GA 240

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ERSTER VORTRAG Arnheim, 18. Juli 1924

#G240,1961,SE013 Esoterische Betrachtungen Karmischer Zusammenhänge, Bd. 6


Gestern konnte ich wegen der verspäteten Ankunft nicht diejenigen Worte zu Ihnen sprechen, die ich gerne gesprochen hätte und die angemessen sein sollen dem, was seit der Weihnachtstagung am Goetheanum in der Anthroposophischen Gesellschaft geworden ist. Ich möchte auch, da ja durch das Mitteilungsblatt im wesentlichen unter unseren Freunden bekanntgeworden ist, was mit jener Weih­nachtstagung gemeint war, nur kurz über das Allerwesentlichste sprechen und dann fortfahren in den Betrachtungen, die mehr innerlich mit dem zusammenhängen, was diese Weihnachtstagung für die Anthroposophische Gesellschaft zu bedeuten hat.

Diese Weihnachtstagung sollte ja eine Erneuerung, man möchte sagen eine Begründung der Anthroposophischen Gesellschaft dar­stellen. Bis zu dieser Weihnachtstagung konnte ich immer unter­scheiden zwischen der anthroposophischen Bewegung und der An­throposophischen Gesellschaft. Die letztere sollte gleichsam die irdische Projektion von etwas darstellen, das in den geistigen Wel­ten in einer gewissen Strömung des geistigen Lebens vorhanden ist. Was hier auf der Erde gelehrt wird, was hier als anthroposophische Weisheit mitgeteilt wird, das sollte eben der Abglanz dessen sein, was in geistigen Welten gemäß der Entwickelungsphase der Menschheit in den gegenwärtigen Zeiten erfließt. Dann war die Anthroposophische Gesellschaft gewissermaßen die Verwalterin des­jenigen, was da als anthroposophisches Lehrgut durch die anthro­posophische Bewegung floß.

Das hat sich im Laufe der Zeit nicht als dasjenige herausgestellt, was mit einer echten, wahren Pflege des Anthroposophischen zu­sarnmenhängen kann. Deshalb trat die Notwendigkeit ein, daß ich selbst, der ich bis dahin - ohne alle offizielle Verbindung mit der Anthroposophischen Gesellschaft - Lehrer des Anthroposophischen war, daß ich selbst mit dem Dornacher Vorstande zusammen die

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Führung in der Anthroposophischen Gesellschaft als solcher über­nehmen mußte. Damit aber ist anthroposophische Bewegung und Anthroposophische Gesellschaft eins geworden. Und seit jener Dor­nacher Weihnachtstagung muß gerade das Entgegengesetzte gelten:

Man muß nicht mehr unterscheiden zwischen anthroposophischer Bewegung und Anthroposophischer Gesellschaft, sondern beide sollen eins sein. Und diejenigen, die mir zur Seite stehen als der Vorstand am Goetheanum, sollen angesehen werden als eine Art esoterischer Vorstand. So daß das, was durch diesen Vorstand ge­schieht, so charakterisiert werden kann, daß es ist: Anthroposophie tun, während früher nur verwaltet werden konnte, was in Anthro­posophie gelehrt wurde.

Das bedeutet aber zugleich, daß die ganze Anthroposophische Gesellschaft nach und nach auf eine andere Basis gestellt werden muß, auf eine Basis, die möglich macht, daß das Esoterische unmittelbar durch die Anthroposophische Gesellschaft ströme, und in dem Entgegenbringen der entsprechenden Gesinnung von seiten derjenigen, die Anthroposophen sein wollen, wird das bestehen müssen, was in der Zukunft das eigentliche Wesen der Anthroposo­phischen Gesellschaft ausmacht. Daher wird man zu unterscheiden haben zwischen der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, die in der Zukunft eine völlig öffentliche Gesellschaft sein wird, so daß auch die Zyklen, wie damals zu Weihnachten verkündet wurde, für jeden zu haben sein werden - mit jenen entsprechenden Klau­seln, die ja eine Art ideell-spiritueller Begrenzung darstellen -, und der innerhalb dieser allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft ja seitdem begründeten Schule, welche nach und nach drei Klassen umfassen wird. Bis jetzt konnte nur die erste Klasse begründet wer­den. Wer Mitglied dieser Schule werden will, muß dann andere Pflichten übernehmen als diejenigen, die nur die allgemeinen Mit­glieder der Anthroposophischen Gesellschaft sind. Mitglied der An­throposophischen Gesellschaft kann werden, wer sich für Anthro­posophie interessiert und das Lehrgut entgegennimmt; er geht da­mit eigentlich keine anderen Verpflichtungen ein als die, welche jeder anständige Mensch von selbst aus moralischen Gründen befolgt.

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Dagegen muß von denen, die Mitglieder der Schule werden wollen, verlangt werden, daß sie sich im Leben darstellen als rich­tige Repräsentanten der anthroposophischen Bewegung und daß sie im Einklange handeln mit dem esoterischen Vorstande am Goethe­anum in Dornach. Damit ist also gesagt, daß der, der Mitglied der Schule sein will, sich auch bemühen muß, die Anthroposophie durch seine eigene Persönlichkeit in der Welt darzustellen. Das be­dingt natürlich, daß die Leitung der Schule, wenn sie der Meinung ist, daß jemand nicht einen Repräsentanten der anthroposophischen Bewegung darstellt, sich vorbehalten muß, erklären zu können, daß der Betreffende nicht weiter Mitglied der Schule sein kann. - Sagen Sie nicht, das sei eine Beeinträchtigung der menschlichen Freiheit. Sondern es ist sozusagen ein freies Vertragsverhältnis zwischen den Mitgliedern der Schule und der Leitung der Schule; denn auch die Leitung der Schule muß frei sein, das, was sie sagen will, dem zu sagen, dem sie es zu sagen hat. Daher muß sie dem, von dem sie meint, daß sie nicht zu ihm sprechen kann, dies auch bezeichnen können.

In der ganzen Auffassung des esoterischen Zuges, der fortan gehen wird durch die anthroposophische Bewegung, wird das Ge­deihliche, wird die fruchtbare Entwickelung der anthroposophischen Sache liegen. Es wird darauf gesehen werden, daß nichts Bürokra­tisches, nichts Äußerlich-Verwaltungsmäßiges die Anthroposo­phische Gesellschaft berührt, sondern daß alles lediglich beruhe auf dem innerhalb der Gesellschaft zu pflegenden Menschlichen. Ge­wiß, auch der Vorstand am Goetheanum wird allerlei verwalten müssen; das wird aber nicht die Hauptsache sein. Das Wesentliche wird sein, daß der Vorstand am Goetheanum dies oder jenes aus seiner Initiative heraus tue. Und das, was er tut, was er in Mannig­faltigkeit schon begonnen hat, wird eben Inhalt der Anthroposo­phischen Gesellschaft sein.

Damit wird in gründlicher Weise so manches weggeschafft, was als Schäden gerade in den letzten Jahren innerhalb der Anthropo­sophischen Gesellschaft aufgetreten ist und was manchem Mitgliede schwere Stunden bereitet, weil allerlei Gründungen entstanden sind,

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die ja aus sogenanntem gutem Willen hervorgegangen sind, die aber doch nicht das werden konnten, was man von ihnen sagte und die eigentlich die anthroposophische Bewegung nach Nebenströmun­gen abgeleitet haben. In der Zukunft wird anthroposophische Be­wegung in menschlicher Weise dasjenige sein, was durch die An­throposophische Gesellschaft fließt.

Je mehr dies eingesehen wird, desto gedeihlicher wird es für die anthroposophische Bewegung sein. Und ich darf sagen: Dadurch, daß damals zu Weihnachten jener Impuls bei den am Goetheanum Versammelten geherrscht hat, ist es seit jenem Weihnachten mög­lich geworden, einen ganz anderen Ton in die anthroposophische Bewegung zu bringen. Und zu meiner tiefen Befriedigung darf ich bemerken, daß an den verschiedenen Orten, wo ich bisher sein konnte, dieser Ton mit herzlichem Entgegenkommen überall auf­genommen worden ist. Man darf schon sagen: Was zu Weihnach­ten übernommen worden ist, war in gewissem Sinne ein Wagnis. Denn es war eine gewisse Eventualität vorhanden: diese, daß viel­leicht - dadurch, daß die Leitung der Anthroposophischen Gesell­schaft unmittelbar zusammengebracht wurde mit der Vertretung des spirituellen Weisheitsgutes - jene geistigen Mächte, welche in der geistigen Welt die anthroposophische Bewegung leiten, ihre Hände hätten abziehen können. Es darf gesagt werden, daß dies nicht der Fall war, sondern das Gegenteil ist der Fall: Mit einer größeren Gnade, mit einem höheren Wohlwollen kommen diese geistigen Mächte demjenigen entgegen, was durch die anthropo­sophische Bewegung fließt. Es liegt auch in einem gewissen Sinne ein Versprechen vor gegenüber der geistigen Welt. Dieses Verspre­chen wird in unverbrüchlicher Weise erfüllt werden, und man wird sehen, daß in der Zukunft die Dinge geschehen werden, wie sie der geistigen Welt gegenüber versprochen wurden. So daß nicht nur der anthroposophischen Bewegung, sondern auch der Anthropo­sophischen Gesellschaft gegenüber dem Vorstande eine Verantwor­tung auferlegt ist.

Nur diese paar Worte wollte ich vorausschicken, um sogleich etwas anzuschließen, was nunmehr gesagt werden kann und was

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von der Art ist, daß es Inhalt werden kann der anthroposophischen Bewegung. Ich möchte etwas sprechen, was zusammenhängt mit dem Karma der Anthroposophischen Gesellschaft selbst.

Wenn wir heute ins Auge fassen, wie die Anthroposophische Gesellschaft als die Verkörperung der anthroposophischen Bewe­gung in der Welt drinnensteht, dann sehen wir, daß eine Anzahl von Menschen innerhalb dieser Anthroposophischen Gesellschaft zusammenkommt. Wer ein Auge dafür hat, der sieht, daß noch andere Menschen in der Welt da sind - überall findet man solche Menschen -, die nach ihrem Karma auch die Vorbedingungen dazu haben, an die Anthroposophische Gesellschaft heranzukommen. Sie finden zunächst Hindernisse, sie finden nicht in vollem Sinne so-gleich den Weg zu ihr; aber sie werden ihn, entweder in dieser In­karnation oder in der nächsten, schon finden. Das aber müssen wir ins Auge fassen: daß diejenigen Menschen, die durch ihr Karma an die anthroposophische Bewegung herankommen, für diese Bewe­gung vorbestimmt sind.

Alles das nun, was hier innerhalb der physisch-sinnlichen Welt geschieht, hat sein Vorgeschehen in geistigen Welten. Nichts ge­schieht hier in der physischen Welt, was nicht vorher in geistiger Art in der geistigen Welt vorbereitet ist. Und das ist gerade das Bedeutungsvolle: Was mit dem zwanzigsten Jahrhundert hier auf der Erde sich vollzieht als das Zusammenströmen einer Anzahl von Persönlichkeiten zu der Anthroposophischen Gesellschaft, das hat sich in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts dadurch vorbereitet, daß die Seelen dieser heute verkörperten Menschen, die da in großer Anzahl zusammenströmen, als sie noch nicht in die physisch-sinnliche Welt herabgestiegen waren, im Geistigen ver­einigt waren. Und es ist dazumal in den geistigen Welten von einer Anzahl von Seelen, zusammen wirkend, eine Art von Kultus gepflegt worden, - ein Kultus, der die Vorbereitung für diejenigen Sehn-suchten war, die in den Seelen aufgetreten sind, welche in Leibern jetzt zur Anthroposophischen Gesellschaft zusammenströmen. Und wer die Gabe hat, die Seelen in ihren Leibern wiederzuerkennen, der erkennt sie, wie sie in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts

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mit ihm zusammen gewirkt haben, als in der übersinn­lichen Welt hingestellt worden sind mächtige kosmische Imagina­tionen, welche dasjenige darstellen, was ich nennen könnte: das neue Christentum. Da waren - wie jetzt hier in Leibern auf Erden -die Seelen vereinigt, um sich aus dem, was ich die kosmische Sub­stantialität und die kosmischen Kräfte nennen möchte, in Realität dasjenige zusammenzufügen, was in mächtigen Bildern kosmische Bedeutung hatte und was der Vorklang desjenigen war, das sich hier als Lehre, als anthroposophisches Tun auf der Erde voll­ziehen soll. Ich möchte sagen: die weitaus meisten der Anthropo­sophen, die beisammensitzen, könnten, wenn sie diesen Tatbestand durchschauen würden, einander sagen: Ja, wir kennen uns, wir waren in geistigen Welten zusammen und haben in einem über­sinnlichen Kultus mächtige kosmische Imaginationen zusammen gehabt!

Aber alles, was so als Seelen in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zusammengeströmt war, um das vorzubereiten, was auf der Erde anthroposophische Bewegung werden sollte, alles das bereitete im Grunde genommen dasjenige vor, was ich immer wie­der genannt habe: die Michael-Strömung, die im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts aufgetreten ist und die den bedeutend­sten geistigen Einschlag in der neueren Entwickelungsströmung der Menschheit bildet. Michael-Strömung: Michael die Wege vorzu­bereiten für sein irdisch-himmlisches Wirken - das war die Aufgabe der Seelen, die da zusammen waren.

Diese Seelen aber waren wieder veranlaßt zusammenzukommen durch das, was mit ihnen durch lange, lange Zeit - durch Jahrhun­derte, bei vielen durch Jahrtausende - vorgegangen war. Und innerhalb dieser Seelen finden sich hauptsächlich zwei Gruppen. Die eine Gruppe ist die, welche in den ersten christlichen Jahr­hunderten dasjenige Christentum durchgemacht hat, das eben in dieser Zeit in Südeuropa, zum Teil auch in Mitteleuropa verbreitet war. Dieses Christentum hatte noch für seine Gläubigen einen Christus im Auge, der angeschaut worden ist als der große göttliche Sendbote, der von der Sonne auf die Erde heruntergestiegen ist, um

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weiterhin unter den Menschen zu wirken. Als der «große Sonnen­gott» wurde - mit mehr oder weniger größerem oder geringerem Verständnis - von den ersten Christen der ersten Jahrhunderte die­ser Christus angesehen.

Aber es war in diesen ersten christlichen Jahrhunderten nicht mehr dasjenige da, was einmal in der Menschheit instinktives Hell-sehen war. Man sah nicht mehr in der Sonne das große geistige Reich, in dessen Mittelpunkt einmal der Christus gelebt hat. An der Stelle der alten instinktiven hellseherischen Einsichten von dem Herunterstieg des Christus auf die Erde griff gerade in den ersten christlichen Jahrhunderten dasjenige Platz, was bloße Tradition war, Tradition davon, daß der Christus von der Sonne auf die Erde her­untergestiegen ist und sich mit dem Jesus von Nazareth im physi­schen Leibe vereinigt hat. Die Masse dieser Christen hatte nichts mehr als die Vorstellung, daß einmal in Palästina eine Wesenheit gelebt hatte, der Christus-Jesus, über dessen Natur und Wesenheit, ob er Gott oder Gott und Mensch zugleich oder etwas Ähnliches gewesen war, man anfing, in den Konzilien zu streiten. Die Masse der Menschen hatte immer mehr und mehr nur das, was man von Rom aus diktierte.

Aber da lebten unter der Masse dieser Christen einzelne, die immer mehr als Ketzer angesehen wurden. Sie hatten noch die lebendig-traditionelle Erinnerung daran, daß der Christus ein Son­nenwesen war und daß einmal ein der Erde ganz fremdes Wesen, eben ein Sonnenwesen, auf die Erde heruntergestiegen ist in diese physisch-sinnliche Welt. Diese Seelen sind in den Jahrhunderten bis zum siebenten, achten nachchristlichen Jahrhundert immer mehr und mehr in die Lage versetzt worden, daß sie sich sagten: Was nun als Christentum nachkommt, das versteht eigentlich den Christus nicht mehr! - Diese ketzerischen Seelen, sie wurden, man möchte sagen, Christentum-müde. Und es gab einfach solche Seelen, die in den ersten christlichen Jahrhunderten, bis zum siebenten und achten hin, durch die Pforte des Todes gegangen sind, die Christentum­müde geworden waren. Für diese Seelen, gleichgültig, ob sie eine Zwischeninkarnation gehabt haben oder nicht, wurde maßgebend

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die Inkarnation, die sie in den ersten christlichen Jahrhunderten hatten. - Diese Seelen bereiteten sich vom achten, neunten Jahr-hundert ab in der geistigen Welt vor für jenes große, gewaltige Wirken, das ich eben andeutete, indem ich sagte: Eine Art über­sinnlicher Kultus fand statt in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. An diesem Kultus nahmen diese Seelen teil. Sie bil­den die eine Gruppe der Seelen, die zur Anthroposophischen Ge­sellschaft gekommen sin&

Die anderen Seelen sind solche, die ihre letzte maßgebende In­karnation in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten - nicht in den ersten christlichen - gehabt haben und die noch in den Myste­rien des alten, vorchristlichen Heidentums mit hellseherischem Blick hineinschauen konnten in die geistige Welt. Es waren solche Seelen, die in den alten Mysterien davon Kenntnis bekommen hat­ten, wie der Christus einst herabsteigen wird auf die Erde. Diese Seelen machten nicht die ersten Zeiten der christlichen Entwicke­lung auf der Erde durch, sondern sie waren während dieser Zeit im Übersinnlichen und kamen erst später, nach dem siebenten nach­christlichen Jahrhundert, zu einer maßgebenden Inkarnation. Das sind solche Seelen, die gewissermaßen vom Gesichtspunkte des Übersinnlichen aus das Hereintreten des Christus in die Erden-kultur mit angesehen haben. Sie waren die Christentum-Sehnsüch­tigen. Aber sie waren zugleich die, die mit starker Aktivität dahin wirken wollten, um ein echtes kosmisches, spirituelles Christentum in die Welt zu bringen.

Diese zweite Gruppe vereinigte sich mit den anderen Seelen zu jenem übersinnlichen Kultus, der in der ersten Hälfte des neun­zehnten Jahrhunderts stattfand. Es fand so die große kosmisch­spirituelle Feier statt, die durch viele Jahrzehnte dauerte und ein geistig-spiriruelles Geschehen in derjenigen Welt bildete, die un­mittelbar an die physische angrenzt. Die Seelen waren da, die dann herabstiegen, die entweder als Christentum-müde oder als Christen­tum-sehnsüchtige Seelen in der übersinnlichen Welt für die nächste Erdeninkarnation zusammengewirkt hatten. Dann kamen sie gegen das Ende des neunzehnten Jahrhunderts zur Inkarnation und waren,

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indem sie auf die Erde herabstiegen, vorbereitet dazu, in die Anthro­posophische Gesellschaft zu kommen.

Alles das wurde aber eben durch Jahrhunderte vorbereitet. Hier auf der Erde hatte sich allmählich ein Christentum herausgebildet, welches die Evangelien so nahm, als ob sie nur von einem Wesen -Jesus von Nazareth - sprächen, das von irgendwelchen abstrakten Höhen her den Christus verkünden sollte. Man hatte keine Ahnung mehr, wie die Sternenwelt als der Ausdruck des Geistigen zusam­menhängt mit der geistigen Welt, konnte daher auch nicht ver­stehen, was es bedeutet: der Christus, als ein göttlicher Sonnenheld, sei in den Jesus heruntergestiegen, um das Schicksal der Menschen zu teilen. - Für diejenigen, welche heute nach der üblichen Weise die Geschichte betrachten, sind ja gerade die allerwichtigsten Tat­sachen nicht da. Vor allen Dingen ist kein rechtes Verständnis vor­handen für diese

So waren also zwei Strömungen namentlich da. Einmal jene Strö­mung, die direkt hervorgeht aus den ketzerischen Bewegungen der

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ersten Jahrhunderte des Christentums. Diese Seelen waren noch durch das angeregt, was im alten griechischen Platonismus lebte. Sie waren so angeregt, daß, wenn durch die Mitteilungen aus den alten Zeiten der innere seelische Durchbruch kam, sie immerhin, wie eben unter einer zwar schwachen, aber doch vorhandenen Inspi­ration, hineinschauen konnten in das Herabsteigen und in das Wir­ken des Christus auf Erden. Es war die platonische Strömung. Die andere Strömung war zu etwas anderem ausersehen. Ihr gehörten namentlich diejenigen Seelen an, die ihre letzte maßgebliche Inkar­nation in der vorchristlichen Zeit durchgemacht hatten und damals das Christentum als etwas Künftiges angeschaut hatten. Es war das die Strömung, die den Intellekt vorzubereiten hatte für dasjenige Zeitalter, das ich immer bezeichnet habe als in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts beginnend. Da sollte das Zeitalter der Bewußtseinsseele heraufkommen, das Zeitalter, in welchem der menschliche Intellekt ausgebildet werden sollte. Das war im Gegen­satz zu den Platonikern - aber im harmonischen Gegensatz zu ihnen - vorbereitet durch die Aristoteliker. Und diejenigen, welche die aristotelische Lehre fortpflanzten bis ins zwölfte Jahrhundert, das waren noch die, welche ihre eigentliche maßgebende Inkarnation in der alten Heidenzeit, namentlich im Griechentum durchgemacht hatten. - Und dann kam - in der Mitte des Mittelalters, im zwölf­ten und dreizehnten Jahrhundert - die große, die wunderbare, möchte ich sagen, Auseinandersetzung zwischen den Platonikern und den Aristotelikern. Und unter diesen Platonikern und Aristo­telikern waren auch die Führer derjenigen, die als die zwei Grup­pen von Seelen, die ich bezeichnet habe, die anthroposophische Be­wegung forderten.

Gegen das zwölfte Jahrhundert hin bildete sich, wie durch eine innere Notwendigkeit, eine gewisse Schule aus, in der namentlich der Nachklang des alten platonischen Schauens auflebte. Das war die große, die herrliche Schule von Chartres. Sie hatte die großen Vertreter, welche noch Nachrichten hatten von den Geheimnissen des ersten Christentums; sie hatte diejenigen Vertreter, in deren Herzen und Seelen aus solchen Nachrichten dasjenige aufglänzte,

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was sie hineinschauen ließ in die geistigen Zusammenhänge, in die das Christentum hineingestellt war. In der Schule von Chartres in Frankreich, wo der herrliche, in so vielen großen Einzelheiten aus­geführte Dom von Chartres ist, vereinigte sich, konzentrierte sich das, was kurz vorher, eben in kleinen Kreisen noch, viel verbreitet war. Wenn wir einen derjenigen nennen wollen, an den die Schule von Chartres anknüpfen konnte, die insbesondere am Ende des elften und im zwölften Jahrhundert blühte, so müssen wir nennen Peter von Compostella, der in inspirierten Einsichten in seiner eigenen Seele, in seinem eigenen Herzen das alte spirituelle Chri­stentum erneuerte. Und neben ihm erleben wir eine ganze Reihe von wunderbaren Gestalten, die in Chartres lehrten. In diesem zwölften Jahrhundert gab es in der Schule von Chartres ganz merk-würdige Töne über das Christentum. Da haben wir zum Beispiel Bernadus von Chartres, Bernardus Sylvestris, Johann Salisbury; da gab es aber namentlich den großen Alanus ab Insulis. Gewaltige Lehrer! Wie wenn Plato, interpretierend das Christentum, persön­lich unter diesen Geistern gewirkt hätte, so sprachen sie in der Schule von Chartres. Sie lehrten den spirituellen Gehalt des Chri­stentums. Die Schriften, die von ihnen herrühren, erscheinen viel­leicht den heutigen Menschen, wenn sie sie lesen, abstrakt, was aber nur herkommt von der Abstraktheit der Seelen der heutigen Men­schen. Die Schriften dieser großen Persönlichkeiten schildern die gei­stige Welt durchaus mit dem Einschlag des Christus. Und ich möchte Ihnen jetzt, meine lieben Freunde, so etwas vor die Seele hinstellen, wie es gelehrt wurde ganz besonders von Bernardus Sylvestris, von Alanus ab Insulis vor den eingeweihten Schülern. So paradox sich das für den heutigen Menschen ausnimmt - aber solche Erscheinungen gab es damals für den Schüler von Chartres.

Da wurde gelehrt: Das Christentum wird eine Erneuerung fin­den. Es wird in seinem geistigen Gehalt wieder verstanden werden, wenn das Kaliyuga, das finstere Zeitalter, abgelaufen sein wird und ein neues Zeitalter angebrochen sein wird. Das aber ist mit dem Jahre 1899 für uns Heutige nunmehr abgelaufen; darum der heu­tige Umschwung, der mit dem Ablauf des Kaliyuga für die Menschheit

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geschehen sollte, der ungeheure Impuls, der zwei Jahrzehnte vorher durch das Eingreifen des Michael geschehen ist. Er wurde in der Schule von Chartres im zwölften Jahrhundert bereits pro­phetisch vorausgesagt, insbesondere von Bernardus Sylvestris und Alanus ab Insulis. Aber diese Menschen lehrten nicht aristotelisch, sie lehrten nicht mit dem Intellekt. Sie lehrten ganz und gar in mächtigen Bildern, die sie vor ihren Zuhörern entrollten, - Bilder, in denen anschaulich das hingestellt wurde, was spiritueller Gehalt des Christentums ist. Aber gewisse prophetische Lehren gab es. Und von einer solchen möchte ich ganz im Auszuge etwas vor Ihre Seelen hinstellen.

Da sagte Alanus ab Insulis zu einem engen Kreise seiner einge­weihten Schüler: Wir schauen heute die Welt so an, daß wir noch die Mittelpunktstellung der Erde erkennen, daß wir von der Erde aus alles beurteilen. Wenn man mit dieser irdischen Anschauung, die uns zu unseren Bildern, zu unseren Imaginationen befähigt, die folgenden Jahrhunderte allein befruchten wurde, dann würde die Menschheit nicht fortschreiten können. Wir müssen ein Bündnis eingehen mit den Aristotelikern, die in die Menschheit den Intellekt hereinbringen, der dann spiritualisiert werden soll und im zwanzig­sten Jahrhundert in einer neuen spirituellen Weise unter den Men­schen aufleuchten soll. Wenn wir jetzt die Erde als den Mittelpunkt des Kosmos anschauen, wenn wir die Planeten als um die Erde krei­send, wenn wir den ganzen Sternenhimmel, wie er sich zunächst auch für das physische Auge darbietet, so beschreiben, als wenn er sich drehen würde um die Erde, so wird aber doch einer kommen und wird sagen: Stellen wir einmal die Sonne räumlich in den Mit­telpunkt des Weltensystems! Dann aber, wenn dieser kommt, der die Sonne räumlich in den Mittelpunkt des Weltalls stellt, dann wird die Weltanschauung veröden. Die Menschen werden dann nur noch die Bahnen der Planeten ausrechnen, werden nur noch die Orte der Himmelskörper angeben. Die Menschen werden von den Himmelskörpern nur sprechen wie von Gasen oder physischen Kör­pern, die da brennen und brennend leuchten; sie werden nur ganz mathematisch-mechanisch etwas von dem Sternenhimmel wissen.

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Aber das, was da als öde Weltanschauung sich ausbreiten wird, das hat doch eines - ein Armseliges -, aber eines hat es: Wir schauen von der Erde aus die Welt an; der, der da kommen wird, wird von der Sonne aus die Welt anschauen. Er wird sein wie einer, der nur die «Richtung» angibt, die Richtung auf einen großartig bedeutsamen, mit den wunderbarsten Ereignissen und wunderbarsten Wesen­heiten ausgestalteten Weg. Aber er gibt nur die abstrakte Richtung an; damit war auf die kopernikanische Weltanschauung hingedeu­tet, in ihrer Öde, in ihrer Abstraktheit, aber als Richtung, denn alles das muß zuerst fort, was wir mit unseren Imaginationen vertre­ten, so sagte Alanus ab Insulis; das muß fort, und gewissermaßen ganz abstrakt muß das Weltbild werden, fast nur wie ein Meilen-zeiger auf einem Wege mit wunderbaren Denkmälern. Denn da wird in der geistigen Welt einer sein, der diesen Meilenzeiger, der für die Erneuerung der Welt nichts anderes haben wird als Rich­tung, nehmen wird, damit er dann, mit dem Intellektualismus zu­sammen, die neue Spiritualität begründen kann, einer, der nichts wird brauchen können als diesen Meilenzeiger. Das aber wird sein, wie Alanus ab Insulis sagte, Sankt Michael! Für ihn muß das Feld frei werden; er muß den Weg mit neuen Saaten besäen. Dazu muß nichts anderes da sein als Linie, mathematische Linie.

Es ging etwas wie ein Zauber durch die Schule von Chartres, wenn Alanus ab Insulis so etwas vor nur wenigen Schülern lehrte. Aber es war ja so, wie wenn die ätherische Welt ringsumher yon den Wellenschlägen dieser mächtigen Michaels-Lehre ergriffen wor­den wäre.

So breitete sich aus, über den Westen Europas bis in den Süden Italiens, was dieser Welt die geistige Atmosphäre gab. Und man­chen gab es, der es dann auffassen konnte, in dessen Seele etwas aufstieg wie eine mächtige Inspiration und der dann noch hinein­schauen konnte in die geistige Welt.

Aber es ist ja so in der Entwickelung der Welt, daß die, welche in die großen Geheimnisse des Daseins eingeweiht sind, wie bis zu einem gewissen Grade Alanus ab Insulis und Bernardus Sylvestris, wissen: in beschränktem Maße kann man immer nur dies oder jenes

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tun! Ein solcher Mensch wie Alanus ab Insulis sagte sich: Wir, die Platoniker, müssen durch die Pforte des Todes gehen, wir können zunächst nur in der geistigen Welt leben. Wir müssen herab-schauen aus der geistigen Welt und die physische Welt anderen überlassen, denjenigen, die in aristotelischer Weise den Intellekt ausbilden. Der muß jetzt fortgepflegt werden. Alanus ab Insulis nahm in vorgerücktem Alter noch das Cisterzienser-Ordenskleid an, er wurde Cisterzienser. Und im Cisterzier'ser-Orden war vieles von solchen Lehren. Aber gerade diejenigen unter den Cisterziensern, welche die tieferen Einsichten hatten, sagten sich: Wir können fortan nur von der geistigen Welt aus wirken, wir müssen das Feld den Aristotelikern überlassen.

Diese Aristoteliker wurden hauptsächlich die Dominikaner. Und so ging an sie im dreizehnten Jahrhundert die Führung in der gei­stigen Welt Europas über. Aber es war, ich möchte sagen, noch etwas, das bedeutsam in das europäische Geistesleben eingriff, zu­rückgeblieben gerade von diesen Geistern: Peter von Compostella, Alanus ab Insulis, Bernardus von Chartres, Johann Salisbury und jenem Dichter, der von den sieben freien Künsten ein bedeutendes Gedicht aus der Schule von Chartres heraus verfaßte. Was in der Schule von Chartres vorging, es war ja so wirksam, daß es zum Bei­spiel bis an die Universität von Orléans herunterwirkte, wo in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts manches in lehrhafter Weise von dem durchdrang, was in so großen, gewaltigen Bildern wie mit Silberworten von des Bernardus Sylvestris, von des Alanus ab Insulis Munde floß an die Schüler von Chartres. Aber ich möchte sagen, die geistige Atmosphäre war soweit durchdrungen von diesem, daß einmal ein Mensch, der als Italiener von seiner spanischen Gesandtenstellung zurückkam und bei seiner Rückkehr, als er seiner Heimat zueilte, von der Vertreibung der Welfenherr­schaft daselbst erfuhr, wozu noch ein leichter Sonnenstich hinzu­kam, bei Florenz in die Lage kommen konnte, daß sein Ätherleib aussetzte, und auffing, was gewissermaßen aus der Schule von Chartres ätherisch herüberwehte, was davon erhalten geblieben war. Und er bekam durch das, was so zu ihm ätherisch herüber-

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wehte, etwas wie eine Intuition, eine Intuition, wie sie bei vielen in den ersten christlichen Jahrhunderten vorhanden war. Er sah zu­nächst vor sich ausgebreitet die irdische Welt, wie sie um den Men­schen herum ist, aber nicht beherrscht, wie man später sagte, von Naturgesetzen, sondern beherrscht von der großen Gehilfin des göttlichen Demiurgos, von der Natura, welche die Nachfolgerin der Proserpina in den ersten christlichen Jahrhunderten war. Damals gab es nicht abstrakte Naturgesetze; da schauten die Eingeweihten wesenhaft das, was in der Natur wirkte als eine umfassende gött­liche Macht. In den griechischen Mysterien wurde die Proserpina, die ihre Zeit teilt zwischen Oberwelt und Unterwelt, dargestellt als die die Natur beherrschende Macht. Ihre Nachfolgerin in den ersten christlichen Jahrhunderten war die Göttin Natura.

Nachdem jene Persönlichkeit, die durch Sonnenstich und durch das Herüberwehen dessen, was in der Schule von Chartres gepflegt wurde, so hineingeschaut hatte in das Leben und Weben der Göttin Natura und dann weiter diese Intuition auf sich wirken ließ, schaute sie das Wirken der Elemente, Erde, Wasser, Luft, Feuer, wie man es in den alten Mysterien gesehen hat: das machtvolle Weben der Elemente. Dann sah sie die Geheimnisse der Menschenseele, sah jene sieben Mächte, von denen man wußte, daß sie die großen himmlischen Unterrichter des Menschengeschlechtes sind. Das wußte man in den ersten christlichen Jahrhunderten. Damals hat man nicht von solchen abstrakten Lehren gesprochen, wie das heute geschieht, wo man irgend etwas durch Begriffe und Ideen lehrt. In diesen ersten christlichen Jahrhunderten sprach man davon, daß man aus der geistigen Welt unterrichtet wird durch die Göttinnen Dialektik, Rhetorik, Grammatik, Arithmetik, Geometrie, Astrologie oder Astronomie und Musika. Diese sieben stellte man nicht ab­strakt vor, wie in späterer Zeit: sie schaute man, sie sah man vor sich, ich kann nicht sagen leibhaftig, aber seelenhaftig. Man ließ sich unterrichten von diesen himmlischen Gestalten. Später erschie­nen sie den Menschen nicht mehr als die lebendigen Göttinnen Dialektik, Rhetorik und so weiter in einer einsamen Vision, son­dern in abstrakten Formen, in abstrakt-theoretischen Lehren.

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Diese Persönlichkeit, von der ich jetzt spreche, sie hat das alles noch auf sich wirken lassen. Und sie wurde dann eingeführt in die Planetenwelt, die zu gleicher Zeit die Geheimnisse der mensch­lichen Seele enthüllt. Und in der Sternenwelt, nachdem sie durch­gegangen war durch den großen Weltenozean, wurde sie geführt durch ()vid, der durch die Pforte des Todes gegangen war und der Führer der Seelen in der geistigen Welt geworden war. Diese Per­sönlichkeit, Brunetto Latini, wurde der Lehrer des Dante. Und was Dante von Brunetto Latini gelernt hat, das hat er dann in seiner poetischen Weise in der Divina Commedia niedergelegt. So ist also das große Gedicht Divina Commedia ein letzter Abglanz dessen, was in platonischer Weise an einzelnen Stätten weiterlebte und was aus Sylvestris' Munde in der Schule von Chartres im zwölften Jahr­hundert noch von solchen gelehrt wurde, die durch die alten Mit­teilungen angeregt worden sind, so daß ihnen die Geheimnisse des Christentums aufgingen wie in besonderen Inspirationen, die sie dann durch die Worte ihren Schülern mitteilen konnten.

Was Alanus ab Insulis in den Cisterzienser-Orden hineingeleitet hat, das ging dann über an die Dominikaner, die namentlich den Intellekt, in Anknüpfung an Aristoteles, pflegten. Aber es gab da eine Zwischenzeit: Im zwölften Jahrhundert blühte die Schule von Chartres, und im dreizehnten Jahrhundert begann im Dominikaner-Orden das mächtige Wirken für die Scholastik im Sinne des Ari­stotelismus. Die, welche als die großen Lehrer der Schule von Chartres durch die Pforte des Todes hinaufgingen in die geistige Welt, sie waren dort noch eine Weile zusammen mit den durch die Geburt herabsteigenden Dominikanern, die dann nach ihrem Herab­steigen hier den Aristotelismus begründeten. Daher müssen wir also hinschauen auf eine Zwischenzeit, wo wie in einem großen himm­lischen Konzil die letzten großen Lehrer von Chartres, nachdem sie durch die Pforte des Todes gegangen waren, beisammen waren mit denen, die als Dominikaner den Aristotelismus pflegen sollten, be­vor diese letzteren heruntergestiegen waren. Da wurde in der gei­stigen Welt der große «himmlische Vertrag» geschlossen. Die, welche da unter der Führung des Alanus ab Insulis hinaufgekommen

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waren in die geistige Welt, sie sagten den heruntersteigenden Aristotelikern: Unsere Zeit ist jetzt nicht auf der Erde; wir haben zunächst hier von der geistigen Welt aus zu wirken. Wir können gar nicht in irgendwelche Inkarnationen in der nächsten Zeit auf die Erde herabsteigen. Eure Aufgabe ist es jetzt, den Intellekt zu pflegen im aufgehenden Bewußtseinsseelen-Zeitalter.

Dann kamen sie herunter, die großen Scholastiker, und führten dasjenige aus, was sie mit den letzten großen Platonikern der Schule von Chartres ausgemacht hatten. Manches Bedeutende trug sich da zu. Einer, der als einer der früheren heruntergekommen war, bekam zum Beispiel eine Botschaft durch einen anderen, der noch länger als er in der geistigen Welt bei Alanus ab Insulis geblieben war, das heißt bei derjenigen geistigen Individualität, die früher Alanus ab Insulis war. Der später Herunterkommende brachte diese Botschaft, das heißt, er wirkte zusammen mit dem Älteren, und es begann so auf der Erde die Vorbereitung für das intellektualistische Zeitalter, das ja im Dominikaner-Orden seinen Anfang genommen hat. Ge­rade der, welcher etwas länger bei Alanus ab Insulis in der geistigen Welt geblieben war, zog zuerst das Cisterzienser-Ordenskleid an und wechselte es erst später mit dem Dominikaner-Kleid. So wirk­ten also nunmehr auf der Erde diejenigen, die einstmals unter dem Einilusse desjenigen standen, was bei Aristoteles herausgekommen war, und oben «wachten» gewissermaßen, aber im Zusammen-hange mit den auf der Erde wirkenden Aristotelikern, die Plato­niker, die in der Schule von Chartres waren. Die geistige Welt ging mit der physischen Welt Hand in Hand. Es war gleichsam wie ein Handreichen der Aristoteliker mit den Platonikern durch das drei­zehnte, vierzehnte, fünfzehnte Jahrhundert hin. Und dann waren ja auch schon wieder viele von denen, die heruntergestiegen waren, um in Europa den Aristotelismus einzuleiten, droben bei den anderen.

Aber die weitere Entwickelung ging so vor sich, daß sowohl die, welche in der Schule von Chartres die Führer waren, wie auch die, welche im Dominikaner-Orden die führenden Stellungen hatten, sich an die Spitze derjenigen stellten, welche in der ersten Hälfte

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des neunzehnten Jahrhunderts in jenem mächtigen übersinnlichen Kultus, der sich in den angedeuteten Bildern entfaltete, die spätere anthroposophische Strömung vorbereiteten. Es mußten zunächst diejenigen wieder heruntersteigen, die mehr oder weniger als Ari­stoteliker gewirkt hatten; denn unter dem Einfluß des Intellektua­lismus war noch nicht die Zeit gekommen, um die Spiritualität tieuerdings zu vertiefen. Aber es bestand eine unverbrüchliche Ab­machung, die weiter wirkt. Und nach dieser Abmachung muß aus dem, was anthroposophische Bewegung ist, etwas hervorgehen, was seine Vollendung vor dem Ablaufe dieses Jahrhunderts finden muß. Denn über der Anthroposophischen Gesellschaft schwebt ein Schicksal: das Schicksal, daß viele von denjenigen, die heute in der Anthroposophischen Gesellschaft sind, bis zu dem Ablaufe des zwanzigsten Jahrhunderts wieder herunterkommen müssen auf die Erde, dann aber vereinigt mit jenen auch, die entweder selbst füh­rend waren in der Schule von Chartres oder die Schüler von Chartres waren. So daß vor dem Ablaufe des zwanzigsten Jahr­hunderts, wenn die Zivilisation nicht in die völlige Dekadenz kom­men soll, auf der Erde die Platoniker von Chartres und die späteren Aristoteliker zusammenwirken müssen.

Das hat in der Zukuuft mit vollem Bewußtsein die Anthroposo­phische Gesellschaft in sich aufzunehmen: etwas zu verstehen von ihrem Karma. Denn vieles ruht ja im Schoße der geistigen Ent­wickelung der Menschheit, was insbesondere heute nicht an die Oberfläche des Daseins kommen kann. Es erscheint heute manches recht äußerlich; aber wenn man das, was äußerlich erscheint, er­kennen kann in seinen Symptomen, in seiner inneren Bedeutung, dann enthüllt sich gar manches von dem, was geistig in den Jahr­hunderten lebt. Ich darf da vielleicht einiges andeuten. Und warum sollte denn das jetzt, wo der esoterische Zug durch die Anthroposo­phische Gesellschaft gehen soll, nicht angedeutet werden? Ich möchte einiges andeuten, was Ihnen zeigen soll, wie ein Hin­schauen auf das, was um uns herum ist, Sie in mancherlei Zusam­menhänge hineinschauen läßt.

Wenn ich selber, vorbereitend die anthroposophische Bewegung,

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einen besonderen Schicksalsweg durchgemacht habe, so zeigte sich dieses in einem ganz merkwürdigen Zusammenhange mit dem Cisterzienser-Orden, der ja im Zusammenhange steht gerade mit Alanus ab Insulis. Ich bemerke für die, welche gerne Legenden bilden, daß ich mit Bezug auf meine eigene Individualität nichts zu tun habe mit Alanus ab Insulis. Ich möchte nur vermeiden, daß sich Legenden bilden aus dem, was ich esoterisch vorbringe. Es han­delt sich darum, daß diese Dinge aus dem Esoterischen heraus dar­gestellt werden. In einer ganz merkwürdigen Weise hat mich mein Schicksal durch die äußeren Ereignisse auf das hinblicken lassen, was solche spirituellen Zusammenhänge lehren konnten, die ich jetzt dargestellt habe. Vielleicht kennen einige von Ihnen die Auf­sätze «Mein Lebensgang» im «Goetheanum». Da mußte ich erzäh­len, wie ich in meiner Jugend nicht ein Gymnasium, sondern eine Realschule durchgemacht habe und mir die Gymnasialbildung erst später angeeignet habe. Ich muß das selber als eine merkwürdige Fügung meines Karma betrachten. Denn in der Stadt, wo ich meine Jugend durchmachte, waren nur ein paar Schritte vom Gymnasium zur Realschule, und um ein Haar handelte es sich, daß ich nicht in die Realschule, sondern ins Gymnasium gekommen wäre. Wäre ich aber damals in jener Stadt in das Gymnasium gekommen, so wäre ich Cisterzienser-Ordenspriester geworden. Das ist ganz zwei­fellos. Denn es war dies ein Gymnasium, an dem nur Cisterzienser lehrten. Ich hatte gar einen tiefen Hang zu allen diesen Patres, die auch zum großen Teile außerordentlich gelehrte Menschen waren. Ich las vieles, was diese Patres schrieben, es berührte mich außer-ordentlich tief; ich liebte diese Patres. Und eigentlich bin ich nur dadurch sozusagen neben dem Cisterzienser-Orden vorbeigegangen, daß ich gar nicht in das Gymnasium gekommen bin. Das Karma führte mich anders; aber der Cisterzienser-Orden ließ mich nicht los. Das beschreibe ich auch. Ich war eine Natur, die immer gesellig lebte, und ich erzähle in meinem Lebensgange auch, daß ich später im Hause der Marie Eugenie delle Grazie mit fast allen Theologen dort verkehrte. Das waren fast alles Cisterzienser-Ordenspriester. Da bildete sich sozusagen die Perspektive aus, um zurückzugehen.

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Es war auch persönlich für mich sehr naheliegend: der Blick, die Perspektive bildete sich aus, durch die Strömung des Cisterzienser­Ordens zurück in das geistige Leben hineinzukommen bis in die Schule von Chartres. Denn Alanus ab Insulis war ein Cisterzienser. Und es ist merkwürdig: Als ich dann später das erste meiner Myste­riendramen, «Die Pforte der Einweihung», schrieb, da konnte ich aus ästhetischen Notwendigkeiten heraus gar nicht anders, als die Frauen in einer Bekleidung auf die Bühne zu bringen, die in einer langen Tunika und in dem bestand, was Stola genannt wird. Wenn Sie sich also ein solches Kleid so vorstellen, daß Sie eine gelblich-weiße Tunika haben, dazu die Stola schwarz und die Binde schwarz

- dann haben Sie das Cisterzienser-Ordenskleid. Ich dachte damals nur an ästhetische Notwendigkeiten; aber es kam diese Bekleidung dem Cisterzienser-Ordenskleid sehr nahe. Da haben Sie einen Hin­weis darauf, wie sich die Zusammenhänge für den ergeben, der in der äußeren Welt auftretende Symptome ihrer inneren spirituellen Bedeutung nach verfolgen kann.

Zu Weihnachen wurde damit begonnen, diese inneren Zusam­menhänge immer mehr und mehr zu enthüllen. Sie müssen an den Tag kommen, denn die Menschheit wartet auf die Erkenntnis des Inneren, nachdem sie durch viele Jahrhunderte hindurch nur Äuße­res erfahren hat und heute die Zivilisation in einer furchtbaren Lage ist. Unter dem vielen, was da kommen wird, muß der Hinweis stehen darauf, wie auf der einen Seite die Schule von Chartres ge­wirkt hat, wie die in dieser Schule Eingeweihten durch die Pforte des Todes gegangen sind, in der geistigen Welt noch diejenigen Seelen getroffen haben, die später das Dominikaner-Ordenskleid getragen haben, um den Aristotelismus mit seiner Intellektualität auszubreiten, um in kraftvoller Weise das Zeitalter der Bewußtseins-seele vorzubereiten. Und so haben wir, ich möchte sagen, fort­wirkend in der Anthroposophischen Gesellschaft den Aristotelis­mus, nur heute spiritualisiert, und seine weitere Spiritualisierung erwartend. Dann werden, am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, diejenigen kommen, von denen heute so mancher da ist, aber ver­einigt mit jenen, welche die Lehrer der Schule von Chartres waren.

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Dahin zielt die anthroposophische Bewegung: beide in sich zu ver­einigen. Aristotelismus in den Seelen, die vorzugsweise im alten Heidentum in Erwartung des Christentums standen und Christen­tum-sehnsüchtig gelebt haben, bis sie als Dominikaner das Christen­tum durch die Intellektualität verkünden konnten; sie werden ver­einigt sein mit denjenigen, welche das Christentum noch in physi­scher Weise erlebt haben und deren bedeutendste Führer vereinigt waren in der Schule von Chartres. Diese letztern waren bisher nicht in einer Inkarnation, obwohl ich bei meinem Nahetreten dem Cisterzienser-Orden immer Inkorporationen von manchen derjeni­gen antreffen konnte, die in der Schule von Chartres waren. Denn im Cisterzienser-Orden begegnete man mancher Persönlichkeit, die nicht eine Wiederverkörperung eines Schülers von Chartres war, die aber Augenblicke im Leben hatte, wo sie in begeisterter Weise für Stunden, für Tage durchsetzt war von einer solchen Individuali­tät aus der Schule von Chartres. Inkorporationen also, nicht In­karnation lag da vor. Und Wunderbares ist da geschrieben worden, wovon man fragen muß: Wer ist der Schriftsteller? Der Schrift­steller ist nicht der Pater, der damals im Cisterzienser-Orden war, in dem blaßgelben Kleid mit der schwarzen Stola und schwarzen Binde; sondern der Schriftsteller ist in diesem Falle jene Persönlich­keit, die für Stunden oder für Tage oder Wochen in der Seele eines solchen Cisterzienser-Ordensbruders Platz gegriffen hatte. Davon hat dann noch manches nachgewirkt in solchen Aufsätzen oder Schriften, die wenig in der Literatur bekannt geworden sind. Ich selber habe ein merkwürdiges Gespräch gehabt, von dem ich auch in «Mein Lebensgang» erzählt habe, mit einem Angehörigen des Cisterzienser-Ordens, der ein außerordentlich gelehrter Mann war. Wir gingen aus einer Gesellschaft fort und sprachen über das Chri­stus-Problem. Ich setzte meine Ideen darüber auseinander, die im wesentlichen dieselben waren, die ich immer vortrage. Er sagte, indem er unruhig wurde, während ich dies auseinandersetzte: Wir mögen vielleicht auf so etwas kommen; wir werden uns nicht ge­statten, so etwas zu denken. - In ähnlicher Weise sprach er sich über andere Probleme der Christologie aus. Aber dann blieben wir

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- der Moment steht mit großer Lebendigkeit vor meiner Seele -in Wien, dort wo der Schottenring und der Burgring aneinander­grenzen, auf der einen Seite die Hofburg, auf der anderen Seite das Hôtel de France und die Votiv-Kirche, etwas stehen, und da sagte der Mann zu mir: «Ich möchte, daß Sie mit mir gehen. Ich werde Ihnen aus meiner Bibliothek ein Buch geben; da steht etwas Merk­würdiges drin, was an das anknüpft, was Sie jetzt eben sagten.» Ich ging mit. Der Mann gab mir ein Buch über die Drusen. Aus dem ganzen Zusammenhange unseres Gespräches mit dem der Lektüre dieses Buches erfuhr ich, daß dieser grundgelehrte Mensch, als ich, von der Christologie ausgehend, auf die wiederholten Erdenleben zu reden kam, in einer ganz merkwürdigen Weise wie entgeistert war und, als er zu sich gekommen war, sich bloß erinnerte: er hat ein Buch über die Drusen, in dem steht etwas von der Wieder-verkörperung. Aus dem einen einzigen Buche wußte er das. Er war so gelehrt, daß man - er war schon Hofrat an der Wiener Universi­tät - von ihm sagte: «Der Hofrat N. N. kennt die ganze Welt und noch drei Dörfer» - so gelehrt war er -, aber er wußte nicht mehr in seiner Leiblichkeit, als daß in einem Werke über die Drusen etwas über die wiederholten Erdenleben steht. Das ist der Unter­schied zwischen dem, was die Menschen in ihrem Unterbewußtsein haben, und dem, was als die geistige Welt durch die Menschen­seelen strömt. - Und dann kam das Merkwürdige, daß ich einmal Ln Wien einen Vortrag hielt. Dieselbe Persönlichkeit war dabei, und nach dem Vortrage machte sie eine Bemerkung, die gar nicht anders aufzufassen war, als daß der Mann in diesem Augenblicke ein volles Verständnis hatte für einen Menschen der Gegenwart und für die Beziehung dieses Menschen der Gegenwart zu seiner früheren In­karnation. Und was er da über den Zusammenhang von zwei Erden-leben sagte, das war richtig, war nicht falsch. Aber er verstand gar nichts; er sprach das nur.

Ich will mit diesem nur andeuten, wie spirituelle Bewegungen hereinragen in die Gegenwart. Das aber, was heute nur wie durch kleine Fenster hereinschaut, muß in der Zukunft durch jene Ver­bindung zwischen den Führern der Schule von Chartres und den

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Führern der Scholastik eine Einheit werden, wenn die spirituelle Erneuerung, die auch das Intellektuelle in das Spirituelle herauf­führt, mit dem Ende des zwanzigsten Jahrhunderts eintritt. Daß das eintrete, dürfen sich die Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts nicht verscherzen! Da aber alles heute vom freien Willen abhängt, so hängt, daß dies eintrete - namentlich ob die miteinander ver­bündeten Parteien herabsteigen können zur Wiederspiritualisierung der Kultur im zwanzigsten Jahrhundert - auch davon ab, ob die Anthroposophische Gesellschaft versteht, im rechten Sinne hin­gebend die Anthroposophie zu pflegen.

Das ist, was ich heute sagen wollte: wie die anthroposophische Strömung zusammenhängt mit dem tiefen Geheimnis des Zeitalters, welches mit dem Erscheinen des Christus in dem Mysterium von Golgatha begonnen hat und sich so weiterentwickelt hat, wie ich es jetzt geschildert habe. Darin wollen wir im zweiten Vortrage fortfahren.

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ERSTER VORTRAG Bern, 25. Januar 1924

Der Mensch verdankt sein gegenwärtiges Erdenleben - wir wissen ja,

daß er wiederholte Erdenleben durchmacht - zum Teil der äußeren

Welt, und zwar der äußeren Welt im weiteren Sinne; nicht nur dem,

was unmittelbar auf der Erde in den verschiedenen Reichen der Natur

um ihn ist, sondern auch demjenigen, was ihm aus den Gestirnen, aus

den Weiten des Kosmos zukommt. Das aber ist nur der eine Teil der

Welt, dem der Mensch sein gegenwärtiges Erdenleben verdankt; vor

allen Dingen verdankt er es auch dem anderen Teile, von dem er sich

aber in dieses Erdenleben nur innerlich die Ergebnisse, die Wirkungen

mitbringt: er verdankt es seinen früheren Erdenleben selber. Wir gliedern

ja den Menschen, wie Sie aus der anthroposophischen Literatur

wissen, zunächst in vier Glieder. Von seinem physischen Leib und von

seinem Ätherleib, von diesen beiden trennt sich der Mensch jedesmal,

wenn er in Schlaf übergeht; er trennt sich von seinem physischen und

Ätherleib mit seinem astralischen Leib und mit seinem Ich. Nur unser

physischer Leib und unser Ätherleib verdanken ihre ganze Wesenheit

der äußeren Welt, die sichtbar - oder wohl auch als Ätherwelt unsichtbar

- um uns ist. Dagegen, was der Mensch in sich trägt in seinem

astralischen Leib und in seinem Ich, das verdankt er im gegenwärtigen

Erdendasein eigentlich durchaus der Vorzeit, verdankt er dem, was er

in früheren Erdenleben mit der Welt durchgemacht hat.

Nun sind auch in der äußeren physischen Welt zwei Tore - lassen

Sie uns heute mit dieser kosmischen Betrachtung beginnen, um dann mit

einer recht menschlichen abzuschließen -, es sind, sage ich, in der physischen

Welt zwei Tore, durch die eigentlich das Menschenleben in seiner

Ganzheit hinausreicht aus dieser physischen Welt. Und diese zwei Tore

sind für uns Erdenbewohner auf der einen Seite der Mond, auf der anderen

Seite die Sonne.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, es ist ja so, daß die heutige äußere

Wissenschaft wirklich nur das Allergeringste von den außerirdischen

Himmelskörpern weiß. Sie weiß eben das Physische, das man durch

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Veiwaltung Buch: 240 Seite: 13

Rechnung bestimmen oder durch Instrumente beobachten kann. Denken

Sie nur einmal daran, was etwa ein Marsbewohner von der Erde

wüßte, wenn er in derselben Art wie die Erdenbewohner vom Mars oder

gar von anderen Sternen seine Kenntnisse von der Erde erwerben würde.

Er würde eben auch von der Erde nur so viel wissen: sie ist ein glimmend

leuchtender Körper, der in den "Weltenraum hinaus das von ihm zurückgeworfene

Sonnenlicht strahlt. Er würde vielleicht allerlei Hypothesen

aufstellen, ob auf der Erde Wesen sind, oder nicht Wesen sind - wie es

ja der Mensch für den Mars macht und so weiter. Aber der Erdenbewohner

weiß ja natürlich von der Erde selbst, daß er mit Wesen seinesgleichen,

mit Wesen anderer Reiche zusammen die Erde bewohnt. Derjenige

nun, der von den inneren geistigen Schicksalen der Erdenmenschheit

seine Kenntnisse holen kann, der kommt eben aus geistigen Untergründen

heraus zu einer tieferen Erkenntnis dessen, was die anderen

Himmelskörper, was zum Beispiel der Mond und die Sonne innerhalb

der Welt eigentlich bedeuten.

Lassen wir einmal vor unsere Seele treten, was in dieser physischseelisch-

geistigen Bedeutung über das Mondendasein zu sagen ist. Ich

muß an allerlei erinnern, das Sie nachlesen können in meiner «Geheimwissenschaft

im Umriß» und in verschiedenen Vortragszyklen, die

gedruckt sind. Wir wissen daraus, daß das Mondendasein einmal mit

dem irdischen Dasein verknüpft war. Das nimmt ja selbst heute die

äußere Wissenschaft an, wenigstens in ihren wichtigeren Vertretern,

daß der ganze physische Monden-Weltkörper sich einmal losgetrennt

hat von der Erde und sozusagen seinen eigenen Ort im Weltenraum

gewählt hat.

Aber die Geisteswissenschaft zeigt uns, daß nicht nur der physische

Mond sich von der Erde getrennt hat, sondern mit diesem Monde andere

Wesenheiten, die einmal gemeinsam mit dem Menschen die Erde

bewohnt haben, die allerdings viel geistigerer Art waren, als der Mensch

in seinem physischen Leibe es ist, aber die dennoch einen intensiven Verkehr

mit dem Menschen gehabt haben, wenn auch nicht auf die Weise,

wie der heutige menschliche Verkehr vermittelt wird.

Wer die Vorzeit der Erde, vielleicht auch zunächst nur äußerlich, in

ihren Geisteserzeugnissen studiert, der bekommt ja, wenn er zurückgeht

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 2 4 0 Seite: 14

in den verschiedenen Zivilisationen, eine große Ehrfurcht vor dem, was

einmal an Zivilisationen auf Erden vorhanden war. Allerdings, so

gescheit in unserem gegenwärtigen Sinne, wie wir gegenwärtigen Menschen

uns dünken, so gescheit waren unsere Vorfahren, das heißt wir

selbst in früheren Erdenleben, gewiß nicht. Aber gewußt haben diese

Vorfahren mehr. Man erlangt Wissen eben nicht nur durch Gescheitheit.

Gescheitheit kommt vom Verstande, und der Verstand ist eben

nur eine Fähigkeit der Menschen, wenn er auch gegenwärtig namentlich

von der Wissenschaft am allermeisten von allen Fähigkeiten

geschätzt wird. Aber schließlich, wenn wir heute die Welt anschauen,

wie sie sich in moralischer, in sozialer Beziehung namentlich in dem

gesegneten 20. Jahrhunderte entwickelt hat, dann brauchen wir auf

unsere Verstandeskultur eigentlich nicht besonders stolz zu sein. Diese

Verstandeskultur hat sich eben erst im Laufe der Zeit ergeben. Und wie

gesagt* wenn wir nur an Hand der äußeren Geschichte zurückgehen

und wahrnehmen, was herrührt, sagen wir zum Beispiel vom alten

Orient, dann kann uns eine große Ehrfurcht überkommen. Wir könnten

selbst manche Erzeugnisse sogenannter wilder Völker anführen; aber

bleiben wir bei den Erzeugnissen des indischen Orients, des persischen

Orients, sehen wir uns an, welch Wunderbares da hinter allem ist, in

der alten Dichtung, in der Vedendichtung, in der alten Philosophie, der

Vedantaphilosophie, der Jogaphilosophie. Wenn man das nicht oberflächlich

auf sich wirken läßt, sondern wenn man es auf sich wirken

läßt mit all den Tiefen, die es birgt, dann bekommt man eine immer

größere Ehrfurcht vor dem, was alte Zeiten nicht auf dem Wege der

gewöhnlichen Gescheitheit, sondern gewiß auf einem anderen Wege

hervorgebracht haben. Aber sie haben es eben hervorgebracht.

Nun zeigt uns Geisteswissenschaft, daß eigentlich dasjenige, was

sich durch äußerliche Dokumente erhalten hat, ja nur die Reste sind

einer wunderbaren Urweisheit der Menschheit, die allerdings viel mehr

dichterisch, künstlerisch aufgetreten ist als unser heutiges Wissen, die

aber dennoch eine wunderbare Urweisheit der Menschheit war. Diese

Urweisheit haben die Menschen eben erhalten durch Wesen, die weit

hinausragen über die eigene menschliche Entwickelung der Erde. Denken,

verständig denken, das geschieht ja durch unseren physischen Leib.

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch:240 Seite: 15

Diese Wesenheiten haben nicht einen physischen Leib gehabt; daher

rührt die Tatsache, daß sie in einer mehr dichterischen, künstlerischen

Art ihr Urwissen der Menschheit überliefert haben.

Aber diese Wesenheiten sind nicht bei der Erde geblieben, sondern

sie bewohnen in ihrer Mehrzahl tatsächlich heute den Monden-Weltenkörper.

Was die heutige Wissenschaft erkunden kann, das ist eben nur

das Äußerliche des Mondes. Der Mond ist der Träger hoher geistiger

Wesenheiten, die einmal die Aufgabe gehabt haben, die Erdenmenschheit

mit der Urweisheit zu inspirieren, die sich dann zurückgezogen

haben und gewissermaßen diese Mondenkolonie im Weltenall zu

begründen hatten. Schon das, was ich so sagen muß von diesen Wesenheiten,

die also eigentlich heute die Mondbewohner sind, das zeigt uns,

daß unsere eigene menschliche Vergangenheit mit diesen Wesenheiten

verknüpft ist. Wir waren in früheren Erdenleben die irdischen Genossen

dieser Wesenheiten. Und es zeigt sich sogleich unser Verknüpftsein

mit ihnen, wenn wir hinausschauen über dasjenige, was die äußere

Erkenntnis und das äußere Leben dem Menschen geben kann. Denn

wenn wir auf all das schauen, was in uns bestimmend ist, aber was nicht

von unserem Verstande abhängt, sondern was gewissermaßen über den

Verstand hinaus mit unserem tieferen Menschenwesen zusammenhängt,

dann finden wir, daß auch heute noch diese Mondenwesenheiten, wenn

sie ihren Wohnplatz auch nicht mehr auf Erden haben, mit unserem

inneren Sein verknüpft sind. Denn bevor wir auf die Erde herabsteigen,

durch unsere Vorfahren einen physischen Leib bekommen, waren wir

oder sind wir ja in einer geistigen Welt in dem vorirdischen Dasein. In

diesem vorirdischen Dasein haben wir auch heute noch mit diesen alten

Genossen unseres Erdendaseins viel zu tun. Wir steigen sozusagen aus

den geistigen Welten herab in unser irdisches Dasein, indem wir die

Sphäre des Mondes passieren, indem wir durchkommen durch das Mondendasein.

Und so wie einstmals diese Mondenwesen auf der Erde selbst

hier für uns Menschen tief bestimmend waren, so sind sie heute noch

bestimmend für die Erdenmenschen, indem sie dem menschlichen Ich

und dem menschlichen astralischen Leib dasjenige einprägen, was sich

dann überträgt in den physischen Leib, wenn der Mensch physischer

Erdenmensch wird.

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 16

Nicht wahr, man kann ja nicht beschließen, ein Talent zu sein, auch

nicht ein Genie zu sein. Man kann nicht einmal beschließen, so ohne

weiteres ein guter Mensch zu sein. Dennoch, es gibt Talente, es gibt

Genies, es gibt sozusagen durch die Geburt gute Menschen. Das ist etwas,

was der Verstand nicht machen kann, was mit dem inneren tiefen Wesen

des Menschen zusammenhängt, wovon er sich ein gut Teil mitbringt,

indem er durch die Geburt aus einem vorirdischen Dasein in das

irdische eintritt. Dieses seinem Ich und seinem astralischen Leib einzuprägen,

was dann sozusagen in sein Blut, in seine Nerven schießt als

Talent, als Begabung, als der Wille zum Guten oder zum Bösen, dieses

ihm einzuprägen, das ist die Aufgabe der Mondwesen, wenn der Mensch

in seinem vorirdischen Dasein die Mondensphäre passiert. Und nicht

nur, wenn in den bekannten poetischen Stimmungen Liebende im Mondenschein

spazieren gehen, ist der Mond von Einfluß auf das, was

tiefer im Menschen, was mehr unter dem Bewußtsein webt und lebt,

sondern bei alledem ist dieses Mondendasein wirksam, was eben aus

den Tiefen des Menschen heraufkommt und ihn eigentlich unter seinem

Verstande zu dem macht, was er im Erdenleben eigentlich ist. Und so

hängen heute noch diese Mondenwesen dadurch mit unserer Vergangenheit

zusammen, daß sie es sind, die nach unseren früheren Erdenleben

uns prägen, sozusagen im vorirdischen Dasein, damit wir als dieser

bestimmte Mensch im irdischen Dasein auftreten können.

Blicken wir also zurück in unserem Leben, da wo sozusagen unser

Leben aus dem irdischen Bereich hinausgeht in das eigentlich Geistige

hinein, in jenes Geistige hinein, aus dem heraus wir dann bestimmt sind

nach unseren innersten Fähigkeiten, nach unserem Temperament, sogar

nach dem innersten Wesen unseres Charakters, blicken wir zurück, so

finden wir in dem Monde das eine Tor aus der physischen Welt hinaus

in die geistige. Er ist das Tor, durch das die Vergangenheit in unser

Menschenleben hereinzieht, und er ist dasjenige, was uns eigentlich die

Individualität gibt, was uns zu diesem bestimmten individuellen Menschen

macht.

Das andere Tor ist die Sonne. Aber der Sonne verdanken wir nicht

unser individuelles Leben. Die Sonne leuchtet nicht nur über Gute und

Böse in gleicher Weise, sondern die Sonne leuchtet auch über Genies

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 17

und Dummköpfe in gleicher Weise. Die Sonne kennt zunächst für das

irdische Leben nichts, was mit der Individualität unmittelbar zusammenhängt.

Es ist ja nur eines, das von der Sonne her mit der irdischen

Individualität zusammenhängt. Und das konnte nur dadurch eintreten,

daß in einem bestimmten Zeitpunkte der Erdenentwickelung ein hohes

Sonnenwesen, der Christus, eben nicht auf der Sonne geblieben ist, sondern

von der Sonne aus auf die Erde herabgestiegen ist, in einem Menschenleibe

Erdenmensch geworden ist und dadurch sein eigenes Weltenschicksal

mit dem Erdenschicksal der Menschheit vereinigt hat. Dadurch,

daß der Christus aus einem Sonnenwesen ein Erdenwesen geworden

ist, dadurch hat er den Zugang bekommen zu den einzelnen menschlichen

Individualitäten. Die anderen Sonnenwesen, die in der Sonne

geblieben sind, haben nicht den Zugang zu den einzelnen menschlichen

Individualitäten, sondern nur zu dem Allgemeinen der Menschheit.

Dem Christus ist sogar etwas davon geblieben, aber etwas, was für

unsere Erdenmenschheit unendlich segensreich ist: was ihm geblieben

ist, das ist, daß sein Wirken nicht irgendeine menschliche Differenzierung

kennt. Der Christus ist nicht der Christus dieser oder jener

Nation, nicht der Christus dieses oder jenes Standes, nicht dieser oder

jener Klasse, der Christus ist der Christus für alle Menschen ohne Unterschied

von Klasse, Rasse, Nation und so weiter. Der Christus ist auch

insofern nicht der Christus der Individualitäten, als er in seiner Wirksamkeit

dem Genie und dem Toren in gleicher Weise innerlich Hilfe

leistet. Es hat der Christus-Impuls Zugang zu der Individualität des

Menschen, und gerade er muß im tiefsten Inneren wirken, wenn er

überhaupt im Menschen zur Wirksamkeit kommen soll. Nicht die Verstandeskräfte,

sondern die tiefsten Seelen- und Herzenskräfte sind es,

die den Christus-Impuls aufnehmen müssen; wenn er aber dann aufgenommen

wird, wirkt er nicht im Sinne des Individuell-Menschlichen,

sondern ganz im Sinne des Allgemein-Menschlichen. Dieses allgemeinmenschliche

Wirken, das eignet dem Christus, weil er ein Sonnenwesen

ist.

Aber sehen Sie, indem wir zurückblicken und uns in diesem Zurückblicken

verbunden fühlen mit dem Mondendasein, wissen wir ja, daß

wir etwas in uns tragen, das wir nicht der Gegenwart verdanken, das

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 18

eigentlich ein Stück nicht nur irdischer, sondern sogar kosmischer Vergangenheit

ist. Wir Menschen verbinden es eben in unserem gegenwärtigen

Erdendasein mit der Gegenwart, dieses Stück Vergangenheit.

Man bedenkt gewöhnlich nicht, was eigentlich alles in diesem Stück

Vergangenheit steckt. Wir wären als Menschen nicht viel, wenn nicht

diese Vergangenheit in uns steckte. Das, was wir uns aneignen, unmittelbar

wenn wir heruntersteigen aus dem vorirdischen Dasein in das

irdische, das hat eigentlich sogar etwas Automatisches, das Automatische

unseres physischen und unseres Ätherleibes. Dasjenige, was in

bestimmter Weise uns zu diesem oder jenem Menschen macht, das ist

innig zusammenhängend mit unserer Vergangenheit und damit mit dem

Mondendasein. Aber ebenso wie wir durch unser Mondendasein mit der

Vergangenheit zusammenhängen, so hängen wir durch das Sonnendasein

mit unserer Zukunft zusammen. Für den Mond sozusagen,

namentlich auch mit Bezug auf die Wesen, die sich auf ihn zurückgezogen

haben, waren wir reif in früheren Zeiten; für die Sonne, die

heute nur das Allgemein-Menschliche impulsiert, werden wir erst in

viel späteren Zeiten reif werden, wenn noch viel Entwickelung vor sich

gegangen ist. Die Sonne kann heute nur an unser Äußeres heran. An

unsere Individualität, an unser Inneres wird sie erst in künftigen Zeiten

heran können. Wenn die Erde nicht mehr als Erde vorhanden sein wird,

wenn sie in eine ganz andere Metamorphose übergegangen sein wird, da

werden wir erst für das Sonnendasein reif sein. Der Mensch ist so stolz

auf seinen Verstand; aber der Verstand, wie er gerade in der gegenwärtigen

Menschheit ist, ist so ein richtiges Erdenprodukt, denn er ist

eigentlich an das Gehirn gebunden, und das Gehirn ist dasjenige, was

am meisten physisch wird im Menschen, wenn man es auch sonst nicht

glaubt.

Die Sonne reißt uns aus diesem Gebundensein an das Irdische eigentlich

fortwährend heraus, denn die Sonne wirkt eigentlich nicht auf

unser Gehirn. Wir würden viel gescheitere Gedanken ausgehen lassen

aus unserem Gehirn, wenn die Sonne auf unser Gehirn wirken würde.

Die Sonne wirkt eigentlich auf unser Herz, wenn wir das Physische

betrachten. Und dasjenige, was vom Herzen ausstrahlt, meine lieben

Freunde, das ist Sonnenwirkung. Durch das Gehirn sind die Menschen

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 19

eigentlich egoistisch; durch das Herz werden sie egoismusfrei, werden

sie erhoben zum Allgemein-Menschlichen, So daß wir eigentlich durch

die Sonne mehr sind, als wir durch uns im heutigen Erdendasein sein

können. Nur möchte ich sagen: Der Christus gibt uns wiederum, wenn

wir wirklich zu ihm den Zugang finden, weil er ein Sonnenwesen ist,

mehr, als wir heute als Menschen sein können.

Die Sonne steht uns eben wirklich eigentlich am Himmel wie ein Zukunftswesen,

während uns der Mond wie ein Vergangenheitswesen am

Himmel steht. Es ist das andere Tor, das in die geistige Welt führt, es ist

das Tor in die Zukunft hinein. Denn ebenso, wie wir gewissermaßen

hereingeschoben werden ins irdische Dasein durch die Mondenwesen

und Mondenkräfte, so werden wir im Tod wiederum herausgeschoben

durch die Sonnenkräfte. Die Sonnenkräfte hängen mit demjenigen in

uns zusammen, was wir noch nicht bewältigen, was uns sozusagen die

Götter gegeben haben, damit wir nicht im Erdenleben verkümmern,

sondern über uns hinausreichen. Und so sind wirklich Mond und Sonne

die beiden Tore aus dem Weltenall heraus ins irdische und aus diesem

ins geistige Leben hinein. Der Mond ist bewohnt von Wesenheiten, mit

denen wir einmal verbunden waren in der Art, wie ich es gekennzeichnet

habe. Die Sonne ist bewohnt von Wesenheiten, mit denen wir - mit

Ausnahme des Christus - erst in der Zukunft unseres kosmischen

Daseins verbunden sein werden. Der Christus wird uns führen zu seinen

ehemaligen Genossen in der Sonne. Aber das ist durchaus für den

Menschen die Zukunftswelt.

Und auch das, was da von der Sonne als Zukunftswelt wirkt aus

dem Geistigen herein, ist ebenso wirksam auf unseren physischen Leib

und auf unseren Ätherleib, wie das, was vom Monde aus wirkt aus dem

Geistigen herein. Betrachten wir zum Beispiel unser Temperament. Da

sind schon Kräfte in unserem Temperament, die durchaus in den physischen

Leib, namentlich aber in den Ätherleib hineinspielen: Das regelt

in uns das Zusammenwirken von Sonne und Mond. Derjenige, der

einen starken melancholischen Einschlag hat in seinem Temperament,

der ist stark beeinflußt vom Mondenhaften. Wer einen starken sanguinischen

Zug in seinem Temperament hat, der ist stark beeinflußt

vom Sonnenhaften. Derjenige, in dem sich Sonnen- und Mondenhaftes

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 20

ausgleichen, neutralisieren, der wird dann ein Phlegmatiker. Da, wo

das Physische in uns hereinspielt und seelisch zum Vorschein kommt

wie in dem Temperament, da spielt im ganzen Wesen, das wir als Mensch

in uns tragen, das Sonnen- und Mondenhafte herein. Aber es erblickt

dieses Sonnen- und Mondenhafte der Mensch zunächst nur da, wo es in

seiner äußeren physischen Erscheinungsform ihm entgegentritt, wo

sozusagen sich ihm der Mond ankündigt durch die äußere Scheibe, die

sich ihm zeigt, ebenso die Sonne. Doch sind ja Wirkungen da, die weit

über dieses Physische hinausgehen; wir müssen durchaus von einem

Geistigen des Mondes und der Sonne sprechen. Und das können wir ja

wirklich leicht einsehen.

Sie brauchen zunächst nur, um sich das zu verdeutlichen, einen

menschlichen Körper anzusehen. Dieser menschliche Körper hat heute

nicht mehr dieselben Substanzen in sich, die er vor etwa zehn Jahren

gehabt hat. Sie stoßen fortwährend die äußeren physischen Substanzen

ab, ersetzen sie durch neue. Was bleibt, ist die geistige Form, die Gestalt

des Menschen: das sind die inneren Kräfte. Wenn Sie vor zehn Jahren

hier gesessen haben - das Fleisch und Blut, das Sie dazumal in sich

gehabt haben als materielle Substanz, das bringen Sie heute nicht wieder

auf denselben Sessel: das Physische ist in einer fortwährenden Strömung

von innen nach außen, es stößt sich fortwährend ab. Das bedenkt man

nicht immer, doch weiß man es wenigstens heute in bezug auf die Erde.

Aber daß dies auch im Weltall der Fall ist, das weiß man nicht einmal,

denn die Menschen denken: Derselbe Mond, der heute herunterscheint,

das war auch der Mond, der auf den alten Cäsar oder Alcibiades oder

auf Buddha gestrahlt hat. Geistig ja, aber der physischen Materie nach

nicht! Und in bezug auf die Sonne, da rechnen die Physiker, die Astrophysiker

aus, wann sie im Weltenraum zerstäubt sein wird. Daß sie zerstäubt,

das wissen sie allenfalls, aber sie rechnen da nach Millionen von

Jahren. Dasselbe käme nämlich heraus, wenn man eine solche Rechnung

in bezug auf den Menschen anstellen würde. Diese Rechnungen sind

todsicher richtig, es ist gar nichts einzuwenden - aber nur sind sie nicht

wahr. Sie sind ganz richtig, aber sie sind wie folgt: Wenn Sie heute ein

menschliches Herz prüfen, nach fünf Tagen wieder, nach weiteren fünf

Tagen wieder, dann können Sie an den kleinen Veränderungen aus-

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 21

rechnen, wie dieses Herz vor dreihundert Jahren gestaltet war, und wie

es gestaltet sein wird nach dreihundert Jahren. Sie kriegen schon etwas

heraus, wenn Sie solche Rechnungen anstellen: nur war es just vor dreihundert

Jahren nicht da und wird in dreihundert Jahren wieder nicht

da sein. So kann man heute auch mit der geologischen Wissenschaft ausrechnen,

wie die Erde ausgesehen hat vor zwanzig Millionen Jahren.

So rechnen die Leute aus, wie sie ausgesehen hat, so rechnen sie heute

auch aus, wie sie aussehen wird nach zwanzig Millionen Jahren. Die

Rechnung ist ganz richtig; die Erde hat so ausgesehen nach einer ganz

richtigen Rechnung, wie man es ausrechnet, wird auch so aussehen nach

zwanzig Millionen Jahren. Aber dagewesen ist sie noch nicht vor zwanzig

Millionen Jahren, und da sein wird sie wieder nicht nach zwanzig

Millionen Jahren! Die Rechnungen sind todsicher richtig, nur wahr

sind sie nicht! Ja, nicht einmal für die engsten Zeiträume ist das im

Weltenraum draußen anders als beim Menschen. Wenn auch die

mineralischen Substanzen wesentlich länger dauern als die Gestaltungen

der Substanzen in lebendigen Leibern, so ist doch auch für die

Mineralsubstanzen das rein Physische, substantiell Physische, ein Vorübergehendes.

Und der Mond, der heute am Himmel steht, ist in seiner

physischen Zusammensetzung nicht mehr derselbe, der er war, als er

auf Cäsar heruntergeschienen hat oder auf Alcibiades oder auf den

Kaiser Augustus; denn der Mond hat seine Materie ebenso ausgetauscht,

wie ein physischer Menschenleib seine Materie austauscht. Dasjenige,

was da draußenbleibt, ist eben auch durchaus das Geistige, wie beim

Menschen das, was von der Geburt bis zum Tode bleibt, das Geistige

ist, nicht die physische Materie.

So daß man eigentlich die Welt erst richtig anschaut, wenn man sie

so anschaut, daß man für den Menschen sagt: Was da bleibt zwischen

Geburt und Tod, das ist seine Seele. Was da draußen an den Weltenkörpern

bleibt, das sind die Wesenheiten; dort ist es eine Vielheit. Beim

Menschen ist es eine Einheit, eine Seele; da draußen eine Vielheit. Und

wenn wir sprechen von Mond und Sonne, so sollten wir eigentlich uns

bewußt sein, daß wenn wir von der Wahrheit sprechen wollen, wir von

dem sprechen müssen, was als Wesenheiten des Mondes und als Wesenheiten

der Sonne existiert: als Wesenheiten des Mondes solche, die mit

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 2 4 0 Seite: 2 2

unserer Vergangenheit verknüpft sind; als Wesenheiten der Sonne

solche, die mit unserer Zukunft verknüpft sein werden. Aber herein

wirken sie in unser gegenwärtiges Dasein.

Und dasjenige, was sie am Menschen unmittelbar bewirken, das ist

das, was wir sein Karma nennen: das Ganze in dem Aufbau und in der

Entwickelung seines Schicksals. Indem sich Vergangenheit und Zukunft

ineinander weben, wird des Menschen Schicksal bestimmt. Und in diesem

Weben des Schicksals, da wirken eben Mondenkräfte und Sonnenkräfte,

Mondenwesenheiten und Sonnenwesenheiten zusammen.

Man gelangt eigentlich erst zu einer wirklichen Unterlage für eine

Betrachtung des menschlichen Karma, des menschlichen Schicksals,

wenn man den Menschen in dieser Weise hineinstellen kann in das

Ganze des Weltenalls.

Das Vergangene können wir mit dem besten Willen niemals anders

machen als es ist. Daher haben die Mondenkräfte, indem sie in unser

menschliches Wesen hineinwirken und hineingreifen, etwas von unabänderlicher

Notwendigkeit. Alles, was uns vom Monde herkommt, hat

diesen Charakter einer unabänderlichen Notwendigkeit. Alles das, was

von der Sonne herkommt, und was in die Zukunft hineinweist, hat

etwas, wo unser Wille, ja wo unsere Freiheit eingreifen kann. So daß

man auch sagen könnte: Wenn der Mensch nun wirklich wiederum ein

Göttliches sieht im Kosmos, nicht bloß im allgemeinen schwärmerischschwummelig

spricht über das Göttliche in der Welt, sondern wenn er

wiederum in bestimmter Weise über das Göttliche sprechen wird, wie

es sich offenbart in den einzelnen Gliedern des Weltenalls, in den Himmelskörpern,

dann wird sich für den Menschen, ich möchte sagen, eine

besondere Sprache ergeben, indem er aus dieser Herzens- und wirklichen

Menschenerkenntnis hinaufschaut zu den Himmelskörpern.

Was wäre denn, wenn ein Mensch vor uns stünde mit seinen Händen,

Armen, seinem Kopf, seiner Brust, seinen Beinen und Füßen und wir,

etwa in bezug auf seine Finger, auf die Frage «Was ist das?» antworten

würden: Das ist Menschliches! - Indem wir auf seine Füße weisen: Das

ist Menschliches! - auf seine Nase: Menschliches! - Wenn wir nichts unterscheiden,

sondern alles nur mit dem allgemeinen Ausdruck «Menschliches

» belegen, fangen wir ja an, im Unbestimmten herumzuschwim-

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 2 40 Seite: 2 3

men. Ebenso schwimmen wir im Unbestimmten herum, wenn wir nur

hinausstarren ins Weltenall, Sonne, Mond und Sterne anschauen, und

nur vom Allgemein-Göttlichen sprechen. Wir müssen wiederum zu

einer bestimmten Anschauung des Göttlichen kommen. Wir kommen zu

einer bestimmten Anschauung des Göttlichen, wenn wir zum Beispiel

den tiefen Zusammenhang des Mondes mit unserem vergangenen Dasein

erkennen, ja mit dem Vergangenen der ganzen Erde. Da können wir

dann zum Monde hinaufblicken und können sagen: Du Weltensohn der

Notwendigkeit, ich fühle - indem ich alles dasjenige, worüber ich keinen

Willen habe, in mir selber anschaue -, ich fühle mich dir, göttlicher

Weltensohn, innig verbunden. Da wird unsere Erkenntnis des Mondes

Gefühl. Denn alles das, was uns aus der inneren Notwendigkeit heraus

empfindbar wird, wird uns mondenverwandt.

