanum

in Dornach

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E. S. Der geistige Mittelpunkt der Anthroposophen, das Goetheanum in Dornach, mit seinen weithin im Lande sichtbaren Doppelkuppeln, ist in der Silvesternacht einem furchtbaren Brande zum Opfer gefallen. In der ganzen Welt wird diese Nachricht unter den zahlreichen Anhängern Rudolf Steiners tiefe Bestürzung und Trauer auslösen. Welch gewaltiges Interesse in Basel die Katastrophe weckte, zeigte der Menschenstrom, der von Mitternacht an ununterbrochen bis in die Nacht des Neujahrstages hinein in ungezählten Tausenden auf die Brandstätte hinausflutete. In der Zentrale am Dornacherberg ging unaufhörlich das Telephon, um die Kunde von dem für viele Tausende so wichtigen Ereignis in die ganze Welt hinaus zu senden. Auch wer wie wir keineswegs mit den Theorien der Anthropo­sophen und dem sie verkörpernden Tempel einverstanden war, wird doch das Unglück bedauern, das diesen Kreis getroffen hat.

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Der Feueralarm in der Silvesternacht.

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Die Regenfitten der Weihnachtstage versiegten plötzlich, als der Silvester an­brach. Alles freute sich auf diesen Abend, der zu einem öffentlichen Volksfeste geworden ist. Schon um vier Uhr hüpften die ersten vorlauten Frösche über die Trottoirs und zwischen die Füße der Passanten. Die Heilsarmee predigte für Einkehr und Selbsterkenntnis. In den Kirchen wurden die üblichen Silvestergot­tesdienste abgehalten. In den Häusern rüstete man sich zum Familienfeste, und die guten Restaurants schlossen ihre Pforten, um die längst angesagten Gäste behag­lich bei Musik und Tanz vom alten ins neue Jahr hinüberzugleiten. In der inneren Stadt erstrahlten die Schaufenster in tausendfacher Beleuchtung, und gruppen-weise zog die Jugend singend, lachend und gröhlend durch die Gassen, während auf dem Münsterplatze wie alljährlich die Menge sich besarnmelte, um den Choral der Posaunen auf den Türmen und die Glocken zu hören, die in feierlichen Tönen das alte Jahr aus- und das neue einleiten sollten. Die Glocken schlugen die zwölfte

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Stunde. Jauchzend wünschte man sich ein glücltliches neues Jahr. Straßen und Plätze schallten wider von den frohen Rufen der Menge...

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Da begann sich plötzlich der Himmel zu röten.

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War es ein Feuerwerk, wie es zur Erhöhung der Freude an großen Festtagen beliebt ist? Immer mächtiger trat der rote Schein am Himmel hervor, bis die ganze Stadt mit den Silhouetten ihrer Dächer und Türme schwarz vor blutrotem Hinter­grunde stand. Das ist kein Feuerwerk... Das ist ein Brand, ging es von Mund zu Mund, und bald wußten es die ersten: Der Tempel der Theosophen, das «Goe­theanumii, steht in hellen Flammen! In die Familienstuben drang das Gerücht, jählings die Gedanken, die silvesterfroh vergnügt sich entwickelten, in eine andere Richtung lenkend. An die Türen der Festsäle und Restaurants pochte es an: «Es brennt in Dornach.» «Der mächtige Holzbau der Anthroposophen brennt!» Schon um IC.50 Uhr hatte das Telephon die Meldung auf die Basler Feuerwache gebracht. Rasch stand die Dampfspritze bereit. Der Benzinwagen wurde hinaus­geführt, und vorwärts ging's ins Dunkel der Nacht, Dornach entgegen. Ein zweiter telephonischer Ruf erreichte den Führer der Rotkreuzkolonne in Basel. Rasch alarmierte dieser telephonisch seine Kolonne, und in Autos raste auch sie zur Brandstätte hinaus. Nun begann auch das Volk hinauszuströmen. Was an Autos vorhanden war, wurde rasch in Anspruch genommen, und in unerträglicher Spannung warteten die Zurückgebliebenen auf eine Beförderungsgelegenheit, denn kein Tram fuhr. So war der Einzelne schon froh, wenn er über ein Velo verfügte, um rascher an die Brandstätte zu kommen. Die andern nahmen eben den Weg unter die Füße, wenn sie sich nicht damit begnügten, von irgendeiner hohen Warte aus, ob es nun die Batterie war oder auch nur eine Dachluke ihres Hauses, dem grandiosen Schauspiel zuzusehen.

Wie der Brand entstand.

In Dornach haben die Anthroposophen ihre Anhänger aus nah und fern zu einem naturwissenschaftlichen Kurse geladen. Am Silvester-Nachmittag um fünf Uhr wurde noch eine eurythmische Vorstellung gegeben, und am Abend hielt Dr. Ru­dolf Steiner vor den Mitgliedern und Gästen im Goetheanum einen Vortrag. Es war halb zehn Uhr, als die Letzten den Raum verließen. Dr. Steiner zog sich, wie er uns selbst erzählte, in seine nahe Villa Hansi zurück, als schon eine halbe Stunde später der erste Alarmruf zu ihm hinüberdrang. Einer der eigens angestellten Wächter hatte im obern Raume des gegen die Schreinerei gelegenen Südflügels im sogenannten «weißen Saale« Rauch bemerkt. Vergeblich suchte er den Herd dieser Rauchentwicklung zu ergründen. Er ging einen Stock tiefer und fand auch dort nicht eine Spur von Feuer. Da kam ihm der Gedanke, ein Stück der Wand einzuschlagen. Und zu seinem Schrecken bemerkte er, wie hier in der Konstruk­tion das Feuer mottete und wahrscheinlich schon seit zwei Stunden Nahrung gefunden hatte. Mit Minimaxapparaten suchten nun die Wächter des Feuers Herr zu werden. Zugleich setzten sie auch den Feueralarm in Bewegung und boten so

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die aus Mitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft gebildete Feuerwehr auf. Diese kamen gerade recht, um die Wächter, die durch den Rauch und die durch den Brand entstandenen giftigen Gase betäubt waren, hinauszuschleppen und vom sichern Tode in den Flammen zu retten.

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Die Alarmierung der Ortsfeuerwehren.

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Wir saßen gemütlich bei unserm Schoppen, erzählte uns ein älterer Dornacher Bürger, als ein Knabe hereinsprang und nach dem Feuerwehrkommandanten fragte. «Es brennt im Goetheanum>, rief er. Wir beeilten uns nicht so sehr, dachten wir doch, daß irgendein kleiner Brand, vielleicht in der Schreinerei ausgebrochen sei. Daß aber der »Johannisbau» selber in Flammen stehe, dachten wir zu allerletzt. Inzwischen begann auch bei uns das Telephon zu arbeiten und die Sturmglocken zu läuten. Die Feuerwehren von Dornach, Arlesheim und Münchenstein eilten herbei, während wir Ältere ruhig den Berg hinanstiegen, um die Wirkung des Feuers zu beobachten. Zu sehen war aber einstweilen nichts, da das Feuer im Innern des Tempels sich ausbreitete, ohne nach außen sichtbar zu werden.

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Die Zuleitung des Wassers.

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Glücklicherweise ist es in Dornach nicht gegangen wie vor wenigen Wochen auf dem Chrischonaberg, als dort das große Ökonomiegebäude zum zweiten Male niederbrannte und Bewohner wie Feuerwehr machtlos dem Elemente gegenüber-standen, weil die Hydranten fehlten und das Wasser mühsam aus dem Boden gepumpt oder in langer Eimerkette in die Spritze geleitet werden mußte. Mit den Bauten der Anthroposophen war auch die Wasserleitung mit Rydrantenanschluß gelegt worden, die vom Dornacherberge her das Quellwasser zu Tal leitet und den nötigen Druck besitzt, um eine ganze Anzahl von Hydranten zu speisen. So wurden denn sechs Schlauchleitungen angelegt. Mit diesen, den Feuerleitern und Feuerhaken wagten es die kühnen Feuerwehrleute, dem Feuer auf den Leib zu rücken. Sie drangen im Betonunterbau vor; ein Teil von ihnen aber stieg hinaus bis zu den mit nordischem Schiefer bedeckten, vom Mond bestrahlten Doppelkup­peIn des Tempels, um hier von oben her des Feuers Herr zu werden. Inzwischen war das Feuer mit großer Schnelligkeit im Innern der Wand hinter den Verscha­lungen gegen die Verbindungsstelle der beiden Kuppeln hin durchgedrungen, da wo der große Vorhang hing, der die beiden Kuppeln trennte. Die Energie, mit der unter Leitung der Ortskundigen im Innern das Feuer bekämpft und unterdrückt werden sollte, erwies sich leider als machtlos.

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Um zwölf Uhr nachts.

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... Auf den Kirchtürmen im Lande begannen die Glocken zu schwingen, das alte Jahr auszuläuten und das neue zu begrüßen. Mitternacht war da, die Wende ins neue Jahr und damit auch in eigentümlichem Zusammentreffen der Wendepunkt in der Macht des weiterfressenden Feuers. Mit dem Zwölf-Uhrschlage, unter dem Geläute aller Glocken, schoß plötzlich das frei gewordene Element in majestätischer

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Flamme aus den Kuppeln zum Himmel empor. Ein Bild, das all denen, die es mit angesehen haben, in unauslöschlicher Erinnerung bleiben wird, entwickelte sich nun vor dem geblendeten Auge der Zuschauer. Wie ein gigantisches Fanal stieg die Flamme zum nächtlichen Himmel empor, diesen weithin erleuchtend und rötend. Und während die in langer Arbeit geschliffenen Scheiben in wunder­baren Farbtönen erglühten, sanken sie auch schon klirrend zusammen, dem ungebändigten Elemente die Bahn freigebend. Der Widerschein des Brandes aber, der schon den Himmel mit einer kühnen Abendröte eifüllte, ließ nun die Berge ringsum, vor allem den waldbekleideten Gempenstollen in purpurner Pracht phantastisch erglühen. Wie flüssiges Erz schienen die Felsen zwischen den Bäu­men nieder zu tropfen. In jähem Wechsel erblaßten und erglühten die nächtlichen Fluren und Wälder. Phantastische Schatten zogen sich jäh in die Schluchten zurück, wenn die Flamme höher emporlohte, und bis weit in die Stadt, über den Rhein und ins Elsaß hinab leuchtete das Feuerzeichen vom Dornacher Berge. Die Ruinen des Dornacher Schlosses aber, die schon manche Berennung und grim­mige Belagerung erlebt und selber schließlich dem Feuer zum Opfer gefallen waren, sahen nun im nächtlichen Flackerscheine, wie der gewaltige Bau in ihrer Nähe, der sie bis vor kurzem mit seinen Doppelkuppeln stolz zu erdrücken drohte, in Asche zusammen sank und selbst zur Ruine wurde.

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Die Silberfackeln.

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Als die Kuppeln in sich zusammenstürzten, stieg eine riesige Feuergarbe zum Himmel empor, ein Funkenregen, der die ganze weite Umgebung bedrohte, so daß die Feuerwehr Hilfstrupps nach allen Seiten entsenden mußte, um die Aus­breitung des Brandes zu verhüten. Ein großes Glück war es, daß der Föhn, der mit unwiderstehlicher Wucht zuvor über das Land gefegt hatte, eingeschlafen war. Sonst wäre heute nicht nur das Goetheanum, sondern auch Dornach und vielleicht auch sogar Arlesheim ein Aschenhaufen. Auf den Gebäuden ringsum, besonders auf den rückwärts am Hange auf erhöhter Terrasse gelegenen Holzbaracken der Schreinerei mit ihrer Dachpappendeckung war die unermüdliche Feuerwehr po­stiert und überrieselte unaufhörlich die Dächer, um die Wirkung der oft in mehr als Haselnußgröße herumfliegenden Funken zu brechen. Etwa 15 Wachtposten waren im Doife zerstreut, jeden Augenblick zum Eingreifen bereit, wenn es trotz aller Vorsicht dem Funkenregen glücken sollte, das Feuer hinabzutragen.

Kurz bevor die Kuppeln niedergestürzt waren, hatten sich die verwegenen Feuerwehrmänner, die hier oben das Feuer zu bekämpfen suchten, zurückgezo­gen, und es war beinahe ein Wunder bei dieser Bravourleistung, daß sie ohne Verletzung auf den Boden kamen. Mit dem Einsturz der Kuppeln enthüllte sich nun ein zweites Bild, das an grandioser Schönheit dem ersten ebenbürtig war. Die mächtigen Säulen, die mit ihren Kapitälen aus Holz kunstvoll gefügt und gemei­ßelt waren, hoben sich nun aus dem Betonring wie riesige Silberfackeln zum Himmel empor. Flämmchen und Flammen züngelten in ihrer ganzen Höhe aus dem festen Körper und zuckten breit aus den Kapitälen. Und über ihren silbernen

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Schein legte sich ein rötlich-glühender Flor. Die konstruktiven Bogen aber, die noch nicht eingestürzt waren, sahen mit ihren wohlgefügten Holzschichten aus wie die aus Ziegeln getürmten Ruinen altrömischer Kastelle, indes über die breiten Spannungen ihrer Bogenbrücken das Feuer in wildem Tanze hinüberwogte. Über die vielfachen Reihen der Zuschauer, die bald neugierig, bald ergriffen den ster­benden Tempel umstanden, glitten die Lichter der wie selbstverständlich stunden­lang weiterbrennenden Fackeln dahin, während zwischen den brennenden Fana­len auf schwankenden hochgezogenen Leitern schwarze Silhouetten von Feuer­wehrleuten sichtbar wurden.

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Am Neujahrstage.

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Wer nicht schon in der Silvesternacht das Feuer den Himmel röten sah, dem riefen am Neujahrsmorgen im selben Atem mit dem Glückwunsche seine Freunde und Bekannten die Unglücksnachricht entgegen. Der Himmel war mit Wolken ver­hüllt und schien zum voraus jedem größeren Ausflug zu wehren. Da ergab sich fast für die ganze Bevölkerung Basels und seiner Nachbarorte: Hinaus nach Dornach. Stundenlang schob sich der Menschenzug in ununterbrochener Kette den Berg empor über die lehmigen Wege und schlüpfrigen Wiesen, während ein zweiter sich ebenso ununterbrochen abwärts wälzte. Seit dem Münchensteiner Unglück können wir uns nicht mehr erinnern, eine derartige Menschenmasse dort draußen gesehen zu haben.

Die nächtliche Phantastik des Feuers war dem trüben Tageslichte gewichen. Vom Ganzen stand nur noch der betonierte Unterbat, der wie ein Ring die schwelenden Gluten umschloß. Mit Staunen bemerkte man, wie die Türen und Fenster, die sich hinter den mit verkohltem Holze überschütteten Treppenstufen erhoben, noch unversehrt geblieben waren. Unversehrt schien auch im großen ganzen das Innere des Unterbaues, in den wir unter Führung des Feuerwehrkom­mandanten eintreten konnten. Ungeschwärzt und unberührt empfingen uns die phantastischen Gebilde der zum Teil noch unvollendeten Heizkörperverklei­dung. Die betonierte Treppe führte in kühner Windung empor, um plötzlich statt im hochgewölbten Saal im Leeren zu enden. Fast intakt war die Telephonzentrale geblieben und daneben, nur wenige Meter von dem glühenden Trümmerfelde, ein Büro, auf dessen Doppelschreibtisch noch die Aktenmappe lag, standen an den Winden und ein Tischchen mit blauer Decke zierte farbig den Raum.

Durch die Bogenöffnungen aber sah man hinaus in den glühenden Kreis, der ringsum von umgestürzten, verbogenen, durchglühten, halbverschmolzenen Heizkörpern umsäumt war, während die Arena von einem tollen Gewirr ver­krümmter und verbogener Eisenstangen und Drähten an jene Stunden erinnerte, in der das in langen Jahren Erdachte und Geschaffene sich in ein sinnloses Chaos verwandelte.

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Ein Interview bei Dr. Steiner.

[Siehe Teil II. s. 59]

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,,Basler Nachrichten», 2. Januar 1923

Das Goetheanum niedergebrannt

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- L Das «Goetheanum» in Dornach-Arlesheim steht in Flammen, lautete die schreckliche Alarmnachricht, die am Altjahrabend, kurz bevor die Glocken in feierlichem Geläute ertönten, wie ein Lauffeuer durch Basel flog. Ein trostlos entsetzlicher Neujahrsgruß für die große begeisterte Geistesgemeinde in Dorn-ach. Was jahrzehntelanger Fleiß zustande gebracht, was eigenartige schöpferische Kunst an Großem geschaffen, legte eine einzige Stunde in Asche und Trümmer.

Dort, wo sich die Sonne im weithinragenden Kuppelbat in tausend Lichtern gebrochen, den Spaziergängern ein Zeichen unentwegten mutigen Schaffens ent­gegenwerfend, ragen jetzt trostlos öde Gerippe, verkohlte Säulenleiber und phan­tastisch gebogene Eisenträger. Schwefelgelbe Flämmchen huschen über die Dach­schieferreste, und einsam wie in früheren Zeiten ragt die Eremitage. Ein Wahrzei­chen des Birsecks ist verschwunden. Viele Gegner zählte Dr. Steiners Geisteswis­senschaft, aber auch diese werden sicherlich ausnahmslos den großen Schmerz mitfühlen.

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Vor dem Brand.

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Am Silvester nachmittags um 5 Uhr sowie abends um 7 Uhr hatten im Goethea­num eine Eurythmievorstellung und ein Vortrag von Dr. Steiner vor Mitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft und den zu Steiners Neujahrsvortragszy­klus herbeigeeilten Naturwissenschaftlern und Medizinern stattgefunden. Drei­viertel vor zehn Uhr hatten die letzten Zuhörer den Vortragssaal verlassen.

Wie erinnerlich, wurde im September 1913 mit dem jetzt abgebrannten Bau begonnen, die Werkstätten errichtet und die Fundamente gelegt. Während des Krieges gab es einen merklichen Stillstand, aber immer wurde von den Mitgliedern an dem von Dr. Steiner entworfenen Gebäude oder an dessen Ausstattung weiter gearbeitet. 1915 erfolgte die Errichtung der vom Tempel isolierten Zentralhei­zungsanlage, die in ihrem fertigen Zustande sämtliche Häuser des Areals speisen konnte. 1918 waren die Arbeiten soweit vorgeschritten, daß die Innengerüste entfernt werden konnten. 1920 wurden die ersten Hochschulkurse abgehalten, und an Ostern 1921 konnte das «Goetheanum» feierlich eröffnet werden. Im vergangenen Jahr waren die von Mitgliedern ausgeführten Dekorationen so weit gefördert, daß man das Kolossalwerk als beendigt ansehen konnte. Und das Jahr war noch nicht zu Ende, so war die ganze Schöpfung wieder zu nichts geworden; vollständig in Asche liegt der gewaltige Holzkuppelbau.

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Der Brandausbruch.

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Über den Brandausbruch lassen wir authentische Zeugen berichten, die vom Moment des Feueralarms an mitgeholfen haben, den Brand einzudämmen. Kurz vor 10 Uhr hatten die letzten Besucher des Steinerschen Vortrages den Bau verlassen, als bald darauf der patrouillierende Wächter im sogenannten «weißen

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Saal» (der im Südflügel des Baus über dem Vortragssaal gelegen ist) Rauch roch. Sofort wurde die Weckerlinie der «Goetheanum»-Feuerwehr in Tätigkeit gesetzt, worauf in kürzester Zeit die als Feuerwehr organisierten Anthroposophen-Mit-glieder im gefährdeten Bau erschienen. Unterdessen hatten die beiden ständigen Wächter eifrig nach dem Brandherd gesucht, doch vorerst vergeblich, in keinem der Südflügelräume war Feuer zu bemerken. Da der Rauch aus der Außenwand in ein Eckzimmer der Südfront drang, wurde schließlich die Wand eingeschlagen, und da zeigte sich denn, daß die Konstruktion im Innern der Außenwand brennen mußte; von Feuer selbst sah man allerdings auch hier noch nichts. Die Minimazap­parate wurden durch die Hydranten der «Goetheanum»-Feuerwehr abgelöst, gerade noch rechtzeitig genug, um die halb ohnmächtigen Wächter zu retten. Im allgemeinen Trubel waren nämlich die Gasmasken nicht gefunden worden.

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Der Feueralarm.

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Sogleich, nachdem der Ernst der Situation klar lag, wurden die telephonischen Hilferufe in die umliegenden Dörfer und nach Basel entsandt! Die Sturmglocken vermischten sich schauerlich mit dem Neujahrsgeläute, die Feuerhörner gellten, und in ununterbrochenem Klingeln raste das Telephon. Naturgemäß verzögerte sich die Marschbereitschaft der Feuerwehren, da die meisten Mitglieder zuhause oder auswärts Silvester feierten. In Anbetracht dieses erschwerenden Umstandes jedoch kann das relativ rasche Einschreiten derselben nicht hoch genug einge­schätzt werden. Als erste waren die Dornacher um 11 ¼ Uhr zur Stelle, ihnen folgten eine Viertelstunde später die Arlesheimer und 11 Uhr 45 diejenigen von Münchenstein.

Die ständige Feuerwache von Basel war einige Minuten vor 11 Uhr alarmiert worden. Sofort machte sich Oberleutnant Groschupf mit 3 Mann und Rauchmas­ken in einem Auto auf den Weg, 11 Uhr 20 gefolgt von der mit 9 Mann bewehrten Dampfspritze.

Unterdessen war auch in Basel der Brand bekannt geworden. Eben als die Glocken das alte Jahr zu Ende und das neue einläuteten, sah man über dem St. Albanquartier eine goldgelbe Helle. Mitten über die Stadt, inmitten des dunk­len Himmels, strich geisterhaft eine rote Feuerwolke. «Das muß ein großes Neujahrsfeuer sein», hörte man hie und da die Leute sich äußern, bald aber wurde der wahre Grund offenbar, und in allen nur möglichen Vehikeln, auf Velos und Motorrädern, in Autos und in Droschken und sogar zu Fuß begann die hastige Wanderung nach Dornach. Inzwischen war auch die Rotkreuzkolonne aufgebo­ten worden, die ebenfalls per Auto zur Unglückstelle fuhr.

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Der Brand.

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Inzwischen hatte sich jedoch trotz den übermenschlichen Anstrengungen der vereinigten privaten und staatlichen Feuerwehren das Feuer unwiderstehlich aus­gebreitet. Von innen und außen, von allen vier Seiten suchte man den Brandherd zu bekämpfen. Äußerst hinderlich war vor allem (was besonders infolge der

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ungenügenden Rauchmaskenausrüstung zutage trat) die enorme Rauchentwick­lung. Das Feuer war mit gewaltiger Schnelligkeit im Innern der Wand gegen die Verbindungsstelle der beiden Kuppeln durchgestoßen, zur Stelle, wo der Vorhang hing, der beide Kuppeln trennt. Die 3 großen Doppelhydranten (leider war die Basler Dampfspritze im Dreck des steilen Dornacherberges steckengeblieben) vermochten nicht zu verhindern, daß der Brand über die innere Kuppel hinweg-griff und um die Mitternachtsstunde durch das in die Hauptkuppel geschlagene Loch herausschoß.

Damit war das Schicksal des Baus besiegelt; denn durch den Mittelgang, den sich das Feuer gefressen hatte, barst das Ganze in zwei Hälften auseinander. Gerade noch rechtzeitig genug waren die letzten Feuerwehrmannen von der Kuppel heruntergestiegen, und es ist fast wie ein Wunder, wie ein Glück im Unglück anzusehen, daß kein Menschenleben zu beklagen ist.

Es war ein unvergleichliches Schauspiel von erhebender Majestät, als zischend und prasselnd die gewaltige Feuerlohe in die Neujahrsnacht hinauszischte. In magische Glut war mit einemmal die ganze Umgebung gehüllt. Züngelnder Feuer-schein lief über die in der Nähe befindlichen Häuser, und glühende Fensteraugen warfen das Reflexlicht auf die hastenden, ohnmächtig hantierenden Menschenkin­der. Die nahen Bäume des Dornacher Waldes warfen gigantische Schatten, und stolz und erhaben lauschten, rosig angehaucht, die Eremitage, Reichenstein und die gewaltigen Ruinen Dornecks.

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Die weiteren Löscharbeiten.

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konnten sich, als mit orkanartigem Gedonner die Kuppeln in sich zusammen­stürzten, nur noch auf die Rettung der Nebengebäulichkeiten beschränken. Ge­waltige Feuerfunkenbouquets zwischten unheildrohend durch die Luft; es ist deshalb wiederum von Glück zu reden, daß es gelang, die in nächster Nähe befindlichen Holzgebäulichkeiten (Ateliers, Schreinerei, Holzlagerhäuser und den provisorischen Vorstellungssaal) zu retten. Zahlreiche hilfsbereite Hände brachten, ungeachtet des vereinzelten rüpelhaften Benehmens einiger angetrunke­ner Silvesterbummler, die zahlreichen wertvollen Gegenstände dieser Gebäude und der zuerst dahin geretteten Mobiliarstücke des Tempels in Sicherheit. Die ganze Nacht hindurch stand der Bau in hellen Flammen. Am längsten hielten sich die großen Säulen, die noch bis gegen 7 Uhr morgens aufrecht standen, und das Westportal, das am Montag noch völlig intakt war.

Eine trostlose Trümmerstätte bot sich am Neujahr den Tausenden und Aber-tausenden von Neugierigen, die aus der ganzen Umgebung, vor allem auch aus Basel, zur Brandstätte geeilt waren. Schon von halb sechs Uhr morgens an suchte die Birseckbahn mit zahlreichen Extratrams, jeder mindestens mit drei bis vier Anhängern, den gewaltigen Menschenstrom zu bewältigen. Zu Roß und auf Breaks strömte neben den zahlreichen Fußgängern die Landbevölkerung herbei, und am Dornacherberg war eine Wagenburg von Autos und Wagen aufgefahren, die selbst von der gewaltigen improvisierten Velogarage kaum in den Schatten

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gestellt wurde. Jetzt eigentlich erst konnte man die Tragweite der Katastrophe einigermaßen abschätzen. Abgedeckt und ausgebrannt stand der weiße, massive Betonunterbau, noch einige unversehrte gelbe Türen und Fensterrahmen, sogar Fensterscheiben schauten friedlich in den prächtigen Neujahrsmorgen hinaus. Durch die Eingänge trat man in den unversehrt gebliebenen Vorbau, wohl lagen einige zertrümmerte Minimaxapparate, verkohlte Holzteile umher, sonst jedoch war alles intakt, sogar die Telephonzentrale. Im Innern jedoch gähnte die schreck­liche, ausgebrannte Leere. Der Brandherd dürfte noch einige Tage weitermotten.

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Die Brandursache.

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Über die Brandursache kann vorläufig nur das gesagt werden, daß die Annahme eines Kurzschlusses nicht möglich ist; denn die Lichter brannten auch dann noch, als bereits Feuer festgestellt worden war. Die Sicherungen waren intakt, wie festgestellt wurde. Obendrein waren die Leitungen in feuersichere Stahlpanzer­rohre eingekleidet, die nicht gelitten haben; zudem befanden sich an der Feueraus-bruchstelle gar keine elektrischen Anlagen. Ebenso ausgeschlossen ist, daß der Brand auf die Zentralheizungs-Anlage zurückzuführen ist; denn bei Warmwas­ser- und Luftheizung ist Feuersgefahr ausgeschlossen, besonders in diesem Falle, wo die Heizungsanlage ganz separat angelegt war und auch diese völlig unversehrt weiter funktionierte.

Eine auffallende Erscheinung dagegen ist, daß in dem offengelassenen Zimmer, in dessen Wand das Feuer zuerst entdeckt wurde, eine dasselbe benützende Dame etwa um 7 Uhr den Spiegel, der ganz in der Nähe der späteren Feuerstelle hing, heruntergeworfen und zerschlagen fand. Wegen Reparaturarbeiten befand sich an der Stelle, wo das Feuer zuerst gesehen wurde, ein Gerüst, so daß man leicht dorthin gelangen konnte.

Diese angeführten Tatsachen weisen auf

Brandstiftung

von außen hin. Dieser Verdacht wurde von vielen Personen aus der Umgebung des «Goetheanum» (Dornach-Arlesheim) ausgesprochen.

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Der Schaden.

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Auch der Schaden kann vorläufig bloß approximativ geschätzt werden. Die Bau­kosten dürften sich annähernd auf sieben Millionen Franken belaufen haben. Seit Oktober1913 bis 31. Dezember 1921 sind allein an Schweizerfirmen, die Regiear­beiten im Bau ausführen, 4,3 Mill. Fr. ausbezahlt worden. Dazu kommen noch die Ausgaben für die seitherigen Unkosten im Betrage von 1,7 Mill. Fr. Im weiteren sind noch mitzurechnen die meist von eigenen Mitgliedern kostenlos ausgeführten künstlerischen Arbeiten, die wunderbaren Glasmalereien und Holzschnitzereien, die gleichfalls mit mindestens einer Million veranschlagt werden dürfen. Von all dem ist leider fast nichts gerettet worden, bloß Kleinigkeiten von Mobiliarstücken wie Teppiche und Harmoniums.

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Versichert war das «Goetheanum» bei der Solothurnischen Gebäudeassekur­ranz für 3 Mill. 800000 Fr., davon entfallen 2900000 Fr. auf den hölzernen Oberbau und 900000 Fr. auf den Betonunterbau.

Das überaus wertvolle Mobiliar war bei der «Helvetia», Schweizerische Feuer­versicherungs-Gesellschaft in St. Gallen, versichert, und zwar für 500000 Franken für Bühneneinrichtungen, Dekorationen, Kulissen, Spielergarderoben sowie für sonstige Requisiten wie Orgeln, Harmoniums, sonstige Musikinstrumente und Teppiche. Wie viel diese Versicherungsanstalten auszahlen werden, ist noch nicht bekannt. Wenn wir auch eine Million für den unversehrten Betonbau einsetzen, so sind die eigentlichen Wiederaufbaukosten mit diesen Summen bei weitem nicht gedeckt.

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Die Frage des Wiederaufbaus.

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Unentwegt arbeiten Dr. Steiner und seine Anhänger weiter. Schon am Neujahr setzten sie ihre Zusammenkünfte im provisorischen Vortragssaale fort. Alle aber sind, wenn auch momentan deprimiert, doch festen Willens, das in Asche Gefal­lene wieder aufzurichten. Natürlich wird es nicht möglich sein, den Bau in der früheren Ausgestaltung wieder herzurichten. Die meisten Mitglieder sowie die Unterstützungsquellen stammen aus valutaschwachen Ländern; es wird deshalb hauptsächlich davon abhängen, wie große Mittel flüssig gemacht werden können. Sicher ist nur eins, daß der neue Bau in einfacherer Konstruktion und nicht mehr aus Holz wird erstehen.

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»Basler Nachrichten», 4.Januar 1923

Zum Brand des Goetheanums

Ein Vermißter

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- 1. Wie erst seit Mittwoch feststeht, wird seit dem Brand im «Goetheanum» ein Mann vermißt. Es ist dies ein gewisser Uhrmacher Ott. Geboren 1895, ledig; heimatberechtigt in Bischofszell (Thurgau), wohnte er in Arlesheim und war ebenfalls Anhänger der Anthroposophenbewegung. Er war am Silvester um 11 Uhr 30 noch von einem Feuerwehrmann gesehen worden, wie er von einem Portal zum andern ging. Seither weiß man nichts Definitives mehr von ihm.

Dagegen gehen die wildesten Gerüchte um, die aber nur mit der größten Vorsicht aufgenommen werden dürfen. Während die einen nur annehmen, Ott sei bei den Löscharbeiten verunglückt und verbrannt, behaupten andere wiederum, er habe nachgewiesenermaßen in finanziell sehr gedrückten Verhältnissen gelebt. Er soll nun - wie man in Arlesheim-Dornach herum erzählt - die Anthroposo­phen um ein Darlehen angegangen haben, sei jedoch immer vertröstet und schließ­lich auf Silvester, nach Schluß des Steinerschen Vortrages bestellt worden.

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Wie uns an maßgebender Stelle mitgeteilt wurde, hatte Ott im übrigen einen guten Leumund; der junge Uhrmacher war vor allem kein Trinker, was beson­ders gegenüber den Gerüchten festgestellt sei, die behaupten, Ott sei betrunken gewesen.

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Das Gericht an der Arbeit.

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Am Mittwoch Nachmittag wurden die von Oberamtmann Haberthür, Breiten-bach, abgeschlossenen Administrativuntersuchungen (als Zeugen wurden bis jetzt bloß Anthroposophenmitglieder einvernommen) dem Gericht Dornach (Präsi­dent Haberthür) überwiesen. Bis jetzt ist die Brandursache noch nicht abgeklärt.

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Auf der Brandstätte.

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Der Brand konnte durch die tagelange Arbeit endlich gelöscht werden. Immerhin rauchen und schwelen die angekohlten Säulenreste weiter. Die Anthroposophen bewachen die Brandstelle, die Schreinerei und die in der Nähe befindlichen Villen. Die Aufräumungsarheiten sind von der Untersuchungskommission vorläufig ver­boten worden, dagegen wurden von dieser Instanz die strengsten Absperrungs-maßnahmen getroffen.

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Verhaftungen,

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hieß es, seien sieben vorgenommen worden. Wie wir jedoch an zuständiger Stelle vernahmen, bestätigt sich dieses Gerücht nicht. Von den Dorfbewohnern aus Arlesheim-Dornach ist außer Anthroposophenmitgliedern noch niemand einver­nommen worden. Dies geschieht erst in den nächsten Tagen von der Gerichtsstelle Dornach aus.

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«Basler Nachrichten», 5.Januar 1923

Zum Brand im Goetheanum

Ott in Verdacht als Brandstifter oder Mitwisser

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- 1. Der vermißte Ott (siehe «B. N.» Nr.5) wird von der Polizei verfolgt, erstens weil man als fast sicher ausschließen kann, daß er während des Brandes umgekom­men ist; denn die einzigen Personen, die durch gewaltige Rauchentwicklung, durch Feuer oder herabstürzende Trümmer gefährdet wurden, waren die in der ersten Brandphase von 10 1/4 bis 12 Uhr mithelfenden privaten oder staatlichen Löschmannschaften, wie zum Beispiel der Feuerwehrmann Schleutermann, der bei den ersten Löschversuchen in schwere Ohnmacht fiel. Nun ist aber Ott nachweisbar nach 12 Uhr von verschiedenen Personen noch auf der Brandstätte gesehen worden, wo er unter anderm Anthroposophen-Mitgliedern die Hand gab. Ein Mensch konnte - wie dies auch die Ansicht Dr. Steiners ist, den wir in dieser und anderen Sachen zu interviewen Gelegenheit hatten - bei dieser Kata­strophe nur umkommen, wenn er gewillt war, sich das Leben zu nehmen.

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Nach Ausschaltung dieser Möglichkeit und nachdem alle Anzeichen darauf hinweisen, daß Ott geflüchtet ist, und zwar, wie es heißt, über die Grenze, war es gegeben, Ott, dessen Verschwinden höchst merkwürdig ist, nachzuforschen und ihn zu verfolgen, da die bis jetzt einvernommenen Zeugen schwerwiegende Ver­dachtsgründe gegen ihn eröffnet haben, während nach anderen Richtungen hin absolut kein Verdacht vorliegt.

Nachdem durch Zeugen und Ezpertisen unzweideutig festgestellt worden ist, daß weder Kurzschluß noch maschinelle Leitungsdefekte den Brand verschuldet haben können, ist mit fast ziemlicher Sicherheit anzunehmen, daß

böswillige Brandstiftung

vorliegt. Auch die amtliche Untersuchung scheint nun zu dieser von Dr. Steiner bereits am Brandtag behaupteten Annahme gekommen zu sein. Nach ihm, der sich doch wohl in der Konstruktion des Baues am besten auskennen wird, muß der Brand in der Zeit von 5-7 Uhr abends gelegt worden sein. Denn: Der Rauch wurde etwas nach 10 Uhr zuerst im sogenannten «weißen Saal» in der dritten Etage bemerkt. Die hier sowie im zweiten Stock nach Feuer angestellten Untersu­chungen blieben erfolglos, erst als im Parterrezimmer der Südseite ein Loch in die Konstruktion geschlagen wurde, brandeten die Flammen den Wächtern entgegen. Das Feuer mußte also, da es sich in den dritten Stock hinaufarbeiten konnte, schon etliche Stunden vor 10 Uhr gelegt worden sein. In diesem Zimmer fand etwa um 6 oder 6 1/2 Uhr eine Dame, die sich hier umzukleiden pflegte, den vorher an der Wand hängenden Spiegel auf dem Boden zerschlagen vor. Diese Dame wirkte im Eurythmie-Weihnachtsspiel mit und kam nach dem Prolog im Himmel (da ihre Rolle damit beendet war), sich in besagtem Zimmer umzukleiden. Wegen Repara­turarbeiten war, wie unsere Leser ebenfalls bereits wissen, eine Leiter außerhalb des Zimmers aufgestellt, so daß es für einen Täter äußerst leicht war, von außen an den Brandherd zu gelangen. Durch Schläge von außen, zur Legung des Feuers, kann auch das Herunterfallen des Spiegels leicht erklärt werden.

Diese Stelle soll die einzige des ganzen Baues gewesen sein, wo infolge der früher beschriebenen Konstruktion die Lokalisierung eines Brandes unmöglich war. Der Täter muß deshalb mit der Konstruktion und den vorliegenden Verhält­nissen äußerst vertraut sowie ein guter Mechaniker sein.

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Weshalb Ott im Verdacht steht,

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entweder der Täter oder Mitwisser zu sein, und weshalb seine Eingreifung sicher­lich etwas zu Tage fördern wird, beruht auf folgenden Zeugenaussagen:

Ott wurde seit der Brandnacht vermißt. Die Administration des Verlags am Goetheanum forschte am Dienstag Abend, als Ott, der als Aquisiteur für die «Anthroposophen»-Zeitung tätig war, sich nicht mehr eingestellt hatte, bei Otts Vater nach dessen Verbleib. Die hier erhaltene Auskunft lautete, er sei seit dem Brande nicht mehr nach Hause gekommen, was aber nicht aufgefallen war, da Ott öfters die Gewohnheit hatte, auswärts bei einer bekannten Familie zu über­nachten.

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Ott war seit Juli 1922 Mitglied der Anthroposophen. Er war aber, außer bei der Administration der Anthroposophen-Zeitschrift, nur wenig bekannt. Dr. Steiner selbst kannte ihn nicht und hörte erst nachträglich, daß dieser bei der bekannten «Einbürgerungskampagne» in Dornach-Arlesheim für Steiner Unterschriften ge­sammelt und damit sehr renommiert habe.

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Ott in finanziell prekärer Lage

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Ott hatte dem Administrator erzählt, seine Uhrmacherwerkstätte gehe schlecht, er müsse, wenn er keinen andern Verdienst bekomme, an einen andern Ort ziehen. Auf Otts Jeremiaden hin stellte ihn jener als Aquisiteur an und konnte ihm, da er ziemlich Erfolg hatte, anfangs Dezember 30 Fr. als zehnprozentige Provision ausbezahlen. Donnerstag vor dem Brand wurde Ott bei der gleichen Person vorstellig. Er habe zu Hause «Krach» (auch von anderer Seite bestätigt), weil er bei den Anthroposophen sei, zudem müsse er 2000 Fr. haben, um einen Laden an zentraler Stelle Arlesheims einrichten zu können. Der Administrator versprach, die Sache zu prüfen, bestellte ihn, als er Freitags nochmals vorsprach, auf Samstag nach dem Mittagessen, mußte da jedoch erklären, daß es ihm unmöglich sei, 2000 Fr. vorzuschießen. Dies sind die Tatsachen betr. Darlehensgesuch, das von Ott privat beim Administrator und nicht bei der Anthroposophen-Gesellschaft als solcher gestellt wurde.

Dr. Steiner, den wir auch betreffend Ott befragten, erachtet die Affäre für noch nicht mitteilungireif, da es noch vieles abzuklären und zu untersuchen gibt. Er selbst spricht in keiner Weise einen Verdacht gegen Ott aus. Sicher ist nur, daß Ott verschwunden ist. Außer der bereits von Dr. Steiner widerlegten Möglichkeit, daß Ott im Feuer umgekommen ist, gibt es für ihn noch zwei weitere Möglichkeiten:

Entweder hatte Ott ein schlechtes Gewissen, oder er wurde durch Geld von einer anderen Person, der sein Verschwinden am Herzen lag, wegspediert.

- Für diese letzte Anschauung sprechen zwei Zeugenaussagen, die angeben, Ott habe die

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Warnung ausgesprochen,

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die Leitung des Goetheanums solle sich nur hüten, es werde in nächster Zeit da oben schon einmal eine Bombe platzen. Falls

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Ott selbst der Täter

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wäre, hätte er sich ein glänzendes Alibi aufgebaut. Ott wurde gesehen: um 5 Uhr bei Eröffnung der Eurythmievorstellung In der Zeit von 61/2 bis 11 Uhr ist sein Erscheinen zu Hause, in Arlesheim oder Dornach, in nervösem Zustande aller­dings, nachweisbar festzustellen. Nach 12 Uhr war er, wie schon bemerkt, auf der Brandstätte gesehen worden. Es fehlt zwar ausgerechnet gerade die Auskunft über die Zeit, die nach Dr. Steiners Theorie die der Brandlegung ist: von 51/4 Uhr bis 6 Uhr 20.

Die weitere Untersuchung wird hoffentlich in diese mysteriöse Geschichte Aufklärung bringen.

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«Basler Nachrichten», 11. Januar 1923

Zur Untersuchung

über den Goetheanum-Brand

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-1. Dornach, 11. Jan. (Privattel.) Bei den Aufräumungsarbeiten im abgebrannten Goetheanum, die anfangs dieser Woche begonnen hatten, machten die Arbeiter am Mittwoch eine Entdeckung, die mit einem Schlag in die bisherige amtliche Untersuchung ein neues Moment hineinbringt. Am Mittwoch Morgen 1/4 vor 12 Uhr stießen einige Arbeiter im Bühnenuntergeschoß auf der Ostseite des ehemali­gen Tempels unter der kleinen Kuppel, und zwar gerade an der Stelle, wo am 21. Sept. 1913 der Grundstein gelegt worden war, auf Knochen. Die Leitung berichtete, nachdem sie alle Sicherheitsmaßregeln getroffen hatte, natürlich sofort an die amtliche Stelle, die mit der Untersuchung beauftragt war, an das Richteramt Dorneck-Thierstein. Alsbald waren der Gerichtspräsident, der Polizeiwachtmei­ster und kurz darauf auch der Gerichtsarzt zur Stelle. Es ergab sich, daß es sich um Menschenknochen handelte. Nach photographischer Aufnahme der vorgefunde­nen Knochenreste wurden sie gesammelt und zur gerichtsärztlichen Untersuchung ins Spital nach Dornach verbracht. Die Knochenreste sind durch das Feuer äußerst deformiert, zersplittert und andrerseits zusammengebacken worden. Die meisten sind nicht größer als ein Fünfliber und gehören allen Körperteilen an. Relativ am besten erhalten sind Huft, Wirbelsäule und Kieferstücke, an denen noch ver­branntes Muskelfleisch hängt. Auch einige Zähne sind noch gefunden worden. Sehr wesentlich ist, daß auf einer noch stehenden, die Fundamente um ein bedeu­tendes überragenden Wand ebenfalls Knochenreste gefunden wurden, zudem noch mit Siegellack bedeckt, was beweist, daß der Verunglückte nicht an der Fundstelle verbrannt sein kann, sondern beim Einsturz des Gebäudes von der Bühne oder von der kleinen Kuppel heruntergefallen sein muß. Unwillkürlich drängt sich natürlich die Vermutung auf, daß der Leichnam derjenige des vermiß­ten Ott ist. Vollständige Aufklärung wird aber erst die gerichtsärztliche Untersu­chung bringen, besonders in bezug auf die vorgefundene Wirbelsäule, da, wie erinnerlich, Ott einen Buckel hatte. Leider sind bis jetzt außer einem Hosenknopf keine Bekleidungsgegenstände gefunden worden.

Der Vermutung gegenüber, daß Ott verbrannt sei, stehen die Zeugenaussagen, die Ott am Tage nach dem Brand gesehen haben wollen. Aber es wird sich damit verhalten, wie mit der Vorführung vor zwanzig Juristen, wobei nachher bloß drei den Vorgang richtig wiedergeben konnten. Anderseits ist auch nicht ausgeschlos­sen (wenn auch unwahrscheinlich), daß beim Brand auch ein weiterer Besucher der Euiythmievorstellung, da die Anthroposophen oft sehr zahlreiche Kursteil-nehmer nicht kennen, verunglückt ist.

Im übrigen beschäftigt der Brand im Goetheanum die Gemüter noch in anderer Richtung sehr stark. Wie unsere Leser wissen, beträgt die amtliche Ab­schätzung des Schadens 3 I 80000 Fr. Die Gebäudebrandversicherungs anstalt des Kantons Solothurn muß daran 900000 Fr. leisten, der Rest ist durch Rückversiche­rung

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gedeckt. Durch diese Brandkatastrophe fällt nun vor allem die geplante Prämienreduktion dahin. Doch dürfte anderseits eine Erhöhung ebenfalls vermie­den werden. Das Geschäftsjahr 1922 war für die Gebäudebrandversicherung ein außerst günstiges, denn ohne den Goetheanumbrand hätte ein Überschuß von rund 300000 Fr. in die Reserven eingelegt werden können. Nun aber erleidet das Vermögen der staatlichen Gesellschaft <3,5 Millionen) eine Einbuße von 600000 Fr. Dem Großen Rat des Kantons Solothurn ist im Anschluß an diesen Vorgang ein Antrag betr. Revision des Gebäudeversicherungsgesetzes unterbreitet worden. Danach sollen die gesetzlichen Grundlagen ausgedehnt werden, um in Zukunft die staatliche Anstalt vor solchen Katastrophen zu schützen. Diese Revision soll sich vor allem in der Richtung einer restlosen Risikodeckung außergewöhnlicher Versicherungsobjekte gegenüber bewegen, und zwar soll der Staat gewisse Ob­jekte von der Versicherung ganz ausschließen können und anderseits durch noch stärkere Rückversicherung ein Risikomimmum schaffen.

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«Basler Nachrichten», 12. Januar 1923

Zur Untersuchung

uber den Goetheanum-Brand

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In unserem telephonischen Bericht über den Knochenfund auf der Trümmerstätte des Goetheanums hat sich leider ein bedauerlicher Hörfehler - den aber unsere Leser sicher bereits richtig gestellt haben werden - eingeschlichen. Die gefunde­nen Knochenreste waren nicht mit Siegellack, sondern mit Schieferresten beinahe völlig zugedeckt, die von der Bedachung der Kuppel stammen. Der Verunglückte muß wohl in der Zeit von 12 bis I Uhr unter der zusammenbrechenden Kuppel in das Bühnenuntergeschoß hinuntergestürzt sein. Obgleich schon um 1/2 12 Uhr alle Löschmannschaften angesichts des gefährdeten und nicht mehr zu rettenden Baus zurückgezogen worden sind, ist es leicht möglich, daß infolge des dichten Rauches eine vielleicht schon betäubte Person nicht bemerkt worden war.

Wie bereits betont, wird es trotz diesen Funden äußerst schwer halten, genau festzustellen, wer die verunglückte Person war, da die Knochenreste der einzelnen Körperteile so minim und deformiert sind, daß ein einigermaßen lückenloses Zusammensetzen kaum mehr möglich sein wird. Am meisten Anhaltspunkte dürften die Wirbelsäule- und Zahnreste in der Hinsicht bieten, als es gilt, nachzu­weisen, ob der vermißte Ott im Brande umgekommen ist. Der etwa i m 50 große Jakob Ott hatte nämlich infolge eines Unfalls eine Rückgratverkrümmung. Über Otis Gebiß bezeugen Verwandte und Bekannte - unter anderem auch ein Coif­feur, der Ott bei einer Theateraufführung einen Zahn wegschminken mußte-, daß die Backenzähne äußerst stark und die Schaufeln fast anormal breit gewesen sind.

Der Brandplatz selbst liegt in friedlicher Ruhe. Einsam ragt das alleinstehende Kamin in die Winterlandschaft hinaus. Weiche Schneeflocken haben die schwarzen

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Eisengerippe und die verkohlten Trümmer überdeckt. Im übrig gebliebenen Unterbau sind die hellgelben Tore geschlossen, Nottüren versperren die übrigen Eingänge, leer lugen die kahlen Fenster. Große Stille herrscht überall, und nur an einem stets wachsenden, in der obern Partie schwarzen Schutthügel merkt der Hinzukommende, daß hier gearbeitet wird. Erst aber von der Plattform vor der Schreinerei herunter sehen wir die still und methodisch schaffenden Leute. Wer weiß, was ihre Mühen noch alles zutage fördern wird?

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«Neue Zürcher Nachrichten», 13.Januar 1923

Ein wichtiger Fund bei den Aufräumungsarbeiten am «Goetheanum».

