GA 131

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RUDOLF STEINER

VORTRÄGE

VORTRÄGE VOR MITGLIEDERN
DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT

Von Jesus zu Christus

Ein Zyklus von zehn Vorträgen
mit einem vorangehenden öffentlichen Vortrag
gehalten in Karlsruhe
vom 4. bis 14. Oktober 1911

GA 131

1982

Inhaltsverzeichnis


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VON JESUS ZU CHRISTUS Öffentlicher Vortrag, Karlsruhe, 4. Oktober 1911

Der Gegenstand, über den heute hier gesprochen werden soll, hat ja in unserer engeren Gegenwart überall das allerweiteste Interesse erregt; deshalb darf es wohl auch als berechtigt erscheinen, über dieses Thema von anthroposophischem Standpunkt aus zu sprechen, von dem aus ich selbst schon zu verschiedenen Malen in dieser Stadt über dieses oder jenes Thema habe sprechen dürfen. Nun ist allerdings die Art und Wejse, wie dieses Thema heute in unserer Gegenwart überall erörtert wird und auch populär geworden ist, weit verschieden von dem anthroposophischen Standpunkte. Wenn man auf der einen Seite sagen muß, daß Anthroposophie als solche heute noch eine wenig ver­standene und wenig beliebte Sache ist, so muß auch auf der andern Seite vielleicht darauf aufmerksam gemacht werden, daß gerade die anthroposophische Betrachtung des Gegenstandes, der uns heute be-schäftigen soll, eine außerordentlich schwienge ist. Dennwenn es schon dem Menschen der Gegenwart frerneliegt, sein Gemüt und seine Seele so zu stimmen, daß über verhältnismäßig naheliegende Dinge des Geisteslebens die anthroposophischen Wahrheiten voll ergriffen und gewürdigt werden können, so ist es geradezu ein Widerstreben, das dieses Gegenwartsbewußtsein erfüllt, wenn vom Standpunkte der Anthroposophie oder Geisteswissenschaft ein Thema betrachtet werden soll, das wirklich für uns nötig macht, diese Geisteswissenschaft oder Anthroposophie in intimster Weise auf die schwierigsten und auch hei­ligsten Gegenstände des menschlichen Nachdenkens anzuwenden. Zu den letzteren aber gehört, was wir heute zu besprechen haben.

Ausgegangen kann freilich davon werden, daß jene Wesenheit, die in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen gerückt werden soll, seit vielen Jahrhunderten im Mittelpunkte alles Fühlens und Denkens der Menschheit ist; aber nicht nur das allein, sondern daß sie auch innerhalb des menschlichen Seelenlebens die mannigfaltigsten Beurtei­lungen, Empfindungen und Anschauungen hervorgerufen hat. Denn so felsenfest für unzählige Menschen seit Jahrhunderten dasjenige

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steht, was mit dem Christus-Namen oder auch mit dem Jesus-Namen umspannt ist, so mannigfaltig ist das Christus- und auch das Jesus-Bild, wie es bewegt hat die Seelen, beschäftigt hat die Denker durch die Jahrhunderte hindurch seit den Ereignissen von Palästina. Und immer war es so, daß von der allgemeinen Weltanschauung, von dem, was man zu irgendeiner Zeit fühlte und empfand und als wahr be­trachtete, auch das Christus-Bild modifiziert worden ist So ist es denn gekommen, daß im Laufre des neunzehnten Jahrhunderts

- schon vorbereitet durch mancherlei Gedanken und Geistesströmun-gen des achtzehnten Jahrhunderts - das, was im Geiste als der Christus erfaßt werden kann, mehr zurückgetreten ist gegenüber dem, was man im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert den historischen Jesus nennt. Und um den historischen Jesus ist es ja eben, um den sich heute ein weit verbreiteter Streit entsponnen hat, der gerade in dieser Stadt, in Karlsruhe, seine bedeutendsten Repräsen­tanten, seine intensivsten Kämpfer hat. Daher ist es wohl gut, mit einigen Worten darauf hinzuweisen, wie es mit diesem Streite liegt, bevor wir auf den Christus Jesus eingehen.

Man möchte sagen: Unter dem Eindrucke jener Geistesströmung, die alles, was sich auf das geistige Leben bezieht, bloß äußerlich be­trachtet, nach dem, was durch a~~ußere Dokumente frestgestellt werden kann, - unter dem Eindrucke dieser Geistesströmung ist das zustande gekonimen, was das neunzehnte Jahrhundert als den historischen Jesus betrachtete. Was sollte denn als solcher historischer Jesus gelten? Es sollte gelten, was sich als solcher durch äußere historische Urkunden feststellen läßt: daß die entsprechende Persönlichkeit, von der zu Anfang unserer Zeitrechnung berichtet wird, in Palästina ge­wandelt hat, dann gestorben und wieder auferstanden ist für die Gläubigen. Ganz nach dem Charakter und der Natur unseres sich jetzt dem Ende zuneigenden Zeitalters beschränkte sich der Glaube in der theologischen Forschung immer auf das, was man glaubte aus den historischen Urkunden so feststellen zu können, wie man aus sonstigen historischen Urkunden irgendein Ereignis der Weltgeschichte feststellt. Welche historischen Urkunden sind es denn, die da zunächst in Be­tracht kamen? Ich brauche hier nicht darauf einzugehen - denn gerade

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hier in Karlsruhe hat die historische Jesus-Forschung ihren Aus-gang genommen -, daß alle geschichtlichen Überliefrerungen, insofern sie nicht im Neuen Testament stehen, sich nach dem Urteile eines der bedeutendsten Kenner der Sache hequem auf eine Quartseite schreiben lassen. Und was sonst in irgendwelchen Urkunden - hei Josephus oder bei Tacitus - über den historischen Jesus steht, das ist leicht aus dem Felde zu schlagen; denn nimmermehr kann man es vom Stand­punkte der historischen Wissenschaft hrauchen, die heute als die aner­kannte gilt. So bleiben also für die Jesus-Forschung bloß übrig die Evangelienschrifrten des Neuen Testamentes und das, was in den Paulus-Briefen steht.

Nun hat sich die historische Forschung des neunzehnten Jahr­hunderts an die Evangelien herangemacht. Rein äußerlich angesehen, wie nehmen sich diese Evangelien aus? Nimmt man sie wie andere Ur­kunden, wie man zum Beispiel Dokumente über eine Schlacht oder dergleichen nimmt, so stellen sie sich als widerspruthsvolle physische Dokumente heraus, deren Vierheit man nicht durch äußere Gesichts­punkte zusammenreimen kann. Und an dem, was man die historische Kritik nennt, zerschellen diese Urkunden. Denn es muß gesagt wer­den, daß alles, was ejne emsige, flejßige Forschung im neunzehnten Jahrhundert zusammengetragen hat aus den Evangelien selber, um ein treues Bild des Jesus von Nazareth zu gewinnen, sich aufgelöst hat durch die Vertreter derjenigen Forschung, die von Professor Drews dargestellt ist. In bezug auf alles, was gegen den Historismus der Evan­gelien gesagt werden kann, könnten eigentlich die Akten für geschlos­sen erklärt werden, insofern als man sich klar sein kann, daß gerade die sorgfältige Wissenschaft und die sorgfältige Kritik uns zeigen, daß mit Bezug auf die Art, wie sonst historische Tatsachen festgestellt wer­den, über die Person des Jesus von Nazareth gar nichts gewonnen wer­den kann; und es muß als ein wissenschaftlicher Dilettantismus gelten wenn das heute gegenüber der Wissenschaft nicht zugegeben wird.

Nun handelt es sich hier um einen ganz anderen Gesichtspunkt. Und zwar handelt es sich zunächst darum, die Frage aufzuwerfen ob nicht vielleicht von denjenigen, welche die Lehre des Jesus von Naza­reth im neunzehnten Jahrhundert vertreten haben, und die zu einem

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historischen Bilde von dem Jesus von Nazareth kommen wollteri, doch vielleicht die Evangelien ganz falsch aufgefaßt worden sind, ob hier nicht ein großes Mißverständnis vorliegt~ Was wollten denn die Evangelien eigentlich? Wollten sie im Sinne des neunzehnten Jahrhunderts historische Urkunden sein? Bevor diese Frage nicht beantwortet ist, was die Evangelien sein wollten, kann die andere Frage gar nicht entschieden werden, ob man sie als historische Ur­kunden überhaupt betrachten kann~

Was in dieser Hinsicht gilt, das versuchte ich schon vor vielen Jahren in meiner Schrift «Das Christentum als mystische Tatsache» darzulegen. Und in dieser Beziehung sollte die Antwort auf die Frage, die jetzt gestellt worden ist: Was wollten die Evangelien eigentlich sein?, nicht nur mit dem Inhalte, sondern schon mit dem Titel dieses Buches gegeben sein. Denn der Titel dieses Buches ist nicht «Die Mystik des Christentums» oder «Der mystische Inhalt des Christen­tums», - darum handelt es sich gar nicht, sondern darum, daß in dem Buche gezeigt werden sollte, daß das Christentum selber seiner Entstehung, seinem ganzen Wesen nach nicht eine äußere Tatsache ist wie andere äußere ,Tatsachen, sondern eine Tatsache der geistigen Welt, die nur begriffen werden kann durch den Einblick in die Ereig­nisse des geistigen Lebens, durch den Blick in eine Welt, die hinter der äußeren Sinneswelt liegt und hinter dem, was historische Urkunden feststellen können. Gezeigt sollte werden, daß die Kräfte und Ur­sachen, die das Ereignis von Palästina herbeigeführt haben, gar nicht in dem Gebiete liegen, in dem äußere historische Ereignisse sich abspielen; daß also nicht etwa das Christentum nur einen mystischen Inhalt haben kann, sondern daß Mystik, geistiges Schauen notwendig ist, wenn man die Fäden entwirren will, die sich - nicht für die äußeren Dokumente, sondern im geheimnisvollen geistigen Geschehen

- hinter den Ereignissen abgespielt haben, um die Ereignisse von Palästina möglich zu machen.

Um zu verstehen, was das Christentum ist, und was es in der Seele des heutigen Menschen sein kann und sein muß, wenn die Seele sich recht versteht, muß ein wenig darauf hingewiesen werden, wie tief in den geistigen Tatsachen der Menschheitsentwickelung die Worte

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eines so guten Christen begründet sind wie des Augustinus, wenn er sagt: «Was man gegenwärtig die christliche Religion nennt bestand schon bei den Mten und fehlte nicht in den Anfängen des Menschen-geschlechtes und als Christus im Fleische erschien, erhielt die wahre Religion, die schon vorher vorhanden war, den Namen der christ­lichen.> So weist~ uns eine so maßgebende Autorität darauf hin, daß mit den Ereigmssen von Palästina nicht etwas in jedem Sinne Neues in die Menschlieit eingetreten ist, sondern daß in gewisser Weise eine Umformung erlitten hat, was seit alten Zeiten von den Seelen der Menschen gesucht worden ist, von den Menschen als Er-kenntnis angestrebt worden ist. Was besagt denn ein solcher Aus-spruch wie der des Augustinus? Er will im wesentlichen besagen daß mit den Ereignissen von Palästina der Menschlieit etwas gegeben geschenkt worden ist, was auch vor diesem Ereignis in einer gewissen Weise hat gefunden werden können, aber in einer anderen Weise als durch den chr istlichen Weg. Und wenn wir die andere Art, wie zu den Wahrheiten und Weistümern des Christentuins die andere Zeit hat kommen könsien, prüfen wollen, so weist uns der historische Werdegang der Menschheit auf etwas hin, was mit einem Worte umschlossen wird, das heute noch wenig Verständnis findet das aber immer mehr und mehr Vuständnis finden wird, je mehr die geistes­wissenschallliche Weltansauung die Menschen ergreifen wird Es ist das, was mit dem Worte «die Mysterien des Altertums> umschlossen wird. Nicht auf die bloß äußeren Religionen der V~olker des Altertums müssen wir hinblicken, sondern auf das, was in den vorchristlichen Zeiten in jenen geheimnisvollen Stätten getrieben worden ist, die mit dem Namen der Mysterien bezeichnet worden sind.

Was waren diese Mysterien im Altertum?

Wenn Sie nehmen, was in meiner «Geheimwissenschaft im Umriß» steht, so bekommen Sie eine geisteswissenschaftliche Erklärung dafür Aber es gibt auch zahlreiche Profanschriftsteller, die in der Öf­fentlichkeit das sagten, was ein Geheimnis war für die Menschen des Altertums. Da wird uns erzählt, daß nur eine geringe Anzahl von Menschen zugelassen wurde zu den Lehrstätten, die man als die Mysterien bezeichnete, und die Kultstätten waren. Es war immer ein

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kleiner Kreis, der von den Priesterweisen zu diesen Mysterien zuge­lassen worden ist; ein kleiner Kreis, der sich dann von der äußeren Welt insofern absonderte, als sich die Mitglieder dieses Mysterien-kreises sagten: Wir müssen, um zu dem zu kommen, was in den Mysterien erreicht werden soll, eine andere Lebensweise beginnen, als sonst in der Offentlichkeit gepflogen wird - vor allem müssen wir uns angewöhnen, in einer anderen Weise zu denken. Es war in der Tat eine gewisse Absonderung von der Uffentlichkeit bei denen, die Schüler der Mysterien waren. Mysterien gab es überall. Sie können sie bei den Griechen und Römern und anderen Völkerschaften finden. Heute gibt es schon eine zahlreiche Literatur darüber, so daß das, was hier ausgesprochen wird, auch belegt werden kann durch die äußere Forschung. Wenn solche Schüler der Mysterien zugelassen waren zu dem, was dort gelehrt wurde, so kann man sagen: Das, was sie aufnahmen, könnte man vergleichen mit dem, was heute Wissen­schaft, Erkenntnis genannt wird, - aber nicht in derselben Art wurde das aufgenommen, wie heute Erkenntnisse aufgenommen werden. Der Mysterienschüler erlebte etwas, und er wurde durch das, was er durchinachte, ein ganz anderer Mensch. Er fühlte im höchsten Maße etwas, was man mit dem Worte bezeichnen kann: In jedem Menschen lebt, tiefinnerlich verborgen und schlummernd, so daß es das ge­wöhaliche Bewußtsein nicht weiß, ein höherer Mensch. Und wie der gewöhnliche Mensch durch seine Augen über die Welt hinsieht, wie er durch sein Denken über das Erlebte nachdenken kann, so kann dieser, für die äußere Erkenntnis zunächst unbekannte Mensch, der aber erweckt werden kann aus der Tiefe der Menschennatur, eine andere Weit erkennen, die für äußere Augen, für äußeres Denken nicht erreichbar ist. Die Geburt des inneren Menschen nannte man das. Das ist ein Wort, das heute noch ausgesprochen wird. Wie es aber heute ausgesprochen wird, hat es einen nüchternen, abstrakten Charakter, und man nimmt es so leicht hin. Wenn es jedoch der Myste­rienschüler auf sich anwandte, war es die Bezeichnung für ein Großes, das sich nur vergleichen ließe etwa mit dem Geborenwerden des Menschen im physischen Sinne. Wie das, was der Mensch in der phy­sischen Weit ist, aus einem dunkeln Untergrunde - sei es ein Naturuntergrund

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nach materialistischer Anschauung oder ein geistiger Untergrund nach geisteswissenschaftlicher Anschauung - herausgeboren und so im außeren Sinne erst zum physischen Menschen wird so wird das, was vorher ebensowenig da war, wie der physische Mensch vor der Geburt oder Empfängnis da war, als ein höherer Mensch wirklich geboren durch die Vorgänge der Mysterien. Ein neu-geborener, ein wiedergeborener Mensch wurde der Mysterienschüler.

Was heute als Anschauung über Erkenntnis existiert, was als Be­antwortung einer tief philosophischen Frage überall gegeben wird, ist gerade das Gegenteil von dem, was der Grundnerv der ganzen Gesin nung und Anschauung in den Mysterien war Heute fragt der Mensch im kantischen oder schopenhauerischen Sinne Wo liegen die Grenzen der Erkenntnis? Was kann der Mensch erkennen? Wir brauchen nur ein Zeitun~sblatt in die Hand zu nehmen und werden immer auf die Ant wort stoßen Da und dort liegen die Grenzen des Erkennens und dar über kann der Mensch nicht hinaus Das ist genau im Gegensatze zu dem, was in den Mysterien gewollt wurde Gewiß, man sagte sich der Mensch kann nicht dieses oder jenes Problem losen, kann nicht da oder dort hineinschauen Aber nie hätte man im Sinne einer kantischen oder schopenhauerischen Erkenntnistheorie gesagt, dies oder das kann man nicht erkennen sondern man hatte gesagt, man muß daran appellie ren, daß d er Mensch entwickelungsfähig ist, daß Krifte in ihrn liegen, die schlummern, die hervorgeholt werden müssen; und wenn sie her­vorgeholt werden, dann steigt der Mensch zu einem höheren Erkennt­nisvermögen auf. Die kantische Frage: Wo liegen die Grenzen der Erkenntnis? hätte für die alte Mysterienanschauung keinen Sinn ge-habt, sondern allein die Frage: Wie macht man es, um das, was im gewöhnlichen Leben die Grenzen des Erkennens sind, zu überschrei­ten? Wie sucht man tiefere Kräfte aus der Menschennatur herauszuent-wickeln, um das zu schauen, was man mit den gewöhnlichen Kräften nicht schauen kann?

Und noch etwas anderes ist notwendig, um den ganzen Zauber-hauch der Mysterien, der ja auch durch die Berichte der äußeren Schriftsteller - Plato, Aristides, Plutarch, Cicero - geht, zu empfin­den. Da müssen wir uns klar sein, daß eine ganz andere Art der

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Seelenverfassung innerhalb der Mysterienschülerschaft vorhanden wär, als die Seelenverfassung des heutigen Menschen gegenüber den wlssenschäftlichen Wahrheiten. Was wir heute wissenschaftliche Wahr­heiten nennen, kann ein jeder Mensch in einer jeglichen Stimmung und Gemütsverfassung aufnehmen. Darin sieht man heute gerade das Kenn­zeichen der Wahrheit, daß sie unabhängig ist von dem, was wir in der Seele als Stimmung trägen. Nun war aber das Wichtigste für den Mysterienschüler, bevor er an die großen Wahrheiten herangeführt wurde, daß er etwas durchmächte, wodurch die Seele in bezug auf Fühlen und Empfinden umgewandelt wurde. Und was uns heute als das Einfachste der wissenschaftlichen Erkenntnis erscheint - man hätte es an den Mysterienschüler nicht so herangebracht, daß er es mit dem Verstande äußerlich hätte sehen können; sondern es mußte sein Gemüt so vorbereitet werden, daß er mit scheuer Ehrfurcht an das herantrat, was an ihn herankommen konnte. Daher war die Vorbe­reitung zur Aufnahme für das, was die Mysterien überliefern konn­ten, nicht ein Lernen, sondern eine radikale Umerziehung der Seele. Wie die Seele vor die großen Wahrheiten und Weistümer trat, was sie empfand gegenüber den großen Wahrheiten und Weistümern, darauf kam es an. Und da heraus strömte für die Seele die Überzeugung:

Wir sind verbunden durch das, was uns in den Mysterien gegeben wird, mit den Weltengründen selber, mit dem, was an den Quellen aller Weltenursprünge fließt.

So wurde der Mysterienschüler vorbereitet, daß er etwas erlebte, was uns auch Aristides erzählt. Und wer, wie es in meiner Schrift «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?> dargestellt ist, nacherlebt, was die Schüler der alten Mysterien erlebten, und solche Erlebnisse dadurch bewahrheitet, der weiß, wie es der Wirklichkeit entspricht, wenn Aristides sagt: «Ich glaubte den Gott zu berühren, sein Nahen zu fühlen, und ich war dabei zwischen Wachen und Schlaf; meinGeist war ganz leicht, so daß es keinMensch sagen und begreifen kann, der nicht eingeweiht ist.» So gab es einen Weg zu den gött­lichen Weltengründen, der nicht Wissenschaft war, auch nicht einseitige Religion war, sondern der darauf beruhte, daß sich die Seele wohl vorbereitete, um die Gedanken der Weltentwickelung als die Gedanken

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der die Welt durthwebenden Götter zu empfinden und dem Gotte in den geistigen Weltengründen nahe zu sein. Und wie wir im Atmen die äußere Luft aufnehmen und zu einem Bestandteile unseres Leibes machen, so empfand der Mysterienschüler, daß er das, was geistig durch die Welt pulst, in seine eigene Seele aufnahm und es mit seiner Seele verband, so daß er ein neuer, von der Göttlichkeit durchwirkter Mensch wurde.

Von dem aber, was in jenem Altertum möglich war, zeigt uns ge­rade die Anthroposophie oder Geisteswissenschaft, daß es auch nur eine historische Erscheinung innerhalb der Menschheitsentwickelung war. Und wenn wir uns fragen: Sind die Mysterien, die in der vor-christlichen Zeit möglich waren, noch heute in derselben Weise möglich?, dann müssen wir sägen: So wahr alle historische geistige Forschung zeigt, daß wirklich das vorhanden war, was jetzt charak­terisiert worden ist - in der gleichen Form, wie es in der vorchrist­lichen Zeit vorhanden war, ist es heute nicht mehr da. Dieselbe Art der Einweihung, wie sie in der vorchristlichen Zeit möglich war, ist heute nicht mehr möglich. Nur wer so kurzsichtig ist und glaubt, daß die Menschenseele zu allen Zeiten dieselbe ist, nur der kann glauben, daß der Geistesweg der alten Zeiten auch noch heute gilt. Der Weg zu den göttlichen Urgründen der Welt ist jetzt ein anderer geworden! Und die geistige historische Forschung zeigt uns, daß er im wesent­lichen in dem Moment ein anderer geworden ist, in welchen die Überlieferung die Ereignisse von Palästina setzt. Diese Ereignisse von Palästina bilden einen tiefen Einschnitt in die Menschheitsentwicke­lung. Es ist etwas ganz anderes in die Menschennatur gekommen in der nachchristlichen Zeit, als in der vorchristlichen Zeit in dieser Menschennatur vorhanden war. Eine solche Art des Denkens, sagen wir, durch wissenschaftliche Gedanken sich der Welt zu nähern, wie es heute möglich ist, gab es im vorchsistlichen Altertum nicht. Die Mysterien hatten den Menschen nicht etwa bloß deshalb auf die charakterisierte Weise zu den höchsten Weistümern geführt, weil man geheim tun wollte oder etwas besonderes für einen kleinen Kreis von Menschen haben wollte, sondern weil dieser Weg für die alten Zeiten notwendig war, und weil unser Weg des Denkens über die Welt, durch

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die Form der Logik, der Gedanken, dazumal noch nicht möglich wär. Wer die Menschheitsgeschichte ein wenig prüft, der weiß, daß ein paar Jahrhunderte hindurch - in den Zeiten der griechischen Philo­sophie - sich unser Denken erst langsam und allmählich vorbereitet hat und es erst jetzt dazu gebracht hat, in einer so bewundernswür­digen Weise die äußere Natur mit den menschlichen Gedanken zu umspannen. So ist die ganze Form des Bewußtseins, wie wir heute unsere Weltanschauungen schaffen, eine andere gegenüber der vor-christlichen. Wir wollen jetzt in dieser Tatsache gar nichts anderes sehen, als daß die Menschennatur eine andere geworden ist in den nachchristlichen Zeiten. Eine sinnvolle Betrachtung der Mensthheits­entwickelung - Sie finden die entsprechenden Forsthungsresultate in meiner «Geheimwissenschaft» - zeigt uns, daß das ganze mensch­liche Bewußtsein sich umgeändert hat im Laufe der Menschheitsent­wickelung. Anders als wir heute die Dinge anschauen mit unseren Sinnen und über sie denken mit unserm Verstande, haben die alten Menschen die Dinge geschaut und gedacht. Nicht ein solches Hell-sehen, wie es in meiner Schrift «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?> geschildert ist, sondern ein anderes Hellsehen, dumpfer, traumähnlicher Art, hätten die alten Menschen statt des verstandesmäßigen und sinnenfälligen Anschauens der Dinge. Das ist gerade der Sinn der Entwickelung, daß ein altes Heilsehen, das in Urzeiten über die ganze Menschheit ausgegossen war, gewichen ist der Form, die Dinge anzuschauen, wie wir sie jetzt haben. Die ge­wöhnliche Bevölkerung aller Länder hätte eine solche hellseherische Kraft; und ein Hinaufführen der hellseherischen Kraft zu höheren Stufen wurde in den Mysterien gegeben. Dadurch bildete man aus, was allgemeine menschliche Seelenfähigkeiten wären. Nun ist im Laufe der Menschheitsentwickelung diese hellseherische Fähigkeit dem ge­wichen, was wir heute denkerische Betrachtung der Welt nennen. Das alteHellsehen ist nicht mehr eine naturgemäße Anschauung der Dinge. Die Zeit aber, in welcher sich die alte Art des Anschauens verloren hat, dauerte lange, durch die geschichtlichen Zeiten hindurch, und er­reichte den Höhepunkt in der Zeit, in welcher wir die griechische oder lateinische Kulturepoche verzeichnen, und in welche wir das Ereignis

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des Christus Jesus versetzen. Da wär die gesamte Menschheit überall so weit in der Entwickelung fortgeschritten, daß das alte Hellsehen vorüber war und die alten Mysterien nicht mehr möglich waren. Fragen wir nun: Was trat an die Stelle der alten Mysterien? so müs­sen wir uns zunächst mit dem bekanntmachen, was der Mensch durch die Mysterien erlangte.

Zweierlei Art wären die Mysterien Die eine Art ging etwa aus von der Kulturstatte, die später von dem altpersischen Volke eingenom men wurde, die andere Art erlebte man in Agypten und in Griechen land am ällerreinsten Diese beiden Mysterien Arten sind durchaus verschieden gewesen im Altertum Alle Mysterien strebten dazu hin den Menschen zu einer Erweiterung seiner Seelenkräfte zu bringen. Anders aber geschah dies in den griechischen und ägyptischen Myste­rien und wieder anders in den persischen Mysterien. Wie wär nun jene Einweihung in die Mysterien, die man in Griechenland erstrebte?

- Und diese Art stimmte ja im wesentlichen überein mit dem, was man in Agypten erstrebte.

Was in Griechenland und in Agypten für den Schüler der Myste­rien erreicht werden sollte, war eine Umgestaltung seiner Seelen-kräfte. Aber diese Umgestaltung geschah unter einer gewissen Vor­aussetzung, und diese Voraussetzung muß man vor allen Dingen verstehen. Man sagte sich: In den Tiefen der menschlichen Seele ruht ein anderer, ein göttlicher Mensch. Aus denselben Quellen, aus denen heraus wir das Gestein sich zum Kristall formen sehen, aus denen die Pflanzen im Frühling herausdringen, aus denselben Quellen ist auch der verborgene, der innere Mensch entstanden. Nur daß die Pflanze alles, was sie in sich hat, auch wirklich in sich verwertet, wälirend der Mensch, wie er sich selbst begreift und mit seinen eigenen Kräften arbeitet, ein unvollendetes Wesen geblieben ist, und das, was in ihm ist, erst mit vieler Mühe emporgestiegen ist. An einen geistigen, göttlich inneren Menschen appellierte man in den Mysterien, und mit dem Hinweis auf diesen inneren göttlichen Menschen wies man auch hin auf die Kräfte innerhalb der Erde. Denn die Erde wurde im Sinne der Mysterien-Anschauung nicht nur als lebloser Welten-körper aufgefaßt, wie es die heutige Astronomie tut, sondern als ein

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geistiges planetarisches Wesen wurde die Erde angesehen. In Agypten wies man hin auf die merkwürdigen Geistes- und Naturkräfte, die man mit dem Namen Isis und Osiris bezeichnete, wenn man die Ursprünge und Quellen dessen betrachten woUte, was im innern Menschen eine Offenbarung erleben kann. Und in Griechenland wies man hin auf den Namen Dionysos, wenn man hinweisen wollte auf den Ursprung, aus dem der innere Mensch entstanden ist. Deshalb erzählten die Profanschriftsteller, daß gesucht wurde die Natur und Wesenheit der Dinge, und man nannte das, was gefunden wurde an Kräften der Menschennatur in den griechischen Mysterien, auch wohl das unterirdische Teil des Menschen, nicht das überirdische. Auch sprach man von der Natur der großen Dämonen und stellte sich darunter alles dasjenige vor, was auf die Erde wirkt an geistigen Kräften. Die Natur dieser Dämonen wurde gesucht durch das, was der Mensch aus sich hervorbringen sollte. Dann sollte der Mensch durchmachen an Gefühlen und Empfindungen alles, was er im Laufe der Entwickelung durchmachen kann. Er sollte erleben, was es heißt, in die Tiefe der eigenea Seele heruntersteigen, sollte erleben, wie ein Grundgefühl alle Seelenwesenheit beherrscht - so beherrscht, daß man sich im gewöhnlichen Leben gar keinen Begriff davon macht -das Gefühl des tiefen Egoismus, der fast unbezwinglichen Selbstsucht im Innern des Menschen. Der Mysterienschüler sollte durch Bekämp­fen und Besiegen alles dessen, was man Selbstsucht, Egoismus nennen kann, etwas durchmachen, wofür wir heute nur ein abstraktes Wort haben: das Gefühl umfassender Liebe, des Mitleides für alle Men­schen und alle Wesenheiten. Mitleid, soweit die Menschenseele des Mitleides nur fähig ist, sollte an die Stelle der Selbstsucht treten. Und man war sich klar: Wenn man dieses Mitleid, das zunächst in der Ge­fühlswelt zu den verborgenen Kräften gehört, heraufholt, so reißt es

- wie die Meereswelle Gegenstände aus der Tiefe mitreißen kann -aus der Tiefe der Seele die göttlichen Kräfte, die da schlummern, herauf. Und weiter sagte man sich: Wenn der Mensch durch die gewöhnliche Erkenntnis hinausblickt in die Welt, so wird er bald gewahr, wie ohnmächtig dieser Mensch gegenüber der Welt ist; je weiter er seine Begriffe und Ideen erstrecken will, um so ohnmächtiger

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sieht er sich - und er kann schließlich verzweifeln an dem, was man ,Erkenntnis' nennen kann. Dann aber muß ihn in seiner Seele etwas überkommen wie das Gefühl einer Leere, und die Emp­findung, wie wenn er den lebendigen Boden unter den Füßen ver­liert, wenn er die Welt mit seinen Ideen umspannen will. Bei dem Gefühl der Leere aber empfindet man Furcht und Angst. Deshalb sollte der griechische Mysterienschüler vor allen Dingen die Furcht vor allem, was unbekannt ist in der Welt, auf seine Seele abladen; so daß das Gefühl der Furcht, wenn er jenes Mitleid entwickelt, die göttlichen Kräfte aus seiner Seele heraufholt, und er dadurch lernt umzuwandeln die Furcht zur Ehrfurcht. Man war sich klar, daß dann diese Ehrfurcht, diese höchste Scheu und ehrfürchtige Hingabe an alle Welterscheinungen eindringt in alle Substanzen und Begriffe; und was die gewöhnliche Erkenntnis nicht erfassen kann, das können die tieferen, durch die Umwandlung der Furcht zur Ehrfurcht ent­wickelten Kräfte umspannen.

So konnte der Mensch in den griechischen Mysterien aus der Tiefe seiner Seele dasjenige hervorholen, von dem er sehr gut wußte, daß es auf dem Grunde seiner Seele ruhte: den göttlichen Menschen. Aus dem Innern des Menschen heraus arbeiteten die griechischen wie auch die Isis- und Osiris-Mysterien und suchten dadurch den Menschen hinzuführen zur geistigen Welt. Es war ein lebendiges Ergreifen des­sen, was der ,Gott im Menschen' ist, ein wirkliches Bekanntwerden des Menschen mit dem Gotte. Und die Unsterblichkeit galt nicht bloß als eine abstrakte Lehre und Philosophie, sondern als eine Erfahrung, die so sicher stand, wie die Erfahrungen der äußeren Farben, und als etwas so Sicheres erlebt wurde, wie man das Ver­bundensein mit den äußeren Dingen erlebte.

Aber nicht minder sicher wurde das auch erlebt in den persischen oder Mithra-Mysterien. Während der Mensch in den griechischen und ägyptischen Mysterien hingeführt wurde zu dem Gotte durch Entfes­selung seiner Seelenkräfte, wurde er in den Mithra-Mysterien der Welt selbst gegenübergestellt. So daß die Welt nicht nur wirkte durch die große, gewaltige Natur, die der Mensch gewöhnlich nur übersieht, wenn er in die Welt des Gewöhnlichen hinausschaut, sondern die

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Schüler der Mithra-Mysterien schauten in der intimsten Natur gerade das, wodurch die menschliche Erkenntnis nicht berührt wird: die schauerlithsten und die grandiosesten Kräfte im Naturdasein wurden aus den Weltenräumen durch Methoden, die man damals entwickeln konnte, dem Schüler vorgeführt. Und wie der griechische Mysterien-schüler Bekanntschaft machte mit dem Gefühl der Ehrfurcht vor der großen Welt, so wurde der Mithra-Schüler zuerst bekannt gemacht mit den schauerlichen und grandiosen Kräften im Naturdasein, so daß er sich unendlich klein fühlte gegenüber der großen Natur, daß er dastand, und dieWelt in ihrerHerrlichkeit undMajestät einen solchen Eindruck auf ihn machte, daß er, infolge seiner Entfernung von den Urquellen des Daseins, erwarten mußte: Ich stehe hier - und die Welt in ihrer Ausdehnung kann mich jeden Augenblick ver­nichten!

Diese Gedanken wurden abgeladen auf die Seele des Schülers. In­dem man in einer umfassenden Astronomie und in einer umfassenden Wissenschaft von den äußeren Dingen so auf die Größe der Welt­erscheinungen hinwies, kam der erste Impuls. Und das, was der Mensch weiterentwickelte in den Mithra-Mysterien, war dann mehr eine Folge der Wahrhaftigkeit, wenn die Natur mit allen ihren Ein­zelheiten - was Wissenschaftlichkeit im alten Sinne war - auf die Seele wirkte. Wie die griechischen Mysterienschüler furchtlos wurden durch Entfesselung der Seelenkräfte, so wurden die Schüler der Mithra-Mysterien dazu gebracht, daß sie in die Seele sogen die Größe der Weltgedanken; dadurch machten sie die Seele stark und mutig, und ein Bewußtsein bekamen sie von Menschenwert und Men­schenwürde, aber auch von Wahrheitssinn und Treue, und lernten erkennen, daß sich der Mensch immer im Dasein im Zaume halten muß. Das waren die Errungenschaften, die insbesondere aus den Mithra-Mysterien hervorgingen. Während wir die griechischen und ägyptischen Mysterien in den Ländern verbreitet finden, die schon durch den Namen angedeutet sind, sehen wir die Mithra-Mysterien von den Gegenden Persiens herauf am Kaspi-See, an der Donau ent­lang bis in unsere Gegenden hin sich ausbreiten, ja bis nach Süd­frankreich, Spanien und England hin: Europa überall übersät von den

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Mithra-Mysterien!. Und überall waren sich die Mithra-Schüler klar:

Wenn wir die Welt kennenlernen, strömt aus der großen Welt etwas in uns ein, wie die Luft aus dem Luftkreis in uns einströmt; Mithra, den Gott, nehmen wir auf, den Gott, der die Welt durthflutet! Von dem Gotte, der in allen Welten lebt, fühlte sich der Mithra-Schüler durchdrungen. Und weil dadurch die Tatkraft, der Mut aufgestachelt ward, waren insbesondere die Krieger, die Soldaten im römischen Heere durchdrungen von dem Mithra-Dienst. Heerführer sowohl wie auch Soldaten waren eingeweiht in die Mithra-Mysterien, wie sie sich ausdehnten über die damals bekannte Welt.

So suchte man den Gott auf der einen Seite durch die Entfesselung der eigenen Seelenkräfte und war sich dabei klar, daß dadurch etwas heraufströmte aus der Tiefe der Seele; man war sich aber auf der anderen Seite auch klar, daß etwas einströmt in die Seele als der Extrakt, als der beste Saft, der die Welt durchströmt, wenn der Mensch den Gott sucht, indem er sich den großen Weltenvorgängen hingibt. Man war sich klar, daß das, was man da fand, die Urkräfte der Welt sind, daß gleichsam der Gott hereinkam in die menschlichen Wohnungen, hereinkam in die menschlichen Seelen durch diese Myste-rien-Entwickelung. Einen realen Prozeß sah man in der Mysterien-Entwickelung. Jede Seele war ein Tor für das Hereindringen der Gottheit in die menschliche Erdenentwickelung. - Aber betrachten wir den Sinn des Ganzen, wie er uns heute vor Augen getreten ist:

Einzelne wenige waren es, die eine solche Entwickelung durchmachen konnten, und eine besondere Vorbereitung war dazu notwendig. Was wurde denen, die eine solche Vorbereitung durchmachten, gegeben? Die Erkenntnis wurde ihnen gegeben, daß das, was in der Natur draußen wie auch in der menschlichen eigenen Natur verborgen ist, als göttlicher Weihestrom durch die Welt strömt. Deshalb nannte man die Mystenen-Entwickelung auch die Einweihung. Aber wir konnten darauf aufmerksam machen, daß die Entwickelung der Menschheit sich änderte, und daß die ganze Einweihung eine andere werden mußte. Durch was wurde diese Anderung notwendig?

Hier kommen wir auf das, was wir nennen müssen: die mystische Tatsache des Christus-Ereignisses. Und ein tiefes Eingehen auf die

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Geschichte zeigt, daß ein mehr oder weniger dumpfes Bewußtsein dieser Tatsache vorhanden war bei den alten, den ersten Christen:

daß dasselbe, was sonst nur durch die Hingabe an die Mysterien, an den göttlichen Weltengrund einströmte in die menschliche Seele, daß, was als der Mithra aus der Welt einströmte oder als der Dionysos aus der Tiefe der Seele heraufströmte, sich als Vorgang einer einheit­lichen Weltengottheit in einer Tatsache auch innerhalb unserer Erden-entwickelung abspielte. Was sonst gesucht wurde in den Mysterien, was nicht gefunden werden konnte, ohne daß sich der Mensch in den Mysterien dem äußeren Leben entfremdete, das wurde von der die Welt durchdringenden Gottheit in einem bestimmten Zeitpunkt der Erde so einverleibt, daß keine menschliche Anstrengung Vorausset­zung war, sondern daß sich die Gottheit einmal ergoß in das Erden-dasein. Und dieses Sich-Ergießen der Gottheit in das Erdendasein bewirkte, daß - auch als die Menschen die Möglichkeit des Vor­dringens in den göttlithen Weltengrund verloren hatten, sie in anderer Art sich diesem göttlichen Weltengrund nähern konnten. Und der Gott, der jetzt - nicht auf die Art des Mithra und auch nicht auf die Art des Dionysos - in die menschliche Seele eindringen konnte, der ein Zusammenfluß des Mithra und des Dionysos war, und der zugleich tief verwandt mit der menschlichen Natur ist, das ist der Gott, der mit dem Christus-Namen umspannt wird. Mithra und Dionysos zugleich war das Wesen, das mit dem Ereignis von Palästina in die Menschheit eindrang, und ein Zusammenfiuß von Mithra- und Dionysos-Kult war das Christentum! Und das hebräische Volk war dazu ausersehen, den dazu notwendigen Körper herzugeben, damit dieses Ereignis geschehen konnte. Dieses Volk hatte sowohl den Mi­thra- wie auch den Dionysos-Dienst kennengelernt, stand aber beiden Kulten fern. Denn der Angehörige des hebräischen Volkes empfand nicht wie der Grieche, der da sagte: wie ich da stehe, bin ich ein schwacher Mensch, der tiefere Kräfte entwickeln muß, wenn er ein­dringen will in die Tiefe seiner eigenen Seele. Er empfand auch nicht wie der Mithra-Mensch, der sich sagte: ich muß auf mich wirken lassen den ganzen Umkreis der Luft, damit sich die tiefsten göttlichen Eigenschaften der Welt mit mir vereinigen! Sondern der Hebräer sagte

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sich: Was die tiefere menschliche Natur ausmacht, was in derselben verborgen ist, das war einst da beim Urmenschen. Diesen Urmenschen nannte das althebräische Volk den Adam. In diesem Adam war nach althebräischer Anschauung ursprünglich vorhanden, was der Mensch suchen kann, damit es ihn mit der Gottheit verbindet. Aber im Laufe der Entwickelung, als durch Generationen und aber Generationen die Menschheit sich weiterentwickelte, haben sich die Menschen durch die Erbfol~e des Blutes immer weiter entfernt von den Quellen des Da­seins. Daß der Mensch dadurch anders geworden ist, daß er nicht so geblieben ist, wie er war, entlassen aus der Sphäre der Göttlichkeit, das nannte das althebräischeVolk das Behaftetsein mit der ,Erbsünde'. Der An~ehöri~e des althebräischen Volkes empfand sich also selbst als tieferstehend als der Urmensch Adam, und die Ursache dafür suchte er in der Erbsünde. Das ist es, wodurch der Mensch weniger ist als das, was in den Tiefen der Menschennatur lebt. Und wenn er sich mit den tieferen Kräften der Menschennatur vereinigen kann, so ist er dadurch verbunden mit den Kräften, durch die er wieder her-aufgezogen wird. So empfand also der Angehörige des althebräischen Volkes, daß er früher höher stand und durch die Eigenschaften, die an das Blut gebunden sind, etwas verloren hatte und deshalb jetzt tiefer stand.

Damit stand der Bekenner des hebräischen Altertums auf einem hlstorischen Standpunkte. Was der Bekenner der Mithra-Mysterien in der einen ganzen Menschheit sah, das sah der Bekenner des hebräi­schen Altertums in seinem ganzen Volke, von dem er sich bewußt war: Es hat verloren den Ursprung, von dem es ausgegangen ist. Während also bei den Persern eine Art Schulung des Bewußtseins vorhanden war, finden wir bei dem althebräischen Volke das Bewußt­sein einer ~eschichtlichen Entwickelung: Adam war ursprünglich in Sünde ~efallen, war heruntergestiegen aus den Höhen, auf denen er gestanden hatte. Deshalb war dieses Volk auch am besten vorbereitet für den Gedanken: Was im Ausgangspunkt der Menschheitsentwicke­lung geschehen ist und eine Verschlechterung der Menschheit herbei-geführt hat, das kann auch nur durch ein historisches Ereignis - was wirklich geschieht, geschieht in den geistigen Untergründen des Erdendaseins!

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- wieder aufgehoben werden. So war der Bekenner des hebräischen Altertums, wenn er recht den Sinn der Weltentwickelung verstand, dazu vorbereitet, sich zu sagen: Der Gott - sowohl der Mithra-Gott wie auch der Gott, der hervorgeholt wird aus den Tiefen der Menschenseele - kann heruntersteigen, ohne daß der Mensch eine Mysterien-Entwickelung durchmacht.

So sehen wir, wie innerhalb des althebräischen Volkes das Bewußt­sein der Tatsache entstand - zuerst bei Johannes dem Täufer -, daß dasselbe, was die Mysterien als Dionysos und als Mithra über­liefert haben, gleichzeitig geboren wird in einem Menschen. Und die­jenigen, welche nun wieder in einem tieferen Sinne dieses Ereignis auffaßten, sagten sich: Ebenso, wie durch Adam der Herunterstieg des Menschen in die Welt gekommen ist, wie die Menschen abstam­men von einem Vorfahren, der ihnen all die tieferen Kräfte vererbt hat, die in Sünde und Irrtum führen, so muß durch Einen, der aus den geistigen Welten heruntersteigt als Vereinigung von Mithra und Dionysos, der Ausgangspunkt geschaffen werden, zu dem die Men­schen hinblicken können, wenn sie sich wieder erheben sollen! Wäh­rend also die Mysterien - durch Entfesselung der tieferen Seelen-kräfte oder durch den Hinblick zu dem Kosmos - die menschliche Natur entwickelten, sahen nun die Menschen des hebräischen Volkes in dem Gott, der herabgestiegen war - Jetzt auf den historischen Plan als historische Wesenheit herabgestiegen war -, das, wozu die Seele hinblicken muß, zu dem die Seele die tiefste Liebe entwickeln muß, an das sie glauben muß, und was die Seele, wenn sie hinblickt auf dieses große Vorbild, wieder zurückführen kann zu dem, wovon sie ausgegangen ist.

Der tiefste Kenner dieses Christianismus wurde Paulus, indem er erkannte, daß durch den Christus-Impuls der Mensch, wie er auf Adam als auf seinen leiblichen Ursprung hinweist, auf den Christus als auf sein großes Vorbild hinweisen kann, durch dessen Anblick das erreicht werden kann, was in den Mysterien angestrebt wurde und was geboren werden muß, wenn der Mensch seine ursprüngliche Natur erkennen will. Was in den Mysterien in die Tiefen der Tempel eingeschlossen war, und was der Mensch nur nach asketischen Anstrengungen

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erreichen konnte, das wurde hingestellt - nicht durch die äußeren Dokumente, sondern auch für den, der die geistigen Ur­gründe übersieht und das erkennen kann, was nicht nur als eine äußere, sondern als eine mystische Tatsache geschehen ist: daß die Gottheit, welche die Welt durchsetzt, erschienen ist in einer Einzel­gestalt! So mußte man es sich denken. Was die Schüler der Mithra­Mysterien erlangten durch den Anblick des größten Vorbildes, das sollte jetzt erreicht werden durch den Christus. Mut, Selbstbeherr­schung, Tatkraft erlangten die Mithra-Schüler - das sollten fortan diejenigen erlangen, die jetzt nicht mehr im Sinne der alten Mithra­Mysterien eingeweiht werden konnten; durch den Anblick und das Vorbild des historischen Christus sollte sich jetzt auf die Seele ab­laden, was zu diesem Mute führt.

Wie in den Mithra-Mysterien das ganze Weltall in einer gewissen Weise in der Seele des Schülers geboren wurde und die Seele mutvoll durchglühte mit all den inneren Kräften der Tatkraft, so hat sich herabgegossen bei der Johannes-Taufe etwas, wovon die menschliche Natur Träger werden kann. Und wenn man sich mit dem Gedanken durchdringt, daß die Menschennatur fähig ist, die tiefste Gesetz­mäßigkeit des Weltenalls aufzunehmen, dann hat man im Anblick der Johannes-Taufe begriffen: In der menschlichen Natur kann der Mithra geboren werden! Aber nun war es so, daß die Mysterien-schüler, welche den Ursinn des Christentums verstanden, zugaben: Es ist das Ende der alten Mysterien gekommen. Der Gott, der sonst in die heiligen Mysterien hineingeflossen ist, für den die einzelnen Seelen der Mysterienschüler die Tore gebildet haben, der ist ein für allemal in das Erdendasein eingeflossen durch die Persönlichkeit, die am Aus­gangspunkt unserer Zeitrechnung steht! Das ist auch der Sinn der Auffassung des Paulus, daß diese Wesenheit jetzt nicht mehr in dem alten Sinne als Mithra zu erreichen ist. Der Gott ist verschwunden in dem alten Sinne und lebte in der Natur des einen Menschen. Durch ein Naturereignis ist er herabgestiegen. So mußten die, welche den Aufgang des Christentums verstanden, zu gleicher Zeit zugeben das Ende des Mithra-Dienstes, das Verschwinden der äußeren Gottheit der Mithra-Mysterien in der menschlichen Natur drinnen.

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Und wie steht es mit den griechischen, mit den Dionysos-Mysterien?

Indem der mensdilidie Blick hingelenkt wurde auf den Jesus von Nazareth, in weithem der Mithra lebte, und der dann durth den Tod gegangen ist, wurde darauf hingewiesen, daß jener Mithra - der, wenn die Seelen sich mit ihm verbanden, Mut, Tatkraft, Selbstbeherr­schung diesen Seelen gab - mit dem Tode des Jesus von Nazareth selber gestorben ist ! Den Tod des Mithra mußte man als eine Defi­nition sehen in dem, was man als den Tod des Jesus, des Christus sieht. Aber nun wurde der Blick hingelenkt auf die andere Tatsache:

Indem der Gott Mithra verschwunden ist in dem Jesus von Nazareth, und gerade dadurch, daß er verschwunden ist, ist auch das, was der Mensch im tiefsten Innern der Natur findet, was er früher durch die Dionysos-Mysterien erreicht hatte, in dem einen Jesus von Nazareth unsterblicher Sieger geworden über den Tod! Das ist der Sinn der Auferstehung im wirklichen christlichen Sinne, wenn wir ihn geistes-wissenschaftlich fassen. Durch den Hinblick auf die Johannes-Taufe im Jordan war Klarheit darüber, daß der alte Mithra in den Men­schen eingezogen war ein für allemal. Und dadurch, daß diese mensch­liche Natur den Sieg erfocht über den Tod, hatte sie ein Nachbild geschaffen, mit dem sich in tiefster Liebe die Seele verbinden konnte, um zu dem zu kommen, was in den Tiefen der Seele wirklich lebt, was die Griechen in Dionysos suchten. In dem auferstandenen Christus sollte die Tatsache gesehen werden, daß der Mensch, wenn er nachlebt dem einmaligen historischen Ereignis, über die gewöhnliche Menschheit hinauskommt.

So wurde in den Mittelpunkt der Weltgeschichte ein historisches Ereignis gestellt an die Stelle dessen, was sonst unzählige Male in den Mysterien gesucht wurde. Daß die menschliche Natur eine andere ge­worden war, das war die große Überraschung des Paulus, und das verbirgt sich innerhalb dessen, was man nennt das Ereignis von Damaskus. Was hat Paulus, wenn wir auf die Worte des Apostels selber sehen, vor Damaskus erfahren? Nicht durch äußere Ereignisse, nicht durch äußere Dokumente, sondern durch ein rein geistiges, ein hellseheristhes Erlebnis hatte er erfahren, daß der Zeitpunkt schon dagewesen war, wo das, was früher nur innerhalb der Mysterienschülerschaft

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als die göttliche Natur des Menschen in dem Menschen zum Vorschein gekommen war, sich in einem historischen Menschen verkörpert hatte! Daß der Christus in einem wirklichen Menschen da war, das konnte er nimmermehr durch eine äußere Tatsache erleben. Was er in Palästina erfahren konnte, das machte keinen Eindruck auf ihn; das konnte ihn nicht davon überzeugen, daß in dem Jesus von Nazareth der Christus, der Zusammenfluß von Mithra und Diony­sos, gelebt hatte. Als sich ihm aber vor Damaskus der geistige Blick öffnete, da wurde ihm klar, daß ein Gott, der mit dem Christus-Namen bezeichnet werden konnte, nicht nur als ein übersinnlicher durch die Welt wirkt, sondern daß dieser Gott in einem Menschen einmal da war und Sieger geworden ist über den Tod. Daher predigt er, daß Geschichte, fließende Geschichte auf der Erde gefunden wor­den ist für das, was früher nur fließende Substanz für die Einge­weihten war. Das liegt den Worten des Paulus zugrunde: «Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich».

So war der Weg, auf dem Paulus - auf dem Umwege durch den Christus - zu dem Jesus gekommen ist, weil er sich klar war, daß sich in Palästina etwas ereignet hatte, was früher nur in den Myste­rien erlebt werden konnte. Und im Grunde genommen ist es heute immer noch so; es ist nicht anders geworden. Weil der Christus der Mittelpunkt ist aller Menschheitsentwickelun~ und das höchste Vor­bild für die intimsten Kräfte der Seele, deshalb muß das Band, das für den Christus hergestellt wird, auch das intimste sein. Und wie verlangt wird, daß der Mensch sein eigenes Leben gering schätzen muß, um Schuler des Christus zu sein, so muß uns auch heute gering erscheinen, daß wir alle Dokumente und historische Urkunden ver­lassen müssen, um zu dem Christus zu kommen. Man müßte dankbar sein dafür, daß es keine Dokumente gibt, wodurch festgestellt werden kann, daß es einen hlstorischen Christus Jesus gegeben hat; denn nimmermehr könnte durch Dokumente festgestellt werden, daß der Christus das Bedeutsamste ist, was in die Menschheit eingeflossen ist.

Da wird uns der Gedanke klar, wie verwandt der Christus mit den alten Mysterien ist. Wenn wir Umschau halten bei den alten Mysterien,

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so haben wir die Möglichkeit zu untersuchen, was dieMysterien­schüler tun mußten, um auf die eine oder andere Art zu dem Gotte zu kommen. Was sie erlebten, das war etwas, was man nennen kann intime Seelenvorgänge. Die Seele mußte gewisse Dinge erleben. So zum Beispiel mußte sie, wenn sie den ersten Schritt gemacht hatte, wenn sie sich in sich vertieft hatte, die inneren Gefühle und Empfin­dungen so erleben, daß sie lebhafter und intensiver wurden, als sie sonst im Menschen sind. Dadurch wurde dann der Mensch auch ge­wahr, wie er in einer niederen Natur steckt, die ihn daran hindert, zu den Quellen des Daseins zu kommen. Kurz: Dadurch wurde der Mensch erst gewahr, wie die niedere Natur ein Verlocker ist für den aufwärtsstrebenden Menschen, und daß dasjenige, was den Menschen von den Urgründen des Daseins herabgebracht hat, auch seine eigene niedere Natur geworden ist. Das war die Versuchung, die an jeden Mysterienschüler herantrat. In dem Augenblick, wo der Gott er­wachte, wurde der Schüler gewahr, was die niedere Begierdennatur im Menschen ist, was ihm wie eine fremde Wesenheit sagte: Folge nicht den windigen, luffigen Höhen der geistigen Welt, sondern folge den derben materiellen Dingen, die dir nahe liegen! Das mußte jeder durchmachen, daß ihm vor Augen trat, wie der gewöhnlichen An­schauung gegenüber unreal alles Geistige ist, und wie verlockend alles Sinnliche ist gegenüber dem geistigen Streben. Auf anderer Stufe tritt uns dann in der Mysterien-Entwickelung entgegen, wie der Schüler diese verlockenden Kräfte überwand, und wie er durch Entwickelung der gestärkten Kräfte - Mut, Furchtlosigkeit und so weiter - wieder eine Stufe höher kam. Das alles wurde in bestimmte Vorschriften für den Mysterienschüler gekleidet, und es kann in dem, was die äußeren Schriftsteller gaben, wieder nachgefühlt werden, wie auch in den Me­thoden der Einweihung, wie sie die Geisteswissenschaft geben kann und wie sie dargestellt sind in dem Buch «Geheimwissenschaft». So gab es verschiedene Methoden: andere für die griechischen Mysterien, andere für die Mithra-Mysterien. Zuletzt erlebte der Schüler die Ver­einigung mit dem, was der göttliche Mensch war. Aber die Methoden da-für waren verschieden, und man kann merken, daß in den verschieden­sten Gegenden die verschiedensten Einweihungsvorschriften bestanden.

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Das ist es nun, was ich weiter zeigen wollte in meiner Schrift «Das Christentum als mystischeTatsache», daß uns in denEvangelien nichts anderes entgegentritt als eine Erneuerung der alten Einweihungsvor-schriften, was die Jünger tun mußten, um zur Vereinigung mit der Gottheit zu kommen. Es hat sich das, was sich äußerlich abgespielt hat, ähnlich dem Gange in den Mysterien abgespielt. So mußte die göttliche Wesenheit, die in dem Jesus von Nazareth war, zum Beispiel erleben, nachdem die Mithra-Wesenheit hereingestiegen war, die Ver­suchung. Wie an den Mysterienschüler der Versucher im kleinen her­angetreten war, so finden wir den Versucher gegenübertreten dem Gotte, der Mensch wird. Was in den Mysterien wahr war, das finden wir wiedergegeben in den Evangelienschriften.

So sind die Evangelien eine Erneuerung der alten Einweihungs­schilderungen, der alten Einweihungsvorsthriften, und die Schreiber der Evangelien haben sich gesagt: Weil das, was sich sonst nur in den Tiefen der Mysterien zugetragen hat, sich einmal abgespielt hat auf dem großen Plan der Weltgeschichte, deshalb darf man es mit den­selben Worten beschreiben, wie die Einweihungsvorschriften abgefaßt sind. Darum sind aber die Evangelien nie gemeint als äußere Biogra­phien des Christus-Trägers. Das ist eben das Mißverständnis der mo­dernen Evangelienforschung, daß man eine solche äußere Biographie des Jesus von Nazareth darin suchen will. Zu der Zeit, als die Evan­gelien entstanden, hat man gar nicht daran gedacht, eine äußere Biographie des Jesus von Nazareth zu geben; man hat in den Evan­gelien etwas darstellen wollen, was die menschliche Seele dazu hin-leiten kann, wirklich die große Seele zu lieben als den Ursprung des Weltendaseins. Dazu waren die Evangelien da: Wege, Schriften zu sein, durch welche die Seele finden konnte den Christus. Und merk­würdigerweise: Wir finden fast bis zum Ende des achtzehnten Jahr­hunderts ein deutliches Bewußtsein dafür, daß die Evangelien zu solchen Wegen gehören. Bei einzelnen Schriften, die außerordentlich interessant sind, finden wir gesagt, daß die Evangelien, wenn der Mensch sie auf sich wirken läßt, die Seele umformen, so daß der Mensch den Christus finden kann. Tatsächlich erlebten die Menschen so etwas, indem sie die Evangelien auf sich wirken ließen und gar

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nicht die Frage aufwarfen: Sollen sie eine Biographie des Jesus von Nazareth sein? Meister Eckhart deutet das an, indem er sagt: «Et­liche Leuten wollen Gott mit den Augen ansehen, als sie eine Kuh ansehen, und wollen Gott liebhaben, als sie eine Kuh liebhaben. Also haben sie Gott lieb, um auswendigen Reichtum und um inwendigen Trost; aber diese Leute haben nicht Gott recht lieb... Einfältige Leute wähnen, sie sollen Gott ansehen, als stünde er dort und sie hier. So ist es nicht. Gott und ich sind eins im Erkennen.» Und er sagte an an­derer Stelle: «Ein Meister spricht: Gott ist Mensch geworden, davon ist erhöhet und gewürdigt das ganze menschliche Geschlecht. Dessen mögen wir uns freuen, daß Christus, unser Bruder, ist gefahren von eigener Kraft über alle Chöre der Engel und sitzet zur Rechten des Vaters. Dieser Meister hat wohlgesprochen; aber wahrlich, ich gebe nicht viel darum. Was hülfe es mir, hätt' ich einen Bruder, der da wäre ein reicher Mann, und ich wäre dabei ein armer Mann? Was hülfe es mir, hätte ich einen Bruder, der ein weiser Mann wäre, und ich wäre ein Tor? ... Der himmlische Vater gebiert seinen eingeborenen Sohn in sich und in mir. Warum in sich und in mir? Ich bin eins mit ihm; und er vermag sich nicht auszuschließen. In demselben Werke empfängt der heilige Geist sein Wesen und wird von mir, wie von Gott. Warum? Ich bin in Gott, und nimmt der heilige Geist sein Wesen nicht von mir, nimmt er es auch nicht von Gott. Ich bin auf keine Weise ausgeschlossen.»

Darauf kommt es an: daß der Mensch durch mystische Entwicke­lung, ohne äußere Mysterien, durch eine reine Seelenentwickelung in der weiteren Zeit das erleben kann, was in den alten Zeiten in den Mysterien erlebt worden ist. Das ist aber nur dadurch möglich, daß das Christus-Ereignis da war, daß der Christus in einem physischen Leibe da war. Und wenn es keine Evangelien gäbe, wenn keine Ur­kunden und Überlieferungen da wären: für den, der den Christus in sich selber erlebt, ist mit dem Durchdringen des inneren Christus -gleich wie für Paulus - zugleich die Gewißheit gegeben, daß zu Beginn unserer Zeitrechnung der Christus in einem physischen Leibe verkörpert war. So ist der Jesus einzig und allein zu finden durch den Christus ! Und es kann nie aus den Evangelien herausgeschält werden

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eine historische Biographie des Jesus von Nazareth; sondern der Mensch muß sich erheben durch richtige Entfaltung seiner Seelenkräfte zu dem Christus - und durch den Christus zu dem Jesus. Dann erst verstehen wir, was die Evangelien gewollt haben, und was verfehlt war in der ganzen Jesusforschung des neunzehnten Jahrhunderts. Man hat das Christus-Bild in den Hintergrund treten lassen, um rein äußerlich aus historischen Urkunden einen greifbaren Jesus darzustel­len. Man hat die Evangelien verkannt - und daher mußten sich die Methoden der Jesus-Forschung durch sich selber aufheben. So hat sich die Methode der Evangelien-Forschung zerbröckelt, und gerade die Methoden, die das historische Jesus-Bild herausschälen wollten, haben zu einer Vernichtung desselben geführt.

Damit ist zu gleicher Zeit die Bahn frei geworden für das, was die Geisteswissenschaft will. Sie will zeigen, was seit dem Eintreten des Christus in jedem Menschen an tieferen Kräften liegt, die der Mensch entwickeln kann. Dadurch erlangt dann der Mensch, nicht in der Tiefe von äußerlich veranstalteten Mysterien, sondern im stillen Kämmer-lein durch den Anblick dessen, was in Palastina geschehen ist, und durch die Hingabe an dieses Ereignis das, was die Mysterien-Schüler in den Mysterien erlangten, was die Anhänger des Mithra-Dienstes erlangten. Indem der Mensch den Christus in sich erlebt, erlebt er das, wodurch sein Mut und seine Tatkraft wächst, wodurch das Bewußt­sein seiner Menschenwürde wächst, daß er weiß, wie er sich im rich­tigen Sinne in die Menschheit hineinzustellen hat. Und er erlebt zu gleicher Zeit das, was dieAnhän~er der griechischenMysterien erleben konnten: die allgemeine Liebe. Denn was im Christentuin lebt als die allgemeine Liebe, umfaßt alle äußeren Wesenheiten. Und er erlebt zugleich die Furchtlosigkeit und weiß dadurch, daß er niemals Furcht zu haben braucht, nicht zu verzweifeln braucht vor der Welt, und erkennt - freiheitsvoll und zugleich in Demut - die Hingabe an die Geheimnisse des Weltalls.

Das ist es, was der Mensch erkennen kann, wenn er sich durchdringt mit dem, was an die Stelle der alten Mysterien getreten ist: dasChri­stentum als eine mystische Tatsache. Und rein durch eine erkenntnis-mäßige Ausgestaltung dieses Grundgedankens wird für jeden Kenner

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des Christus der historische Jesus zu einer Tatsache. - Man hat in der abendländischen Philosophie gesagt: Der Mensch könnte nie Farben sehen, wenn er nicht Augen hätte, könnte nicht Töne hören, wenn er keine Ohren hätte; finster und stumm wäre dann die Welt für den Menschen. Aber wie es wahr ist, daß ohne Augen keine Farben und ohne Ohren keine Töne wahrgenommen werden können, ebenso wahr ist auch der andere Satz: daß ohne das Licht kein Auge zu­stande gekommen wäre. Wie der Mensch ohne Augen keine licht-artigen Wahrnehmungen haben könnte, so ist auf der andern Seite richtig was Goethe sagt:

Wär' nicht das Auge sonnenhaft,

Die Sonne könnt' es nie erblicken,

oder wenn er an anderer Stelle sagt: Das Auge ist ein Geschöpf des Lichtes! - So ist der mystische Christus in uns - der Christus, von dem auch der Hellseher spricht, wie ihn Paulus gesehen hat durch hellseherische Kraft -, in dem Menschen nicht immer gewesen. Er war in den vorchristlichen Zeiten durch keine Mysterienentwickelung zu erreichen, wie er zu erreichen ist nach dem Mysterium von Gol­gatha. Daß es einen inneren Christus geben kann, daß geboren wer­den kann der höhere Mensch, dazu war notwendig ein historischer Christus, die Verkörperung des Christus in dem Jesus. Und wenn gar keine Dokumente irgendwie verbürgten eine Biographie des Jesus von Nazareth, so müßte man sich sagen: Wie ein Auge nur entstehen kann durch die Wirkung des Lichtes, so ist notwendig für einen mystischen Christus, daß der wirkliche, der historische Christus da war. Nicht durch äußere Dokumente ist die Jesus-Gestalt zu erkennen. Das hat man lange Zeiten in der abendländischen Entwickelung erkannt und wird es wieder erkennen. Die Geisteswissenschaft wird das, was sie aus ihren Kreisen ziehen kann, so gestalten, daß es zu einer wirk­lichen Erkenntnis des Christus - und damit auch des Jesus führen kann. Und während sich ergeben hat, daß eigentlich der Jesus der Welt entfremdet worden ist, daß die Methoden der Jesus-Forschung sich selbst aufgelöst haben, wird die Vertiefung in die Christus-Wesenheit

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senheit dazu fuhren, audi die Große des Jesus von Nazareth wieder zuerkennen.

Der Weg, der so geht, daß der Christus zuerst erkannt wird durdi mnere Seelenerlehnisse, führt durdi das, was aus der menschlichen Seele sich herausentwickelt, wirklich dazu, die mystische Tatsache des Christentums zu verstehen und das Werden der Menschheit so aufzu­fassen, daß in dasselbe das Christus-Ereignis hereinfallen muß als das bedeutsamste Ereignis der Menschheitsentwickelung. So führt uns der Weg durch den Christus zu dem Jesus. Und die Christus-Idee wird in sich selbst die fruchtbaren Keime tragen, um die Menschheit nicht bloß zu der Auffassung eines allgemeinen, pantheistischen Weltengeistes zu bringen, sondern dazu, daß der Mensch seine eigene Geschichte so auf­faßt: Wie er seine Erde verbunden fühlt mit allem Weltensein, so wird er seine Geschlchte verbunden fühlen mit einem übersinnlichen, übergeschichtlichen Ereignis. Und dieses Ereignis ist, daß das Christus-wesen als eine übersinnliche, mystische Tatsache im Mittelpunkte des Menschheitswerdens steht und erkannt werden wird von der Mensch­heit der Zukunif, unabhängig von aller äußeren historischen Forschung und allen Dokumenten. Der Christus wird der starke Eckstein der Menschheitsentwickelung bleiben, auch wenn zugegeben wird, daß alle Dokumente für eine Jesus-Biographie versagen; und der Mensch wird aus sich die Kräffe holen, seine Geschlchte - und damit auch die Geschichte der Weltentwickelung neu zu gebären.

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ERSTER VORTRAG Karlsruhe, 5. Oktober 1911

Diese Vorträge sollen dazu bestimmt sein, eine Vorstellung zu sdiaffen von dem Christus-Ereignis, insofern als es zusammenhängt mit seiner geschichtlichen Erscheinung: mit der Offenbarung des Chri­stus in der Persönlichkeit des Jesus von Nazareth. Mit dieser Frage sind so viele Fragen des geistigen Lebens verbunden, daß wir gerade dadurch, daß diesmal das Thema so gewählt worden ist, weite Aus-blicke werden machen können in das Gebiet der Geisteswissenschaft und in ihre Mission; und die Bedeutung gerade der anthroposoplii­schen Bewegung für das gegenwärtige Geistesleben werden wir an der Hand dieses Themas erörtern können. Auf der anderen Seite werden wir dabei Gelegenheit haben, das, was Inhalt der Religion ist und als solcher Inhalt für die menschliche Allgemeinheit bestimmt sein muß, erkennen zu lernen in seinem Verhältnis zu dem, was tiefere Quellen des geistigen Lebens, was die okkulten Quellen, die Quellen der Ge­heimwissenschaft uns zu sagen wissen über das, was allem religiösen und Weltanschauungs-Streben zugrunde liegen muß. Es wird manches von dem, was wir werden zu besprechen haben, scheinbar recht weit abliegen von dem Thema selbst; doch wird uns alles wieder hinführen zu unserer Hauptaufgabe.