Und wenn wir in derselben Weise recht das Sonnensein erfühlen,

nicht bloß errechnen, nicht bloß durch Instrumente anschauen, so fühlen

wir es verwandt mit alldem, was in uns als Freiheit lebt, als das, was

durch uns selber für die Zukunft geschehen kann. Und wie uns jeder

neue Morgen mit seinem Sonnendasein aufruft dazu, als Mensch zu

wirken, empfängt uns die Nacht mit unseren Träumen, die uns zeigen,

was wir waren, was in uns lebt und webt, was als Vergangenheit mit

uns verknüpft ist. Die vom Monde beherrschte Nacht zeigt uns unsere

Vergangenheit; jedes neue Morgendasein mit seinen Sonnenstrahlen

weist uns hin auf das, was aus unserer Freiheit kommen kann. - So

hängt in unserem gesamten Weltendasein unser Menschliches mit dem

Sonnendasein zusammen, und wir können, die Sonne ansprechend, so

fühlen: O du Weltensohn der Freiheit, dich fühle ich verwandt mit allem

in mir, was meinem eigenen Wesen die Freiheit und die Entschlußfähigkeit

für die Zukunft gibt!

Mit solchen Empfindungen würden wir wieder anknüpfen an

instinktive Weisheiten der Urmenschheit. Denn, was aus uralten Zivilisationen

in wunderbarer Weise dichterisch strahlt, man versteht es nur

dann, wenn man so etwas auch heute noch in sich fühlt, wie das Aufblicken

zum Monde als zu der Notwendigkeit der Vergangenheit, das

Aufblicken zur Sonne als zur Freiheit der Zukunft. Und so wirken in

unserem Schicksal in seinem Weben, Notwendigkeit und Freiheit inein-

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 24

ander. Sprechen wir irdisch-menschlich, so sprechen wir von Notwendigkeit

und Freiheit. Sprechen wir himmlisch-kosmisch, so sprechen wir

von Monden- und Sonnendasein.

Und nun suchen wir das Mondenhafte und das Sonnenhafte in dem

Weben unseres Schicksals einmal auf. Wir begegnen im Leben einem

Menschen. Wir geben uns gewöhnlich damit zufrieden, daß wir diesem

Menschen begegnen, denn wir beobachten ja nicht viel vom Leben, sondern

nehmen das Leben zum großen Teil gedankenlos hin. Wenn man

aber einen tieferen Blick in das einzelne Menschenleben wirft, dann

erkundet man, daß wenn zwei Menschen sich im Leben treffen, ihre

Wege wirklich in einer merkwürdigen Weise gelenkt worden sind. Zwei

Menschen, die sich, sagen wir, der eine im fünfundzwanzigsten, der

andere im zwanzigsten Jahre, treffen, sie können zurückblicken auf

das, was sie bisher erlebt haben, und es wird ihnen wirklich sehr deutlich

werden, wie bei dem Zwanzigjährigen, aus einer ganz anderen

Weltenecke alle einzelnen Tatsachen seines Lebens ihn so hineingedrängt

haben, daß er gerade dort zusammengetroffen ist mit dem anderen

Menschen, der ebenso seine fünfundzwanzig Jahre überblicken kann,

der wiederum aus einer ganz anderen Ecke kommt und mit ihm zusammentrifft.

Und was hängt nicht alles in der Bildung unseres Schicksals

davon ab, daß Menschen, die in zwei verschiedenen Weltenecken ihren

Ausgangspunkt nehmen, dann zusammentreffen wie hergeleitet mit

einer wirklich ehernen Notwendigkeit, die überall hinzielt nach diesem

Punkte, in dem sie sich treffen. Man faßt ja gar nicht in das Seelenauge

das Wunderbare, das sich in solchen Betrachtungen enthüllen kann! Das

menschliche Leben wird arm, wenn man es nicht so betrachtet, und es

wird unendlich reich, wenn man es so betrachtet. Man muß dann schon

darauf aufmerksam werden, wie man gegenüber einem Menschen, dem

man scheinbar ganz zufällig begegnet, sich sagen muß, wenn man auf

die ganze Art, wie man sich dann zu ihm verhält, hinsieht: Man hat

ihn gesucht, gesucht seit man in diesem irdischen Dasein herinnen ist;

man könnte auch schon sagen: vorher, aber darauf will ich jetzt nicht

eingehen. Man braucht ja nur zu erwägen, wie man nicht auf diesen

Menschen aufgestoßen wäre, wenn man da oder dort in seinem vergangenen

Erdenleben nur ein wenig einen anderen Schritt nach links

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 2 40 Seite: 2 5

oder rechts gemacht hätte und nicht dahin gegangen wäre, wo man

gegangen ist. Wie gesagt, diese Betrachtungen werden nicht angestellt;

aber es ist ja ein unendlicher Hochmut des Menschen, wenn er glaubt,

daß dasjenige, worüber er nicht Beobachtungen anstellt, auch nicht

vorhanden sei. Es ist eben da! Fängt man an mit der Beobachtung, so

enthüllt es sich schon. Und es ist nun ein sehr bedeutsamer Unterschied

zu bemerken zwischen alledem, was da vorgegangen ist, ehe sich zwei

Menschen treffen, und von dem Momente an, wo sie sich treffen. Denn

ehe sie sich getroffen haben, ehe sie sich gefunden haben im Erdenleben,

haben sie aufeinander gewirkt, aber ohne daß sie etwas gewußt

haben voneinander. Nunmehr, nachdem sie sich getroffen haben, wirken

sie aufeinander, indem sie wissen voneinander. Aber hier beginnt

nun wiederum etwas außerordentlich Bedeutsames.

Wir treffen ja natürlich auch sehr viele Menschen im Leben, auf

die wir sozusagen nicht zugegangen sind. Ich will nicht sagen, daß wir

sehr viele Menschen im Leben treffen, bei denen wir uns sagen, es wäre

gescheiter, wenn wir sie nicht getroffen hätten; das will ich nicht sagen.

Aber wir treffen eben sehr viele Menschen, bei denen wir dies, was ich

eben jetzt auseinandergesetzt habe, daß wir unbedingt auf sie zugegangen

sind, nicht als eine Betrachtung anstellen können.

Sieht man das Ganze, was ich jetzt gesagt habe, im Lichte der Geisteswissenschaft,

dann zeigt sich, daß all das, was sich zwischen zwei Menschen

abspielt, ehe sie sich im Erdenleben kennenlernen, vom Mondenhaften

bestimmt ist, daß alles, was sich zwischen ihnen abspielt, nachdem

sie sich kennengelernt haben, vom Sonnenhaften bestimmt ist.

Daher kann das, was sich abspielt zwischen zwei Menschen, bevor sie

sich kennenlernen, nur im Lichte der ehernen Notwendigkeit gesehen

werden; dasjenige, was sich abspielt, nachdem sie sich kennenlernen,

im Lichte der Freiheit, im Lichte des gegenseitigen freien Verhaltens.

Es ist tatsächlich so, daß, wenn wir einen Menschen kennenlernen,

unsere Seele im Unterbewußtsein sich umschaut nach hinten und nach

vorne: Nach hinten nach dem geistigen Monde, nach vorn nach der

geistigen Sonne. Und damit hängt es zusammen, wie unser Karma, unser

Schicksal eigentlich gewoben wird.

Heute haben noch die wenigsten Menschen Empfindungsfähig-

Copyright Rudolf Steinet Nachlass-Veiwaltung Buch: 240 Seite: 26

keiten für solche Dinge. Aber gerade deshalb gärt in unserem Zeitalter

so viel, weil die Empfindungsfähigkeiten anfangen, für solche Dinge

sich zu entwickeln. Sie sind schon in zahlreichen Menschen vorhanden,

nur wissen es diese Menschen nicht. Sie schreiben das allerlei anderen

Dingen zu. In Wirklichkeit wollen diese Empfindungsfähigkeiten heraus

bei den Menschen, wollen so heraus, daß die Menschen beobachten,

wenn sie einander kennenlernen, wieviel sie der ehernen Notwendigkeit,

dem Mondenhaften verdanken, wieviel ihnen obliegen wird im Lichte

der hellen Sonne, im Lichte der Freiheit. Das Schicksal so zu empfinden,

das ist selbst ein Weltenschicksal der Menschheit von der Gegenwart

in die Zukunft hinein! Denn wenn man einen Menschen in der Welt

trifft, dann kann man genau unterscheiden zwischen zwei Arten des

Verhaltens zu ihm. Den einen Menschen beurteilt man so, daß alles,

was in der Beziehung zu ihm auftritt in uns, vom Willen ausgeht; den

anderen Menschen beurteilt man so, daß alles, was in der Beurteilung

von uns ausgeht, mehr oder weniger vom Verstande oder vom ästhetischen

Sinn ausgeht.

Bedenken Sie nur einmal, wie fein verschieden die Menschen in ihrer

Menschenerkenntnis nach diesen Dingen sind, schon in der Jugend,

schon im Kindesalter: Den einen Menschen lieben wir vielleicht, oder

wir hassen ihn auch. Wenn es nicht bis zu der Stärke kommt, dann

haben wir Sympathie oder Antipathie für ihn; aber es geht nicht tief,

wir gehen an ihm vorüber und lassen ihn an uns vorübergehen.

Es wird ja nicht zu leugnen sein, daß, sagen wir, die meisten unserer

in der Schule uns gegenübertretenden Lehrer so von uns aufgefaßt werden:

Wir gehen an ihnen vorüber, sie gehen an uns vorüber. Es gehört

eben zum Glück eines Menschen, wenn er einmal ein anderes erfährt.

Aber es gibt ein anderes Verhältnis, schon in der Kindheit. Das ist

das, wo es uns innerlich ergreift, wo wir sagen: Der Mensch tut etwas,

das müssen wir auch tun! - Da beurteilen wir gar nicht den Menschen

so, daß wir ihn nur vorübergehen lassen können. Da kommt das von

selbst durch die Beziehung von ihm zu uns, daß wir uns ihn als Helden

wählen, dem wir die Wege zum Olymp hinauf uns nacharbeiten. Kurz,

es gibt Menschen, die wirken bloß auf den Verstand, auf die Verstandessympathie

und -antipathie, höchstens noch auf die ästhetische

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch:240 Seite: 27

Sympathie und Antipathie; andere Menschen wirken auf unseren

Willen.

Oder wenn wir mehr die andere Seite des Lebens betrachten: Wissen

Sie es denn nicht alle, meine lieben Freunde, daß uns Menschen im Leben

begegnen, uns unter Umständen durch die äußeren Verhältnisse sogar

recht nahekommen können, aber es ist uns unmöglich, von ihnen zu

träumen? Wir träumen nicht von ihnen! Und andere begegnen uns ein

einziges Mal: Wir kommen nicht wieder los von ihnen, wir träumen

ewig von ihnen. Und wenn es uns dann in diesem Erdenleben nicht

gegönnt ist, mit ihnen in innigere Beziehung zu kommen, so müssen wir

uns halt das für andere Erdenleben aufsparen. Aber es geht uns jene

Beziehung zum Menschen wirklich tiefer, wenn wir, kaum daß wir

ihn kennengelernt haben, sogleich von ihm träumen, als wenn wir einen

Menschen kennenlernen, von dem wir überhaupt nicht träumen können.

Dann gibt es auch ein Wachträumen. Dieses Wachträumen spielt

sich allerdings für die meisten Menschen heute noch in einer ziemlichen

Unbestimmtheit ab. Aber Sie wissen ja: Es gibt auch initiierte Menschen,

die erleben das Leben doch anders noch! Treffen diese einen

Menschen, der auf ihren Willen wirkt, so wirkt er auch auf die

innere Sprache. Der spricht nicht nur, wenn er einem gegenübersteht,

sondern der spricht aus uns heraus. Ist man eingeweiht in die Geheimnisse

des Weltendaseins, so stellt sich die Beziehung des Menschen folgenderweise

als eine zweifache dar: Man begegnet Menschen, denen

hört man zu. Man verläßt sie wieder: Man braucht ihnen dann nicht

mehr zuzuhören, wenn man weit genug von ihnen ist. - Aber man

begegnet anderen Menschen, denen hört man zu; dann kann man von

ihnen weggehen und dann sprechen sie aus dem eigenen Inneren heraus:

Sie sind da, sie sprechen!

Nun, für den Initiierten macht sich das so, wie ich es Ihnen eben

geschildert habe, daß er tatsächlich mit der vollen Stimmfärbung die

Menschen in sich trägt, die in dieser Weise auf ihn wirken. Für die

anderen, nicht initiierten Menschen macht es sich mehr gefühlsmäßig,

mehr empfindungsmäßig, aber es ist doch auch da, unterbewußt sehr

stark da. Man kann sagen: Es trifft jemand einen Menschen, und er

kommt zu anderen Menschen, die den auch kennen, und je nachdem er

Copyright Rudolf Steinet Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 28

diese oder jene Ausdrucksweise hat, sagt er: Er ist ein Prachtskerl! -

Vielleicht sagen einige andere auch: Ja, er ist ein Prachtskerl. - Das

heißt: er hat ihn betrachtet und gibt ein Urteil mit dem Verstande über

ihn ab.

Aber nicht so verhalten wir uns zu jedem Menschen, daß wir ihn

als einen Prachtskerl oder als einen Schubjack oder dergleichen auffassen;

sondern es gibt eben Menschen, die unseren Willen, der ja auch,

wie ich Ihnen oftmals auseinandergesetzt habe, eine Art von Schlafdasein

in uns führt beim sonstigen Wachen, direkt zur Nachfolgeschaft

oder zum Widerstände unmittelbar bestimmen. Bei nicht initiierten

Menschen sprechen sie nicht, aber im Willen leben sie. Was ist das

eigentlich für ein Unterschied?

Nun, sehen Sie, wenn man zu Menschen kommt, an Menschen herankommt,

die nicht in unserem Willen leben, bei denen wir uns nicht

aufgefordert fühlen, ihnen nachzuarbeiten oder ihnen zu widerstreben

im Willen, sondern die wir bloß beurteilen, so sind wir mit denen wenig

karmisch verknüpft, mit denen haben wir wenig zu tun gehabt in

vorigen Erdenleben. Menschen, die in unseren Willen hineingehen, so

daß sie uns nachgehen, so daß sich uns ihre Gestalt gleich einprägt,

daß wir sie behalten, daß wir auch wie wach noch träumen von ihnen,

das sind diejenigen Menschen, mit denen wir viel in vergangenen Erdenleben

zu tun gehabt haben. Das sind die Menschen, mit denen wir sozusagen

kosmisch durch das Tor des Mondes verbunden sind, während

wir im gegenwärtigen Leben immer für alles dasjenige, was nicht mit

der Notwendigkeit des Mondendaseins in uns lebt, verbunden werden

durch das Sonnendasein.

Und so wird unser Schicksal gewoben. Und so können wir sagen:

Der Mensch ist ja ein polarisches Wesen. Auf der einen Seite hat er sein

isoliertes Kopfdasein - das hat ja eine große Selbständigkeit. Dieses

Kopfdasein hebt sich eigentlich fortwährend heraus aus dem allgemeinen

Weltendasein des Menschen, schon physisch: Das Gehirn ist

im Durchschnitt tausendfünfhundert Gramm schwer. Bei einem solchen

Gewichte müßte es eigentlich alle Adern, die darunter sind, zerdrücken.

Denken Sie sich, tausendfünfhundert Gramm Gewicht auf den feinen

Adern! Aber das tut es nicht. Warum denn nicht? Nun ja, weil es im

Copyright Rudolf Steinet Nachlass-Verwaltung Buch: 24 0 Seite: 29

Gehirnwasser eingebettet ist. Und wenn Sie Physik gelernt haben, wissen

Sie, daß ein jeder Körper im Wasser so viel von seinem Gewicht verliert,

als das Gewicht des verdrängten Wassers beträgt - das sogenannte

Archimedische Prinzip. Real zwanzig Gramm etwa - das andere ist

nicht da, weil das Gehirn im Gehirnwasser schwimmt. So daß in Wahrheit

unser Gehirn im menschlichen Leib nur mit zwanzig Gramm nach

unten gezogen wird, gar nicht mit seinen tausendfünfhundert Gramm.

Das Gehirn ist isoliert, hat sein eigenes Dasein, hat in bezug auf viele

andere Dinge noch sein eigenes Dasein.

Das Gehirn ist wirklich so, daß wenn wir in der Welt herumgehen,

es gleich einem Menschen ist, der in seinem Auto sitzt. Der Mensch

selbst bewegt sich nicht im Auto: das Auto bewegt sich und er sitzt still.

So ist es schon. Das Gehirn als Träger unseres Verstandes hat ein isoliertes

Dasein. Deshalb ist der Verstand eigentlich so unabhängig von

unserer Individualität. Wir haben doch nicht jeder einen eigenen Verstand.

Wir würden uns sehr schlecht verständigen können, wenn wir

jeder einen eigenen Verstand hätten! Wir können uns nur dadurch

verständigen, daß jeder denselben Verstand hat, wenn auch im größeren

oder geringeren Maße - das sind dann Gradunterschiede -, aber der

Verstand hat etwas Allgemeines. Deshalb verständigen sich die Menschen

durch den Verstand, der ist unabhängig von unseren Qualitäten.

Und was im Menschenschicksal auftritt als unmittelbar Gegenwärtiges,

also auch das Zusammentreffen zweier Menschen, das wirkt auf den

Verstand und diejenigen Gefühlsimpulse, die an den Verstand sich angliedern.

Da sprechen wir von dem «Prachtskerl», von dem uns nichts

weiter interessiert, als daß er eben auf unseren Verstand wirkt. Alles,

was nicht karmisch ist an uns, wirkt auf unseren Verstand; alles was

karmisch ist an uns, was uns bindet als Menschen im Sinne dessen,

was wir mit den menschlichen Individualitäten, die in den Leibern uns

entgegentreten, durchgemacht haben, das wirkt durch unseren Willen,

das wirkt durch die Tiefen des menschlichen Wesens, die im Willen

sind. Und auch so ist es: Bevor wir einem Menschen, mit dem wir karmisch

verbunden sind im Leben, nun auch von Angesicht zu Angesicht

entgegentreten, wirkt der Wille. Der Wille ist ja nicht immer vom Verstand

erhellt. Denken Sie nur, wieviel Dunkles im Willen wirkt! Das

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 3 0

dunkelste ist dasjenige, was das Karma trägt, das zwei Menschen zusammenführt,

so daß sie dann an der Art und Weise, wie ihr Wille erfaßt

wird, merken, daß da das Karma wirkt. In dem Momente, wo sie sich

von Angesicht zu Angesicht kennenlernen, beginnt der Verstand zu

wirken. Und was vom Verstande dann gewoben wird, das kann ja

wieder Grundlage für ein nächstes Karma sein. Aber man kann schon

sagen: Im wesentlichen hat das Karma - im wesentlichen, nicht ganz -,

hat das Karma sich ausgewirkt für zwei Menschen, die karmisch verbunden

sind, wenn sie sich begegnet sind. Nur was sie dann noch tun

als Fortsetzung des Unbewußten, das wirkt weiter im Sinne des Karma.

Aber es wird dann in das Schicksal vieles, vieles hineingewoben, was

eben nur auf den Verstand und seine Sympathien und Antipathien

wirkt. Und da gliedert sich Vergangenheit und Zukunft, Mondendasein

und Sonnendasein ineinander. Der Faden des Karmas, der in die Vergangenheit

reicht, wird zusammengewoben mit dem Faden, der in die

Zukunft reicht.

Wir können ganz genau hineinschauen in das Weltendasein. - Denn

schauen wir hinaus, wenn wir des Morgens die Sonne aufgehen sehen,

wenn wir in der Nacht den Mond betrachten, so haben wir in diesem

gegenseitigen Zusammenwirken, das wir da ahnen, zunächst ein Bild

dessen, wie in unserem eigenen Menschenwesen Notwendigkeit und

Freiheit im Schicksale ineinander wirken. Und haben wir dann eine

wirkliche Idee von diesem Zusammenwirken von Notwendigkeit und

Freiheit im menschlichen Schicksal, schauen wir mit dieser Erkenntnis

wiederum zurück, dann beginnen Sonne und Mond ihre eigene Geistigkeit

uns zu enthüllen. Und dann reden wir nicht bloß wie der einfältige

Physiker, der da sagt, wenn er den Mond anschaut: Der strahlt das

Sonnenlicht zurück -, sondern dann reden wir, indem wir gewahr

werden dieses Rückstrahlen des Mondenlichtes, welches dasselbe ist wie

das Sonnenlicht, von dem Weben und Regen des kosmischen Schicksals.

Und dann lernen wir durch unser eigenes Menschenschicksal das

kosmische Schicksal kennen! Dann verweben wir erst unser Menschendasein

so recht mit dem kosmischen Dasein. Und so muß der Mensch

wiederum hineinwachsen in ein Sich-im-Kosmos-Fühlen. Wie der

Finger des Menschen das, was er ist, nur so lange ist, als er am mensch-

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 2 40 Seite: 31

liehen Leibe ist - schneidet man ihn ab, ist er kein Finger mehr, er hat

ein Fingersein nur, so lange er am menschlichen Leib ist -, ebenso hat der

Mensch ein Sein nur, indem er ein Stück des Kosmos ist. Nur ist der

Mensch hochmütig, und der Finger würde wahrscheinlich bescheidener

sein, wenn er in derselben Weise Bewußtsein hätte wie der Mensch.

Aber er würde vielleicht auch nicht mehr bescheiden sein, wenn er

sich immer losreißen könnte und am Menschen herumspazieren

könnte - nur müßte er auch in der Sphäre des Menschen bleiben, um

ein Finger zu bleiben! Und es muß der Mensch, so wie er einmal ein

Erdenmensch ist, in der Sphäre der Erde bleiben, um Mensch zu sein. -

Er ist etwas ganz anderes, er ist in seinem ewigen Wesen, wenn er außerhalb

der Erdensphäre ist im vorirdischen Dasein, im nachirdischen

Dasein. Aber auch diese lernen wir nur kennen, wenn wir uns als Glied

des Weltenalls kennenlernen. Das können wir nicht, indem wir einfach

phantasieren von unserem Zusammenhang mit dem Weltenall; sondern

das können wir nur dann, wenn wir in einer solchen Weise, wie es heute

wieder geschehen ist, uns allmählich ganz einfühlen lernen in die einzelnen

konkreten Gestaltungen des Weltenalls. Dann fühlen wir aber,

wie unser Schicksal wirklich ein Abbild der Sternenwelt ist, des Sonnenund

Mondenhaften. Dann lernen wir hinausschauen in das Weltenall

und lernen unser Menschenleben abzulesen von dem Leben des großen

Weltenalls. Und wiederum lernen wir hineinschauen in unsere eigene

Seele und lernen die Welt verstehen aus unserer eigenen Seele. Denn

niemand versteht den Mond, der nicht die Notwendigkeit im menschlichen

Schicksal versteht; niemand versteht die Sonne, der nicht die

Freiheit im menschlichen Wesen versteht. So hängen die Dinge zusammen

von Notwendigkeit und Freiheit.

Daß dieses, was in solcher Weise als eine wirklich esoterische Anschauung

in unsere Herzen, in unsere Gemüter einziehen kann, in der

Zukunft noch in wirksamerer Weise leben könne in der Welt, dazu

haben wir mit der Weihnachtstagung am Goetheanum die Impulse zu

geben versucht. Und ich hoffe, daß, was auf dieser Weihnachtstagung

sich abgespielt hat, immer mehr und mehr ins Bewußtsein unserer

Freunde, unserer lieben Mitglieder einziehen wird. Und ich möchte

nach dieser Richtung besonders darauf aufmerksam machen, daß ja

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 2 40 Seite: 3 2

jetzt zu Händen eines jeden Mitgliedes jenes Nachrichtenblatt kommen

kann, das den Titel trägt «Was in der Anthroposophischen Gesellschaft

vorgeht» und das seit unserer Weihnachtstagung jede Woche

erscheint. Durch dieses Nachrichtenblatt und durch vieles andere, was

sich in der Anthroposophischen Gesellschaft entwickelt, soll nun in der

Zukunft wirklich diese Anthroposophische Gesellschaft jenes lebendigen

Lebens teilhaftig sein, das aus der Anthroposophie kommen kann.

Die Isoliertheit unserer Zweige soll etwas aufhören. Dadurch wird die

Anthroposophische Gesellschaft erst ein Ganzes, daß derjenige, der in

einem Anthroposophischen Zweige in Neuseeland ist, weiß, was in

einem Anthroposophischen Zweige in Bern oder in Wien vorgeht; derjenige,

der in einem Anthroposophischen Zweige in Bern ist, weiß, was

in Neuseeland oder in New York oder in Wien vorgeht. Dafür wird

eine Möglichkeit da sein. Und unter den vielen Dingen, die wir schaffen,

oder wenigstens unter den mannigfaltigen Dingen, die wir schaffen

wollen im Anschluß an diese Weihnachtstagung, wird eben dieses sein,

daß in diesem Nachrichtenblatt tatsächlich ein Vermittlerorgan da

sein wird für alles, was in der Welt anthroposophisch vorgeht. Es wird

nur nötig sein, ein wenig Einsicht zu nehmen von diesem Nachrichtenblatt,

dann wird man ja auch wissen, was man nun wiederum zum

Gedeihen dieses Nachrichtenblattes tun soll.

Während ich hier spreche, wird eben drüben in Dornach die dritte

Nummer dieses Nachrichtenblattes ausgegeben, in dem ich ausgeführt

habe, wie jedes einzelne Mitglied wirken kann dazu, daß dieses Nachrichtenblatt

wirklich in entsprechender Weise ein Spiegelbild des anthroposophischen

Schaffens in der anthroposophischen Bewegung ist.

Nur weil ich glaube, daß das Leben in der Anthroposophischen Gesellschaft

reger werden muß, als es gewesen ist, nur weil ich glaube, daß

dazu notwendig ist, daß wirklich mehr Anthroposophie in der Anthroposophischen

Gesellschaft gepflegt wird, als es bisher geschehen ist -

ich meine nicht mehr an Stoff, sondern mehr an Intensität und an

Enthusiasmus und Liebe -, deshalb habe ich mich entschlossen, während

ich nach den sonstigen Usancen in der Welt reichlich ein Recht dazu

hätte, mich pensionieren zu lassen - es ist ja so das Lebensalter, in dem

man das tut -, nur weil ich das meine, habe ich mich dazu entschlossen,

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 33

wieder anzufangen. Nachdem ich ja schon 1912 die persönliche Leitung

der Anthroposophischen Gesellschaft abgegeben hatte, habe ich mich

entschlossen, wieder anzufangen und mir einzubilden, ich wäre wieder

jung und könnte eben durchaus wirken. Und ich möchte, daß auch

wirklich in diesem Sinne, meine lieben Freunde, verstanden wird, daß

ein gewisses regeres Interesse kommen möchte für ein regeres Leben

in der Anthroposophischen Gesellschaft. Das ist dasjenige, wovon ich

möchte - Sie können es ja im «Goetheanum» und Nachrichtenblatt

lesen, diejenigen, die nicht in Dornach waren -, daß aus dem, was in

der Weihnachtstagung geschehen ist, als geistiges Wort wirklich zu

jedem einzelnen Mitgliede etwas dringen möge. Und dadurch wird das

erreicht werden, daß wieder wirkliches esoterisches Leben einzieht.

Denn dazu ist die Hochschule für Geisteswissenschaft zu Weihnachten

gegründet worden: daß wiederum esoterisches Leben einziehen möge in

unsere Anthroposophische Gesellschaft, Das wird kommen können.

Ich wollte die Worte, die ich heute zu Ihnen gesprochen habe, meine

lieben Freunde, eben so gesprochen haben, daß sie zu gleicher Zeit ausdrücken

sollen: Es möge wiederum solches esoterisches Leben unter uns

einziehen, in der Weise, wie es zu Ihnen immer mehr und mehr wird

gesagt werden, und wie es dann wird verwirklicht werden können

durch dasjenige, was in der Zukunft von Dornach als dem Orte der aligemeinen,

zu Weihnachten gegründeten Gesellschaft ausgehen kann.

Möge die liebe Mitgliedschaft dieses Berner Zweiges recht viel beitragen

können zu dem, was wir gern von Dornach aus für die anthroposophische

Bewegung leisten möchten nach den Kräften, die wir

eben haben.

ZWEITER VORTRAG Bern, 16. April 1924

Es ist schon einmal hier in den Kreisen unserer Berner anthroposophischen

Freunde ausgesprochen worden, wie die Weihnachtstagung

am Goetheanum dazu bestimmt war, einen neuen Zug in die anthroposophische

Bewegung hineinzubringen. Es kann das Bewußtsein von

diesem neuen Zug nicht oft genug eingeschärft werden. Denn es handelt

sich ja darum, daß vor dieser Weihnachtstagung - wenigstens in der

Praxis, wenn vielleicht auch nicht überall - die Auffassung so war, daß

die Anthroposophische Gesellschaft eine Art Verwaltungsgesellschaft

für das darstellte, was Anthroposophie als Inhalt und als Lebensimpuls

hat. Das hat sich ja im wesentlichen so herausgestellt, seit die Anthroposophische

Gesellschaft sich aus der Theosophischen Gesellschaft heraus

verselbständigt hat.

Und die Entwickelung dieser Anthroposophischen Gesellschaft ist

ja nicht so gegangen, wie sie gerade hätte gehen können unter der Voraussetzung,

daß ich selbst nicht irgendeine Vorstandsstelle oder dergleichen

inne hatte, sondern gewissermaßen in einer völlig freien

Position innerhalb der Gesellschaft stand. Dennoch hat man eigentlich

wenig Notiz genommen von alldem, was unter dieser Voraussetzung

sich hätte entwickeln können. Und so ist es denn gekommen, daß etwa

vom Jahre 1919 ab - nachdem ja während der Kriegsjahre die Führung

der Anthroposophischen Gesellschaft schwierig war - allerlei Bestrebungen

innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft aufgetreten

sind, Bestrebungen, hervorgegangen aus den und jenen Ambitionen

innerhalb des Mitgliederkreises, welche im Grunde der eigentlichen

anthroposophischen Sache gegenüber abträglich gewirkt haben, abträglich

in dem Sinne, daß dadurch gerade, ich möchte sagen, die Feindseligkeit

der Außenwelt in besonderem Maße hervorgetreten ist. Es ist

ja ganz naturgemäß, meine lieben Freunde, daß, wenn solche Bestrebungen

innerhalb einer Gesellschaft auftreten, die auf einem okkulten

Boden steht, man zuletzt - aus der Esoterik heraus - diese Dinge entstehen

lassen muß. Denn denken Sie sich, wenn all dasjenige, was da

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Veiwaltung Buch: 240 Seite: 35

sich bilden wollte, von Anfang an von mir verwehrt worden wäre, so

würden heute die meisten der Beteiligten sagen: Ja, wenn das oder jenes

nur geschehen wäre, würde es zu etwas Günstigem geführt haben! -

Nun kann man schon sagen: die Stellung der anthroposophischen Bewegung

wurde in der Welt dadurch immer schwieriger und schwieriger.

Einzelheiten will ich nicht erwähnen, sondern auf das Positive mehr

hinarbeiten; will nur sagen, daß eben notwendig geworden ist, all dem

Negativen, das in der Gesellschaft nach und nach aufgetreten ist, das

Positive gegenüberzusetzen. Eine solche positive Gründung - ich mußte

das oftmals vor der Weihnachtstagung am Goetheanum erwähnen -

wie die anthroposophische Bewegung, die eigentlich eine geistige Strömung

ist, geleitet von geistigen Mächten und geistigen Kräften aus

der übersinnlichen Welt, die ihre Erscheinung nur haben hier in der

physischen Welt, durfte nicht zusammengeworfen werden mit der

Anthroposophischen Gesellschaft, die eben eine Verwaltungsgesellschaft

ist - so weit sie das vermag - zur Pflege des anthroposophischen

Impulses.

Nun, seit der Weihnachtstagung am Goetheanum ist das durchaus

anders geworden. Und nur unter dem Gesichtspunkte des Anderswerdens

hatte es einen Sinn, daß ich selber - mit einem Vorstande zusammen,

mit dem als einem einheitlichen Organismus ganz intensiv für die

anthroposophische Bewegung gearbeitet werden kann und muß - den

Vorsitz übernahm. Diese Voraussetzung ist diejenige, daß nunmehr die

anthroposophische Bewegung eins werde mit der Anthroposophischen

Gesellschaft. Was also nicht wahr war vor der Weihnachtstagung, ist

gründlich verändert seit der Weihnachtstagung. Es muß nunmehr zusammenfallen

die Anthroposophische Gesellschaft mit der anthroposophischen

Bewegung, wie sie sich in der Welt darstellt. Dadurch aber

ist notwendig geworden, daß der esoterische Impuls, welcher durch die

anthroposophische Bewegung fließt, auch wirklich in der ganzen Verfassung

der Anthroposophischen Gesellschaft zum Vorschein kommt.

Daher muß seit dieser Weihnachtstagung in Dornach unbedingt anerkannt

werden, daß die Einsetzung des Dornacher Vorstandes selber ein

Esoterisches ist, daß es sich darum handelt, daß wahre esoterische Strömung

durch die Gesellschaft geht und daß die Einsetzung des Vorcopyright

Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 24 0 Seite: 3 6

Standes als esoterische Tat anzusehen ist. Unter dieser Voraussetzung

ist der Vorstand gebildet worden.

Ferner muß festgehalten werden, daß nunmehr die Anthroposophische

Gesellschaft nicht bloß als Verwaltungsgesellschaft für die

Anthroposophie da sein kann, sondern daß nunmehr Anthroposophie

selber getan werden muß in alldem, was in der Anthroposophischen

Gesellschaft geschieht. Das Tun selber muß anthroposophisch sein. Das

ist dasjenige, was, wie es scheint, recht schwer sich in das Bewußtsein

einlebt. Aber es müßte sich nach und nach diese gründliche Umwandlung

in das Bewußtsein unserer lieben Freunde einleben.

Und zunächst ist ja versucht worden, in dem dem «Goetheanum»

beigegebenen Mitteilungsblatt, das in die Gesellschaft hineinzubringen,

was dieser Gesellschaft eine einheitliche Substanz geben kann, was sozusagen

einen einheitlichen Gedankenzug bringen kann, der dem Strömen

des Geistigen durch die Bewegung dienen kann; was einen einheitlichen

Gedankenzug möglich macht, insbesondere durch die wöchentliche Formulierung

von Leitsätzen, die sozusagen der Grundkeim sein sollen für

das, was in den einzelnen Zweigen geschieht. Es ist ja merkwürdig, wie

verkannt noch wird, was mit der anthroposophischen Bewegung da ist.

Ich bekam vor einiger Zeit einen Brief von einem jüngeren Mitglied

der Anthroposophischen Gesellschaft. Dieser Brief verbreitete sich über

die Eingliederung - für hier, für die Schweiz, hat das keine Bedeutung,

aber ich erwähne es als Beispiel -, über die Eingliederung der Gemeinschaft

für christliche Erneuerung in die Anthroposophische Gesellschaft.

Ich habe nun in einem gewissen Zeitpunkt vom Goetheanum in

Dornach aus betont, wie diese Gemeinschaft für christliche Erneuerung

aufzufassen ist im Verhältnis zur Anthroposophischen Gesellschaft.

Ich habe dazumal betont, daß ich nicht aus der Anthroposophischen

Gesellschaft heraus irgendwie als Begründer der Christengemeinschaft

aufgefaßt werden kann, sondern daß diese Christengemeinschaft neben

der Anthroposophischen Gesellschaft durch mich - ich brauchte dazumal

den Ausdruck «als Privatmann» - gebildet worden ist. An diesen

Ausdruck «Privatmann» knüpft nun dieser Brief an, nachdem gesagt

wird, daß eine religiöse Erneuerung nicht durch einen Menschen geschehen

könne, sondern einzig und allein dadurch, daß ein geistiger Impuls

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 24 0 Seite: 37

aus den oberen Sphären in die Erdenimpulse wieder einfließt: Nur von

göttlich-geistigen Mächten selber kann eine religiöse Erneuerung erhofft

werden. Das ist ganz richtig. Aber eines wird dabei vielleicht vergessen -

und notwendig ist, daß dieses eine vollständig begriffen werde in der

Anthroposophischen Gesellschaft. Was begriffen werden muß, ist dieses:

daß die anthroposophische Bewegung als solche - und in ihr liegen

auch die Quellen für die christliche Erneuerungsbewegung - ja nicht

einem bloß menschlichen Impulse ihren Ursprung verdankt, sondern

daß sie eben gerade dasjenige ist, was unter dem Einflüsse und aus dem

Impuls von geistig-göttlichen Mächten heraus in die Welt gesetzt ist.

Wenn man in der Anthroposophie selber ein geistig Eingesetztes sieht,

das esoterisch durch die Zivilisation fließt, dann nur wird man auch,

wenn aus den Quellen der Anthroposophie etwas anderes entsteht, die

richtige Ansicht haben können, und ein solcher Einwand wie der in dem

Brief kann sich nicht ergeben. Das Bewußtsein muß da sein, daß fernerhin

vom Goetheanum aus die Anthroposophische Gesellschaft esoterisch

geleitet wird.

Damit steht in Verbindung, daß ein völlig neuer Zug durch alles dasjenige

geht, was nunmehr als anthroposophische Bewegung aufgefaßt

wird. Deshalb ist es, daß Sie auch bemerken werden, meine lieben

Freunde, wie anders seit jener Zeit gesprochen werden kann, als das

vorher der Fall war. Es kommt in der Zukunft auf gar nichts weiteres

an, als daß bei allen Maßnahmen der anthroposophischen Bewegung,

die identisch ist mit der Anthroposophischen Gesellschaft, künftighin

eben die Verantwortlichkeit vorliegt gegenüber den geistigen Mächten

selber. Aber das muß richtig verstanden werden. Und so muß namentlich

aufgefaßt werden, daß schon die Überschrift «Allgemeine Anthroposophische

Gesellschaft» nicht gebraucht werden darf für irgendeine

Veranstaltung, ohne daß man sich mit dem Dornacher Vorstand erst

verständigt; daß nicht irgend etwas, was von Dornach inauguriert wird,

irgend weiterverwendet werden kann, ohne sich mit dem Dornacher

Vorstand in entsprechendes Verhältnis zu setzen. Ich muß das erwähnen,

weil immer solche Dinge vorgehen, daß zum Beispiel Vorträge gehalten

werden unter dem Titel der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft,

ohne daß in Dornach angefragt wird. Es werden Dinge, die eso-

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Veiwaltung Buch: 240 Seite: 38

terischen Grundzug haben, wie Formeln und dergleichen, verwendet,

ohne das durch eine Verständigung mit dem Vorstand zu begründen,

was durchaus notwendig ist, denn wir haben es mit Realitäten zu tun,

nicht mit irgendwelchen Verwaltungsmaßnahmen oder Formalien. So

ist also für alle diese und ähnliche Dinge eine Verständigung zu suchen

oder eine Anfrage zu richten an den Schriftführer des Dornacher Vorstandes.

Wenn die Verständigung nicht vorliegt, wird die betreffende

Veranstaltung als nicht von der anthroposophischen Bewegung ausgehend

angesehen. Das würde in irgendeiner Weise zutage treten müssen.

Es ist nun so, daß alles irgend Bürokratische, formal Verwaltungsmäßige

aus der Anthroposophischen Gesellschaft in Zukunft ausscheiden

muß. Das Verhältnis, das besteht innerhalb der Anthroposophischen

Gesellschaft, ist ein rein menschliches, alles auf das Menschliche

abstellendes. Vielleicht darf ich auch hier erwähnen, daß dieses

schon dadurch zutage tritt, daß nunmehr alle die zwölftausend Mitgliederzertifikate,

die ausgestellt werden, von mir persönlich unterschrieben

werden. Ich habe auch den Rat bekommen, ich solle einen

Stempel machen lassen und aufdrücken. Ich tue das nicht. Es ist nur

eine kleine Maßregel, aber es ist etwas anderes, wenn ich mein Auge

habe ruhen lassen auf dem Namen eines Mitgliedes und dadurch das,

wenn auch abstrakte, so doch immerhin persönliche Verhältnis eingetreten

ist. Wenn es auch eine Äußerlichkeit ist, so soll es doch anzeigen,

daß in Zukunft angestrebt wird, die Verhältnisse zu persönlichen, zu

menschlichen zu machen. Daher mußte zum Beispiel neulich in Prag,

als gefragt wurde, ob die böhmische Landesgesellschaft Mitglied werden

könne der Anthroposophischen Gesellschaft, dahingehend entschieden

werden, daß sie das nicht könne: es können nur einzelne Menschen

Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft werden; die können

sich dann zusammenschließen zu irgendwelchen Gruppen. Aber als

einzelne Menschen werden sie Mitglieder und tragen das Zertifikat als

einzelne Menschen. Juristische Personen, also nichtmenschliche Persönlichkeiten,

werden das nicht haben. Ebenso sind die Statuten nicht

Feststellungen, sondern eine einfache Erzählung desjenigen, was der im

esoterischen Sinne aufzufassende Vorstand in Dornach aus seiner Initiative

heraus für die anthroposophische Bewegung tun will. Alle diese

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 24 0 Seite: 39

Dinge müssen in der Zukunft mit dem höchsten Ernste genommen

werden; nur dadurch wird es möglich sein, in der Anthroposophischen

Gesellschaft dasjenige zu schaffen, ohne dessen Schöpfung es mir unmöglich

gewesen wäre, die Leitung der Anthroposophischen Gesellschaft

selber zu übernehmen.

Nun soll auch durchaus in all unser Wirken und Schaffen durch die

Weihnachtstagung ein neuer Zug kommen. Und deshalb wird in der

Zukunft ganz aus dem Geistigen heraus auch gesprochen werden,

gesprochen werden so, daß Dinge, wie sie sich zugetragen haben durch

dasjenige, was eben in der letzten Zeit geschehen ist, sich nicht mehr

zutragen können. Sehen Sie, ein großer Teil der Feindseligkeiten ist zum

Beispiel entstanden durch manches, was provozierend war in der Gesellschaft.

Gewiß, dazu kommen alle möglichen unlauteren Dinge, aber in

Zukunft wird man gar nicht mehr so zu den Feindseligkeiten sich stellen

können wie in der Vergangenheit. Denn die Zyklen sind so, daß sie für

jeden zu haben sind, daß sie vom Philosophisch-Anthroposophischen

Verlag zu beziehen sind. Wir werden sie nicht im Buchhandel anpreisen

lassen, die Freigabe ist auch nicht so aufzufassen, daß sie dem Buchhandel

eingefügt werden, aber sie werden jedem zugänglich sein. Schon

dadurch ist die Behauptung weggeschafft, daß die Anthroposophische

Gesellschaft eine Geheimgesellschaft sei mit Geheimschriften. Aber es

wird in Zukunft gar manches durch die anthroposophische Bewegung

fließen, demgegenüber man gar kein Verhältnis zu irgendeiner feindlichen

Außenwelt gewinnen kann. Vieles von dem, was in die Lehren

der Anthroposophischen Gesellschaft in Zukunft einfließen wird, wird

so sein, daß es die selbstverständliche Feindseligkeit hervorrufen wird

derjenigen, die draußen stehen, aber eine Feindseligkeit, um die man

sich nicht kümmern wird, weil sie eine selbstverständliche ist.

So möchte ich aus diesem Geiste heraus einiges zu Ihnen sprechen,

möchte namentlich darüber sprechen, wie das Begreifen der geschichtlichen

Entwickelung der Menschheit ein ganz anderes Licht bekommt,

wenn man Ernst macht mit der Betrachtung der Karmaverhältnisse im

Welten wer den.

Sehen Sie, ich habe bei der allerersten Versammlung, die in Berlin

zur Begründung der damaligen Deutschen Sektion der Theosophisehen

Copyright Rudolf Steinet Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 4 0

Gesellschaft war, für einen Vortrag, den ich damals halten wollte,

einen bestimmten Titel gewählt. Der Titel hieß: «Praktische KarmaÜbungen

». Ich wollte damals dasjenige einleiten, was jetzt geschehen

soll. Ich will Ernst machen mit der Betrachtung des Karma.

Dazumal waren in der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft

einzelne ältere Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft; die

fingen an förmlich zu beben davor, daß ich die Absicht hatte, in einer

so esoterischen Weise anzufangen. Und in der Tat war keine Stimmung

dazu da. Man konnte konstatieren, wie wenig vorbereitet die Seelen

für so etwas waren. Es konnte in der Form, wie es damals beabsichtigt

war, das Thema «Praktische Karma-Übungen» überhaupt nicht zur

Geltung kommen. Die Verhältnisse machten es dazumal notwendig, daß

eigentlich in einer viel exoterischeren Weise gesprochen wurde, als es

damals beabsichtigt war. Aber es muß einmal mit dem wirklichen Esoterischen

begonnen werden, nachdem mehr als zwei Jahrzehnte vorbereitender

Arbeit geschehen ist. So konnte die Weihnachtstagung in

Dornach stattfinden, wo das Esoterische in die Gesellschaft hineinkam,

und so kann eigentlich jetzt dort angeknüpft werden, wo damals beabsichtigt

war, diesen esoterischen Zug in die Gesellschaft hineinzutragen.

Geschichtliche Entwickelung der Menschheit, was ist sie eigentlich,

wenn wir hinschauen auf dasjenige, was sich enthüllt für den Menschen

als wiederholte Erdenleben? Bedenken Sie doch, meine lieben Freunde,

wenn irgendeine Persönlichkeit irgendwie leitend, führend in der Entwickelung

der Menschheit auftritt, müssen wir sagen: diese Persönlichkeit

trägt in sich eine seelische Individualität, die oftmals schon da war

im Erdenieben und die in dieses Erdenleben hineinbringt die Impulse

aus früheren Erdenleben. Wir verstehen sie in Wirklichkeit nur, wenn

wir sie aus ihrem früheren Erdenleben heraus begreifen. Wir sehen

daraus zugleich, wie dasjenige, was in früheren Epochen der Weltgeschichte

wirkte, herübergetragen wird aus früheren Epochen der Weltgeschichte

durch die Menschen selber. Dasjenige, was in der heutigen

Zivilisation lebt, ist herausgewachsen aus den Menschen der weiteren

Gegenwart. Diese Menschen der weiteren Gegenwart aber sind ja dieselben

Seelen, die in früheren Epochen da waren, die das aufgenommen

haben, was frühere Zivilisationsepochen gebracht haben. Das haben

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite:41

diese Menschen selber herübergetragen in die Gegenwart. Und so ähnlich

ist es für die anderen Epochen. So daß man dieses Fortströmen der

Zivilisationsimpulse nur begreifen kann, wenn man eingehen kann auf

dasjenige, was durch die Seelen aus einer Zeitepoche in die andere herübergebracht

wird. Dann ergibt sich aber eine konkrete Geschichte

gegenüber der abstrakten. Sonst spricht man nur immer davon, daß

Ideen in der "Weltgeschichte wirken oder moralischer Wille, überhaupt

Moralimpulse, welche die Dinge von einem Zeitraum in den anderen

hinübertragen. Die Träger dessen, was aus anderen Kulturepochen

stammt, sind die Menschenseelen selber, denn sie verkörpern sich immer

von neuem. Nur dann auch begreift man, wie man selber geworden ist,

wie man hereingetragen hat dasjenige, was zugrunde liegt dem Schicksal

des Leibes, dem Schicksal im Guten wie im Bösen, wenn man zunächst

einmal hinschaut auf die Art und Weise, wie das, was Geschichte

geworden ist, von den Menschen selbst, die in wiederholten Erdenleben

gelebt haben, von einer Epoche in die andere getragen worden ist. Dann

enthüllen sich erst die Geheimnisse, die großen Rätselfragen des geschichtlichen

Werdens.

Nun möchte ich einmal heute an drei Beispielen zeigen, wie Karma

durch konkrete Persönlichkeiten wirkt: ein Beispiel, das mehr auf den

großen Schauplatz der Geschichte führt, und zwei weitere Beispiele,

die mehr die Wiederverkörperungen von einzelnen Menschen ins Auge

fassen.

Sehen Sie, in unserer modernen Zivilisation ist sehr viel von dem

drin, was eigentlich heute nicht ganz zum Christentum, zur christlichen

Entwickelung stimmt: die neuere Naturwissenschaft mit alldem, was

von ihr aus schon bis in die Volksschule hineingetragen wird, so daß die

Menschen, die auch nichts von Naturwissenschaft wissen, ein im Sinne

der Naturwissenschaft gehaltenes Denken haben. Diese Impulse sind

eigentlich nicht christlich. Woher stammen sie?

Nun, Sie alle wissen, daß sich etwa ein halbes Jahrtausend nach der

Begründung des Christentums der Arabismus, inspiriert durch Mohammed,

ausgebreitet hat. Zunächst verfolgt man diesen Arabismus so, daß

Mohammed eine Lehre begründete, die sich in einem gewissen Sinne

dem Christentum entgegenstellte. Inwiefern dem Christentum ent-

Copyright Rudolf Steinet Nachlass-Vei waltung Buch: 2 4 0 Seite: 4 2

gegenstellte? Sehen Sie, es gehört schon einmal zum Christentum, daß

in dem Kern des Christentums leben die drei Formen des Göttlichen:

der Vater, der Sohn und der Geist. Das führt zurück auf die alten

Mysterien, die den Menschen hinaufgeführt haben durch vier Vorstufen,

dann durch die drei oberen Stufen. Wenn der Mensch die fünfte Stufe

erreicht hat, erscheint er als der Repräsentant des Geistes, in der sechsten

als der Repräsentant des Christus, in der siebenten, der höchsten, als

der Repräsentant des Vaters. Das will ich nur erwähnen.

Diese Trinität macht es möglich, daß in der Entwickelung des

Christentums der Impuls der Freiheit liegt. Da schaut man hinauf zum

Vatergott. Was hat man da? Wenn man hinauf schaut zum Vatergott,

so ist der Vatergott jene Geistigkeit, die in all den Kräften des Weltenalls

lebt, die für das Erdensein vom Monde ausgehen. Nun gehen innerhalb

des Erdenseins vom Monde alle diejenigen Kräfte aus, die es mit

den Impulsen der physischen Keimung, also beim Menschen der physischen

Menschwerdung zu tun haben. Natürlich muß man sich immer

klar sein darüber, daß diese physische Menschwerdung ihre geistige

Seite hat. Wir steigen herunter vom vorirdischen Dasein, das ein geistigseelisches

ist, in das irdische Dasein, wir vereinigen uns mit dem physischen

Leib. Aber alles, was da geschieht, was den Menschen von der

Geburt aus ins Erdenleben hineinstellt, ist Vatergott-Schöpfung, ist für

die Erde Schöpfung durch Mondenkräfte. Dadurch ist der Mensch,

indem er durch ein Erdenleben hindurch den Mondenkräften unterworfen

ist, schon vorher bestimmt, wenn er in die Erdentwickelung

hereintritt, ganz bestimmten Impulsen unterworfen zu sein. Daher ist

auch zum Beispiel eine Mondreligion, eine ausgesprochene Vaterreligion

- wie es die hebräisch-jüdische des Altertums war -, durchaus

darauf aus, nur dasjenige im Menschen gelten zu lassen, was in ihm

veranlagt ist durch die Vatergott-Kräfte, durch die Mondkräfte. Als

nun aber das Christentum begründet wurde, waren in der Umgebung

des Christus durchaus noch alte Mysterienwahrheiten vorhanden, die

zum Beispiel zurückgewiesen haben auf ganz bestimmte Einrichtungen,

die in der ältesten Zeit der nachatlantischen Kulturentwickelung bestanden

haben, Einrichtungen, die heute dem Menschen ganz grotesk

erscheinen, die aber in der Menschennatur begründet waren.

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 2 40 Seite: 4 3

Sehen Sie, wenn der Mensch in der ersten nachatlantischen Kulturperiode,

die wir die urindische genannt haben, so dreißig Jahre alt

geworden war, trat mit ihm eine ganz radikale Umwandlung, eine

Metamorphose im Erdenleben ein. Eine so radikale Umwandlung, daß,

in heutiger, moderner Form ausgesprochen, folgendes passieren konnte:

Der Mensch, der das dreißigste Lebensjahr überschritten hatte, begeg-

. nete einem anderen, den er sehr gut kannte, mit dem er vielleicht befreundet

war, und der noch nicht das dreißigste Lebensjahr überschritten

hatte. Der redet ihn an, will ihn begrüßen. Der das dreißigste Jahr überschritten

hat, versteht gar nicht, was er will: Er hat alles auf der Erde

Erfahrene mit dem dreißigsten Lebensjahr vergessen! Und dasjenige,

was in ihm weiter im Leben als Impuls wirkt, das wurde ihm durch die

Mysterien verliehen. So war es in den ältesten Zeiten der Entwickelung

nach der atlantischen Katastrophe. Um das, was er vorher erlebt hatte,

zu erfahren, mußte er sich erst erkundigen: das mußte er erst aus der

kleinen Gemeinde, die da war, erfahren. Mit dreißig Jahren wurde die

Seele so umgewandelt, daß der Mensch ein ganz neuer Mensch war. Er

fing ein neues Dasein an, so wie er als Kind mit der Geburt angefangen

hatte. Damals war ihm ganz klar: Bis zum dreißigsten Lebensjahr

wirken die Jugendkräfte; dann mußten die Mysterien, die reale Impulse

in sich schlössen, dafür sorgen, daß der Mensch weiter in seiner Seele

Menschendasein hatte. Das taten die Mysterien, weil sie Besitzer des

Sohnesgeheimnisses waren.

Der Christus lebte nun schon in einer Zeit, in der die Sohnesgeheimnisse,

wie ich sie hier nur andeuten kann, vollständig zerstoben waren,

nur in kleinen Kreisen noch gewußt wurden. Der Christus konnte sich

aber offenbaren durch sein Erlebnis im dreißigsten Lebensjahr dahin,

daß er nun als der letzte den Sohnesimpuls, und zwar vom Weltenall

unmittelbar empfangen hatte, wie man ihn empfangen muß, um nach

dem dreißigsten Jahr ebenso von den Sonnenkräften abhängig zu sein

wie vorher von den Mondenkräften. Christus hat begreiflich gemacht

den Menschen: die Sohneswesenheit in ihm ist jene Sonnenwesenheit, die

einstmals in den Mysterien erwartet worden war, aber als etwas, was

nicht auf der Erde war. Damit ist die Menschheit hingewiesen worden,

so wie man in den alten Mysterien in die Geheimnisse der Sonnenkraft

Copyright Rudolf Steinet Nachlass-Veiwaltung Buch:240 Seite: 44

hineingeschaut hat, so jetzt auf den Christus, um zu sagen, daß nun das

Sonnengeheimnis in den Menschen eingetreten ist. Das ist ja dann in den

ersten christlichen Jahrhunderten vollständig ausgerottet worden.

Sternenweisheit, kosmische Weisheit ist ausgerottet worden, jjnd eine

materialistische Auffassung des Mysteriums von Golgatha hat sich allmählich

gebildet, die den Christus nur kennt als etwas, was allerdings

in Jesus gelebt hat, im übrigen aber von dem ganzen Zusammenhang

nichts wissen will.

Nun konnten diejenigen, die das wußten, in den ersten christlichen

Jahrhunderten sagen: Neben dem Vatergott besteht der Sohnes-oder der

Christus-Gott. Der Vatergott ist der Regierer dessen, was in den Menschen

fatalistisch veranlagt ist, weil es mit ihm geboren ist und in ihm

wirkt wie Naturkräfte. So ist auch die hebräische Religion konstituiert.

Das Christentum setzt die Sohneskraft daneben, die während des

menschlichen Lebenslaufes einzieht als ein Schöpfer in seine Seele, die

ihn frei macht und ihn vor sich selbst wiedergeboren werden läßt, daß

er etwas im Erdenleben werden könne, was noch nicht vorherbestimmt

ist mit der Geburt durch die Mondenkräfte. Das war der Hauptimpuls

des Christentums in den ersten Jahrhunderten.

Gegen diesen Impuls hat sich der Mohammedanismus aufgelehnt mit

seinem Satze, der weithin wirkt: Da ist kein Gott außer Gott, den da

Mohammed zu verkünden hat. - Es ist ein Zurückgehen auf Vorchristliches,

nur in der Erneuerung, wie es eintreten mußte, weil es eintrat ein

halbes Jahrtausend nach der Begründung des Christentums. Damit war

der Naturgott, der Vatergott zu dem alleinigen gemacht, nicht ein

Freiheitgott, ein die Menschen zur Freiheit führender Gott. Das begünstigt

innerhalb des Arabismus, wo sich der Mohammedanismus ausbreitet,

eine Wiedererneuerung alter Kulturen. Eine Wiedererneuerung

uralter Kulturen mit Ausschluß des Christentums findet in der Tat in

grandioser Weise statt in verschiedenen Zivilisationszentren des

Orientes. Es breitete sich zugleich mit den kriegerischen Strömungen

des Arabismus aus von Osten nach Westen, in Afrika, ich möchte sagen,

das Christentum umfangend, ein Zug von Wiedererneuerung alter Kultur

im Arabismus.

Eine glänzende Statte für diesen Arabismus war in Asien drüben am

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 45

Hofe des Harun al Raschid^ so in dem Zeitalter, in dem in Europa Karl

der Große herrschte. Aber während Karl der Große kaum darüber

hinauskam, schreiben und lesen zu können, die primitivsten Anfänge

der Kultur zu entfalten, lebte eine höchst großartige Kultur am Hofe

Harun al Raschids. Harun war vielleicht kein ganz guter, aber ein umfassender

Geist, ein eindringlicher, genialer Geist, im besten Sinne des

Wortes ein universeller Geist. Er versammelte am Hofe alle diejenigen

Weisen, welche Träger waren desjenigen, was dazumal gewußt werden

konnte: Dichter, Philosophen, Mediziner, Theologen, Architekten, alles

das lebte, hergeführt von seinem großen Geiste, am Hofe Harun al

Raschids.

Nun lebte an diesem Hofe Harun ai Raschids ein ganz eminenter,

bedeutsamer Geist, ein Geist, der - nicht dazumal in der Inkarnation

am Hofe Harun al Raschids, sondern in einer früheren Inkarnation -

ein wirklicher Eingeweihter gewesen war. Sie werden sich fragen:

Bleibt denn ein Eingeweihter, durch die Inkarnationen gehend, nicht

ein Eingeweihter? Man kann ein tief Eingeweihter in einer früheren

Epoche gewesen sein, und man muß in einer neuen Epoche denjenigen

Körper benützen, man muß diejenige Erziehung durchmachen, welche

aus dieser Epoche herauskommen kann. Dann muß man die Kräfte,

die zunächst aus der früheren Inkarnation kommen, im Unterbewußtsein

halten. Es muß sich dasjenige, was der entsprechenden Zivilisation

gemäß ist, in einem Menschen dann entwickeln. So leben durchaus Menschen,

die äußerlich eben wie Ergebnisse ihrer Zivilisation erscheinen;

aber durch die Art, wie sie draußen leben, sieht man tiefere Impulse in

ihnen: Sie waren früher Eingeweihte, verlieren das auch nicht, handeln

auch in ihrem Unterbewußtsein darnach; sie können aber nicht anders,

als sich anpassen dem, was das Leben der Kultur eben gewährt.

So war die Persönlichkeit, von der die Überlieferung sagt, daß sie

großartige Einrichtungen für alle die Wissenschaften am Hofe Harun

al Raschids getroffen hat, dazumal eben nur einer der größten Weisen

seiner Zeit, mit einem im Geiste so überragenden Organisationstalent,

daß viel von dem, was am Hofe Harun al Raschids gewirkt hat, von

diesem Geiste ausging.

Nun breitete sich der Arabismus durch Jahrhunderte aus. Wir wis-

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 46

sen ja von den Kriegen, die Europa geführt hat, um den Arabismus in

seine Schranken zurückzuweisen. Damit war es nicht abgetan: Die

Seelen, die gewirkt haben im Arabismus, gehen durch die Pforte des

Todes, entwickeln sich durch die geistige Welt weiter und bleiben in

einer gewissen Art bei ihrem Wirken. So ist es bei den zwei Individualitäten

des Harun al Raschid und seines weisen Ratgebers, der an

seinem Hofe gelebt hat.

Folgen wir zunächst Harun al Raschid. Er geht durch die Pforte des

Todes, entwickelt sich durch die geistige Welt weiter. Die äußere Form

des Arabismus wird zurückgedrängt; das Christentum pflanzt seinen

exoterischen Charakter, den es allmählich angenommen hat, Mittelund

Westeuropa ein. Aber so wenig es möglich ist, in der alten Form

des Mohammedanismus, des Arabismus in Europa weiterzuwirken, so

sehr wird es möglich, daß die Seelen derjenigen, die am Hofe des Harun

al Raschid in dieser glänzenden Zivilisation einmal gelebt und den

Impuls empfangen haben, darin weiterzuwirken, eben weiterwirken.

So sehen wir, daß Harun al Raschid selber wiederverkörpert wird

in der vielgenannten Persönlichkeit des Baco von Verulam, jenes englischen

führenden Geistes, von dem die ganze moderne wissenschaftliche

Denkweise und damit vieles von dem, was jetzt in den Menschen

lebt, beeinflußt ist. Harun al Raschid konnte nicht von London, von

England aus eine im strengen Sinne des Arabismus geformte Kultur

und Zivilisation verbreiten, diese Seele mußte sich der Form bedienen,

die im westlichen Abendlande möglich war. Aber der ganze Grundzug,

der Grundduktus desjenigen, was Baco von Verulam über die europäische

Denkweise ergossen hat, das ist der alte Arabismus in der

neuen Form. Und so lebt gerade in dem, was naturwissenschaftliche

Denkweise heute ist, der Arabismus, weil Baco von Verulam der

wiederverkörperte Harun al Raschid war.

Der Weise, der an seinem Hofe gelebt hat, er ging ebenfalls durch

die Pforte des Todes; aber er ging einen anderen Weg. Er konnte nicht

untertauchen in eine solche materialistisch gesinnte Geistesströmung,

in die Baco untertauchen konnte, er mußte bei einer mehr spirituellen

Geistesströmung bleiben. Und so kam es denn, daß in dem Zeitalter, in

dem auch Baco von Verulam wirkte, ein anderer Geist - aber jetzt in

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch:240 Seite: 47

Mitteleuropa - wirkte, der sich gewissermaßen der Seele nach begegnete

mit dem, was ausging von der Seele des wiedergeborenen Harun al

Raschid. Wir sehen gewissermaßen die Baco-Strömung von England

gegen Mitteleuropa herüber sich ergießen, von Westen nach Osten.

Dadurch, daß die Seele, ich möchte sagen, von Spanien und Frankreich

herüber zurückgebracht hat diese Anschauung des Arabismus, dadurch

ist schon zu begreifen, daß sie einen anderen Inhalt bekam als jene

Seele, die durch die Pforte des Todes geht, den Blick während des Durchgangs

durch die geistige Welt gerichtet hat auf das, was in Ost- und

Mitteleuropa war, und in Mitteleuropa wiedergeboren wurde als Arnos

Comenius. Er hat dasjenige, was er ausgelebt hat am Hofe Harun al

Raschids aus orientalischer Weisheit heraus, wieder erneuert dadurch,

daß er dann im 17. Jahrhundert diejenige Persönlichkeit war, welche

ganz energisch den Gedanken vertreten hat: Ein Geistiges, ein gegliedertes

Geistiges geht durch die Menschheitsentwickelung. - Trivial sagt

man oftmals, Comenius habe geglaubt an das «Tausendjährige Reich».

Das ist trivial gesprochen. In Wahrheit bedeutet das, daß Comenius

an Epochen in der Menschheitsentwickelung geglaubt hat, daß er eine

geistige, von der geistigen Welt aus gegliederte weltgeschichtliche Entwickelung

angenommen hat. Er will zeigen, daß ein Geistiges die ganze

Natur durchwallt und durchwebt: er schreibt eine «Pansophia», eine

Allweisheit. Es ist eigentlich ein tiefer geistiger Zug in dem, was Arnos

Comenius wirkte. Dabei ist er ein Erneuerer des Erziehungswesens. Das

ist bekannt: er strebte nach Anschaulichkeit; aber nach einer anderen

Anschaulichkeit als der Materialismus, nach einer durch und durch

geistigen Anschaulichkeit. Ich kann das nicht in Einzelheiten auseinandersetzen,

ich kann nur hinweisen, wie Arabismus in westlicher Form,

Arabismus in orientalischer Form, ausgeflossen ist von dem, was in

Mitteleuropa aus dem Zusammenströmen dieser beiden Geistesimpulse

entstanden, hervorgegangen ist.

Wir begreifen vieles von dem, was in der Zivilisation Mitteleuropas

lebt, nur, wenn wir so sehen, wie Geister, die am Hofe Harun al Raschids

lebten, selber - in der Form, wie es erneuert werden konnte - herübertragen

aus Asien das, was aus dem Arabismus fließt. So sehen wir,

wie im geschichtlichen Werden die Individualität des Menschen wirkt.

Copyright Rudolf Steinet Nachlass-Veiwaltung Buch: 240 Seite: 48

Und wir können dann, wenn wir hinblicken auf solche signifikante

Beispiele, an diesen lernen, wie Karma durch die Inkarnationen wirkt.

Dann kann es schon, wie ich das bei verschiedenen Gelegenheiten

besprach, angewendet werden auf das, was unsere eigene Inkarnation

ist. Aber zunächst müssen wir konkrete Beispiele haben.

Nun betrachten wir zunächst ein solches Beispiel - und da ist wohl

vor allen Dingen Interesse dazu vorhanden hier in diesem Lande -,

betrachten wir den schweizerischen Dichter Conrad Ferdinand Meyer.

Wenn wir außer auf seine Dichtungen noch auf die Persönlichkeit

Conrad Ferdinand Meyers blicken, so kann er schon ein großes Interesse

erwecken. Er ist eine merkwürdige Persönlichkeit, dieser Conrad Ferdinand

Meyer. Es ist eigentlich bei ihm immer so gewesen: Wenn er

seine in wunderbaren Rhythmen einherschreitenden Dichtungen komponierte,

sieht man, wenn man diese Dinge beobachten kann, wie seine

Seele in jedem Augenblick etwas Neigung dazu hatte, aus dem Körper

herauszutreten. Es hat schon etwas rein Seelisches, was in den wunderbaren

Formen der Dichtungen, auch den Prosadichtungen Conrad Ferdinand

Meyers lebt. Er hat auch wiederholt in seinem Leben unter dem

Schicksal zu leiden gehabt, daß, wenn diese Trennung vom Geistig-

Seelischen und Physisch-Leiblichen zu stark wurde, eine Trübung in

seinem Erdenleben eintrat. Aber dieses nur lose Ineinanderwirken des

Geistig-Seelischen und des physischen Leibes - man merkt es, wenn man

sich mit den Dichtungen oder der Persönlichkeit des Conrad Ferdinand

Meyer beschäftigt. Diese Individualität, die in der Conrad Ferdinand

Meyer-Inkarnation nur lose in dem physischen Leibe drinnen lebt, die

muß - so sagt man sich zunächst - in früheren Erdenleben ganz Besonderes

durchgemacht haben.

Nun sind Forschungen in bezug auf frühere Erdenleben wahrhaftig

nicht immer leicht. Man muß die mannigfaltigsten Enttäuschungen,

das mannigfaltigste Zurückgeworfenwerden in bezug auf

das, was man geistig durchdringen will, durchmachen. Zur Befriedigung

des Sensationswütigen ist darum das, was ich sage über die Wiederverkörperungen,

durchaus nicht da, sondern um immer tiefer in das geschichtliche

Werden hineinzuleuchten.

Wenn man Conrad Ferdinand Meyers Leben verfolgt, gerade wenn

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 2 4 0 Seite: 4 9

man ausgeht von dieser losen Verbindung des Geistig-Seelischen mit

dem Physisch-Leiblichen, dann wird man zurückgeleitet zu einer sehr

frühen Inkarnation, einer Inkarnation im 6. nachchristlichen Jahrhundert.

Da wird man auf eine Individualität geführt, bei der man zunächst

mit der geistigen Intuition, mit der man solche Dinge verfolgt,

nicht ganz zurechtkommt. Man wird eigentlich geistig von dieser Individualität,

die in Italien lebte, in Italien sich hineinfindet in die damals

sich ausbreitende Form des Christentums, wiederum abgebracht.

Man kann nicht recht an sie heran, und man wird dann auf die Conrad

Ferdinand Meyer-Inkarnation zurückgeworfen, so daß man eigentlich

bei dieser Untersuchung einer früheren Inkarnation, wenn man schon

glaubt, in dieser Inkarnation des 6. Jahrhunderts angekommen zu sein,

wieder zurück muß zu dem späteren Conrad Ferdinand Meyer und jetzt

den Zusammenhang zwischen diesen beiden Inkarnationen nicht ordentlich

versteht, bis man darauf kommt, was des Rätsels Lösung ist. Man

merkt, in Conrad Ferdinand Meyer lebt ein Gedanke, der einen beirrt,

ein Gedanke, der auch künstlerisch geworden ist, ein Gedanke, der übergegangen

ist in seine Erzählung «Der Heilige», in welcher Thomas

Becket, der Kanzler-Bischof von Canterbury im 12. Jahrhundert am

Hofe Heinrichs von England, behandelt wird.

Aber nun, wenn man dasjenige verfolgt, was an Gedanken- und

Empfindungszusammenhängen in Conrad Ferdinand Meyer lebte, indem

er an dieser Erzählung schrieb, dann kommt man erst so recht

hinein in die Art und Weise, wie Conrad Ferdinand Meyers Geist wirkte.

Man wird gewissermaßen von einer Verdunkelung des Bewußtseins in

die Erhellung geführt und wieder zurück. Man sagt sich zuletzt: Mit

diesem Gedanken in Conrad Ferdinand Meyers Erzählung hat es eine

ganz besondere Bewandtnis; der ist nicht so ohne weiteres erklärbar,

er muß eigentlich tief sitzen. Dann kommt man darauf, daß er hervorgeht

aus einem Impuls in einem früheren Erdenleben, in welchem die

Individualität des Conrad Ferdinand Meyer in Italien war, an einem

kleineren Hofe gelebt hat, innerhalb der christlichen Entwickelung

eine große Rolle gespielt hat: da hat diese Individualität etwas Besonderes

erlebt. Man kommt allmählich darauf, daß diese Individualität

mit einer christlichen Mission von Italien ausgeschickt worden ist nach

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 5 0

England. Diese Mission hat dazumal das Erzbistum von Canterbury

gegründet. Die Individualität, die später zu Conrad Ferdinand Meyer

geworden ist, war auf der einen Seite tief berührt von jener Kunst, die

ausgestorben ist, die im 4., 5. Jahrhundert in Italien vorhanden war, die

dann in den Mosaiken Italiens ihre weitere Ausgestaltung gefunden hat.

In dem wirkte die Individualität Conrad Ferdinand Meyers darinnen.

Dann ging sie, impulsiert vom damaligen Christentum, mit der Mission

nach England. Nachdem sie dann das Erzbistum von Canterbury mitbegründet

hatte, wurde sie von einem angelsächsischen Häuptling unter

merkwürdigen Umständen ermordet.

Dieser Umstand lebte als Impuls in der Seele weiter. Und als diese

Seele als Conrad Ferdinand Meyer geboren wurde, lebte im Unterbewußtsein

dieses Schicksal von dazumal: Das Ermordetwerden in

England - es hat etwas zu tun mit dem Erzbistum von Canterbury! So

wie manchmal ein Erinnerungsimpuls heraufgeholt wird, wenn ein

Wort anklingt, so wirkt dieser Impuls «ich habe einmal etwas zu tun

gehabt mit Canterbury» nach, und das treibt Conrad Ferdinand Meyers

Seele dahin, nicht sein Schicksal zu schildern - das bleibt im Unterbewußtsein

-, aber das ähnliche Schicksal des Thomas Becket, des

Kanzlers Heinrichs von England, der zu gleicher Zeit Erzbischof von

Canterbury war.

Dieses merkwürdige seelische Leiden des Conrad Ferdinand Meyer

bewirkt auch das Herüberrutschen des eigenen Schicksals in das andere,

das er als Conrad Ferdinand Meyer aus der Geschichte kennenlernt.

In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, wo so viele chaotische Verhältnisse

in Mitteleuropa herrschten, wurde diese Individualität

wiedergeboren, und zwar als Frau. Und als weibliche Persönlichkeit

wirkte nun das Chaotische im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges

ganz besonders tief auf diese Individualität. Diese Frau verheiratete

sich mit einer Persönlichkeit, die eigentlich etwas ungeschliffen war,

ein Haudegen, der den deutschen Verhältnissen entfloh ins Graubündner

Land in der Schweiz. So verbrachte dieses Ehepaar - die

Frau empfänglich für die gewaltigen Eindrücke der Gegenwart, die

zwar chaotisch waren, der Mann mehr philiströs -, so verbrachten sie

die Zeit im Graubündner Lande.

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch:240 Seite:51

Da wurde aufgenommen aus den weltwirkenden Vorgängen der Zeit

das, was wieder hervorzusprießen sucht in «Jürg Jenatsch». Also die

Gedanken und Empfindungen leben wiederum auf bei Conrad Ferdinand

Meyer aus demjenigen, was er erlebt hat in dieser Weise. Das

Schwierige ist, daß Conrad Ferdinand Meyer diese Eindrücke in die

Seele aufnahm, aber sie zur Verwandlung treiben mußte, aus dem

Grunde, weil er in der Welt so lebte, daß eigentlich sein Geistig-Seelisches

immer Impulse aufnahm, die dann bewirkten, daß in der Conrad

Ferdinand Meyer-Inkarnation es nur in loser Weise mit dem Leiblich-

Physischen verbunden war.

Nun, Sie sehen darin etwas, woran man zeigen kann, wie in das

Denken, Fühlen, Empfinden und künstlerische Schaffen einer Persönlichkeit

die alten Impulse herüberwirken auf eine ganz merkwürdige

Weise. Durch Spekulation, durch Nachdenken auf irgendeine intellektuelle

Weise ergibt sich die Wahrheit darüber ganz gewiß nicht, sondern

wirklich nur in der geistigen Anschauung.

Von ganz besonderem Interesse mit Bezug auf ihre wiederholten

Erdenleben sind dann Persönlichkeiten, die in irgendeinem Erdenleben

den Blick anziehen. Sehen Sie, da ist eine Persönlichkeit, die ja ganz

besonders hier den Menschen lieb und wert ist und die so recht hineinschauen

läßt in die Art und Weise, wie Seelen durch die Erdenleben

durchgehen. Lernt man diese Dinge wirklich kennen, so nehmen sie sich

anders aus, als man eigentlich voraussetzt.

Da haben wir eine Seele - ich konnte sie zuerst treffen in einer Art

priesterlicher Funktion innerhalb alter Mysterien. In einer Art priesterlicher

Mission; nicht gerade ein an erster Stelle leitender Priester, aber

ein Priester, der durch seine Position innerhalb der Mysterien die Seelen

in hohem Grade bilden konnte. Eine edle Persönlichkeit voller Güte in

der damaligen Inkarnation, wie sie durch die Mysterien eben einmal

herangewachsen ist.

Diese Persönlichkeit hatte nun das Schicksal, in dem ersten Jahrhundert

vor der Begründung des Christentums, also etwa hundert Jahre

vor Christi Geburt, durch Sitten, wie sie damals üblich waren, einem

Sklavenhändler zu dienen, unter einer ziemlich grausamen Persönlichkeit

Führer zu sein einer Schar von Sklaven, die hart arbeiten mußten

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 52

und die eben nicht anders behandelt werden konnten, als sie behandelt

wurden nach den Sitten der damaligen Zeit. Diese Persönlichkeit muß

man nun nicht verkennen, nicht mißverstehen. Man muß die Zusammenhänge

in alten Kulturen anders auffassen als in unseren. Man muß

durchaus verstehen, daß eine solch edle Persönlichkeit, wie diejenige

war, von der ich spreche, wieder verkörpert werden konnte etwa hundert

Jahre vor der Begründung des Christentums als eine Art Sklavenhalter

für ein großes Sklavenheer. Sie konnte nicht viel aus eigenem

Impuls heraus handeln, das war ihr schweres Schicksal. Aber zu gleicher

Zeit hatte sie ein eigentümliches Verhältnis begründet zu den Seelen,

die in den Sklaven waren, die hart arbeiten mußten. Sie gehorchte,

diese Persönlichkeit, eben jener mehr grausamen Persönlichkeit, von

der ich gesprochen habe - heute würden wir sagen: ihrem Vorgesetzten.

Aber in solchen Dingen, solchen Zusammenhängen bilden sich Antipathien

und Sympathien. Und als dann diese Persönlichkeit, die manchmal

mit schwerem, blutendem Herzen dasjenige getan hat, was ihr zu

tun oblag nach den Befehlen, die sie erhalten hatte, durch die Pforte

des Todes ging, traf sie dort zusammen mit den Seelen, die auch auf

diese Persönlichkeit einen gewissen Haß geworfen hatten. Das lebte

sich dann aus in dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt und begründete

so seelisch-geistige Zusammenhänge, die dann als Impulse vorbereitend

wirkten für das nächste Erdenleben.

Nun bilden sich natürlich zwischen allen Menschen, die miteinander

zu tun haben, karmische Zusammenhänge. Es ist schon auch einmal

schicksalsgemäß, daß diese Individualität, von der ich hier spreche,

die eine Art Sklavenführer und karmisch verbunden war mit ihrem

Vorgesetzten, dessen Befehlen sie gehorchen mußte, sich auch in einer

gewissen Weise schuldig machte - ich möchte sagen: unschuldig-schuldig

- alles desjenigen, was die Grausamkeit des Vorgesetzten bewirkt

hat. Sie tat eben mit, wenn auch aus keinem ursprünglichen Impulse

heraus, so doch durch die Sitten und den ganzen Zusammenhang veranlaßt,

und so bestand ein karmisches Band zwischen den beiden. Das

bereitete sich so zu in dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt, daß

diese Persönlichkeit, die da Sklavenführer war, wiedergeboren wurde

im 9, nachchristlichen Jahrhundert als Frau. Sie wurde die Frau jenes

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 24 0 Seite: 53

grausamen Vorgesetzten und erlebte in dieser Gemeinschaft mancherlei,

was ein karmischer Ausgleich war für das, was ich als eine Art Unschuldig-

Schuldigwerden an den begangenen Grausamkeiten bezeichnet

habe. Aber was erlebt wird, vertieft die Seele weiter: Manches von dem

tauchte wieder auf, was in der alten Priesterinkarnation da war, aber

mit einer tiefen Tragik tauchte es wieder auf. Die Verhältnisse im

9. Jahrhundert brachten es dazu, daß dieses Ehepaar in Zusammenhang

kam mit vielen Menschen, welche die wiederverkörperten Seelen waren

derer, die mit ihnen gelebt hatten als die Sklavenseelen und die jetzt

auch wiedergeboren wurden. Menschenseelen werden ja in der Regel

im gleichen Zeitalter zusammen wiedergeboren. Und es entstand wiederum

auf Erden ein Lebensverhältnis.

Die Seelen, die zusammengehalten wurden einstmals von dem Sklavenführer,

lebten in einer mehr oder weniger großen Gemeinde jetzt

räumlich zusammen. Der Gemeindediener, möchte man sagen - aber

Diener in einem etwas höheren Sinne -, war jener grausame Mann. Und

da er mit allen Bewohnern zu tun hatte, erlebte er nur Schlimmes von

dieser Gemeinde, deren Vorsteher er nicht war, aber für die er viele

Dinge zu besorgen hatte. Die Frau lebte dies immer mit. So sehen wir,

wie eine Anzahl Menschen zusammenwachsen mit diesen beiden Persönlichkeiten.

Aber das Karma, das nun die beiden Persönlichkeiten,

den einstigen Vorgesetzten und den Sklavenführer, verbunden hatte,

dieses karmische Band ist damit erfüllt. An diese Persönlichkeit war

jene alte Priesterindividualität nicht mehr gebunden; aber mit den anderen

blieb sie verbunden, weil eben doch vieles vorgekommen ist mit

diesen Seelen, für das diese Individualität wenigstens das Werkzeug

war in der Verkörperung etwa hundert Jahre vor Christus. Als Frau

brachte sie nur Segen durch ihre Taten, als die Gemeinde versorgt wurde,

allerdings in vieler Gutmütigkeit, aber in einer Gutmütigkeit, die doch

vereinbar war damit, daß die Frau wiederum unendlich Tragisches litt.

Alles das, was als ein Gemeinsames entstand, was da karmische

Fäden knüpfte, all das setzte sich fort, und beim weiteren Durchschreiten

des Lebens zwischen Tod und neuer Geburt, jetzt nach dem

9. Jahrhundert bis in die neuere Zeit herauf, bildeten sich wiederum

Impulse, die diese Menschen zusammenhielten. Und sie wurden jetzt,

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 24 0 Seite: 54

zwar nicht in irgendeiner äußeren Gemeinschaft, aber doch so wiedergeboren,

daß die, die einstmals Sklavenseelen und dann in einer Dorfgemeinde

verbunden waren, wenigstens in der gleichen Zeit wiedergeboren

wurden, so daß die Möglichkeit da war, wieder in eine Beziehung

zu treten zu der gleichzeitig geborenen Priesterindividualität

aus der alten Mysterienstätte, der Sklavenführerindividualität in dem

Zeitalter hundert Jahre vor Christus, der Frauenindividualität im

9. nachchristlichen Jahrhundert. Denn wiedergeboren wurde diese Individualität

als Pestalozzi. Diejenigen, die auch ungefähr gleichzeitig

wiedergeboren wurden, um das Karma zu erfüllen, diese Seelen, die ein

so geartetes Verhältnis zu ihm hatten, wie ich es jetzt geschildert habe,

die mußten die Schüler, die Zöglinge werden, denen Pestalozzi in Erfüllung

seines Karma jetzt so ungeheure Wohltaten zukommen ließ.

Nun, meine lieben Freunde, es ist wirklich so: Wenn man das Leben

betrachtet, und hinter dem Leben, wie es einem entgegentritt, sieht das

Wirken der Seelen von Inkarnation zu Inkarnation - gewiß, es muß

bestürzen, muß überraschen, denn es ist immer anders, als es der Verstand

haben möchte. Aber dennoch, es bekommt das Leben etwas von

einer ungeheuren Vertiefung seines Inhaltes, wenn man es in diesem

Zusammenhang betrachtet. Und ich denke, der Mensch hat schon etwas

gewonnen dadurch, daß er solche Zusammenhänge betrachtet. Werden

sie hervorgeholt - manchmal auf eine recht schwierige Weise - aus den

geistigen Hintergründen, und weist man, wie ich heute nur skizzenhaft

tun konnte^ auf dasjenige hin, was dann im offenbaren Dasein da ist,

dann zeigt sich allerdings, wie Karma durch die menschlichen Leben

hindurch wirkt. Damit gewinnt schon, wenn man eine solche Betrachtung

hört, das Leben ernste Hintergründe, und man kann eine solche

Betrachtung verstehen, wenn man das im Äußerlichen sich Darbietende

wirklich unbefangen ins Auge faßt.