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Dornach, 11. Jan. ag. In den Trümmern des abgebrannten Goetheanums wurden am Mittwoch menschliche Knochenüberreste aufgefunden. Es steht noch nicht fest, ob es sich um den vermißten Uhrenmacher Ott handelt. - Die wichtige Feststellung, die auf ärztlichen Aussagen basiert, wird weitere eingehende Unter­suchungen im Gefolge haben, die sich hauptsächlich um die Frage drehen werden, ob die Knochen von dem vermißten Uhrmacher Ott stammen. Die Nachfor­schung wird sich auch auf das allfällige Vorhandensein anderer nicht verbrannter Überreste Otts ausdehnen müssen. Einem Basler Blatt werden dazu von einem Augenzeugen folgende Einzelheiten berichtet: Seit Dienstag sind die Aufräu­mungsarbeiten unter polizeilicher Aufsicht im Gange. Sämtliche Taglöhner, die an den verschiedenen Bauten der Anthroposophen beschäftigt waren, im ganzen gegen 50 Mann, wurden von den übrigen Bauten nach der Brandstätte abkomman­diert, um die Räumungsarbeiten zu beschleunigen. Kurz vor Mittag glaubten zwei Anthroposophen, Pfeiffer und Bollinger, in einem Gang auf der Ostseite der Tempelruinen auf ein Stück Holz zu stoßen und entdeckten mit Schrecken, daß es die Überreste einer menschlichen Leiche waren. Im Beisein der Staatsanwalt­schaft, des Gerichtspräsidenten, des Gerichtsarztes Dr. Hertenstein, Dr. Steiners und des Bauleiters des Goetheanums, Eisenpreis [Aisenpreis], wurde die unbe­rührte Leiche von verschiedenen Seiten photographiert und dann die Knochen-teile einzeln ans Tageslicht gezogen und auf einem Tisch im Freien ausgebreitet. Es handelt sich um die Gebeine einer einzelnen Person, die vermutlich vom Boden des Kuppelbaues in die Tiefe des Kellerraums gestürzt ist. Der Schädel war zertrümmert, aber die einzelnen Teile ließen auch für Laien erkennen, daß es sich um menschliche Gebeine handelt. An den Backenltnochen hingen noch Fleisch-teile. Nach der ersten Inspektion und photographischen Aufnahme wurden die Überreste sorgfältig eingepackt und zu weiteren Nachforschungen ins Dornacher Spital geschafft. Da außer dem Uhrmacher Ott seit der verhängnisvollen Nacht niemand vermißt worden ist, drängt sich natürlich der Gedanke auf, daß nur seine Person in Frage kommt. Für die forensische Medizin muß es keine allzu schwere Aufgabe sein, anhand weiterer Überreste, Metallbestandteilen von Schuhen und

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anderen Kleidungsstücken, namentlich aber anhand der erhaltenen Rückenwirbel festzustellen, ob die nächstliegendste Vermutung auch die richtige ist. Schwieriger wird es schon sein, die tragischen Einzelheiten, die zum Verlust eines jungen Menschenlebens geführt haben, aufzudecken.

Basel, 12. Jan. * Die weitere Untersuchung hat, wie den «B. N.» gemeldet wird, festgestellt, daß die gefundenen Knochenreste mit Schieferresten beinahe völlig zugedeckt waren, die von der Bedachung der Kuppel stammen. Der Verunglückte muß wohl in der Zeit 12-1 Uhr unter der zusammenbrechenden Kuppel in das Bühnenuntergeschoß hinuntergestürzt sein. Obgleich schon um 11.30 Uhr alle Löschmannschaften angesichts des gefährdeten und nicht mehr zu rettenden Baus zurückgezogen worden sind, ist es leicht möglich, daß infolge des dichten Rauches eine vielleicht schon betäubte Person nicht bemerkt worden war. Es wird trotz diesen Funden äußerst schwer halten, genau festzustellen, wer die verunglückte Person war, da die Knochenreste der einzelnen Körperteile so minim und defor­miert sind, daß ein einigermaßen lückenloses Zusammensetzen kaum mehr mög­lich sein wird. Am meisten Anhaltspunkte dürften die Wirbelsäule- und Zahnreste in der Hinsicht bieten, als es gilt, nachzuweisen, ob der vermißte Ott im Brande umgekommen ist. Der etwa 1,50 Meter große Jakob Ott hatte nämlich infolge eines Unfalls eine Rückgratkrümmung. Über Otts Gebiß bezeugen Verwandte und Bekannte - unter anderem auch ein Coiffeur, der Ott bei einer Theaterauffüh­rung einen Zahn wegschminken mußte-, daß die Backenzähne äußerst stark und die Schaufeln fast anormal breit gewesen sind.

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«Basler Nachrichten», 14. Januar 1923

Nach dem Brand des Goetheanums

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Dornach, 14. Jan. (Privattel.) Inder Untersuchung und den Aufräumungsarbeiten im Goetheanum ist in den letzten Tagen nur eine direkt wichtige Entdeckung gemacht worden; an der Stelle nämlich, wo die Knochen gefunden worden sind, fand sich auch ein Druckknopf mit kleinen Überresten eines Portemonnaies. Wie Anfragen bei den Eltern Otts ergaben, besaß nun Ott wirklich ein solches Porte­monnaie mit Druckknopfverschluß.

Die ärztlichen Untersuchungen haben bis jetzt noch zu keinem unzweideuti­gen Resultat geführt. Dagegen förderten Materialsichtungen zu einem neuen Fund. In der Schreinerei, oberhalb des Goetheanums, entdeckte man einen Man­tel, den vorläufig niemand als den seinigen erkennen wollte. Während und nach dem Brande waren zahlreichen Anthroposophen-Mitgliedern Bekleidungsstücke weggekommen. Erst als sich von diesen niemand als Eigentümer meldete, wurden auch den Verwandten Otts der Mantel gezeigt, und es stellte sich denn auch heraus, daß er einem Bruder Otts (der in Basel wohnt und arbeitet) gehört. In der

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Brandnacht hatte er ihn seinem nun vermißten Bruder geliehen, da er ohne einen solchen von zu Hause hatte zur Brandstätte weggehen wollen. In den Taschen des Mantels fanden sich Anthroposophen-Kurskarten, ein Kamm und ein Spiegel. Wer nun den Mantel in die Schreinerei gebracht hat, ob ihn Ott selbst hier deponierte oder ob er nachträglich bei der Brandstätte von einer Drittperson gefunden und dort hinauf gebracht worden ist, steht noch nicht fest.

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Zeitung unbekannt

Solothurnische u. bernische Nachbarschaft

Nachträgliches zum Brande des Dornacher Goetheanums

Die gerichtliche Untersuchung - Die Versicherungsfrage

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-o- Solothurn, 14. Februar. Die Untersuchung der Brandursache des Anthroposo­phentempels von Dornach ist dem Vernehmen nach noch immer nicht abgeschlos­sen und wird vermutlich überhaupt nie zu einer vollen Abklärung der teilweise mysteriösen Begleitumstände der Feuersbrunst führen. Die verschiedenen Ske­lettüberreste, die im Schutt aufgefunden worden sind, werden einer genauen gerichtsmedizinischen Begutachtung unterzogen; desgleichen unterliegen natür­lich auch die vorgefundenen Kleiderüberreste und Gebrauchsgegenstände der genauen Prüfung. Bestimmte Angaben über die Ergebnisse dieser Untersuchun­gen sind zurzeit nicht erhältlich, und es bleibt nur zu wünschen, daß die Öffent­lichkeit sofort nach ihrem Abschluß gehörig unterrichtet werde, damit die zahlrei­chen Vermutungen und Gerüchte, die herumgeboten wurden, ins richtige Licht gerückt werden.

Inzwischen beschäftigte sich die Staatswirtschaftskommission zweimal mit dem Brand. Diese Behörde, die die Geschäfte des Kantonsrates vorzubereiten hat, beschloß auf Antrag Redaktor Otto Wallisers, Solothurn (Volkspartei), vom Regierungsrat Bericht und Antrag über eine Revision des Gesetzes über die kantonale Brandversicherung und Feuerpolizei zu verlangen. Der Zweck der Gesetzesänderung ist die Verhütung ähnlicher Schadenersatzleistun gen, wie sie der kantonalen Brandversicherungsanstalt aus der Einäscherung des Dornacher Tempels erwuchsen und worüber seinerzeit hier berichtet worden ist. Ohne Zweifel wird das Plenum des Kantonsrates dem Vorschlag beistimmen. Dem Vernehmen nach beabsichtigen die Anthroposophen den Wiederaufbau des nie­dergebrannten Tempels in Eisenbeton. In der Staatswirtschaftskommission wurde im Hinblick auf diese Möglichkeit verlangt, daß der Regierungsrat die Gemeinde Dornach veranlasse, ein Baureglement zu erlassen, das gewisse Vorschriften feu­erpolizeilicher Vorsorge enthält. Ein Neubau würde kaum mehr in die kantonale Brandversicherungsanstalt aufgenommen, ohne daß die gesetzlichen Bestimmun­gen der Einschätzung solcher Gebäulichkeiten einer Durchsicht unterzogen wor­den waren.

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#Bild s. 794

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II

Dokumente zur Affäre der

deutschen Wochenschrift «Anthroposophie»

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[Der nachfolgende, namentlich nicht gezeichnete und nicht datierte Bericht wurde vermutlich im November 1922 verschickt von Pfarrer Dr. Schweitzer. Ungefähr ein halbes Jahr später kam er zur Kenntnis der Redaktion der deutschen Wochen-schrift «Anthroposophie». Der Redakteur Jürgen von Grone bat Friedrich Rittel-meyer, dazu Stellung zu nehmen. diese Stellungnahme in Nr.42 der «Anthropo­sophie» vom 19. April 1923 folgt anschließend an den Bericht.]

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Bericht über die Konferenz nicht-anthroposophischer Kenner

der Anthroposophie vom Sonntag, den 29., bis Dienstag,

den 31. Oktober1922, in Berlin, Kronenstr. 70

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Der Plan, eine solche Konferenz einzuberufen, bestand schon lange. Bei der Besprechung über apologetische Fragen anläßlich des 40. Kongresses für Innere Mission in München wurde er allerseits freudig begrüßt. Eingeladen wurden rund 60 Personen, darunter auch einige Ausländer, von denen bekannt geworden war, daß sie nicht Anhänger, aber Kenner der Anthroposophie seien. Fast alle Gelade­nen äußerten ihre Zustimmung. Aus äußeren Gründen mußten die letzten Okto­bertage gewählt werden, obwohl verschiedenen der Termin nicht paßte. Es er­schienen im ganzen 35; darunter Dr. Goesch (Lichtenrade), Frau Hasselblatt (Norden-Berlin), Geh. Rat Prof. Holl (Berlin), Pf. Dr. Hoppe (Potsdam), Pf. Prof. D.Jeremias (Leipzig), Stadtpf. Keppler (Heidenheim), Lic. Dr. Kesseler (Berlin), Lic. Leese (Hamburg), Privatdoz. Dr. Leisegang (Leipzig), Prof. Juhus Richter (Berlin), Pf. Dr. Schulz-Sydow, Lic. Dr. Tillich (Berlin), Pf. Violet (Ber-lin), Lic. Dr. Werdermann-Löwenberg. Namentlich Dr. Goesch und Frau Hassel­blatt, welche beide durch die Anthroposophie gründlich hindurchgegangen sind, haben für unsere Konferenz weitvollste Dienste geleistet. Dr. Goeschs Referat ilber die Persönlichkeit Rudolf Steiners wurde für das Gesamtresultat geradezu entscheidend. Um das Resultat gleich vorwegzunehmen: es ist allen Teilnehmern, auch denen, die die verhältnismäßig stärksten Sympathien für die Anthroposophie mitgebracht hatten, zur furchtbaren Klarheit geworden, daß es sich in Steiners Anthroposophie um eine Macht handelt, die man nicht anders als diabolisch nennen kann.

Am Sonntagnachmittag begann Dr. Leisegang (Leipzig) mit seinem Referat über: Das Wesen der anthroposophischen Bewegung, dargestellt auf Grund der Geheimschriften der Anthroposophischen Gesellschaft. Er stellte die Forderung

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auf, daß jeder angebe, wie er mit der Anthroposophie in Berührung gekommen sei. Er selbst ist durch Beschäftigung mit Neuplatonismus und Mystik und im Zusammenhange seiner psychologischen Experimente auf Steiner gestoßen. Nach seiner wissenschaftlichen Überzeugung, die er begründet, hat Steiner nicht aus Originalquellen geschöpft. Die sittliche Frage an Steiner: Hast du Erkenntnisse höherer Welten? ist bisher von anthroposophischer Seite niemals klar bejaht worden. Leisegang verneint sie. Nachdem er sich lange vergebens um die Geheim­schriften, die sogenannten Zyklen, unter anderem auch bei Rittelmeyer zwecks wissenschaftlicher Forschung bemüht hatte, ist ihm vor 1/4 Jahren durch eine bekannte Leipziger Familie, deren Tochter als Anthroposophin geisteskrank ge­worden ist, die Sammlung aller Zyklen zur Verfügung gestellt worden. Die Zahl der Anhänger wäre nicht so groß, wenn alle die Zyklen gelesen hätten beziehungs­weise wenn die Anhänger sie gekannt hätten vor ihrem Eintritt in die Anthroposo­phische Gesellschaft. Die von Leisegang ausgesuchten Proben aus den Zyklen ergeben, verglichen mit den entsprechenden Stellen aus den für die Öffentlichkeit bestimmten Büchern, ein geradezu raffiniertes System von «rhythmischer, regel­mäßiger Beeinflussung der Seele» im Steinerschen Sinne. Nur die Zyklen enthalten den Kern der Anthroposopliie, während Steiner der Öffentlichkeit nur die äußere Schale in einer für sie berechneten Weise darbietet. Die Kenntnis der Zyklen ist nicht nur für die vollständige Beurteilung der Lehre, der Methode und des Charakters Steiners unentbehrlich, sondern sie erklärt wenigstens zum Teil auch die bemerkenswerte Tatsache, daß die Anthroposophen, die einmal in die geistige Abhängigkeit ihres Meisters geraten sind, durch keine noch so überzeugenden Widerlegungen von ihrer Sache abzubringen sind, sondern um so fanatischer für ihren «Doktor» kämpfen, je vernichtender die Angriffe auf ihn sind. Der Anthro­posoph ist ja im Besitz der »geisteswissenschaftlichen Untergründe» und schaut mit Geringschätzung auf die törichten Fachgelehrten herab, die ja nur die Außen­seite sehen und nach dem Willen des Meisters nur sehen sollen. Schon in dem Buche: «Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten» wird die »Devotion» gefordert, aber nicht nur der »Wahrheit und Erkenntnis», sondern auch Personen gegenüber (am angegebenen Ort, S. 4, 1918>. Aus guten Gründen wird zuerst in einer breiten Weise das mitgeteilt, was aus der geistigen Welt an Tatsachen erforscht ist, bevor eingegangen wird auf das, was man nennen kann die «Metho­den der Seelenschulung» (Exkurse in das Gebiet des Markusevangeliums, 1910/11, S. 8 ff.). Die Mitteilung der «Tatsachen aus der geistigen Welt» aber gehört bereits

- was Steiner nicht sagt - zur Methode der Seelenschulung; sie wirkt durch ständige Wiederholung derselben Motive derartig suggestiv, daß sich diese Motive wie Wahnideen im Bewußtsein des zur Kritiklosigkeit verurteilten Anthroposo­phen, ohne daß er es weiß, unausrottbar festsetzen. Muß doch jeder Geheimschü­1er am selben Platz jeden Tag zur selben Stunde dasselbe von Steiner lesen und meditieren. Für Leisegang erklären sich gewisse übersinnliche Traumzustände der Schüler aus den infolge der Schweigepflicht tagsüber verdrängten Vorstellungen, zumal man sich während des Einschlafens genau beobachten muß. Leisegang gab

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dann Auszüge aus den «Psychischen Studien» von 1917 mit verschiedenen Zeug­nissen über sexuelle Magie, unter anderen auch das bekannte von Ruth v. -u:

«Durch alles Vorangegangene war ich so geschwächt, daß alle Voraussetzungen da waren, meinen Körper zu einem Experiment zu benutzen. Während des zweiten Besuches von Herrn und Frau Dr. Steiner küßte ich Frau Dr. Steiner die ganze Zeit in bestimmter Lage beide Hände. Bei diesem Vorgang muß Dr. Steiner mit okkul­ten Kräften in unerlaubter Weise gearbeitet haben. Bei dem dritten Besuch wurde ich veranlaßt, Frau Dr. Steiner in anderer Weise die ganze Zeit beide Hände zu küssen. Auch da muß Dr. Steiner unerlaubt gearbeitet haben. Welche Vorgänge ich daraufhin an meinem Körper, insbesondere Unterkörper, durchmachen mußte, läßt sich mit wenigen Worten nicht wiedergeben. Zum Teil konnte ich mich nur dadurch vor dem schützen, was wie Versuchungen an meinen Unterkör­per herantrat, daß ich laut sang, was mich dafür mit meiner Umwelt in Konflikt brachte. Es läßt sich nicht schildern, welche Qualen, leiblich und seelisch, ich durch das Experiment von Dr. Steiner durchmachen mußte.» Ferner eine Dame, (die) von Steiner - angeblich um einen Heilungsprozeß einzuleiten - geküßt und anderweitig in besonderer Weise berührt worden ist, so daß sich außergewöhnli­che sexuelle Empfindungen eingestellt haben. Widerstrebt es dieser Persönlich­keit, sich hierüber in der Öffentlichkeit des näheren auszulassen, so wäre sie doch bereit, es entweder vor dem Richter oder einem Psychiater zu tun (Hofrat Seiling. Brief an die Redaktion München, den 23.10.1917). Es ist ein «Chaos von Immora­lität», Steiner selbst »ein Werkzeug finsterer X-Kräfte». Auffallend ist, daß die Anthroposophen niemals gerichtlich gegen all diese öffentlichen Beschuldigungen vorgegangen sind. Leisegang kommt dann auch auf die politische Wirksamkeit Steiners zu sprechen, um an ihr vor allem Steiners Persönlichkeit zu beleuchten. Er kommt zu folgendem vernichtenden Resultat: Es ist sinnlos, über anthroposophi­sche Weltanschauung zu diskutieren. Es handelt sich um eine bewußte Irrefüh­rung der öffentlichen Meinung, um banalen Unsinn; Steiner handelt nicht in gutem Glauben. Das Buch: «Vom Lebenswerk Rudolf Steiners» ist «das verlogen­ste Machwerk der Weltliteratur».

Das Leisegangsche Referat löste natürlich bei vielen Hörern Mißstimmung darüber aus, die auch von verschiedenen ausgesprochen wurde, daß das Positive in der Anthroposophie nicht genügend gewürdigt sei, daß die Persönlichkeit Stei­ners, namentlich auch seine politische Haltung, zu stark hereingezogen sei. In diesem Sinne äußerten sich unter anderem Lic. Dr. Kesseler, Pf. Dr. Koehler, der Steiner 30 Jahre lang beobachtet hat und wesentlich günstiger über ihn denkt und ebenso wie Direktor Wilhelm Spiecker von Rittelmeyers christ-theologischem Einfluß auf die Anthroposophie viel erwartet. Ähnlich sprach sich D. v. Rohden später aus und Prof. Jeremias, der von der Not der Studenten ausgeht, die nach einer Neuorientierung, wie sie die Anthroposophie biete, verlangen; auch seien Rittelmeyer und Geyer nun einmal die bedeutendsten Kanzelredner Deutsch­lands. 300 Pfarrer haben erklärt, sie seien bereit, aus der Kirche auszutreten, wenn Steiner es verlangt. Es besteht ein Geheimbund anthroposophischer Theologen,

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die «Christengemeinschaft», die die anthroposophischen Gedanken in ihre Pre­digttätigkeit hineinbringen wollen, ohne daß die Gemeinde es zunächst merkt. Jeremias braucht das Bild von einem Güterzuge, der, wenn auch seine Lokomo­tive nichts tauge, doch in seinen Wagen Güter enthalten könne. Man muß die Wahrheitsfrage stellen, ob an der Anthroposophie als solcher etwas dran bleibt. -Leisegangs Schlußwort hält das für eine typische Verschleierung, seine Haupt­frage sei eine sittliche gewesen; die Lokomotive muß abgehängt werden, wenn Unheil verhütet werden soll.

Da diese Generaldebatte unfruchtbar bleiben mußte, solange nicht in Einzelre­feraten die «Güter» in den Wagen auf ihre Güte untersucht worden waren, wurde noch am Sonntagabend damit begonnen, indem Prof. D. Richter über die « Vorge­schichte der Anthroposophie» berichtete. Nach ihm bildet die Substanz der Stei­nerschen Gedanken im wesentlichen die indisch-theosophische Tradition, neben welcher er eine christlich-islamische und eine chinesische Reihe innerhalb der mystisch-gnostischen Atmosphäre erkennt. Neu ist bei Steiner nur die Hereintra­gung des naturwissenschaftlichen Entwicklungsgedankens und ein neuer Kultur­universalismus. Daß Steiner im übrigen Übersinnliches schaut, ist Richter zweifel­los. - Dazu gab Prof. Jeremias am Montagmorgen ein religionsgeschicbtlicbes Koreferat. Er berichtet über andere Hellseher, wie die Propheten Paulus, Augu­stin, Ghazali, Plotin. Steiner gehört jedenfalls in die Religionsgeschichte, auch wenn er ein falscher Prophet ist. Der Inhalt der Schauungen ist von der Reinheit des Herzens abhängig, bei Steiner ist dieser Inhalt religiös-sittlich indifferent.

Dr. Hoppe gab folgende Leitsätze über «Anthroposophie und Wissenschaft»:

1. Als Geisteswissenschaft erhebt die Anthroposophie den Anspruch, unter diejenige spezifische Form menschlichen Geisteslebens eingeordnet zu werden, die der Sprachgebrauch schlechthin als «Wissenschaft» bezeichnet. Sie glaubt, diesen Anspruch rechtfertigen zu können auf Grund einer neuen Erkenntnistheo­rie, die sie für ihre Zwecke geschaffen hat.

2. Wie jede andere Erkenntnistheorie, die wissenschaftlich diskutabel sein soll, kann auch die Anthroposophie sich nicht emanzipieren von der Anerkennt­nis einer wenn auch noch so eng begrenzten apriorischen Struktur des menschli­chen Geistes, die Wissenschaft als solche überhaupt erst möglich macht.

3. Resultate der anthroposophischen Forschung, die für das System der An­throposophie von wesentlicher Bedeutung sind, widersprechen den kritischen Normen, denen nach bisher üblichen Ansprüchen ein «wissenschaftliches» For­schungsergebnis standhalten muß.

4. Die Anthroposophie ist daher keine Wissenschaft, also auch keine «Gei­steswissenschaft». Auch formal verrät sich dieser ihr unwissenschaftlicher Cha­rakter an der Mangelhaftigkeit ihrer Methodik.

5. Soweit anthroposophische Fachgelehrte auf ihrem Sondergebiete zu wert­vollen Ergebnissen zu kommen hoffen, sind, nach den ersten Ansätzen zu urtei­len, die kritischen Gesichtspunkte keineswegs spezifisch anthroposophisch, son­dern bereits außerhalb der anthroposophischen Gemeinde schon lange erarbeitet.

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Resultate, die nur auf anthroposophischem Wege hätten gefunden werden können und einer wissenschaftlichen Nachprüfung standgehalten hätten, sind bis heute nirgends nachzuweisen.

6. Die Bewertung der Anthroposophie als Wissenschaft ist nur möglich in einer Zeit der Unterbewertung geistiger Maßstäbe und eines gebrochenen Willens zur Wahrheit. Im einzelnen betont Hoppe die naturwissenschaftliche Einstellung Steiners.

Zu 2.: Es muß Maßstäbe geben, ob etwas Illusion oder Wahrheit ist, das credo quia absurdum gehört nicht in die Wissenschaft. Wer logisches Urteilen ablehnt, sprengt sich selbst in die Luft. Auch der Irrtum ist nicht zu widerlegen. Steiner selbst fordert Prüfung durch den gesunden Menschenverstand.

Zu 3.: Der Geist ist kein Ding, er kann auch durch Verdichtung nicht zum Körper werden.

Zu 4.: Der Entwicklungsgedanke ist nur äußerlich in das System übernom­men (vergleiche Leese).

Zu 5.: Die anthroposophische Theologie ignoriert zum Beispiel Neuansätze bei Heim und anderen. Es entspann sich eine längere erkenntnistheoretische Debatte. Dr. Koehler: Die Anthroposophie will nicht nur Wissenschaft sein, sondern ein Bindeglied zwischen Religion und Wissenschaft. Jedes Ding hat seine eigene Logik. Steiner macht zwischen Geist und Materie keinen Unterschied. Pf. Schulz-Sydow: Daß der Geist sich verstofflichte, ist eine primitive Nichterklä­rung. Tillich anerkennt neben der abendländischen Wissenschaft eine metaphy­sisch-mystische Geisteslage, wie sie namentlich der Orient, aber auch der deutsche Idealismus gehabt habe. Die Anthroposophie mache den Fehler, beide Welten miteinander zu vermischen. Der Geistesbegriff des Abendlandes ist unbedingt festzuhalten. Der Geist ist nicht etwas, sondern der Sinn von etwas. Lic. Leese: Es ist zu unterscheiden zwischen Hellsehen, das, sofern es deskriptiv, auch wissen­schaftlich ist, und einer wissenschaftlichen Weltanschauung, zwischen beiden besteht keine unzerreißbare Verbundenheit. Es ist unsere trostlose Lage, daß wir noch keine Kriterien für jenes Hellsehen haben. Dr. Schweitzer: wendet sich gegen den Tillich-Leeseschen Wissenschaftsbegriff. Hoppe: stellt fest, daß seine Thesen nicht widerlegt sind.

Von den Einzelwissenschaften außer der Theologie wurde nur die Pädagogik herangezogen. Jeremias: berichtet begeistert von dem, was er in der Waldorf­Schule gesehen hat. Demgegenüber macht Goesch auf die Gefahr der auf Auto-suggestion berechneten Steinerschen Kindergehete aufmerksam, zum Beispiel des folgenden: »Vom Kopf bis zu Fuß bin ich Gottes Bild, vom Herzen bis in die Hände spüre ich Gottes Hauch; sprech ich mit dem Munde, folg ich Gottes Willen. Wenn ich Gott erblick in Vater und Mutter, in allen lieben Menschen, in Baum und Stein, gibt Furcht mir nichts, nur Liebe zu allem, was um mich ist.» Pf. Keppler berichtet aus der anthroposophischen Schule in Heidenheim: die dort erzogenen Kinder sind größtenteils zügellos und rechthaberisch, ja, «ein Ausbund von Kindern»! Der Religionsunterricht leidet besonders unter dem System.

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Der Montagnachmittag war der Theologie gewidmet. Dr. Ritter, der mit seinem Kollegen Rittelmeyer eingehend über diese Fragen gesprochen hat, greift die anthroposophische Erkenntniskritik als im alten Realismus, wenn auch unter neuer Aufmachung, stehengeblieben an und entwickelt demgegenüber das Ver­hältnis von Glauben und Wissen im Sinne des Brunstädtschen Idealismus. Tillich stellt und verneint folgende zwei Fragen: Sind die Objekte, die Steiner zu sehen behauptet, dem Wesen nach religiös? Der Anthroposoph will auf Stufen statt durch Gnade zu Gott, es fehlt ihm die Demut, er meint, ein rationalistisches und ethisches Eintrittsbillett in den Himmel zu besitzen. Ritter: Die anthroposophi­schen Theologen haben neben ihrer Anthroposophie ihr Christentum. Dr. Schweitzer erinnert an Rittelmeyers Satz: »Rein religiös ist uns nicht zu helfen.» Prof. Seeberg fürchtet von der Anthroposophie mit Recht Rückfall in krasse Orthodoxie. Beides ist Rationalismus. Lic. Werdermann: Unsere positiven Theologen in Halle gingen um die heiklen Punkte leider stets herum. Schulz­Sydow: Wir müssen zurück zu Luthers Gehorsam, Glauben in Kreuzesnot und Gebet. Die Großstadtnerven und -gehirne werden nie mit den Anthroposophen­gehirnen und -nerven fertig werden. Tillich stellt die Alternative: sollen wir die Anthroposophen als anregende Kritik an unserer Theologie und Kirche benutzen, um sie im übrigen zu bekämpfen, oder: nehmen wir sie als Wirklichkeit, um mit ihr taktische Erfolge bei unseren Gemeindemitgliedern zu erzielen. Solche Taktik ist irreligiös. Jeremias: Gott wird die Anthroposophie benutzen. Die Frage Wer­dermanns: Wie weit Ist Steiner von Rittelmeyer christlich beeinflußt worden? beantwortet Ritter dahin: Rittelmeyer ist nur Jünger, während D. v. Rohden meint, Rittelmeyer unterschätze seinen Einfluß auf Steiner.

Über Steiners phantastische Christologie berichtet Jeremias. Goesch weist Widersprüche darin nach.

Frau Hasselblatt beschließt den Montagabend mit ihrem sehr ernsten, rein religiös abgestimmten Referat: «Anthroposophie als Gottesfeindschaft». Sie ist auf Grund eigener Erfahrungen zu dem Ergebnis gekommen, daß wir als Christen zwar nicht gegen die Anthroposophen, aber gegen den satanischen Geist, der hinter der Anthroposophie steht, kämpfen müssen. Wir dürfen die Gottsucher unter den Anthroposophen nicht durch falsche Behandlung immer tiefer in die Anthroposophie hineinstoßen. Die Anthroposophie ist scheinbar religiös; in Wahrheit hat sie den Wegweiser «Zu Gott» umgekehrt. Steiners Christologie ist vergiftet bis ins letzte von antichristlichem Geiste. Um die Anthroposophie zu überwinden, hilft allein positive Evangelisation. Wir mussen uns fragen: Bieten wir Anlaß, daß suchende Seelen in die Anthroposophie flüchten? (vergleiche 5. Mos. 13,4). Ihre Leitsätze lauten:

1. Das Kennzeichen für den bisherigen Kampf zwischen der Theologie und Anthroposophie war das, daß es sich im wesentlichen um eine Auseinanderset­zung der Theologie mit der Anthroposophie handelte.

2. Da aber die Theologie auf dem klaren Boden des Bekenntnisses zur Bibel als der Offenbarung steht, ist es ihre Pflicht, sich nicht nur mit der Anthroposophie

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auseinanderzusetzen, sondern zum offenen Kampfe gegen sie überzugehen.

3. Die Beachtung zweier Punkte erleichtert ihr diesen Kampf:

a) Den Ursprung der Anthroposophie nicht allein aus geschichtlichen Quel­len erklären zu wollen, sondern zu tieferer Deutung das Wort Eph. 6,1 und 2 heranzuziehen.

b) Die psychologische Verfassung der Menschen zu verstehen suchen, die sich von dem Einfluß der Anthroposophie ergreifen lassen.

4. Genaue Ausführungen zu Punkt b) unter der Frage: Was ist der Unter­schied zwischen dem seelischen Bedürfnis der Anthroposophen und dem, womit die Anthroposophie diesem Bedürfnis entgegenkommt?

5. Genaue Ausführungen zu Punkt a) unter der Frage: Womit läßt sich die Behauptung begründen, daß die Anthroposophie gottesfeindlichen Ursprun­ges ist?

6. Zusammenfassung: Pflicht der Theologie für die Anthroposophen gegen die Anthroposophie zu kämpfen.

Nach diesen gelassen vorgetragenen, biblisch begründeten Ausführungen gin­gen auch die, welche der Anthroposophie bisher noch viel Gutes zugetraut hatten, in diesem Zutrauen erschüttert nach Hause.

Am Dienstagmorgen las D. v. Rohden seine Leitsätze über die Frage: «Welche Momente verleihen der Anthroposophie ihre überraschende Anziehungskraft zu­mal bei der Jugend?»

i In weitem Maße scheint die Anthroposophie einem drängenden Zeitbe­dürfnis entgegenzukommen. Indem sie die Vorstellungen vom Übersinnlichen zu greifbaren Realitäten zu verdichten sucht, befriedigt sie den lebendigeren Tatsa­chen- und Wirklichkeitssinn unserer Zeit.

2. Sie bietet eine neue Wissenschaft des Geistes, und zwar eine auf Beobach­tung und Erfahrung beruhende, also naturwissenschaftlich begründete Wissen­schaft vom Übersinnlichen. So überbrückt sie den alten Gegensatz von empiri­scher (positivistischer) und idealistischer Weltanschauung. Insbesondere sucht sie die mit jedem neuen Menschenleben sich vollziehende Durchbrechung des ir­disch-kausalen Zusammenhanges einleuchtend zu machen.

3. Dem religiös interessierten Gemüt will sie einen besseren Zugang zum Verständnis der Bibel eröffnen, indem sie es in stärkeren Zusammenhang mit der geistigen Welt, aus der die Heilige Schrift redet, zu bringen verspricht. Auf die reale Bedeutung der Sakramente wirft sie ein neues Licht.

4. Sie leitet zu geistigen Konzentrationsübungen und damit zur Selbsterzie­hung und planmäßiger bewußter Pflege des Innenlebens an, woraus in religiöser Hinsicht eine höhere Andachtsfähigkeit und Gebetsfreudigkeit folgen soll.

S. Sie bietet neue Antriebe und Methoden der sittlichen Selbstzucht, der Überwindung sinnlicher Schwäche, der täglichen Buße.

6. Mit alledem empfiehlt sich die Anthroposophie dem ernsten Sinn, zumal dem Verlangen der Jugend nach Wahrheit und Wirklichkeit, nach geistiger Erneuerung,

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soweit es sich durch die Darbietungen der Kirche unbefriedigt fühlt. D. v. Rohden wollte sich nicht mit diesen Sätzen identifizieren. Er erzählt, wie er aus seelsorgerlichen, noch mehr als aus wissenschaftlichen Nöten heraus zur Anthro­posophie gekommen wäre. Er hat versucht, Rittelmeyer von Steiner abzubringen. Man kann sagen, die Anthroposophie sei eine geistige Seuche in unserem dekaden­ten Geschlecht; trotzdem müsse erst das Positive, was nach Gottes Fügung in ihr liege, heraus geholt werden. Demgegenüber betont Pf. Keppler: Auch mich treibt die Not des Seelsorgers hierher. Es ist viel geschäftliche Mache im Geistigen. Die Schuld der Kirche ist, daß es an religiöser Gemeinschaft für Gebildete neben der für sie meist unzureichenden Gemeinschaft fehle. Frau Hasselblatt: Es sind Reali­täten anzuerkennen, aber nur solche negativer Art. Ein religiöses Bedürfnis ist vorhanden, aber es wird ihm ein falsches Ziel gegeben. Statt: wie erlange ich einen gnädigen Gott? - Wie erlangt man Erkenntnis höherer Welten? Frau Hasselblatt weiß von einer gebildeten anthroposophischen Dame Berlins, die auf der Flora-diele Nackttänze vollführt, um mit Christus zu verschmelzen. Jeremias hebt das Positive in der Anthroposophie hervor. Liberale Theologen werden durch sie gefördert, es fehlt uns die Meditation. D. v. Rohden will lieber allzu ge­recht als ungerecht sein. Man muß auch den Anthroposophen nicht nur ent­gegentreten, sondern auch entgegenkommen. Steiners Persönlichkeit ist nicht eindeutig, sondern kompliziert, bis auf weiteres müssen wir sie für sittlich halten. Auch Leese (p. 119) und Gennrich (p. 11) anerkennen in ihren Schriften das Positive.

Nun kam das wichtigste Referat von Dr. Heinrich Goesch (Lichtenrade) über:

«Steiners Persönlichkeit». Goesch ist durch psychologische Experimente und Beschäftigung mit dem Okltultismus zu Steiner gekommen und wurde sehr bald in den esoterischen Kreis aufgenommen. In den engeren Kreis wurde er schließlich trotz vielfacher Versprechungen nicht zugelassen. Zur Begründung hat Steiner ihm öfters die bezeichnende Antwort gegeben: «Sie müssen noch präpariert werden.» In 5 bis 5 1/2 Jahren lernte er alles kennen, einiges ergänzten Freunde. In Dornach kam er endlich zur Besinnung, als er merkte, Steiner lügt. Es hat dann lange Zeit und Anstrengung gekostet, in sich die Spuren der Meditation auszu­löschen, die er jahrelang mit Fleiß geübt hatte; sie stellten sich anfangs immer von selbst ein. Goesch hat heute kein persönliches, nur ein sachliches Interesse. Er machte auch auf allen Versammlungen einen nicht im geringsten fanatischen, sondern sachlich ruhigen Eindruck und sprach sine ira et studio. - Nach Goesch gilt es, vor allem Grundsätzliches zu unterscheiden zwischen Okkultismus über­haupt, dessen Phänomene ihm aus eigener Erfahrung als real feststehen, wenn auch ihre Bedeutung für die Religion zunächst ebenso irrelevant ist wie etwa neue naturwissenschaftliche Resultate, und Steiners Anthroposophie. Um letztere zu beurteilen, muß man Steiners Person in die Debatte ziehen; denn die Apparate des Hellsehers, deren Zuverlässigkeit nachzuprüfen ist, liegen ausschließlich im Men­schen. Auch Steiner selbst erkennt das an, wenn er etwa sagt, ohne Wahrhaftigkeit würden die astralen Organe ruiniert. Steiner hat uns nicht dem echten Okkultismus

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nahegebracht; er hat nur die Konjunktur gerochen, sein Wesen aber ver­fälscht. Der Okkultismus ist ihm nur Köder.

Ähnlich wie Frau Hasselblatt kommt Goesch zu dem Ergebnis, daß Steiner einem sogenannten Willensteufel, Asura, dient, dem dritten in der Reihe der anthroposophischen Teufel, über welchen allein keine Aussagen in der anthropo­sophischen Geheimlehre gemacht werden. (Der erste, Luzifer oder Dämon, gilt als harmloser Gefühlsteufel, der zweite, Ahriman-Satan, als Teufel der schwarzen Magie, auch hier wieder die Methode, den Verdacht von seiner Person abzulen­ken. - Asura wird mit dem kosmischen Christus gleichgesetzt.) Nach Goesch ist es ganz verfehlt, wenn man Steiner ergründen zu können meint. Nur in einem ist er sich immer gleich geblieben: im bloßen Konstruieren und Systematisieren von Begriffen; er schaut an Sachen und Menschen vorbei. Vor seiner theosophischen Zeit knüpfte er seine Begriffe an historische Persönlichkeiten wie Goethe und andere an, nachher an Engelwesen und Menschliches; durch letzteres hat er das Interesse für seine Sache verstärkt. Im Grunde handelt es sich nach wie vor für Steiner nicht um die betreffenden Dinge und Personen, sondern lediglich um seine eigenen Begriffe und seine eigene Person. Eine lange «präparierte» Anhängerin, welche auch die «Hingabe des Herzens» vollzogen hat, ein Fräulein Petersen in Kopenhagen, hatte einmal eine Vision, in der Steiner und seine Frau ihr letztes Ziel offenbaren mußten: Im nächsten Äon wollen sie einen neuen Planeten abspalten und auf ihm über alle in diesem Äon von ihnen Eingefangenen und Ent-ichten herrschen(!). Wenn man solches den Anthroposophen sagt, kann man vielleicht den einen oder anderen aufrütteln oder bekehren. Nur ganz wenige freilich können sich von dem Bann freimachen, wenn sie einmal in ihn hineingezogen sind.

In der Aussprache erklärt Ritter, daß das soeben Gehörte ihm den Schlüssel, auch für Rittelmryers rätselhafte Entwicklung gäbe, die er seit 2 1/2 Jahren im Umgang mit ihm beobachtet habe. Auffallend war zum Beispiel, daß er in einer Zeit, wo er keinerlei Gemeindearbeit wegen seiner Krankheit tun konnte, doch Aufsätze über Anthroposophie schrieb. Nach seiner Rückkehr aus dem Süden fand Ritter ihn, den er vorher geschätzt und verehrt hatte, völlig verändert. In Gesprächen war er unlogisch, wich ernsten Wahrheitsfragen aus, bog sie ins Lächerliche ab. Er gab offen zu, daß man die Kontinuität der Persönlichkeit in der Anthroposophie preisgeben müsse, man finde sich ja dann in einer neuen und besseren Art wieder. Als Ritter ihm nach dem anthroposophischen Hochschul­kurs erklärte, Steiner habe geradezu abstoßend auf ihn gewirkt und theologischen Unsinn gesprochen, sagte er nur: «Das liegt an Ihnen. Zunächst ist es mir auch so gegangen, aber in persönlicher Berührung verschwindet dieser Eindruck. Man muß nur auf die Hintergründe, aus denen dies gesagt wird, zurückgehen. Nur wenn man immerzu darüber nachdenkt, kann man zur Wahrheit kommen.» Ritter hält Rittelmeyer jetzt eines Urteils und einer sachlichen Kritik für unfähig. Solche demagogischen Mitteichen, wie er sie zum Beispiel am 10. März in seinem Schlußwort

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gegen Tillich und Schweitzer angewandt hat, wären früher diesem feinen Menschen unmöglich gewesen. - Zur sexuellen Frage bestätigt er, daß auch ganz reine Frauen in Steiners Nähe einen geradezu physischen Ekel empfinden. Leese wundert sich, daß die aus Anthroposophen bestehende Schauspielergruppe von Haass-Berkow trotzdem einen so reinen innerlichen Eindruck macht. Jeremias macht folgende Einwände: Goesch scheint ihm durchaus vertrauenswürdig, aber Steiner behauptet eben, jenseits von Gut und Böse zu stehen. «Nur der Betrach­tende hat Gewissen.» Er fragt: Hat Steiner jene Sexualmagie um seinetwillen oder um der Frauen willen getrieben? Er will nicht den advocatus diaboli spielen, auch er glaubt nicht daran, daß sich auf Erden der Egoismus auf diesem Gebiet aus­schließen lasse, auch nicht durch die von Steiner offenbar betriebene Askese. Auch eine unreine Posaune kann einen guten Ton geben (!). Demgegenüber weist Dr. Schweitzer auf die Konsequenz von Jeremias gestern selbst getaner Äußerung hin: «Nur ein reines Herz kann Gott schauen» und «Das einzige Kriterium der Anthroposophie ist die Vertrauenswürdigkeit ihres Führers». Hier gilt nur noch ein Entweder-Oder! Pf. Keppler meint, die Anthroposophen, die eine Vertiefung ihres Christentums zu erleben meinen, erleben in Wahrheit nichts Anthroposo­phisches, sondern etwas Christliches, was in ihnen bisher geschlummert hatte. Werdermann hält Steiners Unwahrhaftigkeit für nicht bewiesen. Andere große Männer wie Rousseau oder Mohammed lassen sich auch nicht so reinlich durch-leuchten. Goesch sagt in seinem Schlußwort: Der Unterschied zwischen Steiner und Christus, auf dessen hypnotische Macht sich Leese berufen wollte, ist der, daß Steiner das Bewußtsein des anderen bricht und rein negativ wirkt, während Jesus zur Freiheit führt. Das sittliche Pathos wird nur in den unteren Graden, auf die es berechnet ist, ernst genommen, in den oberen belächelt. Der Schauspieler Haass hat auch stark hypnotische Kräfte. Seine Spiele sollen bestimmte Menschen, namentlich unter derjugend, anlocken, welche gerade dieser Seite zugänglich sind.

Im übrigen gilt auch hier: man mästet erst die Kälber, bevor man sie schlachtet.

- Gerade sittlich tüchtige Menschen werden gern von Steiner benutzt. Auch die Sexualmagie ist ihm nicht letzter Zweck, sondern Mittel zur Ent-ichung seiner Opfer. Steiner will eben mit allen Mitteln seine Macht entfalten - darum vertritt er auch seine Sache scheinbar schlecht; - so enthält der erste Vortrag in einem Zyklus meistens eine Unsumme von Unsinn ohne Zusammenhang, aber für jeden der zugänglichen Hörer doch einen Brocken, der ihn nach mehr begierig macht.

Stadtpfarrer Keppler berichtete über die «Gefahren der Anthroposophie für die Kirche». Er hat sie in der schwäbischen Industriestadt Heidenheim mit 18 000 Seelen seit 4 Jahren gründlich kennengelernt. Heidenheim ist anthroposophisch völlig verseucht, geradezu eine Hochburg der Anthroposophie. Das Gemeinde-und Wirtschaftsleben sowie das Schulwesen ist anthroposophisch zu gestalten versucht worden. Seine Leitsätze lauten: 1. Bei ihrer ungeschichtlichen Einstel­lung hat die Anthroposophie kein Verständnis für die geschichtlich gewordene Volkskirche und untergräbt grundsätzlich das kirchliche Ansehen und den kirch­lichen Einfluß.

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2. Die Anziehung, die die Anthroposophie auf weite Kreise von Suchenden in den Reihen der Gebildeten, der Arbeiterschaft und der Jugend besitzt, führt mit innerer Notwendigkeit zur Entfremdung oder Bruch mit der Kirche, was einen späteren Blutverlust für die Volkskirche bedeutet.

3. Die anthroposophische Bewegung wird Schrittmacherin für den Kirchen­austritt. Ist ihre allmähliche Umbildung zur Sektenkirche abgeschlossen, so wird sie an Kirchenmaß den anderen nicht nachstehen.

4. Der Anspruch der Anthroposophie, den Ungedanken einer überkonfessio­nellen Religion verwirklicht zu haben, bringt eine Erweichung des evangelisch-kirchlichen Bewußtseins mit sich, die in einer Zeit neuer Kraftentfaltung Roms von verhängnisvoller Wirkung sein kann.

5. Die ästhetische Anschauungs- und Denkweise der Anthroposophie min­dert auch die religiöse Gedankenwelt der evangelischen Kirche in ihrer geistigen Wirklichkeit herab.

6. Die Irreführung des religiösen Interesses durch die Anthroposophie bringt auch dem inneren Leben der evangelischen Kirche empfindliche Schädigung, sofern verkehrte Bedürfnisse in ihr erwachen und, befriedigt oder unbefriedigt, eine gesunde evangelische Frömmigkeit verderben.

7. Die Verkehrung der sittlichen Beweggründe und Ziele bei der Anthroposo­phie schädigt in ihrer Rückwirkung auch die evangelische Sittlichkeit.

8. Die Unsachlichkeit der anthroposophischen Kampfführung infolge ihrer krankhaften Überempfindlichkeit macht den Kampf der Kirche mit der Anthro­posophie zu einer nicht geringen Schwierigkeit. Schonung oder Angriff können ungünstige Rückwirkungen auf das äußere und innere Leben der Kirche haben. Wer sagt, die Anthroposophie bedeute keine Gefahr für die Kirche, sie stehe nur auf zwei Augen, man könne und müsse sie gewähren lassen, da sie auch allerlei Gutes enthalte, weiß nicht, wie groß der Schaden ist. Zwar ans Leben der Kirche wird sie schwerlich gehen; dazu fehlt es ihr letztlich an religiöser Kraft. Mit Fanatismus und Geld macht man doch nicht alles. In der Polemik bekämpft die Anthroposophie genau wie die Freidenker evangelische und katholische Kirche als die Kirche. Als Keppler einmal in einer Zeitungsfehde den persönlichen Willenscharakter der Sünde verteidigte, hieß die Widerlegung einfach: «Das ist eben kirchliche Anschauung.» Die autoritative Art Steiners und seiner Lehre wirkt auf zweifelzerrissene Seelen fraglos anziehend. Bald wird es heißen: Anthroposo­phie oder Kirche! Sobald die Parole ausgegeben wird. In Heidenheim hat der Führer der Anthroposophen bereits den Schnitt vollzogen. Dort wird ein anthro­posophischer Tempel demnächst vollendet, schon jetzt steht ein anthroposophi­scher Pfarrer bereit, ein früherer Theologe. Schon jetzt ersetzt man die Kirche durch Zusammenkünfte im kleinen Kreise, in dem man eins der Evangelien oder auch Goethe liest, eurythmisch tanzt, zeichnet, musiziert. (Ein Beweis, daß uns vielleicht nichts so sehr in der Kirche fehlt wie neue Gemeinschafisformen für Gebildete.) Anthroposophische Taufen mit den Symbolen Asche, Salz und Was­ser sowie entsprechende Abendmahlsfeiern und anderes werden bald keine Seltenheit

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sein, und wir haben eine Gegenkirche mit der bekannten Sektenleidenschaft gegen die verachtete Weltkirche. Vielgewandt weiß sich die Anthroposophie dem modernen Menschen als moderne, überkonfessionelle Religion, dem Arbeiter als Sozialismus und so weiter darzustellen, und dabei wird Rom immer mächtiger! In Heidenheim selbst wurden 1921 aus gemischten Ehen 14 Kinder evangelisch und 20 katholisch getauft, obwohl 7/8 der Bevölkerung evangelisch sind. - Die Bibel wird verkehrt und unnatürlich gelesen. Es ist ein ästhetisches, kindisches Spiel und doch gefährlich, kann man doch seine Seele verspielen. Man kann darüber streiten, ob die Anthroposophie diesen oder jenen Punkt erhellt hat, der früher zu gering geschätzt wurde; verhängnisvoller ist aber der Schaden, indem Nebensache zur Hauptsache werden und die Hauptfragen wie Sünde, Gnade, Jesus Christus verdunkelt werden. Die scheinbar sittlichen Gedanken blenden. Auf die Gedan­ken und Richtlinien kommt es nicht an, sondern auf das Bild, welches sich zeigt, wenn diese Gedanken ineinander gefügt sind. Dann werden die christlichen Gedanken zum Flitter auf einem ganz anderen, nämlich indischen Gewande. Eine besondere Gefahr bedeutet Rittelmeyer, der um so gefährlicher ist, als bei ihm die Anthroposophie das Läppische zum Teil abgestreift hat. Eine Verständigung mit den Anthroposophen gibt es nie, weil sie eben immer Recht haben, auch wenn wir das anthroposophische Lehrgebäude besser kennen als seine Verfechter. Und doch ist der Kampf notwendig. Den Sieg behält letzten Endes der Geist.