Was eben angedeutet worden ist, kann aber gleich von Anfang an in einer genaueren Weise auseinandergesetzt werden, indem wir zum Verständnis unseres gegenwärtigen religiösen Lebens auf der einen Seite und der geisteswissenschaftlichen Vertiefung des gesamten See­lenlebens auf der anderen Seite, einen Blick werfen auf die Herkunft sowoM dieses religiösen wie auch des okkulten, geistigen Lebens in den letzten Jahrhunderten. Denn wir haben in den letzten Jalir­hunderten gerade der europäischen Geistesentwickelung zwei Rich­tungen, die in allerextremster Weise ausgebildet haben auf der einen Seite die Überspannung des Jesus-Prinzips und auf der anderen Seite jetzt nicht mehr die Überspannung, sondern die sorgfältigste, gewis­senhafteste Einhaltung des Christus-Prinzips. Wir haben, indem wir

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diese beiden Strömungen der letzten Jahrhunderte vor unsere Seelen hinstellen, in der Überspannung des Jesus-Prinzips eine große Ver­irrung, eine gefährliche Verirrung im Geistesleben der letzten Jahr­hunderte - und auf der anderen Seite eine tief bedeutsame, überall die rechten Wege suchende und Irrwege sorgfältig vermeidende Be­wegung. Also schon in bezug auf diese Beurteilung zweier voneinan­der ganz verschiedener Geistesbewegungen haben wir die eine zu den schweren Irrtümern, die andere zu den ernstlichsten Bestrebungen nach der Wahrheit zu zählen. Die eine Bewegung, die uns doch auch im Zusammenhang einer geisteswissenschaftlich christlichen Betrach­tung interessieren muß, und von der wir als einer in gewisser Weise außerordentlich gefährlichen Verirrung sprechen dürfen, ist die, welche im äußeren exoterischen Leben genannt wird der Jesuitismus, und wir haben im Jesuitismus gegeben eine gefährliche Überspannung des Jesus-Prinzips. Und in demjenigen, was seit Jahrhunderten innerhalb Europas als Rosenkreuzertum besteht, haben wir eine intime, überall sorgfältig die Wege der Wahrheit suchende Christus-Bewegung. Es ist viel im exoterischen Leben zu allen Zeiten, seit es eine jesuitische Strömung innerhalb Europas gibt, über den Jesuitismus gesprochen worden, und deshalb soll es schon auch denjenigen, der das Geistes­leben aus seinen tieferen Quellen studieren will, interessieren, inwie­fern der Jesuitismus eine gefährliche Überspannung des Jesus-Prin­zips bedeutet. Da müssen wir allerdings, wenn wir auf eine wahre Charakteristik des Jesuitismus eingehen wollen, uns von einer gewis­sen Seite her damit bekanntmachen, wie die drei Hauptprinzipien aller Weltentwickelung, die in der verschiedensten Weise in den ver­schiedenen Weltanschauungen angedeutet werden, sich praktisch in­nerhalb unseres Lebens auch schon exoterisch ausleben. Wir wollen heute zuerst einmal ganz absehen von der tieferen Bedeutung und der tieferen Charakterisierung der drei Grundströmungen alles Lebens und aller Entwickelung und wollen sie so, wie sie dem äußerlichen Blicke auffallen, einmal vor unsere Seele führen.

Da haben wir zunächst das eine, was wir nennen können: unser Seelenleben, insofern es ein Erkenntnisleben ist. Was auch der Mensch sonst sagen mag gegen das Abstrakte einer einseitigen Erkenntnis,

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eines einseitigen Wahrheitsstrebens, was er sagen mag gegen das Le­bensfremde mancher wissenschaftlichen, philosophischen, theosophi­schen Bestrebungen - der Mensch, der sich wahrhaft in seiner Seele klar wird über das, was er will und wollen kann, weiß doch, daß das, was man mit dem Worte Erkenntnis umspannen kann, zu den tiefst eingewurzelten Bestrebungen unseres Seelenlebens gehört. Denn ob wir Erkenntnis suchen durch das Denken oder mehr durch die Empfindung, durch das Fühlen - immer bedeutet Erkenntnis eine Orientierung über alles das, was uns in der Welt umgibt, und auch über uns selbst. So daß wir uns sagen müssen, ob wir nun zufrieden sein wollen mit den allereinfachsten Erlebnissen der Seele, oder ob wir uns einlassen wollen auf die kompliziertesten Auseinanderset­zungen über die Geheimnisse des Daseins: Erkenntnis bedeutet für uns doch zunächst die allerbedeutsamste Lebensfrage. Denn wir machen uns durch die Erkenntnis im Grunde genommen das Bild des Welteninhaltes, von dem wir doch leben, von dem all unser Seelen-wesen genährt ist. Schon den allerersten Sinneseindruck und über­haupt alles Sinnesleben müssen wir in das Gebiet der Erkenntnis rechnen und ebenso auch die höchsten Abstraktionen von Begriffen und Ideen. Zur Erkenntnis müssen wir aber auch rechnen, was uns in der Seele antreibt, sagen wir, schön und haßlich zu unterscheiden. Denn wenn es auch in einem gewissen Sinne richtig ist daß sich über den Geschmack nicht streiten laßt, so bedeutet es doch eine Erkennt nis, wenn man sich ein Geschmacksurteil angeeignet hat und entschei den kann über schon und haßlich Und auch unsere sittlichen Impulse, was uns dazu antreibt, das Gute zu tun und das Bose zu unterlassen müssen wir empfinden als sittliche Ideen, als Erkenntnis oder als ge fühlsmäßige Antriebe, das eine zu tun, das andere zu lassen. Ja, auch was wir unser Gewissen nennen, mag es noch so unbestimmte Impulse auslösen, es gehört auch zu dem, was mit dem Worte Erkenntnis zu umspannen ist. Kurz, was uns zunächst bewußt ist: die Welt, ob sie eine Welt der Maja oder der Wirklichkeit ist, die Welt, in der wir bewußt leben, alles, was uns bewußt ist, können wir mit dem Worte «Erkenntnisleben» im Geistigen umspannen.

Aber ein jeder Mensch wird auch zugeben müssen, daß gleichsam

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unter der Oberfläche dieses Geisteslebens, das wir mit der Erkenntnis umspannen, noch etwas anderes liegt; daß unser Seelenleben uns Mannigfaltiges schon für das alltägliche Dasein zeigt, was nicht zu unserem bewußten Leben gehört. Wir können da zunächst darauf hinweisen, wie wir unser Seelerileben des Morgens, wenn wir auf­wachen, gestärkt und erfrischt aus dem Schlafe immer neu gebären lassen, und wie wir uns sagen müssen, daß wir für unser Seelenleben im Schlafzustande, also im Unbewußten, etwas gewonnen haben, was nicht in das Gebiet unserer Erkenntnis, unseres Bewußtseinslebens fallen kann, wo unsere Seele vielmehr unter dem Plan des Bewußten arbeitet. Aber auch in bezug auf das wache Tagesleben müssen wir zugeben, daß uns Triebe, Instinkte, Kräfte treiben, die zwar ihre Wellen heraufwerfen in das Feld des Bewußten, die aber unter dem Bewußten arbeiten und ihr Wesen haben. Wir werden gewahr, daß sie unter dem Bewußten arbeiten, dann, wenn sie heraufkommen über die Oberfläche, durch die unser bewußtes Leben von dem unter­bewußten getrennt wird. Und im Grunde genommen zeigt uns auch das sittliche Leben das Dasein eines solchen unterbewußten Seelen­lebens, denn wir sehen in diesem sittlichen Leben in uns geboren werden diese oder jene Ideale. Man braucht nur ein wenig Selbst-erkenntnis zu haben, um sich zu sagen, daß solche Ideale woM in unserem Seelenleben aufsteigen, daß wir aber keineswegs immer wissen, wie unsere großen sittlichen Ideale nun zusammenhängen mit den allertiefsten Fragen des Daseins, sagen wir, wie sie im Willen Gottes, in dem sie ja doch schließlich wurzeln müssen, vorhanden sind. Es ist so, wie wenn wirklich unser gesamtes Seelenleben mit dem verglichen werden könnte, was in der Tiefe eines Meeres vorgeht. Diese Tiefen des Seelen-Meeres-Lebens werfen ihre Wellen herauf an die Oberfläche, und was in den Luftraum, mit dem wir das normal bewußte Seelenleben vergleichen können, heraufgeworfen wird, das wird dann zum Bewußtsein, zur Erkenntnis gebracht. Aber alles bewußte Leben wurzelt in einem unterbewußten Seelenleben.

Im Grunde genommen ist ja die ganze Entwickelung der Menschheit nur dann zu verstehen, wenn man ein solches unterbewußtes Seelen-leben zugibt. Denn was bedeuten alle Fortschritte des Geisteslebens

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anderes, als daß aus dem Unterbewußten des Seelenlebens herauf-geholt wird, was lange schon unter der Oberfläche lebt, aber erst dann, wenn es heraufgeholt wird, in die Gestalt eintritt. So zum Beispiel wenn eine erfinderische Idee in die Gestalt des Impulses einer Ent­deckung aufgeht. Unterbewußtes Seelenleben, das in uns ebenso ist wie das bewußte, muß man als ein zweites Element unseres Seelen­lebens zugeben.

Wenn wir dieses unterbewußte Seelenleben in einer gewissen Weise in das zunächst Unerkannte - nicht Unerkennbare - verlegen, müssen wir ihm noch ein Drittes gegenüberstellen. Dieses Dritte ergibt sich ohne weiteres auch fur eine außere, exoterische Beobach­tung, wenn man sich sagt: Richtet man den Blick der Sinne oder des Verstandes oder auch des sonstigen Geisteslebens nach außen, so lernt man Verschiedenes erkennen. Aber man wird bei einer genaueren Besinnung über alles Erkennen doch zugeben müssen, daß hinter dem, was man über die gesamte Welt erkennt, ein anderes verborgen liegt zwar nicht ein Unerkennbares, aber etwas, was man in jedem Zeit-abschnitt ein Noch-nicht-Erkanntes nennen muß. Und dieses Noch-nicht-Erkannte, das unter der Oberfläche des Erkannten liegt - wie im Mineralreich, wie im Pflanzen- und Tierreich -, das gehört sowohl der Natur draußen an, wie auch uns selbst. Es gehört uns selbst an, insofern wir in unsere physische Organisation die Stoffe und Kräfte der Außenwelt in uns aufnehmen und verarbeiten; und insofern wir darin ein Stück der Natur haben, haben wir darin auch ein Stück des Unbekannten der Natur. So müssen wir in der Welt in der wir leben, ein Dreifaches unterscheiden: unser bewußtes Geistes-leben, das heißt, das was eintritt in das Bewußtsein; dann das, was unter der Schwelle des Bewußtseins als unser unterbewußtes Seelen-leben liegt, und dasjenige, was als unerkanntes Naturleben und zu gleicher Zeit unerkanntes Menschenleben selber, als ein Stück der großen unerkannten Natur in uns lebt.

Diese Dreiheit ergibt sich unmittelbar aus einer sinnvollen Beob­achtung der Welt. Und wenn man absieht von allen dogmatischen Feststellungen, absieht von allen philosophischen oder theosophischen Überlieferungen, insofern diese sich jn Begriffsdefinitionen kleiden

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oder in Schemen ausgedrückt werden, wenn man sagt: Wie drückte es der Menschengeist immer aus, daß die eben charakterisierte Dreiheit nicht bloß in seiner Umgebung, sondern in aller Welt vorhanden ist, zu der er selbst gehört, dann muß man sagen: der Mensch drückte es aus, indem er das, was sich auf dem Horizont des Bewußten zu erkennen gibt, den Geist nannte; das aber, was im unterbewußten Seelenleben wirkt und nur seine Wellen heraufwirft aus diesem unterbewußten Seelenleben, als den Sohn oder den Logos bezeichnete. Und das, was sowohl der Natur, insofern sie zunächst unerkannt ist, und dem Stück unseres Eigenwesens, das mit der Natur gleichartig ist, angehört, das bezeichnete der Menschengeist immer, weil er fühlte, daß damit das Dritte gegenüber den zwei anderen gegeben ist, als das Vater-Prinzip. Neben dem, was jetzt gesagt ist mit dem Geist-, Sohn- und Vater-Prinzip, gelten auch selbstverständlich die anderen Unterscheidungen, die wir von jeher gemacht haben, und ebenso haben die Unterscheidungen, die in dieser oder jener Weltanschauung gemacht worden sind, ihre Berechtigung. Aber man könnte sagen, der populärste Begriff dieser Unterscheidung ergibt sich, wenn wir das vor uns hinstellen, was jetzt charakterisiert worden ist.

Nun fragen wir uns: Wie können wir am besten den Übergang charakterisieren zwischen dem, was dem Geiste angehört, also unmit­telbar in das bewußte Seelenleben hereinspielt, und dem unterbewuß­ten Seelenleben, das dem Sohnes-Prinzip angehört? Diesen Übergang können wir am besten ins Auge fassen, wenn wir uns klar sind, daß eben in das gewöhnliche Geistesleben des Menschen, in das Bewußt­sein, klar und deutlich aus dem Unterbewußtsein herauf diejenigen Elemente spielen, die wir gegenüber dem Vorstellungs- und Gefühls­elemente als die Willenselemente bezeichnen müssen. Man braucht dazu nur das biblische Wort in der richtigen Weise zu interpretieren:

«Der Geist ist willig», weil damit angedeutet ist, daß in das Geist-gebiet alles gehört, was mit Bewußtsein erfaßt wird, - «aber das Fleisch ist schwach», womit man alles dasjenige meint, was mehr im Unterbewußtsein liegt. In bezug auf die Natur des Willens braucht sich der Mensch nur auf das zu besinnen, was aus dem Unterbewuß­ten heraufspielt, und was nur dann in unser bewußtes Seelenleben

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hereinfällt, wenn wir uns - nach dem Heraufspielen der Wellen aus dem unteren Meere des Seelenlebens - darüber bewußte Begriffe bilden. Erst wenn wir das, was als dunkel treibende Seelenmächte in den Elementen des Seelenlebens wurzelt, zu Begriffen und Ideen um­wandeln, wird es zum Inhalt des Geistes; sonst bleibt es in dem Gebiet des Prinzips des Sohnes. Und indem der Wille durch das Gefühl in das Vorstellungsleben heraufspielt, sehen wir ganz deutlich vor uns das Aufschlagen der Wellen aus dem Meere des Unter-bewußten in das Bewußte. Daher können wir uns sagen: In der Dreiheit des Seelenlebens haben wir in den beiden Elementen Vor­stellung und Gefühl etwas, was dem bewußten Seelenleben angehört; aber das Gefühl steigt schon herunter in das Gebiet des Willens; und je weiter wir an die Willensimpulse, an das Willensleben herankom­men, desto mehr steigen wir in das Unterbewußte hinab, in jene dunklen Gebiete, in die wir vollends hinabsteigen, wenn das Bewußt­sein ganz erlischt im tiefen, traumlosen Schlafesleben.

Der Sprachgenius ist oftmals viel weiter als der bewußte mensch­liche Geist und bezeichnet daher Dinge in einer richtigen Art, die wahrscheinlich recht falsch bezeichnet werden würden, wenn der Mensch mit dem Bewußtsein die Sprache ganz meistern könnte. So werden zum Beispiel gewisse Gefühle in der Sprache so ausgedrückt, daß schon im Worte die Verwandtschaft des Gefühles mit dem Willen zum Ausdruck gebracht wird, so daß wir gar nicht einen Willens-impuls meinen, sondern nur einen Gefühisinhalt, und dennoch das Wort ,Wille' in der Sprache gebrauchen; eben weil der Sprachgerilus bei gewissen tieferliegenden Gefühlen, über die man sich nicht mehr genau Rechenschaft gibt, das Wort ,Wille' anwendet. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn wir von ,Widerwillen' sprechen. Üa braucht man gar nicht den Antrieb zu haben, dies oder jenes zu tun; es ist gar nicht nötig, daß der Übergang zum Willen gemacht werde. Es drückt sich dann die Verwandtschaft tieferliegender Gefühle, über die man sich nicht mehr Rechenschaft gibt, mit dem Gebiete des Willens in dem unterbewußten Seelenfrben aus. Weil dies so ist, daß das Willenselement in das Gebiet des unterbewußten Seelenlebens hin-absteigt, so müssen wir einsehen, daß dieses Willensgebiet in einem

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ganz anderen Verhältnisse zum Menschen und seiner individuellen persönlichen Wesenheit stehen muß, als das Erkenntnisgebiet, als das Gebiet des Geistes. Und wenn wir dann unsere unterscheidenden Worte vom Geiste und vom Sohn gebrauchen, dann können wir sagen:

Wir können die Ahnung in uns erwecken, daß der Mensch zum Geiste anders stehen muß als zum Sohn. Wie ist das zu verstehen?

Es ist leicht auch schon im exoterischen Leben zu verstehen. Gewiß, es wird über das Gebiet des Erkennens in der mannigfaltigsten Weise diskutiert, aber man muß doch sagen, daß, wenn sich die Menschen nur verständigen über die Begriffe und Ideen, die sie sich auf dem Gebiet der Erkenntnis formulieren, der Streit in bezug auf Erkenntnisfragen immer mehr und mehr aufhören wird. Es ist schon öfter von mir betont worden, daß wir über die Dinge der Mathe­matik nicht mehr streiten, weil wir sie ganz ins Bewußtsein herauf-gehoben haben, und daß wir bei denjenigen Dingen, über die wir uns streiten, diese noch nicht ins Bewußtsein heraufgehoben haben, sondern noch unsere unterbewußten Triebe, Instinkte und Leiden­schaften hereinspielen lassen. Damit ist schon angedeutet, daß mit dem Gebiet der Erkemtnis etwas mehr allgemein Menschliches ge­geben ist als mit dem Unterbewußten. Wenn wir einem anderen Menschen gegenübertreten, ihm in den verschiedensten Verhältnissen gegenüberstehen, so müssen wir sagen: das Gebiet des bewußten Geisteslebens ist etwas, worüber Verständigung zwischen Mensch und Mensch möglich sein muß. Und ein gesundes Seelenleben drückt sich darin aus, daß es die Sehnsucht, die Hoffnung hat, sich mit dem anderen über die Dinge des geistigen Lebens, des bewußten Seelen­lebens verständigen zu können. Es müßte Ungesundheit das Seelen-leben ergreifen, wenn einem die Hoffnung schwinden sollte, sich über die Dinge der Erkenntnis, des bewußten Geisteslebens mit dem an­deren verständigen zu können. Dagegen gibt sich das Willenselement und alles, was im Unterbewußten ist, als etwas zu erkennen, in das wir, wenn es uns bei der anderen Persönlichkeit entgegentritt, im Grunde genommen gar nicht hineingreifen sollen, sondern es als das innerste Heiligtum des anderen Menschen betrachten sollen. Man Fasse nur einmal ins Auge, wie unbehaglich einem gesunden Seelenleben

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das Gefühl ist, wenn der Wille des anderen niedergezwungen wird. Man mache sich klar, daß es doch nicht nur ein unästhetischer, sondern ein moralisch unbehaglicher Anblick ist, wenn bei einem anderen durch Hypnose oder auf andere gewaltsame Weise das be­wußte Seelenleben ausgeschaltet wird; wenn man durch den Willen der einen Persönlichkeit eine Wirkung auf den Willen der anderen direkt ausgeübt sieht. Das einzig Gesunde ist doch, allen Einfluß auf den Willen des anderen Menschen nur durch Erkenntnis hindurch zu bekommen. Erkenntnis soll etwas sein, wodurch sich die eine Seele mit der anderen verständigt. Was der eine will, soll sich zunächst in die Erkenntnis umsetzen, dann in die Erkenntnis des anderen hinein-wirken und erst auf dem Umwege der Erkenntnis den Willen des anderen berühren. Nur das kann im höchsten, idealsten Sinne im gesunden Seelenleben befriedigend erscheinen, und alle Art des ge­waltsamen Einwirkens von Wille auf Wille muß einen unbehaglichen Eindruck hervorrufen.

Mit anderen Worten: es strebt die Menschennatur, insofern sie gesund ist, dahin, auf dem Gebiete des Geistes das Gemeinschafts­leben zu entwickeln und das Gebiet des Unterbewußten, insofern es sich in der menschlichen Organisation ausdrückt, zu schätzen und zu achten als ein unantastbares Heiligtum, das in der Persönlichkeit, in der Individualität des einzelnen Menschen ruhen soll, und dem man sich nicht anders nähern soll als durch das Tor der bewußten Erkennt­nis. So wenigstens muß ein modernes, ein unserem Zeitalter ange­hörendes Bewußtsein empfinden, wenn es sich gesund weiß. Wir wer­den in den späteren Vorträgen noch sehen, ob es für alle Zeiten der Menschheitsentwickelung so der Fall war. Was aber jetzt gesagt wor­den ist, kann uns ein unmittelbares Besinnen über das, was außer uns, und das, was in uns ist, wenigstens für unsere Gegenwart klar er­kennen lassen. Das hängt damit zusammen, daß im Grunde genom­men das Gebiet des Sohnes - alles dessen, was wir mit dem Sohn oder Logos bezeichnen - in einem jeden einzelnen von uns als eine individuelle Angelegenheit, als eine ganz persönliche Angelegenheit erweckt werden muß; und daß das gemeinsame Gebiet, auf dem von Mensch zu Mensch gearbeitet werden kann, das Gebiet des Geistes ist.

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Wir sehen das, was eben jetzt gesagt worden ist, in der bedeut­samsten, grandiosesten Weise ausgedrückt in all den Erzähinngen, die uns das Neue Testament um die Gestalt des Christus Jesus und seiner ersten Jünger und Anhänger herum bietet. Wir sehen - das können wir durchaus aus alledem entnehmen, was wir über das Christus­Ereignis zeigen können - wie im Grunde genommen die Anhänger, die dem Christus Jesus zur Zeit seines Lebens zugeeilt waren, irre wurden, als er mit dem Kreuzestode endete; mit jenem Tode, den man in dem Lande, in welchem das Christus-Ereignis sich abspielte, ansah als die einzig mögliche Sühne für größte Verbrechen innerhalb des Menschenlebens. Und wenn auch nicht auf alle dieser Kreuzestod so wirkte wie auf Saulus, der dann der Paulus geworden ist - der als Saulus zunächst die Konsequenz gezogen hatte: der kann nicht der Messias oder der Christus sein, der eines solchen Todes stirbt! -wenn auch auf die anderen Jünger der Kreuzestod einen, man möchte sagen, milderen Eindruck gemacht hat: das eine ist doch mit Händen zu greifen, daß die Evangelienschreiber diesen Eindruck sogar her­vorrufen wollen, daß der Christus Jesus alle Wirkung, die er auf die Herzen seiner Umgebung gehabt hat, in einer gewissen Weise verloren hatte dadurch, daß er dem schmählichen Kreuzestode ver­fallen mußte.

Aber wir sehen mit dieser Nachricht verbunden etwas anderes: daß der Einfluß, den der Christus Jesus verloren hatte - was wir auch in diesen Vorträgen noch genauer charakterisieren müssen - nach der Auferstehung wieder zurückkehrte. Mögen wir heute noch über die Auferstehung denken, wie wir wollen; wir werden sie im Sinne der okkulten Wissenschaft in den nächsten Tagen zu besprechen haben, und dann wird eines klar sein, wenn wir bloß die Evangelienberichte auf uns wirken lassen: daß der Christus für diejenigen, von denen erzählt wird, daß er ihnen nach der Auferstehung erschienen ist, in einer ganz besonderen, einer ganz anderen Art noch ein Gegen­wärtiger geworden ist, als dies vorher der Fall war. Ich habe schon bei Besprechung des Johannes-Evangeliums angedeutet, wie es un­möglich wäre, daß nach drei Tagen eine Bekannte des Jesus von Nazareth diesen nicht wiedererkannt hätte, und ihn mit einer anderen

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Persönlichkeit hätte verwechseln können, wenn er nicht in einer verwandelten Gestalt erschienen wäre. Diesen Eindruck wollen die Evangelien durchaus hervorrufen, daß der Christus in einer anderen Gestalt erschienen ist. Aber auch das andere wollen die Evangelien andeuten: daß etwas notwendig war in dem Innern der Menschen­seelen, um den verwandelten Christus auf die Menschenseelen wirken zu lassen, nämlich eine gewisse Empfänglichkeit. Um auf diese Empfänglichkeit zu wirken, durfte nicht bloß dasjenige wirken, was etwa dem Gebiete des Geistes angehört; sondern es mußte wirken der unmittelbare Anblick des Daseins der Christus-Wesenheit. Wenn wir uns fragen, was dabei in Betracht kommt, so müssen wir sagen:

wenn ein Mensch uns gegenübersteht, so ist das, was auf uns wirkt, noch weit mehr, als was wir in unser Bewußtsein aufnehmen. Es wirken in jedem Augenblick, wenn ein Mensch oder eine andere Wesenheit auf uns wirkt, unterbewußte Elemente auf unser Seelen-leben; solche unterbewußte Elemente, welche die andere Wesenheit auf dem Umwege durch das Bewußtsein erzeugt, die sie aber nur dadurch erzeugen kann, daß sie als Wesenheit uns in ihrer Realität gegenübertritt. Was der Christus von Wesen zu Wesen zunächst ge­wirkt hat nach der sogenannten Auferstehung, das war etwas, was aus den unbewußten Seelenkräften der Jünger heraufwirkte in ihr

Seelenleben: eine Bekanntschaft mit dem Sohne. Daher auch der Unterschied in der Schilderung des auferstandenen Christus; daher auch das Verschiedene der Charakteristiken, wie der Christus auf den einen oder den anderen gewirkt hat, wie er diesem oder jenem er­schienen ist, je nachdem der eine oder der andere geartet war. Sie sind Wirkungen der Christus-Wesenheit auf das Unterbewußte seiner Jünger-Seelen; daher auch sind sie ein ganz Individuelles, und wir dürfen uns nicht daran stoßen, daß uns diese Erscheinungen nicht gleichförmig, sondern mannigfaltig geschildert werden.

Wenn aber das, was der Christus der Welt werden sollte, allen Menschen ein Gemeinsames bringen sollte, so mußte nicht nur diese individuelle Wirkung, diese Sohnes-Wirkung von dem Christus aus­gehen, sondern es mußte von dem Christus erneuert werden das Element des Geistes, was die Gemeinsamkeit im Menschenleben bilden

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kann. Das wird dadurch charakterisiert, daß der Christus, nach­dem er auf die Logos-Natur der Menschen gewirkt hat, den Geist in der Form des erneuerten oder ,heiligen' Geistes sendet. Damit wird das Gemeinsamkeits-Element geschaffen, was dadurch charakterisiert ist, daß gesagtwird: die Jünger fingen an, in den verschiedensten Sprachen zu reden, als sie den Geist empfangen hatten. Damit ist hingedeutet auf das Gemeinsame, das in der Ausgießung des heiligen Geistes liegt. Und noch durch ein anderes wird angedeutet, wie es verschieden ist von der bloßen Mitteilung der Sohnes-Kraft; denn es wird in der Apostelgeschichte erzählt, wie gewisse Leute, zu denen die Apostel gekommen sind, schon die Taufe nach Jesus hatten - und dennoch

- wie es in der Apostelgeschichte symbolisch angedeutet wird, indem auf das Händeauflegen hingewiesen wird - erst empfangen mußten den Geist. Daher müssen wir sagen: Es wird gerade bei der Charak­teristik des Christus-Ereignisses in scharfer Weise aufmerksam ge­macht auf den Unterschied zwischen jener Wirkung, die wir als die eigentliche Christus-Wirkung zu bezeichnen haben, die auf die unter­bewußten Seelenmomente einwirkt und deshalb einen persönlichen, innerlichen Charakter haben muß, und zwischen den Geist-Elemen­ten, die etwas Gemeinschaftliches darstellen.

Dieses Moment der christlichen Entwickelung haben in der sorg­fältigsten Weise, so gut es sich bei der menschlichen Schwachheit überhaupt durchführen läßt, diejenigen einhalten wollen, die sich auf den Namen der Rosenkreuzer getauft haben. Sorgfältig haben sie überall das einhalten wollen, daß selbst in den höchsten Regionen der Initiation auf nichts anderes gewirkt werden sollte als auf das, was bei Mensch und Mensch gemeinsam in der Menschheitsentwickelung zur Verfügung steht; daß nur eingewirkt werden durfte auf den Geist. Eine Geist-Initiation war die Initiation der Rosenkreuzer. Sie wurde daher niemals eine Willens-Initiation; denn der Wille des Menschen war etwas, was als ein Heiligtum im Innersten der Seele geachtet wurde. Der Mensch wurde daher zu jenen Initiationen hin-aufgeführt, die ihn führen sollten über die Stufe der Imagination, Inspiration und Intuition - aber nur so weit, daß er in seinem Innern erkennen sollte dasjenige, was durch die Entwickelung des

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Geist-Elementes hervorgerufen werden sollte. Nicht eine Einwirkung auf das Willenselement sollte geschehen. Verwechseln wir das nicht mit einem Gleichgültigsein gegenüber dem Willen. Es handelte sich gerade darum, daß durch das Ausschließen der unmittelbaren Wir­kung auf den Willen die reinste geistige Wirkung mittelbar, auf dem Umwege durch den Geist, gegeben wurde. Indem wir uns mit dem anderen Menschen verständigen über das Hineingehen in den Er­kenntnispfad des Geistes, wird aus dem Geistespfade heraus das Licht und die Wärme entsendet, die dann auch den Willen anfachen können; aber immer auf dem Umwege durch den Geist, niemals anders. Daher finden wir im eminentesten Sinne jenes Moment der christlichen Wesenheit im Rosenkreuzertum beobachtet, das ausge­drückt ist in einem Zweifachen: auf der einen Seite in dem Sohnes-Element, in der Christus-Wirkung, die tief ins menschliche Unter­bewußtsein hineingeht; und dann in der Geist-Wirkung, die sich auf alles erstreckt, was in den Horizont unseres Bewußtseins hereinfallen soll. Den Christus müssen wir allerdings in unserem Willen tragen; aber die Art, wie sich die Menschen im Leben über den Christus verständigen sollen, kann im Rosenkreuzersinne nur in der inimer weiter- und weitergehenden, in das Okkulte hineinbohrenden Art des bewußten Seelenlebens liegen.

Den entgegengesetzten Weg gingen durch eine Reaktion auf manche andere Geistesströmungen innerhalb Europas diejenigen, die gewöhn­lich mit dem Namen Jesuiten bezeichnet werden. Das ist der radikale, der Grundunterschied zwischen dem berechtigt christlich zu nennen-den Geistesweg und dem jesuitischen Geistesweg, der das Jesus-Prinzip einseitig überspannt: daß der jesuitische Weg überall auf den Willen direkt zu wirken beabsichtigt, überall den Willen direkt, unmittelbar ergreifen will. Das drückt sich schon bedeutsam aus in der Art und Weise, wie der Zögling des Jesuitismus herangebildet wird. Der Jesuitismus ist deshalb nicht leicht zu nehmen, nicht bloß exoterisch, sondern auch esoterisch, weil er im Esoterischen wurzelt. Aber er wurzelt nicht im Geistesleben, das ausgegossen ist durch das Symbol der Pfingstfeier, sondern er will unmittelbar wurzeln in dem Jesus-Element des Sohnes, das heißt in dem Willen; und dadurch

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überspannt er das Jesus-Element des Willens. Das wird sich ergeben, wenn wir auf das eingehen, was das Esoterische im Jesuitismus ge­nannt werden muß: auf die verschiedenen geistigen Übungen. Wie sind dieselben eingerichtet? Das ist ja das Bedeutsame, daß jeder einzelne Zögling des Jesuitismus Übungen durchmacht, die in das okkulte Leben, aber in den Willen hineinführen, und den Willen innerhalb des okkulten Feldes in eine strenge Zucht, man könnte sagen Dressur nehmen. Und das ist das Bedeutsame, daß diese Zucht des Willens nicht nur aus der Oberfläche des Lebens hervorquillt, sondern aus einem Tieferen, weil der Zögling in das Okkulte - aber eben in der angedeuteten Richtung - hineingeführt wird.

Wenn wir jetzt absehen von den Gebetsübungen, die vorbereitend sind für alle jesuitischen esoterischen Übungen, und auf diese okkul­ten Übungen, wenigstens in ihren Hauptsachen, selbst eingehen, so müssen wir sagen: Da hatte sich der Zögling zunächst eine lebendige Imagination hervorzurufen von dem Christus Jesus als dem Welten-könig - wohl gemerkt: eine Imagination! Und keiner wurde zu­gelassen zu den eigentlichen Graden des Jesuitismus, der nicht solche Übungen durchgemacht hatte und der nicht in seiner Seele erfahren hatte die Umwandlung, die solche Seelenübungen für den ganzen Menschen bedeuten. Aber diesen imaginativen Vorstellungen des Christus Jesus als Weltenkönig mußte noch etwas anderes vorher-gehen. Da hat sich der Mensch vorzustellen - und zwar in tiefer Einsamkeit und Abgeschlossenheit - das Bild des Menschen, wie er in die Welt hereingeschaffen ist und der Sünde verfällt und damit der Möglichkeit der furchtbarsten Strafen. Und streng wird vorgeschrie­ben, wie das Bild eines solchen Menschen, wenn er sich selbst über­lassen ist, den Qualen aller möglichen Strafen verfallen muß. Die Vorschriften sind außerordentlich streng; und ohne daß andere Be­griffe und Ideen in seine Seele einziehen, muß fortwährend in der Seele des kommenden Jesuiten das Bild des gottverlassenen, den furchtbarsten Strafen ausgesetzten Menschen leben, und das Gefühl:

Das bin ich, indem ich in die Welt hineingetreten bin und Gott ver­lassen habe und mich der Möglichkeit der furchtbarsten Strafen ausgesetzt habe! - Das muß hervorrufen Furcht vor dem Gottverlassensein,

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Abscheu vor dem Menschen, wie er seiner bloßen Natur nach ist. Dann soll in einer weiteren Imagination dem Bilde des verworfenen, gottverlassenen Menschen gegenübertreten das Bild des erbarmungsvollen Gottes, der dann zum Christus wird und durch seine Taten auf der Erde dasjenige suhnt, was der Mensch durch das Verlassen des gottlichen Pfades angerichtet hat Entgegentreten soll der Imagination des gottverlassenen Menschen all das Erbarmende das Liebende der Christus Jesus Wesenheit, der einzig und allein es zuzuschreiben ist, daß der Mensch nicht allen auf die Seele wirkende Strafmöglichkeiten ausgesetzt ist Und ebenso lebendig wie sich vorher das Gefühl der Verachtung gegenüber dem Vcrlassen des göttlichen Pfades in der Seele des Jesuitenzöglings festsetzen muß so muß jetzt in ihm Platz greifen das Gefühl der Demut und Zerknir­schung gegenüber dem Christus. Wenn diese zwei Empfindungs qualitäten in dem Zögling hervorgerufen sind, dann muß die Seele mehrere Wochen hindurch in strengen Exerzitien leben indem sie sich alle Einzelheiten der Bilder des Jesus lebens - von ,der Geburt bis zum Kreuzestode und bis zur Auferstehung - in der Imagination vormalt. Und alles das entsteht dann in der Seele, was entstehen kann, wenn der Zögling so, mit Ausnahme der notwendigen Essens­zeit, in strenger Abgeschlossenheit lebt und nichts auf die Seele wir ken läßt als die Bilder, die das Evangelium von dem erbarmenden Jesusleben schildert. Das aber wird nicht bloß in Gedanken und Begriffen vorgestellt, sondern muß in lebendigen, vollsaftigen Imagi­nationen auf die Seele wirken.

Nur der, der eben weiß, wie die menschliche Seele umgewandelt wird durch die Imaginationen, die in aller Lebendigkeit wirken der weiß auch, daß in der Tat unter solchen Bedingungen aus der S'eele etwas anderes gemacht wird. Und zwar wird durch solche Imagina tionen, weil sie in der intensivsten Weise ein sehig, erstens auf d -sündigen Menschen, zweitens auf den nur erbarmenden Gott und dann nur auf die Bilder des Neuen Testamentes sich erstrecken, durch das Gesetz der Polaritat gerade ein gestarkter Wille hervorgerufen So daß unmittelbar durch diese Bilder gewirkt wird; denn jedes Nachdenken und so weiter über diese Bilder muß pflichtgemäß ausgeschlossen

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sein. Da gibt es nur ein Sichvorhalten der Imaginationen, wie sie eben charakterisiert worden sind.

Was dann folgt, ist dies: In den weiteren Exerzitien wird der Christus Jesus - und jetzt kann man sagen, nicht mehr der Christus, sondern ausschließlich Jesus - als der Welten allgemeiner König vorgestellt, und damit wird das Jesus-Element überspannt. Der Jesus ist nur ein Element dieser Welt. Denn dadurch, daß der Christus in einem menschlichen Leibe inkarniert sein mußte, hat zwar das rein Geistige Anteil genommen an der physischen Welt, aber diesem Anteilnehmen an der physischen Welt stehen monumental und be­deutungsvoll die Worte gegenüber: «Mein Reich ist nicht von dieser Welt!» Man kann das Jesus-Element überspannen, indem man den Jesus zu einem König dieser Welt macht, indem man ilin zu dem macht, was er geworden wäre, wenn er dem Versucher nicht wider­standen hätte, der ihm geben wollte «alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeiten». Dann hätte der Jesus von Nazareth ein König werden müssen, der zum Unterschiede von den anderen Königen, die alle nur ein Stück der Erde besitzen, die ganze Erde zu seinem Wirkensbereich gehabt hätte. Man denke sich also diesen König so vorgestellt, die Königskraft so erhöht, daß die ganze Erde zu seinem Reiche gehört: dann hätte man ihn in der Tat in jenem Bilde vor­gestellt, das nun folgen muß auf die anderen Exerzitien, die schon den Willen der eigenen Persönlichkeit des Jesuitenzöglings genug gestärkt haben. Und um vorzubereiten dieses Bild des ,Königs Jesus', dieses Herrschers über alle Reiche der Erde, muß vorgestellt werden in einer Imagination: Babylon und die Ebene rings um Babylon, als lebendiges Bild, und thronend auf dem babylonischen Feld Luzifer, mit der Fahne des Luzifer. Dieses Bild muß ganz genau vorgestellt werden, denn es ist eine mächtige Imagination: der König Luzifer mit seiner Fahne und seinen Scharen von luziferischen Engeln, sitzend in Feuer und Rauchqualm, wie er aussendet seine Engel, um zu er­obern die Reiche der Erde. Und die ganze Gefahr, die von der <,Fahne des Luzifer» ausgeht, muß zunächst für sich allein imaginiert werden, ohne einen Blick zu werfen auf den Christus Jesus. Ganz muß die Seele aufgehen in die Imagination der Gefahr, die von der

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Fahne des Luzifer ausgeht. Die Seele muß empfinden lernen als die größte Gefahr des Weltendaseins die, welche heraufbeschworen wür­de, wenn die Fahne des Luzifer siegen würde. Und wenn dieses Bild gewirkt hat, dann muß die andere Imagination, die «Fahne des Christus», an ihre Stelle treten. Dazu muß der Zögling sich vorstel­len: Jerusalem und die Ebene um Jerusalem, den König Jesus, seine Scharen um ihn, und das Bild, wie er seine Scharen aussendet, wie er überwindet und vertreibt die Scharen des Luzifer und sich zum König der ganzen Erde macht - der Sieg der Fahne Christi über die Fahne des Luzifer!

Das sind die stärkenden Imaginationen für den Willen, die vor die Seele des Jesuitenzöglings geführt werden. Das ist das, was seinen Willen ganz und gar verwandelt, was ihn so macht, daß in der Tat in diesem Willen - weil er auf okkulte Weise heranerzogen ist - ein Absehen von allem Übrigen ist, und ein Hingegebensein an die Idee:

Der König Jesus muß zum Herrscher auf der Erde werden! Und wir, die wir zu seinem Heere gehören, wir haben alles anzuwenden, was ihn zum Herrscher auf Erden macht. Das geloben wir, die wir zu dem Heere gehören, das auf der Ebene von Jerusalem versammelt ist, gegenüber dem Heere des Luzifer auf der Ebene von Babylon. Und die größte Schande für einen Soldaten des Königs Jesus ist es, die Fahne zu verlassen!

Das in einen einzigen Willensentschluß zusammengefaßt, ist et­was, was allerdings dem Willen eine gewaltige Stärke geben kann. Wenn wir es uns charakterisieren wollen, müssen wir fragen: Was ist denn in dem Seelenleben unmittelbar angegriffen worden? Das Ele­ment, das als das unmittelbar heilige gelten soll, wo man nicht hineingreifen soll: das Willenselement! Insofern bei dieser Schulung des Jesuitismus in das Willenselement eingegriffen wird, indem der Jesus ganz eingreift in das Willenselement, insofern ist der Begriff des Jesustums in der gefährlichsten Weise überspannt, - gefährlich deshalb, weil dadurch der Wille so stark wird, daß er auch unmittel­bar auf den Willen des anderen wirken kann. Denn wo der Wille so stark wird durch die Imaginationen, das heißt durch ol:kulte Mittel, da erwirbt er auch die Fähigkeit, unmittelbar auf den anderen hinüberzuwirken.

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Daher auch alle die übrigen okkulten Wege, zu denen ein solcher Wille seine Zuflucht nehmen kann.

So sehen wir, wie zwei Strömungen in den letzten Jahrhunderten unter den vielen anderen uns entgegentreten: Die eine, die das Jesus-Element überspannt hat und nur in dem König Jesus das . einzige Ideal des Christentums sieht - und die andere, die einzig und allein auf das Christus-Element sieht und sorgfältig unterscheidet, was darüber hinausgehen könnte; die deshalb auch vielfach verleumdet worden ist, weil sie sich daran hält, daß der Christus den Geist gesandt hat, damit der Cliristus auf dem Umwege durch den Geist seinen Einzug in die Herzen und Gemüter der Menschen halten kann. Es gibt wohl kaum einen größeren Gegensatz in der Kulturentwicke­lung der letzten Jahrhunderte, als den zwischen dem Jesuitismus und dem Rosenkreuzertum, weil in dem Jesuitismus nichts von dem ent­halten ist, was das Rosenkreuzertum als das höchste Ideal der Be­urteilung von Menschenwert und Menschenwürde ansieht; und weil sich das Rosenkreuzertum immer hat bewahren wollen vor einem jeglichen Einfließen dessen, was auch nur im schwachen Sinne als ein jesuitisches Element bezeichnet werden kann.

Damit wollte ich zeigen, wie selbst ein so hohes Element wie das Jesus-Prinzip überspannt werden kann und dann gefährlich wird; und wie es notwendig ist, sich in die Tiefen der Christus-Wesenheit zu versenken, wenn man verstehen will, wie die Stärke des Christen­tums gerade darin bestehen muß, daß die menschliche Würde, der menschliche Wert aufs allerhöchste geschätzt wird; daß nirgends mit plumpen Schritten hineingetappt wird in das, was der Mensch als sein innerstes Heiligtum betrachten muß. Deshalb wird auch christliche Mystik von dem jesuitischen Element so angefochten -und erst das Rosenkreuzertum im höchsten Maße - weil gefühlt wird, daß wahres Christentum doch anders gesucht wird als dort, wo bloß der König Jesus [eine Rolle] spielt. Aber durch die angedeu­teten Imaginationen ist der Wille so stark geworden, daß selbst die gegenteiligen Einsprüche des Geistes durch diesen Willen, der durch die beschriebenen Exerzitien erreicht ist, besiegt werden können.

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ZWEITER VORTRAG Karlsruhe, 6. Oktober 1911

Gestern versuchte ich eine Vorstellung hervorzurufen von einer Art Initiation, wie sie gegenüber unserer Schätzung der Menschennatur nicht sein soll, also von einer Initiation, von einer Aneignung gewisser okkulter Fähigkeiten, wie wir sie beim Jesuitismus finden und die wir gegenüber gereinigten und geläuterten okkulten Anschau­ungen nicht als eine gute ansehen können. Es wird nunmehr meine Aufgabe sein, namentlich den Weg des Rosenkreuzers als denjenigen aufzuzeigen, welcher alle Schätzung gegenüber der Menschennatur die wir als die unsrige erkennen können, wirklich auch zu der seinigen' macht. Dazu wird es allerdings notwendig sein, daß wir uns zuerst über einige Begriffe verständigen.

Aus Auseinandersetzungen, die verschiedentlich bisher gepflogen worden sind, wissen wir, daß die Rosenkreuzer-Einweihung im wesentlichen ein Ausbau der christlichen Einweihung überhaupt ist, so daß man von ihr als einer christlich-rosenkreuzerischen Einwei­hung sprechen kann. Und in früheren Vortragszyklen sind einander gegenübergestellt worden die rein christliche Einweihung mit ihren sieben Stufen und die Rosenkreuzer-Einweihung mit ihren ebenfalls sieben Stufen. Aber nun muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß das Prinzip des Fortschrittes der menschlichen Seele auch gegen­über der Inltiation oder Einweihung durchaus gewahrt werden muß. Wir wissen, daß die Rosenkreuzer-Einweihung so recht ihren Anfang genommen hat etwa um die Zeit des dreizehnten Jahrhunderts her­um, und daß sie dazumal von denjenigen Individualitäten, welche die tieferen Geschicke der menschlichen Entwickelung zu lenken haben, als die für die fortgeschrittenere menschliche Seele richtige Einweihung anerkannt werden mußte. Schon daraus muß aber eigent­lich ersichtlich sein, daß die Einweihung des Rosenkreuzers überhaupt mit der Fortentwicklung der menschlichen Seele rechnet, und daß sie daher ganz besonders berücksichtigen muß, daß diese Entwickelung der menschliche Seele seit dem dreizehnten Jahrhundert auch wieder

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ihren Fortgang genommen hat; daß also die Seelen, welche heute der Initiation zugeführt werden sollen, nicht mehr auf dem Standpunkte des dreizehnten Jahrhunderts stehen können. Auf dieses möchte ich insbesondere deshalb hinweisen, weil in unserer heutigen Zeit so sehr die Sehnsucht besteht, alles mit irgendeiner Marke, mit irgendeinem Schlagworte zu belegen. Aus dieser Unsitte heraus - nicht aus irgendeinem berechtigten Grunde - ist eine Bezeichnung gerade unserer anthroposophischen Strömung entstanden, die nach und nach zu einer Art von Kalamität führen könnte. So richtig es ist, daß innerhalb unserer Strömung das, was das Prinzip des Rosenkreuzer­tums genannt werden muß, voll gefunden werden kann, so daß man innerhalb unserer anthroposophischen Strömung eindringen kann in die Quellen des Rosenkreuzertums, - so wahr es auf der einen Seite ist, daß sich diejenigen, welche durch die Mittel unserer heutigen anthroposophischen Vertiefung eindringen in die Quellen des Rosen­kreuzertums, sich Rosenkreuzer nennen können, so sehr muß es aber auch auf der anderen Seite betont werden, daß namentlich Außen­stehende kein Recht dazu haben, die Art der anthroposophischen Strömung, die wir vertreten, die Rosenkreuzerströmung zu nennen, einfach aus dem Grunde, weil damit - ob es bewußt oder unbewußt geschieht - unsere Strömung mit einer ganz falschen Marke bezeich­net wird. Wir stehen nicht mehr auf dem Standpunkte, auf dem die Rosenkreuzer vom dreizehnten Jahrhundert durch die folgenden Jahrhunderte hindurch gestanden haben, sondern wir rechnen mit dem Fortschritt der menschlichen Seele. Deshalb darf das, was in meiner Schrift «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» als der geeignetste Weg hinauf in die geistigen Sphären gezeigt ist, auch nicht ohne weiteres verwechselt werden mit dem, was man als Rosenkreuzerweg bezeichnen kann. So kann man also durch unsere Strömung in das wahre Rosenkreuzertum eindringen, darf aber die Sphäre unserer Geistesströmung, die ein viel weiteres Gebiet als das der Rosenkreuzer umfaßt, nämlich das der gesamten Theosophie, nicht als eine rosenkreuzerische bezeichnen; es muß unsere Strömung schlechthin als die ,Geisteswissenschaft von heute', als die anthro­posophisch orientierte Geisteswissenschaft vom zwanzigsten Jahrhundert

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bezeichnet werden. Und insbesondere Außenstehende wür­den sich - mehr oder weniger unbewußt - einer Art von Miß­verständnis unterziehen, wenn sie unsere Richtung schlechtweg als die ,rosenkreuzerische' bezeichneten. Das aber muß uns eigen sein als eine im eminenten Sinne rosenkreuzerische Errungenschaft seit dem Auf­gehen des modernen okkulten Geisteslebens im dreizehnten Jahr­hundert, daß alle heutige Initiation im tiefsten Sinne des Wortes schätzen und anerkennen muß als ein Selbständiges im menschlichen Innern das, was wir als das allerheiligste Willenszentrum des Men­schen bezeichnen, wie schon gestern angedeutet worden ist. Und weil durch die okkulten Methoden, die gestern gekennzeichnet worden sind, der Wille des Menschen gleichsam überwältigt wird, geknechtet wird und in eine ganz bestimmte Richtung hineingeführt wird, des­halb muß vom wahren Okkultismus diese Richtung energisch ab-gewiesen werden.

Bevor wir uns nun auf eine Charakteristik des Rosenkreuzertums und auf eine Charakteristik der Initiation von heute überhaupt ein­lassen, wollen wir zunächst dasjenige nennen, was wieder entschei­dend geworden ist dafür, daß selbst die Rosenkreuzer-Initiation vom dreizehnten, vierzehnten, fünfzehnten - auch noch vom sechzehnten, siebzehnten Jahrhundert wieder modifiziert werden mußte gegen unsere Zeit hin. Das Rosenkreuzertum der vorigen Jahrhunderte konnte nämlich noch nicht mit einem Geisteselement rechnen, das seither in die Menschheitsentwickelung eingezogen ist, und ohne das man heute nicht mehr auskommen kann schon in den Grundelemen­ten aller jener Geistesströmungen, die auf dem Boden des Okkultismus erwachsen, also in irgendeiner theosophischen Geistesstromung. Aus Gründen, die uns innerhalb dieser Vorträge noch genauer vor die Seele treten werden, gehörte viele Jahrhunderte hindurch zu den äußeren exoterischen Lehren des Christentums nicht dasjenige, was heute schon im Ausgangspunkte unserer geisteswissenschaftlichen Er­kenntnis liegen muß: die Lehre von Reinkarnation und Karma, von den wiederholten Erdenleben. Diese Lehre von Reinkarnation und Karma ist daher auch noch nicht im eminentesten Sinne in die ersten Stufen der Rosenkreuzer-Initiation etwa gleich im dreizehnten Jahrhundert

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eingezogen. Man konnte weit kommen: bis zur vierten, fünften Stufe des Rosenkreuzertums hinauf - man konnte durch­machen, was unter den Stufen der Rosenkreuzer-Initiation genannt wird das rosenkreuzerische Studium, die Aneignung der Imagination, die Aneignung der okkulten Schrift, die Auffindung des Steines der Weisen, und auch schon etwas erleben von dem, was man den mystischen Tod nennt - bis zu dieser Stufe konnte man kommen und konnte außerordentlich hohe okkulte Erkenntnisse gewinnen, brauchte aber noch nicht volle Klarheit zu erlangen über die so auf­hellenden Lehren von Reinkarnation und Karma.

Gegenwärtig aber müssen wir uns darüber klar sein, daß durch das fortgeschrittene Denken der Menschheit innerhalb dieses Denkens Gedankenformen hereingetreten sind, durch die wir, wenn wir nur konsequent das denken, was heute schon leicht exoterisch, äußerlich gedacht werden kann, unbedingt zu der Anerkennung der wieder­holten Erdenleben und damit auch zur Anerkennung der Karma-Idee kommen können. Was in meinem zweiten Rosenkreuzerdrama «Die Prüfung der Seele» von Straders Munde gesagt wird, daß der konse­quente Denker heute, wenn er nicht mit allem brechen will, was die Gedankenformen der letzten Jahrhunderte gebracht haben, zuletzt bei der Anerkennung von Karma und Reinkarnation anlangen muß

- das ist etwas, was durchaus in den Tiefen des heutigen Geistes­lebens wurzelt. Und weil es sich langsam vorbereitet hat und in den Tiefen unseres Geisteslebens wurzelt, deshalb tritt es auch nach und nach im abendländischen Geistesleben wie selbständig hervor. Merk-würdig selbständig stellt sich - allerdings nur bei einzelnen hervor­ragenden Denkern - die Notwendigkeit ein, die wiederholten Er­denleben anzuerkennen. Man braucht nur auf manches aufmerksam zu machen, was entweder willkürlich oder unwillkürlich von unserer heutigen Literatur ganz vergessen wird, was zum Beispiel in so wun­derbarer Weise aufgetreten ist bei Lessing in der «Erziehung des Menschengeschlechts». Sehen wir doch, wie Lessing, der große Geist des achtzehnten Jahrhunderts, der auf dem Gipfelpunkt seines Lebens die Summe seiner Gedanken zieht und die «Erziehung des Menschen­geschlechts» schreibt, wie durch eine Eingebung auf den Gedanken der

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wiederholten Erdenleben kommt. So stellt sich wie durch eine innere Notwendigkeit die Idee der wiederholten Erdenleben in das moderne Leben hinein. Und diese Idee muß berücksichtigt werden; anders allerdings als in unserer Naturgeschichte oder in unserem modernen Bildungsleben dergleichen berücksichtigt wird. Denn da berücksichtigt man es nach dem bekannten Rezept, daß man alten Leuten, wenn sie gescheit gewesen sind, schon etwas verzeihen muß. Und wenn man auch Lessing in seinen früheren Schöpfungen anerkennen kann, so glaubt man doch annehmen zu müssen, daß er in seinen späteren Jahren etwas schwächlich geworden ist, wenn er da auf die Idee der wiederholten Erdenleben gekommen ist. Aber auch sonst tritt uns in der neueren Zeit diese Idee sporadisch entgegen. Ein Psychologe des neunzehnten Jahrhunderts, Droßbach, hat - wie es nur möglich war im neunzehnten Jahrhundert - von dieser Idee gesprochen. Ohne Okkultismus, rein durch Betrachtung dessen, was die Natur darbietet, suchte Droßbach auf seine Art als Psychologe die Idee der wieder­holten Erdenleben festzustellen. Und weiter: Eine kleine Gesellschaft hat um die Wende der ersten und zweiten Hälfte des neunzelinten Jahrhunderts, als die fünfziger Jahre herankamen, einen Preis aus­geschrieben für die beste Schrift über die Unsterblichkeit der Seele. Das war eine ganz merkwürdige Tat im deutschen Geistesleben. Sie ist wenig bekannt geworden. Ein kleiner Kreis schreibt einen Preis aus für die beste Schrift über die Unsterblichkeit der Seele! Und siehe da, die preisgekrönte Schrift von Widenmann beschäftigte sich damit in der Weise, daß sie die Unsterblichkeit der Seele im Sinne der wiederholten Erdenleben auffaßt - allerdings noch unvollkommen, wie es sein mußte in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, wo die Gedankenformen noch nicht so weit ausgebaut waren.

So könnte man Verschiedenes anführen, wo diese Idee der wieder­holten Erdenleben hereinsprang als etwas, was sich wie ein Postulat, wie eine Forderung des neunzehnten Jahrhunderts ausnahm. Daher konnte auch in meiner kleinen Schrift «Reinkarnation und Karma» und dann auch in der «Theosopliie» mit den Gedankenformen der Naturwissenschaft - ausgestaltend diese Gedankenformen mit Bezug auf die menschliche Individualität im Gegensatz zur tierischen Gattung

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- aufgebaut werden die Idee von den wiederholten Erdenleben und vom Karma.

Über eines mussen wir uns aber klar sein: es besteht ein gewaltiger Unterschied, nicht in der Idee von den wiederholten Erdenleben selbst, sondern zwischen der Art und Weise, wie man rein in Gedan­ken im Abendlande zu dieser Idee gekommen ist, und zwischen dem Wege, wie zum Beispiel der Buddhismus diese Idee vertritt. Da ist es schon interessant, einen Blick auf die Art und Weise zu werfen, wie Lessing in seiner «Erziehung des Menschengeschlechts» auf diese Idee der wiederholten Erdenleben gekommen ist. Das Resultat läßt sich ja selbstverständlich nicht nur vergleichen, sondern gleich bezeichnen mit dem, was die wiederholten Erdenleben im Buddhismus sind; aber der Weg ist bei Lessing ein ganz anderer. Man hat ja auch den Weg, wie Lessing dazu kam, durchaus nicht gekannt. Wie kam nun Lessing dazu?

Das kann man ganz genau sehen, wenn man die «Erziehung des Menschengeschlechts» durchnimmt. Man kann sich ja sagen: innerhalb der Entwicklung der Menschheit ist im strengsten Sinne ein Fort­schritt zu beobachten Lessing drückt dies nun so aus: Dieser Fort­schritt ist eine Erziehung der Menschheit durch die göttlichen Mächte. Und dann sagt er weiter: Die Gottheit gab dem Menschen ein erstes Elementarbuch in die Hand: das Alte Testament. Dadurch wurde eine gewisse Stufe der menschlichen Entwickelung begründet. Und als das Menschengeschlecht weiter fortgeschritten war, kam das zweite Elementarbuch: das Neue Testament. Und so sieht Lessing in unserer Zeit etwas, was über das Neue Testament hinausgeht: eine selbständige Empfindung der Menschenseele von dem Wahren, Guten und Schönen. Das ist ihm eine dritte Stufe der göttlichen Erziehung des Menschenge­schlechtes. In grandioser Weise ist dieser Gedanke der Erziehung des Menschengeschlechtes durch die göttlichen Mächte durchgeführt.

Und nun entstand für ihn der Gedanke: Wie ist dieser Fortschritt einzig und allein zu erklären?

Lessing kann ihn sich nicht anders erklären, als daß er jede Seele teilnehmen läßt an jeder Kulturepoche der Menschheit, wenn es über­haupt einen Sinn haben soll, daß in der Menschheitsentwickelung ein

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Fortschritt ist. Denn es hätte keinen Sinn, wenn die eine Seele nur lebte in der Kulturepoche des Alten Testamentes oder eine andere nur in der Epoche des Neuen Testamentes. Es hat nur einen Sinn, wenn die Seelen hindurchgeführt werden durch alle Kulturepochen und teil­nehmen an allen Erziehungsstufen der Menschheit. Mit anderen Wor­ten: wenn also die Seele in wiederholten Erdenleben lebt, dann hat die fortschreitende Erziehung des Menschengeschlechtes ihre gute Bedeutung.

Damit springt die Idee der wiederholten Erdenleben aus Lessings Kopfe heraus als eine solche, die dem Menschen zugeordnet ist. Denn im tieferen Sinne liegt für Lessing folgendes zugrunde: Wenn eine Seele zur Zeit des Alten Testamentes verkörpert war, so hat sie auf­genommen, was sie damals aufnehmen konnte; wenn sie dann in einer späteren Zeit wieder erscheint, so trägt sie die Früchte dieses voran­gegangenen Lebens hinüber in das nächste, die Früchte des zweiten Lebens wieder in das folgende und so fort. So greifen die aufeinander-folgenden Stufen in die Entwickelung ein. Und was sich eine Seele erringt, das hat diese Seele nicht bloß für sich, sondern für die ganze Menschheit errungen. Die Menschheit wird ein großer Organismus, und die Reinkarnation wird für Lessing notwendig, damit das ganze Menschengeschlecht vorrücken kann. So ist es die geschichtliche Ent­wickelung, die Angelegenheit der ganzen Menschheit, von der Lessing ausgeht und getrieben wird zur Anerkennung der Reinkarnation

Anders ist es, wenn wir dieselbe Idee im Buddhismus aufsuchen. Da hat es der Mensch mit sich zu tun, mit seiner eigenen Psyche bloß. Da sagt sich die einzelne Seele: Ich bin versetzt in die Welt der Maja; die Begierde hat mich in die Welt der Maja gebracht, und in den aufeinanderfolgenden Inkarnationen befreie ich mich als einzelne Seele von den irdischen Inkarnationen! - Da ist es eine Angelegenheit der einzelnen Individualität; da ist der Blick gerichtet auf diese einzelne Individualität.

Das ist der große Unterschied im Wege: ob man die Sache von innen ansieht, wie im Buddhismus, oder von außen, wie Lessing, der die ganze Menschheitsentwickelung überblickt. Überall kommt das­selbe heraus, aber der Weg ist ein ganz anderer gewesen im Abend­lande. Während sich der Buddhist beschränkt auf eine Angelegenheit

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der einzelnen individuellen Seele, ist der Blick des abendländischen Menschen gerichtet auf die Angelegenheit der ganzen Menschheit; der abendländische Mensch fühlt sich mit allen Menschen verbunden als einem einheitlichen Organismus.

Was hat denn dem abendländischen Menschen diese Notwendigkeit beigebracht, nicht nur an den einzelnen Menschen zu denken, son­dern bei den wichtigsten Angelegenheiten immer im Auge zu haben, daß man es mit den Angelegenheiten der gesamten Menschheit zu tun hat?

Diese Notwendigkeit ist in ihm dadurch entstanden, daß er in seine Gemütssphäre, in seine Gefühlswelt aufgenommen hat die Worte des Christus Jesus von der menschlichen Verbrüderung über alle Nationalitäten, über alle Rassencharaktere hinweg, von der ge­samten Menschheit als eines großen Organismus. Deshalb ist es in­teressant zu sehen, wie auch bei der zweiten Persönlichkeit, von der ich sprach, bei Droßbach, das Denken - allerdings noch unvollkom­men, weil die naturwissenschaftlichen Ideen der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts noch nicht die entsprechenden Gedanken-formen hervorgebracht hatten - nicht den buddhistischen Pfad nimmt, sondern einen universell kosmischen. Droßbach geht von naturwissenschaftlichen Gedanken aus und betrachtet die Seele im Kosmischen. Er kann sie sich nicht anders denken, als daß sie sich wie der Same durch die äußere Form hindurchzieht, daher auch wiedererscheint in anderen äußeren Formen und deshalb reinkarniert erscheint. Phantastisch taucht dieser Gedanke bei Droßbach auf, in­dem er meint, daß sich die Welt selbst verwandeln müsse, während Lessing an kurze und zweifellos richtige Zeiträume gedacht hat Und ganz richtig denkt wieder Widenmann in seiner preisgekrönten Schrift über die Unsterblichkeit der Seele in bezug auf die Frage der Re­inkarnation

So dringen ganz sporadisch diese Ideen durch diese Geister. Und richtig ist es, daß trotz des mangelhaften Gedankenganges diese Ideen herausspringen - und nicht nur bei diesen, sondern auch noch bei anderen Geistern. Denn das ist der große Umschwung, den die menschliche Seelenentwickelung vom achtzelinten bis zum zwanzigsten

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Jahrhundert herauf genommen hat, daß wir sagen müssen: Wer heute anfängt mit dem Studium des Weltenganges, der muß sich vor allem jene Gedankenformen aneignen, die heute ganz selbstverständ­lich zu der Annahme, zu der Glaubhaftmachung von Reinkarnation und Karma führen. Also war zwischen dem dreizehnten und dem achtzehnten Jahrhundert das menschliche Denken noch nicht so weit, daß es durch sich selbst zur Anerkennung der Reinkarnation hat kommen können. Aber man muß immer ausgehen von dem Boden, auf dem jeweilig das menschliche Denken in seiner höchstentwickelten Form steht. Daher ist heute der Ausgang zu nehmen von dem Den­ken, das logisch - das heißt hypothetisch richtig - die Idee der wiederholten Erdenleben von der Naturwissenschaft aus betrachten kann. So schreiten die Zeiten vor.

Ohne den rosenkreuzerischen Weg schon heute zu charakterisieren, werden wir das eigentlich Wesentliche sowohl des rosenkreuzerischen wie auch des heutigen Erkenntnisweges einmal hervorheben. Im abstrakten Sinne können wir sagen: Dieses Charakteristische besteht darin, daß ein jeder, der Ratschläge und Anleitungen gibt zur Initia­tion, im tiefsten Sinne die Selbständigkeit und Unantastbarkeit der Willenssphäre des Menschen schätzt. Daher ist das Wesentliche, wor­auf es ankommt, das Folgende: Durch eine ganz besondere Art moralischer Kultur, durch eine besondere Art geistiger Kultur muß das gewöhnliche Gefüge von physischem Leib, Atherleib, Astralleib und Ich anders gemacht werden, als es von Natur aus ist. Und so­wohl diejenigen Anweisungen, die gegeben werden zur Pflege der moralischen Gefühle, wie auch die Anweisungen, die zur Konzen­trierung des Denkens, zur Meditation gegeben werden, alle streben zuletzt auf das eine Ziel hin: das geistige Gefüge, durch das der Atherleib und der physische Leib des Menschen zusammenhängen, zu lockern; so daß nicht mehr so fest, als es uns von Natur aus gegeben ist, unser Atherleib in den physischen Leib hineingefügt bleibt. Alle Übungen streben dieses Herausheben, diese Lockerung des Äther­leibes an. Dadurch aber wird eine andere Verbindung auch zwischen dem Astralleib und dem Ätherleib herbeigeführt. Dadurch, daß in unserm gewöhnlichen Leben der Atherleib und der physische Leib

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bis zu einem hohen Grade in einer festen Verbindung sind, kann unser Astralleib in diesem alltäglichen gewöhnlichen Leben gar nicht alles das empfinden, gar nicht erleben, was in seinem Ätherleibe vor­geht. Der Ätherleib sitzt eben drinnen im physischen Leib, und dadurch daß er drinnen sitzt, nehmen unser Astralleib und unser Ich nur durch den physischen Leib alles das wahr, was ihnen der physische Leib von der Welt zukommen und was er sie durch das Instrument des Gehirns denken läßt. Der Ätherleib steckt zu sehr im physischen Leibe drinnen, als daß er als eine selbständige Wesenheit, als ein selbständiges Erkenntniswerkzeug und auch Gefühls- und Willenswerkzeug von dem Menschen im gewöhnlichen Leben emp-funden werden könnte. Die Anstrengungen im konzentrierten Den­ken, wie heute die Anleitungen dazu gegeben werden, und wie sie auch von den Rosenkreuzern gegeben wurden, die Anstrengungen der Meditationen, die Läuterung der moralischen Empfindungen, das alles bewirkt zuletzt, wie man nachlesen kann in dem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», daß der Ätherleib so selb­ständig wird, wie es in diesem Buche beschrieben ist. So daß man dazu kommt, so wie wir unsere Augen zum Sehen, unsere

zum Greifen benutzen und so weiter, den Ätherleib mit seinen Organen auch zu benutzen, um dann aber nicht in die physische Welt, sondern in die geistige Welt hineinzuschauen. Die Art, wie wir unser Innenleben zusammennehmen, in sich konzentrieren, arbeitet auf die Verselbständigung des Ätherleibes hin.

Notwendig aber dazu ist, daß wir uns vorher, wenigstens probe­weise, durchdringen mit der praktischen Karma-Idee. Und wir durch-dringen uns praktisch mit der Karma-Idee, wenn wir ein gewisses Gleichmaß der Moral, der gefühlsmäßigen Seelenkräfte herstellen. Ein Mensch, der nicht den Gedanken bis zu einem gewissen Grade fassen kann: An dem, was mich treibt, bin ich doch letzten Endes selbst schuldig -, der wird nicht gut vorwärtskommen können. Ein gewisser Gleichmut und ein Verstehen, wenn auch nur ein rein hypo­thetisches Verstehen gegenüber dem Karma ist als Ausgangspunkt notwendig. Ein Mensch, der gar nicht von seinem Ich loskommt, der an seiner engbegrenzten Gefühlsweise und Empfindungsweise so

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hängt, daß er immer wieder nicht sich, sondern andern die Schuld beimißt, wenn ihm etwas nicht gelingt; ein Mensch, der immer von dem Gefühl durchdrungen ist: die Welt, oder ein Teil meiner Um­gebung, ist mir zuwider! -, der also in einem gewissen Grade, trivial zu sprechen, eine «Z'widerwurz'n» ist, der nicht hinauskommt über das, worüber man hinauskommt, wenn man sich mit seinem gewöhnlichen Denken zurechtlegt, was man aus der exoterischen Theosophie lernen kann - ein solcher Mensch wird außerordentlich schwer Fortschritte machen. Daher ist es gut, wenn wir uns zur Entwickelung des Gleich-muts und der Gelassenheit unserer Seele damit bekanntmachen, daß, wenn uns etwas, namentlich auf dem okkulten Pfade, nicht gelingt, wir nicht andern, sondern uns selbst die Schuld geben. Das trägt zum Vorwärtskommen am meisten bei. Am wenigsten trägt es zum Vorwärtskommen bei, wenn wir immer in der Außenwelt die Schuld suchen wollen, immer die Methoden andern wollen und so weiter. Das ist wichtiger, als es vielleicht erscheint. Immer ist es besser, wenn wir uns in jedem Augenblick recht sehr prüfen, wie wenig weit wir darin gekommen sind, in uns selbst die Schuld zu suchen, wenn uns der Fortschritt nicht gelingen will. Das ist nämlich schon ein ganz bedeutender Fortschritt, wenn wir uns eines Tages entschließen kön­nen, immer in uns selber die Schuld zu suchen. Dann werden wir sehen, daß wir nicht nur in Dingen, die ferner liegen, vorwärtskom­men, sondern sogar in Dingen des äußeren Lebens. Die, welche etwas von diesen Dingen wissen, werden es jederzeit bezeugen können, daß man durch den Gedanken, in sich selbst die Schuld des Nichtgelingens zu suchen, etwas findet, was uns gerade das äußere Leben leicht, erträglich macht. Wir werden viel leichter fertig mit dem, was uns umgibt, wenn wir diesen Gedanken in Wahrheit fassen können. Wir werden dann auch über manches Griesgrämige und Hypochondrische, über manches Klagen und Lamentieren hinauskommen und unsern Weg ruhiger gehen. Denn wir sollten bedenken, daß in jeder wahren neueren Initiation jeder, der einen Ratschlag gibt, ja die strengste Verpflichtung hat, in das innerste Heiligtum der Seele nicht hinein­zudringen, so daß wir schon in bezug auf das Innerste der Seele etwas selbst übernehmen müssen und nicht klagen dürfen, daß wir

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vielleicht nicht die rechten Ratschläge bekommen. Die Ratschläge können richtig sein und die Sache braucht dennoch nicht zu gehen, wenn wir den gekennzeichneten Entschluß nicht fassen.