Anthroposophie ist nicht da, um bloß Theorien von wiederholten

Erdenleben zu entwickeln und allerlei Schemata zu geben, sondern um

die ganz konkreten geistigen Untergründe des Lebens zu zeigen. Die

Menschen werden ganz anders in die Welt blicken, wenn wir diese

Dinge zur Enthüllung bringen. Wenn es einmal sein soll, werden wir

darauf hinzuweisen haben, wie das nun auch in die Taten der Menschen

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite:55

eingreifen kann. Wenn Sie solches wissen, wird sich schon zeigen, daß

derlei wirkliche praktische Karmabetrachtungen dasjenige sind* was

unsere Zivilisation als Einschlag, als Vertiefung braucht. Heute wollte

ich Ihnen nur diese praktischen Karmabeispiele ans Herz legen. Betrachten

Sie die Persönlichkeiten, die bekannt sind, genauer, Sie werden

schon manches von dem, was ich ausgesprochen habe, bewahrheitet

finden.

ZWEITER VORTRAG Arnheim, 19. Juli 1924

Gestern habe ich für diejenigen der Freunde, die hier waren, einiges auseinanderzusetzen mir erlaubt über das Karma der Anthroposo phischen Gesellschaft. Ich möchte heute etwas erörtern, was damit zusammenhängt, und werde es so sagen, daß das Heutige auch aus sich selbst heraus verstanden werden kann.

Alles, was im gegenwärtigen Zeitpunkte der Menschheits-entwickelung zu leisten sein wird zur Vorbereitung von geistigen Ereignissen der nächsten und der ferneren Zukunft, hängt ja mit demjenigen zusammen, was ich öfter unter unseren anthroposophi schen Freunden das Michael-Ereignis genannt habe, und ich möchte gerade heute über dieses Michael-Ereignis einiges besprechen, was zusammenhängt mit der anthroposophischen Bewegung.

Wenn wir von einer solchen Erscheinung wie dem Michael-Ereig nis sprechen, so müssen wir durchaus von der Vorstellung ausgehen, daß die Welt gewissermaßen «etappenweise» gebaut ist. Wenn wir nur mit denjenigen Kräften die Weltentwickelung anschauen, die dem Menschen heute durch sein irdisches Leben zwischen Geburt und Tod möglich sind, so sehen wir, wie sich die Menschheit auf der Erde entwickelt hat, wie alte Völker sich aus noch älteren her ausgebildet haben; wie dann allmählich durch das Orientalentum, durch die indische, chinesische, arabische und chaldäisch-ägyptische Bevölkerung die griechisch-römische sich ergeben hat, wie dann aus der griechisch-römischen die mittelalterliche Zeit geworden ist und wie endlich unsere neuere Zeit mit allen ihren Wirren, aber auch mit allem, was sie in technischer Beziehung Großes gebracht hat, entstanden ist. Aber sowohl «unterhalb», möchte ich sagen, wie «oberhalb» dieser Fläche, die wir da im Fortgange der Völker überblicken, sehen wir Entwickelungen, Entwickelungen, die nun nicht von den Menschen durchgemacht werden, sondern die durch gemacht werden von geistigen Wesenheiten, aber von solchen geistigen

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Wesenheiten, welche mit der Menschheitsentwickelung in einem gewissen Zusammenhange stehen.

Unmittelbar mit der Entwickelung der einzelnen Menschen hat es zu tun das Reich der Angeloi, der Engel im christlichen Sinne. Dieses Reich der Angeloi hat diejenigen Wesenheiten in sich, welche den einzelnen Menschen leiten, insofern er eine solche Geleitschaft, einen solchen Führer braucht von Erdenleben zu Erdenleben; sie sind die Beschützer des Menschen in allem, wo er einen solchen Schutz braucht. Sie sind also, wenn auch für irdische Augen über sinnlich, unmittelbar mit der Menschheitsentwickelung verbunden.

Aber gleich im angrenzenden geistigen Reiche entwickeln die jenigen Wesenheiten ihre Tätigkeit, die wir als die Hierarchie der Archangeloi, der Erzengel, bezeichnen. Diese Archangeloi haben es mit vielem zu tun, was auch in der Menschheitsentwickelung eine Rolle spielt - nicht mit dem einzelnen Menschen, wohl aber mit Zusammenhängen von Menschen. So zum Beispiel ist das der Fall, was ich auch schon öfter in anthroposophischen Vorträgen erwähnt habe, daß die Völkerentwickelungen regiert werden von Erzengelwesen. Aber es ist auch so, daß gewisse Zeitalter in der Erdenentwickelung vorzugsweise impulsiert werden, bestimmt wer den von ganz gewissen Erzengelwesenheiten. In den drei Jahrhun derten zum Beispiel, die dem letzten Drittel des neunzehnten Jahr hunderts vorangegangen sind, also im neunzehnten, achtzehnten, siebzehnten und in einem Teile des sechzehnten Jahrhunderts, ha ben wir die zivilisiette Welt im wesentlichen uns vorzustellen unter der Herrschaft jenes Erzengelwesens, das von den Christen, die von solchen Dingen sprechen können, Gabriel genannt wird. So daß also während dieser Periode das Zeitalter des Gabriel war.

Dieses Zeitalter des Gabriel hat eine große Bedeutung für die ganze neuere Entwickelung der Menschheit. Denn im Grunde ge nommen war es seit dem Mysterium von Golgatha so, daß die Men schen allerdings auf der Erde erlebt haben: das hohe Sonnenwesen Christus ist durch das Mysterium von Golgatha von der Sonne auf die Erde heruntergestiegen, hat in dem Leibe des Jesus einen Kör per angenommen, hat sich mit dem Schicksal der Erde verbunden.

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Aber indem so das Christuswesen mit der Erde verbunden blieb, konnte - durch die ganze Reihe der Herrschaft der Erzengel hin durch von dem Mysterium von Golgatha bis zur Herrschaft des Gabriel - der Christus-Impuls eigentlich noch nicht das innere Physische und Ätherische der Menschheit ergreifen. Das war erst unter dem Gabriel-Impuis möglich, der etwa drei Jahrhunderte vor dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts einsetzte. So daß erst seit dieser Zeit eine Menschheit da ist, die innerlich - wenn sie das auch bis heute noch nicht getan hat - durchdrungen werden kann von dem Christus-Impuls schon durch die Vererbungskräfte. Denn Gabriel regiert innerhalb der Menschheit alles, was physische Vererbungskräfte sind. Er ist namentlich der übersinnliche Geist, der mit der Generationenfolge verbunden ist, der, ich möchte sagen, der große umfassende Schutzgeist der Mütter ist, insofern diese Mütter Menschenkinder in die Welt hineinstellen. Gabriel hat zu tun mit den Geburten, er hat zu tun mit der Embryonalentwicke lung des Menschen. Die Kräfte des Gabriel liegen in alledem, was als Geistiges der physischen Fortpflanzung zugrunde liegt; so daß eigentlich erst seit dieser letzten Herrschaft des Gabriel die phy sische Fortpflanzung der Menschheit auf Erden in Zusammenhang gekommen ist mit dem Christus-Impuls.

Dann beginnt von dem Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts an die Herrschaft des Michael. Sie ist eine ganz andere als die Herrschaft des Gabriel. Während man die Erzengelherr-schaft in den vorangehenden drei Jahrhunderten in den geistigen Impulsen des Physischen hat suchen müssen, hat man in alledem, was seither als Michael-Herrschaft sich ausbreitet, gerade denjeni gen Erzengel zu sehen, der vorzugsweise mit den geistigen, mit den Vernunfteigenschaften der Menschheit zu tun hat, mit allem also, was die vernünftige, die geistige Entwickelung der Menschheit, was die geistige Kultur betrifft. Und es ist für die Betrachtung des irdischen Menschheitszusammenhanges von außerordentlich großer Bedeutung, daß die Herrschaft des Gabriel, die, ich möchte sagen, im Geistigen das am meisten Physische ergreift, immer abgelöst wird von der Herrschaft des Michael, der es eigentlich zu tun hat

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mit alle dem, was in der Kultur das sogenannte Geistige ist. Wenn wir also nach der Erzengel-Schutzgottheit für die physische Fort pflanzung ausschauen wollen, dann schauen wir hinauf zum Erz engel Gabriel; wenn wir zu demjenigen Geiste emporschauen wol len, der es in dem Zeitalter der Zivilisation mit der Entwickelung der Wissenschaften, mit der Entfaltung der Künste und so weiter zu tun hat, dann schauen wir hinauf zu dem Erzengelwesen, das nach christlichem Gebrauch mit dem Namen Michael bezeichnet wird. - Es folgen für diejenigen Kulturen, die in den Zeitaltern immer die maßgebenden sind, immer aufeinander sieben Erzengel-herrschaften; so daß der Michael-Herrschaft also sechs andere Erz­engelherrschaften vorangegangen sind. Und wenn wir von Gabriel in den Erzengelherrschaften weiter zurückgehen, so kommen wir dann zu einem Zeitalter zurück, in welchem wieder Michael auf der Erde seinen Einfluß verwirklicht hat. So daß immer eine jede solche Erzengelherrschaft die Wiederholung von früheren, gleich artigen Erzengelherrschaften ist, und die Entwickelung der Erz engel selbst geschieht zugleich durch diesen Fortschritt. Immer kommt nach einer gewissen Zeit, nach etwa zwei Jahrtausenden, derselbe Erzengel innerhalb der maßgebenden Zivilisation zur Herrschaft.

Aber diese Herrschaften, die jeweils so etwa dreihundert Jahre und etwas darüber dauern, unterscheiden sich wesentlich voneinan der; nicht immer so stark wie die Michael-Herrschaft von der Gabriel-Herrschaft, aber sie unterscheiden sich doch wesentlich voneinander. Und da können wir sagen: Immer dann, wenn Gabriel herrscht, bereitet sich für die Folgezeit dasjenige Zeitalter vor, das die Völker voneinander trennt, sie differenziert, das Zeitalter, in welchem die Völker mehr nationalistisch werden. Sie können fra gen: Wie kommt es, daß in der gegenwärtigen Zeit, wo doch das Zeitalter des Michael eingetreten ist, ein so starkes nationalistisches Element auf der Erde auftritt? Ja, geistig hat sich das lange vorher vorbereitet; dann wirkt es fort, schwingt ab, und es sind noch lange die Nachwehen vorhanden, die oftmals schlimmer sind als das un-mittelbare Zeitalter. Denn nur nach und nach schiebt sich die

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Michael-Impulsivität in das hinein, was zum großen Teil jetzt von der Gabriel-Herrschaft zurückgelassen ist. Immer aber dann, wenn das Michael-Zeitalter anfängt, beginnt für die Menschheit auf der Erde eine Sehnsucht, alle völkischen Unterschiede zu überwinden und über die verschiedenen Völker, die zu dieser Zeit die Erde be völkern, dasjenige auszubreiten, was als die höchste Kultur, als der höchste Geistesinhalt in einem bestimmten Zeitalter entstanden ist. Die Michael-Herrschaft bezeichnet immer das Überhandnehmen eines kosmopolitischen Prinzips, bezeichnet immer die Ausbreitung eines höchsten Geistesstandes auf der Erde unter denjenigen Völ kern - gleichgültig, welche Sprache sie haben -, die für diesen Gei stesstand zugänglich sind. Daher ist von den sieben Erzengeln, die ihre Impulse in die Menschheitsentwickelung hineinsenden, Mi chael immer derjenige, der der Menschheit den Impuls des Kosmo politismus gibt - und zu gleicher Zeit den Impuls, das Wertvollste, das in einem Zeitalter da ist, unter den Menschen zur Ausbreitung zu bringen.

Wenn wir nun in der Entwickelung der Menschheit zurück gehen und uns fragen: welches ist das nächste, hinter dem unsrigen zurückliegende Michael-Zeitalter? - so kommen wir in jenes Zeit alter, das seinen Abschluß mit denjenigen kosmopolitischen Taten gefunden hat, die auf Grundlage des damals wertvollsten, grie chischen Geisteslebens durch die Alexanderzüge nach Asien ge schehen sind. Wir sehen da, wie aus der Grundlage der alten Zivilisationsentwickelung sich der Drang herausbildet, dasjenige, was in Griechenland - in dem kleinen Griechenland - an Geistes-kultur erreicht worden ist, hinüberzutragen zu den orientalischen Völkern, hinüberzutragen nach Ägypten, es auszubreiten in kosmo politischer Weise unter all den Völkern, welche dafür zugänglich gewesen sind. Das ungeheuer Bedeutungsvolle geschieht, daß aus diesem Michael-Zeitalter heraus die kosmopolitische Ausbreitung desjenigen sich entfaltet, was durch das Griechentum der Mensch heit errungen worden ist. Und als die Stadt Alexandria im Norden von Afrika aufblüht, da ist dieses Aufblühen in einem gewissen Sinne die Krönung jenes damaligen Michael-Zeitalters.

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Das war das vorangehende Michael-Zeitalter. Dann kommen die anderen sechs Erzengel zur Herrschaft. Und im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts, am Ende der siebziger Jahre, beginnt wiederum ein neues Michael-Zeitalter. Aber noch niemals in der ganzen Erdenentwickelung war ein so großer Unterschied zwischen zwei aufeinanderfolgenden Michael-Zeitaltern wie zwischen dem der Alexanderzeit und demjenigen, in dem wir jetzt seit dem Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts drinnen leben. Es fällt ja zwischen diese beiden Michael-Zeitalter dasjenige Ereignis, das der Erdenentwickelung den eigentlichen Sinn gibt: das Mysterium von Golgatha!

Nun müssen wir bedenken, was Michael eigentlich im Ganzen des geistigen Kosmos zu verwalten hat: Er hat dasjenige zu ver walten, was zwar spirituell ist, was aber dann gipfelt in dem intel lektuellen Begreifen des Menschen. Michael ist nicht etwa der jenige Geist, welcher die Intellektualität pflegt; aber alles, was er gibt als Spiritualität, das will in Form von Ideen, in Form von Ge danken - aber in Form von Ideen und Gedanken, die das Geistige ergreifen - der Menschheit einleuchten. Michael will, daß der Mensch ein freies Wesen ist, das in seinen Begriffen und Ideen auch einsieht, was ihm als Offenbarung von den geistigen Welten aus wird.

Schauen wir uns einmal dieses Michael-Zeitalter an, wie es in der Alexanderzeit war. Ich habe ja oftmals gesagt: in unserem Zeit alter sind die Menschen sehr, sehr gescheit, das heißt, sie haben Begriffe, Ideen, Vorstellungen, sie sind intellektualistisch, sie haben eine selbsterworbene Intellektualität. Aber gescheit waren die Leute in der Alexanderzeit auch. Nur, wenn man sie damals gefragt hätte:

woher habt ihr eure Begriffe, eure Ideen? so hätten sie nicht gesagt:

die haben wir aus uns heraus errungen. Sondern sie empfingen die geistigen Offenbarungen - und mit diesen zusammen die Ideen. So daß man nicht die Ideen als etwas ansah, was man selbst ausgestal tet, sondern als etwas, was mit der Spiritualität den Menschen geoffenbart wird. Und diese - im Gegensatz zur heutigen irdischen

- himmlische Intellektualität hatte damals Michael in der Alexanderzeit

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zu verwalten. Er war unter den Erzengeln, insofern diese die Sonne bevölkern, der hervorragendste. Er war derjenige Geist, welcher von der Sonne aus nicht nur die physisch-ätherischen Son nenstrahlen sandte, sondern welcher in den physisch-ätherischen Sonnenstrahlen die inspirierende Intellektualität auf die Erde sandte. Denn damals wußten die Menschen: Was sie an Intelligenzkraft auf der Erde entfalten, das ist Himmelsgabe, das ist Sonnengabe, das wird heruntergeschickt von der Sonne. Und der unmittelbar ausführende Geist, der die Intellektualität auf spirituelle Art auf die Erde heruntersendet, das ist Michael! - Das war auch vorhanden in den alten Sonnenmysterien als eine wunderbare Eingeweihten-

Lehre: daß auf der Sonne Michael wohne, daß er dort die kos mische Intelligenz verwalte und daß diese kosmische Intelligenz, indem sie die Menschen inspiriert, eine Gabe des Michael ist.

Nun aber kam dasjenige Zeitalter, in welchem immer mehr und mehr die Gabe des Menschen vorbereitet werden sollte, den Intel lekt aus der eigenen Kraft der Seele heraus zu entwickeln; nicht nur die Intelligenz des Kosmos geoffenbart zu bekommen, sondern selber aus eigener Kraft intelligent zu werden. Das wurde dann vorbereitet durch den Aristotelismus, durch jene eigentümliche, in der Dämmerung des Griechentums auftretende philosophische Weltanschauung, die dann den Impuls gegeben hat zu den Alex anderzügen nach Asien und Afrika. In dem Aristotelismus lag, ich möchte sagen die Loslösung, die Herausschälung der irdischen In telligenz von der kosmischen Intelligenz. In dem, was man dann später die Logik des Aristoteles nannte, liegt die Herausschälung jenes Gedankengerippes, das dann menschliche Intelligenz in allen folgenden Jahrhunderten wurde. Und nun müssen Sie bedenken, daß sozusagen als eine letzte Tat, die von den Michael-Impulsen herrührte, dasteht diese Begründung irdisch-menschlicher Intelli genz und die Beeindruckung der damals für das Kosmopolitische veranlagten Völker mit griechischer Kultur durch die Alexander-züge. Das ist eine einheitliche Tat.

Dann trat an die Stelle des Zeitalters des Michael dasjenige des Oriphiel. Herrschend wurde der Erzengel Oriphiel. Das Mysterium

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von Golgatha trat ein. Diejenigen Menschenseelen, welche bewußt unter der Herrschaft des Michael in der Alexanderzeit mitgewirkt haben an den Taten, von denen ich eben gesprochen habe, sie waren im Beginne des christlichen Zeitalters innerhalb der Sonne geschart um das Erzengelwesen des Michael, der jetzt für die Erde zunächst seine Herrschaft an Oriphiel abgegeben hatte, der aber im Bereiche der Sonne mit denjenigen, die ihm als Menschenseelen dienen sollten, mitmachte den Weggang des Christus von der Sonne.

Und das ist auch eines der Ereignisse, die wir ins Auge fassen müssen: daß ja in denjenigen Menschenseelen, die mitverbunden sind mit der anthroposophischen Bewegung, jener Anblick vorhan den ist: Wir sind mit Michael auf der Sonne vereinigt, der Christus, der bis dahin von der Sonne aus seine Impulse nach der Erde ge schickt hat, er geht fort von der Sonne, um sich mit der Erden-entwickelung zu verbinden! - Ja, denken Sie nur an dieses bedeu tungsvolle, überirdisch-kosmische Ereignis, an diesen besonderen Anblick, den jene Menschenseelen hatten, die damals als Angeloi Diener um Michael geschart waren, nachdem er seine Herrschaft auf der Erde beendet hatte, und die gewissermaßen innerhalb der Sonnenregion mitmachten, wie der Christus die Sonne verließ, um sein Schicksal mit dem Schicksal der Erdenmenschheit zu verbin den. «Er geht fort!» das war das große Erlebnis.

Die Menschenseelen bekommen ja wahrhaftig ihre Direktionen nicht bloß auf der Erde, sie bekommen sie auch im Leben zwischen Tod und neuer Geburt. So war es vor allem für die, welche das Alexanderzeitalter mitgemacht hatten. Ein großer, gewaltiger Im puls ging aus von dem kosmisch-weltgeschichtlichen Moment, wo diese Seelen sahen, wie der Christus von der Sonne fortging. Und für sie war Klarheit über die Tatsache: Jetzt geht die kosmische Intelligenz nach und nach vom Kosmos auf die Erde über. Und Michael und die, welche um ihn waren, sahen gewissermaßen, wie nach und nach alles, was an Intelligenz früher aus dem Kosmos floß, hinuntersank auf die Erde.

Und Michael und die Seinen - entweder indem sie oben in der geistigen Welt waren oder für ein kurzes Erdenleben unten verkör pert

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waren -, sie sahen, wie im Erdenbereich selber im achten nach christlichen Jahrhundert die Strahlungen des intelligenten Lebens ankamen, sie wußten: da unten wird weiter die Intelligenz sich ent falten! Und auf der Erde konnte man bemerken, wie die ersten Denker auftraten. Die anderen, die vorher als große Wesenheiten auftraten, waren inspirierte Gedankenbesitzer. Eigendenker traten erst von diesem achten nachchristlichen Jahrhundert an auf. Und innerhalb des Erzengeichores in der Sonnenregion ertönte von Michaels Wesenheit aus das gewaltige Wort: «Was die Kraft meines Reiches war, was von hier aus durch mich verwaltet worden ist, es ist nicht mehr hier; es muß dort unten auf der Erde weiter-strömen und -wellen und -wogen!»

Das war, vom achten Jahrhunderte angefangen, der Anblick der Erde von der Sonne aus. Das war auch das große Geheimnis, daß die Kräfte, die vorzugsweise die Kräfte des Michael sind, vom Him mel auf die Erde herniedergestiegen sind. Das war auch das große Geheimnis, welches in Schulen von der Art, wie ich gestern eine besprochen habe, zum Beispiel in der hohen Schule von Chartres, einigen Eingeweihten mitgeteilt worden ist. Man möchte sagen:

Vorher mußte man, wenn man wissen wollte, was Intelligenz ist, durch die Mysterien hinaufblicken zur Sonne. Jetzt war die Intel ligenz auf der Erde noch nicht so sichtbar, aber es wurde allmäh lich bekannt, daß Menschen, die Eigendenken haben, Eigenintel ligenz haben, sich auf der Erde entwickeln. Einer derjenigen, die innerhalb der europäischen Zivilisation, ich möchte sagen, erste Funken des Eigendenkens in ihrer Seele aufsprießen hatten, war ja der von mir öfter besprochene Scotus Erigena. Aber ihm gingen schon einige andere voran, die Eigendenken hatten, nicht mehr bloß inspiriertes, von oben geoffenbartes Denken. Und immer mehr und mehr griff dieses Eigendenken um sich.

Aber es gab in der Erdenentwickelung eine Möglichkeit, dieses Eigendenken in einen besonderen Dienst zu stellen. Denn denken Sie: dieses Eigendenken war ja die Summe der von Michaels Region vom Himmel auf die Erde heruntergestiegenen Impulse. Michael war zunächst dazu berufen, auf der Erde diese Erdenintelligenz

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weiter sich entwickeln zu lassen. Er war noch nicht dabei; er sollte erst wieder mit dem Jahre 1879 dazukommen. Es entwickelte sich unten dieses Erdendenken zunächst so, daß Michael noch nicht die Herrschaft über dasselbe übernehmen konnte. Er konnte die Men schen, die Eigendenker waren, noch nicht impulsieren, denn seine Herrschaft, seine Zeit war noch nicht gekommen.

Dieses, was wie ein tiefes Geheimnis in der Menschheitsentwik kelung der Erde waltete, wußte man in einzelnen wenigen orien talischen Mysterien. Und so konnten in diesen einzelnen wenigen orientalischen Mysterien von grundspirituell veranlagten und aus gebildeten Menschen einzelne Schüler eingeweiht werden in dieses große Geheimnis. Und durch eine Fügung von der Art, wie sie nur schwer verständlich sind für den gewöhnlichen Erdenverstand, kam es eben, daß von diesem Geheimnis, das einigen orientalischen Mysterien gut bekannt war, jener Herrscherhof berührt wurde, von dem ich am Goetheanum und an anderen Orten gesprochen habe. Gerade im achten und im Beginne des neunten Jahrhunderts wal tete in Asien dieser Herrscherhof unter der Herrschaft des Harun al Raschid. Harun al Raschid war hervorgegangen aus der Kultur das Arabismus, aus der mohammedanisch angewehten Kultur. Zu seinen eingeweihten oder wenigstens bis zu einem gewissen Grade wissenden Ratgebern war dasjenige Geheimnis gedrungen, von dem ich eben gesprochen habe. Gerade weil von diesem Geheimnis be rührt war der Bagdader Hof unter der Herrschaft des Harun al Raschid, deshalb war dieser Hof ein so glänzender. Alles, was an Weistümern, an Kunst, was an tiefer Religiosität im Oriente vor handen war, konzentrierte sich - allerdings unter mohammedani scher Färbung - an dem Hofe des Harun al Raschid. Während in Europa am Hofe Karls des Großen, der ein Zeitgenosse des Harun al Raschid war, Menschen sich damit beschäftigten, die ersten Ele mente einer Grammatik zusammenzustellen, und alles noch halb barbarisch war, war in Bagdad die Residenz, die glänzende Pflanz stätte des orientalischen, des vorderasiatischen Geisteslebens. Harun al Raschid vereinigte um sich diejenigen, die da wußten um die großen Traditionen der Mysterien im Oriente. Und namentlich

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einen Ratgeber hatte er um sich, der in früheren Zeiten Eingeweih ter war, auf dessen geistige Impulsivität aber die früheren Inkar nationen noch wirkten und der der Organisator alles dessen wurde, was an Geometrie, an Chemie und Physik, an Musik, an Architek tur und an anderen Künsten, namentlich aber an glänzender Dicht kunst, am Hofe des Harun al Raschid gepflegt worden ist. In der weithin glänzenden Versammlung von Weisen an diesem Hofe war eine mehr oder weniger bewußte Empfindung davon vorhanden:

die Intelligenz der Erde, die vom Himmel auf die Erde herunter-gestiegen war, muß gestellt werden in den Dienst mohammeda nischer Geistesatt!

Nun bedenken Sie: Von dem Zeitalter des Mohammed, von dem Zeitalter der ersten Kalifen an war ja von Asien über Nordafrika bis nach Europa hineingetragen der Arabismus. Dort breitete er sich aus durch Kriege. Da kamen aber auch mit denjenigen, die auf kriegerische Art Arabismus bis nach Spanien herein ausbreiteten -Frankreich wurde davon berührt, geistig der ganze Westen von Europa -, mit denen kamen auch bedeutende Persönlichkeiten. Und Ihnen allen sind ja bekannt jene Kriegszüge der Frankenkönige ge gen die Mauren, gegen den Arabismus. Aber das ist das Äußere, was in der Geschichte verläuft, viel bedeutungsvoller ist das, wie im Inneren der Menschheitsentwickelung immer die spirituellen Strö mungen verlaufen.

Dann ging sowohl Harun al Raschid wie auch sein bedeutender Ratgeber durch die Pforte des Todes. Aber nachdem sie durch den Tod gegangen und im Dasein zwischen Tod und neuer Geburt waren, verfolgten sie auf eigentömliche Art ihr Ziel, arabische Denkweise mit Hilfe des sich in Europa ausbreitenden intelligenten Prinzips in die europäische Welt hineinzutragen. Daher sehen wir, nachdem Harun al Raschid durch die Pforte des Todes gegangen war, wie von Asien herüber, von Bagdad über Afrika, durch Spa­nien, über den Westen Europas bis nach England hinüber Harun al Raschids Seele, während sie durch geistige Welten, durch Sternen-welten ging, unverwandt den Blick richtete von Bagdad herüber durch Vorderasien, durch Griechenland über Rom nach Spanien,

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Frankreich, ja bis hinauf nach England. Das war ein Leben zwi schen Tod und neuer Geburt, das fortdauernd auf den Süden und Westen Europas die Aufmerksamkeit richtete. Und dann erschien Harun al Raschid in einer nächsten Inkarnation wieder - und er wurde der Lord Bacon, Baco von Verulam. Bacon selber ist Harun al Raschid, der in der Zwischenzeit in der Weise zwischen Tod und neuer Geburt gewirkt hat, wie ich es soeben auseinandergesetzt habe. Aber der andere, der sein weiser Ratgeber war, wählte den anderen Weg von Bagdad über das Schwarze Meer durch Rußland nach Mitteleuropa herein. Nach zwei verschiedenen Richtungen gingen die beiden Individualitäten: Harun al Raschid bis zu seinem nächsten Erdenziel als Lord Bacon, als Baco von Verulam; der weise Ratgeber wendete während seines Ilurchganges im Leben zwischen Tod und neuer Geburt den Blick nicht ab von dem, was immer mehr und mehr vom Osten beeinflußt und beeindruckt wer den kann, und er erschien wieder als der große Pädagoge und der Verfasser der «Pansophia», als Amos Comenius. Und aus dem Zu sammenwirken dieser einstmals am Hofe von Bagdad wirkenden Individualitäten ist dann in Europa das entstanden, was sich - mehr oder weniger abseits vom Christentum - entwickelt hat als veral teter Arabismus, aber unter dem Einflusse der, ich möchte sagen, dem Michael von der Sonne entfallenen Intelligenz.

Was äußerlich-physisch in Kriegen geschah, das wurde ja durch die Frankenkönige und durch die anderen Europäer zurückgewie sen. Wir sehen, wie die zuerst mit einer so großen Stoßkraft auf tretenden Araberzüge und ihre Ausbreitung der mohammedani schen Kultur sich im Westen brechen, wie sie nicht weiterdringen können; wir sehen für den Westen Europas den Mohammedanis mus verschwinden. Aber indem er das, was er an äußeren Formen hatte und an äußerer Kultur begründete, abstreifte, wurde er, der neuere Arahismus, gerade die moderne Naturwissenschaft, wurde das, was in einem pädagogischen Sinne Amos Comenius für die Welt begründete. Und so war es, daß sich in das siebzehnte Jahr hundert herein die Erdenintelligenz, gewissermaßen okkupiert vom Arabismus, ausbreitete.

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Damit haben wir auf etwas hingewiesen, was demjenigen zu grunde liegt, in das wir heute die anthroposophische Saat hineinzu säen haben. Man muß das wirklich recht in seiner spirituellen Innerlichkeit betrachten.

Während aber dieses von Asien herüber als die spirituelle Fort setzung des glänzenden Hofes von Bagdad sich ergab, entwickelte sich, breitete sich aus in Europa das Christentum. Aber es kam so, daß in Europa, ich möchte sagen, unter den größten Schwierig keiten der Aristotelismus sich ausbreitete. Während durch die gro ßen Taten Alexanders der Aristotelismus hinübergetragen wurde nach Asien als Naturwissenschaft durch alles das, was in gewaltiger Weise aus dem Griechentum sich herausentwickelt hatte, dann vom Arabismus okkupiert worden war, breitete sich, ich möchte sagen zunächst «in dünnem Aufguß», der Aristotelismus innerhalb der heraufstiebenden christlichen Kultur Europas aus. Und da verband er sich mit dem Platonismus, der durchaus auf alten griechischen Mysterien fußte; verband sich so, wie ich das im ersten Vortrage angedeutet habe.

Aber wir sehen zunächst, wie der Aristotelismus ganz sachte sich in Europa ausbreitete, während der Platonismus überall zu Schulen kommt. Und eine der bedeutendsten war eben jene Schule von Chartres im zwölften Jahrhundert, in der jene großen Geister wirk ten, die ich gestern aufgezeigt habe: Bernardus Sylvestris, Bernar dus von Chartres, Johannes Salisbury, aber namentlich Alanus ab Insulis. In dieser Schule von Chartres wurde noch anders geredet als in dem, was sich ausbreitete als Nachklang des Arabismus. In der Schule von Chartres war echtes Christentum, aber echtes Chri stentum im Glanze alter Mysterien, wie man eben diese Mysterien-weisheit noch haben konnte.

Dann geschah das Bedeutsame: Die dem Arabismus ganz ferne stehenden, aber mit ihrem Platonismus tief in die christlichen Ge heimnisse eingetauchten großen Lehrer von Chartres gingen durch die Pforte des Todes. Und da war jene kurze Zeit, im Beginne des dreizehnten Jahrhunderts, wo gleichsam ein großes himmlisches Konzil stattfand. Als die besten der Lehrer, voran Alanus ab Insulis,

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gestorben waren, das heißt drüben in der geistigen Welt waten, da versammelten sie sich zu bedeutsamer kosmischer Tat mit den jenigen, die noch oben in der geistigen Welt waren und demnächst heruntersteigen sollten auf die Erde und dort in einer neuen Weise den Aristotelismus vertreten sollten. Und unter diesen, die da her untersteigen sollten, waren eben solche, die gerade mit innerster Seele, mit starker intensiver Seelenkraft teilgenommen haben an dem Wirken der Michael-Impulse in der Alexanderzeit. Und wir dürfen uns vorstellen, weil das der Wahrheit entspricht, daß an dieser Wende des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts zusam menkamen Seelen, die aus christlichen Einweihungsstätten, wie eine solche die Schule von Chartres war, eben heraufgekommen waren in die geistige Welt, und solche Seelen, die zum Heruntersteigen bereit waren und die sich in den geistigen Regionen - jetzt nicht den Platonismus, sondern den Aristotelismus, die innere Intelli genzwirkung, die noch aus der alten Michael-Zeit stammte, bewahrt hatten. Da waren sie, auch diejenigen, welche sich sagten: Wir waren ja um Michael, als wir mit ihm gesehen haben, wie die Intel ligenz vom Himmel auf die Erde herunterströmte, wir waren mit ihm vereint auch bei jener großen kosmopolitischen Tat, die noch unter der älten Verwaltung der Intelligenz durch Michael, wo die Intelligenz kosmisch verwaltet wurde, vollzogen wurde. - Und da geschah es eben, daß die Lehrer von Chartres den Aristotelikern zunächst die Verwaltung der geistigen Erdenangelegenheiten über trugen. Denjenigen also, die jetzt heruntersteigen sollten und ge rade dazu geeignet waren, die Verwaltung des intelligenten Lebens, der Eigenintelligenz auf der Erde zu übernehmen, denen übertru gen die Platoniker, die eigentlich nur noch unter solchem Einfluß stehen konnten, daß die Intelligenz «vom Himmel aus» verwaltet wird, denen übertrugen diese Lehrer von Chartres die Verwaltung des geistigen Lebens auf der Erde.

Namentlich in den Dominikaner-Orden hinein kamen diese Gei ster, in deren Seelen ein Nachklang des Michael4mpulses aus der vorangegangenen Michael-Zeit war. Und es entstand die ja nament lich aus dem Dominikaner-Orden hervorgehende Scholastik, jene

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Scholastik, die dann bitter, aber auch großartig damit rang: Wie verhält es sich mit dem intelligenten Denken? Das war ja die große Frage, die dann im dreizehnten Jahrhundert tief unten in den Seelen der Begründer der Scholastik saß - die brennende Frage:

Was geschieht mit der Michael-Herrschaft?

Da gab es Menschen, die man später die Nominalisten nannte, -sie sagten: Begriffe und Ideen sind bloße Namen, sind nichts Reales. Sie waren ahrimanisch beeinflußt; denn die Nominalisten wollten eigentlich alle Michael-Herrschaft von der Erde wegver-bannen. Indem man behauptete, Ideen wären nur Namen, wären nichts Reales, wollte man eigentlich die Michael-Herrschaft nicht auf der Erde zur Wirkung kommen lassen. Und die ahrimanischen Geister sagten dazumal für die, welche ein Ohr dafür hatten:

Michael ist die kosmische Intelligenz entfallen, sie ist hier auf der Erde; wollen wir den Michael nicht wieder zur Herrschaft über die Intelligenz kommen lassen! - Aber darin bestand eben jenes be deutsame himmlische Konzil, daß Platoniker und Aristoteliker zu sammen einen Plan entwarfen, wie gerade die Michael-Impulse weiter verarbeitet werden sollten. Den Nominalisten traten die dominikanischen Realisten gegenüber, die sagten: Ideen, Ge danken sind Reales, das in den Dingen drinnen lebt, nicht bloße Namen.

Man wird, wenn man dafür Verständnis hat, manchmal an solche Dinge in einer recht merkwürdigen, bewundernswerten Art erinnert. In meinen letzten Wiener Jahren wurde ich unter anderem mit einem Ordenspriester bekannt, Vinzenz Knauer, der die philoso phische Schrift geschrieben hat, die ich öfter auch den Anthropo sophen angeraten habe zu lesen: «Hauptprobleme der Philo sophie.» Er war noch im neunzehnten Jahrhundert in diesen Streit zwischen Nominalisten und Realisten hineingestellt: er suchte den Menschen klarzumachen, wie es ein Unding ist, von Nominalismus zu sprechen, und er hatte dazu ein sehr gutes Beispiel gewählt -es steht auch in seinen Büchern -, aber ich erinnere mich mit einer tiefen Befriedigung daran, wie ich einmal mit ihm zusammen in Wien in der Inneren Währinger-Straße ging - wir sprachen über

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Nominalismus und Realismus - und wie er da mit seinem ganzen bedächtigen Enthusiasmus, der etwas sehr Merkwürdiges hatte, - ich möchte sagen: so etwas von ehrlicher Philosophie, während die anderen Philosophen mehr oder weniger unehrlich geworden waren -, wie er da sagte: Ich mache meinen Schülern immer klar, daß dasjenige, was als Ideen in den Dingen lebt, eine Realität hat, und wende dazu ihren Blick auf ein Lamm und einen Wolf. Die Nominalisten würden in bezug auf diese beiden, Lamm und Wolf, sagen: Muskel, Knochen, Materie ist das Lamm; Muskel, Knochen, Materie ist der Wolf. Was als Form, als Idee des Lammes im Lammfleisch verwirklicht ist: es ist nur ein Name. «Lamm» ist ein Name, ist nicht als Idee ein Reales. Ebenso verhält es sich mit dem

Wolf: er ist wieder als Idee nichts Reales, sondern nur ein Name. Aber man kann die Nominalisten leicht widerlegen, sagte der gute Knauer, denn man braucht ihnen nur klar zu machen: Gebt einem Wolfe, dem ihr alle andere Nahrung entzieht, eine Zeitlang bloß Lammfieisch zu fressen: wenn die «Idee» Lamm keine Realität hat, ein Nichts ist, nur ein Name, und wenn die Materie im Lamme das Ganze wäre, dann müßte der Wolf nach und nach ein Lamm wer den. Er wird es aber nicht! Im Gegenteil, er ist noch weiter die Realität Wolf. Bei dem, was wir als Lamm vor uns haben, hat die Idee Lamm gleichsam die Materie angezogen und in die Form ge bracht; und ebenso ist es beim Wolf: die Idee Wolf hat die Materie, die im Wolfe ist, angezogen und in die Form gebracht.

Aber dieser Streit war es im Grunde genommen, um was die Nominalisten und die Realisten kämpften: es handelte sich um die Realität dessen, was durch die Intelligenz zu erfassen ist.

So mußten die Dominikaner zur rechten Zeit vorarbeiten für die nächste Herrschaft des Michael. Und während die Platoniker, zum Beispiel die Lehrer von Chartres, nach dem Beschlusse dieses im Beginne des dreizehnten Jahrhunderts stattgefundenen himmlischen Konzils in der geistigen Welt blieben, keine maßgebenden Inkar nationen hatten, sollten damals die Aristoteliker für die Erdenange legenheiten des Intelligenten arbeiten. Und von der Scholastik - die ja nur in der modernen Zeit von Rom entstellt und karikiert, ahrimanisiert

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worden ist - ging nun alles moderne intelligente Streben aus, insofern es nicht von dem Arabismus okkupiert worden ist.

So sehen wir in dieser Zeit in Mittel- und Westeuropa die beiden Strömungen laufen: auf der einen Seite die Strömung, mit der ver bunden sind Bacon und Amos Comenius, und auf der anderen Seite haben wir die scholastische Strömung, das heißt das Sichhineinstel len in die geistige Zivilisationsentwickelung dessen, was christlicher Aristotelismus war und ist und was vorzubereiten hatte das neue Zeitalter des Michael. Wenn die Scholastiker während der Herr schaft der früheren Erzengel haben hinaufschauen wollen nach den geistigen Regionen, so haben sie sich gesagt: Da ist Michael, dessen Herrschaft erwartet werden muß. Vorbereitet werden muß das, was er, nachdem es ihm im Himmel nach der Fügung der kosmischen Entwickelung entfallen war, zur rechten Zeit auf der Erde wieder übernehmen muß! - So entwickelte sich eine Strömung, die dann nur durch den katholischen Ultramontanismus auf einen falschen Nebenweg geführt worden ist, die aber für sich geblieben ist und dasjenige fortsetzte, was im dreizehnten Jahrhundert begründet worden ist.

Es bildete sich also eine Strömung heraus, die unmittelbar in der Verwaltung der irdischen Intelligenz auf der Grundlage des Aristo telismus arbeitete. In ihr lebte dann auch dasjenige, wovon ich gestern gesagte habe, daß einer, der etwas länger bei Alanus ab Insulis in der geistigen Welt geblieben war, als jüngerer Domini kaner herabgekommen ist und einem älteren Dominikaner, der schon vor ihm heruntergestiegen war auf die Erde, eine Botschaft brachte von Alanus ab Insulis. Da lebte im europäischen Geistes leben jener intensive Wille, die Gedanken stark zu erfassen. Und über dem irdischen Leben ging aus alledem dann auch dasjenige hervor, was dann im Beginne des neunzehnten Jahrhunderts zu einer großen, umfassenden Veranstaltung in der geistigen Welt führte, wo sich das, was später auf der Erde Anthroposophie wer den sollte, in mächtigen Imaginationen abspielte. In der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, schon ein wenig am Ende des achtzehnten, waren alle die, welche Platoniker waren unter der

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Führung der Lehrer von Chartres, die ja jetzt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt waren, und auch die, welche den Aristote lismus in Europa begründet haben und mittlerweile auch längst durch die Pforte des Todes gegangen waren, in himmlischen Regio nen vereinigt, um einen überirdischen Kultus zu vollziehen, in welchem in mächtigen realen Imaginationen das hineingestellt wurde, was im neuen Christentum im zwanzigsten Jahrhundert auf spirituelle Art wieder begründet werden soll, nachdem das neue Michael-Zeitalter im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts begonnen hat.

Davon sickerte so manches durch. Oben in der geistigen Welt spielte sich ab in mächtigen kosmischen Imaginationen die Vor bereitung für jene intelligente, aber durchaus spirituelle Erschaf fung, die dann als Anthroposophie erscheinen sollte. Was da durch sickerte: auf Goethe machte es einen bestimmten Eindruck. Ich möchte sagen, es kam in Miniaturbildern bei ihm durch. Die gro ßen, gewaltigen Bilder, die sich da oben abspielten, kannte Goethe nicht; er verarbeitete diese Miniaturbildchen in seinem «Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie». Eine wunderbare Erscheinung! Wir haben die ganzen Strömungen, die ich geschil dert habe, so sich fortsetzend, daß sie zu jenen mächtigen Imagina tionen führen, die oben in der geistigen Welt, unter der Führung des Alanus ab Insulis und der anderen, sich abspielen; wir haben das Mächtige, daß da Dinge durchsickern und Goethe an der Wende des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts begeistern zu seinem spirituellen Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie. Es war sozusagen ein erstes Herauskommen des jenigen, was zunächst in mächtigen Imaginationen im Beginne des neunzehnten, sogar schon am Ende des achtzehnten Jahrhunderts sich in der geistigen Welt abspielte. Sie werden es daher nicht wun derbar finden, daß im Hinblick auf diesen übersinnlichen Kultus, der in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts stattfand, mein erstes Mysteriendrama, «Die Pforte der Einweihung», das ja in einer gewissen Weise in dramatischer Form wiedergeben wollte, was sich da im Beginne des neunzehnten Jahrhunderts abspielte,

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äußerlich in der Struktur etwas ähnlich wurde dem, was Goethe in seinem Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie dargestellt hat. Denn die Anthroposophie sollte von der Art, wie sie imaginativ in den ersten Zeiten in überirdischen Regionen ge lebt hat, heruntersteigen in die irdische Region. Denn damals ge schah in den überirdischen Regionen etwas. Eine große Anzahl von Seelen, die in den verschiedensten Zeiten vom Christentum berührt worden waren, vereinigten sich mit solchen Seelen, die weniger vom Christentum berührt waren, die in der Zeit gelebt haben, als das Mysterium von Golgatha auf der Erde stattfand, und vorher. Es vereinigten sich diese beiden Gruppen von Seelen, um in über­irdischen Regionen die Anthroposophie vorzubereiten. Da waren die geschilderten Individualitäten, die um Alanus ab Insulis herum waren, und die, welche innerhalb der Dominikanerströmung den Aristotelismus in Europa begründet haben, auch vereinigt mit dem großen Lehrer Dantes, mit Brunetto Latini. Und in dieser großen Schar von Seelen war ein großer Teil derjenigen, die heute, nach dem sie wieder auf die Erde heruntergestiegen sind, sich in der Anthroposophischen Gesellschaft zusammenschließen. Die, welche heute den Drang fühlen, sich in der Anthroposophischen Gesell schaft zu vereinigen, waren im Beginne des neunzehnten Jahrhun derts in übersinnlichen Regionen zusammen, um jenen mächtigen Imaginationskultus zu verrichten, von dem ich gesprochen habe.

Das ist auch etwas, was mit dem Karma der anthroposophischen Bewegung verknüpft ist. Es ist etwas, auf das man kommt, wenn man diese anthroposophische Bewegung nicht rationalistisch in ihrer äußeren Erdengestalt allein betrachtet, sondern wenn man die Fäden betrachtet, die hinaufführen in die geistigen Regionen. Da sieht man, wie sozusagen diese anthroposophische Bewegung herab-steigt. Ja, das ist am Ende des achtzehnten und im Beginne des neunzehnten Jahrhunderts, ich möchte sagen, die «himmlische» anthroposophische Bewegung: da sickert das durch, was Goethe in Miniaturbildern im Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie wiedergibt. Dann aber sollte es heruntersteigen, als im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts Michael, nun aber

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von der Sonne auf die Erde heruntersteigend, die Erdenintelligenz der Menschen ergreifen will.

Seit dem Mysterium von Golgatha war Christus mit der Erden-menschheit vereinigt. Die Erdenmenschheit konnte ihn zunächst äußerlich nicht fassen. Die Michael-Herrschaft hat die letzte Phase kosmischer Intelligenz verwaltet in der Alexanderzeit. Mit dem achten nachchristlichen Jahrhundert war die kosmische Intelligenz ganz heruntergefallen in die Erdenwesenheit. Die, welche mit Mi chael verbunden waren, haben es, nach den Abmachungen mit den Platonikern, dann unternommen, diese Erdenintelligenz im schola­stischen Realismus so vorzubereiten, daß Michael sich wiederum mit ihr vereinigen kann, wenn er seine Herrschaft mit dem Ende der siebziger Jahre im neunzehnten Jahrhundert in der fortlaufen den Zivilisation antritt.

Darum handelt es sich jetzt, daß die Anthroposophische Gesell schaft diese ihre innere Aufgabe ergreift, diese Aufgabe, die darin besteht, Michael das menschliche Denken nicht streitig zu machen. Da kann man nicht fatalistisch sein. Da kann man nur sagen: Die Menschen müssen mit den Göttern zusammenarbeiten. Michael be geistert die Menschen mit Michael selber, damit auf der Erde eine Spiritualität erscheine, die der Eigenintelligenz der Menschen ge wachsen ist, damit man denken kann und zugleich spiritueller Mensch sein; denn das bedeutet erst die Michael-Herrschaft. Um das muß gekämpft werden innerhalb der anthroposophischen Bewe gung. Dann werden die, welche heute für die anthroposophische Bewegung wirken, am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts schon wieder erscheinen und auf der Erde verbunden sein mit denen, welche die Lehrer von Chartres waren. Denn das ist die Abma chung jenes himmlischen Konzils im Beginne des dreizehnten Jahr hunderts, daß sie miteinander erscheinen, die Aristoteliker und die Platoniker, und daß dahin gearbeitet werde, daß immer blühender und blühender die anthroposophische Bewegung im zwanzigsten Jahrhundert werde, damit am Ende dieses Jahrhunderts im Verein von Platonikern und Aristotelikern die Anthroposophie eine ge wisse Kulmination in der Erdenzivilisation erlangen kann. Kann so

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gearbeitet werden, wie es von Michael vorbestimmt, prädestiniert ist, dann kommt Europa, dann kommt die moderne Zivilisation heraus aus dem Niedergang. Aber auf keine andere Weise sonst! Dieses Herausführen der Zivilisation aus dem Niedergang ist ver bunden mit dem Verständnis von Michael.

Damit, meine lieben Freunde, habe ich Sie herangeführt zu dem Verständnis des Michael-Geheimnisses, das eben in der Gegenwart über der denkenden und nach spiritueller Weisheit strebenden Menschheit waltet. Daß damit - durch die Anthroposophie - etwas hereingetragen werden muß in die geistige Erdenentwickelung, was vielen paradox erscheint, das können Sie begreifen, denn allerlei dämonisch-ahrimanische Gewalten machen die Menschen von sich besessen. So daß die ahrimanischen Gewalten in manchen Men schenleibern schon jubelten, daß Michael seine kosmische Intelli genz, die auf die Erde heruntergefallen ist, nicht mehr erhalten könne. Und dieses Jubeln war besonders stark in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, wo Ahriman schon glaubte, daß Mi chael seine einstmals kosmische Intelligenz, die den Weg vom Him mel auf die Erde gefunden hatte, nicht wiederfinden werde. Es geht um Großes, es geht um Riesiges! Deshalb ist es nicht weiter wun derbar, wenn die in diesen Kämpfen Drinnenstehenden manches Sonderbare erfahren müssen.

Eigentlich ist noch nie über eine geistige Bewegung so sonderbar gesprochen worden wie über die anthroposophische. Gerade an der kuriosen Art, über die anthroposophische Bewegung zu sprechen, sehen Sie, wie sie mit ihrem spirituellen Charakter und mit ihrem Zusammenhang mit dem Mysterium von Golgatha von den er leuchtetsten Geistern der Gegenwart nicht begriffen werden kann. Denn sagt Ihnen etwa jemand, er habe einen Menschen gesehen, der schwarz und weiß zugleich sei? Ich glaube nicht, daß Sie den für vernünftig halten, der Ihnen so etwas sagte. Aber heute dürfen die Leute über die anthroposophische Bewegung etwas Ähnliches schreiben. So darf zum Beispiel Maurice Maeterlinck in seinem Buche « Das große Rätsel» über mich selbst, insofern er mich als Träger der anthroposophischen Bewegung behandelt, eine Logik

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entfalten, die ganz gleich ist derjenigen, wie wenn jemand sagte, er habe einen Menschen gesehen, der schwarz und weiß, Europäer und Mohr zugleich ist. Eines kann man sein, aber nicht beides zu gleich. Maeterlinck jedoch sagt: «Was wir in den Vedas lesen, sagt Rudolf Steiner, einer der gelehrtesten und auch der verworrensten unter den zeitgenössischen Okkultisten...» Wenn jemand sagte, er habe einen Menschen gesehen, der ein Europäer und ein Mohr zu gleich ist, so würde man ihn für verrückt erklären; aber Maeter linck darf zusammenstellen «einer der gelehrtesten und verworren sten». Und er sagt weiter: «Rudolf Steiner, der, wenn er sich nicht in vielleicht wahrscheinliche, aber nie nachprüfbare Visionen der Prähistorie, in astrale Redensarten über das Leben auf anderen Sternen verirrt, ein sehr klarer und scharfer Geist ist, hat den Sinn dieses Gerichts» - gemeint ist die Osirifikation - «und dieser Gleichsetzung der Seele mit Gott außerordentlich gut beleuchtet.» (S.80.) Also das heißt: Wenn er nicht just über Anthroposophie spricht, ist er ein klarer und scharfer Geist. Das darf wieder Maeter linck sagen. Er darf noch mehr sagen, Dinge, die ganz sonderbar sind, denn er findet es möglich, das folgende zu sagen: «Steiner hat seine intuitiven Methoden angewendet, die eine Art transzenden taler Psychometrie sind, um die Geschichte der Atlantier zu rekon struieren und uns zu offenbaren, was auf der Sonne, dem Mond und anderen Welten geschieht. Er beschreibt uns die aufeinander folgenden Wandlungen der Wesenheiten, die zu Menschen werden, und er tut das mit so viel Sicherheit, daß man sich fragt, nachdem man ihm mit Interesse durch die Einführung gefolgt ist, die einen sehr abwägenden, logischen und weiten Geist zeigt, ob er plötzlich wahnsinnig wird oder ob man es mit einem Schwindler oder wirk lichen Visionär zu tun hat.» (S.167.) Nun bedenken Sie, was das heißt: Maeterlinck behauptet, wenn ich Bücher schreibe, dann sind die Einleitungen immer so, daß er sagen muß, er habe es mit einem «sehr abwägenden, logischen und weiten Geist» zu tun. Liest er aber in meinen Büchern weiter, so weiß er nicht, ob ich plötzlich wahnsinnig geworden oder ein Schwindler oder ein wirklicher Vi sionär sei. Aber nun habe ich nicht nur einzelne Bücher geschrieben.

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Ich schreibe immer die Einführung bei jedem Buche zuerst. Nun habe ich also ein Buch geschrieben, Maeterlinck liest die Einführung: Da stelle ich mich ihm dar als ein

Aber an diesem Beispiele mögen Sie sehen, wie die erleuchtetsten Geister der Gegenwart das aufnehmen, was als Michael-Epoche in der Welt begründet werden muß, was getan werden muß, damit die im achten Jahrhundert Michael nach der Weltordnung mit Recht entsunkene kosmische Intelligenz innerhalb der Erdenmenschheit wiederum gefunden werde. Die ganze Michael-Tradi tion muß revidiert werden. Michael, seine Füße auf den Drachen gestellt: Man erblickt mit Recht dieses Bild, das den Michael-Kämpfer darstellt, wie er den kosmischen Geist vertritt gegenüber den ahrimanischen Mächten, die er unter seinen Füßen hat.

Mehr als irgendein anderer Kampf ist dieser Kampf in das menschliche Herz gelegt. Da drinnen ist er verankert, verankert seit dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts. Entscheidend muß dasjenige werden, was Menschenherzen mit dieser Michael-Angelegenheit der Welt im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts

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tun. Und im Laufe dieses zwanzigsten Jahrhunderts, wenn das erste Jahrhundert nach dem Ende des Kali Yuga verflossen sein wird, wird die Menschheit entweder am Grabe aller Zivilisation stehen oder am Anfange desjenigen Zeitalters, wo in den Seelen der Menschen, die in ihrem Herzen Intelligenz mit Spiritualität verbinden, der Michael-Kampf zugunsten des Michael-Impulses ausgefochten wird.

DRITTER VORTRAG Zürich, 28. Januar 1924

(nach einer unvollständigen Nachschrift)

Wenn wir als Menschen die Welt um uns herum betrachten, dann finden

wir als menschliche Umgebung zunächst alles dasjenige, was auf

der Erde ist: die Wesen der verschiedenen Reiche der Erde, des mineralischen,

des pflanzlichen, des tierischen Reiches, wir finden das Menschenreich,

zu dem wir selber gehören, und wir finden alles dasjenige,

was zu diesen Reichen hinzugehört, was aus ihnen gebildet wird: Berge,

Flüsse, Wolken. Richten wir dann den Blick weiter hinaus in das Weltall,

dann finden wir das Weltall übersät mit Sternen, Fixsternen, Pianeten,

und es wird wohl auch klar durch die anthroposophische Betrachtung,

daß diese verschiedenen Sterne, ebenso wie unsere Erde, ihre

Bewohner haben. Aber der Mensch findet, indem er zunächst seinen

Blick sowohl in seine irdische Umgebung wie auch hinaus in die Weiten

des Weltalls wendet, in dieser räumlichen Umgebung Wesenheiten, die

nur mit einem Teil seines Selbstes etwas zu tun haben. Wir wissen ja aus

den anthroposophischen Betrachtungen, daß wir Menschen gegliedert

sind in einen physischen Leib, einen Ätherleib, einen Astralleib und ein

Ich. Wir wissen, daß wir im Schlaf mit dem Ich und dem Astralleib uns

trennen von dem physischen Leib und Ätherleib. Aber alles, was wir

mit unseren Augen sehen, mit unseren Sinnen in der Welt wahrnehmen

können, steht nur in Beziehung mit unserem physischen und unserem

Ätherleib. Es steht zunächst in keiner Beziehung zu unserem Astralleib

und zu unserem Ich. Nur zwei Sterne machen davon eine Ausnahme:

die Sonne und der Mond. Die Sonne und der Mond sind ja ebenso von

geistig-seelischen Wesenheiten bewohnt wie die Erde mit dem Menschen

selbst. Aber auch die anderen Sterne des weiten Weltenalls sind

von geistig-seelischen Wesenheiten bewohnt, nur hat der Mensch zu

dem eigentlich Geistig-Seelischen der weiten Sterne zunächst nur eine

sehr indirekte Beziehung während seines Lebens zwischen Geburt und

Tod. Nur die beiden genannten Sterne, Sonne und Mond, machen davon

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 2 40 Seite: 5 7

eine Ausnahme. Sie sind gewissermaßen für uns Menschen die zwei

Tore, durch die wir auch schon während des physischen Erdenlebens

im Zusammenhang stehen mit der geistigen Welt. Und sie selbst, Sonne

und Mond, stehen mit uns in Beziehung, und zwar so, daß die Sonne in

Beziehung steht mit unserem Ich, der Mond mit unserem Astralleib.

Wir werden uns nähern dem Verständnis desjenigen, was ich eben gesagt

habe, wenn wir ein wenig auf dasjenige hinschauen, was wir in den

Büchern und verschiedenen Zyklen ausgeführt finden.

Aus ihnen wissen Sie, daß der Mond, der heute als Begleiter der Erde,

aber frei, durch den Weltenraum wandelt, einmal mit der Erde in Verbindung

war, daß er mit der Erde einen einzigen Körper dargestellt hat,

daß er sich zu einem gewissen Zeitpunkte losgerissen hat von der Erde,

hinausgegangen ist in das Weltall und nun im Weltall eine Art Kolonie

der Erde bildet. Aber das ist nicht nur der Fall in bezug auf dasjenige,

was als Erscheinung des Physischen des Mondes herunterschaut von

ihm zu uns, es ist auch der Fall mit den Wesenheiten, die ihn bewohnen.

Auch das wissen Sie, daß die Erde einmal bewohnt war nicht nur von

Menschen, sondern von einer Art höherer Wesenheiten, welche die

ersten großen Lehrer der Menschheit waren. Diese Wesenheiten waren

nicht, wie die Menschen jetzt, in einem physischen Leibe, sondern nur

in einem feinen ätherischen Leibe. Aber es gab doch einen Verkehr zwischen

den Menschen und diesen Wesenheiten noch bis in die atlantische

Zeitepoche hinein. Dieser Verkehr bestand darin, daß die Menschen

dieser Urzeiten der Erde angehalten wurden, in einer gewissen Weise

Stille in ihrem Gemüte walten zu lassen, nichts aus ihrer physischen

Umgebung wahrzunehmen, sondern nur mit ruhiger Seele in vollständiger

Gemütsruhe zu verharren. Und dann war es diesen Menschen der

Urzeiten - uns selber, denn wir waren ja alle in unseren vorigen Erdenleben

auf unserer Erde -, als ob von innen heraus diese Wesenheiten

sprechen würden, und die Menschen fühlten und empfanden das als die

Inspiration. Nicht so, wie wir einander Dinge mitteilen, teilten diese

vorgerückten Wesenheiten den Menschen das mit, was sie ihnen mitzuteilen

hatten, sondern auf die Art, wie ich es Ihnen angegeben habe. Die

Menschen machten aus alledem die Werke einer wunderbaren Urweisheit.

Der Mensch der Gegenwart ist ja im Grunde genommen so furcht-

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch:240 Seite: 58

bar hochmütig, er dünkt sich so grenzenlos gescheit. Er ist es ja auch im

Vergleich mit dem Urmenschen, aber Gescheitheit allein führt eben

nicht zur Weisheit, führt nicht zum Wissen. Gescheitheit kommt aus

dem Verstande, und der Verstand ist nicht das einzige Werkzeug, das

zum Wissen führt. Es waren tiefere Kräfte der Seele, welche in den Urzeiten

die Menschen zum Wissen führten, das sie auch nicht in Verstandesformeln,

nicht einmal in unserer philiströsen Grammatik - denn

alle Grammatik ist philiströs - zum Ausdruck brachten, sondern in halb

dichterischen Werken, Diese Urweisen, welche die Menschheit lehrten

durch Inspiration dieser vorgerückten Wesenheiten, drückten aus in

Werken, welche halbe Dichtung waren, in grenzenlos schönen, bildhaften

Darstellungen dasjenige, was an äußeren Dokumenten bis auf

unsere heutigen Zeiten erhalten geblieben ist. Nehmen wir die Vedenliteratur

der Inder, die Jogaphilosophie, die Vedantaphilosophie, die

persischen Urkunden, die ägyptischen Urkunden, alles das bewundern

wir, und wir sind Toren, wenn wir es nicht bewundern. Je mehr man

sich in die Dinge einlebt, je mehr man sich ihnen hingibt, desto mehr

sagt man sich: Ja, wir sind heute gescheit, und diese alten Menschen

waren nicht so gescheit, aber dasjenige, was sie als Wissen in einer wunderbar

schönen poetischen Form dargestellt haben, ist tief, führt tief

hinein in die Geheimnisse der Welt. Und die äußeren Dokumente, die

wir schon so sehr bewundern, von denen wir erschüttert werden, wenn

wir das Herz auf dem rechten Fleck haben, sie sind nur die letzten

Reste desjenigen, was einmal durch mündliche Überlieferung in der

Menschheit vorhanden war, was nur noch die Geisteswissenschaft ergründen

kann an wunderbarer, uralter Urweisheit. Aber die Menschen

sind sozusagen herausgewachsen aus dieser Urweisheit. Sie wären unmündig

geblieben und nicht zur Freiheit eines Wissens durch eigene

Kraft gekommen, wenn sie bei der Urweisheit stehengeblieben wären.

Damit aber hatten jene großen Urlehrer auch keine Aufgabe mehr

auf der Erde. Sie verließen die Erde. Geradeso wie das Physische des

Mondes in die Weiten des Weltalls hinausgegangen ist, so gingen mit

dem Monde hinaus die großen Urlehrer. Sie bilden heute eine Art Weltenkolonie

auf dem Monde, und derjenige, der mit Initiationswissenschaft

den Mond betrachtet, findet ihn bevölkert von denjenigen weisen

Copyright Rudolf Steinet Nachlass-Vei waltung Buch: 2 4 0 Seite: 5 9

Wesenheiten, die einmal Genossen der Menschheit waren. Diese Wesenheiten,

man kann ihre Weisheit noch ergründen, wenn man durch eine

höhere Fortbildung dessen, was ich beschrieben habe in «Wie erlangt

man Erkenntnisse der höheren Welten?», dazu gelangt, sich mit diesen

Mondwesen zu verständigen. Dann aber erfährt man etwas ganz Besonderes:

Man erfährt von ihnen, daß sie heute, trotzdem sie nicht auf der

Erde sind, für die Erde eine bedeutsame Aufgabe haben. Es ist schwer,

mit irdischen Worten, die nicht dafür gebildet sind, auszudrücken,

welche für die Menschheit so bedeutsame Aufgabe diese Mondwesen

haben. Sie führen gewissermaßen Buch über die ganze Menschheitsvergangenheit,

über jeden einzelnen Menschen. Nicht solche Bücher,

wie wir sie in unseren Bibliotheken haben, aber doch etwas, was wir

Bücher nennen können, und in diesen Büchern ist für jeden einzelnen

Menschen dasjenige verzeichnet, was in seinen aufeinanderfolgenden

Erdenleben von ihm erlebt worden ist. Den Mond kennenlernen heißt,

die menschliche Vergangenheit kennenlernen. Wenn wir aus dem vorgeburtlichen

Dasein, in dem wir sind zwischen dem Tod und einer neuen

Geburt, aus den Weltenweiten hinuntersteigen auf die Erde, dann gehen

wir durch die Mondensphäre hindurch und dann werden wir innerlich

berührt von demjenigen, was in der großen Buchhaltung der Mondweisen

über unsere Vergangenheit aufgezeichnet ist. Diese unsere Vergangenheit

wird, bevor wir heruntersteigen auf die Erde, unserem

astralischen Leibe eingeprägt. In unserem astralischen Leibe, den wir

herunterbringen in das irdische Dasein, finden wir die Einzeichnungen

dieser Mondenwesen. Das geht unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht

bis in unseren Kopf herein. Der Kopf ist für die meisten Dinge während

seiner Erdenzeit überhaupt kein so außerordentlich wichtiges Organ.

Er ist es für die äußeren materiellen Begriffe und Ideen. Dasjenige, was

von den Mondenwesen eingezeichnet wird in die menschliche Wesenheit

in der letzten Stufe ihres Heruntersteigens vom Weltenall auf die

Erde, das ist sogar - der Mensch mag es glauben oder nicht - eingezeichnet

in denjenigen Teil unseres menschlichen Wesens, den wir die geistige

Seite unseres Gliedmaßen-Stoffwechselmenschen nennen. Ganz im Unterbewußtsein

ruht es daher, aber es ist da, geht in das Wachstum über,

geht in die Gesundheit über, und namentlich geht es über in dasjenige,

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 24 0 Seite: 60

was ich nennen möchte die Heilbarkeit eines Menschen, wenn er auf

der Erde erkrankt. Es ist ja natürlich eine wichtige Angelegenheit,

kennenzulernen, was das Wesen der Krankheit ist, aber eine viel wichtigere

Angelegenheit ist es, kennenzulernen, wie man heilt. Nun ist

schon übersinnliche Erkenntnis ein wesentliches Hilfsmittel beim Erkennen

der Wesenheit der Krankheit; das ist aber die Kenntnis desjenigen,

was auf diese Art in Wachstum, in den Ernährungskräften, in

den Atmungskräften eingezeichnet liegt aus der Akasha-Chronik der

Mondwesen. Das ist dasjenige, was macht, daß der Mensch größeren

oder geringeren Widerstand einer Heilung für irgendeine Krankheit

entgegensetzt. Der eine Mensch wird leichter, der andere schwerer geheilt.

Das hängt ganz davon ab, wie aus seinem Karma heraus, aus

seinem vorigen Erdenleben, diese Einzeichnungen getroffen werden.

Sehen Sie, wenn wir hinschauen auf dasjenige, was der Mond da

draußen mit seinen Bewohnern für uns Erdenmenschen ist, so kommen

wir darauf, zu sagen: Er hängt innig zusammen mit allem demjenigen,

was unsere Vergangenheit ist, die zurückreicht auf die vorhergehenden

Erdenleben. Das Mondendasein richtig verstehen, wie es da draußen in

den Weiten des Weltalls existiert, heißt, auf der Erde fühlen und empfinden

die Vergangenheit der Menschen. Nun setzt sich das menschliche

Schicksal zusammen aus demjenigen, was wir herübertragen aus

dem vorigen Erdenleben, also aus unserer Vergangenheit, und dem, was

wir während unseres Lebens in der Gegenwart erfahren können. Und

aus demjenigen, was in der Gegenwart erfahren werden kann, zusammen

mit unserer Vergangenheit, bildet sich das Schicksal weiter in die

Zukunft hinein in die folgenden Erdenleben. Kosmisch betrachtet, erscheint

uns also der Mond mit seinen Wesenheiten als dasjenige, was

unsere Vergangenheit in unserem Schicksal zimmert.

Sie sehen daraus, wie wenig die gegenwärtige Erkenntnis weiß von

dem, was eigentlich die Weltenkörper draußen sind. Die physikalische

Erkenntnis des Mondes, an die wir heute gewohnt sind, ist im Grunde

eigentlich gar keine Erkenntnis. Derjenige, der den Mond heute physikalisch

beschreibt, der denkt sich, daß das, was er auf den Mondkarten

als Gebirge abgebildet findet, immer schon dagewesen sei. Es ist naiv,

das zu glauben. Die Mondenwesen waren immer da, das Geistig-

Copyright Rudolf Steinet Nachlass-Vei waltung Buch: 2 4 0 Seite: 61

Seelische des Mondes war da, nicht aber die physische Materie. Sie werden

es sich klarmachen können, wenn Sie auf den Menschen selber

schauen. Der Mensch tauscht im Laufe seines Erdenlebens seine physischen

Stoffe fortwährend aus. Nach sieben bis acht Jahren haben wir

nichts mehr von dem Stofflichen, was wir in uns tragen, in uns. Es ist

alles ersetzt. Was in uns geblieben ist, ist das Geistig-Seelische, und so

ist es auch bei den Weltenkörpern. Sie können heute auf den Mond

hinauf schauen: Sein Stoff, wenn er auch länger dauernd ist als der

menschliche Stoff, ist im Laufe der Zeiten ein ganz anderer geworden;

nur das Geistig-Seelische bleibt. Man bekommt eben, wenn man diese

Dinge ins Auge faßt, eine ganz andere Ansicht über das Weltall, als

man sie hat aus dem, was heute materielle Erkenntnis ist. Diese materielle

Erkenntnis ist ja außerordentlich klug, gescheit und verständig,

sie kann vor allen Dingen rechnen, und sie rechnet todsicher. Die Rechnungen

sind immer richtig, aber sie sind nicht wahr. Sehen Sie, es rechne

heute einer aus die Struktur des Herzens. Er beobachtet sie heute, und

in einem Monat beobachtet er sie wieder: Sie hat sich verändert, nicht

viel. In einem weiteren Monat auch wieder nicht viel, und dann schaut

er nach, wieviel sich das Herz verändert hat in einem Jahr. Er braucht

nur zu multiplizieren, so hat er es für zehn Jahre. Er kann ausrechnen,

wie das Herz vor dreihundert Jahren war, wie es in dreihundert Jahren

sein wird, und die Rechnung wird sicher stimmen. Nur war das Herz

vor dreihundert Jahren nicht da und wird in dreihundert Jahren nicht

da sein. So wird es auch in bezug auf andere Dinge gemacht. Die Rechnungen

stimmen immer, aber sie stimmen nicht mit der Wirklichkeit

überein. So ist es auch in bezug auf das äußere Substantielle der Himmelskörper.

Sie wechseln ihre Substanz, aber das Geistig-Seelische

bleibt. Und für den Mond ist dieses Geistig-Seelische dasjenige, was

durch die großen Registratoren unseres vergangenen Lebens in unser

Schicksal einverwoben wird, was eben zusammenhängt mit einem Teil

dieses unseres Schicksalgewebes als Mensch.

So ist der Mond in der Tat das eine der Tore, die den Menschen hinweisen

in die geistige Welt, aus der heraus sein Schicksal gewoben wird

von Wesenheiten, welche einmal unsere weisen Genossen auf der Erde

waren in jener Zeit, wo die Menschen aus einem Instinkt heraus sich

Copyright Rudolf Steinet Nachlass-Veiwaltung Buch: 240 Seite: 2

selbst ihr Schicksal gewoben haben. Jetzt ist das Weben des Schicksals

ganz im Unterbewußten. Wir werden nachher noch weiter darüber

hören.

Es gibt noch ein anderes Tor hinüber in die geistige Welt: das ist die

Sonne. Wenn man durch Initiationswissenschaft die Sonne kennenlernt,

dann trifft man nicht Wesenheiten, welche zusammenhängen mit

unserer Erde selber wie die Mondwesenheiten; man trifft nicht Wesenheiten

in der Sonne, die einmal die Erde bewohnt haben. Man trifft diejenigen

Wesenheiten, die Sie bezeichnet finden in meiner «Geheimwissenschaft

» als Angeloi und die höheren Wesenheiten in den Hierarchien.

Wenn ich sage «in der Sonne», so müssen Sie sich natürlich solche

in der ganzen Sphäre der Sonne, in der ganzen Lichtflut, die von der

Sonne ausgeht, vorstellen. Die Sonne ist der Wohnsitz der Angeloi,

Engel, jener Wesenheiten, von denen je eine immer zusammenhängt mit

einem Menschenindividuum. Und wir Menschen hängen schon einmal

mit Bezug auf unser Ich mit diesen höheren Individuen zusammen, und

wir hängen durch das Sonnendasein mit diesen höheren Individuen zusammen.

Die Angeloi sind gewissermaßen die kosmischen Vorbilder des

Menschen, denn der Mensch wird einmal die Rangstufe der Angeloi

erreichen. Auf der Sonne leben diejenigen Wesenheiten, denen wir uns

hinsichtlich ihrer Beschaffenheit selber nähern. Daraus werden Sie

schon entnehmen, daß ebenso, wie mit dem Mondendasein unsere Vergangenheit,

so mit dem Sonnendasein unsere Zukunft zusammenhängt.

Mond und Sonne stellen eine Welt unserer Vergangenheit und unserer

Zukunft dar, und wenn wir auf der einen Seite sehen, daß die Mondenwesen

die Buchhalter unserer Vergangenheit sind, daß gewissermaßen

unsere vergangenen Erdenleben auf den Blättern ihrer Bücher eingezeichnet

sind, so wird uns durch die Initiationswissenschaft klar, daß

wir zu den Angeloi, Engeln, hinschauen müssen, wenn wir uns um

unsere Zukunft kümmern. Wir tun ja fortwährend etwas, vielleicht

nicht alle, aber die meisten Menschen müssen ja etwas tun. Geradeso

wie dasjenige, was wir in der Vergangenheit getan haben, in unser

gegenwärtiges Leben hineinwirkt, so müssen diejenigen Dinge, die wir

in der Gegenwart tun, in die Zukunft hineinwirken. Sie können aber

nur dadurch in die Zukunft hineinwirken, daß gewissermaßen die

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 24 0 Seite: 63

Angeloi hinlenken ihre Seelenblicke auf dasjenige, was der Mensch in

der Gegenwart tut, und es zur Wirkung bringen in der Zukunft. Es ist

eine sehr gute Empfindung, wenn man mit diesem Berufe der Angeloi

in der Welt rechnet. Wir vollbringen ja manches, was in der Zukunft

Früchte tragen soll. Die Gegenwartsmenschheit ist in bezug auf solche

Dinge furchtbar gedankenlos geworden. Sie sollte solche Dinge ins

Auge fassen, und wenn der Mensch irgend etwas tut, so soll er an seinen

Angelos denken, etwa so: «Mein schützender Geist empfange dasjenige,

was meine Tat ist, als eine Wurzel und bringe Früchte daraus hervor.»

Je bildlicher, je anschaulicher ein Mensch also anknüpft eine solche

Ansprache an seinen Angelos für Taten, die in der Zukunft Früchte

tragen sollen, desto mehr wird von diesen Früchten in der Zukunft vorhanden

sein können. So also, wie die Mondenwesen unser vergangenes

Schicksal aufbewahren, so weben fortwährend die Sonnenwesen neues

Schicksal in die Zukunft hinein. In Wahrheit wird nicht nur das äußere

physische Sonnenlicht von der Sonne auf die Erde hinuntergeschickt,

nicht nur der äußere Mondenschein; sondern wenn wir mit geistigen

Blicken hinschauen zu Sonne und Mond, so wissen wir, daß der Mond

in Zusammenhang steht mit unserem astralischen Leibe. Durch diese

Beziehung zu unserem astralischen Leibe ist der Mond der Ausgangspunkt

für alles dasjenige, was aus unserer Vergangenheit heraus in

unser Schicksal hineinverwoben wird. Die Sonne steht in Zusammenhang

mit unserem Ich, und durch die Wesenheiten, die uns ein Vorbild

sind für unsere kosmische Zukunft, steht die Sonne in Beziehung zu

dem, was unser zukünftiges Schicksal ist. So weben sich in Sonne und

Mond, die miteinander äußerlich in Lichtwirkung stehen, im Bilde in

der Wechselbeziehung von Sonne und Mond die himmlischen Spiegelbilder

unseres Schicksals.

Die Initiationswissenschaft liefert in dieser Beziehung eine wirkliche

Erklärung dieses Tatbestandes. Wenn derjenige, der wirklich so weit

gekommen ist, wie es nötig ist - ich habe es in meinem Buch «Wie erlangt

man Erkenntnisse der höheren Welten?» beschrieben , den Vollmond

betrachtet, dann sieht er nicht nur das, was das menschliche Bewußtsein

sieht, sondern er sieht vor allen Dingen im mitgeteilten Lichte sein vergangenes

Schicksal, den Inhalt seines vergangenen Erdenlebens. Und

Copyright Rudolf Steinet Nachlass-Vei waltung Buch: 2 4 0 Seite: 6 4

wenn er den entsprechenden Geistesblick geschärft hat und er schaut

hin an eine Stelle, wo der Neumond ist, den man nicht sieht mit dem

physischen Auge, dann wird ihm dasjenige, was ihm jetzt aus dem

dunklen Neumond entgegenfinstert, entgegenschattet, der große Mahner

aus seinem Schicksal heraus, der ihm zuruft, wie er sich gegenüber

Dingen seiner Vergangenheit im vorigen Erdenleben zu verhalten hat,

um sie wieder auszugleichen in der karmischen Entwickelung.

In einer ähnlichen Beziehung kann der Mensch zur Sonne stehen.

Auch da kann er dasjenige, was ihm winkt an künftigen Schicksalsbestimmungen,

wenigstens im allgemeinen, wenn auch nicht im speziellen,

ahnen. Wenn wir jetzt vom Kosmischen absehen und hinschauen

auf den Menschen selber, dann finden wir ja das menschliche Schicksal

wirklich in wunderbarer Weise aus zwei Elementen heraus gewoben.

Wenn zwei Menschen, sagen wir der eine in seinem fünfundzwanzigsten,

der andere in seinem dreißigsten Jahre, einander begegnen, so

kann der Fall eintreten - er wird es nicht immer -, daß, wenn der eine

oder der andere zurückblickt auf sein bisheriges Erdenleben, ihm ganz

klar wird: sie haben ihre Lebenswege so durchgemacht, als ob sie einander

gesucht hätten. Es ist nur eine Gedankenlosigkeit, wenn wir auf

solche Dinge nicht aufmerksam werden. Schon das Kind hat die Richtung

des Weges genommen, der es dahin führen mußte, wo es den

anderen Menschen trifft, und der andere Mensch hat auch diesen Weg

genommen, und alles dasjenige, bis zum gemeinsamen Treffpunkt, es

hat sich im Unterbewußten vollzogen. Aber was hat denn im Unterbewußten

gewirkt? Wenn der eine der A ist und der andere der B, so ist

der A hinuntergestiegen durch die Mondensphäre, bevor er das Erdenleben

betreten hat. Die Mondenwesen haben in die Bücher, auch in den

astralischen Leib dasjenige eingezeichnet, was er gemeinsam hatte im

vergangenen Erdenleben mit dem B, und diese Eintragungen in die

Akasha-Mondchronik, die haben den Weg beeinflußt, ebenso bei dem B.

Von dem Momente an, wo sich die beiden Menschen treffen, hört das

Unterbewußte auf, die alleinige Bedeutung zu haben, denn dann werden

die Menschen einander ansichtig. Sie machen aufeinander einen

Eindruck. Sie werden einander sympathisch oder antipathisch. Es wirkt

nicht mehr eine Konservierung des Vergangenen, es wirkt nun die

Copyright Rudolf Steinet Nachlass-Verwaltung Buch: 24 0 Seite: 65

Gegenwart. Es treten die Angeloi ein und führen die Menschen dann

weiter. Da tritt das Sonnendasein in seine Kraft, so daß wirklich im

Inneren des Menschen Sonne und Mond zusammen das Schicksal des

Menschen weben. Das ist ja, im Grunde genommen, recht genau wahrzunehmen,

wenn man nur sinnig auf das Menschenleben hinschaut.

Nehmen Sie einmal zwei Menschen, die sich irgendwo begegnen. Der

Eindruck, den sie aufeinander machen, kann sehr verschiedenartig sein.

Es gibt Fälle, wo zwei Menschen sich treffen, und es ist wirklich so, daß

der eine Mensch den anderen ganz in seinen Willen, in sein Gemüt aufnimmt.

Dieses Aufnehmen ins Gemüt, das ist in einem hohen Grade

unbeeinflußt von dem persönlichen Eindruck. Bloße Verständlinge

haben eben nicht viel Verständnis für dasjenige, was da innerlich vorhanden

ist, denn es gehört ja wirklich zum Wunderbarsten, wenn man

einmal sieht, wie ein Mensch dem anderen gegenübertritt. Einmal

nimmt wirklich der A den B so in seinen Willen auf, daß er sagt: Ich

möchte es selber ausführen, was der B tut: Wie es ihm gefallt, so gefällt

es auch mir. Nun ist aber der B häßlich, und man kann nicht begreifen,

daß der B dem A gefällt. Sehen Sie, die Anziehung von B zum A wird

nicht gebildet durch den Verstand, auch nicht durch die Sinneseindrücke,

sondern durch die tiefen seelischen Kräfte: durch den Willen

und dasjenige, was vom Willen ins Gemüt geht. Da mag der andere

noch so häßlich sein, die Häßlichkeit hat er erst im gegenwärtigen

Erdenleben bekommen. Dasjenige, was die beiden verbindet, hat seinen

Ursprung in demjenigen, was sie gemeinsam durchlebt haben im vorherigen

Erdenleben. Beim äußeren Anblick meint man, die beiden Menschen

passen doch gar nicht zusammen; aber dasjenige, was sie in ihrem

Unterbewußtsein haben, das führt ihre Willen zusammen. Das zeigt

sich oftmals schon in der Kindheit. Wie sehr ist man als Kind schon

darauf aus, so zu sein wie «er», so zu wollen wie «er», so zu fühlen wie

«er». Dann ist eine karmische Beziehung vorhanden.

Dies ist eine Art, wie Menschen im Leben einander begegnen, und

würde man auf diese Art recht aufmerksam sein, wie man es einmal in

einer gar nicht fernen Zukunft sein wird, wo man wieder mehr auf das

Innere des Menschen sehen wird, dann würde in diesen Fällen, in der

Art und Weise, wie ein Wille pulsiert, zu erkennen sein, daß man schon

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 24 0 Seite: 6 6

mit Menschen vergangene Erdenleben durchgemacht hat, und unterbewußte

Seelenkräfte sagen etwas darüber aus, was man mit einem

Menschen im vergangenen Erdenleben durchgemacht hat.

Der andere Fall ist der, daß man irgendeinen Menschen trifft, bei

dem sich kein solches Verhältnis zwischen den Willen einstellt, sondern

gerade ein solches, wo der ästhetische oder der Verstandeseindruck das

Maßgebende ist. Wie oft kommt es vor, daß ein A einen B kennenlernt

und dann nicht im Tone jener Begeisterung oder des Abscheus von ihm

redet, in dem man redet von einem Menschen, mit dem man früher karmisch

verbunden war. Man lobt vielleicht einen solchen Menschen, mit

dem man nicht karmisch verbunden ist, findet ihn nett, einen Prachtskerl,

aber er geht nicht in den Willen hinein, sondern nur in den Verstand,

in den ästhetischen Sinn.

Das ist die zweite Art, wie man mit Menschen zusammentrifft. Geht

dasjenige, was zwei Menschen als Wirkung aufeinander ausüben, bis in

den Willen, in das Gemüt, in den Charakter hinein, dann liegt eine karmische

Zusammengehörigkeit vor, dann sind die beiden Menschen zusammengeführt

durch gemeinsame Erlebnisse im vergangenen Erdenleben.

Geht von einem Menschen ein Impuls aus, der nur bis in den

Verstand, den ästhetischen Sinn hineinreicht, so daß uns der Mensch

nur gefällt, nur mißfällt, dann liegt nicht etwas vor, was der Mond

gemacht hat, sondern was die Sonne erst gegenwärtig macht und was

erst eine Fortsetzung in der Zukunft finden wird. So daß man also

durch ein sinniges Betrachten des Menschen dazu kommen kann, zu

empfinden, wo karmische Beziehungen vorliegen.