Frau Hasselblatt ergänzt die Ausführungen in einem Koreferat. Wie sie mit eigenen Augen gesehen hat, stürzen sich die Anthroposophen gerade auf evangeli­sche Pfarrer. Ebenso ist ihr Einfluß auf die Jugend nicht zu unterschätzen, deren Bedürfnis nach Mystik sie stark entgegenkommt. Hier liegt ein Versäumnis der Kirche vor. Hat die Kirche es nicht zum Teil selbst verschuldet, daß ihr die Anthroposophie zur Gefahr geworden ist? Vor allem muß man es den evangeli­schen Predigten mehr anmerken, daß wir eine frohe, nicht langweilige Botschaft zu verkünden haben. Endlich muß alles an Parteipolitik Anklingende aus den Gottesdiensten verschwinden. Goesch hat Steiners Lebensgeschichte bis in ihren unaufgeklärten Ursprung zurückverfolgt. Dabei haben sich unter anderem fol­gende Merkwürdigkeiten ergeben[*]: Bei seiner Doktorpromotion hat er seine vita nicht, wie üblich, mit veröffentlicht. Seine vielgerühmte wissenschaftliche Tätigkeit als Goetheforscher wird von Fachleuten wie Semper stark in Frage gezogen; zum mindesten leidet sie an Inkorrektheit. Fest steht, daß er früher trunksüchtig war. Von der Trunksucht hat ihn seine Haushälterin, die er dann heiratete, geheilt. Wahrscheinlich hat er eine jesuitische Schulung durchgemacht, obwohl er es bestreitet. Jedenfalls kennt er «Interna» der Jesuiten, und in der anthroposophischen Buchhandlung Berlin, Motzstraße, hängt unter den «großen Eingeweihten» das Porträt eines Jesuitenpaters. 1905 erfolgte der Anschluß an die

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[*] Die nun folgenden Angaben Goesch's strotzen von Ungenauigkeiten und böswilligen Verleumdungen. Vgl. Rudolf Steiner, »Mein Lebensgang» CA 28; »Zur Geschichte und aus den Inhalten der Esoterischen Schule 1904-1914», GA 264 und 265; ferner «Probleme des Zusammenlebens in der Anthroposophischen Gesellschaft» (Goesch-Krise), GA 253.

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internationale Freimaurerei, und zwar den O. T. O. (Ordo Templi Orientis), einen von dem französischen Großorient anerkannten Andreasorden mit schotti­schem Ritus, der nur höhere Grade umfaßt. Damals wurde zwischen dem Emissar jenes Ordens, Theoder Reuß, einem anglisierten Deutschen, und Steiner bezie­hungsweise dessen späterer zweiter Frau, Fräulein von Sivers, ein Vertrag ge­schlossen, wonach Steiner für das empfangene Lehrgut eine jährliche Tantieme zu zahlen hatte (!). Steiner wurde auch in die esoterische Schule der Besant aufgenom­men, was er auch bestreitet. -

Goesch selbst machte die Erfahrung, daß Steiner ihm schon nach einer Woche einen «Raben» schickte, mit der Anfrage, ob er in den Orden aufgenommen werden wolle. Da er antwortete, er hoffe, dessen würdig zu werden, wurde er nicht aufgenommen. Später stellte er fest, daß nur besonders Ehrgeizige, Leute also mit unreinen Willenskräften, die Steinersche Kerngemeinde bilden dürfen. In dem O. T. O. wird das getrieben, was Wedekinds «Hidallah» darstellt: die unteren Grade wissen nicht, daß oben jede Schwester jedem Bruder zur Verfügung zu stehen hat. Über Steiners eigene Praxis ist schwierig etwas festzustellen; er hat auch das sexuelle Gebiet auf den Astralplan verlegt. Goesch führt sechs genau beschriebene Einzelfälle an, in denen Steiner und seine Frau sexuelle Magie auf andere Frauen und Mädchen ausgeübt haben. Einige davon sind 1917 in den «Psychischen Studien» veröffentlicht, aber von anthroposophischer Seite nie auf-geklärt worden. Diese schwarzmagischen Attentate arbeiten zum Beispiel mit wollusterregenden Meditationen, mit hypnotischen Traumvorstellungen, mit posthypnotischen Aufträgen. Die Zeugen werden zwar von anthroposophischer Seite gern als hysterisch abgelehnt, es sind aber ganz vernünftige beziehungsweise wieder vernünftig gewordene Menschen, darunter Männer, und die nachträglich als hysterisch bezeichneten Frauen haben vorher höchste Grade im Steinerkreise bekleidet. Unter anderem wachte eine Dame nach dreiviertelstündigem Gespräch mit Steiner, bei dem von dem eigentlichen Gegenstand nicht die Rede war, nachts mißlaunig auf, rieb sich das Gesicht und hatte das Gefühl von etwas Widerwärti­gem. Sie hatte geträumt, sie sei von Steiner auf das ganze Gesicht geküßt worden, nur nicht auf den Mund. Als sie am nächsten Tage in den engeren Kreis kam, wurde sie von den Steineranhängerinnen zum ersten Mal wie eine der ihrigen empfangen. Was diese Dame träumte, ist einer anderen später unabhängig davon tatsächlich von Steiner geschehen. Es handelt sich nach Goesch um einen posthyp­notischen Auftrag. Oder eine andere Dame, die mit Steiner zu reisen und, angeb­lich zum Schutze seiner Aura, im Nebenzimmer im Hotel zu schlafen pflegte, war einmal ausnahmsweise erst nach zwölf Uhr zu Bett gegangen. Am nächsten Morgen redete Steiner sie mit den Worten an: «Sie sind ja gestern so spät gekom­men.» (!)Diese Dame ist zur Zeugenschaft bereit. Im ganzen bezeichnete Goesch diese Seite der Sache als Blocksberg und Hexenwesen. - Dann belegte Goesch seinen Vorwurf der Unwahrhaftigkeit zum Beispiel anhand der von Steiner abge­leugneten Änderungen wichtiger Sätze in seiner «Philosophie der Freiheit» in der zweiten Auflage. Nur unter Suggestion kann Rittelmeyer behaupten: «Es gibt

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kein ernsthaftes Argument für Steiners Unwahrhaftigkeit, das auch nur einer Erwiderung bedürfe.» Typisch sind alle Verteidigungen von Anthroposophen gegen solche Angriffe, welche stets um den Kern herumreden, Nebensächliches herauskehren.

Auch Steiner selbst lenkt gern die Aufmerksamkeit von schwachen Stellen seines Systems bewußt ab; zum Beispiel wenn er in einem öffentlichen Vortrag sagt: «Gehen Sie doch einmal in die großen Berliner Säle, und sehen Sie, wie das Publikum ohne eigenes Urteil sich von dem Vortragenden etwas suggerieren läßt.» (sic!) Über Erfahrungen mit der Steinerschen Hypnose, die nur einen Teil der alten Magie darstellt, berichtet Goesch: Als der «Rabe» seinerseits das zweite Mal zu ihm kam, um ihn zu fragen, ob er in den Freimaurerorden aufgenommen werden wolle, hatte er das Bestehen des Ordens vollkommen vergessen, was sich bei seinem sonst ausgezeichneten Gedächtnis nur auf hypnotische Wirkung zu­rückführen läßt. Als nach einiger Zeit ein anderer ihn nach dem Orden fragte, bestritt er seine Existenz, und es wurde ihm erst hinterher klar, damit eine grobe Unwahrheit ohne Überlegung automatisch gesagt zu haben, in der Meinung, damit ein gutes Werk zu tun. Steiners Haupurick ist sein Händedruck, bei dem sich die Zentren der beiden Hände berühren müssen. Von ihm gehen zweifellos starke Kräfte aus. Wenn Steiner in einen Saal kommt, schnuppert er förmlich nach Menschen, die er beherrschen kann, stürzt sich auf diese und drückt ihnen die Hand. Seine Schülerinnen lechzen nach solchen Händedrücken. Goesch erlebte noch folgendes: Nachdem er sich in Dornach bereits von Steiner losgelöst hatte, kam er von einer kurzen Begegnung mit Steiner nach Hause zu seiner Frau. Da wußte er von den Ereignissen der letzten Woche und seinem Bruch mit Steiner nichts mehr. Seine Frau und er verstanden sich nicht mehr, bis sie ihm langsam die Erinnerung an das Geschehene wieder zurückrief. Durch solche Mittel trennte Steiner Ehen. Auch wer Briefe von Steiners Hand empfängt, ist nicht sicher vor hypnotischer Beeinflussung.

Aber wie sollen wir die Anthroposophie bekämpfen?

a. Polemisch

1. Nicht mit Schlagwörtern oder durch bloße Lächerlichmachung, sondern aus genauer Kenntnis, wenn auch bisweilen eine gewisse grobe Kampfesart ange­bracht ist.

2. Es gilt Aufklärungsarbeit über das wahre Wesen der Anthroposophie und ihres Begründers zu organisieren, wobei natürlich die Gefahr besteht, Nichtken­ner auf sie aufmerksam zu machen.

3. Die Aufklärungsarbeit muß nicht in breiter Öffentlichkeit beginnen, son­dern bei den Universitäten (Professoren und Studenten) und auf Kursen für Pastoren.

4. Der Plan eines Religionsgespräches mit Anthroposophen ist auf Grund unserer Konferenz aufgegeben worden, nicht nur, weil die Einheitsfront der Evangelischen nicht geschlossen genug ist, sondern auch, weil die Gegner unbe­lehrbar sind und mit suggestiven Gegenwirkungen arbeiten.

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5. Die drei von Rittelmeyer empfohlenen Prüfungsmöglichkeiten - durch den denkenden Verstand, durch forschende Wissenschaft, durch Erfahrung - führen uns nicht weiter, denn einzelne Resultate, vorausgesetzt, daß man ihre Richtigkeit nachprüfen kann, können an unserer Grundeinstellung nichts ändern. Bisher haben die Anthroposophen alle von nichtanthroposophischer Seite gemachten Prüfungsvorschläge, auch die nicht experimentell-psychologischen, zum Beispiel Hauers, stets ignoriert.

6. Nach Vorschlag von Lic. Peters (Hannover) wäre zu überlegen, ob nicht eine geschickte satirische Schrift, etwa in der Art von Stapels kleinem Aufsatz, also nicht in Form eines Pamphlets, ein wirksames Mittel zur Bekämpfung böte.

7. P Priebes Plan, ein Sammelwerk herauszugeben, etwa mit dem Titel: «Vom Lebenswerk Rudolf Steiners, 2. Band», ist ernstlich ins Auge zu fassen.

b. Wichtiger noch als alle Polemik ist positive Überwindung. Wir brauchen

1. eine bessere Wissenschaft, und zwar eine neue Erkenntniskritik im Sinne Brunstädts, die uns zugleich Wege zu dem ersehnten Naturuniversalismus zeigt, aber auch zum Beispiel eine neue Psychologie und Theologie;

2. eine stärkere Kraft mutigen evangelischen Glaubens und aus ihm heraus eine großzügige Evangelisation.

3. Wir brauchen seelsorgerliche Kräfte, welche auch an Anthroposophen und solchen, die es werden wollen, arbeiten können.

4. Wir brauchen ein neues Kirchenbewußtsein, neue Gemeinschaftsformen, besonders auch für Gebildete, denen die «Gemeinschaften» zu eng sind.

Es gilt einen Kampf auf Tod und Leben, die Seite wird siegen, die sich vom Heiligen Geist leiten läßt.

#TI

Friedrich Rittelmeyer

Die «Nicht-anthroposophischen Kenner der Anthroposophie»

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Erst jetzt kommt uns in aller seiner Ausführlichkeit ein Protokoll zur Kenntnis, das von einer Tagung »Nicht-anthroposophischer Kenner der Anthroposophie» berichtet, die vom 29. bis 31. Oktober 1922 in Berlin stattfand. Das Protokoll wird von dem christlichen Apologeten des Zentralausschusses für innere Mission in Berlin, Pfarrer Dr. Schweitzer, der mit dem besonderen Auftrag angestellt ist, die okkultistischen Strömungen zu bekämpfen, und der in zahlreichen deutschen Städten Vorträge gegen Anthroposophie hält, an Menschen verschickt, die gegen Anthroposophie beeinflußbar erscheinen, insbesondere an solche, die über An­throposophie Vorträge halten wollen. Der Bericht beginnt: «Um das Resultat gleich vorweg zu nehmen: Es ist allen Teilnehmern, auch denen, die die verhältnis­mäßig stärksten Sympathien für die Anthroposophie mitgebracht hatten, zur

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furchtbaren Klarheit geworden, daß es sich in Steiners Anthroposophie um eine Macht handelt, die man nicht anders als dämonisch nennen kann.» So «suggeriert» der «Bericht» dem Leser von vornherein einen bestimmten Eindruck und tut damit im voraus genau das, was er hernach selbst als schwersten Vorwurf gegen Dr. Steiner zu erheben hat, daß er unerlaubter Suggestion seine Wirkungen ver­danke. Und die vorangeschickten Namen der Teilnehmer an der Konferenz, darunter hochangesehene Kirchenhistoriker und Konsistorialräte, erhöhen die Wirkung dieser Suggestion. Um nun unter diesen Umständen auch unser Ergebnis «gleich vorwegzunehmen»: es ist ein geradezu erschütterndes Dokument wissen­schaftlicher und menschlicher - nein, wir wollen kein Urteil aussprechen, sondern dem Leser selbst das Urteil überlassen:

«Die drei... empfohlenen Prüfungsmöglichkeiten, durch den denkenden Ver­stand, durch die forschende Wissenschaft, durch die Erfahrung, führen uns nicht weiter, denn einzelne Resultate, vorausgesetzt, daß man ihre Richtigkeit nachprü­fen kann, können an unserer Grundeinstellung nichts ändern... Es gilt einen Kampf auf Tod und Leben! Die Seite wird siegen, die sich vom heiligen Geist leiten läßt.»

Was nach der Auffassung des Theologen, der dieses schreibt, Heiliger Geist ist, möge man aus dem folgenden sich selbst recht klar machen. «Für das Gesamtresul­tat geradezu entscheidend» wurde das «wichtigste» Referat von Dr. Goesch über die «Persönlichkeit Rudolf Steiners». Mit besonderer Ausführlichkeit wird in dem Protokoll wiedergegeben, was Goesch - und was vor ihm schon Leisegang - über das Sexuelle in dieser Versammlung gesagt hat. Nachdem berichtet ist: «In dem ordo templi orientalis wird das getrieben, was Wedekinds darstellt: die unteren Grade wissen nicht, daß oben jede Schwester jedem Bruder zur Verfü­gung zu stehen hat» - fährt das Protokoll unmittelbar fort: «Über Steiners eigene Praxis ist schwierig etwas festzustellen; er hat auch das sexuelle Gebiet auf den Astralplan verlegt». Goesch führt besonders «sechs genau beschriebene Einzel-fälle an, in denen Steiner und seine Frau sexuelle Magie auf andre Frauen und Mädchen ausgeübt haben». Und - dieselben Männer, die vorher vom Astralen nichts erfahren wollten, glauben nun auf einmal alle an den «Astralplan». Diesel­ben Männer, die von der Entwickelung höherer Fähigkeiten nichts wissen woll­ten, glauben nun auf einmal alle an «Sexualmagie», obwohl niemand unter ihnen wird erklären können, was das eigentlich sein soll. Und keiner ist unter den Teilnehmern gewesen, der gefragt hat, ob man denn mit aller Mühe des feindseli­gen Nachforschens nichts Greifbareres und Glaubhafteres gefunden hat? Keiner, der gewußt hat oder wissen wollte, was man denn auf anthroposophischer Seite zu diesen Vorwürfen, zum Beispiel zu dem oft genug behandelten typischen Fall R. v. S. geäußert hat? Keiner, der die Versammlung für unzuständig erklärt hat, solche Fälle in dieser Weise zu behandeln, der aus einiger Lebenserfahrung auch nur auf das Bedenkliche der Aussagen unverheirateter Frauen hingewiesen hat? «Auffal­lend ist, daß die Anthroposophen niemals gerichtlich gegen alle diese öffentlichen Beschuldigungen vorgegangen sind.» Ja, ahnt man denn nicht, daß es dafür auch andere Gründe geben könnte als Schuldgefühl? Daß ein Mann von bedeutender

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geschichtlicher Wirksamkeit etwas anderes zu tun hat, als sich mit solchen Geg­nern vor Gericht herumzuzerren? Daß er sich gar nicht die Zeit dazu nehmen darf? Daß es Fälle geben kann, wo es einfach die Würde verlangt, abzuwarten, wie sich die Menschheit zu solchen Anschuldigungen stellt und ob es genug Menschen gibt, die sich gegen eine solche Art der Bekämpfung entrüstet auflehnen? Daß eine Frage an die Zeitgenossen selbst, eine sehr ernste Frage in diesem Schweigen liegen kann? Es wird einmal als eine bittre Menschheitsschande empfunden werden, daß man dies alles nachreden durfte gerade einem Mann, der nach dem Wissen aller, die in seiner Umgebung leben - und es sind wahrhaftig klarsehende, verantwor­tungsbewußte Pädagogen, Ärzte, Theologen genug darunter-, eben auf diesem Gebiet gar nicht reiner dastehen könnte! Welche Sorte von Klatsch man der Versammlung bieten konnte, ohne auf Empörung zu stoßen, dafür nur ein Bei­spiel: «Eine andere Dame, die mit Steiner zu reisen und, angeblich zum Schutz seiner Aura, im Nebenzimmer im Hotel zu schlafen pflegte, war einmal aus­nahmsweise erst nach zwölf Uhr zu Bett gegangen. Am nächsten Morgen redete Steiner sie mit den Worten an: (Hier fügt das Protokoll ein Ausrufungszeichen in Klammern bei.) «Diese Dame ist zur Zeugenschaft bereit.» Ähnliche, sogar noch unwürdigere Klatschgeschichten ließ sich die Gelehrtenkonferenz anscheinend ohne Widerspruch gefallen.

Goesch hat der Versammlung aber auch eine einleuchtende Erklärung für das Phänomen Steiner gegeben. Es gibt mehrere anthroposophische Teufel, einen harmlosen Gefühlsteufel, einen Erkenntnisteufel und einen Willensteufel, Asura, »über welchen allein keine Aussagen von der anthroposophischen Geheimlehre gemacht werden». Da wird ja alles klar! Das ist sein Meister, dem er dient! Und nun wird ja völlig verständlich der große Einfluß, den Steiner auf die Menschen hat und für den es eine andere Erklärung gar nicht gibt! Nun wird auch völlig verständlich das Zeugnis aller derer, die durch die Anthroposophie geistige Frei­heit, neue moralische Impulse, Verständnis für Christus gewonnen haben! «An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!» An drei Teufel glaubt man auf einmal, nachdem man vorher von den Engeln nichts hatte wissen wollen, und an eine Art Inkarnation eines Teufels dazu - bloß um mit diesem unbequemen Steiner endlich fertig zu werden! Und man glaubt das alles einem Mann, dessen eigenes Einge­ständnis, er habe sich nach seinen Gesprächen mit Steiner oft nachträglich nicht mehr an das Gesprochene erinnern können, jeden wirklich vorsichtigen und lebenskundigen Beurteiler zunächst auf ganz andre Vermutungen bringen müßte als auf die Vermutung einer offenkundig unkontrollierbaren Beeinflussung durch Steiner!*

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* An dieser Stelle ergriff das Wort mein früherer Spezialkollege an der »Neuen Kirche» in Berlin, Pfarrer Dr. Ritter, Mitglied der Preußischen Landesversammlung und detitachna­tionaler Kultusreferent, Vorsitzender des Reichsverbandes der deutschen Jugend. Bis dahiii scheint die Versammlung immer noch dadurch etwas beeinträchtigt gewesen zu sein, daß bald der, bald jener, der mich von Berlin her kannte, mein Eintreten für die Anthroposophie zum Anlaß nahm, um der Bekämpfung der Anthroposophie eine größere

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Es wurden auf der Konferenz offenbar auch mehrere Vorträge gehalten, in denen sich ein ernsteres Bemühen verriet, mit der Anthroposophie sich wissen­schaftlich auseinanderzusetzen. Der Bericht selbst schreibt ihnen nicht die Haupt-bedeutung zu. Im Zusammenhang des ganzen Protokolls wirkt das Referat über sie auch, wie wenn man einem Habicht ein paar Pfauenfedern einsteckt, damit er nicht sogleich erkannt wird. Goesch, von dem sogar erzählt wird, daß er «auf alle Versammelten einen nicht im geringsten fanatischen, sondern sachlich ruhigen Eindruck machte», war «entscheidend». «Durch keine noch so überzeugende Widerlegung sind die Anthroposophen von ihrer Sache abzubringen», sagt Leise-gang. Nun, ich habe mir alle Mühe gegeben, in dem zwölf enge Seiten langen Bericht von der Tagung irgendeine «überzeugende Widerlegung» zu finden, und mich angestrengt, so viel ich konnte, mich widerlegen zu lassen. Aber, wenn zum Beispiel Pfarrer Dr. Hoppe sagte: «Resultate der anthroposophischen Forschung, die für das System der Anthroposophie von wesentlicher Bedeutung sind, wider­sprechen den Normen, denen nach bisher üblichen Ansprüchen ein Forschungsergebnis standhalten muß» - so müßte uns doch erst gesagt werden, von welchen Resultaten das gilt, und untersucht werden, was die «übli­chen» Normen sind, und vor allem, ob diese Normen für das in Rede stehende Gebiet zu Recht bestehen. Oder wenn aus der Erörterung eben dieses Satzes nur erzählt wird, daß der Geist kein Ding sei und auch durch Verdichtung nicht zum Körper werden könne - so fragt man erstaunt, ob es wirklich noch Menschen gibt, die glauben, damit irgend etwas gegen eine Weltanschauung zu sagen, der nach rhren eigenen klaren und wiederholten Äußerungen nicht einmal das Ding ein Ding ist im Sinn dieses Gegners, geschweige denn der Geist. Oder wenn Dr. Tillich, Privatdozent der Theologie an der Berliner Universität, erklärt: «Der Geist ist nicht etwas, sondern der Sinn von etwas» - so fragt man verwundert: Wie kann eine solche Äußerung widerspruchslos hingenommen werden von einer so großen Versammlung von geschulten Theologen? Wie will man denn an Gott glauben, wenn man Geist nur kennt als «Sinn von etwas», wenn also auch Gott nicht selbst »etwas» sein kann, sondern nur «der Sinn von etwas», also etwa der Sinn der Welt im Kopf des Theologen? Wie ist es möglich, daß man den offen

Höhe zu geben. Da kam Dr. Ritter seinem Freund Dr. Schweitzer zur Hilfe. Man wird mir nicht zumuten, daß ich mich gegen diese Behauptungen alle, z.B., ich sei seit meinem Absturz im Cebirg »völlig verändert» gewesen und »eines Urteils unfähig», auch nur mit einem Wort verteidige. Aber zur Charakteristik dessen, was sich theologische Polemik zu leisten vermag und sicherlich gegen unser neues religiöses Unternehmen in den nächsten Jahren leisten wird, sei nur ein Satz angeführt: »Auffallend war zum Beispiel, daß er (Rittelmeyer) in einer Zeit, wo er keinerlei Gemeindearbeit wegen seiner Krankheit tun konnte, doch Aufsätze über Anthroposophie schrieb«. Das sagt - jetzt nach Jahr und Tag, wo ich nicht mehr in Berlin bin - der Mann, der wissen muß, daß ich im Winter i 920/ 21 ein halbes Jahr lang wegen Krankheit das Zimmer nicht verlassen konnte, daß ich trotzdem jede Möglichkeit zu persönlicher Seelsorge benützte, auch vom Krankenlager aus, daß ich die zwei Aufsätze des Buchs »Vom Lebenswerk Rudolf Steiners», in langen Liegemonaten täglich ein paar Sätze diktierend, verfaßte!

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hervorlugenden Atheismus in einer solchen Anschauung - gar nicht einmal be­merkt? Und was bleibt da vom «Heiligen Geist», in dessen Namen man die Anthroposophie jetzt im «offenen Kampf» vernichten will, theoretisch noch übrig, selbst wenn man im Vorangehenden den Beweis glänzend erbracht hätte, daß man ihn praktisch hat?

Daß in einer solchen Versammlung auch die wildesten Mären über unsre religiöse Bewegung verbreitet und offenbar geglaubt wurden, ist selbstverständ­lich. Professor Jeremias, Leipzig, der durch eine einfache Anfrage bei mir jederzeit die Wahrheit hätte erfahren können - erzählt, es bestehe ein «Geheimbund von Theologen», die «Christengemeinschaft«, die «die anthroposophischen Gedan­ken in ihre Predigttätigkeit hineinbringen wollen, ohne daß die Gemeinde es zunächst merkt». «Dreihundert Pfarrer haben erklärt, sie seien bereit, aus der Kirche auszutreten, wenn Steiner es verlangt.« Oder wenn Leisegang zum Beweis der suggestiven Menschenbearbeitung durch Dr. Steiner anführt: «Muß doch jeder Geheimschüler am selben Platz jeden Tag zur selben Stunde dasselbe von Steiner lesen und meditieren» - so ist eine solche wild-phantastische Behauptung nur möglich, weil lauter «Kenner« der Anthroposophie versammelt sind, von denen kein einziger auch nur die ersten Bedingungen jeder anthroposophischen Geisteserziehung kennt. Das Dokument könnte wahrhaftig jedem gutwilligen und wahrheitssuchenden Menschen den ungeheuren Ernst unserer geistigen Si­tuation zum Bewußtsein bringen.

«Es gilt einen Kampf auf Tod und Leben. Die Seite wird siegen, die sich vom Heiligen Geist leiten läßt.» Ist die Empfindung von dem, was Heiliger Geist ist, so völlig geschwunden, daß man in einem solchen Schriftstück diesen Satz auch nur schreiben kann? Zum Heiligen Geist gehört Wahrheit und Liebe. Könnte man damit nicht wenigstens einmal den Anfang machen, daß man Zurückhaltung übt in bezug auf Verleumdungen allergröbster Art? Hätten wir doch erst einen Bund anständiger Menschen, die alle derartigen Verleumdungen, wenn ihnen nicht der strenge Wahrheitsbeweis auf dem Fuß folgt, mit Abscheu nachdrücklichst von sich weisen! Eine verantwortungsernste, geistig und moralisch gründlich gewis­senhafte Prüfung der Anthroposophie - mehr fordern wir nicht, die aber fordern wir! Es scheint eine Schicksalsfrage für den deutschen Geist, ob er dazu die geistige und moralische Kraft aufbringt. Versagt er darin - was dann als «Heiliger Geist» übrigbleibt und «siegt», damit lohnt es sich nicht zu leben!

Die »Nicht-anthroposophischen Kenner der Anthroposophie»*

#G259-1991-SE814 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

[Nachfolgend werden wiedergegeben die auf vorstehenden Artikel Rittelmeyers erfolgte Zuschrift von dem Vorsitzenden des evangelischen Volksbundes in Württemberg, Lempp, und die Entgegnung Rittelmeyers. Beides erschien zusammen in der «Anthroposophie» am 12. Juli 1923, 5. Jg. Nr. 2.]

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Die »Nicht-anthroposophischen Kenner der Anthroposophie»*

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Zu dem unter obiger Überschrift erschienenen Artikel von Fr. Rittelmeyer geht uns von nichtanthroposophischer Seite folgende Zuschrift mit der Bitte um Ab­druck zu:

1. Der erwähnte Bericht über die Konferenz ist nicht ein «Protokoll», sondern ein sehr zusammengezogener, außer an den kleinen Kreis der Teilnehmer nur an ganz wenige Personen verschickter Bericht über eine dreitägige Tagung, in dem nur das Referat etwas ausführlicher behandelt ist, das völlig unbekanntes Material geboten hat.

2. Ein objektiver Leser kann auch aus diesem Bericht sehen, mit welcher Gründlichkeit und mit welchem umfassenden Bemühen nach Verständnis der Anthroposophie die Leitung und die Teilnehmer zu Werk gegangen sind.

3. An Stimmen, die für die Anthroposophie eintraten, hat es auf der Tagung auch unter den Referenten nicht gefehlt; die Ausführungen der gegnerischen Referate wurden durchaus nicht auf einmal geglaubt, sondern fanden von ver­schiedenen Seiten energischen Widerspruch, wie auch aus dem urspiönglichen Tagungsbericht deutlich zu ersehen ist.

4. Die beiden Referate der früheren Anthroposophen haben starken Wider­spruch erfahren, aber allerdings auch tiefen Eindruck gemacht, das erste wegen des religiösen Ernstes, der dahinterstand, das zweite wegen der völlig leidenschaftslo­sen, nüchternen Art, mit der ein Dr. jur. sein auf Grund langjährigen persönlichen Umgangs mit Steiner erarbeitetes, allerdings vernichtendes Urteil über Dr. Stei­ners Persönlichkeit vortrug. Was Dr. Goesch vorgetragen hat, ist übrigens, soviel uns bekannt ist, von denen, die die Anthroposophie bekämpfen, kaum je einmal verwertet worden.

5. Rittelmeyers Anklage, daß der deutsche Geist die Anthroposophie noch keiner geistig und moralisch gründlich gewissenhaften Prüfung unterzogen habe, ist aufs schärfste zurückzuweisen. Über keine andere Geistesströmung ist so viel und darunter auch so viel Gründliches geschrieben worden wie über die Anthro­posophie in den letzten Jahren. Es könnte freilich noch viel gründlicher sein, und man brauchte keine solchen Konferenzen und solche unerquicklichen Auseinan­dersetzungen, wenn Dr. Steiner die zu jener Forderung selbstverständliche Ge­genforderung erfüllen würde: Weg mit der Geheimnistuerei von inneren und innersten Kreisen! Heraus mit den Geheimschriften! Offene Antwort auf ernste wissenschaftliche Fragen, wie sie z. B. ein Hauer und andere an Steiner gerichtet haben! Offene wissenschaftliche Diskussion vor einer philosophischen Fakultät, wozu Steiner schon wiederholt vergebens aufgefordert worden ist! Dr. R. Lempp

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* Abdruck und Erwiderung unlieb verspätet. [Bemerkung der Redaktion]

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Erfreulich an dieser Einsendung ist, daß doch ein gewisses Abrücken von dem Protokoll - oder meinetwegen von dem sehr ausführlichen Bericht - über die Tagung zu bemerken ist, wie wir es auch sonst erfuhren. «Nur an ganz wenige Personen» sei der Bericht verschickt worden. Leider sind wir monatelang immer wieder auf seine Wirkung gestoßen, ehe wir uns entschlossen, die Angelegenheit aufzugreifen. Daß das Material von Goesch «kaum je einmal verwertet worden» sei, würden wir recht gern als ein Versprechen für die Zukunft hinnehmen, nur müßte man folgerichtigerweise dann auch alle Stimmungsnachwirkung dieses Materials bei sich selbst gründlich bekämpfen. Aber Dr. Lempp kommt ja sichtbar selbst nicht los von dem Material des «völlig leidenschaftslosen, nüchternen» «Dr. jur.», das so «vernichtend» ist. Was der Bericht daraus mitteilt, ist ein widerwärtiger, aller Wirklichkeit - die wir wahrhaftig zehnmal besser kennen -widersprechender Klatsch, wie man sich schärnen würde, ihn über einen Eucken oder Tröltsch auch nur anzuhören. Es ist nicht besser als das immer wieder verwertete Material aus den «Psychischen Studien» von der bekannten, längst als geistig leider nicht gesund anerkannten R. v. S. Dr. Lempp kann sich darauf verlas­sen, daß es in der Umgebung von Dr. Steiner Menschen genug gibt, darunter auch geistig hochstehende Frauen, die es nicht verantworten könnten, für die anthropo­sophische Bewegung einzutreten, wenn auch nur ein Schimmer von dem wahr wäre, was hier behauptet ist.

Daß sich auf der Tagung einige Stimmen erhoben, die zu großer Vorsicht und Zurückhaltung ermahnten, haben wir, soweit es der Bericht ersehen ließ, aus­drücklich anerkannt, hören es aber gern noch einmal unterstrichen. Insbesondere möchten wir annehmen, daß der von uns hochverehrte Konsistorialrat D. von Rohden an vielem, was gerade der Bericht hervorhebt, wenig Gefallen fand. Aber charakteristisch ist, wie der Bericht eben diesen Mann behandelt. Eine Äußerung D. von Rohdens wird erwähnt, Dr. Steiners Persönlichkeit sei nicht eindeutig, sondern kompliziert; »bis auf weiteres müssen wir sie für sittlich halten». Der Bericht fährt fort: »Nun kam das wichtigste Referat von Dr. Heinrich Goesch», das er schon im Eingang als «entscheidend» fur die Tagung angekündigt und von dem er im voraus gesagt hatte, es habe allen, auch denen, die bisher der Anthropo­sophie am sympathischsten gegenübergestanden, die «furchtbare Klarheit» ge­bracht, daß es sich in der Anthroposophie um etwas direkt Diabolisches handle. Dr. Lempp sagt uns nun, das sei nicht von allen «geglaubt» worden. Aber der Bericht verbreitet es mit der Autorität der fünfunddreißig Männer, die an der Tagung teilnahmen, und macht Stimmung mit ihren Namen und mit ihrer genaue­ren Kenntnis des «Materials». Kann das Dr. Lempp billigen?

Doch zur Hauptsache. «Eine verantwortungsernste, geistig und moralisch gründlich gewissenhafte Prüfung der Anthroposophie - mehr fordern wir nicht, die aber fordern wir! Es scheint eine Schicksalsfrage für den deutschen Geist, ob er dazu die geistige und moralische Kraft aufbringt.» Diese «Anklage» weist Dr. Lempp «aufs schärfste zurück». Die Prüfung der Anthroposophie ist ihm bereits geistig und moralisch gründlich genug. Aber wo ist in den «vielen» Schriften

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gegen die Anthroposophie auch nur ein wirkliches Eingehen auf die Methoden der höheren Erkenntnis, das sich nicht begnügt mit historischen Einordnungsver-suchen oder raschen psychologischen Hypothesen? Wo ist ein Reden aus wirk­licher Erfahrung auf diesem Gebiet? Oder wo ist ein wirklicher Nachweis von Irrtümern? Wo ist eine ernsthaft sachliche Widerlegung, die auch nur den Gegner wirklich richtig aufgefaßt hätte? Wiewohl also sowohl in der Methode wie im Resultat die Auseinandersetzung mit der Anthroposophie noch gar nicht richtig begonnen hat, findet Dr. Lempp «so viel Gründliches». Er muß uns schon erlau­ben, die Meinung auszusprechen, daß diese Gegenliteratur in einer gar nicht fernen Zukunft einmal - ein merkwürdiges Dokument des deutschen Geistesle­bens sein wird. Was schließlich die letzten Forderungen Dr. Lempps betrifft, so sollte man wahrhaftig nicht von «Geheimnistuerei» reden dürfen, wenn das Bedürfnis besteht, auch einmal zu einem Kreis von Menschen zu sprechen, die auf einem Gebiet schon eingehendere Kenntnisse sich erworben haben. Ist es «Ge­heimnistuerei», wenn nicht jeder Beliebige ein Kolleg hören oder ein Seminar besuchen kann? Würde ein Universitätsprofessor nicht eine solche Kritik einfach als Beleidigung empfinden? Ebenso sind die Zyklen und Dornacher Vorträge mit dem Wort «Geheimschriften» durchaus verkannt und mißhandelt. Sie sind, ohne irgendwelche außerordentlichen Bedingungen, in die Hände von Tausenden gege­ben worden, sind auch längst in die Hände der Gegner geraten, können jederzeit veröffentlicht werden und werden veröffentlicht werden. Ihre authentische Wie­dergabe ist nur durch die leidige Tatsache aufgehalten, daß jeder Sachkundige selbst wünschen muß, Dr. Steiner in seinem schier unerschöpflichen Geistesreich­tum möge lieber die Jahre, die ihm noch gegeben sind, darauf verwenden, recht viel von dem mitzuteilen, was er noch gar nicht gesagt hat, als darauf, die Nach-schriften des schon Gesprochenen noch einmal durchzusehen. Was die «offene» -warum dies ganz unnötige Wort? - «wissenschaftliche Diskussion vor einer philosophischen Fakultät» betrifft, so ist ja dies gerade die Grundfrage der An­throposophie, ob die ganze Geisteshaltung der heutigen Philosophie die richtige, die einzig mögliche ist, ob die Erkenntnisfähigkeiten, die sie entwickelt, ausrei­chen, um wirklich in das Reich des Geistes einzudringen. Und darüber soll nun die gegenwärtige Philosophie selbst autoritativ entscheiden? Es verrät wirklich kein allzu «gründliches» Verständnis der anthroposophischen Hauptfragen, wenn man diese Forderung in dieser Weise erheben kann. »Wissenschaftliche Fragen», die von einem wirklichen ernsthaften, wenn auch kritischen Mitarbeiten auf diesem Gebiet eingegeben sind, die nicht aus einem Geist kommen, der durch seine vorschnelle Gegeneinstellung gegen die Anthroposophie selbst Zweifel an der wirklichen Unbefangenheit und an dem letzten Ernst des Fragers erweckt - wo sind sie denn bisher gestellt worden? Man stelle sie uns, und gern wird immer, wo nicht Dr. Steiner selbst, so einer der Anthroposophen Rede stehen, soweit er Zeit und Kraft hat.

Lieber Herr Dr.! Sie haben eine sehr verantwortungsvolle Stellung in Würt­temberg als geistiger Leiter des mehrere Hunderttausend vertrauensvolle Menschen

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umfassenden Evangelischen Volksbundes. Daß Sie für das außerordentlich Bedeutungsvolle, das die Anthroposophie, gerade zunächst in Ihrem Heimatland Württemberg, in die Welt bringt, aufgeschlossen werden möchten, wage ich kaum zu hoffen, so sehr ich es Ihnen wünschen möchte. Aber gewiß sind Sie mit mir in dem Wunsch einig, die Auseinandersetzung möchte in der würdigsten und, bei aller Entgegnung, geistig reinsten Form vor sich gehen. Ohne daß ich damit eine Anklage gegen Ihre Vorträge erheben möchte, von denen ich noch keinen gehört habe, möchte ich in Erinnerung an manches Gemeinsame, das wir gehabt haben, einiges aussprechen dürfen, was dazu erforderlich wäre und wovon mir schmerzli­che Erfahrung gezeigt hat, daß es noch nicht selbstverständlich ist. Allen Versu­chungen widerstehen, eine ernste Sache irgendwie ins Lächerliche zu ziehen! Keine Stelle aus dem Zusammenhang reißen, weder aus dem Wortzusammenhang noch aus dem Geistzusammenhang! Bei allem, was man nicht gleich versteht, zuerst einmal an sich selbst zweifeln und dann vor dem Ablehnungsurteil Men­schen fragen, die Verständnis dafür haben könnten! Nicht von Voraussetzungen aus eine leichte Kritik üben, die gerade vom Gegner angefochten werden! Ernst­haft und selbständig vor allem den Methoden nachgehen! Dem Gegner zutrauen, daß er ebenso klug sein könnte wie wir selbst! Sich frei halten für die Möglichkeit, daß die Welt viel reicher und auch ganz anders sein könnte, als wir bisher gedacht haben! In der religiösen Auseinandersetzung keinerlei Angst für Gott haben, aber Angst vor Gott, daß man ihn in einer entscheidenden weltgeschichtlichen Stunde nicht richtig verstehen könnte! Wenn Sie in diesen Grundsätzen, von denen ich annehmen möchte, daß sie Ihnen selbstverständlich sind, uns die Hand reichen könnten, dann könnten wir einmal der Welt das Vorbild einer wahrhaft geistig hochstehenden Auseinandersetzung geben und sicher davon überzeugt sein, daß wir auf diese Weise ihr und uns und der Wahrheit am allerbesten dienen.

Dr. Friedrich Rittelmeyer

Rudolf Steiners Stellungnahme im Dreißigerkreis zum Abdruck der Lempp-Zuschrift

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SITZUNG MIT DEM DREISSIGERKREIS

Stuttgart, 14. Juli 1923

a) Notizen von Karl Schubert

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Dr. Steiner beschwert sich über die taktlose Art, mit der ein Schreiber einen Artikel eingesandt hat, der eine Insinuierung gegen ihn enthält.

Dr. Rittelmey er: ... (nicht notiert)

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Dr. Steiner: Diese Erwiderung* sehe ich für ungenügend an. Aber daß die Redaktion nichts dagegen sagt, ist nicht richtig. Wie oft habe ich gebeten, daß vor allen Dingen die moralische Qualität der Gegner berücksichtigt werden muß. Für diese Dinge ist kein Gefühl hier aufzutreiben. Ohne daß diese ganze moralische Inferiorität berührt worden ist, wird das in unserer eigenen Zeitschrift abgedruckt. Dem bin ich ausgesetzt in unserer eigenen Zeitschrift. Ich bitte, das sich nur vor Augen zu führen.

Marie Steiner: ... [im Stenogramm nicht eindeutig lesbar]

Dr. Steiner: Aber die Redaktion, die dagegen nichts tut, das ist eine Redaktion, die sich ausstellen lassen kann. Bitte, man wird hier nach und nach auf ein Niveau hinuntergedrängt dürch die eigenen Handlungen der Anthroposophischen Gesellschaft, durch die es nicht möglich ist zu arbei­ten. Ich werde sozusagen gezwungen, daß ich einfach darauf wirken werde - wenn nicht von der Leitung der «Anthroposophie» Maßnahmen ergriffen werden-, daß die «Goetheanum»-Artikel in der «Anthroposo­phie» abzudrucken verboten wird.

Was ich ausspreche, wird in den Wind geschlagen. Es wird über die wesenlosesten Dinge konferiert, und es werden noch solche Dinge hinzu­gefügt. Schließlich ist es unmöglich, in Stuttgart mitzutun, wenn solche Dinge geschehen. Was jeder moralische Auswürfling fabriziert, das muß hier abgedruckt werden. Es steht nirgends darinnen, daß solch ein Mensch, der so etwas ausspricht, sich selbst richtet. Man schreckt immer davor zurück, diese ganze furchtbare Unmoralität ins rechte Licht zu setzen. Man ist froh, wenn die Leute sagen: Wir haben diskutiert darüber, ob der Steiner unanständig ist oder nicht. - Es ist nicht möglich, ernsthaft Geisteswissenschaft zu treiben. - Ein Mensch, der einen anderen verdäch­tigt, ist nur dann zurückgewiesen - - - Das ist bloß dazu geschrieben, um den Lempp als einen anständigen Menschen hinzustellen, der einer Sache zum Opfer fällt. Man behandelt mich mit Dreckanschmeißen und behan­delt die Leute mit Handschuhen. Die Zeitschrift, die durch die Bewegung gehalten wird, die gibt sich widerspruchslos her; und das soll man wider­spruchslos hinnehmen. Ich sehe, daß niemand ein Wort des Urteils dar­über übrig hat.

Dr. WJ. Stein: Dieses Herfallen über Dr. Steiner ist zur Gewohnheit geworden. Dr. Steiner ist vogelfrei, auch innerhalb dieses Kreises.

Dr. Steiner: Ich wiederhole noch einmal: Diejenigen, die verantwortlich sind für das Erscheinen der «Anthroposophie», haben nicht die Aufgabe,

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* Siehe Seite 814.

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solch einen Mann ernst zu nehmen, das ist Material, wie es die Gegner nur brauchen.

Alexander Strakosch: Wir haben uns im Februar entschlossen, Dr. Goesch zu charakterisieren,

Dr. Steiner: Nicht durchgeführte Entschlüsse sind eine Schwächung. Nächstens werden wir eine lobende Ankündigung der Frohnmeyer-Bro­schüre lesen! Diese Sache ist nicht wieder gut zu machen in der Zeitung selbst. Es ist Material für die Gegner, wie man es besser nicht schaffen kann. Gut zu machen ist es nicht wieder. Das höre ich ein halbes Jahr, daß über Herrn Goesch geschrieben wird. Es ist furchtbar, daß Herr Goesch glonifiziert wird. Es ist ja nie etwas herausgekommen. Ich darf die Frage stellen, ob nicht die Möglichkeit gewesen wäre, daß man in Stuttgart diese Ungeheuerlichkeit bemerkt hätte.

Emil Leinhas: Die moralische Faulheit in der Erwiderung ist mir sehr wohl ins

Bewußtsein gekommen. Ich muß es so verstehen, daß Herr v. Grone sich auf Dr.

Rittelmeyer verlassen hat.

Dr. Rittelmeyer: Ich muß schon sagen, daß ich die Anklage ganz auf mich beziehen muß. Ich habe geglaubt, daß die Art, wie ich verteidige, richtig ist.

Jürgen v. Grone: Ich weiß - - -Dr. Steiner: Mir ist die Anspielung eines moralischen Auswürflings ganz

gleichgültig. Mir ist es nicht gleichgültig, wenn dieser Mensch glorifiziert wird. Glorifiziert wird ein solcher Mensch, wenn man ihm in solcher Art erwidert, besonders wenn man sagt, daß er ein geistiger Leiter von mehre­ren hunderttausend Menschen ist. Daß Sie es gut gemeint haben, darin setze ich keinen Zweifel. Aber daß man den Gegnern Material liefert, das ist das Schwerwiegende. Zuletzt wird zugestanden: «Wenn Sie in diesen Grundsätzen uns die Hand reichen könnten, dann könnten wir der Welt das Vorbild einer wahrhaft geistig hochstehenden Auseinandersetzung geben. »

Mit einem solchen Lumpen sollen wir zusammen ein Beispiel geben? Man bittet um die Hand eines Lumpen! Die «Anthroposophie» stellt sich dadurch gegen mich.

Der Gegner nutzt das aus, und solch eine Sache wird abgedruckt ünd nicht widersprochen. Man denkt dadurch, daß es viel ernster zu neh­mende Persönlichkeiten sind. Was Goesch ist, das wissen wir allein. Diejenigen, welche von Dr. Lempp das lesen, nicht. Außerdem ist es eine Pflicht, nachzuforschen, ob das nicht erlogen ist. Also, die Leute dürfen

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ungehindert lügen. Man hat gar kein Gefühl, daß das Lügen etwas ist, was nicht geht.

Dr. Rittelmeyer: Wäre der Fail zur Sprache gekommen - - Ich bedaure, diese Sache gemacht zu haben, da ich den Verlauf sehe.

Emil Leinhas oder Dr. Steiner: Das ist die erste eigene Sache, die seit längerer Zeit darin steht. Der Lempp ist nicht angegriffen gewesen, und es hätte auch nicht der Gegenartikel gebracht werden müssen. Für den Vorgang ist die Redaktion verant­wortlich.

Dr. Steiner: Es liegt die Tatsache vor, daß ein moralischer Lump glorifi­ziert wird dadurch, daß er abgedruckt wird. Der Vorstand als solcher kann sich nicht einverstanden erklären, daß diese Sache passiert ist. Es ist jemand verantwortlich dafür, der es gelesen und hereingenommen hat.

Es ist erst vor ganz kurzer Zeit davon die Rede gewesen, daß man sachlich geschriebene gegnerische Artikel aufnehmen soll. Diese Zeit­schrift macht sich zum Sprachrohr von Lumpen und moralischen Lüg­nern. Die «Anthroposophie» druckt Artikel des «Goetheanum» ab, um dann solches Gefasel herauszubringen.

Marie Steiner: Könnte man es nicht so ausdrücken, daß die Bindung der kirchli­chen Zusammenarbeit Dr. Rittelmeyer verhindert hat, Dr. Lempp gleich zu erkennen? Der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft kann plötzlich ein schärferes Auge kriegen, als es derjenige gehabt hat, der durch seine ganze Lebens-arbeit damit verbunden war. Es ist wohl auch nur dadurch zu erklären. Man kommt nicht gleich darauf, daß die früheren Kollegen und jetzigen Gegner verlogen sind.

Alexander Strakosch: Könnte die Redaktion nicht schreiben, daß sie den Aufsatz Dr. Rittelmeyers aufnahm und jetzt entgegnet?

Marie Steiner: Ich glaube, daß es nur möglich ist, daß man das Weiterbestehen der Zeitschrift für unmöglich erklärt, damit dadurch bekundet wird, daß das Niveau der Gegner ein solches ist, daß es nicht diskutabel ist.

Dr. Steiner: Die Schwägerin und der Bruder sollten doch etwas sagen. Der Bruder von Goesch sollte den Mut haben zur Wahrheit. Er sollte doch selbst auftreten. Schließlich hat da die alte Frau Langen doch noch mehr Mut gehabt. Es könnte die Erklärung von Herrn v. Grone mitunterzeich­net sein. Glauben Sie nicht, daß es mir widerwärtig war zu sagen, daß der Graf Keyserlingk ein Lügner ist? So etwas ist man im gegebenen Fall zu erklären verpflichtet. Warum sollte nicht der Mut vorhanden sein, die Württemberger aufzuklären, daß sie sich einem Menschen anvertrauen, der lügt? Wenn nicht zugegeben würde, daß das eine Lüge ist, so müßte

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ich zurücktreten von der Gesellschaft. Der Redaktion hätte der Artikel nicht genügen dürfen. Das hätte der Redaktion der Zeitschrift nicht genügen dürfen, die von mir mitbegründet worden ist und für die ich auch geschrieben habe.

Es steht nirgends darin, daß Dr. Lempp ein Lügner ist. Wenn diese Ansicht bezweifelt werden sollte, daß Dr. Lempp ein Lügner ist, so trete ich von der Anthroposophischen Gesellschaft im Moment zurück. Die schwerste Sache ist die Verlogenheit der Kirche. Einem Menschen wie Dr. Lempp ist die Wahrheit einerlei. Er lügt dann, wenn er glaubt, daß er seinen Anhängern zum Munde redet. Es ist nicht gut für unsere Sache, wenn man moralisch lügenhafte Menschen als kompliziert ansieht. Muß man einen Menschen moralisch verteidigen, der verleumdet? Bloß weil er durch die schrecklichen Zeitverhältnisse zum Leiter von hunderttausend Menschen geworden ist? Wir kommen nicht weiter, wenn wir nicht der Wahrheit glatt ins Auge schauen. Ich halte es für einen Wohlwollensgruß an den Dr. Lempp. Das ist ihr gutes Recht, aber die Redaktion ist verpflichtet, einen solchen Wohlwollensgruß nicht zu nehmen oder einen energischen Abwehr-Artikel zu bringen. Es geht nicht, daß man von seiten der Redaktion aus sagt, man reicht den Leuten die Hand.