Dieser Gleichmut, diese Gelassenheit, wenn wir einmal gewählt haben - und das Wählen soll nur aus ernstem Entschluß heraus geschehen -, ist ein guter Boden, auf dem sich das Meditieren im Sichhingeben an Gefühle und an Gedanken aufbauen kann. Und dann ist bei allem, was auf rosenkreuzerischem Boden steht, bedeut­sam, daß wir in allen Meditationen, Konzentrationen und so weiter nicht auf etwas gewiesen werden, was doch nur wie ein Dogma sein kann; sondern auf das allgemein Menschliche werden wir gewiesen.

In einem Abwege, der gestern gekennzeichnet worden ist, wird der Ausgang genommen von dem, was doch zuerst nur dem Menschen als persönlicher Inhalt gegeben wird. Aber wie, wenn dieser Inhalt überhaupt erst durch die okkulte Erkenntnis bewiesen werden müßte, wenn er gar nicht von vornherein feststünde? Auf solchen Boden aber muß sich stellen, was auf rosenkreuzerischem Prinzip fußt. Wir müssen annehmen, daß wir gar nicht in der Lage sind von vornherein etwas auszumachen, wenn wir uns nur auf äußere materielle Doku­mente stützen, zum Beispiel bei dem, was als das Ereignis von Golgatha stattgefunden hat. Denn wir sollen ja diese Dinge erst durch den okkulten Weg kennenlernen, dürfen sie also nicht von vornherein voraussetzen. Deshalb wird von allgemein Menschlichem ausgegangen, von dem, was vor jeder Seele gerechtfertigt werden kann. Ein Blick in die große Welt, sagen wir, bewundernd die Offenbarungen des Lichtes in der Tagessonne und fühlend, daß das, was unser Auge vom Lichte sieht, nur der äußere Schleier des Lichtes, die äußere Offenbarung, oder wie man in der christlichen Esoterik sagt, die Herrlichkeit des Lichtes ist, und dann sich hingebend dem Gedanken, daß hinter dem äußeren sinnlichen Lichte etwas ganz anderes verborgen sein muß: das ist etwas allgemein Menschliches. Ausgebreitet durch das räumliche All das Licht zu denken, zu schauen, und dann sich darüber klar zu werden, daß in diesem sich aus­breitenden Element des Lichtes leben muß etwas Geistiges, welches dieses Gewebe des Lichtes durch den Raum webt - sich auf diesen Gedanken

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konzentrieren, in diesem Gedanken leben: dann haben wir etwas ganz allgemein Menschliches, das nicht durch ein Dogma, son­dern das durch eine allgemeine Empfindung hingestellt wird. Oder weiter: Empfinden die Wärme der Natur, empfinden, wie da durch die Welt mit der Wärme etwas wogt, in dem Geist ist; und dann aus gewissen Verwandtschaften in unserm eigenen Organismus mit den Empfindungen der Liebesgefühle sich auf den Gedanken konzen­trieren: wie Wärme sein kann, geistig, wie sie durch die Welt pul­sierend lebt - dann sich vertiefen in das, was wir erlernen können aus den Intuitionen, die uns aus der modernen Geheimlehre gegeben sind, und dann sich beraten mit denjenigen, die auf diesem Gebiete etwas wissen, wie man sich in der richtigen Weise konzentrieren kann auf Gedanken, die Weltgedanken, die kosmische Gedanken sind. Und weiter: Veredelung, Läuterung der moralischen Empfindungen, wo­durch wir zu dem Verständnis gelangen, daß das, was wir in dem Moralischen empfinden, Realität ist, und wodurch wir über das Vorurteil hinauskommen, daß unsere moralischen Empfindungen et­was Vorübergehendes wären, so daß wir uns klar sind: was wir jetzt empfinden, das lebt als moralischer Einschlag, als moralische Wesen­heit weiter. - Da lernt der Mensch die Verantwortlichkeit fühlen für das Sichhineingestelltwissen in die Welt mit dem, was seine moralischen Gefühle sind. Alles esoterische Leben ist im Grunde ge-nommen auf solches allgemein Menschliches hin gerichtet.

Heute aber soll geschildert werden, wohin wir kommen, wenn wir uns in solcher Weise Exerzitien hingeben, die von dem ausgehen, wozu wir durch unsere menschliche Natur kommen können, wenn wir uns nur in kluger Selbstbeschauung unserer Menschennatur über-lassen. Wenn wir davon ausgehen, dann kommen wir dazu, die Ver­bindung zwischen dem physischen Leib und dem Ätherleib zu lockern und eine andere Erkenntnis zu erlangen, als es gewöhnlich der Fall ist. Wir gebären gleichsam aus uns selbst einen zweiten Menschen, so daß wir nicht mehr so fest verbunden sind mit dem physischen Leibe als sonst, und wir den Ätherleib und Astralleib gleichsam wie in einer äußeren Hülle drinnen stecken haben in den schönsten Momen­ten des Lebens und uns dadurch frei wissen von dem Werkzeuge des

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physischen Leibes. Das ist es, was wir so erreichen. Allerdings werden wir dann dazu geführt, den physischen Leib in seiner wahren Wesen­heit an uns zu sehen und zu erkennen, was er in uns bewirkt, wenn wir in ihm drinnen stecken. Wir werden erst die ganze Wirkung des physischen Leibes an uns gewahr, wenn wir in einer gewissen Be­ziehung aus ihm herausgekommen sind. Wie die Schlange, die, wenn sie sich gehäutet hat, von außen die Häute anschauen kann, während sie dieselben sonst als einen Teil von sich selbst empfindet, so lernen wir erst auf diese Weise durch die erste Stufe der Initiation uns von unserm physischen Leib frei fühlen und lernen ihn dadurch erkennen. In diesem Augenblick müssen uns ganz besondere Gefühle beschlei­chen, die man zunächst in der folgenden Art beschreiben kann.

Es gibt ja so vielerlei Erlebnisse auf dem Wege der Initiation, daß nodi immer nicht alles hat beschrieben werden können. In den «Er­kenntnissen höherer Welten» finden Sie manches darüber; aber vieles ist noch nicht darinnen. Was wir zuerst erleben können, und was fast jeder erleben kann, der aus dern äußeren Leben zum Pfade der Erkenntnis schreitet, das ist, daß er sich sagt, empfindungsgemäß sagt:

Ich habe mir ja diesen physischen Leib, wie er da ist, wie er mir erscheint, nicht selber gebildet. Ich habe mir ihn wahrhaftig nicht selber gemacht, diesen physischen Leib, durch den ich hingezogen worden bin zu dem, was ich in der Welt geworden bin. Hätte ich ihn nicht, so wäre das Ich, was ich jetzt als mein großes Ideal ansehe, an mich nicht gebunden. Was ich bin, das bin ich nur dadurch ge­worden, daß ich meinen physischen Leib an mich geschmiedet er­halten habe. Aus alledem geht zunächst etwas hervor wie ein Groll, eine Bitternis gegenüber den Weltenmächten, daß man so geworden ist. Es ist leicht zu sagen: Ich will diesen Groll nicht haben. Wenn dann aber die ganze traurige Majestät uns vor Augen steht, was wir geworden sind durch die Art, wie wir mit unserm physischen Leibe verbunden sind, dann ist das von überwältigender Kraft, und wir empfinden etwas wie Groll, wie Haß, wie Bitternis gegen die Welten­mächte, daß wir so geworden sind. Da muß nun unsere okkulte Erziehung schon so weit sein, daß wir die Bitternis überwinden und uns nun auf höherer Stufe sagen, daß wir mit unserer ganzen Wesenheit,

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mit unserer Individualität, die schon in die Inkarnationen hin-eingestiegen ist, doch verantwortlich sind für das, was unser physischer Leib geworden ist. Wenn wir dann diese Bitternis überwinden, dann steht vor uns die Empfindung, die schon öfter charakterisiert worden ist: Jetzt weiß ich, ich bin es selbst, der da als die veränderte Gestalt meines physischen Daseins erscheint. Das bin ich selbst.! Ich habe nur, es mich erdruckt hatte, nichts gewußt von meiner physischen Wesenheit.

Wir stehen da an der bedeutungsvollen Begegnung mit dem Hüter der Schwelle. Kommen wir aber so weit, erleben wir das, was eben jetzt gesagt worden ist, durch die Strenge unserer Exerzitien, dann kommen wir aus der allgemeinen menschlichen Natur heraus dazu, daß wir uns selbst erkennen, wie wir jetzt als das Resultat der vor­hergehenden Inkarnationen zu der gegenwärtigen Gestalt geworden sind. Aber wir erkennen auch, wie wir den tiefsten Schmerz empfin­den können und uns über diesen Schmerz emporarbeiten müssen zur Überwindung unseres gegenwärtigen Daseins. Und für jeden der nur genügend weit fortgeschritten ist und die Empfindungen in ,ihrer ganzen Intensität durchgemacht hat, der geschaut hat den Hüter der Schwelle, taucht dann mit Notwendigkeit ein Imaginationsbild auf

- ein Bild, das er sich nicht durch Willkür hinmalt, wie es im Jesuitismus geschieht, durch das, was in der Bibel steht, sondern das er erlebt durch das, was er allgemein menschlich gefühlt hat was er ist. Dadurch wird er ja selbstverständlich bekannt gemacht mit dern Bilde des göttlichen Idealmenschen, der in einem physischen Leibe uns selbst gleich lebt, aber in diesem physischen Leibe uns selbst gleich auch empfindet alles das, was ein physischer Leib bewirken kann. Die Versuchung und das Bild, das uns in den synoptischen Evangelien geschildert wird von der Versuchung, dem Hinführen des Christus Jesus zu dem Berge, von dern Versprechen aller äußeren Realitäten, dem Festhaltenwollen an den äußeren Realitäten, die Versuchung, an der Materie hangen zu bleiben, kurz, die Versuchung, beim Hüter der Schwelle zu bleiben und nicht über ihn hinaus­zuschreiten, das erscheint uns in dern großen Idealbilde des Christus Jesus auf dem Berge stehend und den Versucher neben ihm - das

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sich uns entgegenstellen würde, selbst wenn wir nie etwas von den Evangelien gehört hätten. Und wir wissen dann, daß der, welcher die Versuchungsgeschlchte geschrieben hat, seine eigene Er­fahrung geschildert hat, daß er gesehen hat im Geiste den Christus Jesus und den Versucher. Da wissen wir, daß es wahr ist, im Geiste wahr ist, daß der, der die Evangelien geschrieben hat, etwas ge-schildert liat, was wir selbst erleben können, auch wenn wir gai nichts von den Evangelien wüßten.

So werden wir zu einem Bilde hingeführt, das gleich ist dem, was in den Evangelien als Bild ist. Da erobern wir uns das, was in den Evangelien steht. Da wird nichts überwältigt, sondern aus den Tiefen unserer Natur hervorgeholt. Wir gehen von allgemein Menschlichem aus und gebären durch unser okkultes Leben die Evangelien neu und fühlen uns eins mit den Evangelienschreibern.

Dann geht in uns eine andere Empfindung auf, eine Art nächster Stufe des okkulten Weges. Wir fühlen, wie der Versucher, der da aufgetreten ist, sich auswächst zu einem mächtigen Wesen, das hinter allen Erscheinungen der Welt ist. Ja, wir lernen zwar den Versucher kennen, aber wir lernen ihn doch nach und nach in einer gewissen Weise schätzen. Wir lernen sagen: Die Welt, die sich vor uns aus­breitet, mag sie nun Maja sein oder etwas anderes, sie hat ihre Berechtigung; sie hat uns etwas zur Offenbarung gebracht. - Da tritt etwas Zweites auf, das wieder als ein ganz konkretes Gefühl ge­schildert werden kann bei jedem, der die Bedingungen einer rosen­kreuzerischen Initiation erfüllt. Das Gefühl tritt auf: Wir gehören dem Geiste an, der in allen Dingen lebt, und mit dem wir rechnen müssen. Wir können gar nicht hinter den Geist kommen, wenn wir uns nicht dem Geiste hingeben. Und da wird uns angst! Wir machen eine Angst durch, die jeder wirkliche Erkenner durchmachen muß, ein Empfinden der Größe des in der Welt ausgebreiteten Welten-geistes. Sie steht vor uns, und unsere eigene Ohnmacht empfinden wir und empfinden auch, was wir geworden wären im Laufe des Erdenganges oder der Welt überhaupt, und empfinden unser ohn-mächtiges Dasein, das so weit von dem göttlichen Dasein entfernt ist. Da empfinden wir Angst vor dem Ideal, dem wir gleich werden

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müssen, und vor der Größe der Anstrengung, die uns hinführen soll zu dem Ideal. Wie wir die ganze Größe der Anstrengung emp­finden müssen durch die Esoterik, so müssen wir auch diese Angst empfinden als ein Ringen, das wir uns vornehmen, ein Ringen mit dem Geiste der Welt. Und wenn wir diese unsere Kleinheit empfin­den und die Notwendigkeit, wie wir ringen müssen, um unser Ideal zu erreichen, um eins zu werden mit dem, was in der Welt wirkt und webt, wenn wir es ängstlich empfinden, dann auch nur können wir die Angst ablegen und uns auf den Weg begeben, auf die Wege, die uns zu unserm Ideale hinführen. Indem wir es aber so recht ganz voll empfinden; tritt wieder eine bedeutsame Imagination vor uns. Wenn wir nie ein Evangelium gelesen hätten, wenn die Menschen nie ein solches äußeres Buch gehabt hätten - als ein geistiges Bild tritt es vor unser hellseherisches Auge: Wir werden hinausgeführt in die Einsamkeit, die uns klar vor dem inneren Auge steht, und wir wer­den vor das Bild des Idealmenschen geführt, der im menschlichen Leibe all die Angste in der unendlichen Größe empfindet, die wir selbst schmecken in diesem Augenblick. Das Bild des Christus in Gethsemane steht vor uns, wie er die Angst erlebt in ungeheuer gesteigertem Maße, die wir selbst empfinden müssen auf dem Er­kenntnispfad - die Angst, die ihm den Blutschweiß auf die Stirne treibt. Dieses Bild haben wir auf einem bestimmten Punkte unseres okkulten Weges ohne äußere Urkunden. Und gleichsam wie zwei mächtige Pfeiler stehen vor uns auf dem okkulten Wege die Versu­chungsgeschichte, geistig erlebt, und die Olbergszene, entsprechend gei­stig erlebt. Und wir verstehen dann die Worte: Wachet und betet und lebet im Gebete, auf daß ihr nicht versucht werdet, jemals stehen zu bleiben auf irgendeinem Punkte, sondern stetig vorwärts schreitet!

Das heißt das Evangelium zunächst erleben; heißt alles das so erleben, daß man es hinschreiben könnte, wie es die Evangelien-schreiber geschlldert haben. Denn die zwei Bilder, die eben charak­terisiert worden sind, wir brauchen sie nicht dem Evangelium zu entnehmen; wir können sie unserm eigenen Innern entnehmen, kön­nen sie heraufholen aus dem Allerheiligsten der Seele. Da braucht kein Lehrer zu kommen und zu sagen: Du sollst vor dir als Imagination

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hinsteflen die versuchnngsgeschichte, die Ölbergszene, - sondern wir brauchen nur vor uns hinzustellen, was in unserem Bewußtsein als Meditation, als Läuterung der allgerneinen menschlichen Empfin­dungen und so weiter ausgebildet werden kann. Dann können wir, ohne daß es jemand uns aufzwingt, die Imaginationen heraufholen, die im Evangelium enthalten sind.

Der gestern geschilderte Weg der jesuitischen Geistesströmung war so, daß man zuerst die Evangelien hatte und dann das darin Dar­gestellte erlebte. Der heute geschilderte Weg weist darauf hin, wie man züerst, wenn man sich auf den Pfad des geistigen Lebens begibt, okkult das erlebt, was mit unserm eigenen Leben zusammenhängt, und dadurch die Bilder, die Imagination der Evangelien durch sich selbst erleben kann.

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DRITTER VORTRAG Karlsruhe, 7. Oktober 1911

Was uns zunächst beschäftigen muß, ist das Verhältnis des allge­meinen religiösen Bewußtseins zu jenem Wissen, zu jener Erkenntnis, welche sich der Mensch verschaffen kann von den höheren Welten im allgemeinen und - für unser Thema kommt ja das besonders in Betracht - zu jener Erkenntnis, von der Beziehung des Christus Jesus zu diesen höheren Welten, die zu erlangen ist durch höhere hellseherische Kräfte. Denn Ihnen allen ist ja klar, daß weitaus für die meisten Menschen die Entwickelung des Christentums bisher so war, daß diese Menschen nicht durch eigene hellsichtige Erkenntnis zu den Geheimnissen des christlichen Geschehens kommen konnten. Oder mit anderen Worten: Es muß zugegeben werden, daß das Christentum in unzählige Mensehenherzen eingezogen ist, bis zu einem gewissen Grade in seiner Wesenheit auch von unzähligen Seelen erkannt worden ist, ohne daß diese Herzen und Seelen im­stande gewesen wären hinaufzublieken zu den höheren Welten, um aus der Erkenntnis der höheren Welten eine hellseherische Anschau­ung von dem zu bekommen, was eigentlich mit dem Mysterium von Golgatha und alledem, was damit zusammenhängt, für die Menschheitsentwickelung vorgegangen ist. Wir werden deshalb von der Hinneigung der Religionen und der Erkenntnishinneigung desjenigen Menschen, der noch nichts weiß von übersinnlicher Forschung, zum Christus, genau unterscheiden müssen das, was nur gewußt werden kann entweder durch das hellsichtige Bewußtsein selber oder dadurch, daß man aus irgendwelchem Grunde die Mitteilung der hellseherischen Forscher über die Geheimnisse des Christentums empfängt.

Nun werden Sie alle zugeben, daß im Verlaufe der Jahrhunderte, die vergangen sind seit dem Mysterium von Golgatha, in inniger, tiefer Weise Menschen aller Grade von Geistesbildung sich zu den Geheimnissen des Christentums bekennend gefunden haben. Und Sie werden aus dem, was in den verschiedenen Vorträgen gerade der letzten Zeit gesagt worden ist, den Eindruck erhalten haben, daß

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dies im Grunde genommen eine ganz natürliche Tatsache ist; denn erst im zwanzigsten Jahrhundert - das ist ja immer wieder betont worden - wird in einer gewissen Weise eine Erneuerung des Christus-Ereignisses stattfinden, indem eine gewisse höhere Entwicke­lung der allgemeinen menschlichen Erkenntniskräfte beginnt, und dadurch die Möglichkeit herbeigeführt wird, daß im Laufe der nächsten drei Jahrtausende, auch ohne eine besondere hellseherische Vorbereitung, immer mehr und mehr Menschen eine unmittelbare Anschauung von dem Christus Jesus werden erlangen können. Aber das war eben bis jetzt nicht der Fall. Bis jetzt gab es sozusagen nur zwei - oder wir werden vielleicht gerade heute herausbringen - drei Erkenntnisquellen für die christlichen Geheimnisse bei denjenigen Menschen, die nicht zu hellsichtigen Betrachtungen künstlich aufstiegen.

Die eine Quelle waren die Evangelien und alles, was aus den Mit­teilungen der Evangelien oder der sich daran anschließenden Tradition kommt. Die andere Erkenntnisquelle erfloß dadurch, daß eben immer hellseherische Menschen da waren, die hineinschauen konnten in die höheren Welten und durch ihre eigene Erkenntnis die Tatsachen des Christus-Ereignisses heruntertrugen und daß sich ihnen Menschen anschlossen, gleichsam auf ein immerwährendes Evangelium hin, das durch die hellseherischen Menschen immerdar in die Welt kommen konnte. Das scheinen zunächst die zwei einzigen Quellen zu sein in der bisherigen Entwickelung der christlichen Menschheit.

Und jetzt vom zwanzigsten Jahrhundert ab beginnt eine weitere. Sie tritt dadurch auf, daß bei immer mehr und mehr Menschen eine Erweiterung, eine Erhöhung der nicht durch Meditationen, Konzen­trationen und sonstige Übungen herbeigeführten Erkenntniskräfte stattfindet. Immer mehr und mehr Menschen werden für sich selber erneuern können - wie wir öfter gesagt haben - das Paulus­Ereignis vor Damaskus. Dadurch wird ein Zeitalter beginnen, von dem wir sagen können: es liefert eine direkte Anschauungsweise von der Bedeutung und der Wesenheit des Christus Jesus.

Nun wird natürlich zunächst bei Ihnen die Frage entstehen:

Welches ist denn nun eigentlich der Unterschied zwischen dem, was immer schon möglich war für das hellseherische Bewußtsein, zwischen

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der Anschauung des Christus Jesus, wie sie gestern als eine Folge der esoterischen Entwickelung geschildert worden ist, und dem, was ohne diese esoterische Entwickelung die Menschen sehen werden in den nächsten drei Jahrtausenden, von unserm zwanzigsten Jahrhundert angefangen?

Da ist allerdings ein beträchtlicher Unterschied. Und es würde falsch sein, zu glauben, daß das, was der Hellseher heute durch seine hellseherische Entwickelung in den höheren Welten über das Christus-Ereignis erschaut, und das was die Hellseher seit dem Mysterium von Golgatha über dieses Christus-Ereignis gesehen haben etwa ganz genau dasselbe sei wie das, was da kommen wird als anschaulich für eine immer größere und größere Anzahl von Menschen. Das sind zwei ganz voneinander verschiedene Dinge. Und wenn wir eine Antwort haben wollen auf die Frage, inwiefern diese zwei Dinge verschieden sind, dann können wir sie uns nur dadurch geben, daß verschzuienlchst die hellseherische Forschung fragen: Woher k0mmt es denn überhaupt, daß vom zwanzigsten Jahrhundert ab der Christus Jesus immer mehr hereintreten wird in das gewöhnliche Bewußtsein der Menschen? - Das hat folgenden Grund.

Ebenso wie auf dem physischen Plan im Beginne unserer Zeitrechnung in Palästina ein Ereignis sich abgespielt hat, in welchem der Christus die wesentlichste Rolle spielte, ein Ereignis, das Bedeutung hat für die ganze Menschheit, so wird sich im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts, gegen das Ende des zwanzigsten Jahrhunderts zu, wiederum ein bedeutsames Ereignis abspielen, allerdings nicht in der physischen Welt, sondern in den höheren Welten, und zwar in derjenigen Welt die wir zunächst als die Welt des Ätherischen bezeichnen. Und dieses Ereignis wird ebenso grundlegende Bedeutung für die Entwickelung der Menschheit haben, wie das Ereignis von Palästina im Beginne unserer Zeitrechnung Gerade wie wir sagen müssen: für den Christus selber hatte das Ereignis von Golgatha die Bedeutung, daß eben mit diesem Ereignisse ein Gott gestorben ist, ein Gott den Tod überwunden hat in welcher Weise das zu verstehen ist, darüber werden wir noch sprechen, das war vorher nicht geschehen, und nachher ist es eine vollzogene Tatsache -, so wird

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sich ein Ereignis abspielen von tiefgehender Bedeutung, das nur nicht auf dem physischen Plane sich vollzieht, sondern in der ätherischen Welt. Und dadurch, daß dieses Ereignis sich vollzieht, daß mit dem Christus selber sich ein Ereignis vollzieht, dadurch wird die Möglich­keit geschaffen, daß eben die Menschen den Christus sehen lernen, schauen werden.

Welches ist dieses Ereignis?

Dieses Ereignis ist kein anderes, als daß ein gewisses Amt im Weltenall für die menschheitliche Entwickelung in dem zwanzigsten Jahrhundert übergeht - in einer erhöhteren Weise übergeht, als das bis jetzt der Fall war - an den Christus. Und zwar lehrt uns die okkulte, die hellseherische Forschung, daß in unserm Zeitalter das Wichtige eintritt, daß der Christus der Herr des Karma für die Menschheitsentwickelung wird. Und dies ist der Beginn für dasjenige, was wir auch in den Evangelien mit den Worten angedeutet finden:

Er werde wiederkommen, zu scheiden oder die Krisis herbeizuführen für die Lebendigen und die Toten. - Nur ist im Sinne der okkulten Forschung dieses Ereignis nicht so zu verstehen, als ob es ein ein­maliges Ereignis wäre, das auf dem physischen Plan sich abspielt, sondern es hängt mit der ganzen zukünftigen Entwickelung der Menschheit zusammen. Und während das Christentum und die christliche Entwickelung bisher eine Art von Vorbereitung bedeutet, tritt jetzt das Bedeutsame ein, daß der Christus der Herr des Karma wird, daß ihm es obliegen wird, in der Zukunft zu bestimmen, welches unser karmisches Konto ist, wie unser Soll und Haben im Leben sich zueinander verhalten.

Dies, was jetzt gesagt wird, ist eine gemeinsame Erkenntnis des abendländischen Okkultismus seit vielen Jahrhunderten und wird von keinem Okkultisten, der diese Dinge weiß, geleugnet. Aber es ist insbesondere in den letzten Zeiten mit allen sorgfältigen Mitteln der okkulten Forschung wiederum erneut festgestellt. Und wir wol­len uns einmal eine genauere Vorstellung von dem bilden, was jetzt gesagt worden ist.

Fragen Sie alle diejenigen, welche über diese Dinge etwas Wahr­haftiges wissen, so werden Sie überall eine Tatsache bestätigt finden,

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welche allerdings, um ausgesprochen zu werden, sozusagen unsern jetzigen Zeitpunkt anthroposophischer Entwickelung erst fordert; weil alles, was unser Gemüt geeignet machen kann, um eine solche Tatsache hinzunehmen, erst zusammengetragen werden mußte. Dennoch können Sie selbst in der okkulten Literatur darüber Ausdrücke finden, wenn Sie sie suchen wollen. Aber ich nehme auf die Literatur keine Rücksicht, sondern will nur die entsprechenden Tatsachen heranziehen.

Es mußte bei der Darstellung gewisser Verhältnisse, auch sofern sie von mir gegeben wurde, die Tatsachenwelt geschildert werden, die in Betracht kommt, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes schrei­tet. Nun gibt es eine große Anzahl von Menschen, und vorzugsweise sind es solche, welche die abendländische Kulturentwicklung mit­gemacht haben - diese Dinge sind eben nicht für alle Menschen dieselben -, die eine ganz bestimmte Tatsache erleben in dem Augen­blick, der auf die Trennung des Ätherleibes nach dem Tode folgt. Wir wissen, daß das menschliche Durchschreiten durch die Pforte des Todes so geschieht, daß wir uns abtrennen von dem physischen Leibe. Da ist der Mensch zunächst noch eine Zeitlang mit dem Ätherleibe verbunden; dann aber trennt er sich mit dem Astralleib und Ich auch von dem Ätherleib ab. Wir wissen, daß er von seinem Ätherleibe einen Extrakt mit sich führt; wir wissen aber auch, daß der Ätherleib in der Hauptsache andere Wege geht, im allgemeinen aber mit­geteilt wird dem allgemein Kosmischen. Entweder löst er sich voll­kommen auf, was aber nur bei unvollkommenen Zuständen der Fall wäre, oder aber es verhält sich so, daß er als eine geschlossene Form von Wirkungen weiterkraftet. - Wenn dann der Mensch diesen Ätherleib abgestreift hat, tritt er in die Region des Kamaloka über, in die Läuterungszeit der Seelenwelt. Aber vor diesem Eintritt in die Läuterungszeit der Seelenwelt findet doch ein ganz spezielles Erlebnis statt, auf das bisher, wie gesagt, nicht hingedeutet worden ist, weil die Sache erst reif werden mußte. Aber jetzt werden diese Dinge von allen, die das, was wir hier betrachten wollen, wirklich beurteilen können, voll aufgenommen werden. Da erlebt der Mensch die Begegnung mit einer ganz bestimmten Wesenheit, die ihm sein

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karmisches Konto vorhält. Und diese Individualität, die sozusagen für die Menschen dastand wie eine Art Buchführer der karmischen Mächte, war eben für eine große Anzahl von Menschen die Gestalt des Moses. Daher die mittelalterliche Formel, die aus dem Rosenkreuzertum heraus stammt: Moses halte dem Menschen in der Stunde des Todes - das ist nicht genau gesprochen, aber daran liegt hier nichts - das Sündenregister vor und weise zugleich auf das scharfe Gesetz, damit der Mensch erkennen könne, wie er abgewichen ist von dem scharfen Gesetz, nach dem er sich hätte verhalte; sollen.

Dieses Amt geht im Verlaufe unserer Zeit - und das ist die bedeutungsvolle Sache - über an den Christus Jesus, und der Mensch wird immer mehr und mehr dem Christus Jesus als seinem Richter, als seinem karmischen Richter begegnen. Das ist das übersinnliche Ereignis. Genau ebenso, wie sich auf dem physischen Plan zu Beginn unserer Zeitrechnung das Ereignis von Palästina abgespielt hat, so spielt sich die Übertragung des karmischen Richteramtes an den Christus Jesus in unserm Zeitalter in der nächsthöhere; Welt ab. Und diese Tatsache ist es, die so hereinwirkt in die physische Welt, auf den physischen Plan, daß der Mensch ein Gefühl dafür entwickeln wird in der Art: mit alledem, was er tut, schafft er etwas, gegenüber dem er dem Christus Rechenschaft schuldig sein wird. Und dieses Gefühl, das in einer ganz natürlichen Art im Verlaufe der Mensch­heitsentwickelung nunmehr auftritt, wird sich umgestalten, so daß es die Seele mit einem Lichte durchtränkt, das von dem Menschen selber ausgeht nach und nach, und das beleuchten wird die Christus-Gestalt innerhalb der ätherischen Welt. Und je mehr dieses Gefühl, das eine erhöhtere Bedeutung noch haben wird als das abstrakte Gewissen, sich ausbilden wird, desto mehr wird die Äthergestalt des Christus in den nächsten Jahrhunderten sichtbar werden. Wir werden diese Tatsache in den nächsten Tagen noch genauer zu charakterisiere; haben und werde; dann sehe;: wir haben damit ein ganz neues Ereignis hingestellt, ein Ereignis, welches in die Christus-Entwicke­lung der Menschheit hereinwirkt.

Charakterisieren wir jetzt einmal, wie es mit der Christus-Ent­wickelung auf dem physische; Plan für das nichthellseherische

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Bewußtsein war, indem wir uns fragen: Gibt es nicht vielleicht gegen­über den zwei gekennzeichneten Wegen noch eine; dritten?

Ein solcher dritter Weg war in der Tat für alle christliche Entwicklung immer da, und er mußte ja da sein. Denn die objektive Entwickelung der Menschheit richtete sich ja nicht nach dem, was die Menschen für Meinungen gehabt haben, sonder; eben nach den objektiven Tatsache;. Über den Christus Jesus hat man viele Mei­nungen gehabt im Laufe der Jahrhunderte, sonst hätten die Kon­zilien, die Kirchenversammlungen und die Theologe; nicht so viel miteinander zu streiten gehabt, und vielleicht hat keine Zeit in bezug auf die vielen Menschen zugleich so viel an Anschauungen gehabt von dem Christus, als gerade die unsrigen Aber die Tatsachen richten sich nicht nach den Anschauungen der Menschen, sonder; nach dem, was wirklich an Kräfte; in der Menschheitsentwickelung vorhanden ist. Diese Tatsachen konnten für eine viel größere Anzahl von Menschen erkennbar sein auch durch die bloße Betrachtung dessen, was zum Beispiel in den Evangelien überliefert ist, wenn die Menschen die Geduld und Ausdauer hätten, die Dinge wirklich unbefangen zu betrachten, wenn die Menschen nicht vorschnell und parteiisch wären in der objektiven Betrachtung der Tatsachen. So aber waren die meiste; Menschen darauf aus, sich ein; Christus-Bild nicht nach den Tatsachen zu schaffen, sonder; wie sie es gerne mochten, wie sie es als ihr Ideal hinstellten. Und in einer gewisse; Beziehung, muß man sagen, tun das auch die Theosophen aller Schattierungen heute. Wenn es zum Beispiel innerhalb der theosophischen Literatur populär geworden ist, von höher entwickelte; menschlichen Individualitäten zu sprechen, die einen gewisse; Vorsprung gewonnen haben in der menschlichen Entwickelung, so ist das eine Wahrheit, die niemand bestreiten kann, der konkret denkt. Der Begriff des Meisters, der höheren Individualität, der Begriff selbst des Adepten muß von einem konkrete; Denke; zugegeben werde;. Nur ein Denken, das nicht an die Entwickelung glaubt, würde diese Begriffe nicht zu­geben. Wenn wir nun den Begriff des Meisters oder des Adepten in:

Auge fassen, so müssen wir sagen: diese Individualität ist eine solche die durch viele Inkarnationen hindurchgegangen ist und durch

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Übungen, durch ein; gottseliges Leben etwas anderes erlangt hat als die andern Menschen, so daß sie der Menschheit vorausgeeilt ist und Kräfte sich angeeignet hat, welche die übrige Menschheit sich erst in der Zukunft aneignen wird. Es ist nun selbstverständlich und soll so sein, daß der, welcher aus der theosophische; Erkenntnis eine solche Anschauung von derartige; Individualitäten erlangt, ein; Gefühl höchster Ehrfurcht vor der Individualität der Meister, der Adepten und so weiter erlangt. Und steigen wir von einem solchen Begriff hinauf bis zu einem solch hehren Leben, als das uns das Buddha-­Leben erscheint, so daß wir im Sinne theosophischer Erkenntnis zu­geben: Buddha soll angesehen werden als der höchsten Adepten einer,

- dann werden wir für unsern Verstand wie für unser Gemüt und unsere Empfindungen gegenüber einer solche; Individualität einen Seelengehalt und ein Verhältnis zu ihr gewinnen können.

Indem nun auf dem Boden; einer solchen theosophischen Erkennt­nis und Empfindung der Theosoph sich der Christus-Jesus-Gestalt naht, entsteht bei ihm selbstverständlich ein gewisses Bedürfnis - man wird gar nicht leugnen können, daß es in einem gewissen Sinne ganz begreiflich ist, daß ein solches Bedürfnis entsteht -, ein Bedürf­nis, das darin besteht, daß er seine; Christus Jesus mit demselben Idealbegriff verbindet, den er sich von einem Meister, von einem Adepten, vielleicht von unserm Buddha gemacht hat. Und er wird vielleicht gedrängt zu sagen, Jesus von Nazareth muß ebenso vor­gestellt werden als ein großer Adept! Dieses Vorurteil würde die Erkenntnis des wirklichen christlichen Wesens auf den Kopf stellen. Und es wäre nur ein Vorurteil, wenn auch ein begreifliches Vorurteil. Den; wie soll der, welcher das tiefste, intimste Verhältnis zu dem Christus gewonnen hat, den Träger des Christus-Wesens nicht in die­selbe Linie stelle; mit dem Meister, mit dem Adepten, mit dem Buddha zum Beispiel? Wie sollte er das nicht? Das muß uns ganz begreiflich erscheine;. Vielleicht würde es einem solchen als eine Her­abwürdigung des Jesus von Nazareth erscheinen, wenn man es nicht machte. - Dadurch wird man davon abgelenkt, sich nach den Tat­sachen zu richten, wie sie wenigstens in der Überlieferung durch-sickern.

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Eines könnte jeder aus den Tatsachen der Überlieferung erkenne;, wenn er nur eingehe; würde auf das, was man trotz aller Konzilien-meinungen und trotz alles dessen, was die einzelnen Menschen als Kirchenväter, Kirchenlehrer und so weiter geschrieben habe;, bei unbefangener Betrachtung der Überlieferung gewahr werden kann, was durch die Überlieferungen durchsickert: daß der Jesus von Naza­reth zum Beispiel nicht ein Adept genannt werden darf. Denn jeder könnte sich fragen: Wo ist in der Überlieferung etwas davon ent­halten, was den Begriff des Adepten, wie wir ihn in der theoso­phischen Lehre haben, auf den Jesus von Nazareth anwenden läßt?

- Das eine wurde gerade in den ersten Zeiten des Christentums be­tont: daß derjenige, der Jesus von Nazareth genannt wird,ein Mensch war wie jeder andere, ein schwacher Mensch wie jeder andere. Und diejenige; kommen dem Sinn dessen, der in die Welt gekommen ist, am nächsten, die das Wort vertreten: Jesus war ein wahrer Mensch! Also nichts von einem Adeptenbegriff ist eigentlich in der Über­lieferung, wenn wir sie ordentlich betrachten, zu erkenne;. Und wenn Sie sich an alles erinnern, was in den verflossene; Vorträge; gesagt worden ist über die Entwickelung des Jesus von Nazareth - über die Entwickelung des einen Jesusk;aben, in dem Zarathustra bis zum zwölften Jahre gelebt hat, und über die Entwickelung des anderen Jesusknaben, in welchem Zarathustra da;; bis zum dreißigste; Jahre gelebt hat -, so werden Sie sich zwar sage;: da hat man es mit einem besonderen Menschen zu tun, mit einem Menschen, zu dessen Wesen sozusagen die Weltgeschichte, die Weltentwickelung die größ­ten Anstalten machte schon dadurch, daß sie zwei menschliche Leiber schafft und den eine; menschliche; Leib bis zum zwölfte; Jahre, den anderen vom zwölfte; bis zum dreißigste; Jahre bewohnt sein läßt von der Zarathustra-Individualität -, aber wir werden uns auch sagen: dadurch, daß diese zwei Jesus-Gestalten so bedeutende I;di­vidualitäten waren, stand der Jesus von Nazareth auch hoch, ist aber nicht auf demselben Wege wie eine Adepten-Individualität, die kontinuierlich von Inkarnation zu Inkarnation schreitet, hochgestie-gen. Doch selbst abgesehen davon: im dreißigste; Jahre, wo die Christus-Individualität in den Leib des Jesus von Nazareth einzieht,

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verläßt ja gerade der Jesus von Nazareth diesen Leib, und wir habe; es von dem Moment der Johannes-Taufe ab zu tun - wenn wir jetzt nicht von dem Christus sprechen - mit einem Menschen, den wir im wahrsten Sinne des Wortes als eine; bloße; Menschen zu bezeichne; haben, nur daß er der Träger des Christus ist. Aber wir haben zu unterscheide; den Träger des Christus - und den Christus selbst in diesem Träger. In diesem Leib, der der Christus-Träger ist, wohnte, weil sie von der Zarathustra-I;dividualität verlassen ist, keine menschliche Individualität, die etwa eine besonders hohe Ent­wickelung erlangt hatte. Die Entwickelung, die der Jesus von Naza­reth zeigte, diese Entwickelungsstufe rührte davon her, daß die Zarathustra-Individualität in ihm wohnte. Aber diese menschliche Natur ist von der Zarathustra-Individualität, wie wir wissen, ver­lasse;. Deshalb war es auch, warum diese menschliche Natur sogleich, als die Christus-Individualität von ihr Besitz ergriffen hatte, ihr alles das entgegensandte, was sonst aus der menschliche; Natur heraus­kommt: den Versucher. Deshalb war es auch, daß der Christus alle Verzweiflung und alle Sorgen durchmachen konnte, wie sie uns als die Vorgänge auf dem Olberg geschildert werde;. Wer außer acht läßt, daß die Christus-Wesenheit nicht in einem Menschen gewohnt hat, der eine besondere Adeptenhöhe erlangt hatte, sondern in einem einfachen Menschen, der sich dadurch von den andern unterschied, daß er nur der zurückgelassene menschliche Hüllenorganismus war, in dem Zarathustra gelebt haue, wer das nicht beachtet, der kann nicht zu einer wirklichen Erkenntnis des Wesens des Christus vor-dringe;. Was der Christus-Träger war, ist wahrer Mensch, ist nicht ein Adept! Dadurch aber, daß wir das erkennen, wird sich uns erst ein wenig Aussicht eröffnen auf die ganze Natur des Golgatha- und des Palästina-Ereignisses überhaupt. Würde; wir den Christus Jesus einfach als einen hohen Adepten auffassen, so würden wir ihn in eine Linie stellen müssen mit anderen Adepten-Naturen. Wir tun das nicht. Es mag vielleicht solche Leute geben, die uns sagen: Wir tun das nicht, weil wir von vornherein aus irgendeinem Vorurteil heraus den Christus Jesus über alle andere; Adepten als einen noch höheren Adepten stelle; wollen. Die das sagen würden, wüßten nicht, was wir

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als die Ergebnisse der okkulten Forschung in unserer Zeit verkün­digen müsse;.

Nicht darum handelt es sich, daß dadurch das allergeringste den andere; Adepten entzogen würde. Innerhalb der Weltanschauung, der wir angehören nach den okkulten Ergebnissen der Gegenwart, wisse; wir es ebensogut als andere, daß als Zeitgenosse des Christus Jesus eine andere bedeutende Individualität dastand, von der wir sagen:

sie war ein wirklicher Adept. Und es wird uns sogar schwierig, wenn wir nicht auf die genaueren Tatsachen eingehen, dieses Menschenwesen innerlich von dem Christus Jesus zu unterscheiden; denn es nimmt sich dieser Zeitgenosse wirklich ganz ähnlich aus. Wenn wir da zum Beispiel hören, daß dieser Zeitgenosse des Christus Jesus angekündigt wird durch eine himmlische Erscheinung vor seiner Geburt, so er­innert uns das an die Ankündigung des Jesus in den Evangelien. Wenn wir hören, daß dieser Zeitgenosse nicht bloß genannt werden dürfte als aus menschlichem Samen stammend, sondern als ein Sohn der Götter, so erinnert es uns wieder an den Anfang des Matthäus-und des Lukas-Evangeliums. Wenn wir dann höre;, daß die Geburt dieser Individualitat die Mutter überrascht, so daß sie überwältigt war, so erinnert uns das an die Geburt des Jesus von Nazareth und an die Ereignisse in Bethlehem, wie sie in den Evangelien erzählt werden. Wenn wir dann hören, daß diese Individualität heranwächst und in ihr er Umgebung durch weise Antworten auf die Fragen der Priester alle überrascht, so erinnert dies an die Szene des zwölf­jährige; Jesus im Tempel. Und wenn uns dann gar erzählt wird:

diese Individualität kam nach Rom, begegnete dort dem Leichenzuge eines jungen Mädchens, der Leichenzug wurde zum Stehen gebracht, und diese Individualität weckte die Tote auf, so erinnert uns das wieder an eine Totenauferweckung im Lukas-Evangelium. Und un­zählige Wunder, wenn wir von Wundern sprechen wollen, werden uns erzählt von dieser Individualität, die der Zeitgenosse des Christus Jesus ist. Ja, bis zu dem Grade ähnlich ist sie dem Christus Jesus, daß von ihr erzählt wird, daß sie nach dem Tode den Menschen erschien, wie der Christus Jesus nach dem Tode den Jüngern erschien. Und wenn von christlicher Seite alle mögliche; Gründe vorgebracht werden,

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entweder um von dieser Wese;heit geri;g zu sprechen, oder sie gar als historische Persö;lichkeit zu leugnen, so ist das ;icht minder geistreich als das, was gegen die Historität des Christus Jesus selber vorgebracht wird. Diese Individualität ist die des Apollonius von Tyana, und von ihm spreche; wir als von einem wirklichen hohen Adepten, der der Zeitgenosse des Christus Jesus war.

Wenn wir uns jetzt fragen: worauf kommt es nun an beim Unter­schiede des Christus-Jesus-Erlebnisses und des Apollonius-Erlebnis­ses? so müssen wir uns dazu einmal klarmachen, worauf es beim Apollonius-Erlebnis ankommt.

Apollonius von Tyana ist eine Individualität, die viele Inkarna­tionen durchgemacht hat, sich hohe Kräfte errungen hat und eine; gewissen Höhepunkt zeigt in der Inkarnation, die sich im Beginne unserer Zeitrechnung abspielte. Diese Individualität, die wir über­schaue;, wie sie durch viele Inkarnationen der Vorzeit geht, sie ist da, als sie sich in dem Leibe des Apollonius von Tyana auslebt, auf ihrem irdische; Schauplatz. Mit der haben wir es zu tun. Und weil wir wissen, daß eine menschliche Individualität beteiligt ist an dem Aufbau des menschliche; Leibes, daß das nicht einfach eine Zweiheit ist, sondern daß sich die menschliche Individualität erarbeitet die Gestalt, die Form, wie dieser Leib ist, so müssen wir sagen: Es war der Leib dieser Individualität bis zu einer gewissen Form im Sinne dieser Individualität aufgebaut. Das können wir in bezug auf den Christus Jesus nicht sage. Der Christus kam im dreißigste; Jahre des Jesus von Nazareth in den physischen Leib, Ätherleib und Astral­leib hinein, hat sich also nicht von Kindheit an diesen Leib auferbaut. Wir haben es also da mit einem ganz anderen Verhältnis der Christus-Individualität zu dem Leib zu tun, als bei der Apollonius-Individua­lität zu ihrem Leib. Wenn wir im Geiste unsern Blick hinwenden nach jener Individualität des Apollonius von Tyana, so sagen wir uns: Es ist eine Angelegenheit dieser Individualität, und diese An­gelegenheit spielt sich ab als das Leben des Apollonius von Tyana. Und wollte; wir uns eine graphische Zeichnung machen, etwa durch ein äußeres Zeichen einen solchen Lebensgang andeuten, so könnten wir das in folgender Weise machen.

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Die fortlaufende Individualität sei angedeutet durch die horizon­tale Linie; dann haben wir in a eine erste Inkarnation, darauf in b ein Leben zwischen Tod und neuer Geburt, dann in c eine zweite

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Inkarnation, darauf wieder ein Leben zwischen Tod und neuer Ge­burt, dann eine dritte Inkarnation und so weiter. Das, was sich da hindurdizieht durch alle diese Inkarnationen, die menschliche Indi­vidualität, die steht gleichsam wie der Faden des menschlichen Lebens außerhalb des Bereiches der Hüllen, außerhalb der Hülle des Astral­leibes, Ätherleibes und physischen Leibes - aber auch zwischen Tod und neuer Geburt außerhalb dessen, was zurückbleibt vom Ätherleib und Astralleib, und dadurch ist der Lebensfaden immerdar abge­schlossen von dem, was der äußere Kosmos ist.

Wollen wir uns das Wesen des Christus-Lebens charakterisieren, so müssen wir das anders machen.

Da müssen wir sagen: dieses Christus-Leben, wenn wir jetzt auf die vorhergehenden Inkarnationen des Jesus von Nazareth schauen, entwickelt sich allerdings auch so in einer gewissen Weise. Wenn wir aber den Lebensfaden ziehen, so müssen wir sagen: Im dreißigsten Jahre des Lebens des Jesus von Nazareth verläßt die Individualität diesen Leib, so daß wir von jetzt ab nur die Hülle des physischen Leibes, des Ätherleibes und des astralischen Leibes haben. Die Kräfte aber, welche die Individualität entwickelt, liegen nicht in den äußeren Hüllen, sondern sie liegen in dem Lebensfaden des Ich, der von Inkarnation zu Inkarnation geht. Also etwa die Kräfte, die einer Zarathustra-Individualität angehörten, die zur Vorbereitung in dem

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Leib des Jesus von Nazareth waren, sie gehe; fort mit der Zara­thustra-Individualität. Deshalb werde; wir sage;: Was jetzt als Hülle da ist, das ist eine normale menschliche Organisation, ist aber keine menschliche Organisation, die - insofern die Individualität in Be-tracht kommt - etwa eine Adepten-Organisation zu nennen wäre, sondern sie ist einfacher Mensch, schwacher Mensch. Und nun tritt das objektive Ereignis ein: während sonst der Lebensfaden einfach weiter geht wie bei a und b, geht er jetzt bei c einen Seitenweg; dafür

# Bild s. 88

aber tritt durch die Johannes-Taufe im Jordan die Christus-Wesenheit in die dreifache Organisation ein Diese Christus-Wesenheit lebt bis zum dreiu;ddreißigsten Jahre, bis zum Ereignis von Golgatha, von der Johannes-Taufe ab, nurmehr als die Christus-Wesenheit, wie wir es öfter beschrieben haben. Wessen Angelegenheit also ist denn das Leben des Christus Jesus vom dreißigste; bis zum dreiu;ddreißigste; Jahre? Es ist nicht die Angelegenheit der Individualität, die von Inkarnation zu Inkarnation gegangen ist, sondern die Angelegenheit derjenige; Individualität, die aus dem Kosmos in den Leib des Jesus von Nazareth eingezogen ist, die Angelegenheit einer Individualität, einer Wesenheit, die nie vorher mit der Erde verbunden war, die aus dem Weltenall herein sich mit einem menschlichen Leib verbunden hat. In diesem Sinne sind die Ereignisse, die sich abspielen zwischen dem dreißigste; und dreiu;ddreißigsten Jahre des Lebens des Christus Jesus, das heißt zwischen der Johannes-Taufe und dem

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Mysterium von Golgatha, die Ereignisse des Gottes Christus, nicht die Ereignisse eines Menschen. Daher ist es nlcht eine Angelegenheit der Erde, die sich hier abspielt, sondern eine Angelegenheit der über­smnlichen Welt; denn es hatte mit keinem Menschen etwas zu tun. Zum Zeichen dafür, daß es mit keinem Menschen etwas zu tun hatte, hat derjenige Mensch, der diesen Leib bis zum dreißigsten Jahre bewohnt hat, diesen Leib verlassen.

Was da geschieht, hat zunächst etwas mit jenen Ereignissen zu tun, die sich abgespielt haben, bevor überhaupt ein solcher Lebensfaden wie der unserige menschliche in eine physische menschliche Organi­sation hineingezogen ist. Wir müssen zurückgehen bis in die alte lemurische Zeit, in jenes Zeitalter, da zum ersten Male menschliche Individualitäten, aus den göttlichen Höhen herabsteigend, sich in irdische Leiber verkörperten, bis zu jenem Ereignis, das uns angedeu­tet wird im Alten Testament als die Verführung durch die Schlange. Dieses Ereignis ist sehr merkwürdiger Art. An den Folgen dieses Ereignisses litten alle Menschen, während sie sich verkörperten. Denn wäre dieses Ereignis nicht gekommen, so würde die ganze Entwicke­lung der Menschheit auf der Erde eine andere geworden sein, und die Menschen würden in einem viel vollkommeneren Zustande von Inkar-nation zu Inkarnation gegangen sein. Sie sind aber durch dieses Ereignis tiefer in die Materie verstrickt worden, was allegorisch be­zeichnet wird mit dem Sündenfall. Der Sündenfall aber ist es erst, der den Menschen aufgerufen hat zu seiner jetzigen Individualität; so daß der Mensch, wie er als Individualität von Inkarnation zu Inkarnation geht, nicht für den Sündenfall verantwortlich ist. Wir wissen aber, daß die luziferischen Geister für den Sündenfall verant­wortlich sind. Deshalb müssen wir sagen: Bevor der Mensch im irdischen Sinne zum Menschen geworden ist, war das göttliche, das übersinnliche Ereignis geschehen, durch das dem Menschen ein tieferes Verstricktwerden mit der Materie auferlegt worden ist. Durch dieses Ereignis ist der Mensch zwar zur Kraft der Liebe und zur Freiheit gekommen, aber es ist ihm dadurch etwas auferlegt worden, was er nicht durch eigene Kraft sich auferlegen konnte. Dieses Verstrickt-werden in die Materie war nicht eine menschliche Tat, sondern eine

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Gottestat, die geschehe; ist, bevor die Me;schen mittu; konnte; an ihrem Schicksal. Das ist etwas, was die höhere; Mächte der fort­laufe;de; Entwickelung mit den luziferische; Mächte; abgemacht haben. Wir werde; auf alle diese Ereignisse noch genauer charak­terisierend einzugehen haben und wolle; sie heute nur der Haupt­sache nach vor unsere Seele stelle;.

Was damals geschehe; war, brauchte einen Ausgleich. Die vor-menschliche, im Menschen geschehene Tatsache - der Sündenfall -brauchte einen Ausgleich; etwas, was sozusagen wiederum nicht eine Angelegenheit der Menschen war, sonder; eine Angelegenheit der Göt­ter untereinander. Und wir werden sehen, daß sich diese Angelegen­heit so tief unterhalb der Materie abspielen mußte, wie sich die andere Angelegenheit, bevor der Mensch sich in die Materie verstrickt hatte, über der Materie abgespielt hat. Der Gott mußte so tief in die Materie eintauchen, als er die Menschen hat in dieselbe versinke; lassen.

Lasse; Sie diese Tatsache in ihrer ganzen Schwere auf sich wirken, dann werden Sie begreifen, daß diese Inkarnation des Christus in dem Jesus von Nazareth eine Angelegenheit des Christus selber war. Und wozu war der Mensch dabei berufen? Zunächst um zuzuschauen, wie der Gott die Tat des Sündenfalles wieder ausgleicht, wie er ihre Gegentat schafft. Das zu tun wäre nicht möglich gewesen innerhalb einer Adeptenpersönlichkeit; denn eine Adeptenpersönlichkeit hat sich durch sich selbst wieder heraufgearbeitet aus dem Fall in die Materie. Das war nur möglich in einer Persönlichkeit, die ganz wahrer Mensch war, die als Mensch nicht die andere; Menschen über­ragte. Sie hat sie überragt, bevor sie dreißig Jahre alt geworden ist, aber dann nicht mehr. Durch das, was da geschehen ist, ist also ebenso ein göttliches Ereignis der Menschheitsentwickelung mitgeteilt wor­den, wie am Anfang der Menschheitsentwickelung in der lemurischen Zeit. Und die Menschen waren Teilnehmer einer Angelegenheit, die sich unter Göttern abgespielt hat, konnte; sie anschauen, weil die Götter zu Hilfe nehmen mußten die Welt des physischen Planes, um diese ihre Angelegenheit sich abspielen zu lassen. Deshalb sagt man also viel besser: der Christus brachte den Göttern die Sühne dar, die er nur darbringen konnte in einem physischen Menschenleib - als

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daß man irgendeine andere Formel gebraucht. Und ei; Zuschauen bei einer göttlichen Angelegenheit ist es für den Menschen.

Damit war für die menschliche Natur etwas geschehen. Das haben die Menschen einfach in ihrer Entwickelung empfunden. Und damit eröffnete sich der dritte Weg, der eben möglich war neben den zwei angedeuteten. Diese drei Wege haben in ihrer Christlichkeit tief-gehende Menschen oftmals angedeutet. Ich will aus der großen Reihe heraus, die genannt werden könnte, nur zwei Menschen nennen, die in ganz hervorragender Weise Zeugnis dafür abgelegt haben, daß der Christus - der vom zwanzigsten Jahrhundert ab geschaut werden wird durch die höher entwickelten menschlichen Fähigkeiten - durch die Empfindungen, die vor dem Ereignis von Golgatha nicht in der­selben Form möglich waren, erkannt, gefühlt, erlebt werden kann.

Da ist zum Beispiel derjenige Geist, der in seiner ganzen Seelen-entwickelung als ein scharfer Gegner dessen angesehen werden kann, was wir charakterisiert haben als den Jesuitismus: Blaise Pascal, der groß dasteht in der Geistesentwickelung, wie ein Geist, der alles abgelegt hat, was an Schäden der alten Kirchen heraufgekommen ist, der aber auch nichts von dem modernen Rationalismus aufgenommen hat. Wie große Geister immer, so ist auch er im Grunde genommen einsam geblieben mit seinen Gedanken. Aber was liegt seinen Ge­danken im Beginne der neueren Zeit zugrunde? Wenn man darauf eingeht, sieht man aus den Schriften, die er hinterlassen hat nament lich aus seinen anregende; «Gedanken», die fur jeden leicht zu gänglich sind, da sie in der Reclamschen Universal Bibliothek er schienen sind, was er daruber empfand wie die Menschen hatte; werden musse;, wenn das Christus Ereignis nicht in die Welt ge kommen ware. Im Geheimen seiner Seele hat sich Pascal die Frage vorgehalten: Was wäre aus den Menschen geworden, wen; kein Christus in die Menschheitsentwickelung eingegriffen hätte? Und er hat sich gesagt: Das können wir fühlen, daß der Mensch in seiner Seele zwei Gefahren entgegengeht. Die eine Gefahr liegt darin, daß der Mensch den Gott erkennt als mit seiner eigenen Wesenheit identisch: Gottes-Erkenntnis in der Menschheits-Erkenntnis. Wozu führt sie? Wenn sie nur so auftritt, daß der Mensch den Gott selbst

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erkennt, so führt sie zum Stolz, zum Hochmut, zum Übermut; und der Mensch vernichtet seine besten Kräfte, weil er sie verhärtet im Hodimut und Stolz. Das wäre eine Gottes-Erkenntnis, die immer möglich gewesen wäre, auch wenn kein Christus gekommen wäre, wenn das Christus-Ereignis nicht als ein Impuls in alle; Menschen-herzen gewirkt hätte. Gott hätten die Menschen immer erkennen können, aber stolz wären sie geworden durch das Bewußtsein in ihrer eigene; Brust. Oder aber es hätte Menschen geben könne;, die sich gegen die Gottes-Erkenntnis verschließen, die nicht den Gott erken­ne; wolle;. Deren Blick fällt nun auf etwas anderes: auf die mensch­liche Ohnmacht, auf das menschliche Elend - und dann folgt not­wendig die menschliche Verzweiflung. Das wäre die andere Gefahr gewesen, die Gefahr derer, die die Gottes-Erkenntnis abgelehnt hät­ten. Diese zwei Wege, sagt Pascal, sind nur möglich: Stolz und Hochmut - oder Verzweiflung. Da trat das Christus-Ereignis in die Me;schheitsentwickelung und bewirkte, daß jeder Mensch eine Kraft einpfi;g, die ihn nicht nur den Gott empfinde; läßt, sonder; den­jenigen Gott, der mit den Menschen gleich gewesen ist, der mit den Menschen gelebt hat. Das ist die einzige Heilung des Stolzes, wen; man den Blick hinrichtet auf den Gott, der sich dem Kreuze gebeugt hat; wenn die Seele hinblickt auf den unter dem Kreuzestode sich beugenden Christus. Das ist aber auch der einzige Heiler von aller Verzweiflung. Denn diese Demut ist nicht eine, die schwach macht, sondern die eine Kraft gibt, die über alle Verzweiflung heilend hin­ausgeht. Als der Mittler zwischen Stolz und Verzweiflung dämmert auf in der Menschenseele der Helfer, der Heiland, im Sinne eines Pascal. Das kann aber jeder Mensch fühlen, auch ohne Hellsehen. Und das ist die Vorbereitung für den Christus, der vom zwanzigsten Jahrhundert ab für alle Menschen sichtbar sein wird, der als der Heiler für Stolz und Verzweiflung in jeder Menschenbrust aufer­stehen wird, der nur eben früher nicht in derselben Art gefühlt werden konnte.

Und der zweite Zeuge, den ich aufrufen möchte aus der großen Reihe der Menschen, die dies fühle;, was jedem Christen eigen sein kann, ist der in manchem andere; Zusammenhange schon erwähnte

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Wiadimir Solowjow. Solowjow wieder weist hin auf zwei Kräfte in der Menschennatur, zwischen denen als der Mittler der persönliche Christus drinnenstehe; soll. Er sagt: Ei; Zweifaches ist es wonach sich die Menschenseele sehnt: nach Unsterblichkeit und nach'Weisheit oder sittlicher Vervollkommnung. Beide aber sind nicht von vorn herein der menschlichen Natur eigen Den; die menschliche Natur teilt die Eigentumlichkeit aller Naturen, und die Natur fuhrt nicht zur Unsterblichkeit, sondern zum Tode Und in schone; Betrach tunge; fuhrt nun der große Denker der Gegenwart aus, wie auch die äußere Wissenschaft zeigt, wie sich der Tod uber alles breitet Schauen wir also in die außere Natur, so antwortet sie unserer Er­kenntnis: der Tod ist! In uns aber lebt die Sehnsucht nach Unsterb­lichkeit. Warum? weil die Sehnsucht nach Vervollkommnung in uns lebt. Und um zu sehen, daß die Sehnsucht nach Vervollkommnung in uns lebt, dazu gehört nur ein Blick in die menschliche Seele Ebenso wahr, sagt Solowjow, wie die rote Rose mit der roten Farbe behaftet ist, ebenso wahr ist die menschliche Seele behaftet mit der Sehnsucht nach Vervollkommnung Ein Vollkomme;heitsstreben aber ohne Sehnsucht nach Unsterblichkeit ist die Luge des Daseins, meint Solow jow. Denn unsinnig ware es, wenn die Seele wie alles Naturdasein mit dem Tode enden wurde Aber alles Naturdasein antwortet uns der Tod ist! Daher ist die menschliche Seele genotigt, uber das Natur dasein hinauszugehen, um die Antwort sich anderswo zu suchen im Sinne des genannten Philosophen. Und er sagt nun: Sehet hin auf die Naturforscher. was gebe; sie euch für eine Antwort, wenn sie den Zusammenhang der menschliche; Seele mit der Natur lehren wollen? Eine mechanische Naturordnung, sagen sie, waltet, und der Mensch ist darin eingefügt. Und was antworten euch die Philosophen: Eine leere abstrakte Gedankenwelt durchziehe alle Naturtatsachen als das Geistige, was philosophisch zu erkennen ist. Beides ist keine Antwort, wenn der Mensch sich bewußt wird und aus diesem Bewußtsein heraus frägt: Was ist Vervollkommnung? - Wenn er sich bewußt wird, daß er die Sehnsucht nach Vervollkommnung, nach Wahrheits-leben habe; muß, und wenn er nach der Kraft fragt, welche ihm diese Sehnsucht befriedigen kann, da eröffnet sich ihm der Ausblick

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auf ei; Reich, das zu;ächst dasteht wie eine Frage, das da sei; muß für die me;schliche Seele wie ei;e Rätselfrage, ohne deren Realisie­rung sich die menschliche Seele nur für eine Lüge halte; kann: das Reich der Gnade über der Natur. Das Reich der Gnade kann keine Philosophie, keine Naturwissenschaft mit dem Dasein verbinden; denn die Naturkräfte wirke; mechanisch, und die Gedankenkräfte haben nur Gedankenrealität. Was aber hat eine volle Realität, um die Seele zu verbinden mit der Unsterblichkeit? Das hat der in der Welt wirkende persönliche Christus. Und nur der lebendige Christus, nicht der bloß gedachte, kann die Antwort geben. Der bloß in der Seele wirkende ließe ja die Seele doch allein; denn die Seele kann sich nicht allein das Reich der Gnade gebären. Was über die Natur hin­ausgeht, was als eine reale Tatsache dasteht wie die Natur selber: der persönliche, der historische Christus, der ist es, der nicht eine Gedan­kenantwort, sondern eine reale Antwort gibt.

Und jetzt kommt dieser Philosoph zu derjenige; Antwort, die die äußerste, die geistvollste ist, die gegeben werde; kann am Ende des Zeitalters, das unmittelbar abschließt, bevor die Tore sich öffnen im zwanzigsten Jahrhundert zu dem, was Ihnen so oft angedeutet wor­den ist: Es wird ei; Schaue; des Christus sein, was im zwanzigsten Jahrhundert seine; Ausgangspunkt nehmen wird.

Und diese Tatsache fühlend, nannte man jenes Bewußtsein, das Pascal und Solowjow klassisch geschildert haben, einen Glauben. So habe; es auch die anderen genannt. Mit dem Glaubensbegriff kann man in bezug auf die menschliche Seele nach zwei Richtungen hin in eine; sonderbare; Konflikt kommen. Gehen Sie die Entwicklung des Glaubensbegriffes durch, und sehen Sie sich die Kritik an in bezug auf den Glaubensbegriff. Heute ist man so weit, daß man sagt, es müsse der Glaube durch das Wissen gelenkt werden, und es müsse ein Glaube abgelehnt werden, der sich nicht auf ei; Wissen stützt. Der Glaube soll sozusagen abgesetzt werden und ersetzt werden durch ein Wisse;. Im Mittelalter stellte man gerade die Gegenstände der höhe­re; Welten als Glaube; hin und man betrachtete den Glauben als etwas Berechtigtes. Das ist auch der Grundnerv des Protestantismus, daß der Glaube neben dem Wissen als etwas Berechtigtes angesehen

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wird. So ist der Glaube etwas, was aus der menschlichen Seele hervor­geht, neben den das Wissen hingestellt ist, das für alle gemeinschaft­lich sei; soll. Es ist interessant noch zu sehen, wie über diesen Glau­bensbegriff ein Philosoph, den viele für einen großen halten, nicht hinausgekommen ist: Kant. Denn sein Glaube;sbegriff geht dahin, daß der Mensch das, was er über solche Dinge wie Gott, Unsterblich­keit und so weiter gewinnen soll, hereinleuchten haben soll aus ganz andere; Regionen; aber nur durch einen sittliche; Glauben, nicht durch ein Wissen.

Die höchste Ausbildung erlangt der Glaubensbegriff gerade bei demjenigen Philosophen, den ich Ihnen eben genannt habe, bei Solowjow, der als der bedeutendste vor dem Toresschluß erscheint, schon sozusagen hineinweisend in die neuere Welt. Denn Solowjow kennt eine; ganz anderen Glauben, als alle Glaube;sbegriffe bisher waren. Wozu hat der bisherige Glaube;sbegriff die Menschheit ge­führt? Er hat die Menschheit eben gebracht zu der atheistisch-mate­rialistischen Forderung nach bloßem Wissen der äußeren Welt -sagen wir im lutherische;, im kantischen oder im Sinne des Monismus des neunzehnten Jahrhunderts - nach dem Wissen, das auf das Wissen pocht und den Glauben als etwas betrachtet, was die Men­schenseele bis zu einem gewisse; Zeitpunkte aus der notwendige; Schwäche heraus sich gebildet hat. Dazu ist der Glaubensbegriff end­lich gekommen, weil er als ei; bloß Subjektives gegolten hat. Hatte man in den vorhergehende; Jahrhunderten den Glaube; noch ge­fordert als eine Notwendigkeit, das neunzehnte Jahrhundert hat den Glauben gerade deshalb angegriffen, weil er im Gegensatz sich befinde zu dem Wisse;, das als ein allgemein gültiges aus der menschlichen Seele stammen soll.

Und nun kommt ein Philosoph, der in einer gewissen Weise an­erkennt den Glaube;sbegriff, um zu dem Christus ein Verhältnis zu gewinnen, das bisher nicht möglich war, der aber nun die Sache so ansieht, daß er in diesem Glauben, insofern er sich auf den Christus bezieht, eine Tat der Notwendigkeit, der inneren Pflicht anerkennt. Denn für Solowjow heißt der Gegensatz jetzt nicht: «Glauben - oder nicht glauben», sondern für ihn wird jetzt der Glaube eine Notwendigkeit

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durch sich selbst. Er meint, wir sind verpflichtet an den Christus zu glaube;, weil wir uns sonst selbst aufhebe; und unser Dasein als eine Lüge bezeichnen müßten. Wie die Kristallgestalt bei einer mineralischen Substanz, so tritt der Glaube auf in der mensch­liche; Seele als ihre eigentliche Natur. Daher muß die Seele sagen:

Erkenne ich die Wahrheit an - und nicht die Lüge von mir selber, dann muß ich in meiner eigene; Seele den Glaube; realisieren. Ich bin zu dem Glauben verpflichtet; aber ich kann nicht anders dazu kommen als durch meine eigene freie Tat. - Und darin sieht Solow­jow gleichsam das Auszeichnende der Christus-Tat, daß der Glaube zugleich eine Notwendigkeit und zugleich eine sittlich freie Tat ist. Es wird der Seele gleichsam gesagt: Du kannst gar nicht anders, wenn du dich nicht selbst auslöschen willst: den Glauben mußt du dir erwerben; aber er muß deine eigene freie Tat sein! Und ebenso wie Pascal bringt dieser Philosoph das, was da die Seele erlebt, um sich nicht als Lüge zu empfinden, in Zusammenhang mit dem historischen Christus Jesus, wie er durch die Ereignisse in Palästina eingetreten ist in die Menschheitsentwickelung. Deshalb sagt Solowjow: Wäre Chri­stus nicht eingetreten in die menschliche Entwickelung, wie er als historischer Christus gedacht werde; muß, hätte er nicht gebracht, daß die Seele sowohl die innerlich freie Tat wie auch die gesetzliche Notwendigkeit des Glaubens empfindet, so würde die menschliche Seele in der nachchristlichen Zeit verpflichtet sein, sich selber auszu­löschen und nicht zu sagen: Ich bin, sondern zu sagen: Ich bin nicht! -Das wäre im Sinne dieses Philosophen die Entwickelung in der nach­christlichen Zeit gewesen, daß ein inneres Bewußtsein die Menschen-seele durchdrungen hätte von dem «Ich bin nicht»! In dem Auge;-blicke, wo die Seele sich aufrafft zu der Tat, das Sein sich selbst bei-zulegen, kann sie nicht anders als sich zurückzuführen auf den histo­rischen Christus Jesus.