Nun sehen Sie, dasjenige, was ich Ihnen erzählt habe, ist eben etwas,

was an Erkenntnis der Welt gewonnen werden kann durch Anthroposophie,

und geradeso wie man keinesfalls selbst Künstler zu sein braucht,

um ein Bild schön zu finden, so wenig braucht man selbst Initiierter zu

sein, um die Dinge zu verstehen. Man kann die Dinge verstehen, weil

die Ideen miteinander zusammenstimmen. Es gibt Leute, die sagen:

Was geht uns die ganze geistige Welt an, man kann sie erst verstehen,

wenn man darin ist. - Das sagen die Leute aus dem Grunde, weil sie

heute gewohnt sind, einen Beweis nur dasjenige zu nennen, was sich

sinnlich-handgreiflich beweisen läßt. Solche Menschen gleichen Toren,

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 2 40 Seite: 6 7

die sagen: Alles, was in der Welt ist, muß gestützt werden, sonst fällt

es zur Erde. Es könnte ja einer kommen und sagen: Die Erde, der Mond,

die Sonne sind im Weltenraum draußen, aber sie müssen doch eine

Stütze haben, damit sie nicht herabfallen. Er weiß nicht, daß die Weltenkörper

keine Stütze brauchen, weil sie sich gegenseitig stützen. Auf

solches Verständnis ist die Anthroposophie angewiesen. Bei ihr können

die Ideen nicht gestützt werden durch äußerliche Handgreiflichkeiten,

aber gegenseitig stützen sie sich. Lesen Sie zunächst ein einziges anthroposophisches

Buch, dann kann es vorkommen, weil Sie gewohnt sind,

alles handgreiflich bewiesen zu sehen, daß Sie es weglegen, weil darin

nichts bewiesen ist. Lesen Sie aber immer mehr und mehr, so werden Sie

finden, daß die Ideen sich gegenseitig stützen und halten wie die Weltenkörper.

Man kann schon die Dinge verstehen, auch wenn man nicht ein

Initiierter ist, aber durch die Initiationswissenschaft werden die Dinge

noch wesentlich dichter. Sie werden in einer anderen Weise erlebt.

Daher kann derjenige, der weit genug gekommen ist, auch noch in einer

anderen Form sprechen über dieses aus Vergangenheit, Gegenwart und

Zukunft Gewobene des menschlichen Schicksals. Derjenige, der die

Initiation auf einer gewissen Stufe durchgemacht hat, bei dem werden

die Erlebnisse viel konkreter. Vor Ihnen steht ein Mensch, er spricht zu

Ihnen, er erzählt Ihnen etwas, Sie hören es. Der Initiierte kann, wie das

Äußere gehört wird, auch das Innere hören, die geistige Sprache, die

nicht minder deutlich ist als die menschliche Sprache. Mit aller Deutlichkeit,

wie Menschen zu Ihnen sprechen, spricht für den Initiierten

der Mensch, mit dem er karmisch in der Vergangenheit verbunden war

und den er im gegenwärtigen Leben trifft. Er hört eine innere Sprache.

Sie werden sagen, dann hat ja der Initiierte ein ganzes Bündel von

Menschen in sich, von denen der eine mehr, der andere weniger deutlich

zu ihm spricht. Das ist auch der Fall. Aber es ist das zu gleicher Zeit

der anschauliche Beweis für die Art und Weise, wie man das vorherige

Erdenleben zugebracht hat. Ich sagte, die großen Registraturen, die

Mondwesen tragen das Schicksal ein; aber in dem Augenblick, wo der

Initiierte einen anderen Menschen, mit dem er im vorherigen Erdenleben

karmisch verbunden war, trifft, wird er wie vom Vollmondslicht

beschienen von den Eintragungen des anderen Menschen, mit dem er

Copyright Rudolf Steinet Nachlass-Verwaltung Buch: 24 0 Seite: 68

karmisch verbunden ist. Was wir gegenwärtig denken und tun, das

spricht nicht zu uns, aber nach einer gewissen Zeit, nach einer gar nicht

so langen Zeit, wird dasjenige, was wir getan haben, was auf dem

Monde registriert ist, sprechend und lebendig. Die Akashabilder sind

Lebensbilder: trifft man auf den Inhalt eines vergangenen Erdenlebens,

lernen Sie sich selber kennen und lernen einen anderen Menschen kennen.

Das Gemeinsame des vergangenen Erdenlebens lebt wieder auf,

daher ist es kein Wunder, daß man dieses Wiederauflebende auch im

anderen Menschen von innen heraus sprechen hört. Man ist innig mit

demjenigen zusammen, mit dem man im vorherigen Erdenleben zusammen

war. Das wird der Weg der Menschen in die Zukunft hinein sein:

Die Menschen werden sich zunächst ein feines Gefühl dafür aneignen

müssen, damit ihr Wille erlebt wird im Treffen eines anderen Menschen,

so daß sie diesen Menschen fühlen. In einem Zeitraum, der etwa

sieben- bis neuntausend Jahre in der Zukunft liegt, werden die Menschen

alle auf der Erde die anderen Menschen, mit denen sie karmisch

verbunden sind, in ihrem Inneren sprechen hören.

Trifft man nun mit einem Menschen zusammen, mit dem man nicht

karmisch verbunden ist, dem man das erste Mal begegnet, so stellt sich

auch dies nach Empfang der Initiation anders dar. Der Initiierte kann

natürlich auch Menschen in seinem Leben treffen, mit denen er nicht

karmisch verbunden ist. Dennoch wird seine Beziehung eine andere sein

als diejenige, die für das gewöhnliche Bewußtsein vorhanden ist. Er

fühlt mit einer gewissen Feinheit neue Tatsachen im kosmischen Menschen.

Man sieht durch einen Menschen, den man zum ersten Mal im Kosmos

trifft, tiefer in die Welt hinein. Es ist auch ein Glück, einen Menschen

zum ersten Mal zu treffen, und diese Tatsache, daß man durch

einen Menschen, den man zum ersten Mal trifft, die Welt besser kennenlernt,

muß sich wiederum als ein feines Gefühl entwickeln. Der Initiierte

hat sofort, wenn er einen Menschen trifft, mit dem er nicht

karmisch verbunden ist, dem er sozusagen das erste Mal im Kosmos

gegenübertritt, diesem Menschen gegenüber eine Aufgabe: Er hat gleich

die Aufgabe, sich mit dem Schutzgeist aus der Sphäre der Angeloi zu

verbinden, der diesem Menschen besonders schützend gegenübersteht.

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 2 4 0 Seite: 6 9

Er darf nicht nur den Menschen kennenlernen, er muß den Schutzgeist

des Menschen kennenlernen. Der Engel dieses Menschen spricht auch

wieder mit großer Deutlichkeit aus dem eigenen Inneren heraus, und

wenn der Initiierte mit verschiedenen Menschen zusammentrifft, mit

denen er nicht karmisch verbunden ist, dann hört er von innen heraus

laut und deutlich sprechen. Er vernimmt die Worte des Angelos dieser

Menschen in seinem Inneren. Das gibt dem Initiierten in seinem Umgang

mit den Menschen einen gewissen Charakter. Er nimmt selber

etwas an, was der Angelos dem Menschen sagen will, den er kennenlernt:

er verwandelt sich in seinen Angelos. Dadurch wird dasjenige,

was zu den Menschen gesprochen werden kann, aus einem anderen

Grunde intimer, als es für das gewöhnliche Bewußtsein wird. Daher

kommt es auch, daß der Initiierte für jeden Menschen, der ihm zum

ersten Mal im Kosmos entgegentritt, im Grunde ein anderer ist, er ist

jeweils etwas von dem Angelos dieser Menschen. Darauf beruht die

Verwandlungsfähigkeit derjenigen Menschen, die mit der Kraft der

Initiation den anderen Menschen gegenübertreten. Jetzt haben ja die

Menschen wirklich nur eine sehr geringe Empfindungsfähigkeit für

solche Dinge. Aber es liegen die Jahrhunderte noch gar nicht so lange

hinter uns, da hatte die Menschheit noch viel mehr Empfindungsfähigkeit

dafür. Da konnte vorkommen, daß ein weiser Mensch einer Reihe

von anderen Menschen gegenüberstand, und jeder hat ihn anders beschrieben.

Geht man philiströs vor, dann wird man finden: Irgendeine

interessante Persönlichkeit ist von zwanzig Menschen beschrieben worden,

von jedem anders, also hat ihn keiner genau gesehen. Vielleicht

aber haben ihn alle zwanzig Menschen gesehen. Er hat sich für jeden

verwandelt, indem er sich in Beziehung setzte mit dem Angelos jedes

dieser Menschen. Sehen Sie, in dieser Beziehung herrscht wirklich ein

Abgrund zwischen demjenigen, was in der Gegenwart unter Menschen

Sitte und üblich ist, und demjenigen, was vor einer kurzen Vergangenheit

Sitte und üblich war. Man lernt heute viel, aber man lernt ganz

anders, als man es früher gelernt hat. Die höhere Schulung, vor verhältnismäßig

noch gar nicht so weit zurückliegender Zeit, gab Anweisung,

wie diejenigen, die als Priester oder Lehrer andere Menschen zu führen

und zu leiten hatten, die Fähigkeit erreichen konnten, sich mit dem

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 24 0 Seite: 70

Angelos eines Menschen zu verbinden. Die Menschen haben sogar die

Erinnerung daran vergessen. Die Engellehre war eine Wissenschaft für

diejenigen, die Führer der Menschheit werden wollten, damit sie die

Verwandlungsfähigkeit erlangten.

Noch ein anderes: Es wird Ihnen außerordentlich auffallen - und

ich habe ja darüber in meinem «Christentum als mystische Tatsache»

gesprochen -, wie die Biographien ausschauen, die erhalten sind von

alten Initiierten; es gleicht eine der anderen! Versuchen Sie es nur einmal,

die Initiierten-Biographien zu studieren, es gleicht eine der anderen,

denn die großen Initiierten haben in bezug auf ihr Seelenleben

ähnliche Biographien erlebt. Aber das sind nicht die Biographien, die

von Menschen geschrieben sind, denn die gleichen einander nicht. Wenn

alle diejenigen, die, sagen wir, den Zarathustra erlebt haben, eine Charakteristik

des Zarathustra geschrieben hätten, jeder hätte sie anders

geschrieben, weil Zarathustra sich jedem Menschen gegenüber verwandelte.

Dasjenige, was die Welt wissen sollte über die Initiierten, es war

eine von höheren Geistern inspirierte Biographie.

So kann man sagen: Derjenige, der mit der Kraft der Initiation

einem Menschen gegenübertritt, mit dem er karmisch verbunden ist,

nimmt dessen Vergangenheit als sein Eigenes wahr, er lernt sie kennen

durch das Geistig-Seelische der Mond Wesenheiten.

Derjenige, der mit der Kraft der Initiation einem Menschen gegenübertritt,

dem er zum ersten Mal im Kosmos begegnet, der bekommt die

Aufgabe, sich mit dessen Angelos zu verbinden. Da lernt er vieles von

der äußeren Welt kennen. Zwar sprechen die Angeloi im Inneren, und

wir sind ja eine Welt draußen. Man kann in Wirklichkeit andere Menschen

mit geistigen Kräften gar nicht tiefer kennenlernen, ohne ein

Heer von Engeln kennenzulernen. Es ist ganz unmöglich, wirkliche

Menschenerkenntnis zu erringen, ohne Engelkenntnis zu haben. Geradeso

wie ich sagen mußte, daß schon das gewöhnliche Feinfühlen, wenn es

mit Menschen zusammenkommt, die nicht karmisch verbunden sind,

die Umwelt kennenlernt, so lernt der Initiierte erst recht die eigentliche

Außenwelt, die Engelwelt kennen. Dadurch bekommt er Vermittler

für die höheren Hierarchien.

Man kann auch noch durch anderes darauf aufmerksam werden, wie

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 240 Seite: 71

man mit einem Menschen karmisch verbunden ist. Man trifft einen

Menschen im Leben, man trifft einen anderen. Man braucht nur aufmerksam

zu werden: Man kann einen Menschen treffen, mit ihm viel

zu tun haben, mit ihm arbeiten und so weiter, aber man kann nicht

träumen von ihm. Man kann nicht träumen von ihm, weil er nicht mit

unserem astralischen Leibe, sondern nur mit unserem Ich verbunden ist.

Andere Menschen trifft man, man hat sie nur flüchtig gesehen, und

sie folgen einem bis in die Träume nach, auch bis in die wachen Träume.

Es ist eine vom Inneren heraus geformte Darstellung, die mit dem

Äußern des Menschen gar nichts zu tun hat, weil man mit dem Menschen

karmisch verbunden ist. Man trifft einen Menschen, mit dem

man karmisch verbunden war, und man ist gleich genötigt, sich ein Bild

von diesem Menschen zu machen. Ist der Betreffende ein Maler, dann

könnte es vorkommen, daß er ein Bild von ihm malt, das ein philiströser

Mensch ganz unähnlich findet, während der Initiierte eine vorherige

Inkarnation des Menschen findet, den er gemalt hat. Man lernt wirklich

in den Tiefen seines Wesens, wenn auch im Unbewußten, den

anderen Menschen kennen, mit dem man karmisch verbunden ist.

Durch diejenigen Menschen, mit denen man nicht karmisch verbunden

war, die man zum ersten Mal im Leben trifft, lernt man die Menschheit

im allgemeinen kennen. Die Menschen verhalten sich auch danach.

Kommen Sie bei einem Five o'clock tea oder sonstigen ähnlichen Anlässen

mit Menschen zusammen, so versuchen Sie einmal hinzuhören

auf das Leben: Wenn ein Mensch einen anderen Menschen getroffen

hat, mit dem er karmisch verbunden ist, so sagt er nicht sehr viel über

die anderen Menschen, aber über diesen Menschen sagt er irgend etwas

Bedeutsames. Er weist auf irgend etwas Bedeutsames hin, besonders

dann, wenn er in solchen Dingen noch unbewußt ist. Merken Sie auf

das Leben: Sie kommen bei einem Fünf-Uhr-Tee mit irgend jemandem

in ein Gespräch, mit dem Sie nicht karmisch verbunden sind. Er interessiert

Sie doch nur äußerlich, er erzählt Ihnen so, als ob er der Repräsentant

der ganzen Five-o'clock-Teegesellschaft wäre. Das ist eine kurzweilige

Gesellschaft, man hört da viel von Weltangelegenheiten, von

Leuten, die große Politiker sind - Sie hören nur diesen einzigen Menschen,

und nach diesem Menschen beurteilen Sie die ganze Gesellschaft

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch:240 Seite: 72

vielleicht falsch. Man lernt das andere der Welt kennen durch Menschen,

mit denen man nicht karmisch verbunden ist. Ein Reisender, der

einmal um Mitternacht die Station Königsberg passiert hat und sich

dort einen Kaffee geben ließ, wurde von dem Kellner, den er gerufen

hatte und der rote Haare hatte und verschlafen war, furchtbar grob

angefahren. Darauf schrieb der betreffende Reisende in sein Tagebuch:

Die Königsberger haben rote Haare, sind verschlafen und grob. Nach

diesem mitternächtlichen Kellner, mit dem er nicht karmisch verbunden

war, beurteilte der betreffende Reisende die Königsberger.

Sehen Sie, durch solche Betrachtungen erwirbt man sich Lebenswerte,

kommt den Menschen näher, lernt auf eine andere Art, mit ihnen

verbunden zu sein. Man lernt aber nicht nur das Menschenleben kennen,

und das soll ja gerade das Wesentliche der Anthroposophie sein,

daß sie in das Leben wirklich eingreift, man lernt auch fühlen, empfinden

und kennen das kosmische Leben. Sonne und Mond verlieren alles

Abstrakte und werden zu etwas Wesenhaftem, auf das man hinschaut

im Kosmos und das zu dem kleinen Menschenschicksal hier auf der

Erde das entsprechende Große im Weltenall ist.

So ist Sonnenwirksamkeit mit der Mondenwirksamkeit in unserem

Leben vereint. Alles dasjenige, was uns vom Monde herunter scheint,

hängt zusammen mit unserer kosmischen Vergangenheit, und die Sonne

hängt zusammen mit unserer kosmischen Zukunft.

Auf diese lebenswichtige Seite der Anthroposophie, diese Seite, die

Lebenswerte liefert, wollte unsere Weihnachtstagung, die die Anthroposophische

Gesellschaft neu begründet hat, in besonderem Maße hinweisen.

Da sollte gesagt werden und ist gesagt worden, daß wiederum

Esoterik im wahren Sinne des Wortes unter uns leben soll. Daher sollte

diese Weihnachtstagung nicht etwa eine Festlichkeit sein, an der sich

eine Anzahl Anthroposophen getroffen haben, sie sollte fortdauern in

ihrer Wirksamkeit und in ihren Impulsen. Es wird die neue Einrichtung

eines Mitteilungsblattes geplant - sie ist schon da und die ersten drei

Nummern sind bereits erschienen. Ein Mitteilungsblatt zunächst über

die Vorgänge in der ganzen Anthroposophischen Gesellschaft, über das,

was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht. Sie muß in dieser

Weise etwas werden wie ein lebendig geistiger Organismus. Mir ist

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch:240 Seite: 73

immer wieder auf meinen Reisen entgegengetreten, daß zum Beispiel

die Leute in Den Haag gesagt haben: Ja, wir wissen ja nicht, was mit

den Leuten in Wien vorgeht, und wir gehören doch zu einer anthroposophischen

Gesellschaft! Wie viele könnte ich hier fragen, die mir

sagen könnten, was zum Beispiel im anthroposophischen Zweig in Leipzig

oder in Hamburg vorgeht? Aber das muß in Zukunft der Fall sein.

Es muß so weit gehen, daß derjenige, der Mitglied des Zweiges Neuseeland

ist, wirklich eine Vorstellung davon hat, was in Wien vorgeht. Es

werden die Mitglieder gut tun, dasjenige, was sie innerhalb und außerhalb

der Anthroposophischen Gesellschaft erleben, der Redaktion des

Mitteilungsblattes mitzuteilen. Das wird dann verarbeitet, und man

wird immer lesen, was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht.

Ich habe vor, in der Zukunft in jeder Nummer kleine, kurze Aphorismen

zu bringen, welche wichtige Lebensinhalte kurz zusammenfassen,

so daß man solche Aphorismen wird verwenden können in den Zweigen

oder bei anderen Gelegenheiten.

Durch alles das soll wirkliches Leben, pulsierendes Leben in die

Anthroposophische Gesellschaft hineinkommen. Das wollte unsere

Weihnachtstagung. Dessen sollte sich jedes einzelne Mitglied bewußt

werden. Und nur, weil das so sein soll und eigentlich so sein muß, wenn

Anthroposophie selbst in der richtigen Weise ihre Vergangenheit und

Zukunft haben soll, habe ich es unternommen, nachdem ich mich jahrelang

zurückgezogen hatte, Verwaltung und Vorsitz selbst zu übernehmen,

mit einem Vorstand, von dem ich weiß, daß er vom Goetheanum

aus fruchtbar arbeiten wird. Ich hätte wahrhaftig in meinem

Alter mir nicht vorgenommen, wiederum so zu tun, wie man als ganz

junger Kerl getan hat, wieder neu anzufangen, wenn nicht die absolute

Notwendigkeit dagewesen wäre. Zu gleicher Zeit möchte ich an jedes

Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft appellieren, mitzuhelfen,

daß diese Weihnachtstagung im Herzen unserer Mitglieder den

Grundstein des anthroposophischen Lebens legen möge und nicht aufhöre,

wirklich als ein Lebenskeim sich immer weiter und weiter zu entwickeln,

so daß ein immer regeres und regeres Leben in der Anthroposophischen

Gesellschaft eintritt. Dann wird die Anthroposophische

Gesellschaft auch hinauswirken in die Welt.


DRITTER VORTRAG Arnheim, 20. Juli 1924

#G240,1961,SE060 Esoterische Betrachtungen Karmischer Zusammenhänge, Bd. 6

#TI

DRITTER VORTRAG

Arnheim, 20. Juli 1924

Aus dem, was ich gestern über die Michael-Herrschaft im geisti­gen, kosmischen Zusammenhange auseinandergesetzt habe, konnten Sie ersehen, daß Michael eine besondere Stellung unter denjenigen geistigen Wesenheiten einnimmt, welche wir, nach der vor alten Zeiten schon innerhalb der christlichen Gemeinschaften entstande­nen Benennung, zuzählen den Archangeloi. Und zwar wird uns gerade für das, was uns in diesen Tagen wichtig ist, bedeutsam er­scheinen müssen, daß Michael in den Jahrhunderten vor der Be­gründung des Christentums durchaus noch von der Sonne, von der Region des Sonnenhaften aus seine Impulse auf die Erde schickte, seine, wenn ich mich so ausdrücken darf, kosmopolitischen Im­pulse; daß dann diese kosmopolitischen Impulse verlorengehen, daß die kosmische Intelligenz gewissermaßen Michael entsinkt und im achten nachchristlichen Jahrhundert in der Erdenregion an­kommt. So daß wir dann Menschen innerhalb der Erdenentwicke­lung finden, die Eigendenken haben, daß dann dieses Eigendenken auf die Weise gepflegt, pflegend erkämpft wurde für eine weitere Michael-Herrschaft, wie ich das gestern angeführt habe, indem einträchtig zusammenwirken die Weisen der Schule von Chartres mit denjenigen, die geradezu herstammen aus der alten Michael-Herr­schaft und dazu prädestiniert sind, das Prinzip der früher kosmi­schen, jetzt irdischen Intelligenz weiter fortzupflegen, bis im neun­zehnten Jahrhundert die Möglichkeit eingetreten ist, daß zunächst innerhalb der geistigen Welt durch jenen Kultus von Imaginatio­nen, den ich Ihnen beschrieben habe, dasjenige vorbereitet wird, was einstmals mit der anthroposophischen Bewegung gewollt wer­den soll. Seit dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts, insbesondere aber in unserer Zeit, stehen wir im Beginne der neuen Michael-Herrschaft; durch diese Michael-Herrschaft wird dasjenige vorbereitet, was noch in diesem Jahrhundert eintreten muß: nämlich

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daß eine größere Anzahl von Menschen - eben diejenigen, die zu einem wirklichen Verständnis des Anthroposophischen kommen - vor dem Ende des Jahrhunderts beschleunigt durchmachen die Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt und wieder auf der Erde vereinigt werden unter der Führung - jetzt sozusagen der beiden Arten von geistigen Wesenheiten - der Lehrer von Chartres und derjenigen, die unmittelbar mit der Michael-Herrschaft ver­einigt geblieben sind -, um unter der Führung dieser beiden Arten von geistigen Wesenheiten dann den letzten, wenn ich mich so ausdrücken darf, geheiligten Impuls zu geben für die weitere Ent­wickelüng des geistigen, des spirituellen Lebens auf der Erde.

Anthroposophie wird für diejenigen, die an ihr teilnehmen wol­len, nur dann eine wirkliche Bedeutung gewinnen können, wenn sie mit einem gewissen inneren heiligen Eifer sich bewußt werden, daß sie ja in einem solchen Zusammenhange drinnenstehen kön­nen, der so charakterisiert werden kann, wie das gestern geschehen ist. Das wird inneren Enthusiasmus geben, das wird aber auch Kraft geben. Das wird wissen lassen, daß man hinarbeiten soll, immer mehr und mehr Fortsetzer desjenigen zu werden, was einstmals in den alten Mysterien gelebt hat.

Ein solches Bewußtsein muß aber nach allen Seiten hin vertieft werden. Und es kann vertieft werden. Denn im Sinne des gestern Auseinandergesetzten blicken wir zurück auf diejenige Zeit, wo Michael im geistigen Sonnenbereich vereint war mit einer Anzahl von überirdischen Wesenheiten, wo er von diesem geistigen Son­nenbereiche aus solche Zeichen auf die Erde heruntergeschickt hat, daß sie auf der einen Seite zu den Alexandertaten, auf der anderen Seite zur aristotelischen Philosophie begeistern konnten; daß sie sozusagen die letzte Phase von inspirierter, von spiritueller Intelli­genz auf der Erde bewirken konnten; daß dann mit denjenigen Menschenseelen zusammen, die sozusagen in seinem Auftrage sol­ches auf der Erde ausgeführt haben, Michael mit seinen geistigen Scharen und mit den Scharen jener Menschenseelen zusammen, die um solche führenden Menschenseelen herum waren, von der Sonne aus das Mysterium von Golgatha beobachtet hat. Und man kann

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sich schon durchdringen mit etwas, das in der Seele wirkt, wenn man sich den Moment vor Augen stellt, wo Michael mit einer An­zahl von Engeln, Erzengeln und Menschenseelen den Christus fort­ziehen sieht von der Sonne, um in das körperliche Gehäuse eines Menschen einzutreten und sich durch das, was er im Menschenleibe auf der Erde erleben kann, mit der Fortentwickelung der Menschheit auf der Erde zu verbinden. Das war aber zugleich für Michael das Zeichen, daß nunmehr die von ihin bis dahin bewahrte himmlische Intelligenz auf die Erde gewissermaßen als ein heiliger Regen herunterströmen müsse, nach und nach der Sonne entsinken müsse. Und im achten nachchristlichen Jahrhundert war es ja so, daß diejenigen, die um Michael waren, sahen, wie das Substantielle, das Michael bis dahin bewahrte, nunmehr unten auf der Erde ist.

Nun handelt es sich darum, daß im vollen Einklange mit der Michael-Herrschaft alles dasjenige geschah, was durch die Meister von Chartres, aber auch alles, was durch die dazu Auserwählten aus dem Dominikaner-Orden in die Welt kam: so daß, kurz gesagt, diejenige Entwickelung der Menschheit herbeigeführt wurde, die vom Beginne des fünfzehnten Jahrhunderts aus die Bewußtseins­seelenentwickelung in der Menschheit inaugurieren konnte, jene Entwickelung, in der wir jetzt drinnen stehen. Denn ungefähr im ersten Drittel der vorangehenden Entwickelung, das heißt im ersten Drittel des Zeitalters der Entwickelung der Verstandes- oder Ge­mütsseele, haben wir ja die Ausbreitung der überirdischen Intelli­genz über Asien, Afrika und einen Teil von Europa durch den Alexandrinismus. Nun tritt aber eine besondere Zeit ein, eine Zeit, welche uns Michael, den hervorragendsten Erzengelgeist der Sonne, innerhalb dieser Sonne so zeigt, daß er seine Verwaltung der kos­mischen Intelligenz von der Sonne fortgegangen weiß; daß er weiß: auch die Angelegenheiten sind geordnet, welche die weitere Ent­wickelung dieser Intelligenz auf der Erde fortführen können. Diese Zeit tritt etwa im sechzehnten, siebzehnten nachchristlichen Jahr­hundert ein. Da ist sozusagen Michael frei von seinen früheren Obliegenheiten im Kosmos. Die irdischen Entwickelungen verwal­tet, auf die Art, wie ich es gestern beschrieben habe, Gabriel.

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Michael ist jetzt in einer besonderen Lage. Wenn sonst ein Erz­engel nicht gerade der regierende Fürst der irdischen Angelegen­heiten ist, so läßt er seine Impulse dennoch in das einfließen, was die anderen tun. Denn fortwährend fließen von allen sieben auf­einander folgenden Erzengel-Herrschaften die Impulse ein; einer ist nur immer der vorzüglichste. Wenn also zum Beispiel Gabriel in früheren Epochen der Menschheitsentwickelung der führende Geist war, so floß von ihm vorzugsweise das, was er zu regieren hatte, in die irdische Entwickelung ein; aber die anderen Erzengel wirkten mit. Jetzt aber, da Gabriel seine Herrschaft ausübte, war Michael in der besonderen Lage, von der Sonne aus bei den irdi­schen Angelegenheiten nicht mitwirken zu können. Das ist für einen führenden Erzengel eine ganz besondere Lage: zu sehen, daß seine Tätigkeit, die durch lange Zeiträume hindurch ausgeübt wor­den ist, sozusagen aufgehört hat. Und so kam es, daß Michael zu den Seinigen sagte: Es ist notwendig, daß wir für die Zeit, in der wir nicht Impulse auf die Erde schicken können - für die Zeit, die mit dem Jahre 1879 etwa endet -, uns eine besondere Aufgabe suchen; eine Aufgabe suchen innerhalb der Sonnenregion. - Es sollte für diejenigen Seelen, die ihr Karma in die anthroposophische Bewegung hineingeführt hat, die Möglichkeit vorhanden sein, in der Sonnenregion auf dasjenige hinblicken zu können, was Michael und die Seinen in der Zeit taten, die auf Erden die Zeit der Gabriel-Herrschaft war.

Das war etwas, was sozusagen herausfiel aus all den sonstigen, regelmäßig fortgehenden Taten unter Göttern und Menschen. Die mit Michael verbundenen Seelen - die führenden Menschenseelen der Alexanderzeit, diejenigen der großen Dominikanerzeit und die, welche sich als weniger führende um sie geschart hatten, und eine große Anzahl von strebenden, sich entwickelnden Menschen im Verein mit führenden Geistern -, sie fühlten sich wie herausgeris­sen aus dem althergebrachten Zusammenhange mit der geistigen Welt. Da wurde von den Menschenseelen, die prädestiniert waren, Anthroposophen zu werden, im Übersinnlichen etwas erlebt, was früher niemals in den überirdischen Regionen von Menschenseelen

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zwischen Tod und neuer Geburt erlebt worden ist. Früher wurde eben erlebt, daß in der Zeit zwischen Tod und neuer Geburt von den Menschenseelen im Verein mit führenden geistigen Wesen­heiten das Karma für die künftige Erdenexistenz ausgearbeitet wor­den ist. Aber so ausgearbeitet wurde früher kein Karma, wie jetzt das Karma derjenigen, die durch die angegebenen Dinge präde­stiniert waren, Anthroposophen zu werden. Niemals arbeitete man in der Sonnenregion früher zwischen Tod und neuer Geburt so, wie jetzt unter der von Erdenangelegenheiten frei gewordenen Herr­schaft des Michael gearbeitet werden konnte.

Da geschah dann etwas, was in den übersinnlichen Regionen damals Ereignis war, etwas, was heute im tiefsten Herzensinneren der meisten Anthroposophen, wenn auch unbewußt, schlafend, träumerisch ruht. Und der Anthroposoph kann recht tun, wenn er, an sein Herz greifend, sich sagt: Da drinnen ist ein mir heute viel­leicht unbewußtes Geheimnis, das ein Abglanz ist der Michael-Taten aus dem sechzehnten, siebzehnten, achtzehnten Jahrhundert in den überirdischen Regionen, wo ich vor meinem jetzigen Ab-stieg in die Erdenregion unter Michael gearbeitet habe, der etwas Besonderes arbeiten konnte, weil er sozusagen von seinen fort-fließenden Aufgaben frei geworden war. Und Michael versam­melte seine Scharen, versammelte diejenigen, die als übersinnliche Wesen zu ihm gehörten aus der Region der Angeloi und Archan­geloi, er versammelte aber auch die Menschenseelen, die in irgend­eine Verbindung mit ihm gekommen waren. Und es entstand so etwas wie eine gewaltig sich ausbreitende übersinnliche Schule. Wie im Beginne des dreizehnten Jahrhunderts von denjenigen, die als Platoniker und Aristoteliker zusammenwirken konnten, sozusagen eine Art himmlischen Konzils stattgefunden hat, so fand jetzt un­mittelbar unter der Führung Michaels vom fühfzehnten bis ins achtzehnte Jahrhundert herein eine übersinnliche Schulung statt, als deren großen Lehrer die Weltenordnung Michael selber aus-erwählt hat. Demjenigen also, was ich Ihnen erzählt habe von der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, von jenem in mäch­tigen Imaginationen verfließenden übersinnlichen Kultus, ging voran

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eine übersinnliche Schulung für zahlreiche Menschenseelen, eine Schulung, deren Resultate diese Menschenseelen jetzt in ihrem Inneren tragen, unbewußt. Das Resultat dieser Schulung kommt nur dadurch heraus, daß diese Menschenseelen den Drang zur Anthroposophie verspüren. Dieser Drang zur Anthroposophie ist das Resultat dieser Schulung. Und man kann sagen: Einstmals, am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, versammelte Michael seine Götter- und Menschenscharen in der Sonnenregion und sprach zu ihnen in einer Rede, die über lange Zeiträume ausgedehnt war, etwa folgendermaßen:

Seitdem das Menschengeschlecht in menschlicher Gestalt die Erde bevölkert, hat es auf der Erde Mysterien gegeben: Sonnen-Mysterien, Merkur-Mysterien, Venus-Mysterien, Mars-Mysterien, Jupiter-Mysterien, Saturn-Mysterien. In diese Mysterien haben die Götter ihre Geheimnisse hineingesendet; dort sind dazu geeignete Menschen eingeweiht worden. So daß man auf der Erde wissen konnte, was auf Saturn, Jupiter, Mars und so weiter vor sich geht und wie dieses, was dort vor sich geht, in die Menschheitsentwicke­lung auf der Erde hineinwirkt. Eingeweihte, Initiierte, die in den Mysterien mit den Göttern verkehrten, hat es immer gegeben. In instinktiver alter hellseherischer Weise haben die Initiierten das aufgenommen, was in den Mysterien durch Impulse an sie heran­gekommen ist. Das ist - so sagte Michael zu den Seinen - bis auf wenige Traditionen hin auf der Erde verschwunden; das ist nicht mehr da. Die Impulse können nicht mehr in die Erde hineinfließen. Einzig und allein in der untergeordnetsten Region, in der Fortpflan­zungsregion, hat noch Gabriel die Macht, die Mondeneiriflüsse in die Entwickelung der Menschheit hineinkommen zu lassen. Mehr oder weniger sind die alten Traditionen von der Erde verschwun­den und damit die Möglichkeit, die ins Unterbewußtsein und damit in die verschiedenen Leiblichkeiten der Menschen hineingehenden Impulse zu pflegen. Wir aber schauen nunmehr zurück auf alles das, was einstmals wie eine Gabe des Himmels in den Mysterien an Menschen herangebracht worden ist, wir überblicken einmal dieses wunderbare Tableau, wir schauen in den Zeitenlauf hinunter: Wir

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finden da die Mysterienstätten, wir sehen, wie die himmlische Weis­heit in diese Mysterien hineingeströmt ist, wie Menschen von ihr initiiert worden sind, wie gerade von unserer geweihten Sonnenstätte aus die kosmische Intelligenz über die Menschen so herunter­gekommen ist, daß die großen Lehrer der Menschheit Ideen, Ge­danken, Begriffe gehabt haben, die spirituell waren, die ihnen aber eininspiriert waren von unserer geweihten Sonnenstätte aus. Das ist von der Erde verschwunden. Wir sehen es, indem wir auf alte Epo­chen der Erde zurückschauen, wir sehen es nach und nach von der Erdenentwickelung verschwinden in der Alexanderzeit und ihrer Nachwirkung, und unten sehen wir, unter den Menschen, allmäh­lich die irdisch gewordene Intelligenz sich ausbreiten. Aber wir haben ja diesen Anblick, der uns geblieben ist: wir schauen hin auf die Geheimnisse, in die einstmals die Initiierten der Mysterien ein­geweiht worden sind. Bringen wir sie uns zum Bewußtsein! Brin­gen wir es denjenigen geistigen Wesenheiten, die um mich herum niemals in einem Erdenleibe erscheinen, sondern nur in ätherischer Art leben, zum Bewußtsein. Bringen wir es aber auch denjenigen Seelen, die in Erdenleibern oftmals auf der Erde waren, jetzt aber gerade da sind und zur Michael-Gemeinschaft gehören, bringen wir es diesen Menschenseelen zum Bewußtsein. Entwerfen wir die große Initiaten-Lehre, die einstmals auf die alte Art auf die Erde durch die Mysterien niedergeströmt ist, - entwerfen wir sie vor den Seelen derjenigen, die auf intelligente Art mit Michael verbunden waren.

Und da wurde «durchgenommen» - wenn ich mich eines irdi­schen, in einem solchen Zusammenhange fast trivial klingenden Ausdruckes bedienen darf -, da wurde durchgenommen die alte Initiationsweisheit. Eine große, umfassende himmlische Schule gab es. In ihr wurde von Michael das gelehrt, was er jetzt nicht mehr selbst verwalten konnte. Es war etwas Ungeheueres, etwas, was die ahrimanischen Dämonen auf der Erde, gerade im fünfzehnten, sech­zehnten, siebzehnten bis ins achtzehnte Jahrhundert herein, in allertiefster Weise beunruhigte, was sie in furchtbare Erregung brachte, so daß sich etwas Merkwürdiges abspielte. Das spielte sich ab, was

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einen polarischen Gegensatz zwischen himmlischen Taten in dieser Zeit und irdischen Taten in dieser Zeit zeitigte: Oben in der gei­stigen Welt eine hohe Schule, die auf eine neue Art im Übersinn­lichen zusammenfaßt die alte Initiatenweisheit, die den zunächst dazu prädestinierten Menschenseelen zwischen Tod und neuer Ge­burt ins intelligente Bewußtsein, in die Bewußtseinsseele das herauf-hob, was früher in alten Zeiten in der Verstandes- oder Gemütsseele, in der Empfindungsseele und so weiter Weisheitseigentum der Menschen war. Auf die Art, wie im inneren Worte, das ja in vieler Beziehung zugleich hart ist, gesprochen werden kann, setzte Michael den Seinen auseinander die Weltenzusammenhänge, die kosmischen Zusammenhänge, die anthroposophischen Zusammen­hänge. Diese Seelen bekamen eine Lehre, welche die Weltengeheimnisse enthüllte. Unten auf der Erde wirkten die ahrimani­schen Geister. Und es ist notwendig, an dieser Stelle in ganz un­verhohlener Weise auf ein Wahrheitsgeheirnnis hinzudeuten, das ganz gewiß, äußerlich angesehen, gegenüber der gegenwärtigen Zivilisation sich etwas deplaciert ausnimmt, das aber doch ein gött­liches Geheimnis ist, das die Anthroposophen wissen müssen, um die Zivilisation in der rechten Art, so wie ich es angedeutet habe, gegen das Ende des zwanzigsten Jahrhunderts hinzuführen.

Während Michael oben seine Scharen schulte, wurde eine Art unterirdischer, unmittelbar unter der Oberfläche der Erde liegender ahrimanischer Schule gegründet. Daher kann man davon sprechen, daß im Überirdischen die Michael-Schule ist; unmittelbar in der Region, auf der wir stehen - denn auch im Unterirdischen ist Gei­stiges tätig und wirksam -, wurde die ahrimanische Gegenschule begründet. Und wenn von Michael jetzt gerade in dieser Zeit keine Impulse herunterströmten, um die Intelligenz himmlisch zu inspi­rieren, wenn die Intelligenz auf der Erde sich zunächst selbst über­lassen war, so bemühten sich um so mehr die ahrirnanischen Scha­ren, von unten herauf Impulse in die intelligente Menschheits­entwickelung hineinzusenden. Es ist ein gewaltiges Bild, das einem da vor Augen stehen kann. Man stelle sich vor: die Erdoberfläche, oben Michael, seine Scharen belehrend, ihnen mit großen gewaltigen

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Weltenworten das enthüllend, was die alte Initiatenweisheit war; dem gegenüberstehend die ahrirnanische Schule in den Unter­gründen der Erde. Auf der Erde sich entwickelnd die vom Himmel herabgefallene Intelligenz; Michael zunächst gegenüber dem Irdi­schen in himmlischer Einsamkeit Schule haltend - keine Strömun­gen gehen von oben nach unten -, die ahrimanischen Mächte um so mehr ihre Impulse nach oben sendend.

Es hat immerhin auf der Erde verkörperte Seelen gegeben, die in den angedeuteten Jahrhunderten das Unheimliche dieser Lage ge­spürt haben. Wer die Geistesgeschichte, namentlich Europas, aus dieser Zeit kennt, der findet überall die merkwürdige Tatsache, daß da und dort manchmal ganz einfache Menschen leben, welche das Unheimliche dieser Lage verspüren: dieses Verlassensein der Menschheit von der Michael-Herrschaft und diese von unten mit dämonischen geistigen Dünsten aufsteigenden Impulse, welche die Intelligenz erobern wollen.

Es ist merkwürdig, wie eng mit dem Menschen verbunden, wenn alles daraus Entsprießende gut werden soll, die Offenbarungen des Weisheitslebens sein müssen. Das ist eben das Wahrheitsgeheimnis, das hier berührt werden muß. Denn derjenige, der die Michael-Weisheit zu verkündigen hat, der fühlt in einer gewissen Bezie­hung, daß er an seiner rechten Stelle steht, wenn er ringt, den Aus­druck, die Wortformulierung zu finden für das, was Michaels Weis­heit ist. Er fühlt sich sogar noch an der rechten Stelle stehend, wenn er, von seinen Händen ausgehend, diese Michael-Weisheit niederschreibt; denn da fließt das, was vom Spirituellen her mit dem Menschen verbunden ist, sozusagen in die Form des Geschrie­benen hinein, in das, was er tut. Aber trotzdem es ertragen werden muß, trotzdem es in unsere Zeit gehört, ist ein unheimliches Gefühl damit verbunden, wenn man das, was Michael-Weisheit ist, was man gerne noch aufschreibt und als zu Lesendes meinetwillen den Leuten mitteilt, wenn man das auf mechanische Art vervielfältigt sieht in gedruckten Büchern. Dieses unheimliche Gefühl gegenüber dem gedruckten Buche ist durchaus bei demjenigen vorhanden, der mit dem, was er zu verkündigen hat, im Geistesleben drinnen steht.

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Ich bin im Anschlusse an den gestrigen Vortrag von jemandem gefragt worden, ob denn nicht - worauf etwas schon Swedenborg hingedeutet hat - der Buchstabe der letzte Ausfluß des geistigen Lebens ist. Das ist er! Er ist es so lange, als er im kontinuierlichen Fortgange durch einen Menschen aus dem Geistigen fließt. Er wird ahrimanische geistige Macht, wenn er durch das Mechanische fixiert wird, gewissermaßen von der anderen Seite der Welt aus fixiert wird, wenn er als gedruckter Buchstabe vor die Augen der Men­schen tritt. Denn das ist ja das Eigentümliche, daß es jene ahrima­nische Schule ist, die als Gegenschule der Michael-Schule begrün­det worden ist und im fünfzehnten, sechzehnten, siebzehnten, acht­zehnten Jahrhundert gewirkt hat, die in Europa die Buchdruckerkunst heraufgebracht hat, mit allem Gefolge der Buchdruckerkunst. Aus der Buchdruckerkunst können die dämonischen Gewalten auf­sprießen, die gerade dazu geeignet sind, Michaels Herrschaft zu bekämpfen.

Man muß das, was real ist im Leben, in seiner wirklichen Bedeu­tung durchschauen, wenn man Anthroposoph ist. Man muß in der Druckkunst zwar eine geistige Macht sehen, aber eben die geistige Macht, die von Ahriman dem Michael entgegengestellt worden ist. Daher diese fortdauernde Mahnung Michaels an diejenigen, die er nun in seiner Schule dazumal unterrichtete, die fortdauernde Mah­nung: Wenn ihr wieder auf die Erde herunterkommt, um das aus­zuführen, was hier veranlagt ist, dann sammelt die Menschen um euch, verkündigt das Wichtigste von Mund zu Ohr und seht nicht das Wichtigste darin, daß nur durch das gedruckte Buch in der Welt «literarisch» gewirkt werde. - Daher ist die intimere Art, von Mensch zu Mensch zu wirken, diejenige, die vorzugsweise in der Richtung des Wirkens Michaels ist. Und wenn wir uns, statt bloß durch Bücher zu wirken, vereinigen und die wichtigsten Impulse menschlich-persönlich aufnehmen und - weil es so sein muß, weil sonst wieder Ahriman eine ungeheure Herrschaft bekommen würde, wenn wir uns seiner Kunst nicht auch bemächtigten - das andere dann nur benützen, um gewissermaßen «Gedächtnishilfen» zu haben, um das zu haben, was mit dem ahrimanischen Zeitgeist

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rechnet: pflegen wir dies in solcher Weise, daß wir nicht etwa das gedruckte Buch ausmerzen, aber ihm das richtige Verhältnis geben zu dem, was unmittelbar menschlich wirkt, dann inaugurieren wir das, was zunächst imponderabel als Michael-Strömung durch die Anthroposophische Gesellschaft fließen soll. Denn nicht richtig wäre es, von so etwas ausgehend, wie ich es jetzt dargestellt habe, nun etwa zu sagen: Also schaffen wir die anthroposophischen Bü­cher ab! Dadurch würden wir gerade die Druckkunst an die stärk­sten Feinde der Michael-Weisheit ausliefern; da würden wir die Fortsetzung unserer anthroposophischen Arbeit, die ja gerade bis zum Ende des Jahrhunderts hin gedeihen soll, unmöglich machen. Aber wir müssen durch heilige Gesinnung gegenüber dem, was da in der Michael-Weisheit lebt, die Druckkunst adeln! Denn was will Ahriman gegenüber dem Michael durch die Druckkunst? Er will - Sie sehen es heute überall aufsprießen - die Eroberung der Intel­ligenz, jene Eroberung der Intelligenz, welche überall dort be­sonders eingreifen will, wo die Verhältnisse dazu günstig sind. Worinnen besteht denn das hauptsächlichste Wirken der ahri­manischen Geister in ihrer Bekämpfung des kommenden Mi­chael-Zeitalters? Das Wirksame besteht darin, daß diese ahri­manischen Geister in Zeiten, wo die Bewußtseine der Menschen heruntergedämpft sind, gewissermaßen die Menschen von sich «be­sessen» machen, daß sie eingreifen in die menschlichen Bewußtseine. So sind ja viele Menschen, die 1914 herabgedämmerte Be­wußtseine hatten, hineinverflochten gewesen in die Entstehung des furchtbaren Weltkrieges. Und in ihren gedämpften Bewußtseinen haben den Weltkrieg die Scharen des Ahriman gemacht - durch die Menschen. Und man wird die Ursachen dieses Krieges nicht auf äußerliche dokumentarische Weise aus den Archiven je ent­hüllen; sondern man muß hineinschauen in die Geschichte und muß sehen: da war eine maßgebende Persönlichkeit, dort war wie­der eine, dort wieder eine andere, die ihr Bewußtsein heruntergedämpft hatten. Das war die Gelegenheit, daß Ahriman die Men­schen von sich besessen machte. Und wenn man wissen will, wie leicht es geschehen kann, daß in unserem Zeitalter die Menschen

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von Ahriman besessen werden können, dann braucht man nur an so etwas zu denken, wie es sich zutrug, als die Europäer nach Ame­rika kamen mit den gedruckten Werken, die sie mitgebracht hatten, zu der Zeit, als es im Osten von Nordamerika noch Indianer gab. Als die Indianer bei den Europäern diese merkwürdigen Schriftzeichen sahen, da haben sie sie angesehen als kleine Dämonen. Sie hatten den richtigen Blick dafür; sie fürchteten sich außerordent­lich vor all diesen kleinen Dämonen a, b und so weiter, wie sie in den gedruckten Buchstaben ausschauen. Denn in diesen, in der verschiedensten Weise reproduzierten Buchstaben liegt für die heu­tigen Menschen etwas Faszinierendes; und nur die gute Michael-Gesinnung, die das Menschliche in der Weisheitverkündigung schauen kann, die kann über dieses Faszinierende hinausführen.

Aber es kann auf diesem Wege Arges geschehen. Ich möchte Ihnen da das Folgende sagen. Es gibt ja gewisse Geheimnisse der Weltenanschauung, die nur zu durchschauen sind, wenn man ein ziemlich hohes Alter erreicht hat. Die einzelnen Lebensalter lassen den Menschen, wenn man im Besitze der Initiationswissenschaft ist, hinschauen auf die einzelnen Geheimnisse des Daseins. So kann man zwischen dem einundzwanzigsten und zweiundvierzigsten Le­bensjahre hineinschauen in die Sonnenverhältnisse - vorher nicht. So kann man zwischen dem zweiundvierzigsten und neunundvier­zigsten Jahre in die Marsgeheimnisse hineinschauen; so zwischen dem neunundvierzigsten und sechsundfünfzigsten Jahre in die Jupitergeheimnisse. Will man aber die Weltengeheimnisse im Zu­sammenhange schauen, dann muß man das dreiundsechzigste Le­bensjahr überschritten haben. Daher würde ich gewisse Dinge, die ich jetzt unverhohlen ausspreche, vorher nicht haben sagen können, bevor ich eben in dieser Lage war. Denn will man das durch­schauen, was sich gerade auf die Michael-Geheimnisse bezieht, was ja von der geistigen Region der Sonne aus wirkt, dann muß man von der Erde aus in die Weltengeheimnisse hinaufschauen durch die Saturn-Weisheit. Dann muß man jene Dämmerung in der geistigen Welt verspüren können, in ihr leben können, die von dem den Saturn beherrschenden Oriphiel herrührt, der zur Zeit des

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Mysteriums von Golgatha der führende Erzengel war und der wie­der der führende Erzengel sein wird, nachdem die Michael-Zeit abgelaufen sein wird.

Dann enthüllen sich aber für die heutige Zeit erschütternde Wahrheiten, ganz erschütternde Wahrheiten! Denn dadurch, daß durch diese ahrimanische Gegenschule zur Schule des Michael die Druckkunst sich auf der Erde verbreitet hat, ist ja auf der Erde auf­getreten die «Schriftstellerei» im weiteren Umfange. Wer war denn früher Schriftsteller, als man noch nicht druckte? Solche waren es, die eigentlich nur im engsten Kreise ihre Schriften verbreiten konn­ten, in Kreisen, die übrigens dazu vorbereitet waren. Denn in wie viele Hände kam denn ein Buch, bevor die Druckkunst verbreitet war? Wie es damit eigentlich ist, das kann man so recht ermessen, wenn man folgendes bedenkt: Eine Art Surrogat der Druckkunst, bis zu einer hohen Vollkommenheit gediehen, war ja schon in der alten chinesischen Kultur vorhanden. Da gab es schon eine Art Druckkunst, auch zu einer Zeit begründet, in der eine Michael-Herrschaft oben war und unten eine ahrimanische Gegenherrschaft. Aber es ist zu nichts Besonderem gekommen; Ahriman war dazu­mal noch nicht mächtig. Er konnte noch nicht besondere Versuche machen, um dem Michael wirklich die Herrschaft über die Intelli­genz abzukämpfen. Es wurde dieser Versuch ja erneuert zur Alex­anderzeit, aber da gelang er wieder nicht.

Nun hat aber der Ahrimanismus in der Druckkunst der neueren Zeit seine große Bedeutung gehabt. Das Schriftstellertum ist sozu­sagen populär geworden. Und eins ist möglich geworden, eines, das ebenso wunderbar, glänzend und blendend ist, wie es auf der anderen Seite zwar aufgenommen werden muß im vollen Gleichmaß der Seelenkräfte, aber doch in seiner richtigen Bedeutung gewürdigt werden muß. Erste Versuche sind da, die aus der Region des Michael heraus bezeichnet werden können als: es ist Ahriman als Schrift­steller aufgetreten! In Michael-Kreisen bildet es heute ein bedeut­sames Ereignis. Ahriman als Schriftsteller! Nicht nur, daß Men­schen von ihm besessen worden sind, wie ich es angedeutet habe für den Kriegsausbruch, sondern Ahriman ist, indem er sich durch

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Menschenseelen auf der Erde kundgab, selber als Schriftsteller aufgetreten. Daß er ein glänzender Schriftsteller ist, braucht nicht wei­ter zu verwundern; denn Ahriman ist ein großer, ein umfassender, ein gewaltiger Geist. Er ist nur eben derjenige Geist, der nicht zur Fortentwickelung der Menschheit auf der Erde im Sinne der guten Götter geeignet ist, sondern zu ihrer Bekämpfung. Auf seinem Ge­biete ist er eine nicht nur durchaus brauchbare, sondern wohltätige Macht; denn diejenigen Wesenheiten, die auf einem Niveau des Weltgeschehens wohltätig sind, die sind auf einem anderen außer­ordentlich schädlich. Deshalb braucht nicht vorausgesetzt zu wer­den, wenn man die Werke Ahrimans charakterisieren will, daß diese Werke besonders abzukanzeln wären. Man kann sie sogar, wenn man sich dessen bewußt ist, was da vorliegt, bewundern. Aber man muß eben den ahrimanischen Charakter erkennen!

Michael lehrt dies heute erkennen, wenn man auf ihn hinhören will. Denn die Michael-Schulung hat nachgewirkt, und man kann heute noch an sie herankommen. Dann lehrt sie, wie Ahriman als Schriftsteller zunächst einmal die Versuche gemacht hat, erste Ver­suche tief erschütternden, tragischen Charakters, die natürlich auf­getreten sind durch einen Menschen: «Der Antichrist» von Nietzsche, «Ecce homo», die Selbstbiographie Nietzsches, und alles das, was Notizen sind im «Willen zur Macht» - die glänzendsten Kapitel modernen Schriftstellertums, mit ihrem oftmals so teuf­lischen Inhalt! Ahriman hat sie geschrieben, seine Herrschaft über das ausübend, was in Buchstaben auf Erden durch die Druckkunst seiner Herrschaft unterworfen werden kann. Es hat Ahrirnan be­reits so begonnen, als Schriftsteller aufzutreten, und er wird seine Arbeit fortsetzen. Und notwendig ist es in der Zukunft auf der Erde, Wachsamkeit haben zu können, damit man nicht alles, was einem in der Schriftstellerei entgegentritt, als gleichartig hinnimmt. Men­schenwerke werden herauskommen, aber wissen müssen einzelne Menschen, daß einer sich schult, um einer der glänzendsten Schrift­steller in der nächsten Zukunft zu werden: Ahriman! Menschenhände werden die Werke schreiben, aber Ahriman wird der Schrift­steller sein. Wie einstmals die alten Evangelisten inspiriert waren

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und die Werke ihrer übersinnlichen Wesenheiten, die sie begeisterten, niedergeschrieben haben, so werden Ahrimans Werke von Men­schen geschrieben werden.

Und zweierlei wird es in der ferneren Entwickelungsgeschichte der Menschheit geben. Da wird die Bemühung sein müssen, das­jenige, was einstmals von Michael den prädestinierten Seelen in überirdischen Schulen gelehrt worden ist, fortzupflanzen in der irdi­schen Region, soweit es möglich sein kann, in der Anthroposo­phischen Gesellschaft andächtig in diesen Kenntnissen zu sein, und die, welche in den folgenden Inkarnationen nachkommen werden, darin zu unterrichten, bis das Ende des zwanzigsten Jahrhunderts da sein wird. Dann werden manche von denen, die diese Dinge heute zum ersten Mal erfahren, wieder zur Erde niedersteigen, was also bald sein wird. Auf der Erde aber wird mittlerweile vieles er­scheinen, zahlreiches, was von Ahrirnan geschrieben sein wird. - Die eine Aufgabe der Anthroposophen wird sein: treulich die Michael-Weisheit zu pflegen, mit wohlmütigen Herzen zur Michael-Weisheit zu stehen und die erste Durchdringung der irdischen In­telligenz mit dem geistigen Michael-Schwert darin zu sehen, daß nun dieses geistige Michael-Schwert gehandhabt wird von den Her­zen, in welche die Michael-Weisheit eingezogen ist, so, daß das Michael-Bild wie ein die einzelnen Anthroposophen begeisterndes Bild in einer neuen Gestalt erscheint: dastehend Michael in den Herzen der Menschen, unter seinen Füßen das, was ahrimanische Schriftstellerei sein wird. Es wird nicht jener äußeren Malerei be­dürfen, die in der Dominikanerzeit oftmals das Bild fixiert hat: Oben die scholastischen Dominikaner mit ihren Büchern dastehend, unten die heidnische Weisheit, dargestellt durch Averroës, Avicenna und so weiter, die zu ihren Füßen zertreten werden - man sieht diese Bilder überall da, wo die Bekämpfung des Heidentums durch die christliche Scholastik im Bilde veranschaulicht werden sollte -, aber im Geiste wird man dieses Bild haben müssen: Ergebenheit gegenüber dem in die Welt hereinziehenden, auf der Erde die Intel­ligenz ergreifenden Michael, und Wachsamkeit - so daß man sich über sie erheben kann - gegenüber der glänzenden, blendenden,

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durch das ganze zwanzigste Jahrhundert hindurch wirkenden Ar­beit von Ahriman als Schriftsteller. Er wird an den sonderbarsten Stellen seine Werke schreiben, sie werden aber dasein, diese Werke, und seine Schüler bildet er sich heraus. Es erscheint gar manches schon in unserer Zeit, was zunächst die unterbewußten Seelen heranbildet, damit sie schnell sich wieder verkörpern und Werk­zeuge werden können für Ahriman als Schriftsteller. Auf allen Gebieten wird er schreiben: Schreiben wird er in der Philosophie, schreiben wird er in der Poesie, schreiben wird er auf dem Gebiete der Dramatik und der Epik; schreiben wird er auf dem Gebiete der Medizin, der Jurisprudenz, der Soziologie! Auf allen Gebieten wird Ahriman schreiben!

Das wird die Situation sein, welcher die Menschheit wird ent­gegenzuleben haben mit dem Ende des Jahrhunderts. Und diejeni­gen, die heute noch jünger sind, werden manches sehen von dem, wie Ahriman als Schriftsteller auftritt. Auf allen Gebieten wird Wachsamkeit gebraucht werden und heiliger Enthusiasmus für die Michael-Weisheit.

Meine lieben Freunde, können wir uns mit so etwas durchdrin­gen, können wir in der Lage sein, im geistigen Leben uns so drin­nenstehend zu fühlen, wie es im Sinne dieser Andeutungen liegt, dann werden wir uns als rechte Anthroposophen in die gegenwär­tige Zivilisation hineinstellen. Dann werden wir vielleicht doch immer mehr und mehr verspüren, daß eben ein neuer Zug von der Weihnachtstagung am Goetheanum ausgeht, daß im Grunde ge­nommen der Anthroposophischen Gesellschaft jetzt erst dasjenige vorgehalten wird, worin sie sich wie in einem «Weltenspiegel» selber sehen kann, und daß auch der einzelne mit seinem ihn in die Anthroposophische Gesellschaft hineinführenden Karma sich gespiegelt sehen kann.

Das ist das, was ich Ihnen zunächst habe durch diese Vorträge ans Herz legen wollen. Denn zu den Herzen soll vorzugsweise gesprochen werden. Die Herzen müssen die Helfer des Michael werden in der Eroberung der vom Himmel auf die Erde gefallenen Intelligenz. Wie die alte Schlange von Michael zertreten werden

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mußte, so muß die zur Schlange gewordene Intelligenz von Michael erobert werden, spiritualisiert werden. Und überall, wo sie als Wider­part auftritt - nicht spiritualisiert, sondern ins Geistige ahrimani­siert -, da muß sie in der richtigen Weise erkannt werden durch die an der Michael-Gesinnung heranerzogene Wachsamkeit des anthroposophischen Geistes.

Die Vertiefung des Christentums durch die

Sonnenkräfte Michaels

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ERSTER VORTRAG Torquay, 12. August 1924

Es ist heute das erste Mal nach der Weihnachtstagung am Goethe anum, daß ich wiederum unter Ihnen sprechen darf. Und vor dem Beginn weiterer Auseinandersetzungen muß das ausgesprochen wer den, was mit jenem Impuls zusammenhängt, der durch die letzte Weihnachtstagung am Goetheanum in die anthroposophische Be wegung hineingekommen ist. Wir haben ja die Freude gehabt, bei dieser Weihnachtstagung eine Reihe von Mitgliedern der Eng lischen Landesgesellschaft in Dornach begrüßen zu können, vor allen Dingen unseren lieben altbewährten Freund Mr. Collison, den Vorsitzenden hier in England. Und ich möchte in diesem Augen blick jenen Gruß, den ich ihm dazumal in Dornach als dem Reprä­sentanten der Englischen Landesgesellschaft dargebracht habe, hier erneuern.

Was durch die Weihnachtstagung in die Anthroposophische Ge sellschaft als Impuls hineingekommen ist, soll in der Tat etwas Tiefgehendes darstellen, so daß manches, worüber vor der Weih nachtstagung das eine oder andere Wort charakterisierend ausge sprochen worden ist, jetzt im gegensätzlichen Sinn besprochen wer den muß. Es ist ja über diese Gesellschaft auch innerlich im okkulten Sinne eine schwere Zeit gekommen, namentlich dadurch, daß in der Nachkriegszeit von verschiedenen Seiten her aus dem Schoß der Anthroposophischen Gesellschaft heraus die verschiedensten Dinge versucht wurden, und es ist notwendig geworden, eine Art Erneuerung für die Gesellschaft eintreten zu lassen.

Diese Erneuerung war für mich selber - und ich darf das wohl hier erwähnen - mit etwas sehr, sehr Bedeutungsvollem verknüpft.

Es trat einige Zeit vor Weihnachten eine Frage vor mich hin, nachdem lange die Absicht bestanden hat, die Gesellschaft in einer gewissen Weise zu Weihnachten neu - oder wenigstens in neuer Form - zu begründen.

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Es trat an mich die Notwendigkeit heran, mich zu entschließen, dasjenige zu tun, was ich zu jener Zeit, als die Anthroposophische Gesellschaft sich aus der Theosophischen herausgegliedert hatte, aus guten Gründen abgelehnt hatte. Damals ging ich von der Voraus setzung aus, daß wenn ich mich von allem Verwaltungsmäßigen, von aller Leitung der Gesellschaft zurückziehe, um bloß im Lehr amt zu verbleiben, gewisse Dinge weniger schwer zu gestalten sein würden, als wenn der Lehrende zu gleicher Zeit ein verwaltendes Amt hat.

Aber diese Dinge, die dazumal vorausgesetzt wurden, in den Jahren 1912, 1913, als die Anthroposophische Gesellschaft heraus-gegliedert worden ist aus der Theosophischen, diese Dinge sind eben nicht eingetreten. Die Voraussetzungen haben sich innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft nicht erfüllt. Und so wurde es denn für mich notwendig, wirklich ernstlich die Frage zu erwä gen, ob ich nun den Vorsitz der Anthroposophischen Gesellschaft übernehmen solle oder nicht.

Und ich sah die Notwendigkeit ein, diesen Vorsitz zu übernehmen.

Ich möchte aber ganz scharf, auch im Kreis unserer lieben eng lischen Freunde, etwas betonen, was in Verbindung mit jenem Ent schluß, den Vorsitz für die Anthroposophische Gesellschaft zu übernehmen, zu betonen durchaus notwendig ist. Es war gegenüber der ganzen Bewegung ein absolutes Wagnis, dies auszuführen, denn man stellte sich damit vor eine ganz bestimmte Eventualität.

Die anthroposophische Bewegung beruht ja darauf, daß aus der geistigen Welt reale Offenbarungen über den Inhalt der geistigen Erkenntnisse herunterfließen. Wenn man das Werk der anthroposo phischen Bewegung tun will, so kann man nicht allein Menschen werk tun. Man muß offen sein für das, was herunterfließt aus den geistigen Welten. Die Gesetze der geistigen Welten sind ganz be stimmte, nicht anzutastende. Sie müssen streng eingehalten werden.

Und es ist schwierig, das, was in unserer heutigen Zeit ein äußeres Amt verlangt, und sei es auch dasjenige des Vorsitzenden der Anthroposophischen Gesellschaft, zu vereinigen mit den okkulten

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Pflichten gegenüber den Offenbarungen der geistigen Welt. So daß man schon die Frage dazumal sich vor die Seele zu stel len hatte: Werden die geistigen Mächte, welche die Anthroposo phische Gesellschaft bisher begnadet haben mit demjenigen, was herunterfließen kann von ihnen, werden diese geistigen Mächte auch weiter, ich möchte sagen, in dieser Weise die anthroposo phische Bewegung begnaden?

Sie können gewiß die ganze Bedeutung einer solchen Eventua lität würdigen. Man mußte sich vor die Möglichkeit hinstellen, daß die geistigen Mächte gesagt hätten: Das geht nicht, ein äußeres Amt kann nicht angenommen werden.

Nun darf heute wirklich, ich möchte sagen im Angesicht all der geistigen Mächte, die zusammenhängen mit der anthroposophischen Bewegung, gesagt werden, daß jene Verbindungen, die bestehen zwischen den spirituellen Welten und den Offenbarungen, die durch die anthroposophische Bewegung fließen sollen, intimer, ein schneidender, reichlicher geflossen sind, als das vorher der Fall war, daß also tatsächlich von den beiden Eventualitäten, die haben ein treten können, die eine, die so günstig wie möglich ist für den wei­teren Fortgang der anthroposophischen Bewegung, wirklich ein getreten ist. Man darf sagen: Mit vollem Wohlwollen sehen un ausgesetzt seit der Begründung der Anthroposophischen Gesell schaft am Goetheanum jene geistigen Mächte, von denen wir unsere Offenbarungen haben, mit einem noch größeren Wohlwollen sehen sie auf uns herab, als das früher der Fall war. So daß nach dieser Richtung schon seit längerer Zeit ein schwerer Alp von der Anthroposophischen Gesellschaft genommen werden konnte.

Ich habe es ja oftmals, bevor diese Weihnachtstagung am Goetheanum war, betonen müssen, daß man zu unterscheiden habe zwischen der anthroposophischen Bewegung, die eine spirituelle Strömung in ihrer Spiegelung auf Erden darlebt, und zwischen der Anthroposophischen Gesellschaft, die eben eine Gesellschaft ist, die in einer äußerlichen Weise verwaltet wurde, indem man ihre Funk tionäre wählte oder auf eine andere Weise bestimmte.

Seit Weihnachten muß das Gegenteil gesagt werden. Nicht mehr

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kann man unterscheiden die anthroposophische Bewegung von der Anthroposophischen Gesellschaft. Sie sind beide eins: Denn damit, daß ich selber Vorsitzender der Gesellschaft geworden bin, ist die anthroposophische Bewegung eins geworden mit der Anthroposo phischen Gesellschaft.

Das machte notwendig, daß zu Weihnachten in Dornach nicht ein Vorstand eingesetzt worden ist, der im äußeren exoterischen Sinn ein Vorstand ist, sondern ein Vorstand wurde eingesetzt, der als esoterischer Vorstand zu betrachten ist, der für dasjenige, was er tut, nur den geistigen Mächten gegenüber verantwortlich ist, der nicht gewählt, der gebildet worden ist. All die Dinge, die sich sonst bei Gründungsversammlungen zutragen, haben sich anders zuge tragen zu Weihnachten. Und dieser Vorstand ist dasjenige, was ich einen Initiativ-Vorstand nennen möchte, ein Vorstand, der seine Aufgaben in dem sieht, was er tut. Daher sind auch nicht auf der Weihnachtstagung Statuten ausgearbeitet worden, wie sonst Statu ten lauten, sondern es ist einfach gesagt worden, was da für ein Verhältnis sein soll von Mensch zu Mensch, zwischen Vorstand und anderen Mitgliedern, den einzelnen Mitgliedern untereinander und so weiter. Was der Vorstand beabsichtigen wird, das steht in dem jenigen darinnen, was kein Statut ist, was nur die Form von Sta tuten angenommen hat, was aber eigentlich eine Erzählung von dem ist, was man tun will. Alles war eben anders, als es sonst bei Gesellschaften ist.

Und das ist das Wesentliche, daß eben in die ganze Anthroposo phische Gesellschaft nunmehr ein esoterischer Zug hineingekom men ist. Die ganze Bewegung, wie sie nunmehr durch die Gesell schaft fließt, muß einen esoterischen Charakter haben.

Das muß man ganz ernst nehmen. Dem Vorstand am Goethe anum werden nur die Impulse rein menschlichen Wirkens aus der geistigen Welt heraus maßgebend sein. Nicht Paragraph 1, Para graph 2 und so weiter, sondern dasjenige, was wirkliches geistiges Leben ist, soll gefördert werden, rückhaltlos, ohne irgend etwas anderes dabei zu beabsichtigen.

Sehen Sie, ein scheinbar ganz Unbedeutendes darf ich dabei anführen.

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Es wurden und werden weiter die Mitgliederzertifikate für alle Mitglieder erneuert. Da wir jetzt doch zwölftausend Mitglieder in der Welt haben, mußten zwölftausend Mitgliedszertifikate aus gegeben werden. Die alle sind zu unterzeichnen nunmehr von mir selbst. Natürlich hat mancher gefunden, man könnte ja auch einen Stempel machen lassen und den daraufdrücken. Aber in der anthro posophischen Bewegung soll fortan alles einen unmittelbar indivi duellen, menschlichen Charakter haben. Daher muß ich auch in einer solchen Kleinigkeit das einhalten. Jedes Mitgliedszertifikat muß vor meinen Augen liegen, ich den Namen lesen, mit eigener Hand meinen Namen darunterschreiben: So ist zunächst allerdings eine kleine, aber eine menschlich-reale Beziehung zu jedem ein zelnen Mitglied geschaffen. Es wäre natürlich einfacher, durch irgend jemanden einen Stempel auf die zwölftausend Mitgliedszertifikate setzen zu lassen, es soll aber nicht geschehen.

Das soll eben zunächst, ich möchte sagen, symbolisch andeuten, daß es in der Zukunft nur auf dasjenige ankommen wird, was als Menschliches durch die Gesellschaft waltet.

Wenn man in dieser Art dem Vorstand am Goetheanum Ver ständnis entgegenbringt, dann wird man sehen - natürlich wird alles langsam gehen, Sie müssen Geduld haben, meine lieben Freunde; aber wenn es auch langsam gehen wird: es wird doch nach und nach alles einzelne der Weihnachtsabsichten ausgeführt werden. Nur muß man mit Verständnis auch dem Vorstand am Goetheanum entgegenkommen, er kann nicht den fünften Schritt vor dem zweiten machen, den zweiten nicht einmal vor dem ersten, und wenn er bis jetzt auch nur bei einem halben Schritt angekom men ist, es wird schon gehen, es wird schon die Zeit kommen, wo er auch beim fünften Schritt angekommen sein wird. Denn wenn die Dinge menschlich geführt werden sollen, dann kann man nicht beim Abstrakten stehenbleiben, dann muß man überall in das Kon krete eintreten.

Und so wird die anthroposophische Bewegung wirklich einen neuen Zug bekommen. Sie wird esoterisch sein dem Geist nach, nicht mehr in Äußerlichkeiten das Esoterische suchen. Esoterisch

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werden gewisse Wahrheiten sein, die allein in ihr verkündigt wer den können, weil nur derjenige, der alles lebendig mitmacht, was in der Gesellschaft ist, solche Wahrheiten wird in sich herzlich ver arbeiten können. Aber man wird nicht mehr auf Zyklen Siegel an legen gegenüber der Außenwelt, wie es bisher geschehen ist. Man wird die Zyklen zwar nicht durch Buchhändler verkaufen, aber der jenige, der sie wird haben wollen, wird sie haben können. Nur werden wir, wie das ja schon angedeutet worden ist, eine spirituelle Grenze ziehen: Wir werden sagen, daß wir gair keine Einwände, keine Kritik irgendwie anerkennen können, als nur von denjenigen, die auch auf dem Boden stehen, auf dem die Zyklen stehen. Mögen die Leute nunmehr in der Zukunft reden, was sie wollen, - im Okkulten arbeitet man im Positiven, nicht im Negativen.

Diese Dinge müssen alle nach und nach verstanden werden. Werden sie verstanden, dann wird ein ganz neuer Zug in die anthro posophische Bewegung hineinkommen. Dann wird man verstehen, wie der Vorstand am Goetheanum sich allein dem Wesen der gei stigen Welt gegenüber verantwortlich fühlt; man wird sich aber auch innerhalb der ganzen Gesellschaft mit diesem Vorstand ver bunden fühlen.

Und dann wird vielleicht durch diesen neuen Zug dasjenige er reicht werden können, was mit der anthroposophischen Bewegung erreicht werden muß, wenn sie zu dem werden soll, was ich noch aus dem Innern des geistigen Lebens heraus im Verlauf dieser Vor-träge hier darstellen werde.

Ich möchte mit dieser kurzen Andeutung die Vorträge, die ich hier vor Ihnen zu halten habe, eingeleitet wissen und werde, nach dem dies übersetzt ist, mit den eigentlichen Auseinandersetzungen beginnen.*

Es ist durch Jahrhunderte hindurch die Menschheit dazu gekom men, immer weniger und weniger hinzuschauen auf die geistige Welt. Wir reden mit Recht davon, daß die letzten Jahrhunderte

* Der Vortragende unterbrach hier und es folgte die englische Übersetzung. Diese Unterbrechungen sind in diesem Bande jeweils durch einen größeren Zwischenraum im Text angedeutet.

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eine materialistische Zeit eingeleitet haben, daß diese materiali stische Zeit nicht nur das menschliche Denken ergriffen hat, son dern auch das menschliche Wollen, das menschliche Tun, daß das ganze Leben nach und nach in das Zeichen des Materialismus ein getreten ist. Und wir werden uns dann bewußt innerhalb der An throposophischen Gesellschaft, daß diese der Erwecker von Kräften sein möchte, welche die Menschen wiederum herausführen aus dem Haften am Materiellen, an demjenigen, was das Geistige verleugnet.

Allein, soll die anthroposophische Bewegung der Impuls inner halb der Gesamtentwickelung der Menschheit werden, der notwen dig ist, dann muß mit alledem, was jetzt schon seit Jahren an Leh ren, an Weisheitsgütern durch die anthroposophische Bewegung ge flossen ist, voller Ernst gemacht werden. Dann muß zum Beispiel einmal ganz ernsthaftig ins Auge gefaßt werden: Wie lebt denn der gegenwärtige Mensch innerhalb der Welt?

Er lebt sich herein durch die Geburt, indem er die von Eltern und Voreltern vererbten Merkmale annimmt, indem er sich erzie hen läßt nach den Anschauungen, die nun schon einmal üblich sind in der Gegenwart, indem er in einer gewissen Zeit seines Lebens sich bewußt wird, gewissermaßen aufwacht zum äußeren Leben. Dann schaut er wohl auch hin auf dasjenige, was in seiner Umgebung an Anschauungen, an Gedanken, an Taten, Impulsen und so weiter vorhanden ist. Er versucht sich zu verstehen als ein Glied seiner Nation, versucht sich zu verstehen als ein Glied der gegenwärtigen Menschheit und so weiter.

In der anthroposophischen Bewegung nehmen wir die leuch tende, feurige Wahrheit auf: So, wie wir hier sitzen, so sind wir in diesem Leben - in der Wiederholung früherer Erdenleben. Wir tragen herein aus früheren Erdenleben in dieses jetzige die Ergeb nisse der früheren Erdenleben. Und wir müßten uns eigentlich so fühlen, daß wir nicht nur zurückschauen auf dasjenige, was wir innerhalb unserer gegenwärtigen Nation, innerhalb der gegenwär tigen Menschheit sind, wir müßten uns fühlen als tastend heran kommend an dieses Leben, indem wir durchgegangen sind durch eine Reihe von Erdenleben und in anderen Leben zwischen Tod

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und einer neuen Geburt an unserem Selbst gearbeitet haben, an unserem Ich, an unserer Individualität, um uns zu dem zu machen, was wir heute sind.

Aber wie weit ist eigentlich noch das alltägliche Bewußtsein des Menschen entfernt davon, ganz Ernst zu machen mit dem: Ja, ich bin durchgegangen durch frühere Erdenleben, ich rechne mit diesen früheren Erdenleben. Man wird das aber bei sich nicht können, wenn man nicht alle Lebensbetrachtung in den Gesichtspunkt des Karma rückt, der Schicksalsbildung, die von Erdenleben zu Erdenleben geht. Vor allen Dingen muß dann ja aber das geschichtliche Leben der Menschheit in einen solchen Gesichtspunkt gerückt wer den. Wir müssen uns dann sagen: Da oder dort ist eine maß gebende Persönlichkeit aufgetreten, die Wichtiges gewirkt hat in der Menschheit. Verstehen wir sie denn, wenn wir sie nur geboren werden sehen in einem bestimmten Zeitpunkt, das Erdenleben durchlaufend, nur sie betrachtend nach denjenigen Inhalten, die sie in diesem einen Erdenleben hatte? Müssen wir denn nicht vielmehr, wenn wir Ernst machen wollen mit den Lehren, die durch die anthroposophische Bewegung fließen, uns sagen: Wir schauen hin auf eine Persönlichkeit; die stellt ja in ihrem heutigen oder in ihrem letzten Erdenleben die Wiederholung früherer Erdenleben dar, und wir können sie nicht verstehen, wenn wir sie nicht so auf­fassen, wie sie sich darstellt mit den Ergebnissen früherer Erden leben.

Wenn wir aber mit einer solchen Auffassung, mit einem solchen Gesichtspunkt Ernst machen, müssen wir ja eine ganz andere Ge schichtsbetrachtung eintreten lassen als diejenige, die heute allge mein üblich ist. Heute erzählt man die Tatsachen der verschiedenen Epochen der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit. Man kommt zu einem Staatsmann, zu einem Maler, zu irgendeiner son stigen bedeutenden Persönlichkeit. Man erzählt, was sie seit ihrer Geburt getan hat auf Erden. Aber man macht nicht Ernst damit, die Sache so aufzufassen: Diese Persönlichkeit ist da; frühere Erdenleben leuchten in das Gegenwärtige dieser Persönlichkeit herein. Man wird aber die Geschichte erst dann verstehen, wenn man wissen wird:

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Dasjenige, was in einer späteren Epoche geschieht, tragen ja die Menschen selber aus früheren Epochen in die späteren her über. Die Menschen, die heute leben oder die vor Jahrhunderten gelebt haben, haben auch schon früher gelebt und tragen aus alten Zeiten dasjenige, was sie dort gedacht, erlebt haben, herüber in die neueren Zeiten. Auf diesen Zusammenhang muß hingeblickt werden.

Wie soll man zum Beispiel das folgende verstehen, das durch unsere Zeit erschütternd geht? Auf der einen Seite haben wir seit fast zwei Jahrtausenden dasjenige, was durch das Mysterium von Golgatha begründet worden ist, haben den Christusimpuls waltend und webend durch die neuere Zivilisation in europäischen, in west lichen Gegenden. Da drinnen haben wir aber in demselben Leben, durch das dieser christliche Impuls herzerwärmend, geisterleuch tend geht, zugleich ein anderes Element. Wir haben da drinnen alles das, was schon unsere Kinder in der Volksschule aus der modernen Wissenschaft heraus bekommen, was wir einsaugen als moderne Bildung jeden Morgen, wenn wir beim Kaffee die Zeitung lesen. Denn nehmen Sie die heutige Anschauung über den Men schen. Alles, was die Wissenschaft ins öffentliche Leben hineinbringt, was vielfach die Kunst leistet, was andere Zweige des Le bens leisten, nehmen Sie das alles -: Man kann nicht sagen, daß das durchdrungen ist von dem Christusimpuls. Es geht neben dem Christusimpuls her. Ja, viele Leute sind sogar sehr darauf aus, nur ja nicht den Christusimpuls in die Anatomie, in die Physiologie, in die Biologie, in die Geschichte hineinfließen zu lassen, sondern das alles getrennt zu halten.

Woher kommt das? Solange wir nur sagen: Da steht diese Per sönlichkeit, sie wirkt als Wissenschafter, sie hat solch eine Erzie hung genossen, sie wuchs auf, machte diese oder jene wissenschaft liche Forschung, solange wir nur sagen: Da ist ein Staatsmann, er hat diese oder jene Erziehung genossen, er hat diese oder jene libe rale oder konservative Gesinnung in seinen politischen Maßnahmen vertreten, - solange verstehen wir nicht, wie durch dieselbe Zivili sation der Gegenwart auf der einen Seite der christliche Impuls

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fließen kann und auf der anderen Seite etwas, was gar nichts zu tun haben braucht mit dem Christentum. Woher kommt das? Verstehen werden wir eine solche Sache dann, wenn wir auf die wiederholten Erdenleben der maßgebenden Persönlichkeiten hinblicken. Da wer den wir verstehen, wie aus früheren Zivilisationen die Menschen dasjenige, was sie in ihren früheren Erdenleben an Gedanken, an Willensimpulsen aufgenommen haben, in spätere Erdenepochen herübertragen.

Wir sehen Persönlichkeiten auftreten in demjenigen, was maß geblich geworden ist in unserem Zeitalter. Nehmen wir zum Bei spiel eine Persönlichkeit, die für das äußere Leben, namentlich für alles, was von der Wissenschaft influenziert ist, außerordentlich maßgebend geworden ist in der neueren Zeit: Lord Bacon, Baco von Verulam. Diese Persönlichkeit, sie tritt auf, wir lernen ihr Leben kennen. Wir betrachten diese Persönlichkeit innerhalb der christlichen Zivilisation. Nichts erinnert in demjenigen, was die äußere Schriftstellerei des Baco von Verulam ist, an christliche Im pulse. Er könnte ebensogut aus einer nichtchristlichen Zivilisation herausgewachsen sein. Was er über das Christentum sagt, nimmt sich sehr äußerlich aus neben dem, was sein eigentlicher Herzensimpuls ist. Wir bemerken diese Charaktereigentümlichkeit bei ihm als Wissenschafter, als Philosoph und als Staatsmann.

Oder sehen wir uns eine Persönlichkeit wie Darwin an. Was hat Darwins Christentum - er war ein guter Christ -, aber was hat Dar wins Christentum im geringsten zu tun mit dem, was Darwin ge dacht hat über die Entstehung der Tiere und des Menschen? Gar nichts. Da lebt ein ganz anderer Zug, ein ganz anderer Impuls, als der christliche Impuls es ist. Wir kommen nicht zurecht, wenn wir uns nicht fragen: Wie stand es mit den früheren Erdenleben, sagen wir, bei Baco von Verulam oder bei Darwin? Was trugen sie aus ihren früheren Erdenleben in dieses Erdenleben herüber?

Diese Frage nach den wiederholten Erdenleben muß fortan, wenn die Anthroposophische Gesellschaft ihren rechten Sinn er halten soll, nicht bloß abstrakt aufgeworfen werden. Daß wir wis sen: wir leben wiederholt auf Erden, dieses oder jenes lebt sich hinüber

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aus einem Erdenleben in das andere, - diese Betrachtungen sind ja gewiß sehr schön, aber doch verhältnismäßig harmlos, denn sie werden nur zu einem allgemeinen Bekenntnis, zum Glauben. Ernsthaftig fängt die Sache erst an, wenn wir hinschauen auf den ganz konkreten Menschen und wenn wir sein konkretes Leben in irgendeinem späteren Zeitalter verstehen aus seinem konkreten Leben in früheren Zeitaltern.

Mit solchen Betrachtungen wollen wir jetzt einmal beginnen, wollen zunächst einmal etwas Historisches ins Auge fassen, um mit den Karmabetrachtungen völlig Ernst zu machen, um den Fortschritt in der Entwickelung der Menschheit in bezug auf die Zivili sation und alles dasjenige, was die Menschheit tut, so einzusehen, daß wir wahrnehmen können, wie aus einem Zeitalter die Men schen hinübertragen in das andere Zeitalter dasjenige, was sie in früheren Zeiten aufgegriffen haben.