Es bestehen merkwürdige Ansichten, wie Artikel in der Welt aufge­nommen werden. Es kann sich jeder auf den Artikel berufen [und sagen]:

Was müssen diese Leute auf dem Kerbholz haben, die in solcher Weise reagieren, indem sie sich Ohrfeigen geben lassen und auch Ohifeigen geben lassen demjenigen, den sie als Leiter anerkennen! - Daß man in einer solchen Angelegenheit mit minutiösem Gefühl der Wahrheit nach­gehen muß, solch ein Gefühl existiert nicht. Ich habe es als grundlegende Bedingung ausgesprochen, daß nicht die Tendenz fortbesteht, die morali­sche Verworfenheit durch die Finger anzusehen und sie nicht ernst zu nehmen. Es ist nicht bloß eine Oberflächlichkeit, es ist eine Sünde wider das Verantwortungsgefühl.

Dr. Kolisko meint, Herr von Grone müsse sagen, daß er auf die Unwahrhaftigkeit der Dinge gekommen ist.

Marie Steiner: Es war eine Unüberlegtheit und keine Beratung.

Dr. Steiner: Mangel an Überlegtheit, der in dem System beruht, jeden moralischen Lumpen mit Handschuhen anzufassen. Es ist von jeher so gewesen. Man hat sich so gewöhnt an die Anwürfe, daß man den Gegner höflich behandelt. Was der Vorstand sagen kann, das kann man ausdiük­ken; was Herr von Grone selbst sagen könnte, das ist schwierig.

#SE259-822

Emil Leinhas: Es ist beinahe nichts zu redigieren.

Dr. Steiner: Es wäre tatsächlich nicht zur Sprache gebracht worden, wenn ich es selbst nicht zur Sprache gebracht hätte. Da es schon nicht geschah, muß ich auch noch das Odium auf mich laden, daß - nachdem von niemand das zur Sprache gebracht worden ist-, das von mir zur Sprache gebracht werden mußte.

#TI

b) Notizen von derselben Sitzung von Theodor Lauer

#TX

Für die heutige Sitzung hatte Unger eine Tagesordnung aufgesetzt. Als Dr. Steiner etwas später kam, hatte man schon einen Teil der Punkte durchberaten und teilte ihm das Ergebnis mit: daß die Delegation für den 22. Juli* aus Büchenbacher, Leinhas, Mücke, Röschl und Unger bestehen werde und daß sie den von Rittelmeyer, Bauer, Peipers, Heydebrand und Lehrs unterschriebenen Aufruf vorlegen werde.* *

Als Unger fortfahren wollte, über das, was man weiter in Dornach vorbringen wolle, zu berichten, unterbrach ihn Dr. Steiner auf einmal heftig, indem er erregt und mit ungewohnter Schärfe des Ausdrucks auf den Artikel in Nr.2 der «Anthroposophie» «Die nicht-anthroposophi­schen Kenner der Anthroposophie» hinwies, den er in der Hand hielt und kurz vorher erhalten hatte.

Er tadelte mit den schärfsten Worten, daß die Redaktion die Zuschrift eines «intellektuellen und moralischen Lumpen» wie des Lempp, die von ungeprüft hingenommenen Unwahrheiten, Lügen und Verleumdungen strotze, überhaupt abdrucke. Sie erniedrige sich dadurch selbst in einer unmöglichen Art und Weise. Denn es habe ja nicht die geringste Veranlas­sung vorgelegen, von diesen «Anwürfen eines Auswürflings» auch nur Notiz zu nehmen. Und dann sei diese Zuschrift unverkürzt abgedruckt worden, ohne auch nur ein einziges Wort folgen zu lassen, das die Entiü­stung über solche Anwürfe zum Ausdruck bringe und die moralischen Qualitäten des Lempp aufdecke. Ja man bedaure sogar, den Abdruck nicht früher gebracht zu haben («unliebsam verspätet»). Schließlich habe man einen so unmöglichen Artikel wie denjenigen Rittelmeyers als Ent­gegnung als genügend befunden.

- - -

* Für die Internationale Delegiertenversammlung, siehe Teil III.

** Dürfte sich auf den Aufruf zur Schaffung eines Goetheanum-Fonds beziehen.

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Zu Rittelmeyer gewandt, sagte er diesem schonungslos, er könne nicht verstehen, daß er seine Entgegnung auf die Zuschrift eines Menschen, der in leichtfertiger Weise lüge, anstatt diesen, nicht nur zur Abwehr, sondern im Interesse der Wahrheit und des Geisteslebens der Gegenwart an den Pranger zu stellen, mit Worten beginne wie: «Erfreulich an der Einsen-dung ist....», daß er ihn als «Lieber Herr Doktor» anrede und im Speichellecken* so weit gehe, daß er sage, er nehme an, daß ihm die Grundsätze ehrlicher Auseinandersetzung selbstverständlich seien, und er hoffe, zusammen mit ihm der Welt das Beispiel einer geistig hochste­henden Auseinandersetzung zu geben. Er strecke also einem Menschen noch die Hand entgegen, der soeben bewiesen habe, daß er ein Schuft sei.

Aber das komme eben daher, daß man sich angewöhnt habe, keinem Gegner wehzutun, sondern sie mit Glacé-Handschuhen anzufassen und auf seine Kosten, dem man alles bieten zu dürfen glaube, den Vornehmen zu spielen. Aber schließlich könne ja Rittelmeyer schreiben, was er wolle, wenn er durch seine kirchliche Vergangenheit einen Kollegen, der ein Schuft sei, nicht einen Schuft nennen könne. Er wende sich vor allem an die Redaktion, die nicht für nötig befunden habe, gegenüber der Darstel­lung des Dr. Goesch als «völlig leidenschaftslosen, nüchternen Dr. jur.» auch nur ein Wort zur Charakterisierung dieses Menschen beizufügen und zu untersuchen, ob der andere erwähnte Referent, der «wegen seines religiösen Ernstes so tiefen Eindruck gemacht hat», wirklich früher Mit­glied gewesen sei. Tatsache sei nämlich, daß es sich um eine Frau handle, die nicht Mitglied der Anthroposophischen, sondern der Theosophischen Gesellschaft war. Er fügte wörtlich hinzu: «Daß in unserer geisteswissen­schaftlichen Bewegung minutiöseste Gewissenhaftigkeit Grundbedin­gung ist, davon hat hier niemand Ahnung!» Er habe nicht gedacht, daß er so etwas erfahren müsse von einer Zeitung, die er mitbegründet habe und für die er jede Woche einen Artikel aus dem «Goetheanum» zur Verfü­gung stelle. Was müßten die Gegner über so etwas denken! «Die Anthro­posophen müssen viel auf dem Kerbholz haben, daß sie auf einen solchen Artikel nur so lahm und schwach zu antworten wagen! » Er müsse sich überlegen, ob er weiterhin «Goetheanum»-Aufsätze für diese Zeitschrift zur Verfügung stellen könne. Wenn die Gesellschaft gegen eine solche Ungeheuerlichkeit nicht Front mache, trete er von ihr zurück.

Man überlegte, was zu tun sei. Unger und Stein meinten, die Zeitung müsse ihr Erscheinen einstellen, nachdem in einer letzten Nummer die

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* Die Formulierung »Speichellecken» dürfte von dem Protokollanten, nicht von Rudolf Steiner sein, denn sie kommt in den zwar lückenhaften, aber stenographischen Notizen von Karl Schubert nicht vor.

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Unmöglichkeit dargestellt worden sei, sie nach dem Vorgefallenen weiter zu führen. Leinhas fand nur nötig, daß von Grone zurücktrete. Das Blatt könne als deutsche Ausgabe des «Goetheanum» weiter erscheinen. Man brauche gar keinen Redakteur, der nichts zu redigieren habe, und von Grone habe ja überhaupt noch nichts geschrieben.

Zwischenhinein versuchte Rittelmeyer sich zu verteidigen: er habe alles in bester Absicht getan, aber er sehe jetzt ein, daß, wenn es sich um Dr. Steiner handle, man ganz anders wach sein müsse als sonst. Er wurde jedoch von Dr. Steiner nur um so schärfer zurechtgewiesen. Zum allge­meinen Entsetzen rief Dr. Stein dazwischen: «Wie kann man einen sol­chen Menschen noch länger im Vorstand der Gesellschaft dulden!» Da wies ihn Frau Dr. Steiner zurecht: «Vergessen Sie nicht, Herr Dr. Stein, daß Sie noch so jung sind!»

Schließlich einigte man sich darauf, daß von Grone durch eine Erklä­rung in der nächsten Nummer die Sache so gut wie möglich retten solle, da doch die Gesellschaft oder der Vorstand, dem er ja selbst angehört, nicht öffentlich gegen ihn vorgehen könne, und auch von Grone selbst, um sich nicht jeder Möglichkeit, z. B. gegen von Gleich vorzugehen, zu begeben, sich nicht ganz unmöglich machen dürfe. Man ging dann wieder auf die Tagesordnung zurück.

Dr. Steiner saß apathisch dabei, schrieb ab und zu etwas, ging einmal hinaus. Er nahm offensichtlich keinen Anteil mehr an der Beratung. Es war bedrückend, ihn anzusehen. Gegen Vs 1 Uhr machte Leinhas den Vorschlag, abzubrechen, um Dr. Steiners Zeit nicht länger in Anspruch zu nehmen.

Nachbemerkung des Herausgebers:

Rudolf Steiner war in diesen Tagen zu Vorträgen in Stuttgart. Es war auch ein Vortrag vorgesehen für einen engeren Kreis, eine sogenannte esoterische Stunde, vermutlich für den 15. Juli. Zu diesem Kreis zählte auch Jürgen von Grone und wahrscheinlich sollte auch Dr. Rittelmeyer dazukommen. Diese esoterische Stunde wurde von Dr. Steiner aufgrund des »Anthroposophie»-Vorkommnisses abgesagt. Albert Steffen, der damals dabei war, berich­tete auf der Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft des Jahres 1944 (am 2. April), daß Rudolf Steiner zu ihm gesagt habe: Der Vortrag könne nicht gehalten werden, wenn so etwas möglich sei. Und er habe wörtlich hinzugefügt: »Man hat mir links und rechts und mitten ins Gesicht geschlagen.»

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Die weitere Behandlung des Falles in verschiedenen Stuttgarter Gremien

#TI

SITZUNG DES DREISSIGERKREISES

Stuttgart, 25.Juli 1923 (ohne Rudolf Steiner)

Notizen von Theodor Lauer

#TX

Die internationale Delegiertenversammlung, die am 22. Juli in Dornach mit einem Abendvortrag Dr. Steiners ihren Abschluß fand, soll mit einem Mißton geendet haben.* Auf den in den letzten Worten Dr. Steiners enthaltenen Vorwurf, er bedaure, daß man neben dem finanziellen nicht auch von dem moralischen Fonds für den Wiederaufbau des Goetheanum gesprochen habe, soll Leinhas die Affäre Lempp-Rittelmeyer zur Sprache gebracht haben, dabei aber zweimal von Dr. Steiner unterbrochen worden sein. Nachher habe Dr. Steiner noch einmal das Wort ergriffen und gesagt, er bedaure, daß diese Dinge zur Sprache gebracht worden seien; aber nachdem es geschehen sei, müsse er eben sagen, daß seine Person von jeher und noch immer als notwendiges Übel in der Bewegung betrachtet werde und die ihn betreffenden Dinge als Quantité négligeable angesehen wür­den.

Die Bestürzung darüber sei groß gewesen, man habe Leinhas ver­wünscht und im Zusammenhang mit der auch sonst sehr wenig glückli­chen Haltung der deutschen Delegation geäußert, solange die gegenwärtig führenden Persönlichkeiten in Stuttgart am Ruder seien, erlebe man nur eine Katastrophe nach der andern.

Unger, der vorher von dem Vorgehen Leinhas' nicht verständigt wor­den sei, war am Montag zurückgereist und hatte am Zweigabend darüber berichtet.

All dies wird vor Beginn der Sitzung herumgeboten.

Leinhas wird als kompromittiert bezeichnet. Man steht unter dem Eindruck der Erwartung, was bei dieser Situation wohl geschehen werde.

Die soeben gedruckte Nummer 4 der «Anthroposophie», die einen Protest der hiesigen führenden Persönlichkeiten gegen die frühere Redak­tion enthält, wird verteilt.** Für die Redaktion zeichnet nunmehr Dr. Piper. Dieser, der zum ersten Mal im Kreise anwesend ist, wird von Dr. Unger begrüßt. Dann erhält Leinhas das Wort. Er schildert, was sich in Dornach begeben hat. Es geht daraus hervor, daß Dr. Steiner nicht ihn persönlich zurechtgewiesen, sondern die Sache selbst hat treffen wollen.

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* Siehe Seite 596 ff. ** Siehe nächstes Dokument.

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Nach dieser Rechtfertigung geht Leinhas über zur Darstellung des Verhaltens der deutschen Delegation. Die Vertreter des Rheinlandes (be­sonders die jungen Leute Hessenbruch und Kessier) scheinen sich in Dornach sehr aufrührenisch benommen zu haben. Sie waren auch am Montagabend im Zweig gegen den Vorstand aufgetreten.

Darauf wurde beschlossen, im Zweig über den «Dreißigerkreis» zu sprechen und seine Mitglieder namentlich bekanntzugeben. Der ganze Mittwoch abend wurde in allen Einzelheiten vorbesprochen: daß Unger über die Vorträge in Dornach berichten solle, darauf Kolisko die Mittei­lung über den Kreis machen und überhaupt die Versammlung so leiten solle, daß Putsch-Versuche der Kölner zurückgewiesen und das Steuer der Versammlung fest in der Hand behalten werden könne.

Unter anderem wurde noch mitgeteilt, daß der Vorstand an Rittel­meyer einen Brief geschrieben habe, er hoffe, daß Rittelmeyer wegen der Affäre nicht aus dem Vorstand ausscheiden werde.

«Anthroposophie», 5.Jg., Nr.4 vom 26. Juli 1923. Erklärung von neun führenden Persönlichkeiten aus der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland

Nochmals: «Die nicht-anthroposophischen Kenner der Anthroposophie»

In Nr.2 der «Anthroposophie» hat eine Zuschrift zu obigem Thema von Dr. R. Lempp und eine Antwort darauf von Dr. Friedrich Rittelmeyer Aufnahme gefun­den. Wir sehen uns genötigt, zu dieser Tatsache Stellung zu nehmen. Denn man begreift nicht, warum diese Zuschrift überhaupt aufgenommen worden ist. Weder durch ihre logische noch durch ihre moralische Qualität konnte man sich bemu­ßigt finden, sie anders zu behandeln als ein Schriftstück, das eine Redaktion in den Papierkorb befördert. Auch die Antwort Dr. Rittelmeyers läuft auf eine Flattie­rung des Gegners hinaus, zu der die «Anthroposophie» wirklich keine Veranlas­sung hat. Die ganze Sache ist, durch eine Verkettung von Umständen, ohne Wissen derjenigen Persönlichkeiten, die für die Führung der Angelegenheiten der Anthroposophischen Gesellschaft verantwortlich sind, in die «Anthroposophie» aufgenommen worden. Die Spalten dieser Zeitschrift sollen sachlicher Gegner­schaft, wenn sie mit Geist vorgebracht wird, jederzeit offen sein. Aber es kann nicht ihre Aufgabe sein, solche Gegner in ihr zu Worte kommen zu lassen, die sich zum Träger von persönlichen Verunglimpfungen Dr. Steiners machen; sei es, daß sie diese selbst vorbringen, sei es, daß sie sich auf Verleumdungen anderer berufen, ohne daß sie die Verpflichtung fühlen, das Material und die Persönlichkeiten, auf die sie sich stützen, einer gewissenhaften Prüfung zu unterziehen, ehe sie sie benutzen, um dadurch die Ehre ihrer Mitmenschen zu verletzen.

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Dr. Lempp, der selbst an der Konferenz der «nicht-anthroposophischen Ken­ner der Anthroposophie» nicht teilgenommen hat, behauptet, aus dem Bericht darüber den Eindruck gewonnen zu haben, die Leitung und die Teilnehmer dieser Konferenz seien mit «Gründlichkeit» und «umfassendem Bemühen nach Ver­ständnis der Anthroposophie» zu Werke gegangen. Demgegenüber müssen wir fragen: Welches sind die Beweisgründe, aus denen heraus Dr. Lempp die in dem Bericht vorgebrachten Tatsachen für wahr hält? Welches sind die Möglichkeiten, die Dr. Lempp hat, die Wahrhaftigkeit der dort auftretenden Persönlichkeiten zu prüfen? - Kann Dr. Lempp in diesen beiden Punkten seine Gewissenhaftigkeit nicht nachweisen, so müssen wir seine Zuschrift unter die Rubrik derjenigen rechnen, die wir oben charakterisiert haben. - Woher weiß Dr. Lempp, daß jener Dr. jur. ein Recht hat, von einem «langjährigen persönlichen Umgang» mit Dr. Steiner zu sprechen, während uns bekannt ist, daß Dr. Steiner Dr. Goesch zwar wie jedes Mitglied hie und da gesehen hat, aber niemals in einem Umgange mit ihm stand, den man in obiger Weise bezeichnen kann?

Solch fragwürdige Unterlagen benutzt Dr. Lempp als Argumente gegenüber einem Manne wie Dr. Steiner, der im Brennpunkte des öffentlichen Interesses der Gegenwart steht; von dem Dr. Lempp weiß, wie er von allen Seiten den niedrig­sten persönlichen Verleumdungen ausgesetzt ist; gegenüber einem Manne, über dessen geistige Kapazität er sich durch das ernsthafte Studium auch nur eines seiner umfassenden geisteswissenschaftlichen Werke leicht ein Urteil verschaffen könnte und über dessen über jeden Zweifel erhabene Moralität er von Menschen, die ihm selbst als vertrauenswürdig bekannt sind, jederzeit einwandfreies Zeugnis erhalten könnte.

Das Urteil über die moralische Wertigkeit eines solchen Verfahrens überlassen wir getrost denjenigen Zeitgenossen, die sich noch ein Gefühl dafür bewalirt haben, daß man die Ehre seiner Mitmenschen nicht leichtfertig antasten soll. Den Vertreter der Religion aber verweisen wir auf das achte Gebot.

Dr. Rittelmeyer hat den Versuch unternommen, sich mit Dr. Lempp in kolle­gialer Weise auseinanderzusetzen. Das ist seine persönliche Angelegenheit. Uns scheint es aber erforderlich, darauf hinzuweisen, daß das Verfahren des Dr. Lempp zu dem Suchen nach den Quellen der Wahrheit in einem Verhältnis steht, das man bei einem offiziellen Vertreter des Christentums nicht vermuten sollte. Wir finden an der Einsendung Dr. Lempps gar nichts «erfreulich»; haben auch nichts weniger als den Wunsch, ihm «die Hand zu reichen, um der Welt das Vorbild einer wahrhaft geistig hochstehenden Auseinandersetzung zu geben»; denn wir verspüren keinerlei Neigung, uns auf das moralische Niveau zu begeben, auf das sich Dr. Lempp durch seine Einsendung stellt. Außerdem finden wir es unmöglich, daß Dr. Steiner als Gegner von Dr. Lempp bezeichnet wird, den Dr. Steiner überhaupt erst durch diese Polemik kennengelernt hat.

Dr. Steiner wird seit Jahr und Tag von allen Seiten mit persönlichen Verleum­dungen und Verunglimpfungen schlimmster Art überzogen. Die Gegner der Anthroposophie weichen einer sachlichen Auseinandersetzung mit ihr geflissentlich

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aus. Teils kennen sie ihren Wahrheitsgehalt sehr gut, teils fühlen sie ihn instinktiv; da sie aber die Wahrheit nicht lieben, greifen sie immer von neuem zu dem Mittel, Dr. Steiner persönlich zu verunglimpfen. Darin finden sich die Gegner aus allen Lagern einmütig zusammen. Dabei ist ihnen gleichgültig, ob, was sie für ihre Zwecke geeignet finden, Lüge oder Wahrheit ist. Die Sehnsucht, Lügen zu verbreiten über die Dinge, deren Wahrheit zu prüfen man nicht wünscht, findet man ja in einer Zeit, in der alle Verhältnisse in Korruption geraten sind, häufig genug. Die Verpflichtung dagegen, die Quellen, aus denen man schöpft, auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, fühlt man fast nirgends.

Demgegenüber müssen wir, denen die Liebe zur Wahrheit ins Herz zu gießen Dr. Steiner durch sein ganzes Wirken durch Jahrzehnte hindurch sich bemüht hat, die Verantwortung fühlen, die Lüge in jedem Gewand und in jeder Gestalt, auch dem der frommen Heuchelei, zu erkennen und ihr rücksichtslos die Maske vom Gesicht zu reißen.

Wir sind uns wohl bewußt, daß in unserer Zeit die Macht der Lüge groß geworden ist in der Welt und daß die Stimme der Wahrheit nur noch bei wenigen ein Ohr findet. Nur an diese wenden wir uns; auch wenn sie die Lehren der Anthroposophie glauben nicht annehmen zu können. Denn höher als jede Lehre steht uns die Liebe zur Wahrheit.

#TI

Dr. Hans Büchenhacher, Dr. Eugen Kolisko, Emil Leinhas,

Dr. Otto Palmer, Dr. Kurt Piper, Dr. Maria Röschl, Dr. W. J. Stein,

Dr. C. Unger, Wolfgang Wachsmuth.

SITZUNGEN DES DREISSIGERKREISES

Sitzung vom 1. August 1923 (ohne Rudolf Steiner)

Notizen von Theodor Lauer

#TX

Es wird mitgeteilt, daß Dr. Steiner bei seiner gegenwärtigen Anwesenheit vor der Reise nach England geäußert hat, er werde nicht in den Kreis kommen, bevor dieser seine Existenz-Berechtigung wieder gewonnen habe dadurch, daß er etwas in der Zeitungs-Affäre unternehme. Bis dahin betrachte er ihn als nicht existierend. Er habe ferner die Tatsache, daß er zur heutigen Sitzung nicht eingeladen worden sei, als Symptom seiner Behandlung als «Quantité négligeable» bezeichnet.

Darauf wird beschlossen, die verschiedenen Protest-Resolutionen, einen Aufruf für Dr. Steiner sowie eine Veröffentlichung des «Dreißigerkreises» in

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der von der Anthroposophischen Gesellschaft herauszugebenden Zeitung zu veröffentlichen. All dies soll eine Deputation, bestehend aus Arenson, Lein­has und Stein, mit Frau Dr. Steiner besprechen.

#TI

Sitzung vom 3. August 1923 (ohne Rudolf Steiner)

Notizen von Theodor Lauer

#TX

... Nachher berichteten Arenson und Stein (Leinhas war nicht da) über ihre Besprechung mit Frau Dr. Steiner. Sie konnten mitteilen, daß Frau Doktor die Veröffentlichungen, die wir in der letzten Sitzung beschlossen hatten, gutge­heißen habe. Gegenüber dem Bedenken Dr. Palmers, daß es unwürdig sei, sich von der Gattin Dr. Steiners beraten zu lassen, was man tun müsse, um ihm Satisfaktion zu geben, wurde geltend gemacht, daß man nicht an seine Gattin, sondern an seinen ältesten und erfahrensten Mitarbeiter gelangt sei, und bestätigt, daß man dies künftig mehr als bisher tun wolle...

#TI

Sitzung vom 5. August 1923 (ohne Rudolf Steiner)

Notizen von Theodor Lauer

#TX

... Die Veröffentlichungen in der nächsten Nummer der «Anthroposophie» wurden nochmals durchbesprochen und endgültig bereinigt.

«Anthroposophie», 5.Jg., Nr.6 vom 9. Auguit 1923

Mitteilung des Vorstandes der Anthropoiophischen Gesellschaft in Deutschland

#TI

In eigener Angelegenheit

Stuttgart, den 3. August 1923

#TX

Im Anschluß an die in Nr.4 dieser Zeitschrift veröffentlichte Erkärung: «Noch­mals: Die Nicht-anthroposophischen Kenner der Anthroposophie» geben wir hiermit bekannt, daß der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland, um ein ähnliches Vorkommnis, wie das dort behandelte, in Zukunft unmöglich zu machen, beschlossen hat, die Zeitschrift «Anthroposophie» zum offiziellen Organ der Gesellschaft zu machen und dies dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß er gegenüber der Öffentlichkeit künftighin als Herausgeber der «Anthroposophie» zeichnen wird.

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Der Vorstand hat Herrn Dr. Kurt Piper zum verantwortlichen Redakteur dieser Zeitschrift berufen.

Es wird die Aufgabe der «Anthroposophie» sein, in dieser Zeit des allgemeinen Niederganges einzutreten für die geistigen Werte, die aus der Anthroposophie Dr. Rudolf Steiners erfließen, weil diese unserer Zeit bitter not tun. Es wird aber auch ihre Aufgabe sein, Dr. Rudoff Steiner selbst in wirkungsvoller Weise vor den persönlichen Verunglimpfungen und Verleumdungen zu schützen, denen er sei­tens einer unerhört skrupellosen Gegnerschaft nun schon seit Jahren ausgesetzt ist. Gegenüber dieser Gegnerschaft aus allen Lagern kann nur rücksichtsloses Eintreten für Wahrheit und Wahrhaftigkeit Schutz gewähren. Wir vertrauen darauf, daß auch heute noch die Stimme der Wahrheit nicht ganz ungehört verhallen wird.

Im folgenden bringen wir einige Kundgebungen zur Kenntnis unserer Leser, die mit der in Nr.4 dieser Zeitschrift behandelten Angelegenheit in Zusammen­hang stehen.

#TI

Der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland

Jürgen von Grone, Dr. Eugen Kolisko, Emil Leinhas,

Dr. Otto Palmer, Dr. Friedrich Rittelmeyer, Dr. Walter Johannes Stein,

Dr. Carl Unger, Wolfgang Wachsmuth

Resolution

#TX

der anläßlich der internationalen Delegierten-Tagung der Anthroposophischen Gesellschaft in Dornach anwesenden Delegierten und Mitglieder der deutschen anthroposophischen Gesellschaften.

Dornach, den 22.Juli 1923.

Die in Dornach versammelten Delegierten und Mitglieder der deutschen anthro­posophischen Gesellschaften haben Kenntnis genommen von der in Nr.2 der Zeitschrift «Anthroposophie« abgedruckten Einsendung von Dr. Lempp und der Antwort darauf von Dr. Friedrich Rittelmeyer. Sie sind entrüstet über die Tatsa­che, daß diese Zuschrift von Dr. Lempp, die Herrn Dr. Steiner in der schlimmsten Art persönlich verunglimpft, in der Zeitschrift «Anthroposophie« aufgenommen worden ist. Sie weisen auch die Antwort Dr. Rittelmeyers, die auf eine Glorifizie­rung eines Gegners von solchen moralischen Qualitäten hinausläuft, aufs schärfste zurück. Sie erachten es für eine der Hauptaufgaben der Anthroposophischen Gesellschaft, Herrn Dr. Steiner als den Vertreter der Wahrheit in unserer Zeit durch einmütiges Eintreten der Mitgliederschaft für die Wahrheit gegen Lüge und Verleumdung zu schützen. Sie bitten, diese ihre Stellungnahme Herrn Dr. Steiner zur Kenntnis zu bringen und sie mit ihren Unterschriften in der Zeitschrift «Anthroposophie« zu veröffentlichen.

Heinrich Aldag, Oberzwehren; Marie Becker, Elberfeld; Fr. Bittiner; M. O. Bremner, Freiburg; Hilde Bregel, Berlin; Dr. Dauner, Konstanz; Hermann Eichenberger,

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Sondelfingen; A. Everbeck, Hannover; J. Flor, Leipzig; Helene von Grunelius, Stuttgart; Maria Hachez, Stuttgart; Hahne, Hannover; M. Hoyer, Hannover; Hedda Hummel, Köln; Gottfried Husemann, Köln; Johannes Kess­1er, Bonn; Bruno Korell, Berlin; Ernst Körner, Stuttgart; J. Kutscher, Dresden; Hans Kühn, Stuttgart; Martha Langen, Dornach; A. Maier-Smits, Einsingen; Erwin Maier, Einsingen; Lory Maier-Smits, Einsingen; Dr. R. Maier, Stuttgart; Clara Michels, Hameln; Ernst Müller, Leipzig; Johanna Mücke, Berlin; Walter Ostheimer, Hamburg; Dr. Kurt Piper, Stuttgart; Luise Pohl, Berlin; Ludwig Polzer-Hoditz, Tannbach (Oberösterreich); Ortrud Prausnitz, Jena; M. Rascher, Wien; C. Ritter, Mannheim; Dr. Maria Röschl, Stuttgart; Ulrich Schenker, Wien; Ei Schilbach, Dornach; Adolf Schneidewind, Kassel; Hans Schwedes, Bensheim; Blanca Schwimmer, Hamburg; Walter von Thun, Hamburg; Wilhelm Tromms­dorf, Stuttgart; Walter Vegelahn, Berlin; Wolfgang Wachsmuth, Stuttgart; Hed­wig Walter, Berlin; Ernst Weingand, Heilbronn; Paul Werner, Berlin; Frau Wittenstein, Barmen; Marie Wundt, Düsseldorf; Magda Zoeppritz, Mergelstet­ten, Dr. R. Zoeppritz, Mergelstetten.

#TI

Resolution der Arbeitsgruppe Stuttgart

der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland.

Stuttgart, den 23.Juli 1923.

#TX

Die zur Arbeit versammelten Mitglieder der Arbeitsgruppe Stuttgart der Anthro­posophischen Gesellschaft (200 Mitglieder anwesend) schließen sich nach Anhö­rung des Berichtes über die Angelegenheit der Einsendung Dr. Lempps und nach Erkenntnis der Tragweite dieses Vorfalles dem Protest der neun Persönlichkeiten an, der in Nr.4 der Zeitschrift «Anthroposophie» abgedruckt ist, und geben ihrer Entrüstung darüber Ausdruck, daß diese Zuschrift von Dr. Lempp Aufnahme finden konnte in dem Organ der Anthroposophischen Gesellschaft sowie daß eine derartige Antwort darauf gegeben werden konnte, wie sie in der «Anthropo­sophie» erschienen ist. Die Arbeitsgruppe Stuttgart richtet an den Vorstand der Gesellschaft die Forderung, möglichst bald darüber Bericht zu geben, was er zu tun gedenkt, daß künftig derartige Vorkommnisse nicht wieder geschehen können.

i. A.: A. Arenson.

In der Versammlung vom 25.Juli 1923 gab der Vorstand auf diese Frage Antwort, aus der das Folgende mitgeteilt werden soll:

In Stuttgart liegen besondere Verhältnisse vor, und zwar dadurch, daß von hier aus Gründungen erfolgt sind, die der Anthroposophie auf verschiedenen Lebens-gebieten Auswirkungen geben wollen. Hiezu gehört vor allem die «Freie Wal­dorfschule», insofern die Pädagogik dieser Schule aus anthroposophischer Men­schenkenntnis erfließt. «Der Kommende Tag A.-G.» ist zwar ein rein wirtschaftli­ches Unternehmen, stellt sich aber die Förderung geistiger Werte zur Aufgabe. Er

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umfaßt das Klinisch-therapeutische Institut, die Wissenschaftlichen Forschungs­institute, den Verlag u. a. In den Instituten wird auf verschiedenen Wissenschafts­gebieten bis in das wissenschaftliche Experiment hinein dasjenige ausgearbeitet, was aus der geisteswissenschaftlichen Forschung Dr. Steiners an neuen Wissen­schaftsimpulsen fließt. Der Verlag und die Zeitschriften wollen für die geistigen Werte der Gegenwart, insbesondere für das Werk Rudolf Steiners eintreten. Die Bewegung für religiöse Erneuerung hat ihre lebendigen Geistesimpulse aus der Anthroposophie empfangen.

Durch die verschiedenartigen Betätigungen von Mitgliedern der Anthroposo­phischen Gesellschaft auf diesen Gebieten sowie auch auf dem der Dreigliederung des sozialen Organismus ist ein großer Teil der Gegnerschaft erwachsen, der sich an eine rein geistige Bewegung, die keine solche Gründungen in sich schließt, nicht herangemacht hätte. Daraus erwuchs denen, die aus ihrem Wollen diese Gründun­gen geschaffen haben, die Aufgabe, die richtige Eingliederung dieser Unterneh­mungen in die Gesamtbewegung zu gewährleisten. Eine Anzahl führender Per­sönlichkeiten, die in den einzelnen Institutionen tätig sind, traten zu gemeinsamen Beratungen zusammen. Der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft hat nun (außer der oben bereits erwähnten Übernahme der Herausgabe der Zeitschrift «Anthroposophie») am 24. Juli den Beschluß gefaßt, diesen in seiner Art selbstver­ständlichen Kreis in offizieller Weise als den Vertrauenskreis der Stuttgarter Institutionen in der Weise zur Teilnahme an den Vorstandsgeschäften einzuset­zen, daß die Verantwortlichkeiten, welche der Anthroposophischen Gesellschaft aus diesen Institutionen erwachsen, von der Gesamtheit dieses Kreises mitgetra­gen werden. Zu seinen Pflichten gehört vor allem eine lückenlose wechselseitige Orientierung über die die Gesellschaft herührenden Arbeitsbereiche der einzelnen Institutionen und das gemeinsame Wachen gegenüber all dem, was der anthropo­sophischen Bewegung abträglich werden könnte. Der Vorstand hofft, daß durch pflichtgemäße Zusammenarbeit künftighin solche Vorfälle vermieden werden.

In seiner Sitzung am 5. August1923 beschloß der Vertrauenskreis der Stuttgar­ter Institutionen die Berufung durch den Vorstand anzunehmen und seine Aufga­ben durch eine entsprechende innere Gliederung in Angriff zu nehmen.

Der Vertrauenskreis der Stuttgarter Institutionen besteht aus folgenden Per­sönlichkeiten: Cornelius Apel, Adolf Arenson, Dr. Hermann von Baravalle, Paul Baumann, Eugen Benkendoerfer, Christoph Boy, Wilhelm Fink, Jürgen von Grone, Dr. Caroline von Heydebrand, Dr. Eugen Kolisko, Dr. Bruno Krüger, Hans Kühn, Dr. Friedrich Husemann, Dr. Herbert Hahn, Dr. Karl Heyer, Theodor Lauer, José del Monte, Emil Leinhas, Dr. Rudolf Maier, Emil Molt, Dr. Ludwig Noll, Dr. Otto Palmer, Dr. Felix Peipers, Dipl.-Ing. Wilhelm Pelikan, Dr. Kurt Piper, Otto Reebstein, Dr. Maria Röschl, Wilhelm Schrack, Dr. Erich Schwebsch, Dr. Simon Strelecher, Dipl.-Ing. Alexander Strakosch, E. A. K. Stockmeyer, Dr. Karl Schubert, Dr. Friedrich Rittelmeyer, Dr. Walter Johannes Stein, Dr. Hans Theberath. Dr. Carl Unger. Wolfgang Wachsmuth, Max Wolfhügel.

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Der bedauerliche Vorfall, der diese Darlegung notwendig gemacht hat, gibt uns Veranlassung, uns mit der nachfolgenden «Kundgebung» an die Leser dieser Zeitschrift zu wenden. Wir möchten dadurch in positiver Weise zum Ausdruck bringen, wie wir zu Dr. Rudolf Steiner stehen und wie wir über die Gegnerschaft denken, deren persönlichen Anfeindungen und Verunglimpfungen Dr. Steiner ausgesetzt ist.

Kundgebung.

Das Vorbild, das Dr. Rudolf Steiner seit mehr als einem Menschenalter gibt, bedeutet für viele Tausende ernst strebender Menschen geistige Zuversicht und moralische Kraft inmitten einer Welt des allgemeinen Niederganges und Verfalls. Diesem Manne ist bis heute kaum eine sachliche Gegnerschaft erwachsen, die ernsthaft erörtert werden könnte. Kein Satz seiner Werke ist widerlegt worden. Dagegen wird Dr. Steiner persönlich seit Jahr und Tag von allen Seiten mit Lügen, Verleumdungen und Verunglimpfungen überschüttet. Die Urheber dieser dunk­len Machenschaften, die jetzt überall am Werke sind, wissen sehr wohl, daß sie die Wahrheit nicht treffen können; daher ihr Wüten gegen den Träger der Wahrheit.

Die Lüge ist in unserer Zeit mächtig geworden wie noch nie zuvor, und die Stimme der Wahrheit trifft allenthalben auf taube Ohren. Darum gilt es, die Menschen zu finden, welche die Stimme der Wahrheit hören wollen und die daher aus ihrem Wahrheitsgefühl und Wahrheitsgewissen die moralische Kraft aufbrin­gen, die persönlichen Beschimpfungen, denen Dr. Steiner ausgesetzt ist, als das zu erkennen, was sie sind: Zeichen geistigen Unvermögens und der niedrige Versuch, die Welt zu betrügen.

Wir wissen, daß Dr. Steiner nicht nur durch seine Lehre, sondern durch sein ganzes Sein und Wesen ein Träger der Wahrheit und Lauterkeit ist. Darum müssen wir das Eintreten für die Person Dr. Steiners als eine Angelegenheit ansehen, welche nicht bloß die Menschen angeht, die Anthroposophie zu ihrer Weltan­schauung gemacht haben, sondern jeden, der die Wahrheit liebt.

Die Lehre und das Vorbild dieses Mannes ist uns zur Lebenserneuerung und zum starken Halt geworden, und wir empfinden es aus Liebe und Dankbarkeit zü ihm als unsere Menschenpflicht, dies vor aller Welt zu sagen. Wir wenden uns nicht an die Bekenner einer Weltanschauung, sondern an Menschen, denen der Sieg von Wahrheit oder Lüge nicht gleichgültig ist. Wir fordern sie auf, gleichviel, ob sie innerhalb oder außerhalb der antbroposophischen Bewegung stehen, ihren Namen für Wahrheit und für echtes Menschentum gegen Lüge und Verleumdung in die Waagschale der Geistesgeschichte der Gegenwart zu legen, indem sie ihre Zustimmung in einer solchen Form zum Ausdruck bringen, die ihrem eigenen Empfinden entspricht.

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Der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland

Jürgen von Grone, Dr. Eugen Kolisko, Emil Leinhas,

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Dr. Otto Palmer, Dr. Friedrich Rittelmeyer, Dr. WalterJohannes Stein, Dr. Carl Unger, Wolfgang Wachsmuth.

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Für den Vertrauenskreis der Stuttgarter Institutionen:

Adolf Arenson, Cornelis Apel, Dr. Rudolf Maier.

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Alle Äußerungen zu dieser Sache bitten wir zu richten an den Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland, Stuttgart, Champignystr. 17. Bei Zuschriften bitten wir um Angabe, ob der Einsender Mitglied einer Anthropo­sophischen Gesellschaft ist.

Nachbemerkung des Herausgebers

Diese Kundgebung rief ein starkes Echo in Deutschland hervor. In den folgenden Monaten traf eine Flut von Zuschriften bei der Redaktion ein von vielen Menschen innerhalb und außerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft und der anthroposophischen Bewegung, wie auch von ganzen Arbeitsgruppen. Alle schlossen sich mit der wärmsten Zustimmung der Kundgebung an und gaben durch persönlichste Bekenntnisse Zeugnis von dem großen Wert, den ihr Leben durch Rudolf Steiners Werk erhalten hat. Die Zuschriften wurden in mehreren Nummern der «Anthroposophie» abgedruckt.

Am 7. September nahm Rudolf Steiner, von seiner Englandreise zurückgekehrt, an der Sitzung des Dreißigerkreises, der sich nunmehr «Vertrauenskreis der Stuttgarter Institutio­nen« nennt, teil. In deren Verlauf «las Kolisko eine Reihe von Zustimmungserklärungen vor, die auf die Kundgebung in Nr.6 der eingegangen waren. Fast alle waren eindrucksvoll und zum Herzen sprechend und legten lebendiges Zeugnis davon ab, was die Persönlichkeit Dr. Steiners unzähligen Menschen bedeutet. Dr. Steiner schrieb sich alle Namen der Einsender auf, die nicht Mitglieder waren.« (Aus den Sitzungsnotizen von Theodor Lauer, vgl. auf Seite 179.)

Letzte Orientierung der Mitglieder durch den Vorstand der Anthroposophischen Gesell­schaft in Deutschland in «Mitteilungen, herausgegeben vom Vorstand der Anthroposophi­schen Gesellschaft in Deutschland» Nr.7, Stuttgart, September 1923.

Liebe Freunde!

Sie finden in Nr.6 der «Anthroposophie» eine Kundgebung für Herrn Dr. Steiner. Sie richtet sich zunächst an die Leser der «Anthroposophie» innerhalb und außer­halb der Anthroposophischen Gesellschaft. Es handelt sich dabei um eine außer­ordentlich wichtige Angelegenheit, zu der wir hier in den Mitteilungen notwendi­gerweise noch eine weitere Aufklärung geben müssen. Wir sind uns klar darüber, daß wir aus der Öffentlichkeit nicht sehr viel Zustimmung zu erwarten haben; trotzdem wissen wir, daß viele Menschen, die nicht Mitglieder der Anthroposo­phischen Gesellschaft sind, darüber empört sind, daß Dr. Steiner, dessen überra­gende geistige Bedeutung von viel mehr Menschen gesehen wird, als wir vielleicht ahnen, in solch schamloser Weise persönlich verleumdet und verunglimpft wird. Es ist ein Zeitsymptom, daß dieser Feldzug der Lüge und Verleumdung so wenigen Menschen die Augen geöffnet hat und sie dazu veranlaßt hat, sich mit

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ihrem Namen für die Wahrheit einzusetzen. Einer späteren Zeit wird es kaum begreiflich erscheinen, daß eine Persönlichkeit wie Dr. Steiner so verunglimpft werden konnte, ohne daß sich unter den anständigen Zeitgenossen eine Hand für ihn erhoben hätte.

Eine ganz besondere aber ist die Stellung der Mitglieder der Anthroposophi­schen Gesellschaft zu dieser Angelegenheit. Die Gesellschaft ist es nämlich, wel­che die Pflicht hat, Herrn Dr. Steiner gegen die Gegnerschaft zu schützen. Stellen Sie sich vor, es ware nie eine Anthroposophische Gesellschaft begründet worden, sondern Herr Dr. Steiner hätte alle seine Bücher geschrieben, in der ganzen Welt Vorträge gehalten, hätte von Mensch zu Mensch gesprochen, kurz, die Anthropo­sophie wäre nur durch Wort und Schrift von Dr. Steiner an die Menschheit herangebracht worden, so würde sie heute ganz sicher in noch weiteren Kreisen bekannt sein und - Dr. Steiner hätte kaum eine nennenswerte Gegnerschaft.

Ohne das Vorhandensein einer Anthroposophischen Gesellschaft und ihrer Mitglieder wäre die Gegnerschaft niemals eine so ausgedehnte geworden. Außer­dem ist die Zahl derer, die Anthroposophie aus der Kenntnis der Schriften oder der Vorträge Dr. Steiners heraus für eine gute Sache halten, aber nicht in die Anthroposophische Gesellschaft eintreten wollen, eine große. Ja, man kann gera­dezu sagen: die Anthroposophische Gesellschaft ist es, welche durch ihre derzei­tige Verfassung erschwert, daß Anthroposophie zu den äußerst zahlreichen Men­schen den Weg findet, die sich mehr oder weniger bewußt nach ihr sehnen. Durch die Gesellschaft ist mithin die Gegnerschaft gewachsen. Wäre ein Hofrat Seiling bloß durch Steiner selbst ein Gegner geworden? Nein, er wurde es innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft, deren Mitglieder nicht mit einem solchen Menschen fertig wurden. Oder ein Dr. Goesch, oder ein General v. Gleich? Und wie war es erst mit den vielen Gegnern, die im Zusammenhang mit der durch einzelne Mitglieder der Gesellschaft erfolgten Begründung der Institutionen her­aufgekommen sind? Die Gesellschaft hat also eine ungeheure Verantwortung übernommen. Die muß sie heute tragen. Sie hat die Aufgabe, ein Instrument zu sein, durch das Anthroposophie an die Menschheit herankommen kann. Sie muß daher auch vor der Welt geachtet dastehen. Und vor allem muß sie heute den Begründer der Anthroposophie gegen seine Gegnerschaft schützen. Für die Mit­glieder der Anthroposophischen Gesellschaft ist es Pflicht, sich zu exponieren. Die Gegner müssen die Gesellschaft auf ihrem Weg vorfinden.

Es könnte die Meinung ausgesprochen werden, es sei überflüssig, für Dr. Steiner seinen Namen in die Waagschale zu werfen; denn man habe dies schon durch den Eintritt in die Anthroposophische Gesellschaft getan. Die Tatsachen liegen aber hier ganz anders. Dr. Steiner ist in der unerhörtesten Weise von einer Reihe von Leuten angegriffen worden, die zum großen Teil unter Mißbrauch der ihnen durch ihre öffentliche Stellung heute gegebenen Autorität vor keiner Ver­leumdung zurückschrecken. Mehr, es hat sich eine ganze Organisation solcher Gegner gebildet, denen alle Mittel recht sind. Die Mitglieder der Gesellschaft sind es, welche vor allem nach außen zeigen müssen, daß sie zu Dr. Steiner stehen und

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die Verworfenheit dieser Gegner verurteilen. Hier handelt es sich nicht um den Akt des Beitrittes zur Gesellschaft, der zum Ausdruck brachte, daß man Interesse für das Bestehen und die Pflege der Anthroposophie hatte, sondern um das persönliche Bekenntnis zu Dr. Steiner, der einer geschlossenen skrupellosen Gegnerschaft allein bisher gegenübersteht.

Daher ist uns jede Antwort auf unsere Kundgebung von Wert; denn schon eine einzige richtige Antwort, sei es, daß sie von Persönlichkeiten außerhalb der Gesellschaft kommt, sei es, daß sie von einzelnen oder von Arbeitsgruppen innerhalb der Gesellschaft gegeben wird, kann weiterhelfen.

Der Vorfall in der «Anthroposophie« ist vor allem symptomatisch zu werten. Was hier geschah, nämlich, daß statt einer Zurückweisung und Verteidigung seitens der Gesellschaft ein Artikel erschien, der nur äußeren konventionellen Höflichkeitsformeln genügen wollte, ist nicht nur einmal geschehen. Es geschah ähnliches an vielen Orten innerhalb der Gesellschaft. Es mußte dieser Mangel im Bewußtsein der Gesellschaft, der als eine Krankheit sich überall zeigte, einmal irgendwo zum Vorschein kommen. Es ist kein einzeln dastehender Vorfall. Dafür einige Beispiele. Vor einiger Zeit veranstaltete ein Mitglied der Gesellschaft eine öffentliche Besprechung des Buches von Dr. Leisegang und lud letzteren höflich dazu ein. Wer das Buch Leisegangs gelesen hat, der kann wissen, daß es voll von Verleumdungen gegen die Person Dr. Steiners ist, der kann wissen, daß ein solcher Gegner unbelehrbar ist und daß er wahllos auch aus den trübsten Quellen schöpft, wie zum Beispiel seine Verbindung mit dem Pfarrer Kully beweist, und daß er ganz gut weiß, daß seine Anschuldigungen nicht wahr sind. Diesen Mann höflich einzuladen ist eine Beleidigung gegen Dr. Steiner. Vor längerer Zeit suchte ein Mitglied der Gesellschaft Professor Dessoir, über dessen Wesen weder sein Buch «Vom Jenseits der Seele» noch die Charakteristik seitens Dr. Steiners im Buche «Von Seelenrätseln», noch zuletzt das im Heft VII/VIII des 2.Jahrganges der «Drei» Erschienene, aber schon damals teilweise Bekannte einen Zweifel ließen, in seinem Haus auf und wollte sich mit ihm in eine Auseinandersetzung über einen seiner Vorträge einlassen. Statt einer vernichtenden Charakteristik durch die Anthroposophische Gesellschaft empfing so Dessoir den höflichen Besuch eines Mitgliedes. Als Karl Rohm in seinem schmutzigen Blatte «Der Leuchtturm» die allerübelsten Verleumdungen gegen Dr. Steiner veröffentlichte, erhielt er zwei Zuschriften von bekannten Mitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft, die glaubten, ein Gutes zu tun, indem sie im Tone der moralischen Empörung an Rohm schrieben. An solche Menschen schreibt man aber keine Briefe. Rohm lachte sich ins Fäustchen und druckte die «moralisch empörten» Briefe mit üblen Randglossen ab. Jene Mitglieder hatten geglaubt, mit konventionellen Mitteln gegen einen Menschen zu arbeiten, dessen moralisches Niveau für jeden klar lag und der Dr. Steiner in einer geradezu niedrigen Weise verleumdet hatte. Man bedenkt manchmal nicht, daß einen Brief an jemand schreiben heißt: man betrach­tet ihn als einen Menschen, mit dem man in den äußeren Formen der Höflichkeit noch verhandeln kann.

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Und so ist es vielfach geschehen. Mit den meisten Gegnern, über deren Qualität und böse Absicht kein Zweifel sein konnte, ist nachher noch von Mitglie­dern der Gesellschaft nach äußeren Höflichkeitsformeln verhandelt, korrespon­diert oder konventionell diskutiert worden. So war es ja auch mit der Gegenschrift von Sigismund v. Gleich, die akademisch sich Zeile für Zeile mit dem General v. Gleich auseinandersetzte, statt das moralische Niveau dieses Mannes objektiv zu beleuchten, wie es später Jürgen v. Grone in Nr.3 des 4.Jahrganges der «Anthro­posophie» getan hat. Ein ganz anderes ist die menschliche Auseinandersetzung mit den wenigen sachlichen und ehrlich anständigen Gegnern wie sie Dr. Büchen­bacher in seinem Artikel in Nr.7 der «Anthroposophie» charakterisiert. Wie überhaupt mit Persönlichkeiten des heutigen Geisteslebens im wahrhaft menschli­chen und freien Sinne eine Auseinandersetzung möglich ist, davon geben die Antwort von Dr. Steiner an Richard Wahle in der «Drei» und viele Artikel von Dr. Steiner und Albert Steffen im «Goetheanum» das schönste Beispiel.