Damit haben wir auch für die äußere Exoterik in Feststellung des dritten Weges einen Fortschritt auf dem Glaubensweg. Durch die Evangeliennachrichten kann der, welcher nicht selber in die geistige Welt schaut, zur Anerkennung des Christus kommen. Durch das, was das hellseherische Bewußtsein ihm immer sagen konnte, kann er

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ebenfalls zur Anerkennung des Christus komme;. Aber es gab eigentlich drei Wege: den der Selbsterkenntnis noch, und der führt -wie uns diese angeführten Zeugen sagen könne; als das, was sie selbst mit viele; Tausenden und aber Tausenden von Menschen erlebt habe; - der führt zu der Erkenntnis, daß die menschliche Selbst­erkenntnis in der nachchristlichen Zeit ohne das Hinstelle; des Christus Jesus neben den Menschen eine Unmöglichkeit ist; daß sich die Seele entweder selbst verneinen muß, oder wen; sie sich bejahe; will, mit sich selbst den Christus Jesus bejahen wird.

Warum das in der vorchristlichen Zeit nicht so war, davon in den nächsten Tagen.

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VIERTER VORTRAG Karlsruhe, 8. Oktober 1911

Wenn Sie sidi erinnern, womit wir gestern unsere Betrachtung geschlossen haben, so können Sie das Resultat dieser Betrachtung vielleicht in die Worte zusammenfassen: von den Ereignissen in Palästina, von dem Mysterium von Golgatha an bis zum Anbruch derjenigen Epoche, die ja genügend charakterisiert worden ist und an deren Eingangstor wir gewissermaßen in unserem Zeitalter stehen, war das Christus-Ereignis ein solches, daß der Mensch exoterisch auf verschiedenen Wegen zu einer Art von Erleben des Christus-Impulses kommen konnte, - einem Erleben vor der eigentlichen Initiation. Wir haben gesagt, der eine dieser exoterischen Wege sei der durch die Evangelien, durch das Neue Testament. Denn wir können ja aus alledem, was gesagt worden ist, entnehmen, daß der Inhalt der Evangelien, wenn wir ihn in entsprechender Weise in unsere Seele aufnehmen und auf uns wirken lassen, tatsächlich für jeden einzelnen ein inneres Erlebnis zutage fördert. Und dieses innere Erlebnis kann eben als das Christus-Erlebnis bezeichnet werden. Wir haben dann gesagt, daß der andere Weg für den Exoteriker der war, einzugehen auf das, was der Esoteriker, der in gewissem Sinne Initiierte, aus den geistigen Welten verkünden konnte, so daß auch der noch vor der Pforte der Einweihung Stehende, nicht durch das überlieferte Evan­gelium, sondern durch die fortdauernden Offenbarungen aus den geistigen Welten, zu dem Christus-Ereignis kommen konnte. Dann haben wir gestern den dritten Weg genannt, den der innerlichen Gemütsvertiefung, und haben darauf hingewiesen, daß dieser Weg in unserer Seele ausgehen muß von den Empfindungen, wie der Mensch, wenn er in seinem Innern nur den göttlichen Funken empfindet, zu Stolz und Hochmut getrieben werden kann, und wie er auf der andern Seite, wenn er sich des Zusammenhanges mit dem Gotte nicht bewußt wird, dadurch zur Verzweiflung getrieben werden kann. Und wir haben dann gesehen, wie in der Tat das Wanken zwischen der Verzweiflung auf der einen Seite, und Stolz und Hochmut

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auf der andern Seite, seit den Ereignissen in Palästina, im Hinblick darauf, das Christus-Ereignis in uns geboren werden läßt. Darauf ist auch hingewiesen worden, wie das alles in den nächsten drei Jahrtausenden von dem Beginn unseres Zeitalters an für die Menschheitsentwickelung anders werden wird. Und wir haben auf das bedeutsame Ereignis, das ein Nachfolger des Mysteriums von Golgatha ist, hingewiesen, das aber nur in den übersinnlichen Welten zu schauen sein wird. Wir haben aber auch darauf hingewiesen, daß die Fähigkeiten der Menschen erhöht werden, und daß von unserem Zeitalter angefangen eine genügend große Anzahl von Menschen heranwachsen wird, um den Christus zu schauen, so daß, was bisher als Glaube in berechtigter Weise in der Welt existiert hat, abgelöst werden wird von dem, was man das Schauen des Christus nennen kann.

Nun wird es unsere Aufgabe sein, im Verlaufe der Vorträge weiter zu charakterisieren, wie aus der gewöhnlichen Art des Christus-Erlebnisses als einem Gemüts-Erlebnis, sich ganz sachgemäß der Weg eröffnet zu dem, was man die christliche Initiation, die christliche Einweihung nennen kann. Wir werden nun in den nächsten Tagen genauer zu sprechen haben von der Ausgestaltung der christlichen Einweihung, wie wir auch die Aufgabe haben werden, die Natur des Christus-Ereignisses näher zu charakterisieren. Es soll uns also ein Bild der christlichen Einweihung, wie des Christus-Ereignisses von der Johannes-Taufe bis zur Vollbringung des Mysterium von Gol­gatha, in diesen Tagen vor die Seele treten.

Wenn Sie das Résumé der bisherigen Betrachtungen ins Auge fas­sen, kann Ihnen die Frage entstehen, und sie ist ganz berechtigt: Wie steht es denn eigentlich nun mit dem Verhältnis des äußeren Christen­tums, der christlichen Entwickelung, wie sie in der Weltgeschichte zutage tritt, zu dem Christus-Ereignis selber? Jedem Menschen, der mit seinem Bewußtsein in der Gegenwart steht, der nicht irgend­welche besonderen Gefühlserlebnisse mystischer Art durchgemacht hat oder vielleicht die Anfangsstadien der Esoterik hinter sich hat, muß es ja merkwürdig erscheinen, daß eine ganz bestimmte Art seelischen Erlebens bei jedem Menschen so abhängig sein soll von einer historischen

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Tatsache, von den Ereignissen in Palästina, auf Golgatha, und daß vorher für diese Seele des Menschen etwas nicht möglich war, was nachher durch diese Ereignisse möglich geworden sein soll, narn­lich das innere Christus-Erlebnis.

Von dieser Tatsache hatten die Anführer der ersten Christen und auch die ersten Christen selbst ein sehr deutliches Bewußtsein, und es wird zur Vorbereitung für die nächsten Tage ganz gut sein> wenn wir heute auch ein wenig darauf hinweisen, wie es ausgesehen hat in den Gemütern der ersten Christen.

Man könnte sehr leicht glauben, was ja später immer mehr und mehr zu einer Art von orthodoxer, sehr einseitiger Anschauung ge­worden ist, daß die Menschen der vorchristlichen Zeit radikal ver­schieden waren von denen der nachchristlichen Zeit. Daß diese An­schauung eine einseitige ist, können Sie schon aus den Worten des Augustinus entnehmen: «Was man gegenwärtig die christliche Reli­gion nennt, bestand schon bei den Alten und fehlte nicht in den An-fängen des Menschengeschlechtes; und als Christus im Fleische erschien, erhielt die wahre Religion, die schon vorher vorhanden war, den Namen der christlichen.» Man war sich also zur Zeit des Augustinus wohl dessen bewußt, daß nicht ein solcher radikaler Unterschied zwischen den vorchristlichen und den nachchristlichen Zeiten besteht, wie Orthodoxie und Zelotismus es annehmen. Auch lustinus der Märtyrer hat eine ganz merkwürdige Ausführung in seinen Sch riffen. Justinus, der ja auch von der Kirche anerkannt ist als Märtyrer und Kirchenvater, er ergeht sich über das Verhältnis des Sokrates und des Heraklit zu dem Christus. Justinus sieht wirklich noch in einer gewissen Reinheit das in dem Christus, was wir gestern dargestellt haben in dem Verhältnis des Christus zu dem Jesus von Nazareth und er führt auch seine Idee von der Christus-Wesenheit demgemäß aus. Er sagt im Sinne seiner Zeit, was wir ja auch heute noch mit denselben Worten wiederholen können: Der Christus oder der Logos war in dem Menschen Jesus von Nazareth verkörpert. Nun fragt er sich: Ja, war der Logos in den ausgezeichneten Persönlichkeiten der vorchristlichen Zeit nicht vorhanden, war der Mensch in der vor-christlichen Zeit dem Logos ganz fremd? Diese Frage beantwortet

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Jwtinus der Märtyrer mit «Nein». Das ist keineswegs so, meint er; Sokrates und Heraklit waren auch Menschen, in denen der Logos gelebt hat. Nur haben sie ihn nicht ganz besessen; und durch das Christus-Ereignis ist es möglich geworden, daß der Mensch den Logos ganz in sich erlebt, in seiner ursprünglichen vollendeten Gestalt.

Aus einer solchen Stelle einer durchaus als Kirchenvater anerkann­ten Persönlichkeit entnehmen wir erstens, daß die ersten Christen bekannt waren mit dem, was immer da war, wie Augustinus sagt, und was nur in einer erhöhteren Gestalt durch das Mysterium von Golgatha in die Erdentwickelung eingezogen ist. Das andere ist eine Antwort aus den ersten christlichen Jahrhunderten auf die Frage, die wir selbst heute aufwerfen mußten. Auch die Menschen, die noch nalie standen dem Ereignisse von Golgatha wie Justinus der Mär­tyrer, die auch viel mehr noch wußten über die Natur jener Men­schen, die nur wenige Jahrhunderte von ihnen entfernt waren wie Heraklit und Sokrates, solche Menschen dachten in der damaligen Zeit: wenn auch ein ausgezeichneter Mensch wie Sokrates gelebt hat, so hat er, trotzdem er den Logos in sich erlebte, ihn doch nicht ganz in sich erleben können, nicht vollstandig in seiner intensivsten Gestalt. Und das ist wichtig. Das ist sozusagen ein Zeugnis aus der früheren Zeit dafür, wie man empfunden hat, daß wirklich, sehen wir selbst ab von dem Ereignis von Golgatha, zwischen den vorchristlichen und den nachchristlichen Jahrhunderten etwas liegt, wodurch sich die vor-christlichen Menschen von den nachchristlichen unterscheiden. Und es ist auch gewissermaßen, andere Dinge würden uns zahlreiche Beweise dafür liefern können, im Bewußtsein der früheren Jahrhunderte historisch nachzuweisen, daß man sich sagte: Die menschliche Natur hat sich eben verändert, hat eine andere Beschaffenheit angenommen. Es war einfach so, daß wenn man im driuen nachchristlichen Jahr-hundert lebte und man zurückblickte auf die Menschen des driuen Jahrhunderts der vorchristlichen Zeit, man sich sagen konnte: Wenn sie noch so tief in ihrer Art in die Geheimnisse des Daseins ein­dringen konnten - was in den nachchristlichen Menschen vorgehen kann, das konnte in ihnen nicht vorgehen! Was also Johannes der Täufer sagte: Andert eure Anschauung von der Welt, eure Auffassung

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von der Welt, denn die Zeiten sind andere geworden!, und was die Geheimwissenschaff bestätigt, das ist auch in den ersten nachchrist­lichen Jahrhunderten stark und intensiv vorhanden gewesen. Das müssen wir ganz besonders deutlich erfassen, daß, wenn man die Menschheitsentwickelung verstehen will, man ablassen muß von der ganz falschen Meinung, daß der Mensch immer so gewesen ist, wie er heute ist. Denn abgesehen davon, daß man in bezug auf die Rein­karnation keinen Sinn damit verbinden könnte, muß man doch aus allem, was uns überliefert ist, und was uns die Geheimwissenschaff zeigt, sich sagen, daß die Menschen der früheren Zeiten das, was heute nur im Unterbewußtsein ist, nämlich ein gewisses Hellsehen, wirklich besessen haben; daß sie dann von dieser Höhe des Heilsehens herabgestiegen sind, und daß der tiefste Punkt in dieser Herab-entwickelung, wo sie diejenigen Kräffe entwickelten, welche die alten Hellseherkräffe zudeckten, in der Zeit liegt, in welcher das Mysterium von Golgatha stattfand.

Auf materiellem Gebiete glauben ja die Menschen, daß durch eine äußerst geringe Menge einer Substanz eine große Menge Flüssigkeit beeinflußt werden kann. Wenn Sie zum Beispiel einen Tropfen einer bestimmten Substanz in eine gewisse Flüssigkeit hineinversetzen, so verbreitet er sich innerhalb der Materie dieser Flüssigkeit und färbt die ganze Flüssigkeit. Das wird auf materiellem Gebiete jeder ein­sehen. Es ist aber unmöglich, das geistige Leben zu verstehen, wenn man dasselbe, was man so leicht auf materiellem Gebiet einsehen kann, nicht einsieht auf geistigem Gebiete. Unsere Erde ist nicht bloß der materielle Körper, als den sie unsere Augen sehen, sondern unsere Erde hat eine geistige Hülle. Wie wir selbst einen Ätherleib und einen Astralleib haben, so hat auch unsere Erde solche höheren Leiber. Und wie sich eine kleine Menge Substanz ausdehnt in einer Flüssigkeit, so dehnte sich das, was geistig ausstrahlte von der Tat auf Golgatha, in die geistige Atmosphäre der Erde aus, durchdrang sie und ist seit jener Zeit darinnen. Es ist also seit jener Zeit unserer Erde etwas mitgeteilt, was sie früher nicht hatte. Und da die Seelen nicht bloß überall umschlossen von dem Materiellen leben, sondern da Seelen wie Tropfen sind, die im Meere des irdisch Geistigen leben, so sind

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eben die Menschen seit jener Zeit eingebettet in die geistige Atmc­sphäre unserer Erde, die durchdrungen ist von dem Christus-Impuls. Das war vor dem Mysterium von Golgatha nicht der Fall; und das ist der große Unterschied zwischen dem vorchristlichen und dem nach­christlichen Leben. Wenn man sich nicht vorstellen kann, daß so etwas im geistigen Leben stattfindet, dann ist man noch nicht so weit, das Christentum wirklich als eine mystische Tatsache aufzufassen, deren volle Bedeutung nur in der geistigen Welt erkannt und anerkannt werden kann.

Wer zurückgeht auf die in einer gewissen Beziehung ja unerquick­lichen Streitigkeiten über das Wesen und die Persönlichkeit des Jesus von Nazareth und über das Wesen und die Individualität des Christus, der wird aber doch in den profan gnostischen und mystischen Anschauungen der ersten christlichen Jahrhunderte überall durch-fühlen können, wie die Besten, die dazumal für die Verbreitung des Christentums sorgten, tatsächlich mit scheuer Ehrfurcht vor dieser mystischen Tatsache des Christentums standen. Und gerade bei den ersten christlichen Lehrern, wenn sie auch in ihren Worten und Sätzen manchmal recht abstrakt sind, ist doch deutlich zu bemerken, wie sie in scheuer Ehrfurcht vor alledem dastehen, was eigentlich durch das Christentum für die Weltentwickelung geschehen ist. Wie sie sich in einer gewissen Weise immer wieder und wieder sagen:

Eigentlich ist doch der schwache menschliche Verstand, sind die schwachen menschlichen Gefühis- und Empfindungskräffe nicht hin­reichend, um das ungeheuer Bedeutungsvolle und Tiefe dessen, was mit dem Mysterium von Golgatha geschehen ist, wirklich auszu­drücken. - Dieses Unvermögen, die höchsten Wahrheiten, an die man rühren muß, wirklich auszudrücken, das ist es, was wie ein Zauberhauch durch die ersten christlichen Lehren geht. Und das ist es, was durch die Lektüre solcher Schriffen eine gute Lehre einem selbst werden kann, auch in unserer Zeit. Man kann da lernen, in bezug auf die höchsten Wahrheiten eine gewisse Bescheidenlieit zu pflegen, und man kommt dann dazu sich zu sagen, wenn man die nötige Demut und Bescheidenheit in unserer Zeit gegenüber dem hat, was ja an der Pforte einer neuen christlichen Epoche mehr zu erkennen

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ist als in den ersten christlichen Jahrhunderten: Gewiß, es wird mehr zu erkennen möglich sein, aber keiner, der es wagen will, heute über die Mysterien des Cl:ristentums zu sprechen, sollte unbewußt bleiben über die Tatsache, daß das, was wir heute zu sagen vermögen über die tiefsten Wahrheiten der Menschheitsentwickelung, in ver­hältnismäßig kurzer Zeit schon unvollkommen sein wird. Und weil wir nach und nach übergehen wollen zu einer tieferen Charakteristik des Christentums, so ist es notwendig, schon heute hervorzuheben, wie sich der Mensch in seinem Innern gegenüber der geistigen Welt zu benehmen hat, wenn er die Wahrheiten, die seit dem neunzehnten und dem Anfange des zwanzigsten Jahrhunderts uns zuströmen kön­nen, in sich aufnimmt oder gar verbreiten will.

Da ist es notwendig, daß, wenn man auch nicht viel redet über den Begriff der Gnade, man ihn praktisch aber sehr übt. Und jeder Okkultist ist sich heute darüber klar, daß dieser Begriff der Gnade zu seiner inneren Lebensprazis in einem ganz besonderen Grade gehören muß. Wie ist das gemeint?

Das ist so gemeint, daß man heute, ganz unabhängig von den Evangelien und jeder Überlieferung, über die tiefsten Wahrheiten, insofern sie mit dem Christentum zusammenhängen, forschen kann. Daß aber alles, was mit einer gewissen Erkenntnisbegierde verbunden ist, mit einer Sucht, so schnell als möglich zu einer gewissen Summe von Begriffen zu kommen, daß alles das, wenn auch nicht in voll­ständigen Irrtum, so doch ganz sicher in eine Entstellung der Wahr­heit hineinführen wird. Wer sich also sagen würde: Ich muß, da ich doch einmal okkultistisch vorbereitet bin, mir Aufklärung verschaf­fen, wie zum Beispiel die Paulus-Briefe oder das Matthäus-Evange­lium in ihrem Inhalt zu erkennen sind, - wer das unternehmen wollte und glauben würde, er könne in einem gewissen Zeitpunkt damit fertig werden, der wird sich ganz gewiß täuschen. Man kann diese Dokumente ja menschlich durchdringen, aber alles was gewußt werden kann, das kann heute nicht bekannt werden. Denn da gibt es ein goldenes Wort gerade für den okkult Forschenden: Geduld haben und warten, bis nicht wir die Wahrheiten erfassen wollen durch uns, sondern bis sie zu uns kommen. So wird denn mancher an die

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Paulus-Briefe herantreten können und wird sich bereit fühlen, dieses oder jenes zu erkennen, weil es ihm in der geistigen Welt durch sein geöffnetes Auge hereinfällt; würde er aber eine andere Stelle, viel­leicht daneben, in demselben Zeitpunkt gleich ergreifen wollen, so würde er es nicht können. Diese Begierde des Erkennens zu unter­drücken, ist notwendig für die heutige Zeit. Man soll sich vielmehr sagen: Die Gnade hat mir eine gewisse Anzahl von Wahrheiten ge­bracht, und ich werde geduldig warten, bis weitere Wahrheiten mir zuströmen. Es ist heute wirklich ein gewisses passives Verhalten gegenüber den Wahrheiten mehr notwendig als vielleicht vor zwanzig Jahren. Das ist aber nötig, weil unsere Geistsinne erst ganz heran­reifen müssen, um die Wahrheiten in ihr er richtigen Gestalt in uns hereinzulassen. Das ist eine praktische Lehre in bezug auf die Er­forschung der geistigen Welten, besonders in ihrem Verhältnis zu dem Christus-Ereignis. Es ist grundfalsch, wenn die Menschen glauben, ergreifen zu können, was ihnen in einer gewissen passiven Weise zuströmen soll. Denn dessen müssen wir uns bewußt sein, daß wir das, was wir sein sollen, doch nur sein konnen, insofern wir von den geistigen Mächten gewürdigt werden, dies oder jenes zu sein. Und alles, was wir tun können an Meditationen, Kontemplationen und so weiter, ist im Grunde genommen nur dazu da, um unsere Augen zu öffnen, nicht, um die Wahrheiten zu ergreifen, die zu uns kommen müssen, denen wir nicht nachlaufen dürfen.

Unsere Zeit ist in einer gewissen Weise reif dafür, daß diejenigen, die durch Passivität. in ihrer Seelenentwickelung in dem charakteri­sierten Sinne eine hingebungsvolle Stimmung entwickeln - und mit einer anderen Stimmung kommt man nicht in die geistigen Welten hinein -, das vorhin Gesagte einsehen, das, was heute an die Spitze unserer Ausführungen gestellt ist: daß von der Tat auf Golgatha etwas ausgeflossen ist wie eine geistige Tropfensubstanz. Das einzu­sehen, sind heute die Seelen reif. Und wir hätten manches, was die neueren Zeiten gebracht haben, nicht, wenn nicht in dieser Art die Seelen heranreifen wollten. Ich brauche da nur auf eines aufmerksam zu machen: Wenn Richard Wagners Seele nicht herangereift wäre in einer gewissen passiven Weise, wenn er das Mysterium von Golgatha,

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das Herawffießen dessen, was herunteerropfte in die geistige Atmo -sphäre der Erdenmenschheit, nicht in einer gewissen Weise geahnt hätte, so hätten wir nicht von ihm den «Parsifal» haben können. Man kann es lesen bei Richard Wagner da, wo er über die Bedeutung des Blutes Christi spricht. Und man kann viele solcher Geister in unserer Zeit finden, die uns zeigen, wie das, was in der Atmosphäre schwebt, ergriffen wird von den Seelen, in die es hereindringt.

Und Geisteswissenschaft ist aus dem Grunde da, weil in der Tat viele Seelen, mehr als sie selbst es wissen, heute die Möglichkeit haben, aus der geistigen Welt solche Einflüsse, wie sie geschildert worden sind, erlangen zu können; aber solche Seelen brauchen eine Erleichterung dazu durch das Verständnis der geistigen Welt. Und im Grunde genommen findet sich niemand mit unreifem Herzen in die Geisteswissenschaft hinein, niemand, der nicht eine mehr oder weniger aufrichtige Sehnsucht hat, etwas von dem zu erkennen, was eben ausgeführt worden ist. Es kann ja sein, daß manche auch durch Neugierde oder dergleichen in die geisteswissenschaftliche Bewegung hineingetrieben werden. Die aber, die mit aufrichtigem Herzen hin-eingetrieben werden, die fühlen die Sehnsucht, ihre Seele zu öffnen gegenüber dem, was sich, von unserer Zeit angefangen, vorbereitet gegen die künftige Epoche der Menschheitsentwickelung zu. Geistes­wissenschaft brauchen heute die Menschen aus dem Grunde, weil die Seelen wieder andere werden, als sie noch vor kurzem waren. So wie die Seelen eine große Umänderung erlitten haben in der Zeit, in die das Ereignis von Golgatha fiel, so werden sie wieder eine große Umänderung erleben in unserem Jahrtausend und in den späteren. Und das Entstehen der anthroposophisch orientierten Geisteswissen­schaft hängt damit zusammen, daß die Seelen, wenn sie sich auch nicht darüber klar bewußt sind, doch das dunkle Gefühl haben, daß so etwas in unserer Zeit vorgeht. Aus diesem Grunde ist das not­wendig geworden, womit gerade auf dem Boden anthroposophischer Entwickelung begonnen worden ist: eine gewisse Auseinandersetzung der Grundlagen der Evangelien. Und wenn Sie sich davon überzeugen können durch eine innerlich ehrliche Empfindung, daß etwas Wahres an dem Christus-Ereignis ist, so wie es gestern dargestellt worden ist,

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so werden Sie begreiflich finden, was geschehen ist bei der Ausein­andersetzung der Evangelien: Sie werden nämlich dann verstehen, daß mit unserer anthroposophischen Interpretation der Evangelien etwas getan worden ist, was sich sehr unterscheidet von allen anderen Evangelien-Auslegungen, wie sie in den verflossenen Jahrhunderten bis jetzt gepflogen worden sind. Denn wenn jemand die gedruckt vorliegenden Vortragszyklen in die Hand nimmt oder sich an die Vorträge erinnert, die an die Evangelien anknüpfen, dann wird er sehen, daß überall zurückgegangen wurde auf wahre Bedeutungen, die nicht mehr herauskommen können, wenn man nur den heutigen Evangelientext zugrunde legt.

Trivial gesprochen, heißt das nichts anderes als: Aus den heute bestehenden Übersetzungen der Evangelien kann der Mensch nicht mehr zu dem kommen, auf was die Evangelien eigentlich hinweisen wollen; denn sie sind in einer gewissen Weise, so wie sie heute beste­hen, nicht mehr durchaus zu brauchen. Was ist denn daher geschehen zu einer Erklärung des Christus-Ereignisses, und was muß geschehen?

Denen, die sich auf dem Wege der Geisteswissenschaft dem Ver­ständnisse des Christus-Ereignisses nähern, muß klar werden, daß diese Evangelien von Leuten geschrieben worden sind, welche geistig, mit geistigem Auge nach dem Christus-Ereignis hinschauen konnten; die also nicht eine äußerliche Biographie schreiben wollten, sondern die da die alten Einweihungsschriften nahmen - ausführlicher sind diese Zusammenhänge in meiner Schrift «Das Christentum als mysti­sche Tatsache» dargestellt - und darauf hinwiesen, wie das, was in den Tiefen der Mysterien stattgefunden hatte, in dem Christus-Ereignis sich auf dem Plan der Geschichte durch den göttlichen Gang der Menschheitsentwickelung zugetragen hat. Was also im kleinen innerhalb der Mysterien geschehen ist mit dem Einzuweihenden, mit dem zu Initiierenden, das ist geschehen mit jener Wesenheit die wir den Christus nennen, ohne das, was für die Menschen als Vor­bereitung dazu notwendig war, und ohne die Verborgenheit der Mysterien, auf dem großen Plan der Weltgeschichte. Es hat sich abgespielt vor aller Augen, was nur für die Augen der Mysterien-schüler im tiefsten Heiligtum der Mysterien vorher zu erkennen war.

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Das ist wiederum etwas, was die ersten christlichen Lehrer mit scheuer Ehrfurcht empfunden haben. Wenn sie sich dann hinwandten zu dem, was die Evangelien sein sollten, 0, dann entstand in den wahren, in den echten christlichen Lehrern das Gefühl ihrer Un­würdigkeit, um den wahren Kern und Sinn der Evangelien zu er­fassen.

Aber dieselbe Tatsache hat auch etwas anderes herbeigeführt, was zusammenhängt mit der Notwendigkeit, heute die Evangelien so zu interpretieren, wie es innerhalb der anthroposophisch orien­tierten Geisteswissenschaft geschieht. Wenn Sie die Evangelienerklä­rungen verfolgt haben, wie sie hier gepflogen worden sind, so werden Sie bemerkt haben, daß das, was die überlieferten Bücher der Evan­gelien geben, zunächst nicht zugrunde gelegt worden ist. Denn das, was die überlieferten Evangelienbücher geben, wird zunächst als etwas durchaus Unzuverlässiges hingestellt. Dagegen wird zurück-gegriffen durch das Lesen der Akasha-Chronik auf die geistige Schrift, wie sie dargestellt ist von denen, die selber geistig lesen konnten. Und wenn dann auf irgendeine Stelle hingedeutet ist, dann erst wird in der betreffenden Erklarung der Satz der Überlieferung betrachtet, wie er in den Büchern steht; und jetzt wird untersucht, ob und in­wiefern er übereinstimmt mit der Gestalt, die aus der Akasha­Chronik wiederhergestellt werden kann. So muß das Matthäus-Evangelium, das Markus-, das Lukas-Evangelium wiederhergestellt werden aus der Akasha-Chronik. Und erst das Abmessen der Über­lieferung an den ursprünglichen Gestalten zeigt uns, daß dieses oder jenes so oder so gelesen werden muß; und es muß jede Überlieferung, die sich nur auf den Buchstaben stützen kann, fehlgehen und in Jrrtum verfallen. Die Evangelien müssen in Zukunft nicht nur erklärt werden, sondern erst wieder in ihrer wahren, ursprünglichen Gestalt hergestellt werden. Wenn dann jemand den Blick wendet auf das, was da hergestellt wird, dann kann er nicht mehr sagen: das kann nun wahr sein oder nicht wahr sein - denn wenn nun die Überein-stimmung gezeigt wird, so wird dadurch klar, wie uns das Lesen in der Akasha-Chronik erst wieder den richtigen Text der Evangelien gewährleisten kann. Und dann werden die Evangelien wieder ein

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Beweis dafür, daß das richtig ist, was da dem Buchstaben nach ange-führt ist. Das wurde an zahlreichen Stellen bereits gezeigt. Ein Beispiel dafür:

Nehmen wir an, bei der Verurteilung des Christus Jesus wurde eine Frage an den Christus Jesus gestellt, zum Beispiel ob er ein König von Gott gesandt sei - oder was immer, und er antwortete dem Fragenden: «Du sagst es!» Nun wird jeder sagen müssen, wenn er ehrlich nachdenkt und nicht nach der Professorenmethode der Gegenwart die Evangelien erklären will: eigentlich kann man mit dieser Antwort des Christus Jesus «Du sagst es!» keinen rechten Sinn verbinden, weder einen Gefühlssinn noch einen Verstandessinn. Denn nehmen wir die Sache von der Gefühlsseite, so müssen wir fragen, warum redet er so unbestimmt, daß man gar nicht erkennen kann, was er damit andeuten will? «Du sagst es!» Will er sagen: «das ist richtig», so hat es gar keinen Sinn; denn die Worte des Fragenden wollen keine Behauptung aussprechen, sondern eine Frage. Wie kann also das eine sinnvolle Antwort sein? Und wenn man die Sache von der Verstandesseite aus nimmt - wie kann man denken, daß der, der da vorgestellt werden muß im Besitze umfassender Weisheit, eine solche Formulierung seiner Antworten wählt? Wenn aber diese Worte so hingestellt werden, wie sie in der Akasha-Chronik stehen, geben sie einen ganz anderen Sinn. Denn in der Akasha-Chronik steht nicht «Du sagst es», sondern dort heißt es: «Dies dürftest nur du als Antwort geben!», das heißt, wenn wir es richtig verstehen: Auf deine Frage müßte ich eine Antwort geben, die niemals der Mensch in bezug auf sich g eben darf, sondern die nur der, welcher ihm gegenübersteht, als Antwort geben kann. Ob es wahr ist oder nicht wahr ist, darüber kann ich nicht sprechen; die Anerkennung dieser Wahrheit liegt nicht an mir, sondern an dir. Du mußt es sagen; dann hätte es einzig und allein eine Bedeutung!

Nun können Sie sagen: Das kann wahr sein oder nicht wahr sein

Gewiß, wenn man abstrakt urteilen will, hätte man recht. Wenn man sich aber die ganze Szene ansieht und sich fragt: Kann ich das, was da Steht, besser verstehen, wenn . die Wiedergabe aus der Akasha-Chronik nehme?, so wird jeder einsehen, daß er diese Szene

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überhaupt nur so verstehen kann. Und er wird sich dann auch sagen können, daß nur der letzte Hinschreiber oder Übersetzer dieser Stelle die Sache nicht mehr verstanden hatte, weil sie schwierig ist, und daher eine Ungenauigkeit hingeschrieben hat. Und wer da weiß, wie viele Dinge in der Welt ungenau hingeschrieben werden, wird dann gar nicht mehr verwundert sein, daß wir es hier mit einer ungenauen Wiedergabe zu tun haben. Wie sollten wir also kein Recht haben, da, wo eine neue Epoche der Menschheit beginnt, die Evangelien wieder zurückzuführen auf die aus der Akasha-Chronik nachweisbare ur­sprüngliche Gestalt?

Wie es mit der ganzen Sache war, zeigt sich deutlich - und das läßt sich sogar äußerlich historisch nachweisen -, wenn wir in dieser Be­ziehung das Matthäus-Evangelium betrachten. Wir brauchen uns dazu nur auf die Geschichte zu besinnen. Sie können das Beste, was über die Entstehung des Matthäus-Evangeliums gesagt ist, schon im dritten Bande der «Geheimlehre» von H. P. Blavatsky lesen, die man nur richtig zu beurteilen und zu bewerten verstehen muß.

Es gibt einen gewissen Kirchenvater Hieronymus, der gegen das Ende der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts geschrieben hat. Aus dem, was er schreibt, erfahren wir, was durchaus durch die ge­heimwissenschaftliche Forschung zu bestätigen ist: daß das Matthäus-Evangelium ursprünglich hebräisch geschrieben war, und daß eigent­lich dieser Kirchenvater das Matthäus-Evangelium so bekommen hat, daß er in der Vorlage, die er noch zu sehen bekam, wir würden viel­leicht heute sagen in seiner Ausgabe, die ursprüngliche Sprache dieses Evangeliums mit den noch zugänglichen hebräischen Lettern, aber nicht in der Sprache vor sich hatte, die als die hebräische damals üblich war. Also etwa, wie wenn wir zum Beispiel ein Schillersches Gedicht mit griechischen Buchstaben schreiben würden, so würde das, was diesem Kirchenvater Hieronymus vorgelegen hat aus einer Sprache, in der das Matthäus-Evangelium ursprünglich verfaßt war, geschrieben gewesen sein - nicht mit den Buchstabenformen dieser Sprache, sondern mit anderen Buchstaben. Es hatte aber dieser Kirchenvater Hieronymus von seinem Bischof die Aufgabe bekom­men, das, was ihm als Matthäus-Evangelium vorlag, für seine

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Christen zu übersetzen. Bei dieser Übersetzung hat er sich nun höchst merkwürdig benommen. Erstens meinte er, es wäre gefährlich, dieses Matthäus-Evangelium so zu übersetzen, wie es war; denn es stünden Dinge darin, welche diejenigen, die es . als e heilige Schrift besessen hatten, vor der profanen Welt verbergen wollten. Und weiter meinte er, daß dieses Evangelium, wenn er es so übersetzen würde, statt Erbauung nur Zerstörung anrichten würde. Was tat also der Kirchenvater Hieronymus? Er ließ die Dinge, die nach seiner und nach der Kirchenanschauung der damaligen Zeit zerstörend wirken konnten, fort und ersetzte sie durch andere. Aber wir entnehmen noch mehr aus seinen Schriften, und das ist nun das was das Bedenk lichste an dem ganzen Vorgang ist daß namlich Hieronymus wußte daß nur der das Matthaus Evangelium verstehen kann der in gewisse geheime Dinge eingeweiht ist und er bekannte auch daß er nicht zu solchen gehorte Das heißt also, daß er zugab, das Matthaus Evangelium nicht zu verstehen' Aber er ubersetzte es doch So liegt uns also das Matthäus-Evangelium heute vor in der Zurichtung eines Menschen, der es nicht verstanden hat, der sich aber dann an diese Gestalt so gewöhnt hat, daß er nachher selber alles für Ketzerei erklärt hat, was man über das Matthäus-Evangelium behauptete, wenn es nicht bei ihm stand! Das sind alles durchaus wahre Tatsachen.

Nun ist das, was uns zunächst interessiert, und was wir hervor­heben müssen, das Folgende: Warum haben denn eigentlich die, welche sich vorzugsweise an das Matthäus-Evangelium gehalten ha­ben in den allerersten Zeiten des Christentums, dieses Matthäus-Evangelium nur solchen Menschen mitgeteilt, die in den geheimen Sinn gewisser Dinge eingeweiht waren?

Zu verstehen, warum das geschehen ist, ist nur möglich, wenn man sich geisteswissenschaftlich ein wenig hineingefunden hat in den Charakter der Einweihung überhaupt. Diese Dinge sind ja auch öfter in diesem oder jenem Zusammenhange vor Ihnen besprochen worden, und namentlich das ist gesagt worden, daß die Einweihung - das heißt, wenn der Mensch durch sie zur Erlangung der hellseherischen Kraft kommt - den Menschen dazu führt, gewisse Grundwahrheiten über die Welt in seinen Besitz zu bekommen. Diese Grundwahrheiten

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über die Welt sind so, daß sie für das gewöhnliche Bewußtsein zu­nächst absurd erscheinen. Mit dem, was der Mensch im Alltag ein-sehen kann, verhält es sich so, daß den höchsten Wahrheiten gegen-über dieses gewöhnliche Bewußtsein nur sagen kann: Das ist paradox! Aber nicht nur das. Wenn die höchsten Wahrheiten, das heißt, jene Wahrheiten, die dem Eingeweihten zugänglich sind, dem einzelnen Menschen unvorbereitet bekannt würden, entweder indem er sie er­raten würde, was sogar in einem gewissen Falle möglich wäre, oder wenn sie ihm im unvollkommenen Zustande mitgeteilt würden, so würden sie, selbst wenn es die elementarsten Wahrheiten wären, für den Unvorbereiteten im höchsten Grade gefährlich werden. Selbst wenn man das Reinste, das Höchste darstellen würde über die Welt, würde es zerstörend für ihn selbst und für seine Umgebung wirken. Und wer heute im Besitz der höchsten Wahrheiten ist, der weiß deshalb auch, daß es nicht der Weg sein kann, zum Beispiel jemanden zu sich zu rufen und ihm die höchsten Geheimnisse der Welt mitzu­teilen. Was wirklich die höchsten Wahrheiten sind, kann nicht so mitgeteilt werden, daß ein Mund es ausspricht und ein Ohr es hört, sondern der Weg, wie die höchsten Wahrheiten mitgeteilt werden könnten, ist der, daß der Mensch, der ein Schüler sein will, langsam und allmählich vorbereitet wird, und daß diese Vorbereitung so geschieht, daß der letzte Abschluß, die Mitteilung der Geheimnisse, nicht von Mund zu Ohr geschehen kann, sondern daß in einem be-stimmten Zeitpunkt der Schüler durch die Vorbereitung da anlangt, daß vor ihm aufsteigt das Geheimnis - das Mysterium. So daß es nicht ausgesprochen zu werden braucht von einem Munde, nicht gehört zu werden braucht von einem Ohr. Geboren werden muß es in der Seele durch das, was zwischen Lehrer und Schüler vorgegangen ist. Und ein Mittel, um einem Eingeweihten die letzten Dinge der Ge­heimnisse abzuringen, kann es nicht geben; denn niemand kann ge­zwungen werden - durch keine Mittel des physischen Planes -etwas von den höheren Geheimnissen mit seinem Munde zu verraten. So sind eben die höheren Geheimnisse. Und es wäre auch so, daß, wenn jemand das, was eben von der Seele geboren werden muß als höhere Geheimnisse, in einem unreifen Zustande mitgeteilt erhielte

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durch den Mund des andern, daß es verhängnisvoll werden müßte auch für den andern; denn der Mitteiler würde für den Rest seiner Inkarnation ganz in die Gewalt des Hörers gegeben sein. Das ist aber etwas, was nie eintreten kann, wenn der Lehrer nur vorbereitet, und der Schüler die Wahrheiten aus der Seele heraus gebären läßt.

Wenn man das weiß, begreift man auch, wo der Grund liegt, daß das ursprüngliche Matthäus-Evangelium nicht so ohne weiteres mit­geteilt werden konnte: weil die Menschen nicht reif waren für das, was darinnen stand. Denn wenn nicht einmal Hieronymus, der Kirchenvater, reif dafür war, so waren es die anderen erst recht nicht. Diejenigen, welche ursprünglich im Besitze dieser Mitteilungen waren, die Ebioniter, haben deshalb diese Dinge nicht einfach mit­geteilt; weil, von Unreifen aufgenommen, diese Dinge so verkehrt worden wären, daß sie eben zu dem hätten führen müssen, was der Kirchenvater Hieronymus nennt: es diene nicht zur Erbauung, son­dern zur Zerstörung. Nun hat es Hieronymus eingesehen, hat sich aber doch herbeigelassen, in einer gewissen Weise das Matthäus-Evangelium der Welt mitzuteilen. Das heißt also: diese Schrift ist in einer gewissen Weise doch mitgeteilt worden, und sie hat in der Welt gewirkt. Wenn wir uns jetzt umschauen, wie sie gewirkt hat, so müssen wir aus den okkulten Wahrheiten heraus manches verständlich finden. Wer möchte denn, wenn er auf dem Boden des Okkultismus steht, irgendwie zugeben wollen, daß alle die Verfolgungen und so weiter in der christlichen Welt zusammenhängen könnten mit dem Prinzip des Christus Jesus selber? Wer müßte denn, der auf dem Boden des Okkultismus steht, sich nicht sagen: da muß etwas ein­geflossen sein in die äußere Entwickelung, was nicht im Sinne der christlichen Entwickelung liegen konnte? Kurz: da muß ein gewaltiges Mißverständnis vorliegen.

Wir haben gestern davon gesprochen, wie man auf dem Boden des Christentums sprechen muß zum Beispiel von Apollonius von Tyana, haben uns vorgestellt die Größe und die Bedeutung des Apollonius von Tyana und haben ihn sogar einen Adepten genannt. Und wir haben dagegen, wenn wir die ursprüngliche christliche Literatur durchblättern, überall die Anklage gegen Apollonlus von Tyana, als

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wenn er alles, was er getan hat, was er vollbracht hat, nur unter dem Einfluß des Teufels vollbracht hätte. Da haben wir etwas, was man eine Entstellung, nicht nur ein Mißverständnis der Persönlichkeit und der Taten des Apollonius von Tyana nennen muß. Das ist nur eines unter dem Vielen. Wir begreifen das nur, wenn wir einsehen, daß die Evangelien in einer Weise überliefert worden sind, die zu Mißver­ständnissen hat führen müssen, und daß wir gegenwärtig auf dem Boden des Okkultismus die Aufgabe haben, zurückzugehen zu dem wahren Sinn des Christentums, wogegen die erste Lehrzeit viele Fehler gemacht hat; und es wird uns begreiflich erscheinen, daß das Christentum seine nächste Epoche in einer andern Weise wird erleben müssen als seine früheren Epochen. Auf der andern Seite ist gesagt worden, daß manches, was hier von diesem Ort gesprochen wird; eigendich nur deshalb gesprochen werden kann, weil Menschen da sind, die mitgemacht haben unsere geisteswissenschaftliche Entwicke­lung der letzten Jahre, oder die den guten Willen haben, auf unsere geisteswissenschaftliche Entwickelung einzugehen, die die entsprechen­den Gefühis- und Gemütswerte in ihrer Seele haben, um das Mitge­teilte auf ihre Seele wirken zu lassen. Weil im Grunde genommen die Seelen zwischen dem Mysterium von Golgatha und der heutigen Zeit eine Inkarnation - mindestens eine - der Lehrzeit durchgemacht ha­ben, deshalb kann heute über die Evangelien schon gesprochen werden, ohne daß die Furcht besteht, daß Unheil dadurch hervorgerufen wird.

So sehen wir die eigentümliche Tatsache, daß die Evangelien mit­geteilt werden mußten, aber daß das Christentum nur in seiner unvollkommensten Gestalt begriffen werden konnte, und daß die Evangelien eine Methode der Forschung herausgefordert haben, durch die sich die Forschung nicht mehr auskennt in dem, was historisch ist oder nicht, und wodurch schließlich auch alles abgeleugnet werden kann. Da wird das, was als die ursprüngliche Gestalt zu schauen ist, in die Herzen und Seelen eintreten müssen; und das wird eine neue Kraft bilden müssen, damit das, was den Menschen jetzt entgegen­treten wird, aufgenommen werden kann von denen, die die Gescheh­nisse von der Taufe des Johannes bis zum Ereignis von Golgatha würdig haben empfinden können.

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So ist eine Interpreiation des Christus-Ereignisses vom okkulten Standpunkte aus eine notwendige Vorbereitung für die Seelen, die in der nächsten Zukunft Neues erleben sollen, die mit neuen Fähigkeiten in die Welt hineinschauen sollen. Und die alte Gestalt der Evangelien wird ihren vollen Wert erst dadurch erhalten, daß man sie lesen lernt durch das, was ihnen den vollen Wert erst gibt: an der Hand der Akasha-Chronik. Insbesondere wird die volle Bedeutung des Ereig­nisses von Golgatha nur durch die okkulte Forschung vollständig dargelegt werden können. Was für die Menschenseelen aus diesem Ereignis folgen kann, das wird nur erkannt werden können, wenn man die ursprüngliche Bedeutung dieses Ereignisses aus der okkulten Forschung heraus wird einsehen können. Dies steht uns, soweit es in einem kurzen Vortragszyklus geschehen kann, für die nächsten Tage bevor: hineinzuleuchten in alles, was die Menschenseele erleben kann unter dem Einfiusse des Christus-Impulses in sich selber, um von da aus aufzusteigen zu einer Erkenntnis dessen, was in Palästina und auf Golgatha in einem tieferen Sinne noch, als wir es bisher sagen konnten, geschehen ist.

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FÜNFTER VORTRAG Karlsruhe, 9. Oktober 1911

Wenn Sie bedenken, daß aus unseren Vorträgen hervorgegangen ist, daß der Christus-Impuls als der tiefgehendste in den Entwickelungsvorgängen der Mensdiheit angesehen werden muß, so werden Sie es ohne Zweifel auch selbstverständlich finden, daß einige Anstrengung unserer Geisteskräfte notwendig ist, um die volle Bedeutung und den ganzen Umfang dieses Christus-Impulses zu verstehen. Es ist ja gewiß in den weitesten Kreisen die Unart vorhanden, daß man sagt, was das Höchste in der Welt sei, müsse in der allereinfadisten Weise zu begreifen sein; und wenn jemand über die Quellen des Daseins kompliziert zu sprechen gezwungen wäre, müsse man dies schon aus dem Grunde ablehnen, weil der Satz gelten müsse: die Wahrheit muß einfach sein. Zuletzt ist sie ja auch gewiß einfach. Aber wenn wir das Höchste kennenlernen wollen auf einer gewissen Stufe, so ist es unschwer einzusehen, daß wir erst einen Weg machen müssen, um das Höchste zu begreifen. Und so werden wir wieder mancherlei zusammentragen müssen, um uns von einem bestimmten Gesichts­punkte aus hineinzufinden in die ganze Größe und die ganze Bedeu­tung des Christus-Impulses.

Wir brauchen nur die Briefe des Paulus aufzuschlagen und wir werden bald finden, daß Paulus - von dem wir ja wissen, daß er versuchte, gerade das Übersinnliche der Christus-Wesenheit der Menschenbildung einzuverleiben - daß Paulus zum Begriffe, zur Idee des Christus sozusagen die ganze Menschheitsentwickelung heran­gezogen hat. Allerdings ist es ja so, wenn wir die Briefe des Paulus auf uns wirken lassen, daß wir zuletzt etwas vor uns haben, was durch seine ungeheuere Einfachheit und durch das tief Eindringliche der Worte und Sätze einen allerbedeutsamsten Eindruck macht. Aber nur aus dem Grunde ist das der Fall, weil Paulus selbst durch seine eigene Initiation sich hinaufgearbeitet hat zu jener Einfachheit, die nicht der Ausgangspunkt des Wahren, sondern die Konsequenz, das Ziel des Wahren sein kann. Wenn wir nun eindringen wollen in das,

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was zuletzt bei Paulus von der Christus-Wesenheit mit wunderbar monumental einfachen Worten zum Ausdruck kommt, so werden wir schon in unserer geisteswissenschaftlichen Art uns nähern müssen einem Verständnis der menschlichen Natur, zu deren Fortentwicke­lung innerhalb der Erde der Christus-Impuls ja gekommen ist.

Betrachten wir deshalb, was wir schon wissen über die menschliche Natur, wie sie uns für den okkulten Blick entgegentriu! Da teilen wir ja das menschliche Leben in jene zwei Glieder, die wir betrachten in bezug auf die zeitlichen Abläufe: die Zeit zwischen der Geburt oder der Empfängnis und dem Tod, und jene Zeit, welche abläuft zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Wenn wir zunächst den Menschen vor uns hinstellen, wie er im physischen Leben vor uns steht, so wissen wir, daß ihn der okkulte Blick als eine Vierheit sieht, aber als eine Vierheit, die in Entwickelung begriffen ist, als den physischen Leib, den Ätherleib, den astralischen Leib und das Ich. Und wir wissen, daß wir uns zum Verständnis der menschlichen Ent wickelung bekanntmachen müssen mit der okkulten Wahrheit, daß dieses Ich - das wir gewahr werden in den Gefühlen und Empfin­dungen, wenn wir einfach von der Außenwelt absehen und in uns selber zu leben versuchen - daß dieses Ich für den okkulten Blick von Inkarnation zu Inkarnation geht. Wir wissen aber auch, daß dieses Ich gleichsam umhüllt ist - obwohl «umhüllt» kein guter Ausdruck ist, aber wir können ihn zunächst gebrauchen von den drei andern Gliedern der menschlichen Natur, dem Astralleib, Äther-leib und physischen Leib. Von dem Astralleib wissen wir, daß er in einer gewissen Beziehung ein Begleiter des Ich durch die verschiedenen Inkarnationen hindurch ist. Wenn auch während der Kamaloka-Zeit vieles von dem Astralleib ausgeschieden werden muß, so bleibt uns doch dieser Astralleib durch die Inkarnationen hindurch als eine Art von Kraftleib, der zusammenhält, was wir in uns an moralischem, intellektuellem und ästhetischem Fortschritt innerhalb einer Inkar­nation aufgespeichert haben. Was wirklicher Fortschritt ist, das wird zusammengehalten durch die Kraft des Astralleibes, von einer Inkar­nation in die andere hineingetragen und gleichsam zusammengefügt mit dem Ich, das als das Grund-Ewige in uns von Inkarnation zu

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Inkarnation geht. Und weiter wissen wir, daß vom Ätherleib zwar sehr viel abgestreift wird unmittelbar nach dem Tode, daß aber doch ein Extrakt dieses Äther- oder ätherischen Leibes uns bleibt, den wir mitnehmen von einer Inkarnation in die andere hinein. Es ist das ja so, daß wir in den ersten Tagen unmittelbar nach dem Tode eine Art Rückschau haben, wie ein großes Tableau, auf unser bisheriges Leben, und daß wir die Zusammenfassung dieser Rückschau - den Extrakt

- als ätherisches Resultat mit uns nehmen. Das Übrige des Äther­leibes wird der allgemeinen Ätherwelt übergeben in der einen oder andern Form, je nach der Entwickelung des betreffenden Menschen. Wenn wir nach dem vierten Gliede der menschlichen Wesenheit, nach dem physischen Leibe unser Auge richten, so sieht es zunächst so aus, als ob dieser physische Leib einfach in der physischen Welt ver­schwände. Das kann ja geradezu auch, man möchte sagen, äußerlich in der physischen Welt nachgewiesen werden; denn dieser physische Leib wird in der einen oder andern Weise seiner Aullösung, für den äußeren Anblick, zugeführt. Die Frage ist nur die - und ein jeder, der sich mit Geisteswissenschaft beschäftigt, sollte sie sich stellen: Ist vielleicht alles, was uns die äußere physische Erkenntnis auch über die Schicksale unseres physischen Leibes sagen kann, Maja? Und die Antwort liegt eigentlich nicht so fern für den, der angefangen hat die Geisteswissenschaft zu verstehen. Wenn man angefangen hat, die Geisteswissenschaft zu verstehen, so sagt man sich: Alles, was der Sinnenschein bietet, ist Maja, ist äußere Illusion. Wie kann man da noch erwarten, daß es wirklich wahr ist, wenn es sich auch noch so grob aufdrängt, daß der physische Leib, wenn er dem Grabe oder dem Feuer übergeben wird, spurlos verschwindet? Vielleicht verbirgt sich gerade hinter der äußeren Maja, die sich für den Sinnenschein aufdrängt, etwas viel Tieferes!

Aber wir wollen noch etwas weiter gehen: Bedenken Sie, daß wir, um die Erdentwickelung zu verstehen, die früheren Verkörperungen unseres Planeten kennen müssen; daß wir die Saturn-, die Sonnen-und die Mondverkörperung der Erde studieren müssen. Wir müssen sagen: Wie jeder einzelne Mensch, so hat auch die Erde ihre Ver­körperungen durchgemacht. und das, was unser physischer Leib ist,

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das ist vorbereitet worden in der menschlichen Evolution seit der Saturnzeit der Erde. Während von unserem Ätherleib, Astralleib und Ich in dem heutigen Sinne zur alten Saturnzeit noch gar nicht ge­sprochen werden kann, wird der Keim zum physischen Leibe schon während der Saturnzeit gelegt, wird gleichsam der Evolution ein­verleibt. Während der Sonnenzeit der Erde wird dieser Keim um­gestaltet; ihm wird dann in der umgestalteten Form der Ätherleib einverleibt. Während der Mondenzeit der Erde wird wieder der physische Leib umgestaltet und ihm einverleibt - neben dem Äther­leib, der auch in umgeänderter Form wieder herauskommt - der Astralleib. Und während der Erdenzeit wird ihm das Ich einverleibt. Und nun müßten wir also, wenn der Sinnenschein richtig wäre, sagen, daß das, was uns während der Saturnzeit einverleibt worden ist, unser physischer Leib, einfach verwest oder verbrennt und in den äußeren Elementen aufgeht, nachdem Jahrmillionen und aber Jahr-millionen hindurch, während der Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit die bedeutendsten Anstrengungen übermenschlicher, das heißt gött­lich-geistiger Wesen gemacht worden sind, um diesen physischen Leib herzustellen! Wir hätten also die sehr merkwürdige Tatsache vor uns, daß durch vier, oder meinetwillen durch drei planetarische Stufen hindurch, Saturn, Sonne, Mond, eine ganze Götterschar arbeitet an der Herstellung eines Weltelementes, wie es unser physischer Leib ist, und dieses Weltelement wäre dazu bestimmt, während der Erdenzeit jedesmal zu verschwinden, wenn ein Mensch stirbt. Es wäre ein son­derbares Schauspiel, wenn Maja - und ein anderes weiß ja die außere Beobachtung da nicht - recht hätte.

Nun fragen wir uns: Kann Maja recht haben?

Zunächst scheint es ja allerdings, als wenn für diesen Fall die okkulte Erkenntnis der Maja recht gäbe; denn sonderbarerweise scheint die okkulte Beobachtung in diesem Falle mit der Maja über­einzustimmen. Wenn Sie durchgehen, was uns von der Geist-Erkennt­nis geschildert wird als die Entwickelung des Menschen nach dem Tode, so wird in der Tat bei dieser Schilderung zunächst auf den physischen Leib kaum Rücksicht genommen. Es wird erzählt: der physische Leib wird abgeworfen, wird übergeben den Elementen der Erde. Dann

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wird erzählt von dem Ätherleib, von dem Astralleib, von dem Ich, und der physische Leib wird weiter nicht berücksichtigt, und es scheint, als ob durch das Schweigen der Geist-Erkenntnis der Maja-Erkenntnis recht gegeben wäre. So scheint es. Und es ist in einer gewissen Weise von der Geisteswissenschaft berechtigt, so zu sprechen, aus dem einfachen Grunde, weil alles Weitere überlassen werden muß der tieferen Begründung der Christologie. Denn über das, was in bezug auf den physischen Leib über Maja hinawgeht, können wir gar nicht richtig sprechen, ohne daß vorher der Christus-Impuls und alles, was damit zusammenhängt, einmal in genügender Weise erklärt wird.

Wenn wir diesen physischen Leib zunächst einmal so betrachten, wie er in einem entscheidenden Momente vor dem Bewußtsein der Menschen dagestanden hat, so ergibt sich uns etwas ganz Merk­würdiges. Und da wollen wir einmal bei drei Völkerbewußtseins-arten, bei drei verschiedenen Formen des menschlichen Bewußtseins Anfrage halten, welches Bewußtsein man gehabt hat gerade in einer entscheidenden Epoche der Menschheitsentwickelung über alles, was mit unserem physischen Leibe zusammenhängt. Fragen wir zunächst einmal bei den Griechen an!

Wir wissen, daß die Griechen jenes bedeutsame Volk sind, das in der vierten nachatlantischen Kulturepoche seine richtige Entwicke­lungszeit hatte. Wir wissen, daß diese vierte nachatlantische Kultur-epoche für uns zu beginnen hat etwa mit der Zeit des siebenten, achten, neunten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung, und daß sie endet im dreizehnten, vierzehnten, fünfzehnten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, nach dem Ereignisse von Palästina. Wir können ja auch leicht aus den äußeren Mitteilungen, Überlieferungen und Urkunden gerade in bezug auf diesen Zeitraum das, was eben gesagt worden ist, durchaus rechtfertigen. Wir sehen, daß die ersten, dämmerhaft klaren Nachrichten über das Griechentum kaum hinaufreichen über das sechste, siebente Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, während sagenhafte Nachrichten herunterkommen von noch früheren Zeiten her. Wir wissen aber auch, daß das, was die Größe der historischen Zeit des Griechentums ausmacht, noch hereinreicht aus der vorher­gehenden Zeit, wo man es also dann mit der dritten nachatlantischen

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Kulturepoche auch im Griechentum zu tun hatte. So reichen Homers Inspirationen hinein in den Zeitraum, der dem vierten nachatlan­tischen Zeitraum voranging; und Aeschylos, der so früh gelebt hat, daß eine Anzahl von seinen Werken ganz verlorengegangen ist, weist uns zurück auf die Mysteriendramatik, wovon er nur einen Nach-klang bietet. So ragt herein die dritte nachatlantische Kulturperiode in das Griechenzeitalter; aber die vierte nachatlantische Kultur-periode kommt im Griechenzeitalter voll zum Ausdruck. Und wir müssen sagen: die wunderbare Griechenkultur ist der reinste Aus­druck des vierten nachatlantischen Kulturzeitalters. Da tönt uns denn ein merkwürdiges Wort aus diesem Griechentum herauf, ein Wort, das uns tief in die Seele desjenigen Menschen hineinschauen läßt, der ganz griechisch fühlte, das Wort des Heros: Lieber ein Bettler sein in der Oberwelt, als ein König im Reiche der Schatten! - Das ist ein Wort, das tiefe, tiefe Empfindungen der Griechenseele verrät. Man möchte sagen: Alles was uns auf der einen Seite erhalten ist aus der griechi­schen Zeit von klassischer Schönheit und klassischer Größe, von Aus­gestaltung des Menschheitsideales in der Außenwelt, das alles tönt uns in einer gewissen Weise aus diesem Worte heraus. Da gedenken wir, wenn wir des Griechentums gedenken, jener wunderbaren Aus­bildung des menschlichen Leibes in der griechischen Gymnastik, in den großen griechischen Weuspielen, welche karikaturenhaft in der Gegenwart nur ein solcher Mensch nachahmt, der nichts versteht von dem, was das Griechentum wirklich war. Daß eine jegliche Zeit ihre eigenen Ideale haben muß, das muß man berücksichtigen, wenn man verstehen will, wie diese Ausbildung des äußeren physischen Leibes, so wie er dasteht in seiner Form auf dem physischen Plan, ein beson­deres Privileg des griechischen Geistes war; und wie weiterhin die Ausprägung des plastischen Kunstidezis des Menschen, diese Steige­rung der äußeren Menschengestalt in der Plastik, wieder ein Privileg des Griechentums sein mußte. Und wenn wir dazu die Ausgestaltung des menschlichen Bewußtseins ansehen, wie es zum Beispiel einen Perikles beherrschte, wo der Mensch auf der einen Seite nach dem allgemeinen Menschlichen sah und auf der anderen Seite wieder ganz auf seinen Füßen stand und sich wie ein Herr und König auf dem

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Erdboden innerhalb seines Stadtgebietes fühlte, - wenn wir alles das auf uns wirken lassen, dann müssen wir sagen: Die eigentliche Liebe war zugewendet der menschlichen Form, wie sie vor uns da-stand auf dem physischen Plan, und auch die Ästhetik war zugewen­det der Ausgestaltung dieser Form. Wo man so liebte und so das verstand, was vom Menschen auf dem physischen Plane steht, da konnte man sich auch dem Gedanken hingeben: Wenn das, was dem Menschen diese schöne Form auf dem physischen Plane gibt, abge­nommen wird der mensddichen Natur, dann bleibt ein Rest, den man mcht so hoch schätzen kann wie das, was einem im Tode genommen wird! Diese höchste Liebe zur äußeren Form führte notwendig dazu, imt einem pessimistischen Blick anzuschauen, was vom Menschen übrig bleibt, wenn er durch die Pforte des Todes geschritten ist. Und wir können es an der griechischen Seele voll verstehen, daß dasselbe Auge, das mit so großer Liebe auf die äußere Form blickte, sich traurig fühlte, wenn die Seele denken mußte: Diese Form wird weg­genommen der menschlichen Individualität, und die menschliche In­dividualität lebt ohne diese Form weiter! Nehmen wir das, was so sich zugetragen hat, zunächst nur in dieser gefühlsartigen Weise, dann müssen wir sagen: Wir haben im Griechentum dasjenige Menschen­tum, das die äußere Form des physischen Leibes am meisten liebte und schätzte und alle Traurigkeit durchinachte, die bei seinem Unter-gange im Tode durchgemacht werden konnte.

Und jetzt betrachten wir ein anderes Bewußtsein, das sich ungefähr zur selben Zeit entwickelte. Betrachten wir einmal das Buddha­Bewußtsein, das dann von Buddha in seine Bekenner übergegangen ist. Da haben wir ungefähr das Gegenteil des Griechentums vor uns. Wir brauchen uns ja nur des einen zu erinnern: der Nerv der vier großen Wahrheiten des Buddha ist ja damit gegeben, daß gesagt wird, die menschliche Individualität wird in dieses Dasein, in dem es um­schlossen ist von der äußeren physischen Form, durch die Begierde zum Dasein hereingebracht. In was für ein Dasein? In ein Dasein, dem gegenüber die Buddha-Lehre sagen muß: Geburt ist Leiden, Krankheit ist Leiden, Alter ist Leiden, Tod ist Leiden! Es liegt in diesem Nerv des Buddhismus, sich zu sagen: Durch alles, wodurch

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wir umschlossen werden von einer äußeren körperlichen Hülle, wird unsere Individualität, die aus göttlich geistigen Höhen herabkommt mit der Geburt, und die wieder hinaufgeht in göttliche Höhen, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes schreitet, durch alles das wird diese Individualität dem Schmerz des Daseins, dem Leid des Daseins ausgeliefert; und es kann im Grunde genommen nur ein Heil geben für den Menschen, das in den vier großen heiligen Wahrheiten des Buddha ausgedrückt wird, um frei zu werden von dem äußeren Dasein, abzuwerfen die äußere Hülle, das heißt: soweit die Indivi­dualität umzugestalten, daß sie baldmöglichst in der Lage ist, alles abzuwerfen, was äußere Hülle ist. Wir merken also: hier ist die um­gekehrte Empfindung tätig von dem, wie der Grieche empfand. Eben­so stark, wie der Grieche geliebt und geschätzt hat die äußere körper­liche Hülle und traurig empfunden hat das Abwerfen dieser körper­lichen Hülle, ebenso gering schätzte der Buddha-Bekenner diese körperliche Hülle und betrachtete sie als das, was so schnell als möglich abgeworfen werden muß. Und damit war verbunden, daß der Drang nach Dasein, das von einer äußeren Körperhülle um­schlossen ist, bekämpft wird.

Und jetzt gehen wir noch ein wenig tiefer gerade in diese Buddha­Gedanken ein. Da tritt uns entgegen, was im Buddhismus als eine Art theoretischer Anschauung vorhanden ist über die aufeinander­folgenden Inkarnationen des Menschen. Es handelt sich dabei nun weniger darum, was der einzelne denkt über die Theorie des Buddha, als um das, was in das Bewußtsein der buddhistischen Bekenner ein­gedrungen ist. Das habe ich auch schon öfter charakterisiert. Ich habe gesagt: Man hat vielleicht keine bessere Gelegenheit, nachzufühlen, was ein Bekenner des Buddhismus fühlen mußte gegenüber den fort-laufenden Inkarnationen des Menschen, als wenn man sich vertieft in jene Rede, welche uns überliefert ist als die Rede des Königs Milinda mit einem buddhistischen Weisen. Da wird der König Milinda von dem buddhistischen Weisen Nagasena darüber belehrt, daß, wenn er zu Wagen gekommen sei, er bedenken solle, ob der Wagen außer den Rädern, der Deichsel, dem Wagenkasten, dem Sitz und so weiter noch irgend etwas habe. «Bist du gekommen in deinem Wagen, so

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bedenke, 0 großer König», sagt der Weise Nagasena zum König, «daß alles, was du im Wagen vor dir hast, nichts anderes ist als die Räder, die Deichsel, der Wagenkasten, der Sitz - und nichts ist außerdem vorhanden als ein Wort, das zusammenfaßt die Räder, Deichsel, Wagenkasten, Sitz und so weiter. Du kannst also nicht von einer besonderen Individualität des Wagens sprechen; sondern du mußt dir klar sein, daß Wagen ein leeres Wort ist, wenn du an etwas anderes denkst als an seine Teile, seine Glieder.» Und noch ein anderes Gleichnis wählt Nagasena, der Weise, dem König Milinda gegenüber. «Betrachte die Mandeifrucht, die auf dem Baume wächst>, sagte er, «und bedenke, daß aus einer anderen Frucht ein Same genommen ist, der in die Erde gelegt und verfault ist; daraus ist der Baum gewach­sen und darauf die Mandelfrucht. Kannst du sagen, daß die Frucht auf dem Baume etwas anderes gemeinsam hat als Name und äußere Form mit jener Frucht, die als Same genommen, in die Erde gelegt und verfault ist?> - So viel, will Nagasena sagen, hat der Mensch gemeinsam mit dem Menschen seiner vorhergehenden Inkarnation, wie die Mandelfrucht auf dem Baume mit der Mandeifrucht, die als Same in die Erde gelegt ist; und wer da glaubt, daß das, was als Mensch vor uns steht, was mit dem Tode hinweggeweht wird, irgend etwas anderes sei als Name und Form, der glaubt etwas ebenso Falsches als der, der da glaubt, daß in dem Wagen - in dem Namen Wagen - etwas anderes enthalten ist als die Teile des Wagens Räder, Deichsel und so weiter. Von der vorherigen Inkarnation geht in die neue Inkarnation nicht so etwas über, wie es der Mensch mit seinem Ich benennt.

Das ist wichtig! Und es ist immer wieder und wieder zu betonen:

es kommt nicht darauf an, wie es dem einen oder dem anderen einfällt, dieses oder jenes Wort Buddhas zu interpretieren, sondern wie der Buddhismus im Bewußtsein der Bevölkerung gewirkt hat, was er den Seelen gegeben hat! Und was er den Seelen gegeben bat, das ist eben ungeheuer klar und bedeutsam mit diesem Gleichnis aus­gedrückt, das uns von dem König Milinda und dem buddhistischen Weisen überliefert ist. Was wir das Ich nennen, und wovon wir sagen, daß es gefühlt und empfunden wird zunächst vom Menschen,

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wenn er auf sein Inneres reflektiert, von dem sagt der Buddhist: Es ist im Grunde genommen etwas, was dahinfließt, und was der Maja angehört, ebenso wie alles andere, was nicht von einer Inkarnation in die andere geht.

Ich habe schon einmal erwähnt: ein christlicher Weiser, der zu parallelisieren wäre mit dem buddhistischen Weisen, würde anders zu dem König Milinda gesprochen haben. Der buddhistischeWeisesagtezu dem König: Betrachte dir den Wagen! Räder, Deichsel und so weiter, das sind die Teile des Wagens, und über diese Teile hinaus ist «Wagen> nur Name und Form. Du hast nichts Reales gegeben in dem Wagen mit dem Namen Wagen; sondern wenn du zum Realen gehen willst, mußt du die Teile nennen. - Der christliche Weise würde über den­selben Fall in folgender Art gesprochen haben: 0 weiser König Milinda, du bist zu Wagen gekommen. Sieh dir an den Wagen: du kannst an dem Wagen nur sehen die Räder, die Deichsel, den Wagen-kasten und so weiter. Aber ich frage dich einmal: Kannst du mit den bloßen Rädern hierher fahren?, kannst du mit der bloßen Deichsel hierher fahren?, kannst du mit dem bloßen Sitz hierher fahren? und so weiter. Du kannst also auf allen Teilen nicht hierher fahren! Sofern sie Teile sind, machen sie den Wagen, aber auf den Teilen kann st du nicht hierherkommen. Wenn aber die Teile zusammen den Wagen ausmachen, so ist noch etwas anderes notwendig, als daß sie Teile sind. Das ist zunächst für den Wagen der ganz bestimmte Gedanke, der Räder, Deichsel, Wagenkasten und so weiter zusammenfügt. Und der Gedanke des Wagens ist etwas ganz Notwendiges, was du zwar nicht sehen kannst, was du aber darum doch anerkennen mußt! - Und der Weise würde dann übergehen auf den Menschen und sagen: Von dem einzelnen Menschen kannst du nur sehen den äußeren Leib, die äußeren Taten und die äußeren seelischen Erlebnisse; du siehst aber an dem Menschen so wenig sein Ich, wie du den Namen Wagen an seinen einzelnen Teilen siehst. Aber wie etwas ganz anderes in den Tei­len begründet ist, - nämlich das, was dich hierher fahren läßt, so ist auch beim Menschen in allen seinen Teilen etwas ganz anderes begrün­det, nämiich das, was das Ich ausmacht. Das Ich ist etwas Reales, was als ein Übersinnliches von Inkarnation zu Inkarnation geht.