Wir sehen in einem Zeitalter, sagen wir, Baco von Verulam auf treten, wir sehen später Darwin auftreten: wir sehen etwas Ver wandtes in ihnen. Wenn man oberflächlich ist, studiert man, wie Bacon, wie Darwin zu ihren Ansichten gekommen sind. Wenn man tiefer gehen will, dann findet man, wie sie in die christliche Zivilisa tion etwas hereinstellen, was man zunächst gar nicht aus der christ lichen Zivilisation begreifen kann. Die Frage muß auftauchen, wenn wir zurückschauen: Muß Bacon nicht, muß Darwin nicht ein früheres Erdenleben gehabt haben?

Aus diesen früheren Erdenleben haben sie herübergetragen, was uns aus ihren späteren Erdenleben vor Augen tritt. Dann erst ver stehen wir sie geschichtlich, wenn wir sie individuell verstehen. Denn die Geschichte löst sich auf, wenn man das Karma ernst nimmt, in Menschentaten, in Menschenlebensströmungen aus fernen Vergangenheiten in die Gegenwart herein, in die Zukunft hinüber.

Von diesen Dingen soll von jetzt ab, ich möchte sagen, nicht mehr in einer zurückhaltenden Weise gesprochen werden; es soll so gesprochen werden, wie die Tatsachen im geistigen Leben liegen, so daß die äußere Welt der Geschichte und der Natur so vor uns hintritt, daß sich in dieser äußeren Welt der Geschichte und der

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Natur dasjenige offenbart, was dahinter als spirituelle Tatsache strömt.

Unter allen Umständen wird der Mensch zunächst das Auf werfen und Behandeln solcher Fragen, wie ich sie hier eben an gedeutet habe, leichter nehmen, als es gegenüber den geistigen und physischen Welten, in denen wir leben, aufzufassen ist Denn sehen Sie, so, wie man über die Dinge des gewöhnlichen Lebens denkt, wie man Entscheidungen trifft über die Dinge des gewöhnlichen Lebens, so kann man solchen Dingen gegenüber nicht Entschei dungen treffen. Und ich darf, um Sie bekannt zu machen mit all den Untergründen, die für solche Fragen in Betracht kommen, heute am Schluß der ersten Betrachtung, die über solche Dinge an gestellt wird, bevor wir übergehen zur Beantwortung der Fragen: Wer war Bacon im vorhergehenden Leben? Wer war Darwin im vorhergehenden Leben? - eine Art persönlicher Bemerkung ma chen, die aber dennoch ganz objektiv gemeint ist.

Es wird ja jetzt im Verlauf der Nummern des «Goetheanum» von mir mein Lebensgang geschildert. Aber in einer Schrift, die auch für die Außenwelt zu lesen ist, läßt sich nicht alles, was in Betracht kommt, darstellen, und da und dort ist natürlich eine Er gänzung notwendig für diejenigen, die im Ernst ihren Weg hineinfinden wollen innerhalb unserer Bewegung in die geistige Welt. Und so möchte ich denn heute, bevor ich nun im nächsten Vortrag an die Beantwortung solcher Fragen gehe, wie die hier aufgewor fene, eben diese persönliche, individuelle Bemerkung machen.

Sehen Sie, lebte man sich so herauf wie ich selber aus den sech ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bis zur Gegenwart, so lebte man ja in derjenigen Zeit, die ich Ihnen öfter charakterisiert habe als die Zeit, in der die Michael-Herrschaft in der menschlichen Zivilisation eintrat, gegenüber der vorher dreieinhalb Jahrhunderte dauernden Gabriel-Herrschaft. Die Michael-Herrschaft, das heißt das Einfließen des sonnenhaften Michael-Impulses in die ganze Zivilisation im Fortschreiten der Menschheit, trat mit dem Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ein. Wenn man in der

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Zeit, die unmittelbar auf das Hereinbrechen des Michael-Einflusses folgte, und mit solchen Jugendgenossen lebte, daß man damals, also in den achtziger, neunziger Jahren, wo die Michael-Herrschaft be gonnen hat, hinter den Kulissen des äußeren Geschehens sich gel tend zu machen, seine Gemüts- oder Verstandesseele auszubilden hatte - Sie wissen, die bildet man aus so zwischen dem achtund zwanzigsten und fünfunddreißigsten Jahr -, so lebte man ja, wenn man so recht in dieser Gemüts- und Verstandesseele lebte, außer halb der physischen Welt. Am meisten ist der Mensch, wenn er sich erlebt, bewußt erlebt in der Gemüts- oder Verstandesseele, außer halb der physischen Welt.

Wir gliedern den Menschen in physischen Leib, Ätherleib und Empfindungsleib. Mit dem physischen Leib steht er deutlich dar innen in der physischen Welt. Mit dem Ätherleib lebt er auch noch in der äußeren Welt, mit dem Empfindungsleib lebt er ebenfalls stark in der äußeren Welt. In der Empfindungsseele lebt er noch in ihr. Aber ganz außerhalb der äußeren Welt kann der Mensch leben, wenn er in der Verstandes- oder Gemütsseele - vor dem Erwachen der Bewußtseinsseele, die ja im fünfunddreißigsten Jahr erwacht -, wenn er also in der Verstandes- oder Gemütsseele ganz bewußt drinnenlebt. Man kann da ganz ins Seelische hineinkommen. Daher war damals, so in den achtziger, neunziger Jahren des vorigen Jahr­hunderts, die Gelegenheit gegeben für jemanden, der die Anlage dazu hatte, mit seiner Verstandes- oder Gemütsseele mehr oder weniger außerhalb der physischen Welt zu leben.

Was heißt das? Das heißt, man konnte dadurch, daß man mit der Verstandes- oder Gemütsseele außerhalb der physischen Welt lebte, in der Region, in der Sphäre leben, in die hinein gerade Michael ins irdische Leben eintrat.

Denn sehen Sie, in den achtziger, neunziger Jahren, da verlief so manches, was die Menschen bewunderten, worinnen sie erzogen wurden, woran sie sich selbst erzogen. Nun, in vielen hochtraben den Worten wird ja gerade von den neueren Literaten dieses Zeit alter geschildert. Nehmen Sie alles, was Zeitschriften gebracht haben, was die Kunst gebracht hat, was da aufgetreten ist in den

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achtziger, neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, das verfließt so: 1879, 1880,1890 usw. Aber gerade in diesen Jahren gab es noch ein anderes Geschehen. Da war ein dünner Schleier, und hinter diesem dünnen Schleier, da war eine an unsere physische Welt stark angrenzende Welt. Das war das Eigentümliche vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Das war das Eigentümliche der Zeit vor dem Ablauf des Kali-Yuga - das Kali-Yuga lief ja mit dem neunzehnten Jahrhundert ab -, wie durch einen spinnweben-dünnen Schleier, den nur das gewöhnliche Bewußtsein nicht durch dringen kann, war da angrenzend eine Welt: da spielte sich das ab, was immer mehr und mehr herauskommen muß in die physische Welt und was in der physischen Welt in seinen Wirkungen sich zeigen muß.

Es war in der Tat etwas Geheimnisvolles mit diesem Zeitalter vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Hinter einem Schleier spielten sich gewaltige Erscheinungen ab, die sich alle herumgrup pierten um das Geistwesen, das wir als Michael bezeichnen. Da waren mächtige Anhänger Michaels, Menschenseelen, die dazumal nicht im physischen Leib waren, sondern zwischen dem Tod und einer neuen Geburt standen, aber auch mächtige dämonische Ge walten, die sich auflehnten unter ahrimanischen Einflüssen gegen das, was durch Michael in die Welt kommen sollte.

Sehen Sie, wenn ich da eben eine persönliche Bemerkung machen darf, so ist es diese: Ich selber wuchs so heran, daß ich eigentlich niemals Schwierigkeiten hatte in der Auffassung der geistigen Welt. Was die geistige Welt mir entgegenbrachte, das ging in meine Seele herein, bildete sich zu Ideen aus, konnte sich in Gedanken formen. Dasjenige, was den anderen Menschen so leicht wurde, wurde mir schwer. Ich konnte naturwissenschaftliche Zusammenhänge rasch fassen, dagegen einzelne Tatsachen wollten nicht im Gedächtnis bleiben, gingen nicht herein. Ich konnte die Undulations theorie, die Anschauungen der Mathematiker, Physiker, Chemiker mit Leichtigkeit erfassen; ein Mineral dagegen mußte ich nicht wie mancher einmal, zweimal sehen, um es, wenn es wiederum vor mich hintrat, zu erkennen, sondern das mußte dreißig-, vierzigmal geschehen.

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Die Tatsachen der äußeren physischen Welt boten mit Widerstand in bezug auf das Halten, das Auffassen. Ich konnte nicht leicht heraus in diese physisch-sinnliche Welt.

Dadurch mußte ich drinnenstehen in dieser Welt hinter dem Schleier, mit der ganzen Verstandes- und Gemütsseele, in dieser Region des Michael, mußte mit durchmachen, was sich da abspielte. Da traten eben die großen Forderungen auf, nun einmal mit dem geistigen Leben Ernst zu machen, Fragen aufzuwerfen von solcher Größe. Das äußere Leben bot dazu keinen Anlaß. Das äußere Leben schrieb die alte philiströse Biographie von Darwin und Bacon weiter. Aber da, hinter den Kulissen, hinter diesem dünnen Schleier, in der Region des Michael, da wurden die großen Lebensfragen aufgeworfen. Und da lernte man vor allen Dingen das eine kennen: Was für ein großer Unterschied es ist, in seinem Herzen diese Frage aufzuwerfen, - und in Worten darüber zu sprechen.

Der heutige Mensch meint: Über das, was man weiß, kann man in Worten sprechen. Es wird ja auch so schnell wie möglich alles, was der heutige Mensch erfährt, in Worte umgesetzt und in Worten ausgesprochen. Die Fragen, die in der Region des Michael gerade in den achtziger, neunziger Jahren spielten, diese Fragen wirkten weiter, wenn sie sich auf einen Menschen ablagerten, sie wirkten weiter in das zwanzigste Jahrhundert herein. Und jedesmal, wenn man schon jahrzehntelang unter dem Einfluß dieser Fragen stand und lebte, dann war es dennoch so, wenn man die Dinge ausspre chen wollte, als ob die Feinde des Michael immer kämen und einem die Zunge festhielten, denn es sollte über gewisse Dinge nicht gesprochen werden.

Und, sehen Sie, auch im Schoße der anthroposophischen Be wegung mußte vieles noch weiter fortgetragen werden, was ge wissermaßen Michael-Geheimnis geblieben ist. Dazu gehörten vor allen Dingen diejenigen Wahrheiten, die sich auf solche histori schen Zusammenhänge bezogen. Seit einiger Zeit kann über diese Dinge rückhaltlos gesprochen werden. Es sind nun seit Monaten Möglichkeiten vorhanden - gerade auch für mich ist es mög lich geworden -, über diese Dinge rückhaltlos zu sprechen. Daher

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geschieht es und ist geschehen und soll auch hier geschehen, daß über die Zusammenhänge in den Erdenleben nunmehr rückhaltlos gesprochen werden kann. Denn das hängt zusammen mit der Ent hüllung der Michael-Geheimnisse, die in dieser Weise, wie ich es Ihnen beschrieben habe, sich abspielten.

Das ist eines von den konkreten Dingen, von denen ich vorher abstrakt gesprochen habe. Ich sagte im ersten Teil mit Bezug auf eine Eventualität: daß die geistige Welt sich hätte versagen können. Sie hat sich nicht versagt. In der Tat, durch alles dasjenige, was namentlich seit der Weihnachtstagung der Anthroposophischen Gesellschaft zu geben möglich geworden ist, durch die Art und Weise, wie es mir gestattet ist, seit jener Zeit selber okkult zu arbei ten - es sind ja nicht neue Dinge, man kann im Okkulten nicht Dinge, die man gestern entdeckt hat, sofort heute mitteilen, es sind alte Dinge, Dinge, die erlebt worden sind in der Weise, wie ich es Ihnen dargestellt habe -, aber hinzugekommen ist, daß die Dämo nen schweigen müssen, welche vorher die Dinge nicht haben aus sprechen lassen.

Damit ist auf einen solchen Umschwung hingewiesen, und ich erzähle Ihnen diese Sache aus dem Grunde, damit Sie mit dem nötigen Ernst es erfassen, wenn von konkreten wiederholten Erdenleben bei bedeutenden und unbedeutenden Persönlichkeiten in der Zukunft gesprochen wird. Man darf diese Dinge nicht leicht neh men, man darf sie nur hinnehmen, indem man vor ihnen den nöti gen Respekt hat.

Nun, ich habe diese Andeutungen machen wollen; sie werden im Lauf der weiteren Vorträge ergänzt, es wird weiteres aus ihnen herauskommen. Aber ich wollte, bevor ich nun über frühere Ver körperungen von Darwin und von anderen spreche, erst darauf auf merksam machen, in welcher geistigen Atmosphäre, von welchem geistigen Licht beleuchtet man solche Dinge zu sehen habe. Wir wol len dann das nächste Mal, wenn wir hier in der Mitgliederversamm lung zusammenkommen, von diesen Dingen weiter sprechen. *

- - - -

* Es folgte die englische Übersetzung und die Beantwortung von Fragen, die sich auf die Sektionen beziehen.

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Ich habe noch zu sagen, daß wir ja nun eingegliedert haben in die anthroposophische Bewegung eine esoterische Bewegung im engeren Sinn, die gegliedert ist in verschiedene Sektionen. Vor allen Dingen ist vorhanden die allgemeine Sektion, die das Esoteri sche für alle Menschenseelen enthalten wird. Dann haben wir die pädagogische Sektion - die Dinge werden schon noch bekannt wer den -, und wir haben die medizinische Sektion. Wir haben zwei künstlerische Sektionen, die eine für bildende Künste, die andere für musikalische und redende Künste. Wir haben eine naturwissen schaftliche Sektion. Wir haben eine astronomisch-mathematische Sektion. Über diese Dinge werde ich ja dann noch bei entsprechen der Gelegenheit Mitteilung zu machen haben.

Die allgemeine Sektion wird nun als Klasse zunächst durch ihre erste Klasse repräsentiert vor der Welt, und es werden ja schon die Klassenstunden seit längerer Zeit in Dornach gehalten, sind auch schon in verschiedenen anderen Orten, zum Beispiel in Prag, Bres lau, Paris von mir gehalten worden. Nun soll in diejenigen Dinge, die hier unter uns behandelt werden, auch diese Klassenstunde ein treten, und es ist ja für nächsten Dienstag für hier eine Klassenstunde in Aussicht genommen. Dazu ist notwendig, daß diejenigen Freunde, die in der Lage sind, Mitglieder dieser Klasse zu werden, überhaupt der esoterischen Bewegung, daß diese aufgenommen werden.

Ich werde über die strengen Bedingungen dann bei der ersten Klassenstunde zu sprechen haben. Zunächst wird es sich aber darum handeln, daß nur diejenigen Freunde um die Aufnahme in die erste Klasse nachsuchen sollen, die schon mindestens zwei Jahre der anthroposophischen Bewegung angehören. Ausnahmen können nur in seltenen Fällen gemacht werden. Außerdem aber behält sich die Leitung der Schule am Goetheanum vor, die Mitgliedschaft zu er teilen oder die Mitgliedschaft auch abzulehnen.

Und es ist von vornherein zu sagen, daß in der Zukunft ja jeder mann, der ein Interesse und eine Sehnsucht nach den spirituellen Welten hat, an die Anthroposophische Gesellschaft wird heran kommen können. Man wird sozusagen zu nichts anderem verpflichtet

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als zu demjenigen, zu dem eigentlich jeder anständig denkende Mensch verpflichtet ist.

Dagegen muß die Schule, die den Weg in die geistige Welt selber hinein eröffnen soll, ihre sehr seriösen Ansprüche machen. Der jenige, der Mitglied der Schule sein will, muß auch ein wirklicher Repräsentant der anthroposophischen Sache vor der Welt sein.

Nennen Sie das nicht eine Beeinträchtigung der menschlichen Freiheit! Die Freiheit muß ja gegenseitig sein. Derjenige, der ein Mitglied der Schule wird, ist zunächst ein freier Mensch, aber die Leitung der Schule muß auch frei sein. Es muß ihr freistehen, zu entscheiden, an wen sie die Geistesgüter der Schule heranbringen will. Es ist sozusagen ein spiritueller Vertrag, der zwischen der Lei tung der Schule und ihren einzelnen Mitgliedern geschlossen wird. Daher muß sich die Schule auch vorbehalten, wenn es sich heraus­stellen sollte, daß irgend jemand, der Mitglied der Schule geworden ist, nicht in Einklang mit dem, was die Impulse der Schule geben wollen, handelt, nicht so im Leben handelt, daß er sich als Reprä sentant der Schule darstellt, daher muß es der Schule auch frei stehen, zu entscheiden: der kann nicht mehr Mitglied der Schule sein oder für Zeiten es nicht mehr sein.

Daß diese Dinge streng genommen werden, mag Ihnen daraus hervorgehen, daß, ehe es möglich geworden ist, eine Klassenstunde hier in Ihrer Mitte zu halten - was am nächsten Dienstag zum erstenmal geschehen soll und dann weiter -, daß im Verlauf des Wirkens der Schule schon die Notwendigkeit war, über sechzehn, siebzehn Mitglieder aus der Schule auszuschließen. Die Dinge, die auf das okkulte Leben sich beziehen, müssen eben in ihrer vollen Wirklichkeit genommen werden.

Wenn also jemand die Meinung hat, er könne nun wirklich als Repräsentant der anthroposophischen Sache vor der Welt seinen Beitritt zur Schule suchen, so möge er sich dazu melden. Äußere Bedingung ist zunächst, daß man wenigstens zwei Jahre Mitglied ist. Die Freunde, die länger als zwei Jahre Mitglied sind, können sich melden, insofern sie noch nicht ihr blaues Zertifikat erhalten haben. Man wird künftig das rote Zertifikat als Mitglied der Anthroposophischen

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Gesellschaft haben, und man wird das blaue Zertifikat haben als Mitglied der Schule.

Diejenigen Freunde also, die Mitglieder der Schule werden wol len, die, wie ich schon sagte, noch nicht ein Zertifikat erhalten haben, auch wenn sie schon geschrieben haben und ihr Schreiben noch nicht erledigt werden konnte, also wenn sie noch nicht das blaue Zertifikat gesandt erhalten haben, bitte ich, heute abend oder wenigstens in den nächsten Tagen, am besten so schnell wie mög lich, hier bei Dr. Wachsmuth sich zu melden. Wir werden dadurch ein Verzeichnis derjenigen bekommen, die sich noch melden, und dann werden diejenigen, welche zur Schule zugelassen werden kön nen, ihr blaues Zertifikat zur ersten Klassenstunde bekommen, die, wie gesagt, für den nächsten Dienstag vorgesehen ist.

ZWEITER VORTRAG Torquay, 14. August 1924

#G240,1961,SE098 Esoterische Betrachtungen Karmischer Zusammenhänge, Bd. 6

#TI

FÜNFTER VORTRAG

Torquay, 14. August 1924

Die Frage habe ich aufgeworfen: Wie finden wir für manche histo­rische und auch nichthistorische Persönlichkeit, die aber unser In­teresse durch ihre Wirksamkeit in Anspruch nehmen kann, die Er­klärung eines späteren Erdenlebens durch die früheren Erdenleben? Und nun möchte ich heute zunächst, um für weitere Betrachtungen die Grundlagen zu schaffen, auf gewisse Zusammenhänge hin­weisen, die bestanden in den aufeinanderfolgenden Erdenleben ver­schiedener Persönlichkeiten. Ich werde heute einmal zunächst das­jenige vor Sie hinstellen, was Ergebnis gewisser geistiger Forschung ist, um dann gerade auf der Grundlage, die heute zunächst erzäh­lend gegeben wird, eine Art von Erkenntnis aufzubauen, wie man dazu kommt, die aufeinanderfolgenden Erdenleben von Persönlich­keiten ins Auge fassen zu können.

Wir wollen einmal eben solche charakteristische Persönlichkei­ten nehmen, wie die sind, deren Namen ich das letzte Mal erwähnt habe. Solche Persönlichkeiten machen uns ja zunächst darauf auf­merksam, wie hereinragen in unsere gegenwärtige Zivilisation ver­schiedene geistige Impulse. Durch fast zwei Jahrtausende - so sagte ich schon in der vorigen Betrachtung - ging über das Abendland und einen großen Teil seines kolonialen Anhangs das Christentum hin, das Christentum, das, mehr als man glaubt, hineingeflossen ist in alle Zivilisationen. Und es ist schon so, daß man vieles von dem, bei dem man nicht sogleich sieht, daß christliche Impulse in ihm leben, dennoch, wenn man es genau studiert, ganz durchsetzt finden wird von durchaus christlichen Impulsen. Aber es ist eben nicht zu leugnen - auch das habe ich schon angedeutet -, daß etwas in unsere Zivilisation hereinragt, was nicht einen unmittelbaren direk­ten Zusammenhang mit dem Christentum verrät.

Gewisse Anschauungen, auch gewisse Lebenspraktiken, stellen sich herein in unsere Zivilisation, die nicht einen unmittelbaren

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Zusammenhang mit dem Christentum verraten. Und da sieht sich dann derjenige, der nun aus tieferen inneren Ursachen heraus den Verlauf des geschichtlichen Werdens unseres Geisteslebens begrei­fen will und die geistige Forschung zu diesem Begreifen zu Hilfe nehmen will, zu einer Erscheinung hingedrängt, die viel zu wenig beachtet wird, wenn von dem Werden der abendländischen Zivili­sation gesprochen wird. Er sieht sich gedrängt, hinzuschauen nach jener historischen Erscheinung, die parallel ging dem Auftreten und Wirken Karis des Großen im Abendland. Er sieht sich gedrängt, hinzublicken nach jenem Hof im Morgenland, dem vorstand mit einem, man darf schon sagen, wirklich morgenländischen Glanz Harun al Raschid, der Zeitgenosse Karls des Großen. Alles, was Karl der Große im Abendland geleistet hat, nimmt sich schwach und matt aus gegen den ungeheuren Glanz und die Majestät des­sen, was zu gleicher Zeit von dem Hof Harun al Raschids aus­gegangen ist.

Man muß nur bedenken, was an Geistesleben zusammengeflos­sen ist an diesem vorderasiatischen Hof. Wir müssen daran denken, wie in alten Zeiten durch die Alexanderzüge die griechische Kultur in einer Form nach Asien hinübergebracht worden ist, von der man heute nur noch wenig Ahnung hat. Alles, was auf dem Grunde griechischer Kultur gelebt hat, hat in genialer Art Alexander der Große nach Asien hinübergebracht. Und es war an vielen gelehrten Stätten des Ostens durch die Einrichtungen, die durch Alexander den Großen nach Asien hinübergetragen worden sind, eine Lebens-und Weltanschauung üblich, die vieles vom Alten treu bewahrte und vieles ablehnte, was dann im Abendland über das Alte hin­flutete.

Vor allen Dingen war eine rationelle, gesunde, wissenschaftliche Mystik durch Alexander den Großen nach Asien hinübergekom­men, so daß diejenigen, die sich mehr zu der philosophischen An­schauung bekannten, die so nach Asien hinübergekommen war, überall in der Welt kosmische Intelligenz ausgebreitet sahen. Alles in der Welt ist durchdrungen von kosmischer Intelligenz. In Asien drüben sagte man nicht als Mensch: Ich denke mir etwas aus, ich

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bin ein intelligentes Wesen, sondern man sagte sich: Alles, was ge­dacht wird, denken Götter, denkt vor allen Dingen der einige Gott, der ja schon im Aristotelismus eine Rolle spielte. Das, was die ein­zelne menschliche Intelligenz ist, das ist ein Tropfen aus der All-Intelligenz und offenbart sich herein in das Wesen des einzelnen, so daß der einzelne sich fühlte, ich möchte sagen, mit seinem Kopf und mit seinem Herzen wie drinnensteckend in der All-Intelligenz. Das war die Stimmung.

Diese Stimmung herrschte auch am Hof Harun al Raschids. Im achten und neunten nachchristlichen Jahrhundert herrschte sie noch. Und dann waren jene griechischen Gelehrten hinübergekom­men, die die Flucht ergreifen mußten, weil die griechische Philo-sophie in Europa ausgerottet wurde. Vieles war an orientalischer Weisheit geblieben. All das floß zusammen, was dazumal an my­stisch starker Astronomie, an gewaltiger, von innerlicher Bildsam­keit durchtränkter Architektur und anderer Kunst, auch Dichtkunst möglich war, was möglich war an anderen Wissenschaften und an praktischen Kundgebungen des Lebens. All das floß zusammen am Hof Harun al Raschids, weil dieser glanzliebende, aber auch in gewisser Beziehung für alles Organisatorische außerordentlich be­gabte Mensch an seinem Hof diejenigen Menschen versammelte, die in der damaligen Zeit das meiste wußten, die noch vieles be­wahrten von alter Mysterienweisheit, die nicht mehr unmittelbar Initiierte waren, aber die vieles bewahrten von alter Mysterien-weisheit und noch lebendig lebten in dieser Mysterienweisheit.

Insbesondere war eine Persönlichkeit da, ein sehr weiser Rat­geber Harun al Raschids, den wir etwas näher ins Auge fassen wollen. Sein Name tut nichts zur Sache, der Name ist nicht beson­ders auf die Nachwelt gekommen. Allein es war eine sehr weise Persönlichkeit. Um sie zu begreifen, muß man auf etwas hin­schauen, was gerade die Kenner der Geisteswissenschaft bewundern könnten.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, Sie können ja alle eine gewisse Frage aufwerfen. Sie können sagen: Uns erzählt die Geisteswissen­schaft, die Anthroposophie, daß es einstmals Eingeweihte gegeben

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hat. Da und dort waren Eingeweihte. Diese Eingeweihten be­herrschten ein umfängliches großes Wissen, eine ungeheure Weis­heit. Da aber die Menschen im Leben wiederkehren in wiederhol­ten Erdenleben, wie kommt es dann, daß man zum Beispiel heute nicht bemerkt, daß wiedergekommene alte Initiierte da sind? - Es ist eine berechtigte Frage, die Sie aufwerfen können.

Wer aber die Bedingungen des Erdenlebens kennt, der weiß auch, daß eine Menschenindividualität, die aus vorirdischem Dasein in ein gewisses Zeitalter hinein nach ihrem Karma geboren werden muß, eben die vererbten Eigenschaften auf sich nehmen muß, die man in diesem Zeitalter haben kann, auf sich nehmen muß alles das, was in den vorhandenen Erziehungsmöglichkeiten liegt. Und so kann durchaus für eine Individualität die Sache so liegen, daß sie in alten Zeiten ein Initiierter war, daß aber dasjenige, was sie als Initiierter gewußt hat, für ein bestimmtes Zeitalter im Unterbewuß­ten drunten bleibt und das Oberbewußtsein, das Tagesbewußtsein zwar auch etwas Bedeutsames im Leben zeigt, aber nicht unmittel­bar eine Offenbarung dessen ist, was in einem früheren Erdenleben diese Persönlichkeit als Initiierter in ihrer Seele besessen hat.

Solch eine Persönlichkeit war es, die ich meine als weisen Rar-geber Harun al Raschids. Er war in alten Mysterien, in sehr alten Mysterien, ein Eingeweihter. Er war wiedergeboren worden und lebte auch als wiedergeborener Eingeweihter am Hof Harun al Raschids wieder als ein Eingeweihter, dessen früherer Initiations­besitz als geniale Organisationsgabe, als großartige Verwaltungs-gabe für die anderen Wissenschafter, die am Hof Harun al Raschids lebten, sich kundtat; aber den unmittelbaren Eindruck eines Ein­geweihten machte er nicht. Er bewahrte durch seine eigene Wesen­heit, nicht bloß durch Initiation, die alte Initiatenwissenschaft, aber er machte nicht selber den Eindruck eines Initiierten.

Aber Harun al Raschid hielt sehr viel auf diesen weisen Mann. Er übertrug ihm die Organisation alles dessen, was als Wissen­schaften, als Künste am Hof Harun al Raschids glänzte. Er war froh, diesen Mann zu haben, und fühlte sich sozusagen unmittelbar als Freund dieses Mannes.

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Diese beiden Persönlichkeiten, Harun al Raschid und seinen weisen Ratgeber, wollen wir nun betrachten, wollen ins Auge fas­sen, daß im achten und neunten Jahrhundert der nachchristlichen Zeit in Europa in der christlichen Kultur am Hof Karls des Großen eben begonnen worden war damit, ich möchte sagen, daß die sozial höchststehenden Menschen soeben ihre ersten Schreibversuche machten, ja, daß Karl der Große selber die ersten Schreibversuche machte und Eginhart am Hof Karis des Großen die ersten Versuche machte, das Sprachliche in Grammatik zu bringen. Als da in Europa alles primitiv war, da war drüben in Asien in dem Herrscher, den Karl der Große außerordentlich verehrte, in Harun al Raschid, eine mächtige, blendende Geisteskultur verkörpert, aber eine Geistes­kultur, die nichts wußte von Christus, die auch nichts wissen wollte vom Christentum, in der die besten Elemente des Mohammedanis­mus, die besten Elemente des Arabismus lebten, in der auch alte Formen des Aristotelismus lebten, jene Formen, die gar nicht in Europa sich ausgebreitet hatten, denn in Europa hatte sich mehr die Logik ausgebreitet, die Dialektik des Aristotelismus. Sie wurde von den christlichen Kirchenvätern und später von den Scholasti-kern verarbeitet.

Drüben in Asien hatte man mehr durch alles das, was Alexander der Große getan hatte, die inneren mystisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnisse des Aristoteles getrieben. Und das alles hatte man unter dem Einfluß der ungeheuer starken, aber als geoffenbart, als inspiriert genommenen Intelligenz des Arabismus ausgebildet. Es war so am Hof Harun al Raschids, daß man da wußte vom Chri­stentum, daß man aber das Christentum so, wie es in der damaligen Gegenwart war, als primitiv auffaßte gegenüber dem ungeheuren geistigen Glanz, den man selber pflegen konnte.

Gehen wir nun einmal von diesen beiden Persönlichkeiten aus, von Harun al Raschid und seinem weisen Ratgeber, und verfolgen wir das Geschichtliche weiter.

Diese zwei Individualitäten, Harun al Raschid und sein weiser Ratgeber, sie gingen, nachdem sie in der Art tätig waren, wie ich

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es geschildert habe, durch die Pforte des Todes, indem sie hinauf­trugen den starken Impuls, dafür zu sorgen, daß diejenige Emp­findungsweise, Weltanschauung, Geistesart, die an diesem Hof ge­pflegt worden war, weiter in die Welt dringe.

Wollen wir uns nun das, was da geschah, in möglichster Ruhe und in möglichstem Ernst vor die Seele stellen. Wir sehen also von Asien ausgehend zwei Individualitäten: den weisen Ratgeber und Harun al Raschid, seinen Herrscher. Sie gehen eine Weile mit­einander. Sie haben das, was sie in ihre Seele aufgenommen haben, dem Alexandrinismus, dem Aristotelismus zu verdanken. Aber sie haben auch alles dasjenige in sich aufgenommen, was in der spä­teren Zeit in der Umformung des Aristotelismus, des Alexandrinis­mus geschehen war. Man versteht die Welt wirklich nur zum klein­sten Teile, wenn man nicht ins Auge fassen kann, was in der gei­stigen Welt geschieht, während hier unten im Erdenleben die ge­wöhnlichen Ereignisse der physischen Welt vor sich gehen.

Auf das Zeitalter Karls des Großen, Harun al Raschids folgte anderes, was Sie aus der Geschichte kennen. Aber während all das vor sich geht, was die Geschichte erzählt, von Asien, von Europa, für das neunte und zehnte Jahrhundert und weiter hinein ins Mit­telalter, spielte sich über diesem physischen Leben in der geistigen Welt ein mächtiges anderes Geschehen ab. Und man darf nicht ver­gessen, wenn das physische Leben hier unten fortfließt (es wird gezeichnet) und das geistige Leben hier oben fortfließt, daß dann von den Seelen, die nicht auf Erden leben, sondern die in dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt sind, fortwäh­rend Einflüsse auf das Erdenleben stattfinden. So daß wir also sagen können: Wichtig ist auch, was die in einem solchen Zeitalter, in dem sie nicht auf Erden leben, droben in der geistigen Welt befind­lichen Seelen, die zwischen dem Tod und einer neuen Geburt sind, erleben und verrichten. Ganz klar und lichtvoll kann einem das Menschenleben erst werden, namentlich in seinem geschichtlichen Verlauf, wenn man auf das hinsieht, was gewissermaßen hinter den Kulissen der äußeren Weltgeschichte in der geistigen Welt vor sich geht.

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Ja, die Eindrücke, welche die Seelen durch die Pforte des Todes tragen, unterscheiden sich oftmals außerordentlich stark von den Eindrücken, die diese Seelen hier im Erdenleben gehabt haben. Und für denjenigen, der nicht Unbefangenheit in der Betrachtung des geistigen Lebens hat, ist manchmal ein Erdenmensch, der durch die Pforte des Todes gegangen ist und sich dann dem geistig beob achtenden Blick zeigt, nicht leicht wieder erkennbar. Aber es gibt eben die geistigen Mittel, durch die man nicht nur jenes geistige Leben verfolgen kann, das sich unmittelbar an das Erdenleben an­schließt. Darüber habe ich ja schon in den anderen Vorträgen, die vormittags gehalten worden sind, gesprochen. Ich werde dann wei­ter sprechen in diesen Vorträgen über den ferneren Verlauf des Lebens zwischen dem Tod und einer neuen Geburt; da wird man sehen, wie die Mittel sind, um die sogenannten Toten auch weiter zu verfolgen.

Und eben mit diesen Mitteln kann man dann solche Leben wie das des Harun al Raschid und seines weisen Ratgebers verfolgen. Gerade bei diesen beiden Persönlichkeiten ist es, um ein Verständnis zu eröffnen für spätere Ereignisse in der Zivilisation Europas, außer­ordentlich wichtig, vor allen Dingen die innige Verbundenheit in der Denkweise, in der Wirkensweise, die Harun al Raschid und sein weiser Ratgeber hatten, zu beachten. Mit den ihnen jahrhun­dertelang im Erdenleben vorangegangenen Individualitäten Alexan­der und Aristoteles trugen Harun al Raschid und sein weiser Rat­geber durch die Pforte des Todes eine außerordentlich starke Affini­tät, eine außerordentlich starke Sehnsucht nach einem Wiedertref­fen, nach einem wirklichen Treffen gegenüber Alexander und Ari­stoteles. Und dieses Sich-wieder-Treffen geschah, und es ist in der Tat von ungeheurer Bedeutung, daß es geschehen ist.

Also Harun al Raschid und sein weiser Ratgeber machten eine Weile in der übersinnlichen Welt ihre Wanderung, indem sie hauptsächlich vom Übersinnlichen herunterschauten auf das, was in der Zivilisation, die weiter gegen Westen hinüber liegt, vor sich ging, auf dasjenige, was in Griechenland und was in einigen Ge­genden, die nördlich von dem heutigen Schwarzen Meer liegen,

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an Zivilisation vor sich ging. Ich möchte sagen, sie schauten auf diese Zivilisation herab, und unter den Ereignissen, auf die da ihr Blick fiel, war dann auch dasjenige, von dem ich in anderem Zu­sammenhang in anthroposophischen Vorträgen vielfach gesprochen habe: jenes Ereignis, das sich auslebte im Jahre 869 als achtes all­gemeines ökumenisches Konzil in Konstantinopel.

Dieses achte ökumenische Konzil in Konstantinopel hat ja eine große Bedeutung für die Zivilisation des Abendlandes, denn da wurde beschlossen, daß die Trichotomie, die Anschauung, daß der Mensch aus Leib, Seele und Geist bestehe, ketzerisch, häretisch sei, daß man nur davon sprechen dürfe - wenn man ein rechter Christ sei -, daß der Mensch aus zwei Wesenheiten bestünde, aus Körper und Seele, und daß die Seele einige geistige Eigenschaften haben. Deshalb war ja so wenig zu spüren von einer Hinneigung der abendländisch-christlichen Zivilisation zur Spiritualität, zur Geistig­keit, weil die Erkenntnis des Geistes auf dem achten allgemeinen ökumenischen Konzil 869 für ketzerisch erklärt worden ist.

Es war ein bedeutendes, ein einschneidendes Ereignis. Man kann sagen: Dimals wurde der Geist abgeschafft, und der Mensch sollte nur aus Leib und Seele bestehen. Man sieht nicht stark genug hin auf ein so einschneidendes, bedeutsames Ereignis. Aber das Erschüt­ternde für den Beobachter des geistigen Lebens und namentlich für den Erleber des geistigen Lebens ist, daß, gerade als hier auf Erden 869 diese Abschaffung des Geistes stattfand, droben in der geistigen Welt die Begegnung Harun als Raschids und seines Ratgebers mit Alexander dem Großen und Aristoteles stattfand, das heißt mit deren Seelen in der geistigen Welt.

Nun müssen Sie das Folgende bedenken, und Sie müssen sich daran gewöhnen, daß nunmehr auf anthroposophischem Felde über die übersinnlichen Ereignisse mit derselben Selbstverständlichkeit gesprochen werden wird wie über die Ereignisse der physischen Welt. Sie müssen bedenken: Das Leben Alexanders des Großen, das Leben des Aristoteles in jener Alexander- und Aristoteles-Inkar­nation war ja so, daß es einen gewissen Abschluß bedeutete, daß sozusagen der Impuls, der mit den alten Kulturen gegeben war, der

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sich dann auf der einen Seite ausgelebt hat in Griechenland, durch Aristoteles in Begriffe gefaßt worden ist, die lange Zeit hindurch als Ideen das Abendland und überhaupt die menschliche Zivilisa­tion beherrschten.

Sie müssen bedenken, daß Alexander der Große, der Zeitgenosse, Schüler und Freund des Aristoteles, mit ungeheurer Kraft den Im­puls, der da gegeben war durch den Aristoteles, über einen großen Teil der damals zur Alexanderzeit bekannten Welt verbreitet hat, was dann weitergewirkt hat bis hinein in die Harun-al-Raschid-Zeit in Asien, was lange Zeit in Alexandrien einen glänzenden Mittel­punkt gehabt hat, was aber gleichzeitig durch zahlreiche verbor­gene Kanäle die ganze orientalische Kultur bestimmend beein­flußt hat.

Damit aber war eine Art von Abschluß gegeben. Zusammen­geflossen waren die verschiedenartigsten Impulse alter Geistigkeit im Alexandrinismus und im Aristotelismus. Das Christentum schlug ein. Das Mysterium von Golgatha fand statt. Es fand statt in einer Zeit, als die Individualitäten, die Seelen Alexanders und Aristoteles' nicht auf der Erde waren, sondern in der geistigen Welt und dort im innigen Verein waren mit dem, was man die Herrschaft des Michael nennt, dessen Herrschaft auf der Erde damals auch abge­laufen war, denn der herrschende Zeitgeist war dazumal Oriphiel. Und weitere Jahrhunderte waren vergangen seit dem Mysterium von Golgatha. Dasjenige, was Alexander und Aristoteles auf Erden begründet hatten, wofür sie mit ihrem ganzen Sein sich eingesetzt hatten, der eine denkerisch, der andere mit umfassenden intensiven Herrscherkräften, das alles hatte unten auf der Erde gewirkt. Das alles sahen die beiden in der geistigen Welt durch die Jahrhunderte hindurch, die da folgten, in denen ja das Mysterium von Golgatha stattfand; und sie sahen auf alles hin, was dann zur Ausbreitung der Lehre des Mysteriums von Golgatha weiter geschah. Durch alle jene Jahrhunderte hindurch sahen sie unten ihr Werk sich ausbrei­ten, sich ausbreiten auch durch solche Genies wie Harun al Raschid und seinen weisen Ratgeber.

Aber für das, was diese beiden Individualitäten - Alexander und

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Aristoteles - selber waren, für das war durchaus die Forderung nach etwas Neuem da, die Forderung, in einer ganz neuen Weise anzufangen, nicht das fortzusetzen, was auf der Erde war, sondern in einer neuen Weise anzufangen. Dadurch ergibt sich natürlich auch eine Art von Fortsetzung. Es wird nicht das Alte aus der Welt geschafft, aber ein mächtiger neuer Impuls, das Christentum auf eine besondere Weise in die Erdenzivilisation einzuführen, das war es, womit sich Alexander und Aristoteles durchsetzt hatten.

Da sie dann ihr Karma heruntertrug in das Erdenleben, noch bevor dieses Ereignis der Begegnung mit Harun al Raschid statt­gefunden hatte, lebten sie eigentlich als unbeachtete, unbekannte, früh hinsterbende Persönlichkeiten in einem allerdings für die An­throposophie wichtigen Winkel Europas, aber eben, ich möchte sagen, nur wie kurze Zeit durch ein Fenster hereinschauend in die abendländische Zivilisation, Eindrücke, Impulse mitnehmend, aber nicht irgendwie bedeutsame Impulse gebend. Das mußten sie sich aufsparen für später.

Sie waren dann wiederum zurückgegangen. Aber da waren sie in der geistigen Welt, als 869 dieses Ereignis, dieses achte allge­meine ökumenische Konzil auf Erden stattfand. Gerade in diesem Zeitpunkt fand jene Begegnung statt zwischen Aristoteles und Alexander auf der einen Seite, Harun al Raschid und seinem weisen Ratgeber auf der anderen Seite. Es war eine Auseinandersetzung von großer überragender Bedeutung in den übersinnlichen Welten, denn man muß sich vorstellen, daß Auseinandersetzungen in der übersinnlichen Welt nicht nur Diskussionen in Worten sind. Wenn man so die Menschen auf der Erde zusammensitzen und diskutieren sieht, wenn Worte hin- und herschießen, ohne daß sie einander sehr weh tun, so ist das nicht einmal ein schattenhaftes Abbild dessen, was geschieht, wenn in übersinnlichen Welten die großen Entschei­dungen auch im geistigen Leben getroffen werden.

Und so war es dazumal, daß Aristoteles und Alexander auf der einen Seite sich dahin geltend machten, daß sie sagten: Was früher begründet worden ist, das muß hineingeleitet werden im streng­sten Sinn des Wortes in die Michael-Herrschaft. - Denn man wußte

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ja, die Michael-Herrschaft der Welt wird wieder beginnen im neun­zehnten Jahrhundert.

Verstehen wir uns in diesem Punkt recht, meine lieben Freunde! Die Entwickelung der Menschheit verläuft so, daß immer durch drei bis dreieinhalb Jahrhunderte einer der Erzengel der haupt­sächlichste Regent der Erdenzivilisation ist. Zur Zeit, als Alexander der Große die Aristoteles-Kultur nach Asien und Afrika verpflanzt hatte, zu jener Zeit, als mit starkem internationalem Sinn diese Ver­breitung der Kultur stattfand, war eine Michael-Herrschaft, das heißt, das geistige Leben wurde beherrscht durch die Macht Michaels. Zur Alexanderzeit war die Michael-Herrschaft auf der Erde. Dann wird die Michael-Herrschaft abgelöst von der Oriphiel-Herrschaft. Es kommt dann die Anael-Herrschaft, die Zachariel-Herr­schaft, alles so durch drei bis vier Jahrhunderte gehend, die Ra­phael-Herrschaft, dann Samael, bis heraufkommend in das Zeitalter des vierzehnten Jahrhunderts. Im fünfzehnten bis achtzehnten nachchristlichen Jahrhundert, da kommt die Gabriel-Herrschaft, und im neunzehnten Jahrhundert, im letzten Drittel, tritt wiederum die Michael-Herrschaft ein. Sieben der Erzengel wechseln sich ab. Nachdem auf die Michael-Herrschaft zur Alexanderzeit sechs andere Erzengel gefolgt sind, folgte wiederum am Ende des neun­zehnten Jahrhunderts die Michael-Herrschaft. Sie ist die herr­schende in unserer Zeit. Wir stehen unmittelbar, wenn wir das geistige Leben recht verstehen, unter dem Impuls der Michael. Herrschaft.

So also sahen in diesem Jahrhundert, in dem die Begegnung mit Harun al Raschid stattfand, Alexander und Aristoteles hin auf die alte Michael-Herrschaft, unter der sie gewirkt hatten, sie sahen hin auf das Mysterium von Golgatha, das sie vereint mit der Michael-Gemeinschaft, aber nicht von der Erde aus, sondern von der Sonnensphäre aus erlebt hatten, denn da war die Michael-Herr­schaft zu Ende. Michael und die Seinen, zu denen eben auch Alexander und Aristoteles gehörten, erlebten ja das Mysterium von Golgatha nicht vom Erdengesichtspunkt aus. Sie sahen den Chri­stus nicht ankommen auf Erden; sie sahen ihn Abschied nehmen

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von der Sonne. Aber all dasjenige, was sie erlebten, gestaltete sich bei ihnen zu jenem Impuls: Unter allen Umständen muß dahin gearbeitet werden, daß die neue Michael-Herrschaft, der Alexander und Aristoteles mit allen Fasern ihrer Seele haben treu bleiben wollen, daß die neue Michael-Herrschaft ein nicht nur tief begrün­detes, sondern auch ein intensives Christentum bringen sollte. 1879 sollte sie beginnen, drei bis vier Jahrhunderte dauern. Wir leben nun in dem Zeitalter dieser Michael-Herrschaft, und Anthroposo­phen sollten vor allen Dingen verstehen, was es heißt, in dem Zeit­alter dieser Michael-Herrschaft zu leben.

Davon wollte weder Harun al Raschid - eher noch sein weiser Ratgeber, aber eigentlich auch der nicht - etwas hören. Sie wollten vor allen Dingen, daß jene Impulse weltbeherrschend würden, die im Mohammedanismus stark Wurzel gefaßt hatten. Intensiv stan­den sich gegenüber unter anderen, die teilnahmen an diesem Gei­steskampf im neunten nachchristlichen Jahrhundert, stark standen sich gegenüber auf der einen Seite Harun al Raschid und sein Rat­geber, auf der andern Seite Aristoteles und Alexander, das heißt, die Individualitäten, die in beiden gelebt haben

Was sich da abspielte als Geisteskampf, das wirkte nach in der europäischen Zivilisation, wirkt bis heute nach. Denn was da oben geschieht, das wirkt auf das Irdische ein. Und gerade aus jenem Widerstand, den Harun als Raschid und sein weiser Ratgeber da­zumal gegenüber Aristoteles und Alexander geleistet haben, ver­stärkte sich in einer gewissen Weise der Impuls, so daß gerade von jener Begegnung ausging das Wirken zweier Strömungen: einer, die im Arabismus verläuft, und einer, die den Aristotelismus und das Alexandertum ins Christentum durch die Impulse der Michael-Herrschaft herüberführt.

Beide, sowohl Harun al Raschid wie sein weiser Ratgeber, setz­ten den Weg, nachdem sie diese Begegnung durchgemacht hatten, nach dem Westen fort, immerfort beobachtend, was im Erdenleben geschieht. Der eine nahm vom übersinnlichen Sein aus intensiv teil an alledem, was im Norden von Afrika, im Süden von Europa, in Spanien, Frankreich sich abspielte. Ungefähr in derselben Zeit

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war der andere durchgegangen durch alles das, was im östlichen Geistesleben, am Schwarzen Meer, weiter herüber durch die Gegen­den Europas bis Holland und auch nach England herüber sich ab-spielte. Und zur gleichen Zeit kamen diese beiden dann an in der europäischen Kultur, wurden wiedergeboren.

Bei solchem Wiedergeborenwerden brauchte nicht eine äußere Ähnlichkeit zu sein. Man geht in der Regel ganz falsch, wenn man glaubt, daß derjenige, der eine gewisse Geistigkeit hat, mit der­selben Geistigkeit wiedergeboren werde. Man muß tiefer gehen, tiefer hineinschauen in die Grundimpulse der menschlichen Seele, wenn man von Wiedergeburten und von wiederholten Erdenleben in der rechten Weise sprechen will. So zum Beispiel hat man einen Papst, den berühmten Gregor VIL, der aus dem mitteleuropäischen Mönch Hildebrand hervorgegangen ist, diesen starken, im intensiv­sten Katholizismus wirkenden Papst, der das Papsttum im Mittel­alter besonders groß gemacht hat. Er erschien in Wiedergeburt im neunzehnten Jahrhundert als Ernst Haeckel, der Kämpfer gegen das Papsttum. Haeckel ist der wiedergeborene Abt Hildebrand, Gregor VII. Ich will daran nur zeigen, daß nicht die äußere Ähn­lichkeit der Geistesverfassung, sondern die innerlichen seelischen Impulse dasjenige sind, was der Mensch hinüberträgt von einem Erdenieben ins andere.

So wurden auch die beiden, Harun al Raschid und sein weiser Ratgeber, dazu veranlagt, zunächst, als noch die Araberkämpfe hinüberschlugen über Afrika nach Spanien, schützend, protegie rend teilzunehmen an diesen Araberzügen. Der Mohammedanis­mus ging ja dann als äußere Erscheinung zugrunde, aber seine innere Seelenhaftigkeit trugen diese beiden Geister durch das gei­stige Leben bei ihrem Durchgehen zwischen dem Tod und einer neuen Geburt von der Vergangenheit in die Zukunft hinein.

Harun al Raschid wurde wiedergeboren, und er wurde in seinem wiedergeborenen Leben Baco von Verulam. Er erscheint als Baco von Verulam. Sein weiser Ratgeber wird wiedergeboren, er erscheint fast gleichzeitig als Amos Comenius, der Pädagoge.

Sehen Sie sich an, was auf der einen Seite durch Baco von Verulam

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herauskommt, der ja nur äußerlich ein Christ gewesen ist, der durchaus das Abstrakte des Arabismus in die europäische Wissen­schaft hereinbringt, und sehen Sie sich dasjenige an, was in die Pädagogik an äußerer materieller Anschaulichkeit des Unterrichts und der ganzen Behandlung des Unterrichtsstoffes Amos Comenius hineingebracht hat. Es ist ein Element, das direkt nichts mit dem Christentum zu tun hat. Wenn auch Amos Comenius unter den Mährischen Brüdern und so weiter wirkt, - das, was er direkt be-wirkt hat, das wird auf der einen Seite dadurch beleuchtet, daß er in einem vorigen Leben so zu der ganzen Entwickelung der Mensch­heit gestanden hat wie die am Hof Harun al Raschids blühende Geisteskultur.

Und auf der anderen Seite nehmen Sie jede Zeile Bacons, Lord Bacons, nehmen Sie alles das, was in der sogenannten Anschau­lichkeit des Amos Comenius wirkt: Sie haben darinnen ein Rätsel, Sie finden sich nicht zurecht. Man nehme nur diesen Lord Bacon. Es herrscht in ihm ein wahrer Furor in der Bekämpfung des Aristo­telismus. In allem ist ein wahrer Furor, von dem man sieht, es geht bis tief in die Seele hinein. Der Geistesforscher, der die Dinge gei­stig durchschaut und durchleuchtet, der schaut hin auf Baco von Verulam, auf Amos Comenius, verfolgt zurück das Leben aber auch in die übersinnliche Welt hinein, wo der Mensch zwischen dem Tod und einer neuen Geburt lebt. Man hat die Schriften des Baco von Verulam vor sich, man hat die Schriften von Amos Comenius vor sich, man findet im Ton, man findet in allem ein Sich-Aufleh­nen gegen den Aristotelismus. Wie ist das zu erklären?

Man muß nun bedenken: Als Bacon herabkam in sein Erden­leben, als Amos Comenius herabkam in sein Erdenleben, da war ja die Zeit schon wiederum vorüber, wo auch Alexander und auch Aristoteles wieder inkarniert waren in der mittelalterlichen Zivili­sation, wo sie ihrerseits schon dasjenige ausgeführt hatten, was für den Aristotelismus zu tun war, wo schon ein anderer Aristotelismus da war als der, den Bacon respektive Harun al Raschid, denn das sind dieselben Persönlichkeiten, ihrerseits gepflegt haben.

Und jetzt stellen Sie sich die ganze Situation vor. Nehmen Sie

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jenes Interview, wenn ich mich so ausdrücken darf, das 869 statt­gefunden hat, bedenken Sie, wie unter diesem Einfluß in Harun al Raschid sich Seelenimpulse ausgebildet haben, die jetzt dasjenige antreffen, was sich auf Erden schon zum Teil verwirklicht hat, weil Alexander und Aristoteles schon wieder da gewesen waren, und weil das, was sie verwirklichen wollten, nicht im Anschluß an das verwirklicht worden ist, was sie als Erdenmenschen in der vorchrist­lichen Zeit waren. Wenn Sie das bedenken, dann begreifen Sie durchaus jene Seelenimpulse, die sich bildeten bei jener Begegnung. Und aus dem Umstand, daß jetzt Bacon und Amos Comenius sehen konnten, was aus dem Aristotelismus und aus dem Alexandrini~ mus geworden war, können Sie begreifen, daß jener gewisse Ton in ihren Schriften herrscht, namentlich bei Bacon, aber auch bei Amos Comenius.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, wirkliche Geschichtsbetrach­tung führt von der Erde zum Himmel hinauf. Man muß die Er­eignisse mitnehmen, die sich nur im Übersinnlichen offenbaren können. Wollen Sie Baco von Verulam verstehen, wollen Sie Amos Comenius verstehen, so müssen Sie sie zurückverfolgen bis zu dem­jenigen zunächst, was sie früher auf Erden waren, müssen also den durch Scholastik verbreiteten Aristotelismus zurückverfolgen bis zu jenem Interview, das um das Jahr 869, zur Zeit des ökumenischen Konzils stattgefunden hat, zurückverfolgen bis dahin, wo Harun al Raschid und sein weiser Ratgeber den Aristotelismus und Alexan­drinismus pflegten, der eben dazumal gepflegt werden konnte. In diesem Hereinwirken der übersinnlichen Welt in die sinnlich-phy­sische wird erst verständlich, was im Erdenleben sich zuträgt. Das ist es, was ich anführen möchte, um Sie darauf hinzuweisen, wie in der Tat die Verfolgung der wiederholten Erdenleben erst das, was in solchen Persönlichkeiten auf der Ede sich auslebt, verständlich machen kann.

Die Zeit ist zu weit vorgeschritten, um schon heute weiteres auf diesem Gebiet auszuführen, und ich werde nur noch in wenigen Wor­ten andeuten, was die Betrachtungen runden und abschließen soll.

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Wenn wir in der Art, wie es eben geschehen ist, den Fortgang der Zivilisation der Menschheit betrachten, so finden wir, daß in die christliche Entwickelung sich gerade durch solche Individuali-täten, wie die des Harun al Raschid und desjenigen, der später dann Amos Comenius geworden ist, etwas hereingeschoben hat, was nicht aufgehen will im Christentum, was stark hinneigt zum Arabismus. So haben wir ja in unserer Gegenwart auf der einen Seite, ich möchte sagen, den geradlinigen Fortgang des Christia­nismus, auf der anderen Seite hereinragend, insbesondere aber in der abstrakten Wissenschaft, den Arabismus.

Was ich Ihnen besonders ans Herz legen möchte, ist dieses:

Wenn wir diese beiden Strömungen verfolgen, so finden wir uns gedrängt, wenn wir spirituelle Betrachtungen anstellen, den Blick hinaufzulenken zu allerlei, was auch im Übersinnlichen geschehen ist, wie zum Beispiel zu so etwas wie die Begegnung Aristoteles'­Alexanders, Harun al Raschids und seines weisen Ratgebers. In solcher Art hat sich vieles zugetragen, was dann Impuls geworden ist auf der einen Seite zur Ausbreitung des wahren Christentums, auf der anderen Seite wiederum zum Ausbilden von Hemmnissen, von Widerständen für dieses wahre Christentum. Aber dadurch, daß in der spirituellen Welt die Michael-Entwickelung jenen Ver­lauf genommen hat, den ich Ihnen angedeutet habe, stellt sich herein eine starke Aussicht und Perspektive für die Zukunft, daß gerade unter dem Zeichen der Michael-Impulse das Christentum seine wahre Gestalt bekommen wird. Denn unter dem Zeichen der Michael-Impulse sind auch im Übersinnlichen die Auseinander­setzungen mit anderen Strömungen gepflogen worden.

Nun möchte ich nur das sagen: In der Anthroposophischen Ge­sellschaft sind mancherlei Persönlichkeiten vereinigt. Auch diese Persönlichkeiten haben ihr Karma, das zurückführt in frühere Zei­ten, das in der verschiedensten Weise sich ausnimmt, wenn wir zu­nächst zu dem Leben zurückgehen, das im Vorirdischen vollbracht worden ist, und dann zurückgehen zu früheren Erdenleben. Es können nur wenige gefunden werden von denen, die ehrlich heran­kommen an die anthroposophische Bewegung, die nicht beteiligt

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wären in ihrem Karma an solchen Vorgängen, wie ich sie Ihnen nun geschildert habe. In der einen oder in der anderen Weise sind diejenigen, die in ehrlicher Weise den Drang bekommen, in die Anthroposophische Gesellschaft hereinzukommen, verbunden mit dem, was so stattgefunden hat wie die Begegnungen Alexanders und Aristoteles' mit Harun al Raschid und seinem weisen Ratgeber oder dergleichen. Irgend so etwas hat das Karma bestimmt, das dann so auftritt im gegenwärtigen Erdenleben, daß der Drang ent­steht, das Spirituelle in der Weise zu bekommen, wie es gerade in der anthroposophischen Bewegung gepflegt wird.

Mit dem ist aber ein anderes verknüpft. Verknüpft damit ist dieses, daß durch die besondere Gestaltung, die die Michael-Herr­schaft annimmt, diejenigen Persönlichkeiten, die jetzt durch ihr Karma in ihrer Verbundenheit mit der Michael-Herrschaft in die anthroposophische Bewegung hereintreten, unter Durchbrechung von mancherlei Wiederverkörperungsgesetzen mit der Wende des zwanzigsten, einundzwanzigsten Jahrhunderts - also in einer gerin­geren Anzahl von Jahren, als ein Jahrhundert beträgt - wieder-erscheinen werden, um dann dasjenige, was sie jetzt tun können im anthroposophischen Dienst der Michael-Herrschaft, zur Kulmina­tion, zum vollen Ausdruck zu bringen. In dem Interesse, das man für solche Dinge haben kann, wie sie heute vorgebracht worden sind, drückt sich, wenn dieses Interesse intensiv genug ist, der innere Drang aus, wirklich Anthroposoph zu sein. Gerade damit aber, daß man diese Dinge versteht, nimmt man auch in sich den Impuls auf, in weniger als einem Jahrhundert schon wieder auf der Erde zu er­scheinen, um dasjenige voll zu machen, was Anthroposophie will.

Denken Sie nach, meine lieben Freunde, empfinden Sie die wenigen orientierenden Worte, die ich an die heutige Betrachtung hiermit angeschlossen habe. Sie werden unter Umständen gerade in diesen wenigen Worten vieles finden von dem, was Sie in der richtigen Weise in die anthroposophische Bewegung hineinstellen kann, was Ihnen in der richtigen Weise die Orientierung geben kann, so daß Sie Ihre Zugehörigkeit zu dieser Bewegung tief mit Ihrem Karma verbunden fühlen können.

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DRITTER VORTRAG Torquay, 21. August 1924

Ich möchte, da uns diese Stunde heute noch geschenkt wird, einiges Ergänzende sagen zu dem schon hier Vorgebrachten, einzelne Dinge besprechen, die gerade dadurch heute leichter verständlich sein werden, weil teils in den Vormittagsstunden, teils in den letz ten Mitgliederversammlungen die vorbereitenden Dinge dazu ja schon berührt worden sind. Es wird sich darum handeln, daß einiges gesagt werden soll heute abend über Dinge, die mit dem Karma der Anthroposophischen Gesellschaft zusammenhängen. Weiter ausführen werde ich ja solche Themata dann in den näch sten Tagen in London.

Aus den Vorträgen, die ich hier gehalten habe, geht ja hervor, daß wir für unsere Zeit die Auffassung haben müssen, daß die gei stige Führung der Menschheit, der zivilisierten Menschheit, unter dem Impuls der Wesenheit steht, die wir mit dem christlichen Namen Michael bezeichnen. Diese besondere, wenn wir es so nen nen wollen, Herrschaft des geistigen Lebens hat ja in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begonnen. Ihr ging, wie ich schon gesagt habe, die Gabriel-Herrschaft voran. Nun möchte ich einiges bemerken über die Dinge, die mit dieser Michael-Herrschaft, wie sie heute ist, zusammenhängen.

Michael ist immer, wenn er innerhalb des irdischen Lebens seine Impulse durch die Entwickelung der Menschheit leitet, der Geist, der die Sonnenkräfte, die geistigen Sonnenktäfte, in die mensch liche Entwickelung hineinleitet. Damit hängt ja zusammen, daß der Mensch, wie Sie heute morgen in den allgemeinen Vorträgen hören konnten, während seines Tagwachens in seinen physischen und in seinen Ätherleib diese Sonnenkräfte hereinbekommt.

Nun bedeutet die diesmalige Herrschaft Michaels, die eben vor kurzem begonnen hat und drei bis vier Jahrhunderte dauern wird, daß endgültig in den physischen und in den Ätherleib des Menschen

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die kosmischen Sonnenkräfte übergehen. Wir müssen uns da vor allen Dingen fragen: Was für Kräfte, was für Impulse stellen diese kosmischen Sonnenkräfte dar?

Michael ist vorzugsweise Sonnengeist. Daher ist er auch der jenige Geist, der in unserer Epoche namentlich die Aufgabe hat, das Christentum nach seiner Wahrheit wesentlich zu vertiefen. Man kann geradezu sagen, Christus stamme aus der Sonne. Das Sonnen-wesen Christi - ich habe das ja oftmals ausgeführt - hat durch den Leib des Jesus auf Erden gelebt, lebt in übersinnlicher Art seither mit der Menschenwelt zusammen. Die Menschheit muß aber erst allmählich reif werden, das ganze Mysterium, das mit dem Chri­stus zusammenhängt, in die Seele aufzunehmen. Ein wesentlicher Teil dieser Vertiefung wird in unserem Michael-Zeitalter eintreten müssen.

Nun bestanden die Sonnenkräfte, wenn sie auf die Erde wirken, immer darinnen, daß sie zusammenhängen mit einer Impulswelle, die sich strömend in die Erdenzivilisation ergießt und die wir cha­rakterisieren können als intellektuelle Welle. Denn alles, was der Mensch an Intellekt, was die Welt überhaupt an Intellekt hat, so weit unsere Welt in Betracht kommt, stammt von der Sonne. Die Sonne ist Quell alles Intellektuellen.

Wenn man diese Wahrheit ausspricht, so kann man vielleicht sogar bei den Menschen der Gegenwart einigen Gefühlswiderstand wahrnehmen, denn es ist ganz richtig, von der heutigen Form des Intellekts nicht allzuviel zu halten. Und gerade derjenige, der mit dem spirituellen Leben bekannt wird, kann allerdings von der heu tigen Intellektualität nicht viel halten. Sie ist eine abstrakt logische; sie ist etwas, was den Menschen mit schattenhaften Begriffen und Ideen anfüllt, die weit, weit weggehen von der lebensvollen Wirk lichkeit, die kalt und trocken und nüchtern sind gegenüber dem, was als warmes, leuchtendes Leben durch die Welt und durch den Menschen pulsiert.

Aber so ist es nur heute mit der Intelligenz, weil das, was wir heute als Intelligenz haben, im allgemeinen Bewußtsein der Menschheit eben erst im Anfang ist, wie wir ja auch erst im Anfang

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des Michael-Zeitalters stehen. Diese Intelligenz wird einmal etwas ganz, ganz anderes werden. Und wenn man sich eine Vor stellung davon machen will, was diese Intelligenz anderes noch werden kann im Lauf der Menschheitsentwickelung, dann muß man daran denken, wie noch Thomas Aquinas in der mittelalter lichen christlichen Philosophie jene Wesen, die die Sterne bewoh nen, mit dem Namen Intelligenzen bezeichnet hat. Nicht wahr, wir mußten ja auch gegenüber der heutigen materialistischen Auf fassung sagen, daß die Sterne Kolonien von geistigen Wesenheiten sind. Das berührt den heutigen Menschen fremdartig, weil er gar nicht daran denkt, daß er, wenn er zu den Sternen aufblickt, zu Wesen aufblickt, die mit seinem eigenen Leben etwas zu tun haben und die eben Sterne bewohnen, wie wir Menschen die Erde be­wohnen.

Thomas von Aquino bezeichnet im dreizehnten, mittelalterlichen Jahrhundert die Wesen, welche Sternenbewohner sind, obwohl er bei einem Stern noch immer mehr von einem einheitlichen Wesen spricht, so, wie man von der Menschheit der Erde als einem ein heitlichen Wesen sprechen würde, wenn man von einem fremden Stern aus sie betrachtete. Also obwohl er nicht immer sagt, daß einzelne Wesen oder viele Wesen, wie wir ja wissen, die Sterne be-wohnen, so daß wir die Sterne als Kolonien im Kosmos anzuspre chen haben, wenn er also auch von einem einheitlichen Sternwesen spricht, so redet er doch von den Intelligenzen der Sterne. Und damit steht dieser christliche Kirchenlehrer des Mittelalters, des dreizehnten Jahrhunderts, noch innerhalb jener Tradition, die damals schon im Verglimmen, im Abnehmen, in der Dekadenz war, die aber deutlich noch darauf hinweist, daß alles, was wir mit dem Namen Intelligenz zusammenfassen, einmal etwas anderes war, als es heute ist.

Wenn wir in uralte Zeiten der Menschheitsentwickelung zurück gehen - ich habe darauf schon hingewiesen hier in den Vorträ gen -, so ist es beim Menschen nicht so, daß er die Gedanken aus sich heraus erzeugt, daß er über die Dinge durch seine eigene Kraft denkt. Denn diese innere Seelenfähigkeit des Denkens, diese innere

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Aktivität des Gedankenbildens ist ja eigentlich erst vollständig entwickelt seit dem fünfzehnten Jahrhundert, seit dem Eindringen der Bewußtseinsseele in die Menschheitsentwickelung. Und wenn wir in vorchristliche Zeiten zurückgehen, in alte Zeiten, so finden wir überall, daß die Menschen noch gar nicht das Bewußtsein haben, daß sie selbst denken; sie fühlen gar nicht, daß sie Gedan ken haben, sondern sie empfinden: die Gedanken werden ihnen aus den Dingen geoffenbart. Die Intelligenz ist kosmisch überall ausgebreitet. In den Dingen ist die Intelligenz. Und wie man die Farben wahrnimmt, so nimmt man auch den intelligenten Inhalt, den Gedankeninhalt der Dinge wahr. Die Welt ist voller Intelli genz. Allüberall ist intelligentes Wesen. Der Mensch hat diese Intelligenz sich gewissermaßen im Lauf der neuesten Zeit ange­eignet. Man möchte sagen: Die Intelligenz ist etwas, was im weiten Weltenall ausgebreitet ist, wovon der Mensch in der neueren Zeit überall einen Tropfen bekommen hat. Das ist dann der Mensch (s. Zeichnung).

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Beim alten Menschen war es aber so, daß er in jedem Augen blick, wo er dachte, sich dessen bewußt war, daß die Gedanken ihm inspiriert werden, geoffenbart werden. Er schrieb nur dem Weltenall Intelligenz zu, nicht sich.

Nun war zu allen Zeiten der Verwalter dieser kosmischen Intel ligenz, die sich von der Sonne wie das Licht ausstrahlend über die

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ganze Welt verbreitet, eben der Geist, der mit dem Namen Michael bezeichnet wird. Michael ist der Verwalter der kosmischen Intelli genz. In der neueren nachchristlichen Zeit trat aber nun die bedeut same Tatsache auf, daß nach dem Mysterium von Golgatha all mählich Michael die Verwaltung über die Intelligenz entfiel, daß sie ihm verlorenging. Solange die Erde besteht, hat Michael die kosmische Intelligenz verwaltet. Und wenn ein Mensch Gedanken, das heißt intelligenten Inhalt, in sich gefühlt hat, noch in der Alexander-, in der Aristoteleszeit, dann betrachtete er diese Ge danken nicht als seine eigenen Gedankeninhalte, sondern als die ihm durch die Michael-Macht geoffenbarten Gedanken, wenn man auch in jener heidnischen Zeit dieses Wesen anders bezeichnet hat. Aber dieser Gedankeninhalt entfiel Michael nach und nach. Und wir sehen, wenn wir in die geistige Welt hineinschauen, dieses Heruntersinken der Intelligenz von der Sonne auf die Erde, das sich vollzieht so bis gegen das achte nachchristliche Jahrhundert hin. Im neunten nachchristlichen Jahrhundert, da beginnen die Men schen schon, ich möchte sagen, als Vorläufer der späteren, Eigen-intelligenz zu entwickeln, da faßt die Intelligenz ihren Sitz in den Seelen der Menschen. Und Michael und die Seinen schauen hin unter von der Sonne auf die Erde und können sagen: Was wir durch Äonen verwaltet haben, das ist uns entsunken, das ist uns verlorengegangen, das ist hinuntergeströmt und ist jetzt in den Seelen der Menschen auf Erden.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, das war die Stimmung inner halb der Michael-Gemeinschaft auf der Sonne. Zur Alexanderzeit und Jahrhunderte vorher war es so, daß die vorige Herrschaft des Michael auf der Erde war. Zur Zeit des Mysteriums von Golgatha war aber Michael mit den Seinen in der Sonne. Und man sah nicht nur den Christus zur Zeit des Mysteriums von Golgatha die Sonne verlassen, die Michael-Anhänger sahen ja nicht so wie die Erden-bewohner den Christus herankommen, sie sahen ihn fortgehen von der Sonne, aber sie sahen zugleich, wie ihnen die Herrschaft über die Intelligenz allmählich entsank.

So haben. wir im Lauf der neueren Menschheitsentwickelung die

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Erscheinung, daß vom Mysterium von Golgatha aus die Entwicke lung so fortgeht: wenn hier die geistig-himmlische Linie ist und hier die irdische (s. Schema: rot und gelb>, daß der Christus zur Erde kommt und mit der Erde weiter sich entwickelt, daß das intel ligente ,Wesen nach und nach auf die Erde heruntersteigt, bis ins

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achte, neunte Jahrhundert (grün>. Da beginnen die Menschen in dem, was sie Wissenschaft nennen, was sie in ihren Gedanken ent wickeln, sich die eigene individuelle, persönliche Intelligenz zu zuschreiben. Michael sieht unter den Menschen dasjenige, was er durch Äonen verwaltet hat. Und es ist die Stimmung innerhalb der Michael-Gemeinschaft: Wir müssen bei unserer nächsten Herr-schaft - die eben im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts beginnen sollte -, wenn wir wiederum die Erdenzivilisation mit unseren Impulsen durchdringen, wir müssen die Intelligenz, die vom Himmel auf die Erde gesunken ist, dort wieder finden, um in den Herzen, in den Seelen der Menschen das zu verwalten, was wir von der Sonne, vom Kosmos aus durch Äonen verwaltet haben.

Und so ist in dieser Zeit eine Vorbereitung, um in den Herzen der Menschen von seiten der Michael-Gemeinschaft das wiederzu finden, was verlorengegangen ist, was gewissermaßen unter dem Einfluß des Mysteriums von Golgatha auch den Zug, wenn auch einen längeren Zug, vom Himmel zur Erde durchgemacht hat. Wie das zuging im weiteren, daß Michael und die Seinen anstrebten, die ihnen im Sonnenhimmel entfallene Intelligenz in den Herzen der Menschen von diesem Michael-Zeitalter an, vom Ende der sieb-ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts beginnend, wieder zu erobern,

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das möchte ich Ihnen ein wenig beschreiben. Michael, der von der Sonne auf die Erde gestrebt hat für diejenigen, die Geistiges im Kosmos schauen, Michael will in der Zukunft seinen Sitz auf schlagen in den Herzen, in den Seelen der Erdenmenschen. Und das soll beginnen mit unserem Zeitalter, das soll sein eine Führung des Christentums in tiefere Wahrheiten hinein, indem Christus seine Erklärung, sein Einleben in die Menschheit als Sonnenwesen finden soll durch jenen Sonnengeist - Michael -, der das Begreifen, das heißt die Intelligenz, immer verwaltet hat, der es nun nicht im Kosmos verwalten kann, der es aber in Zukunft durch die Herzen der Menschen verwalten will.

Wenn man heute Intelligenz irgendwie geoffenbart findet und man will ihrem Ursprung nachgehen, dann wendet man sich an einen menschlichen Kopf, weil eben die Intelligenz sozusagen vom Himmel auf die Erde heruntergekommen ist, in der menschlichen Seele webt und innerlich durch das Haupt des Menschen, durch den Kopf, sich manifestiert. So war es nicht immer, wenn man Intelligenz anstrebte, wenn man das anstrebte, was als intelligentes Wesen aus dem Kosmos sich offenbarte. Auch der Mensch strebte nicht durch eine Entwickelung seines Hauptes in früheren Zeiten Intelligenz an, sondern er strebte sie dadurch an, daß er die Inspi ration durch die Kräfte des Kosmos suchte.

Ich möchte sagen: Ein Beispiel davon, wie die kosmische Intel ligenz gesucht werden kann, wie sie heute nicht mehr gesucht wird, wie sie aber einmal gesucht wurde, bekommt man, wenn man -wie es uns gegönnt war am letzten Sonntag - in Tintagel an der Stelle steht, wo einstmals das Artus-Schloß gestanden hat, wo Artus seine Herrschaft geführt hat, diese sonderbare, für die europäische Welt bedeutungsvolle Herrschaft geführt hat mit seinen zwölf Genossen.

Man wird aus dem, was geschichtliche Dokumente von Artus und seiner Tafelrunde berichten, nicht leicht eine Vorstellung be-kommen davon, was eigentlich die Aufgaben dieser sogenannten Tafelrunde des Artus waren. Aber man bekommt eine Vorstellung,

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wenn man mit geistigem Auge an der Stelle steht, wo einstmals das &hloß stand, und hinschaut auf das Stück Meer, das man da überblickt, über jenes Stück Meer, das durch einen Gebirg~ kogel gewissermaßen in zwei Teile geteilt wird (s. Zeichnung). Da

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kann man in verhältnismäßig kurzer Zeit ein wunderbares Spiel zwischen Licht und Luft, aber auch zwischen den Elementargeistern, die in Licht und Luft leben, schauen. Da kann man schauen, wie jene geistigen Wesenheiten, die bald mit den Sonnenstrahlen sich auf die Erde ergießen, bald im flimmernd-fließenden, flüssigen Regenguß sich spiegeln und ihre Spiegelung auffangen, da~ jenige, was den Schwerkräften der Erde unterliegt, in der Luft sich in den dichteren Luftgeistern äußert. Da kann man wiederum schauen, wenn der Regen sich auslöscht und die Sonnenstrahlen die Luft in Reinheit durchdringen, wie auf eine ganz andere Art das Spiel der Elementargeister da stattfindet. Da schaut man Sonnen-wirkung im Erdenstoffe. Da wird man, wenn man das schaut, vor zugsweise von einer solchen Stätte aus, wie diese ist, da wird man heidnisch andächtig - man kann nicht recht christlich andächtig werden, heidnisch andächtig ist etwas anderes als christliche An dacht -, man wird dann heidnisch andächtig. Heidnisch andächtig sein heißt, sich hingeben mit Herz und Gemüt an die in den Natur-wirkungen anwesenden geistigen Wesenheiten, zu der Vielheit der in den Naturwirkungen vorhandenen geistigen Wesenheiten.

Nun ist es im allgemeinen für den heutigen Menschen bei unseren sozialen Einrichtungen nicht möglich, diese Wirkungen, die sich da äußern im Spiel der Naturkräfte, festzuhalten. Nur der Initiationserkenntnis ist es möglich, in diese Dinge einzudringen.

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Aber sehen Sie, zu allem, was im Geist erlangt werden soll, gehört ja immer etwas, was Grundbedingung ist. Ich sagte Ihnen heute morgen bei jenem Beispiel, durch das ich zunächst erläutert habe, was für die Erkenntnis äußerer Erscheinungen getan werden muß, daß dazu das sich harmonisierende Karma von zwei Menschen wirken muß. Damit in der rechten Weise in die Mission, in die Auf gabe des Königs Artus und der Seinen damals das einfließen konnte, was sich vom Meer herein in einer so wunderbaren Weise geister-haft offenbart, mußte damals etwas Besonderes da sein.

Es ist ja durchaus so, als ob heute noch das Spiel, das da über den sich kräuselnden, den schäumenden Meereswellen in der Luft-region, von der Sonne durchleuchtet und durchglänzt, sich fortsetzt, als ob heute noch die Natur über diesem Meer, an diesen Bergen überall geisterte. Aber um das festzuhalten, was da in den Natur-wirkungen geisterte, dazu gehörte, daß nicht nur ein Mensch dies aufnahm. Dazu gehörte eine Gruppe von Menschen, eine Gruppe von Menschen, von der sich einer als Sonne im Mittelpunkt fühlte und dessen zwölf Genossen stets so erzogen wurden, daß sie in ihrem Temperament, in ihrem Gemüt, in ihrer ganzen Wesen~ äußerung zusammen eine Zwölfheit ergaben, die man ebenso grup­pieren konnte als einzelne zwölf sich gruppierende Menschen, wie die Bilder des Tierkreises um die Sonne herum sind. So daß eben auch die Tafelrunde darin bestand, daß der König Artus den Mittel-sitz hatte und ringsherum zwölf angeordnet waren, die da, wo sie sozusagen in ihrem Consilium zusammen waren, über sich die Tierkreisbilder als ihr Emblem, als ihr Signum hatten, um zu zei gen, unter welchem kosmischen Einfluß sie standen. Von diesem Ort ging sozusagen die Zivilisation Europas aus. Da nahmen der König Artus und seine Zwölf die Kräfte auf, die sie sich von der Sonne holten, um ihre mächtigen Züge durch das übrige Europa zu machen und dafür zu kämpfen, daß die alten wilden dämoni schen Gewalten, die zum großen Teil damals noch in der euro päischen Bevölkerung waren, aus den Menschen herauskamen. Für die äußere Zivilisation kämpften diese zwölf Genossen des Königs Artus, der sie dirigierte.

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Wenn wir uns nun fragen: Wie fühlten sich denn die Zwölf? Als was fühlten sie sich? Ja, wir verstehen nur, was da war, wenn wir auf das zurückgehen, was ich eben ausgeführt habe. Intelligenz fühlten die Menschen nicht in sich. Sie sagten nicht: Ich erarbeite mir meine Gedanken, meine intelligenten Gedanken -, sondern sie empfanden die Intelligenz als das Geoffenbarte, und sie suchten die Offenbarungen durch eine solche Gruppe, wie ich sie geschildert habe, zu zwölf oder dreizehn. Da sogen sie die Intelligenz herein, jene Intelligenz, die sie brauchten, um die zivilisatorischen Impulse zu formen. Und sie fühlten sich wiederum unter der Macht, die man mit dem christlich-hebräischen Namen Michael bezeichnen kann. Im eminentesten Sinn ist sogar - die ganze Konfiguration des Artus-Schlosses zeigt es - die Schar der Zwölf unter der Direktion des Königs Artus eine Michael-Schar, eine Michael-Schar aus jener Zeit, da Michael noch die kosmische Intelligenz verwaltete.

Ja, diese Schar ist es sogar, die am längsten daran festgehalten hat, Michael die Herrschaft über die kosmische Intelligenz zu sichern. Und man möchte sagen: Wenn man heute hinschaut auf die Trümmer des Artus-Schlosses, so fühlt man heute noch aus der Akasha-Chronik die Steine herunterfallen von dem, was einstmals mächtige Schloßpforten waren, und mit dem Herunterfallen dieser Steine fühlt man etwas wie ein irdisches Bild des Heruntersinkens der Intelligenz, der kosmischen Intelligenz aus den Händen des Michael in die Gemüter der Menschen hinein.

Und es ersteht neben der Artus-Michael-Strömung eine pola rische Gegenströmung, diejenige Strömung an einem anderen Ort, an einem Ort, wohin sich mehr das innerliche Christentum dann geflüchtet hat, es entsteht die Grals-Strömung. Jene Kommuni kation besteht, die Sie angedeutet finden in der Parzival-Sage. Die Grais-Strömung findet sich. Auch in dieser Grals-Strömung finden wir die zwölf um den einen, aber so, daß nun durchaus gerechnet wird damit, daß vom Himmel zur Erde herunterfließend sich nicht mehr offenbart die Intelligenz, Gedanken intelligenter Art, sondern daß jetzt dasjenige, was herunterfließt, sich wie der reine Tor -Parzival - ausnimmt gegenüber den Erdengedanken. Das fließt also

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nun vom Himmel herunter, und es wird auf die Intelligenz nur noch innerhalb des Irdischen gerechnet.

Da ist im Norden hier heräben die Artus-Burg, wo man noch denkt an die kosmische Intelligenz, wo man die Intelligenz des Weltenalls zur Zivilisation der Erde einführen will. Da ist die Gegenburg, die Gralsburg, wo vom Himmel herunter nicht mehr die Intelligenz geholt wird, wo voll gerechnet wird damit, daß, was weise ist vor den Menschen, töricht ist vor Gott, und was weise ist vor Gott, töricht ist vor den Menschen. Da fließt aus von dem Schloß mehr im Süden dasjenige, was sich mit Ausschluß der Intel ligenz in die Intelligenz erst hineinergießen will.

Und so haben wir in älteren Zeiten, die aber noch durchaus hinaufgehen bis in jene Zeiten, wo da drüben in Asien das Myste rium von Golgatha stattfindet, da haben wir in jenen alten Zeiten, wenn wir uns so recht hineinstellen in das, was geschieht, auf der einen Seite die vehemente Bestrebung, Michaels kosmische Herr schaft über die Intelligenz zu sichern durch das Artus-Prinzip, auf der anderen Seite von Spanien aus in dem Grals-Prinzip das Be streben, damit zu rechnen, daß die Intelligenz in der Zukunft auf der Erde gefunden werden müsse, daß sie nicht mehr vom Himmel herunterströmt. Die ganze Grals-Sage atmet den Sinn dessen, was ich eben ausgesprochen habe.

So finden wir, indem wir diese zwei Strömungen gewissermaßen nebeneinanderstellen, das große Problem, das dazumal gestellt wor den ist, ich möchte sagen, durch dasjenige, was historisch vor den Menschen stand: die Nachwirkungen des Artu~Prinzips und die Nachwirkungen des Grals-Prinzips. Das Problem war gestellt: Wie findet nicht nur ein Mensch wie Parzival, sondern wie findet auch Michael selber den Weg von seinen Artu~Protektoren, die seine kosmische Herrschaft sichern wollen, zu seinen Gral-Protektoren, die ihm den Weg hinein in die Herzen bahnen wollen, in die Ge müter der Menschen, damit er die Intelligenz dort ergreifen kann? Und es schließt sich uns zusammen, was wie das große Problem unseres Zeitalters vor uns steht: daß durch die Michael-Herrschaft das Christentum in einem tieferen Sinn erfaßt werden soll. Es steht

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gewaltig vor uns, dieses Problem, hingeschrieben durch die beiden Gegensätze, durch jene Burg, deren Trümmerhaufen in Tintagel zu sehen sind, und in jener Burg, die ja von den Menschen nicht so leicht gesehen wird, weil sie überall umrankt ist von dem Geister walde, der sechzig Meilen im Umkteis sich erstreckt. Zwischen diesen beiden Burgen aber steht die mächtige Frage: Wie wird Michael der neue Impulsgeber für die Erfassung der Wahrheit des Christentums?