Sehen wir ein, daß die Angelegenheit mit der Einsendung des Dr. Lempp nur ein symptomatischer Fall von vielen ist, dann haben wir auch nötig, sie so aufzufassen, daß daraus nicht, wie es zum Teil geschehen ist, die Berechtigung abgeleitet wird, Steine gegen irgendwelche Personen, sei es die Redaktion, sei es der Vorstand, sei es der Stuttgarter Vertrauenskreis oder irgendwelche einzelne Persönlichkeit, zu werfen. Wenn die Gesellschaft ihren großen Aufgaben gerecht werden soll, ist das erste, daß die Besprechung und Lösung ernster Probleme innerhalb der Gesellschaft nicht auf das Niveau von Vorstandskrisen und Perso­nalfragen, wie bei der letzten Delegiertenversammlung, herabsinken darf. Die ganze Angelegenheit muß also von einem weiteren Gesichtspunkt gesehen wer­den. Dies geschieht vielfach nicht. So erhielt eines der Vorstandsmitglieder kurz nach jener Resolution der in Dornach anwesenden deutschen Mitglieder, welche wir mit den Unterschriften in Nr.6 der «Anthroposophie» abgedruckt haben, einen Brief. Darin ließ eine Teilnehmerin an der Versammlung der deutschen Mitglieder ihre Bedenken gegen den über die Veröffentlichung in der «Anthropo­sophie» gefaßten Entschluß durch den Schreiber, ein aktiv in der Gesellschaft tätiges Mitglied, zum Ausdruck bringen. Da heißt es: «Auch wenn man die Ausführungen und die ganze Handlungsweise Herrn Dr. Rittelmeyers nicht für gut ansieht, sollte man dem Ansehen, der exponierten Stellung dieses auch um die Anthroposophie hochverdienten Mannes gegenüber soviel Rücksicht üben, daß man ihn nicht in öffentlicher Weise gewissermaßen abschüttelt. Man sollte, so ist die Meinung, das, was geschehen ist, männlich tragen, auch wenn man Herrn Dr. Steiner weh getan hat, und nicht das Übel vergrößern, indem man öffentlich Herrn Dr. Rittelmeyer zum Sündenbock stempelt.»

In dieser Zuschrift ist ein guter Teil der möglichen Mißverständnisse zusam­mengefaßt. Darum soll hier darauf eingegangen werden. Es handelt sich gar nicht darum, Dr. Rittelmeyer oder sonst jemanden zum Sündenbock zu machen, son­dern um etwas ganz anderes. An den verschiedensten Symptomen hat sich gezeigt, daß die Mitglieder der Gesellschaft sich nicht voll bewußt gemacht haben, was sie

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der Person Dr. Steiners gegenüber einer skrupellosen Gegnerschaft schuldig sind. Dieser Mangel zeigte sich in seiner ganzen Stärke, als nun gar in dem eigenen Organe der anthroposophischen Bewegung, an dem Dr. Steiner mitgearbeitet hatte, ein verleumderischer Artikel unwidersprochen seitens der Redaktion und begleitet von einer Entgegnung erschien, in der das Bewußtsein der Verantwor­tung der Gesellschaft gegenüber den Gegnem fehlte. Jetzt mußte etwas geschehen. «Exponiert» war dadurch Dr. Steiner selbst. Nicht um «weh tun» handelte es sich, sondern darum, daß die Gesellschaft ihre Existenz verwirkt hatte, wenn sie nicht jetzt sich besann und der Öffentlichkeit gegenüber das aussprach, was die Wahr­heit ist. Nicht Dr. Rittelmeyer ist zum Sündenbock gemacht worden, sondern die Gesellschaft muß zur Einsicht kommen, daß mit der lauen Einstellung gegenüber Menschen, die in gewissenloser Weise Dr. Steiner verleumdet haben und die nicht etwa vereinzelt dastand, endgültig gebrochen werden muß.

Das ist es eben, daß man neben der Rücksicht auf die «exponierte Stellung» eines Mitgliedes nicht blind ist gegenüber der exponierten Stellung von Dr. Stei­ner, in die ihn die Anthroposophische Gesellschaft gebracht hat und die durch diesen Vorfall noch mehr gesteigert wurde.

In jener Zuschrift heißt es dann: «Vielleicht haben die meisten Unterzeichner nur im Affekt gehandelt und würden bei ruhiger Überlegung ihren Schritt - sowie ich - gerne ungeschehen machen.» Wir wollen hoffen, daß dem nicht so ist; denn Mitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft zuzumuten, daß sie im Affekt eine Unterschrift hinsetzen, heißt eigentlich etwas Ungeheuerliches glauben. Eine Anthroposophische Gesellschaft, deren Mitglieder eine so wichtige Angelegen­heit wie eine Resolution mit Unterschrift im Affekt tun, nun, die sägt sich selbst den Ast ab, auf dem sie sitzt. Mit Mitgliedern, die ihre Unterschriften, die sie abends im Affekt gegeben haben, morgens zurückziehen, werden wir keine An­throposophische Gesellschaft zu ihren großen spirituellen Aufgaben führen.

Diese Aufgaben sind von Herrn Dr. Steiner in den beiden Vorträgen auf der Delegiertenversammlung, welche vom Philosophisch-Anthroposophischen Ver­lag aus kürzlich erschienen sind, aufgezeigt. Diese Vorträge zu kennen ist zur Vorbereitung auf die Tagung im September für die Mitglieder eine Notwendig­keit. In einem eigenartigen Gegensatze stehen die mannigfaltigen Zuschriften, die wir von Mitgliedern bekommen und die Vorwürfe enthalten, daß dieser oder jener Vortrag von Dr. Steiner noch nicht erschienen ist - d.h. eigentlich machen jene Mitglieder diese Vorwürfe Herrn Dr. Steiner selbst, der sie nicht hat erscheinen lassen-, und die geringe Zahl von Exemplaren, die der Philosophisch-Anthropo­sophische Verlag von jenen beiden wichtigen Vorträgen verkauft hat. Kennt man den Ausblick auf jene spirituellen Aufgaben, dann wird man von der Sehnsucht erfüllt, daß die Gesellschaft zunächst aus den Kinderkrankheiten ihrer Entwicke­lung herauskomme und vor der Welt und innerlich konsolidiert dastehe, damit die ersten Vorbedingungen für jene Aktivität der Mitglieder geschaffen werden, welche die Voraussetzung für die Inangriffnahme spintueller Aufgaben der Ge­sellschaft ist.

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In der Angelegenheit der Kundgebung für Dr. Steiner handelt es sich also darum, den Versuch zu machen, ob die Mitglieder Sinn haben für die Bedeutung einer selbstverständlichen Tat der Gesellschaft vor der Öffentlichkeit.

Die Tagung im September wird auch die Schicksalsfrage an die Gesellschaft stellen, ob sie fähig ist, den Aufgaben, die uns jetzt gestellt sind, gerecht zu werden, oder ob sie sich nicht behaupten kann. Wir stehen jetzt in bezug auf die Entwickelung der Gesellschaft in einem sehr wichtigen Augenblicke.

Nach außen hat die Begründung der Gesellschaften der einzelnen Länder stattgefunden oder findet in der nächsten Zeit statt. Nicht eine bloße abstrakte Internationalität genügte jetzt, sondern in jedem Lande mußte sich die Anthropo­sophische Gesellschaft besonders konsolidieren, damit dann alle Ländergesell­schaften in einer für Dezember d. J. in Dornach geplanten Versammlung zu einer gemeinsamen internationalen Weltgesellschaft mit dem Zentrum in Dornach zu­sammengefaßt werden können. Damit wird die Anthroposophische Gesellschaft vor der äußeren Welt mit einer klar ausgesprochenen Verfassung dastehen. Damit kommt eine lange Entwickelung zum Abschluß, welche die Stellung der Gesell­schaft vor der Welt lebendig zum Ausdruck bringt. Diese Stellung kann die Richtlinien weisen, die für die Besprechung der äußeren Aufgaben der Anthropo­sophischen Gesellschaft in Deutschland im September zu beschreiten sein werden. Die Anthroposophische Gesellschaft muß gegenüber der Außenwelt zum Aus­druck bringen, und zwar in der Vertretung der Anthroposophie vor der Welt, in der Gegnerfrage, in der Einstellung zur Person Dr. Steiners, in der Art, wie sie Mitglieder aufnimmt, die von aller Engherzigkeit und Sektenhaftigkeit befreit werden muß, in dem Verhalten zu den wichtigsten Fragen des öffentlichen kultu­rellen Lebens, daß sie eine Weltgesellschaft ist, die würdig ist, ein Geistesgut, wie das der Anthroposophie, der Welt zu vermitteln. In diesem Sinne wird zu verhan­deln sein, fern von der Enge der Personalfragen, welche die letzte Delegiertenver­sammlung fast unerträglich gestalteten.

In jener Delegiertenversammlung wurde das Wort ausgesprochen, die Gesell­schaft hätte in der Anthroposophie die herrlichste Sache von der Welt. Gewiß, aber dieser Größe der Anthroposophie, die bei jedem Vortrag von Dr. Steiner zum Ausdruck kommt, der Intensität, mit der einzelne der Mitglieder mit diesem Weisheitsgut leben, steht schroff gegenüber die Unvollkommenheit dessen, was heute die Anthroposophische Gesellschaft noch ist. Man braucht nur in aller Intensität den Gegensatz zu erleben, der besteht, wenn einerseits Dr. Steiner, wie zum Beispiel in der Delegiertenversammlung, über Anthroposophie spricht oder wenn auch andere über Anthroposophie sprechen und wenn über die Angelegen­heiten der Gesellschaft von den Mitgliedern gesprochen wird. Da stehen wir in den ersten Anfängen. So verehrt auch jeder in der Anthroposophischen Gesellschaft Dr. Steiner als seinen Lehrer, der aus geistigen Welten das anthroposophische Geistes-gut vermittelt, aber zur Person Dr. Steiners, wie er als Mensch drinnensteht in dem erbitterten Kampfe einer skrupellosen Gegnerschaft, hat die Gesellschaft noch kein richtiges Verhältnis finden können. Man hat eine Anschauung von der Bedeutung

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der Anthroposophie, von der geistigen Bedeutung des Lehrers, aber dem Willen fehlt die richtige geistige Erleuchtung, wenn es gilt, im Kampfe des Lebens das rechte Wort, die rechte Tat zu finden, die zeigen, wie eine Anthroposophische Gesellschaft zu ihrem Lehrer unverbrüchlich und wachsam steht.

In der ersten Phase der Gesellschaft, da war es mit dem Aufnehmen der Anthroposophie, mit dem beschaulichen Anschauen dessen, was da geboten wurde, genug, da stand man nicht draußen im Leben, da genügte die passive Haltung der Mitgliedschaft, da konnte die Gesellschaft schwach sein gegenüber dem gewaltigen Wesen Anthroposophie, heute braucht es den Willen, der die Gesellschaft befähigt, stark zu werden, der alle in dem intensivsten Interesse für die Geschlossenheit der Gesellschaft nach innen und nach außen zusammen-schmiedet, der Einsicht und Mut findet zum Eintreten für die Wahrheit und der eine aktive Haltung der Mitgliedschaft verbürgt.

In diesem Sinne, verehrte Freunde, betrachten Sie die Kundgebung für Herrn Dr. Steiner, in diesem Sinne kommen Sie zu der Tagung im September. Es ist eine Stunde der Entscheidung für die Anthroposophische Gesellschaft. Wird diese Gesinnung herrschen, sehen möglichst viele, die da kommen werden, ein, worum es sich handelt, dann brauchen wir nicht eine Wiederholung der Kleinlichkeiten aus der Februarversammlung zu befürchten, dann kann man die Hoffnung haben, daß im Sinne der Vorträge Dr. Steiners bei jener Delegiertenversammlung nun bei der kommenden Tagung die Grundlage gebildet werden kann für eine Anthropo­sophische Gesellschaft, die ihren großen Aufgaben gewachsen ist.

#TI

Der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft

in Deutschland

i. A.: Dr. Eugen Kolisko.

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Friedrich Rittelmeyeri Darstellung dieser Begebenheit in seinem Buch »Meine Lebens-begegnung mit Rudolf Steiner» (Stuttgart 1928. S. 153-155)

Selten hatte Dr. Steiner die Möglichkeit zu loben. Wiewohl ich auch dies erlebte, will ich doch lieber noch von der Stunde erzählen, wo mich sein Tadel traf. Dies gehört ebenfalls zur «Lebensbegegnung». Unter den nächsten Mitarbeitern Dr. Steiners ist wohl kaum einer, der nicht seine starke Kritik erfahren hätte. Denn viel mutete Dr. Steiner jedem zu, besonders an rücksichtsloser Sachlichkeit uritt Selbstlosigkeit. Um angesichts der übergroßen Schwierigkeit der Weltaufgabe das Äußerste herauszuholen aus den Menschen, die alle unzulänglich waren, konnte er nicht mit Liebenswürdigkeiten Mängel und Verstöße zudecken, die er sah.

Damals, etwa ein Jahr nach Gründung der Christengemeinschaft, hatte ich einen Aufsatz geschrieben zur Verteidigung Dr. Steiners Dieser Aufsatz war ihm gegen die Gegner viel zu schonend und entgegenkommend. Er sagte zwar in der

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Sitzung immer wieder, nicht weniger als fünfmal, er mache mir gar keinen Vor­wurf in der Sache. Aber von dem Vorwurf, den er der Schriftleitung und dem Gesamtvorstand machte, daß der Aufsatz erschienen war, mußte ich mich doch stark mitbetroffen fühlen. Die Unterredungen, in denen er seine Wünsche nach dieser Richtung ausgesprochen hatte, waren mir allerdings unbekannt. Nicht alles war mir in dieser Auseinandersetzung menschlich verständlich. Auch sonst manchmal nicht. Aber irgendein Anlaß, mein höchstes Urteil über Rudolf Steiners menschliche Eigenschaften abzumindern, war doch auch in diesen intimsten und schwierigsten Stunden niemals gegeben.

Nicht lange darnach sah ich ein, daß ich die Wirkung solcher Artikel doch nicht richtig abgeschätzt hatte, daß sie, vielleicht nicht im Bewußten, aber doch im Unbewußten, anders wirken, als man wünscht, und zwar nicht nur bei Nicht-Anthroposophen, sondern auch, wie mir Dr. Steiner besonders einmal sagte, bei Anthroposophen.

Vor allem aber wurde mir eines klar, allerdings völlig erst nach dem Tode Dr. Steiners: er litt offenbar viel schwerer, als wir wußten, darunter, daß er von den Anthroposophen nicht richtig in Schutz genommen wurde. Die Gegner begruben ihn unter Hohn und Spott, und die Anthroposophen ließen es allzu ruhig gesche­hen und genossen seine Vorträge. Nicht um seine Person als solche war es ihm zu tun, aber um die Auswirkung der schmählichen Gegnerangriffe auf seine Arbeit und sein Werk. Er wußte, daß die Gegner nicht umsonst gerade seine Persönlich­keit in den Schmutz ziehen, um das Werk zu vernichten. Und er sah - daß die Anthroposophen dies nicht sahen. Sie zogen sich in die Anthroposophenburg zurück und bemerkten nicht, daß um die Burg her Feuer gelegt wurde. In diesen Worten habe ich es selber einmal in Gegenwart Dr. Steiners ausgesprochen, und er hat mit besonderer Lebhaftigkeit zugestimmt. Aber er konnte dies in jenen Jahren gar nicht so sagen, wie er es empfand, sondern mußte warten, was aus der Einsicht und Freiheit der andern hervorkam - wenn er nicht die peinliche Forderung aussprechen wollte, man möge ihn endlich einmal verteidigen. «Wie eine einzige offene Wunde» sei er in jenen Zeiten gewesen, sagte mir später einer. Von da aus mag man auf die abgeklärte Ruhe und Güte blicken, in der er seinen «Lebensgang» schrieb. So möge auch dies Buch dazu beitragen, daß Dr. Steiner endlich vor der Öffentlichkeit in rechtem Licht erscheint!

III Zusammenschau der Geschichte der Gesellschaftsprohlematik des Jahres 1923 Hella Wiesberger

#G259-1991-SE843 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen

#TI

III

Zusammenschau der Geschichte

der Gesellschaftsprohlematik des Jahres 1923

Hella Wiesberger

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Wenn heute ... nachgedacht werden muß, wie die An­throposophische Gesellschaft regeniert werden soll, so darf auf der andern Seite nicht vergessen werden, daß die Anthroposophische Gesellschaft ein zwei Jahr­zehnte langes Leben hatte ... Denn Geschichte, wirk­liche Geschichte, erlebte, gewirkte Geschichte läßt sich nicht auslöschen. Stuttgart, 27.2.1923, GA 257

Mit dem Entschluß Rudolf Steiners, zu Beginn des 20. Jahrhunderts für seine anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft öffentlich einzu­treten, beginnt auch die soziale Wirksamkeit des lebendigen Wesens Anthroposophie, das zu seiner Entfaltung im Kulturleben eines Gesell­schaftsorganismus bedarf. Hier wurzelt die mit allem Leid sozialen Wir­kens verbundene Tätigkeit Rudolf Steiners als Baumeister einer Myste­rienstätte, deren Modernität er schon früh dahingehend charakterisierte:

«Wir haben kein Recht, Autorität zu erzwingen: Erste Gemeinschaft, die Organisation mit Freiheit anstrebt.»* War doch früh er die Zugehorigkeit zu Gemeinschaften, in denen spirituelle Erkenntnisse gepflegt wurden, stets mit strengen Verpflichtungen verbunden.

Die Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft ist somit be­gründet in dem Bemühen, für die anthroposophische Bewegung als der von Rudolf Steiner geschaffenen Geistesströmung eine wesensgemäße Pflegestätte zu bilden; sie ist das Ergebnis des Zusammenwirkens von Rudolf Steiner als Geisteslehrer mit seinem Schülerkreis. Die Schwierig­keiten, die in einem solchen Gemeinschaftsgebilde, in dem die Freiheit des einzelnen voll respektiert wird, notwendig auftreten müssen, sollten im

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* Anmerkungen siehe Seite 869.

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Lichte des Wortes gesehen werden: «Der Kampf ist auf geistigem Felde kein Böses; er ist da das Lebenselement»2 - vorausgesetzt, daß er mit entsprechender Achtung vor dem andern geführt wird.

Der Gegensatz von Bewegung und Gesellschaft

Der vorliegende Band dokumentiert zweifellos die schwierigste Phase in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft zu Lebzeiten Ru­dolf Steiners: den schweren Weg, den die Gesellschaft, angefangen vom Brand des Goetheanum in der Silvesternacht 1922/23 durch das ganze Jahr 1923 bis zu ihrer Neugestaltung am Jahresende, zu gehen hatte. Eine Art Schlüssel zum Verständnis der ganzen Problematik liegt in dem Gegensatz von Bewegung und Gesellschaft oder - anders ausgedrückt -von Leben und Form. Darauf hat Rudolf Steiner selbst immer wieder hingewiesen, zum Beispiel in lapidarer Weise mit dem Titel für den Vortragszyklus «Die Geschichte und die Bedingungen der anthroposo­phischen Bewegung im Verhältnis zur Anthroposophischen Gesell­schaft», den er in der entscheidenden Situation im Juni 1923 als Anregung zur Selbstbesinnung gehalten hat; oder nach der zu Weihnachen vollzoge­nen Neubegründung der Gesellschaft durch die Worte, mit denen er seinen Bericht an die Mitglieder einleitete (in GA 260 a): «Der Anthropo­sophischen Gesellschaft eine Form zu geben, wie sie die anthroposophi­sche Bewegung zu ihrer Pflege braucht, das war mit der eben beendeten Weihnachts tagung am Goetheanum beabsichtigt.»*

Diese schlichte Mitteilung war das Ergebnis seines schweren Ringens mit den in der Gesellschaft führenden Persönlichkeiten während des ganzen Jahres 1923. Im Grunde genommen bildete jedoch dieses Jahr nur den Höhepunkt in dem über 2ojährigen Bestreben, den Gegensatz von Bewegung und Gesellschaft durch eine dem Leben der anthroposophi­schen Bewegung angemessene Gesellschaftsform auszugleichen. Lange hatte sich Rudolf Steiner erhofft, daß die Gesellschaft dieses Problem unabhängig von ihm bewältigen würde. Erst als er gegen Ende des Jahres 1923 endgültig erkennen mußte, daß dies offenbar nicht möglich ist, entschloß er sich, die notwendige Neubildung und schließlich auch die Leitung selbst in die Hand zu nehmen.

* Den Ausdruck «anthroposophische Bewegung» gebrauchte Rudolf Steiner in zweifachem Sinn: manchmal so, wie es heute üblich ist, zur Bezeichnung der von der Anthroposophi­sehen Gesellschaft institutionell unabhängigen Einrichtungen, meistens aber in dem hier gemeinten Sinn als Bezeichnung für eine in übersinnlichen Welten von geistigen Mächten geleitete und in der physischen Welt durch seine Person repräsentierte geistige Strömung, für die die Anthroposophische Gesellschaft ein adäquates Gefäß bilden sollte.

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Durch diesen nach «schwerem innerem Überwinden»3 sich abgerun­genen Entschluß sollte der Gegensatz von Bewegung und Gesellschaft bis in die Vorstandszusammensetzung hinein ausgeglichen werden. Denn wie er in einem persönlichen Gespräch äußerte, habe er bei der Weih­nachtstagung nicht ohne Grund «eine gewisse Parität des weiblichen und männlichen Geistes innerhalb des Vorstandes» zu wahren gesucht, da doch die Tendenzen wahrnehmbar seien, aus alten Zusammenhängen heraus den weiblichen Geist auszuschalten. Er habe dies schon «in den Anfängen» betont; aber obwohl es sich um einen bedeutsamen Unter-strom innerhalb der Gesellschaft handle, sei es wohl nicht verstanden worden.4 - Mit der Bezeichnung «in den Anfängen» ist gemeint, was er in den Jahren 1904 - 1906 im Zusammenhang mit der Bildung von esoteri­schen Gemeinschaftsformen über den Gegensatz von männlicher und weiblicher Geistigkeit als einen Ausdruck des Gegensatzes von Leben und Form dargestellt hatte.5

Die Gewichtigkeit dieses Gegensatzes erklärt sich aus der damals geschilderten geisteswissenschaftlichen Erkenntnis, daß er nicht nur hin­ter der Verschiedenheit des männlichen und weiblichen Geistes, sondern hinter allen Erscheinungen des natürlichen, geistigen und kulturell-sozia­len Lebens liege und darum «Leben» und «Form» die beiden Begriffe bilden müßten, die durch das «Labyrinth der Welterscheinungen» hin-durchführen können. Alles Leben könne sich nur durch die Form offen­baren, doch müßte es sich in der «Starrheit der Form» verlieren, wenn es nicht aus den alten Formen immer wieder neue gestalten würde.6 Im Zusammenhang mit der Gesellschaftsproblematik des Jahres 1923 wurde dasselbe ganz prosaisch ein «Schneiderproblem» genannt. Ebenso wie ein Mensch von Zeit zu Zeit neue Kleider brauche, so auch die Gesellschaft:

«Warum sollte man just in einem sozial organischen Gebilde für die Ewigkeit arbeiten wollen!» Was leben will, müsse sich wandeln, und eigentlich sei nur das, was sich wandelt, lebensvoll. Daher müsse man gerade für die anthroposophische Bewegung, die im eminentesten Sinne lebensvoll sein soll, eben auch eine Organisation haben, die lebt. Natür­lich könne man sich nicht jeden Tag mit einer Reorganisation befassen, aber «alle paar Jahre» wird es schon notwendig sein.7

Im Verlaufe von Rudolf Steiners Wirksamkeit gab es drei Organisa­tionsformen: von 1902 bis 1912 die «Deutsche Sektion der Theosophi­schen Gesellschaft»; von 1912/13 bis 1922/23 die «Anthroposophische Gesellschaft»; von 1923/24 an die «Allgemeine Anthroposophische Ge­sellschaft». Im Hintergrund stand immer als zu bewältigendes Problem der Gegensatz von Bewegung und Gesellschaft.

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Nachdem Rudolf Steiner im Jahre 1902 zusammen mit Marie von Sivers, später Marie Steiner, die Deutsche Sektion der Theosophischen Gesellschaft begründet und 10 Jahre lang intensivste Aufbauarbeit gelei­stet hatte, traten durch die Zentralleitung Verhältnisse auf, die es ihm allmählich verunmöglichten, die anthroposophische Bewegung weiterhin im Rahmen der Theosophischen Gesellschaft verantwortungsvoll zu ver­treten.8 In der Folge wurde die Anthroposophische Gesellschaft begrün­det. Rudolf Steiner übernahm keinerlei leitende Funktion mehr, ja, er wurde nicht einmal Mitglied. Er wirkte als freistehender geistiger Lehrer, die Gesellschaft sollte sich selbst verwalten. Jedoch die damaligen Weltverhältnisse gaben keine Chance zu genügender Konsolidierung. Schon im Sommer 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Die internationale Zu­sammenarbeit wurde lahmgelegt, das Organ «Mitteilungen für die Mit­glieder» und Mitgliederversammlungen mußten eingestellt werden. Ru­dolf Steiner konnte nur noch in der Schweiz, in Deutschland und Öster­reich Vorträge halten. Die Fortführung der Arbeiten an dem im Herbst 1913 in Dornach begonnenen Zentralbau war äußerst erschwert. Das Unternehmen hatte außerdem eine zunehmend wachsende Gegnerschaft hervorgerufen. Sie verschärfte sich noch, als nach dem Ende des Ersten Weltkrieges (1918/19) die Bewegung für eine Dreigliederung des sozialen Organismus entstand und die Anthroposophie viel stärker als bisher ins Licht der Öffentlichkeit rückte. Zahlreiche junge, zumeist wissenschaft­lich orientierte Menschen schlossen sich der Gesellschaft an und entwickelten das Bedürfnis, die Anthroposophie im wissenschaftlichen und praktischen Leben anzuwenden. Es entstanden die Waldorfschule, Wirt­schaftsunternehmen, Kliniken usw. Von Rudolf Steiner verlangten die neuen Verhältnisse immer stärker die wissenschaftlich begründete Vertre­tung der Anthroposophie vor der Welt. Viele ältere Mitglieder waren jedoch damit unzufrieden; sie wollten nicht «Wissenschaft», sondern mehr «Esoterik» im früheren Sinn. Die Jugend wiederum opponierte gegen das von den «Alten» vertretene Gesellschaftsleben, und so zog der Generationenkonflikt herauf. Im Frühjahr 1922 sah sich Rudolf Steiner genötigt, auf die «gegenwärtige Krise» als eine «Kluft», einen «Abgrund» hinzuweisen, der sich zwischen den beiden Strebensrichtungen aufgetan habe.9 Von 1922 an, so berichtet Marie Steiner später, «hat er sich die Frage stellen müssen, ob es ihm überhaupt noch möglich sein würde, mit der Gesellschaft, die den Mutterboden der Anthroposophie verlassen und in den verschiedensten Gründungen sich zersplittert hatte, welche zum Teil isoliert dastanden oder sich gegenseitig bekämpften, noch weiter zu arbeiten oder für die Bewegung ein anderes Instrument zu schaffen» ?10

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Die Gegner-Frage

Zu diesen großen internen Schwierigkeiten stieß noch die immer massiver auftretende äußere Gegnerschaft. Die Angriffe kamen damals von allen Seiten. Rudolf Steiner wurde nicht nur von Vertretern der Wissenschaft und der Kirchen angegriffen, sondern es wurde auch von politischen Gruppen demagogisch gegen ihn als Jude, Kommunist, Freimaurer etc. gehetzt. Zum Beispiel erschien als Leitartikel auf der Titelseite der Münchner nationalsozialistischen Zeitung «Völkischer Beobachter» vom 15. März 1921 ein Aufsatz von Adolf Hitler «Staatsmänner oder Nationalverbrecher», in dem es im Zusammenhang mit dem damaligen deutschen Außenminister Simons heißt, daß es endlich notwendig sei, sich diesen Herrn Minister - er war jüdischer Abstammung -, «intimen Freund des Gnostikers und Anthroposophen Rudolf Steiner, Anhänger der Dreiglie­derung des sozialen Organismus und wie diese ganzen jüdischen Metho­den zur Zerstörung der normalen Geistesverfassung der Völker heißen», etwas näher anzusehen. «Und wer ist die treibende Kraft hinter all diesen Teufeleien? Der Jude! Freund des Doktor Rudolf Steiner, des Freundes Simons .»11 Und im August desselben Jahres 1921 wurde «der Kampf gegen Steiner» in der katholisch und deutschnational ausge­richteten Zeitschrift «Hochland» als eine « unerlaßliche Pflicht» fur alle diejenigen deklariert, «denen an der Reinhaltung unserer öffentlichen Situation liegt», und hinzugefügt: «Vielleicht wird es auf die Dauer nicht zu umgehen sein, diesen Kampf zu organisieren.» Zu dieser Zeit wurde auch bekannt, daß auf einer Liste gewisser politischer Kreise unter den zu ermordenden prominenten deutschen Persönlichkeiten als Nummer 3 oder 9 Rudolf Steiner aufgeführt gewesen sein soll.12 Da Rudolf Steiner aufgrund seines Einsatzes für eine soziale Neugestaltung eine berühmte und umstrittene Persönlichkeit geworden war, hatte die damals größte deutsche Konzertagentur ihm angeboten, seine öffentlichen Vorträge in Deutschland zu organisieren. Der Andrang zu diesen Vorträgen wurde so groß, daß er zeitweise durch die Verkehrspolizei geregelt werden mußte. Als Folge davon kam es zu der in der Zeitschrift «Hochland» angekündig­ten Organisierung des Kampfes. Von alldeutscher und völkischer Seite -diesen Vorläufern des Nationalsozialismus - wurden Tumulte inszeniert. Besonders schlimm war es in München. Bei dem öffentlichen Vortrag am 15. Mai 1922 im Hotel «Vier Jahreszeiten» konnte Rudolf Steiner einem auf ihn geplanten Attentat nur durch den Einsatz einer von Freunden gebildeten Leibgarde unversehrt entkommen. Die Völkischen hatten schon vorher proklamiert: «Hoffentlich finden sich deutsche

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Männer, die verhindern, daß dieser Herr den Boden Münchens über­haupt betritt.»13

Diese Vorkommnisse machen erst verständlich, warum in den Gesell­schaftsverhandlungen des Jahres 1923 die Frage der Gegnerabwehr so stark im Vordergrund stand. Sie war einfach zur Existenzfrage für Rudolf Steiner und die Gesellschaft geworden. Von deren Seite versuchte man die Abwehr zwar mit ehrlicher Absicht, aber es mangelte an Routine und Schlagfertigkeit. Insbesondere war die Art des Vorgehens für Rudolf Steiner so ungenügend, daß er sich veranlaßt sah, festzustellen: «Wenn es wirklich notwendig werden sollte, daß ich mich lediglich damit beschäf­tige, die Gegner abzuwehren, so ist das ja für mich eine Aufgabe, die natürlich unendlich viel schwieriger ist als die Abwehr der Gegner durch das positive Sich-Stellen einer Aufgabe von seiten der Anthroposophi­schen Gesellschaft. Aber der Entschluß, selber daranzugehen, die Gegner abzuwehren ... würde ja als erstes notwendig machen, daß ich meine Tätigkeit für die Anthroposophische Gesellschaft einstellen müßte, mich zurückziehen müßte auf bloß persönliches Wirken.»14

Die religiöse Erneuerungsbewegung

Zu den mit der Gegnerschaft verbundenen Komplikationen kam im Laufe des Jahres 1923 eine weitere Schwierigkeit hinzu. Sie war ausgelöst wor­den durch Mißverständnisse um die mit Hilfe Rudolf Steiners im Herbst 1922 begründete «Christengemeinschaft», damals noch religiöse Erneue­rungsbewegung genannt: «Eine der letzten Begründungen, die aus der antliroposophischen Bewegung herausgewachsen sind, ist ja die Bewe­gung für religiöse Erneuerung, die insbesondere viel zu der Krisis der Antliroposophischen Gesellschaft in der letzten Zeit beigetragen hat», heißt es im Vortrag Dornach, 2. März 1923, in GA 257. Es war auf beiden Seiten nicht genügend beachtet worden, daß Rudolf Steiner diese Bewe­gung als eine von der Anthroposophischen Gesellschaft grundsätzlich unabhängige Bewegung verstanden wissen wollte. Zahlreiche mit den Verhältnissen in der Gesellschaft unzufriedene Mitglieder schlossen sich der neuen kultischen Gemeinschaft an, so daß diese anfänglich mehrheit­lich aus Anthroposophen bestand. Allein in Stuttgart hatten sich «meh­rere hundert Anthroposophen» der Christengemeinde angeschlossen; auch in anderen Städten bildeten anfänglich Anthroposophen den Stamm der neuen Kultusgemeinschaft;15 man sagte: «Jetzt haben wir das Wahre, was wir innerhalb der Anthroposophie niemals haben finden können!» (Stuttgart, 23. Januar 1923 in GA 257)

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Der Hauptbeweggrund dieser Mitglieder lag offensichtlich in dem Bedürfnis nach engerem Gemeinschaftsleben und nach Esoterik, wovon sie glaubten, daß es in der Anthroposophischen Gesellschaft zu wenig befriedigt würde. Dies ist dem Brief eines Mitgliedes an Rudolf Steiner zu entnehmen, in dem es heißt: «Viele anthroposophische Freunde glaubten, in der religiösen Erneuerung durch die Kulthandlung Esoterik zu bekom­men - die Sehnsucht hiernach ist groß.»16 Man stand damals somit in Gefahr, daß durch die «Befriedigung des menschlichen Gemeinschaftsbe­dürfnisses in der Kultusgemeinschaft» viele von der Gesellschaft abge­lenkt werden, daß viele den «Erkenntnisweg, den sie einmal eingeschlagen haben, mit dem wohltuenderen Weg des Kultus vertauschen» und der Gesellschaft dadurch nicht nur personelle Verluste entstehen, sondern ihr auch «finanzielle Hilfe» entzogen wird, wie von dem damaligen Hauptleiter der religiösen Erneuerungsbewegung, Friedrich Rittelmeyer, im Februar 1923 im Stuttgarter Zweig ausgesprochen wurde, in den Tagen, da Rudolf Steiner dort über das in Rede stehende Verhältnis sprach.17

Aufgrund all dieser Ereignisse war für Rudolf Steiner die schon lange empfundene Notwendigkeit, die Gesellschaft auf eine neue Grundlage zu stellen, zum dringlichsten Gebot der Stunde geworden. Anfang Dezem­ber 1922 ließ er den Zentralvorstand in Stuttgart auffordern, Vorschläge zur Konsolidierung der Gesellschaft zu erarbeiten. Auch erwartete er, daß der Vorstand die Mitgliedschaft über das richtige Verhältnis zur religiösen Erneuerungsbewegung orientiere. Drei Wochen später - ehe noch eine Reaktion aus Stuttgart erfolgt war - brannte in Dornach das Goetheanum nieder.

Die Katastrophe fiel mitten in die Weihnachtsveranstaltungen 1922/23. Auch mit deren ganz fachwissenschaftlich ausgerichteten Gestaltung war Rudolf Steiner höchst unzufrieden, nachdem er schon im Frühjahr 1922 beanstandet hatte, daß man nicht glauben solle, auf dem «Umwege durch die Fachgelehrsamkeit» Anthroposophie verbreiten zu können.li Einer von denen, die das Programm eingerichtet hatten, berichtet:

«Gleich bei der ersten Besprechung mit Dr. Steiner über die Gestaltung dieser naturwissenschaftlichen Tagung hätten wir fühlen können, daß Dr. Steiner im Grunde genommen mit einer solchen nicht einverstanden war, daß er etwas wie einen Zwang fühlte, der auf ihn ausgeübt werden sollte. Sonderbarerweise achteten wir wenig darauf, und keiner von uns stellte ihm die Frage, ob er nicht lieber eine andere Veranstaltung als eine naturwissenschaftliche haben würde.»19 Zu Beginn oder während dieser Tagung sagte er «anscheinend sehr erzürnt» zu einer Referentin: «Die

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Leute behandeln mich hier wie ihren Stiefelputzer! Sie arrangieren Tagun­gen, ohne mich zu fragen, und legen mir dann das fertige Programm vor, und ich soll dann auf diesen Tagungen Vorträge halten. Ich lasse mir das nicht mehr gefallen.»20

Hinter dieser starken Unmutsäußerung dürfte auch die Enttäuschung darüber gestanden haben, daß vom Zentralvorstand der Gesellschaft in Stuttgart auf seine Aufforderung hin bisher keinerlei Reaktion erfolgt war. Aus diesem Grunde wohl wandte er sich in seinen beiden Vorträgen vom 30. und 31. Dezember 1922 (in GA 219) mit dem Gesellschaftspro­blem und zur Klärung des Verhältnisses zwischen Gesellschaft und reli­giöser Erneuerungsbewegung direkt an die in Dornach anwesenden Mit­glieder.

Die Brandkatastrophe

In dem Vortrag am Silvesterabend, dem 31. Dezember 1922, der zum letzten wurde, der im «Bau» gehalten werden konnte, wurde durch Erläu­terungen entsprechender Meditationsworte dargelegt, wie spirituelle Er­kenntnis eine «wirkliche Kommunion», der Beginn «eines der Mensch­heit der Gegenwart gemäßen kosmischen Kultus» werden kann.

Dieser Vortrag muß auf die Zuhörer ganz besonders beeindruckend gewirkt haben. Einer von ihnen schildert in seinen Erinnerungen:21 «Die Feierlichkeit, die Eindringlichkeit seiner Sprache steigerte sich im Laufe des Vortrages. Man hatte das Gefühl: Hier zelebriert ein großer Einge­weihter den Kultus der Zukunft, den kosmischen Kultus der Menschheit. Nachdem er die Sprüche noch einmal gesprochen hatte, trat er in größter Bescheidenheit vom Podium zur Seite, und so war es auch selbstverständ­lich, daß niemand applaudierte, was bei anderen Vorträgen durchaus üblich war. Die beiden Sprüche standen noch in seiner schönen Hand­schrift auf den beiden Tafeln geschrieben,22 als wir, die Alten und die Jungen, tief ergriffen in die sternklare Nacht hinausgingen.»

Und Marie Steiner berichtet:23 «Als wir hinaustraten in die monder­hellte Nacht, war es, als ob ein intensiv gesteigertes Leben diese Nacht durchwebe, so schimmernd, so lichtvoll, opalweiß flutend glänzte Isis' Barke im tiefblauen Äthermeer: ich stieß einen Ruf der Bewunderung aus und fühlte mich, meinen Invaliden-Fahrstuhl besteigend, beseligt und freudig gehoben ... Der Spender aller Gaben wurde noch, wie immer beim Hinausgehen, umringt und umlagert von solchen, die ihn mit Fragen und Anliegen bestürmten. Wie immer freundlich, im ärgsten Zugwinde stehend, nach der Überhitzung durch eine zweistündige, mit Feuer und rückhaltloser Kraft gehaltenen Rede. Wie immer dann, wenn er freundlich,

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aber erschöpft und ausgeglüht am Abendtisch saß, empfand ich:

Verbrannte Physis. - Wie lange wird sie das Unmögliche leisten können?

- Bald erscholl ein hastiger kurzer Klingelzug, scheue Worte tönten im Vorraum. Fräulein Geck müsse den Doktor sprechen, dumpf stieß sie hervor: Es brennt im Goetheanum. - Er ging ... Mir, die seit einem Jahr die Fußkraft eingebüßt hatte, war es nicht beschieden, den Hügel empor­zuklimmen, die Füße versagten den Dienst, von einer gewissen Entfer­nung mußte ich das Feuer erleben.»

Rudolf Steiner kontrollierte sofort selber unter Zeugen alle elektri­schen Leitungen und Sicherungen. Es war alles in Ordnung. Kurzschluß als Brandursache war ausgeschlossen.24 Trotz der ununterbrochenen An­strengungen der Feuerwehr und vieler freiwilliger Helfer griff das Feuer rasch um sich. Schlag 12 Uhr mitternachts durchbrach es in einer riesigen weithin sichtbaren Flamme die beiden Kuppeln. Das Schicksal des Baues war besiegelt. Bis zum Morgen war er bis auf den Betonunterbau nieder­gebrannt.

Die Vernichtung des Baues, für den 10 Jahre lang von vielen Menschen größte Opfer gebracht worden waren, traf Rudolf Steiner schwer, sogar bis in seine Gesundheit hinein, wie er in seinen Briefen an Marie Steiner vom 15. und 26. Oktober 1924 äußerte; in letzterem so: «Ich bin ja nun einmal, wie Du weißt, seit Januar 1923 meinem physischen Leib sehr entfremdet.»25 Andere aus dem Dornacher Mitarbeiterkreis berichten:

«Das jugendlich-heitere Lachen, das die ernsten Gesichtszüge Dr. Stei­ners oft erhellte, seine raschen leichten Bewegungen, seinen rhythmischen Gang - niemand konnte so gehen wie er-, das alles erlebten wir seit der Brandnacht nicht mehr. Eine schwere Last lag auf seinen Schultern. Er mußte Kraft aufbringen, seine aufrechte Haltung zu bewahren, und der Gang war mit Anstrengung verbunden»,26 er stützte sich seitdem auf einen Stock.27 Seinen Schmerz über den Verlust prägte er in die Worte :28

Gedanke ward an Gedanken gewunden

Im Schaffen freudig die Seele verbraucht

In Formen die Empfindung gehaucht

Und so der Geist der Kunst verbunden.

Willst du die Schmerzen wohl erkunden

In die das Schicksal uns getaucht

Gefühl ist in Flammen verraucht

Schaffensglück hat ein Ende gefunden

In Trümmer schaut das Auge - -

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Gleichwohl war er nicht gewillt, die Arbeit auch nur einen Augenblick zu unterbrechen. Im Gegenteil: Er lud sich in der folgenden Zeit eine noch größere Arbeitslast auf. Schon am Morgen nach der Brandnacht gab er Anweisung, mit den angekündigten Veranstaltungen programmgemäß weiterzufahren. Um 14 Uhr erstattete er den Basler Zeitungskorrespon­denten Bericht über den Brand und drückte seinen Willen aus, einen neuen Bau zu errichten. Um 17 Uhr fand in der provisorisch wieder hergerichteten Schreinerei des Goetheanum das angekündigte Dreikö­nigsspiel statt. Einleitend sprach er einige erste Worte über das Brandun-glück. Am Abend hielt er programmgemäß den 6. Vortrag seines laufen­den Kursus «Der Entstehungsmoment der Naturwissenschaft in der Weltgeschichte und ihre seitherige Entwickelung» (GA 326). Anschlie­ßend gab Albert Steffen bekannt, daß die Mysteriendramen, «die in den Augustwochen dieses Jahres hätten stattfinden sollen und zu denen eine große Anzahl Ausländer, besonders Engländer und Holländer, willens zu kommen war», nicht aufgeführt werden können; erst müßte die Stätte dazu wieder aufgerichtet werden. Er appellierte an die Anwesenden, für den Wiederaufbau zu spenden.29 - Beim Verlassen des Saales habe Rudolf Steiner einen Augenblick die Kraft versagt: «Er lehnte sich gegen die Wand, so daß man ihn zu stützen suchte. Aber bald hatte er sich wieder gefaßt. »30

Am Wochenende - Freitag/Samstag/Sonntag, 5., 6., 7.Januar 1923 -hielt er wie gewohnt seine Vorträge für die Mitglieder. Darin ging er insbesondere auf das Verhältnis der anthroposophischen Jugend zu den älteren Mitgliedern ein. Denn die «Jungen» hatten für sich etwas revolu­tionäre Versammlungen abgehalten. Eine am Nachmittag des 6.Januar, an der Rudolf Steiner schweigend teilgenommen habe. Dies bestimmte of­fensichtlich den Duktus seines Abendvortrages, vor dem er zuerst von den vielen Bekundungen der Anteilnahme am Brandunglück berichtete, die nicht nur von Mitgliedern, sondern aus aller Welt eingetroffen waren. Nach dem Vortrag fand noch auf Veranlassung des Zentralvorstandes eine Gesellschaftsversammlung statt. Zum Abschluß derselben hielt Rudolf Steiner eine Ansprache über das Brandunglück, die Gegnerschaft und die Frage des Wiederaufbaues. Er machte deutlich, daß ebenso notwendig wie der Wiederaufbau auch die Konsolidierung der Gesellschaft sei, und forderte die in Dornach weilenden Vorstandsmitglieder aus Stuttgart erneut auf, in dieser Richtung aktiv zu werden.

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Die Begründung von Landesgesellschaften

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Die wichtigsten Ereignisse in diesem Zusammenhang wurden nun die Gründungen verschiedener Landesgesellschaften. Darin sah Rudolf Stei­ner die beste Voraussetzung für eine sinnvolle Reorganisierung der Ge­samtgesellschaft. Bei der Gründung der norwegischen Landesgeselischaft sprach er das klar und deutlich so aus :31

«Das internationale Leben und Weben der Anthroposophischen Ge­sellschaft würde am besten dadurch gedeihen, daß sich in den einzelnen Sprachgebieten Landesgesellschaften begründen und diese sich zusam­menschließen würden in Dornach zu einer internationalen anthroposo­phischen Weltgesellschaft. Das wäre die beste Art, wie die Anthroposo­phische Gesellschaft weiterarbeiten könnte. Denn, sehen Sie, wenn die Sache so fortgehen soll, wie sie eigentlich fortgehen muß, wenn nicht die Gegner uns - verzeihen Sie, wenn ich das Wort gebrauche - sollen, wenn also richtig gearbeitet werden soll, so müßte eigentlich immer eine Verbindung da sein mit einem Zentrum. Und das kann ja nach Lage der Sache eben nur Dornach sein.»

Aus dieser Auffassung heraus hatte er schon am 8.Januar sein schrift­liches Einverständnis zur Begründung einer französischen Anthroposo­phischen Gesellschaft gegeben.32 Und da es schon einige solcher Landes-gesellschaften - in England, Schweden und der Schweiz - gab, bestand für ihn folgerichtig der nächste Schritt darin, auch die deutschen Gesell­schaftsverhältnisse in diesem Sinne zu ordnen. Dies geschah Ende Februar bei der Stuttgarter Delegiertentagung durch die Gründung einer deut­schen Landesgesellschaft und einer Freien Anthroposophischen Gesell­schaft in Deutschland für die mit der alten Generation unzufriedene Jugend. Weitere Gründungen von Ländergesellschaften folgten.

#TI

Der Wiederaufbau des Goetheanum

und die Neukonstituierung der Anthroposophischen Gesellschaft

#TX

Da die Mitglieder aus aller Welt den Wiederaufbau des Goetheanum wünschten, kam es durch die Initiative der englischen Freunde im Juli 1923 in Dornach zu einer internationalen Delegiertentagung. Nun wurde erstens offiziell der Wiederaufbau beschlossen und zweitens die Begrün­dung einer Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft durch den Zusammenschluß der einzelnen Ländergesellschaften, die ihr Zentrum am Goetheanum haben und von einem noch zu wählenden Generalsekretär geleitet werden sollte. Als Zeitpunkt dafür wurde Weihnachten festgesetzt.

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Damals war Rudolf Steiner noch keineswegs gewillt, selber die Leitung zu übernehmen. Vielmehr versuchte er immer noch mit aller ihm zu Gebote stehenden Eindringlichkeit, die Verantwortlichen dahin zu brin­gen, der Gesellschaft als solcher eine positive Aufgabe zu geben, denn die anthroposophische Bewegung könne nur in einer Gesellschaft leben, die eine Realität sei. In diesem Sinne hatte er schon in seinen Juni-Vorträgen über «Die Geschichte und die Bedingungen der anthroposophischen Bewegung im Verhältnis zur Anthroposophischen Gesellschaft» ein­dringlich zur Selbstbesinnung aufgerufen. Ungeschminkt hatte er darauf hingewiesen, daß in den letzten Jahren in der Gesellschaft eine Stimmung «wider die Lebensbedingungen der anthroposophischen Bewegung», ja sogar eine «innere Opposition» gegen dasjenige aufgekommen sei, was er selbst in der Gesellschaft zu tun habe. Und er wies auf das fehlende Bewußtsein davon hin, daß eine Gesellschaft gebildet werden müßte, «die die ersten Schritte machte in einer Angelegenheit, in der ein großer Teil der Menschheit wird nachfolgen müssen». Für diejenigen, die einer Bewe­gung vorauseilen, bedeute das eben eine potentielle Verpflichtung: «Das heißt, sie haben die Verpflichtung, in allen Einzelheiten größeren Mut, größere Energie, größere Geduld, größere Toleranz und vor allen Dingen größere Wahrhaftigkeit zu üben. »33

Doch man verstand ganz offensichtlich nicht, was Rudolf Steiner eigentlich wollte. Man empfand sich, obgleich voll des guten Willens, als überfordert. Daß Rudolf Steiner dies selbst wußte und wie er dies beur­teilte, ist seinem Brief aus Stuttgart vom 13. September 1923 an die Dornacher Mitarbeiterin Edith Maryon deutlich zu entnehmen, wenn er ihr schreibt, daß trotz allen guten Willens kaum «das Rechte» herauskom­men wird: «Denn dieser ist eben nicht die geistige Kraft des Willens, sondern die Vorstellung (Illusion), daß man den Willen habe. Diese Persönlichkeiten haben große Fähigkeiten - das zeigt sich zum Beispiel bei den Waldorflehrern; sie sind sogar in vieler Beziehung ge­nial -; aber vom Willen doch nur die . Und so sagen sie sich: wir haben den , aber wir verstehen nicht, was wir sollen. Die Wahrheit aber ist, daß sie sich sagen sollten: Wir verstehen so gut als möglich, was wir sollen; aber wir wollen nicht. Ja, die Wahrheit ist erst hinter der Illusion.»34

In gleichem Sinne hat er nach einer vorliegenden kurzen Notiz von dem Waldorflehrer Christoph Boy auch in einer der Stuttgarter Sitzungen geäußert: «Wollen müssen wir, nicht nur wünschen.» «Solange wir unsere eigenen Gegner sind, brauchen wir uns über die äußeren nicht zu wun­dern.» «Unmethoden». «Mit eisernem Willen die Dinge zu Ende führen.»