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Wie müssen wir uns etwa das Schema der buddhistischen Rein­karnationslehre denken, wenn es entsprechend der bloß buddhisti­schen Theorie dargestellt werden soll?

# Bild s. 126a

Mit dem Kreis wollen wir zeichnen die Erscheinung eines Menschen zwischen Geburt und Tod. Der Mensch stirbt. Der Zeitpunkt seines Sterbens sei mit der Linie AB angedeutet. Was bleibt nun übrig von allem, das in das gegenwärtige Dasein zwischen Geburt und Tod hin­emgebannt ist? Eine Summe von Ursachen, die Ergebnisse der Taten, alles was der Mensch Gutes oder Böses, Schönes oder Häßliches, Ge­scheites oder Dummes getan hat, bleibt übrig. Was da übrig bleibt, wirkt als Ursachen weiter und bildet einen Ursachenkern C für die

# Bild s. 126b

nächste Inkarnation. Da herum gliedern sich in der nächsten Inkarna­tion D neue Leibeshüllen; die erleben neue Tatsachen, neue Erlebnisse gemäß diesem früheren Ursachenkern. Es bleibt dann von diesen Er­lebnissen und so weiter wieder ein Kern von Ursachen E für die fol­gende Inkarnation, die das, was von der früheren Inkarnation in sie

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hereinragt, umschließen kann, und da s dann mit dem, was als etwas ganz Selbständiges während dieser Inkarnation hinzukommt, wieder den Ursachenkern für die nächste Inkarnation bildet und so fort. Das heißt: es erschöpft sich das, was durch die Inkarnationen hindurch­geht, in Ursachen und Wirkungen, die, ohne daß ein gemeinschaftliches Ich die Inkarnationen zusammenhalt, von einer Inkarnation in chean­dere hinüberwirken.Wenn ich mich also in dieser Inkarnation mit «Ich> nenne, ist das nicht aus dem Grunde, weil dasselbe Ich auch in der vor­hergehenden Inkarnation dawar, dennvon dervorherigen Inkarnation ist nur das vorhanden, was die karmischen Resultate sind, und was ich mein Ich nenne, ist nur eine Maja der gegenwärtigen Reinkarnation.

Wer den Buddhismus wirklich kennt, muß ihn in dieser Weise darstellen; und er muß sich klar sein, daß das, was wir das Ich nennen, gar keinen Platz hat innerhalb des Buddhismus.

Nun gehen wir aber zu dem, was wir wissen aus der anthro­posophischen Erkenntnis: Wodurch ist denn der Mensch überhaupt imstande geworden sein Ich auszubilden? Durch die Erdenentwicke­lung! Und erst im Laufe der Erdenentwickelung ist der Mensch dazu gekommen, sein Ich auszubilden. Es kam hinzu zu seinem physischen Leib, Ätherleib und Astralleib auf der Erde sein Ich. Nun wissen wir, wenn wir uns erinnern an alles, was wir zu sagen hatten über die Entwickelungsphasen des Menschen während der Saturn-, Son­nen- und Mondenzeit, daß noch während der Mondenzeit der menschliche physische Körper eine ganz bestimmte Form nicht hatte, daß er erst auf der Erde diese Form erhalten hat. Daher sprechen wir auch von dem Erdendasein als derjenigen Epoche, in welcher die Geister der Form erst eingriffen und den physischen Leib des Men­schen so umgestalteten, daß er jetzt seine Form hat. Diese Formung des menschlichen physischen Leibes war aber notwendig, damit das Ich Platz greifen konnte im Menschen, damit das, was als physischer Er­denleib geformt der physischen Erde gegenübersteht, die Grundlage bietet für die Entstehung des Ich, wie wir es kennen. Wenn wir das be­denken, wird uns das Folgende nicht mehr unbegreiflich erscheinen.

Wir haben in bezug auf die Schätzung des Ich bei den Griechen davon gesprochen, daß dieses Ich seinen äußeren Ausdruck in der

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äußeren Menschenform findet. Gehen wir jetzt zum Buddhismus über, und erinnern wir uns, daß der Buddhismus mit seiner Erkennt­nis die äußere Form des menschlichen physischen Leibes möglichst rasch abwerfen und überwinden will. Können wir uns da noch ver­wundern, daß wir bei ihm keine Schätzung dessen finden, was mit dieser Form des physischen Leibes zusammenhängt? So wenig, wie aus dem innersten Nerv des Buddhismus heraus die äußere Form des physischen Leibes geschätzt wird, so wenig wird die äußere Form, die das Ich braucht, um zum Dasein zu kommen, geschätzt, - ja, sogar vollständig abgelehnt. Der Buddhismus hat also die Form des Ich ver­loren durch die Art, wie er die Form des physischen Leibes schätzte.

So sehen wir, wie diese zwei Geistesströmungen einander polarisch gegenüberstehen: das Griechentum, von dem wir fühlen, daß es die äußere Form des physischen Leibes als die äußere Form des Ich am höchsten schätzte, und der Buddhismus, der da verlangt, daß die äußere Form des physischen Leibes mit allem Drang nach Dasein möglichst bald überwunden wird, und der daher in seiner Theorie das Ich vollständig verloren hat.

Zwischen diesen beiden einander entgegengesetzten Weltanschau­ungen steht das althebräische Altertum mitten drinnen. Dieses ist weit davon entfernt, von dem Ich so gering zu denken, wie etwa der Buddhismus. Sie brauchen sich nur zu erinnern, daß es innerhalb des Buddhismus eine Ketzerei ist, ein fortlaufendes Ich von einer Inkar-nation zur nächsten Inkarnation anzuerkennen. Aber das althebräi­sche Altertum hält es sehr stark mit dieser Ketzerei. Und es wäre keinem Bekenner des althebräischen Altertums in den Sinn gekom­men, daß das, was im Menschen lebt als sein eigentlicher göttlicher Funke - womit er seinen Ich-Begriff verbindet - sich verliert, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes geht. Wenn wir uns klar­machen wollen, wie der Bekenner des althebräischen Altertums zu der Sache stand, so müssen wir sagen: Er fühlt sich in seinem Innern mit der Gottheit verbunden, innig verbunden; er weiß, daß er gleichsam mit den besten Fäden seines Seelenlebens an dem Wesen dieser Gott­heit hängt. So ist der Bekenner des althebräischen Altertums in bezug auf den Ich-Begriff weit verschieden von dem buddhistischen Bekenner,

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aber er ist auf der anderen Seite auch weit verschieden von dem Griechen. Wenn man das ganze Altertum durchgeht: jene Schätzung der Persönlichkeit und damit auch jene Schätzung der äußeren menschlichen Form, wie sie dem Griechen eigen ist, ist im hebräischen Altertum nicht vorhanden. Für den Griechen wäre es schlechterdings ein absoluter Unsinn gewesen zu sagen: Du sollst dir von deinem Gotte kein Bild machen! Das würde er nicht verstanden haben, wenn ihm jemand gesagt hätte: Du sollst dir von deinem Zeus, von deinem Apollo und so weiter kein Bild machen! Denn er hatte das Gefühl, daß das Höchste die äußere Form ist, und daß das Höchste, was der Mensch den Göttern antun kann, das ist, sie mit dieser von ihm geschätzten menschlichen Form zu bekleiden; und nichts wäre ihm absurder vorgekommen als ein Gebot: Du sollst dir von dem Gotte kein Bild machen! Seine Menschheitsform gab der Grieche als Künst­ler auch seinen Göttern. Und um das wirklich zu werden, was er sich dachte - ein Ebenbild der Gottheit-, dazu führte er seine Kämpfe, übte seine Gymnastik und so weiter, um so recht ein Abbild des Gottes zu werden.

Das althebräische Altertum hatte aber das Gebot: Du sollst dir kein Bild machen von dem Gotte! aus dem Grunde, weil der Beken­ner des althebräischen Altertums die äußere Form nicht so schätzte wie die Griechen, weil er sie für unwürdig gehalten hätte dem Wesen der Göttlichkeit gegenüber. So weit also der Bekenner des althebräi­schen Altertums auf der einen Seite entfernt war von dem Anhänger des Buddhismus, der am liebsten die menschliche Form beim Durch-schreiten des Todes ganz abgestreift hätte, so weit war er auf der anderen Seite entfernt von dem Griechen. Er war darauf bedacht, daß diese Form gerade zum Ausdruck brachte, was die Gebote, die Gesetze der göttlichen Wesenheit sind, und er war sich klar, daß der, welcher ein «Gerechter> war, in den folgenden Generationen durch die Geschlechter fortpflanzte, was er als Gerechtes gesammelt hatte. Nicht die Auslöschung der Form, sondern die Fortpflanzung der Form durch die Geschlechter war es, was dem Bekenner des althebräischen Altertums vor Augen stand. Als ein drittes stand also die Ansicht eines Anhängers des althebräischen Volkes mitten drinnen zwischen

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der Anschauung des Buddhisten, der die Wertung des Ich verloren hatte, und dem Griechen, der in der Leibesform das Höchste sah, und der es als traurig empfand, wenn die Leibesform mit dem Tode verschwinden mußte.

So standen sich die drei Anschauungen gegenüber. Und um das althebräische Altertum noch besser zu verstehen, müssen wir uns klarmachen, daß dem Bekenner des althebräischen Altertums das, was er als sein Ich schätzte, zugleich das göttliche Ich in einer gewis­sen Beziehung war. Der Gott lebte weiter in der Menschheit, lebte in dem Menschen drinnen. Und in der Verbindung mit dem Gotte fühlte der alte Hebräer zugleich sein Ich. So war das Ich, das er fühlte, zusammenfallend mit dem göttlichen Ich. Das göttliche Ich trug ihn; das göttliche Ich war aber auch wirksam in ihm. Sagte der Grieche:

Ich schätze mein Ich so stark, daß ich nur mit Schaudern hinschaue auf das, was mit dem Ich nach dem Tode wird!, sagte der Buddhist:

Es soll möglichst bald das, was die Ursache der äußeren Form des Menschen ist, abfallen von dem Menschen!, so sagte der Bekenner des althebräischen Altertums: Ich bin mit dem Gotte verbunden; es ist mein Schicksal. Und solange ich mit ihm verbunden bin, trage ich mein Schicksal. Ich kenne nichts anderes als die Identifizierung meines Ich mit dem göttlichen Ich! In dieser Denkweise des alten Judentums, weil sie in der Mitte steht zwischen Griechentum und Buddhismus, liegt nicht wie im Griechentum selbst von vornherein die Anlage zur Tragik gegenüber der Erscheinung des Todes, sondern diese Tragik liegt in einer mittelbareren Weise darin. Und wenn es echt griechisch ist, daß der Heros sagt: Lieber ein Bettler sein in der Oberwelt - das heißt mit der menschlichen Leibesform - als ein König im Reich der Schatten -, so hätte der Bekenner des althebräischen Altertums dies nicht ohne weiteres sagen können. Denn er weiß, wenn im Tode seine Leibesform abfällt, bleibt er mit dem Gotte verbunden. Einfach durch die Tatsache des Todes kann er nicht in tragische Stimmung verfallen. Dennoch ist - wenn auch mittelbar - die Anlage zur Tragik im althebräischen Altertum vorhanden, und sie ist ausgedrückt in der wunderbarsten dramatischen Erzählung, die im Altertum überhaupt geschrieben worden ist, in der Hiob-Erzählung.

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Da sehen wir, wie das Ich des Hiob sich angeknüpft fühlt an seinen Gott und in Konflikt kommt mit seinem Gott - aber auf andere Art, als das griechische Ich in Konflikt kommt. Da wird uns geschildert, wie über Hiob hereinbricht Unglück über Unglück, trotz­dem er sich bewußt ist, daß er ein gerechter Mann ist und alles getan hat, was aufrechterhalten kann den Zusammenhang seines Ich mit dem göttlichen Ich. Und während es schien, daß sein Dasein gesegnet ist und gesegnet sein mußte, bricht das tragische Schicksal herein. Er ist sich keiner Sünde bewußt; er ist sich bewußt, daß er getan hat, was ein Gerechter gegenüber seinem Gotte tun muß. Da wird ihm angekündigt, daß zerstört ist all sein Hab und Gut, getötet seine ganze Familie; da wird er selbst in bezug auf seinen äußeren Leib, diese göttliche Form, mit schwerer Krankheit und Drangsal belegt. Da steht er, der sich bewußt ist: Was in mir mit meinem Gotte zusammenhängt, das hat sich bemüht, gerecht zu sein gegenüber seinem Gotte, und mein von diesem Gotte verhängtes Schicksal ist das, was mich hereingestellt hat in die Welt. Dieses Gottes Taten, sie haben mich so schwer getroffen! Und da steht sein Weib neben ihm und fordert ihn auf mit eigentümlichem Worte, seinem Gotte abzu­sagen. Diese Worte sind richtig überliefert. Was da sein Weib spricht, ist eines von denjenigen Worten, die unmittelbar dem entsprechen, was auch die Akasha-Chronik sagt: «Sage deinem Gotte ab, da du so leiden mußt, da er diese Leiden über dich gebracht hat, und stirb!> Wieviel Unendliches liegt in diesen Worten: Verliere das Bewußtsein des Zusammenhanges mit deinem Gotte; dann fällst du heraus aus dem göttlichen Zusammenhange, fällst ab wie ein Blatt vom Baum, und dein Gott kann dich nicht mehr strafen! - Das Verlieren des Zu­sammenhanges mit dem Gotte ist aber zugleich der Tod! Denn solange sich das Ich zusammenhängend fühlt mit dem Gotte, kann der Tod es nicht erreichen. Es muß sich von dem Zusammenhange mit dem Gotte abreißen; dann kann der Tod es erst erreichen. Der äußere Schein spricht so, daß im Grunde genommen alles gegen den Gerech­ten Hiob ist; seine Frau sieht die Leiden, rät ihm dazu, dem Gotte abzusagen und zu sterben; seine Freunde kommen und sagen, du mußt das und das getan haben; denn Gott straft keinen Gerechten!

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Er ist sich aber bewußt, daß das, was sein persönliches Bewußtsein umfaßt, keine Ungerechtigkeit getan hat. Er steht so durch das, was ihm in der äußeren Welt entgegentritt, vor einer ungeheuren Tragik, vor der Tragik des Nichtverstehenkönnens der ganzen menschlichen Wesenheit, des Sichverbundenfühlens mit dem Gotte und des Nicht-verstehens, wie aus dem Gotte das fließen kann, was er erlebt.

Denken wir uns das in aller Stärke auf eine menschliche Seele abgelagert, und denken wir uns jetzt aus dieser Seele hervorbrechend die Worte, die uns aus der Hiob-Überlieferung erzählt sind: «Ich weiß, daß mein Erlöser lebt! Ich weiß, daß ich einmal wieder umkleidet sein werde mit meinem Gebein, mit meiner Haut - und anschauen werde den Gott, mit dem ich zusammen bin!> - Dieses Bewußtsein der Unzerstörbarkeit der menschlichen Individualität bricht hervor trotz alles Leides und aller Schinerzen aus Hiobs Seele. So stark ist das Ich-Bewußtsein als Inneres in dem althebräischen Bekenntnis ent­halten. Aber etwas höchst Merkwürdiges tritt uns da entgegen. «Ich weiß, daß mein Erlöser lebt!> - sagt Hiob - «Ich weiß, daß ich einstmals wieder umgeben sein werde mit meiner Haut und aus meinen Augen sehen werde die Herrlichkeit meines Gottes!> Mit dem Erlöser-Gedanken bringt Hiob in Zusammenhang den äußeren Leib, Haut und Gebein, Augen, die physisch sehen. Sonderbar: plötzlich tritt uns gerade in diesem, zwischen Griechentum und Buddhismus mitten drinnen stehenden althebräischen Bewußtsein ein Bewußtsein von der Bedeutung der physischen Leibesform entgegen im Zusam­menhange mit dem Erlöser-Gedanken, der dann der Grund und Boden geworden ist für den Christus-Gedanken! Und wenn wir die Antwort des Weibes des Hiob nehmen, fällt noch mehr Licht auf die ganze Aussage des Hiob. «Sage deinem Gotte ab und stirb!>, das heißt: wer also nicht seinem Gotte absagt, der stirbt nicht. Das liegt in diesen Worten. Was heißt denn aber sterben? Sterben heißt, den physischen Leib abwerfen. Die äußere Maja scheint zu sagen, daß der physische Leib in die Elemente der Erde übergeht und sozusagen verschwindet. In der Antwort der Frau des Hiob liegt also: Mache, was nötig ist, damit dein physischer Leib verschwindet. - Denn anders könnte es nicht heißen; sonst könnten die nachfolgenden

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Worte des Hiob keinen Sinn haben. Dann allein kann man so etwas verstehen, wenn man das, wodurch uns der Gott hineinversetzt hat

in die Welt, verstehen kann: nämlich die Bedeutung des physischen Leibes. Hiob selber aber sagt - denn das liegt wieder in seinen Worten: 0 ich weiß ganz genau, ich brauche nicht das zu tun, was meinen physischen Leib völlig verschwinden läßt, was nur der äußere Schein darbietet. Es gibt eine Möglichkeit, daß das gerettet werden kann dadurch, daß mein Erlöser lebt - was ich nicht anders als mit den Worten zusammenfassen kann: Ich werde einmal regeneriert zu­sammenhaben meine Haut, mein Gebein und werde mit meinen Augen sehen die Herrlichkeit meines Gottes; ich werde erhalten können die Gesetzmäßigkeit meines physischen Leibes; aber dazu muß ich das Bewußtsein haben, daß mein Erlöser lebt!

So tritt uns in dieser Hiob-Erzählung, zum ersten Male, möchte man sagen, ein Zusammenhang entgegen zwischen der physischen Leibesform - was der Buddhist abstreifen möchte, was der Grieche abfallen sieht und darüber Trauer empfindet - und dem Ich-Bewußtsein. Es tritt uns zum ersten Male etwas entgegen wie eine Aussicht auf eine Rettung dessen, was die Schar der Götter von dem alten Saturn, Sonne und Mond bis zur Erde herein als die physische Leibesform hervorgebracht hat und was notwendig macht, wenn es erhalten werden soll, wenn man von ihm sagen soll, daß es ein Resultat hat, was uns in Knochen, Haut und Sinnesorganen gegeben ist, daß man das andere dazufügt: Ich weiß, daß mein Erloser lebt!

Sonderbar, - so könnte jemand nach dem jetzt Gesagten die Frage aufwerfen - geht etwa aus der Hiob-Erzählung hervor, daß der Christus die Toten auferwecke, die Leibesform rette, von der die Griechen glaubten, daß sie verschwinden würde? Und liegt vielleicht darin etwa, daß es nicht richtig ist, im vollen Sinne des Wortes, fur die Gesamtentwickelung der Menschheit, daß die äußere Leibesform ganz verschwindet? Wird sie etwa einverwoben dem ganzen Ent­wickelungsprozeß der Menschheit? Spielt das eine Rolle in der Zu­kunft, und hängt das mit der Christus-Wesenheit zusammen?

Diese Frage wird uns aufgegeben. Und da kommen wir dazu, das, was wir in der Geisteswissenschaft bisher gehört haben, in einer

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gewisen Weise zu erweitern. Wir hören, daß, wenn wir durch die Pforte des Todes gehen, wir den Ätherleib wenigstens beibehalten, den physischen Leib aber ganz abstreifen, ihn äußerlich den Elemen­ten ausgeliefert sehen. Aber seine Form, an der durch Jahrmillionen und Jahrmillionen gearbeitet worden ist, geht sie wesenlos verloren oder wird sie in einer gewissen Weise erhalten?

Diese Frage betrachten wir als das Resultat der heutigen Aus­einandersetzung und treten morgen an die Frage heran: In welchem Verhältnisse steht der Impuls des Christus für die Menschheitsent­wickelung zu der Bedeutung des äußeren physischen Leibes, der durch die ganze Erdentwickelung dem Grabe, dem Feuer oder der Luft übergeben worden ist, und der in seiner Erhaltung in bezug auf seine Form für die Zukunft der Menschheit nötig ist?

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SECHSTER VORTRAG Karlsruhe, 10. Oktober 1911

Von denjenigen Dingen, die gestern besprochen worden sind, aus­gehend, werden wir uns den bedeutsamsten Kernfragen des Christen­tums nähern können und in das eigentliche Wesen des Christentums einzudringen versuchen. Wir werden sehen, wie wir eigentlich nur auf diesem Wege durchschauen können, was der Christus-Impuls für die Menschheitsentwickelung geworden ist, und was er in Zukunft werden soll.

Wenn die Menschen immer wieder und wieder betonen, daß die Antworten auf die höchsten Fragen nicht so kompliziert sein sollen, sondern daß die Wahrheit im Grunde genommen in einfachster Art an jeden Menschen unmittelbar herangebracht werden müsse, und wenn bei einer solchen Gelegenheit gesagt wird, daß zum Beispiel der Apostel Johannes in seinem höchsten Alter den Extrakt des Christentums in die Wahrheitsworte zusammengefaßt habe: Kinder, liebet euch!, so darf daraus niemand den Schluß ziehen: Ich kenne das Wesen des Christentums, kenne das Wesen aller Wahrheit für die Menschen, indem ich einfach die Worte ausspreche: Kinder, liebet euch! Denn daß der Apostel Johannes diese Worte einfach aus­sprechen durfte, dazu hatte er sich mehrere Vorbedingungen erwor­ben. Erstens wissen wir, daß er am Ende eines langen Lebens im fünfundneunzigsten Lebensjahre eigentlich erst zu einem solchen Ausspruche übergegangen ist, daß er sich also in seiner damaligen Inkarnation erst das Recht erworben hatte, solches Wort auszu­sprechen; so daß er damit wohl als ein Zeuge dasteht, daß dieses Wort, von jedem beliebigen Menschen ausgesprochen, nicht dieselbe Kraft habe wie bei dem Apostel Johannes. Aber noch etwas anderes hat er sich errungen. Er ist - wenn es auch die Kritik bestreitet - der Verfasser des Johannes-Evangeliums, der Apokalypse und der Briefe des Johannes. Er hat also nicht immer sein Leben lang gesagt:

Kinder, liebet euch!, sondern er hat zum Beispiel ein Werk geschrie­ben, das zu den schwersten Werken der Menschheit gehört: die

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Apokalypse - und ein Werk, das zu den intimsten und am tiefsten in die menschliche Seele eindringenden Werken gehört: das Johannes-Evangelium. Er hat sich das Recht, solche Worte zu sagen, erst durch ein langes Leben und durch das, was er geleistet hat, erworben. Und wenn ihm jemand dieses Leben nachlebt und tut, was er getan hat, und dann ihm nachspricht: Kinder, liebet euch!, dann kann man im Grunde genommen gegen ein solches Vorgehen nichts einwenden. Aber wir müssen uns darüber klar sein, daß Dinge, die in wenig Worte zusammengefaßt werden können, dadurch, daß wir sie mit so wenigen Worten ausdrücken, ja recht viel bedeuten können, daß sie aber auch nichtssagend sein können. Und gar mancher, der ein Weisheitswort, das vielleicht bei gehörigen Voraussetzungen etwas sehr Tiefes bedeutet, nur so ausspricht und damit unendlich viel ge-sagt zu haben glaubt, erinnert an eine Erzählung von einem Herr­scher, der einmal ein Gefängnis besuchte und dem ein Bewohner dieses Gefängnisses, ein Dieb, vorgeführt wurde. Da richtete der Herrscher an den Dieb die Frage, warum er denn gestohlen habe, und der Dieb sagte, weil er hungrig gewesen sei. Nun, die Frage, wie dem Hunger abzuhelfen sei, ist eine Frage, mit der sich schon viele Menschen beschäftigt haben. Der betreffende Herrscher aber meinte zu dem Dieb, er habe noch nie gehört, daß man stehle, wenn man hungrig ist, sondern daß man esse! Zweifellos ist das eine richtige Antwort, daß man esse und nicht stehle, wenn man hungrig ist. Aber es handelt sich darum, ob die betreffende Antwort auch in die ent­sprechende Situation hineinpaßt. Denn damit, daß die Antwort wahr ist, ist noch nicht gesagt, daß sie auch etwas aussprechen kann, was eine Bedeutung oder einen Wert hat zur Entscheidung der, entspre­chenden Angelegenheit. So kann auch aus dem Munde des Schreibers der Apokalypse und des Johannes-Evangeliums im höchsten Alter das Wort: Kinder, liebet euch! als aus dem Wesen des Christentums heraus gesprochen sein - dasselbe Wort, das aus dem Munde eines an­dern eine bloße Phrase sein kann. Deshalb müssen wir uns schon ein­mal damit bekanntmachen, daß wir die Dinge zum Verständnis des Christentums weit herholen müssen, gerade damit wir sie dann auf die einfachsten Wahrheiten des alltäglichen Lebens anwenden können.

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Wir mußten gestern an die für das moderne Denken verhängnis­volle Frage gehen, wie es mit dem steht, was wir mit der viergliedrigen Wesenheit des Menschen den physischen Leib nennen. Wir werden sehen, wie das, was gestern berührt worden ist im Hinblick auf die dreifache Anschauung des Griechentums, des Judentums und des Buddhismus, uns weiterführen wird zum Verständnis des Wesens des Christentums. Zunächst aber werden wir hingelenkt auf eine Frage, die tatsächlich im Mittelpunkte der ganzen christlichen Weltanschau­ung steht, wenn wir uns über die Frage nach dem Schicksal des physischen Leibes unterrichten; denn wir werden damit zu nichts Geringerem hingeführt als zu jener Wesenskernfrage des Christen­tums: Wie steht es mit der Auferstehung Christi? Dürfen wir an­nehmen, daß es wichtig ist für das Verständnis des Christentums, ein Verständnis zu haben über die Auferstehungsfrage?

Daß dies wichtig ist, dazu brauchen wir uns nur dessen zu erinnern, was im ersten Korintherbriefe des Paulus steht (Kapitel 15, 14-20):

«Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, so ist unsere Predigt nichtig, nichtig aber auch euer Glaube. Dann würden wir aber auch erfunden als falsche Zeugen Gottes, weil wir wider Gott zeugten, daß er Christus auferweckt hätte, während er ihn doch nicht auferweckt hat, wenn wirklich keine Toten auferstehen. Denn werden keine Toten auferweckt, so ist auch Christus nicht aufer­weckt. Ist aber Christus nicht auferweckt, so ist euer Glaube eitel, so seid ihr noch in euren Sünden; dann sind auch verloren, die in Christus entschiafen sind. Wenn wir nur solche sind, die in diesem Leben nichts als ihre Hoffnung auf Christus haben, so sind wir die beklagenswertesten aller Menschen. Nun aber ist Christus auf-erweckt von den Toten als der Erstling der Entschlafenen.>

Wir müssen dabei darauf hinweisen, daß das Christentum, wie es sich über die Welt verbreitet hat, zunächst von Paulus ausgegangen ist. Und wenn wir uns einen Sinn dafür angeeignet haben, die Worte ernst zu nehmen, so dürfen wir nicht an den wichtigsten Worten des Paulus einfach vorübergehen und etwa sagen: Wir lassen die Frage der Auferstehung ungeklärt. Denn was ist es, was Paulus sagt? Daß überhaupt das ganze Christentum keine Berechtigung und der ganze

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Christenglaube keinen Sinn habe, wenn die Auferstehung keine Tat­sache sei! Das sagt Paulus, von dem das Christentum als historische Tatsache seinen Ausgangspunkt genommen hat. Und damit ist im Grunde genommen nichts Geringeres gesagt als: Wer die Auferstehung aufgeben will, muß aufgeben das Christentum im Sinne des Paulus

Und jetzt wenden wir unseren Blick über fast zwei Jahrtausende und fragen einmal an bei den Menschen der Gegenwart, wie sie sich nach den Vorbedingungen der gegenwärtigen Zeitbildung zu der Auferstehungsfrage verhalten müssen. Ich will jetzt noch nicht auf diejenigen Rücksicht nehmen, die etwa den ganzen Jesus wegleugnen; dann ist es natürlich außerordentlich leicht, sich über die Auferste­hungsfrage klar zu werden; und sie ist im Grunde genommen am leichtesten damit zu beantworten, daß man sagt: Jesus hat überhaupt nicht gelebt, also braucht man sich nicht über die Auferstehungsfrage die Köpfe zu zerbrechen. Wenn wir also von solchen Leuten absehen, so wollen wir uns einmal an diejenigen Menschen wenden, die zum Beispiel um die Mitte oder im letzten Drittel des letzten Jahr­hunderts übergegangen sind zu den gebräuchlichen Vorstellungen unserer Zeit, in denen wir ja noch selber stecken; und bei ihnen wollen wir einmal Anfrage halten, wie sie vermöge ihrer ganzen Zeitbildung über die Auferstehungsfrage denken müssen. Wenn wir uns da an einen Mann wenden, der großen Einfluß gewonnen hat auf die Denkweise derjenigen, die sich für die aufgeklärtesten Menschen halten, an David Friedrich StrauL so lesen wir bei ihm in seiner Schrift über den Denker Reimarus des achtzehnten Jahrhunderts folgendes: «Die Auferstehung Jesu ist recht ein Schibboleth, an dem sich nicht nur die verschiedenen Auffassungen des Christentums, son­dern verschiedene Weltanschauungen und geistige Entwickelungsstufen voneinander scheiden.> Und fast zur selben Zeit lesen wir in einer schweizerischen Zeitschrift die Worte: «Sobald ich mich von der Wirk­lichkeit der Auferstehung Christi, dieses absoluten Wunders, über­zeugen kann, zerreiße ich die moderne Weltanschauung. Dieser Riß durch die, wie ich glaube, unverbrüchliche Naturordnung wäre ein unheilbarer Riß durch mein System. durch meine ganze Gedanken­welt.»

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Fragen wir uns, wie viele Menschen unserer Gegenwart, die nach den gegenwärtigen Standpunkten diese Worte unterschreiben müssen und auch unterschreiben werden, sagen werden: Wenn ich genötigt sein sollte, die Auferstehung als eine historische Tatsache anzuerken­nen, so zerreiße ich mein ganzes philosophisches oder sonstiges System. Fragen wir: Wie sollte auch in die Weltanschauung des modernen Menschen die Auferstehung als eine historische Tatsache hineinpassen?

Erinnern wir uns daran, daß wir schon in dem ersten öffentlichen Vortrage darauf hingedeutet haben, wie in erster Linie die Evangelien genommen sein wollen namlich als Einweihungsschriften Was als die größten Tatsachen in den Evangelien geschildert ist, sind im Grunde genommen Einweihungstatsachen, Vorgange, welche sich zunachst im Innern des Tempelgeheimnisses der Mysterien abgespielt haben wenn dieser oder Jener Mensch, der dafur wurdig erachtet worden war durch die Hierophanten eingeweiht wurde Da hat ein solcher Mensch nachdem er lange Zeit hindurch dazu vorbereitet worden war, eine Art Tod und eine Art Auferstehung durchgemacht; und auch gewisse Lebensverhältnisse mußte er durchmachen, welche uns in den Evan­gelien wiedererscheinen - zum Beispiel als die Versuchungsgeschichte, als die Geschichte auf dem Ulberg und dergleichen. Weil sich das so verhält, erscheinen auch die Beschreibungen der alten Eingeweihten, die nicht Biographien im gewohnlichen Sinne des Wortes sein wollen so ähnlich den Evangeliengeschichten von dem Christus Jesus Und wenn wir die Geschichte des Apollonius von Tyana, ja selbst die Buddha Geschichte oder die Zarathustra Geschichte lesen, das Leben des Osiris, des Orpheus, wenn wir gerade das Leben der großten Eingeweihten lesen, dann ist es oft, als wenn uns dieselben wichtigen Lebenszüge da entgegentreten, wie sie in den Evangelien geschildert werden vom Christus Jesus. Aber wenn wir auch zugeben müssen, daß wir auf diese Art für wichtige Vorgänge, die uns in den Evan­gelien dargestellt werden, die Vorbilder zu suchen haben in den Ein­weihungszeremonien der alten Mysterien, so sehen wir doch auf der anderen Seite handgreiflich, daß die großen Lehren des Christus-Jesus-Lebens überall durchtränkt sind in den Evangelien mit Einzelangaben,

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die nun nicht eine bloße Wiederholung der Einweihungs-zeremonien sein wollen, sondern die uns recht sehr darauf hinweisen, daß unmittelbar Tatsächliches geschildert wird. Oder müssen wir nicht sagen, daß es in einer merkwürdigen Weise einen tatsächlichen Eindruck macht, wenn uns im Johannes-Evangelium folgendes ge­schildert wird (Kapitel 20, 1-17):

«Am ersten Wochentage aber kommt Maria, die von Magdala, morgens frühe, da es noch dunkel war, zu dem Grabe, und sieht den Stein vom Grabe weggenommen. Da läuft sie und geht zu Simon Petrus und zu dem anderen Jünger, welchen Jesus lieb hatte, und sagt zu ihnen: Sie haben den Herrn aus dem Grabe genommen, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Da ging Petrus hinaus und der andere Jünger, und gingen zum Grabe. Es liefen aber die beiden miteinander und der andere Jünger lief voraus, schneller als Petrus, und kam zuerst an das Grab, und beugte sich vor und sieht die Leintücher da liegen, hinein ging er jedoch nicht. Da kommt Simon Petrus hinter ihm drein, und er trat in das Grab hinein und sieht die Leintücher liegen, und das Schweißtuch, das auf seinem Kopf gelegen war, nicht bei den Leintüchern liegen, sondern für sich zusammengewickelt an einem besonderen Ort. Hierauf ging denn auch der andere Jünger hinein, der zuerst zum Grab gekommen war, und sah es und glaubte. Denn noch hatten sie die Schrift nicht verstanden, daß er von den Toten auferstehen müsse. Da gingen die Jünger wieder heim. Maria aber stand außen am Grabe weinend. Indem sie so weinte, beugte sie sich vor in das Grab, und schaut zwei Engel in weißen Gewändern da sitzend, einen zu Häupten und einen zu Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen war. Dieselben sagen zu ihr: Weib, was weinst du? Sagt sie zu ihnen: weil sie meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Als sie dies gesagt hatte, kehrte sie sich um und schaut Jesus dastehend, und erkannte ihn nicht. Sagt Jesus zu ihr: Weib, was weinst du? Wen suchst du? Sie, in der Meinung, es sei der Gartenhüter, sagt zu ihm: Herr, wenn du ihn fortgetragen, sage mir, wo du ihn hingelegt, so werde ich ihn holen. Sagt Jesus zu ihr: Maria! Da wendet sie sich und

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sagt zu ihm hebräisch: Rabbuni! das heißt: Meister. Sagt Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an; denn noch bin ich nicht aufgestiegen zu dem Vater!>

Da haben wir eine Situation so mit Einzelheiten geschildert, daß wir kaum etwas vermissen, wenn wir uns in unserer Imagination ein Bild machen wollen, so, wenn zum Beispiel gesagt wird, daß der eine Jünger schneller läuft als der andere, daß das Schweißtuch, das den Kopf bedeckt hatte, fortgelegt ist an eine andere Stelle und so weiter. In allen Einzelheiten sehen wir etwas geschildert, was keinen Sinn hätte, wenn es sich nicht auf Tatsachen beziehen würde. Auf eins wurde auch schon bei anderer Gelegenheit aufmerksam gemacht, daß uns erzählt wird: Maria erkannte den Christus Jesus nicht. Und es wurde darauf aufmerksam gemacht, wie es möglich wäre, daß man jemanden, den man vorher gekannt hat, nach drei Tagen nicht in derselben Gestalt wiedererkennen würde? Daß der Christus also in einer veränderten Gestalt der Maria erschienen ist, das muß auch berücksichtigt werden; denn sonst hätten diese Worte auch keinen Sinn.

Zweierlei können wir daher sagen: Die Auferstehung müssen wir tatsächlich auffassen als das Historischwerden der Auferweckung in den heiligen Mysterien zu allen Zeiten - nur mit dem Unterschlede, daß wir sagen müssen: Der, welcher die einzelnen Mysterienschüler auferweckt hat, war in den Mysterien der Hierophant; in den Evan­gelien wird aber darauf hingewiesen, wie der, der den Christus auf-erweckt hat, die Wesenheit ist, die wir mit dem Vater bezeichnen, daß der Vater selber den Christus auferweckt hat. Wir werden damit auch darauf hingewiesen, daß das, was sich sonst in einem kleineren Maß­stabe in den Tiefen der Mysterien zugetragen hat, von den göttlichen Geistern hingestellt worden ist für die Menschheit einmal auf Golga­tha, und daß die Wesenheit, die als der Vater bezeichnet wird, selber als Hierophant aufgetreten ist zur Erweckung des Christus Jesus. So haben wir also ins höchste gesteigert, was sonst im kleineren in den Mysterien aufgetreten ist. Das ist das eine. Das andere ist, daß mit den Dingen, die auf die Mysterien zurückführen, verwoben sind Beschreibungen von solchen Einzelheiten, daß wir uns die Situationen

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auch heute noch an den Evangelien bis in die Einzelheiten - wie wir an dem angeführten Bilde gesehen haben - rekonstruieren können. Eins ist es, was als noch wichtiger in Betracht kommt. Jene Worte müssen einen Sinn haben: «Denn noch hatten sie die Schrift nicht verstanden, daß er von den Toten auferstehen müsse. Da gingen die Jünger wieder heim.» Fragen wir also: Wovon hatten sich bis dahin die Jünger überzeugen können? So klar, wie nur irgend etwas klar sein kann, wird uns geschildert, daß die Leintücher da sind, daß der Leichnam nicht da ist; nicht mehr im Grabe ist. Von nichts anderem hatten sich die Jünger überzeugen können, und nichts anderes ver­standen sie, als sie jetzt wieder heim gingen. Sonst hätten die Worte keinen Sinn. Je tiefer Sie eindringen in den Text, desto mehr müssen Sie sich sagen: Die Jünger, die am Grabe standen, überzeugten sich davon, daß die Leintücher da waren, daß aber der Leichnam nicht mehr im Grabe war; und sie gingen heim mit dem Gedanken: wo ist nun der Leichnam hin? Wer hat ihn aus dem Grabe gebracht?

Und jetzt führen uns von der Überzeugung, daß der Leichnam nicht da ist, die Evangelien langsam zu den Dingen, durch welche die Jünger eigentlich von der Auferstehung überzeugt werden. Wodurch werden sie überzeugt? Dadurch, daß, wie die Evangelien erzählen, ihnen nach und nach der Christus erschienen ist, daß sie sich sagen konnten: Er ist da! was sogar so weit ging, daß Thomas, der der Ungläubige genannt wird, seine Finger in die Wundmale legen konnte. Kurz, aus den Evangelien können wir sehen, daß sich die Jünger von der Auferstehung erst dadurch haben überzeugen lassen, daß ihnen der Christus nachher als Auferstandener entgegengetreten ist. Daß er da war, das war für die Jünger der Beweis. Und hätte man diese Jünger, so wie sie sich nach und nach die Überzeugung verschafft hatten, daß der Christus lebt, trotzdem er gestorben war,

- hätte man sie gefragt um den eigentlichen Inhalt ihres Glaubens, so würden sie gesagt haben: Wir haben die Beweise, daß der Christus lebt! Aber sie würden durchaus nicht so gesprochen haben, wie später Paulus gesprochen hat, als er das Ereignis von Damaskus erlebt hatte.

Wer das Evangelium und die Paulus-Briefe auf sich wirken läßt, wird merken, welch tiefgehender Unterschied in bezug auf die Auffassung

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der Auferstehung zwischen dem Grundton der Evangelien und der paulinischen Auffassung ist. Zwar parallelisiert Paulus seine Auferstehungsüberzeugung mit der der Evangelien; denn indem er sagt, Christus sei erstanden, weist er darauf hin, daß der Christus als ein Lebendiger, nachdem er gekreuzigt worden war, dem Kephas, den Zwölfen, dann fünfhundert Brüdern auf einmal und zuletzt ihm auch, als einer unzeitigen Geburt, erschienen ist aus dem Feuerschein des Geistigen. So ist er auch den Jüngern erschienen; darauf weist Paulus hin. Und die Erlebnisse mit dem Auferstandenen waren für Paulus keine anderen als für die Jünger. Was er aber gleich daran anknüpft, was ihn das Ereignis von Damaskus ist, das ist seine wunderbare und leicht zu begreifende Theorie von der Wesenheit des Christus. Denn was wird vom Ereignis von Damaskus an für ihn die Wesenheit des Christus? Sie wird für ihn der zweite Adam. Und Paulus unterscheidet sogleich den ersten Adam und den zweiten Adam: den Christus. Den ersten Adam nennt er den Stammvater der Menschen auf der Erde. Aber in welcher Weise? Wir brauchen nicht weit zu gehen, um uns die Antwort auf diese Frage zu ver­schaffen. Er nennt ihn den Stammvater der Menschen auf Erden, indem er in ihm den ersten Menschen sieht, von dem alle übrigen Menschen abstammen - das heißt für Paulus: derjenige, der den Menschen vererbt hat den Leib, den sie als einen physischen an sich tragen. So hatten alle Menschen von Adam ihren physischen Leib vererbt. Das ist der Leib, der uns zunächst in der äußeren Maja entgegentritt, und der sterblich ist, es ist der von Adam vererbte verwesliche Leib, der dem Tode verfallende physische Leib des Men­schen. Mit diesem Leib - wir können den Ausdruck, denn er ist nicht schlecht, geradezu gebrauchen - sind die Menschen «angezogen>. Und den zweiten Adam, den Christus, betrachtet Paulus im Gegen­satz dazu als innehabend den unverweslichen, den unsterblichen Leib. Und durch die christliche Entwickelung setzt Paulus voraus, daß die Menschen allmahlich in die Lage kommen, an die Stelle des ersten Adam den zweiten Adam zu setzen, an die Stelle des verweslichen Leibes des ersten Adam den unverweslidien Leib des zweiten Adam, des Christus, anzuziehen. Nichts Geringeres also, als was alle alte

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Weltanschauung zu durchlödiern scheint, nichts Geringeres scheint Paulus von denen zu fordern, die sich echte Christen nennen. Wie der erste, verwesliche Leib abstammt von Adam, so muß von dem zwei­ten Adam, von Christus, stammen der unverwesliche Leib. So daß jeder Christ sich sagen müßte, weil ich von Adam abstamme, habe ich. einen verweslichen Leib, wie ihn Adam hatte; und indem ich mich in das rechte Verhältnis zu dem Christus setze, bekomme ich von Christus - dem zweiten Adam - einen unverweslichen Leib. Diese Anschauung leuchtet für Paulus unmittelbar hervor aus dem Damas­kus-Ereignis. Mit anderen Worten: was will Paulus sagen? Wir kön­nen es vielleicht mit einer einfachen schematischen Zeichnung aus­drücken.

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Wenn wir eine Anzahl von Menschen zu einer bestimmten Zeit haben (X), so wird Paulus alle stammbaumgemäß zurückführen zu dem ersten Adam, von dem sie alle abstammen, und der ihnen den verweslichen Leib gegeben hat. Ebenso muß nach der Vorstellung des Paulus ein anderes möglich sein. Wie die Menschen in bezug auf ihre Menschlichkeit sich sagen können: wir sind verwandt, weil wir von dem einen Urmenschen, von Adam, abstammen, so müssen sie sich auch im Sinne des Paulus sagen: wie wir ohne unser Zutun durch die Verhältnisse, die in der physischen Menschheitsfortpflanzung gegeben sind, diese Linien zu Adam hinaufführen können, so muß es möglich sein, daß wir in uns etwas entstehen lassen können, was uns ein anderes möglich macht. Wie die natürlichen Linien zu Adam hinauf-führen, so muß es möglich sein, Linien zu ziehen, die uns - zwar

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nicht zu dem fleischlichen Adam hinaufführen mit dem verweslichen Leib, die uns aber ebenso hinführen zu dem Leib, der unverweslich ist, und den wir durch unsere Beziehung zu dem Christus ebenso in uns tragen können, nach Paulinischer Auffassung, wie wir den ver­weslichen Leib durch Adam in uns tragen.

Nichts Unbequemeres gibt es für das moderne Bewußtsein, als diese Vorstellung. Denn ganz nüchtern besehen: was fordert das von uns? Es fordert etwas, was für das moderne Denken geradezu unge­heuerlich ist. Das moderne Denken hat lange darüber gestritten, ob alle Menschen von einem einzigen Urmenschen abstammen; aber das läßt es sich noch gefallen, daß alle Menschen von einem einzigen Menschen abstammen, der einmal auf der Erde da war für das physische Bewußtsein. Paulus aber fordert folgendes. Er sagt: Wenn du im rechten Sinne ein Christ werden willst, mußt du dir vorstellen, daß in dir etwas entstehen kann, was in dir leben kann, und von dem du sagen mußt, du kannst ebenso geistige Linien ziehen von diesem in dir Lebenden zu einem zweiten Adam, zu Christus, und zwar zu jenem Christus, der am dritten Tage sich aus dem Grabe erhoben hat, wie alle Menschen Linien hinziehen können zu dem physischen Leib des ersten Adam. - So verlangt Paulus von allen, die sich Christen nennen, daß sie in sich etwas entstehen lassen, was wirklich in ihnen ist, und was so, wie der verwesliche Leib zurückführt auf Adam, zu dem hinführt, was sich am dritten Tage erhoben hat aus dem Grabe, in das der Leib des Christus Jesus hineingelegt worden ist. Wer das

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mdit zugibt, kann kein Verhältnis zu Paulus gewinnen, kann nicht sagen: er verstehe Paulus Stammt man ab in bezug auf seinen ver­weslichen Leib vom ersten Adam, so hat man die Möglichkeit, indem man die Wesenheit des Christus zu seinem eigenen Wesen macht, einen zweiten Stammvater zu haben. Das ist aber der, der sich am dritten Tage, nachdem der Leichnam des Christus Jesus in die Erde gelegt worden war, aus dem Grabe erhoben hat.

So sei uns zunächst klar, daß dies eine Forderung des Paulus ist, so unbequem es auch dem modernen Denken ist. Wir werden uns schon von dieser Paulinischen Aufstellung dem modernen Denken nähern; nur soll man keine andere Meinung haben über das, was uns aus Paulus so klar entgegentritt, soll nicht herumdeuteln an dem, was gerade bei Paulus so klar ausgesprochen ist. Es ist freilich bequem, etwas allegorisch auszulegen und zu sagen, er habe es so und so ge­meint; aber alle diese Deutungen haben keinen Sinn. Und es bleibt uns nichts übrig, wenn wir einen Sinn damit verbinden wollen -selbst wenn das moderne Bewußtsein es als einen Aberglauben auf­fassen wollte - als daß nach Paulimscher Darstellung der Christus nach drei Tagen auferstanden ist. Gehen wir aber weiter.

Ich möchte hier nun auch noch die Bemerkung einfügen, daß eine solche Behauptung, wie sie Paulus getan hat, nachdem er selber den Gipfel seiner Initiation durch das Ereignis von Damaskus erlangt ,latte, die Behauptung über den zweiten Adam und seine Auf­erstehung aus dem Grabe, nur einer machen konnte, der seiner ganzen Denkweise und seiner ganzen Anschauung nach aus dem Griechentum hervorgegangen war; der eben in dem Griechentum wurzelte, wenn auch als ein Angehöriger des hebräischen Volkes; der aber all seinen Hebräismus in gewisser Beziehung der griechischen Auffassung zum Opfer gebracht hatte. Denn was behauptet eigentlich Paulus, wenn wir der Sache nähertreten? Was die Griechen geliebt und geschätzt haben, die äußere Form des Menschenleibes, wovon sie die tragische Empfindung hatten: das endet, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes schreitet!, von dem sagt Paulus aus seiner An­schauung heraus: Es hat sich triumphierend aus dem Grabe erhoben mit der Auferstehung des Christus! - Und ziehen wir eine Brücke

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zwischen den zwei Weltanschauungen. so können wir sie am besten so ziehen:

Der griechische Heros sagte aus seiner griechischen Empfindung heraus: Lieber ein Bettler sein in der Oberwelt, als ein König im Reiche der Schatten! Und er sagte es, weil er aus seiner griechischen Empfindung heraus davon überzeugt war, daß das, was der Grieche liebte, die äußere Form des physischen Leibes, mit dem Durchgehen durch die Pforte des Todes ein für allemal verloren sei. Auf den­selben Boden, auf dem diese schönheitstrunkene tragische Stimmung erwachsen war, trat Paulus, der Verbreiter des Evangeliums zunächst unter den Griechen. Und wir weichen nicht von seinen Worten ab, wenn wir sie in folgender Weise übersetzen: «Nicht geht in der Zu­kunft das, was ihr im meisten schätzt, die menschliche Leibesform, zugrunde; sondern der Christus ist erstanden als der Erste von denen, die auferweckt werden von den Toten! Die physische Leibesform ist nicht verloren - sondern zurückgegeben der Menschheit durch die Auferstehung des Christus!> Was die Griechen am meisten schätzten, das gab der durch und durch griechisch gebildete Jude Paulus den Griechen mit der Auferstehung wieder zurück. Nur ein Grieche konnte so denken und so sprechen, aber nur ein Grieche, der es geworden war mit all den Voraussetzungen, die zugleich die Abstam­mung aus dem Judentum ergab. Nur ein zum Griechen gewordener Jude konnte so sprechen, nimmermehr ein anderer.

Wie können wir uns aber diesen Dingen vom Standpunkte der Geisteswissenschaft aus nähern? Denn vorerst sind wir erst so weit, daß wir wissen, Paulus habe etwas gefordert, was dem modernen Denken einen gründlichen Strich durch die Rechnung macht. Jetzt wollen wir einmal versuchen, uns vom Standpunkte der Geistes­wissenschaft aus dem, was Paulus fordert, zu nähern.

Nehmen wir einmal die Dinge, die wir aus der Geisteswissenschaft wissen, zusammen, um aus dem, was wir selber sagen, eine Vorstel­lung zu bekommen gegenüber den Behauptungen des Paulus Da wissen wir, wenn wir uns die allereinfachsten geisteswissenschaftlichen Wahrheiten noch einmal vor die Seele führen: Der Mensch besteht aus physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich. Wenn Sie nun

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jemanden fragen, der sich ein wenig mit Geisteswissenschaft beschäftigt hat, aber nicht sehr gründiich, ob er den physischen Leib des Men­schen kenne, so wird er Ihnen ganz gewiß sagen: Den kenne ich sehr gut; denn ich sehe ihn ja, wenn ein Mensch mir vor Augen tritt. Das andere sind die übrigen unsinnlichen, unsichtbaren Glieder, die kann man nicht sehen; aber den physischen Menschenieib kenne ich sehr gut. - Tritt uns wirklich der physische Leib des Menschen vor Augen, wenn wir mit unserer gewöhnlichen physischen Anschauung und unserem physischen Verstande dem Menschen entgegentreten? Ich frage Sie: Wer hat ohne hellseherische Anschauung jemals einen physischen Menschenleib gesehen? Was haben die Menschen vor Augen, wenn sie nur mit physischen Augen schauen und mit dem physischen Verstande begreifen? Ein Menschenwesen, das aber besteht aus physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich! Und wenn ein Mensch vor uns steht, steht ein organisierter Zusammen­hang aus physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich vor uns. Und es hat sowenig Sinn, zu sagen, es stünde ein physischer Leib vor uns, wie es keinen Sinn hätte, zu sagen, wenn wir jemandem ein Glas Wasser vorhalten: da ist Wasserstoff drinnen! Wasser besteht aus Wasserstoff und Sauerstoff, wie der Mensch besteht aus physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich. Was physischer Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich zusammen ausmachen, das ist äußerlich in der physischen Welt zu sehen, wie das Wasser in dem Glase Wasser. Wasserstoff und Sauerstoff aber wird nicht gesehen, und der irrt sich gewaltig, der da sagen wollte, er würde den Wasserstoff im Wasser sehen. So irrt sich aber auch der, der da meint, er sehe den physischen Leib, wenn er einen Menschen in der äußeren Welt sieht. Nicht einen physischen Menschenleib sieht der mit physischen Sinnen und mit physischem Verstande begabte Beschauer, sondern ein vier­gliedriges Wesen - und den physischen Leib nur insofern, als er durchdrungen ist von den übrigen menschlichen Wesensgliedern. Da ist er aber so verändert, wie der Wisserstoff im Wasser, indem er vom Sauerstoff durchdrungen ist. Denn Wasserstoff ist ein Gas, und Sauer­stoff ist auch eins. Wir haben also zwei Gase; beide zusammengefügt geben eine Flüssigkeit. Warum sollte es also unbegreiflich sein, daß

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der Mensch, der uns in der physischen Welt entgegentritt, sehr un­ähniich ist seinen einzelnen Gliedern - dem physischen Leib, dem Ätherleib, dem Astralleib und dem Ich, wie ja auch das Wasser dem Wasserstoff sehr unähnlich ist? Und so ist es auch! Deshalb müssen wir sagen: Auf jene Maja, als die ihm der physische Leib zunächst. erscheint, darf sich der Mensch nicht verlassen. Wir müssen uns den physischen Leib in einer ganz anderen Weise denken, wenn wir uns dem Wesen dieses physischen Menschenleibes nähern wollen.

Da handelt es sich darum, daß die Betrachtung des physischen Menschenleibes an sich zu den schwierigsten heliseherischen Problemen gehört, zu den allerschwierigsten! Denn nehmen wir an, wir lassen von der Außenwelt dasjenige Experiment mit dem Menschen voll­ziehen, das ähnlich ist dem Zerlegen des Wassers in Wasserstoff und Sauerstoff. Nun, im Tode wird ja dieses Experiment von der großen Welt vollzogen. Da sehen wir, wie der Mensch seinen physischen Leib ablegt. Legt er wirklich seinen physischen Leib ab? Die Frage scheint eigentlich lächerlich zu sein. Denn was scheint klarer zu sein, als daß der Mensch mit dem Tode seinen physischen Leib ablegt! Aber was der Mensch mit dem Tode ablegt - was ist denn das? Das ist etwas, von dem man zum mindesten sich sagen muß, daß es das Wichtigste, was der physische Leib im Leben hat, nicht mehr besitzt: nämlich die Form, die von dem Momente des Todes an zerstört zu werden beginnt an dem Abgelegten. Wir haben zerfallende Stoffe vor uns, und die Form ist nicht mehr eigentümlich. Was da abgelegt wird, sind im Grunde genommen die Stoffe und Elemente, die wir sonst auch in der Natur verfolgen; das ist nicht das, was sich naturgemäß eine menschliche Form geben würde. Zum physischen Menschenleib gehört aber diese Form ganz wesentlich. Für den gewöhnlichen helisehe­rischen Blick ist es zunächst tatsächlich so, als ob einfach der Mensch diese Stoffe ablege, die dann der Verwesung oder Verbrennung zu-geführt werden, und sonst nichts von seinem physischen Leibe bliebe. Dann sieht das gewöhnliche Hellsehen nach dem Tode in jenen Zu­sammenhang hinein, der da besteht aus Ich, astralischem Leib und Ätherleib während der Zeit, während welcher der Mensch seinen Rückblick zum verflossenen Leben hat. Dann sieht der Hellseher

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dureh das fortsdireiteade Experiment den Ätherleib sich abtrennen, sieht einen Extrakt dieses Atherleibes mitgehen und das Übrige sich auflösen in dem allgemeinen Weltenäther in der einen oder anderen Weise. Und so scheint es in der Tat, als ob der Mensch den physischen Leib mit den physischen Stoffen und Kräften abgelegt hätte mit dem Tode und den Ätherleib nach ein paar Tagen. Und wenn der Hell­seher den Menschen dann weiter verfolgt während der Kamaloka­Zeit, so sieht er, wie wieder von dem Astralleib ein Extrakt durch das weitere Leben zwischen Tod und neuer Geburt mitgenommen, und wie das andere des Astralleibes der allgemeinen Astralität über­geben wird.

Wir sehen also: Physischer Leib, Ätherleib und Astralleib werden abgelegt, und der physische Leib scheint erschöpft zu sein in dem, was wir vor uns haben in den Stoffen und Kräften, die der Verwesung oder Verbrennung oder auf eine andere Weise der Auflösung in die Elemente entgegengehen. Je mehr sich aber in unserer Zeit des Menschen Hellsichtigkeit entwickelt, desto mehr wird er sich über eines klar werden: daß das, was mit dem physischen Leibe abgelegt wird als die physischen Stoffe und Kräfte, doch nicht der ganze physische Leib ist, daß das gar nicht einmal die ganze Gestalt des physischen Leibes gäbe. Sondern zu diesen Stoffen und Kräften gehört noch etwas anderes, das wir nennen müssen, wenn wir sachgemäß sprechen, das «Phantom> des Menschen. Dieses Phantom ist die Form-gestalt des Menschen, welche als ein Geistgewebe die physischen Stoffe und Kräfte verarbeitet, so daß sie in die Form hineinkommen, die uns als der Mensch auf dem physischen Plane entgegentritt. Wie der plastische Künstler keine Statue zustande bringt, wenn er Mar­mor oder irgend etwas anderes nimmt und wüst darauf losschlägt, daß einzelne Stücke abspringen, wie sie der Stoff eben abspringen läßt; sondern wie der plastische Künstler den Gedanken haben muß, den er dem Stoffe einprägt, so ist auch für den Menschenleib der Gedanke vorhanden; aber nicht so vorhanden, da das Material des Menschenleibes kein Marmor oder Gips ist, wie derjenige des Künst­lers, sondern als der reale Gedanke in der Außenwelt: als Phantom. Was der plastische Künstler einprägt seinem Stoffe, das wird den

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Stoffen der Erde, die wir nach dem Tode dem Grabe oder dem Feuer übergeben sehen, eingeprägt als Phantom des physischen Leibes. Das Phantom gehört zum physischen Leibe dazu, es ist der übrige Teil des physischen Leibes, ist wichtiger als die äußeren Stoffe; denn die äußeren Stoffe sind im Grunde genommen nichts anderes als etwas, was hineingeladen wird in das Netz der mensch­lichen Form, wie man Äpfel auf einen Wagen lädt. Das Phantom ist etwas Wichtiges! Die Stoffe, die da zerfallen nach dem Tode, sind im wesentlichen das, was wir in der Natur draußen auch antreffen, nur daß es aufgefangen wird von der menschlichen Form.

Wenn Sie tiefer nachdenken: glauben Sie, daß alle die Arbeit, die getan worden ist von großen göttlichen Geistern durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit hindurch, nur das geschaffen hat, was mit dem Tode den Elementen der Erde übergeben wird? Nein! das ist es gar nicht, was da durch Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit hindurch entwickelt worden ist. Das Phantom ist es, die Form des physischen Leibes! Das ist es also, worüber wir uns klar sein müssen, daß das Verständnis dieses physischen Leibes nicht so leicht ist. Vor allen Dingen darf das Verständnis des physischen Leibes nicht in der Welt der Illusion, nicht in der Welt der Maja gesucht werden. Wir wissen, daß den Grundstein, sozusagen den Keim zu diesem Phantom des physischen Leibes, die Throne während der Saturnzeit gelegt haben, daß dann weiter daran gearbeitet haben die Geister der Weisheit während der Sonnenzeit, die Geister der Bewegung während der Mondenzeit und die Geister der Form während der Erdenzeit. Und dadurch erst ist das, was der physische Leib ist, zum Phantom ge­worden. Daher nennen wir sie die Geister der Form, weil sie eigentlich in dem leben, was wir das Phantom des physischen Leibes nennen. So müssen wir schon, um den physischen Leib zu verstehen, zum Phantom desselben zurückgehen.

Nun würden wir also sagen können, wenn wir an den Beginn unseres Erdendaseins uns versetzen: Die Scharen aus den Reihen der höheren Hierarchien, welche über die Saturn-, Sonnen- und Monden­zeit bis zur Erdenzeit den menschlichen physischen Leib in seiner Form bereitet haben, sie haben dieses Phantom zunächst innerhalb

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der Erdenevolution hereingestellt. In der Tat war als erstes von dem physischen Leib des Menschen das Phantom da, das man nicht mit physischen Augen sehen kann. Das ist ein Kraftleib, der ganz durch­sichtig ist. Was das physische Auge sieht, sind die physischen Stoffe, die der Mensch ißt, die er aufnimmt, und die dieses Unsichtbare ausfüllen. Schaut das physische Auge einen physischen Leib an, so sieht es in Wahrheit das Mineralische, das den physischen Leib aus­füllt, gar nicht den physischen Leib. Wodurch ist denn aber das Mineralische gerade so, wie es ist, hineingekommen in dieses Phantom des physischen Leibes des Menschen? - Um uns diese Frage zu be­antworten, vergegenwartigen wir uns noch einmal die Entstehung, das erste Werden des Menschen auf unserer Erde.

Herübergekommen ist von Saturn, Sonne und Mond jener Kraft-zusammenhang, der uns im unsichtbaren Phantom des physischen Leibes in seiner wahren Gestalt entgegentritt, und der gerade für ein höheres Hellsehen erst als Phantom erscheinen wird, wenn wir absehen von alledem, was als äußere Stoffe dieses Phantom ausfüllt. Also dieses Phantom ist es, was am Ausgangspunkte steht. Un­sichtbar wäre also der Mensch am Ausgangspunkte seines Erden­werdens auch als physischer Leib. Nehmen wir jetzt an, es würde zu diesem Phantom des physischen Leibes der Ätherleib noch hinzu­gefügt werden, würde dadurch der physische Leib nun sichtbar werden als Phantom? Ganz gewiß nicht. Denn der Ätherleib ist sowieso unsichtbar für das gewöhnliche Anschauen. Also physischer Leib plus Ätherleib sind noch immer nicht sichtbar im äußeren physischen Sinne. Und der Astralleib erst recht nicht; so daß physischer Leib als Phantom und Ätherleib und Astralleib zusammen noch immer un­sichtbar sind. Und das Ich, hinzugefügt, würde zwar innerlich wahr­nehmbar sein, aber nicht äußerlich sichtbar. Also der Mensch bliebe uns, wie er aus der Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit herübergekom­men ist, etwas Unsichtbares, und würde nur für ein Hellsehen sichtbar sein. Wodurch wurde er sichtbar? - Er würde überhaupt nicht sichtbar geworden sein, wenn nicht das eingetreten wäre, was uns die Bibel symbolisch und was uns wirklich die Geheimwissen-schaft schildert: der luziferische Einfluß. Was ist damit geschehen?

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Lesen Sie nach in der «Geheimwissenschaft>: Aus jener Entwicke­lungsbahn, in welcher der Mensch dadurch war, daß sein physischer Leib, Ätherleib und Astralleib bis zum Unsichtbaren gebracht worden sind, ist er heruntergeworfen worden in die dichtere Materie und hat die dichtere Materie so aufgenommen, wie er sie eben aufnehmen mußte unter dem Einflusse des Luzifer. Wäre also in unserem astra­lischen Leibe und in unserem Ich nicht das, was wir die luziferische Kraft nennen, so würde die dichte Materialität nicht so sichtbar ge­worden sein, wie sie sichtbar geworden ist. Daher müssen wir sagen:

Wir müssen den Menschen als einen unsichtbaren hinstellen; und erst mit den Einflüssen des Luzifer sind Kräfte in den Menschen einge­zogen, die ihn für die Materie sichtbar machen. Durch die luzife­rischen Einflüsse geraten in das Gebiet des Phantoms die äußeren Stoffe und Kräfte und durchdringen dieses Phantom. Wie wenn wir in ein durchsichtig erscheinendes Glas eine farbige Flüssigkeit hinein-gießen, so daß uns dasselbe gefärbt erscheint, während es sonst für unser Auge durchsichtig war, so müssen wir uns denken, daß der luziferische Einfluß Kräfte hineingegossen hat in die menschliche Phantomform, wodurch der Mensch geeignet wurde, auf der Erde die entsprechenden Stoffe und Kräfte aufzunehmen, die seine sonst un­sichtbare Form sichtbar werden lassen.

Was also macht den Menschen sichtbar? Die luziferischen Kräfte in seinem Innern machen den Menschen so sichtbar, wie er uns auf dem physischen Plane entgegentritt; sonst wäre sein physischer Leib immer unsichtbar geblieben. Daher haben die Alchlmisten immer betont, daß der menschliche Leib in Wahrheit besteht aus derselben Substanz, aus welcher der ganz durchsichtige, kristalihelle Stein der Weisen besteht. Der physische Leib besteht wirklich aus absoluter Durchsichtigkeit, und die luziferischen Kräfte im Menschen sind es, welche ihn zur Undurchsichtigkeit gebracht haben und ihn so vor uns hinstellen, daß er undurchsichtig und greifbar wird. Daraus werden Sie ersehen, daß der Mensch zu dem Wesen, das die äußeren Stoffe und Kräfte der Erde aufnimmt, die mit dem Tode wieder weggegeben werden, nur dadurch geworden ist, daß er von Luzifer verführt worden ist, und daß gewisse Kräfte in seinen Astralleib hineingegossen worden sind.

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Was aber wird denn notwendigerweise daraus folgen? Daraus muß folgen, daß, indem das Ich unter dem Einfluß des Luzifer auf der Erde in den Zusammenhang von physischem Leib, Ätherleib und Astralleib eingezogen ist, der Mensch erst das geworden ist, was er auf der Erde ist. Dadurch ist er erst zum Träger der irdischen Gestalt geworden, sonst ,wäre er es nicht geworden.

Und jetzt nehmen wir einmal an, daß von einem menschlichen Zusammenhange, der da besteht aus physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich, in einem bestimmten Zeitpunkte des Lebens das Ich herausgeht, daß also dann vor uns stehen würde: physischer Leib, Ätherleib, Astralleib - nicht aber das Ich dazu. Nehmen wir einmal an, das würde eintreten, das heißt, es würde eintreten, was ein­getreten ist mit Bezug auf den Jesus von Nazareth im dreißigsten Jahre seines Lebens: da hat das menschliche Ich diesen Zusammen­hang von physischem Leib, Ätherleib und Astralleib verlassen. Und in dies, was geblieben ist - eben der Zusammenhang von physischem Leib, Ätherleib und Astralleib - zieht die Christus-Wesenheit ein mit der Johannes-Taufe im Jordan. Daher haben wir jetzt physischen Leib, Ätherleib und Astralleib eines Menschen - und die Christus­Wesenheit. Wie sonst das Ich, so sitzt jetzt in einem menschlichen Zusammenhange die Christus-Wesenheit. Was also unterscheidet jetzt diesen Christus Jesus von allen anderen Menschen der Erde? Das unterscheidet ihn, daß alle anderen Menschen jenes Ich in sich tragen, das einmal in der Versuchung des Luzifer unterlegen ist, und daß der Christus Jesus dieses Ich nicht mehr in sich trägt, sondern statt dessen die Christus-Wesenheit. So daß er nunmehr von dem, was von Luzifer kommt, den Rest in sich trägt - ohne daß ein menschliches Ich weiter in diesen Leib, von der Johannes-Taufe im Jordan an­gefangen, die luziferischen Einflüsse hineinkommen lassen könnte. Ein physischer Leib, ein Ätherleib, ein astralischer Leib, in denen die Reste der luziferischen Einflüsse von früher drinnen sind, aber in die keine neuen Einflüsse hineinkommen können in den nächsten drei Jahren, und die Christus-Wesenheit: das macht den Christus Jesus aus.