Man kann nun nicht sagen, daß die Ritter des Königs Artus nicht gekämpft hätten für den Christus und im Sinn des Christu~ Impulses. Nur lag in ihnen das, daß sie den Christus noch in der Sonne suchten und nicht aufhören wollten, das Christu~Wesen in der Sonne zu suchen. Darin gerade lag das, wodurch sie fühlten, daß sie den Himmel auf die Erde heruntertrugen, daß sie für den aus den Sonnenstrahlen wirkenden Christus ihre Michael-Kämpfe führten. Nun, in einem anderen Sinn wirkte dann innerhalb der Grais-Strömung der Christus-Impuls mit vollem Bewußtsein, daß er heruntergekommen ist auf die Erde, daß er durch die Herzen der Menschen getragen werden muß, daß er gewissermaßen das Gei stigste der Sonne mit der Erdenevolution der Menschen vereinigt.

Nun habe ich Ihnen in diesen Tagen von jenen Individualitäten, Persönlichkeiten, erzählen können, die im zwölften Jahrhundert noch in der von hoher Geistigkeit getragenen Schule von Chartres gewirkt haben. Ich habe Sie aufmerksam gemacht auf solche Lehrer der Schule von Chartres wie Bernardus Sylvestris, Bernardus von Chartres selber, Alanus ab Insulis, - auch einige andere haben da gelehrt und eine große Schülerschaft um sich gehabt. Wenn man all das nimmt, was ich Ihnen ja schon charakterisiert habe, was eigen war diesen großen Lehrern von Chartres, so kann man sagen:

Sie hatten noch etwas in sich von den alten Traditionen einer leben dig wesenhaften Natur, nicht der abstrakten Natur, die materiell war. Und deshalb war es denn auch, daß, ich möchte sagen, über der Schule von Chartres noch etwas schwebte von jenem Sonnen-christentum, das als Michael~Ritter die Helden der Artus-Tafel-runde als Impulse in die Welt zu setzen versuchten.

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Sie ist schon in einer merkwürdigen Weise, diese Schule von Chartres, ich möchte sagen, hereingestellt mitten zwischen dem nordischen Artus-Prinzip und dem südlichen Christus-Prinzip. Und wie die Schatten der Artu~Burg und die Schatten der Grals-Burg wirken herein die übersinnlichen unsichtbaren Impulse, nicht so sehr in den Inhalt der Lehre als vielmehr in den ganzen Ton, in die Haltung, in die Stimmung dessen, was in den - wir würden heute sagen - Hörsälen von Chartres an begeisterten Schülern da war.

Es war das die Zeit, in der namentlich von diesen Lehrern von Chartres das Christentum durchaus so vertreten wurde, daß überall geschaut wurde in dem Christus, der in Jesus von Nazareth erschie nen ist, das hohe Sonnenwesen. So daß man, ich möchte sagen, gleichzeitig, wenn man von dem Christus sprach, den nach dem Sinn der Grals-Anschauung innerhalb der Erdenevolution fortwir kenden Christus-Impuls sah, aber auch zu gleicher Zeit das Herab-strömen des Sonnenimpulses in dem Christus.

Was sich da der geistigen Anschauung darbot als der Grundton der Lehre von Chartres, das ist heute nicht aus den literarischen Dokumenten zu gewinnen, die von den einzelnen Lehrern der Schule von Chartres vorhanden sind. Die nehmen sich aus für den Menschen, der sie heute liest, fast wie Namenskataloge. Aber wer sie mit spiritueller Einsicht liest, der sieht gerade in den kurzen Zwi schensätzen, die sich zwischen den so reichlich angeführten Namen und Terminologien und Definitionen finden, die tiefe Einsicht, die spirituelle Einsicht, die noch diese Lehrer von Chartres gehabt haben.

Nun gingen diese Lehrer von Chartres dann gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts hin durch die Pforte des Todes, in die gei stige Welt hinein. Dort trafen sie zusammen mit jener anderen Strömung, die an die alte Michaels-Zeit anknüpfte, die aber durch aus mit dem vollen Christentum rechnete: mit dem vom Himmel auf die Erde herabgekommenen Christus-Impuls. In der geistigen Welt trafen sie zusammen mit alledem, was an Vorbereitung des Christentums in alter Zeit durch die Aristoteliker geleistet wurde

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dadurch, daß Alexander der Große seinen Zug nach Asien hinüber unternommen hatte, sie trafen zusammen aber auch mit dem ja damals in der geistigen Welt befindlichen Aristoteles und Alexan der selber. Was diese beiden in sich trugen, konnte damals nicht auf der Erde sein, weil es durchaus mit einem Aufgeben des alten natur-haften Christentums rechnete, wie es noch im Abglanz in der Lehre von Chartres vorhanden war, wo eben noch so etwas nachwirkte wie, ich möchte sagen, das heidnische Christentum, das vorchrist liche Christentum, das auch in der Artus-Runde vorhanden war. In dieser Zeit, als die Lehrer von Chartres wirkten, konnten die Aristoteliker, konnten diejenigen, die den Alexandrinismus be-gründeten und förderten, nicht auf der Erde sein. Ihre Zeit kam etwas später, erst vom dreizehnten Jahrhundert ab.

Aber da trat etwas sehr Bedeutsames ein in der Zwischenzeit. Diejenigen, die die Lehrer von Chartres waren, und alle, die dazu gehörten, trafen, als sie eben durch die Pforte des Todes gegangen waren, hinaufgestiegen waren in die geistige Welt, mit denen zu sammen, die sich gerade vorbereiteten, um herunterzusteigen in die physische Welt, und die gemäß ihrem Karma dazumal hinstrebten zu dem vorzugsweise den Aristotelismus und Alexandrinismus pfle genden Dominikaner-Orden. Also mit diesen sich für den Herunter-stieg vorbereitenden Seelen trafen sie zusammen. Und wenn ich in heutigen trivialen Worten sprechen soll, so möchte ich sagen, es fand da statt an der Zeitenwende zwischen dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert, im Beginn des dreizehnten Jahrhunderts, eine Art von Besprechung zwischen den eben angekommenen und den herabsteigenden Seelen. Und in dieser Besprechung fand statt der große Ausgleich, indem vereinigt werden sollte das Wirken des Sonnenchristentums, wie es sich zum Beispiel im Grals-Prinzip offenbart, wie es sich dann auch in den Lehren von Chartres offen bart, mit dem, was Aristotelismus, Alexandrinismus war. Und die Alexandriner stiegen herunter, begründeten die heute gar nicht genug gewürdigte, geistig bedeutsame Scholastik, innerhalb der er-kämpft wurde das, was nur zunächst durch das Radikale eines Ex-trems erkämpft werden konnte: die Einsicht in die persönliche Unsterblichkeit

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des Menschen im christlichen Sinn, - diese persönliche Unsterblichkeit, die die Lehrer von Chartres nicht so streng ver traten. Sie hatten durchaus noch etwas von dem in sich, daß sie sagten: Die Seele, wenn sie durch die Pforte des Todes geht, kehrt in den Schoß des Göttlichen zurück. Sie sprachen viel weniger von der persönlichen, individuellen Unsterblichkeit als die Dominikaner- Lehrer, die Scholastiker.

Manches Bedeutsame spielte sich da ab. Es war zum Beispiel, als einer der Scholastiker-Lehrer heruntergestiegen war aus der geisti gen Welt, um dann den Aristotelismus im christlichen Sinn zu ver­breiten; bei diesem Herunterstieg - das Karma wollte es so - noch nicht möglich, im vollen Sinn dasjenige zu verbinden mit der Seele, was der tiefere Inhalt des Grals-Prinzips war. Aus diesem Grunde wurde ja verhältnismäßig spät die Grals-Auffassung des Wolfram von Eschenbach bewirkt. Da brachte ein anderer, der etwas später herunterkam, das Entsprechende nach, und innerhalb des Dominikaner-Ordens wurde von einem älteren und einem jüngeren Domi nikaner verhandelt über die vollständige Verbindung zwischen dem Aristotelismus und demjenigen, was ein mehr naturhaftes Christen tum war, wie es in der Artus-Runde lebte. Dann gingen auch die Individualitäten, die da als die Dominikaner-Lehrer vorhanden waren, hinauf in die geistige Welt. Und jetzt fand jener reale große Ausgleich statt unter der Führung des Michael selber, der herunter. schaute auf die nunmehr auf der Erde befindliche Intelligenz, der aber jetzt die Seinen sammelte: Geistige Wesenheiten der überirdi schen Welt, eine große Summe von Elementarwesen und viele, viele entkörperte Menschenseelen, deren innerer seelischer Zug hin-drängte nach einer Erneuerung des Christentums. Dies konnte noch nicht gleich stattfinden in der physischen Welt, weil die Zeiten dafür noch nicht erfüllt waren. Es wurde aber eine große mächtige, übersinnliche Weisheitsinstitution unter der Führung Michaels sel ber gegründet, wo alle die Seelen vereinigt wurden, die noch heid nisch angehaucht waren, die aber nach dem Christentum strebten, auch diejenigen Seelen, die in den ersten christlichen Jahrhunderten schon einmal mit dem Christentum im Herzen, wie es damals vorhanden

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war, auf der Erde gelebt hatten. Eine Michael-&har bildete sich aus, die in übersinnlichen Regionen, in der geistigen Welt auf nahm jene Lehren der Michael-Lehrer aus der alten Alexander-Zeit, der Michael-Lehrer aus der Zeit der Grals-Tradition, der Michael-Lehrer auch, wie sie in solchen Impulsen wie dem Artus-Impuls vor handen waren.

Alle möglichen christlich nuancierten Seelen fühlten sich hin gezogen zu dieser Michaels-Gemeinschaft, wo auf der einen Seite bedeutsam gelehrt wurde über die alten Mysterien, über alle alten Impulse spiritueller Art, wo aber auch hingewiesen wurde auf die Zukunft, auf das letzte Drittel des neunzehnten Jahrhunderts, wo Michael wieder auf der Erde wirken sollte und wo alle diejenigen Lehren, die nun, ich möchte sagen, in einer himmlischen Schule unter der Führung des Michael im fünfzehnten, sechzehnten Jahr hundert entwickelt wurden, heruntergetragen werden sollten auf die Erde.

Und wenn Sie nach denjenigen Seelen suchen, die sich dazumal um die Schule des Michael selber scharten, sich vorbereitend für die spätere Erdenzeit, dann finden Sie eben darunter zahlreiche Seelen, die heute den Drang fühlen nach der anthroposophischen Bewegung. Das Karma hat diese Seelen so geführt, daß sie sich dazumal in dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt um Michael scharten, um wiederum ein kosmisches Christentum auf die Erde herunterzutragen.

Daß aber das Karma eine große Reihe von Seelen, diejenigen, die ehrlich in die anthroposophische Bewegung hereingekommen sind, mit solchen Antezedenzien, mit solchen Vorbedingungen ver einigt hat, das macht die anthroposophische Bewegung zu der eigentlichen Michael-Bewegung, zu der das Christentum in Wahr heit erneuernden Bewegung. Das liegt im Karma der anthroposo phischen Bewegung. Das liegt aber auch in dem Karma vieler einzel ner von denen, die in ehrlicher Weise an die anthroposophische Be wegung herangekommen sind. Diesen Michael-Impuls, der auf diese Weise konkret erfaßt werden kann, der in zahlreichen Denk mälern hier auf der Erde zu verfolgen ist, der einem auch frappierend

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entgegentritt, wenn man die wunderbaren Naturspiele um das zerstörte Artus-Schloß sieht, diesen Michael4mpuls in die Welt zu tragen - denn er muß im Lauf der Jahrhunderte in die Zivilisation hineinkommen, wenn diese nicht ganz zugrunde gehen soll -, das ist insbesondere die Aufgabe der anthroposophischen Bewegung.

Dies wollte ich zunächst in diesem heutigen Vortrag, der uns geschenkt worden ist, noch einmal in Ihre Herzen einschreiben.

ERSTER VORTRAG London, 24. August 1924

#G240,1961,SE135 Esoterische Betrachtungen Karmischer Zusammenhänge, Bd. 6

Vorerst gibt es mir eine angenehme Befriedigung, herzlichst zu danken für die freundlichen Worte, die der Vorsitzende der Engli­schen Anthroposophischen Gesellschaft, Mr. Gollison, soeben aus­gesprochen hat. Sie können ja immer überzeugt sein, daß es mir tief befriedigend ist, wieder unter Ihnen sein zu können und einiges von unserer anthroposophischen Arbeit hier sich entwickeln zu lassen. In diesem Augenblicke kann man ja mit dieser anthroposophischen Arbeit unter zwei Eindrücken stehen, zuerst unter demjenigen, der bewirkt wird dadurch, daß wir eben von Torquay kommen, wo wir eine Zeitlang leben durften in Darstellungen aus der geistigen Welt, die in dem Zeichen standen, das ich vorgestern dadurch charakteri­siert habe, daß die beiden Sommerveranstaltungen, die aus dem Impuls unseres Freundes Dunlop und unserer Freundin Mrs. Merry hervorgegangen sind, daß diese Veranstaltungen einen, wie ich sagen möchte, eben okkult anheimeln, daß man aus dem ganzen Milieu der Veranstaltungen, aus dem Umgebensein mit der elemen­tarisch, auch geistig elementarisch wirkenden Natur, oder wenig­stens dem Nahesein solcher Natur, auch eine gewisse innere impul­sive Veranlassung hatte, mit dem, was auseinandergesetzt wurde, stehenzubleiben innerhalb derjenigen Impulse, die durchaus an die Lokalität gebunden sind.

Das zweite ist, daß es mir ja zum ersten Male gegönnt ist, nach der bedeutungsvollen Weihnachtstagung am Goetheanum hier unter Ihnen, meine lieben Freunde, zu sprechen. Diese Weihnachtstagung in ihrer Bedeutung ist ja wohl, denn das lag in Ihren Absichten, hier im Zweige unserer englischen Freunde durchgesprochen, durch-gedacht, durchempfunden worden. Es ist ja richtig, meine lieben Freunde, daß der ganze, volle Impuls dieser Weihnachtstagung auf der einen Seite, soviel es sich nun gezeigt hat, da ich ja an verschie­denen Orten sprechen durfte nach dieser Weihnachtstagung, daß

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dieser ganze volle Impuls der Weihnachtstagung - da mehr, dort weniger - verstanden wird, daß er sich beginnt einzuleben, daß er aber auch manches Befremden noch hervorruft innerhalb der Her­zen unserer lieben anthroposophischen Freunde.

Es war dieser Weihnachtsimpuls dadurch notwendig geworden, daß eben die Entwickelung der Anthroposophischen Gesellschaft, seit sie selbständig geworden ist, sich losgelöst hat, herausgegliedert hat aus ihrem früheren äußeren Verbundensein mit der Theosophi­schen Gesellschaft, nicht jene Gestalt angenommen hat, von der ich gedacht habe, namentlich 1913, daß sie angenommen werden würde.

Und dann hat sich mancherlei aus der Anthroposophischen Ge­sellschaft heraus entwickelt, was nicht in organischer innerer Lebenskraft dessen stand, was die anthroposophische Bewegung geistig, spirituell darstellt. Das alles habe ich ja während der Weih­nachtstagung auseinandergesetzt, möchte hier nur darauf verweisen. Es war in gewissem Sinne ein Wagnis, in den Wochen vor der Weihnachtstagung zu dem Entschlusse zu kommen, daß ich selbst den Vorsitz der Anthroposophischen Gesellschaft, wie sie nun vom Goetheanum aus begründet worden ist, übernehmen konnte. Denn bisher war es ja so, daß ich durchaus nur im Hintergrunde als Lehrer innerhalb der anthroposophischen Bewegung gelten wollte und offiziell kein Amt annahm. Es ist schwierig, mit all demjenigen, was in der geistigen Welt als Verpflichtung dem Lehrenden auf­erlegt ist, mit all den Verantwortlichkeiten gegenüber der geistigen Welt gerade in der heutigen Zeit die äußere Verwaltung der Ge­sellschaft zu übernehmen, die nun einmal die Verwaltung des Geistesgutes, des Weisheitsgutes der Anthroposophie zu ihrer Auf­gabe hat. Allein, es mußte geschehen. Es war aber insofern ein Wagnis, als man natürlich vor der Eventualität stand, daß auch dadurch manches verlorengehen könnte von jenen spirituellen Strömungen, die einmal aus der geistigen Welt heute in die Men­schenwelt hereinwollen, und deren Empfangen die Aufgabe der anthroposophischen Bewegung ist

Nun darf aber gesagt werden, daß durchaus die Sache sich so

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dargestellt hat, daß nicht nur etwa seit der Weihnachtstagung kein Zurückstauen der Offenbarungen aus der geistigen Welt vorliegt, sondern im Gegenteil, daß sogar die geistige Welt mit einer viel größeren Wohlgefälligkeit herabsieht auf dasjenige, was durch die anthroposophische Bewegung in der Anthroposophischen Gesell­schaft geschieht, und daß die Gaben aus der geistigen Welt eigent­lich seit dieser Weihnachtstagung wesentlich reicher geworden sind, so daß wir also auch in dieser esoterischen Beziehung durchaus mit voller Befriedigung auf die Weihnachtstagung zurückblicken dürfen.

Dasjenige, was mit dem Worte gesagt ist: die esoterische Be­deutung der anthroposophischen Bewegung, das, meine lieben Freunde, soll immer wahrer und wahrer, immer wirklicher und wirklicher werden. Der Zug, der durch die anthroposophische Be­wegung geht, soll immer esoterischer und esoterischer sich gestal­ten. Das wird nur dann richtig verstanden werden, wenn man die volle esoterische Aufgabe des Vorstandes am Goetheanum ver­stehen wird, wenn man dasjenige verstehen wird, was ich bei der Weihnachtstagung gemeint habe, als ich sagte, er muß ein Initiativ­Vorstand sein, er muß ergreifen die Aufgaben, die der anthropo­sophischen Bewegung aus der geistigen Welt gestellt werden, muß diese aufnehmen, muß sie in die Welt leiten, darf nicht bloß ein Verwaltungsvorstand sein.

Nun, meine lieben Freunde, man hat gesehen, daß die Herzen das Esoterische, das auch durch alles Vortragswesen seit der Weih­nachtstagung am Goetheanum fließt, mit einer großen Empfäng­lichkeit aufnehmen. Und es steht zu hoffen, daß das auch in der Zultunft der Fall sein wird, wenn auch vielleicht die Dinge so liegen, daß wegen des konservativen Sinnes in England noch immer ein leiser Zug bemerkbar ist hier, daß man es lieben würde, das alte Verhältnis fortzusetzen, wie es war, ohne Einschaltung desjenigen, was vom Goetheanum ganz durch den Willen der anthroposophi­schen Bewegung selbst ausgehen soll. Aber es wird ja auch etwas vielleicht Progressistisches in diesem Konservativismus nach und nach sich hingewöhnen. Und wir dürfen hoffen, daß dasjenige, was

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heute vielleicht da ist, aber noch nicht bemerkt wird, überhaupt nicht bemerkt wird, vorübergehe, ohne daß es bemerkt wird, und abgewöhnt wird, ohne daß man erst weiß, daß es da ist. Ich weiß, wie sehr man hängt an demjenigen, was sich einmal eingebürgert hat. Aber man muß durchaus die Empfindungen erheben können, meine lieben Freunde, dazu, daß ja anthroposophische Bewegung überhaupt gegenüber allem in der Welt etwas Neues ist und daß es außerordentlich schwierig, ja auf vielen Gebieten unmöglich ist, in den alten Formen dieses Neue fortzupflegen. Es ist natürlich dem Menschen auf der andern Seite schwierig, die neue Form für den neuen Inhalt zu finden.

Nun, meine lieben Freunde, von da ausgehend möchte ich auch darauf aufmerksam machen, daß im Grunde genommen die anthro­posophische Bewegung, wie sie jetzt sich gestalten will, gestalten ja namentlich in ihren spirituellen Strömungen, eine Art Zurück. kehren ist zu demjenigen, was ursprünglich in den Absichten lag. In diesen Absichten lag ja nicht nur dies, was sich dazumal in Ber­lin abspielte, als die deutsche Sektion in der Theosophischen Ge­sellschaft begründet worden ist, wo während der Begründung dieser deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft von mir in einem Vortragszyklus gesprochen worden ist, der den Titel «Anthro­posophie» hatte, so daß sozusagen damals neben der Begründung der theosophischen deutschen Sektion stand die anthroposophische Bewegung; aber dasjenige, was innerhalb der Theosophical Societv von unserer Seite sich abgespielt hat, war nie etwas anderes als Anthroposophisches.

Und nicht nur dieses war vorhanden, sondern es war auch das vorhanden, daß schon dazumal stark bei mir die Absicht war, den esoterischen Zug in die anthroposophische Bewegung hinein­zubringen. Daher war der erste Vortrag, den ich dazumal innerhalb des Rahmens dessen, was gesprochen werden sollte in der Deut­schen Sektion der Theosophical Society, der erste Vortrag war der, der den Titel trug: Praktische Karma-Übungen.

Aber die Persönlichkeiten, die dazumal mit bei der Begründung waren, bekamen einen furchtbaren Schreck, als sie diesen Titel vernahmen,

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und ich könnte heute noch mit voller Anschaulichkeit die astralischen Wellen des Bebens und Zitterns schildern, welche namentlich die alten Herren an sich zeigten, die dazumal, heraus-gewachsen aus der theosophischen Bewegung, hörten, ich wollte sprechen über praktisches Karma. Und Worte immerhin wie dieses wurden mir entgegengebracht: Wollen Sie denn an einem Tage unsere ganze jahrzehntelange Arbeit - denn die Leute glaubten ja, jahrzehntelange Arbeit geleistet zu haben -, unsere ganze jahr­zehntelange Arbeit einsargen! Und es fanden sozusagen fortwäh­rend Privatsitzungen, Councils statt, in denen man mir begreiflich machte, das könne so nicht gehen. Und ich verspürte dann nicht nur den astralischen und Ich-Eindruck von den Bebe- und Zitter­wellen, sondern ich verspürte auch den fröstelnden Eindruck der astralischen Gänsehaut, welche die alten Herren bekamen.

Und da war es denn ganz unmöglich, bei dem Programm zu bleiben, weil es aussichtslos gewesen wäre. Und so kam eben die theosophische Bewegung in Deutschland in ein mehr theoretisches Fahrwasser, wie sie ja überhaupt in der Theosophical Societv es hat, und das eigentlich Esoterische mußte warten.

Und mit einer entsprechenden Auseinandersetzung in dieser Richtung wollen wir deshalb auch heute beginnen, nachdem diese Einleitung übersetzt sein wird.

Wie Karma im einzelnen Menschen und in der Menschheits­entwickelung auch heute verankert ist und wie sich einzelne kar­mische Tatsachen daraus besprechen lassen, es wird uns vor die Seele treten können, wenn wir dieser Besprechung eine Einleitung vorangehen lassen über die Entwickelung des menschlichen Be­wußtseins aus Zuständen heraus, in denen die Menschen noch im gewöhnlichen Leben eine unmittelbare, elementare Wahrnehmung vom Karma hatten, zu andern Zuständen des Bewußtseins, zu denen sie später kamen und in denen die unmittelbare Einsicht in das Karma verlorenging. Denn heute ist es ja so, daß der Mensch von seinem Karma innerhalb des Bewußtseins, das er nun einmal hat als waches Tagesbewußtsein, nichts weiß. Die Welt, in der er lebt vom Aufwachen bis zum Einschlafen, hält ihn davon ab, von sei­nem Karma unmittelbar elementarisch etwas zu wissen. Aber die Menschheit lebte nicht immer in diesem Bewußtseinszustande, der heute der sogenannte normale ist, sondern die Menschheit lebte in früheren Zeiten, auch in der nachatlantischen Erdenentwickelung, auch im alltäglichen Leben, in anderen Bewußtseinszuständen. Wir leben heute mit dem normalen Bewußtsein in drei Bewußtseinszuständen, die ich öfter charakterisiert habe: erstens das Wach-bewußtsein, zweitens das Traumbewußtsein, wo noch einzelne Stücke der Tageserlebnisse reminiszenzenhaft vor dem Bewußtsein auftauchen, aber auch hineinspielen mancherlei Einschläge der gei. stigen Welt; und endlich als Drittes das völlige Schlafbewußtsein, in dem für die menschliche Seele ringsherum Dumpfheit, Dämmer­nis, Finsternis ist und das Bewußtsein sozusagen in die Bewußt­losigkeit hinuntersinkt.

1. Wachbewußtsein.

2. Traumbewußtsein

3. Schlafbewußtsein.

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So war es nicht immer in der Menschheit. Es gab Zeiten in der menschlichen Entwickelung, wo das alltägliche Bewußtsein in ganz anderer Weise verlief. Und wenn wir weit, ganz, ganz weit zurück­gehen in die Zeiten, die unmittelbar folgten auf die atlantische Katastrophe, wo die Landoberflächen der Erde entstanden an den Stellen, wo früher Meer war, wo das Meer auftauchte an den Stel­len, wo früher Land war, wo die Erde durchgehen mußte durch eine Periode der Vereisung; wenn wir diese Zeit nehmen, die unmittel­bar auf die alte atlantische Katastrophe folgte, in der ausgebreitete alte Kulturen zugrunde gingen, wenn wir also zurückblicken in eine Zeit, die etwa acht- bis zehntausend Jahre hinter uns liegt, dann finden wir allerdings eine Menschheit, welche drei andere Bewußtseinszustände hatte. Jene Menschheit, welche die alte atlan­tische Katastrophe überlebte, sie hatte auch drei Bewußtseinszustände, aber diese waren wesentlich anderer Art. Dieses nüchterne Alltagsbewußtsein vom Aufwachen bis zum Einschlafen, wie es der heutige Mensch hat, wo er jeden anderen Menschen mit scharfen Konturen sieht, wo er auch die übrigen Wesen der Natur und Vor-gänge der Natur mit scharfen Konturen sieht, diesen wachen Tages­bewußtseinszustand gab es allerdings in jenen alten Zeiten nicht; sondern man sah den Menschen ohne scharfe Konturen sich fort­setzen nach allen Seiten ins Geistige, ins Aurische, und man sah im Aurischen auf seine Seele hin. Und auch die Tiere sah man mit mächtiger Aura. Man sah in der Aura ihre innerlichen Vorgänge, das Verdauen, das Atmen. Man sah die Pflanzen wie mit der Blüte heraufstrebend in eine Art Wolke, welche die Erde immerfort ein-hüllte. Alles war in verglimmendes astralisches Licht für dieses Bewußtsein getaucht. Und man kann schon davon sprechen, daß dieser Tagesbewußtseinszustand für jene alte, auf die atlantische Katastrophe folgende Menschheit der einer verglimmenden Astral­anschauung der physischen Welt war.

Ich sage verglimmend, das heißt in seiner Leuchtekraft sich all­mählich abschwächend, weil eben vor der atlantischen Katastrophe dieses Schauen in einem astralischen Leuchten viel stärker und intensiver war als heute. Aber das Hineinkommen in diesen Bewußtseinszustand,

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jenes Hinein-Aufwachen in diesen Bewußtseins-zustand - denn mit einem Hinein-Aufwachen, wie es ja auch das heutige Aufwachen ist, läßt sich das vergleichen -, jenes Hinein-Aufwachen in diesen Bewußtseinszustand des verglirumenden Astralschauens, das war anders als das Sich-Herauswinden des heu­tigen Menschen aus dem Schlafzustand, wo die chaotischen Träume zunächst vor der Seele stehen, bevor der Mensch in den Tag eintritt.

Wenn diese Leute der alten Zeit aufwachten, dann war es so, als ob sich ihnen im Bewußtsein nachschöbe nun nicht bloß eine Traumeswelt, sondern eine Welt der Wirklichkeit, in die sie unter­getaucht waren, von der sie auch wußten, daß sie aus ihr heraus­kommen und daß sie darinnen Umgang hatten mit Geistwesen, mit Geistwesen höherer Hierarchien, mit Geistwesen elementarischer Art. Es war wirklich dieses Aufwachen so, wie es ist, wenn der Mensch heute von einem Orte, an dem er vieles erlebt hat, an einen anderen Ort kommt, wo er sich im Umkreise von neuen Erlebnis sen an all das erinnert, was er erlebt hat. Trat man in den Tag ein in jenen alten Zeiten, dann hatte man die neuen Tageserlebnisse, aber man hatte die geschilderte Erinnerung: man war an einem anderen Orte gewesen, wo man nur mit anderen Wesen zusammen war, wo man nicht unmittelbar mit den physischen Menschen zu­sammen war, die einen sonst mit den Tieren und Pflanzen umgeben, wo man umgeben war von den entkörperten Menschenseelen, die zwischen dem Tode und einer neuen Geburt leben, wo man zusam­men war mit anderen Wesen, die niemals auf der Erde in irgend­einer Inkarnation leben.

Nachdem man eine gewisse Art von Bewohnern des Weltenalis verlassen hatte, fühlte man sich dann hereingestellt in eine andere Welt, in die Welt des physischen Erlebens zwischen Geburt und Tod. Aber man fühlte auch deutlich die Erinnerung an die geistige Welt, an jene Welt, die der Mensch durchläuft zwischen dem Tode und einer neuen Geburt Man kann sagen: da trat herein in die ver­glimmende Astralanschauung die Anschauung der geistigen Welt.

So daß eigentlich dieser Bewußtseinszustand, wo der Mensch wie heute so zwischen rein physischen Wesenheiten steht, damals gar

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nicht vorhanden war. Es hatten damals schon die Menschen nicht bloß in einer Art von Träumen, sondern in einer sehr realen Wirk­lichkeitsvorstellung die Empfindung: sie sehen, wenn sie heraus­kommen in das Tagesbewußtsein, Bäume und Tiere und Berge und Felsen und Wolken, aber es ist dieselbe Welt, in der auch jene Geisteswesen und jene Menschenseelen leben, die nicht auf Erden verkörpert sind, die in der geistigen Welt leben, mit denen man zwischen dem Tode und einer neuen Geburt lebt. Und dann be­kamen sie die reale Vorstellung, diese Menschen: in jeden Baum, in jeden bemerkenswerten Felsen, in die Tiefe der Berge hinein und zu den Höhen der Wolken hinauf bewegen sich, während der Mensch aufwacht, diese Wesen hin, schlüpfen hinein, tauchen unter in die einzelnen Wesenheiten, in die Geschöpfe der äußeren phy­sischen Natur.

Man ging in den Wald, man sah einen besonderen Baum. Man wußte dazumal: dahinein ist ein Nachtwesen geschlüpft, mit dem man zusammen war, und man sah deutlich, wie das der Initiierte heute noch sehen kann: in die physischen Lokalitäten hinein schlüp­fen die geistigen Wesenheiten wie in ihre Häuser. Kein Wunder daher, daß dann alle diese Dinge in den Mythus übergingen und die Menschen davon sprachen, daß es Baumgeister, Quellengeister, Wolkengeister, Bergesgeister gibt. Sie sahen ja das, womit sie nächt­lich zusammen waren, in die Berge, in die Wellen, in die Wolken, in die Pflanzen, in die Bäume hineinschlüpfen.

Das war die seelische Morgendärnmerung, die damals dieses Hineinschlüpfen der Geistwelt in die physisch-sinnliche Welt sah. Von den hervorragenden, erhabenen Geistern sagte man würdevoll:

sie haben in diesen physischen Lokalitäten ihre Ruhesitze während des Tages. Von den minderwertigeren Elementarwesen, die unter den Menschen, ja oftmals unter den Tieren leben in ihrer Evolu­tionsepoche, von denen sagte man: sie verstecken sich darinnen. Da drückte man die Sache neckisch aus. Aber das, was man da auf der einen Seite im Erhabenen, auf der anderen Seite in Ohnmacht, in Neckischheit ausdrückte, das entsprach genau dem Gefühle, das man gegenüber dieser seelischen Morgendämmerung hatte.

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Nun aber stellen Sie sich vor, meine lieben Freunde, ein Mensch war in einer solchen geistigen Welt im letzten Teil des Schlafes da drinnen, und morgens ging es ihm auf; ganz klar, daß er drinnen war, wurde es ihm erst beim Aufwachen. Warum war das? Warum sah er eigentlich erst beim Aufwachen, als die Geister verschwan­den, diese geistig-übersinnliche Welt, mit der er zusammen lebte zwischen dem Tode und einer neuen Geburt? Deshalb, weil - wäh­rend dieser Zustand da war, während also der Mensch im letzten Teil des Schlafes in diesem Zustande der Anschauung der geistigen Welt war - der Mensch noch in einem dritten Zustande des Be­wußtseins lebte. Da lebte er in einem Bewußtseinszustand, der nun wieder eine ganz andere Welt vor die Seele zauberte. Und zwar sah da der Mensch, während er sich während seines Erdendaseins im Schlafe anschauend in der geistigen Welt befand, zurück auf die Evolution seines Karma.

Dieser dritte Bewußtseinszustand der Menschen, die unmittelbar auf die atlantische Katastrophe folgten, war die Anschauung des Karma. Die war ihnen eben in dieser Zeit einfach eine Realität.

1. Wachbewußtsein: verglimmende Astral-Anschauung.

2. Traumbewußtsein: Anschauung der geistigen Welt

3. Schlafbewußtsein: Anschauung des Karma.

Und wie heute die drei Bewußtseinszustände: Wachbewußtsein, Traumbewußtsein, Schlafbewußtsein, im täglichen Leben abwech­seln, so wechselten dazumal für den Menschen die Zustände der verglimmenden Astral-Anschauung, der Anschauung der geistigen Welt, der Anschauung der Karma-Entwickelung ab.

Ja, es ist so, meine lieben Freunde, daß in diesen alten Zeiten die Anschauung des Karma einfach eine Bewußtseins-Realität für die Menschen war und daß man daher mit Recht sagen kann: es gab einmal eine Art von Bewußtsein in der Menschheit, durch das man einfach hinschaute auf die Realität des Karma.

Dann ging die Entwickelung in der folgenden Art weiter: Zuerst hörte dieser Schlaf, der aber dann ja kein Schlaf war, denn während man schlief, schaute man auf das Karma zurück - zuerst hörte also

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diese Anschauung in bezug auf das Karma auf. Sie verdunkelte sich. Und von dem Tatsächlichen des Karma blieben nur die Erkennt­nisse der Eingeweihten, der Initiierten in den Mysterien zurück. Da wurde dann das, was früher geschaut wurde bei den Menschen als Karma-Erfahrung, es wurde dann Gelehrsamkeit. Was also eine alte Erfahrung war, meine lieben Freunde, wurde dann in späteren Zeiten Gelehrtheit. Denn es dämpfte sich, dumpfte sich ab inner­halb des altertümlichen Bewußtseins, und es verblieb der Mensch­heit nur - und so war es etwa in der Zeit, die uns als die alte chal­däische oder babylonische oder ägyptische geschildert wird - das Hinschauen auf die geistige Welt. So daß man um diese Zeit, also in den Jahrtausenden, die der christlichen Entwickelung vorangin. gen, in einem Menschheitsbewußtsein lebte, dem die Anschauung der übersinnlichen Welt noch durchaus natürlich war, in der aber vom Karma nur gelehrt wurde. Und begreiflich ist es daher, daß gerade in dieser Zeit, die der christlichen Entwickelung voranging, weil noch ein intensives Bewußtsein vorhanden war von der gei­stigen Welt, von der Welt, in welcher der Mensch ist zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, und weil verglommen und ver­dumpft war das Karma-Bewußtsein, begreiflich ist, daß man das Karma-Bewußtsein in der allgemeinen Menschheit ganz verlor, daß es sozusagen nicht da war, als die christliche Entwickelung einsetzte, und daß dann besonders stark der Zusammenhang des Menschen mit der geistigen Welt betont wurde, wenn der Mensch entkörpert ist. Das verspuren wir ja so ganz besonders stark in dem, was uns als die alte ägyptische Anschauung entgegentritt: ein ungeheuer starkes Bewußtsein von der geistigen Welt, ein geläutertes, feines Bewußtsein von der Welt, in die der Mensch eintritt durch die Pforte des Todes, wenn er Osiris wird, aber kein Bewußtsein mehr von den wiederholten Erdenleben.

Dann kam allmählich die Zeit heran, die heute in der Mensch­heits-Entwickelung ihren Höhepunkt hat, die eigentlich der Mensch­heit heute eigen ist. Die Astral-Anschauung ist zu unserem nüch­tern-prosaischen Bewußtsein herabgesunken, das wir im normalen Leben zwischen dem Aufwachen und dem Einschlafen haben, wo

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wir nur das unbedeutende Stück Mensch zum Beispiel sehen, das innerhalb der Haut eingeschlossen ist in Fleisch und Knochen und Gefäßen, was so, wie es von dem heutigen Tagesbewußtsein ge­sehen werden kann, das unbedeutendste Stück Mensch ist. Ganz begreiflich, daß doch bei sehr vielen die Tendenz entsteht, dieses unbedeutende Stück Mensch mit allerlei sogenannten schönen äußeren Bekleidungsstücken zu umhängen, damit es doch noch etwas sei, während man im tiefen Unterbewußtsein das Gefühl hat, daß es eigentlich unbedeutend ist und hineingehört in die leuch­tend wärmende Bekleidung des Aurischen, des Astralischen, des Ich-Wesens.

Und als man zuerst diesen Übergang gefühlt hat vom Schauen des Menschen mit seiner Aura zum Schauen des gegenwärtigen unbedeutenden Menschen, da hat man schon in der Bekleidung nachzuahmen versucht, wie das ausschaut, was an dem Menschen aurisch ist; so daß die alten Moden - wenn ich das Wort gebrau­chen darf - in gewissem Sinne Abbilder sind des Aurischen. Von den neueren Moden kann ich Ihnen die Versicherung geben, daß sie es gar nicht sind.

Das Bewußtsein der übersinnlichen Welt hat die Form angenom­men, daß der Mensch es in den chaotischen Träumen verträumt. Und das Karma-Bewußtsein verschläft er vollständig. Er würde das Karma-Bewußtsein haben, wenn der Teil des Bewußtseins, der traumlos ist zwischen dem Einschlafen und Aufwachen, plötzlich ins Bewußtsein schießen würde. Dann wäre das Karma-Bewußt­sein da.

So ist im Laufe der Menschheits-Entwickelung seit der Zeit, die ich charakterisiert habe, im Laufe von zehntausend Jahren etwa, die Verwandlung vor sich gegangen, daß der Mensch das in der phy­sischen Welt Geistige «verwacht» - denn wir

Das ist etwas, was einmal zum Heraufkommen des Freiheits­Bewußtseins notwendig geworden ist, wie ich öfter ausgeführt habe.

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Aber es muß die Menschheit aus ihrem gegenwärtigen Zustande wiederum herauskommen.

Man kann sagen, daß dasjenige, was, allerdings in einer sehr traumhaften Art, ein natürlicher Bewußtseinszustand in alten Zei ten war - das Wissen von der übersinnlichen Welt und vom Karma - allmählich sich abgedämmert, abgedämpft hat, und das, was von der übersinnlichen Welt an die Menschen herantreten sollte, dann Lehre der Mysterien geworden ist, während es sich innerhalb des neueren materialistischen Zeitalters ganz verloren hat. Aber innerhalb dieses materialistischen Zeitalters muß wiederum die Möglichkeit aufgehen, sowohl zu dem Bewußtsein der über­sinnlichen Welt wie zu dem Bewußtsein von Karma die Brücke zu schaffen.

Das heißt aber mit anderen Worten: wenn man sich vor Augen stellt, wie mit dem seelischen Morgendämmern in uralten Zeiten jene geistigen Wesenheiten, in deren Gesellschaft man vom Ein­schlafen bis zum Aufwachen war, hineinschlüpften in Bäume und Wolken und Berge und Felsen, und der Mensch sich dann während des Tages sagen konnte, wenn er zu einem solchen Baum, zu einem solchen Felsen, zu einem solchen Quell ging: da drinnen ist verzau­bert ein geistiges Wesen, mit dem ich aber in meinem Schlafbewußt-sein beisammen bin, - so muß der Mensch zunächst durch das Auf­nehmen der neueren Initiations-Wissenschaft dazu kommen, mit dem während des Tagwachens vorhandenen Bewußtsein gewisser-maßen geist-erkennend im Anschauen aus jedem Felsen, aus jedem Baum, aus jeder Wolke, aus jedem Stern, aus Sonne und Mond die verschiedenartigsten Geistwesen wieder herauszulocken.

Auf diesen Weg müssen wir uns heute begeben, uns vorbereiten dazu, daß ebenso, wie für die alten Menschen mit dem Aufwachen das Geistwesen, mit dem der Mensch in der Nacht beisammen war, in den Baum, in den Felsen hineingeschlüpft ist, so für die neuere Menschheit herausschlüpft aus Baum und Quell dasjenige, was an geistigem Wesen in Baum und Quelle verborgen ist. Und das kann sein. Das kann dadurch sein, daß der Mensch einfach den Standpunkt

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des gewohnten Vorurteiles ablegt, in den er sich eingelebt hat, in den die Kinder heute schon bis in die Kindergarten-Erzie­hung hinunter eingeführt werden, daß der Mensch ablegt diese Befangenheit, daß man mit dem gesunden Menschenverstand nicht hineinschauen kann in die geistige Welt. Wenn der Initiierte kommt und erzählt die Dinge, die in der geistigen Welt sind, und die Vor­gänge, die in der geistigen Welt stattfinden, und wenn der Mensch auch heute noch nicht hineinschauen kann mit dem gewöhnlichen Bewußtsein: wenn er sich seines unbefangenen Menschenverstandes bedient, so kann dieser Menschenverstand durchleuchtet werden durch die Mitteilung von der geistigen Welt. Und das ist unter allen Umständen für jeden der erste rechte Schritt heute.

Dagegen spricht freilich vieles. Sehen Sie, nach einem der Vorträge, die ich über das Schauen der geistigen Welt in dem ver­flossenen Jahre hielt, erschien in einer nicht ganz unangesehenen Zeitung eine wohlwollende Besprechung - was eben

Ich habe vielleicht niemals mit einer solchen ehrlichen inneren Aufrichtigkeit aussprechen gehört, was eigentlich jeder, der heute vom «gesunden Menschenverstand» aus die Erkenntnis der über­sinnlichen Welt ablehnt und von Grenzen der Erkenntnis in ge­wohntem Sinne spricht, behaupten müßte, wenn er ehrlich ist,

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innerlich ehrlich ist; denn entweder muß man die heutige Anschau­ung aufgeben, oder man muß dieses behaupten; anderes ist nicht innerlich ehrlich.

Der heutige Initiierte weiß eben durchaus zu sagen, wie aus jedem Stern erkennend im Bewußtsein erlöst wird ein Geistes­wesen, wie andere Geisteswesen aus den Pflanzen erlöst werden. Sie treten einem entgegen, wenn man nicht bei der äußeren Sinnes­anschauung stehenbleibt. Und jedes Mal, wenn man in die Natur geht, wenn man zum Beispiel zunächst, aus ihren Steinbehausun­gen hervorgehend, die koboldartigen Elementarwesen schaut, die überall, wo die Natur anfängt ein wenig elementar zu werden, drinnen stecken - dann, wenn man sich so bekannt macht und befreundet mit diesen Elementarwesen, dann sieht man bald auch hinter diesen Elementarwesen, namentlich hinter den Elementar-wesen der mineralischen Welt, höhere Wesenheiten, die zuletzt hinaufführen bis zur ersten Hierarchie, bis zu den Seraphim, Cheru­bim und Thronen.

Und wenn konsequent die Übungen durchgeführt werden, die ich in dem Buche: «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», das ins Englische unter dem Titel

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Elementarwesen, die da herauskommen, sind von einer unglaub­lichen Gescheitheit. Man muß die Bescheidenheit haben, wenn die Zwerge da heraus sich lösen aus den Naturtatsachen und Natur-objekten, sich zu sagen: Da stehst du nun, du dummer Mensch, wie gescheit ist doch diese Elementarwelt! - Und weil im Ernste das doch viele Menschen nicht sagen mögen, weil sie ja nicht einmal sagen mögen, daß ein kleines Kind, das eben geboren worden ist, viel gescheiter ist als derjenige, der viel gelernt hat - wenn man es innerlich anschaut -, deshalb entziehen sich zunächst diese EIe­mentarwesen dem Anblick des Menschen. Kann man aber auf sie eingehen, dann erweitert sich sozusagen der Horizont, und das, was vorne diese neckischen, einen mit ihrer Gescheitheit und Klugheit neckenden Zwerge eröffnen als Vordergrund, das trägt in einen Hintergrund hinein, der bis zu der ersten Hierarchie, bis zu den Seraphim, Cherubim und Thronen kommt.

Und wenn man sich das Bewußtsein schärft mit dem, was die Menschheit gelernt hat gerade durch die Naturwissenschaft in dem letzten Jahrhundert, dann kann man in diese Welt der Elementar-wesen und von da aus in eine höhere Welt mit Hilfe der ange­gebenen Übungen erst recht eintreten. Und erwirbt man sich so an der Natur, an dem liebevoll sich Versenken in die Natur ein Be­wußtsein, das nicht angekränkelt ist von dem, was heute anerkann­tes autoritatives Wissen ist, dann steigt man allmählich wieder auf in der Initiationserkenntnis zu jenem Erkennen, das der Menschheit verlorengegangen ist.

Wer schließlich heute dazu kommt, daß ihm aus den Bäumen entgegentritt der Baumgeist, der für die Alten hineingeschlüpft ist am Morgen in der seelischen Morgendämmerung, der am Abend in der seelischen Abenddämmerung wiederum herabgesprüht ist, der kann dann auch in einer entsprechenden Weise an den Men­schen herantreten und aus dem Menschen der Gegenwart hervor-gehend schauen seine Gestaltungen in früheren Erdenleben mit der Evolution des Karma. Denn für den Menschen mündet dieses Anschauen in das Karma hinein.

Für die mineralische Welt, wo zunächst die mit ihrer Klugheit

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neckenden Zwerge herauskommen, mündet das Anschauen bei den Seraphim, Cherubim und Thronen.

Für die Pflanzen mündet das Anschauen bei den Exusiai, Dyna­mis, Kyriotetes.

Für die Tiere mündet dieses Anschauen, wenn man ihre geistigen Wesen aus ihnen so hervorkommen sieht, in Archai, Archangeloi, Angeloi.

Für den Menschen mündet das in das Karma.

Hinter den in der Welt erscheinenden Seraphim, Cherubim und Thronen und hinter allen übrigen Wesen der höheren Hierarchien, hinter allen Elementarwesen, welche einen aus den Mineralien durch ihre Gescheitheit schockieren, einen aus den Pflanzenwesen durch ihre süße Zudringlichkeit vielleicht schockieren oder auch nicht schockieren, hinter dem, was aus dem Wüsten, zuweilen mit Vehemenz, mit Feuerglut, aber auch mit Fröstelndem aus den Tie­ren entgegentritt, hinter all dem, was da als Vordergrund erschie­nen ist, tritt dann die überwältigend großartige Erscheinung des Karma auf. Denn eigentlich liegt erst hinter all den Geheimnissen der Welt das Geheimnis des Karma für den Menschen.

Und wenn wir unsere Empfindung in der entsprechenden Weise so vorbereitet haben, werden wir nun in den nächsten Vorträgen, die ich noch hier an demselben Orte vor Ihnen halten kann, zu der Besprechung einzelner karmischer Tatsachen gehen können.

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ZWEITER VORTRAG London, 24. August 1924

Läßt man den Blick dahinziehen über die geschichtliche Entwicke-lung der Menschheit, so erscheinen Ereignisse nach Ereignissen im Laufe der Zeiten, und man ist in der neueren Zeit vielfach gewohnt worden, einfach die geschichtlichen Erscheinungen, die da auftre ten, so zu betrachten, daß man in den späteren Zeiten die Wirkun gen früherer Zeiten sucht, sogar von Ursachen und Wirkungen in der Geschichte redet, wie man in der äußeren physischen Welt von Ursache und Wirkung redet.

Wenn man so das geschichtliche Leben ins Auge faßt, wird man sich aber gestehen müssen, daß fast alles unerklärt bleibt. Es wird Ihnen nicht gut gelingen, zum Beispiel den Weltkrieg aus den Er eignissen vom Beginne des 19. Jahrhunderts bis 1914 wie eine Wir kung einfach herzuleiten. Es wird Ihnen nicht gelingen, die am Ende des 18. Jahrhunderts ausbrechende Französische Revolution bloß aus dem hervorzuleiten, was vorher war. Mancherlei Ge schichtskonstruktionen werden gemacht, aber man kommt mit ihnen nicht sehr weit, und man fühlt zuletzt doch, daß es künstliche Geschichtskonstruktionen sind.

Dasjenige, was im geschichtlichen Leben der Menschen vor sich geht, wird erst erklärlich, wenn man die geschichtlichen Persön lichkeiten, die eine bedeutsame Rolle spielen beim Zustandekom men der geschichtlichen Ereignisse, sich anschaut in bezug auf ihre wiederholten Erdenleben. Und erst wenn man eine Weile sich damit beschäftigt hat, das Karma solcher geschichtlichen Persönlichkeiten im Verlaufe der sich wiederholenden Erdenleben zu betrachten, dann wird man sich eine Seelenstimmung dafür aneignen, wie es um das eigene Karma steht. Deshalb wollen wir heute ein wenig geschichtliches Karma betrachten, Persönlichkeiten der Geschichte, die das oder jenes uns Bekannte getan haben, und dieses uns Be kannte dann herleiten von dem, was in ihrem Karma gewissermaßen

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geschrieben war aus der Wiederholung ihres Erdenlebens heraus. Dadurch werden wir zu der Anschauung kommen, daß die Dinge, die in einer Geschichtsepoche geschehen, von den Menschen aus früheren Zeitaltern herübergetragen werden. Und wenn wir uns mit vollem Ernste dasjenige, was oftmals in bezug auf Karma und wiederholte Erdenleben nur theoretisch angeschaut wird, ganz präzise und konkret vor Augen stellen, so werden wir uns ja sagen: alle, die wir hier sitzen, waren oftmals auf der Erde da und tragen in das gegen wärtige Erdenleben die Ergebnisse früherer Erdenleben herüber.

Erst wenn wir dieses völlig ernst nehmen, können wir sagen, daß wir diese Anschauung vom Karma kennen. Aber lernen durch die Anschauung vom Karma kann man nur, wenn man das, was man als Ideen über das Karma aufnimmt, nun als große Frage aus bildet für das geschichtliche Leben. Dann sagt man nicht mehr:

Das, was 1914 geschehen ist, ist die Folge von dem, was 1910 geschehen ist, das, was 1910 geschehen ist, ist die Folge von dem, was 1900 geschehen ist und so weiter. Sondern dann sucht man zu begreifen, wie die Persönlichkeiten, die im Menschenleben auf treten, selber aus früheren Epochen in spätere Epochen hinüber-tragen das, was in Betracht kommt. Und erst auf diese Weise kann eine echte, wahre Geschichtsbetrachtung zustande kommen, wenn man die Hintergründe der Menschenschicksale sieht gegenüber den Vordergründen der Ereignisse, die einem äußerlich in der Ge schichte entgegentreten.

Die Geschichte bietet ja so viel Rätselhaftes. Manches Rätsel hafte aber klärt sich auf, wenn man eine solche Erklärung versucht, wie ich sie eben gesagt habe.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, da treten oftmals Persönlich keiten in der Geschichte auf, man möchte sagen wie Meteore. Man ist erstaunt darüber, daß sie in einer gewissen Zeit auftauchen. Prüft man ihre Erziehung, so kann man aus ihrer Erziehung nicht erklären, warum sie in dieser Weise auftreten. Prüft man ihr Zeit alter, kann man wiederum nicht erklären, warum sie in dieser Weise auftreten. Erst die karmischen Zusammenhänge bringen Aufklärung hinein.

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Ich will auf einzelne solcher Persönlichkeiten hinweisen, bei denen man zweierlei Fragen gerne aufstellt, wenn sie Persönlich keiten sind, die unserem eigenen gegenwärtigen Leben naheliegen, das heißt, wenn sie in noch nicht sehr lange verflossenen Zeit-abschnitten gelebt haben. Dann frägt man wohl gerne: Wie hat es in ihrem vorigen Erdenleben ausgesehen? Was haben sie aus diesem vorigen Erdenleben herübergebracht, daß sie so geworden sind, wie sie geworden sind?

Und hat man es wiederum mit früheren Persönlichkeiten zu tun, die in weit zurückliegenden Zeiten der geschichtlichen Entwicke lung gewirkt haben, dann möchte man doch gern wissen, wann sie wieder aufgetreten sind, als was sie wieder erschienen sind. Wenn gerade ein früheres geschichtliches Leben die betreffenden Persön lichkeiten berühmt gemacht hat, so frägt man sich: Als was sind sie wiedergekommen? Man will dann auf dieses ihr geschichtliches Erdenleben hin andere haben; vielleicht ist es wieder ein geschicht lich oder anderwärtig berühmtes - aber man möchte eben die Zu sammenhänge kennenlernen.

Nun sind solche Zusammenhänge wirklich außerordentlich schwer zu erforschen, und deshalb möchte ich Ihnen zunächst einen Begriff davon geben, wie man, wenn man karmische Zusammen-hänge erforschen will, auf den ganzen Menschen hinzusehen hat, nicht bloß auf das, was einem oftmals als besonders Sprechendes, Charakteristisches entgegentönt.

Da möchte ich ein Beispiel, das zunächst scheinbar persönlich klingen wird, anführen. Ich hatte einmal einen von mir sehr gelieb ten Geometrielehrer. Es war nicht schwer für ihn, von mir geliebt zu werden, weil ich Geometrie während meiner Knabenzeit außer ordentlich liebte. Aber der Lehrer hatte wirklich viel, viel Eigen tümliches. Er hatre eine spezifische Begabung in der Geometrie, die faszinierte, trotzdem er sehr leicht auf Menschen, die nicht tiefe Ein drücke von anderen Menschen empfangen können, einen trockenen, nüchternen Eindruck machte. Aber trotzdem er trocken und nüchtern war, konnte man durch die Wirkung, die von ihm ausging, zwar nicht lyrisch, aber doch außerordentlich künstlerisch berührt sein.

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Nun hatte ich immer das intensivste Bedürfnis, hinter das Ge heimnis gerade dieser Lehrerpersönlichkeit zu kommen. Und ich versuchte dann anzuwenden jene Mittel okkulter Forschung, die in solchen Dingen zum Ziele führen können.

Ich hatte drüben in Torquay schon davon gesprochen und möchte hier nur wiederholen, daß, wenn man vorrückt in der Entwickelung der okkulten Kräfte der Seele, wie ich sie auch hier im Zweig vortrage vor einem Jahre beschrieben habe,* und zu dem leeren Bewußtsein kommt, wenn sich dann das leere Bewußtsein erfüllt mit dem, was aus der geistigen Welt heraus tönt, und wenn man dann solche Dinge hinzufügt, wie ich sie heute vormittag dar gestellt habe, man schon dahin gelangen kann, Impressionen zu haben, Intuitionen zu haben, die ganz exakt sind wie eine mathe matische Wahrheit und die aus gewissen Erscheinungen im gegen wärtigen Leben eines Menschen auf das frühere Leben hinweisen.

Nun konnte ich durch die ausgezeichneten Geometrie-Absichten, möchte ich sagen, durch die Art und Weise, wie der Lehrer Geo metrie behandelte, großes Interesse für diesen Lehrer fassen. Und dieses Interesse blieb mir, und die Persönlichkeit blieb vor mir ste hen, blieb vor mir stehen auch, als sie im hohen Alter dann starb. Nur führte mich das Schicksal, nachdem ich die Schule, an der dieser Lehrer wirkte, verlassen hatte, nicht mehr mit dieser Persön lichkeit zusammen. Aber im Geiste, als Realität, stand diese Per sönlichkeit bis zu ihrem Tode - und nach ihrem Tode ganz beson ders deutlich - vor mir, mit allen Einzelheiten ihres Tuns und Treibens.

Nun ergab sich mir eine Möglichkeit, aus dem gegenwärtigen Leben dieser Persönlichkeit die Intuition für das vorhergehende oder für ihr maßgebendes vorhergehendes Erdenleben zu bekom men aus der Tatsache, daß diese Persönlichkeit einen Klumpfuß hatte, den einen Fuß kürzer hatte, also mit einem kürzeren Fuß ging.

Wenn man bedenkt, daß beim Übergang von einem Erdenleben

* Siehe: Der Mensch als Bild geistiger Wesenheiten auf Erden, London, 2. Sep tember 1923.

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in das andere dasjenige, was im vorhergehenden Leben Kopforgani sation war, Fußorganisation wird, und das, was vorher Fußorgani sation, Gliedmaßenorganisation war, Kopforganisation wird - man kennt das aus meinen früheren Vorträgen -, dann wird man schon einsehen, daß solch ein äußerlich körperlich Auftretendes eine ge wisse Bedeutung im Leben des Menschen haben kann, insofern dieses Leben wiederholte Erdendaseine umfaßt. Von diesem Klump fuß aus konnte ich diese Lehrerpersönlichkeit zurückverfolgen. Und trotzdem sie, ich möchte sagen, als eine unberühmte Persönlichkeit dasteht - aber als eine Persönlichkeit, die in dem Kreise, in dem sie wirkte, wenigstens auf mich und auch auf andere einen inten siven Eindruck machen konnte und auch auf das Leben vieler Men schen in der Tat einen außerordentlich starken Einfluß hatte

konnte ich verfolgen, wie die Betrachtung dieser Persönlichkeit zurückführte in dieselbe Region der geschichtlichen Entwickelung, wo man auch Lord Byron zu suchen hat.

Nun hatte Lord Byron auch einen Klumpfuß. Und diese Eigen tümlichkeiten - scheinbar äußerlich, aber was in einem Leben äußerlich körperlich ist, ist in einem anderen Leben geistig-seelisch -, diese Eigenschaften, die führten dazu, zu erkennen, daß die beiden Persönlichkeiten, die jetzt nicht im gleichen Erdenleben lebten -mein Geometrielehrer mit dem Klumpfuß lebte später als Byron mit dem Klumpfuß -, daß die in einem früheren Erdenleben mit einander vereinigt waren. Also diese beiden: der eine als der geniale Dichter, der andere als der geniale Geometer, der eine zu weiter Berühmtheit kommend, der andere nur intimen Eindruck auf ein zelne Menschen machend, aber schicksalbestimmend für manche Menschen, sie standen nebeneinander im früheren mittelalterlichen Erdenleben. Beide hatten sie miteinander gehört die Legende vom Palladium, das einstmals das Kleinod von Troja war, das heilige Kleinod, das dann mit Äneas herübergekommen ist, dann als Kleinod von Rom angesehen war, an dem das Glück von Rom hing und das dann von dem Kaiser Konstantin hinübergebracht worden ist nach Konstantinopel. Das Glück wiederum, das mit Konstantinopel geschichtlich verbunden war, hing an diesem Palladium.

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Und die Legende erzählt weiter, prophetisch in die Zukunft schauend: wer dieses Palladium erwirbt, der wird die Weltherr schaft in der Zukunft haben.

Über das Meritorische und das Inhaltliche dieser Legende mich auszulassen, ist hier keine Veranlassung. Ich will nur sagen, daß diese beiden Menschen, die dazumal im heutigen Rußland inkar niert waren, miteinander die enthusiastische Reise nach dem Palla dium, nach Konstantinopel unternommen hatten, dort das Palladium nicht erobern konnten, aber ihren Enthusiasmus im Herzen be hielten.

Und nun konnte man wirklich sehen, wie Byron in anderer Weise das Palladium als Teilnehmer an der griechischen Freiheits eroberung holen wollte. Und wenn man das Leben Lord Byrons durchprüft, wird man schon finden, wie viel bei dieser genialen Dichterpersönlichkeit davon abhing, daß sie eine solche enthusia­stische Anregung in einem früheren Erdenleben durchgemacht hatte.

Und wiederum, wenn ich auf meinen Geometrielehrer zurück-schaue: bei all den bescheidenen Eigenschaften, die er hatte, er schien es mir, daß er die reizenden, sympathischen Eigenschaften, die er entwickeln konnte, dieser Unternehmung von dazumal ver dankte, wenn er auch an jener damaligen Unternehmung nur in zweiter Linie beteiligt war. Wäre er vollständig gleichbeteiligt ge wesen mit Lord Byron, dann wäre er auch im späteren Leben sein Zeitgenosse geworden.

Dieses Beispiel führe ich an, damit Sie sehen, man muß auf den ganzen Menschen, zum Beispiel auch auf körperliche Fehler schauen, wenn man karmische Zusammenhänge erforschen will. Wenn man da findet, daß irgendeine Persönlichkeit eine hervor ragende geistige Signatur in einem bestimmten Erdenleben hat, sagen wir ein großer Maler war, dann darf man nicht etwa daraus abstrakt schließen: das war auch in dem vorigen Erdenleben ein großer Maler. Was an der Oberfläche der Seele auftritt, das sind auch nur die Wellen, die vom Karma erst gewoben werden. Das Karma verfließt viel tiefer und hat es mit Leib, Seele und Geist des

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Menschen zu tun. Und man muß einen Blick haben für das ge samte Erdenleben.

Manchmal führt einen bei diesen Eigentümlichkeiten des mensch lichen Lebens auf karmische Zusarnenhänge die Art, wie jemand seine Finger bewegt, viel mehr, als irgendwie seine sonst maßgeb­lichen Betätigungsmöglichkeiten im Leben. Ich habe schon die Erfahrung einmal gemacht, daß ich bei einer Persönlichkeit auf intime karmische Zusammenhänge durch etwas Nebensächliches gekommen bin. Es machte mir bei dieser Persönlichkeit, die oft Unterricht zu erteilen hatte, einen tiefen Eindruck, daß sie jedesmal, bevor sie Unterricht erteilte, zuerst das Taschentuch herausnahm und sich die Nase putzte. Er fing niemals anders mit seinem Unter richt an, der betreffende Mann, es war eine tiefgewurzelte Eigen­tümlichkeit. In dem bedeutsamen Eindruck, den ich davon bekom men habe, konnte man dann eine Intention finden, um zurückzu gehen auf wichtige Dinge, auf bedeutungsvolle Dinge im vorigen Erdenleben. Zeichen muß man finden, Zeichen, etwas am Men schen, was oftmals Bedeutsames bezeichnet: dann findet man zu rück in die vorigen Erdenleben.

Nun, nachdem ich Ihnen dies gewissermaßen vor die Seele hin-gestellt habe, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, wie ge schichtlich historisch interessant die Frage nach dem Karma wird. Nehmen Sie nur einzelne konkrete Fälle. Nehmen Sie zum Beispiel den Fall: Im achtzehnten Jahrhundert tritt in einer ganz merk würdigen Weise Swedenborg auf. Ich habe im vorigen Jahr in Penmaenmawr von einem ganz anderen Standpunkte aus über die geistige Eigentümlichkeit von Swedenborg gesprochen, damals wohl aber sein Karma nicht berührt.

Swedenborg ist eine merkwürdige Persönlichkeit. Er wird mehr als vierzig Jahre alt und ist bis dahin ein außerordentlich großer, bedeutender Gelehrter, so bedeutend, daß er viele rein wissenschaft liche Schriften schreibt, die die Wissenschafter ganz gelten lassen; so bedeutend, daß jetzt sich noch die schwedische Akademie der Wissenschaften damit beschäftigt, die vielen Bände, die noch nicht herausgegeben sind, die im Nachlaß sind, herauszugeben - rein

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wissenschaftliche Schriften. Mit der Ausgabe dieser ganz exakt wissenschaftlichen Werke beschäftigt sich zum Beispiel Arrhenius, und man muß schon sagen, da muß etwas im höchsten Grade un spirituell sein, wenn sich Arrhenius dafür interessiert! Also niemand könnte dem Swedenborg nachsagen bis in sein vierzigstes Jahr hin ein, daß er irgend etwas mit Spirituellem zu tun gehabt hätte in seinem Erkennen. Dann plötzlich fängt er an - wie die Wissen schafter sagen - verrückt zu werden, fängt plötzlich an, große, um­fassende Beschreibungen der geistigen Welt zu geben, wie er sie gesehen hat. Wie etwas ganz Neues, kometenartig, tritt es auf in diesem Swedenborg-Leben. Man frägt sich: Ja, wie muß es da lie gen mit einem früheren Erdenleben, daß das so herauskommen kann?

Wiederum ist eine Persönlichkeit da wie Voltaire - ich will ein zelne jetzt anführen, die uns Fragen stellen können - Voltaire, der auftritt als eine ganz, ich möchte sagen, inkommensurable Persön lichkeit. Man weiß zunächst gar nicht, wie dieser zum Teil spot tende, zum Teil pietistisch mit allen Lebenssalben geschmierte Mensch aus seinem Zeitalter herauswächst und wiederum einen so riesigen Einfluß auf sein Zeitalter gewinnt.

Und wie ironisch wirkt da das Schicksal! Dieser Voltaire übt einen so großen Einfluß auf den preußischen König aus, es spielt sich so Bedeutsames Im Schicksale des europäischen Geisteslebens ab durch diese Verbindung des Voltaire mit dem preußischen Kö nig! Man bekommt die Frage: Was liegt da eigentlich tiefer in den Hintergründen der historischen Entwickelung vor?

Und wiederum ein anderer Fall kann aufgeworfen werden, ge rade in der heutigen Zeit, wo manches wiederum sehr aggressiv hervortritt aus den Hintergründen des Daseins: Betrachten wir eine solche Persönlichkeit, wie die des im sechzehnten Jahrhundert ver storbenen Ignatius von Loyola, des Begründers der Gesellschaft Jesu, des Jesuiten-Ordens.

Wenn man das merkwürdige Schicksal des Jesuiten-Ordens nimmt, dann muß man doch die Frage stellen: In welcher Weise lebte, und falls er schon wiederum gekommen ist, lebt in der geschichtlichen

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Entwickelung Ignatius von Leyola fort, nachdem er für das Erdenleben durch die Pforte des Todes gegangen war?

Da haben Sie solche Fragen, die, wenn sie beantwortet werden können, doch gewiß geeignet sind, den historischen Hintergrund von manchem zu beleuchten, was geschehen ist.

Es führte zum Beispiel der intuitive Blick zurück zu einer Seele, die in der Zeit, die nicht lange auf Augustinus folgte, in nordafri kanischen Schulen ausgebildet wurde, ebenso wie Augustinus selbst. Diese Persönlichkeit, von der ich spreche als etwa dem fünften Jahr hunderte der christlichen Zeitrechnung angehörig, sie konnte in Afrika in jenen Schulen, die eben auch der heilige Augustinus durchgemacht hat, bekannt werden mit all dem, was aus der Mani chäer-Wissenschaft hervorging, aus dem, was herrührte aus tief orientalischer, aber in der späteren Zeit veränderten Weisheit. Diese Persönlichkeit kam dann in ihrer weiteren Lebenswanderung her über nach Spanien, nahm da dasjenige in sich auf, was man früh­kabbalistische Lehre nennen könnte, kabbalistische Lehre, durch die man große Zusammenhänge in der Weltenordnung überblickt. So daß diese Persönlichkeit in Afrika, in Spanien ausgestattet wer den konnte mit einem außerordentlich weiten Blick, aber zu glei cher Zeit mit einer Erkenntnis, die zum Teil schon in der Deka denz, zum Teil erst im Aufblühen war, die also in einer gewissen Beziehung die Seele vertiefte und auch zu gleicher Zeit unklar ließ.

Diese Persönlichkeit kam dann, nachdem sie durch die Pforte des Todes gegangen war, vorher aber sich auch auf Reisen herum getrieben hatte, in der Auswirkung ihres Karmas an einer bestimm ten Stelle zwischen dem Tode und einer neuen Geburt in eine Be rührung mit einem besonderen Genius, mit einer besonderen gei stigen Wesenheit, die der Marswelt angehört.

Sehen Sie, es ist ja so, daß der Mensch in der Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt mit anderen Menschenseelen, mit denen er karmisch in Verbindung steht, sich sein folgendes Karma, das er sich einverleibt in den folgenden Erdenleben, geistig ausbaut. Aber nicht nur andere Menschenseelen nehmen an dem Ausbau

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dieses Karma teil, sondern auch Wesenheiten der verschiedenen geistigen Hierarchien, die gerade durch das, was die betreffende Seele herüberbringt aus früheren Erdenleben, Aufgaben bekom men. Und so war denn diese Seele, von der ich hier spreche, durch dasjenige, was sie in früheren Erdenleben, namentlich in dem Erdenleben, das maßgeblich war, das ich eben skizzierend beschrie ben habe, aufgenommen, getan, gedacht, empfunden hatte bei dem karmischen Ausbau des folgenden Lebens, in die Nähe einer gei stigen Wesenheit gebracht worden, die den Marswelten angehört. Da hatte sie erstens einen stark aggressiven Sinn bekommen, auf der anderen Seite aber auch eine ungeheure Sprachgewandtheit, denn aus dem Kosmos heraus wird alles, was jemals in eine Sprache eingeht, durch Mars-Wesenheiten präpariert und den Menschen in ihr Karma gelegt. Was an Sprach-Gewandtheit, Sprach-Kunst, in des Menschen Karma auftritt, rührt immer davon her, daß die be treffende Persönlichkeit je nach ihren karmischen Erlebnissen in die Nähe von Marswesenheiten gekommen ist.

Diese Persönlichkeit, von der ich gesprochen habe, diese Indivi dualität, die nun in die Nähe einer besonderen Marswesenheit ge kommen war - welche Marswesenheit mich im höchsten Grade anfing zu interessieren, als ich sie im Zusammenhange mit dieser Menschenseele kennenlernte -, diese Individualität erschien dann im achtzehnten Jahrhundert wieder als Voltaire. So daß Voltaire alles das, was ich Ihnen geschildert habe von den nordafrikani schen, spanischen Menschen, aus einem früheren Erdenleben in sich trug, es umgearbeitet so in sich trug, daß die Formung des Karma mit Hilfe dieses Marswesens, dieses besonderen Marsgenius ge schehen war.

Wenn Sie die große Sprachgewandtheit Voltaires nehmen, wenn Sie seine Haltlosigkeit in vielen Dingen nehmen, wenn Sie nicht so sehr den Inhalt dessen, was er schrieb, als vielmehr die ganze Haltung und den Habitus seines Wirkens nehmen, so werden Sie Stück für Stück begreiflich finden, daß Voltaire so wurde unter den Einwirkungen, die ich Ihnen als seine karmischen Einflüsse eben schilderte. Und wenn man nun sieht, wie sich Voltaire aus früheren

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Erdenleben herüberlebt mit seinem aggressiven Sinn, mit seiner Sprachgewandtheit, mit seiner Spettsucht über so vieles, mit seiner teilweise verhüllten Unaufrichtigkeit, wiederum aber mit einem großen Enthusiasmus für die weitere Wahrheit, wenn man das auf der einen Seite im Verhältnis mit früheren Erdenleben nimmt, auf der anderen Seite in Zusammenhang bringt mit dieser Marswesen heit, so fängt einen doch sowohl Voltaire, aber noch mehr von einem okkulten Standpunkte aus diese Marswesenheit zu interes sieren an.

Dieser Marswesenheit nachzugehen wurde für mich zu einer be stimmten Zeit eine bestimmte Aufgabe. Und durch diese Mars wesenheit wurde das Folgende wiederum beleuchtet, was Erden-ereignisse sind. Uns fällt in der Geschichte die merkwürdige Gestalt des Ignatius von Loyola auf, des Begründers der Gesellschaft Jesu:

Ignatius von Loyola, der zunächst Kriegsmann ist, durch eine schwere Krankheit niedergeworfen wird und während dieser schwe ren Krankheit zu allerlei Seelen-Exerzitien getrieben wird, durch die er sich mit innerlicher spiritueller Stärke erfüllt, sich die Auf gabe stellen kann, das alte katholische Christentum gegenüber den sich ausbreitenden evangelischen Bestrebungen zu retten. Dieser Ignatius von Loyola, dem es gelingt, in sich selber mit Hilfe der jenigen Kräfte, die er gerade durch sein verwundetes Bein hatte -und das ist das Interessante -, den Jesuiten-Orden zu stiften, der in der stärksten Weise okkulte Willens-Exerzitien ins praktisch-reli giöse Leben überführt, der in einer großartigen Weise im Grunde genommen - wie man sich sonst dazu stellen mag, das kommt gar nicht in Frage -, aber der in einer großartigen Weise auf eine rein materielle Art durch Willens-Trainierung die Sache Jesu auf der Erde vertreten will und diesen Jesuiten-Orden stiftet.

Wer sich einläßt auf das Leben des Ignatius von Loyola, kommt schon zu einer gewissen Bewunderung dieses merkwürdigen Lebens. Und nun faßt man, wenn man gerade mit dem intuitiv-okkulten Blicke die Sache verfolgt, dann ein Bedeutsames auf.

Durch Ignatius von Loyola ist dieser Jesuiten-Orden entstanden, der das Christentum am meisten einsenkt in das irdisch-materielle

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Leben, aber es mit starker spiritueller Kraft einsenkt. Dieser Jesuiten-Orden hat ja eine Regel, die den modernen Menschen ganz abstößt, die aber in vieler Beziehung die größte seiner Wirksam keiten bedeutet. Der Jesuiten-Orden hat außer den gewöhnlichen Mönchsgelühden, außer den Exerzitien, außer alledem, was die werdenden Jesuiten durchmachen müssen, um überhaupt Priester zu werden, auch noch die Regel, daß er sich bedingungslos dem Befehl des römischen Papstes unterwerfe. Was auch der römische Papst fordert, es wird nicht gefragt innerhalb des Jesuiten-Ordens, was man weiter darüber denken soll: es wird ausgeführt, weil man überzeugt ist, daß durch den römischen Papst höhere Dinge sich kundgeben und man im unbedingten Gehorsam gegen Rom den Befehl dieser höheren Macht auzuführen habe. Das iSt, wenn auch eine bedenkliche Sache, doch eine Selbstlosigkeit, die im Walten des Jesuitismus vorhanden ist, die aber wiederum eine ungeheure Stärkung der Kraft bedeutet; denn alles, was ein Mensch so tut, daß er es mit ungeheurer Kraftanstrengung und Intensität in einem Dienste tut, nicht aus Emotion heraus, das gibt eine gewaltige Stärke. Diese Stärke bewegt sich sozusagen in der niederen Wolke des Materiellen, ist aber eine spirituelle Kraft. Es ist eben etwas ganz Eigentümliches.

Und nun kommt man, wenn man diese merkwürdigen, frappie renden, großartigen Erscheinungen verfolgt, darauf, daß dieser selbe Genius vom Mars, von dem ich Ihnen gesprochen habe, der dem Leben Voltaires zugrunde liegt, daß dieser selbe Genius es ist, der aus übersinnlichen Einflüssen heraus das Leben des Ignatius von Leyola begleitet hat von dem Punkte an, wo Ignatius von Loyola durch die Pforte des Todes gegangen ist. Immerfort stand Ignatius von Loyolas Seele unter dem Einflusse dieses Mars-Genius.

Unmittelbar nachdem Ignatius von Loyola durch die Pforte des Todes gegangen war, war es bei ihm ganz anders als bei anderen Menschen. Andere Menschen haben, indem sie ihren Ätherleib nicht sogleich nach dem Tode, aber wenige Tage später ablegen, eine kurze Rückschau auf das Erdenleben, bevor die Wanderung durch die Seelenwelt anzutreten ist. Ignatius von Leyola hatte eine

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lange Rückschau. Gerade durch diese besondere Art von Exerzitien, die in der Seele des Ignatius von Leyola aufgestoßen sind, entstand nämlich eine besondere intensive Verbindung mit dem Marsgenius, weil eine Art Aktivität, eine Verwandtschaft, eine Wahlverwandt schaft bestand zwischen diesem Marsgenius und dem, was da in der Seele dieses kranken Kriegers vor sich ging, dieses Kriegers, der durch das Fußleiden auf das Bett geworfen war und von einem Krieger zu einem Menschen, der sein Bein nicht benützen konnte, geworden war.

Das alles hatte eben einen ungeheuer starken Einfluß, und wenn man den Blick auf den ganzen Menschen richtet, so sieht man das ein. Und das führte diesen Ignatius von Loyola in Zusammenhang mit diesem Mars-Genius, den ich aber auf dem anderen Wege ken nenlernte. Und das, was sich da bildete durch diesen Zusammen hang, das machte es möglich, daß nun für Ignatius von Loyola diese bedeutungsvolle Rückschau gar nicht aufhörte, die sonst die Men schen nur tagelang haben nach dem Tode; sie dauerte immer fort. In dieser Rückschau auf sein Erdenleben verblieb Ignatius von Loyola und konnte dadurch einen rückschauenden Zusammenhang für alle diejenigen übernehmen, die im Jesuiten-Orden nachfolgten. Er blieb verbunden mit seinem Orden in der Rückschau auf sein eigenes Leben.

In dieser Rückschau des Ignatius von Loyola selber bildeten sich die Kräfte aus, die den Orden zusammenhielten, diese Kräfte, die eben so abnorm waren, daß sie auch die abnormen Schicksale des Jesuiten-Ordens bedingten: so sich zu stellen unter den unbedingten Gehorsam des Papstes, trotz der Aufhebung des Ordens durch den Papst, trotz den vielen Verfolgungen wiederum! Aber auch das, was die Jesuiten selber in der Welt vollbrachten, das alles wurde durch diesen eigentümlichen Zusammenhang, den ich eben dargestellt habe, herbeigeführt.

Nun zeigt dieses Beispiel noch etwas anderes, etwas, was geradezu funkelnd Licht verbreitend ist über gewisse historische Zusammen hänge. Sehen Sie, nachdem Ignatius von Loyola gelebt hat, ist er ja eigentlich immer in Erdennähe geblieben, denn man ist in Erdennähe,

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wenn man diese Rückschau hat. Wenn sich diese Rückschau nun ausdehnt, so kann sie sich ja doch nicht über viele Jahrhun derte ausdehnen, denn eigentlich ist sie, wenn sie sich schon über lange Zeiträume ausdehnt, etwas ganz Abnormes - aber es treten eben immer abnorme Dinge im Weltenzusammenhang ein. Und da erschien verhältnismäßig kurz nach seinem Erdenleben Ignatius von Loyola wieder in der Seele von Emmanuel Swedenborg.

Das ist etwas außerordentlich Frappierendes, aber zugleich auch etwas außerordentlich Aufklärendes. Denn nehmen Sie das fun. kelnde historische Licht, das da verbreitet wird: Der Jesuiten-Orden bestand weiter; aber derjenige, der ihn zusammengehalten hat bis zu einem gewissen Momente, der war ein ganz anderer geworden, der trat auf als die Individualität des Emmanuel Swedenborg. So daß durch Emmanuel Swedenborgs Vergeistigung der Jesuiten. Orden von ganz anderen Impulsen geleitet ist, als von denen seines früheren Stifters. Man sieht eben im geschichtlichen Werden die Stifter von irgendeiner Sache, diejenigen Persönlichkeiten, die tief verbunden waren mit einer Sache, wenn man den karmischen Ver lauf verfolgt, sich von diesen Bewegungen trennen und diese Be wegungen an ganz andere Kräfte übergehen. So daß man lernt: es hat ja gar keinen historischen Sinn, vom heutigen Jesuiten-Orden so zu sprechen, daß man ihn zurückführt auf Ignatius von Loyola. Die äußere Geschichte tut das. Das innere Erkennen kann das gar nicht tun, weil man sieht, wie sich die Individualitäten trennen von ihren Bewegungen.

So wird manche historische Erscheinung nach dem äußeren Ver laufe auf diesen oder jenen Begründer zurückgeführt; kennt man aber das spätere Erdenleben des Begründers, weiß man, daß er sich längst von der Erscheinung, die er historisch begründet hat, ge-trennt hat, dann verliert die ganze Geschichte für vieles, so wie es dargestellt wird, einfach ihren Sinn, wenn man die okkulten Tat sachen, die dahinterstehen in der karmischen Evolution, wirklich treffen will. Das ist das eine.

Das andere ist dieses: Es trat nun die Seele des Ignatius von Loyola, des Swedenborg, in einen Organismus, der sich seine Kopfgesundheit,

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seine ungeheure Kopfgesundheit durch die Beinkrank heit des Ignatius von Loyola errungen hatte im vorigen Leben. Und so konnte zunächst diese Seele, die immer in der Nähe der Erde geblieben war, in den Erdenkörper, der ihr jetzt in Emmanuel Swedenborg gegeben war, nicht untertauchen. Der Körper blieb so, daß Emmanuel Swedenborg bis in seine Vierzigerjahre hinein nur eben einen außerordentlich gesunden Körper mit einem gesunden Gehirn, einen außerordentlich gesunden Ätherleib mit gesunder Organisation, einen gesunden Astralleib hatte, daß er aber, indem er bei diesen Organisationen die höchste Gelehrsamkeit seiner Zeit entwickelte, erst mit den Vierzigerjahren, nach der Ich-Entwicke lung, als er hineinkam in die Entwickelung des Geistselbstes, unter einen Einfluß kam, der nur etwas zurückgedrängt war: in den ersten Vierzigerjahren des Lebenslaufs des Swedenborg kam er unter den Einfluß jenes selben Mars-Genius, von dem ich schon gesprochen habe; und dieser Mars-Genius mit all dem, was er jetzt geistig vom Weltenall weiß, spricht. Denn der war es, der jetzt sprach durch Emmanuel Swedenborg.

Und so tritt der glänzende, großartige, geniale Beschreiber des Geisterlandes - wenn auch in Bildern, die bedenklich sind - in Em manuel Swedenborg auf, indem sich das große spirituelle Wollen des Ignatius von Loyola in dieser Weise umgestaltet.

Es ist immer so: geht man den konkreten karmischen Zusam menhängen nach, so kommt in der Regel etwas Frappierendes her aus. Dasjenige, was man sehr häufig ausspintisiert über wiederholte Erdenleben, ist eben «ausspintisiert». Die Dinge, wirklich exakt erforscht, ergeben zumeist außerordentlich Frappierendes; denn das, was eigentlich als karmische Evolution sich fortbewegt von Erdenleben zu Erdenleben, das ist im Grunde unter all dem, was der Mensch zwischen Geburt und Tod auslebt, sehr, sehr verborgen.