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«Es liegt nicht am Können, die Leute wollen nicht.» «Es wird nicht Hand in Hand gearbeitet.» «Man hat den äußeren Kriegsschauplatz nur, weil die Menschen den inneren Kriegsschauplatz fürchten.»35

Offenbar um seinen Schülern nicht die Chance zu verbauen, die «gei­stige Kraft» des Willens zu entwickeln, wollte er nicht selbst sagen, was getan werden sollte, worin die positive Aufgabe bestehen könnte, die sich die Gesellschaft selbst stellen sollte. In diesem Sinne muß berücksichtigt werden, daß es einzig um der Sache willen war, wenn er insbesondere in den sogenannten Dreißigerkreis-Sitzungen verschiedentlich sehr deut­lich, ja manchmal sogar sehr hart zu dem einen oder anderen der Verant­wortlichen sprach, die von ihm sonst hochgeschätzt wurden.

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Rudolf Steiners Entschluß,

künftig selbst die Gesellschaftsleitung zu übernehmen

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Hatte sich Rudolf Steiner während des ersten Halbjahres mit der Frage auseinandergesetzt, ob er sich nicht im Interesse der anthroposophischen Sache von der Gesellschaft zurückziehen müßte, so trat von der zweiten Jahreshälfte an als zweite Frage die dazu, ob es nicht vielleicht notwendi­ger wäre, anstatt sich von der Gesellschaft zurückzuziehen, sich mit ihr völlig zu verbinden, d.h. für alles von ihr Ausgehende persönlich die Verantwortung zu tragen, selbst die Leitung zu übernehmen. Was ihn dieser Entschluß gekostet haben muß, läßt sich in etwa ermessen an den Dokumenten dieses Bandes und den Andeutungen, die er im Verlaufe des Jahres in Briefen, insbesondere an die Dornacher Mitarbeiterin Edith Maryon machte, wenn es darin beispielsweise heißt (aus GA 263/1):

Stuttgart, 25. März 1923:.... Für die Gesellschaft habe ich eigentlich nur zu sagen, daß ich am liebsten nichts mehr mit ihr zu tun haben möchte. Alles, was deren Vorstände tun, widert mich an.»

Stuttgart, 11. Mai 1923: «... es schläft die A. G. weiter; man bringt sie zu keinem Erwachen. »

Wien, 30. September 1923:.... Sonst ging alles gut mit der allerdings gewichtigen Ausnahme, daß auch unsere Wiener Mitglieder schlafen.»

Den Haag, 16. November 1923: «... die Gesellschaft ist auch hier in einer greulichen Verfassung, Uneinigkeit, Ungenügendheit usw.»

Das entscheidende Ereignis in dem Ringen um sein weiteres Vorgehen war jedoch nach der Darstellung Marie Steiners die Affäre mit der deutschen

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Wochenschrift «Anthroposophie», die sich im Juli in Stuttgart abgespielt hatte (Näheres siehe Seite 795 ff.). Marie Steiner schrieb später darüber: 36

«Noch im Juli 1923 mußte Dr. Steiner die härtesten Enttäuschungen erleben. Die zum Schutze der Gesellschaft in diesem Kampfe eben ge­gründete Zeitschrift hatte durch mangelndes Unter­scheidungsvermögen ihrer Vertreter vollkommen versagt; sie hatte nicht erkannt, was die Stunde geschlagen hatte und meinte, auch die schmutzig­sten Gegner mit Glacéhandschuhen anfassen zu müssen. Dr. Steiner sprach seine Empörung aus über den ihr anhaftenden Mangel an auf­rechter Gesinnung und unumstößlichem Wahrheitswillen.

Es war für ihn um so bitterer und enttäuschender, als er schon ver­suchsweise auf das dringende Ansuchen derer eingegangen war, die ihn gebeten hatten, die esoterische Arbeit wieder aufzunehmen. (Siehe hierzu Seite 824.) Damit war die anthroposophische Arbeit in eine Sphäre geho­ben worden, aus welcher sie nicht ohne schwere innere Konsequenzen in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zurückgeschleudert werden durfte. Statt nun, wie er es sich vorher überlegt hatte, ein neues Werkzeug für sein geistiges Wirken zu schaffen, entschloß er sich, das Opfer seiner Person zu bringen. Er entschloß sich, sein Karma mit dem der Gesell­schaft zu verbinden, während er früher versucht hatte, sie gleichsam auf sich selbst zu stellen und als ein sie beratender geistiger Leiter zur Selb­ständigkeit hin zu erziehen. Nun sah er, daß sie diese Stufe der Reife noch nicht hatte und übernahm den Vorsitz.»

Nachdem Rudolf Steiner damals offensichtlich zum erstenmal erkannt hatte, daß er sozusagen keine andere Wahl mehr habe als selbst die Gesellschaftsführung zu übernehmen, äußerte er sich entsprechend wäh­rend des im August folgenden England-Aufenthaltes zu Dr. Ita Weg­man.37

Bald darauf muß er in seinem Entschluß weiter bestärkt worden sein durch die politischen Ereignisse in Deutschland. Als die Meldung von dem am 9. November in München erfolgten Hitler-Ludendorff-Putsch in Dornach bekannt wurde, soll er geäußert haben: «Wenn diese Herren an die Regierung kommen, kann mein Fuß deutschen Boden nicht mehr betreten.»38 Noch am gleichen Tag habe er die Berliner Mitarbeiterin Anna Samweber, die sich gerade in Dornach aufhielt, gebeten, sofort nach Berlin zurückzukehren, um seinen Auftrag, die dortigen Mietverhältnisse zu kündigen, zu übermitteln.39 Demnach hatte er sich auf dieses politische Ereignis hin sofort entschlossen, seinen und Marie Steiners Berliner

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Wohnsitz aufzugeben und den Philosophisch-Anthroposophischen Ver­lag von Berlin nach Dornach zu verlegen. Mit Marie Steiner muß er damals verabredet haben, daß sie von Holland aus - wohin sie zu einer anthroposophischen Tagung und Gründung der holländischen Landesge­selischaft am 12./13. November abzureisen hatten - direkt nach Berlin weiterreisen und den Umzug veranlassen solle, während er selbst nach Dornach zurückkehren werde, um die Weihnachtstagung vorzuberei­ten.40 Auch müssen sie - wahrscheinlich noch in Dornach, eventuell erst in Holland - über die Besetzung des künftigen Vorstandes der Gesell­schaft miteinander beraten haben. Wie Marie Steiner überlieferte, wollte Rudolf Steiner, daß sie den zweiten Vorsitz übernehmen solle. Sie habe jedoch eingewendet, daß ihre gesundheitlichen Kräfte wohl nicht ausrei­chen würden, um zu ihrer künstlerischen Arbeit noch diese neue große Aufgabe zu übernehmen. Außerdem schiene es ihr der Außenwelt gegen­über nicht gut, wenn die neue Weltgesellschaft von einem Ehepaar reprä­sentiert werden würde. Letzteren Einwand habe Rudolf Steiner akzep­tiert, und als sie ihm daraufhin vorschlug, an ihrer Stelle den Dichter und Redakteur der Wochenschrift «Das Goetheanum», Albert Steffen, zu berufen, war er einverstanden unter der Voraussetzung, daß sie mit die­sem gemeinsam den zweiten Vorsitz übernehme. Auch die Ärztin Dr. Ita Wegman habe sie ihm vorgeschlagen.41 - Weitere jüngere, in Dornach lebende Persönlichkeiten sollten hinzukommen, solche, welche ihr Leben «in restloser Weise der antliroposophischen Sache gewidmet haben; äußerlich und innerlich» (Dornach, 24. Dezember 1923, in GA 260).

Gleichwohl rang er offenbar noch immer weiter mit der Frage, ob er sich nicht doch ganz zurückziehen müßte. Wie von Willem Zeylmans van Emmichoven überliefert wurde, habe er während des Holland-Aufent­haltes, am 17. November, am Vorabend der Bildung der holländischen Landesgesellschaft, in einem kleinen Kreis in schmerzlich-eindrucksvol­1er Art seine Zweifel darüber geäußert, ob ein Weitergehen mit der Gesellschaft für ihn noch möglich sei und sich darüber beklagt, «daß man nirgends zu verstehen scheine, was er überhaupt wolle und daß es viel­leicht nötig sein würde, mit nur ganz wenigen Menschen innerhalb eines strengen Zusammenschlusses weiterzuarbeiten.»42 In einer anderen Nie­derschrift gab Zeylmans den Ausspruch so wieder: «Was soll ich denn tun? Soll ich einen Orden gründen?»43 Von einem anderen der damals Anwesenden wurde noch überliefert, daß daraufhin Frau Dr. Wegman zu Rudolf Steiner gesagt hätte: «Aber Herr Doktor, Sie können doch die Gesellschaft nicht im Stich lassen. Sie haben mir diesen Sommer erzählt, wie Sie die neue Gesellschaft aufzubauen gedenken unter Ihrer Führung.»

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Und er habe geantwortet: «Ja, Frau Doktor, wenn Sie mir helfen, dann werde ich es wagen !»44 Die gleiche Bitte, die Gesellschaft, die ohne ihn nicht existieren könne, doch nicht zu verlassen, war auch von Marie Steiner ausgesprochen worden, nur daß der genaue Zeitpunkt nicht be­kannt ist.45

Von Holland nach Dornach zurückgekehrt, berichtete Rudolf Steiner bei dem ersten Mitgliedervortrag am 23. November über die holländi­schen Veranstaltungen und begann mit der Vortragsreihe «Mysterienge­staltungen» (GA 232) die Hörer auf die Weihnachtstagung einzustimmen. Am 1. Dezember schrieb er an Marie Steiner in Berlin: «Wir haben hier ganz phantastisch viele Leute zu Weihnachten zu erwarten. Und es er­scheint heute so gut wie ausgeschlossen, alle unterzubringen... Und ich möchte doch eben nicht, daß man Leute, die kommen wollen, abweist. Denn ich setze für die Gesellschaft gewissermaßen letzte Hoffnungen auf die Weihnachtszusammenkunft.» (GA 262). Daß zu dieser Zeit sein «Ent­schluß» schon endgültig feststand, ist belegt durch einen Brief von Ita Wegman vom 2. Dezember an Toni Völker, Leiterin des Kerning-Zwei­ges in Stuttgart. Die entsprechenden Passagen lauten :46

... Etwas in Ihrem Brief ist mir noch aufgefallen, und zwar der Passus, daß Sie mit drei andern Leuten Ihres Zweiges kommen wollen, um hier in Dornach Vorschläge zu machen. Ich weiß natürlich nicht, worauf sich diese Vorschläge beziehen. Sollten sie sich aber auf die Gründung der internationalen Gesellschaft beziehen, dann möchte ich Ihnen im Ver­trauen das Folgende sagen:

Die Sache wird diesmal ganz anders gemacht wie bisher bei den Grün­dungen der einzelnen Landesgesellschaften. Es ist jetzt hier Herr Dr. Steiner, der die ganze Sache in die Hand nehmen will, er wird sogar den Vorsitz führen und ganz die Sache leiten, wie er es für gut findet. Er wird auch die Statuten geben, und die Geschäfte der internationalen Gesell­schaft werden unter seiner direkten Führung mit Hilfe von Mitarbeitern, die hier in Dornach leben und von Herrn Dr. persönlich gewählt werden, geführt. Vorschläge von andern kommen also hier gar nicht mehr in Frage, die Landesgesellschaften haben sich also nur anzuschließen oder nicht anzuschließen und sich nur mit der Frage, ob ja oder nein zu beschäftigen. Einzelne Gruppen oder Zweige haben also gar nichts damit zu tun, weil die Internationale aus den Landesgesellschaften heraus ge­gründet wird, und in diesen Landesgesellschaften sind die Zweige darin.

Sie können also ganz beruhigt sein, liebes Fräulein Völker, daß die Sache geht, sowie Herr Dr. es haben will. Und Sie werden wohl recht froh sein, daß Herr Dr. wieder einmal seinen Willen ganz energisch kundgibt,

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und wieder energisch die Gesellschaft führen will. Wir können Herrn Dr. nur dafür dankbar sein, und alle Mitglieder sollten dies so hoch als möglich schätzen. Die Geschäfte werden vom Tag der Gründung an nur von Dornach aus geführt werden, so daß jede Landesgesellschaft sich nach Dornach zu richten hat. Wir alle, die wir dem Dr. so eng jetzt verbunden sind, sind so hoch erfreut über den Entschluß von Herrn Dr. und hoffen, daß alle, die ihm treu zur Seite stehen wollen, mit uns sich freuen können. Lassen Sie also alle Vorschläge zu Hause, kommen Sie zu uns nach Dornach als Gäste mit der besten Gesinnung und dem größten Enthusias­mus, und Sie werden mithelfen aufzubauen eine dritte Phase der anthro­posophischen Gesellschaft, die, wenn jetzt nicht in dem rechten Fahrwas­ser gesteuert wird, ganz sicher auseinanderfallen würde. Nach dem Jah­restag unseres schrecklichen Verlustes unseres Heimes sollte die Wieder­geburt sein einer starken anthroposophischen Bewegung, wozu jeder einzelne seine Kraft und Arbeit geben soll.»

Wenige Tage nach diesem Brief Ita Wegmans vom 2. Dezember schrieb Rudolf Steiner am 6. Dezember wieder an Marie Steiner in Berlin und meldete nochmals: «Von Deutschland allein sind 200 Leute gemeldet, für die alle noch kein Quartier da ist, ganz zu schweigen, daß wir auch kein Geld haben, um die Quartiere für die Nicht-Zahlenden zu bestreiten. Und doch hängt jetzt alles davon ab, daß die Weihnachtsveranstaltung am Jahrtage des Brandes eine würdige werde, auch durch die Zahl der Teil­nehmer. Wenn das nicht der Fall sein würde, so hielte ich es für das beste, überhaupt nicht mehr zu bauen. Nach den bitteren Versammlungen in London und Haag kann es doch hier gut gehen; aber man muß auch alles dafür tun.» (GA 262).

Am 10. Dezember deutete er nach Dr. Elisabeth Vreede ihr gegenüber an, daß er sie für den neuen Vorstand vorgesehen habe (siehe Seite 727). Und am gleichen Tag, an dem in der Wochenschrift «Das Goetheanum» die offizielle Einladung zur Weihnachtstagung erschien, Sonntag, den 16. Dezember, orientierte er über die künftige Vorstandsbesetzung Albert Steffen und Dr. Guenther Wachsmuth im Beisein von Dr. Ita Wegman, die ja über Rudolf Steiners Entschluß schon im Bilde war. Auch gab er die von ihm inzwischen verfaßten neuen Statuten bekannt und bat Dr. Wachsmuth, sie drucken zu lassen, damit sie auf Weihnachten jedem Teilnehmer ausgehändigt werden könnten.

Anderntags, am 17. Dezember, fuhr er nach Stuttgart, um sich dort mit Marie Steiner, die am 18. morgens aus Berlin kam, zu treffen und dann mit ihr gemeinsam nach Dornach zurückzukehren. In Stuttgart - es muß am 18. oder 19. Dezember gewesen sein - wurden von ihm im Beisein Marie

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Steiners nun auch die leitenden Gremien der beiden deutschen Gesell­schaften über seine Absichten für die neue Gesellschaftsbildung orientiert (siehe Seite 731). Und nachdem er am 19. oder 20. Dezember mit Marie Steiner nach Dornach zurückgekehrt war, orientierte er auch hier die bei seinen Vorträgen am 22. und 23. Dezember versammelten Mitglieder über die Vorschläge, die er bei der Gründungsversammlung vorbringen werde (siehe Seite 732 ff.). Erstmals wurde nun auch offiziell Dr. Elisabeth Vreede als vorgesehenes Vorstandsmitglied genannt. Wieder betonte er, daß «gegenwärtig die Dinge sehr, sehr ernst, bitterernst genommen wer­den müssen», da sonst doch dasjenige eintreten müßte, «wovon ich ja oftmals gesprochen habe», daß «ich mich von der Anthroposophischen Gesellschaft zurückziehen müßte». Das wurde dann auch nochmals im Eröffnungsvortrag zur Tagung selbst, am 24. Dezember, ausgesprochen, wenn es heißt, daß in ihm «in den letzten Wochen» nach «schwerem innerem Überwinden» die Erkenntnis aufgestiegen sei, daß es ihm un­möglich sein würde, die anthroposophische Bewegung innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft weiterzuführen, wenn diese Weih­nachtstagung «nicht zustimmen würde, daß ich wiederum selber in aller Form die Leitung bzw. den Vorsitz der hier in Dornach am Goetheanum zu begründenden Anthroposophischen Gesellschaft übernehme» (GA

260).

Die Aussage «in den letzten Wochen» und die angeführten Gescheh­nisse erweisen, daß sich Rudolf Steiner zu seinem Weihnachtstagungs-Entschluß endgültig im Laufe des November entschlossen haben muß.

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Auswirkungen des Tat gewordenen Entschlusses

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Was bei der am 24. Dezember 1923 beginnenden Weihnachtstagung sich vollzog, war nicht die bislang beabsichtigt gewesene Gründung einer «Internationalen Anthroposophischen Gesellschaft» durch den Zusam­menschluß der verschiedenen Ländergesellschaften, wie es noch in der offiziellen Einladung vom 16. Dezember lautete, sondern - nach voller Zustimmung der Versammlung zu den Vorschlägen Rudolf Steiners - eine völlige Neubildung. Den Ausdruck «Internationale» wollte er durch den Ausdruck «Allgemeine» ersetzt wissen. Und so wurde die «Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft» und die «Freie Hochschule für Geistes­wissenschaft» mit Sitz am Goetheanum in Dornach begründet.

Die Gründungsverhandlungen in den Weihnachtstagen 1923/24 und die weiteren Schritte zur Ausgestaltung der von Rudolf Steiner beabsich­tigten Organisationsformen finden sich dokumentiert in den beiden Bänden

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«Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthro­posophischen Gesellschaft 1923/24», GA 260, und «Die Konstitution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hoch­schule für Geisteswissenschaft - Der Wiederaufbau des Goetheanum», GA 260 a. Insbesondere der letztere Band enthält die Aussagen Rudolf Steiners über den Sinn und das Gewicht, die er seinem Weihnachtsta­gungs-Entschluß beigemessen hat.

Da er immer, wenn er über die mit dem Weihnachtstagungs-Entschluß verbundenen Absichten sprach, betonte, daß das grundlegend Neue darin bestehe, daß er persönlich die Leitung übernommen habe und Bewegung und Gesellschaft dadurch eines geworden seien, soll noch kurz die Frage berührt werden: Worin unterscheidet sich dieses Neue von der zehnjähri­gen Tätigkeit als Generalsekretär der deutschen Sektion der Theosophi­schen Gesellschaft, während der doch auch Lehramt und Administration zugleich ausgeübt wurde?

Hierzu ist zu berücksichtigen, daß es sich bei der Übernahme der Leitung der deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft im Jahre 1902 nicht um eine gesellschaftliche Neugründung durch Rudolf Steiner gehandelt hat, sondern um den Anschluß an eine bereits bestehende Weltgesellschaft. Dadurch waren ihm, wenn er sich auch Lehrfreiheit ausbedungen hatte, in bezug auf die Administration doch die Hände gebunden. Denn die von der Zentralleitung ausgehenden Verwaltungsre­geln waren für ihn als deutschen Generalsekretär genauso verbindlich wie für die Generalsekretäre anderer Länder. Daraus ergibt sich, daß für Rudolf Steiners innere Sicht damals Lehramt und Administration zwei verschiedene Bereiche gewesen sein müssen. Dies blieb auch so während der darauffolgenden zehnjährigen Bestehenszeit der Anthroposophi­schen Gesellschaft (1913-1923), in welcher er keine Verwaltungsfunktion übernommen hatte, ja nicht einmal Mitglied geworden war.

Gerade dies wurde anders mit dem Weihnachtstagungs-Entschluß, künftig persönlich die Leitung zu übernehmen. Bewegung und Gesell­schaft sollten eines sein dadurch, daß von nun an Anthroposophie nicht rnehr nur gelehrt, sondern bis in jedes Verwaltungsdetail hinein getan werden sollte. So sollte künftig durch die Gesellschaft und die neue esoterische Schule, der Forderung der modernen Zeit entsprechend als «Freie Hochschule für Geisteswissenschaft», die Anthroposophie im Kulturleben repräsentiert werden. Damit wollte Rudolf Steiner etwas in der Geschichte der esoterischen Bewegung völlig Neues inaugurieren. Die damit übernommene große Verantwortung war es, die ihm seinen Entschluß so schwer gemacht hat.

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Einer Zusammenschau aller Ereignisse und Probleme vom Brand des Goetheanum bis zur Weihnachtstagung erweist sich somit klar, daß das Jahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft wie auch für Rudolf Steiner persönlich zum entscheidenden Schicksalsialir geworden ist.

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Anmerkungen

#TX

1 Beider Generalversammlung der deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft im Jahre 1906.

2 Notizbucheintragung aus dem Jahre 1918 (Notizbuch-Archivnummer 101).

3 Vortrag Dornach, 24. Dezember 1923, in GA 260.

4 Überliefert von Ludwig Polzer-Hoditz. Vgl. GA 260 a, S. 680.

5 Siehe «Die Tempellegende und die Goldene Legende», GA 93, und «Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904-1914«, GA 264, besonders das Schlußwort des Herausgebers, in dem das Problem Bewegung/Gesell­schaft vom Gesichtspunkt der Haltung Rudolf Steiners hierzu dargestellt ist.

6 Berlin, 3. November 1904, in «Ursprung und Ziel des Menschen», GA 53.

7 Doruach, 2. März 1923, in «Anthroposophische Gemeinschaftshildung«, GA 257.

8 Siehe hierzu »Die Geschichte und die Bedingungen der anthroposophischen Bewegung im Verhältnis zur Anthroposophischen Gesellschaft», GA 257; sowie »Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904-1914», GA 264.

9 Erstmals in Stuttgart, dem Hauptort der wissenschaftlichen und praktischen Bestrebun­gen, am 23. Mai 1922; dann auch in Dornach am 28. Mai und in Wien am 11.Juni 1922.

10 Im Brief vom 3. September 1947 an Richard Dührich in »Marie Steiner, Briefe und Dokumente», Dornach 1981.

11 Zitiert aus »Hitler. Sämtliche Aufzeichnungen 1905-1924. Herausgegeben von Eberhard Jäckel zusammen mit Axel Kuhn», Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1980.

12 und

13 Hans Büchenbacher »München 1922» in «Erinnerungen an Rudolf Steiner. Gesammelte Beiträge aus den 1947-1978», Stuttgart 1979.

14 In der Generalversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz am

22. April 1923 (in diesem Band Seite 478).

15 Gemäß Bericht von Friedrich Rittelmeyer »Über die religiöse Bewegung», in: »Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht. Nachrichten für deren Mitglieder«, 1. Jg. Nr.22 vom 8. Juni 1924.

16 Brief von Lia Stahlbusch vom 23.1.1923 aus Stuttgart (in diesem Band Seite 219).

17 Vgl. Rudolf Steiners Vortrag Stuttgart, 27. Februar 1923, in GA 257. Die angeführten Worte Friedrich Rittelmeyers sind im Archiv der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung vorliegenden Ausführungen entnommen, die er offensichtlich damals im Stuttgarter Zweig gemacht haben muß.

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18 Vortrag Stuttgart, 23. Mai 1922 (in der GA noch nicht erschienen).

19 Oskar Schmiedel, zitiert aus «Rudolf Steiner, Eine Chronik» von Christoph Lindenberg, Stuttgart 1988.

20 Rudolf Steiner zu Lilly Kolisko. L. K. in »Eugen Kolisko. Ein Lebensbild», 1961, Seite

68.

21 Heinz Müller, «Spuren auf dem Weg. Erinnerungen«, Stuttgart 1970.

22 Diese beiden Wandtafeln sind mitverbrannt. Siehe den handschriftlichen Entwurf der beiden Sprüche aus einem Notizbuch auf Seite 854 f.

23 In »Aus Rudolf Steiners Leben und Tod« in «Was in der Anthroposophischen Gesell­schaft vorgeht - Nachrichten für deren Mitglieder« (1926, Nr. 1 vom 3. Januar) sowie in «Erinnerungen von Marie Steiner«, Heft I, Dornach 1949.

24 Eine Branddrohung war schon in der Oktobernummer 1920 der Zeitschrift «Der Leuchtturm« ausgesprochen und in einer astrologischen Broschüre (1921) zitiert wor­den. In vorliegendem Band wird von Rudolf Steiner mehrfach darauf hingewiesen.

25 In «Briefwechsel und Dokumente 1901-1925», GA 262.

26 Assja Turgenieff in «Erinnerungen an Rudolf Steiner und die Arbeit am Ersten Goethe­anum«, Stuttgart 1972.

27 Natalie Turgenieff-Pozzo in «Zwölf Jahre der Arbeit am Goetheanum», Dornach 1942.

28 In «Wahrspruchworte», GA 40.

29 In der Wochensehrift »Das Goetheanum» vom 7.1.1923: »Die Vernichtung des Goe­theanum durch Feuer».

30 Emil Leinhas in »Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner«, Basel 1950, S. 156.

31 Am 17. Mai 1923; voller Wortlaut der Ansprache in diesem Band. Seite 469.

32 In diesem Band Seite 488.

33 Vortrag Dornach, 16.Juni 1923, in GA 258.

34 In «Rudolf Steiner/Edith Marvon, Briefe - Sprüche - Skizzen», GA 263/1.

35 Die Notiz ist datiert mit 14. Januar 1923, was jedoch nicht stimmen kann, da Rudolf Steiner am 14. und 15. Januar in Dornach war.

36 Vgl. Nr.10.

37 In »Wer war Ita Wegman. Eine Dokumentation. Band 1 - 1876 bis 1925» von J. E. Zeylmans van Emmichoven, Edition Georgenherg Reutlingen 1991

38 und

39 Persönliche Mitteilung von Anna Samweber an Hella Wiesberger.

40 Marie Steiner in ihrem Vorwort zu GA 260.

41 Siehe »Eine Erinnerung an Marie Steiner aus dem Jahre 1947, niedergelegt durch Lidia Gentilli-Baratto», 1. Auflage o.J., 2. Auflage Freiburg 1966.

42 E W. Zeylmans van Emmichoven in «Entwickelung und Geisteskampf 1923-1935», deutsche Übersetzung von Elisabeth Vreede 1935, S. 10.

43 «Willem Zeylmans van Emmichoven. Ein Pionier der Anthroposophie. Sein Leben erzählt von Emanuel Zeylmans», Arlesheim 1979.

44 Vgl. Nr.37.

45 Persönliche Mitteilung Marie Steiners an Febe Arenson-Baratto und von dieser weiter­gegeben an Hella Wiesberger.

46 Vgl. Nr. 37.

HINWEISE

#G259-1991-SE873 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft

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HINWEISE

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Zu dieser Ausgabe

Frühere Publikationen:

«Rudolf Steiner und die Zivilisationsaufgaben der Anthroposophie. Ein Rückblick auf das Jahr 1923 und die ihm vorangegangenen Freignisse. Eingeleitet und fort­laufend weitergeschildert von Marie Steiner», Dornach 1943.

«Rudolf Steiner, Studienmaterial aus den Sitzungen des Dreißigerkreises Stutt­gart 1923«, von Marie Steiner 1947 als private Vervielfältigung herausgegeben.

Alle anderweitigen Veröffentlichungen von Texten Rudolf Steiners innerhalb der Gesamtausgabe sind im detaillierten Inhaltsverzeichnis durch die Bezeichnung »(aus GA Nr nachgewiesen.

Textgrundlagen: Für Teil I: Die Publikation Marie Steiners «Rudolf Steiner und die Zivilisationsaufgaben der Anthroposophie», Dornach 1943.

Für Teil II, III und Anhang: Bei den gesprochenen Wortlauten Rudolf Stei­ners (Ansprachen, Einleitungen und Schlüsse von Vorträgen, Vortragsauszüge oder Voten in Versammlungen) handelt es sich um stenographische Mitschriften, die, soweit im Band selbst nichts anderes verrnerkt ist, von der Berufsstenogra­phin Helene Finckh erstellt und von ihr in Klartext übertragen worden sind. Diese Texte waren von Rudolf Steiner nicht zum Druck vorgesehen und sind von ihm auch nicht durchgesehen worden. Die übrigen Dokumente, sofern sie nicht mit einem Quellennachweis versehen sind, stammen aus dem Archiv der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung.

Zum Titel des Bandes: Der Titel stammt vom Herausgeber. Ursprünglich war vorgesehen, den Titel Marie Steiners aus dem Jahre 1943 «Rudolf Steiner und die Zivilisationsaufgaben der Anthroposophie» beizubehalten. Jedoch die starke Er­weiterung des Inhaltes und die Stellung des Bandes innerhalb der Gesamtausgabe in der Reihe «Schriften und Vorträge zur Geschichte der anthroposophischen Be­wegung und der Anthroposophischen Gesellschaft» machten es notwendig, den Titel den neuen Gegebenheiten anzupassen.

Hinweise zum Text

ZU TEIL I

zu Seite

19 Es ist dir noch verborgen: Siehe Rudolf Steiner «Die Prüfung der Seele«, 9. Bild, in «Vier Mysteriendramen», GA 14.

Wenn vieler Menschen Worte: Aus dem 1. Bild des Mysteriendramas «Die Pforte der Einweihung«, GA 14.

20 Wer durch die Gnade: Aus dem 8. Bild des Mysteriendramas «Die Prüfung der Seele», GA 14.

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ZU TEIL II

60/61 Dreikönigsspiel... beiden anderen Weihnachtaspiele: Siehe «Weihnacht-spiele aus altem Volkstum», Dornach 1990.

64 Broschüre einer Astrologin: Elsbeth Ebertin »Ein Blick in die Zukunft? Den Freunden der wissenschaftlichen Astrologie», Freiburg (Baden) 1921. Das Zitat steht auf Seite 63 und war aus der Zeitschrift »Der Leuchtturm», Lorch/Württ., Oktober 1920, entnommen.

ein besonders haßerfüllter Gegner: Der in Rede stehende Artikel in der Zeit­schrift »Der Leuchtturm« ist nicht gezeichnet. Nach Karl Heyer (in »Wie man gegen Rudolf Steiner kämpft«, Stuttgart 1932) stammt er von dem Herausgeber Karl Rohm (ehemals Mitglied in der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft).

Jung-Solothurn: Am Eidgenössischen Bettag, Sonntag 19. September 1920, fand nachmittags um 3 Uhr in Dornach-Brugg eine gegen die anthroposophische Bewegung gerichtete Versammlung statt, die vom «Katholischen Verein» von Dornach, Arlesheim und Reinach organisiert war. Verschiedene Redner, darun­ter Pfarrer Max Kully von Arlesheim, wiegelten die Emotionen der Anwesenden auf. In einem Artikel der »Aargauer Zeitung» Nr.228 vom 29. September 1920 heißt es ........ . Ein Herr . . . aus Basel fordert Jung-Solothurn auf: Schare dich zusammen! Sturm dem Goetheanum!...» und... . Es hätte nur eines unbedach­ten, dumm-unglücklichen Wortes gebraucht, wäre der ganze Menschenhaufe zu den größten Torheiten und Gewalttätigkeiten zu verführen gewesen. Ich habe schon viele strube, fanatisierte, stürmische politische Versammlungen mitgemacht und gesehen, nie eine wustere....»

67 die Mysterienspiele zu ermöglichen: Rudolf Steiners »Vier Mysteriendramen»,

GA 14.

68 die drei Kurse: Wärme, Optik, Astronomie: Siehe »Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik», erster und zweiter naturwissenschaftli-eher Kurs, GA 320 und 321, sowie »Das Verhältnis der verschiedenen naturwis­senschaftlichen Gebiete zur Astronomie», GA 323.

Theberath-Referat: Im Programm der Weihnachtsveranstaltungen 1922/23 war von Dr. Hans Theberath am Vormittag des 27. Dezember ein Referat angekün­digt über «Methodik und Resultate bei Arbeiten am wissenschaftlichen For­schungsinstitut auf chemischem Gebiet«.

Möglichkeit von Tumulten: Während der Vorträge in München am 15. und in Elberfeld am 17. Mai 1922 hatten Störaktionen stattgefunden, an denen vor allem »Alldeutsche», die nach 1918 die Wiederherstellung der Monarchie und deutsch-nationale Ziele verfolgten, und völkische Radikale (Hitler-Garden) beteiligt waren. Der Münchner Vortrag im überfüllten Konzertsaal des Hotels »Vier Jahreszeiten>< verlief nach Presseberichten zunächst ohne wesentliche Zwischen­fälle. Gegen Vortragsende wurde die Saalbeleuchtung bis auf wenige Lampen für kurze Zeit ausgeschaltet. Während des mit Pfiffen durchsetzten Applaudierens stürmten plötzlich vorwiegend Jugendliche das Podium, wurden aber wieder

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zurückgedrängt. Rudolf Steiner konnte unter dem Schutz von Freunden unver­sehrt den Saal verlassen. Im Saal kam es zu Prügeleien; es wurden Knallfrösche, Stink- und Reizgasbomben geworfen, bis die Polizei unter energischem Vorge­hen den Saal räumte und einige Personen festnahm. «Auf der Straße formte sich ein Zug von etwa einem halben Hundert junger Männer, welche singend zum Bahnhofsplatz zogen. Die am Montag anstelle der in der Samstagnacht verbrann­ten schwarz-rot-gelben Fahne gehißte neue Fahne war für die Nacht abgenom­men worden. Vor den leeren Masten sangen die Demonstranten das deutsche Flaggenlied» (»Münchner Neueste Nachrichten», Morgenblatt vom 16.5.1922). »Die Demonstration, die sich durch Anstecken rasch wieder verschwundener Hakenkreuze als Antisemitische dokumentierte, hätte innerhalb ihrer eigenen Schar genugsam Gelegenheit gehabt, sich zu betätigen.» (»Münchner Sonntags­zeitung», Nr.21 vom 21.5.1922).

70 Die Behandlung derArbeit von Frau Kolisko: Es handelte sich um die von Rudolf Steiner sehr geschätzte Arbeit von Lilly Kolisko »Milzfunktion und Plättchen-frage», Stuttgart 1922, die von den anthroposophischen Ärzten jedoch boykot­tiert wurde. Vgl. Brief Rudolf Steiners an Marie Steiner vom 25. November 1922 in GA 262.

Auseinandersetzung mit derAtomistikfrage: In der Zeitschrift »Die Drei», 2.Jg.,

7.18. Heft, Okt./Nov. 1922.

71 Broschüre . . . Ausspruch eines Gegners: Vgl. Hinweis zu S. 64.

daß Zeitungen den Geschmack haben, jetzt zu sagen: Konnte nicht nachgewiesen werden.

83 Stichl, steh auf': Zitat aus dem Oberuferer Christgeburt-Spiel. Siehe «Weih­nachtspiele aus altem Volkstum. Die Oberuferer Spiele«, Dornach 1990.

90 diejenigen Dinge, von denen gestern gesprochen worden ist: Siehe den 7. Vortrag in »Lebendiges Naturerkennen. Intellektueller Sündenfall und spirituelle Sündenerhebung», GA 220.

92 in einem Kolleg, worin juristische Studenten gesessen haben: Ein solches Experi­ment wurde von dem Strafrechtlehrer Franz von Liszt (1859-1919) veranstaltet.

was ich gestern charakterisiert habe als Wahrhaftigkeit: Vgl. Hinweis zu S. 90.

Stanitzerl: Osterreichischer Dialektausdruck für eine spitz zugedrehte Tüte.

93 was ich gestern so charakterisiert habe: Vgl. Hinweis zu S. 90.

97 was ich neulich charakterisiert habe mit den Worten «Stichl, steh aufl»: Am

14.Januar 1923, siehe Hinweis zu S. 83.

103 die Absurdität von einem in einem gegenwärtigen Menschenkinde verkörperten Christus Jesus: Dies wurde von 1910 an durch die Präsidentin der Theosophi­sehen Gesellschaft, Annie Besant, und ihrem Mitarbeiter C. W. Leadbeater propagiert und wurde für Rudolf Steiner der Hauptgrund, sich von der Theoso­phischen Gesellschaft zu trennen.

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104 meine Mysterien: Siehe «Vier Mysteriendramen», GA 14.

Vortragszyklen über «Okkulte Physiologie»: GA 128.

108 unser Freund Leinhas dieses Ein grerfen übernommen hat: Es galt, die «Futurum AG» zu sanieren, die wegen der allgemeinen Wirtschaftsbedingungen in Schwie­rigkeiten geraten war.

109 die Hochschulvorträge: Siehe Hinweis zu S. 549.

Vor einiger Zeit fand sich ein Kreis von jungen Leuten in Stuttgart zusammen:

Vermutlich handelt es sich um den Kreis von etwa 80 jungen Menschen, die Rudolf Steiner um einen Kurs, den sogenannten «Pädagogischen Jugendkurs», gebeten hatten, der vom 3.-15. Oktober 1922 gehalten wurde (GA 217).

112 daß von einem unserer Forscher ein Vortrag angekündigt war: Siehe Hinweis

zu S. 68.

kurulische Stühle: Amtssessel der höchsten altrömischen Beamten.

121 sogenannter Kulturhund ... schilderte in der ersten Nummer seiner Zeitschrift die Idee der Dreigliederung: Dieser Anfang 1922 von damals namhaften Persönlich­keiten Wiens gegründete Bund bezeichnete es in seiner Zeitschrift »Der Zeit­geist» (Heft 1, Juli 1922) als Ziel, »in geistiger Konsequenz der Eisenbahnen, der Flugzeuge, der drahtlosen Telegraphie ... die Menschen aller Anschauungen, aller Völker zu vereinigen» und »den Kreislauf der schöpferischen Ideen Europas auf das unseren Verkehrsmitteln entsprechende Tempo zu bringen.» Die Idee der Dreigliederung ist angedeutet in dem Artikel des Herausgebers K. A. Rohan «Das kommende Europa».

126 Schwarzbubenland: Die nördlichste «Amtei» des Kantons Solothurn, zu der Dornach gehört.

133 Arbeitstage in Prag: Zwei öffentliche Vorträge (27. und 30. April 1923) in dem

Band »Was wollte das Goetheanum und was soll die Anthroposophie?», GA 84;

zwei Vorträge für Mitglieder (28. und 29. April 1923) in dem Band »Die mensch­liche Seele im Zusammenhang mit göttlich-geistigen Individualitäten», GA 224.

134 daß er unter seinen schriftstellerischen Leistungen eine Arbeit habe: Albert

Steffen »Die Bestimmung der Roheit», Berlin 1912, Fischer Verlag.

135 Eine Zeitung... Eine andere Zeitung schrieb: Kormte nicht ermittelt werden.

138 in Norwegen in Zyklen einschneidende anthroposophische Wahrheiten wieder­holt entwickeln zu dürfen: In Oslo (Kristiania) hielt Rudolf Steiner folgende Zyklen: 1909 »Aus der Bilderschrift der Apokalypse des Johannes» in GA 104a; 1910 »Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der germa­nisch-nordischen Mythologie» GA 121; 1912 »Der Mensch im Lichte von Ok­kultismus, Theosophie und Philosophie», GA 137; 1913 »Das Fünfte Evange­lium» in GA 148; 1921 »Die Wirklichkeit der höheren Welten» GA 79; 1923 »Menschenwesen, Menschenschicksal und Weltentwieltlung» GA 226.

141 Ich mußte längst hinweisen darauf. Siehe Hinweis zu S.64.

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158 ein Wort, das ich heute morgen ausgesprochen habe: Bei der Kremationsfeier, siehe «Unsere Toten», GA 261.

161 Frl. Völker habe damals von der Judenherrschaft gesprochen: Von dem von Toni Völker geleiteten «Kerning-Zweig» (später «Michael-Zweig») ging damals eine starke Aversion gegen den von Carl Unger und Adolf Arenson 1905 begründeten und geleiteten Stuttgarter Hauptzweig aus. Da Unger und Arenson jüdischer Abstammung waren, wurde gegen sie auch der Vorwurf der «Judenherrschaft» erhoben.

165 Projekt Irrenhaus Kennenburg: Ortsteil von Esslingen a. N. bei Stuttgart.

Gutachten von Dr. Husemann über den Fall Goesch: Das Gutachten selbst liegt nicht vor, findet sich jedoch gekürzt zitiert in der Schrift von Karl Heyer, »Wie man gegen Rudolf Steiner kämpft», Stuttgart 1932. Goesch war von 1910 bis 1915 Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft. Um 1914/15 lebte er in Dornach und trat damals bereits in stark pathologischer Weise gegen Rudolf Steiner auf. Der Fall findet sich eingehend dokumentiert in GA 253.

das Problem Dr. Noll und des Vademecums: Im Zusammenhang mit den Arbei­ten der Klinisch-Therapeutischen Institute stellte Rudolf Steiner den Ärzten des Stuttgarter Institutes, insbesondere Dr. med. Ludwig Noll, die Aufgabe, ein medizinisches Vademecum als Grundlage der geisteswissenschaftlichen Heilme­thode zu schreiben. Diese Aufgabe konnte nicht gelöst werden, so daß Rudolf Steiner im September 1923 beschloß, zusammen mit Dr. med. Ita Wegman das notwendige Werk zu schreiben (»Grundlegendes...«, GA 27).

«Kölner Mittagsblatt»: Wurde 1922 von dem Mitglied Paul Arthur Kretschmar gegründet, der sich für die Dreigliederungsbewegung einsetzte.

166 Affäre Stahlbusch: Carl Stahlbusch, ein prominentes Berliner Mitglied, wurde in einen Prozeß verwickelt, über den die Presse berichtete.

177 es wurde dazumal jener Sorge, die ich aussprach, Verständnis entgegengebracht:

Rudolf Steiner hatte am Schluß seines Vortrages in London am 19. November 1922 noch folgende Worte angefügt:

«Und jetzt etwas recht Unangenehmes, was ich aber auch verpflichtet bin auszusprechen. Ich möchte noch einmal an etwas erinnern, ganz ohne jede besondere Anspielung, ich möchte daran erinnern: Dadurch, daß Freunde es unternommen haben, in einer so opferwilligen Weise, in Dornach einen Mittelpunkt zu einer anthroposophischen Bewegung zu schaffen, bin ich nach und nach in eine große Sorge hineingeraten. Denn wir werden ja, nachdem Dornach einmal da ist - und es ist gut, selbstverständlich, daß es da ist, die anthroposophische Bewegung mußte einen Mittelpurikt haben -, aber wir werden dadurch, daß es da ist, in der nächsten Zeit vor der Möglichkeit stehen, daß wir nicht weiter können, daß wir einfach nicht weiter können, daß wir Dornach zuschließen müssen, weil wir kein Geld haben. Verzeihen Sie, daß ich von diesen immer von Ahriman so bedrohten Sphären spreche, aber sie sind halt eben doch da. Und, nicht wahr, höchst

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schätzenswert ist der Idealismus; aber der Idealismus kann sich in zweifa­cher Weise äußern. Er kann sagen: Ich wende mich nach den Idealen hin, und das Geld ist etwas so Schäbiges, Schmachvolles, daß wenn ich an Ideale denke, ich ja doch nicht an meine Börse denken kann. Das geht doch nicht. Ich denke nicht daran. - Das ist die eine Sache.

Die andere ist diese, daß, indem man gerade an die höchsten Ideale denkt, eben auch sich überwindet und das Schmachvolle der Börse in die Hand nimmt und dem Ideal auch auf Erden einen Grund und Boden gewährt, weil das eben notwendig ist. Es kommt nämlich bei allem, was in dieser Sphäre spielt, immer auch die Absicht an, und man kann, so sonderbar es klingt, durch das Geld Ahriman fördern, man kann ihn aber auch bekämpfen; denn bei allem kommt es auf die Absicht an, die man verbindet.

Und nun wird es sich nur darum handeln, sich zu fragen, ob Dornach fördern eine gute oder eine schlechte Absicht ist. Meiner Ansicht nach ist es erstens eine gute Absicht; aber vor allen Dingen ist es mir eine furchtbare Sorge, und ich muß immer appellieren an unsere lieben Freunde bei solchen Gelegenheiten jetzt - ich tue es wahrhaftig nicht gern und mit großer Überwindung -, ich muß immer appellieren dabei, daß wir doch in den nächsten Wochen vor der Möglichkeit stehen, Dornach zuschließen zu müssen. Dann fällt uns, nachdem Dornach einmal da war, der Mittelpunkt eben für die anthroposophische Bewegung dennoch weg. Und sie müssen ermessen können, was es bedeutet für die anthroposophische Bewegung, was es bedeuten würde, wenn wir eben Dornach zuschließen müssen. Also ich bin verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen, und hoffe doch, daß es möglich ist, wenn in der richtigen Weise bedacht wird, was ich damit meine, daß vielleicht doch diese Sorge mir abgenommen werden kann, in der ich in einer recht fatalen Weise für die anthroposophische Bewegung in bezug auf Dornach in der nächsten Zeit stehen werde.

Verzeihen Sie, daß ich auch das zum Schluß erwähnen mußte; aber das herzliche Dankgefühl, das ich Ihnen hier aussprechen möchte für alles das, was geschehen ist, um diese Veranstaltungen möglich zu machen, das ist dafür wahrlich nicht geringer; und ich möchte auch in diesem Augenblicke sagen: Wenn wir eben eine Zeitlang hier nicht miteinander sprechen können, so soll es doch so sein, daß wir mit Bezug auf unser Zusammensein ganz besonders an dem Geistigen festhalten und wissen, wir sind seelisch-geistig zusammen, auch wenn wir räumlich getrennt sind. Aus diesem Gefühle, aus dieser Empfindung heraus beschließe ich die Veranstaltungen, die hier statt­finden durften in diesem Zweige durch Ihre Mühe und hoffe, daß all das in Zukunft wiederum in einer ähnlichen Weise geschehen kann.

Ich möchte noch bemerken, daß, wenn jemand in der Lage wäre, sein Herz rühren zu lassen, den möchte ich bitten, sich in der nächsten Zeit an mich persönlich zu wenden. Weil ich sozusagen jetzt die Sorge auf meinem eigenen Herzen lasten habe, so würde ich bitten, nicht mit irgendeiner Stelle zu verhandeln, sondern in der Zukunft mit all den Dingen, die erwa davon

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herrühren könnten, daß jemand in der Lage wäre, sein Herz rühren zu lassen, sich an mich persönlich zu wenden, damit ich eine vollständige Übersicht haben kann und auch die Verantwortung dafür übernehmen kann.»

180 Lienhard... Seine letzten Aufsätze im «Türmer»: Der «Türmer». Eine Monatszeitschrift »für Geist und Gemüt», gegründet 1898, suchte eine Rundschau über die gesamte geistige und soziale Kultur der Gegenwart zu geben. Daneben erschien ein «Türmer Jahrbuch» . Die Zeitschrift wurde ab 1920 von dem Dichter und Schriftsteller Friedrich Lienhard (1865-1929) herausgegeben.

181 Aufruf »An das deutsche Volk und die Kulturwelt»: Siehe Rudolf Steiner, »Die Kernpunkte der sozialen Frage«, GA 23.

186 Armagedon: (auch Harmagedon) In der Offenbarung Joh. 16,16 Versamm­lüngsort der antichristlichen Könige zum Kriege des großen Tages des allmächtigen Gottes.

«Internationale Vereinigung ernster Bibelforscher»: So hießen bis 1931 die «ZeugenJehovas», nach deren AuffassungJehova in der Schlacht von Arma­gedon (Offenbarung Joh. 16,16) seine Feinde vernichten wird, während die Zeugen Jehovas auf der zum Paradies umgestalteten Erde ewiges Leben haben werden. Ihr Gründer ist Charles Taze Rüssell (1852-1916), von Beruf Textilkaufmann in USA. Sein Hauptwerk ssnd die «Schriftstudien », 6Bande

1886-1904.

187 in diesem «Magazin für Litteratur» wäre erschienen ein Roman «Aus der Décadence»: Im 67. Jg. Nr.15-37. Der Verfasser ist Kurt Martens (Leipzig 1870-1945 Dresden), Schriftsteller. Verfaßte Romane und Novellen. Auto­biographie «Schonungslose Lebenschronik» (1921-1924).

Paul Westphal: «Der Antichrist. Die prophetischen Geheimnisse der bibli­schen Endzeit, besonders für 1924-1927«, Altona-Bahrenfeld, August 1923.

daß mir gerade jener Roman einen Prozeß mit dem Verleger... eingebracht hat: Schon einige Wochen nach Rudolf Steiners Übernahme des «Magazins« im Juli 1897 stellte der Verleger Emil Felber seine Honorarzahlungen ein und äußerte seine Unzufriedenheit über die angeblich geschäftsschädigende Redaktionsführung. Rudolf Steiner löste den Vertrag mit Felber am 1.0k-tober 1898 auf und ließ das «Magazin« ab 8. Oktober 1898 bei Siegfried Cronbach verlegen. Bei dem folgenden Prozeß führte Felber als Beispiel der Geschäftsschädigung den Umstand an, daß der Roman von Kurt Martens zur Zeit seines Erscheinens im «Magazin» bereits gedruckt gewesen sei.

188 Dan. 6,1: Anstelle von Kapitel 6, 1-29 der Lutherbibel zählt die Zürcher Bibel Kapitel 5, 31; 6, 1-28.

190 Fritz Mautbner «Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande»:

Stuttgart 1922 (1. und 2. Band) und 1923 (3. und 4. Band).

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190 meine Besprechung: Die Besprechung der ersten beiden Bände von Mauthners Werk (s. o.) erschien in «Das Goetheanum», 2. Jg. Nr.10 vom S. Oktober 1922 «Ein neues Buch über den Atheismus», innerhalb der Gesamtaüsgabe in «Der Goetheanümgedanke...», GA 36.