Fassen wir ganz genau ins Auge, was jetzt der Christus von der Johannes-Taufe im Jordan bis zum Mysterium von Golgatha ist: ein

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physischer Leib, ein ätherischer Leib und ein astralischer Leib, der diesen physischen Leib und Ätherleib sichtbar macht, weil er die Reste des luziferischen Einflusses noch enthält. Denn dadurch, daß die Christus-Wesenheit die Reste des astralischen Leibes hat, die der Jesus von Nazareth gehabt hat von der Geburt bis zum dreißigsten Jahre, dadurch ist der physische Leib sichtbar als der Christus-Träger. Seit der Johannes-Taufe im Jordan haben wir also vor uns einen physischen Leib, der als solcher nicht sichtbar wäre auf dem physi­schen Plan, einen Ätherleib, der als solcher nicht wahrnehmbar wäre, die Reste des Astralleibes, der die beiden anderen Leiber sichtbar macht, der den Jesus-von-Nazareth-Leib zu einem sichtbaren Leib macht von der Johannes-Taufe im Jordan bis zum Mysterium von Golgatha - und die Christus-Wesenheit drinnen. Diese viergliedrige Wesenheit des Christus Jesus wollen wir uns einmal recht gut in die Seele schreiben, wollen uns sagen: Ein jeder Mensch, der auf dem physischen Plane vor uns steht, besteht aus physischem Leib, Äther­leib, Astralleib und Ich; aber dieses Ich ist ein solches, das immer in den astralischen Leib hineinwirkt bis zum Tode. Die Christus-Jesus-Wesenheit aber steht als solche vor uns, die an sich hat auch physi­schen Leib, Ätherleib, Astralleib - aber jetzt kein menschliches Ich, so daß da die drei Jahre bis zum Tode nicht dasselbe hineingewirkt wird, was sonst in die menschliche Wesenheit hineingewirkt wird, sondern eben die Christus-Wesenheit.

Das wollen. wir uns klar vor die Seele schreiben und morgen von diesem Ausgangspunkte an die Sache weiter betrachten.

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SIEBENTER VORTRAG Karlsruhe, 11. Oktober 1911

Wir haben durch unsere gestrige Betrachtung gesehen, daß in einer gewissen Beziehung die Frage des Christentums die der Auferstehung des Christus Jesus ist. Namentlich hat sich uns gezeigt, daß dem­jenigen Verkundiger des Christentums, der sogleich nach seiner Er­kenntnis des Wesens des Christus-Impulses auch erkannt hatte, daß der Christus nach dem Ereignis von Golgatha lebt, daß dem Paulus nach seinem Erlebnis vor Damaskus ein gewaltiges, ein großartiges Geschichtsbild von der Entwickelung der Menschheit aufgegangen war. Und wir haben gestern, von diesem Punkte ausgehend, unsere Be­trachtungen so weit geführt, daß wir uns eine Vorstellung verschafft haben von dem, was der Christus Jesus unmittelbar nach der Johannes-Taufe im Jordan war. Unsere nächsten Aufgaben werden also darin bestehen, zu untersuchen, was geschehen ist von der Johannes-Taufe im Jordan bis zü dem Mysterium von Golgatha. Um aber von dem gestrigen Ausgangspunkte aus aufsteigen zu können zu dem Verständnis dieses Mysteriums von Golgatha, wird es notwendig sein, auf einiges hinzuweisen, um gewisse Hindernisse aus dem Wege zu räumen, die sich einem entgegenstellen, wenn man in einer tiefgehen­den und ernsten Weise das Mysterium von Golgatha begreifen will. Sie können ja aus alledem, was über die Evangelien im Laufe der Jahre gesagt worden ist, und auch aus dem, was schon in den wenigen Vorträgen dieser Tage hier gesprochen wurde, entnehmen, daß gewisse, da oder dort für genügend erachtete theosophische Vor­stellungen in Wirklichkeit durchaus nicht genügen, um die Frage zu beantworten, die uns beschäftigt.

Vor allen Dingen müssen wir ganz ernst nehmen, was über die drei Strömungen der Menschheit gesagt worden ist: die Strömung, die über das Griechentum heraufgeht, dann die zweite, die über das althebräische Altertum geht, und endlich diejenige Strömung, die ein halbes Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung in dem Gotama Buddha ihren Ausdruck gefunden hat. Gezeigt hat sich uns, daß die Strömung

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des Gotama Buddha - namentlich so, wie sie sich eingelebt hat in die Bekennerschaft des Buddha - am allerwenigsten geeignet sein kann, ein Verständnis des Mysteriums von Golgatha zu vermitteln. Für den modernen Menschen, der erfüllt ist von dem Bewußtsein der gegenwärtigen Bildung, hat ja allerdings gerade die Strömung, die im Buddha-Bekenntnis zum Ausdruck kommt, etwas Bequemes; denn kaum eine andere Strömung kommt so den Begriffen der Gegenwart entgegen, insofern diese Begriffe gerade vor dem Größten stillestehen wollen, was die Menschheit zu begreifen hat: vor der Auferstehungs­frage. Denn mit der Auferstehungsfrage hängt die ganze Entwick­lungsgeschichte der Menschheit zusammen. Es ist nun einmal so, daß, wie wir gesehen haben, innerhalb der Buddha-Lehre dasjenige ver­lorengegangen ist, was wir im eigentlichen Sinne das vierte Glied der menschlichen Natur nennen: die reale Wesenheit des Ich. Gewiß, man kann ja auch bei diesen Dingen allerlei Deutelungen und Inter­pretationskünste anwenden, und es wird viele Menschen geben, die in einer gewissen Weise bemängeln werden, was hier über die Buddha-Strömung gesagt worden ist. Aber darauf kommt es nicht an. Denn so etwas, wie ich es angeführt habe, was aus dem Herzen eines buddhistischen Menschen kommt, wie zum Beispiel das Gespräch zwischen dem König Milinda und dem buddhistischen Weisen Naga­sena, solche Dinge sprechen deutlich dafür, daß so, wie wir von der Ich-Natur des Menschen sprechen müssen, innerhalb des Buddhismus nicht über die Ich-Natur gesprochen werden kann. Wir müssen es begreifen, daß es für einen echten Bekenner des Buddhismus sogar eine Ketzerei ist, wenn über die Ich-Natur so gesprochen wird, wie wir es vertreten müssen. Deshalb ist es notwendig, uns über die Ich-Natur zu verständigen.

Was wir das menschliche Ich nennen, was wir bei jedem Menschen

- und sei es der höchste Adept - als von Inkarnation zu Inkar­nation gehend auffassen, von diesem menschlichen Ich - das haben wir gestern zum Schluß angeführt - können wir bei dem Jesus von Nazareth nur sprechen von der Geburt bis zur Johannes-Taufe im Jordan. Dann, nach der Johannes-Taufe, haben wir zwar in der Wesenheit des Christus Jesus noch vor uns den physischen Leib,

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Ätherleib und Astralleib des Jesus von Nazareth, aber jetzt sind diese äußeren menschlichen Hüllen bewohnt - nicht von einem menschlichen Ich, sondern von einem kosmischen Wesen, das wir als das Christus-Wesen uns nun schon in jahrelangen Bemühungen dem Verständnis durch Worte nahezubringen versuchen. Sobald man näm­lich die ganze Wesenheit des Christus Jesus versteht, ist es eigentlich ganz selbstverständlich, daß man für den Christus Jesus eine jegliche Art der physischen, der fleischlichen Wiederverkörperung ablehnen muß, und daß die in meinem Mysteriendrama «Die Prüfung der Seele» gebrauchte Wendung von dem nur einmaligen Vorhandensein des Christus in einem fleischlichen Leibe ganz wörtlich und ernst genommen werden muß. Wir müssen demnach zuerst uns beschäftigen mit der Wesenheit, mit der Natur des menschlichen Ich, gerade mit demjenigen also, über das sozusagen vollständig hinaus sein mußte die Christus Jesus-Wesenheit von der Johannes-Taufe im Jordan an bis zum Mysterium von Golgatha.

Aus den früheren Vorträgen, wo gezeigt worden ist, daß der Ent­wickelung der Erde voraufgegangen ist ein Saturndasein, ein Sonnendasein, ein Monddasein, und daß auf diese drei planetarischen Ver­körperungen die vierte, unsere eigene Erdenverkörperung gefolgt ist,

- aus solchen Vorträgen wissen Sie, daß erst innerhalb unserer Erde, innerhalb des vierten der planetarischen Zustände, die nötig waren, um unsere Erde mit allen ihren Wesen zustande zu bringen, dasjenige mit der menschlichen Natur in eine Verbindung treten konnte, was wir das menschliche Ich nennen. Wie wir für die alte Saturnzeit sprechen von dem Beginn des physischen Leibes, so sprechen wir bei der alten Sonnenzeit von der ersten Entwickelung des Ätherleibes, bei dem Mondendasein von der ersten Entwickelung des Astralleibes und erst bei der Erdentwickelung von der Entfaltung des Ich. Das wäre die ganze Sache geschichtlich, kosmisch-geschichtlich betrachtet. Wie stellt sich denn aber die Sache, wenn wir den Menschen ansehen?

Da wissen wir aus unseren bisherigen Betrachtungen, daß, wenn auch der Keim des Ich schon in der lemurischen Zeit in die mensch­liche Wesenheit gelegt worden ist, eine Möglichkeit, zum Ich-Bewußt-sein zu kommen, für den Menschen erst eingetreten ist gegen das

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Ende der atlantischen Zeit, und daß eigentlich auch dann noch dieses Ich-Bewußtsein sehr dämsuerhaft und dunkel war. Ja, auch noch nach der atlantischen Zeit, durch die verschiedenen Kulturperioden hin­durch, die dem Mysterium von Golgatha voraufgegangen sind, war verhältnismäßig lange noch das Ich-Bewußtsein ein dumpfes, traum­haftes, dämmerhaftes. Und wenn Sie die Entwickelung des hebräischen Volkes ins Auge fassen, wird Ihnen klar sein, daß gerade bei diesem Volke das Ich-Bewußtsein in einer sehr eigenartigen Weise zum Aus-druck gekommen ist. Es war eine Art von Volks-Ich, welches gelebt hat in jedem einzelnen Gliede des althebräischen Volkes; und im Grunde genommen hat jeder Angehörige dieses Volkes sein Ich hin­aufgeleitet bis zum fleischlichen Stammvater, bis zu Abraham. Des­halb können wir sagen: Das Ich eines Gliedes des althebräischen Volkes ist noch ein solches, das wir als ein Gruppen-Ich, ein Volks-Gruppen-Ich bezeichnen. Es ist das Bewußtsein da noch nicht durch-gedrungen bis zum individuellen Einzelwesen des Menschen. Warum ist das so? Aus dem Grunde, weil jenes Gefüge der viergliedrigen Menschenwesenheit, das wir heute als das normale ansehen, erst nach und nach im Laufe der Erdentwickelung sich herausgebildet hat, und weil im Grunde genommen erst gegen Ende der atlantischen Zeit der noch weit außer dem physischen Leib befindliche Teil des Ätherleibes nach und nach hineingezogen ist in den physischen Leib. Und erst indem diese eigentümliche Organisation sich herausgebildet hat, die wir jetzt als die normale mit dem hellseherischen Bewußtsein erken­nen, daß nämlich der physische Leib und der Ätherleib sich ungefähr decken, erst dann ist die Möglichkeit für den Menschen gegeben worden, das Ich-Bewußtsein zu entfalten. Aber dieses Ich-Bewußtsein tritt uns in einer sehr eigentümlichen Art entgegen. Machen wir uns allmählich und langsam eine Vorstellung, wie uns dieses Ich-Bewußt­sein beim Menschen entgegentritt!

Ich habe Sie gestern darauf aufmerksam gemacht, wie Menschen gesprochen haben, die mit aller Intellektualität der Gegenwart, mit aller Verständigkeit der Zeit gestellt wurden vor die Auferstehungs­frage; wie sie sagen: Wenn ich zugeben muß, was echte Paulinische Lehre ist für die Auferstehung, dann muß ich einen Riß machen in

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meme ganze Weltanschauung. - So sagen die Menschen der Gegen-wart, die Menschen, die also aus ihrer Seele herausziehen können alles, was zu unserem gegenwärtigen Verstande gehört. Es ist solchen Menschen, die so sprechen, ganz gewiß außerordentlich feruliegend, was jetzt gesagt werden muß.

Aber wäre es denn nicht möglich, daß solche Menschen einmal folgende Überlegung anstellten: Gut, könnten sie sagen, ich muß einen Riß machen in meine ganze Verstandesanschauung; in alles, was ich intellektuell denken kann, muß ich einen Riß machen, wenn ich die Auferstehung annehmen soll. Ist das aber ein Grund, sie abzu­lehnen? Ist es die einzige Möglichkeit, weil unser Verständnis diese Auferstehung nicht begreift und sie als ein Wunder ansehen soll, über diesen Zwiespalt dadurch hinüberzugelangen, daß wir die Aufer­stehung ablehnen? Gäbe es nicht noch eine andere Möglichkeit? -Diese andere Möglichkeit kommt dem modernen Menschen gar nicht leicht; sie würde sich nämlich darin ausdrücken, daß sich der Mensch sagte: Vielleicht liegt es nicht an der Auferstehung, daß ich sie nicht begreifen kann, sondern vielleicht liegt es an meinem Verstande; vielleicht ist mein Verstand nur nicht geeignet, um die Auferstehung zu verstehen!

So wenig man in unserer Gegenwart diese Sache ganz ernst nehmen wird, so darf doch gesagt werden: den modernen Menschen hindert sein Hochmut, eben weil er gar nicht daran denkt, daß darin ein Hochmut sitzen könnte, seinen Verstand inbezug auf diese Frage für inkompetent zu erklären. Denn was könnte erklärlicher sein: Zu sagen, was meine Verstandesanschauung zerreißt, das lehne ich ab, oder sich zu sagen, was eben erwähnt worden ist, daß der Verstand vielleicht nicht kompetent sein könnte? Das letztere läßt aber der Hochmut nicht zu.

Nun müßte natürlich der Anthroposoph über diesen Hochmut durch Selbsterziehung hinauskommen; und es müßte verhältnismäßig dem wahren, echten anthroposophischen Herzen nicht ferne liegen, sich zu sagen, mein Verstand ist vielleicht nicht kompetent, um über die Auferstehung zu entscheiden. Aber dann kommt für den Anthro­posophen eine andere Schwierigkeit, die nämlich, daß er nun doch

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eine solche Antwort begreifen muß, warum der Verstand, der Intel-lekt des Menschen nicht geeignet sein konnte, um die großte Tatsache der menschlichen Entwickelung zu begreifen. Die Antwort auf diese Frage können wir uns dadurch geben, daß wir zunächst einmal etwas genauer eingehen auf das eigentliche Wesen des menschlichen Ver­standes. Erinnern möchte ich dabei an meine Münchner Vorträge «Weltenwunder Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen>, wovon ich jetzt nur - soweit wir es brauchen - ganz kurz den Inhalt angeben will.

Was wir innerlich seelisch verarbeiten, das ist seinem Inhalte nach nicht in unserem gegenwärtigen physischen Leib; sondern das ist seinem Inhalte nach innerhalb unserer Organisation nur so weit, daß es bis zum Ätherleibe des Menschen geht. Unsere Gedanken, Gefühle und Empfindungen, dem Inhalte nach, spielen zunächst bis zu un­serem Ätherleib. Um uns das klarzumachen, denken wir uns unsere menschliche Wesenheit, insofern sie besteht aus Ich, Astralleib und Ätherleib, isiert, zusammengefügt als eine elliptische Fläche.

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Das sei graphisch, schematisch dargestellt, was wir in dieser Beziehung unsere Innerlichkeit nennen können, was wir seelisch erleben können und was so weit geht, daß es sich noch in den Strömungen und Kräften des Ätherleibes zum Ausdruck bringt. Wenn wir einen Ge-danken, eine Empfindung fassen, so ist das in unserem Seelenwesen in drei Gliedern, die wir uns in der folgenden Figur vorstellen. Es gibt nun schlechterdings innerhalb unseres Seelenlebens nichts, was nicht gerade in dieser Weise in uns wäre. Wenn nun der Mensch mit seinem gewöhnlichen irdischen Bewußtsein seine Seelenerlebnisse nur so hätte, wie ich sie jetzt geschildert habe, so erlebte er sie zwar, könnte sich ihrer aber nicht bewußt werden; sie wurden unbewußt

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bleiben. Bewußt werden unsere Seelenerlebnisse uns erst durch einen Vorgang, den wir uns begreiffich machen können, wenn wir folgendes Gleichnis gebrauchen. Denken Sie, Sie gehen in einer Richtung und schauen geradeaus, und denken Sie, Sie hießen «Müller>. Indem Sie so geradeaus gehen, sehen Sie den «Müller> nicht, dennoch sind Sie es, erleben es, sind die Wesenheit «Müller>. Und denken Sie weiter, indem Sie so hingehen, schiebt Ihnen jemand einen Spiegel vor: jetzt steht der «Müller» vor Ihnen. Was Sie früher erlebt haben, sehen Sie jetzt; das tritt Ihnen im Spiegel entgegen. - So ist es mit dem ge­samten Seelenleben des Menschen: der Mensch erlebt es, wird sich dessen aber nicht bewußt, wenn ihm nicht ein Spiegel entgegengehal­ten wird. Und für das Seelenleben ist der Spiegel nichts anderes als der physische Leib. Daher können wir den physischen Leib jetzt schematisch als die äußere Hülle zeichnen, und die Empfindungen oder Gedanken werden zurückgeworfen durch die Hülle des physischen Leibes. Dadurch werden uns die Vorgänge bewußt. So ist für uns als irdische Menschen der physische Menschenleib in Wahrheit ein Spiegelungsapparat.

Wenn Sie in dieser Weise immer tiefer und tiefer in das Wesen des menschlichen Seelenlebens und in das Wesen des menschlichen Bewußtseins eindringen, können Sie unmöglich alle diejenigen Dinge, die immer wieder und wieder von dem Materialismus der spirituellen Weltauffassung entgegengebracht werden, irgendwie gefährlich oder bedeutsam finden. Denn es ist natürlich ein vollständiger Unsinn, daraus zum Beispiel, daß bei irgendeiner Beschädigung des Spiegelungsapparates

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das seelische Erleben für das Bewußtsein aufhört wahrgenommen zu werden, den Schluß zu ziehen, daß dieses seelische Erleben selbst an den Spiegelapparat gebunden wäre. Denn wenn jemand den Spiegel zerbricht, dem Sie entgegengehen, und durch den Sie sich wahrnehmen, zerbricht er nicht Sie, sondern Sie verschwinden nur vor Ihrem Blick. So ist es, wenn der Spiegelapparat für das Seelenleben, das Gehirn, zerstört wird: es hört die Wahrnehmung auf; aber das Seelenleben selbst, insofern es im Ätherleib und Astralleib abläuft, wird gar nicht davon berührt.

Nun fragen wir weiter: Kommt nicht gerade jetzt, wo wir dieses einsehen, die Wesenheit und die Natur unseres physischen Leibes gar sehr in Betracht? - Eine leichte Überlegung kann Ihnen zeigen, daß wir ohne Bewußtsein zu keinem Ich kommen können, nämlich zu keinem Bewußtsein vom Ich. Wenn wir kein Bewußtsein entwickeln, können wir auch zu keinem Ich kommen. Daß wir uns auf der Erde das Ich-Bewußtsein aneignen können, dazu muß unser physischer Leib mit der Gehirnorganisation ein Spiegelapparat sein. Wir müssen lernen, an der Spiegelung uns unser selbst bewußt zu werden; und hätten wir keinen Spiegelapparat, so könnten wir uns nicht unser selbst bewußt werden. Wie ist aber dieser Spiegel?

Da zeigt sich uns nun, wenn wir eingehen auf die okkulten For­schungen, die zurückgehen durch das Lesen der Akasha-Chronik bis zum Ursprunge unseres Erdendaseins, daß in der Tat gerade im Be­ginne des Erdendaseins dieser Spiegelapparat, der äußere physische Leib, durch den luziferischen Einfluß anders geworden ist, als er geworden wäre, wenn der luziferische Einfluß nicht vorhanden ge­wesen wäre. Wir haben es uns ja gestern klargemacht, was dieser physische Leib für den Erdenmenschen geworden ist. Er ist etwas, was zerfällt, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes schreitet. Wir haben aber gesagt, was da zerfällt, ist nicht dasjenige, was sozusagen die göttlichen Geister durch vier planetarische Zustände vorbereitet haben, damit es auf der Erde zum physischen Leib hat werden sollen; sondern was wir gestern als das Phantom bezeichnet haben, das gehört zum physischen Leibe als etwas, was wie ein Formleib die materiellen Teile, welche unserm physischen Leibe einverwoben

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sind, durchdringt und zu gleicher Zeit zusammenhält. Wäre kein luziferischer Einfluß geschehen, dann hätte der Mensch im Beginne des Erdendaseins in voller Kraft dieses Phantom mit seinem physischen Leibe bekommen. Nun aber drangen in die menschliche Organisation, insofern sie besteht aus physischem Leib, Ätherleib und Astralleib, die luziferischen Einflüsse ein, und die Folge davon war die Zerstörung des Phantoms des physischen Leibes. Das ist es, wie wir sehen werden, was uns in der Bibel symbolisch mit dem Sünden­fall ausgedrückt wird, und mit der Tatsache, wie es im Alten Testa­ment gesagt wird, daß auf den Sündenfall der Tod folgte. Der Tod war eben die Zerstörung des Phantoms des physischen Leibes. Und die Folge davon war, daß der Mensch zerfallen sehen muß seinen physischen Leib, wenn er durch die Pforte des Todes schreitet. Diesen zerfallenden physischen Leib, dem die Kraft des Phantoms mangelt, hat der Mensch überhaupt sein ganzes Erdenleben hindurch, von der Geburt bis zum Tode. Das Zerfallen ist fortwährend eigent­lich vorhanden, und das Zersetztwerden, der Tod des physischen Leibes, ist nur der letzte Prozeß, der Schlußstein einer fortdauernden Entwickelung, die im Grunde genommen fortwährend geschieht. Denn wenn nicht in gleicher Art, wie die Zerstörung des Phantoms vor sich geht, durch Aufbauprozesse diesem Abbauen entgegengetreten wird, kommt es schließlich zu dem, was wir den Tod nennen.

Wäre nun kein luziferischer Einfluß geschehen, so wäre im physischen Leibe ein Gleichgewicht vorhanden zwischen den zerstö­renden und den aufbauenden Kräften. Dann aber wäre alles in der menschlichen Natur im Erdendasein anders geworden; dann gäbe es zum Beispiel keinen solchen Verstand, der die Auferstehung nicht begreifen kann. Denn was ist das für ein Verstand, den der Mensch hat, mit dem er die Auferstehung nicht begreifen kann? Das ist der Verstand, der an das Zerfallen des physischen Leibes gebunden ist, und der so, wie er ist, deshalb besteht, weil der Mensch in sich auf­genommen hat durch den luziferischen Einfluß die Zerstörung des Phantoms des physischen Leibes. Deshalb ist der menschliche Ver­stand, der menschliche Intellekt so dünn, so fadenscheinig geworden, daß er nicht in sich hereinnehmen kann die großen Prozesse der

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kosmischen Entwickelung; er sieht sie als Wunder an, oder er sagt, er könne sie nicht begreifen. Wenn der luziferische Einfluß nicht gekommen wäre, wäre der menschliche Verstand durch alles, was ihm zugedacht war, so geworden - wegen der dann im menschlichen Leibe befindlichen aufbauenden Kräfte, die den zerstörenden die Waage gehalten hatten -, daß der Mensch mit dem Verstande einsehen würde den aufbauenden Prozeß, wie man ein Experiment im Labora­torium einsieht. So ist aber unser Verstand so geworden, daß er nur an der Oberfläche der Dinge bleibt und nicht in die Tiefen der kosmischen Dinge sieht.

Es müßte also jemand, der diese Verhältnisse richtig charakterisie­ren wollte, sagen: Im Beginne unseres Erdendaseins ist durch den luziferischen Einfluß der physische Leib nicht so geworden, wie er hätte werden sollen durch den Willen der Mächte, die durch Saturn, Sonne und Mond gewirkt haben; sondern es hat sich ihm einge­gliedert ein Zerstörungsprozeß. Und der Mensch lebt fortan - seit dem Beginn des Erdendaseins - in einem physischen Leib, der der Zerstörung unterworfen ist, der nicht in entsprechender Weise den zerstörenden Kräften entgegensetzen kann die aufbauenden Kräfte.

So wäre es denn also wahr, was dem modernen Menschen so töricht erscheint: daß doch eine geheime Beziehung ist zwischen dem, was durch die Wirkung Luzifers geschehen ist, und dem Tode! Und sehen wir jetzt diese Wirkung einmal an. Welches war denn die Wirkung dieser Zerstörung des physischen Leibes? - Hätten wir den physi­schen Leib vollständig, wie er uns im Beginne des Erdendaseins zu­gedacht war, so würden sich unsere Seelenkräfte in ganz anderer Weise spiegeln, und wir würden dann erst wahrhaftig wissen, was wir sind. So wissen wir nicht, was wir sind, weil uns der physische Leib nicht in seiner Vollständigkeit gegeben ist. Wir sprechen aller­dings von der Natur und Wesenheit des Ich des Menschen; aber fragen wir einmal: Wie weit kennt denn der Mensch das Ich? So zweifelhaft ist das Ich, daß es der Buddhismus sogar leugnen kann als von einer Inkarnation zur andern gehend. So zweifelhaft ist es, daß das Griechentum in eine tragische Stimmung verfallen konnte, die wir mit den Worten des griechischen Heros ausdrückten: Lieber

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ein Bettler sein in der Oberwelt, als ein König im Reiche der Schatten! Nichts Geringeres war damit gesagt, als daß der Grieche wegen der Schätzung des physischen Leibes, das heißt dessen, was das Phantom ausmacht, und wegen der Zerstörung des physischen Leibes, sich unglücklich fühlte gegenüber dem Hinschwinden und Hindämmern des Ich, weil er fühlte, daß das Ich nur beim Ich­bewußtsein bestehen kann. Und indem er zerfallen sah die Form des physischen Leibes, graute ihm bei dem Gedanken, daß sein Ich hindämmere; dieses Ich, das nur dadurch hervorgeht, daß es sich spiegelt an der Form des physischen Leibes. Und wenn wir verfolgen die menschliche Entwickelung vom Erdenanfang bis zum Mysterium von Golgatha, so finden wir, daß der Prozeß, den wir eben ange­deutet haben, sich in einem immer steigenderen Maße zeigt. Das können wir schon daraus ersehen, daß zum Beispiel in älteren Zeiten niemand sich gefunden haben würde, der in solcher radikalen Art die Vernichtung des physischen Leibes gepredigt haben würde, wie sie Gotama Buddha gepredigt hat. Dazu war erst notwendig, daß dieser Zerfall des physischen Leibes, die völlige Vernichtung in bezug auf seine Form, sich immer-mehr und mehr vollzog, so daß jede Aus­sicht schwand, daß das, was durch den physischen Leib beziehungs­weise durch seine Form bewußt wird, wirklich von einer Inkarnation in die andere hinüberziehen kann. In Wahrheit liegt die Sache so, daß der Mensch im Laufe der Erdentwickelung die Form des physi­schen Leibes verloren hat, daß er nicht das hat, was ihm sozusagen von Göttern zugedacht war vom Erdenanfang an. Das mußte er erst wieder bekommen; das mußte ihm erst wieder mitgeteilt werden. Und es ist unmöglich, das Christentum zu begreifen, wenn man nicht einsieht, daß zur Zeit, als die Ereignisse von Palästina sich abspielten, das Menschengeschlecht über die Erde hin dort angekommen war, wo dieser Zerfall des physischen Leibes seinen Höhepunkt erreicht hatte, und wo eben deswegen für die gesamte Entwickelung der Menschheit die Gefahr bestand, daß das Ichbewußtsein, die eigentliche Errungen­schaft der Erdentwickelung, verlorengehe. Wäre nichts weiter hinzugetreten zu dem, was vorhanden war bis zu den Ereignissen von Palästina, wäre der Prozeß fortgeschritten - immer mehr und mehr

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wäre das Zerstörende eingezogen in die physische menschliche Leib­lichkeit, und die Menschen, die geboren worden wären nach der Zeit des Ereignisses von Palästina, hätten leben müssen mit einem immer dumpferen Ichgefühl. Immer stumpfer wäre das geworden, was von der Vollkommenheit der Spiegelung eines physischen Leibes abhängt.

Da trat das Mysterium von Golgatha ein, trat so ein, wie wir es charakterisiert haben, und durch dieses Mysterium von Golgatha ist in der Tat dasjenige geschehen, was so schwierig zu begreifen ist für jenen Verstand, der nur gebunden ist an den überwiegend mit den zerstörenden Kräften behafteten physischen Leib. Es ist eingetreten, daß dieser eine Mensch, der der Träger des Christus war, einen solchen Tod durchgemacht hat, daß nach drei Tagen dasjenige, was am Menschen das eigentlich Sterbliche des physischen Leibes ist, ver­schwinden mußte und aus dem Grabe sich erhob jener Leib, der der Kräfteträger der physisch-materiellen Teile ist. Das, was eigentlich dem Menschen zugedacht war von den Beherrschern von Saturn, Sonne und Mond, das hat sich erhoben aus dem Grabe: das reine Phantom des physischen Leibes, mit allen Eigenschaften des physi­schen Leibes. Dadurch war die Möglichkeit gegeben jenes spirituellen Stammbaumes, von dem wir gesprochen haben. Denken wir uns den aus dem Grabe erstandenen Leib des Christus, so können wir uns vorstellen: ebenso wie von dem Leibe des Adam abstammen die Leiber der Erdenmenschen, insofern sie den zerfallenden Leib haben, so stammen ab von dem, was aus dem Grabe auferstand, die geistigen Leiber, die Phantome für alle Menschen. Und es ist möglich, jene Beziehung zu dem Christus herzustellen, durch welche der Erden-mensch seinem sonst zerfallenden physischen Leib einfügt dieses Phantom, das aus dem Grabe von Golgatha auferstanden ist. Es ist möglich, daß der Mensch in seiner Organisation jene Kräfte, die damals auferstanden sind, so erhält, wie er durch seine physische Organisation im Erdenanfang infolge der luziferischen Kräfte die Adamorganisation erhalten hat.

Das ist es, was eigentlich Paulus sagen will: Wie der Mensch, indem er als Angehöriger der physischen Entwickelungsströmung den physischen Leib erbte, an dem sich fort und fort die Zerstörung des

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Phantoms, des Kräfteträgers vollzog, so kann er erben von dem, was auferstanden ist aus dem Grabe, dasjenige, was er verloren hat; kann es erben und sich anziehen, wie er den ersten Adam angezogen hat; kann mit ihm eins werden und dadurch eine Entwickelung durch­machen, durch die er ebenso hinaufsteigt wieder, wie er vor dem Mysterium von Golgatha heruntergestiegen ist in der Entwickelung. Das heißt: was ihm dazumal genommen worden ist durch den luziferischen Einfluß, das kann ihm wiedergegeben werden dadurch, daß es vorhanden ist als auferstandener Leib des Christus. Das ist es, was eigentlich Paulus sagen will.

So wie das, was eben in dieser Stunde gesagt worden ist, vom Standpunkte der modernen Anatomie oder Physiologie aus zu widerlegen - scheinbar zu widerlegen ist, so ist es natürlich auch kinderleicht, einen anderen Einwand jetzt zu erheben. Es könnte etwa gesagt werden: Wenn schon wirklich Paulus geglaubt hat, daß da ein spiritueller Leib auferstanden ist, was hat dann dieser spiri­tuelle Leib, der sich damals aus dem Grabe erhoben hat, mit dem zu tun, was nun jeder Mensch in sich trägt? - Zu verstehen ist es schon. Man braucht es sich nur nach der Analogie dessen zu denken, wo­durch jeder Mensch als physischer Mensch da ist. Gefragt könnte werden: wovon geht der einzelne Mensch aus? Als physischer Mensch geht er aus von der einen Eizelle. Ein physischer Leib besteht aber aus lauter einzelnen Zellen, welche alle die Kinder der ursprünglichen Eizelle sind; alle Zellen, die einen menschlichen Leib zusammensetzen, führen auf die ursprüngliche Eizelle zurück. So denken Sie sich nun, daß der Mensch durch das, was man sich als mystisch christologischen Prozeß vorstellen kann, einen ganz anderen Leib bekommt, als der ist, welchen er allmählich in der absteigenden Linie bekommen hat. Und jeden von diesen Leibern, welche die Menschen bekommen, denken Sie sich mit dem, was aus dem Grabe auferstanden ist, ebenso zusammenhängend, wie die menschlichen Zellen des physischen Leibes mit der ursprünglichen Eizelle zusammenhängen. Das heißt, wir müssen uns das, was aus dem Grabe auferstanden ist, so in die Zahl schießend, so sich vermehrend denken, wie die Eizelle sich vermehrt, die dem physischen Leib zugrunde liegt. So kann sich in der Tat in

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der Entwickelung, die auf das Ereignis von Golgatha folgt, jeder Mensch etwas erwerben, was in ihm ist, und was geistig ebenso von dem abstammt, was aus dem Grabe auferstanden ist, wie - um mit Paulus zu sprechen - der gewöhnliche Leib, der zerfällt, von Adam abstammt.

Selbstverständlich ist es ein Hohn auf den menschlichen Verstand, wie er sich gegenwärtig so hochmütig dünkt, wenn man sagt: ein ähn­licher Prozeß wie der der Vermehrung der Eizelle, den man allenfalls sehen kann, spielt sich im Unsichtbaren ab. Und was geschehen ist mit dem Mysterium von Golgatha, ist eine okkulte Tatsache. Und da spielt sich für den, der mit hellseherischem Auge die Entwickelung betrachtet, die Tatsache ab, daß jene geistige Zelle, das heißt der Leib, der den Tod besiegt hat, der Leib des Christus Jesus, aus dem Grabe auferstanden ist und sich jedem mitteilt, der die entsprechende Beziehung zu dem Christus sich aneignet im Laufe der Zeit. Für den, der übersinnliche Prozesse überhaupt leugnen will, wird das natürlich etwas Absurdes sein. Wer aber übersinnliche Prozesse schon einmal zugibt, für den wird dieser übersinnliche Prozeß zunächst so vorge­stellt werden müssen, daß sich das, was sich aus dem Grabe erhebt, denjenigen Menschen mitteilt, die sich dazu geeignet machen. So ist es für jeden, der Übersinnliches zugibt, eine verstandliche Sache.

Wenn wir uns dieses, was ganz wirklich die paulinische Lehre ist, in die Seele schreiben, dann kommen wir dazu, das MYsterium von Golgatha als etwas Reales zu betrachten, als etwas, was in der Erd­entwickelung geschehen ist und geschehen mußte; denn es ist ja wörtlich die Rettung des menschlichen Ich. Wir haben gesehen, wenn der Entwickelungsprozeß fortgegangen wäre, wie er sich bis zu den Ereignissen von Palästina abgespielt hatte, dann hätte sich das Ich-bewußtsein nicht entwickeln können, wäre nicht nur nicht weiter gekommen von der Zeit des Christus Jesus ab, sondern wäre immer mehr und mehr in die Dunkelheit hinuntergestiegen. So aber trat es den Weg aufwärts an und wird in demselben Maße aufsteigen, als die Menschen ihr Verhältnis zur Christus-Wesenheit finden.

Jetzt können wir auch im Grunde genommen den Buddhismus sehr gut verstehen. Denken wir uns einmal ein halbes Jahrtausend vor den

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Ereignissen von Palästina einen Menschen die Wahrheit aussprechen

- nur vermöge seiner Entwickelungsrichtung nicht achtend auf das Ereignis von Golgatha: Alles was den Menschen als physischer Leib umschließt, was ihn zu einem Wesen in fleischlicher Inkarnation macht, das muß als wertlos angesehen werden; das ist im Grunde genommen etwas Letztes, was abgestreift werden muß. - Bis dahin war es allerdings so, daß die Menschheit einer solchen Weltanschauung hätte zusteuern müssen, wenn nichts anderes gekommen wäre. Aber es trat eben das Ereignis von Golgatha ein und bewirkte eine voll­ständige Wiederaufrichtung der verlorenen Entwickelungsprinzipien des Menschen. Indem der Mensch das aufnimmt, was wir gestern schon mit dem Namen «unverweslicher Leib> belegten, und was wir uns heute genauer vor die Seele gestellt haben, indem er sich diesen unverweslichen Leib einverleibt, wird er immer mehr dazu kommen, sein Ichbewußtsein heller und heller zu machen, wird er immer mehr das in seiner Natur erkennen, was sich von Inkarnation zu Inkar-nation hindurchzieht.

So wird das, was mit dem Christentum in die Welt gekommen ist, anzusehen sein nicht bloß als eine neue Lehre - das muß ausdrücklich betont werden -, nicht als eine neue Theorie, sondern als etwas Reales, Tatsächliches. Wenn daher die Menschen betonen, daß alles, was der Christus gelehrt habe, schon früher da war, so würde das nichts bedeuten für das wirkliche Verständnis des Christentums; denn das ist nicht das Wesentliche. Das Wesentliche ist nicht, was der Christus gelehrt hat, sondern was der Christus gegeben hat: seinen Leib Denn bis dahin war niemals mit einem Menschen, der gestorben war, dasjenige in die Erdentwickelung hineingekommen, was aus dem Grabe von Golgatha auferstanden ist. Niemals seit dem Beginn der Menschheitsentwickelung auf der Erde war durch einen Menschen, der durch den Tod gegangen war, auf der Erde das dagewesen, was mit dem auferstandenen Leib des Christus Jesus da war. Denn von allem, was in einer ähnlichen Weise da war, kann gesagt werden: es war da dadurch, daß die Menschen, nachdem sie durch die Pforte des Todes gegangen sind und die Zeit zwischen Tod und neuer Geburt durch­gemacht haben, mit einer neuen Geburt ins Dasein getreten sind.

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Dann haben sie aber das mangelhafte, dem Verfall preisgegebene Phantom mitgebracht, das heißt, sie haben nicht ein Phantom auf­erstehen lassen, das vollständig ist. Und dann könnten wir noch die Fälle der Eingeweihten oder der Adepten anführen. Bei diesen war es immer so, daß sie die Einweihung empfangen mußten außerhalb ihres physischen Leibes, mit Überwindung ihres physischen Leibes, die sich aber nicht erstreckt hat auf eine Auferweckung des physischen Phantoms. Alle Einweihungen der vorchristlichen Zeit waren so, daß sie nur gegangen sind bis zu der äußersten Grenze des physischen Leibes; nicht berührt hatten sie die Kräfte des physischen Leibes -nur in dem allgemeinen Maße, wie überhaupt die innere Organisation die äußere berührt. In keinem Falle war jemals vorgekommen, daß das, was durch den menschlichen Tod gegangen war, als menschliches Phantom diesen Tod überwunden hätte. Es waren ja allerdings ähn­liche Dinge vorgekommen, aber niemals dies eine, daß durch einen vollständigen menschlichen Tod geschritten worden wäre und nachher das völlige Phantom über den Tod den Sieg davon getragen hätte. Sö wahr also, als nur dieses Phantom uns die vollständige Erden-menschheit im Laufe der Erdentwickelung geben kann, so wahr ist es, daß dieses Phantom von dem Grabe von Golgatha seinen Aus­gangspunkt genommen hat.

Das ist das Wichtige in der christlichen Entwickelung. Deshalb ist es kein Tadel, wenn immer wieder und wieder von Aufklärern gesagt wird, daß sich die Lehre des Christus Jesus in eine Lehre von dem Christus Jesus verwandelt hätte. Das mußte so sein. Denn das Wichtige ist nicht, was der Christus Jesus gelehrt hat, sondern was er der Menschheit gegeben hat. Seine Auferstehung ist ein Geboren-werden eines neuen Gliedes der menschlichen Natur: eines unverwes­lichen Leibes. Daß dies aber geschehen konnte, daß durch den Tod hindurch gerettet werden konnte dieses menschliche Phantom, das hängt von zwei Dingen ab: einmal davon, daß die Christus Jesus­Wesenheit das war, was wir gestern charakterisiert haben: physischer Leib, Ätherleib und Astralleib, wie wir sie beschrieben haben, - und nicht ein menschliches Ich, sondern die Christus-Wesenheit. Und das andere ist, daß die Christus-Wesenheit sich dazu entschlossen hatte in

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einen menschlichen Leib unterzutauchen, in einem menschlichen fleischlichen Leib sich zu inkarnieren. Denn wenn wir diese Christus­Wesenheit im rechten Lichte betrachten wollen, müssen wir sie als Wesenheit in der Zeit suchen, die vor dem Menschenbeginn auf der Erde liegt. Da ist die Christus-Wesenheit natürlich vorhanden. Sie geht nicht ein in den Kreislauf der menschlichen Entwickelung; sie lebt in der geistigen Welt weiter. Der Mensch steigt immer tiefer und tiefer. Und in einem Zeitpunkt, wo die Krisis für die menschliche Entwickelung gekommen war, verkörperte sich die Christus-Wesen­heit in dem fleischlichen Leib eines Menschen. - Das ist nichts anderes als das größte Opfer, das von der Christus-Wesenheit der Erdentwickelung hat gebracht werden können! Und das ist das Zweite, was wir werden verstehen müssen: worin das Opfer besteht, das die Christus-Wesenheit der menschlichen Entwickelung auf der Erde gebracht hat. Daher haben wir gestern den einen Teil der Frage nach dem Wesen des Christus im Hinblick auf die Zeit nach der Johannes-Taufe im Jordan gestellt. Heute haben wir die andere Frage gestellt: Was bedeutet es, daß mit der Johannes-Taufe im Jordan die Christus-Wesenheit untergetaucht ist in einen fleisch­lichen Leib?

Und wie kam der Tod bei dem Mysterium von Golgatha zustande? Das wird uns auch die nächsten Tage noch beschäftigen.

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ACHTER VORTRAG Karlsruhe, 12. Oktober 1911

Es ist gestern angedeutet worden, daß es nun wichtig wird, uns die Frage zu beantworten: Was ist eigentlich geschehen mit jener Wesen­heit, die wir als den Christus Jesus bezeichnen, von der Johannes-Taufe im Jordan an bis zu dem Mysterium von Golgatha? Um diese Frage so weit zu beantworten, als es zunächst möglich ist, werden wir kurz uns vergegenwärtigen, was wir aus früheren Vorträgen wissen über das Leben des Jesus von Nazareth, der dann in seinem dreißig­sten Jahre der Christus-Träger wurde. In wenigen Worten ist ja das Wesentliche auch angedeutet in meiner kürzlich erschienenen Schrift über «Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit».

Wir wissen, daß in Palästina in derjenigen Zeit, auf die es an­kommt, nicht ein, sondern zwei Jesusknaben geboren worden sind, und zwar wurde das eine Kind geboren aus der salomonischen Linie des Hauses David. Es ist im wesentlichen dasjenige Jesuskind, wovon das Matthäus-Evangelium erzählt. Der eigentümliche Widerspruch im Beginne des Matthäus- und des Lukas-Evangeliums rührt eben davon her, daß sich die Angaben des Schreibers des Matthäus-Evan­geliums auf den einen Jesusknaben beziehen, den aus der salomo­nischen Linie des Hauses David. Dann wurde, nicht ganz, aber ziemlich gleichzeitig, ein anderer Jesusknabe geboren aus der natha­nischen Linie des Hauses David. Das Wichtige ist nun, sich klar-zumachen, was das für Wesenheiten waren. Da zeigt die okkulte Forschung, daß die Individualität, die in dem salomonischen Jesus-knaben war, keine andere ist als die des Zarathustra. Zarathustra war nach seiner hauptsächlichsten Mission, von der wir bei der urpersischen Kultur gesprochen haben, immer wieder und wieder in­karniert worden, zuletzt auch innerhalb der babylonisch-chaldäischen Kultur, und dann eben als dieser salomonische Jesusknabe. Es war notwendig, daß diese Zarathustra-Individualität sich zunächst mit all den großen, starken, inneren Kräften, die sie sich naturgemäß aus den früheren Inkarnationen mitbrachte, in einem Leib inkarnierte, der

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aus der salomonischen Linie des Hauses David stammte, und der geeignet war, die großen Fähigkeiten des Zarathustra zu verarbeiten und sie in der Weise weiterzubringen, wie menschliche Fähigkeiten weitergebracht werden können, die schon auf einer sehr hohen Stufe stehen, insofern sie der Wesenheit angehören, die von Inkarnation zu Inkarnation geht. Es handelt sich also um einen menschlichen Leib, der jetzt diese Fähigkeiten nicht erst in einem späteren Alter, sondern in einer jugendlichen, kindhaft kräftigen Organisation verarbeiten kann. Wir sehen daher die Zarathustra-Individualität heranwachsen in einer solchen Art, daß sich die Fähigkeiten des Knaben verhältnis-mäßig früh entwickeln. Dieser Knabe zeigte früh sogar gewisse Kenntnisse, die sonst unmöglich in einem solchen kindlichen Alter sind. Aber das eine müssen wir feststellen, daß dieser salomonische Jesusknabe, trotzdem er die Verkörperung einer so hohen Individu­alität war, eben ein hochstehender Mensch war, das heißt, daß er in derselben Art, wie selbst der höchststehende Mensch, behaftet war mit gewissen Fähigkeiten zu irren, mit gewissen Fähigkeiten auch zu moralischen Schwierigkeiten, wenn auch nicht gerade zu Lastern oder Sünden. Dann wissen wir daß die Individualität des Zarathustra im Sinne eines okkulten Vorganges, der jedem bekannt ist, der sich über­haupt mit solchen Tatsachen vertraut gemacht hat, im zwölften Jahre den Leib des salomonischen Jesusknaben verließ und hinüberging in den Leib des nathanischen Jesusknaben. Nun war der Leib dieses nathanischen Jesusknaben, oder besser gesagt, die dreifache Leiblich­keit: physischer Leib, Ätherleib und Astralleib dieses Knaben in einer ganz besonderen Art beschaffen. Denn dieser Leib war in der Tat so, daß der Knabe, der ihn hatte, gerade die entgegengesetzten Fähig­keiten zeigte wie der salomonische Jesusknabe. Während der letztere auffiel durch seine große Begabung in bezug auf äußere Dinge, die man eben äußerlich lernen kann, könnte man den nathanischen Jesus-knaben in bezug auf äußere Dinge, man möchte fast sagen - Sie werden begreifen, daß dies auch nicht in der geringsten Weise abfällig gesagt werden kann - unbegabt nennen. Er war nicht in der Lage, sich hineinzufinden in diejenigen Dinge, welche die Menschenkultur auf der Erde geschaffen hat. Dagegen tritt das Merkwürdige hervor,

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daß er gleich von der Geburt an sprechen konnte. Also das, was mehr körperlich ist, zeigte sich als schon von der Geburt an vorhandene Fähigkeit. Es ist eine ganz richtige Überlieferung, daß er, allerdings in einer für alle andern Menschen unverständlichen Sprache, ge­sprochen hat. Aber was gerade in dieser Sprache von der Geburt an drinnen lag, von dem wird erzählt - und es ist dies eine gute Überlieferung, die auch okkult festgestellt werden kann -, daß von der Mutter verstanden werden konnte, was dieser Knabe sagte. Es ist so, daß gerade diejenigen Eigenschaften bei dem Knaben aus­geprägt waren, die wir die Herzenseigenschaften nennen können; eine ungeheure Liebefähigkeit und ein ungeheuer hingebungsfähiges Na­turell zeichneten diesen Knaben aus. Und das Merkwürdige war, daß er von dem ersten Tage seines Lebens an durch seine bloße Gegenwart oder auch durch seine Berührung wohltätige Wirkungen ausübte, Wirkungen, die man heute vielleicht magnetische Wirkungen nennen würde. Also alle Herzenseigenschaften - und die Herzenseigenschaf-ten so gesteigert, daß sie zu einer magnetischen Wohltat für die Um-geb ung werden konnten, zeigten sich bei diesem Knaben.

Wir wissen auch, daß in dem Astralleib dieses Knaben die Kräfte wirkten, welche sich einstmals jener Bodhisattva erworben hatte, der dann der Gotama Buddha wurde. Wir wissen ja - und in dieser Beziehung ist die orientalische Überlieferung absolut richtig, denn sie kann geprüft werden von der Geheimwissenschaft -, daß der Bodhisattva, der ein halbes Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung mit dem Buddhawerden die Notwendigkeit verloren hatte, sich weiter in physischen Leibern auf der Erde zu inkarnieren, von da ab namentlich zunächst auf alle diejenigen wirkte, welche sich seinem Bekenntnisse hingaben, aber nurmehr aus der geistigen Welt herunter. Das ist das Eigentümliche einer solchen Individualität, die aufsteigt bis zu der Höhe, wo sie nicht mehr in einem fleischlichen Leibe in­karniert wird, daß sie dann teilnehmen kann an den Angelegenheiten und Schicksalen unseres Erdendaseins von den geistigen Welten her­unter. Das kann in der mannigfaltigsten Weise geschehen. In der Tat hat der Bodhisattva, der als Gotama Buddha seine letzte fleischliche Inkarnation auf der Erde hatte, im wesentlichen mit teilgenommen

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an der Weiterentwickelung der Menschheit. Denn seien wir uns nur darüber klar, daß unsere menschliche geistige Welt fortwährend im Zusammenhang steht mit der ganzen übrigen geistigen Welt. Seien wir uns darüber klar, daß der Mensch nicht nur ißt und trinkt und damit die Stoffe der physischen Erde in sich aufnimint, sondern aus der geistigen Welt fortwährend seelisch geistige Nahrung empfängt, daß fortwährend auf die verschiedensten Weisen aus den geistigen Welten Kräfte einfließen in das physische, irdische Dasein. Ein solches Einfließen der Kräfte, die sich Buddaa erworben hatte, in den weite­ren Strom der Menschheit geschah dadurch, daß die Buddha-Kräfte den Astralleib des nathanischen Jesusknaben durchsetzten, so daß in dem Astralleib dieses Knaben das wirkte, was der Buddha in seiner damaligen Form der Menschheit zu geben hatte. Wir wissen ja auch aus früheren Vorträgen, daß im wesentlichen die Worte, die wir heute noch als Weihnachtsspruch haben: «Offenbarung läßt sich erkennen aus der Höhe der Welten, und Friede wird sich breiten auf Erden in den Herzen derer, die eines guten Willens sind!>, herrühren aus dem, was herniederfloß in die Menschheitsentwickelung dadurch, daß die Buddhakräfte eintauchten in den Astralleib des nathanischen Jesusknaben. So sehem wir die Buddhakräfte weiterwirken in dem Strom des Erdendaseins, der durch die Ereignisse von Palästina seinen Ausgangspunkt nahm. Diese Buddha-Kräfte haben dann auch weiter gewirkt. Und es ist immerhin sehr interessant, daß gerade die neueren okkulten Forschungen, die im westlichen Okkultismus in den aller­letzten Jahren gemacht worden sind, dazu geführt haben, zu erken­nen, daß ein sehr wichtiger Zusammenhang der europäischen Kultur mit den Buddha-Kräften vorhanden ist. Seit langer Zeit nämlich wir­ken herein aus den geistigen Welten diese Buddha-Kräfte namentlich auf alles dasjenige, was in der abendländischen Kultur ohne den spezifisch christlichen Einfluß undenkbar ist. Also alle diejenigen Weltanschauungsströmungen, die wir in den letzten Jahrhunderten bis herauf ins neunzehnte Jahrhundert sich entwickeln sehen, sie sind, insofern es abendländische Geistesströmungen sind, alle durchdrungen von dem Christus-Impuls, aber es wirkte immer herein der Buddha aus der geistigen Welt. Daher dürfen wir sagen: Das Wichtigste, was

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die europäische Menschheit heute von dem Buddha empfangen kann, darf eben nicht herrühren aus der Überlieferung dessen, was der Buddha ein halbes Jahrtausend vor der christlichen Zeitrechnung den Menschen gegeben hat, sondern von dem, was er seither geworden ist. Denn er ist ja nicht stehengeblieben, sondern fortgeschritten; und gerade durch diesen Fortschritt als geistiges Wesen in den geistigen Welten hat er im eminentesten Sinne teilnehmen können an der Fortentwickelung der abendländischen Kultur. Es ist dies durchaus ein Resultat innerhalb unserer okkulten Forschung, daß mit vielem, was uns schon früher hat entgegentreten können, bevor dieser wich­tige Einfluß genau wieder erforscht worden ist, gerade dieses Resukat in einer wunderbaren Weise zusammenstimmt. Denn wir wissen, daß dieselbe Individualität, die als Gotama Buddha im Osten auftrat, schon früher einmal im Westen gewirkt hat, und daß gewisse Legen­den und Überlieferungen die an den Namen Bodha oder Wotan anknüpfen es mit derselben Individualität zu tun haben, wie der Buddhismu's mit dem Gotama Buddha im Osten; so daß in gewisser Weise derselbe Schauplatz wieder eingenommen ist, der schon früher von der gleichen Individualität in bezug auf die Menschheitsent-wickelung vorbereitet worden war. So verschlungen sind die Wege, welche die geistigen Strömungen innerhalb der Menschheitsentwicke-lung nehmen

Heute ist nun für uns am wichtigsten, daß wir in dem Astralleib des Lukas jesusknaben die Buddha-Kräfte wirksam haben. Als nun dieser Jesusknabe zwölf Jahre alt ist, geht die Zarathustra-Indivi­dualität hinüber in die dreifache Leiblichkeit dieses nathanischen Jesusknaben Woher rührte es denn, daß dieser Jesusknabe die merk-würdigen Eigenschaften hatte, die wir eben charakterisiert haben? Das rührte eben davon her, daß dieser Jesusknabe nicht eine mensch­liche Individualität war wie jede andere. Diese Individualität war in einer gewissen Weise ganz anders, und um sie zu verstehen, müssen wir schon zurückgehen in die alte lemurische Zeit, in welcher im Grunde genommen erst die irdische Entwickelung der Menschen so recht den Anfang genommen hat. Wir müssen uns darüber klar sein, daß alles, was vor der lemurischen Zeit lag, eigentlich nur eine

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Wiederholung war des Saturn-, Sonnen- und Mondendaseins, und daß erst da die erste Keimaniage - als Möglichkeit - in den Menschen gelegt worden ist, so daß er das vierte Glied seiner Wesenheit in der Erdentwickelung annehmen konnte: das Ich. Wenn wir die ganze Strömung der Menschheitsentwickelung nehmen, müs­sen wir sagen: Die Menschheit, wie sie sich über die Erde verbreitet hat - Sie haben diese Weiterverbreitung genauer in der «Geheim-wissenschaft im Umriß> dargestellt -, ist in der lemurischen Zeit auf gewisse menschliche Vorfahren dieser Anfangsperiode unserer heutigen Erde zurückzuführen. Und wir müssen dabei in der lemu-rischen Zeit einen Zeitpunkt festsetzen, nach welchem im heutigen Sinne erst richtig vom Menschengeschlecht gesprochen werden kann. Was vorher war, kann noch nicht so besprochen werden, daß man sagen könnte, es wären schon jene Iche in den Erdenmenschen vor­handen gewesen, die sich dann immer weiter und weiter inkarniert haben. Das war nicht der Fall. Vorher war das Ich des Menschen keineswegs noch abgetrennt von der Substanz derjenigen Hierarchie, die zunächst zu diesem Ich des Menschen die Veranlassung gegeben hat, von der Hierarchie der Geister der Form. Wir können uns nun vorstellen - das zeigt die okkulte Forschung -, daß gleichsam ein Teil der Substanz der Geister der Form eingegangen ist in die mensch­lichen Inkarnationen zur menschlichen Ich-Bildung. Aber als damals der Mensch seinen fleischlichen Inkarnationen auf der Erde über­geben worden ist, wurde von dem, was Mensch werden sollte, etwas zurückbehalten. Es wurde also gleichsam eine Ich-Substanz zurück-behalten, die nicht in den Strom der fleischlichen Inkarnationen ge-leitet wurde. Wenn wir uns diesen Strom der fleischlichen Inkar­nationen des Menschen vorstellen wollten, der da beginnt mit dem, was die Bibel den Stammvater des Menschengeschlechtes, den Adam nennt, so müßten wir einen weitverzweigten Stammbaum zeichnen. Aber wir können uns einfach vorstellen: was von den Geistern der Form heruntergeströmt worden ist, das fließt nun fort; nur wurde gleichsam etwas zurückbehalten, gleichsam ein Ich, das nun bewahrt wurde vor dem Eingehen in die fleischlichen Inkarnationen - ein Ich, das nicht immer als Mensch wiedererschien, sondern das jene

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Gestalt, jene Substantialität behielt, die der Mensch hatte, bevor er zu seiner ersten Erdeninkarnation fortgeschritten war. Also ein Ich, das fortlebte neben der übrigen Menschheit, und das bis zu der Zeit, von der wir jetzt sprechen, wo die Ereignisse von Palästina geschehen sollten, noch nicht in einem menschlichen physischen Leibe jemals verkörpert gewesen war, ein Ich, das noch in derselben Lage war wie

- wenn wir jetzt biblisch sprechen wollten-das Ich des Adam VOT seiner ersten irdischen fleischlichen Verkörperung. Ein solches Ich war immer vorhanden.

Wenn wir nun die okkulten Erkenntnisse über dieses Ich, die natürlich für den heutigen Menschen etwas ungeheuer Törichtes sind, ein wenig berühren, so sehen wir, daß dieses Ich, das gleichsam in Reserve zurückbehalten wurde, nicht in einen Menschenleib geleitet worden ist, sondern eigentlich nur übergeben worden ist den heiligen Mysterien, wie sie bestanden haben durch die atlantischen Zeiten, durch die nachatlantischen Zeiten hindurch. In einer wichtigen Mysterienstätte war es wie in einem Tabernakel aufbewahrt. Dieses Ich hatte dadurch ganz besondere Eigentümlichkeiten; es hatte die Eigentümlichkeit, daß es unberührt war von allem, was überhaupt ein menschliches Ich jemals auf der Erde hatte lernen können. Es war also auch unberührt von allen luziferischen und ahrimanischen Einflüssen; war überhaupt etwas, was wir uns gegenüber den anderen Ichen der Menschen vorstellen können wie eine leere Kugel, eigentlich nur wie etwas, was noch vollständig jungfräulich war gegenüber allen Erdenerlebnissen, ein Nichts, ein Negatives gegenüber allen Erden-erlebnissen. Daher sah es so aus, als ob jener nathanische Jesusknabe, den das Lukasu-Evangelium schildert, überhaupt kein Menschen-Ich hätte, als ob er nur bestünde aus physischem Leib, Ätherleib und Astralleib. Und es genügt vollständig, wenn wir zunächst sagen: ein so entwickeltes Ich, wie es sich durch die atlantische und nachatlan­tische Zeit entwickelt hatte, ist bei dem LukasuJesusknaben gar nicht vorhanden. Im rechten Sinne des Wortes sprechen wir, wenn wir sagen: beim Matthäus-Jesusknaben haben wir es mit einem völlig ausgebildeten Menschen zu tun; bei dem nathanischen jesusknaben des Lukasu-Evangeliums haben wir es zu tun mit einem physischen

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Leib, Ätherleib und Astralleib, die so angeordnet sind, daß sie har-monisch darstellen den Menschen, wie er herüberkam als Resultat der Saturn-, Sonnen- und Mondentwickelung. Daher war dieser Jesus-knabe, wie die Akasha-Chronik es lehrt, unbegabt für alles, was die menschliche Kultur entwickelt hatte; das konnte er nicht aufnehmen, weil er nie dabeigewesen war. Was die äußeren Geschicklichkeiten und Fertigkeiten des Daseins sind, das zeigen wir, weil wir in früheren Inkarnationen bei gewissen Verrichtungen schon dabei waren; jemand, der nie dabei war, zeigt sich unbegabt für alles, was Menschen ge­leistet haben während der Erdentwickelung. Wenn der nathanische Jesusknabe in unsere Zeit hineingeboren worden wäre, würde er sich höchst unbegabt gezeigt haben in bezug auf Schreibenlernen, weil die Menschen zu Adams Zeiten nicht geschrieben haben und vorher erst recht nicht. Also, für alles was so war, daß es erst im Laufe der Menschheitsentwickelung angeeignet wurde, zeigte sich der Lukas­Jesusknabe höchst unbegabt. Dagegen die inneren Eigenschaften, die er sich mitgebracht hatte, die sonst nur eigentlich in die Dekadenz gekommen waren durch die luziferischen Einflüsse, die zeigten sich in einem hohen Grade. Und daß dieser Jesusknabe eine merkwürdige Sprache zeigte, das ist etwas noch viel Interessanteres. Denn da müs­sen wir auf etwas blicken, was ich auch in meiner Schrift über «Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit> erwähnt habe:

daß die Sprachen, die heute über die Erde verbreitet sind, die bei den verschiedenen Volksstämmen auftreten, verhältnismäßig spät innerhalb der Menschheitsentwickelung entstanden sind; ihnen aber ging voraus, was man wirklich eine menschliche Ursprache nennen könnte. Und die trennenden Geister der luziferischen und ahrima-nischen Welt sind es, die aus der Ursprache die vielen Sprachen in der Welt gemacht haben. Die Ursprache ist verloren und kann heute mit einem solchen Ich, das im Laufe der Erdentwickelung von Inkar-nation zu Inkarnation gegangen ist, von keinem Menschen zunächst gesprochen werden. Jener Jesusknabe, der nicht durch menschliche Inkarnationen gegangen war, bekam vom Ausgangspunkte der Menschheitsentwickelung die Fähigkeit mit, nun nicht diese oder jene Sprache, sondern eine Sprache zu sprechen, von der mit einem gewissen

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Recht behauptet wird, daß sie nicht verständlich war für die Umgebung, die aber durch das, was drinnen lebte an Herzinnigkeit, von dem Mutterherzen verstanden wurde. Es wird damit auf ein ungeheuer bedeutendes Phänomen bei diesem Lukas-Jesusknaben hingewiesen.

Als dieser Lukas-Jesusknabe geboren war, war er also ausgestattet mit alledem, was unbeeinflußt war von den luziferisch-ahrimanischen Kräften. Ein solches Ich, das sich immer wieder und wieder inkarniert hatte, hatte er nicht; daher brauchte auch nichts ausgestoßen zu wer­den in seinem zwölften Lebensjahre, als die Individualität des Zarau­thustra herüberging aus dem salomonischen Jesusknaben des Mat­thäus-Evangeliums in den nathanischen Jesusknaben. Ich sagte vor­hin, daß dieses zurückgebliebene Menschenteil, das sich bis dahin neben der übrigen Menschheit in den Mysterien entwickelt hatte, eigentlich jetzt zum ersten Male in der palästinensischen Zeit, als der nathanische Jesusknabe geboren worden war. Es war ein Überleiten aus einem vorderasiatischen Mysterium, wo dieser Menschenkeim aufbewahrt war, in den Leib des nathanischen Jesusknaben. Nun wuchs dieser Knabe heran, und im zwölften Jahre überkam ihn die Individualität des Zarathustra. Wir wissen auch, daß uns dieses Herübergehen angedeutet wird durch die Szene des zwölfjährigen Jesus im Tempel. Es ist verständlich, daß die Eltern des nathanischen Jesusknaben, die gewohnt waren, dieses Kind so zu betrachten, wie wir es eben beschrieben haben, eine merkwürdige Veränderung finden mußten als sie den Knaben im Tempel wiederfanden, nachdem sie ihn vorher verloren hatten. Denn das war der Zeitpunkt, wo in den zwölfjährigen Knaben hinüberzog die Individualität des Zarathustra, so daß wir jetzt weiter, vom zwölften bis zum dreißigsten Jahre, in dem Lukas-Jesusknaben die Individualität des Zarathustra haben.

Nun haben wir im Lukasu-Evarigelium einen merkwürdigen Aus­spruch, mit dem auf etwas hingedeutet wird, was erst durch die okkulte Forschung klar werden kann. Sie wissen, daß es im Lukas-Evangelium, nachdem die Szene mit dem zwölfjährigen Jesus im Tempel geschildert worden ist, eine Stelle gibt: «Und Jesus nahm zu an Weisheit und Gestalt und Gnade bei Gott und den Menschen>>

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(Lukas 2, 52). So lautet sie in der Weizsäckerschen Übersetzung. Luther übersetzt: «Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen». Sehr sinnvoll ist das auch nicht. Denn wenn da steht «Jesus nahm zu an Alter>, so möchte ich einmal wis­sen, was es heißen soll, daß ein zwölfjähriger Knabe zunimmt an Alter? Es braucht dazu doch nur die Zeit vorwärts zu schreiten! In Wahrheit aber steht an dieser Stelle, wenn wir den Text der Evan­gelien aus der Akasha-Chronik herstellen, daß er zunahm an alledem, woran ein astralischer Leib zunehmen kann, nämlich an Weisheit; daß er zunahm an alledem, woran ein Ätherleib zunehmen kann, nämlich an all den Eigenschaften der Güte, des Wohlwollens und so weiter; und dann zunahm an allem, woran ein physischer Leib zu­nehmen kann, was sich hineingießt in die äußere Wohlgestalt. Damit soll ganz besonders angedeutet werden, daß dieser Jesusknabe durch die Eigentümlichkeit, die er bis zum zwölften Jahre hatte, unberührt geblieben war, in seiner Individualität gar nicht berührt werden konnte von den luziferischen und ahrimanischen Kräften; weil es eben keine solche Individualität war, die von Inkarnation zu Inkar-nation gegangen war. Das Lukasu-Evangelium deutet das noch ganz besonders dadurch an, daß es die Generationenreihe hinauf verfolgt über Adam bis zu Gott, um damit zu sagen, daß es die Substanz war, die unbeeinflußt war von allem, was durch die menschliche Entwickelung gegangen ist.

So lebt also dieser Jesusknabe heran, zunehmend an alledem, was möglich ist in der Entwickelung einer dreifachen Leiblichkeit, die eben nicht von dem berührt werden konnte, wovon andere dreifache Leiblichkeiten der Menschen berührt werden. Und die Zarathustra-Individualität hatte jetzt die Möglichkeit, all die Höhe, zu der sie es bis dahin gebracht hatte, zu verbinden mit all dem Wunderbaren, was in einer solchen dreifachen Leiblichkeit war, weil sie durch nichts beirrt ward, sondern alles entwickeln konnte, was nur ein idealer physischer Leib, ein idealer Ätherleib, ein idealer astralischer Leib im Äußern entwickeln kann. Das soll angedeutet werden mit dem Satz des Lukasu-Evangeliums, der eben angeführt worden ist. Dadurch war die Möglichkeit gegeben, daß bis zum dreißigsten Lebensjahre

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in der Entwickelung dieses Jünglings etwas eingetreten war, von dem wir sagen können: im dreißigsten Lebensjahre war diese Individuali­tät des Zarathustra in der Lage, alles, was aus einer so hohen Indi­vidualität kommen kann, in diese dreifache menschliche Leiblichkeit hineinzugießen. So daß wir uns bis zum dreißigsten Lebensjahre von dem Jesus von Nazareth die richtige Vorstellung machen, wenn wir ihn als eine hohe menschliche Individualität vorstellen; eben als eine Individualität, zu derem Zustandekommen die größtmöglichen Ver­anstaltungen gemacht worden sind, wie wir gesehen haben.

Aber jetzt müssen wir uns über eines klar werden, wenn wir uns darüber verständigen wollen, daß die Früchte einer Entwickelung, die wir in unsern Leibern durchmachen, der Individualität zugute kom­men. Unsere Leiber geben uns die Veranlassung, daß gleichsam unsere Individualität aus dem Leben heraussaugt die Früchte für ihre wei­tere Entwickelung. Wenn wir im Tode - jetzt im Tode eines gewöhn­lichen Menschen - unsere Leiber verlassen, so lassen wir das, was wir in ihnen als Individualität uns erworben, uns erarbeitet haben, zunächst nicht in den Leibern. Wir werden später noch sehen, unter welchen besonderen Umständen etwas in den Leibern bleiben kann; aber die Regel, das Gesetz ist es nicht, daß die Individualität das, was sie sich erworben hat, den Leibern zurückläßt. Indem also Zara­thustra die dreifache Leiblichkeit des Jesus von Nazareth im dreißig­sten Jahre verläßt, läßt er zurück die drei Leiber: physischen Leib, Ätherleib und Astralleib. Alles dasjenige aber, was Zarathustra als Individualität durch diese Werkzeuge hat gewinnen können, das geht in die Individualität des Zarathustra hinein, lebt mit dieser Individualität weiter, die jetzt herausgeht aus der dreifachen Leib­lichkeit. Das kommt dieser Individualität zugute. Dagegen ist aller­dings eines erreicht worden in der dreifachen Leiblichkeit des Jesus von Nazareth: daß nämlich die Menschennatur, wie sie war vor den luziferischen und ahrimanischen Einflüssen, verbunden war mit der­jenigen Individualität, die am bedeutsamsten hineingeschaut hatte in die Geistigkeit des Makrokosmos. Denn denken Sie nur einmal, was diese Zarathustrau-Individualität durchgemacht hatte! Einstmals, da sie zuerst bei Begründung der urpersischen Kultur wirkte im Hinaufblicken

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nach dem großen Sonnengeist, da schon ging der Blick des Zarathustra in die Weltenweiten des Geistigen. Und immer weiter und weiter entwickelte sich durch die folgenden Inkarnationen gerade diese Individualität. - Wenn das Innerste der Menschennatur mit den intensivsten Kräften der Liebe und des Mitleids dadurch_zustande gekommen war, daß eine reine Menschensubstanz bewahrt geblieben war bis zur Geburt des nathanischen Jesus, und dann der Astralleib sich noch durchdrungen hatte mit den Kräften des Gotama Buddha, wenn also in dem nathanischen Jesus das vorhanden war, was wir «innerlichste Innerlichkeit> des Menschen nennen können, so verband sich mit dieser Leiblichkeit im zwölften Jahre jene menschliche In­dividualität, die unter allen menschlichen Individualitäten am klar­sten, am tiefsten hineingeschaut hatte in die Geistigkeit des Makro­kosmos. Dadurch aber wurden die Werkzeuge des nathanischen Jesus so umgestaltet, daß sie in der Tat als Werkzeuge jetzt fähig waren, den Extrakt, den Christus-Extrakt des Makrokosmos, in sich auf­zunehmen. Hätte nicht die Individualität des Zarathustra bis zum dreißigsten Jahre diese Leiblichkeit durchdrungen, so wären ihre Augen nicht fähig gewesen, zu ertragen die Substanz des Christus vom dreißigsten Jahre bis zum Mysterium von Golgatha; wären die Hände nicht fähig gewesen sich zu durchdringen mit der Substanz des Christus im dreißigsten Jahre. Um den Christus aufnehmen zu können, mußte diese Leiblichkeit eben gleichsam vorbereitet, ausge­weitet werden durch die Individualität des Zarathustra. So haben wir allerdings in dem Jesus von Nazareth, wie er in dem Moment war, da Zarathustra von ihm Abschied nahm und die Christus-Individualität in ihn hineinging, weder einen Adepten noch sonst irgend etwas von einem höheren Menschen vor uns. Denn ein Adept ist dadurch Adept, daß er eine hochentwickelte Individualität hat; die ist aber gerade aus der dreifachen Leiblichkeit des Jesus von Nazareth herausgegangen. Wir haben nur die dreifache Leiblichkeit durch die Anwesenheit des Zarathustra so präpariert, daß sie auf­nehmen konnte die Christusu-Individualität. Aber nun war durch die Verbindung der Christus-Individualität mit diesem Leibe, den wir eben beschrieben haben, das Folgende nötig geworden.