Ich wollte Ihnen dieses Beispiel in einer Persönlichkeit, die man gut kennen kann, vorführen, damit Sie sehen können, wie verbor gen dasjenige sein kann, was karmisch weiterfließt von Erdenleben zu Erdenleben. Erforscht man dieses Verborgene, dann ergeben sich aber eigentlich erst die wirklichen Erklärungen.

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Sehen Sie sich einmal das Leben des Emmanuel Swedenborg an, Sie werden überall Erklärliches über Erklärliches finden, wenn Sie die Zusammenhänge kennen, von denen ich Ihnen gesprochen habe.

Im Beginne dieses Jahrhunderts war ich ja mehrmals in London. Bei einem dieser Aufenthalte erhielt ich eine gewisse Orientie rung, zunächst äußerlich literarisch, über eine außerordentlich bedeutsame Persönlichkeit. Und da damals während der Aufenthalte bei den Reisen doch größere Zwischenzeiten waren, als jetzt sind, ließ ich mir die Bücher aus der Theosophischen Bibliothek geben, die von dieser Persönlichkeit geschrieben sind: von Lawrence Oliphant.

Lawrence Oliphant ist ja tatsächlich eine außerordentlich inter essante Persönlichkeit, eine Persönlichkeit, die einem sogleich eben als eine ganz bedeutende entgegentritt, wenn man ihre Bücher stu diert. Die Bücher, welche über das Gleichartige in den verschiede nen Religionen handeln, über spirituelle Religionen und so weiter, diese Bücher zeugen alle von einer intensiven Kenntnis Lawrence Oliphants des Zusammenhanges des Menschen in seinen verschie denen Vorgängen, körperlichen und seelischen Vorgängen, mit den Geheimnissen des Weltenalls. Und man bekommt eigentlich, wenn man die Schriften von Oliphant liest, den Eindruck: Hier wird aus tiefen kosmischen Instinkten heraus der Mensch in seinem Erden-leben geschildert. Und wiederum, es werden die Vorgänge des menschlichen Erdenlebens, die zusammenhängen mit Geburt, Em bryonalleben, Abstammung und so weiter so geschildert, daß sie in dem Lichte, in dem sie bei Lawrence Oliphant erscheinen, zeigen, wie der Mensch als Mikrokosmos im Makrokosmos wunderbar drin nen wurzelt.

Nun führte mich das Studium von Oliphant sehr bald dazu, die Gestalt des verstorbenen Lawrence Oliphant vor mir zu haben, aber viel weniger in solcher Art, daß mir scheinen konnte, man habe es mit der Individualität zu tun, wie sie jetzt lebt nach dem Tode; sondern aus dem Lebendigwerden, aus dem Spirituellwerden dessen, was in diesen, ich möchte sagen, kosmisch-physiologischen, kosmisch-anatomischen

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Schriften enthalten ist, kam eine nicht gleich ganz klare Gestalt heraus, die bei den verschiedensten Anlässen dann da war. Man konnte okkulte Untersuchungen auf diesem, auf jenem Gebiete machen: diese Gestalt, die ich nicht anders als in Zusammenhang mit dem bringen konnte, was mir aufgestiegen war aus der Lektüre von Lawrence Oliphant, diese Gestalt war oftmals da; sie war eben da, sie stand da. Zunächst konnte ich mir oftmals nicht recht Rechenschaft darüber geben, was diese Gestalt wollte, was ihre Manifestationen bedeuten. Aber es zeigte sich eben aus der ganzen Art und Weise, wie diese Gestalt sich darlebte, von der ich genau wußte, sie ist Lawrence Oliphants Individualität, daß diese Gestalt ein langes Leben gehabt hatte in der Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, das heißt eben der Geburt des Lawrence Oliphant, wahrscheinlich nur einmal durch ein Erden-leben unterbrochen, das aber nicht sehr bedeutend war für die andere Welt. So daß viel stecken konnte in dieser Persönlichkeit Lawrence Oliphant. Kurz, auf eine bedeutsame karmische Frage wies immer dieses Erscheinen der Gestalt des Lawrence Oliphant hin.

Nun war da bei den karmischen Forschungen solch eine geistige Wesenheit aufgetreten, die an der Ausarbeitung von Menschen karma beteiligt ist, wie diejenige, von der ich Ihnen gelegentlich Voltaires, gelegentlich Ignatius von Loyolas eben gesprochen habe als einem Mars-Genius. Solche Genien kann man in der verschie densten Weise kennenlernen. Solche Genien sind dann namentlich da, wenn es darauf ankommt, Forschungen anzustellen, die nun gerade dahingehen, dasjenige, was dem Menschen zunächst in der Erdenwelt physisch gegeben ist, spirituell zu erforschen.

Nun lag mir ja das immer nahe. Schon meine «Philosophie der Freiheit», die hier übersetzt ist in «Philosophy of Spiritual activitv», führt ja in kosmische Betrachtungen des menschlichen Willens-lebens hinein. Es lagen mir solche Dinge immer sehr nahe. Und die Fragen, die jetzt im Bereiche der Aufgaben der anthroposophischen Bewegung stehen, die führen ja, wenn sie sich auch darin nicht er schöpfen, wenn das auch nur ein Teil sein kann, sie führen ja auf karmische Untersuchungen. Und wieder, karmische Untersuchungen

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führen auf solche Genien, wie dieser Mars-Genius ist, von dem ich gesprochen habe. Solche Genien treten einem aber auch entgegen, wenn man solche Forschungen anstellt, welche andeutungsweise von mir besprochen worden sind als demnächst erscheinend in dem Buche, das von Dr. Wegman und mir zusammen ausgearbeitet wird auf medizinischem Gebiete, das jetzt in seinem ersten Teile ge druckt ist. Wenn man in dieser Weise die initiierte Naturerkenntnis sucht, so kommt man in ähnlicher Weise auf Merkur-Genien, die namentlich einem deshalb entgegentreten, weil im Karma der Men schen die Merkur-Genien eine eigentümliche Rolle spielen. Wenn der Mensch durch das Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt geht, so wird er unter dem Einflusse der Mondwesen zuerst geläutert in bezug auf seine moralischen Qualitäten. Durch die Merkur-Genien werden seine Krankheiten umgewandelt in spiri­tuelle Qualitäten. So daß der Mensch dasjenige, was er an Krank heiten im Leben durchmacht, durch die Merkur-Genien in der Merkursphäre umgewandelt bekommt in spirituelle Energien, Qua litäten. Das ist ein außerordentlich bedeutsamer Zusammenhang.

Dieser Zusammenhang führt dann aber weiter dahin, gerade nach der Seite, die mit dem Pathologischen irgendwie zusammen hängt, karmische Fragen zu untersuchen. Nun führten mich die jenigen Forschungen, welche ich gerade jetzt in Torquay beschrie ben habe, dazu, in einer eingehenderen Weise solch einen Geist, wie Brunetto Latini, den Lehrer Dantes, kennenzulernen.

Man kann ja dadurch, daß man in diese geistigen Welten auf die geschilderte Weise eindringt, auch Individualitäten gegenüberstehen in der Gestalt, in der sie in einer bestimmten Zeit gelebt haben. Und so kann sich einem interessant gegenüberstellen im dreizehn ten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung Brunetto Latini, der große Lehrer Dantes, der noch eine Naturerkenntnis hatte, in der die Natur angesehen wurde nicht in solchen Abstraktionen wie heute in Naturgesetzen, sondern unter dem lebendigen Einflusse eben geistlebendiger Wesenheiten. Und Brunetto Latini, als er zu rückkehrte von seinem Posten als spanischer Gesandter, fand ja auf dem Wege zurück nach seiner Heimatstadt Florenz allerlei bedrükkende,

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aufregende Nachrichten, bekam aber außerdem einen leich ten Sonnenstich. Und gerade unter diesem Zustande, unter dem Einflusse auch der pathologischen Aufregungen, die er durchmachte, hatte er Einblicke in Naturschaffen, kosmisches Schaffen, Einblicke in den Zusammenhang des Menschen mit der planetarischen Welt, die großartig sind und die, ich möchte sagen, nur wie im Schatten-bilde dann untergetaucht sind in das gewaltige Werk der

Aber wenn man nun diesen Brunetto Latini verfolgt, so sieht man, daß in einem entscheidenden Augenblicke, da wo die Er kenntnis ihn erdrücken will, wo es für ihn so scheint, als ob er aus einer wahren Erkenntnis in Irrtum abirren könnte, daß in diesem Momente Ovid sein Führer wird, Ovid, der alte römische Schrift steller, der die Metamorphosen geschrieben hat, wo er, allerdings in nüchtern römischer Weise, in nüchtern latinischer Weise, groß artige Einsichten der alten Griechenzeit aufgenommen hat.

Nun tritt einem dieser Ovid, die Individualität des Ovid im Zu sammenhange mit Brunetto Latini auf. Hat man ihn innerlich er griffen, diesen Zusammenhang, dann erscheint einem in der Vor danteschen Zeit Brunetto Latini wirklich mit der Individualität des Ovid zusammen. Ovid steht auch da. Und gerade im Zusammen-hange mit naturwissenschaftlich-medizinischen Forschungen ent hüllte sich dieser Ovid als Lawrence Oliphant. Nach diesem langen Leben, zwischen der alten Ovid-Zeit, mit Übergehung des Christen tums, nur einmal auf der Erde in einer für die Außenwelt unbedeu tenden Inkarnation, in einer weiblichen Inkarnation, erscheint wiederum (>vid, umgesetzt in moderne Zeit in bezug auf seinen Seeleninhalt, als Lawrence Oliphant.

Und nicht nur Brunetto Latini, auch andere Persönlichkeiten aus dem mittelalterlichen Geistesverlauf bringen immer wieder und wiederum vor, daß Ovid ihr Führer war. Das erscheint zunächst wie sich forterlebende Tradition, nicht wahr?

In Wirklichkeit, meine lieben Freunde, war der reale Ovid der Führer in der geistigen Welt für viele Initiaten, wie er dann als Lawrence Oliphant in der großartigen kosmisch-anatomischen,

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kosmisch-physiologischen Anschauung wieder erschienen ist Eines, ich möchte sagen, der glänzendsten und aufschlußreichsten Bei spiele, ein Beispiel von ungeheurer Tragweite enthüllt sich durch diesen Zusammenhang zwischen Lawrence Oliphant und Ovid.

Über diese Dinge werde ich dann in der nächsten Stunde weiter-sprechen.

DRITTER VORTRAG London, 27. August 1924

#G240,1961,SE172 Esoterische Betrachtungen Karmischer Zusammenhänge, Bd. 6

#TI

NEUNTER VORTRAG

London, 27. August 1924

Zurückschauend auf die Entwickelung der Menschheit seit dem Mysterium von Golgatha, bekommen wir den Eindruck, daß das Christentum, der Christus-Impuls, sich nur gegen gewisse Wider-stände und im Zusammenhange mit anderen Geistesströmungen innerhalb der europäischen, der amerikanischen Zivilisation ein-leben konnte. Und die Entfaltung, die allmähliche Entwickelung des Christentums bietet ja die merkwürdigsten Tatsachen dar.

Heute möchte ich diese Entwickelung des Christentums, indem ich sie mit ein paar Strichen streifen werde, im Zusammenhange mit demjenigen darstellen, was innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft leben soll, was innerhalb der Anthroposophischen Ge­sellschaft nicht nur leben soll, sondern leben kann, weil diejenigen Menschen, welche sich aus einem inneren ehrlichen Drange heraus zur Anthroposophie hingezogen fühlen, heute diesen Drang ja aus dem Innersten ihres Wesens heraus haben.

Wenn wir es nun ganz ernst nehmen mit der Tatsache der wie­derholten Erdenleben, dann müssen wir uns sagen: Alles dasjenige, was einen solchen inneren Drang darstellt - den Drang, heraus-zugehen aus den Anschauungen, aus den Denkgewohnheiten der­jenigen Bevölkerung, in die wir durch Leben, durch Erziehung, durch gesellschaftliche Verhältnisse sonst hineingestellt sind, und hinzugehen immerhin zu einer Weltanschauungsströmung, die einen mehr oder weniger in der Seele in Anspruch nimmt -, ein so verspürter Drang muß im Karma begründet sein, im Karma be­gründet sein aus früheren Erdenleben her.

Nun kann sich ergeben, gerade wenn man die Frage des Karma mit Bezug auf jene Persönlichkeiten ins Auge faßt, welche sich in der anthroposophischen Bewegung zusammenfinden, daß diese Per­sönlichkeiten eigentlich ausnahmslos vor ihrem gegenwärtigen Erdenleben ein anderes maßgebliches Erdenleben in der Zeit nach

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dem Mysterium von Golgatha hinter sich haben, so daß sie sozu­sagen schon einmal hineingestellt waren in die Zeit der Erden­menschheitsentwickelung nach dem Mysterium von Golgatha, daß sie also ein zweites Mal seit dem Mysterium von Golgatha da sind.

Da entsteht denn die große Frage: wie hat das vorige Erdenleben auf diese Persönlichkeiten, die nun aus ihrem Karma heraus den Drang in die anthroposophische Bewegung verspüren, wie hat das vorige Erdenleben mit Rücksicht auf das Mysterium von Golgatha auf sie gewirkt?

Nun, schon äußerlich, exoterisch ergibt sich ja, daß selbst solche, ganz tief in der positiven christlichen Entwickelung drinnen ste­hende Menschen, wie der heilige Augustinus, Aussprüche wie diese getan haben: Das Christentum ist nicht erst seit Christus da, son­dern es gab auch vor Christus Christen, nur nannte man sie noch nicht so. So sagt der heilige Augustinus.

Derjenige, der nun tiefer eindringt in die geistigen Geheimnisse der Menschheit, der die geistigen Geheimnisse der Menschheit stu­dieren kann mit der Initiationswissenschaft, der muß aber eine solche Anschauung, wie sie bei Augustinus zutage tritt, im aller-tiefsten Sinne bekräftigen. Es ist so. Nur entsteht dann das tiefe Be­dürfnis, erkennen zu lernen, wie das, was durch das Mysterium von Golgatha der historische Christus-Impuls auf der Erde geworden ist, vorher gelebt hat.

Nun kann ich heute, ich möchte sagen, einleitend auf diese vor­herige Gestalt des Christentums dadurch hinweisen, daß ich von Eindrücken ausgehe, die in der Nähe des Ortes unseres Sommer-kurses in Torquay zu erhalten waren, an der Stätte, wo die Geistes-strömung des Königs Artus ausgegangen war, in Tintagel. Es war uns ja möglich, die Eindrücke, die heute noch an jener Stelle, wo einstmals das Schloß der Artusschen Tafelrunde war, die Eindrücke, welche heute noch dort, namentlich von der dieses Schloß umge­benden großartigen Natur gewonnen werden können, anzuschauen.

Da ergibt sich ja, daß an jener Stätte, wo nur noch Trürnmer der alten Artusburg vorhanden sind, man da schaut, gleichsam im Ge­danken erschaut, wie durch die Jahrhunderte, seitdem die Artusströmung

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von dort ausgegangen ist, Stein um Stein abgebröckelt ist, so daß jetzt kaum mehr viel zu erkennen ist von den alten Bur­gen, die da von König Artus und den Seinen bewohnt worden sind. Aber wenn man mit dem geistigen Auge hinausschaut von jenem Platze aus, wo die Burg gestanden hat, hinausblickt auf das Meer, das sich farbenschillernd und anbrandend so darbietet, wenn man da hinausschaut - hier ein Bergkogel auf der einen Seite, hier das Meer -, dann bekommt man den Eindruck, daß der Mensch dort in der Lage ist, das elementarische Wesen der Natur und des Kos­mos in einem ganz besonders tiefen Sinne in sich aufzunehmen. Und schaut man dann mit dem okkulten Blicke zurück, vergegen­wärtigt man sich denjenigen Zeitpunkt, der ja wenige Jahrtausende zurückliegt, in dem die Artusströmung zunächst begonnen hat, dann sieht man: die Menschen, die dort lebten auf der Artusburg -wie es mit allen diesen okkulten Stätten der Fall ist -, hatten sich diesen Punkt ausersehen, weil ihnen nötig war für die Impulse, die sie brauchten, für die Aufgabe, die sie sich gestellt hatten, für alles, was sie in der Welt tun sollten, dasjenige, was sich da vor ihnen in der Natur abspielte.

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Nun ist es ja - ich kann heute nicht sagen, ob es immer so ist, aber in denjenigen Augenblicken, wo ich das sah, stellte sich die Sache so dar -, ein hinreißend schönes Spiel der aus der Tiefe auf-treibenden Meereswogen, deren wunderbares Kräuseln ohnedies ja schon eines der großartigsten Naturspiele ist, es ist das von den Feiswänden abstoßende und wiederum zurückbrandende Treiben der Meereswogen, das von unten die elementarischen Geister auf­sprießen und sich ausleben läßt, von oben herunter der Sonnen­schein, der in den Luftwellen in der mannigfaltigsten Weise sich

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spiegelt, es ist dies, ich möchte sagen, ein Moment, in dem man dasjenige entwickeln kann, was ich nennen möchte: in heidnischer Art fromm werden. Dies Zusammenspiel von Elementarischem von oben, von Elementarischem von unten zeigt die ganze Sonnenkraft, breitet diese Sonnenkraft vor den Menschen so aus, daß der Mensch sie empfangen kann. Und derjenige, der aufnehmen kann das, was da die lichtgeborenen Elementarwesen von oben, die schweregebe­renen Elementarwesen von unten in ihrem Zusammenspiel treiben, wer das in sich aufnehmen kann, der nimmt eben die Sonnenkraft auf, den Sonnenimpuls. Es ist etwas anderes, als in christlicher Art fromm werden. In heidnischer Art fromm werden, das heißt: hin­gegeben sein an die Götter der Natur, die überall im Wesen und Weben der Natur spielen und kraften und wirken und weben.

Und dieses ganze Naturwirken und -weben, das haben offenbar diejenigen aufgenommen, die mit und um den König Artus waren. Und das Bedeutsame ist das, was jene Menschen aufnehmen konn­ten, die in den ersten Jahrhunderten nach dem Mysterium von Golgatha um den König Artus waren.

Nun möchte ich Ihnen heute, meine lieben Freunde, entwickeln, wie dieses besondere Geistesleben an solchen Stellen war, wie die der Artusschen Tafelrunde. Ich muß da ausgehen von einer Erschei­nung, die Sie alle kennen.

Wenn der Mensch stirbt, läßt er zunächst seinen physischen Leib hinter sich, und er trägt noch einige Tage seinen Ätherleib an sich. Nach einigen Tagen legt er den Ätherleib ab, lebt im astralischen Leib und im Ich weiter. Was sich da mit dem Menschen, der durch des Todes Pforte gegangen ist, abspielt, das stellt sich dem schauen­den Blicke so dar, daß man den Menschen sich ätherisch auflösen sieht nach dem Tode. Er wird immer größer und größer, aber auch immer undeutlicher und undeutlicher. Er webt sich in den Kosmos hinein.

Eine merkwürdige, polarisch entgegengesetzte Erscheinung spielte sich weltgeschichtlich ab in Anknüpfung an das Mysterium von Golgatha. Was geschah denn dazumal, als das Mysterium von Gol­gatha geschah? Der Christus war bis dahin Sonnenwesen, gehörte

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der Sonne an. Bevor nun das Mysterium von Golgatha sich al> spielte, standen die Ritter von Artus' Tafelrunde oben auf ihren Felsenbergen, schauten hinaus in das Spiel der sonnengeborenen Geister und der erdgeborenen Geister und empfanden: dasjenige, was in dieser Kraft spielte, durchdrang ihr Herz, durchdrang aber vor allen Dingen ihren ätherischen Leib. Damit nahmen sie auf den Christus-Impuls, der dazumal von der Sonne wegströmte und in allem lebte, was von der Sonnenströmung bewirkt wird.

So daß vor dem Mysterium von Golgatha, ausgehend von Artus' Tafelrunde, die Ritter der Artusschen Tafelrunde den Sonnengeist, das heißt den vorchristlichen Christus in ihr eigenes Wesen auf-nahmen. Dann sandten sie ihre Sendlinge hinaus nach ganz Europa, um die Wildheit der astralischen Leiber der europäischen Bevölke­rung zu bekämpfen, zu läutern, zu zivilisieren, denn das war ihre Aufgabe. Und wir sehen gerade solche Menschen, wie die Ritter der Artusschen Tafelrunde, ausgehend von diesem westlichen Punkte des heutigen England, wir sehen sie das, was sie von der Sonne bekommen, hintragen über die ganze europäische dazu­malige Menschheit, läutern, reinigen die Astralitäten der damals sehr wilden europäischen, wenigstens in Mitteleuropa und in Nord­europa sehr wilden europäischen Bevölkerung.

Dann aber kam das Mysterium von Golgatha. Was geschah in Asien? In Asien drüben geschah es nun weltgeschichtlich, daß jenes hohe Sonnenwesen, das man nachher als den Christus bezeichnete, die Sonne verließ. Das war eine Art Sterben für den Christus. Christus ging fort von der Sonne, wie wir Menschen im Sterben fortgehen von der Erde. Also Christus ging fort von der Sonne, wie ein Mensch, der stirbt, fortgeht von der Erde. Und wie bei einem Menschen, der stirbt, indem er von der Erde fortgeht, für den okkulten Beschauer der ätherische Leib schaubar ist, den er nach drei Tagen ablegt, und er den physischen Leib zurückläßt, so ließ Christus in der Sonne zurück dasjenige, was Sie in meiner «Theosophie» beschrieben finden am Menschen als den Geistes-menschen, als das siebente Glied der menschlichen Wesenheit.

Christus «starb von der Sonne», er starb kosmisch von der Sonne

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zur Erde herab, er kam zur Erde herunter. Von dem Momente von Golgatha ab war auf der Erde zu schauen dasjenige, was sein Lebens-geist war. Wir lassen den Lebensäther, den Ätherleib, den Lebens-leib zurück nach dem Tode; nach diesem kosmischen Tode ließ der Christus den Geistesmenschen auf der Sonne zurück, und im Um-kreise der Erde den Lebensgeist. So daß vom Mysterium von Gol­gatha ab die Erde von dem Lebensgeiste Christi wie von einem Geistigen umweht war.

Aber nun sind physische Ortszusammenhänge für das geistige Leben ganz anders als für das physische Leben. Dieser Lebensgeist, der war vor allen Dingen schaubar von den irischen Mysterien, von den Mysterien von Hybernia aus und wurde schaubar vor allen Dingen für die Ritter der Tafelrunde des Königs Artus. So daß von dieser Stätte aus bis zum Mysterium von Golgatha der Christus-Impuls der Sonne in Wirklichkeit ging: da wurden sie von der Sonne her empfangen, die Impulse. Nachher wurde ja auch die Kraft der Artus-Ritter geringer. Aber sie standen lebendig drinnen in dem Lebensgeiste, der mit kosmischer Konfiguration die Erde umwehte, in dem sie fortwährend lebten und in dem fortwährend drinnen spielte dieses Spiel von Licht und Luft, von den Elementar-wesen von oben und von den Elementarwesen von unten.

Denken Sie sich: wenn man so hinschaut auf das Riff, wo oben die Artusburg ist, dann erschaut man, von oben herunter spielend die Sonne in Licht und Luft, von unten heraufspielend die Elemen-tarwesen der Erde: oben Elementarwesen, unten Elementarwesen, Sonne und Erde in lebhafter Wechselwirkung.

Aber in den Jahrhunderten nach dem Mysterium von Golgatha spielte sich das alles ab im Lebensgeiste Christi. So daß wie in einem geistigen Schein, aber innerhalb von Naturtatsachen, in diesem Spiel von Meer und Felsen und Luft und Licht von jener Stätte aus zugleich die geistige Tatsache des Mysteriums von Golgatha drin­nen spielte.

Verstehen Sie mich recht, meine lieben Freunde. Damals sah man hinaus in das Meer, und wenn man jene Exerzitien, die die Zwölfe um den König Artus machten, die sich anlehnten an die

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Mysterien des Tierkreises, des Zodiakus, hinter sich harte, so sah man - im ersten, zweiten, dritten, vierten, fünften nachchristlichen Jahrhundert - nicht bloß das Spiel der Natur, sondern es war so, wie wenn man anfangen könnte zu lesen, gerade so wie wenn man ein Buch vor sich hat, das man entweder anglotzen oder das man

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lesen kann: da glänzte ein Flämmchen auf, kräuselte sich eine Welle, spiegelte sich die Sonne an irgendeinem Felsriff, da ward das Meer an das Felsriff hinaufgeschlagen - das alles ist konfigu­riett, das alles ist ein Fließendes, Strömendes, ein sich Kreisendes, ein Weisendes: eine Wahrheit, die man entziffern kann.

Entzifferte man es, so las man die geistige Tatsache des Myste­riums von Golgatha, weil alles das durchspielt wurde vom Lebens-geiste Christi.

Drüben in Asien hatte sich das Mysterium von Golgatha ab­gespielt, hatte die Seelen, die Herzen der Menschen ergriffen, hatte sich tief hineingelebt in die Seelen, in die Herzen der Menschen. Man muß nur einmal auf diejenigen hinschauen, die die ersten Christen waren, welche Umwandelung diese in ihren Seelen erlebt haben, man wird schon finden: In derselben Zeit, in der hier im Westen sich das abspielte, was ich eben beschrieben habe, drang

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dort der wirkliche Christus, der Christus, der heruntergestiegen war, der seinen Geistesmenschen oben auf der Sonne gelassen hatte, seinen Lebensgeist in der Atmosphäre der Erde hatte, der drang, indem er sein Ich heruntertrug - noch mit dem Geistselbst her­untertrug auf die Erde - vom Osten nach Westen durch Griechen­land, Nordafrika, Italien, Spanien herüber nach Europa durch die Herzen der Menschen in derselben Zeit, in der er hier durch die Natur drang.

So daß wir sehen: Hier von Westen nach Osten wirkend, inner­halb der Natur lesbar für denjenigen, der lesen kann, die Historie des Mysteriums von Golgatha gewissermaßen als die Naturwissen­schaft der Höhergraduierten aus des Artus Tafelrunde; von Osten nach Westen eine Strömung - jetzt nicht in Wind und Wellen, nicht in Luft und Wasser, nicht über Berge und Sonnenstrahlen hin, sondern eine Strömung durch das Blut der Menschen, durch die Herzen der Menschen, das Blut der Menschen ergreifend - von Palästina durch Griechenland bis nach Italien und Spanien hinein.

So daß wir sagen können: Auf der einen Seite geht es durch die Natur, auf der andern Seite geht es durch das Blut, durch die Her­zen der Menschen. Diese zwei Strömungen gehen einander ent­gegen: die eine, die noch in der Natur spielt, die bei der ganzen heidnischen Strömung noch heute ist, die trägt den vorchristlichen, den heidnischen Christus, den Christus, der als Sonnenwesen von solchen Menschen wie den Rittern der Tafelrunde, aber auch den vielen anderen, vor dem Mysterium von Golgatha verbreitet wor­den ist. Diese Strömung trägt den vorchristlichen Christus auch noch in der Zeit des Mysteriums von Golgatha durch die Welt. Und ein großer Teil derjenigen ist ja ausgegangen von der Strö­mung, die man zusammenfaßt unter dem Titel der Strömung aus des Artus Tafelrunde. Man kann heute noch auf diese Dinge kommen: da ist heidnisches Christentum, Christentum, das nicht anknüpft an das historische Ereignis von Golgatha.

Unten entgegenkommend ist das Christentum, das anknüpft an das Mysterium von Golgatha, das durch das Blut der Menschen, das durch die Herzen, die Seelen der Menschen geht. Zwei Strömungen,

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die einander entgegengehen: Die vorchristliche Christus­strömung, ich möchte sagen wie ätherisiert, - die christliche Christusströmung. Die eine ist später eben bekanntgeworden als die Artusströmung; die andere ist bekanntgeworden als die Grals­strömung. Beide begegneten einander später. Und zwar begegneten sie einander innerhalb Europas und vor allen Dingen in der gei­stigen Welt.

Wie können wir diese Bewegung nennen? Der Christus, der herabgestiegen war durch das Mysterium von Golgatha, ist in die Herzen der Menschen eingezogen. In den Herzen der Menschen selber zog er von Osten nach Westen, von Palästina durch Grie­chenland, über Italien nach Spanien. Das Grals-Christentum, durch das Blut, durch die Herzen der Menschen breitete es sich aus. Der Christus unternahm seinen Zug von Osten nach Westen.

Entgegen kam das Geistätherbild des Christus von Westen, be­wirkt durch das Mysterium von Golgatha, aber in sich noch tra­gend Christus mit dem Sonnenmysterium.

Ein Großartiges, Wunderbares spielt sich hinter den Kulissen der Weltgeschichte ab. Von Westen herüber das heidnische Christen­tum, das Artus-Christentum, auch unter anderem Namen und in anderer Form auftretend; von Osten herüber der Christus in den Herzen der Menschen. Die Begegnung: Christus, der wirkliche, auf die Erde gekommene Christus begegnet seinem Bilde, das ihm ent­gegengetragen wird, von Westen nach Osten strömend. 869 ist die Begegnung. Bis zu diesem Jahre haben wir deutlich voneinander unterschieden eine Strömung, die im Norden und über Mittel­europa hingeht, die durchaus, ob man ihn nun Baldur oder irgend­wie nannte, den Christus als Sonnenhelden in sich trug. Und unter der Flagge des Christus als Sonnenhelden verbreiteten die Artus­Ritter ihre Kultur.

Die andere Strömung, die innerlich im Herzen wurzelt, die dann später zur Gralsströmung wurde, sie ist mehr im Süden von Osten her zu sehen, sie trägt den eigentlichen, den wahren, den wirk­lichen Christus. Die von Westen kommende trägt gewissermaßen ein kosmisches Bild ihm entgegen.

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Die Begegnung des Christus mit sich selbst, des Christus als Bru­der des Menschen und des Christus als Sonnenhelden, der nur noch im Bilde vorhanden ist, diese Begegnung, dieses Zusamrnenfließen des Christus mit seinem eigenen Bilde findet statt im neunten Jahr­hundert.

Damit habe ich Ihnen geschildert, wie innerlich der Zeitenlauf war in den ersten Jahrhunderten nach dem Mysterium von Gol­gatha, in jenen ersten Jahrhunderten, in denen ja auch, wie ich schon angeführt habe, die Seelen da waren, die nun wieder erschie­nen sind und die aus ihren früheren Erdenleben den Drang mit­gebracht haben, sich ehrlich nach der anthroposophischen Bewe­gang hin zu bewegen.

Wenn wir hinschauen auf diese bedeutungsvolle Artus-Strömung von Westen nach Osten, so erscheint sie als diejenige, welche den

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Sonnenimpuls in die Erdenzivilisation hineinträgt. Damit wellt und webt innerhalb dieser Artus-Strömung dasjenige, was man in christlicher Terminologie die Michael-Strömung nennen kann, jene Michael-Strömung im spirituellen Leben der Menschheit, in die wir als moderne Menschen wiederum einziehen seit dem Ende der sieb­ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Nachdem jene Macht, welche

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man mit dem christlichen Namen Gabriel bezeichnen kann, drei bis vier Jahrhunderte geherrscht hat als die dirigierende Macht in der europäischen Zivilisation, wurde sie abgelöst - Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts - durch die Michael-Herrschaft, die wiederum drei bis vier Jahrhunderte dauern wird, im Geistesleben der Menschen fortleben und weben und wellen wird und in der wir eben jetzt drinnen stehen.

Wir haben also in unserer Gegenwart immerhin Veranlassung

- weil wir selber wiederum in der Michael-Strömung drinnen leben -, wir haben Veranlassung, auf solche Michael-Strömungen hinzuweisen.

Wir finden diese Michael-Strömung, wenn wir in der Zeit, die dem Mysterium von Golgatha hart voranging, hinschauen auf die vom englischen Westen ausgehende, ursprünglich von den Myste­rien von Hybernia angeregte Artus-Strömung. Wir sehen in einer älteren Form diese Michael-Strömung, wenn wir hinblicken auf dasjenige, was Jahrhunderte vor der Entstehung des Mysteriums von Golgatha von Nord-Griechenland, von Mazedonien aus, durch jene internationale, jene kosmopolitische Strömung geschehen ist, die an den Namen Alexander des Großen geknüpft ist und unter dem Einfluß jener Weltanschauung gestanden hat, die unter dem Namen der aristotelischen bekannt ist. Was in der vorchristlichen Zeit sich durch Aristoteles und Alexander abgespielt hat, stand da­mals so in der Michael-Herrschaft drinnen, wie wir jetzt wiederum in der Michael-Herrschaft drinnen stehen, und dazumal war auf Erden ebenso wie jetzt in dem geistigen Leben der Michael-Impuls. Immer, wenn ein Michael-Impuls in der Erdenmenschheit ist, dann ist die Zeit, wo dasjenige, was in einem Kulturzentrum, in einem spirituellen Zentrum begründet worden ist, über viele Völker der Erde, in allen Gegenden, in denen es möglich ist, ausgebreitet wird.

Das geschah in der vorchristlichen Zeit durch die Alexander-züge. Da wurde das, was innerhalb der griechischen Kultur gewon­nen worden ist, verbreitet über diejenige Menschheit, in der es ver­breitet werden konnte. Und wenn man Aristoteles und Alexander gefragt hätte: Woher habt ihr dasjenige, was in euren Herzen

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sitzt als der Impuls zur Ausbreitung des geistigen Lebens eurer Zeit? - sie würden zwar mit einem anderen Namen, aber im Wesen doch geantwortet haben: Von dem Impuls des Michael, desjenigen, der als Diener Christi von der Sonne aus wirkt. Denn von den ver­schiedenen Archangeloi, welche abwechselnd die Kultur beherr­schen, gehört Michael, der im Alexander-Zeitalter und wiederum in unserem Zeitalter herrscht, der Sonne an. Es gehört derjenige, der dann gefolgt ist auf die Alexander-Zeit, Oriphiel, dem Saturn an. Es gehört derjenige, der dann auf Oriphiel gefolgt ist, Anael, der Venus an. Es gehört derjenige Erzengel, der im vierten, fünften Jahrhundert die europäische Zivilisation beherrscht hat, Zachariel, der Jupitersphäre an. Dann kam Raphael aus der Merkursphäre in derjenigen Zeit, in der insbesondere eine Art Medizinkultur-Denk­weise im Untergrunde desjenigen blühte, was als europäische Zivili­sation sich abspielte. Dann kam Samael so über das zwölfte Jahr­hundert hin. Samael gehört dem Mars an. Dann kam Gabriel, der der Mondensphäre angehört. Und nun trat wiederum seit den sieb­ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Michael ein, der der Son­nensphäre angehört. So gehen im Rhythmus fort die Herrschaften über das Geistesleben der Erde durch diese sieben Wesen aus der Hierarchie der Archangeloi. Wenn wir also zurückblicken - wo war die letzte Michael-Herrschaft? Sie war in der Alexanderzeit. Sie war da als dasjenige, was sich abgespielt hatte durch Jahr­hunderte als griechische Zivilisation, hinübergetragen wurde nach Asien, hinübergetragen wurde nach Afrika, sich konzentrierte in der geistig mächtigen Stadt Alexandria mit ihren bedeutsamen Geisteshelden.

Das ist ein eigentümlicher Anblick für das okkulte Schauen. Geht man diese paar Jahrhunderte vor das Mysterium von Gol­gatha zurück: man sieht von Mazedonien nach Osten hinüber - also wiederum von Westen nach Osten, aber weiter nach Osten ge­legen - die Strömung, die man dann ebenso schaut von den eng­lisch-irischen Seelen, wiederum von Westen nach Osten hinüber. Während der Alexander-Herrschaft herrscht Michael auf Erden. Während der Ärtus-Hertschaft wird unter der Herrschaft des

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Michael, der jetzt von der Sonne herunter wirkt, von der Sonne herunter dasjenige getragen, was ich Ihnen dargestellt habe.

Wie war es aber dann später, nachdem das Mysterium von Gol­gatha abgelaufen war, mit der Verbreitung derjenigen Geistesart, die von Alexander dem Großen durch die Eroberungszüge nach Asien hinübergetragen worden war, der aristotelischen?

Wir sehen dann, wie in derselben Zeit, in der Karl der Große in Europa eine Art christlicher Kultur auf seine Weise begründet, drüben in Asien, in Vorderasien Harun al Raschid wirkt. Wir sehen am Hofe Harun al Raschids vereint alles das, was an orienta­lischer Weisheit, an Spiritualität vorhanden war in Architektur, in Kunst, in Wissenschaft, in Religion, im Schrifttum, in Dichtung, in allem. Und wir sehen einen Ratgeber neben Harun al Raschid, der zwar, während er neben Harun al Raschid steht, in dem allem nicht eingeweiht ist, der aber ein Eingeweihter war in alten Zeiten in früheren Erdenleben. Und wir sehen unter diesen beiden Men­schen, unter Harun al Raschid und unter seinem Ratgeber, ganz verändert dasjenige, was als Aristotelismus nach Asien verpflanzt war, dasjenige, was noch durch Aristoteles aus der alten Weisheit der Natur den Menschen gezeigt worden ist, die er unterrichten konnte; wir sehen das, was Alexandrinismus, was Aristotelismus war, am Hofe von Harun al Raschid, durchdrungen und im­prägniert von Arabismus, von Mohammedanismus.

Und wir sehen dann herübergetragen in die christliche Ent­wickelung dasjenige, was von Harun al Raschid, was vom Arabis­mus ausging. Wiederum, ich möchte sagen, dem Christentum nach­getragen, in das Christentum hineingeschoben, durch Griechen­land, aber namentlich durch Nord-Afrika, durch Italien nach Spa­nien hineingeschoben, eine Art Arabismus.

Aber Harun al Raschid und sein Ratgeber, sie sind ja früher durch die Pforte des Todes gegangen. Sie verfolgten von dem Le­ben, das sie jetzt vom Tode bis zur neuen Geburt, über dem irdischen führten, das, was unten als die mohammedanisch-mauri­schen Züge nach Spanien hinein sich abspielte, sie verfolgten von der geistigen Welt aus das, was sie selbst gepflegt hatten und was

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sich durch ihre Nachfolger ausbreitete. Harun al Raschid mehr, indem er seinen Blick von der geistigen Welt auf Griechenland, Italien, Spanien warf; sein Ratgeber, indem er seinen Blick warf auf dasjenige, was vom Osten herüber durch die Gegenden nörd­lich des Schwarzen Meeres, durch Rußland, bis nach Mitteleuropa hin ging.

Die Frage steht vor uns: Was ist mit Alexander, was ist mit Ari­stoteles selber geschehen? Sie waren tief verbunden mit der Mi­chael-Herrschaft, aber nicht zu der Zeit auf Erden, als das Myste­rium von Golgatha sich abspielte.

Nun müssen wir uns lebhaft die beiden Gegenbilder vorstellen. Auf der Erde sind die Menschen, die Zeitgenossen sind des Myste­riums von Golgatha. Christus wird Mensch, geht durch das Myste­rium von Golgatha, lebt von da an in der Erdensphäre fort. Wie ist es auf der Sonne? Da sind die Seelen, die dazumal zu Michael gehörten, in der Sphäre des Michael lebten. Sie sind diejenigen, die von der Sonne aus schauen, wie Christus die Sonne verläßt. Auf der Erde sind diejenigen, die des Christus Ankunft schauen; auf der Sonne sind diejenigen, die des Christus Weggang schauen: sie sehen ihn heruntersteigen zur Erde. Das ist der Gegensatz. Und das er­leben vorzugsweise diejenigen, die im Erdenleben teilgenommen haben an jener Michael-Herrschaft, die zur Alexanderzeit war. Sie erleben sozusagen das umgekehrte Christus-Ereignis: den Fortgang des Christus von der Sonne. Sie leben weiter - unmaßgebliche In­karnationen will ich jetzt nicht erwähnen -, sie leben weiter und sie erleben das in der geistigen Welt für die Erdenwelt bedeutsame Zeitalter des neunten nachchristlichen Jahrhunderts, ungefähr das Jahr 869. Denn da findet ja erstens das statt, was ich Ihnen eben angedeutet habe: die Begegnung des Christus mit seinem Eben-bilde, mit seinem Lebensgeist, mit demjenigen, was noch vorhan­den war von dem vorchristlichen heidnischen Christus. Aber es findet auch die Begegnung statt zwischen jenen Individualitäten, welche in Alexander dem Großen und Aristoteles lebten, mit jener Individualität, die in Harun al Raschid, und jener, die in seinem Ratgeber lebte: Der mohammedanisierte Aristotelismus von Asien

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in geistiger Entfaltung in Harun al Raschid und dem Ratgeber nach dem Tode mit Alexander und Aristoteles nach dem Tode. Aber das eine war der Aristotelismus und Alexandrinismus, der den Mohammedanismus aufgenommen hat, das andere war der wirkliche Aristotelismus, waren nicht jene nachträglichen Lehren, die schon durch Menschen gegangen waren. Aristoteles und Alex-ander hatten das Mysterium von Golgatha von der Sonne aus ge­sehen.

Da fand die große Auseinandersetzung, gewissermaßen jenes himmlische Konzil statt zwischen dem mohammedanisierten Ari­stotelismus und dem christianisierten Aristotelismus, - aber dem in der geistigen Welt christianisierten Aristotelismus.

So kann man sagen: Hier in der Welt, die unmittelbar als gei­stige Welt an unsere physische Erdenwelt angrenzt, begegneten sich Alexander und Aristoteles, Harun al Raschid und sein Rat­geber, sich auseinandersetzend über den weiteren Fortgang der Christianisierung Europas, hinweisend auf dasjenige, was kommen mußte am Ende des neunzehnten Jahrhunderts, im zwanzigsten Jahrhundert, wo die Michael-Herrschaft wiederum auf Erden sein kann.

Und das alles entstand, spielte sich ab wie bestrahlt von jenem Ereignisse der Begegnung des Christus mit seinem Gegenbilde. Das alles stand unter diesem Eindrucke. Das geistige Leben der Men­schen wurde in der spirituellen Welt, die unmittelbar an die phy­sische Erdenwelt angrenzt, in intensiver Weise projektiert, könnte man sagen, fadengezeichnet.

Und unten auf der Erde selber versammelten sich in Konstan­tinopel zum achten allgemeinen ökumenischen Konzil die Väter der Kirche und faßten das Dogma, daß der Mensch nicht aus Leib, Seele und Geist, sondern nur aus Leib und Seele bestehe, und die Seele einige geistige Eigenschaften habe. Die Trichotomie - so nannte man das, daß der Mensch aus Leib, Seele und Geist be­steht -, die Trichotomie wurde abgeschafft. Wer ferner an sie glaubte in Europa, der wurde ein Häretiker. Die christlichen Väter in Europa vermieden unter allen Umständen, jemals von der

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Trichotomie, von Leib, Seele und Geist zu sprechen, sondern rede­ten nur von Leib und Seele.

Was so als Maßgebliches im Jahre 869 in übersinnlichen Wel­ten geschah, wie ich es Ihnen beschrieben habe, das warf seine Schatten hinunter in die Welt Das finstere Zeitalter des Kali Yuga nahm einen besonderen Impuls seiner Finsternis auf, während sich darüber dasjenige abspielte, was ich Ihnen eben beschrieben habe.

Das war der wirkliche Verlauf der Ereignisse: in der physischen Welt das Konzil von Konstantinopel, in dem der Geist abgeschafft wird; in der unmittelbar an die physische Welt angrenzenden Welt ein himmlisches Konzil, das sich so abspielte, indem der Christus selber seinem Gegenbilde begegnete.

Aber man war sich klar: Man muß warten, bis die neue Michael-Herrschaft auf der Erde beginnen kann. Immer aber fanden sich Lehrer, die - wenn auch gewissermaßen in der Dekadenz - etwas wußten von dem, was eigentlich hinter den Kulissen des Daseins vor sich geht; immer fanden sich Lehrer, die in - wenn auch manchmal nicht sehr zutreffenden - Bildern darzustellen wußten, was geistiger Inhalt der Welt ist, was zugrunde liegt demjenigen, was in der unmittelbar an die physische Welt angrenzenden gei­stigen Welt ist. Und solche Lehrer fanden zuweilen Ohren, die ihnen zuhörten. Und diejenigen Ohren, die ihnen zuhörten, gehör­ten Menschen an, welche in der Weise vom Christentum hörten, daß sie allerdings nur da oder dort ein gebrochenes Wort, aber doch etwas von dem hörten, was kommen soll im zwanzigsten Jahrhun­dert, nachdem die Michael-Herrschaft wiederum begonnen haben wird.

Diese Menschen, meine lieben Freunde, in Euren eigenen Seelen sitzen die Seelen, die dazumal verkörpert waren und solchen Seelen zugehört hatten, die von der kommenden Michael-Herrschaft rede­ten; von der kommenden Michael-Herrschaft unter dem Einflusse solcher Impulse redeten, wie sie herunterkamen von jenem himm­lischen Konzil, von dem gesprochen worden ist.

Aus solchem Erleben im früheren Leben, in den ersten christ­lichen Jahrhunderten - nicht gerade im neunten Jahrhundert, sondern

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vorher und später, aber namentlich vorher -, entwickelte sich der Drang heran, dann, wenn die Michael-Herrschaft Ende des neunzehnten Jahrhunderts, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts kommt, unbewußt hinzuschauen auf die Stätte, wo jetzt wirklich unter dem Einfluß der Michael-Herrschaft das spirituelle Leben wieder gepflegt wird. Das pflanzte sich in die Seelen derjenigen, die von Lehren hörten, die etwas enthielten von den Geheimnissen, von denen wir heute gesprochen haben.

So pflanzt sich karmisch in die Seelen die Sehnsucht, heranzu­kommen an dasjenige Christentum, das unter dem Einflusse des Michael am Ende des neunzehnten Jahrhunderts, Anfang des zwan­zigsten Jahrhunderts anthroposophisch verbreitet werden sollte. Und was dazumal diese Seelen erlebt haben, das findet in der Wie­derverkörperung jetzt seinen Ausdruck darinnen, daß gewisse See­len den Zugang zur anthroposophischen Bewegung finden.

Lehren, welche anknüpften an eine Art von Zusammenfluß von altem vorchristlichem kosmischem Christentum und der inner­lichen christlichen Lehre, Lehren, welche anknüpften an geistiges Leben und Weben in der Natur und die dennoch anknüpfen konn­ten an das Mysterium von Golgatha, wurden nun fortdauernd ge­lehrt, gelehrt auf Erden in der Zeit, als die Seelen, die jetzt zur Anthroposophie hingedrängt sich fühlen, schon wiederum durch die Pforte des Todes gegangen waren, lebten in dem Leben zwi­schen dem Tode und einer neuen Geburt, einzelne auch herunter-steigend zur Erde, sich verkörpernd. Wir sehen, wie fortlebten auf der Erde die alten Lehren, die noch das Christentum in kosmischer Art anschauten, die alten Lehren, welche fortpflanzten Traditionen an die alten Mysterien; wir sehen solche Lehren fortgepflanzt durch bedeutsame europäische Schulen, wie zum Beispiel eben nament­lich die Schule von Chartres im zwölften Jahrhunderte, wo so be­deutende Lehrer lehrten wie Bernardus Sylvestris, Alanus ab In­sulis und andere große Lehrer, welche in der Schule von Chartres lehrten. Wir sehen, wie solche Lehren lebten und webten zum Bei­spiel in dem Ihnen am letzten Sonntag erwähnten Brunetto Latini.

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Brunetto Latini, der große Lehrer Dantes, trug solche Lehren in sich. Wir sehen in dieser Art dasjenige sich fortpflanzen, was noch einen Zusammenhang hatte zwischen dem kosmischen Christen­tum und dem rein menschlichen, irdischen Christentum, das ja auf der Erde doch immer mehr und mehr überhandnahm.

Das war ja das Gegenbild, dem auf Erden das irdische Konzil von Konstantinopel entsprach: daß in der Art, wie ich Ihnen er­zählte, ein fortwährender Zusammenhang stattgefunden hat zwi­schen demjenigen, was in den geistigen Welten, was in der Welt, die unmittelbar an unsere physische Welt angrenzt, und unserer physischen Welt sich abspielte. Ein fortwährender Zusammenhang fand statt. So fühlten sich schon gerade die bedeutendsten Lehrer von Chartres inspiriert von dem wirklichen Alexander und dem wirklichen Aristoteles, aber auch in hervorragendstem Sinne von Plato und von alledem, was sich von Plato und dem Neuplatonis­mus an die damals im Mittelalter herrschende Mystik anlehnte.

Und etwas sehr Bedeutendes fand statt. Diejenigen Menschen, die vorzugsweise um Michael sich scharten, die also im Alexander-Zeitalter vorzugsweise inkarniert waren, sie lebten jetzt in der gei­stigen Welt. Sie schauten schon auf so etwas herunter, wie es die christliche Entwickelung war durch die Lehrer von Chartres. Sie warteten aber, bis die Lehrer von Chartres, die letzten, die noch kosmisches Christentum lehrten, hinaufkamen in die geistige Welt. Und es war ein gewisser Zeitpunkt, ein Zeitpunkt am Ende des zwölften Jahrhunderts, am Beginne des dreizehnten Jahrhunderts, da begegneten sich gewissermaßen in der überirdischen Sphäre, die unmittelbar an die irdische angrenzte, die mehr platonisch gearte­ten Lehrer von Chartres mit jenen, die das himmlische Konzil von 869 durchmachten. Und da fand, wenn ich mich trivial-irdisch aus-drücken darf für diese erhabene Sache, da fand eine Art Bespre­chung statt zwischen denen, die als die Lehrer von Chartres eben hinaufkamen in die geistige Welt und nunmehr in der geistigen Welt weiter die Entwickelung erleben sollten, und jenen andern, die unmittelbar heruntersteigen sollten, unter welchen die unmittel­baren Individualitäten von Alexander und Aristoteles selber waren,

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die dann im Dominikaner-Orden sich unmittelbar nachher verkör­perten. Und es fand statt auf Erden in dem, was heute so verkannt wird, was wert wäre, daß man es tiefer in seiner Bedeutung erken­nen würde, es fand statt in dem, was als Scholastik auf der Erde auftrat, die Vorbereitung für alles Spätere, was dann im späteren Michael-Zeitalter stattfinden sollte.

Und um sich recht in das Christentum einzuleben, um ganz im Christentum drinnen zu stehen, verkörperten sich diejenigen, die der Michael-Sphäre angehörten, die im alten Alexander-Zeitalter lebten, nicht mitgemacht hatten die ersten christlichen Jahrhun­dette oder nur in unmaßgeblichen Inkarnationen, verkörperten sich, um eben ins Christentum sich einzuleben, im Dominikaner-Orden oder in anderen christlichen Orden, aber hauptsächlich im Dominikaner-Orden. Dann gingen sie durch die Pforte des Todes hinauf in die geistige Welt und wirkten in der geistigen Welt weiter.

Da fand nun im fünfzehnten Jahrhundert - bis ins sechzehnte Jahrhundert hinein dauerte es, die Zeitverhältnisse sind ganz andere für die geistige Welt - jene gewaltige Unterweisung im Übersinnlichen statt, die von Michael selber für die Seinigen aus­gegangen ist. Da wurde sozusagen eine übersinnliche, eine spiri­ruelle Schule begründet, eine Schule, in der Michael selber der Lehrer war, eine Schule, an der die entsprechenden Menschen teil­nahmen, die dazumal inspiriert waren namentlich durch das frü­here Michael-Zeitalter, inspiriert dann durch das Hineinleben in das Christentum auf die Art, wie ich es dargestellt habe. All das­jenige, was zu Michael gehörte an entkörperten Menschenseelen, nahm teil an jener großen Schule, die übersinnlich stattfand im vierzehnten, fünfzehnten, sechzehnten Jahrhunderte. Alle diejeni­gen Wesenheiten aus der Hierarchie der Angeloi, Archangeloi, Archai, die zur Michael-Strömung gehörten, nahmen teil. Zahl­reiche Elementarwesen nahmen teil.

Es fand dort ein bedeutsamer Rückblick auf alles alte Mysterien-wesen statt. Eine genaue Erkenntnis wurde für die Seelen über das alte Mysterienwesen verbreitet. Zurückgeschaut wurde in die Sonnen-Mysterien,

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in die Mysterien der anderen Planeten. Aber auch der Ausblick für die Zukunft wurde eröffnet, für das, was im neuen Michael-Zeitalter beginnen sollte, das gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts anfängt, das jetzt herrschend ist. All das ging dazu­mal durch die Seelen. Es waren wieder dieselben Seelen, die in unserem Michael-Zeitalter sich zur anthroposophischen Bewegung hingedrängt fühlten.

Mittlerweile fand auf Erden, ich möchte sagen, der letzte An­prall statt. Harun al Raschid verkörperte sich wieder, begründete in seiner Wiederverkörperung den Impuls des Materialismus, erschien als Baco von Verulam. Die Universalität Bacos von Verulam ist von Harun al Raschid, aber auch das, was an Intellektuellem, an Mate­rialismus in Bacon lebt, ist von Harun al Raschid. Bacon erschien als der wiederverkörperte Harun al Raschid. Sein Ratgeber, der den anderen Weg gemacht hat, erschien in dem gleichen Zeitalter als Amos Comenius.

Und so sehen wir, während das Christentum in der Beleuchtung des Aristotelismus im Übersinnlichen im vierzehnten, fünfzehnten, sechzehnten, siebzehnten Jahrhundert und so weiter die hauptsäch­lichste Entwickelung durchmachte, auf Erden den Materialismus geistig begründet: begründet in der Wissenschaft durch Bacon, den wiederverkörperten Harun al Raschid, begründet im Erziehungs­wesen unter Amos Comenius, dem wiederverkörperten Ratgeber des Harun al Raschid. Beide wirkten zusammen.

Und Amos Comenius und Bacon bewirkten beide, als sie nun durch die Pforte des Todes gingen, Merkwürdiges in der geistigen Welt. Als Baco von Verulam durch die Pforte des Todes ging, zeigte sich, wie von seinem ätherischen Leibe durch die besondere Denkungsart, die er in der Bacon-Inkarnation angenommen hatte, eine ganze Welt von Idolen, dämonischen Idolen ausging, welche die geistige Welt erfüllten, von der ich eben gesprochen habe, in der die Nachwirkungen jenes seelischen Konzils sich abspielten unter den Individualitäten, welche von Michael belehrt wurden. In dieser Welt breiteten sich Idole aus.

Es ist schon so, wie in meinem ersten Mysterium dargestellt ist,

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daß das, was auf Erden geschieht, mächtige Wirkungen in die gei­stige Welt hinein hat. Bacons irdische Geistesart hatte in die geistige Welt hinein die tumultuarische Wirkung, daß eine ganze Welt von Idolen sich ausbreitete.

Und aus dem, was Amos Comenius auf Erden doch eigentlich als eine Art materialistische Pädagogik begründet hatte, bildete sich sozusagen die Grundlage, die Welt, die Sphäre, die Welt-Atmo­sphäre für dasjenige, was die Idole des Bacon waren. Ich möchte sagen: Bacon lieferte die Idole, und was zu den Idolen als andere Reiche gehörte, das lieferte ihnen Amos Comenius durch dasjenige, was auf Erden stattgefunden hatte. Denn wie wir als Menschen das Mineraireich, das Pflanzenreich um uns haben, so hatten nun diese Idole des Bacon die anderen Reiche, die sie brauchten, um sich.

Und der Bekämpfung von alledem, der Bekämpfung dieser dämonischen Idole, hatten sich jetzt jene Individualitäten zu wid­men, die einstmals unter der Führung von Alexander und Atistr­teles auf der Erde waren. Das spielte sich ab bis zu dem Momente hin, wo die Französische Revolution auf Erden stattfand.

Diejenigen Idole, die nicht bekämpft werden konnten, diejenigen Dam.'onen, idolischen Dämonen, die sozusagen entkommen waren im Kampfe, die stiegen dann zur Erde herunter und inspirierten das, was der Materialismus des neunzehnten Jahrhunderts war, mit allem, was nachfolgte. Das sind die Inspiratoren des Materialismus des neunzehnten Jahrhunderts!

Die Seelen, die zurückgeblieben waren, die die Lehren des Mi­chael unter der Assistenz der Individualitäten des Aristoteles und Alexander genossen hatten, die kamen eben mit den Impulsen in sich, die ich geschildert habe, wiederum auf die Erde herunter Ende des neunzehnten Jahrhunderts, Anfang des zwanzigsten Jahrhun­derts. Und viele dieser Seelen erkennt man wieder in denjenigen, die an die anthroposophische Bewegung herankommen. Das ist das Karma derjenigen, die ehrlich, innerlich aufrichtig an die anthro­posophische Bewegung herankommen.

Es ist ein Erschütterndes, wenn man es so schildert, wie es im unmittelbaren Hintergrunde desjenigen dasteht, was sich äußerlich

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in der Gegenwart abspielt. Es ist aber etwas, was hineingesenkt werden muß unter dem Einfluß des Weihnachts-Impulses vom Goetheanum in die Seelen, in die Herzen derjenigen, die sich An­throposophen nennen. Es ist etwas, was leben sollte in den Herzen, in den Seelen derjenigen, die sich Anthroposophen nennen. Und das wird einem die Kraft geben, nun weiter zu wirken; denn die­jenigen, die heute Anthroposophen sind, im ehrlichen, wahren Sinne Anthroposophen sind, die werden einen starken Drang haben, bald wiederum zur Erde herunterzukommen. Und innerhalb der Mi­chael-Prophetie sieht man voraus, wie zahlreiche Anthroposophen-seelen mit dem Ende des zwanzigsten Jahrhunderts wiederum zur Erde kommen, um das, was heute mit starker Kraft als anthropo­sophische Bewegung begründet werden soll, zur vollen Kulmina­tion zu bringen.

Das ist es, was Anthroposophen eigentlich bewegen sollte: Hier stehe ich. Der anthroposophische Impuls ist in mir. Ich erkenne ihn als den Michael-Impuls. Ich warte, indem ich mich für mein Watten stärke durch die rechte anthroposophische Arbeit in der Gegenwart, und die kurze Zwischenzeit ausnütze, die gerade den Anthroposophenseelen beschieden ist im zwanzigsten Jahrhundert zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, um am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts wiederzukommen und die Bewegung mit einer viel spirituelleren Kraft fortzusetzen. Ich bereite mich für dieses neue Zeitalter vom zwanzigsten ins einundzwanzigste Jahr­hundert hinein vor - so sagt sich eine rechte Anthroposophen-seele -, denn viele zerstörende Kräfte sind auf der Erde. In die Dekadenz muß alles Kulturleben, alles Zivilisationsleben der Erde hineingehen, wenn nicht die Spiritualität des Michael-Impulses die Menschen ergreift, wenn nicht die Menschen wiederum imstande sind, dasjenige, was an Zivilisation heute hinabrollen will, wieder­um hinaufzuheben.

Finden sich solche ehrlichen Anthroposophenseelen, die die Spiritualität in dieser Weise in das Erdenleben hineintragen wollen, dann wird es eine Bewegung nach aufwärts geben. Finden sich solche Seelen nicht, dann wird die Dekadenz weiterrollen. Der

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Weltkrieg mit all seinen üblen Beigaben wird nur der Anfang von noch Üblerem sein. Denn es steht heute die Menschheit vor einer großen Eventualität: vor der Eventualität, entweder in den Abgrund hinunterrollen zu sehen alles, was Zivilisation ist, oder es durch Spiritualität hinaufzaheben, fortzuführen im Sinne dessen, was im Michael-Impuls, der vor dem Christus-Impuls steht, gelegen ist.

Das ist dasjenige, meine lieben Freunde, was ich vor Euren See­len zu entwickeln hatte bei dieser Anwesenheit, von dem ich möchte, daß es fortwirken sollte in Euren Seelen. Denn wie ich oftmals gesagt habe, wenn ich nach einem erfreulichen, befriedigen­den Zusammensein beschließen mußte, was verhandelt, gearbeitet werden konnte in solchem Zusammensein: Anthroposophen sind, wenn sie vereinigt sind im physischen Leben, zusammen, nehmen das als ihr Karma hin, bleiben aber vereint, auch wenn sie im phy­sischen Raume auseinander sind. So wollen wir vereint bleiben in denjenigen Zeichen, die sich uns zeigen können vor dem geistigen Auge, vor dem geistigen Ohre, wenn wir in vollem Ernst solches aufnehmen, wie ich es gerne hätte fließen lassen, wenn ich verstan­den worden bin, durch das, was ich in diesen drei Stunden vor Ihnen, meine lieben anthroposophischen Freunde, entwickeln durfte.

Die Bedeutung

der die Erde umgebenden Himmeiskörper

für das Leben des Menschen

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ZEHNTER VORTRAG

Zürich, 28. Januar 1924

(nach einer unvollständigen Nachschrift)

Wenn wir als Menschen die Welt um uns herum betrachten, dann finden wir als menschliche Umgebung zunächst alles dasjenige, was auf der Erde ist: die Wesen der verschiedenen Reiche der Erde, des mineralischen, des pflanzlichen, des tierischen Reiches, wir finden das Menschenreich, zu dem wir selber gehören, und wir finden alles dasjenige, was zu diesen Reichen hinzugehört, was aus ihnen ge­bildet wird: Berge, Flüsse, Wolken. Richten wir dann den Blick weiter hinaus in das Weltall, dann finden wir das Weltall übersät mit Sternen, Fixsternen, Planeten, und es wird wohl auch klar durch die anthroposophische Betrachtung, daß diese verschiedenen Sterne, ebenso wie unsere Erde, ihre Bewohner haben. Aber der Mensch findet, indem er zunächst seinen Blick sowohl in seine irdische Um­gebung wie auch hinaus in die Weiten des Weltalls wendet, in dieser räumlichen Umgebung Wesenheiten, die nur mit einem Teil seines Selbstes etwas zu tun haben. Wir wissen ja aus den anthroposophi­schen Betrachtungen, daß wir Menschen gegliedert sind in einen physischen Leib, einen Ätherleib, einen Astralleib und ein Ich. Wir wissen, daß wir im Sehlaf mit dem Ich und dem Astralleib uns trennen von dem physischen Leib und Ätherleib Aber alles, was wir mit unseren Augen sehen, mit unseren Sinnen in der Welt wahrnehmen können, steht nur in Beziehung mit unserem phy­sischen und unserem Ätherleib Es steht zunächst in keiner Bezie­hung zu unserem Astralleib und zu unserem Ich. Nur zwei Sterne machen davon eine Ausnahme: die Sonne und der Mond. Die Sonne und der Mond sind ja ebenso von geistig-seelischen Wesenheiten bewohnt wie die Erde mit dem Menschen selbst. Aber auch die anderen Sterne des weiten Weltenalls sind von geistig-seelischen Wesenheiten bewohnt, nur hat der Mensch zu dem eigentlich Gei­stig-Seelischen der weiten Sterne zunächst nur eine sehr indirekte Beziehung während seines Lebens zwischen Geburt und Tod. Nur

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die beiden genannten Sterne, Sonne und Mond, machen davon eine Ausnahme. Sie sind gewissermaßen für uns Menschen die zwei Tore, durch die wir auch schon während des physischen Erden-lebens im Zusammenhang stehen mit der geistigen Welt. Und sie selbst, Sonne und Mond, stehen mit uns in Beziehung, und zwar so, daß die Sonne in Beziehung steht mit unserem Ich, der Mond mit unserem Astralleib. Wir werden uns nähern dem Verständnis des­jenigen, was ich eben gesagt habe, wenn wir ein wenig auf das­jenige hinschauen, was wir in den Büchern und verschiedenen Zyklen ausgeführt finden.

Aus ihnen wissen Sie, daß der Mond, der heute als Begleiter der Erde, aber frei, durch den Weltenraum wandelt, einmal mit der Erde in Verbindung war, daß er mit der Erde einen einzigen Kör­per dargestellt hat, daß er sich zu einem gewissen Zeitpunkte los-gerissen hat von der Erde, hinausgegangen ist in das Weltall und nun im Weltall eine Art Kolonie der Erde bildet. Aber das ist nicht nur der Fall in bezug auf dasjenige, was als Erscheinung des Physischen des Mondes herunterschaut von ihm zu uns, es ist auch der Fall mit den Wesenheiten, die ihn bewohnen. Auch das wissen Sie, daß die Erde einmal bewohnt war nicht nur von Menschen, sondern von einer Art höherer Wesenheiten, welche die ersten großen Lehrer der Menschheit waren. Diese Wesenheiten waren nicht, wie die Menschen jetzt, in einem physischen Leibe, sondern nur in einem feinen ätherischen Leibe. Aber es gab doch einen Verkehr zwischen den Menschen und diesen Wesenheiten noch bis in die atlantische Zeitepoche hinein. Dieser Verkehr bestand darin daß die Menschen dieser Urzeiten der Erde angehalten wurden, in einer gewissen Weise Stille in ihrem Gemüte walten zu lassen, nichts aus ihrer physischen Umgebung wahrzunehmen, sondern nur mit ruhiger Seele in vollständiger Gemütsruhe zu verharren. Und dann war es diesen Menschen der Urzeiten - uns selber, denn wir waren ja alle in unseren vorigen Erdenleben auf unserer Erde -, als ob von innen heraus diese Wesenheiten sprechen würden, und die Menschen fühlten und empfanden das als die Inspiration. Nicht so, wie wir einander Dinge mitteilen, teilten diese vorgerückten Wesenheiten

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den Menschen das mit, was sie ihnen mitzuteilen hatten, son­dern auf die Art, wie ich es Ihnen angegeben habe. Die Menschen machten aus alledem die Werke einer wunderbaren Urweisheit. Der Mensch der Gegenwart ist ja im Grunde genommen so furchtbar hochmütig, er dünkt sich so grenzenlos gescheit. Er ist es ja auch im Vergleich mit dem Urmenschen, aber Gescheitheit allein führt eben nicht zur Weisheit, führt nicht zum Wissen. Gescheitheit kommt aus dem Verstande, und der Verstand ist nicht das ein­zige Werkzeug, das zum Wissen führt. Es waren tiefere Kräfte der Seele, welche in den Urzeiten die Menschen zum Wissen führ­ten, das sie auch nicht in Verstandesformeln, nicht einmal in unserer philiströsen Grammatik - denn alle Grammatik ist philiströs - zum Ausdruck brachten, sondern in halb dichterischen Werken. Diese Urweisen, welche die Menschheit lehrten durch Inspiration dieser vorgerückten Wesenheiten, drückten aus in Werken, welche halbe Dichtung waren, in grenzenlos schönen, bildhaften Darstellungen dasjenige, was an äußeren Dokumenten bis auf unsere heutigen Zeiten erhalten geblieben ist. Nehmen wir die Vedenliteratur der Inder, die Yoga-Philosophie, die Vedanta-Philosophie, die persischen Urkunden, die ägyptischen Urkunden, alles das bewundern wir, und wir sind Toren, wenn wir es nicht bewundern. Je mehr man sich in die Dinge einlebt, je mehr man sich ihnen hingibt, desto mehr sagt man sich: Ja, wir sind heute gescheit und diese alten Menschen waren nicht so gescheit, aber dasjenige, was sie als Wissen in einer wunderbar schönen poetischen Form dargestellt haben, ist tief, führt tief hinein in die Geheimnisse der Welt. Und die äußeren Dokumente, die wir schon so sehr bewundern, von denen wir er­schüttert werden, wenn wir das Herz auf dem rechten Fleck haben, sie sind nur die letzten Reste desjenigen, was einmal durch münd­liche Überlieferung in der Menschheit vorhanden war, was nur noch die Geisteswissenschaft ergründen kann an wunderbarer, ur­alter Urweisheit. Aber die Menschen sind sozusagen herausgewach­sen aus dieser Urweisheit. Sie wären unmündig geblieben und nicht zur Freiheit eines Wissens durch eigene Kraft gekommen, wenn sie bei der Urweisheit stehengeblieben wären.

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Damit aber hatten jene großen Urlehrer auch keine Aufgabe mehr auf der Erde. Sie verließen die Erde. Geradeso, wie das Phy­sische des Mondes in die Weiten des Weltalls hinausgegangen ist, so gingen mit dem Monde hinaus die großen Urlehrer. Sie bilden heute eine Art Weltenkolonie auf dem Monde, und derjenige, der mit Initiationswissenschaft den Mond betrachtet, findet ihn bevöl. kert von denjenigen weisen Wesenheiten, die einmal Genossen der Menschheit waren. Diese Wesenheiten, man kann ihre Weisheit noch ergründen, wenn man durch eine höhere Fortbildung dessen, was ich beschrieben habe in

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Organ. Er ist es für die äußeren materiellen Begriffe und Ideen. Dasjenige, was von den Mondenwesen eingezeichnet wird in die menschliche Wesenheit in der letzten Stufe ihres Heruntersteigens vom Weltenall auf die Erde, das ist sogar - der Mensch mag es glauben oder nicht - eingezeichnet in denjenigen Teil unseres menschlichen Wesens, den wir die geistige Seite unseres Glied­maßen-Stoffwechsel-Menschen nennen. Ganz im Unterbewußtsein ruht es daher, aber es ist da, geht in das Wachstum über, geht in die Gesundheit über, und namentlich geht es über in dasjenige, was ich nennen möchte die Heilbarkeit eines Menschen, wenn er auf der Erde erkrankt. Es ist ja natürlich eine wichtige Angelegenheit, kennenzulernen, was das Wesen der Krankheit ist, aber eine viel wichtigere Angelegenheit ist es, kennenzulernen, wie man heilt. Nun ist schon übersinnliche Erkenntnis ein wesentliches Hilfsmittel beim Erkennen der Wesenheit der Krankheit; das ist aber die Kennt­nis desjenigen, was auf diese Art in Wachstum, in den Ernährungs-kräften, in den Atmungskräften eingezeichnet liegt aus der Akasha­Chronik der Mondwesen. Das ist dasjenige, was macht, daß der Mensch größeren oder geringeren Widerstand einer Heilung für irgendeine Krankheit entgegensetzt. Der eine Mensch wird leichter, der andere schwerer geheilt. Das hängt ganz davon ab, wie aus seinem Karma heraus, aus seinem vorigen Erdenleben, diese Ein-zeichnungen getroffen werden.

Sehen Sie, wenn wir hinschauen auf dasjenige, was der Mond da draußen mit seinen Bewohnern für uns Erdenmenschen ist, so kom­men wir darauf, zu sagen: Er hängt innig zusammen mit allem demjenigen, was unsere Vergangenheit ist, die zurückreicht auf die vorhergehenden Erdenleben. Das Mondendasein richtig verstehen, wie es da draußen in den Weiten des Weltalls existiert, heißt auf der Erde fühlen und empfinden die Vergangenheit der Menschen. Nun setzt sich das menschliche Schicksal zusammen aus demjenigen, was wir herübertragen aus dem vorigen Erdenleben, also aus unserer Vergangenheit, und dem, was wir während unseres Lebens in der Gegenwart erfahren können. Und aus demjenigen, was in der Ge­genwart erfahren werden kann, zusammen mit unserer Vergangenheit,

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bildet sich das Schicksal weiter in die Zukunft hinein in die folgenden Erdenleben. Kosmisch betrachtet, erscheint uns also der Mond mit seinen Wesenheiten als dasjenige, was unsere Vergangen­heit in unserem Schicksal zimmert.

Sie sehen daraus, wie wenig die gegenwärtige Erkenntnis weiß von dem, was eigentlich die Weltenkörper draußen sind. Die phy­sikalische Erkenntnis des Mondes, an die wir heute gewohnt sind, ist im Grunde eigentlich gar keine Erkenntnis. Derjenige, der den Mond heute physikalisch beschreibt, der denkt sich, daß das, was er auf den Mondkarten als Gebirge abgebildet findet, immer schon da­gewesen sei. Es ist naiv, das zu glauben. Die Mondenwesen waren immer da, das Geistig-Seelische des Mondes war da, nicht aber die physische Materie. Sie werden es sich klarmachen können, wenn Sie auf den Menschen selber schauen. Der Mensch tauscht im Laufe seines Erdenlebens seine physischen Stoffe fortwährend aus. Nach sieben bis acht Jahren haben wir nichts mehr von dem Stofflichen, was wir in uns tragen, in uns. Es ist alles ersetzt. Was in uns ge. blieben ist, ist das Geistig-Seelische, und so ist es auch bei den Weltenkörpern. Sie können heute auf den Mond hinaufschauen:

Sein Stoff, wenn er auch länger dauernd ist als der menschliche Stoff, ist im Laufe der Zeiten ein ganz anderer geworden; nur das Geistig-Seelische bleibt. Man bekommt eben, wenn man diese Dinge ins Auge faßt, eine ganz andere Ansicht über das Welt­all, als man sie hat aus dem, was heute materielle Erkenntnis ist. Diese materielle Erkenntnis ist ja außerordentlich klug, gescheit und verständig, sie kann vor allen Dingen rechnen, und sie rechnet todsicher. Die Rechnungen sind immer richtig, aber sie sind nicht wahr. Sehen Sie, es rechne heute einer aus die Struktur des Herzens. Er beobachtet sie heute, und in einem Monat beobachtet er sie wie­der: Sie hat sich verändert, nicht viel. In einem weiteren Monat auch wieder nicht viel, und dann schaut er nach, wieviel sich das Herz verändert hat in einem Jahr. Er braucht nur zu multiplizieren, so hat er es für zehn Jahre. Er kann ausrechnen, wie das Herz vor dreihundert Jahren war, wie es in dreihundert Jahren sein wird, und die Rechnung wird sicher stimmen. Nur war das Herz vor dreihundert

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Jahren nicht da und wird in dreihundert Jahren nicht da sein. So wird es auch in bezug auf andere Dinge gemacht. Die Rech­nungen stimmen immer, aber sie stimmen nicht mit der Wirklich­keit. So ist es auch in bezug auf das äußere Substantielle der Him­melskörper. Sie wechseln ihre Substanz, aber das Geistig-Seelische bleibt. Und für den Mond ist dieses Geistig-Seelische dasjenige, was durch die großen Registratoren unseres vergangenen Lebens in unser Schicksal einverwoben wird, was eben zusammenhängt mit einem Teil dieses unseres Schicksalgewebes als Mensch.

So ist der Mond in der Tat das eine der Tore, die den Menschen hinweisen in die geistige Welt, aus der heraus sein Schicksal gewo­ben wird von Wesenheiten, welche einmal unsere weisen Genossen auf der Erde waren in jener Zeit, wo die Menschen aus einem In­stinkt heraus sich selbst ihr Schicksal gewoben haben. Jetzt ist das Weben des Schicksals ganz im Unterbewußten. Wir werden nach­her noch weiter darüber hören.

Es gibt noch ein anderes Tor hinüber in die geistige Welt: das ist die Sonne. Wenn man durch Initiationswissenschaft die Sonne kennenlernt, dann trifft man nicht Wesenheiten, welche zusammen­hängen mit unserer Erde selber wie die Mondwesenheiten; man trifft nicht Wesenheiten in der Sonne, die einmal die Erde bewohnt haben. Man trifft diejenigen Wesenheiten, die Sie bezeichnet finden in meiner «Geheimwissenschaft» als Angeloi und die höheren We­senheiten in den Hierarchien. Wenn ich sage , so müs­sen Sie sich natürlich solche in der ganzen Sphäre der Sonne, in der ganzen Lichtflut, die von der Sonne ausgeht, vorstellen. Die Sonne ist der Wohnsitz der Angeloi, Engel, jener Wesenheiten, von denen je eine immer zusammenhängt mit einem Menschen-Individuum. Und wir Menschen hängen schon einmal mit Bezug auf unser Ich mit diesen höheren Individuen zusammen, und wir hängen durch das Sonnendasein mit diesen höheren Individuen zusammen. Die Angeloi sind gewissermaßen die kosmischen Vorbilder des Men­schen, denn der Mensch wird einmal die Rangstufe der Angeloi erreichen. Auf der Sonne leben diejenigen Wesenheiten, denen wir uns hinsichtlich ihrer Beschaffenheit selber nähern. Daraus werden

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Sie schon entnehmen, daß ebenso, wie mit dem Mondendasein unsere Vergangenheit, so mit dem Sonnendasein unsere Zukunft zusammenhängt. Mond und Sonne stellen eine Welt unserer Ver­gangenheit und unserer Zukunft dar, und wenn wir auf der einen Seite sehen, daß die Mondenwesen die Buchhalter unserer Ver­gangenheit sind, daß gewissermaßen unsere vergangenen Erden-leben auf den Blättern ihrer Bücher eingezeichnet sind, so wird uns durch die Initiationswissenschaft klar, daß wir zu den Angeloi, Engeln, hinschauen müssen, wenn wir uns um unsere Zukunft küm­mern. Wir tun ja fortwährend etwas, vielleicht nicht alle, aber die meisten Menschen müssen ja etwas tun. Geradeso wie dasjenige, was wir in der Vergangenheit getan haben, in unser gegenwärtiges Leben hineinwirkt, so müssen diejenigen Dinge, die wir in der Gegenwart tun, in die Zukunft hineinwirken. Sie können aber nur dadurch in die Zukunft hineinwirken, daß gewissermaßen die An­geloi hinlenken ihre Seelenblicke auf dasjenige, was der Mensch in der Gegenwart tut, und es zur Wirkung bringen in der Zukunft. Es ist eine sehr gute Empfindung, wenn man mit diesem Berufe der Angeloi in der Welt rechnet. Wir vollbringen ja manches, was in der Zukunft Früchte tragen soll. Die Gegenwartsmenschheit ist in bezug auf solche Dinge furchtbar gedankenlos geworden. Sie sollte solche Dinge ins Auge fassen, und wenn der Mensch irgend etwas tut, so soll er an seinen Angelos denken, etwa so: «Mein schützen­der Geist empfange dasjenige, was meine Tat ist, als eine Wurzel und bringe Früchte daraus hervor. » Je bildlicher, je anschaulicher ein Mensch also anknüpft eine solche Ansprache an seinen Angelos für Taten, die in der Zukunft Früchte tragen sollen, desto mehr wird von diesen Früchten in der Zukunft vorhanden sein können. -So also, wie die Mondenwesen unser vergangenes Schicksal aufbe­wahren, so weben fortwährend die Sonnenwesen neues Schicksal in die Zukunft hinein. In Wahrheit wird nicht nur das äußere phy­sische Sonnenlicht von der Sonne auf die Erde hinuntergeschickt, nicht nur der äußere Mondenschein; sondern wenn wir mit gei­stigen Blicken hinschauen zu Sonne und Mond, so wissen wir, daß der Mond in Zusammenhang steht mit unserem astralischen Leibe.

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Durch diese Beziehung zu unserem astralischen Leibe ist der Mond der Ausgangspunkt für alles dasjenige, was aus unserer Vergangen­heit heraus in unser Schicksal hineinverwoben wird. Die Sonne steht in Zusammenhang mit unserem Ich, und durch die Wesenheiten, die uns ein Vorbild sind für unsere kosmische Zukunft, steht die Sonne in Beziehung zu dem, was unser zukünftiges Schicksal ist. So weben sich in Sonne und Mond, die miteinander äußerlich in Licht-wirkung stehen, im Bilde in der Wechselbeziehung von Sonne und Mond die himmlischen Spiegelbilder unseres Schicksals.

Die Initiationswissenschaft liefert in dieser Beziehung eine wirk­liche Erklärung dieses Tatbestandes. Wenn derjenige, der wirklich so weit gekommen ist, wie es nötig ist - ich habe es in meinem «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? » beschrie­ben -, den Vollmond betrachtet, dann sieht er nicht nur das, was das menschliche Bewußtsein sieht, sondern er sieht vor allen Din­gen im mitgeteilten Lichte sein vergangenes Schicksal, den Inhalt seines vergangenen Erdenlebens. Und wenn er den entsprechenden Geistesblick geschärft hat und er schaut hin an eine Stelle, wo der Neumond ist, den man nicht sieht mit dem physischen Auge, dann wird ihm dasjenige, was ihm jetzt aus dem dunklen Neumond entgegenfinstert, entgegenschattet, der große Mahner aus seinem Schicksal heraus, der ihm zuruft, wie er sich gegenüber Dingen seiner Vergangenheit im vorigen Erdenleben zu verhalten hat, um sie wieder auszugleichen in der karmischen Entwickelung.

In einer ähnlichen Beziehung kann der Mensch zur Sonne stehen. Auch da kann er dasjenige, was ihm winkt an künftigen Schick­salsbestimmungen, wenigstens im allgemeinen, wenn auch nicht im speziellen, ahnen. Wenn wir jetzt vom Kosmischen absehen und hinschauen auf den Menschen selber, dann finden wir ja das menschliche Schicksal wirklich in wunderbarer Weise aus zwei Ele­menten heraus gewoben.

Wenn zwei Menschen, sagen wir der eine in seinem fünfund-zwanzigsten, der andere in seinem dreißigsten Jahre, einander be­gegnen, so kann der Fall eintreten - er wird es nicht immer -, daß, wenn der eine oder der andere zurückblickt auf sein bisheriges

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Erdenleben, ihm ganz klar wird: sie haben ihre Lebenswege so durchgemacht, als ob sie einander gesucht hätten. Es ist nur eine Gedankenlosigkeit, wenn wir auf solche Dinge nicht aufmerksam werden. Schon das Kind hat die Richtung des Weges genommen, der es dahin führen mußte, wo es den anderen Menschen trifft, und der andere Mensch hat auch diesen Weg genommen, und alles das­jenige, bis zum gemeinsamen Treffpunkt, es hat sich im Unter-bewußten vollzogen. Aber was hat denn im Unterbewußten ge­wirkt? Wenn der eine der A ist und der andere der B, so ist der A hinuntergestiegen durch die Mondensphäre, bevor er das Erden­leben betreten hat. Die Mondenwesen haben in die Bücher, auch in den astralischen Leib dasjenige eingezeichnet, was er gemeinsam hatte im vergangenen Erdenleben mit dem B, und diese Eintragun­gen in die Akasha-Mondchronik, die haben den Weg beeinflußt, ebenso bei dem B. Von dern Momente an, wo sich die beiden Men­schen treffen, hört das Unterbewußte auf, die alleinige Bedeutung zu haben, denn dann werden die Menschen einander ansichtig. Sie machen aufeinander einen Eindruck. Sie werden einander sympa­thisch oder antipathisch. Es wirkt nicht mehr eine Konservierung des Vergangenen, es wirkt nun die Gegenwart. Es treten die Angeloi ein und führen die Menschen dann weiter. Da tritt das Sonnen-dasein in seine Kraft, so daß wirklich im Innern des Menschen Sonne und Mond zusammen das Schicksal des Menschen weben. Das ist ja, im Grunde genommen, recht genau wahrzunehmen, wenn man nur sinnig auf das Menschenleben hinschaut.