191 In jenem 4. Bande . . . steht folgendes: Das Zitat beginnt Seite 401.

Oswald Spengler: »Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morpholo­gie der Weltgeschichte», 2 Bände, München 1920 und 1922.

ZU TEIL III

203 Zweite Sitzung mit dem Siebenerkreis: Die ersten drei Abschnitte sind Text von Marie Steiner, dem die folgenden von Karl Schubert notierten Stichworte zu­grunde liegen: «Es werden als neuer Vorstand vorgeschlagen: Leinhas, Dr. Hahn, Baumann, Dr. Kolisko. Dr. Kolisko berichtet über die Sitzungen, die wir gehabt haben. Informationen müssen gegeben werden. Es muß persönlicher Kontakt mit den Mitgliedern gesucht werden. Die Zweige besuchen. Nicht zu viel Wissenschaftliches. Dr. Ungers Arbeit im Zweig sollte weitergehen. Ver­ständigung mit der religiösen Erneuerung. Neue Einstellung gegenüber der Gegnerschaft. Pflege der konkreten Beziehungen zu den jungen Menschen. Die Vertrauensleute sollten nach Stuttgart kommen.» Der weitere Text entspricht wortwörtlich den Notizen von Karl Schubert.

212 indem nämlich seither Herr Leinhas sich in intensiver Weise der damals gestellten Forderung hingegeben hat: Siehe Hinweis zu Seite 108.

214 Champignystraße 17: Sitz der Kommenden Tag AG in Stuttgart; heute Hein­rich-Baumann-Straße. Das Gebäude ist im 2. Weltkrieg, trotz erheblicher Be­schädigung, erhalten geblieben. Eine Abbildung findet sich in «Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe«, Heft 88, Dornach Johanni 1985.

215 Die Waldorfschule, die sorgfältig als eine Nicht- Weltanschauun gsschule gehalten werden soll: Siehe hierzu z. B. den Vortrag Rudolf Steiners vom 25. August 1922 in GA 305.

217 kurulischer Stuhl: Vgl. Hinweis zu Seite 112.

Es wird dann Ende Dezember furchtbar spät ein Kind geboren: Rudolf Steiner erwartete vom Zentralvorstand eine Orientierung der Gesellschaft über die Begründung der Bewegung für religiöse Erneuerung («Christengemeinschaft»). Statt dessen wurde in Nr.2 der «Mitteilungen des Zentralvorstandes der Anthro­posophischen Gesellschaft« vom Januar 1923 der Vortrag Rudolf Steiners vom 30. Dezember1922 frei wiedergegeben mit folgender Einleitung: «Das Auftreten der Bewegung zur religiösen Erneuerung hat in weite Kreise der Anthroposophi­schen Gesellschaft Schwierigkeiten und Mißverständnisse getragen. Kurz vor Beginn ihres öffentlichen Wirkens hatten die drei Mitglieder des Zentralvorstan­des der Anthroposophischen Gesellschaft in Dornach eine Unterredung mit den vier leitenden Persönlichkeiten der Bewegung zur religiösen Erneuerung über

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das Zusammenarbeiten beider Bewegungen. Im Sinne dieser Besprechung hatte sich der Zentralvorstand entschlossen, eine kurze Darstellung der geschichtli­chen Entstehung und der Aufgaben der Bewegung fur religiöse Erneuerung den Mitgliedern an dieser Stelle zur Kenntnis zu bringen. Diese Darstellung sollte unmittelbar nach Abschluß der über Weihnachten und Neujahr stattfindenden Veranstaltungen in Dornach ausgesandt werden. Das erschütternde Ereignis der Vernichtung des Goetheanums durch ein böswillig angelegtes Feuer ist unterdes­sen als furchtbarer Schmerz in alle Herzen gedrungen. Die letzten Vorträge, die Herr Dr. Steiner noch im Goetheanum gehalten hat, behandelten die Aufgaben der anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft, und am 30. Dezember 1922, am Tage vor der Katastrophe, sprach Herr Dr. Steiner über die Bewegung zur religiösen Erneuerung; es soll im folgenden statt unserer Darstellung, die schon fertig vorlag, eine freie Wiedergabe dieses Vortrages stehen.»

221 Familie Unger-Arenson .. . die Frage des Zusammenschlusses der beiden Zweige:

In Stuttgart bestanden damals zwei Zweige: Der 1905 von Carl Unger und Adolf

Arenson begründete und seither geleitete Hauptzweig und der von Frl. Toni

Völker geleitete «Kerning-Zweig» Vgl. Hinweis zu S. 161.

223 die beiden Aufrufe: Nicht bekannt.

224 bis Ende Dezember der Zentralvorstand kam und eine bloße Abwehrbewegung

machen wollte, die viel zu spät kam: Siehe Hinweis zu Seite 217.

225 daß Herr Leinhas die Sanierung des «Futurum» in die Hände genommen hat:

Siehe Hinweis zu S. 108.

226 Aufruf von Dr. Unger...: Siehe Hinweis zu S. 223.

227 neun Forscher: Theberath, Maier, Strakosch, Smits, Lehofer, v. Dechent, Peli­kan, Streicher, Schiller.

und vier Ärzte: Friedrich Husemann, Ludwig Noll, Otto Palmer, Felix Peipers.

gehen spazieren: Dieses Wort ist in übertragenem Sinn zu verstehen. Rudolf Steiner lag sehr viel daran, bald zu Ergebnissen zu kommen, weil die Zeit dazu reif wäre. Aber die gestellten Aufgaben waren schwer. «Der Schwierigkeiten gab es viele, und wir kamen nicht so schnell vorwärts, als es nötig gewesen wäre, was Rudolf Steiner mit Sorge erfüllte.» Siehe Alexander Strakosch «Lebenswege mit Rudolf Steiner, 2. Teil 1919-1925«, Selbstverlag Donnach 1952.

229 die Milz-Broschüre: Siehe Hinweis zu S. 70.

Pendel-Geschichte von Rudolf Maier: Siehe «Der Villardsche Versuch», Stutt­gart 1923, Der Kommende Tag Verlag; «Die Drei«, 2. Jg. 1923, Heft 12, und «Anthroposophie«, 4. Jg. Nr.20 vom S. April 1923.

232 Vademecum: Siehe Hinweis zu S. 165.

233 Heilmittelliste: 1. Auflage: Juli 1921, 2. Auflage Oktober 1922.

234 Wiener Kongreß: «West-Ost. Zweiter internationaler Kongreß der anthroposo­phischen Bewegung». Rudolf Steiners Vorträge siehe «Westliche und östliche Weltgegensätzlichkeit», GA 83.

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235 Gmünd: Gemeint sind die «Chemischen Werke» in Schwäbisch-Gmünd (seit

1924 Zweigniederlassüng der «Weleda AG» in Arlesheim/Schweiz), in denen die von dem Stuttgarter Therapeutischen Institut benötigren Medikamente herge­stellt wurden.

236 dieses Büchelchen: Gemeint ist wohl «Methodologisches zur Therapie am Kli­nisch-Therapeütischen Institut in Stuttgart, herausgege­ben vom Ärztekollegium des Instituts«. Der Kommende Tag Verlag, Stuttgart

1922.

daß van Leer aufgetreten ist . . . bei der Sitzung, die neulich abgehalten worden ist: Es handelt sich vermutlich um eine Besprechung am Klinisch-Therapeuti­schen Institut oder in den Stuttgarter Laboratorien, deren Datum nicht bekannt ist. van Leer, in leitender Stellung an diesen Institutionen, benötigte für eine Amerikareise eine Darstellung der anthroposophischen Heilmethode. Da eine solche nicht existierte, erhielt er von Rudolf Steiner ein handschriftliches Manu­skript. Es ist abgedruckt im Rundbrief Nr.1, hrsg. von der Medizinischen Sektion am Goetheanum, Dornach, 20. Februar 1968.

237 anregendes Bücheichen: Vermutlich «Religion der Arznei. Das ist Herr Gotts Apotheke. Erfindungsreiche Heilkunst für jedermann. Signaturlehre als Wissen­schaft« von Emil Schlegel, Leipzig 1915.

Heilmittelliste: Vgl. Hinweis zu S. 233.

238 in der Lehrerkonferenz: Gemeint sind die regelmäßigen Konferenzen, die Ru­dolf Steiner mit dem Lehrerkollegium der Freien Waldorfschule gehalten hat. Siehe die drei Bände GA 300a-c.

239 des dortigen Laboratoriums: Gemeint ist die «Internationale Laboratorien AG« in Arlesheim heute «Weleda AG«.

240 Programm: Siehe Hinweis zu S. 68.

Artikel Dr. Theberaths: Vermutlich «Erwiderung auf den vorstehenden Aufsatz

241 die Abhandlung von Dr. Maier: Siehe Hinweis zu S. 229.

242 Atomismus-Streit: Siehe «Die Drei«, 1. Jg. 1921, Heft 11; 2. Jg. HefteS und 7/8;

3. Jg. 1923 Heft 1.

243 Artikel über den Wasserstoffin der «Drei»: 2. Jg. 1922, HeftS: «Der Wasserstoff. Beispiel einer phänomenologischen Betrachtung im Gegensatz zur heute übli­chen atomistischen. (Aus dem wissenschaftlichen Forschungsinstitut)« von Wil­helm Pelikan.

Farben zustande gebracht: Siehe den Band «Farbenerkenntnis», CA 291a

244 Die [gestellten Aufgaben] muß man lösen und nicht sieh um unnötige Dinge kümmern, wie zum Beispiel das, daß ein Buch, Moltke, auf Konferenzbeschluß bestellt worden ist. Es gibt Stellen in dem Buch, durch welche man es hätte

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rechtfertigen können: Dieses Votum Rudolf Steiners ist offensichtlich vom Ste­nographen nicht ganz vollständig wiedergegeben worden, da sich der zweite Satz nicht ganz folgerichtig an den ersten anschließt.

Mit «ein Buch, Moltke« ist gemeint der von Eliza von Moltke 1922 im Kommenden Tag Verlag Stuttgart herausgegebene Band «Generaloherst Hel­muth von Moltke. Erinnerungen, Briefe, Dokumente 1877-1916«. In diesem Band sind Betrachtungen Moltkes enthalten, die ursprünglich im Sommer 1919 als eigenständige Publikation («Die Schuld am Kriege. Betrachtungen und Erin­nerungen des Generalstabschefs H. v. Moltke«) mit Vorbemerkungen Rudolf Steiners hätten erscheinen sollen, was jedoch von seiten der Familie und einiger einflußreicher politischer Persönlichkeiten verhindert wurde. (Vgl. «Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe» Nr.27/28, Michaeli/Weihnachten 1969 («1919 -Das Jahr der Dreigliederungsbewegung und der Gründung der Waldorfschule»). Als dann im Oktober 1921 der Journalist Jules Sauerwein in der Pariser Zeitung «Le Matin» sein Interview mit Rudolf Steiner über diese unveröffentlichten Memoiren in großer Aufmachung publizierte (enthalten in GA 24), hatte dies in verschiedenen Kreisen starke Unruhe hervorgerufen. Daraufhin faßte Eliza von Moltke (Gattin H. v. Moltkes) die Veröffentlichung innerhalb des von ihr zu­sammengestellten Bandes mit Erinnerungen von H. v. Moltke ins Auge, wollte sich aber noch mit Rudolf Steiner darüber besprechen. Ob es zu dem von ihr vorgeschlagenen Gespräch für den 31.Januar 1922 in Breslau gekommen ist, ist nicht bekannt. Überliefert ist, daß sie mit Rudolf Steiner in Stuttgart am 22. No­vember 1922 über das Buch gesprochen habe. Auch darüber ist Näheres nicht bekannt. Jedenfalls sind dann in dem Mitte Dezember1922 erschienenen Erinne­rungsband auch die Betrachtungen über die Schuld am Kriege abgedruckt, allerdings ohne die Vorbemerkungen Rudolf Steiners von 1919 und ohne irgend­welche Erklärungen zu den strittigen Punkten. Vermutlich hat diese Publikation erneut Kritik hervorgerufen, worauf sich die Bemerkung Rudolf Steiners bezie­hen dürfte: «Es gibt Stellen in dem Buch, durch welche man es [das Veröffentli­chen] hätte rechtfertigen können.» - Was jedoch mit der Bemerkung, daß das Buch »auf Konferenzbeschluß bestellt worden ist», gemeint ist, ließ sich nicht klären.

245 zur aufgeschobenen [Mitglieder-] Versammlung vom 6. Januar: Was mit «aufge­schobenen» gemeint ist, ließ sich nicht feststellen.

248 den Vorsprung gelassen hat, das wirksamste Buch zu schreiben: Friedrich Rittel­meyer (Herausgeber) »Vom Lebenswerk Rudolf Steiners«, München 1921.

250 daß die Milz-Broschüre [von Lilly Kolisko] boykottiert worden ist: Siehe Hinweis zu S. 70.

hier ein Ärzte-Kurs gehalten wird: Während der medizinischen Woche im Okto­ber 1922 hält Rudolf Steiner vom 26.-28. Oktober 4 Vorträge, siehe GA 314.

254 mit dieser Atomismus-Polemik: Vgl. Hinweis zu S. 70.

256 die 1920 gestellten Aufgaben: Zu den Arbeiten im Wissenschaftlichen For­schungsinstitut des Kommenden Tages siehe Rudolf Steiner »Farbenerkennt­nis», GA 291a.

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260 durch den englischen Lehrerbesuch: Vom 8./9. bis ca. 15. Januar 1923. Siehe hierzu auch die Ausführungen Rudolf Steiners in der Konferenz vom 9. Dezem­ber 1922, in GA 300b.

262 ist mir heute dieses Schriftstück übergeben worden: Liegt nicht vor.

265 Die Kongresse: In Stuttgart 29. August bis 7. September 1921 (vgl. Hinweis zu S. 379); in Wien 1. bis 12.Jüni 1922 («West-Ost. Zweiter internationaler Kon­greß der Anthroposophischen Bewegung zür Verständigung westlicher und östlicher Weitgegensätzlichkeit» mit 10 Vorträgen Rudolf Steiners «Westliche und östliche Weltgegensätzlichkeit», GA 83); in Dornach 21. bis 27. August1921 («Summer Art Course» für englische Freunde mit einigen Vorträgen Rudolf Steiners; noch nicht in der Gesamtausgabe erschienen).

das Unglück mit dem Wiener Kongreß: Während und kurz nach dem Wiener Kongreß erschienen viele gegnerische Zeitungsartikel, denen man nicht wirksam genug entgegnete.

267 Nun hat Herr von Grone diesen Aufsatz in der letzten «Anthroposophie» ge­schrieben: «Streiflichter auf die Gegenwart aus einem Aufsatz Rudolf Steiners vomJahre 1888», 4. Jg. Nr.31 vom 1. Februar 1923.

271 als hier der pädagogische Kurs tagte . . . dieser Jugendbund, der den Kuri veran­staltet hatte: Siehe den Hinweis zum «Anthroposophischen Hochschulbund» (Register der anthroposophischen Institutionen) und René Maikowskl «Schick­salswege auf der Suche nach dem lebendigen Gral», Freiburg/Br. 1980.

272 «Bund nicht-anthroposophischer Kenner der Anthroposophie»: Siehe Seite 795 ff. in diesem Band und Karl Heyer, «Wie man gegen Rudolf Steiner kämpft» (Abschnitt: Dr. Heinrich Goesch und die nicht-antroposophischen Kenner der Anthroposophie), Stuttgart 1932.

283 Aufsatz von Herrn von Grone: Siehe Hinweis zu S. 267.

287 Hochschulkurie: Siehe unter «Anthroposophischer Hochschulbund» im Regi­ster der anthroposophischen Institutionen.

294 «Pädagogischer Jugendkurs»: Siehe GA 217.

296 Rednerkurs: Siehe GA 338.

300 die Kongresse . . . in Wien, in Stuttgart, in Dornach: Vgl. Hinweis zu S. 265.

301 berühmte Persönlichkeit, die sich an ihrem eigenen Haarschopf in die Höhe ziehen will: Es handelt sich um den Freiherrn Karl Friedrich Hieronymüs von Münchhausen (1720-1797), durch die ihm beigelegten Aufschneidereien als «Lügenbaron» bekannt. Gottfried August Bürger bearbeitete seine Erzählungen und gab sie 1786 heraus.

308 Hochschulkurse: Vgl. Hinweis zu S. 549.

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309 Dieses Büchelchen von Albert Steffen: «Der Lehrerkurs Rudolf Steiners im

. Goetheanum», dargestellt von Albert Steffen mit einem Anhang über die Freie Waldorfschüle und die Ziele des Schweizerischen Schulvereins, Dornach 1923. Diese Zusammenfassung des «Weihnachtskurses für Lehrer« (GA 303) wurde züerst gedruckt in «Das Goetheanüm», 1. Jg. 1921/22, Nrn. 22-33.

314 kajoliert: Veralteter Ausdruck für liebkosen, schmeicheln.

317 das zweite Mitteilungsblatt: Siehe Hinweis zu S. 217.

322 Olcott hat den Ausspruch getan: Die Quelle konnte nicht festgestellt werden. Kalamität mit der Leadbeater-Krise: Näheres hierzu in GA 264, Seite 269ff.

Theorie, die in der Abstammungstheorie bis zum Affen zurückgekehrt ist: Siehe Annie Besant «Man - Whence, How and Whiter», London 1913.

326 Landhausstraße 70: Das Haus der Anthroposophischen Gesellschaft in Stutt­gart, das in besonderer Weise ausgestaltet war. Siehe GA 284.

327 im «Goetheanum» meine Vorträge über Scholastik: «Die Philosophie des Tho­mas von Aquino. Referat über Vorträge Rudolf Steiners, Dornach 22.-24. Mai 1920», in «Das Goetheanum», 2. Jg., Nrn. 27-29. Die wortwörtliche stenogra­phische Mitschrift ist veröffentlicht in GA 74.

328 Leo XIII. hat . . . den Thomismus wieder aufleben lassen: Durch die Enzyklika aeterni patris vom 4. Aug. 1879 wurde der Thomismus zur offiziellen Philoso­phie der katholischen Kirche erklärt (Neuthomismus).

332 hinzuweisen auf die Zentrifuge: Mit ihr wurden nach Angaben Rudolf Steiners die Mistelpräparate zur Krebstherapie behandelt.

333 den Fall Schmettau: Siehe Karl Heyer, «Wie man gegen Rudolf Steiner kämpft», Stuttgart 1932 (Abschnitt: Der Fall Ruth, S. 37ff.).

335,344 Die Schrift... von Dr. C. von Heydebrand: «Gegen Experimentalpsycholo­gie und -pädagogik», Stuttgart 1921, Der Kommende Tag Verlag.

336 Verleumdungen . . . in den »Psychischen Studien» . . . So gab es in München einen Menschen: Bezieht sich auf Max Seiling. Näheres in Karl Heyer, «Wie man gegen Rudolf Steiner kämpft«, Stuttgart 1932.

Ein Privatdozent einer altberühmten Universität: Bezieht sich auf Dr. J. W. Hauer, Tübingen. Siehe: Werbeck «Die wissenschaftlichen Gegner Rudolf Stei­ners . . .», Stuttgart 1924.

345 hat Nietzsche in eindringlicher Weise gezeigt: In seinen in den ersten Monaten des Jähres 1872 in Basel gehaltenen Vorträgen «Über die Zukunft unserer Bil­dungsanstalten« (erst mit dem Nachlaß veröffentlicht).

349 in natlonalökonomischen Vorträgen als ein Beispiel: Siehe den Vortrag Rudolf Steiners in Dornach, 12. Oktober 1920, «Assoziationen, Gewerltschaften, Ge­nossenschaften des Wirtschaftslebens«, in «Blätter für Anthroposophie», 18. Jg. Nr.4, April 1966.

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349 «die wirklich praktischen Leute»: Humoristische Dichtung von Christian Mor­genstern, die auch eürythmisch dargestellt wird; in «Palmström, Korf und Palma Kunkel«, sämtliche Werke, hrsg. von H. O. Proskauer, Stuttgart 1973.

350 daß man 1918 zum württembergischen Staatspräsidenten gelaufen ist: Carl Un­ger und Emil Molt suchten «am 2. Dezember 1918 den württembergischen Ministerpräsidenten Wilhelm BIos auf, bei welcher Gelegenheit Emil Molt ihm vermutlich die Leitsätze für eine vernünftige Sozialisierung unter Wahrung der freien Unternehmer-Initiative darlegte. Molt berichtet in seinen Erinnerungen, wie BIos anfänglich interessiert zühörte, aber sofort seinem Vorurteil verfiel, als er den Namen Rudolf Steiners hörte.» In: Hans Kühn «Dreigliederungszeit», Dornach 1978. Siehe auch Carl Unger «Abfertigung der BIos-Memoiren», in «Dreigliederung des sozialen Organismus», 3.Jg. Nr.45 vom 11. Mai 1922; den Artikel Rudolf Steiners «Abwehr von Unwahrheiten», in «Anthroposophie«, 4. Jg. Nr.15 vom 12. Oktober 1922; Emil Molt «Die Wahrheit in der Angelegen­heit BIos/Steiner als geschichtlicher Rückblick«, in «Anthroposophie«, 4. Jg. Nr.24 vom 14. Dezember 1922; Karl Heyer, a.a.O., S. 85.

351 Das Berliner «Tageblatt»... hat gesagt: Konnte nicht nachgeprüft werden.

Sie brauchen nur das dicke Elaborat zu nehmen, das der Goesch geschrieben hat, kurz nachdem er ausgeschlossen worden war: Ein 280 Schreibmaschinenseiten umfassendes Manuskript von Alice Sprengel, Heinrich Goesch und Gertrud Goesch «Unsere Ausschließung aus der Anthroposophischen Gesellschaft, Januar 1916, das von den Verfassern an viele Mitglieder verschickt worden war.

352 habe ich in einem Dornacher Vortrag behandelt: Siehe GA 253.

353 Die Steffensche Wiedergabe des pädagogischen Kurses: Siehe Hinweis zu S. 309.

376 die beiden Vorträge, die ich halten werde: Enthalten in GA 257.

377 Aufruf zur Begründung des «Kommenden Tages»: Gemeint sein dürfte der «Prospekt über die Ausgabe von 5%igen Darlehensscheinen im Gesamtbetrage von M. 10000000 der Gesellschaft der Kommende Tag, Aktiengesellschaft zur Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte», versandt mit Rundschreiben Nr.46 vom 24.3.1920 durch den Bund für Dreigliederung des sozialen Organis­mus, abgedruckt in Hans Kühn, «Dreigliederungszeit», Dornach 1978, S. 234.

379 Im September 1921 fand ein Kongreß statt, wobei auch eine Art Versammlung der Anthroposophischen Gesellschaft stattfand: Die Anthroposophische Gesell­schaft, der Anthroposophische Hochschülbund, der Bund für Dreigliederung und die Waldorfschule Stuttgart veranstalteten vom 28. August bis 7. September 1921 im Gustav-Siegle-Haus in Stuttgart einen allgemeinen öffentlichen Kon­greß zu dem Thema «Kulturausblicke der anthroposophischen Bewegung». Rudolf Steiner hielt abends die Vortragsreihe «Anthroposophie, ihre Erkennt­niswurzeln und Lebensfrüchte...« (GA 78), und am 7. September abends den Lichtbildervortrag «Der Baugedanke von Dornach» (in GA 289). Am 4. Septem­ber versammelten sich etwa 1 200 Mitglieder der Anthroposophischen Gesell­schaft, um über die Voraussetzungen, Aufgaben und Ziele der Gesellschaft zu

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beraten (siehe «Mitteilungen des Zentralvorstandes», Stuttgart, November 1921, Nr. 1). Der Zentralvorstand, bestehend aus Carl Unger, Michael Bauer und Kurt Walther, wurde umbesetzt, indem Emil Leinhas und Ernst Uehli anstelle der beiden Letztgenannten traten. Den Abschluß der Versammlung bildete eine Ansprache Rudolf Steiners, nachdem er gebeten wurde, der Gesellschaft einen Rat zu erteilen. Sie ist abgedruckt in: Rudolf Steiner »Östliche und westliche Kultur in geistiger Beleuchtung. Die Aufgaben einer Anthroposophischen Ge­sellschaft in der Gegenwart», Dornach 1954, Selbstverlag der Rudolf Steiner­Nachlaßverwaltung, vorgesehen für GA 255.

382 Wir haben eine Reihe von Kongressen gehabt: Siehe Hinweis zu S. 265.

412 Louis Werbeck, Hamburg: Referat über «Die Gegnerschaft»: Über dieses Refe­rat sagte Rudolf Steiner in seinem Bericht über die Stuttgarter Delegiertenver­sammlung in Dornach am 4. März 1923 (in GA 257), daß Werbeck «über die Art und Weise, wie man literarisch die Gegnerschaft behandeln kann, einen genialen Vortrag gehalten (hat).» Das Referat über die Gegnerschaft war Werbeck deshalb übertragen worden, weil er zu jener Zeit bereits an einem Werk über die Gegner arbeitete. (Es erschien 1924 im Kommende Tag Verlag, Stuttgart, in zwei Bän­den: »Die wissenschaftlichen Gegner Rudolf Steiners und der Anthroposophie, durch sie selbst widerlegt« (I); »Die christlichen Gegner Rudolf Steiners und der Anthroposophie...» (II). Ein dritter von Werbeck geplant gewesener Band über Literaten und Okkultisten ist nicht mehr zustandegekommen.)

Das Manuskript der zwei Bände hatte Werbeck in den Tagen der Stuttgarter Delegiertenversammlung Rudolf Steiner vorgelegt und mit ihm darüber gespro­chen. Rudolf Steiner nahm es mit nach Dornach und schaute es offenbar gründ­lich an. Denn am 12. März schrieb er an Werbeck: « Was ich Ihnen schon in Stuttgart sagte: die ganze Anlage und Komposition Ihrer Schrift erscheint mir geistvoll; die Selbstwiderlegung der Gegner ein außerordentlich glücklicher Gedanke.» Nachdem auf einzelne Punkte eingegangen worden ist, schließt der Brief mit den Worten: »Gelingt es Ihnen, das einleuchtend auszuführen, was der Die so starke Anerkennung dieser Arbeit hängt wohl auch damit zusammen, daß während des Werbeck'schen Referates bei der Delegiertenversammlung beantragt worden war, die Referate einzustellen, um weiter diskutieren zu kön­nen. In bezug darauf sagte Rudolf Steiner in dem Dornacher Bericht vom 4. März 1923, daß er in diesem Moment eigentlich hätte sagen müssen: «Nun muß ich sehen, die Anthroposophie auf andere Weise vor der Welt zu vertreten; ich muß mich von der Anthroposophischen Gesellschaft zurückziehen», denn da habe sich gezeigt, daß die ganze Gesellschaft - die Delegiertenversammlung repräsen­tierte ja die ganze Gesellschaft in Deutschland -, »nichts wissen wollte von der Gegnerschaft!» Daß er es doch nicht getan habe, dafür seien andere Gründe maßgebend gewesen. (GA 257).

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446 Fräulein Dr. Rabel fragt: Diese Stelle ist etwas unklar. Gemeint sein dürfte, daß Frl. Rabel sich die Frage stellt, was nun wohl die Herren sagen, die früher nicht an die Atome geglaubt haben. Sie wisse es nicht, doch habe sie immer an die Atome geglaubt. - Siehe hierzu auch das Votum Bartsch auf S. 456.

451 Walter Johannes Stein, Stuttgart: Referat über «Die Gegner»: Während Werbeck (vgl. Hinweis zu Seite 412) über die Art, wie man literarisch die Gegner behan­dein kann, gesprochen hatte, sollte Steins Referat der konkreten Gegnerschaft gelten. Aber, so sagte Rudolf Steiner in Dornach am 4. März 1923 (in GA 257), «Stein hatte zu meiner Überraschung ja nicht über die konkrete Gegnerschaft gesprochen, sondern er hat eine Art Metaphysik der anthroposophischen Geg­nerschaft entwickelt, wodurch ja eigentlich die Sache nicht so recht anschaulich geworden war. Es war ein sehr geistreiches Referat, aber nicht über die Konkret­heit der Gegner, sondern über die Metaphysik der Gegner.»

453 Vorträge, die Pater Muckermann SJ hier in Stuttgart hielt: Der Jesuit Mucker­mann hielt im April 1920 Vorträge, die er unter dem Titel «Ethisch-religiöse Vorträge» ankündigen ließ.

474 Ich könnte Ihnen zum Beispiel eine Organisation nennen: Vermutlich ist hier der «Bund nicht-anthroposophiscber Kenner der Anthroposophie» gemeint.

478 von feindlicher Seite die Worte gedruckt: Siehe Hinweis zu S. 64.

einen pädagogischen Kurs über den Herr Steffen im «Goetheanum» berichtet hat: Siehe Hinweis zu S. 309.

479 die Gründung des internationalen Weltvereins für Erziehungsfragen: Im An­schluß an den Oxforder Kongreß «Spiritual Values in Education and Social Life» vom 15.-29. August 1922. Siehe auch «Anthroposophie», 4. Jg. Nr.13 vom 28. September 1922, und «Das Goetheanum», 2. Jg. Nr.7 vom 17. September

1922.

Vorfall in München: Siehe Hinweis zu S. 68.

491 hat man immer versucht, die Behauptungen des General von Gleich zu widerle­gen: Sigismund von Gleich, «Wahrheit gegen Unwahrheit über Rudolf Steiner», Stuttgart 1921. Siehe Walter Johannes Stein, «Generalmajor a. D. Gerold von Gleich. Material zur Bildung eines eigenen Urteils über seine Person», Stuttgart

1922.

letzte Schrift von dem Sichler in Bern: Albert Sichler, «Die Theosophie (Anthro­posophie) in psychologischer Beurteilung« (näheres konnte nicht festgestellt werden).

Ragaz'sche Schrift: Leonard Ragaz, «Theosophie oder Reich Gottes?», Erlen-bach/Zürich, München und Leipzig 1922.

496 Herrn Steffen zum Generalsekretär zu haben: Am 7. Mai 1922 wurde Albert Steffen in der Vorstandssitzung der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz in Dornach, Haus Friedwart, zum Generalsekretär ernannt.

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497 Baltz-Broschüre: Es ließ sich nicht feststellen. um welche Broschüre es sich

handelt.

Ich habe . . . einen Artikel geschrieben über Albert Steffens Lyrik: In «Das Goe­theanum», 1. Jg. Nr.22 vom 15.Januar 1922, abgedruckt in GA 36.

513 die er mich damals im «Goetheanum» abdrucken ließ: 2. Jg. Nr. 10 vom 8. Okto­ber 1922.

528 Professor Beckhs kleine Broschüre über die Sprachlaute: Gemeint sein dürfte von den drei 1921 in Stuttgart erschienenen Broschüren - « , Schöp­fungiworte der Bibel und Urbedeutung der Laute im Lichte der Geisteswissen­schaft»; «Etymologie und Lautbedeutung im Lichte der Geisteswissenschaft«; «Der physische und der geistige Ursprung der Sprache« - die letztere, weil sie einen in Zürich gehaltenen Vortrag wiedergibt.

529 das Vorzügliche an Herrn Steffens Aufsatz über Ragaz: Im «Goetheanum» 2. Jg. Nr.43 vom 3. Juni 1923: «Leonhard Ragaz und die Anthroposophie».

530 die Frohnmeyersche Lüge: Die Stelle lautet wörtlich in der 1. Auflage der Schrift «Die theosophische Bewegung, ihre Geschichte, Darstellung und Beurteilung«, Stuttgart 1920 (für die Schweiz: Basler Missionsbuchhandlung in Basel) S. 107:

«Es wird gegenwärtig in Dornach eine 9 m hohe Statue des Idealmenschen gemeißelt: nach oben mit , nach unten mit tierischen Merk­malen. , sagte Steiner zu den anwesenden Beschauern, der muß unbedingt das wahre Bild von Christus sein.«

Inder 1923 herausgegebenen 2. Auflage der Schrift durch den Zürcher Pfarrer

Alfred Blum-Ernst - da Frohnmeyer inzwischen verstorben war-, wurde diese

Stelle gestrichen. Vgl. hierzu Louis M. I. Werbeck, «Die christlichen Gegner

Rudolf Steiners und der Anthroposophie durch sie selbst widerlegt«, Stuttgart

1924. Siehe auch Albert Steffen «Reformation oder Anthroposophie» in «Das

Goetheanum», vom 15.3.1925 (4. Jg., Nr.11).

Vereinigung nicht-anthroposopbischer Kenner der Anthroposophie: Siehe Hin­weis zu S. 272.

533 Werbeck, der ja wirklich ein sehr geistreiches Buch über die Gegner schreibt:

Gemeint sind die 1924 erschienenen zwei Bände: «Die christlichen Gegner Rudolf Steiners und der Anthroposophie durch sie selbst widerlegt»; «Die wissenschaftlichen Gegner Rudolf Steiners und der Anthroposophie durch sie selbst widerlegt».

541 Kernpunkten: GA 23.

549 ersteranthroposophischerHochschulkurs: GA 322 (Eröffnungsrede Dr. Steiners:

In der GA noch nicht erschienen); ein zweiter Hochschulkurs: GA 76; Sommer­kursfür englische Künstler: In der GA noch nicht erschienen; im Winter 1921 ein pädagogischer Kurs: GA 303; im Sommer 1922 die sogenannte französische Woche: GA 215; Weihnachten 1922 ein naturwissenschaftlicher Kurs: GA 326.

562 «Die Ritter vom Geiste»: Roman von Paul Gutzkow. Erstausgabe Leipzig

1850/1851.

#SE259-890

571 insoweit der jetzige Entwurf [der Grundsätze] geändert oder ergänzt werden mußte:

#TI

Rudolf Steiner

Entwurf der Grundsätze einer Anthroposophischen Gesellschaft

1913

Motto: Die Weisheit ist nur in der Wahrheit

#TX

Zu einer befriedigenden und gesunden Lebensgestaltung bedarf die Men­schennatur der Erkenntnis und Pflege ihrer eigenen übersinnlichen Wesen­heit und der übersinnlichen Wesenheit der außermenschlichen Welt. Zu einem solchen Ziele können die naturwissenschaftlichen Forschungen der neueren Zeit nicht führen, trotzdem sie innerhalb ihrer Aufgaben und ihrer Grenzen Unsägliches für die menschliche Kultur zu leisten berufen sind. Die Anthroposophische Gesellschaft wird dieses Ziel verfolgen durch Förde­rung der auf das Übersinnliche gerichteten echten und gesunden Forschung und durch Pflege von de ren Einfluß auf die menschliche Lebensführung.

Wahre Geistesforschung und die aus ihr folgende Gesinnung soll der Gesellschaft ihren Charakter geben, der in folgenden Leitsätzen zum Aus­druck gelangen kann:

1 . Es können in der Gesellschaft alle diejenigen Menschen brüderlich zu­sammenwirken, welche als Grundlage eines liebevollen Zusammenwir­kens ein gemeinsames Geistiges in allen Menschenseelen betrachten, wie auch diese verschieden sein mögen in bezug auf Glauben, Nation, Stand, Geschlecht usw.

2. Es soll die Erforschung des in allem Sinnlichen verborgenen Übersinnli­chen gefördert und der Verbreitung echter Geisteswissenschaft gedient werden.

3. Es soll die Erkenntnis des Wahrheitskernes in den verschiedenen Weltan­schauungen der Völker und Zeiten gepflegt werden.

Der erste dieser drei Leitsätze ist in der Anthroposophischen Gesell­schaft notwendig, weil hohe geistige Erkenntnisziele gemeinsam von Men­schen nur verfolgt werden können, wenn brüderliche Gesinnung die Gegen­sätze überbrückt, welche sich allzuleicht aus allem ergeben, was im Denken, im Glauben, in den besonderen Lebensinteressen die Menschen trennt. Dieses Trennende wird niemals das Zusammenwirken stören, wenn die Grundlage des letzteren das gemeinsame Geistige in allen Menschenseelen ist und daher das Trennende unberührt und in seiner Eigenheit voll geachtet bleibt innerhalb der Gesellschaft. So geartet wird diese durch die Gesinnung, die ihr selbst notwendig ist, das Ideal des menschlichen Zusammenlebens erstreben, das unter vollkommener Schätzung des Denkens und Fühlens des einzelnen doch den Boden findet, auf dem gegenseitige Liebe und Brüder­lichkeit gedeihen kann. Ihr geistiges Ziel wird die Gesellschaft nur erreichen

#SE259-891

können, wenn so ihre Mitglieder sich einem Lebensideale widmen, das allgemein menschliches Ideal einer Lebensführung sein kann. Der Gesell­schaft muß es ganz fern liegen, für oder gegen diese oder jene Glaubensrich­tung zu wirken, da sie sich der Geistesforschung, nicht aber irgendeinem Bekenntnisse widmen will. Daher liegt ihr jede religiöse Propaganda ganz fern. Sie wird aber auch eine solche niemals bekämpfen. Ebenso sind streng ausgeschlossen von der Gesellschaftstätigkeit alle Arten politischer oder sozialpolitischer Wirksamkeit.*

Ihre Arbeit ist gewidmet den Wegen und Mitteln, welche dem Menschen im Sinne der Entwickelung unserer Zeit dienen können, die großen Rätsel-fragen des menschlichen Daseins auf solche Art der Lösung entgegenzufüh­ren, welche die Forschung über das Sinnliche ins Übersinnliche erweitert, ohne auf solche Abwege zu kommen, die dem echten Wahrheitssinne nicht genügen können. Sie wird zeigen, daß die Menschheit in der Gegenwart eine solche Geistesforschung besitzt, daß diese in die übersinnliche Welt führt und daß deren Pflege und Verbreitung ebenso Aufgabe einer Gesellschaft sein kann wie irgendeine andere Wissenschaft.

Die edelsten Früchte menschlicher Geistesentwickelung, die verschiede­nen Weltanschauungen und Bekenntnisse der Völker und Zeiten, betrachtet diese Geistesforschung nicht auf ihren Bekenntniswert hin, sondern inso­fern in ihnen das Ringen der Menschheit nach den großen geistigen Daseins-fragen zum Ausdruck kommt. Es wird daher der Grundeharakter der Ge­sellschaft nicht mit einer Bezeichnung belegt werden können, welche von einem speziellen Bekenntnisse hergenommen ist. Wenn zum Beispiel die Erforschung des Christusimpulses innerhalb der Menschheitsentwickelung durch die Geistesforschung ihre Pflege findet, so geschieht dies nicht im Sinne eines religiösen Bekenntnisses, sondern so, daß der Bekenner einer jeden religiösen Richtung sich zu dem entsprechenden geisteswissenschaftli­ehen Ergebnis verhalten kann, wie sich etwa der Bekenner der Hindureli­gion oder des Buddhismus zur kopernikanischen Astronomie verhält, trotz­dem diese nicht in seinen religiösen Urkunden sich findet. Der Christusim­puls wird als Forschungsergebnis zur Geltung gebracht auf eine Art, wie sie jeder Anhänger eines Religionsbekenntnisses annehmen kann, nicht etwa nur der christliche Bekenner.

Die Begründung der Gesellschaft hat sich dadurch vollzogen, daß ein Gründungskomitee von drei Persönlichkeiten, nämlich Dr. Carl Unger, Fräulein Marie von Sivers und Michael Bauer, zunächst die Gesamtleitung der Anthroposophischen Gesellschaft übernommen hat. Ihnen steht ein Vorstand zur Seite, der zunächst als Gründungsvorstand gilt.

Die Mitglieder des Gründungskomitees werden Vertrauenspersönlich­keiten ernennen, welchen es obliegen wird, die Anmeldungen von Mitgliedern

- - -

* Das hindert natürlich nicht, daß sich einzelne Mitglieder oder Gruppen von Mit­gliedern mit politischer oder sozialpolitischer Wirksamkeit befassen. D. V

#SE259-892

entgegenzunehmen, und welche für die von ihnen vorzuschlagenden Mitglieder die Garantie gegenüber dem Vorstande übernehmen.

Die Ernennung einer Vertrauenspersönlichkeit wird entweder auf Initia­tive des Gründungskomitees erfolgen oder dadurch geschehen, daß ein Mitglied von sieben anderen Mitgliedern oder Persönlichkeiten, welche die Aufnahme ansuchen, als ihr Vertreter bezeichnet und vom Zentralkomitee als solcher anerkannt wird.

Die Mitgliedschaft wird erworben durch Meldung entweder direkt beim Vorstande oder bei einer der Vertrauenspersönlichkeiten. Die Anerkennung der Mitgliedschaft erfolgt nur durch den Zentralvorstand zunächst der bezeichneten drei Gründer.

Die Ergänzung des Vorstandes beziehungsweise des Komitees wird durch Kooptation von diesem Komitee selbst vollzogen, und es können dafür Vorschläge auf der jährlich einzuberufenden Mitgliederversammlung gemacht werden.

Die Arbeit der Gesellschaft erfolgt in freien Gruppen, die sich unabhän­gig in allen Ländern der Erde an jedem Orte bilden können. Diese Gruppen werden sich einzeln bilden können oder sich zusammenschließen können, werden Vereine oder lose Verbände usw. bilden können, je nach den Ver­hältnissen der entsprechenden Gegenden, in welchen sie sich bilden. Die Anthroposophische Gesellschaft ist als solche kein Verein, ihr Zusammen­halt beruht nicht auf einer Vereinsorganisation oder dergleichen, sondern auf der Pflege der Geisteswissenschaft als solcher, und die Mitgliedschaft bedingt nichts Vereinsmäßiges, sondern zum Beispiel das Recht, gewisse geisteswissenschaftliche Schriften zu beziehen, die nur für Mitglieder be­stimmt sind, und ähnliches. Im äußeren Sinne wird also das Band der Anthroposophischen Gesellschaft kein anderes sein, als zum Beispiel dies bei einer anthropologischen oder ähnlichen Gesellschaft bestehen würde.

Jede Arbeitsgruppe bildet sich ihre besonderen Statuten usw. und wählt sich ihren Vorstand. Die allgemeine Mitgliedschaft, die von jedem Mitgliede einzeln erworben werden muß, bedeutet, daß der Zentralvorstand eine einzelne Persönlichkeit als zur Anthroposophischen Gesellschaft gehörig anerkennt.

Der ständige Sitz der Anthroposophischen Gesellschaft wird vorläufig Berlin sein. Die geschäftliche Leitung wird den in Berlin ansässigen Mitglie­dern des Zentralvorstandes obliegen. Diese geschäftliche Leitung besteht in nichts anderem als in Maßnahmen, welche den oben ausgesprochenen geisti­gen Zielen dienen können.

Zur Führung der Anthroposophischen Gesellschaft bezahlt jedes Mit­glied einen einmaligen Eintrittsbeitrag von 5 Mark und einen fortlaufenden Jahresbeitrag von 6 Mark. In besonderen Fällen kann eine Ermäßigung des Jahresbeitrages eintreten.

#SE259-893

582 wie im Journal de Genéve: Konnte bisher nicht festgestellt werden.

588 im «Goetheanum» selbst ein Bild des zugrundegegangenen Goetheanum zu geben: Die Aufsätze Rudolf Steiners «Das Goetheanum in seinen zehn Jahren», erschienen in «Das Goetheanum», 2. Jg. Nrn. 23-32, sowie in der deutschen Wochenschrift »Anthroposophie», 4.Jg., Nrn. 29-39; innerhalb der Gesamtaus­gabe in GA 36.

589 es ist ein Erziehungskurs gedruckt worden: Siehe Hinweis zu S. 309.

627 Schrift... von Frau Kolisko verfaßt: »Physiologischer und physikalischer Nach­weis der Wirksamkeit kleinster Entitäten«, Stuttgart 1923, Der Kommende Tag Verlag.

630 Vertrauensorganisation: Diese wurde gebildet nach der Stuttgarter Delegierten-tagung vom Februar 1923, siehe Seite 463 dieses Bandes.

Kundgebung: Siehe im Anhang dieses Bandes Seite 833.

635 Grundsätze: Siehe Hinweis zu Seite 571.

639 wie dazumal die Feier [der Grundsteinlegungl... beschimpft worden ist: Gleich nach den ersten Vorbereitungen zum Baubeginn setzte eine Pressekampagne ein, die in zum Teil desinformierender und entstellter Weise von den Geschehnissen in Dornach berichtete. Es wurde von einer »vegetarischen Sekte», einem «bud­dhistischen Kloster» und »Theosophentempel» geschrieben. Die »Neue Rhein­feldener Zeitung» (12. Oktober 1913) und das »Aargauer Volksblatt» (17. Okto­ber 1913) betitelten einen Artikel mit »Ein neues Narrenparadies». In den «Oltener Nachrichten» vom 4. Oktober 1913 heißt es: »Ein geheimnisvoller Tempelbau. Am 20. September abends nach eingetretener Dunkelheit wurde der Grundstein gelegt für den Theosophen-TempeL Um 5 Uhr waren alle Bauarbeiter entlassen und heimgeschickt worden. Nachher machten sich die Männlein und Weiblein der Theosophen selber an die Arbeit, fingen an zu pickeln und zu schaufeln und auf Schubkarren das Material zuzuführen. Der Grundstein soll genau 3,60 Meter tief liegen. Beim Schein von Pechfackeln und bei geheimnisvol­len Ceremonien wurde die Versenkung vorgenommen. An der Feier sollen 200 Personen teilgenommen haben, und zwar meistens Frauenzimmer...»

641 die ich vor einiger Zeit hier die heimatlosen Seelen genannt habe: Siehe den Vortrag Dornach 10. Juni 1923, in GA 258.

für die Landhausstraße 70 die Wache zu halten: Da Rudolf Steiner damals persönlich bedroht war und in Stuttgart im Haus der Gesellschaft, Landhaus-straße 70, wohnte, wurde das Haus bewacht.

644 wie der neueste Zyklus sogleich in einer gegnerischen Schrift ausgeschlachtet worden war: Die gegnerische Schrift konnte nicht ermittelt werden.

#SE259-894

651 letzte Szene zum letzten Mysteriendrama: »Der Seele Erwachen», GA 14. Dort heißt es im 15. Bild:

Ahriman: Er schaut mich wohl, doch kennt er mich jetzt nicht, So bringt er mir noch nicht den Schreckensschmerz, Wenn ich an seiner Seite wirken will . . .

Es ist jetzt an der Zeit, daß ich aus seinem Kreise

Mich schnellstens wende; denn sobald sein Schauen

Mich auch in meiner Wahrheit denken kann,

Erschafft sich mir in seinem Denken bald

Ein Teil der Kraft, die langsam mich vernichtet.

669 zwei biologische Entdeckungen: Siehe Hinweis zu S. 70 und 627.

670 In Italien wurde der Versuch gemacht zur Gründung einer Landesgesellschaft:

Näheres war nicht mehr festzustellen.

685 Mitgliederzahl der Anthroposophischen Gesellschaft: Damals, Ende 1923, ca.

12000.

711 daß Dr. Steiner einmal erwähnte, nicht die Einnahmen-Steuer, sondern die Ausgaben-Steuer wäre das Richtige: Vermutlich handelt es sich um eine Äuße­rung in einem kleineren Kreis.

736 Ehrenvorsitzenden... darauf gehe ich nicht mehr ein: Bei der Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft 1913 hatte man Rudolf Steiner zum Ehrenvor­sitzenden gemacht.

ZUM ANHANG

788 Einbürgerungskampagne: Im Jahre 1922 hatte Rudolf Steiner ein Gesuch um Einbürgerung in die Schweiz gestellt. Dagegen wurde von ihm gegnerisch ge­sinnten Seiten öffentlich stark opponiert. Albert Steffen schrieb dazu «im Namen vieler Schweizer« in der Zeitschrift «Das Goetheanum» vom 3. September 1922 einen Artikel «Zum Einbürgerungsgesuch Rudolf Steiners»: «...Wohl sind uns die Wühlereien bekannt, die sich in ordinären Schriften gegen Dr. Steiner erge­hen, und die sogar ins Bundeshaus getragen werden, um daselbst Stimmung zu machen. Aber wir können uns nicht denken, daß sich die maßgebenden Behör­den durch solche Broschüren, von denen sogar die ehrlichen Gegner erschreckt abrücken, bestimmen lassen. Diese Broschüranten bedienen sich, wie genügend nachgewiesen worden ist, der verwerflichsten Mittel: der Verbreitung längst gebrandmarkter Lügen, des Zitates gefälschter Briefstellen, der Drohungen und ihre Anhänger sogar der tätlichen Angriffe. Gerade dies veranlaßt uns, Herrn Dr. Steiner öffentlich zu bitten, sein Einbürgerungsgesuch nicht zurückzuziehen. Es ehrt uns, wenn er Schweizer wird.*

* Über 1 300 Menschen aller Berufe: darunter Pfarrer, Lehrer, Kaufleute, Arbeiter, Bauern und Künstler haben diesen Aufruf unterzeichnet. Dr. Steiner wäre (so behaupteten einige Zeitungen) den Schweizern fremd geblieben und nicht er­wünscht als Bürger. Diese Stimmen, die sich täglich vermehren, reden anders .

Das Einbürgerungsgesuch wurde letztendlich doch abgelehnt.

#SE259-895

797 unter anderem auch das bekannte von Ruth v.-u.: Siehe Karl Heyer, «Wie man gegen Rudolf Steiner kämpft» (Abschnitt: Der Fall Ruth), Stuttgart 1932.

Das Buch: »Vom Lebenswerk RudolfSteiners»: 1921 zum 60. Geburtstag Rudolf Steiners von Friedrich Rittelmeyer herausgegeben.

803 am 10. März (1922) in seinem Schlußwort: Beim anthroposophischen Hoch­schulkurs vom 5.-12. März in Berlin, der von Friedrich Rittelmeyer geleitet wurde.

810 Fall R. v. 5.: Vgl. Hinweis zu S. 797.

819 Frohnmeyer-Broschüre: Vgl. Hinweis zu S. 530.

820 Schließlich hat die alte Frau Langen doch noch mehr Mut gehabt: Mutter von Ruth von Schmettau; vgl. Hinweis zu S. 797.