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Durch die drei Jahre, von der Johannes-Taufe im Jordan an bis zum eigentlichen Mysterium von Golgatha, war die leibliche Ent­wickelung des physischen Leibes, des Ätherleibes und des Astralleibes eine ganz andere, als die leibliche Entwickelung bei andern Menschen. Dadurch, daß auf den nathanischen Jesus in früheren Inkarnationen luziferische und ahrimanische Kräfte nicht Einfluß genommen hatten, war die Möglichkeit gegeben, daß von der Johannes-Taufe im Jordan ab - dajetzt nicht eine menschliche Ich-Individualität in diesem Jesus von Nazareth war, sondern die Christusu-Individualität - alles das nicht herausgebildet wurde, was sonst beim Menschen in seiner Leiblichkeit immer wirken muß. Wir haben gestern davon gesprochen, daß das, was wir das menschliche Phantom nennen, die eigentliche Urgestalt, die in sich auffaßt, einsaugt die materiellen Elemente und sie dann mit dem Tode abgibt - daß dieses Phantom degenerierte im Laufe der menschlichen Entwickelung bis zum Mysterium von Gol­gatha. Wir können diese Degenerierung in einer gewissen Weise so auffassen, daß eigentlich vom Anfange der menschlichen Entwicke­lung an dieses Phantom dazu bestimmt war, unberührt zu bleiben von den materiellen Teilen, die aus dem Mineral-, Pflanzen- oder Tierreich vom Menschen als Nahrungsmittel aufgenommen werden. Unberührt davon sollte das Phantom bleiben. Es war aber nicht unberührt geblieben. Denn durch den luziferischen Einfluß trat eine enge Verbindung ein zwischen dem Phantom und den Kräften, die der Mensch aufnimmt durch die irdische Entwickelung - besonders mit den Aschenbestandteilen. Das war also die Folge des luziferischen Einflusses, daß das Phantom, während es mit der weiteren Entwicke­lung der Menschheit mitgeht, eine starke Anziehung zu den Aschen­bestandteilen entwickelte; und dadurch, anstatt mit dem Ätherleib des Menschen mitzugehen, ging es nun mit dem mit, was Zerfall-produkte sind. Das waren alles die Folgen der luziferischen Einflüsse. Und wo die luziferischen Einflüsse so hintan gehalten waren, wie dies beim nathanischen Jesus der Fall war, wo ja kein menschliches Ich da war, sondern wo die kosmische Christus-Wesenheit von der Johannes-Taufe an vorhanden war, da zeigte es sich, das sich keiner­lei Anziehungskräfte geltend machten zwischen dem menschlichen

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Phantom und dem, was als materielle Teile aufgenommen wurde. Es blieb das Phantom durch alle drei Jahre unberührt von den mate­riellen Teilen. Man drückt das okkult so aus, das man sagt: Eigent­lich sollte das menschliche Phantom nach dem, wie es sich herüber-gebildet hatte durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit, keine Anziehungskräfte haben zu den Aschenbestandteilen, sondern es sollte nur mit den sich lösenden Salzbestandteilen eine Anziehung haben, so daß es den Weg der Verflüchtigung nimmt in dem Maße, als die Salzbestandteile sich auflösen. Im okkulten Sinne würde man sagen, daß es sich auflöst und übergeht - nicht in die Erde, sondern in die flüchtigen Bestandteile. Das war aber gerade des Eigentliche, daß mit der Johannes-Taufe im Jordan, der Versetzung der Christus-Indi­vidualität in den Leib des nathanischen Jesus, aller Zusammenhang des Phantoms mit den Aschenbestandteilen vernichtet, vertilgt wor­den war und der einzige Zusammenhang blieb mit den Salzbestandu­teilen. Das tritt uns auch da hervor, wo der Christus Jesus den­jenigen, die er zunächst erwählt hatte, klarmachen will: Es soll durch die Art, wie ihr euch verbunden fühlt mit der Christus­Wesenheit, zur weiteren menschlichen Entwickelung die Möglichkeit herbeigeführt werden, daß der eine aus dem Grabe auferstandene Leib - der Geistleib - auf die Menschen übergehen kann. - Dies will der Christus sagen, als er die Worte gebraucht: «Ihr seid das Salz der Erde!> Alle diese Worte, an die wieder erinnern die Ter­minologie, die Kunstausdrücke der späteren Alchimisten, des späteren Okkultismus, alle diese Worte, die wir in den Evangelien finden, haben die denkbar tiefste Bedeutung. Und es war in der Tat diese Bedeutung gerade den mittelalterlichen und auch den nachmittel­alterlichen wirklichen Alchimisten - nicht den Scharlatanen, vön denen die Literatur erzählt - voll bekannt, und keiner sprach diese Zusammenhänge aus, ohne daß er im Herzen fühlte den Zusammen­hang mit dem Christus.

So stellte sich denn heraus: Als der Christus Jesus gekreuzigt wurde, sein Leib an das Kreuz genagelt wurde - Sie merken, daß ich genau mit den Worten des Evangeliums hier spreche, aus dem einfachen Grunde, weil die wirklichen okkulten Forschungen tatsächlich

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hier die Worte des Evangeliums absolut bestätigen -, als dieser Leib des Jesus von Nazareth ans Kreuz geschlagen wurde, da war in der Tat das Phantom völlig intakt, bestand als die geistleib­liche, aber nur übersinnlich sichtbare Form und war in einem viel loseren Zusammenhange mit dem materiellen Inhalt aus den Erden-elementen als bei irgendeinem Menschen. Aus dem einfachen Grunde, weil bei jedem andern Menschen eine Verbindung des Phantoms mit den Elementen eingetreten ist, die diese Elemente zusammenhält. Bei dem Christus Jesus war es in der Tat ganz anders. Es war so, wie, ich möchte sagen, nach dem Gesetz des Beharrungsvermögens gewisse materielle Teile noch zusammenhalten in der Form, die man ihnen gegeben hat und dann nach einiger Zeit zerfallen, so daß kaum von ihnen etwas sichtbar ist. So war es mit den materiellen Teilen des Leibes des Christus Jesus. Als er vom Kreuze herabgenommen wurde, waren sozusagen die Teile noch zusammenhaltend, aber sie waren in keiner Verbindung mit dem Phantom, weil das Phantom von ihnen völlig frei war. Als der Leib dann mit gewissen Substanzen versetzt wurde, die dann wieder auf diesen Leib ganz anders wirkten als auf einen andern Leib, der einbalsamiert wird, da geschah es, daß sich die materiellen Stoffe nach dem Begräbnis rasch verflüchtigten, rasch in die Elemente übergingen. Daher fanden die Jünger, die nach-schauten, die Tücher, mit denen er zugedeckt war, - das Phantom aber, woran die Entwickelung des Ich hängt, das war aus dem Grabe auferstanden. Daß Maria von Magdala, die das frühere, von den Elementen der Erde durchsetzte Phantom nur kannte, in dem von aller Erdenschwere befreiten Phantom nicht wiedererkennen konnte dieselbe Gestalt, die sie jetzt heliseherisch sah, das ist nicht zu ver-wundern. Sie kam ihr anders vor. Insbesondere müssen wir uns darüber klar sein, daß nur durch die Kraft des Belsammenseins der Jünger mit dem Christus alle Jünger und alle Menschen, von denen uns das erzählt wird, den Auferstandenen sehen konnten; denn er erschien im Geistleib, in dem Leibe, von dem Paulus sagt, daß er sich wie das Samenkorn vermehrt und übergeht in alle Menschen. Daß aber auch Paulus selbst überzeugt ist davon, daß nicht der von den irdischen Elementen durchsetzte Leib den andern Jüngern erschienen

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ist, sondern daß dasselbe, was ihm erschienen war, auch den andern Jüngern erschienen war, das sagt er an der Stelle:

«Ich habe es euch überliefert in erster Linie, wie ich es selbst überkommen habe: daß Christus gestorben ist um unserer Sünden willen, so daß die Schriften sich erfüllen mußten, und daß er begraben wurde, und daß er auferweckt wurde am dritten Tage, gemäß dem, was in den Schriften immerdar gestanden hat, und daß er erschienen ist dem Kephas, dann den Zwölf. Hernach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von welchen die meisten noch leben, etliche aber sind entschlafen. Hernach erschien er dem Jakobus, dann den sämtlichen Aposteln; zuletzt aber gleich allen als dem zu früh Geborenen erschien er auch mir.» (1. Korinther 15, 3-8.)

Dem Paulus erschien der Christus durch das Ereignis von Damas­kus. Und daß die Art, durch die er ihm erschien, gleichgestellt ist mit den Erscheinungen gegenüber den andern Jüngern, das bezeugt, daß der Christus dem Paulus in derselben Gestalt erschienen ist, wie den andern. Was aber war es, was Paulus überzeugte?

Paulus war in einem gewissen Sinne schon ein Eingeweihter vor dem Ereignis von Damaskus. Aber es war eine Einweihung, die zusammengesetzt war aus dem althebräischen und dem griechischen Prinzip. Ein Eingeweihter war er, der bis dahin nur wußte, daß die, welche sich mit der geistigen Welt durch die Initiation verbunden haben, in ihrem Ätherleib unabhängig geworden sind von dem physischen Leib und in einer gewissen Weise denen, die dazu fähig sind, erscheinen können in ihrer reinsten Gestalt des Ätherleibes. Würde Paulus nur die Erscheinung eines reinen, von dem physischen Leibe unabhängigen Ätherleibes gehabt haben, so würde er anders gesprochen haben. Er würde gesagt haben, er hätte geschaut einen, der eingeweiht worden war und unabhängig von dem physischen Leibe mit der Erdentwickelung weiterlebt. Das würde für ihn auch nichts besonders Überraschendes gehabt haben. Das konnte es also nicht sein, was er vor Damaskus erlebt hat. Was er erlebt hat, war das, wovon er wußte, man kann es erst erleben, wenn die Schriften erfüllt sind: daß einmal in der geistigen Atmosphäre der Erde ein

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vollständiges menschliches Phantom, ein aus dem Grabe erstandener menschlicher Leib als übersinnliche Gestalt da sein werde. Das aber hatte er gesehen! Das war es, was ihm vor Damaskus erschien und ihn überzeugte: Er war da! Er ist auferstanden! Denn es ist das da, was nur von ihm kommen kann: es ist das Phantom da, was gesehen werden kann von allen menschlichen Jndiyidualitäten, die einen Zu­sammenhang suchen mit dem Christus! - Das war es, was ihn über­zeugen konnte, daß der Christus schon da war, daß er nicht erst kommen werde, daß er wirklich in einem physischen Leibe war, und daß dieser physische Leib die eigentliche Urform des physischen Leibes herausgerettet hat zum Heile aller Menschen.

Daß diese Tat nur geschehen konnte durch die größte Entfaltung der göttlichen Liebe, und in welchem Sinne diese Tat eine Liebestat war, und in welchem Sinne dann das Wort «Erlösung> zu nehmen ist in der weiteren Entwickelung der Menschheit - davon wollen wir morgen sprechen.

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NEUNTER VORTRAG Karlsruhe, 13. Oktober 1911

Die Vorträge, die bisher gehalten worden sind, haben uns im wesentlidien zu zwei Fragen geführt. Die eine Frage bezieht sidi auf das objektive Ereignis, das mit dem Namen des Christus Jesus ver-knüpft ist; sie bezieht sidi auf das Wesen jenes Impulses, der als der Christus-Impuls eingegriffen hat in die mensdilidie Entwickelung. Die andere Frage bezieht sidi darauf, wie nun der einzelne Mensch seine Beziehung zu dem Christus-Impuls herstellen kann, wie sozu­sagen dieser Christus-Impuls für den einzelnen Menschen wirksam wird. Selbstverständlich verknüpfen sich die Antworten auf diese beiden Fragen. Denn wir haben ja gesehen, daß das Christus-Ereignis eine objektive Tatsache der menschlichen Erdenentwickelung ist und daß gerade von dem, was uns in der Auferstehung entgegengetreten ist, etwas Reales, etwas Wirkliches ausgeht. Gewissermaßen eine Art Keim zu einer Wiederherstellung des Zustandes unseres menschlichen Phantomes hat sich mit dem Christus aus dem Grabe erhoben, und das, was sich da als Keim mit dem Christus aus dem Grabe erhoben hat, hat die Möglichkeit, sich einzuverleiben denjenigen Menschen, die eine Beziehung zu dem Christus-Impuls finden.

Das ist der objektive Teil dieser Beziehung des einzelnen Menschen zu dem Christus-Impuls. Heute wollen wir in die Betrachtungen, die wir in den letzten Tagen gepfiogen haben, die subjektive Seite ein­fügen, das heißt, wir wollen versuchen, eine Antwort auf die Frage zu finden, welche etwa so gestellt werden kann: Wie findet nun der einzelne Mensch die Möglichkeit, in sich nach und nach dasjenige aufzunehmen, was durch die Auferstehung von dem Christus aus­gegangen ist?

Wenn wir uns diese Frage beantworten wollen, müssen wir zu­nächst zweierlei unterscheiden. Als das Christentum als eine Religion in die Welt getreten ist, da war es nicht etwa bloß eine Religion für okkult strebende Menschen, das heißt für solche Menschen, welche auf irgendeinem Geisteswege an den Christus herankommen wollten;

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sondern das Christentum war eine Religion, welche fur alle Menschen geeignet sein sollte, welche von allen Menschen sollte aufgenommen werden können. Daher darf nicht etwa geglaubt werden, daß eine be­sondere okkulte oder esoterische Entwickelung notwendig war, um den Weg zu dem Christus zu finden. Daher müssen wir den einen Weg zu dem Christus zunächst einmal ins Auge fassen, den exoterischen Weg, den eine jede Seele, ein jedes Herz hat finden können imLaufeder Zeit. Und dann müssen wir von diesem Wege den anderen unterscheiden:

den Weg, der sich bisher, bis in unsere Zeit herein, einer Seele eröff nete, die esoterisch den Weg gehen will; die also nicht bloß auf dem äußeren Pfad den Christus suchen will, sondern die ihn suchen will durch eine Erschließung der okkulten Kräfte. Also den Weg des physischen Planes - und den Weg der übersinnlichen Welten müssen wir unterscheiden.

Es ist wohl kaum ein früheres Jahrhundert so unklar gewesen über den äußeren exoterischen Weg zu dem Christus als das neunzehnte Jahrhundert. Und der Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts war wieder so, daß die erste Hälfte dieses Jahrhunderts noch klarer war als die zweite. Man darf sagen, immer mehr und mehr haben sich die Menschen von einer Erkenntnis des Weges zu dem Christus ent­fernt. In dieser Beziehung machen sich die Menschen, die am heutigen Denken teilnehmen, gar nicht mehr die richtigen Vorstellungen, wie Seelen zum Beispiel noch im achtzehnten Jahrhundert ihren Weg zu dem Christus-Impuls gemacht haben, und wie auch noch in die erste Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts hereingeleuditet hat eine ge­wisse Möglichkeit, den Christus-Impuls als etwas Reales zu finden. Im neunzehnten Jahrhundert ist am allermeisten den Menschen dieser Weg zu Christus verlorengegangen. Und das ist begreiflich, wenn wir ins Auge fassen, daß wir ja vor dem Ausgangspunkte eines neuen Weges zu dem Christus stehen. Wir haben öfter von dem neuen Weg, der sich den Seelen eröffnet, sozusagen von einer Erneuerung des Christus-Ereignisses, gesprochen. Es ist immer so in der Entwickelung der Menschheit, daß eine Art Tiefstand in bezug auf eine Sache ein­treten muß, bevor wieder ein neues Licht kommt. So ist denn auch die Abwendung von den spirituellen Welten, wie sie im neunzehnten

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Jahrhundert eingetreten ist, nur selbstverständlich gegenüber der Tatsache, daß im zwanzigsten Jahrhundert eben in der eigenartigen Weise, wie es öfter erwähnt worden ist, eine ganz neue Epoche für das spirituelle Leben der Menschen beginnen muß.

Manchmal erscheint es selbst denjenigen Menschen, die sich schon etwas in die Geisteswissenschaft liineingefunden haben, so, als ob die spirituelle Bewegung, wie wir sie haben, etwas durchaus Neues sei. Wenn wir davon absehen, daß die Bereicherung, die das spirituelle Streben im Abendlande in den letzten Zeiten erfahren hat, darin besteht, daß die Ideen von Reinkarnation und Karma eingeflossen sind, wenn wir absehen von dem Einfließen der Lehre der wieder­holten Erdenleben und ihrer Bedeutung für die ganze menschliche Entwickelung, so müssen wir sagen, daß im übrigen die Wege in die geistige Welt hinein, die unseren theosophischen sehr ähnlich sind, durchaus nicht etwas ganz Neues für die abendländische Menschheits-entwickelung sind. Nur findet sich der Mensch, der auf dem heutigen Wege der Theosophie in die geistigen Welten emporzudringen sucht, etwas befremdet von der Art und Weise, wie zum Beispiel Theo-sophie im achtzehnten Jahrhundert gepflogen worden ist. Gerade in diesen Gegenden (Baden) und namentlich in Württemberg wurde im achtzehnten Jahrhundert viel, viel Theosophie getrieben. Nur fehlte überall ein lichtvoller Ausblick in die Lehre von den wiederholten Erdenleben, und dadurch war das ganze Feld des theosophischen Arbeitens in einer gewissen Weise getrübt. Es wurden auch für die, welche tiefe Einblicke tun konnten in okkulte Zusammenhänge, und namentlich auch in den Zusammenhang der Welt mit dem Christus-Impuls, diese Einblicke dadurch getrübt, daß eine richtige Lehre über die wiederholten Erdenleben fehlte. Aber aus dem ganzen Umkreise der christlichen Weltanschauung und des christlichen Lebens erhob sich immer so etwas wie theosophisches Streben. Und dieses theoso­phische Streben wirkte überall hinein, auch in die äußeren exote­rischen Wege der Menschen, die eben nicht weiter kommen konnten als zu einem äußeren Mitleben, sagen wir, des christlichen Gemeinde-lebens oder dergleichen. Wie aber ein Theosophisches das christliche Streben durchdrang, das können wir sehen, wenn wir zum Beispiel

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Namen nennen wie BengeL, Oetinger, Leute, die in Württemberg ge­wirkt haben, die in ihrer ganzen Art und Weise - wenn wir berück­sichtigen, daß ihnen die Idee der wiederholten Erdenleben fehlte -durchaus zu alledem kamen, wozu man auch in bezug auf höhere Anschauungen über die Entwickelung der Menschheit kommen kann, insofern der Christus-Impuls ihr eignet. Wenn wir das ins Auge fassen, müssen wir sagen: den Grundnerv des theosophischen Lebens hat es immer gegeben. Deshalb ist viel Richtiges darin, was in einer Abhandlung gerade über manches Theosophische des achtzehnten Jahrhunderts Rothe, der ja in der unmittelbaren Nähe Karlsruhes, an der Heidelberger Universität, gelehrt hat, in der Vorrede zu einem 1847 erschienenen Buche geschrieben hat. Er sagt:

«Was die Theosophie eigentlich will, das ist bei den älteren Theo­sophen oft schwer zu erkennen... nicht minder deutlich aber auch, daß es die Theosophie auf ihrem bisherigen Wege zu keiner wissen­schaftlichen Existenz und mithin auch zu keiner ins Größere gehenden Wirkung bringen kann. Sehr voreilig würde man daraus schließen, daß sie überhaupt ein wissenschaftlich unberechtigtes und nur ephe­meres Phänomen sei. Dagegen zeugt schon die Geschichte laut genug. Sie erzählt uns, wie diese rätselhafte Erscheinung nie durchdringen konnte, und dessen ungeachtet immer wieder von neuem durchbrach, ja, durch die Kette einer nie aussterbenden Tradition in ihren ver­schiedenartigsten Formen zusammengehalten wird.»

Nun muß man daran denken, daß der, der dies geschrieben hat, in den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts Theosophie nur so kennenlernen konnte, wie sie herüberkam von manchem Theo­sophen des achtzehnten Jahrhunderts. Da muß man schon sagen: Was da herüberkam, war allerdings in die Formen unserer Wissenschaft­lichkeit nicht zu kleiden; daher war es auch schwer zu glauben, daß die damalige Theosophie weitere Kreise ergreifen könnte. Wenn wir davon absehen, muß uns doch gerade eine solche Stimme aus den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts bedeutsam erscheinen, die uns da sagt:

.... Und was die Hauptsache ist, wenn sie nur erst einmal eigent­liche Wissenschaft geworden ist, und also auch deutlich bestimmte

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Resultate abgesetzt hat, so werden diese schon nach und nach in die allgemeine Überzeugung übergehen oder populär werden, und sich so auch für die als gemeingültige Wahrheiten vererben, die sich in die Wege nicht finden können, auf denen sie entdeckt wurden und allein entdeckt werden konnten.»

Allerdings kommt dann eine pessimistische Wendung, die wir heute in bezug auf Theosophie nicht mehr teilen können. Denn wer sich in die heutige Art des geisteswissenschaftlichen Strebens hineinfindet, wird die Überzeugung gewinnen, daß diese Theosophie in den brei­testen Kreisen in der Art, wie sie wirken will, populär werden kann. Deshalb muß uns eine solche Wendung dennoch nur zu Mut anfeuern können, wenn es weiter heißt:

«Doch dies ruht im Schoße der Zukunft, der wir nicht vorgreifen wollen; für jetzt mögen wir uns der schönen Darstellung des lieben Oetingers dankbar erfreuen, die gewiß in einem weiten Kreise auf Teilnahme rechnen darf.»

So sehen wir, wie sozusagen Theosophie eine fromme Hoffnung der Menschen ist, die gleichsam aus dem achtzehnten Jahrhundert herüber noch etwas von der alten Theosophie gewußt haben. Dann allerdings ist der Strom theosophischen Lebens überschüttet worden von dem materialistischen Streben des neunzehnten Jahrhunderts, und durch das, was wir jetzt in uns aufnehmen dürfen als die Morgenröte einer neuen Zeit, kommen wir erst wieder dem wirk­lichen spirituellen Leben nahe, jetzt aber in einer Form, die so wis­senschaftlich sein kann, daß sie im Grunde genommen jedes Herz und jede Seele verstehen kann. Es ist ja ganz und gar auch dem neunzehnten Jahrhundert das Verständnis für etwas verlorenge­gangen, was zum Beispiel die Theosophen des achtzehnten Jahr­hunderts noch voll gehabt haben, was sie dazumal genannt haben den «Zentralsinn». Von Oetinger zum Beispiel, der hier in unmittelbarer Nähe, in Murrhardt, gewirkt hat, wissen wir, daß er eine Zeitlang Schüler war eines sehr einfachen Menschen in Thüringen, von dem seine Schüler wußten, daß er das besessen hat, was man den Zentral-sinn nannte. Was war dieser Zentralsinn für die damalige Zeit? Nichts anderes war es, als was jetzt in jedem Menschen entsteht,

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wenn er im Ernst und mit eiserner Energie das befolgt, was Sie auch in meiner Schrift «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Wel­ten?> finden. Im Grunde genommen war es nichts anderes, was dieser einfache Mensch in Thüringen - Völker hieß er - besaß, und was er dann auch in einer für seine Zeit sehr interessanten Theosophie zustande gebracht hat, das auf Oetinger wirkte. Ebenso, wie es schwer ist für den Menschen der Gegenwart, sich hineinzufinden in die Er­kenntnis, daß eine theosophische Vertiefung uns eigentlich noch so nahe liegt, und daß diese theosophische Vertiefung eine reiche Litera­tur hat, die allerdings in den Bibliotheken und bei Antiquaren, ver­graben ist, ebenso schwer wird ihm ein anderes: das Christus-Ereignis als eine objektive Tatsache überhaupt zunächst zu nehmen. Wie viel ist in dieser Richtung im neunzehnten Jahrhundert diskutiert worden! Es ist in einer kurzen Zeit gar nicht einmal skizzenhaft anzudeuten, wie vielerlei Anschauungen im neunzehnten Jahrhundert über den Christus Jesus zu verzeichnen sind. Und wenn man sich die Mühe gibt, auf eine größere Anzahl, sei es laienhafter, sei es theolo­genhafter Anschauungen über den Christus Jesus einzugehen, dann hat man wirklich gewisse Schwierigkeiten, wenn man das, was das neunzehnte Jahrhundert gerade in dieser Frage produziert hat, heran­bringen will an die Zeiten, in denen noch bessere Traditionen ge­herrscht haben. Es ist ja sogar im neunzehnten Jahrhundert möglich geworden, Leute als große christliche Theologen anzusehen, die über­haupt der Annahme eines objektiven Christus, der in die Welt­geschichte eingetreten ist und darin gewirkt hat, ganz fern stehen. Und da kommen wir auf die Frage: Welche Beziehung zu dem Christus kann der finden, der nun keinen esoterischen Weg geht, sondern ganz im Felde des Exoterischen bleibt?

Solange man auf dem Boden steht, auf dem also wirklich auch Theologen des neunzehnten Jahrhunderts standen, daß die mensch­liche Entwickelung etwas ist, was rein im Innern des Menschen ablaufen kann, was mit der äußeren Welt des Makrokosmos sozu­sagen nichts zu tun hat, kann man zu einer objektiven Würdigung des Christus Jesus überhaupt nicht kommen. Da kommt man zu allerlei grotesken Ideen, nie aber zu einer Beziehung zu dem Christus-Ereignis.

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Wenn der Mensch glaubt, daß er das höchste menschliche Ideal, wie es für die Erdentwickelung angemessen ist, erreichen kann auf einem bloßen inneren Seelenwege, durch eine Art Seibsterlösung, dann ist eine Beziehung zu dem objektiven Christus nicht möglich. Man könnte auch sagen: Sobald der Erlösungsgedanke für den Menschen etwas ist, was sich auf psychologischem Wege beantworten läßt, gibt es keine Beziehung zu dem Christus. Wer aber tiefer in die Weltgeheimnisse eindringt, wird sehr bald finden, daß, wenn der Mensch glauben kann, daß er sein höchstes Ideal des Erdendaseins lediglich durch sich selbst, nur durch innere Entwickelung erlangen kann, er überhaupt seinen Zusammenhang mit dem Makrokosmos abschneidet; daß er dann den Makrokosmos wie eine Art Natur vor sich hat - und dann wieder die innere Seelenentwickelung neben dem Makrokosmos als etwas parallel damit Verlaufendes; aber einen Zusammenhang zwischen beiden kann er nicht finden. Das ist ja gerade das furchtbar Groteske in der Entwickelung des neunzehnten Jahrhunderts, daß das, was einen Zusammenhang braucht - Mikro­kosmos und Makrokosmos -, entzweit, auseinandergerissen worden ist. Wäre das nicht geschehen, so hätten alle die Mißverständnisse nicht entstehen können, die verknüpft sind mit den Namen «theo­retischer Materialismus» auf der einen Seite und «abstrakter Idealis­mus» auf der anderen Seite. Denken Sie, daß das Auseinanderreißen von Mikrokosmos und Makrokosmos dazu geführt hat, daß die Menschen, die wenig auf das innere Seelenleben achten, dazu kamen, daß sie das innere Seelenleben wie die äußere Leiblichkeit zu dem Makrokosmos rechneten, um dann alles im materiellen Prozesse auf­gehen zu lassen. Die andern, die gewahr wurden, daß es doch ein inneres Leben gibt, verfielen nach und nach in Abstraktionen bei allem, was schließlich nur für die menschliche Seele eine Bedeutung hat.

Wenn man sich über diese schwierige Sache klar sein will, muß man vielleicht an etwas sehr Bedeutsames erinnern, was die Menschen in den Mysterien gelernt haben. Fragen Sie sich einmal, wie viele Menschen in ihrem innersten Bewußtsein heute glauben: Wenn ich irgend etwas denke - zum Beispiel über meinen Nebenmenschen

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einen schlechten Gedanken habe - so hat das für die Außenwelt ja schließlich keine Bedeutung; der Gedanke ist nur in mir. Eine ganz andere Bedeutung hat es, wenn ich ihm eine Ohrfeige gebe; das ist ein Ereignis auf dem physischen Plan; das andere ist eine bloße Empfindung oder ein bloßer Gedanke. - Oder gehen wir weiter. Wie viele Menschen gibt es, die, wenn sie Sünde, eine Luge oder einen Irrtum begehen, sagen: Das ist etwas, was in der menschlichen Seele vorgeht - und im Gegensatze dazu, wenn etwa ein Stein vom Dache fällt: Das ist etwas, was draußen vorgeht. - Da wird man nach grobsinnlichem Begreifen leicht dem Menschen klarmachen können:

wenn ein Stein vom Dache fällt, oder vielleicht zufällig ins Wasser fällt, da werden im Wasser Wellen erregt, die weiterspielen und so weiter, so daß das alles Wirkungen hat, die sich im geheimen fort­setzen; aber was in der Seele eines Menschen vorgeht, das ist abge­schlossen von allem anderen. Daher haben die Menschen glauben können, daß es überhaupt eine Angelegenheit der Seele ist, sagen wir, zu sündigen, zu irren und das wieder gutzumachen. Auf ein solches Bewußtsein müßte eines, was wenigstens einer größeren Anzahl von uns in den letzten zwei Jahren entgegengetreten ist, grotesk wirken. Ich möchte in dem Rosenkreuzerdrama «Die Pforte der Einweihung» an die Szene erinnern, wo Capesius und Strader auftreten in der astralen Welt, und wo gezeigt wird, wie das, was sie denken, reden und fühlen, nicht bedeutungslos ist für die objektive Welt, für den Makrokosmos, sondern geradezu Stürme entfesselt in den Elementen. Es ist ja wirklich für die heutigen Menschen toll, zu denken, daß zerstörende Kräfte dadurch auch für den Makrokosmos wirken, daß jemand einen unrichtigen Gedanken hat. Das aber wurde den Menschen in den Mysterien recht sehr klar gemacht, daß, wenn jemand zum Beispiel lügt, Irrtümer begeht, dies ein realer Vorgang ist, der nicht bloß mit uns etwas zu tun hat. Das deutsche Sprichwort ist sogar entstanden: «Gedanken sind zollfrei», weil man eben die Zollschranke nicht sieht, wenn die Gedanken aufdämmern. Sie ge­hören aber dann der objektiven Welt an, sind nicht bloß Ereignisse der Seele. Da hat dann der Mysterienschüler gesehen: Wenn du eine Lüge sagst, bedeutet das in der übersinnlichen Welt eine Verfinsterung

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eines gewissen Lichtes, und wenn du eine lieblose Handlung begehst, so wird dadurch in der geistigen Welt durch das Feuer der Lieblosig­keit etwas verbrannt; und mit den Irrtümern löschest du Licht aus dem Makrokosmos aus. - Das war die Wirkung, die dem Schüler gezeigt wurde durch das objektive Ereignis: wie durch den Irrtum auf dem Astraiplan etwas ausgelöscht wird und Finsternis auftrirt, oder wie eine lieblose Handlung wie ein zerstörendes und verbren­nendes Feuer wirkt.

Der Mensch weiß im exoterischen Leben nicht, was um ihn herum vorgeht. Er ist wirklich wie der Vogel Strauß und muß den Kopf in den Sand stecken, weil er die Wirkungen nicht sieht, die aber doch vorhanden sind. Die Wirkungen der Empfindungen sind da, und an­schaulich wurden sie für die übersinnlichen Augen, wenn der Mensch zum Beispiel in die Mysterien geführt wurde. Das aber ist etwas, was nur dem neunzehnten Jahrhundert passieren konnte, daß man sich sagte: Alles, was der Mensch gesündigt hat, was er an Schwäche an sich hat, ist nur seine persönliche Angelegenheit; die Erlösung muß durch ein Ereignis in der Seele eintreten. Daher kann Christus auch nur ein innerliches Ereignis der Seele sein. - Was notwendig ist, damit der Mensch nicht nur seinen Weg zu dem Christus findet, sondern seinen Zusammenhang mit dem Makrokosmos überhaupt nicht abreißt, das ist die Erkenntnis: Begehst du Irrtum und Sünde, so sind dies objektive, nicht subjektive Ereignisse, und es geschieht dadurch etwas draußen in der Welt. Und in dem Augenblick, wo der Mensch sich bewußt wird, daß mit seiner Sünde und mit seinem Irrtum etwas Objektives geschieht, wo er weiß, es wirkt etwas, was er getan hat und von sich weggegeben hat, was nicht mehr mit ihm zusammenhängt, aber zusammenhängt mit dem ganzen objektiven Gange der Weltentwickelung, wird der Mensch, wenn er nun den ganzen Gang der Weltentwickelung überblickt, nicht mehr sagen können, daß es nur eine innere Angelegenheit der Seele ist, das, was er angerichtet hat, wieder gutzumachen. Es gäbe eine Möglichkeit, die sogar eine gute Bedeutung hat: daß man das, was den Menschen in Irrtum und Schwäche bringt und gebracht hat durch die aufeinander­folgenden Erdenleben, als eine innere Angelegenheit nicht des einzelnen

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Lebens, aber des Karmas ansieht. Aber dafür gibt es keine Möglichkeit, daß ein Ereignis, das nicht geschichtlich ist und nicht der Menschheit angehört, wie es bei dem luziferischen Einfluß in der alten lemurischen Zeit der Fall ist, durch ein menschliches Ereignis wieder aus der Welt geschafft werden könnte! Durch das luziferische Ereignis ist auf der einen Seite die große Wohltat dem Menschen geworden, daß er zum freien Menschen wurde; aber auf der anderen Seite hat er dafür in Kauf nehmen müssen, daß er abirren kann von dem Pfade des Guten und des Rechten, auch von dem Pfade des Wahren. Was im Laufe der Inkarnationen eingetreten ist, ist eine Angelegenheit des Karmas. Aber alles, was so sich einnistet vom Makrokosmos in den Mikrokosmos, was die luziferischen Kräfte dem Menschen gegeben haben, das ist etwas, womit der Mensch allein nicht fertig wird. Um das wieder auszugleichen - dazu braucht es einer objektiven Tat. Kurz, der Mensch muß empfinden, weil das, was er als Irrtum und Sünde begeht, nicht bloß subjektiv ist, daß auch nicht bloß ein Subjektives in der Seele genügt, um die Erlösung herbeizuführen.

So wird der, welcher überzeugt ist von der Objektivität des Irr­tums, auch unmittelbar einsehen die Objektivität der Erlösungstat. Man kann gar nicht den luziferischen Einfluß als . objektive Tat hinstellen, ohne zugleich die ausgleichende Tat eine Ereignis von Golgatha - hinzustellen. Und als Theosoph hat man im Grunde genommen nur die Wahl zwischen zwei Dingen. Man kann alles auf Grundlage des Karmas setzen; dann hat man natürlich für alles, was durch den Menschen selbst herbeigeführt wird, durchaus recht; aber man kommt dann in die Notwendigkeit, die wiederholten Leben nach vorn und nach rückwärts in beliebiger Weise zu verlängern, und kommt zu keinem Ende nach vorn und rückwärts. Das geht immer wie das gleiche Rad rund herum. Jener konkrete Gedanke der Ent­wickelung dagegen - und das ist das andere - wie wir ihn fassen mußten: daß es ein Saturn-, ein Sonnen- und ein Mondendasein gab, die ganz verschieden sind vom Erdendasein, daß dann im Erden-dasein erst jene Art der wiederhoken Erdenleben stattfindet, wie wir sie kennen, daß dann das luziferische Ereignis da war als ein ein-maliges

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Ereignis, - das alles gibt erst dem, was wir theosophlsche Anschaüung nennen, einen wirklichen Inhalt. Das alles aber ist nicht zu denken ohne die Objektivität des Ereignisses von Golgatha.

Wenn wir die vorchristlichen Zeiten betrachten, so waren - von einer anderen Seite aus wurde das schon erwähnt - die Menschen in einer gewissen Beziehung anders. Die Menschen haben, als sie hinuntergestiegen sind aus den geistigen Welten in die irdischen Inkarnationen, eine gewisse Summe des göttlichen substantiellen Elementes mitgenommen. Das versiegte nur nach und nach, je weiter der Mensch in den Erdeninkarnationen vorrückte, und war versiegt in der Zeit, als die Ereignisse von Palästina heranrückten. Daher haben die Menschen in den vorchristlichen Zeiten, wenn sie sozusagen auf ihre eigene Schwäche reflektierten, immer gefühlt: es stammt doch das Beste, was der Mensch hat, her aus der göttlichen Sphäre, aus welcher der Mensch heruntergestiegen ist. Sie haben immer noch die letzten Nachwirkungen des göttlichen Elementes gefühlt. Das aber war versiegt, als der Täufer Johannes den Ausspruch tat: Ändert eure Auffassung von der Welt, denn die Zeiten sind andere geworden; jetzt werdet ihr nicht mehr wie bisher zum Geistigen emporsteigen können, weil der Ausblick in die alte Geistigkeit nicht mehr möglich ist. Andert den Sinn und empfanget jene göttliche Wesenheit, welche aufs neue den Menschen geben soll, was sie verlieren mußten durch ihr Herabsteigen! - Deshalb wurde auch - man mag es hinweg-leugnen, wenn man abstrakt denken will, man kann es aber nicht hinwegleugnen, wenn man mit einem wirklichen konkreten Blick auf die äußere Geschichte sieht - das ganze Fühlen und Empfinden der Menschen anders um die Wende der alten und der neuen Zeit, deren Abgegrenztheit dargestellt ist durch die Ereignisse von Palästina. Die Menschen fingen an, sich verlassen zu fühlen, nachdem die Ereignisse von Palästina geschehen waren. Sie fingen an sich verlassen zu fühlen, wenn sie an die schwersten Fragen herantraten, die das Innerste, das Konkreteste der Seele betrafen, wenn sie sich zum Beispiel fragten:

Was wird aus mir im ganzen Zusammenhange des Weltalls, wenn ich durch die Todespforte mit einer Anzahl unausgeglichener Taten gehe? Da trat denn heran an diese Menschen ein Gedanke, der allerdings

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aus der Sehnsucht der Seele zunächst geboren werden konnte, der aber nur dadurch befriedigt werden konnte, daß die Menschenseele die Anschauung fand:Ja, es hat ein Wesen gelebt das da hereingetreten ist in die Menschheitsentwickelung, an das du dich halten kannst, und das in der Außenwelt, wo du nicht hin kannst, wirkt zum Ausgleiche deiner Taten; das dir hilft, das gutzumachen, was durch die luziferischen Einflüsse schlecht gemacht worden ist! - Das Sichverlassenfühlen und das Sichgeborgenfühlen in einer objektiven Macht trat in die Menschheit herein; das Empfinden, daß die Sünde eine reale Macht ist, eine objektive Tatsache. Und das andere, was dazu gehört: daß das Erlösende eine objektive Tatsache ist, etwas, was nicht der einzelne ausmachen kann, weil er nicht den luziferischen Einfluß hereinbeschworen hat, sondern nur der, der in den Welten wirkt, in denen Luzifer bewußt wirkt.

Dies alles, was ich so darstellte mit Worten, die aus der Geistes­wissenschaft genommen sind, das war nicht bewußt als Begriffe, als Erkenntnis vorhanden, aber es lag in den Gefühlen und Empfin-dungen; und es lebte die Notwendigkeit, sich zu dem Christus zu wenden in den Gefühlen und Empfindungen. Dann gab es natürlich für diese Menschen die Möglichkeit, in den christlichen Gemeinschaften die Wege zu finden, um alle solche Empfindungen und Gefühle zu vertiefen. Was fand denn schließlich der Mensch in der Zeit, da er seinen ursprünglichen Zusammenhang mit den Göttern verloren hatte, wenn er draußen die Materie anschaute? Immer mehr und mehr verlor sich durch das Heruntersteigen des Menschen in die Materie der Anblick des Spirituellen, des physisch Göttlichen in der großen Welt. Die Reste des alten Hellsehens, die noch da waren, verloren sich allmählich, und die Natur wurde in einer gewissen Weise ent­göttert Eine bloße materielle Welt war vor dem Menschen ausge­breitet: Und dieser materiellen Welt gegenüber konnte der Mensch gar nicht den Glauben aufrechterhalten, daß darinnen ein Christus-Prinzip objektiv wirksam sein soll. Was sich zum Beispiel im neun-zehnten Jahrhundert herausgebildet hat: daß die Welt, wie sie un­serer Erde zugrunde liegt, sich aus dem Kant-Laplaceschen Welten-nebel herausgestellt hat, daß dann auf den einzelnen Planeten das

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Leben entstanden sei, und was schließlich dazu geführt hat, überhaupt die ganze Welt als ein Zusammenwirken von Atomen zu denken, da hinein den Christus zu denken, in das Weltbild des materialistischen Naturdenkers den Christus hineinzudenken, das wäre allerdings Wahnsinn. Gegenüber diesem Weltbilde ist die Christus-Wesenheit nicht aufrechtzuerhalten. Gegenüber diesem Weltbilde ist überhaupt nichts Geistiges aufrechtzuerhalten. Aber wir müssen es verstehen, daß jemand das sagt, was ich Ihnen vorgelesen habe: daß er sein ganzes Weltbild durchschneiden müßte, wenn er die Auferstehung glauben sollte. Dieses ganzeWeltbild, das dann nach und nach entstan­den ist, zeigt nur, daß für die äußere Naturbetrachtung, in bezug auf das Denken über die äußere Natur, die Möglichkeit geschwunden ist, sich hineinzudenken in das lebendige Wesen der Naturtatsachen.

Wenn ich jetzt in dieser Weise spreche, so ist das keine abfällige Kritik. Es mußte geschehen, daß einmal die Natur entgöttert und entgeistert wurde, damit der Mensch die Summe von abstrakten Gedanken fassen konnte, um die äußere Natur zu begreifen, wie es in der kopernikanischen, keplerischen und galileischen Anschauung möglich geworden ist. Es mußte die Menschheit das Gewebe von Gedanken ergreifen, wie es zu unserem Maschinenzeitalter geführt hat. Aber auf der anderen Seite war dazu notwendig, daß diese Zeit einen Ersatz hatte für das, was nicht da sein konnte im exote­rischen Leben, einen Ersatz dafür, daß es unmöglich geworden war, unmittelbar von der Erde den Weg zum Geistigen zu finden; Denn hätte man den Weg zum Geistigen finden können, so hätte man den Weg zum Christus finden müssen, wie man ihn in den nächsten Jahr­hunderten finden wird. Ein Ersatz mußte da sein.

Die Frage ist nun: Was ist notwendig gewesen für einen exote­rischen Weg des Menschen zum Christus während der Jahrhunderte, in denen sich nach und nach eine Weltanschauung vorbereitete, die atomistisch war, die immer mehr und mehr die Natur entgöttern mußte, und die hineinwuchs bis ins neunzehnte Jahrhundert in eine entgötterte Naturbetrachtung?

Zweierlei war notwendig. Auf zweierlei Wegen konnte exoterisch der geistige Anblick des Christus gefunden werden. Das eine konnte

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dadurch geschehen, daß dem Menschen die Möglichkeit vorgeführt wurde, daß es allerdings nicht wahr ist, daß alle Materie dem mensch­lichen Innern, dem Geistigen im eigenen Innern ein völlig Fremdes ist. Es mußte auf der einen Seite tatsächlich die Möglichkeit vor­geführt werden, daß es nicht richtig ist, daß überall im Raume, wo Materie erscheint, nur Materie vorhanden ist; Wodurch konnte das geschehen? Auf keinem anderen Wege konnte das geschehen, als daß man dem Menschen etwas vermittelte, was zugleich Geist und zu­gleich Materie ist, wovon er wissen mußte, daß es Geist ist, und wovon er sah, daß es Materie ist; Das mußte also lebendig bleiben:

die Verwandlung, die ewig gültige Verwandlung von Geist in Materie, von Materie in Geist. Und das ist dadurch geschehen, daß sich das Abendmahl als eine christliche Einrichtung durch die Jahr­hunderte herauf erhalten hat, daß es gepflegt worden ist; Und je weiter wir, seit Einsetzung des Abendmahles, in die Jahrhunderte zurückgehen, desto mehr spüren wir, wie die älteren, noch weniger materialistischen Zeiten das Abendmahl auch besser noch verstanden haben. Denn gegenüber den höheren Dingen ist es in der Regel so, daß als Beweis dafür, daß man sie nicht mehr versteht, die Tatsache sich zeigt, daß man über sie zu diskutieren anfängt. Es gibt eben einfach Dinge, bei denen die Sache so liegt, daß man, solange sie verstanden werden, wenig über sie diskutiert, und daß man anfängt zu streiten, wenn man sie nicht mehr versteht; wie überhaupt Dis­kussionen ein Beweis dafür sind, daß die Mehrzahl derer, die über die Sache diskutieren, sie nicht verstehen. So war es auch mit dem Abendmahl. Solange vom Abendmahl gewußt wurde, daß es den lebendigen Beweis dafür bedeutet, daß Materie nicht bloß Materie ist, sondern daß es zeremonielle Handlungen gibt, durch die der Materie der Geist beigefügt werden kann, solange der Mensch wußte, daß diese Durchdringung der Materie mit dem Geist eine Durch­christung ist, wie sie im Abendmahl zum Ausdruck kommt, so lange wurde es hingenommen, ohne daß man sich stritt. Dann aber kam die Zeit, wo der Materialismus schon heraufkam, wo man dann nicht mehr verstand, was dem Abendmahl zugrunde liegt, wo man stritt, ob Brot und Wein bloße Sinnbilder des Göttlichen seien, oder ob da

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wirklich göttliche Kraft hineinfließe; kurz, wo alle die Streitigkeiten kamen, die eben im Beginne der neuen Zeit entstanden, die aber für den, der tiefer sieht, nichts anderes bedeuten, als daß das ursprüng­liche Verständnis für die Sache verlorengegangen war. Das Abend­mahl war für die Menschen, die zu dem Christus hinkommen wollten, ein völliger Ersatz für den esoterischen Weg, wenn sie diesen nicht gehen konnten, so daß sie in dem Abendmahl eine wirkliche Ver­einigung mit dem Christus finden konnten. Aber alle Dinge haben ihre Zeit. Freilich, so wahr es ist, daß in bezug auf das spirituelle Leben ein ganz neues Zeitalter anbricht, so wahr ist es äuch, daß der Weg zum Christus, der für viele Jahrhunderte der richtige wär, es auch für viele Jahrhunderte noch bleiben wird. Die Dinge gehen nach und nach ineinander über, aber das, was früher richtig war, wird sich nach und nach in ein anderes verwandeln, wenn die Menschen dafür reif werden. Und dazu soll die Theosophie wirken: im Geiste selber etwas Konkretes, etwas Reales zu erfassen. Dadurch, daß zum Beispiel durch Meditationen, Konzentrationen und alles, was wir lernen als die Erkenntnisse höherer Welten, die Menschen reif wer­den, in ihrem Innern nicht bloß Gedankenwelten, nicht bloß ab­strakte Gefühis- und Empfindungswelten zu leben, sondern sich in ihrem Innern zu durchdringen mit dem Element des Geistes, dadurch werden sie die Kommunion im Geiste erleben; dadurch werden Gedanken - als meditative Gedanken - im Menschen leben können, die ebendasselbe sein werden, nur von innen heraus, wie es das Zeichen des Abendmahles - das geweihte Brot - von außen ge­wesen ist; Und wie sich der unentwickelte Christ seinen Weg durch das Abendmahl zu dem Christus suchen konnte, so kann der ent­wickelte Christ, der durch die vorgeschrittene Wissenschaft des Geistes die Gestalt des Christus kennen lernt, sich im Geiste zu dem erheben, was ja auch in Zukunft ein exoterischer Weg für die Menschen werden soll. Das wird als die Kraft fließen, die dem Menschen eine Erweiterung des Christus-Impulses bringen soll. Aber dann werden sich auch alle Zeremonien ändern, und was früher durch die Attribute von Brot und Wein geschehen ist, das wird in Zukunft durch ein geistiges Abendmahl geschehen. Der Gedanke jedoch

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des Abendmahles, der Kommunion wird bleiben. Es muß nur einmal die Möglichkeit gegeben werden, daß gewisse Gedanken, die uns zufließen durch die Mitteilungen innerhalb der Bewegung für Geisteswissenschaft, daß gewisse innere Gedanken, innere Fühlungen ebenso weihevoll das Innere durchdringen und durchgeistigen, wie in dem besten Sinne der inneren christlichen Entwickelung das Abendmahl die Menschenseele durchgeistigt und durchchristet hat. Wenn das möglich wird - und es wird möglich - dann sind wir wieder um eine Etappe in der Entwickelung weitergeschritten. Und dadurch wird wieder der reale Beweis geliefert werden, daß das Christentum größer ist als seine äußere Form. Denn der hat eine geringe Meinung über das Christentum, der da glaubt, daß es hin-weggefegt würde, wenn die äußere Form des Christentums einer bestimmten Zeit hinweggefegt wird. Der nur hat die wahre Meinung von dem Christentum, der durchdrungen ist von der Überzeugung, daß alle Kirchen, die den Christus-Gedanken gepflegt haben, alle äußeren Gedanken, alle äußeren Formen zeitlich und daher vorüber­gehend sind, daß aber der Christus-Gedanke sich in immer neuen Formen hereinleben wird in die Herzen und Seelen der Menschen in der Zukunft, so wenig diese neuen Formen sich auch heute schon zeigen. So lehrt uns eigentlich erst die Geisteswissenschaft, wie auf dem exoterischen Wege das Abendmahl seine Bedeutung harte in früheren Zeiten.

Und der andere exoterische Weg war der durch die Evangelien. Und da muß man wieder gewahr werden, was die Evangelien in früheren Zeiten noch für die Menschen waren. Die Zeit liegt gar nicht so weit hinter uns, da las man die Evangelien nicht so wie im neunzehnten Jahrhundert; sondern da las man sie so, daß man sie als einen lebendigen Quell betrachtete, aus dem Substantielles in die Seelen übergeht. Man las sie auch nicht so, wie ich es in der ersten Stunde dieses Zyklus auseinandergesetzt habe bei Besprechung eines falschen Weges, sondern man las sie so, daß man von außen ent­gegenkommen sah, wonach die Seele lechzte; daß sie den realen Erlöser geschildert fand, von dem sie wußte, daß er ganz gewiß da sein muß im Weltenall.

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Für Menschen, die die Evangelien so zu lesen verstanden, waren eigentlich unendlich viele Fragen schon erledigt, die für die gescheiten, für die ganz klugen Leute des neunzehnten Jahrhunderts erst Fragen wurden. Man braucht da nur auf eines hinzuweisen: wie viele Male ist es wiederholt worden bei Besprechung der Christus Jesus-Fragen

- in der einen oder anderen Form - von den ganz klugen Leuten, denen alle Wissenschaftlichkeit und Gelehrsamkeit schon an den Haaren herauswuchs, daß mit der modernen Weltanschauung doch wahrhaftig nicht vereinbar sei der Gedanke an den Christus Jesus und die Ereignisse von Palästina! Da wird in einer scheinbar recht einleuchtenden Weise gesagt: als der Mensch noch nicht wußte, daß die Erde ein ganz kleiner Weltenkörper ist, da konnte er glauben, daß mit dem Kreuz von Golgatha auf der Erde ein neues, besonderes Ereignis geschehen sei. Aber nachdem Kopernikus gelehrt hat, daß die Erde ein Planet ist wie andere, konnte man da noch annehmen, daß Christus von einem anderen Planeten zu uns gewandert ist? Warum sollte man annehmen, daß die Erde eine solche Ausnahme-stellung habe, wie man geglaubt hatte?! Und dann wurde das Bild gebraucht: seitdem sich die Weltanschauung so erweitert hat, erschien es so, wie wenn eine der wichtigsten Aufführungen oder Darstel­lungen künstlerischer Art, nicht auf einer großen Bühne einer Haupt­stadt stattfände, sondern auf der kleinen Bühne irgendeines Provinz-theaters. So erschienen den Leuten die Ereignisse von Palästina -weil die Erde ein so winzig kleiner Weltenkörper ist - wie die Aufführung eines großen weltgeschichtlichen Dramas auf der Bühne eines kleinen Provinztheaters. Und das könnte man sich doch nim­mermehr denken, weil eben die Erde so klein ist gegenüber der großen Welt! Es schaut so gescheit aus, wenn so etwas gesagt wird; es ist aber nicht viel Gescheitheit da drinnen. Denn es hat ja niemals das Christentum das behauptet, was hier scheinbar widerlegt wird. Das Christentum hat nicht einmal in die glanzvollen Stätten des Erdendaseins das Aufgehen des Christus-Impulses verlegt, sondern immer ist ein gewisser großer Ernst darin gesehen worden, im Stall bei armen Hirten den Träger des Christus geboren werden zu lassen. Nicht nur die kleine Erde, sondern die Stätte, die eben ganz verborgen

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auf der Erde ist, hatte man in der christlichen Tradition ausge­sucht, um den Christus da hineinzuversetzen. Die Fragen der ganz ge­scheiten Leute sind im Christentum schon ursprünglich beantwortet gewesen; man hat nur die Antworten, die das Christentum selber ge­geben hat, nicht verstanden, weil man nicht mehr die lebendige Kraft der großen majestätischen Bilder auf die Seele wirken lassen konnte.

Dennoch hätte in den Evangelienbildern allein, ohne das Abend­mahl und was damit zusammenhängt - denn das steht in der Mitte der ganzen christlichen und anderen Kulte -, der exoterische Weg der Menschen zu dem Christus nicht gefunden werden können; denn die Evangelien hätten in dem Grade nicht populär werden können, wenn einzig und allein durch sie der Weg zu dem Christus hätte populär werden müssen. Und als dann die Evangelien populär wur­den, zeigte es sich, daß das gar nicht so sehr zum innerlichen Segen gereichte. Denn mit der Popularisierung der Evangelien entstand auch zugleich das große Mißverständnis: das Trivialnehmen und dann all das, was das neunzehnte Jahrhundert aus den Evangelien gemacht hat, was ja, rein objektiv sei es gesagt, schlimm genug ist, daß es geschehen ist; Ich denke, Anthroposophen könnten es verstehen, was es heißt, wenn man sagt: «schlimm genug»; daß man damit nicht eine Kritik meint und auch nicht den Fleiß verkennt, den bei den wissenschaftlichen, einschließlich aller naturwissenschaftlichen Arbei­ten die Forschung des neunzehnten Jahrhunderts aufgebracht hat. Aber das ist ja gerade das Tragische, daß diese Wissenschaft - und wer sie kennt, wird das zugeben - gerade wegen ihres tiefen Ernstes und ihres ungeheuer hingebungsvollen Fleißes, die man nur bewun­dern kann, zu einem vollständigen Zersplittern und Vernichten dessen geführt hat, was sie hat lehren wollen. Und die künftige Entwicke­lung der Menschheit wird dies als ein besonders tragisches Kultur-ereignis unseres Zeitalters empfinden, daß man hat wissenschaftlich die Bibel erobern wollen durch eine unendlich bewundernswürdige Wissenschaft, und daß dies dazu geführt hat, daß man die Bibel verloren hat.

So sehen wir, daß wir nach diesen beiden Richtungen in bezug auf das Exoterische in einem Übergangszeitalter leben, und daß wir die

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alten Wege - sofern wir den Geist der Theosophie ergriffen haben

- in andere hinüberleiten müssen; Und nachdem wir so die ver­flossenen exoterischen Wege zu dem Christus-Impuls betrachtet haben, werden wir morgen sehen, wie sich das Verhältnis zu dem Christus im esoterischen Gebiete gestaltet - und werden den Abschluß un­serer Betrachtungen herbeiführen, der darin bestehen soll, daß wir das Christus-Ereignis zu erfassen in die Lage kommen, nicht nur für die ganze Menschheitsentwickelung, sondern für jeden einzelnen Menschen. Mit dieser Betrachtung wollen wir unseren Weg, der in diesem Zyklus eingeschlagen werden sollte, zu Ende führen; Wir werden den esoterischen Weg kürzer betrachten können, weil wir die Bausteine dazu in den verflossenen Jahren schon herbeigetragen haben. Und so werden wir die Krönung unseres Gebäudes dadurch herbeiführen, indem wir das Verhältnis des Christus-Impulses zu einer jeden einzelnen Menschenseele ins Auge fassen.

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ZEHNTER VORTRAG Karlsruhe, 14. Oktober 1911

Gestern haben wir versucht, den Weg zu charakterisieren, der heute noch gegangen werden kann und der namentlich in früheren Zeiten von dem exoterischen Bewußtsein des Menschen aus zu dem Christus gegangen werden konnte. Wir wollen nun auch den esote­rischen Weg mit einigen Worten berühren, das heißt, den Weg, der so zu dem Christus führen kann, daß der Christus innerhalb der übersinnlichen Welten gefunden wird.

Zunächst soll bemerkt werden, daß dieser esoterische Weg zu dem Christus Jesus im Grunde genonimen auch der Weg der Evangelisten war, derjenigen, welche die Evangelien geschrieben haben. Denn trotzdem der Schreiber des Johannes-Evangeliums einen großen Teil dessen, was in seinem Evangelium dargestellt ist - wie Sie aus der Darstellung des Johannes-Evangeliums in dem entsprechenden Zyklus ersehen können - selbst gesehen hat, so müssen wir doch auch von ihm sagen, daß es nicht die Hauptsache für ihn war, bloß dasjenige darzustellen, woran er sich erinnerte; denn das gab eigentlich nur jene kleinen, genauen Züge, von denen wir ja gerade, wie wir ge­sehen haben, im Johannes-Evangelium überrascht sind. Aber die großen, die majestätisch überragenden Züge des Erlöserwerkes, des Mysteriums von Golgatha, hat auch dieser Evangelienschreiber seinem heilsehenden Bewußtsein entnommen. Daher können wir sagen: eben­so wie die Evangelien eigentlich aufgefrischte Einweihungsritualien sind - das geht auch aus dem Buche «Das Christentum als mystische Tatsache» hervor - so sind sie auf der anderen Seite gerade deshalb so geworden, weil die Evangelienschreiber auf ihrem esoterischen Wege sich aus der übersinnlichen Welt ein Bild dessen verschaffen konnten, was in Palästina vorgegangen ist und zu dem Mysterium von Golgatha geführt hat. Wer nun, seit dem Mysterium von Gol­gatha bis in unsere Tage herein, zu einer übersinnlichen Erfahrung von dem Christus-Ereignis kommen wollte, mußte dasjenige auf sich wirken lassen, was Sie in den entsprechenden Vortragszyklen, die

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jetzt eigentlich schon zu dem Elementaren unserer geisteswissenschaft­lichen Arbeit gehören, geschildert finden als die sieben Stufen unserer christlichen Einweihung: Fußwaschung, Geißelung, Dornenkrönung, mystischer Tod, Grablegung, Auferstehung und Himmelfahrt; Heute wollen wir uns einmal klarmachen, was der Schüler erreichen kann, wenn er diese christliche Einweihung auf sich wirken läßt.

Machen wir uns den Prozeß der christlichen Einweihung klar; sehen wir gleich auf das allererste, um was es sich da handelt. Es wird nicht so gemacht - wie Sie sich überzeugen können, wenn Sie die entsprechenden Zyklen durchnehmen - wie in jener nicht rich­tigen Einweihung, von der in dem ersten Vortrage dieses Zyklus gesprochen worden ist; sondern so, daß zunächst die allgemein menschlichen Gefühle wirken sollen, die dann zur Imagination der Fufiwaschung selber führen. Nicht also wird zuerst das Bild des Johannes-Evangeliums imaginiert, sondern es wird von dem, der die christliche Einweihung anstrebt, zunächst versucht, mit gewissen Ge­fühlen und Empfindungen eine längere Zeit zu leben. Ich habe es oft dadurch charakterisiert, daß ich sagte, der Betreffende sollte hin­schauen auf die Pflanze, die sich erhebt aus dem mineralischen Boden, die aufnimmt die Stoffe des Mineralreiches und sich dennoch erhebt über dieses Mineralreich als ein höheres Wesen, als es das Mineral ist. Wenn nun diese Pflanze sprechen und fühlen könnte, so müßte sie sich herunterneigen zu dem Mineraireich und sagen: Zwar bin ich bestimmt worden innerhalb der Weltengesetzlichkeit zu einer höheren Stufe als du, Mineral, aber du gibst mir die Möglichkeit des Daseins. Du bist zwar in der Ordnung der Wesen zunächst ein niedrigeres Wesen als ich, aber ich verdanke dir niedrigerem Wesen mein Dasein, und ich neige mich in Demut vor dir. - In derselben Weise müßte sich das Tier herunterneigen zur Pflanze, trotzdem diese ein nie­drigeres Wesen ist als das Tier und müßte sagen: Dir ver­danke ich mein Dasein; ich erkenne es in Demut an und neige mich vor dir. - Und so müßte jedes Wesen, das hinaufsteigt, sich her­unterneigen zu den anderen, unter ihm stehenden; und auch wer auf einer geistigen Stufenleiter hinaufgestiegen ist zu einer höheren Stufe, müßte sich herunterneigen zu den Wesen, die ihm das allein möglich

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gemacht haben. Wer sich nun ganz durchdringt mit dem Gefühl der Demut gegenüber dem Niedrigeren, wer dieses Gefühl ganz und gar einverleibt in seine Wesenheit und es monatelang, ja vielleicht Jahre hindurch in seiner Wesenheit leben läßt, der wird sehen, daß es sich ausbreitet in seiner Organisation und ihn so durchzieht, daß er die Verwandelung dieses Gefühls zu einer Imagination erlebt. Und diese Imagination besteht genau in der Szene, die im Johannes-Evangelium geschildert ist als die Fußwaschung, da der Christus Jesus, der das Haupt der Zwölf ist, sich herunterneigt zu denen, die unter ihm stehen in der Ordnung der physischen Welt hier, und in Demut anerkennt, daß er die Möglichkeit des Aufstieges denjenigen ver­dankt, die unter ihm sind, und anerkennt vor den Zwölfen: Wie das Tier der Pflanze, so verdanke ich euch, was ich werden konnte in der physischen Welt. - Wer sich mit dieser Empfindung durchdringt, kommt nun wieder nicht nur zu jener Imagination der Fußwaschung, sondern auch zu einem ganz bestimmten Gefühl, zu dem Gefühl, wie wenn Wasser seine Fuße umspulen wurde . Das kann der Betreffende wochenlang dann fuhlen, und das wäre ein äußeres Zeichen dafur, wie tief sich in unser Wesen eine solche allgemein menschliche und doch den Menschen über sich selbst hinaushebende Empfindungswelt einprägt.

Weiter haben wir gesehen, daß man durchmachen kann, was zur Imagination der Geißelung führt, wenn wir uns recht lebendig vor­stellen: Es werden mich noch viele Leiden und Schmerzen in der Welt treffen; ja, von allen Seiten können die Leiden und Schmerzen kommen; keinem bleiben sie im Grunde genommen erspart. Ich aber will meinen Willen so stählen, daß von allen Seiten die Leiden und Schmerzen, die Geißelschiäge, die von der Welt kommen, auf mich eindringen mögen; ich will aufrechtstehen und mein Schicksal er­tragen, wie es sich ergeben wird; denn hätte es sich bisher nicht so ergeben, wie ich es durchlebt habe, so häue ich mich nicht so zu der Höhe entwickeln können, zu der ich gekommen bin. - Wenn der Betreffende dies zu seiner Empfindung macht und damit lebt, dann fühlt er tatsächlich etwas wie Stiche und Verwundungen, wie Geißel-schläge gegen die eigene Haut, und die Imagination tritt auf: wie

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wenn der Betreffende außer sich wäre und sich selbst nach dem Vorbilde des Christus Jesus gegeißeit sähe. So kann man nach diesem Vorbilde die Dornenkrönung, den mystischen Tod und so weiter erleben. Das ist öfter geschildert worden.

Was wird von demjenigen erreicht, der so in sich selber versucht, zunächst die vier Stufen und, wenn das Karma günstig ist, auch die übrigen, also alle sieben Stufen der christlichen Einweihung zu er-leben? Aus den entsprechenden Schilderungen selbst können Sie es entnehmen, daß die ganze Stufenleiter der Empfindungen, die wir da durchmachen, auf der einen Seite uns stärken und kräftigen sollen und uns zu einer ganz anderen Natur machen sollen, so daß wir fühlen, daß wir stark, kräftig und frei dastehen in der Welt, aber auch fähig sind zu einer jeden Tat hingebungsvoller Liebe; Aber das soll in einem tiefen Sinne uns zur anderen Natur werden in der christlichen Einweihung. Denn was soll da geschehen?

Vielleicht ist es noch nicht allen von Ihnen, welche die früheren elementaren Zyklen gelesen haben und dadurch der christlichen Einweihung mit ihren sieben Stufen begegnet sind, aufgegangen, daß durch die Intensität der Empfindungen, welche dabei durchgemacht werden sollen, wirklich hineingewirkt wird bis in die physischen Leiber; Denn durch die Stärke und die Gewalt, mit der wir diese Empfindungen durchmachen, spüren wir, wie wenn Wasser zunächst unsere Füße umspülte, wie wenn Wunden uns versetzt würden, spüren wirklich so etwas, wie wenn die Dornen in unser Haupt hineingestoßen würden, spüren wirklich alle Schmerzen und Leiden der Kreuzigung. Wir müssen das spüren, bevor wir die Erlebnisse des mystischen Todes, der Grablegung und der Auferstehung spüren können, wie sie ja auch geschildert worden sind. Wenn man nicht genügend intensiv diese Empfindungen durchmacht, haben sie freilich auch die Wirkung, daß wir kräftig und liebevoll werden im rechten Sinne des Wortes, aber was uns da einverleibt wird, das kann nur bis zum Ätherleibe gehen; Wenn wir aber anfangen, es bis in unseren physischen Leib zu spüren - die Füße wie von Wasser umspült, den Leib wie von Wunden bedeckt -, dann haben wir diese Empfin­dungen stärker in unsere Natur hineingetrieben und haben erreicht,

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daß sie vorgedrungen sind bis zum physischen Leib; Sie dringen ja auch wirklich bis zum physischen Leib vor; denn es kommen die Stigmata die von Blut durchtränkten Stellen der Wundmale des Christus Jesus hervor; das heißt also: bis in den physischen Leib treiben wir die Empfindungen hinein und wissen, daß selbst bis in den physischen Leib die Empfindungen ihre Stärke entfalten, wissen also, daß wir uns von unserer Wesenheit mehr ergriffen fühlen als etwa bloß Astralleib und Ätherleib. Es ist also im wesentlichen so zu charakterisieren, daß wir durch einen solchen Vorgang mystischer Empfindungen bis in unseren physischen Leib hinein wirken. Wenn wir das tun, machen wir nichts Geringeres, als daß wir uns bereit machen in unserem physischen Leibe das Phantom nach und nach zu empfangen das ausgeht von dem Grabe auf Golgatha. Wir arbeiten deshalb in ,unseren physischen Leib hinein, um denselben so lebendig zu machen, daß er eine Verwandtschaft, eine Anziehungskraft fühlt zu dem Phantom, das sich auf Golgatha aus dem Grabe erhoben hat.