Nehmen Sie einmal zwei Menschen, die sich irgendwo begegnen. Der Eindruck, den sie aufeinander machen, kann sehr verschieden­artig sein. Es gibt Fälle, wo zwei Menschen sich treffen, und es ist wirklich so, daß der eine Mensch den andern ganz in seinen Willen, in sein Gemüt aufnimmt. Dieses Aufnehmen ins Gemüt, das ist in einem hohen Grade unbeeinflußt von dem persönlichen Eindruck. Bloße Verständlinge haben eben nicht viel Verständnis für das­jenige, was da innerlich vorhanden ist, denn es gehört ja wirklich zum Wunderbarsten, wenn man einmal sieht, wie ein Mensch dem andern gegenübertritt. Einmal nimmt wirklich der A den B so in

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seinen Willen auf, daß er sagt: Ich möchte es selber ausführen, was der B tut: Wie es ihm gefällt, so gefällt es auch mir. Nun ist aber der B häßlich, und man kann nicht begreifen, daß der B dem A gefällt. Sehen Sie, die Anziehung von B zum A wird nicht gebildet durch den Verstand, auch nicht durch die Sinneseindrücke, sondern durch die tiefen seelischen Kräfte: durch den Willen und dasjenige, was vom Willen ins Gemüt geht. Da mag der andere noch so häß­lich sein, die Häßlichkeit hat er erst im gegenwärtigen Erdenleben bekommen. Dasjenige, was die beiden verbindet, hat seinen Ur­sprung in demjenigen, was sie gemeinsam durchlebt haben im vor­herigen Erdenleben. Beim äußeren Anblick meint man, die beiden Menschen passen doch gar nicht zusammen; aber dasjenige, was sie in ihrem Unterbewußtsein haben, das führt ihre Willen zusammen Das zeigt sich oftmals schon in der Kindheit. Wie sehr ist man als Kind schon darauf aus, so zu sein wie «er», so zu wollen wie «er», so zu fühlen wie «er». Dann ist eine karmische Beziehung vor­handen.

Dies ist eine Art, wie Menschen im Leben einander begegnen, und würde man auf diese Art recht aufmerksam sein, wie man es einmal in einer gar nicht fernen Zukunft sein wird, wo man wieder mehr auf das Innere des Menschen sehen wird, dann würde in diesen Fällen, in der Art und Weise, wie ein Wille pulsiert, zu er­kennen sein, daß man schon mit Menschen vergangene Erdenleben durchgemacht hat, und unterbewußte Seelenkräfte sagen etwas dar­über aus, was man mit einem Menschen im vergangenen Erden-leben durchgemacht hat.

Der andere Fall ist der, daß man irgendeinen Menschen trifft, bei dern sich kein solches Verhältnis zwischen den Willen einstellt, sondern gerade ein solches, wo der ästhetische oder der Verstandes. eindruck das Maßgebende ist. Wie oft kommt es vor, daß ein A einen B kennenlernt und dann nicht im Tone jener Begeisterung oder des Abscheus von ihm redet, in dem man redet von einem Menschen, mit dem man früher karmisch verbunden war. Man lobt vielleicht einen solchen Menschen, mit dern man nicht karmisch verbunden ist, findet ihn nett, einen Prachtskerl, aber er geht nicht

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in den Willen hinein, sondern nur in den Verstand, in den ästhe­tischen Sinn.

Das ist die zweite Art, wie man mit Menschen zusammentrifft. Geht dasjenige, was zwei Menschen als Wirkung aufeinander aus­üben, bis in den Willen, in das Gemüt, in den Charakter hinein, dann liegt eine karmische Zusammengehörigkeit vor, dann sind die beiden Menschen zusammengeführt durch gemeinsame Erlebnisse im vergangenen Erdenleben. Geht von einem Menschen ein Impuls aus, der nur bis in den Verstand, den ästhetischen Sinn hineinreicht, so daß uns der Mensch nur gefällt, nur mißfällt, dann liegt nicht etwas vor, was der Mond gemacht hat, sondern was die Sonne erst gegenwärtig macht und was erst eine Fortsetzung in der Zukunft finden wird. So daß man also durch ein sinniges Betrachten des Menschen dazu kommen kann, zu empfinden, wo karmische Bezie­hungen vorliegen.

Nun sehen Sie, dasjenige, was ich Ihnen erzählt habe, ist ehen etwas, was an Erkenntnis der Welt gewonnen werden kann durch Anthroposophie, und geradeso, wie man keinesfalls selbst Künstler zu sein braucht, um ein Bild schön zu finden, so wenig braucht man selbst Initiierter zu sein, um die Dinge zu verstehen. Man kann die Dinge verstehen, weil die Ideen miteinander zusammenstimmen. Es gibt Leute, die sagen: Was geht uns die ganze geistige Welt an, man kann sie erst verstehen, wenn man darin ist. - Das sagen die Leute aus dern Grunde, weil sie heute gewohnt sind, einen Beweis nur dasjenige zu nennen, was sich sinnlich-handgreiflich beweisen läßt. Solche Menschen gleichen Toren, die sagen: Alles, was in der Welt ist, muß gestützt werden, sonst fällt es zur Erde. Es könnte ja einer kommen und sagen: Die Erde, der Mond, die Sonne sind im Weltenraum draußen, aber sie müssen doch eine Stütze haben, damit sie nicht herabfallen. Er weiß nicht, daß die Weltenkörper keine Stütze brauchen, weil sie sich gegenseitig stützen. Auf solches Verständnis ist die Anthroposophie angewiesen. Bei ihr können die Ideen nicht gestützt werden durch äußerliche Handgreiflichkeiten, aber gegenseitig stützen sie sich. Lesen Sie zunächst ein einziges anthroposophisches Buch, dann kann es vorkommen, weil sie gewohnt

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sind, alles handgreiflich bewiesen zu sehen, daß Sie es weg­legen, weil darin nichts bewiesen ist. Lesen Sie aber immer mehr und mehr, so werden Sie finden, daß die Ideen sich gegenseitig stüt­zen und halten wie die Weltenkörper. Man kann schon die Dinge verstehen, auch wenn man nicht ein Initiierter ist, aber durch die Initiationswissenschaft werden die Dinge noch wesentlich dichter. Sie werden in einer anderen Weise erlebt. Daher kann derjenige, der weit genug gekommen ist, auch noch in einer anderen Form sprechen über dieses aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Gewobene des menschlichen Schicksals. Derjenige, der die Initiation auf einer ge­wissen Stufe durchgemacht hat, bei dem werden die Erlebnisse viel konkreter. Vor Ihnen steht ein Mensch, er spricht zu Ihnen, er erzählt Ihnen etwas, Sie hören es. Der Initiierte kann, wie das Äußere gehört wird, auch das Innere hören, die geistige Sprache, die nicht minder deutlich ist als die menschliche Sprache. Mit aller Deutlichkeit, wie Menschen zu Ihnen sprechen, spricht für den Initiierten der Mensch, mit dern er karmisch in der Vergangenheit verbunden war und den er im gegenwärtigen Leben trifft. Er hört eine innere Sprache. Sie werden sagen, dann hat ja der Initiierte ein ganzes Bündel von Menschen in sich, von denen der eine mehr, der andere weniger deutlich zu ihm spricht. Das ist auch der Fall. Aber es ist das zu gleicher Zeit der anschauliche Beweis für die Art und Weise, wie man das vorherige Erdenleben zugebracht hat. Ich sagte, die großen Registratoren, die Mondwesen tragen das Schicksal ein; aber in dem Augenblick, wo der Initiierte einen anderen Menschen, mit dem er im vorherigen Erdenleben karmisch verbunden war, trifft, wird er wie vom Vollmondslicht beschienen von den Eintragungen des anderen Menschen, mit dem er karmisch verbunden ist. Was wir gegenwärtig denken und tun, das spricht nicht zu uns, aber nach einer gewissen Zeit, nach einer gar nicht so langen Zeit, wird das­jenige, was wir getan haben, was auf dern Monde registriert ist, sprechend und lebendig. Die Akashabilder sind Lebensbilder: trifft man auf den Inhalt eines vergangenen Erdenlebens, lernen Sie sich selber kennen ,und lernen einen anderen Menschen kennen. Das Gemeinsame des vergangenen Erdenlebens lebt wieder auf, daher

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ist es kein Wunder, daß man dieses Wiederauflebende auch im anderen Menschen von innen heraus sprechen hört. Man ist innig mit demjenigen zusammen, mit dem man im vorherigen Erden-leben zusammen war. Das wird der Weg der Menschen in die Zu­kunft hinein sein: Die Menschen werden sich zunächst ein feines Gefühl dafür aneignen müssen, damit ihr Wille erlebt wird im Treffen eines anderen Menschen, so daß sie diesen Menschen füh-len. In einem Zeitraum, der sieben- bis neuntausend Jahre in der Zukunft liegt, werden die Menschen alle auf der Erde die anderen Menschen, mit denen sie karmisch verbunden sind, in ihrem Innern sprechen hören.

Trifft man nun mit einem Menschen zusammen, mit dern man nicht karmisch verbunden ist, dem man das erstemal begegnet, so stellt sich auch dies nach Empfang der Initiation anders dar. Der Initiierte kann natürlich auch Menschen in seinem Leben treffen, mit denen er nicht karmisch verbunden ist. Dennoch wird seine Be­ziehung eine andere sein als diejenige, die für das gewöhnliche Bewußtsein vorhanden ist. Er fühlt mit einer gewissen Feinheit neue Tatsachen im kosmischen Menschen.

Man sieht durch einen Menschen, den man zum erstenmal im Kosmos trifft, tiefer in die Welt hinein. Es ist auch ein Glück, einen Menschen zum erstenmal zu treffen, und diese Tatsache, daß man durch einen Menschen, den man zum erstenmal trifft, die Welt bes­ser kennenlernt, muß sich wiederum als ein feines Gefühl ent­wickeln. Der Initiierte hat sofort, wenn er einen Menschen trifft, mit dern er nicht karmisch verbunden ist, dem er sozusagen das erstemal im Kosmos gegenübertritt, diesem Menschen gegenüber eine Aufgabe: Er hat gleich die Aufgabe, sich mit dem Schutzgeist aus der Sphäre der Angeloi zu verbinden, der diesem Menschen besonders schützend gegenübersteht Er darf nicht nur den Men­schen kennenlernen, er muß den Schutzgeist des Menschen kennen­lernen. Der Engel dieses Menschen spricht auch wieder mit großer Deutlichkeit aus dem eigenen Innern heraus, und wenn der Initiierte mit verschiedenen Menschen zusammentrifft, mit denen er nicht karmisch verbunden ist, dann hört er von innen heraus laut und

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deutlich sprechen. Er vernimmt die Worte des Angelos dieser Men­schen in seinem Innern. Das gibt dern Initiierten in seinem Umgang mit den Menschen einen gewissen Charakter. Er nimmt selber etwas an, was der Angelos dem Menschen sagen will, den er kennenlernt er verwandelt sich in seinen Angelos. Dadurch wird dasjenige, was zu den Menschen gesprochen werden kann, aus einem anderen Grunde intimer, als es für das gewöhnliche Bewußtsein wird. Daher kommt es auch, daß der Initiierte für jeden Menschen, der ihm zum erstenmal im Kosmos entgegentritt, im Grunde ein anderer ist, er ist jeweils etwas von dern Angelos dieser Menschen. Darauf beruht die Verwandlungsfähigkeit derjenigen Menschen, die mit der Kraft der Initiation den anderen Menschen gegenübertreten. Jetzt haben ja die Menschen wirklich nur eine sehr geringe Empfindungsfähig­keit für solche Dinge. Aber es liegen die Jahrhunderte noch gar nicht so lange hinter uns, da hatte die Menschheit noch viel mehr Empfindungsfähigkeit dafür. Da konnte vorkommen, daß ein weiser Mensch einer Reihe von anderen Menschen gegenüberstand, und jeder hat ihn anders beschrieben. Geht man philiströs vor, dann wird man finden: Irgendeine interessante Persönlichkeit ist von zwanzig Menschen beschrieben worden, von jedem anders, also hat ihn keiner genau gesehen. Vielleicht aber haben ihn alle zwanzig Menschen gesehen. Er hat sich für jeden verwandelt, indem er sich in Beziehung setzte mit dern Angelos jedes dieser Menschen. Sehen Sie, in dieser Beziehung herrscht wirklich ein Abgrund zwischen demjenigen, was in der Gegenwart unter Menschen Sitte und üblich ist, und demjenigen, was vor einer kurzen Vergangenheit Sitte und üblich war. Man lernt heute viel, aber man lernt ganz anders, als man es früher gelernt hat. Die höhere Schulung, vor verhältnis-mäßig noch gar nicht so weit zurückliegender Zeit, gab Anweisung, wie diejenigen, die als Priester oder Lehrer andere Menschen zu führen und zu leiten hatten, die Fähigkeit erreichen konnten, sich mit dern Angelos eines Menschen zu verbinden. Die Menschen haben sogar die Erinnerung daran vergessen. Die Engellehre war eine Wissenschaft für diejenigen, die Führer der Menschheit wer­den wollten, damit sie die Verwandlungsfähigkeit erlangten.

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Noch ein anderes: Es wird Ihnen außerordentlich auffallen - und ich habe ja darüber in meinem

So kann man sagen: Derjenige, der mit der Kraft der Initiation einem Menschen gegenübertritt, mit dern er karmisch verbunden ist, nimmt dessen Vergangenheit als sein Eigenes wahr, er lernt sie kennen durch das Geistig-Seelische der Mondwesenheiten.

Derjenige, der mit der Kraft der Initiation einem Menschen gegenübertritt, dern er zum erstenmal im Kosmos begegnet, der bekommt die Aufgabe, sich mit dessen Angelos zu verbinden. Da lernt er vieles von der äußeren Welt kennen. Zwar sprechen die Angeloi im Innern, und wir sind ja eine Welt draußen. Man kann in Wirklichkeit andere Menschen mit geistigen Kräften gar nicht tiefer kennenlernen, ohne ein Heer von Engeln kennenzulernen. Es ist ganz unmöglich, wirkliche Menschenerkenntnis zu erringen, ohne Engelkenntnis zu haben. Geradeso, wie ich sagen mußte, daß schon das gewöhnliche Feinfühlen, wenn es mit Menschen zusam­menkommt, die nicht karmisch verbunden sind, die Umwelt ken­nenlernt, so lernt der Initiierte erst recht die eigentliche Außenwelt, die Engelwelt kennen. Dadurch bekommt er Vermittler für die höheren Hierarchien.

Man kann auch noch durch anderes darauf aufmerksam werden, wie man mit einem Menschen karmisch verbunden ist. Man trifft einen Menschen im Leben, man trifft einen anderen. Man braucht

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nur aufmerksam zu werden: Man kann einen Menschen treffen, mit ihm viel zu tun haben, mit ihm arbeiten und so weiter, aber man kann nicht träumen von ihm. Man kann nicht träumen von ihm, weil er nicht mit unserem astralischen Leibe, sondern nur mit unserem Ich verbunden ist

Andere Menschen trifft man, man hat sie nur flüchtig gesehen, und sie folgen einem bis in die Träume nach, auch bis in die wachen Träume. Es ist eine vom Innern heraus geformte Darstellung, die mit dem Äußern des Menschen gar nichts zu tun hat, weil man mit dern Menschen karmisch verbunden ist. Man trifft einen Menschen, mit dem man karmisch verbunden war, und man ist gleich genö­tigt, sich ein Bild von diesem Menschen zu machen. Ist der Betref­fende ein Maler, dann könnte es vorkommen, daß er ein Bild von ihm malt, das ein philiströser Mensch ganz unähnlich findet, wäh­rend der Initiierte eine vorherige Inkarnation des Menschen findet, den er gemalt hat. Man lernt wirklich in den Tiefen seines Wesens, wenn auch im Unbewußten, den andern Menschen kennen, mit dern man karmisch verbunden ist. Durch diejenigen Menschen, mit denen man nicht karmisch verbunden war, die man zum erstenmal im Leben trifft, lernt man die Menschheit im allgemeinen kennen. Die Menschen verhalten sich auch danach. Kommen Sie bei einem Five o'clock tea oder sonstigen ähnlichen Anlässen mit Menschen zusammen, so versuchen Sie einmal hinzuhören auf das Leben:

Wenn ein Mensch einen anderen Menschen getroffen hat, mit dern er karmisch verbunden ist, so sagt er nicht sehr viel über die anderen Menschen, aber über diesen Menschen sagt er irgend etwas Bedeut­sames. Er weist auf irgend etwas Bedeutsames hin, besonders dann, wenn er in solchen Dingen noch unbewußt ist. Merken Sie auf das Leben: Sie kommen bei einem Fünf-Uhr-Tee mit irgend jemandem in ein Gespräch, mit dern Sie nicht karmisch verbunden sind. Er interessiert Sie doch nur äußerlich, er erzählt Ihnen so, als ob er der Repräsentant der ganzen Five-o'clock-Teegesellschaft wäre. Das ist eine kurzweilige Gesellschaft, man hört da viel von Weltangelegen­heiten, von Leuten, die große Politiker sind, - Sie hören nur diesen einzigen Menschen, und nach diesem Menschen beurteilen Sie die

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ganze Gesellschaft vielleicht falsch. Man lernt das andere der Welt kennen durch Menschen, mit denen rnan nicht karmisch verbunden ist. Ein Reisender, der einmal um Mitternacht die Station Königs­berg passiert hat und sich dort einen Kaffee geben ließ, wurde von dern Kellner, den er gerufen hatte und der rote Haare hatte und verschlafen war, furchtbar grob angefahren. Darauf schrieb der betreffende Reisende in sein Tagebuch: Die Königsberger haben rote Haare, sind verschlafen und grob. Nach diesem mitternächt­lichen Kellner, mit dern er nicht karmisch verbunden war, be-urteilte der betreffende Reisende die Königsberger.

Sehen Sie, durch solche Betrachtungen erwirbt man sich Lebens­werte, kommt den Menschen näher, lernt auf eine andere Art, mit ihnen verbunden zu sein. Man lernt aber nicht nur das Menschen­leben kennen, und das soll ja gerade das Wesentliche der Anthro­posophie sein, daß sie in das Leben wirklich eingreift, man lernt auch fühlen, empfinden und kennen das kosmische Leben. Sonne und Mond verlieren alles Abstrakte und werden zu etwas Wesen­haftem, auf das man hinschaut im Kosmos und das zu dern kleinen Menschenschicksal hier auf der Erde das entsprechende Große im Weltenall ist.

So ist Sonnenwirksamkeit mit der Mondenwirksamkeit in un­serem Leben vereint. Alles dasjenige, was uns vom Monde herunter scheint, hängt zusammen mit unserer kosmischen Vergangenheit, und die Sonne hängt zusammen mit unserer kosmischen Zukunft.

Auf diese lebenswichtige Seite der Anthroposophie, diese Seite, die Lebenswerte liefert, wollte unsere Weihnachtstagung, die die Anthroposophische Gesellschaft neu begründet hat, in besonderem Maße hinweisen. Da sollte gesagt werden und ist gesagt worden, daß wiederum Esoterik im wahren Sinne des Wortes unter uns leben soll. Daher sollte diese Weihnachtstagung nicht etwa eine Festlichkeit sein, an der sich eine Anzahl Anthroposophen getroffen haben, sie sollte fortdauern in ihrer Wirksamkeit und in ihren Im­pulsen. Es wird die neue Einrichtung eines Mitteilungsblattes ge­plant - sie ist schon da und die ersten drei Nummern sind bereits erschienen. Ein Mitteilungsblatt zunächst über die Vorgänge in der

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ganzen Anthroposophischen Gesellschaft, über das, was in der An­throposophischen Gesellschaft vorgeht. Sie muß in dieser Weise etwas werden, wie ein lebendig geistiger Organismus. Mir ist immer wieder auf meinen Reisen entgegengetreten, daß zum Beispiel die Leute in Den Haag gesagt haben: Ja, wir wissen ja nicht, was mit den Leuten in Wien vorgeht, und wir gehören doch zu einer anthro­posophischen Gesellschaft! Wie viele könnte ich hier fragen, die mir sagen könnten, was zum Beispiel im anthroposophischen Zweig in Leipzig oder in Hamburg vorgeht? Aber das muß in Zukunft der Fall sein. Es muß so weit gehen, daß derjenige, der Mitglied des Zweiges Neuseeland ist, wirklich eine Vorstellung davon hat, was in Wien vorgeht. Es werden die Mitglieder gut tun, dasjenige, was sie innerhalb und außerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft erleben, der Redaktion des Mitteilungsblattes mitzuteilen. Das wird dann verarbeitet, und man wird immer lesen, was in der Anthro­posophischen Gesellschaft vorgeht. Ich habe vor, in der Zukunft in jeder Nummer kleine, kurze Aphorismen zu bringen, welche wich­tige Lebensinhalte kurz zusammenfassen, so daß man solche Apho­rismen wird verwenden können in den Zweigen oder bei anderen Gelegenheiten.

Durch alles das soll wirkliches Leben, pulsierendes Leben in die Anthroposophische Gesellschaft hineinkommen. Das wollte unsere Weihnachtstagung. Dessen sollte sich jedes einzelne Mitglied be­wußt werden. Und nur, weil das so sein soll und eigentlich so sein muß, wenn Anthroposophie selbst in der richtigen Weise ihre Ver­gangenheit und Zukunft haben soll, habe ich es unternommen, nachdem ich mich jahrelang zurückgezogen hatte, Verwaltung und Vorsitz selbst zu übernehmen, mit einem Vorstand, von dern ich weiß, daß er vorn Goetheanum aus fruchtbar arbeiten wird. Ich hätte wahrhaftig in meinem Alter mir nicht vorgenommen, wieder­um so zu tun, wie man als ganz junger Kerl getan hat, wieder neu anzufangen, wenn nicht die absolute Notwendigkeit dagewesen wäre. Zu gleicher Zeit möchte ich an jedes Mitglied der Anthro­posophischen Gesellschaft appellieren, mitzuhelfen, daß diese Weih­nachtstagung im Herzen unserer Mitglieder den Grundstein des

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anthroposophischen Lebens legen möge und nicht aufhöre, wirklich als ein Lebenskeim sich immer weiter und weiter zu entwickeln, so daß ein immer regeres und regeres Leben in der Anthroposophi­schen Gesellschaft eintritt. Dann wird die Anthroposophische Ge­sellschaft auch hinauswirken in die Welt.

VIERTER VORTRAG Stuttgart, 6. Februar 1924

#G240,1961,SE217 Esoterische Betrachtungen Karmischer Zusammenhänge, Bd. 6

#TI

ELFTER VORTRAG

Stuttgart, 6. Februar 1924

Gestatten Sie, daß ich mit einer anthroposophischen Auseinander­setzung beginne, um dann am Schluß mit einigen wenigen Worten zurückzukommen auf dasjenige, was mit der Weihnachtstagung gemeint war.

Sie kennen aus den verschiedenen anthroposophischen Darstel-lungen die Bedeutung der die Erde umgebenden Himmeiskörper für das Leben und Dasein des Menschen. Über ein besonderes Ka­pitel aus diesem Gebiete m&hte ich heute zu Ihnen sprechen. Wenn wir den Blick umherschweifen lassen hier während unseres Erdendaseins auf alles dasjenige, was uns auf der Erde umgibt, und auch auf das, was uns im Weltenumkreise der Erde umgibt, so sehen wir eigentlich mit den physischen Sinnen, auch dann, wenn diese physischen Sinne zu den Sternen heraufschweifen, nur dasjenige, was zusammenhängt mit jenem Teile unserer menschlichen Wesen­heit, den wir mit dem Tode ablegen. Wir wissen ja aus den ver­schiedenen anthroposophischen Darstellungen, daß der menschliche physische Leib seine Kräfte, auch seine substantielle Zusammen­setzung aus demjenigen holt, was uns auf der Erde umgibt. Wir wissen ferner, daß wir außer dem physischen Leib in uns tragen einen Ätherleib und daß in gleicher Weise, wie der physische Leib seine Kräfte, seine substantiellen Bestandstücke der Erde entnimmt, so dieser Ätherleib seine Bestandstücke, seine Kräfte den Weiten des außerirdischen Weltenalls, der ätherischen Welt. Und diese ätherische Welt ist es ja, welche die Erde in den Raumesweiten um-gibt, diese ätherische Welt ist es, in welche die Sterne eingebettet sind, aus der das Licht aus dem Weltenall auf die Erde hernieder-strömt. So verdanken wir unser physisches und unser ätherisches Dasein demjenigen, was wir entweder in unserer Erdenumgebung oder in der Weltumgebung der Erde schauen können, offenbar wer­den sehen. Aber innerhalb desjenigen, was uns als die Ätherumgebung

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der Erde im Weltenall umhüllt, sehen wir zunächst zwei Weltenkörper, die wir geradezu bezeichnen können als Tore in die geistige Welt hinein. Wir sehen die beiden Weltenkörper, den Mond und die Sonne. Diesen beiden Weltenkörpern, dem Monde und der Sonne, wurde von jeher von allen denjenigen, die mit ihrer Einsicht tiefer hineinschauen können in das Gefüge des Weltgan­zen, die denkbar größte Bedeutung für das menschliche Leben und Dasein beigelegt.

Wenn wir den Menschen im anthroposophischen Sinne betrach­ten, so können wir ja wissen, wie außer dem physischen Leib und dem Ätherleib die astralische Wesenheit des Menschen und die Ich­Wesenheit in ihm vorhanden sind. Allein, wenn wir auf diese astra­lische und Ich-Wesenheit hinschauen, wir finden überall in den Weiten, die wir beobachten können mit den äußeren Sinnen -auch wenn wir, wie gesagt, den Blick in die Sternenwelt hinauf-schweifen lassen -, nichts, was zunächst für die äußere Beobach­tung ähnlich ist dem astralischen Wesen und dem Ich-Wesen des Menschen. Wir finden eben nur dasjenige, was ähnlich ist dem physischen und dem Ätherwesen. Nichts im sichtbar und offenbar werdenden, für unsere Sinne, für den Verstand offenbar werdenden weiten Weltenall, nichts liefert für den astralischen Leib und für die Ich-Wesenheit Bestandstücke, Kräfte. Aber eben in Mond und Sonne haben wir dennoch etwas, was wie Tore sich ausnimmt in diejenige Welt hinein, aus der unser astralischer Leib und unsere Ich-Wesenheit stammen.

Sie haben ja verfolgt, wie in meiner «Geheimwissenschaft» und anderen Schriften auf einen Zeitpunkt hingewiesen worden ist, in dem sich der physische Mond losgetrennt hat von der Erde. Es ist darauf hingewiesen worden, wie der physische Mond mit der Erde einstmals einen Körper im Weltenall bildete, wie dann sich dieser physische Mond von der Erde abgetrennt hat. Allein diese physische Abtrennung oder auch ätherische Abtrennung, die ist nicht alles, was uns mit Beziehung auf das Mondendasein und auf das mensch­liche Leben beschäftigen soll, sondern wir haben es in der Abtren­nung des Mondes zugleich zu tun mit einer bedeutungsvollen gei­stigen

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Tatsache. Und auf diese geistige Tatsache wollen wir einmal das Augenmerk lenken.

Auch darauf habe ich ja öfter hingewiesen, wie in uralten Erden-zeiten der Mensch eine sogenannte Urweisheit besessen hat. Wir sind heute stolz auf unsere Verstandeseinsicht, auf unser sogenann­tes Verstandes- und Beobachtungswissen. Nun ja, gewiß, dasjenige, was wir heute in dieser Art wissen, das hat eine ältere Menschheit nicht gewußt, dazu mußte die Erde erst eine gewisse Entwickelung durchmachen und der Mensch mit ihr. Erst durch diese Entwicke­lung konnte er seinen physischen, zum Nervensystem verfeinetten Leib so weit benützen, daß er eben Verstandeswissen erwerben kann. Das uralte Wissen der Menschheit war ein instinktives, kam auch in anderer Art zum Vorschein als zumeist das heutige Wissen. In mächtig einherrollenden dichterischen Formen prägte sich dasjenige aus, was in uralten Zeiten die Menschheit über die Geheimnisse der Welt wußte. Und in demjenigen, was traditionell erhalten ist, was man heute in den Dokumenten verfolgen kann, in dem ist eigent­lich nur ein Nachklang vorhanden von dem Großartigen, Gewal­tigen der Urweisheit, welche die Menschheit einmal auf der Erde besessen hat. Wir können aber heute in tiefes Erstaunen verfallen, wenn wir so etwas wie die morgenländischen Veden oder die Vedanta-Philosophie auf uns wirken lassen. Wir bewundern die herrlichen Verse der Bhagavad Gita, wir sehen in all dem etwas Großes. Allein wir müssen uns bewußt sein: das sind doch nur die letzten Ausläufer von etwas viel Größerem, von etwas viel Gewal­tigerem, das einmal für die Menschheit da war. Und dieses Große, Gewaltige, das einmal da war, die Menschheit verdankte es der Tatsache, daß sie damals mit Wesenheiten in Genossenschaft lebte, die in ihrem Dasein höher standen als die heutige Menschheit und auch natürlich als die damalige Menschheit, Wesenheiten, die nicht nach Art des heutigen Menschenleibes einen physischen Leib an sich trugen, Wesen, die nur im ätherischen Leibe auf der Erde herumwandelten, die aber dennoch ein mit den übrigen Menschen gemeinsames Leben führten.

Da diese Wesen keinen physischen Leib hatten, konnten sie

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natürlich nicht in der Art mit den Menschen sprechen, wie wir es heute gewohnt sind, daß von einem Menschen zum anderen gespro­chen wird. Aber in gewissen Bewußtseinszuständen fühlten die Menschen der Urzeiten - und schließlich waren wir das ja alle selber in unseren früheren Erdenleben -, wir also, kann ich sagen, fühlten in den Urzeiten der Erdenentwickelung in besonderen Be­wußtseinszuständen, wie innerlich Empfindungen, Gedanken auf­tauchten, von denen man wußte: sie stammen nicht von dem Men­schen selber, der sie hegt, ebensowenig wie das von uns selber heute stammt, was wir durch sprachliche Mitteilung von einem anderen hören. Auf geistige Art wurde von den auf der Erde herumwan­delnden ätherischen Übermenschen, könnte man sagen, eininspiriert den Menschen das viel höhere, viel gewaltigere Wissen, das diese Wesenheiten hatten. Umgang also mit Wesenheiten nicht physi­scher Art hatten wir in früheren Erdenleben in den irdischen Ur­zeiten. Diese Wesenheiten, sie sind heute nicht mehr da. Sie sind schon seit langen Zeiten nicht mehr innerhalb des irdischen Lebens. Sie haben sich von dem Umgang mit den Menschen zurückgezogen, und die Menschheit hat spärliche Überreste von dem, was sie einst­mals durch diese Urzeitwesen von Geheimnissen des Weltenalls er­fahren hatte, spärliche Überreste hat die Menschheit aufbewahrt in den verschiedenen Dokumenten. Und eigentlich kann man sagen, daß sie diese spärlichen Überreste auch kaum mehr versteht.

Wohin haben sich diese Wesen der Urweltzeiten zurückgezogen? Sehen Sie, geradeso wie der physische Mond sich von der Erde ab­getrennt hat, so haben sich in Gemeinschaft mit diesem physischen Weltenkörper des Mondes diese Wesenheiten hinaus in das weite Weltenall zurückgezogen. Ich habe ja über etwas Ähnliches schon gesprochen. Wir wollen heute ein Weiteres über diese Wesenheiten kennenlernen, so daß - wenn wir den Blick hinauflenken auf diesen Weltenkörper des Mondes - wir uns sagen können: Der wird bewohnt von Wesenheiten, die einstmals die Genossen der Mensch­heit auf der Erde waren und die sich in diese Mondenkolonie zu­rückgezogen haben. Mit dem äußeren Menschen, der in seinem physischen Leibe auf der Erde lebt, haben diese Wesenheiten zunächst

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scheinbar keinen Zusammenhang; aber sie haben ihn doch. Und eben auf diesen Zusammenhang wollen wir einmal hinweisen. Daß diese Wesenheiten in irgendeiner Art mit der menschlichen Vergangenheit zusammenhängen, können wir ja schon daraus ent­nehmen, daß sie in vergangenen Zeiten eben die Genossen der Menschheit auf Erden waren. Und sie sind mit der Vergangenheit des Menschen verknüpft geblieben.

,Wenn wir den Menschen betrachten, wie er sein Leben inner­halb des physischen Leibes auf der Erde hier vollendet, dann finden wir, daß sich in dieses Leben hineinwebt dasjenige, was wir das Schicksal nennen. Dieses Schicksal, das man gewohnt worden ist mit dem orientalischen Namen Karma zu bezeichnen, es nimmt sich als etwas recht Geheimnisvolles im menschlichen Leben aus. Aber man betrachtet dieses Geheimnisvolle nicht immer in seinen bedeu­tungsvollen Zusammenhängen Denken Sie einmal: In einem be­stimmten Alter treffen aufeinander zwei Menschen. Sie haben sich vorher nicht gesehen. Von dem Zeitpunkte an, da sie aufeinander­treffen, tritt in ihr Leben etwas ein, das mit ihrer Gemeinsamkeit zu­sammenhängt. Sie erkennen einander sozusagen, und sie wissen, daß sie nun viel miteinander zu tun haben werden. ,Wenn aber solche Menschen dann zurückschauen auf das Leben, das sie auf der Erde seit ihrer Kindheit vollbracht haben, dann nimmt sich, wenn sie nur vorurteilslos genug die Sache ansehen, alles das, was sie getan haben bis zu dem Zeitpunkte, wo sie sich getroffen haben, außerordentlich sinnvoll in der Richtung aus, daß es ihnen sich zeigt, wie sie eigentlich jeden Schritt ihres Lebens seit ihrer Kind­heit so angeordnet haben, als ob sie den Weg bis zu dem Orte hin von Anfang an hätten nehmen wollen, bis zu dem Orte, an dem sie sich dann treffen. Man blickt zurück von diesem Momente, wo man einen anderen getroffen hat, mit dem man dann Gemeinsam­keit pflegt, man blickt zurück -, und das vorangegangene Erden-leben, es nimmt sich wirklich oftmals so aus, daß man sich sagen kann: Da ist mein Ausgangspunkt in einer fernen Kindheit, aber ich habe jeden Schritt so gemacht, daß mein Weg mich zuletzt da­hin führen mußte, wo ich den anderen treffe. Alles dasjenige, was

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ich in so sinnvoller Weise getan habe, alles das ist ja ganz unbewußt geschehen; dasjenige, was bewußt geschah, tritt erst ein nach dem Treffen, aber das Unbewußte schließt sich in einer wunderbaren Weise mit dem Bewußten in eins zusammen. Und es ist ein großer Unterschied in dem Weben des Schicksales mit Bezug auf dasjenige, was wir so unbewußt als unseren Erdenweg angeordnet haben, um den anderen zu treffen, und dasjenige, was wir dann vollbringen, wenn wir ihn getroffen haben. Da ist er vor uns, da sehen wir ihn, da verstehen wir dasjenige, was er spricht, da richten wir unsere Handlungen nach dem ein, wie er sich äußert, wie er uns im äußeren Leben entgegentritt, da führen wir mit ihm ein gemein­sames Leben, das zugänglich ist unseren Sinnen, unserem Verstande. Aber wir werden sehen, wie sich in dieses gemeinsame, nun unseren Sinnen und unserem Verstande zugängliche Leben doch eben un­bewußt wieder hineinmischt auch dasjenige, wie wir gegangen sind bis zu dem Zeitpunkte, wo wir uns getroffen haben. Wir können fragen: Was wirkt und lebt in all diesen Richtungen, in all diesen Kräften, mit denen wir uns zu dem anderen hinbewegen?

Es kann auch irgendein Ereignis sein, zu dem wir uns hinbewe­gen. Alles Schicksalsmäßige kommt dabei in Betracht Wir werden finden, daß da ein großer Unterschied ist im Erleben zwischen der einen Sorte von Erlebnissen und der anderen. Wir können näm­lich auf zweifache Art im Leben einem Menschen gegenübertreten. Bei der einen Art bekommen wir sogleich die Empfindung - oder wir bekommen sie, nachdem wir nachher Bekanntschaft geschlos­sen haben mit einem Menschen oder dem Ereignis -, die Empfin­dung, die wir in unseren Willen aufnehmen. Wir lernen den Men­schen kennen; das, was er ist, was er mit uns nun gemeinsam tut, es ist so, daß wir es willenshaft in uns selber empfinden. Daß wir vor allen Dingen so denken wollen, wie er denkt, so fühlen, wie er fühlt, so wollen, wie er will. Ja, wir fühlen: Dieser Mensch beginnt in uns selber zu kraften. Wir fühlen ihn im Inneren. Er rüttelt etwas auf in unserem Inneren, das von ihm kommt, das aber doch in unserem Willen lebt, das vom Willen aus unser Gemüt durch­zieht. Wir lernen sogar uns selber auf diese Art besser kennen, indem

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wir unserem Wollen und dem tiefer mit dem Willen zusam­menhängenden Gefühl das anempfinden: der Mensch ist eigentlich nicht nur da, um auf uns von außen zu wirken, wenn wir ihn an­schauen, sondern der rührt und rüttelt etwas in uns auf, was in uns selber ist. Das ist die eine Art, wie wir Menschen schicksalsmäßig im Leben entgegentreten.

Die andere Art ist diese, wo weniger in uns selber aufgerüttelt wird bei der Bekanntschaft mit den Menschen, wo wir den Men­schen mehr von außen anschauen, wo wir ihn beurteilen nach dem Verstandeseindruck, den er auf uns macht, nach dem ästhetischen Eindruck, den er auf uns macht. Bedenken Sie, was für ein großer Unterschied ist zwischen diesen beiden Arten, mit anderen Men­schen bekannt zu werden.

Denken Sie sich nur: Sie werden mit dem einen oder anderen Menschen bekannt, kommen dann irgendwo anders hin, und Sie sind versucht zu reden über diese ihre Bekanntschaft, beziehungs­weise über den anderen Menschen, mit dem Sie bekannt geworden sind. Diese Art, wie man da redet, die unterscheidet sich ganz be­trächtlich für unsere Menschenbekanntschaften im Leben. Das eine-mal reden wir so, daß jeder merkt, wir sind bei unseren Worten dabei, wir geben etwas von uns selber, indem wir von dem anderen Menschen reden - und wir reden Dinge, die den anderen Menschen gar nicht verständlich sind. Wir reden in schönen Worten von dem anderen Menschen, aber er ist häßlich, und da sind Menschen in der Umgebung, die können das gar nicht begreifen, daß wir so reden, denn auf sie macht der Mensch den Eindruck des Häßlichen. Sie können nicht fassen, wie wir in Hymnen über einen Menschen reden, den sie für häßlich ansehen. Aber uns geht das gar nichts an, was die anderen nach einem äußerlich-ästhetischen Eindruck als häßlich an ihm finden, wir reden nicht von dem, was den Eindruck wiedergibt, den er von außen macht. Wir reden von dem, was er in uns aufgerührt und aufgerüttelt hat, was von uns ist, und was wir von diesem Menschen reden, braucht nicht zu stimmen mit dem Eindruck, den andere Menschen haben.

Bei anderen Menschen wieder ist es anders. Da haben wir ein

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gutes Gesicht dafür, ob sie schön oder häßlich sind. Da reden wir so, daß man sieht: der Verstandeseindruck, der Sinneseindruck, der ästhetische Eindruck sind maßgebend. Wir reden so, daß wir viel­leicht sagen: Das ist ein Prachtskerl! Sie wissen, es gibt im Leben Bekanntschaften, wo es uns gar nicht einfällt, in dieser äußerlichen Weise über einen Menschen zu reden. Wir reden auch so, daß die anderen die Sache sogleich verstehen können, wenn sie den Men­schen auch kennen oder wenn sie ihn kennenlernen.

Diese zwei Arten, das Zusammentreffen mit Menschen zu schil­dern, überhaupt anzusehen, diese zwei Arten gibt es eben einfach. Nur ist die erste Art diejenige, die zurückweist darauf, daß beim Zusammentreffen mit dem Menschen aufgerührt und aufgerüttelt wird in uns das weitere Zusammenleben im früheren Erdendasein. Daß etwas zurückweist auf frühere Inkarnationen, in denen wir gemeinsam mit diesem Menschen gelebt haben, das ist es, was dann in dieser Weise empfindungsgemäß zu Tage tritt bei der ersten Art der Beurteilung eines Menschen. Und bei der zweiten Art ist es so, daß wir äußerlich urteilen, urteilen in einer solchen Weise, wie es die anderen auch verstehen können, weil wir eben nicht in früheren Erdenleben mit diesem Menschen zusammen waren, vielleicht erst in diesem Erdenleben das allererste Mal zusammentreffen.

Wenn man dann aber mit geistiger Einsicht prüft, was diesem Schicksalsmäßigen, das in dem ersten Fall in einer so charakteristi­schen ,Weise auftritt, zu Grunde liegt, dann finden wir, daß dem Menschen einverwoben wird, bevor er zum physischen Erdendasein heruntersteigt - indem er sich vor diesem Heruntersteigen, nach­dem er andere Sphären durchgemacht hat, durch die Mondensphäre bewegt -, einverpflanzt wird in seinen astralischen Leib dasjenige, was sein gemeinsames Karma mit anderen Menschen ist; einver­pflanzt wird es ihm für sein heutiges Erdendasein von denjenigen Menschengenossen, welche einstmals auf der Erde mit den Men­schen gelebt haben, so wie ich es Ihnen vorher geschildert habe, und welche sich zurückgezogen haben nach dem Mondendasein. Das sind die Wesenheiten, durch deren Sphäre wir hindurchgehen, bevor wir heruntersteigen in das Erdendasein. Das sind die Wesenheiten,

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die seit jener Zeit, seit sie die Erde, seit sie die Menschen­genossenschaft verlassen haben, sich beschäftigen mit dem Auf­zeichnen des Schicksales, das die Menschen gemeinsam miteinander leben. Und so ist es, daß wir zurückschauen können auf dasjenige, was in uns ist, was da rumort, wenn wir auf die erste Art einen anderen Menschen treffen, daß wir dasjenige, was da in uns ist, zu­gleich finden in jenen großen Schicksalsbüchern, welche diese Mondenwesen mit ihrer Erkenntnis der menschlichen Erdenleben vollschreiben. Das sind Bücher, die im Geistigen geführt werden. Das sind Bücher, die alles enthalten, was wir mit anderen Menschen gemeinsam durchlebt haben. Gemeinsam lesen wir, indem wir die Mondensphäre passieren, in diesen Büchern dasjenige, was wir dann heruntertragen, und mit dem, was wir in diesen Büchern gelesen haben, richten wir uns unseren ,Weg ein, den wir hinorientieren -vielleicht fünfundzwanzig bis dreißig Jahre -, bis wir denjenigen finden im Erdendasein, von dem geschrieben stand in den Monden­büchern, bevor wir heruntergestiegen sind auf die Erde, daß wir dieses oder jenes in vergangenen Erdenleben mit ihm durchgemacht haben.

So wunderbar sind die geheimnisvollen Zusammenhänge im Weltenall eingerichtet. Und so müssen wir mit einem vertieften Gefühl, mit einem durch Anthroposophie vertieften Gefühl hinauf­schauen zu dem Mondendasein und nicht nur dasjenige ins Auge fassen, was uns eine physische Wissenschaft beschreibt vom Monde, sondern dasjenige ins Auge fassen, was eine Geisteswissenschaft uns über das Geistig-Seelische, über das Geistige des Mondes sagen kann. Wenn man doch nur einmal bedächte, wie sich überall die Gleichnisse finden für dasjenige, was verständlich macht diese Weltensphäre! Mit Bezug auf das irdische Gleichnis gibt es heute ein Wissen, das für das Leben ja nicht beachtet wird; aber es ist immerhin als Wissen da.

Es wurde auch in unseren Reihen schon öfter betont: Der Mensch wechselt seinen physischen Stoff alle sieben bis acht Jahre einfach aus. Sie wissen ja, der Mensch stößt nach außen den physischen Stoff an seiner Haut ab, er schneidet sich die Nägel, die Haare. Das alles weist uns darauf hin und es ist auch so, daß der Mensch von

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dem Zentrum seines Wesens den Stoff immer vorschiebt und immer Neues sich nachschiebt. Was Sie heute von Ihrem Nagel abschnei­den, das war vor sieben oder acht Jahren eine Substanz inmitten, Ihres Organismus, das schieben Sie sich vor, das geht dann weg. Physische Stofflichkeit wird erneuert. Ja, es ist so, für diejenigen, die schon dagesessen haben vor zehn Jahren, ist es so, daß sie sich nicht einbilden dürfen, daß dieselben Muskeln und dieselben sub­stantiellen Bestandteile, die damals auf diesen Stühlen saßen, heute wieder dasitzen. Von alledem ist nichts vorhanden; aber ihr Geistig­Seelisches ist vorhanden, das ist wieder da. Ebenso ist es aber, wenn wir nach den Weltenkörpern hinausblicken. Der physische Beobach­ter will nur nach der physischen Substanz hinsehen und redet so, als ob der Mond, der da oben ist, derselbe wäre, der sich einmal seiner physischen Substanz nach von der Erde getrennt hat. Das ist geradeso ein Unsinn, wie wenn Sie glauben würden, daß diese Mus­keln, diese physischen Bestandteile, die vor zehn Jahren auf diesen Stühlen saßen, heute auch dasitzen würden. Es dauert allerdings länger bei den Weltenkörpern, bis die Substanzen sich austauschen, aber sie tauschen sich aus. Der physische Mond, von dem die physi­sche Wissenschaft spricht, ist nicht etwas, von dem man so reden kann, wie man gewöhnlich redet. Was da geblieben ist, das sind die geist-seelischen Wesenheiten, die auf der Erde Mitbewohner der Menschen waren. Dasjenige, was das Mondendasein darstellt, auf dem sie leben, das hat sich als physische Substanz ausgetauscht. Die Wesenheiten geistig-seelischer Art, die eigentlich das Monden­dasein in Wirklichkeit bilden - so wie Ihr geistig-seelisches Dasein den Zusammenhang Ihres Wesens von vor zehn Jahren mit heute bildet -, diese geistig-seelischen Wesen sind diejenigen, die gewisser­maßen unsere Vergangenheit registrieren.

Dasjenige, was man in dieser Weise darstellen kann, das läßt sich noch vertiefen, wenn man versucht, es mit der Initiationswissen-schaft darzustellen. Ich habe bisher es so dargestellt, daß ich Sie darauf hingewiesen habe, wie dasjenige, was in uns zu rumoren anfängt bei Bekanntschaften der ersten Art, das ist, was die Monden­wesenheiten uns aus ihren Büchern haben lesen lassen, bevor wir

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zur Erde herabgestiegen sind. Der Initiierte, der nimmt dasjenige, was in dieser Art ihm im Leben entgegentritt, noch auf eine ganz andere Art wahr. Auch er trifft im Leben einen anderen Menschen:

Während für das gewöhnliche Bewußtsein nur die innerliche Emp­findung da ist, daß man den anderen Menschen in den Willen auf­nimmt, ihn nicht nach dem äußeren Eindruck beurteilt, tritt für den Initiierten das ein, daß tatsächlich anschaubar für ihn wird das­jenige, was frühere Erdenleben der Persönlichkeiten waren, die ihm da entgegentreten. Da tritt nicht nur dieser physische Mensch auf mit seinem geistig-seelischen Inhalte, sondern gewissermaßen hin­ter ihm schattenhaft früheres Erdenleben, vielleicht mehrere frühere Erdenleben. Man lernt einen Menschen so kennen, daß einem gegenübertritt aus dem geistig-seelischen Anschauen eine ganze Reihe von Menschen. Man lernt zugleich mit einer Bekannt­schaft eine ganze Reihe von Personen kennen, die so gegenständlich sind wie der Mensch gegenständlich ist, den man im Physischen vor sich hat. In Zivilisationen, in denen man von solchen Dingen noch etwas geahnt hat, hat man sogar solche Dinge gemalt. Den­ken Sie, es gibt doch alte Bilder, wo Sie eine Menschengestalt haben, hinter ihr eine zweite etwas erhöht, hinter ihr eine dritte etwas erhöht. Das ist dasjenige, was man malerisch festhalten wollte von dem Eindruck, den der Initiierte durch eine Bekanntschaft hat, die so an ihn herantritt, daß das betreffende Menschenwesen ihm nicht nur das Anschauen aufgehen läßt, das es ihm im gegenwärtigen Erden-leben entgegenbringt, sondern das, was es ihm entgegenbringt aus vergangenen Erdenleben. So daß dasjenige, was nur eine Art Ge­fühl und Empfindung ist für das gewöhnliche Bewußtsein, auftritt in heller Anschaulichkeit für das initiierte Bewußtsein. Und es darf im Sinne der Geisteswissenschaft gesagt werden, daß die Sache in der Tat so ist: dasjenige, was da in einem Menschen karmisch mit ihm verbunden ist und für den Initiierten als Anschauung auftritt, das tritt als dunkles Gefühl auf, wenn nicht die Initiation, sondern wenn das gewöhnliche Bewußtsein da ist.

So können wir das, was aus unserer Vergangenheit wirkt und webt in unserem Schicksal, das in uns befindliche Mondenhafte nennen.

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Wir blicken zurück auf unsere Erdenleben: das Mondenhafte wirkt in uns. Es wirkt so, daß wir, indem wir Menschen gegenüber-treten, eigentlich immer einem Vielfachen dann entgegentreten, wenn diese Menschen mit uns karmisch verbunden sind. Für den Initiierten ist eine so geartete Bekanntschaft gewissermaßen eine solche mit mehreren Menschen in ihm, wenigstens mehrerer Men­schenleben in ihm. Denn diese Bekanntschaft mit den früheren Leben ist zumindest eine ebenso lebendige wie mit dem gegenwärti­gen Leben des anderen Menschen.

Nun betrachten wir einmal jene andere Art von Bekanntschaf­ten, wo wir den Menschen mehr beurteilen nach dem äußeren Ein-druck, mehr nach dem, was unser Verstand über ihn sagt, was unsere Sinne über ihn sagen, was jeder gleich versteht, nach dem ästhetischen Eindruck und so weiter. Da führt, wenn man die Sache geisteswissenschaftlich betrachtet, nichts zurück in die Vergangen­heit, da sind keine Wesen da, welche den Weg bis zu dieser Be­kanntschaft hin im Erdenleben vermitteln innerhalb der Monden­sphäre; da ist auch nichts eingeschrieben worden innerhalb der Mondensphäre in den astralischen Leib des Menschen. Aber da wir­ken eben andere Kräfte. Da wirken die Kräfte, die als geistig-seelische Kräfte nun mit dem Sonnendasein zusammenhängen. Die Kräfte, die geistig-seelischen Kräfte des Sonnendaseins wirken her­unter auf diese zweite Art der Bekanntschaft und weben von einer anderen Seite her das Schicksal. Ja, für eine geistige Betrachtung ist es schon so, als ob wir, ich möchte sagen, wie die geheimnisvolle Nacht zunächst dasjenige erlebten, was uns zu Menschen hinführt, mit denen wir in vergangenen Erdenleben manches vollbracht haben. Dann treten wir diesem Menschen selber entgegen: Jetzt richten wir uns mehr nach dem, was er als Eindruck in uns hervor­ruft, jetzt ist es, wie wenn an Stelle der geheimnisvollen Nacht die Tageshelle träte, die Sonne aufträte. Es ist auch geistig so: jetzt tritt auf für diejenigen, die schon lange karmisch zusammengehören, jetzt tritt auf für sie nicht nur die Vergangenheit, sondern Gegen­wart und Zukunft. Das Schicksal wird weiter gewoben. Geistig­Sonnenhaftes tritt an den Menschen heran.

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Aber auch für diejenigen, die nichts miteinander durchgemacht haben in früheren Erdenleben, auch für die tritt dieses Geistig­Sonnenhafte auf für das Weben der Schicksale in Gegenwart und Znkunft. Und wiederum: derjenige, der mit der Initiationseinsicht so etwas betrachtet, lernt einen Menschen, mit dem er in früheren Erdenleben nicht beisammen war, sondern mit dem er das erstemal oder ein erstes Mal zusammenkommt, nicht so kennen, daß er hin­ter ihm die schattenhaften Erdenleben erblickt. Aber er erblickt, in­dem er dem Menschen so entgegentritt, hinter diesem Menschen Wesenheiten der höheren Hierarchien, Wesenheiten von der Art, die der Mensch noch nicht erreicht hat. Angeloi, Archangeloi, die treten jetzt hinter dem Menschen auf. Innerhalb der Initiations­einsicht ist es ein großer Unterschied, ob man einem Menschen ent­gegentritt, mit dem man schon beisammen war, oder ob man ihm zum ersten Male entgegentritt. War man mit ihm viel zusammen, so erscheinen hinter ihm seine früheren Erdenleben. War man nicht mit ihm beisammen, dann erscheinen in seinem Hintergrunde We­senheiten der nächsthöheren Hierarchien, nämlich solche Wesen­heiten, welche mit den Sonnenstrahlen, mit dem Sonnenstrahlen-leuchten zu uns auf die Erde niederdringen. Und ebenso, wie die Mondenwesen das Karma, das vergangen ist, in unseren astrali­schen Leib einverweben, wird von dieser Schar der Sonnenwesen in unsere Ich-Organisation einverwebt - in die unterbewußte Ich-Organisation der Ich-Wesenheit des Menschen - dasjenige, was sich abspielt, nachdem wir einen anderen Menschen hier auf der Erde getroffen haben: das, was die Grundlage ist für weiteres Karma in die Zukunft hinein. Gegenwart verwandelt sich ja fortwährend in Zukunft. Was jetzt noch Gegenwart ist, ist für den vorhergehen­den Augenblick die Zukunft gewesen. So daß eigentlich unsere Entwickelung von der Vergangenheit in die Zukunft läuft.

Dasjenige, was wir beim Menschen so fortschreitend sehen von der Vergangenheit in die Zukunft, das sehen wir in seinem Gegen-bilde im Kosmos draußen, indem wir den über den Himmel schrei­tenden Mond betrachten und dann in seinem Gefolge oder voraus-gehend die Sonne. Wie Sonne und Mond in ihrem Lauf um die

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Welt, so verhalten sich Vergangenheit und Zukunft im Verlauf des menschlichen Lebens in dem geheimnisvoll gewobenen Schicksal. Geradeso, wie man sich mit der Initiationswissenschaft beim Begeg­nen eines Menschen sagt, aus tiefstem, bewegtem Gefühl heraus sagt: Das, was du da hinter ihm schaust, was die Mondenwesen in seinen astralischen Leib eingezeichnet haben, das gehört dir ebenso an wie ihm, durch das bist du mit ihm zusammengewachsen, so sagt man sich, wenn man mit der Initiationswissenschaft einen Menschen in der Welt zum ersten Male trifft: Da stehen Angeloi, Archangeloi hinter ihm. Jeder weist gewissermaßen mit dem Fin­ger auf die Zukunft hin. - Viele Möglichkeiten treten da auf, Mög-lichkeiten eines kommenden schicksalsgemäßen Lebens.

Sehen Sie, wenn man in dieser Art den Blick hinausrichtet in die Weltenweiten, dann erscheinen einem eben Mond und Sonne als die beiden Tore in die geistige Welt hinein. Und man sagt sich:

Dasjenige, was in der physischen Erdenumgebung ist, es lebt in meinem physischen Leibe augenblicklich; dasjenige, was in den weiten Äthersphären ist, wo die Sterne sind, es lebt in meinem Ätherleibe. Aber wenn ich zum Mond hinaufblicke, zur Sonne, dann blicke ich auf zu dem, was weder in meinem physischen Leibe ist, noch zu dem, was in meinem Ätherleibe lebt, sondern zu dem, was in meinem Astralischen lebt und was mein Ich durchkraftet. Da werden wir durch das Mondendasein aus der physischen und Ätherwelt hinaus in die geistige Welt hinein geführt. Und wie­derum, wenn man zur Sonne hinaufschaut, so sagt man sich: Da werde ich durch dasjenige, was als Geistig-Seelisches zur Sonne ge­hört, durch ein Tor geleitet, das mich hineinweist in eine Welt, die gleichartig ist mit meiner Ich-Wesenheit; nicht bloß in eine Welt, die gleichwertig ist mit meinem physischen und astralischen Leibe, sondern die gleichwertig ist sogar mit meiner Ich-Wesenheit, durch die ich als bewußtes Wesen in der Welt auftrete mit demjenigen, was uns in unser Schicksal wie eine Notwendigkeit gewoben erscheint, dem wir folgen, weil wir diese oder jene physischen Anlagen, dieses oder jenes Temperament, diesen oder jenen Charakter haben. Dies ist alles nur Ausdruck für unser Karma. - In allem, dem wir

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als der Notwendigkeit unseres Leibes folgen, in all dem, was der Dichter ausspricht mit den Worten:

So webt sich Naturdasein und moralisches Dasein vor einer gei­stigen Betrachtung in eins zusammen. Wir haben vor einer solchen geistigen Betrachtung nicht auf der einen Seite die Natur mit ihrer starren Notwendigkeit und auf der anderen Seite das Geistig-See­lische, das damit keine Verbindung eingehen kann, sondern als eine abgezogene moralische Weltordnung daliegt, nein, wir haben die­sen Gegensatz nicht, wir haben die Möglichkeit, in den Erscheinun­gen der Natur zu gleicher Zeit das zu finden, was in uns moralisch lebt. Allerdings müssen wir dann von den gewöhnlichen Natur­erscheinungen hinausschreiten zu demjenigen, was sich uns darstellt im geistigen Sonnen- und Mondendasein.

Sehen Sie, vor einer solchen Betrachtung taucht überhaupt auf diese Möglichkeit, aus dem Naturdasein des Menschen aufzusteigen zum geistig-seelischen Dasein. Wir blicken ja auch so in die Natur hinaus, daß, indem wir hinausblicken - wenn wir das auch nicht zu durchschauen vermögen mit dem gewöhnlichen Bewußtsein -, wir auf dasjenige hinausblicken, was in unserer Erdenumgebung oder auch in der Weltenumgebung uns die Krankheit bringt. Da ist es über­all in unserer Umgebung. Unser Organismus für sich ist ja gesund, denn der ist aus seinem gesunden Ich aus seinem gesunden astra lischen Leib und eigentlich auch aus dem gesunden Ätherischen heraus geboren. Hier auf der Erde kann uns krank machen nur irgend etwas, was von außen an den Menschen herantritt und was der Mensch nicht in der Lage ist, gemäß seinem inneren Wesen voll umzuwandeln. Bei den einfachsten Erscheinungen können Sie das beobachten. Nehmen Sie bloß an, Sie seien irgenwie in einem so und so warmen Raum oder auch kalten Raum, so nehmen Sie Wärme oder Kälte auf. Die darf nicht durch Sie hindurchgehen wie durch ein Stück Holz oder durch ein Stück Stein. Sie stellen sich

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in einen warmen oder kalten Raum nicht hinein wie ein Stück Holz oder Stein und werden dadurch auch wie das Holz oder der Stein warm und kalt, sondern Sie verarbeiten die Wärme, die außer Ihnen ist. Das Äußere regt Sie nur an; die Wärme, die Sie in sich tragen, die erzeugen Sie in sich selber in Ihrer Organisation. Kön­nen Sie das aber nicht, stellen Sie sich in Ihre Umgebung so hinein wie ein Stück Holz oder Stein und behandelt Sie Ihre Umgebung so wie ein Stück Holz oder Stein, dringt ein Äußeres in Sie ein, ohne daß Sie es umwandeln können: sogleich werden Sie erkältet. Der Mensch kann nicht die Umgebung der Erde unverwandelt in sich aufnehmen, auch nicht mit den Nahrungsmitteln. Das ist nur eine wissenschaftliche Phantasie, wenn man das glaubt. Der Mensch verwandelt das Essen ebenso wie alles, was in seiner Umgebung ist. Kann er es nicht, dann tritt die Krankheit an ihn heran: das ist die physische Ursache der Krankheit. Die Krankheit hat aber auch etwas Schicksalsmäßiges, sie stellt sich hinein in sein Leben als etwas Schicksalsmäßiges.

Ja, sehen Sie, wenn wir in diesem einen Erdenleben zunächst so sind, wie wir jetzt dastehen von irgendeinem Jahre im neunzehnten oder zwanzigsten Jahrhundert bis zum 6. Februar 1924, wenn wir in diesem einen Menschenleben stehen, dieses nur betrachten, ja dann können wir schon sagen: Wir müssen, wenn wir innerhalb dieses Lebens durch die Umgebung krank werden wollen, die Um­gebung robust auf uns einwirken haben. Mindestens Wärme oder Kälte oder auch irgendwelche schädliche Luftarten oder dergleichen müssen auf uns einwirken. Es muß etwas Robustes sein, was von außen kommt, das auf uns einwirkt und zur Krankheit wird. Wenn man eine Tollkirsche bloß ansieht, so vergiftet man sich nicht mit ihr. ,Wenn man irgendeine schädliche Luftart nur genügend weit von sich hat, so vergiftet man sich auch nicht mit ihr, macht sich nicht krank. Kurz, wenn man bloß den Eindruck hat für das See­lische, so macht man sich nicht krank. Da muß eine robustere Ein­wirkung geschehen.

Aber nehmen Sie jetzt folgendes an. In der Gegenwart gibt es so viele Menschen, die ganz materialistisch leben, die auch nur materialistische

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Eindrücke von der Umgebung haben wollen. Sie werden es in diesem Leben verschmähen - auch mit Bezug auf gewisse Ver­richtungen ihres Leibes -, Materialisten zu sein: Sie essen das Gei­stige der Pflanze, das Seelische der Tiere, das essen sie mit; denn wenn sie brave Materialisten wären auch in bezug auf das Essen, müßten sie nur Steine essen, das Unorganische, das tot ist. Aber in ihr Seelisches nehmen sie nur Ideen, Begriffe von Unlebendigem auf. Dasjenige, was da geistig-seelisch mit der Seele des Menschen sich verbindet, das wird dann Krankheitskraft für nächste Erden­leben. Da wirken die Eindrücke hinein, da wandeln sie sich um, so daß sie physisch wirkende Kräfte werden können. Das Schicksals-mäßige der Krankheit, das tragen wir aus früheren Erdenleben des-halb in unser jetziges Erdenleben herein, weil wir empfänglich wer­den für Krankheiten dadurch, daß wir gewisse Eindrücke, die dem Menschen nicht angemessen sind, in früheren Erdenleben gehabt haben. Diese Eindrücke wirken jetzt so, wie physisch-robuste Krank­heitserzeuger in diesem Erdenleben wirken. Alles dasjenige, was in einem Erdenleben bloß Idee, Empfindung, inneres seelisches Sein war, verwandelt sich beim Durchgang durch die Zeit, die wir ver­leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, in Physisch­Wirkendes im Menschenleben, und wir tragen in uns vieles Phy­sisch-Wirkende, das bloß ein Seelisches war in früheren Erdenleben. Auf diese Art müssen wir auch in der Krankheit etwas Schicksals-mäßiges finden, müssen nicht etwa in den Aberglauben verfallen, daß man nur mit geistigen Mitteln Krankheiten heilen kann. Dazu braucht es physische, dem Physikalischen ähnliche Mittel. Aber wenn wir mit vollem Verständnis der Tatsache gegenüberstehen, daß Physisch-Wirkendes der Gegenwart zurückgeht auf Seelisch­Wirkendes früherer Erdenleben, so können wir uns sagen: Das­jenige, was wir sonst von der Krankheit hinüberschleppen würden in das nächste Erdenleben, heilen wir für ein folgendes Erdenleben, indem wir die Gedanken von dem ablenken, was unvollkommen am Menschen war, und hinlenken auf dasjenige, was vollkommen ist am Menschen. Wenn wir zum Beispiel die Sicherheit haben, irgendeine Krankheit sei im Zusammenhang mit einem materialistischen

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Seelenleben in einem früheren Erdendasein, so können wir sicher sein, daß wir diese Krankheit nur dadurch entfernen können, daß wir aus spirituellen Anschauungen und Ideen die Krankheit behandeln. Alles dasjenige, was in Anthroposophie wirkt, wirkt eben so, daß es nicht bloße Theorie ist, sondern daß es unmittelbar zusammenhängt mit dem Leben, empfindungs-, gefühlserzeugend für das Leben ist.

Und wie wird eigentlich dieser Sternenhimmel, die Erden-umgebung für unser Anschauen, wenn wir sie in dem Lichte zu betrachten vermögen, das Anthroposophie, wenn sie in der rechten Art gepflegt wird, von sich ausstrahlt? Wie verwandt werden uns Sonne und Mond, wenn wir sie in dieser Weise als die äußeren kos­mischen Bilder unserer eigenen Vergangenheit und unserer eigenen Zukunft anschauen! Wie tief intensiv tragen wir dann das Bewußt­sein unserer Verwandtschaft mit dem Kosmos und der Welt in uns:

Wir schauen in uns Vergangenheit und Zukunft unser Schicksal weben; wir schauen hinaus, schauen Sonne und Mond, schauen, wie uns in Sonne und Mond entgegentritt Weltenschicksal, äußerlich sich offenbarend. Wir fühlen in unserer Vergangenheit etwas, was sich so hinstellt neben Gegenwart und Zukunft, wie sich der Mond neben die Sonne im Weltenall hinstellt. Unsere Ehrfurcht, unser Hingegebensein, unsere Opferfähigkeit für das Weltenall wird erhöht, wenn wir so unser eigenes Dasein hinauszuerweitern ver­stehen zu dem Weltendasein, um im einzelnen die Verwandtschaft desjenigen, was in uns lebt, mit dem, was im ,Weltenall webt, zu erschauen.

Sehen Sie, daß der Mensch so mit der Welt zusammenwächst, das ist auch eine der Aufgaben, welche Anthroposophie in ihrem Wir­ken sich stellt. Und ich hoffe, daß wir, die wir ja gerade in diesen Zweigen so zahlreich versammelt sind, gerade durch solche Be­trachtungen mit dieser Aufgabe der Anthroposophie, den Men­schen nicht nur die Gedanken, sondern die Empfindungen, das Herz zu vertiefen, immer mehr und mehr zusammenwachsen. Und daß dies immer besser und immer intensiver geschehen könne, dazu war eben die Weihnachtstagung da. Diese Weihnachtstagung hat hingewiesen

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darauf, daß, wenn die Anthroposophische Gesellschaft im weiteren ihre Wirksamkeit richtig entfalten soll, sie die Wege, die sie in den letzten zehn Jahren beschritten hat, verlassen muß; sie muß aus dem äußeren Gesellschaftsmäßigen in das innere Geistige hineingreifen. Sie muß im ganzen einen esoterischen Charakter an­nehmen. Dasjenige, was als Hochschule für Geisteswissenschaft in Dornach in der Zukunft bestehen wird, muß eine Art esoterischen Charakter tragen, und die ganze Institution der Gesellschaft muß einen esoterischen Charakter tragen. Damit wird die Gesellschaft ihr spirituelles Leben erhalten können das sie braucht Sie darf sich nicht veräußerlichen, und die Veraußerlichung drohte ihr in den letzten zehn Jahren.

Was haben wir erlebt in den zehn Jahren und schon vorher? Nehmen Sie als Beispiel nur die Tatsache, daß eine sehr wirk­same Gegnerschaft, die gerade jetzt sich sehr wirksam entfaltet, davon herrührt, daß diese Gegnerschaft hinweisen kann auf nicht öffentlich erhaltbare Zyklen, Nachschriften von Vorträ­gen. Nicht wahr, man wünschte, daß es solche Zyklen, solche nach-geschriebenen Vorträge gäbe. Wie sehr mußte man sich bisher sol­chen Wünschen fügen, trotzdem man wissen konnte: Gerade da­durch wird für die Gegnerschaft das Eminenteste, was sie braucht, gezimmert. Wir leben eben in einer Zeit, in der solche Dinge un­möglich sind. Deshalb mußte bei der Weihnachtstagung die volle Öffentlichkeit für die Gesellschaft in Anspruch genommen werden. Das wird durchaus nicht widersprechen der Tatsache, daß sie auf der anderen Seite um so mehr esoterisch wird. Aber es muß ein intensiveres Bewußtsein in die ganze Führung der Gesellschaft hineinkommen, es muß sozusagen die Gesellschaft in anthropo­sophischer Art geführt werden. Deshalb ist bei dem, was man auch Statuten nennen könnte, bei der Weihnachtstagung ganz anders vorgegangen worden als beim sonstigen Schaffen von Statuten. Beim sonstigen Schaffen von Statuten sagt man: Man bekennt sich zu diesen oder jenen Grundsätzen. Wir haben ja auch früher in der Theosophischen Gesellschaft solche Grundsätze gehabt. Erster

Grundsatz: Bildung einer allgemeinen Bruderschaft der Menschheit,

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zweiter Grundsatz: Einheit in den Religionen aufzeigen und so weiter. Ich habe öfter darauf hingewiesen, daß gerade hier ein­setzen muß dasjenige, was die Anthroposophische Gesellschaft eigentlich erst als Realität begründen kann. Dann ist in der Weih­nachtstagung tatsächlich diese Realität geltend gemacht worden. Es wurde nicht von Grundsätzen gesprochen, sondern es wurde darauf hingewiesen: In Dornach lebt etwas, da ist etwas lebendig. Und wer in dem Lebendigen, das in Dornach lebt, etwas Berech­tigtes sieht, schließt sich der Gesellschaft an. Es wird nicht auf abstrakte Grundsätze hingewiesen, sondern auf etwas Lebendiges, auf etwas, was da ist. Und es wird nicht das Leben der Gesellschaft in Form von Abstraktionen gefordert in diesen sogenannten Sta­tuten, die eigentlich keine Statuten sind, sondern eine Erzählung desjenigen, was in Dornach besteht und was man von dort aus tun will. Erzählung sind diese Grundsätze, nicht Statuten. Ich habe dar. auf hingewiesen, daß die Gesellschaft einen Vorstand haben soll, der tut, der im Tun, in seiner Initiative dasjenige sieht, was ihn macht, was ihn bildet. So ist versucht worden, in alles an die Stelle der Abstraktionen das rein Menschliche, das unmittelbar Mensch­liche schon im «Statut» zu bringen. Und so kann einzig und allein eine Gesellschaft leben, welche ein Organismus sein soll für ein Geistiges, das hereinfließt in die Welt.

Sehen Sie, ich möchte sagen: Dieser Vorstand, der in Dornach zu Weihnachten gebildet worden ist, der beruht auf einer Art hypo­thetischen Urteils. Wenn die Gesellschaft aufnehmen will das, was er tut, dann wird er der Vorstand sein; wenn sie es nicht aufnehmen will, dann wird er überhaupt nichts sein. Aber man wird ihn auch nur so nehmen können als, ich möchte sagen, das Zentrum eines lebendigen Wirkens. Damit kann ich nur andeuten - denn ich sagte ja, ich möchte nur wenige Worte sprechen, alles übrige wird ja in den «Mitteilungen» deutlich ausgesprochen -, daß tatsächlich durch die ,Weihnachtstagung versucht worden ist, einen neuen Geist in die Gesellschaft hineinzuführen. Aber es ist wünschenswert, daß man verstehe, welcher Art dieser neue Geist ist: daß er ein Geist der Lebendigkeit gegenüber dem Geiste der Abstraktionen ist, daß

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er ein Geist ist, der nicht zum Kopf, sondern der zu den Herzen sprechen möchte. Daher kommt es, daß eigentlich diese Weihnachts­tagung entweder für die anthroposophische Sache nichts oder alles ist. Sie wird nichts sein, wenn sie keine Fortsetzung findet, wenn sie eine Festlichkeit war, bei der man sich so ein bißchen gefreut hat; nachher vergißt man das Ganze und lebt im alten Trott weiter. Dann hat sie keinen Inhalt, es strahlt nichts zurück auf sie. Sie bekommt erst ihren Inhalt von dem Leben auf den verschiedenen Gebieten der Gesellschaft, sie ist erst eine Wirklichkeit durch das, was durch sie geschieht, was fortwährend im Leben der Anthropo­sophischen Gesellschaft durch sie geschieht. Die Weihnachtstagung wird erst real durch das, was aus ihr weiter wird. Hinschauen auf die Weihnachtstagung bedingt schon eine gewisse Verantwortlich­keit in der Seele, sie wirklich zu machen, während sie sich sonst zurückzieht von dem Erdendasein, dieselbe Richtung gehen wird, die ich heute von dem Mondenwesen beschrieben habe. Sie war natürlich in einem gewissen Sinne in der Welt da. Ob sie als Weihnachtstagung für das Leben wirksam sein wird, hängt davon ab, ob sie fortgesetzt wird.

Sehen Sie, wir haben das ja recht deutlich zum Ausdruck ge­bracht. In das Herz jedes Teilnehmers wurde versenkt der spiri­tuelle Grundstein für die Anthroposophische Gesellschaft. Wir haben zwar formell geschlossen, aber eigentlich sollte diese Weih­nachtstagung nie geschlossen sein, sondern immer fortwähren in dem Leben der Anthroposophischen Gesellschaft. Daher möchte ich Sie bitten, dasjenige, was da ist durch das Mitteilungsblatt, in vollem Ernste zu nehmen, wirklich das, was da nach und nach nicht nur in der Beschreibung, sondern als Realität an Sie herankommen wird, wirklich mit allem Ernste zu betrachten. Nicht wahr, nicht alles kann jetzt übers Knie gebrochen werden, fortwährend kommt man zunächst damit: Wie soll das und das gemacht werden? - Na­türlich kann nicht alles in einem Tag geschehen. Sie werden als eine der nächsten Einrichtungen sehen, daß in dem Mitteilungsblatt:

«Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht> Sie jede Woche Richtlinien finden werden - wenn ich mich abstrakt ausdrücke

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- in einer Form von Thesen. Da wird in kurzen Sätzen jede Woche stehen etwas von anthroposophischen Wahrheiten in bezug auf die Menschen - Menschenleben, Religion, Kunst und so wei­ter -, «was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht>. Und da wird man Gelegenheit haben, in den verschiedenen anthropo­sophischen Zweigen zu sagen: Von Dornach wird dieser oder jener Gedanke uns geschickt als Richtlinie: reden wir in den Zweigen neben dem anderen vor allen Dingen jede Woche über das, was man uns von Dornach schickt als den Gedanken, der in den Mit­teilungsblättern zum Ausdruck kommt.

Dadurch wird eine Einheit hineinkommen in die verschiedenen Gebiete des anthroposophischen Lebens in der Gesellschaft. Und so werden auf diese Weise viele Dinge nach und nach entstehen, die wie ein Blut die Anthroposophische Gesellschaft tatsächlich durchziehen, nicht nur damit man von Einheit spricht, sondern da­mit ihr etwas zugeführt wird, was sie mit einheitlichem geistigem Blut durchströmen kann. Auf das wollte hingewiesen sein bei der Weihnachtstagung. Damals hat man es fühlen können, - man wird es des weiteren sehen.

Aber das ist hier insbesondere in Deutschland notwendig. Man steht ja in Deutschland in der Tat in einer ganz anderen ,Weise innerhalb des anthroposophischen Lebens als sonst. Sonst ist die Gegnerschaft nicht in der Weise ausgebildet wie hier. Man kann ja sehen, daß, wo sie sonst auftritt, sie vielfach von hier importiert wird, wenn auch eine gewisse Art von Gegnerschaft überall, ins-besondere um Dornach selber herum, vorhanden ist. Aber wiederum eine ganz besondere Art von Gegnerschaft ist ja die, der man gegenübersteht in Deutschland, ich möchte sagen: die ganz robuste Gegnerschaft, die systematisch, voll bewußt, organisiert arbeitet Da war es schon ein schwerer Entschluß, in der Anthroposophischen Gesellschaft nun das Unterste zuoberst zu kehren. Denn so ist es in den Tatsachen geschehen. Als die Anthroposophische Gesellschaft begründet wurde 1912-1913 - ja, Sie brauchen nur zu bedenken:

ich war weder mit irgendeinem Amt in der Anthroposophischen Gesellschaft begabt, noch war ich überhaupt Mitglied. Ich war nicht

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Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft seit ihrer Begrün­dung, ich habe das öfter betont, man hat nur nicht richtig auf die Bedeutung hingehört, denn ich wollte, daß die Anthroposophische Gesellschaft mich nur als Lehrenden hat, als denjenigen, der zu den Quellen des anthroposophischen Lebens führt und so weiter. Und es mußte zunächst der Versuch gemacht werden, damit zu sehen, was auf diese Art geschehen kann.

Nun sehen Sie, es ist eben so gekommen, daß ich in einem Lebens­alter, wo man sich gewöhnlich schon pensionieren läßt, erst anfan­gen muß, denn in der Tat, ich betrachte das, was mit der Weih­nachtstagung in Dornach geschehen ist, als einen Anfang, als einen richtigen Lebensanfang. Und ich möchte, daß man fühlt, daß wir vor einem Anfange stehen. Und wenn man richtig fühlt, daß man vor einem Anfange steht, so kann eben schon, da dieser Anfang manches in sich trägt, aus diesem Anfange etwas werden. Wie ge­sagt, eben nur aus der Notwendigkeit heraus bin ich Mitglied, bin ich sogar Vorsitzender geworden dieser Anthroposophischen Gesell­schaft, und ich möchte gern, daß man den ganzen Ernst desjenigen wirklich einsieht, was mit der Weihnachtstagung zusammenhängt.

Wird man es einsehen, dann wird eben doch vielleicht durch diesen Versuch es möglich sein, daß im Zusammenarbeiten von allen Orten mit demjenigen, was von Dornach ausgehen soll, echtes anthroposophisches Leben durch die Anthroposophische Gesell­schaft fließen wird. Mit dieser Gesinnung - und auf diese Gesinnung wird es vorzugsweise ankommen in der Anthroposophischen Gesell­schaft -, mit dieser Gesinnung möchte ich in herzlichster Weise antworten auf die Begrüßung, die nach der Weihnachtstagung mir heute durch Dr. Kolisko geworden ist, nachdem ich das erstemal wieder unter Ihnen bin, möchte antworten mit einem ebenso herz­lichen Gruß, so daß Gruß dem Gruße sagt, Herz dem Herzen sagt:

Wir wollen mit dem Geiste, der mit der Weihnachtstagung gemeint war, so zusammenwirken, daß der wirkende Impuls dieser Weih­nachtstagung unter Anthroposophen, welche die Bedingungen des anthroposophischen Lebens richtig zu erkennen sich bestreben, nie-mais aufhören möge; daß durch dieses anthroposophische Bestreben

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die Dornacher Tagung immer mehr und mehr ihren wirklichen Inhalt erhalte; daß diese Dornacher Tagung durch dasjenige, was die Anthroposophen überall in der Welt aus ihr machen, eigentlich niemals aufhöre; daß der Geist, den anzurufen dort versucht wurde, daß dieser Geist immer da sei durch den guten Willen, durch die Hingabe, durch das eindringende Verständnis der Mitgliedschaft für Anthroposophie und anthroposophisches Leben.

So wollen wir zusammenwirken, so wollen wir aber auch die Dornacher Tagung wirklich als etwas Berechtigtes, als etwas Ernstes betrachten, nicht auf sie hinschauen als auf etwas, was uns gleich-gültig sein kann, sondern hinschauen auf sie als etwas, was uns in der Tat tief, tief ins Herz, ins Gemüt, ins Gewissen selbst eindringt. Dann werden wir in der richtigen ,Weise in der Weihnachtstagung nicht bloß eine Festwoche gehabt haben, sondern etwas Weitwir­kendes, Menschengeschick Bezwingendes. Und alles Weltwirkende und Menschengeschick Bezwingende kann der richtige Impuls für anthroposophische Arbeit, anthroposophisches Wirken, anthroposo­phisches Leben sein.


#G240,1961,SE242 Esoterische Betrachtungen Karmischer Zusammenhänge, Bd. 6

#TI

RUDOLF STEINER

Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge

aus dem Jahre 1924

BAND I

Dreizehn Vorträge

Bern, 25. Januar 1924

Dornach, 16. Februar - 23. März 1924

BAND II

Zwanzig Vorträge

Dornach, 6. April - 29. Juni1924

Stuttgart, 9. April 1924 Bern, 16. April 1924

Stuttgart, 1. Juni1924 Dornach, 4. Juni1924

BAND III

Elf Vorträge Dornaeh, 1. Juli-8. August 1924

BAND IV

Elf Vorträge Dornaeh, 5. - 23. September 1924

Dornach, 28. September 1924

Frühere Ausgaben

(Erster Vortrag in «Das Tor des Mondes und das Tor der Sonne., Dornach 1940)

(«Esoterische Betrachtungen karmiseher Zu­sammenhänge., 1. Band, Dornach 1933)

(«Esoterische Betrachtungen karmischer Zu-sammenhänge«, II. Teil, Dornach 1934)

(Zweiter Vortrag in «Das Tor des Mondes und das Tor der Sonne«, Dornach 1940>

(«Ausgleichserlebnisse nach dem Tode. Die negativen Bilder des Lebens«, Dornach 1940)

(«Der Pfingstgedanke als Empfindungsgrund-lage zum Begreifen des Karma«, Dornach 1933; Sonderdruck aus der Gesamtausgabe, Dornach 1959)

(1. Auflage «Die karmischen Zusammenhänge der anthroposophischen Bewegung«, Dornach 1926; 2. Auflage «Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge«, III. Teil, Dor­nach 1937)

(«Esoterische Betrachtungen karmischer Zu­sammenhänge«, IV. Teil, Dornach 1937)

(«Ansprache am Vorabend zu Michaeli [Lerzte Ansprache]», Dornach 1951)

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BAND V

Fünfzehn Vorträge

Prag, 29.-31. März1924

Paris, 23.-25. Mai1924

Breslau, 7. - 15. Juni 1924

BAND VI

Elf Vorträge

Zürich, 28. Januar 1924

Stuttgart, 6. Februar 1924

Arnheim, 18.-20. Juli 1924

Torquay, 12., 14. und 21. August 1924

London, 24. - 27. August 1924

(«Esoterische Betrachtungen karmisch-kosmi-seher Zusammenhänge«, Dornach 1939)

(«Anthroposophie als Erkenntnisgrundlage des Geistigen in Welt und Mensch und als Seelen-impuls für moralisches und religiöses Leben., Dornach 1953)

(«Karma als Schieksalsgestaltung des mensch-lichen Lebens«, Dornach 1944, Freiburg L Br. 1955)

(Nach einer unvollständigen Nachsehrift)

(«Die Bedeutung der die Erde umgebenden

Himmelskörper für das Leben und Dasein des

Menschen., Dornach 1940)

(»Das Karma der Anthroposophischen Gesell­schaft und der Inhalt der anthroposophischen Bewegung«, Dornach 1940)

(«Die Vertiefung des Christentums durch die Sonneskräfte Michaels«, Dornach 1950)

(«Esoterische Betrachtungen über das Karma im einzelnen Menschen und in der Mensch­heits-Entwickelung», Dornach 1936)

Thematisch im gleichen Zusammenhang stehen die Vorträge aus dem Jahre 1912:

Wiederverkörperung und Karma und ihre Bedeutung für die Kultur der Gegenwart

Fünf Vorträge

Berlin, 23. und 30. Januar, 5. März 1912

(«Reinkarnation und Karma und ihre Bedeu­tung für die Kultur der Gegenwart», Berlin 1917) Stuttgart, 20. und 21. Februar 1912 («Wie kommt man zur Erkenntnis wieder­holter Erdenleben. Übungen und Beispiele», Freiburg i Br. 1953)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.