836 Vor einiger Zeit veranstaltete ein Mitglied der Gesellschaft eine öffentliche Be­sprechung des Buches von Dr. Leisegang: Konnte bisher nicht nachgewiesen werden.

suchte ein Mitglied . . . Professor Dessoir . . . auf: Der Zweigleiter von Berlin, Rudolf Meyer, hatte am 9.Januar 1921 ein zweistündiges Gespräch mit Max Dessoir.

837 die Antwort von Dr. Steiner an Richard Wahle in der «Drei»: 2.Jg., Heft 12, März 1923.

NAMENREGISTER

#G259-1991-SE896 Das Schicksalsjahr 1923 in der Geschichte der Anthroposophischen

#TI

NAMENREGISTER

(R = Hinweis)

#TX

Biographische Angaben zu bestimmten Personen, die im folgenden Register genannt werden, sind insbesondere enthalten in den Bänden der Gesamtausgabe:

GA 260: «Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposo­phischen Gesellschaft 1923/1924« (S. 301-314).

GA 260a: «Die Konstitution der Allgemeinen Anthroposophischcn Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Der Wiederaufbau des Goe­theanum« (S. 725-748).

sowie in den Bildblnden «Das Wirken Rudolf Steiners»:

Band 3: 1907-1917 München, Berlin, Dornach. Herausgeber Wolfram Groddeck.

1980 (früher Novalis-Verlag), Verlag am Goetheanum

Band 4:1917-1925 Berlin, Stuttgart, Dornach. Herausgeber Heinz Schöffier, 1987,

Verlag am Goetheanum

A. B. E. 481,482

Aeppli, Willi (1894-1972) 524,534

Affolter, Dr. 126, 748

Aisenpreis, Ernst (1884-1949)

63,541,542,757,758, 791

Aldag, Heinrich 830

Alwes, Franz 465

Apel, Cornelis 274,467, 832, 834

Arenson, Adolf (1855-1936) 159, 164,

214, 221H, 222,249,254,259-261,

268,270,276,277,279,280,283,388,

465,829, 831, 832, 834

Arenson-Baratto, Febe (1897-1984)

870

Aristoteles (384-322v. Chr.) 454

Arnold, Lina (?-1928) 465

Arx, Ferdinand von 748

Aschoff, Prof. Dr. Ludwig (1866-1942)

395

Augustinus (354-430) 798


Baltz, Karl von (1898-1987) 497H

Baravalle, Dr. Hermann von

(1898-1973) 304,314,335,344,346,

353,400,407,467,487, 832

Bartsch, Moritz (1869-1944) 169,359,

384,389,437,456,465

Baster, Otto (1877-1949) 465

Bauer, Michael (1871-1929)

197,465,822

Baumann, Paul (1887-1964) 203,211,

215,221,232,257,260, 270,274,299,

467,832

Baumgartner, Alexander (1841-1910)

452

Becker, Marie 830

Beckh, Hermann (1875-1937)

322, 528H

Behrens, Bernhard (1892-1952) 418

Benirschke, Max (1880-1961) 465

Benkendörfer, Eugen (1878-1939)

161,215,233,252,467,832

Benzinger, Max (1877-1949)

388,390,465

Besant, Annie (1847-1933) 161,807

Binder, Theodor (?-1947) 552

Bittiner (Frau) 830

Bloch, Karl 750,752,753

Blümel, Dr. Ernst (1884-1952)

260,277,482,486,487, 506,511,522,

524, 525, 527, 536, 587

Blum-Ernst, Alfred 534

Blume, Heilmut 165

Blumenthal, Oskar (1852-1917) 328

Bock, Lic. Emil (1895-1959)

201,205,217,249,250

#SE259-897

Boder, Joh. 769

Bollig(Frau) 540

Bollinger 791

Boos, Dr. Roman (1889-1952) 406,452

Borchart, Martin (1894-1972) 465

Boy, Christoph (1887-1934)

467,832,861

Bregel, Hilde 830

Breitenstein,Julius (1870-1950) 655

Bremner, Martha Ottilie (1872-1958)

830

Brentano, Franz (1838-1917) 454

Brincken, Max von den 467

Brunstädt, Hermann Friedrich Th.

(1883-?) 800,809

Büchenbacher, Dr. Hans (1887-1977)

34,165,169,359,371,373, 377,389,

417,430,434,437,567, 574,592,822,

828,837,869

Buddha (560-480) 191


Cagliostro, Alexander Graf von

(1743-1795) 192

Cayard,Luise 465

Classmann, Walter 465

Collison, Harry (1868-1945)

523, 524,605,608,610

Comenius, Johann Amos (1592-1670)

452

Conrad, Wilhelm 29,390,391,465

Conrad, WilIy (1879-1951) 29,465

Coppel, Otto 433

Craemer, Prof. Hermann (1861-1933)

367,435,465

Cromton-Smith, Bernard 523


Daeglau, Otto 465

Dabn, Felix (1834-1912) 549

Damnitz, Felix von (1860-1943)

296,297,465

Darius (521-485) 188

Darwin, Charles (1809-1882) 442

Dauner, Prof. Dr. Fritz (1876-1935)

465,830

Davis, Heinrich 465

Dechend, Dr. Hermann von

(1883-1956) 226,241

Decken, Claus von der (1888-1977) 465

Dennhardt, Clara 465

Dessoir, Max (1867-1947) 83611

Detert, Hugo 465

Deutzmann, Anton 465

Dibbern, Albert 467

Dibbern, Anton 465

Dickens, Charles (1812-1881) 560

Doldinger, Dr. Friedrich (1897-1973)

465

Dostojewski, Fjodor M. (1821-1881)

560

Drachenfels, Hedwig 166

Drescher, J. (Herr) 763

Dresler, Emmi 468

Drews, Arthur (1865-1935) 336

Drury-Lavin, Ada (1858-1931)

507,508

Du Bois-Reymond, Emil

(1818-1896) 395

Dührich, Richard (1890-1983) 868

Dürler, Edgar(1895-1970)

523, 524,691,692, 717

Dunlop, Daniel Nicol (1868-1935)

515,610,612

Ebersold, Walter (1897-1967) 486

Ebertin, Elsbeth Paula (1880-?) 64H

Eckinger, Friedrich 126

Eggers, Wilhelm (1868-1946) 465

Eichenberger, Hermann (1894-1984)

830

Eisenberg, Dr. Otto (1886-1943) 465

Eljakim-Werner, Lili-Maria 68,369

Elkan, Josef 368,465

Erikson, Richard (1869-1941) 73

Etienne, Ernest (1876-?) 511,574,583

Eucken, Rudolf(1846-1926) 815

Everbeck, August 465,831

Ewerbeck, August 435

Feigenwinter, Johann 756

Feigenwinter,Josefine Marie 756

Feigenwinter, René 756,757

Ferdinand II (1578-1637) 452

Ferreri, Charlotte (?-1924) 514

Fialkowski, Nikolaus 660

Fichte, Johann Gottlieb (1762-1814)

415,457

#SE259-898

Fink, Wilhelm (1887-1970)

273,468,832

Finckh, Helene (1883-1960) 557

Fisher, H. A. L. 479

Flor, Paul 831

Fluri, J. 756

Förster, Toni (1894-?) 370

Fritz (Herr) 370

Frohnmeyer, Johannes (1850-1921)

481, 530H, 534, 819H


Gabert, Erich (1890-1968) 199,200

Gantenbein, Bernhard (1874-1962) 466

Gauf, Ludwig 468

Gaum, Wilhelm 468

Geck, Henny (1884-1951) 856

Geering-Christ, Rudolf (1871-1958)

486,502,503,689,690, 701,703,708

Gennrich, Paul (1865-?) 802

Gentilli-Baratto, Lidia 869

Gerst, Ernst 466

Gertsch 500,504

Geuter, Fred 390

Geyer,Johannes (1882-1964) 797

Ghazali,Mohammed (1059-1111) 798

Glas, Dr. Norbert (1897-1986)

183,655

Gleich, Gerold von 491H, 824,835,837

Gleich, Sigismund von (1896-1953)

165,240

Gnädinger, Franz (?-1971) 486,691

Goesch, Fritz 820

Goesch, Heinrich (1880-1930) 165H,

273,285,332,333,351H,352, 528,

546,597,645-647,795, 799,802-804,

806-808, 810-812, 814, 815, 819, 823

827,835

Goethe, Johann Wolfgang (1749-1832)

66,67,121,128,129,188, 191,374,

410,411,415,452,453,526,803, 805

Goldstein, Kurt 367

Goyert, Wilhelm Rudolf (1887-1954)

370,465

Goyert (Frau) 574

Greber, Karl 465

Green(Mrs.) 514

Grillparzer, Franz (1791-1872) 661

Grimm, Herman (1828-1901) 11,661

Grone, Jürgen von (1887-1978) 115,

169, 180,215,257,260, 267H, 268,

281, 283H, 293,304,306,332,337,

338,346,359,437,438, 465,468,597,

598,819-821,824,830, 832,833,837

Groschupf(Herr) 782

Grosheintz, Dr. med. dent. Emil

(1867-1946) 65, 146,486,547,689,

691,692,699, 703, 708, 709, 721, 724

Grosheintz, Dr. Oskar (?-1944)

709, 720

Grosheintz-Laval, Nelly (1875-1955)

73

Groves, Irene 562,576

Grunelius, Dr. Andreas Nikolaus von

(1900-1987) 370

Grunelius, Dr. Helene von (1897-1936)

831

Gümbel-Seiling, Max 468

Günther, Hanna(?-1923) 536

Gumppenberg, Emilie von 466

Haan, Pieter de (1891-1968) 559,565

Haaß-Berkow, Gottfried (1888-1957)

804

Haberthür, A. (Herr) 763,769,786

Hachez, Maria (1896-1966) 370,831

Haeckel, Ernst (1834-1919)

442,443,447

Häfliger,Anna 251

Hahn, Dr. Herbert (1890-1970) 30,69,

203,211,215, 221,252,257,260,269,

270,321,327,328,332, 346,355,389,

401,468,597,832

Hahn, Rudolf(1877-1932)

, 691,705,711-715

Hahne,W. 831

Halla, Franz (1884-1971) 655

Hallbauer, Ulrich 418

Hannemann, Richard (?-1941) 466

Harder, Hugo 466

Hartwig, Walter 417,466

Hasselblatt, Dora

645, 795, 800, 802,803, 806

Hauck, Hedwig(1873-1949)

221,486,496

Hauer, Jakob Wilhelm (1881-1962)

809,814

#SE259-899

Hauffen, Prof. Dr. Adolf 134

Hauptmann, Gerhart (1862-1946) 560

Heim (Herr) 799

Heinis, Theodor 769

Heins, Georg 468

Heinzelmann, Gerhard Otto (1884-?)

534

Henning, Horst von 466

Henström, Sigrid 569,587

Herdener,Karl 388,390

Herostrat 167

Hermann, Elfriede 466

Hertenstein, Dr. 759,791

Hess, Klara 752

Hessenbruch, Dr. Helmut (1901-1974)

826

Heydebrand, Caroline von (1886-1938)

30,68,69, 197,260,274,333,335H,

344H, 355,392,466,822,832

Heyer, Dr. Karl (1888-1964)

30,121,201,233,240,246, 256,257,

260,261,272,274,280, 281,284,314,

315,321,322,324,329, 330,333,346,

348,350,414,468,832

Heywood-Smith, HerbertJ. (?-1951)

478, 505-507,514, 559,567, 587

Hirsch, Friedrich 466

Hirter, Johannes (1855-1926) 750

Hitler, Adolf(1889-1945) 847,863,868

Holl, Karl (1866-1926) 795

Hoppe, Dr. 795, 798,799, 812

Horstmann, Erwin 416

Hotz, Paul (?-1943) 691

Hoyer, M. 831

Hubo, Bernhard (1851-1934) 466

Hugentobler, Dr. Jakob (?-1961)

486,527,691,692,714

Hummel, Hedda 584,831

Husemann, Dr. Friedrich (1887-1959)

165H, 166,233,238,251,269, 270,

468,623,645,646, 832

Husemann, Gottfried (1900-1972) 831


Ignatius von Loyola (1491-1556)

451,452

Imrie, Arthur Peter 486

Ingerö, Karl (1889-1972) 138, 143,469

Jäckel, Eberhard 869

Jeremias, Alfred K. Gabr. (1864-1935)

285,286,532,795, 797-800,802,813

Jung, Johannes 466

Kälber, Carl 466

Kändler, Max (1871-1936)

328,329,356

Kalckreuth, Pauline Gräfin von

(1856-1929) 169,468

Kalkhof, Dr. med. Josef (1886-1952)

435,466

Kant, Immanuel (1724-1804) 410

Karl August von Sachsen-Weimar

(1757-1828) 526

Kaufmann (später Adams), George

(1894-1963) 73,76,514,520,521,

535,559,562,563,574, 583,587

Kaufmann, Otto (1902-1963) 541

Keller, Karl (1896-1979) 525

Keppler (Herr) 795,799,802,804,805

Kesseler, Lic. Dr. 795,797

Kessler, Johannes 826,831

Keyserlingk, Carl Wilhelm Graf von

(1869-1928) 433,466

Keyserlingk, Hermann Graf von

(1880-1946) 820

Kiem, Friedrich 466

Kieser, Karl 215,466

Kieser, Luise (1891-1962) 466

Kilcher, Franz 752

Klein, Gerhard (1902-1981)

205,291

Klein, Werner 466

Klenk, Georg 468

Knauer, Dr. Helmut (1896-1980)

239,240

Knauer, Dr. med. Sigfrid (1894-1984)

537

Knigge, Adolf Freiherr von (1752-1796)

543,545

Knoop, Paul 368

Knopfli, Walter (1893-?)

515,521,691,694,697, 698,700,

702-704,706, 707, 712,717-724

Knüpfer (Frl.) 691

Koel'ler, Dr. 797,799

Köhler, Rudolf 468

#SE259-900

Köllenbach, von 756

Körner, Andreas 385,466

Körner, Ernst 831

Kolisko, Dr. med. Eugen (1893-1939)

27,30,33,34,67,68, 115, 169, 179,

197, 203, 211, 215, 221, 227, 228, 23

234, 239-241, 245, 248, 252, 254, 257,

260-262,267,268,282, 300,304,306,

314-316,318-321,329,331-333,337,

338, 346, 348, 359, 362, 365, 367, 370

371, 373, 378, 385, 388, 389, 398, 422

433, 446, 465, 468, 623, 625, 631, 821

826, 828,830, 832-834, 840,869

Kolisko, Lilly (1893-1976) 70H, 180,

250H, 335, 398, 626, 627H, 631,869

Koller, Theodor 522

Korell, Bruno 831

Korth, Wilhelm 466

Kretzschmar, Paul Arthur (1882-1964)

161,165

Kries, Dr. med. Manfred von

(1899-1984) 437

Krüger, Dr. Bruno (1887-1979)

214,319,346,350,468,832

Kühn, Hans (1889-1977)

214,260,428,468,831,832

Kühne, Walter (1885-1970) 428

Kuenstler, Eugen (1869-1942) 466

Kugelmann, Georg (1892-1959) 466

Kuhn, Axel 869

Kully, Max (1878-1936)

302,452,541,836

Kutscher, Friedrich 466

Kutscher, J. 831


Lagutt, Dr. Jan von Ostheim

(1873-1944) 486,689,690,692,700,

704, 705

Langen, Martha (1865-1950)

820H, 831

Lauer, Hans Erhard (1899-1979)

230,655

Lauer, Theodor 178,318,468,822,825,

828,829, 832, 834

Leadbeater, Charles Webster

(1847-1934) 322

Leer, Emanuel Josef van (1880-1934)

183, 236H, 237,486,496,502,517,

520,521,531,559,674

Leese, Lic. 795, 799,802,804

Lehmann, Dr. Willibald 466

Lehofer, Karl (1897-?) 226

Lehrs, Dr. Ernst (1894-1979)

2, 30,72,123, 169,359,386,407,417,

419,433,436,437,446, 731,822

Leicher (Frau) 166

Leinhas, Emil (1878-1967) 27,29,68,

73,79, 108H, 115,160,161,166,169,

197, 203, 205, 211, 212H, 214, 215,

217, 223, 225H, 227, 234, 236, 238,

239,244,245,247,253, 262,267,268,

277,283,284,291,294, 295,300,

304-306,314-316, 318-321,324,325,

327,329,331-333,337, 338,346,359,

361,362,366,368,370, 373,376,

384-386,388,391,407, 414,415,418,

423,432,433,436,437, 446,458,462,

465,468,479, 486,496,497,499,502,

503,559,567,574,587, 588,591-593,

596-598,623,819-822, 824,825,

828-830,832,833,870

Leisegang, Hans (1890-1951) 68,286,

310,311,333,528,546, 795-798,810,

812, 813, 836H

Lempp, Dr. R. 587,592,593,597,598,

648,814-822,825-827, 830,831,837

Leo XIII. (1810-1903) 328H

Lerchenfeld, Otto Graf von

(1868-1938) 169,466,574

Levi, Eliphas (um 1810-1875) 191

Lienhard, Friedrich (1865-1929) 180

Linde, Hermann (1863-1923)

41,157,158

Linde, Marie (?-1943) 158

Lindenberg, Christoph (*1930) 869

Lindemann, Erdwine 468

Linke, Erika 370

Love(Mrs.) 514

Ludendorff, Erich (1865-1937) 863

Luther, Dr. Martin (1483-1546) 800

Lyell, Sir Charles (1797-1875) 442

Mackenzie, Prof. Millicent 478

Mahn, Anna (1878-1959) 466

Maier, Erwin 831

#SE259-901

Maier, Dr. Rudolf(1886-1943) 30,226,

229H, 232, 241H, 256,274,284,331,

346,397,398,468, 831,832,834

Maier-Smits, Alfred 831

Maier-Smits, Lory (1893-1971) 831

Maikowslti, René (*1900)

123, 160,169,230,293,359,437

Malchus, Freifrau Nora von

(1882-1973) 468

Maneval, Otto 437,438

Maryon, Edith (1872-1924)

136,861,862

Matile, Dr. Heinz 730

Mauthner, Fritz (1849-1923)

42, 190H, 191

Mayen, Dr. med. Walter 386,466

McMillan, Margaret (1860-1931) 46

Meebold, Alfred (1863-1952) 466

Meier, Edmund 763

Meier, Meta 468

Meister, R. (Herr) 747, 748, 753,

757-759, 764,765, 770

Melland (Miss) 562

Mellinger, Dr. Julia Charlotte

(1880-1951) 215,229,230,266,267,

466

Metaxa, George (1889-1956)

508, 514, 517, 518, 521, 554, 555

Meyer, Oskar 468

Meyer, Rudolf(1877-1947)

30,66-68,289,466

Meyrink, Gustav (1868-1932) 191

Michels, Clara(1880-1944) 831

Moènik, Franz (1814-?) 660

Mohammed (570-632) 804

Mollwo, Anna (1874-1952) 466

Molt, Dr. h. c. Emil (1876-1936) 16,

179, 387, 388, 392, 436, 437, 466, 832

Moltke, Helmuth von (1848-1916)

192, 244H

Monte, José del (1875-1950)

161, 212, 274, 281, 318, 319, 466, 832

Morus, Thomas (1487-1535) 454

Moser (Herr) 73

Moses (um 1225v. Chr.) 448,449

Muckermann, Friedrich SJ (1883-1946)

453

Mücke, Johanna (1864-1949)

115,169,267,304,337, 338, 359, 465,

468,574,822,831

Müller (Frl.) 691

Müller (Herr) 487

Müller, Ernst 831

Müller, Friedrich 750,752,753

Müller, Heinz (1899-1968) 869

Müller-Thalwitzer, Gertrud 376,466

Müneh, Martin (1893-1960) 416,468

Mulder-Seelig, E. (Frau) 666

Mund,Emil 466

Mustert, Henny (1874-1940) 466

Napoleon I. (1769-1821) 188

Nedella, Wilhelm R. (1883-1941) 519

Nietzsche, Friedrich (1844-1900)

26, 116, 345H, 410,447

Noll, Dr. med. Ludwig (1872-1930)

165H, 214,233,234,236,238, 239,

256,260,273,274,466, 832

Olcott, Henry Steel (1832-1907) 322H

Ostheimer, Walter Richard (1902-1965)

831

Ott, Fritz 752,762

Ott,Jakob (1895-1922/23) 751-753,

756,757,759,762-764, 768,770,

785-792

Ott, Katharina 752

Ott, Martin 753,756

Palmer, Dr. med. Otto (1867-1945) 30,

115,133,166, 169,215,221,232-234,

238,239,246,247,256, 267,268,293,

304,306,331,332,337, 338,359,373,

393,406,465,468,828- 830,832,833

ParacelsusTheophrastus Bombastus von

Hohenheim(1493-1541) 395

Paulus (gest. 64 n. Chr.) 798

Peipers, Dr. Felix (1873-1944)

236,238,239,256,284,291,292,295,

466,563,574,822,832

Pelikan, Wilhelm (1893-1981)

226,468,832

Peters, Lic. 809

Petersen (Frl.) 803

Pfeiffer, Dr. Ehrenfried (1899-1961)

486,521,750,752,759,791

#SE259-902

Pfläumer, Else 367,371 (ohneNamens-

nennung)

Pfund, Augustin 765

Picht, CarloSeptimus (1887-1954) 466

Pingel,Johannes 418

Piper, Dr. med. Kurt (1875-1952)

468,825,828,830-832

Plato (427-347v. Chr.) 312

Plotin (205-270) 798

Pohl, Luise 831

Pohlmann, Hans (?-1947) 328,329,356

Polzer-Hoditz, Ludwig Graf von

(1869-1945) 230,233,246,416,569,

587,655,656,831,869

Poppelbaum, Dr. Hermann (1891-1979)

466

Pozzo, Alexander Michailowitsch

(1882-1942) 747

Praußnitz, Ortrud 831

Praußnitz, Dr. Paul H. (1866-1962)

436,443,468, 564

Priebe 809

Probst, Alfred 769

Pyle, William Seott (?-1938)

184, 185,554,555,559,561,567,587


Rabel, Dr. Gabriele 242,439,443-445,

446H, 447-449,456

Raether, Hans 466

Ragaz, Leonhard 491H, 529H

Rämanäthan, Ponnambalam (1851-1930

163

Ramser, Emma (1885-1964)

691,704,723

Rascher, Dr. Hanna (?-1937) 237,251

Rascher,M. 831

Rath, Wilhelm (1897-1973)

169,359,386,437

Rathenau, Walther (1867-1922) 198

Reebstein, Alfred (1882-1974) 372,466

Reebstein, Otto (?-1944) 468,832

Reden, Thekla von (1857-1944) 466

Reiche, Dr. Paul 466

Reinhardt, P (Herr) 750

Rembrandt, Harmensz van Rijn

(1606-1669) 395

Rennefeld, Otto 468

Reuß, Theodor (1855-1923) 807

Richter, Julius (1862-?) 795,798

Rietmann, Otto (1856-1942) 486

Rittelmeyer, Dr. Friedrich (1872-1938)

115,159,162,169, 179,205,217,

267-269, 272-276, 279, 281, 283, 285,

286,290,304,310,321, 324,332,337,

338, 346, 359, 369, 371, 377, 386, 417,

446,449,450,465,468, 480,596-598,

795-797,800,802,803, 806,807,809,

813-815,817,819,820, 822-827,830,

832, 833,837, 838, 840, 849, 869

Ritter, C. 831

Ritter, Karl B. (1890-?) 800,803,813

Röchling, Helene (1866-1945) 466

Römer, Prof. Dr. Oskar (1866-1952)

466

Röschl-Lehrs, Dr. Maria (1890-1969)

169,197,223,273,274, 280,303,332,

359,437,468,574,822, 828,831,832

Roesel, Dr. Ludwig 468

Rössle, Prof. 770

Rohden, D. v. 797,800-802,815

Rohm, Karl 836

Rosenkrantz, Baron Arild (1870-1964)

46,478,576

Rosenkrantz, Baronin Tessa (?-1 944)

175,563,564

Rosenthal, Werner (1898-1961) 160,

406,437

Rousseau, Jean-Jacques (1712-1778)

) 804

Ruben(Frl.) 248-250

Rubischum, Theodor 482

Rubner, Max (1854-1932) 42

Ruhtenberg, Wilhelm (1888-1954)

179,214,468

Salewski, Wilhelm (1889-1950)

370,437

Samweber, Anna (1884-1969) 863,870

Sauerwein, Alice (?-1931)

472,476,486-488,535, 607,670

Sauerwein, Dr. Jules (1880-1967) 479

Schäfer, Lothar 468

Schäffier, Franz 468

Schelling, Martha 721

Schenker, Ulrich (1905-1983) 831

Scherer, Wilhelm (1841-1886) 661

#SE259-903

Schilbach, E. 831

Schiller, Friedrich (1759-1805) 374,45

Schlegel, Emil (1852-1935) 237

Schlesinger, Kathleen 515

Schleutermann (Herr) 63,541,786

Schlitte, Werner 468

Schmeling, Dorothea von (?-1937) 466

Schmettau, Ruth von

333H, 797, 810H, 815

Schmiedel, Oskar (1887-1959)

229,240, 536,537,546, 869

Schneidewind,Adolf 831

Schöpfer, Dr. R. 751

Schrack, Wilhelm 468, 832

Schröder, Johannes Gottfried William

(1870-1942) 169,359,437,467

Schubert, Dr. Karl (1889-1949)

197, 199-201,251,324,327, 726,729,

817,823,832

Schulz-Sydow, Dr. 795,799,800

Schunck (Herr) 764

Schuster, Friedrich (1875-1955) 467

Schwägli, H. (Herr) 757

Schwarz, Lina (1876-1947) 569,587

Schwebsch, Dr. Erich (1889-1953)

197,221,222,260,268, 269,280,301,

315,317,318,468,832

Schwedes, Hans 467,831

Schweitzer, Dr. 530,531, 795, 799,800

804,809,813

Schweitzer, Dr. Albert (1875-1965) 42

Schwimmer, Blanca 831

Seeberg, Reinhold (1859-1935) 800

Seebohm, Richard 467,574,587

Seel, Albert 467

Seiler, Franz (1868-1959) 467

Seiling, Max (1852-1928)

285,332,333,352,797,835

Selling, Wilhelm (1869-1960) 467

Semper, Karl (1832-1893) 806

Shakespeare, William (1564-1616)

559,568,569

Shaw, George Bernhard (1856-1950)

560

Sichler, Albert 491H

Simons, Friedel (1896-1974) 535

Simons, Walter (1861-1937) 847

Smits, Henri 226

Spengler, Oswald (1880-1936)

191 H, 560

Spiecker, Wilhelm 797

Spieß, Wilhelm (1885-1965) 227,229

Spörri, Gertrud (1894-1968) 205

Spranger, Eduard(1882-1963) 410

Stadlin, Alois 765

Stahlbusch, Carl 467

Stahlbusch, Lia(?-1941)

166H, 219,220, 869

Stammer, Hans Heinrich Carl

(1886-1956) 169

Stapel 809

Staudt, Emma von 434

Stavenhagen, Carl 467

Steffen, Albert (1884-1963) 58,68,73,

134,305, 309H, 327, 353H, 373,376,

393, 476, 477, 478H, 481, 482,

485-487,495, 496H, 497H, 498,500,

501,503-506,512, 517-528, 529H,

534-537,540-543, 545-547,554-557,

559,564-566,569, 573-575,587,

589-591,630,631, 689-692,697-699,

703,704,706,708-711, 718,726-731,

737,741,824,837,857, 864,866

Stein, Gertrud (1875-1958) 467

Stein, WalterJohannes (1891-1957) 11,

30,68,161,164,165,169, 180, 197,

211,225,230,232,245, 247,249,

260-262,268,274,276, 329,332,346,

386,404,406,408,437, 444,451,459,

463,465,468,482-486, 527, 534, 546,

555,617,618,623,625, 818,823,824,

828-830, 832, 833

Steiner, Hans 757,758

Steiner, Marie (1867-1948) 9, 10, 137,

162,164,179,180, 197,201,202,204,

221-223, 227-229, 245, 251, 260, 262,

275,278,284,286,291, 293,295,299,

301,305,321,324, 325,327,333,334,

339,348,349,361,374, 458,480,532,

569, 610, 623, 625, 631, 646, 667, 727,

731,732,741,766,797, 807,810,818,

820,821,824,829,846, 852,862-866,

868,870

Stinde, Sophie (1853-1915) 295

Stockmeyer, Ernst August Karl

(1886-1963) 260,273,274,321,346,

#SE259-904

433,438,467,832 36

Stockmeyer,Johanne 467

Stokar,Willy(1893-1953) 486,496,

512,691,692,703,708, 709,724,725

Storck,Eugen 417

Storrer, Willy (1896-1930)

486, 487, 503, 504, 512, 521, 522, 52

525,691,694,695,697, 700, 703,707,

708,710,717-721,723, 724,730

Strakosch, Alexander (1879-1958)

226,228,256, 260,269,274,284,295,

331,467,819,820,832

Streicher, Dr. Simon (1887-1971)

215,227,256,324,468

Strelecher, Dr. Simon 832

Stuten,Jan (1890-1948)

568,569, 726, 729

Swift,Jonathan (1667-1745) 560


Theberath, Dr. Hans (1891-1971)

68H, 70,226, 240H, 241,242,254,

256,257,446,468, 832

Thielemann, Hans (1901-1973) 390

Thierstein, Rosa 765

Thomas von Aquino (1225-1274)

328,453,480

Thorwirth, Otto 467

Thun, Walter von 831

Thylmann, Joanna (1888-1976) 467

Tillich, Dr. Lic. Paul (1886-?)

795,799,800,804,812

Toepel, Dr. Rudolf(1889-1965)

30,31,415,416

Tolstoi, Leo(1828-1910) 560

Traub, Dr. theol. Friedrich (1860-?)

454

Tröltsch, Ernst (1865-1923) 815

Trommsdorf, Wilhelm (1881-1961)

467,831

Turgenieff, Assja (1890-1966) 870

Turgenieff-Pozzo, Natalie (1886-1942)

870


Überhahm, Alfred 372

Uehli, Ernst (1875-1959) 33,73,197,

198,201-205,210-212, 214-217,219,

222,223,244,245,247, 249,253,261,

270,277,281,294,296, 302,327,350,

5, 379, 384, 385, 419, 420, 422, 423,

428,429,435,467

Umber(Herr) 747

Unger, Dr. Carl (1878-1929) 28,33,34,

49, 67, 73, 115, 121, 159, 161, 162, 164,

166, 169, 197,201-203,205,206,

210-212, 214, 216, 219, 220, 221H,

222,223, 226H, 232,233,242,245,

247, 251, 252, 254, 256, 257, 259, 260,

262,267,271,274,275, 278,280,295,

300,304,306, 316-318,320-322,329,

332,337,338,359, 365,384-386,389,

420,422,429,431,434, 436,450,451,

459,465,468,486,503, 555,574,584,

592,617,618,622,623, 628,655,822,

823,825,826,828,830, 832, 833

Usteri, Dr. Alfred (1869-1948) 486,540

Vacano, Harriet von (1862-?) 73,517

Vacano, (Frau) von 486

Vegelahn, Walter (1880-1959) 557,831

Veltheim, Hildegard von 467

Vett(Herr) 486

Villard (Frau) 398

Violet 795

Vischer, FriedrichTheodor (1807-1887)

39

Völker, Toni (1873-1938)

161H, 162, 164-166,215,232,301,

302,314,450,451,467,865

Vreede, Dr. Elisabeth (1879-1943)

73,486,506,525,536,709, 726,729,

731, 734, 737, 741, 865, 866, 869

Wachsmuth, Dr. Guenther(1893-1963)

179,496,506,521,557, 559,561,562,

573-575,690,692,710,71 5, 726-731,

734,737,741,866

Wachsmuth, Dr. Wolfgang (1891-1953)

115, 169,247,267,281,293, 306,314,

332,337,348,359,465, 468,486,566,

574,828,830-833

Wagner, Ellida 467

Wagner, Günther(1842-1930) 467

Wähle, Richard (1857-1935) 837H

Wallach, Dr. Robert Wolfgang 417

Walleen-Bornemann, Baron Alfons

(?-1941) 587

#SE259-905

Waller-Pyle, Mieta(1883-1954)

214, 752, 758,766,768

Walliser (Herr) 126, 793

Walter, Hedwig 831

Walther, Kurt (1874-1940) 467,574

Wedekind, Frank (1864-1918) 807,810

Wegfraß, August (1884-1974) 467

Wegman, Dr. Ita (1876-1943)

183, 479, 480, 515, 517, 520, 521, 53

554,555,559,561,562, 687,726,731,

737,741,863-866,870

Weingand, Ernst (?-1 943) 831

Weiß (Frau) 691,712,715,718

Weißbrod, Anna (1885-1953) 467

Weißhaar, Ella 467

Weißhaar, Heinrich 436,450

Werbeck, Louis Michael Julius

(1879-1928) 30,115,169,267,314,

315,319,328,329,346, 351,355,356,

359,369,412,434,436, 437,465,468,

531, 533H, 623,646,726,729

Werdermann-Löwenberg, Lic. Dr.

795,800,804

Werner, Paul 831

Westphal, Otto (1883-1946) 368

Westphal, Peter Paul 1 87H

Wheeler (Mr.) 514

Widmer, Friedrich (1889-1966)

486,691

Wilhelm II. von Preußen (1858-1941)

192

Wittenstein, Ilse 370,831

Wittkopf, Wilhelm 467

Wohlbold, Prof. Dr. Hans (1877-1949)

467

Wolf, Max 762,763

Wolffhügel, Max (1880-1963)

274,467, 832

Wolfram, Elise (1868-1942)

262,319,341,467

Woloschin, Margarita (1882-1973) 587

Woolley, Ruth (1890-1980) 568,587

Wullschleger, Fritz (1896-1969)

487,691

Wundt-Grunelius, Marie (1892-1972)

370,831

Zeissig, Alfred (1881-1957)

655,656,662

Zeuch, Wilhelm 467

Zeylmans van Emmichoven,

Dr. E Willem (1893-1961)

665,666,680,687,864, 870

Zeylmans van Emmichoven, J. Ema­

nuel 870

Zimmermann (Herr) 759

Zimmermann, Otto SJ 454

Zitkowsky, Dr. Wilhelm von 368

Zoeppritz, Dr. R. 468,831

Zoeppritz-Ney, Magda 467,831

Zychlinsky, Clara von 467

#SE259-906

#TI

REGISTER DER

ANTHROPOSOPHISCHEN INSTITUTIONEN

mit Seitenverweisen (H = Hinweis)

#TX

Akademischer Hochsehulbund

siehe Anthroposophischer Hochschulbund

«Anthroposophie» (Zeitschrift)

Ursprünglich (1919-1922/23): «Dreigliederung des sozialen Organismus« is

Nr.39 (S. April 1923). Redakteur Ernst Uehli, dann Jürgen von Grone; ab 26.Juli

1923 Kurt Piper. S.166, 179, 227, 228, 251, 257, 267H, 273, 323, 324, 333,

346, 347, 353, 359, 427, 490, 497, 588, 596, 597, 598, 601, 628, 818-820, 825,

826, 830-832, 834, 837, 863.

Anthroposophische Gesellschaft

1902 Oktober: Gründung der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesell­schaft, Sitz Berlin, mit Rudolf Steiner als Generalseltretär und Marie von Sivers, spätere Marie Steiner, als Sekretär. Mitgliederzahl rund 100.

1912/1913 Ausschluß der Deutschen Sektion aus der Theosophischen Gesell­schaft und im Zusammenhang damit Gründung der nunmehr international zu­sammengesetzten Anthroposophischen Gesellschaft, Sitz Berlin. Zentralvorstand:

Marie von Sivers, Berlin - Dr. Carl Unger, Stuttgart - Michael Bauer, Nürnberg.

- Mitgliederzahl rund 3000.

1921 September: Neukonstituierung des Vorstandes und Verlegung des Gesell­schaftssitzes von Berlin nach Stuttgart.

1923 Februar: Mit der Begründung einer deutschen Landesgesellschaft und einer «Freien anthroposophischen Gesellschaft» als Träger der Jugendbewegung, beide Sitz Stuttgart, beginnt die Bildung von einzelnen Landesgesellschaften.

Weihnachten: Neubildung der Anthroposophischen Gesellschaft, Sitz Goethe­anum, Dornach, durch die «versammelten Persönlichkeiten, sowohl der Einzelnen wie auch die Gruppen, die sich vertreten ließen« (§ 2 der neuen Statuten). Vor­stand: erster Vorsitzender Dr. Rudolf Steiner, zweiter Vorsitzender Albert Stef­fen, Schriftführer Dr. Ita Wegman, Beisitzer: Marie Steiner und Dr. Elisabeth Vreede, Sekretär und Schatzmeister: Dr. Guenther Wachsmuth.

Die Gesellschaft hat nunmehr rund 12000 Mitglieder, die in folgenden Lan­desgesellschaften und Einzelgruppen zusammengeschlossen sind:

Amerika Finnland

Australien Frankreich, April 1923

Belgien Holland, November 1923

Dänemark Norwegen, Mai 1923

Deutschland, Februar 1923 Österreich, Oktober 1923

(zwei Gesellschaften) Schweden, seit Januar 1913

England, September 1923 Schweiz, 1920/22

Estland Tschechoslowakei, April 1924

#SE259-907

Einzelgruppen in Argentinien, Brasilien, Danzig, Honolulu, Italien, Lettland, Neusee­land, Polen; und Einzelmitglieder in Zentralafrika, Bolivien, Bulgarien, Chile, Grie­chenland, Java, Jugoslawien, Italien, Kanada, Luxemburg, Ohio (USA), Peru, Portu­gal, Rumänien, Spanien, Texas, Ungarn.

Die weitere Entwicklung siehe GA 260a, 2. Auflage 1987, S. 712.

Anthroposophischer Hochschulbund

Im Zusammenhang mit der Dreigliederungsbewegung hatte sich in Stuttgart der «Bund für anthroposophische Hochschularbeit» gebildet mit dem Ziel, unter den Studenten für Anthroposophie und Dreigliederung zu wirken. Er trat im Herbst 1920 mit einem «Aufruf an die akademische Jugend» an die Offentlichkeit, bildete in vielen Universi­tätsstädten Ortsgruppen und veranstaltete zusammen mit dem »Verein Goetheanis­mus» in Dornach im Herbst 1920 und Frühjahr 1921 die beiden sogenannten »Hoch­schulkurse» (CA 322 und GA 76). Weitere Hochschulveranstaltungen folgten in Deutschland und Holland (Den Haag). Durch die Initiative des Hochschulbundes kam auch der »Pädagogische Jugendkurs» (GA 217) vom 3.-15. Oktober 1922 zustande.

S.21, 27, 30, 108, 109, 258, 293, 310, 329, 354, 382, 404

«Anthroposophy» (Zeitschrift)

Monatsblatt der Anthroposophischen Gesellschaft Großbritanniens. Erschien erst­

mals November 1920. S.175

Bewegung für religiöse Erneuerung

siehe »Christengemeinschaft»

Biologisches Forschungsinstitut am Goetheanum

1920-1924 biologische Abteilung (Leitung Lilly Kolisko) des wissenschaftlichen For­schungsinstitutes der Kommende Tag A.G., Stuttgart. 1924 durch Rudolf Steiner der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum angeschlossen. Siehe auch

«Forschungsinstitute». S.243

Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus

Begründet in Stuttgart am 22. April 1919, zuerst von Hans Kühn, anschließend von

Walter Kühne und dann von Ernst Uehli geleitet. Im Juli 1922 wurde der Bund auf

Anraten Rudolf Steiners in den «Bund für freies Geistesleben» übergeleitet. Die

Bekanntgabe erfolgte in der Zeitschrift »Anthroposophie» 4 Jg Nr 2 , vom 15. Juli

1922. S.27,29,30, 121, 122,216,225,247,296, 297,320,

329, 330, 346, 347, 354, 363, 377, 378, 380, 382, 384, 387-390, 414, 427, 428, 435, 492

Bund für freies Geistesleben, Stuttgart

Siehe »Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus»

Bund für freies Geistesleben, Leipzig

Ob und wie lange diese Gründung existiert hat, ist unbekannt. S.262, 264, 341

#SE259-908

Christengemeinschaft, Die

Bewegung für religiöse Erneuerung, Hauptsitz Stuttgart. Begründet September 1922 als von der Anthroposophischen Gesellschaft völlig unabhängige Bewegung, veranlaßt von protestantischen Theologen, die sich in ihren Bestrebungen für eine religiöse Erneuerung an Rudolf Steiner um Rat und Hilfe gewandt hatten. Erster Erzoberlenker

Dr. Friedrich Rittelmeyer. S. 28, 205, 206, 209, 224, 248,

265, 267, 274, 306, 310, 320-322, 324, 325, 327, 347, 359, 363, 366, 401, 450,482, 832,

848, 849

Deutscher Goetheanum-Fonds

Begründet Sommer 1923 zur Sammlung von Geldern, über die allein Rudolf Steiner

verfügungaherechtigt war. S.159, 160, 166-169, 822

«Die Drei» (Zeitschrift)

Monatsschrift für Anthroposophie, Dreigliederung, Stuttgart. Titelvignette von

Rudolf Steiner. Erste Nummer Februar 1921.

S.243, 384, 427, 435, 440, 442, 443, 448, 452, 837

Dreißigerkreis (später Vertrauenskreis der Stuttgarter Institutionen)

Entstand im Herbst 1921 in Stuttgart und wurde aufgrund der sich um 30 bewegenden

Teilnehmerzahl so genannt. Über Entstehung und Namen der Teilnehmer siehe S.832.

S.197, 199, 201

Fonds für den Wiederaufbau des Goetheanum

Nach dem Baubrand errichtet für die nichtdeutschen Länder. S.81

Forschungsinstitute

Institute der «Kommenden Tag A.G.«, Stuttgart. Biologische Abteilung: Leitung Lilly Kolisko; naturwissenschaftlich-physikalische Abteilung: Leitung Dr. Rudolf Maier.

S. 29, 30, 145,240-244,267,331, 334,344,348,359,363, 397,421,831

Freie Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland

Bestand von 1923 bis zum Verbot durch die Nationalsozialisten 1935.

S.116, 123-126, 160, 162,359,406

Freie Schule, Die

Die Waldorfschule in Hamburg-Wandsbek. Begründet 1923. S.328, 329, 355, 356

Futurum AG.

Futurum AG., Ökonomische Gesellschaft zur internationalen Förderung wirtschaftli­cher und geistiger Werte, Dornach 1920-1924. Begründet am 16.Juni 1920 als assozia­tives Unternehmen im Sinne der sozialen Dreigliederung, auf derselben Grundlage wie die Kommende Tag A.G., Stuttgart. Bis März 1922 war Rudolf Steiner Präsident des Verwaltungsrates. Das Unternehmen konnte sich infolge der allgemeinen Wirtschafts­krise nicht behaupten und mußte 1924 liquidiert werden. S. 225, 490, 492

«Das Goetheanum» (Zeitschrift)

Internationale Wochenschrift für Anthroposophie und Dreigliederung. Redakteur

(auf Vorschlag Rudolf Steiners) war Albert Steffen. Die erste Nummer mit einer

Auflage von 25000 Exemplaren erschien am 21. August 1921.

S. 21, 81, 327H, 328, 353,427,452, 478H, 479, 481,497,499, 513H, 564, 588H, 590, 591, 595, 607, 710, 818, 820, 823, 824, 837, 864, 866, 870

#SE259-909

Goetheanum-Bauverein

Siehe Verein des Goetheanum

Goetheanum-Stiftungs-Fonds

Siehe Deutscher Goetheanum-Fonds

Hochschulbund

Siehe Anthroposophischer Hochschulbund

Internationale Laboratorien AG. (später Weleda A.G.)

Zur Vorgeschichte siehe GA 260a, Seite 723. S.537

Klinik von Dr. Zeylmans

1923 in Den Haag gegründete Rudolf-Steiner-Klinik. S.665, 687

Klinisch-Therapeutisches Institut, Stuttgart

Begründet nach dem I. Ärztekurs Dr. Steiners - Ostern 1920 - durch die deutschen

Ärzte Dr. Ludwig Noll, Dr. Otto Palmer, Dr. Felix Peipers, Dr. Friedrich Husemann.

15. August 1921 eröffnet als Abteilung der Kommenden Tag A.G., Stuttgart, unter der

Leitung von Dr. Otto Palmer. 1924-1935 Privatunternehmen Dr. Otto Palmers. Zur

Vorgeschichte dieser Kliniken siehe GA 260a, Seite 716. S.28-30, 145,

166, 235, 236, 268, 359, 387, 391, 393, 394, 396, 421, 481, 490, 495, 499, 573, 831, 846

Kommende Tag A. G., Der

Aktiengesellschaft zur Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte, Stuttgart, 1920-1925. Ein assoziatives Unternehmen im Sinne der sozialen Dreigliederung, be­gründet 13. März 1920. Vorsitzender des Aufsichtsrates bis 1923 Rudolf Steiner. Das Unternehmen, dem laut Geschäftsbericht von 1921 die Absicht zugrunde lag, «einen Keim zu einem neuen, auf assoziativer Grundlage sich entwickelnden Wirtschaftsleben zu bilden«, mußte infolge der allgemeinen Wirtschaftskrise (Inflation) vom Beginn des Jahres 1925 an allmählich liquidiert werden.

S.28,29, 115, 144, 145, 161, 166, 212, 227, 243, 247, 268, 276, 278, 306, 321, 334, 346, 359, 362, 363, 366, 377H, 378, 387, 388, 391, 421, 427, 490, 831, 846

«Lucifer-Gnosis» (Zeitschrift)

Begründet und herausgegeben von Rudolf Steiner 1903-1908. Nr.1 Juni 1903) bis Nr.7 unter dem Titel «Luzifer«; Nr.8 Januar1904) »Lucifer mit der Gnosis«; ab Nr.9 «Lucifer-Gnosis». Nach Nr.35 mußte das Erscheinen wegen Überbeanspruchung des

Herausgebers eingestellt werden. S.387, 443, 493

Nachrachtenblitt (Zeitschrift)

Mitteilungs- bzw. Nachrichtenblatt «Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht. Nachrichten für deren Mitglieder«, Dornach. Ab 1937 mit Titelvignette von Rudolf Steiner. Erscheint seit Januar 1924 als Beilage der Wochenschrift «Das Goethe­

anum». S. 9, 178

#SE259-910

Philosophisch-Anthroposophischer Verlag, Berlin-Dornach.

1908 begründet als Philosophisch-Theosophischer Verlag in Berlin von Marie von Sivers, ausschließlich zur Herausgabe der Werke Rudolf Steiners. 1913-1923 Philo­sophisch-Anthroposophischer Verlag, Berlin. 1923/1924 Übersiedlung von Berlin nach Dornach. Ab 1925 Unterabteilung der Allgemeinen Aritliroposophischen Gesell­

schaft. S.115,267,306,348,349, 359,366,421,864

Siebenerkreis (Siebenerkomitee)

Bestand nur kurze Zeit zu Beginn der Stuttgarter Verhandlungen Januar bis Februar

1923. S. 197, 199,201, 257

Stuttgarter Treuhand-Gesellschaft

Im November 1918 gründeten Carl Unger und Emil Molt mit einer Gruppe von

Industriellen eine Industrie-Treuhandgesellschaft, die einen Übergang zur sozialen

Dreigliederung bilden sollte. Siehe hierzu «Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtaus­

gabe», Nr.24/25, Ostern 1969. S.349

Suryhof

Das Gelände des heutigen Heimes für seelenpflegebedürftige Kinder «Sonnenhof» in

Arlesheim. S. 481

Treuhandgesellschaft für das Goetheanum

Scheint nur vorübergehend bestanden zu haben. S.169

Verein des Goetheanum, der freien Hochschule für Geisteswissenschaft (Bauverein)

Werdegang siehe GA 260a, 2. Aufl. Seite 721. S.41, 146, 157

Verlag des «Kommenden Tages»

«Kommender Tag Verlag». Abteilung der «Kommenden Tag A.G.», gegründet 1920,

Leiter Dr. Wolfgang Wachsmuth. S.145, 267, 348, 349, 359, 366, 421, 832

Vertrauenskreis der Stuttgarter Institutionen

siehe «Dreißigerkreis». S. 178, 832

Waldorfschule, Freie

Einheitliche Volks- und höhere Schule, Stuttgart. Gegründet 1919 durch Kommer­zienrat Dr. h. c. Emil Molt im Zusammenhang mit der Bewegung für soziale Dreiglie­derung. Anfänglich Unternehmen der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik, Stuttgart. Ab Mai 1920 durch die Gründung des Waldorfschulvereins selbständig. Pädagogische Leitung Rudolf Steiner, Leiter der Verwaltung: E. A. Karl Stockmeyer.

S.29, 30, 215, 226, 254, 255, 267, 276, 278, 320, 321, 323, 328, 347, 348, 362, 366, 380,

387, 392, 421, 427, 713, 831, 846

Waldorfschule in Den Haag

»De Vrije School», begründet 1923. S. 665, 687

#SE259-911

Weltschulverein

Von Rudolf Steiner als organisatorisch-ökonomischer Träger einer internationalen Waldorfschulbewegung im Vortrag vom 27. Februar 1921 in Den Haag und in der Lehrerversammlung am 16. Oktober 1920 (ohne Nachschrift) angeregt. Siehe hierzu das Schlußwort zur Disputation zum Vortrag vom 6. April 1921 in «Die Befruchtende Wirkung der Anthroposopie auf die Fachwissenschaften», GA 76, und «Berichtsheft des Bundes der Freien Waldorfschulen«, Stuttgart, Advent 1985. S.355, 356, 392

Wissenschaftliche Forschungsinstitute

Siehe «Forschungsinstitute« Zeitschriften siehe unter «Anthroposophie» «Anthroposophy» «Die Drei« «Dreigliederung des sozialen Organismus» vgl. «Anthroposophie» «Das Goetheanum» «Lucifer-Gnosis» «Nachrichtenblatt»

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.