Ich möchte dazu eine Zwischenbemerkung machen. Man muß sich tatsächlich in der Geisteswissenschaft daran gewöhnen, daß man nach und nach mit den Weltengeheimnissen und Weltenwahrheiten bekannt gemacht wird. Und wer sich nicht Zeit lassen will in dem Sinne, wie es im Laufe dieser Vorträge charakterisiert worden ist, daß wir warten sollen auf die entsprechenden Wahrheiten, der wird nicht gut vorwärtskommen. Freilich möchten die Menschen alles Geistes-wissenschaftliche auf einmal, am liebsten in einem Buche oder in einem Zyklus haben. Aber es geht nicht so. Und hier haben Sie ein Beispiel daß es nicht so geht. Wie lange ist es her, daß in einem älteren ,Vortragszyklus zum ersten Male die christliche Einweihung geschildert worden ist, daß gezeigt worden ist: soundso verläuft sie, und der Mensch arbeitet tatsächlich durch die Empfindungen, welche in seiner Seele wirken, bis hinein in seinen physischen Leib. Heute zum ersten Male ist es möglich, weil alles, was in den vorangegangenen Zyklen gesagt worden ist, Elemente waren zum Verständnisse des Mysteriums von Golgatha, daß wir darüber sprechen können, wie sich der Mensch durch die entsprechenden Gefühlserlebnisse der christlichen Einweihung reif macht, um das Phantom zu empfangen,

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das aus dem Grabe von Golgatha auferstanden ist; Es mußte so lange gewartet werden, bis der Zusammenschluß des Subjektiven mit dem Objektiven gefunden werden konnte, wozu eben viele Vorträge vorangehen mußten. So kann manches auch heute nur als die halbe Wahrheit angedeutet werden. Wer Geduld hat, um mit uns zu gehen, sei es in dieser oder in einer anderen Inkarnation, je nach seinem Karma, wer gesehen hat, wie aufgestiegen werden konnte von der Beschreibung des mystischen Weges im christlichen Sinne bis zur Beschreibung der objektiven Tatsache dessen, was eigentlich der Sinn dieser christlichen Einweihung ist, der wird auch sehen, daß noch viel höhere Wahrheiten aus der Geisteswissenschaft heraus im Ver­laufe der nächsten Jahre oder des nächsten Weltalters werden zutage gefördert werden.

So sehen wir den Zweck und das Ziel der christlichen Einweihung. Durch das, was als rosenkreuzerische Einweihung charakterisiert wor­den ist, und durch das, was überhaupt heute ein Mensch als Einwei­hung haben kann, wird nun auch in einer gewissen Weise, nur mit etwas anderen Mitteln, dasselbe erlangt: daß ein Anziehungsband geschaffen wird zwischen dem Menschen, insofern er in einem physischen Leibe verkörpert ist, und dem, was als das eigentliche Urbild des physischen Leibes auferstanden ist aus dem Grabe von Golgatha. Nun aber wissen wir aus dem Beginne dieses Vortragszyklus, daß wir an dem Ausgangs-punkte einer Weltepoche stehen, in welcher ein Ereignis erwartet wer­den muß, das sich nun nicht abspielt wie das Ereignis von Golgatha auf dem physischen Plan, sondern das sich in der höheren Welt, in der übersinnlichen Welt abspielen wird, das aber in einem genauen und richtigen Zusammenhange steht mit dem Ereignis von Golgatha. Während das letztere dazu bestimmt war, den eigentlichen physischen Kräfteleib des Menschen, das Phantom, das seit Beginn der Erd­entwickelung degeneriert ist, dem Menschen wiederzugeben, wozu eben im Beginne unserer Zeitrechnung eine Reihe von Ereignissen notwendig waren, die sich wirklich auf dem physischen Plane ab­gespielt haben, so ist zu dem, was jetzt geschehen muß, nicht ein Ereignis auf dem physischen Plan notwendig. Eine Inkarnation der Christus-Wesenheit in einem fleischlichen menschlichen Leib konnte

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nur einmal im Laufe der Erdentwickelung geschehen. Und es heißt einfach, das Christus-Wesen nicht verstehen, wenn man eine Wieder­holung der Inkarnation dieser Wesenheit behaupten kann. Das aber, was eintritt und einer übersinnlichen Welt angehört, nur in einer übersinnlichen Welt beobachtet werden kann, das wurde mit den Worten charaktersiert Der Christus wird der Herr des Karma für die Menschen. Das heißt: die Ordnung der karmischen Angelegen heiten wird in der Zukunft geschehen durch den Christus, immer mehr und mehr werden die Menschen der Zukunft empfinden Ich gehe durch die Pforte des Todes mit meinem karmischen Konto. Auf der einen Seite stehen meine guten gescheiten und schonen Taten, meine gescheiten schonen guten und verstandigen Gedanken auf der anderen Seite steht alles Bose, Schlechte, Dumme, Törichte und Häßliche Der aber der in der Zukunft fur die Inkarnationen die nun folgen werden in der menschheitlichen Entwickelung das Rich teramt haben wird um Ordnung in dieses karmische Konto der Menschen hineinzubringen, das ist der Christus! Und zwar haben wir uns das in folgender Weise vorzustellen:

Nachdem wir durch die Pforte des Todes gegangen sind, werden wir in einer späteren Zeit wieder inkarniert Es müssen nun für uns Ereignisse eintreten durch die unser Karma ausgeglichen wer en kann; denn jeder Me nsch muß ernten, was er gesät hat. Karma bleibt ein gerechtes Gesetz. Aber was das karmische Gesetz erfüllen soll, ist nicht nur für den einzelnen Menschen da. Karma gleicht nicht nur die Egoismen aus, sondern es soll der Ausgleich bei jedem Menschen so geschehen daß sich die karmische Ausgleichung in der bestmög­lichen Weise ,in die allgemeinen Weltangelegenheiten hineinfügt. Wir müssen unser Karma so ausgleichen, daß wir in der bestmöglichen Weise den Fortschritt des ganzen Menschengeschlechtes auf der Erde fördern können. Dazu brauchen wir eine Erleuchtung; dazu bedarf es nicht nur des allgemeinen Wissens, daß für unsere Taten die kar­mische Erfüllung eintreten muß, weil für eine Tat diese oder jene karmische Erfüllung eintreten könnte, die ein Ausgleich. sein kann. Weil aber die eine nützlicher, die andere weniger nützlich sein könnte für den allgemeinen Fortschritt der Menschheit, so sollen diejenigen

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Gedanken, Gefühle oder Empfindungen gewählt werden, die unser Karma abtragen und zugleich dem Gesamtfortschritte der Menschheit nützlich werden. Einzureihen unseren karmischen Ausgleich dem allgemeinen Erdenkarma, dem allgemeinen Fortschritt der Mensch­heit, das fällt in Zukunft dem Christus zu. Und es geschieht im wesentlichen in der Zeit, in welcher wir zwischen dem Tode und einer neuen Geburt leben; aber es wird sich auch in der Zeitepoche, der wir entgegengehen, vor deren Toren wir stehen, so vorbereiten, daß in der Tat die Menschen immer mehr die Fähigkeit erlangen werden, ein bestimmtes Erlebnis zu haben. Heute haben es höchst wenige Menschen. Aber immer mehr und mehr Menschen werden von der jetzigen Zeit, von der Mitte dieses Jahrhunderts an durch die nächsten Jahrtausende folgendes Erlebnis haben:

Der Mensch wird dieses oder jenes getan haben. Er wird sich besinnen, wird aufschauen müssen von dem, was er da getan hat -und es wird etwas wie eine Art Traumbild vor dem Menschen er­stehen. Das wird einen ganz merkwürdigen Eindruck auf den Menschen machen. Er wird sich sagen: Ich kann mich nicht besinnen, daß es eine Erinnerung wäre an etwas, was ich getan habe; dennoch aber ist es so, wie wenn es mein Erlebnis wäre. - Wie ein Traumbild wird es dastehen vor dem Menschen, ihn recht angehend, aber er kann sich nicht erinnern, daß er es in der Vergangenheit erlebt oder getan hat. Dann wird nun der Mensch entweder Anthroposoph sein und die Sache verstehen, oder er wird warten müssen, bis er an die Anthroposophie herankommt und es verstehen lernt. Der Anthro­posoph aber wird wissen: Was du da siehst wie eine Folge deiner Taten, das ist ein Bild, das sich in der Zukunft mit dir vollziehen wird; vorauserscheint dir der Ausgleich deiner Taten! - Die Epoche fängt an, in welcher die Menschen in dem Augenblick, wo sie eine Tat getan haben, eine Ahnung, vielleicht sogar ein deutliches Bild, eine Empfindung haben werden, wie der karmische Ausgleich dieser Tat sein wird.

So in engster Verbindung mit den menschlichen Erlebnissen werden erhöhte Fähigkeiten in der folgenden Epoche der Menschheit auf­treten. Das werden gewaltige Antriebe zur Moralität des Menschen

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sein, und diese Antriebe werden noch etwas ganz anderes bedeuten als das, was die Vorbereitung zu diesen Antrieben gewesen ist: die Stimme des Gewissens. Der Mensch wird nicht mehr glauben: Was du getan hast, das ist etwas, was mit dir sterben kann - sondern er wird ganz genau wissen: Die Tat wird nicht mit dir sterben; sie wird als Tat eine Folge haben, die mit dir weiterleben wird. - Und manches andere wird der Mensch wissen. Die Zeit, in welcher für die Menschen die Tore zu der geistigen Welt abgeschlossen waren, nähert sich ihrem Ablauf. Die Menschen müssen wieder hinaufsteigen zur geistigen Welt. Die Fähigkeiten werden so erwachen, daß die Men­schen Teilnehmer der geistigen Welt sein werden. Hellsehen wird noch immer etwas anderes sein als diese Teilnehmerschaft. Aber wie es ein altes Hellsehen gegeben hat, das traumhaft war, so wird es ein zukünifiges Hellsehen geben, das nicht traumhaft ist, und wo die Menschen wissen werden, was sie getan haben, und was es bedeutet.

Aber noch etwas anderes wird eintreten. Die Menschen werden wissen: Ich bin nicht allein; überall leben geistige Wesenheiten, die in Beziehung stehen mit mir. - Und der Mensch wird lernen, einen Verkehr zu haben mit diesen Wesenheiten, mit ihnen zu leben. Und in den nächsten drei Jahrtausenden wird einer genügend großen Anzahl von Menschen das als eine Wahrheit erscheinen, was wir nennen können: das karmische Richteramt des Christus. Den Christus selbst werden die Menschen als eine ätherische Gestalt erleben. Und sie werden ihn so erleben, daß sie dann, wie Paulus vor Damaskus, ganz genau wissen, daß der Christus lebt und der Quell ist für die Wiedererweckung desjenigen physischen Urbildes, das wir mitbe­kommen haben im Beginne unserer Erdentwickelung, und das wir brauchen, wenn das Ich seine völlige Entfaltung erlangen soll.

Wenn auf der einen Seite mit dem Mysterium von Golgatha etwas eingetreten ist, was der menschlichen Erdentwickelung den größten Anstoß gegeben hat, so fällt auf der anderen Seite dieses Mysterium von Golgatha doch wieder in jene Zeit der Menschheitsentwickelung hinein, in welcher sozusagen das menschliche Gemüt, die menschliche Seele am meisten verfinstert war. Es hat allerdings alte Zeiten der Menschheitsentwickelung gegeben, in welchen die Menschen ganz

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gewiß wissen konnten, weil sie eine Rückerinnerung hatten, daß die menschliche Individualität durch wiederholte Erdenleben geht. Im Evangelium erscheint uns nur, wenn wir es verstehen, wenn wir sie spüren, die Lehre von den wiederholten Erdenleben, weil die Men­schen damals in der Zeit waren, wo sie am wenigsten imstande waren, diese Lehre zu verstehen. Dann folgten die Zeiten herauf bis in die Gegenwart. In den Zeiten, als die Menschen zunächst den Christus auf dem Wege suchten, wie es gestern angedeutet worden ist, mußte alles wie eine kindliche Vorbereitung geschehen. Daher konnte die Menschheit nicht bekannt gemacht werden mit dem, was sie nur hätte beirren können, wozu sie noch nicht reif war: mit den Erfah­rungen über die wiederholten Erdenleben. So sehen wir das Christen­tum fast zwei Jahrtausende sich entwickeln, ohne daß hingewiesen werden konnte auf die Lehre von der Wiederverkörperung. Und wir haben in diesen Vorträgen dargestellt, wie anders als es im Buddhis­mus der Fall war, wie selbstverständlich aus dem abendländischen Bewußtsein heraus der Gedanke der wiederholten Erdenleben auf-taucht. Zwar so, daß noch viele Mißverständnisse walten. Aber selbst wenn wir diese Idee bei Lessing oder bei dem Psychologen Droßbach nehmen, so werden wir doch gewahr, daß für das europäische Be­wußtsein die Lehre von den wiederholten Erdenleben eine Ange­legenheit der ganzen Menschheit ist, während im Buddhismus der Mensch sie nur als die innere Angelegenheit seines Lebens betrachtet, wie er von Leben zu Leben geht und sich befreien kann von dem Durst nach Dasein. Während der Orientale das, was ihm als Lehre von den wiederholten Erdenleben gegeben wird, zu einer Wahrheit der individuellen Erlösung macht, war für Lessing zum Beispiel das Wesentliche: Wie kann die ganze Menschheit vorwärts kommen? Und er sagte sich: Innerhalb der zeitlichen Vorwärtsentwickelung der Menschheit müssen wir aufeinanderfolgende Zeiträume unterscheiden. In jeder einzelnen Epoche wird der Menschheit Neues gegeben. Wenn wir die Geschichte verfolgen, sehen wir, wie immer neue Kulturtaten eintreten in den Gang der Menschheitsentwickelung. Wie könnte man von einer Entwickelung der ganzen Menschheit sprechen, sagt Lessing, wenn eine Seele nur in der einen oder nur in der anderen dieser

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Epochen leben könnte? Woher könnten aber die Früchte der Kultur kommen, wenn nicht die Menschen wiedergeboren wurden und das, was sie in der einen Epoche gelernt haben, hinübertragen würden in die nächste dann wiederum in die folgende und so fort?

So wird für Lessing die Idee der wiederholten Erdenleben eine Angelegenheit der ganzen Menschheit. Er macht sie nicht nur zu einer Angelegenheit der einzelnen Seele, sondern zu einer Angelegenheit des ganzen Kulturlaufes der Erde. Und damit die vorgeschrittene Kul­tur entsteht, muß die Seele, die im neunzehnten Jahrhundert lebt, herübertragen in ihr jetziges Dasein das, was sie sich fruher erworben hat. Um der Erde und ihrer Kultur willen müssen die Menschen wiedergeboren werden! Das ist Lessings Gedanke.

Da taucht der Gedanke der Wiederverkörperung auf als et­was, was eine Menschheitsangelegenheit ist. Da hat aber auch schon der Christus-Impuls gewirkt. Da ist er hineingeworfen worden. Denn eine Menschheitsangelegenheit machte der Christus-Impuls aus allem, was der Mensch tut oder tun kann; nicht eine Angelegenheit, die uns nur individuell berührt. Nur der kann ja sein Jünger sein, der da sagt: Ich tue es dem geringsten der Brüder, weil ich weiß, Du emp­findest es selber so, wie wenn ich es Dir getan hätte! - Wie mit dem Christus die ganze Menschheit verbunden ist, so fühlt sich der, welcher sich zu dem Christus bekennt, der ganzen Menschheit an­gehörig Dieser Gedanke hat hineingewirkt in das Denken und Fühlen und Empfinden der ganzen Menschheit. Und als die Idee der Wiederverkörperung im achtzehnten Jahrhundert wieder auftritt, da tritt sie als ein christlicher Gedanke auf. Und wenn wir sehen, wie zum Beispiel Widenmann die Wiederverkörperung behandelt, obwohl er sie embryonal stümperhaft behandelt, so müssen wir doch sagen, daß in seiner ge'rönten Preisschrift aus dem Jahre 1851 sein Gedanke der Wiederverkörperung durchdrungen ist von dem christlichen Im­puls; und ein besonderes Kapitel gibt es in dieser Schrift, wo die Auseinandersetzung stattfindet zwischen dem Christentum und der Wiederverkörperungslehre. Das aber war notwendig in der Mensch­heitsentwickelung, daß erst die anderen christlichen Impulse von den Seelen aufgenommen wurden, damit der Wiederverkörperungsgedanke

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in einer reifen Form in unser Bewußtsein eintreten kann. Und dieser Wiederverkörperungsgedanke wird tatsächlich so mit dem Christentum sich verbinden, daß man es empfinden wird wie etwas, was sich durch die einzelnen Inkarnationen hindurchzieht; daß man verstehen wird, wie die Individualität, die sich für eine buddhistische Anschauung vollständig verliert - wie wir gesehen haben aus dem Gespräche des Königs Milinda mit dem Weisen Nagasena -, erst dadurch ihren rechten Inhalt erhält, daß sie sich durchchristet. Und jetzt können wir verstehen: warum verliert die buddhistische An­schauung ein halbes Jahrtausend vor dem Erscheinen des Christus das menschliche Ich, während sie beibehält die aufeinanderfolgenden Inkarnationen? Weil der Christus-Impuls noch nicht geschehen ist, der erst hineinfüllt, was immer mehr und mehr bewußt von einer Inkarnation zur anderen gehen kann! Jetzt ist aber die Zeit gekom­men, in welcher für die menschliche Organisation die Notwendigkeit eintritt, den Wiederverkörperungsgedanken aufzunehmen, zu verste­hen, sich mit ihm zu durchdringen. Denn der Fortschritt der mensch­heitlichen Entwickelung hängt nicht davon ab, welche Lehren verbrei­tet werden, welche Lehren neu Platz greifen; sondern da kommen noch andere Gesetze in Betracht, die gar nicht von uns abhängen.

Gewisse Kräfte werden in der Menschennatur entwickelt werden gegen die Zukunft hin, die so wirken, daß der Mensch, sobald er nur ein gewisses Lebensalter erreicht hat und seiner selbst recht bewußt wird, in sich die Empfindung haben wird: Da ist etwas in mir, was ich verstehen muß. - Das wird die Menschen immer mehr und mehr ergreifen. In den verflossenen Zeiten, auch wenn sich die Menschen noch so sehr bewußt wurden, war dieses Bewußtsein, das jetzt kom­men wird, nicht vorhanden. Es wird etwa so sich äußern: Da fühle ich etwas in mir, das hängt zusammen mit meinem eigentlichen Ich. Merkwürdig, es will aber nicht hereinpassen in alles, was ich wissen kann seit meiner jetzigen Geburt! - Dann wird man das, was da wirkt, verstehen können oder wird es nicht verstehen. Verstehen wird man es können, wenn man die Lehren der anthroposophisch orien­tierten Geisteswissenschaft zu seinem Lebensinhalt gemacht hat. Man wird dann wissen: Was ich fühle, das fühle ich jetzt deshalb fremd,

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weil es das Ich ist, das aus früheren Leben herübergekommen ist. -Beklemmend, Furcht und Angst erzeugend wird diese Empfindung sein für diejenigen Menschen, welche sie sich nicht aus den wieder­holten Erdenleben heraus erklären können. Dagegen lösen werden sich diese Gefühle, die jetzt nicht theoretische Zweifel, sondern Le­bensbeklemmungen, Lebenszusammenschnürungen sein werden, durch jene Empfindungen, die uns aus der Geisterkenntnis gegeben werden können und die uns besagen, Du mußt dein Leben ausgedehnt denken über frühere Erdenleben hin. - Da werden die Menschen schon sehen, was es für sie bedeuten wird, den Zusammenhang zu empfin­den mit dem Christus-Impuls. Denn der Christus-Impuls wird es sein, der beleben wird den ganzen Blick nach rückwärts, die ganze Perspektive nach rückwärts. Man wird empfinden: da war diese Inkarnation, da jene. Dann wird eine Zeit kommen, über die wird man nicht hinüberkönnen, ohne daß man sich klar wird: Da war der Christus-Impuls auf der Erde! Und weiter werden die Inkarnationen folgen, wo das Christus-Ereignis noch nicht da war. Diese Aufhellung des Blickes nach rückwärts durch den Christus-Impuls werden die Menschen brauchen zur Zuversicht in die Zukunft, als eine Not­wendigkeit und eine Hilfe, die sich hineingießen kann in die fol­genden Inkarnationen.

Diese Umänderung der menschlichen Seelenorganisation wird kom­men. Und sie wird ausgehen von dem Ereignis, das im zwanzigsten Jahrhundert beginnt, und das wir nennen können eine Art von zweitem Christus-Ereignis, so daß jemgen Menschen, denen die höheren Fähigkeiten erwachten, den Herrn des Karma schauen werden. Die Menschen aber, die dies erleben werden, werden es nicht bloß in der physischen Welt erleben. Es könnte mancher von ihnen sagen, daß dann, wenn gerade die Hauptsache im Christus-Ereignis des zwanzigsten Jahrhunderts sich abspielen wird, viele von den jetzt Lebenden zu den Entschlafenen gehören werden und in der Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt sein werden. Aber ob eine Seele in einem physischen Körper oder in der Zeit zwischen Tod und neuer Geburt leben wird: wenn sie sich vorbereitet haben wird auf das Christus-Ereignis, wird sie das Christus-Ereignis erleben.

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Nicht das Schauen des Christus-Ereignisses hängt davon ab, ob wir in einem physischen Leibe verkörpert sind, wohl aber die Vorberei­tung dazu. Gerade so wie es notwendig war, daß das erste Christus­Ereignis auf dem physischen Plan sich abgespielt hat, damit es dem Menschen zum Heile gereichen konnte, so muß die Vorbereitung, um das Christus-Ereignis des zwanzigsten Jahrhunderts zu schauen, um es verständnisvoll, lichtvoll zu schauen, hier in der physischen Welt gemacht werden. Denn der Mensch, der es unvorbereitet schaut, wenn seine Kräfte erwacht sind, wird es nicht verstehen können. Da wird ihm der Herr des Karma erscheinen wie eine furchtbare Strafe. Um dieses Ereignis lichtvoll zu verstehen, muß der Mensch vorbereitet sein. Dazu aber geschieht die Ausbreitung der anthroposophischen Weltanschauung in unserer Zeit, daß der Mensch vorbereitet sein kann auf dem physischen Plan, um entweder auf dem physischen Plan oder auf höheren Planen das Christus-Ereignis wahrnehmen zu können. Die Menschen, die nicht genug vorbereitet sind auf dem physischen Plan und dann unvorbereitet das Leben zwischen Tod und neuer Geburt durchieben, müssen warten, bis sie in einer nächsten Inkarnation weiter zum Verständnis des Christus durch die anthro­posophische Weltanschauung vorbereitet werden können. Aber die nächsten drei Jahrtausende werden den Menschen die Gelegenheit geben, diese Vorbereitung durchzumachen. Und alle anthroposophi­sche Entwickelung wird darauf abzielen, die Menschen immer fähiger und fähiger zu machen, um sich hineinzuleben in das, was da kommen soll.

So verstehen wir, wie die Vergangenheit in die Zukunft übergeht. Und wenn wir uns erinnern, wie in den Astralleib des nathanischen Jesusknaben der Buddha hineinwirkte, nachdem er sich nicht selbst wieder auf der Erde verkörpern konnte, so sehen wir auf diese Weise auch die Buddhakräfte fortwirken. Und wenn wir uns erinnern, wie das, was nicht unmittelbar mit dem Buddha zusammenhängt, gerade im Abendlande gewirkt hat, so sehen wir darin das Herein-wirken der geistigen Welt in die physische Welt. Aber alles, was zur Vorbereitung geschehen soll, hängt in einer gewissen Weise wieder damit zusammen, daß sich die Menschen immer mehr einem Ideale

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nähern, das im Grunde genommen schon im alten Griechenlande aufdämmerte, jenem Ideal, das Sokrates aufgestellt hat: daß der Mensch, wenn er einsieht die Idee des Guten, des Moralischen, des Ethischen, diese als einen so magischen Impuls empfindet, daß er fähig wird, nach dieser Idee auch zu leben. Heute sind wir noch nicht so weit, daß dieses Ideal verwirklicht werden könnte; heute sind wir erst so weit, daß der Mensch sich unter Umständen das Gute sehr wohl denken kann, daß er ein sehr gescheiter und weiser Mensch sein kann - und doch kein moralisch guter zu sein braucht. Das aber wird der Sinn der inneren Entwickelung sein, daß die Ideen, die wir fassen von dem Guten, unmittelbar auch moralische Antriebe sind. Das wird zu der Entwickelung gehören, die wir in den nächsten Zeiten erleben. Und die Lehren auf der Erde werden immer mehr so werden, daß in die folgenden Jahrhunderte und Jahrtausen­de herein die menschliche Sprache noch eine ungeahnt größere Wirkung bekommen wird, als sie in verflossenen Zeiten hatte oder in der Gegenwart hat. Heute könnte jemand in den höheren Welten klar sehen, welches der Zusammenhang zwischen Intellekt und Moralität ist; aber es gibt heute noch keine menschliche Sprache, die so magisch wirkt, daß, wenn man ein moralisches Prinzip ausspricht, es sich so hineinsenkt in einen fremden Menschen, daß äieser es unmittelbar moralisch empfindet und daß er gar nicht anders kann, als es als einen moralischen Impuls auszuführen. Nach dem Ablauf der näch­sten drei Jahrtausende wird es möglich sein, in einer solchen Sprache zu Menschen zu sprechen, wie sie heute noch gar nicht unserem Kopfe anvertraut werden kann; so daß alles Intellektuelle zugleich Moralität sein wird, und das Moralische in die Herzen der Menschen eindringen wird. Wie durchtränkt mit magischer Moralität muß das Menschengeschlecht in den nächsten drei Jahrtausenden werden; sonst könnte es eine solche Entwickelung nicht ertragen, sonst würde es sie nur mißbrauchen. Zur besonderen Vorbereitung einer solchen Ent­wickelung ist diejenige Individualität da, welche etwa ein Jahr­hundert vor unserer Zeitrechnung viel verleumdet wurde, und die in der hebräischen Literatur - allerdings in einer entstellten Gestalt -als Jeshu ben Pandira vorhanden ist; Jesus, der Sohn des Pandira.

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Aus Vorträgen, die einmal in Bern gehalten worden sind, wissen einige von Ihnen, wie dieser Jeshu ben Pan&ra schon für das Christus-Ereignis vorbereitend gewirkt hat, indem er Schüler her­angezogen hat, unter denen auch zum Beispiel dann der Lehrer des Schreibers des Matthäus-Evangeliums war. Ein Jahrhundert ist dem Jesus von Nazareth vorangegangen Jeshu ben Pandira, eine edle Essäergestalt. Während Jesus von Nazareth selber den Essäern nur nahe gekommen ist, haben wir in Jeshu ben Pandira eine Essäer­gestalt vor uns.

Wer war Jeshu ben Pandira?

In dem fleischlichen Leibe dieses Jeshu ben Pandira war verkörpert der Nachfolger jenes Bodhisattva, welcher in seiner letzten Erden­inkarnation in seinem neunundzwanzigsten Jahre zum Gotama Buddha aufgestiegen ist. Jeder Bodhisattva, der zu einem Buddha aufsteigt, hat einen Nachfolger. Diese orientalische Tradition ist durchaus auch entsprechend den okkulten Forschungen. Und jener Bodhisattva, der damals gewirkt hat für die Vorbereitung des Christus-Ereignisses, war immer wieder und wieder verkörpert. Eine dieser Verkörperungen ist auch für das zwanzigste Jahrhundert an­zusetzen. Es ist nicht möglich, in dieser Stunde Genaueres über die Wiederverkörperung dieses Bodhisattva zu sagen; es kann aber einiges gesagt werden über die Art, wie man einen solchen Bodhi­sattva in seiner Wiederverkörperung erkennen kann.

Durch ein Gesetz, welches auch in künftigen Vorträgen bewiesen und auseinandergesetzt werden wird, ist es eine Eigentümlichkeit dieses Bodhisattva, daß er, wenn er wiederverkörpert erscheint -und er erscheint immer wieder verkörpert im Laufe der Jahr­hunderte -, seinem späteren Wirken in seiner Jugend recht unähnlich ist, und daß immer in einem ganz bestimmten Lebenszeitpunkt dieses wiederverkörperten Bodhisattva etwas wie ein großer Umschwung, eine große Verwandlung eintritt. Oder real ausgedrückt: die Menschen werden erleben, daß da oder dort ein mehr oder weniger begabtes Kind lebt, dem man es nicht anmerkt, daß es zur Vorbereitung der künftigen Menschheitsentwickelung Besonderes zu leisten hat. Nie­mand zeigt in seiner Jugend, in seinen ersten Kindheitsjahren so

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wenig das, was er eigentlich ist - so sagt die okkulte Forschung - als gerade der, welcher sich als ein Bodhisattva verkörperen soll. Denn für einen sich verkörpernden Bodhisattva tritt ein großer Umschwung ein in einem ganz bestimmten Zeitpunkt seines Lebens.

Verkörpert sich eine Individualität der grauen Vorzeit, zum Beispiel Moses, so ist es nicht so, wie es bei der Christus-Individualität war, wo die andere Individualität des Jesus von Nazareth die Hüllen verlassen hat. Bei dem Bodhisattva wird es so sein, daß zwar auch so etwas wie eine Auswechslung eintritt, aber die Individualität bleibt in einer gewissen Weise; und die Individualität, die dann ein­tritt aus grauer Vorzeit - als Patriarch und so weiter - und neue Kräfte für die Entwickelung der Menschheit bringen soll, die taucht unter; und ein solcher Mensch erlebt dadurch eine gewaltige Umwan­delung. Diese Umwandelung tritt besonders zwischen dem dreißigsten und dreiunddreißigsten Jahre ein. Und immer ist es so, daß man nie­mals wissen kann, bevor diese Verwandlung eintritt, daß gerade dieser Leib ergriffen werden wird von dem Bodhisattva. Niemals zeigt es sich in den Jugendiahren; sondern daß gerade die späteren Jahre so unähnlich sind den Jugendjahren, das ist das Kennzeichen.

Der, welcher in Jeshu ben Pandira verkörpert war, und der immer wieder verkörpert war, der Bodhisattva, der auf den Gotama Buddha gefolgt ist, er hat sich vorbereitet auf seine Bodhisattva-Inkarnation, daß er erscheinen kann - und zwar stimmt hier auch wieder die okkulte Forschung mit den orientalischen Traditionen überein - und zur Buddha-Würde aufsteigen kann genau fünftausend Jahre nach der Erleuchtung des Gotama Buddha unter dem Bodhibaum. Dann, dreitausend Jahre nach unserer Zeit wird jener Bodhisattva, zurück­blickend auf alles, was in der neuen Epoche geschehen ist, und zurückblickend auf den Christus-Impuls und alles, was damit zu­sammenhängt, so sprechen, daß eine Sprache von seinen Lippen kommen wird, welche das verwirklichen wird, was eben charakteri­siert worden ist: daß Intellektualität unmittelbar ein Moralisches ist. Ein Bringer des Guten durch das Wort, durch den Logos, wird der künftige Bodhisattva sein, der alles, was er hat, in den Dienst des Christus-Impulses stellen wird, und der in einer Sprache sprechen

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wird, die heute noch keinem Menschen eigen, die aber so heilig ist, daß er genannt werden kann ein Bringer des Guten. Bei ihm wird sich dies auch nicht in der Jugend zeigen; sondern ebenfalls in der Zeit seines dreiunddreißigsten Jahres ungefähr wird er wie ein neuer Mensch erscheinen und sich als derjenige geben, welcher sich erfüllen kann mit einer höheren Individualität. Das Ereignis, daß eine ein­malige Inkarnation im Fleische eintritt, gilt nur für den Christus-Jesus. Alle Bodhisattvas machen verschiedene aufeinanderfolgende Inkarnationen auf dem physischen Plane durch. So wird dieser Bodhi­sattva dreitausend Jahre nach unserer Zeit so weit sein, daß er ein Bringer des Guten, ein Maitreya-Buddha sein wird, der seine Worte des Guten in den Dienst des Christus-Impulses stellen wird, in den bis dahin eine genügende Anzahl von Menschen sich eingelebt haben wird. So sagt es uns heute die Perspektive für die künftige Ent­wickelung der Merschheit.

Was war notwendig, damit die Menschen zu dieser Entwickelungs-epoche nach und nach haben kommen können? Das können wir uns in folgender Weise klarmachen.

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Wenn wir uns ein graphisches Bild von dem machen wollen, was in der alten lemurischen Zeit für die Erdentwickelung des Menschen geschehen ist, so können wir sagen: Der Mensch ist dazumal her­untergestiegen von göttlichen Höhen; es war ihm bestimmt in einer gewissen Weise sich weiter zu entwickeln; aber durch den luziferischen Einfluß wurde der Mensch tiefer in die Materie hineingeworfen, als es ohne denselben der Fall gewesen wäre. Dadurch wurde sein Fort­gang in der Entwickelung nun ein anderer.

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Als der Mensch auf tiefster Stufe nach abwärts gekommen war, brauchte es eines mächtigen Impulses nach aufwärts. Das konnte nur dadurch geschehen, daß jene Wesenheit aus den höheren Hierarchien, die wir als die Christus-Wesenheit bezeichnen, einen Entschluß faßte in den höheren Welten, den sie zu ihrer eigenen Entwickelung nicht zu fassen gebraucht hätte. Denn die Christus-Wesenheit hätte ihre Entwickelung auch erreicht, wenn sie einen Weg eingeschlagen hätte, der weit, weit über alledem gelegen hätte, wo die Menschen waren auf ihrem Weg. Und die Christus-Wesenheit hätte sozusagen vorbei­gehen können, oben vorbeigehen können an der Entwickelung der

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Menschheit. Dann aber wäre die Entwickelung der Menschheit so geschehen, daß, wenn der Impuls nach oben nicht gegeben wäre, der Weg nach unten hätte fortgesetzt werden müssen. Dann hätte die Christus-Wesenheit einen Aufstieg gehabt und die Menschheit nur einen Abfall. Nur dadurch, daß die Christus-Wesenheit den Entschluß gefaßt hat, sich in dem Zeitpunkt der Ereignisse von Palästina mit einem Menschen zu vereinigen, in einem Menschen sich zu verkörpern und der Menschheit den Weg nach aufwärts möglich zu machen, nur dadurch wurde jene Entwickelung der Menschheit herbeigeführt, die wir jetzt nennen können eine Erlösung der Menschheit von jenem Impuls, der von den luziferischen Kräften gekommen ist, und der in der Bibel bildlich als die Erbsünde bezeichnet wird, als die Ver­führung durch die Schlange und Herbeiführung der Erbsünde. Etwas, was für den Christus selbst nicht notwendig war, das hat der Christus vollzogen.

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Was war das für eine Tat?

Das war eine Tat der göttlichen Liebe! Dessen müssen wir uns klar sein, daß keine menschliche Empfindung zunächst in der Lage ist, jene Intensität der Liebe zu empfinden, die notwendig war, um den Entschluß zu fassen für einen Gott, der dessen nicht bedurfte, in einem menschlichen Leib auf Erden zu wirken. Dadurch wurde - als durch eine Tat der Liebe - dasjenige Ereignis hervorgebracht, welches das wichtigste ist in der Menschheitsentwickelung. Und wenn die Men­schen die Liebestat des Gottes fassen, wenn sie versuchen, diese Liebestat als ein großes Ideal zu empfinden, dem gegenüber alle menschliche Liebestat nur klein sein kann, dann nähern sich die Menschen durch dieses Gefühl der Unangemessenheit der mensch­lichen Liebe gegenüber jener göttlichen Liebe, die zu dem Mysterium von Golgatha notwendig war, auch der Herausbildung, dem Ge­borenwerden jener Imaginationen, die uns dieses wichtigste Ereignis von Golgatha vor den geistigen Blick hinstellen. Ja, wahrhaftig, es ist möglich, zu der Imagination von dem Berge zu gelangen, auf dem das Kreuz erhöht war, jenes Kreuz, an dem ein Gott im Menschen-leibe hing, ein Gott, der die Tat aus freiem Willen - das heißt aus Liebe - vollbracht hat, damit die Erde und die Menschheit an ihr Ziel kommen können. Hätte der Gott, der mit dem Namen des Vatergottes bezeichnet wird, es einst nicht zugelassen, daß die luzi­ferischen Einflüsse an den Menschen herankommen konnten, so hätte der Mensch nicht die freie Ich-Anlage entwickelt. Mit dem luzife­rischen Einfluß wurde die Anlage zum freien Ich entwickelt. Das mußte zugelassen werden vom Vatergott. Nachdem aber das Ich -um der Freiheit willen - in die Materie verstrickt werden mußte, mußte nun, um von dem Verstricktsein in die Materie wieder befreit zu werden, die ganze Liebe des Sohnes zu der Tat von Golgatha führen. Dadurch allein ist Freiheit des Menschen, vollständige menschliche Würde erst möglich geworden. Daß wir freie Wesen sein können, das verdanken wir einer göttlichen Liebestat. So dürfen wir uns als Menschen fühlen wie freie Wesen, dürfen aber nie vergessen, daß wir diese Freiheit verdanken der Liebestat des Gottes. Wenn wir so denken, wird schon der Gedanke in die Mitte unseres Fühlens

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rücken: Du kannst zur menschlichen Würde kommen; nur eines darfst du nicht vergessen, daß du das, was du bist, dem verdankst, der dir wieder zurückgebracht hat dein menschliches Urbild durch die Er­lösung auf Golgatha! - Den Freiheitsgedanken sollten die Menschen

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nicht ergreifen können ohne den Erlösungsgedanken des Christus. Dann allein ist der Freiheitsgedanke ein berechtigter. Wenn wir frei sein wollen, müssen wir das Opfer bringen, unsere Freiheit dem Christus zu verdanken! Dann erst können wir sie wirklich wahr­nehmen. Und die Menschen, die ihre Menschenwürde beschränkt glauben, wenn sie sie dem Christus verdanken, die sollten erkennen, daß menschliche Meinungen gegenüber Weltentatsachen nichts be­deuten, und daß sie einmal recht gern ihre Freiheit als von dem Christus erworben anerkennen werden.

Es ist doch nicht viel, was in diesem Vortragszyklus wjeder getan werden konnte, um ein genaueres Verständnis des Christus-Impulses und des ganzen Entwickelungsganges der Menschheit auf der Erde vom Standpunkte der Geisteswissenschaft aus herbeizuführen. Wir können nur immer einzelne Bausteine herbeitragen. Wenn diese aber so in unsere Seele hineinwirken, daß wir wiederum etwas fühlen wie einen Ansporn zu weiterem Streben, zur weiteren Entwickelung auf der Bahn der Erkenntnis, dann haben diese Bausteine zum großen

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geistigen Tempel der Menschheit ihre Wirkung getan. Und das beste, was wir aus einer solchen geisteswissenschaftlichen Betrachtung davontragen können, ist, daß wir zu einem gewissen Ziele wieder etwas gelernt haben; daß wir unser Wissen wieder um einiges be­reichert haben. Zu was für einem hohen Ziele? Zu dem Ziele, daß wir um so genauer wissen, wieviel wir noch brauchen, um mehr zu wissen; damit wir immer gründlicher durchdrungen werden von der Wahrheit des alten sokratischen Wortes: Je mehr man lernt, desto mehr weiß man, wie wenig man weiß! Aber erst, wenn dies nicht ein Bekenntnis ist einer tat- und strebenslosen Resignation, sondern ein Bekenntnis des lebendigen Wollens und Strebens nach immer er­weiterteren Erkenntnissen, dann erst ist es gut. Nicht bekennen sollen wir, wie wenig wir wissen, indem wir sagen: Wir können nun doch nicht alles wissen; also lernen wir lieber gar nichts, legen wir die Hände in den Schoß! Das wäre ein falsches Ergebnis geisteswissen­schaftlicher Betrachtungen. Das richtige kann nur sein, daß wir immer mehr und mehr befeuert werden zu einem Weiterstreben und jedes neu Gelernte als eine Stufe betrachten; aber immer wieder die Schritte ansetzen, um immer höhere Stufen zu erreichen.

Wir haben vielleicht gerade in diesem Vortragszyklus viel von dem Erlösungsgedanken sprechen müssen, ohne daß wir dieses Wort oftmals gebraucht haben. Dieser Erlösungsgedanke sollte von dem Geistsucher so empfunden werden, wie ihn ein großer Vorläufer-unserer abendländischen Geisteswissenschaft empfunden hat: daß er im Grunde genommen uns nur verwandt und vertraut wird in unserer Seele als eine Folge unseres Strebens nach den höchsten Zielen des Erkennens, des Fühlens und des Wollens. Und wie der große Vorläufer unserer abendländischen Anthroposophie den Gedanken, der da verbindet das Wort des Erlösens mit dem Worte des Strebens, ausgesprochen hat in der Form: «Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen»! so sollte der Anthroposoph immer empfin­den: Nur der kann die wahre Erlösung begreifen und fühlen und innerhalb ihrer Sphäre wollen, der immer strebend sich bemüht!

So sei auch dieser Vortragszyklus - das ist mir besonders am Herzen gelegen, weil so viel von dem Erlösungsgedanken darin gesprochen

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worden ist - ein Ansporn zu unserem weiteren Streben:

daß wir uns im Streben immer mehr und mehr zusammenfinden mögen in dieser und in den folgenden Inkarnationen. Das seien die Früchte, die uns aw solchen Betrachtungen hervorgehen. Damit wol­len wir den Zyklus beschiießen und mitnehmen die Aneiferung, uns immer strebend zu bemühen, die uns dahin bringen kann, daß wir auf der einen Seite sehen, was der Christus ist, um dann auch dem näher zu kommen, was die andere Seite ist: die Erlösung, die nicht bloß die Befreiung sein soll von dem niederen Erdenwege und Erden-schicksal, sondern die auch die Befreiung sein soll von alledem, was Hemmnis bildet dem Menschen, damit er seine Menschenwürde er­reicht. Das sind aber Dinge, die nur in den Annalen des Geistigen in ihrer Wahrheit niedergeschrieben sind. Denn nur die Schrift, die im Geisterlande gelesen werden kann, ist die wahre. Bemühen wir uns daher, das Kapitel über Menschenwürde und Menschenmission in der Schrift zu lesen, in der von diesen Dingen geschrieben steht in den geistigen Welten!

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HINWEISE

Textunterlage: Es ist nicht bekannt, welcher Stenograph diese Vorträge mitstenographiert hat. Auch hat sich weder ein Originalstenogramm noch eine in Maschinenschrift vorgenommene Übertragung des Stenographen in Klartext erhalten. Es liegt somit nur als Textgrundlage der erste Manuskriptdruck von 1912 vor. Dieser wie auch die erste Buchausgabe von 1933 wurden von Marie Steiner herausgegeben. Für die folgenden Ausgaben wurde der Text neu durchgesehen und einige wenige Änderungen in den Hinweisen nachgewiesen.

Der Titel des Vortragszyklus wurde von Rudolf Steiner gegeben.

Über den Vortagszyklus «Von Jesus zu Christus» sagt Rudolf Stesner m semem Vortrag vom 7 Mai 1923 sn Dornach «Der Ostergedanke dse Hsmmelfahrtsoffen barung und das Pfingstgehesmnss» (Dornach 1958 snnerhalb der Gesamtausgabe in Bibl.-Nr 224) « der in Karlsruhe gehalten worden ist und der ja weil gewisse Wahrheiten von denen viele Leute wollen daß sie verhullt bleiben einmal aus einem esoterischen Pflichtgefuhl heraus ausgesprochen wurden gerade am meisten angefeindet worden ist Ja man kann sagen von gewissen Seiten her begann uber haupt die Feindschaft gegen Anthroposophse gerade von diesem Zyklus aus«.

Die seinerzeit in den Vorträgen gebrauchten Worte «Theosophie« und «theoso­phisch«, sind immer im Sinne seiner antliroposophisch orientierten Geisteswissen­schaft (Anthroposophie) zu verstehen. Aufgrund einer späteren ausdrücklichen Anweisung Rudolf Steinesrs sind sie hier, wo es angängig war, durch «Anthroposo­phie« und «antliroposophisch« oder «Geisteswissenschaft« und «geisteswissen­schaftlich« ersetzt.

Werke Rudolf Steiners innerhalb der Gesamtausgabe (GA) werden in den Hin­weisen mit der Bibliographie-Nummer angegeben. Siehe auch die Übersicht am Schluß des Bandes.

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10 ff. Streit um den historischen Jesus der in Karlsruhe seine bedeutendsten Repräsentanten ... hat: Hauptsächlich Arthur Drews, 1865-1935. Seit 1898 a. o. Professor an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Erregte mit seinen religionsgeschichtlichen Veröffentlichungen «Die Christusmytbe«,Jesna 1910 und 1911 und seinem Vortrag beim sog. Berliner Religionsgespräch (31 .Januar und 1. Februar 1910): «Ist Jesus eine historische Persönlichkeit?« veröffent­licht unter dem Titel «Hat Jesus gelebt?«, Berlin und Leipzig 1910, großes Aufsehen.

11 nach dem Urteil eines der bedeutendsten Kenner der Sache: Adolf von Har­nack, 1851-1930. «Das Wesen des Christentums«, Leipzig 1901,S. 13: «Un­sere Quellen für die Verkündigung Jesu sind - einige wichtige Nachrichten bei dem Apostel Paulus abgerechnet - die drei ersten Evangelien. Alles

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übrige, was wir unabhängig von diesen Evangelien über die Geschichte und Predigt Jesu wissen, läßt sich bequem auf eine Quitttseite schreiben, so gering an Umfang ist es.«

11 Flavius Josephus, 37-95 n.Chr., griechischer Geschichtsschreiber jüdischer Herkunft. Vgl. «Jüdische Altertümer« XVIII 3,3.

Puhlius Cornelius Tacitus: um 55-120 n.Chr., römischer Geschichtsschrei­ber. Vgl. Annalen 15,44.

Professor Drews: Vgl. Hinweis zu Seite 10.

13 AureliusAugustinus: 353-430. Berühmtester der älteren abendländischen Kir­chenlehrer. Für die zitierte Steiles vgl. «Retractationes«, L. I, Cpt. XIII, 3.

16 Publius Aelius Aristides: 129-ca. 189 n. Chr., gliechischer Rhetor. Für die zitierte Stelle vgl.: Aeslii Aristides Smyrnaesi Hieroi Logoi, II: 32. cf. ed. Br. Keil, Vol: II, S. 401.

26 Paulus, indem er erkannte: l. Kor., 15.45.

29 Worte des Paulus: l. Kor., 15, 13f.

32 Meister Eckhart: deutscher Mystiker um 1260-1327; Dominikaner. Vgl. Schriften und Predigten, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Göttingen, 4. Auflage 1924 sowie das entsprechende Kapitel in Rudolf Steiner, «Die Mystik im Aufganges des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur moder­nen Weltanschauung« (1901), GA Bibl.-Nr 7.

34 Wär' nicht das Auge sonnenhaft...»: Goethe, «Einleitung zum Entwurf einer Farbenlehre«. Siehe «Goethes Naturwissenschaftliche Schriften«, herausge­geben mit Einleitungen und Kommentaren von Rudolf Steiner, in «Kür­schnesrs Deutsche National-Litteratur», (1884-1897), GA Bibl.-Nr la-e, Nachdruck Dornach 1975, Band III, Farbenlehre.

44 »Der Geist ist will lig.. »~: Matth. 26,41.

48 bei Besprechung des Johannes-Evangeliums: Siehe Rudolf Steiner «Das Jo­hannes-Evangelium», 8 Vorträge, Basel 1907, in GA Bibl.-Nr 100 «Mensch­heitsentwickelung und Christus-Erkenntnis»; «Das Johannes-Evangelium», 12 Vorträge Hamburg 1908, GA Bibl.-Nr 103; «Das Johan­nes-Evangelium im Verhältnis zu den drei anderen Evangelien, besonders zu dem Lukas-evangeilum«, 14 Vorträge Kassel 1909, GA Bibl.-Nr 112.

52 Das Esoterische im Jesuitismus..., die verschiedenen geistigen Übungen: Siehe «Die geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola«. In Rudolf Stesiners Bi­bliothek befindet sich die Übersetzung von Bernhard Köhler, eingeleitet und herausgegeben von René Schickele in der Kollektion «Kultur-Dokumente», Berlin und Leipzig o. J. Kap.: Die zweites Woche. Der viertes Tag. Betrachtungen von den zwei Fahnen, die eine Christi, unseres höch­sten

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Führers und Herrn, die andre Luzifesrs, des obersten Feindes der menschlichen Natur.

54 «Mein Reich ist nicht von dieser Welt>: Joh. 18,36.

57 in früheren Vortragsxyklen sind einander gegenübergestellt worden die rein christliche Einweihung mit ihren sieben Stufen und die Rosenkreuzer-Einwei­hung mit ihren ebenfalls sieben Stufen: Siehe Rudolf Steiner «Vor dem Tore der Theosophies«, 14 Vorträge Stuugart 1906, GA Bibl.-Nr. 95; «Die Theoso­phies des Rosenkreuzers», 14 Vorträge München 1907, GA Bibl.-Nr 99; so­wie in den Zyklen über das Johannes-Evangelium, vgl. Hinweis zu Seite 48.

daß die Rosenkreuzer-Einweihung so recht ihren Anfang genommen hat etwa um die Zeit des 13. Jahrhunderts herum: Siehe Rudolf Steiner «Die geistiges Führung des Menschen und der Menschheit. Geisteswissenschaftliches Ergeb­nisse über dies Menschhesitsentwickelung« (1911), GA Bibl.-Nr 15. Ferner «Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit», GA Bibl. -Nr.130.

60 Was in meinem zweiten Rosenkreuzerdrama «Die Prüfung der Seele» von Straders Munde gesagt wird: daß der konsequente Denker zuletzt bei der Anerkennung von Karma und Reinkarnation anlangen muß:

«Und hundertmal wohl fragt' ich mich:

Was kann Naturerkenntnis lehren,

wie wir sie jetzt schon überschauen können?

- Es gibt da kein Entweichen-:

Des Erdenlebens Wiederholung,

Sie kann und darf kein Denken leugnen,

Das nicht mit allem brechen will,

Was Forscherfleiß erkannt in langer Zeiten Lauf.«

Rudolf Steiner «Vier Mysteriendramen (1910-13), GA Bibl.-Nr 14, zweites Drama (1911) «DiePrüfung der Seele«, viertes Bild.

60ff. GottholdEphraim Lessing, 1729-1781. «Die ErziehungdesMenschenge­schlechts«, 1780.

61/64 Maximilian Droßbach, 1810-1884.1849 erschien seine Schrift «Wieder­geburt oder die Lösung der Unsterblichkeitsfrage auf empirischein Wege nach den bekannten Naturgesetzen».

61 Eine kleine Gesellschaft hat... einen Preis ausgeschrieben für die beste Schnft über die Unsterblichkeit der Seele ... die preisgekrönte Schr'ft von Widen­mann: Droßbach hatte ohne Nennung seines Namens für die beste Durch-führung der in seiner obengenannten Schrift niedergelegten Gedazken einen Preis von 40 Dukaten in Gold ausschreiben lassen. Dadurch wurde dies Abfassung

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der Widesnmannschen Schrift «Gedänken über die Unsterblichkeit als Wiederholung des Erdenlesbens», Wien 1851, veranlaßt, welcher der Preis zufiel.

61 Gustav Widenmann, 1812-1876. Vergleiches hierzu C. S. Picht «Das Auftau­chen der Reinkarnationsidese bei dem schwäbischen Arzt und Philosophen Gustav Widenmann um 1850» und «Dies Darstellung der Reinkamationsidese bei dem schwäbischen Arzt und Philosophen Gustav Widenmann (1812-1876)», abgedruckt in: «Anthroposophie, Monatsschrift für freies Geistes-leben«, 14. Jahrgang 1931/32.

meine kleine Schrift «Reinkarnation und Karma, vom Standpunkt der moder­nen Naturwissenschaft notwendige Vorstellungen»: 1903 als Aufsatz in der Zeitschrift «Luzifer-Gnosis« erschienen, seit 1909 in vielen Auflagen als selb­ständige Schrift. Innerhalb der Gesamtausgabe in GA Bibl.-Nr 34 «Luzifer-Gnosis 1903-1908».

67 «Z'wtderwurz'n»: Österreichische Dialektbezesichnung für einen mit sich und der Welt unzufriedenen Menschen.

75 in den verschiedenen Vorträgen gerade der letzten Zeit: Vgl. Rudolf Steiner «Das Ereignis der Christus-Erscheinung in der ätherischen Welt», GA Bibl.­Nr.118.

81 Wenn es z.B. innerhalb der theosophischen Literatur populär geworden ist, von höher entwickelten menschlichen Individualitäten zu sprechen: Die soge­nannten «Meister», dies als erster A. P. Sinneu in seinem Buch «Esoterischer Buddhismus» in die Literatur eingeführt hat. Vgl. hierzu Rudolf Steiners Vor­trag Berlin, 13. Oktober 1904, in «Ursprung und Ziel des Menschen. Grund-begriffes der Geisteswissenschaft», GA Bibl.-Nr 53.

82 Gautama Buddha: Um 560-480v. Chr.

83 Und wenn Sie sich an alles erinnern, was in den ve41ossenen Vorträgen gesagt worden ist über die Entwickelung des Jesus von Nazareth: Siehe Hinweis zu Seite 108.

86 Apollonius von Tyana: Zeitgenosse Christi, gest. um 100 n. Chr. in Ephesos. Nesupythagoreischer Philosoph und Wundertäter in Kleinasien. Seine roman-hafte Biographie schrieb im 3. Jahrhundert n. Chr. Flavius Philostratus: «Le­ben des Apollonius von Tyana». Schon im Altertum und auch später, z.B. von Voltaire u. a. wurde er mit Christus gleichgestellt. Vgl. noch Rudolf Stei­ners Vortrag Dornach, 28. März 1921, in «Die Verantwortung des Menschen für die Weltentwickeslung», GA Bibl. -Nr.203.

91 Blaise Pascal, 1623-1662, französischer Mathematiker und Philosoph. In sei­nen »Pensées sur la religion« (1670) findest man diesen Hauptgedanken u. a. m Nr.527 der klassischen Ausgabe von Brunschvieg.

«La connaissance de Dieu sans celle des sa misere fait l'orgueil. La connasssance

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de sa misere sans celle de Dieu fait le désespoir. La cotnaissance de Jesus-Christ fait le milieu, parce ques nous y trouvons et Dieu et notre misere.»

«Die Erkenntnis Gottes ohne diejenige des (menschlichen) Elends schafft Hochmut. Die Erkenntnis des Elends ohne diejenige Gottes schafft Ver­zweiflung. Die Erkenntnis des Jesus-Christus schafft die Mitte, weil wir in ihr sowohl Gott als unser Elend finden.»

93 ff. Wladimir Solowjow, 1853-1900, russischer Philosoph. Das von Rudolf Steiner frei wiedergegebene Zitat stammt aus der Schrift «Die geistigen Grundlagen des Lebens» (1884). «Einleitung: Von der Natur, vom Tode, von der Sünde, vom Gesetz und von der Gnade«, in der ersten deutschen Solo­wjow-Übersetzung von N. Hoffmann, Leipzig 1907. Später übersetzte auf Veranlassung Rudolf Steiners Harry Köhler (Harriet von Vacano) diese und andere Schriften Solowjows, verlegt bei Eugen Diederichs, Jena 1914, und im Kommenden Tag Verlag, Stuttgart 1921/22.

94 Was aber hat eine volle Realität, um die Seele zu verbinden mit der Unsterb­lichkeit? Im Manuskriptdruck 1912 und in der ersten Buchausgabes von 1933 heißt es hier fälschliches'weise «um die Seele zu verbinden mit der Natur». Die Änderung von Natur in Unsterblichkeit erfolgte gemäß dem Solowjow'schesn Wortlaut, der hier ja von Rudolf Steiner wiedergegeben wird. Vgl. auch den vorhergehenden Hinweis.

95 Immanuel Kant, 1724-1804. Sein von Rudolf Steiner angeführter Glaubens-begriff lautet wörtlich: «Ich mußte also das Wissen aufheben, um zum Glau­ben Platz zu bekommen.» «Kritik der reinen Vernunft», Vorrede zur 2. Aus­gabe (1787).

100 Augustinus-Zitat: Vgl. Hinweis zu S. 13.

Justinus der Märtyrer: Kirchenvater des 2. Jahrhunderts, suchte phlo­sophisch das Christentum als die richtige Religion zu erweisen.

hat eine ganz merkwürdige Ausführung in seinem Schriften: «Apologie des Christentums» I,46.

101 Sokrates und Heraklit: Auf dieser Seite treten mehnmals diese beide Namen auf. In dem Manuskriptdruck von 1912 und in der Buchausgabe von 1933 heißt es statt «Heraklit» «Plato». Da jedoch Rudolf Steiner hier Justinus den Märtyrer zitiert, bei dem es nicht Plato sondern Heraklit heißt, wurde diese entsprechende Korrektur vorgenommen.

105/06 Richard Wagner (1813-1883) über die Bedeutung des Blutes Christi:

Siehe seine Schrift «Heldentum und Christentum», vgl. Gesammelte Selirif­ten und Dichtungen in 10 Bänden, herausgegeben von Wolfgang Golther, Leipzig o.J., 10. Band, S. 275ff. «Ausführungen zu Religion und Kunst»: 2. Heldentum und Christentum.

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108 Wenn Sie die Evangelienerklärungen vefolgt haben, wie sie hier gepflogen worden sind: Siehe Rudolf Steiner «Das Johannes-Evangelium», GA Bibl.­Nr.103; «Das Johannes-Evangelium im Verhältnis zu den drei anderen Evan­gelien, besonders zu dem Lukas-Evangelium«, GA Bibl.-Nr 112; «Das Lu­kas-Evangelium», GA Bibl.-Nr 114; «Dies tieferen Geheimnisse des Mesnschheitswerdens im Lichte der Evangelien», GA Bibl.-Nr 117; «Das Matthäus-Evangelium», GA Bibl.-Nr 123; «Exkurse in das Gebiet des Mar­kus-Evangeliums», GA Bibl.-Nr 124; «Das Markus-Evangelium», GA Bibl.-Nr 139.

109 Antwort des ChristusJesus »Du sagst els»: Matth. 26,64.

110 f. Sie können das beste, was über die Entstehung des Matthäus-Evangeliums gesagt ist, schon im dritten Bande der »Geheimlehre> von H. P. Blavatsky lesen: Vgl. III. Band «Esotesrik«, aus dem Englischen der l. Auflage übersetzt von Robert Froebe, Leipzig o. J., Seite 148 f.

Möglicherweise sind die Ausführungen Rudolf Stesinesrs in diesem Teil der Vortragsnachschrift nicht lückenlos festgehalten, so daß durch etwaige Text­zusammenziehungen die Unklarheit entstehen konnte, als ob es sich um den griechischen Text des kanonischen Matthäus-Evangeliums handle, der zur Zeit des Hieronymus (340-420) schon längst in der Christenheit allgemein bekannt war. Auf ihn konnte Hieronymus keinen Einfluß mehr nehmen. Wohi aber bestand eine solche Möglichkeit in bezug auf die Gestalt, dies er durch seine Übersetzung ins Griechische einem Texte gab, den er in Caesarea kennengelernt hatte, und in dem er die vorkanonische hebräische Urschrift des Matthäus vor sich zu haben glaubte. («Des viris illustribus» III). Diese Übersetzung ist bis auf wenige Zitate nicht erhalten. Daß Rudolf Steiner esne solche Vorgestalt des Matthäus-Evangeliums im Auge hatte, geht vor allem aus sesnem ein Jahr vorher gehaltenen Vortragszyklus über «Das Matthäus-Evangelium» (4. Vortrag) hervor, in dem er sich offensichtlich auf die sn ses­ner Bibliothek vorhandene Schrift von Daniel Chwolson «Über dies Frage, ob Jesus gelebt hat», Leipzig 1910, stützte, in der nachgewiesen wird, «daß um 71 n. Chr. ein Evangelium Matthäi nicht bloß schon existiert hat, sondern den damaligen Christen auch gut bekannt war.« - Auch im Vortrag München, 20. November 1911 in GA Bibl. -Nr.130 «Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit« wird von Rudolf Steiner auf diese Ur­schrift des Matthäus-Evangeliums hingewiesen.

Die von Rudolf Steiner in vorliegendem Bande, Seite 110f. angeführte Äuße­rung des Hieronymus über die Gefährlichkeit esoterischer Mitteilungen fin­det sich in einem Briefwechsel zwischen Hieronymus und den Bischöfen Chromatius und Heliodorus, der zumeist den Handschriften des dem Mat­thäus zugeschriebenen apokryphen Kindheitsevangeliums «Liber de ortu beatae Mariae et infantia salvatoris» vorangestellt wurde; dies Autorschaft des Hieronymus kann jedoch nicht als gesichert gelten.

110 Kirchenvater Hieronymus, 340-420, eigentlich Eusebius Sophronius H. Re­vidierte dies altlateinische Bibelübersetzung «Itala», woraus die von ihm teilwesse

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neu bearbeitete «Vulgata« hervorging. Als Bibelühersetzer, Ezeget, durch seine lateinischen, griechischen und hebräischen Sprachkenntnisse, sesne Schriften gilt er als eine der bedeutendsten Erscheinungen in der Ge­schichte der Theologie.

113 wenn wir die ursprüngliche christliche Literatur durchblättern [haben wir] überall die Anklage gegen Apollonius von Tyana: Vgl. Hinweis zu Seite 86 und «Apollonius von Tyana und Jesus von Nazareth» Kap. 1 in «Die drei Jahre» von Enül Bock, Verlag Ürachhaus Stuttgart.

121 Homers Inspirationen: Gemeint sind die von dem griechischen Dichter Ho­mer etwa im 9. vorchristhchen Jahrhundert verfaßten ältesten griechischen Epen «Ilias» und «Odyssee».

Aeschylos: 525-456v. Chr.

121/130 Lieber ein Bettler sein in der Oberwelt, als ein König im Reiche der Schatten: Homer «Odyssee», XI. Gesang, Vers 488-491 (die Seele des Achil­less, durch Totenopfer des Odysseus aus dem Hades heraufbeschworen, spricht zu Odysseus):

Preise mir jetzt nicht tröstend den Tod, ruhmvoller Odysseus,

Lieber möcht' ich fürwahr dem unbegüterten Hüfner,

Der nur kümmerlich lebt, als Taglöhner das Feld baun,

Als die ganze Schar vermoderter Toten beherrschen.

122 die vier großen Wahrheiten des Buddha: In der ersten Predigt des Buddha nach seiner Erleuchtung, der berühmten Predigt von Benares «Über den acht­gliedrigen Pfad, dies Ursache des Leidens und die Aufhebung des Leidens«. Siehe den Vortrag Rudolf Steiners über Buddha in «Antworten der Geistes­wsssenschaft auf dies großen Fragen des Daseins», GA Bibl.-Nr 60, und Her­mann Beckh, «Buddha und seine Lehre», Stuttgart 1958.

123 jene Rede, welche uns überliefert ist als die Rede des Königs Milinda mit einem buddhistischen Weisen: Siehe «Milindapanha», in Pah geschriebenes Zwiege­spräch zwischen Menandros und dem buddhistischen Mönch Nagasena. Deutsch von F. Otto Schrader, Die Fragen des Königs Menandros, Berlin 1905.

129 Du sollst Dir kein Bild machen von dem Gotte: 2. Mos. 20.

131 «Sage deinem Gotte ah...>: Hiob 2, 9.

132 »Ich we'ß, daß mein Erlöser lebt...»: Hiob 19,25.

135 Kinder, liebet euchl: l. Joh. 4.

137/188 Paulus-Zitate: Freie Wiedergaben von Rudolf Steiner.

138 David Friedrich Strauß, 1808-1874, protestantischer Theologe.

über Reimarus: «H. S. Reimarus und seine Schutzschrift für dies vernünftigen Verehrer Gottes« (Band V der Gesammelten Schriften).

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Und fast zur selben Zeit lesen wir in einer schweizerischen Zeitschrift: Die Zeitschrift konnte nicht festgestellt werden

140 Johannes-Evangelium, Kap. 20,1-17: Zitiert nach Carl Weizsäcker: Das Neue Testament, Tübingen 1904(9. Auflage der Originalausgabe).

143 Paulus-Zitat: l. Kor., 15,45.

158 daß die in meinem Mystenendrama «Die Prüfung der Seele» gebrauchte Wen­dung von dem nur einmaligen Vorhandensein des Christus in einem fleisch­lichen Leibe ganz wörtlich und erisst genommen werden muß: «Dies Prüfüng der Seele«, S. Bild, Worte des 2. Zeremonienmeisters:

«Wir wissen aus der Meister Offenbarung,

Wie künftig Menschen durch das Gesisteslicht

Das hohe Sonnenwesen schauen werden,

Das einmal nur im Erdenleibe wohnte.»

161 meine Münchner Vorträge «Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesof­fenbarungen>: Ein Zyklus von zehn Vorträgen, München 1911, GA Bibl.­Nr.129.

186 «Ihr seid das Salz der Erde>: Matth. 5,13.

193 Bengel, Oetinger, Leute, die in Württemberg gewirkt hahen:

Johann Albrecht Bengel, 1687-1752

Friedrich Christoph Oetinger, 1702-1782

Vergleiche hierzu: Rudolf Steiner in «Bausteine zu einer Erkenntnis des My­stesrsums von Golgatha. Kosmische und menschliche Metamorphose», GA Bibl.-Nr 175. Lic. Emil Bock «Boten des Geistes - Schwäbische Geistes­geschichte und christliche Zukunft«, Stuttgart 1955.

Rothe... in der Vorrede zu einem 1847 erschienenen Buche: Siehe «Die Theo-sophie Friedrich Christoph Oetingers nach ihren Grundzügen - Ein Beitrag zur Dogmesngeschichte und zur Geschichte der Philosophie», Tübingen 1847, mit einem Vorwort von Richard Rothe.

195 was dieser einfache Mensch in Thüringen- Völker hieß er- besaß: Über diesen Bauersmann, der in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhundestts in Groß­rudestedt, nördlich von Erfurt gelebt hat, berichtet nur Oetingesr in seiner Selbstbiographies und in seinen Briefen. Danach muß Völker ein außerordent­licher Mensch gewesen sein und auf Oetinger einen tiefen Eindruck gemacht haben. Er habe die innere Schau besessen und Oetinger, der zweimal für län­gere Zeit bei ihm verweilte, tief belehrt.

Näheres hierüber siehe in dem Aufsatz von C. S. Picht «Marcus Völker» sn der Zeitschrift «Die Drei», VII. Jahrgang, 1927, Heft VIII.

197 wo Capesius und Strader auftreten in der astralen Welt: Siehe Rudolf Steiner «Die Pforte der Einweihung», 4. Bild, in «Vier Mysteriendramen» (1910-13), GA Bibl.-Nr 14.

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201 Kant-Laplacescher Weltennebel: Kants kosmogonische Nebeltheorie «Allge­meine Naturgeschichte und Theorie des Himmels oder Versuch von der Ver­fassung und dem mechanischen Ursprunges des ganzen Weltgebäudes, nach Newtonschen Grundsätzen abgehandelt», 1755, wurde durch Laplace 1796 m einigen wesentlichen Punkten ergänzt; allgemein als Kant-Laplacesches Theorie bezeichnet.

209 Darstellung des Johannes-Evangeliums in dem entsprechenden Zyklus: Siehe Hinweis zu S. 48.

209 ff. in den entsprechenden Vortragszyklen, die jetzt eigentlich schon zu dem Elementaren unserer geisteswissenschafilichen Arbeit gehören: Siehe Hinweis zu S. 57.

218 Maximilian Droßbach: Siehe Hinweis zu S. 61.

Lessing: Siehe Hinweis zu S. 60ff.

219 Gustav Widenmann: Siehe Hinweis zu S. 61.

220 Gespräch des Königs MUinda: Siehe Hinweis zu S. 123.

222 wenn wir uns erinnern, wie in den Astralleib des nathanischenJesusknaben der Buddha hereinwirkte: Siehe den achten Vortrag dieses Bandes, sowie «Das Lukas-Evangelium», GA Bibl.-Nr 114.

224 Aus Vorträgen, die einmal in Bern gehalten worden sind, wissen einige von Ihnen, wie dieser Jeshu ben Pandira:Siehe Rudolf Steiner «Das Matthäus-Evangelium» (1910), GA Bibl.-Nr 123; ferner «Das esoterische Christentum und die geistiges Führung der Menschheit» (1911/12), GA Bibl.-Nr 130.

230 der große Vorläufer unserer abendändischen Anthroposophie... «Wer immer strebend sich bemüht»: Goethe «Faust» II, Fausts Himmelfahrt.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.