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I 01 Das christliche Mysterium, Düsseldorf, 9 Februar 1906
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Die Wahrheitssprache der Evangelien
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Das christliche Mysterium
Düsseldorf, 9. Februar 1906
Wenn wir über die christliche mystische Entwickelung des Menschen sprechen, so müssen wir dabei in Betracht ziehen, daß der Weg, der im Christentum eingeschlagen worden ist, um sich geistig höher zu entwickeln, immer ein streng vorgeschriebener war. Den christlich-gnostischen Entwickelungsgang konnte immer nur derjenige gehen, der sich von der äußeren Kultur zurückzog. Seine völlige Strenge ist nicht für einen Menschen durchführbar, der im äußeren Schaffen darinsteht. Jeder kann aber viel erreichen, wenn er nur annähernd diesen Weg betritt. Indessen erfordert der christliche Weg eine ganz bedeutende Höhe der Entwickelung. Er unterscheidet sich jedoch von allen andern Wegen dadurch, daß innerhalb dieses Weges der Mensch nicht durch eigene Anschauung zur Erkenntnis von Reinkarnation und Karma kommen kann.
Im esoterischen Christentum hat man wohl die Überzeugung davon gehabt, daß es Reinkarnation gäbe. Aber zum eigentlichen exoterischen Christentum gehört diese Überzeugung nicht. Es war ein bestimmter Grund, warum das Christentum der Vergangenheit diese Lehre nicht hatte.
Man braucht nur einige tausend Jahre zurückzugehen, da war die Lehre von Reinkarnation und Karma so ziemlich auf der ganzen Erde verbreitet. Nur innerhalb der Völker semitischer Abstammung ist die Lehre von Reinkarnation und Karma etwas zurückgetreten. Sonst findet man diese Lehre damals überall. Die Menschen, die bedrückt von ihrem Schicksal waren, sagten sich damals: Dies ist ein Leben unter vielen; das, was ich in diesem Leben vorbereite, wird seinen Lohn in einem andern haben. Damals gab es ein fortwährendes Hinaufschauen nach den höheren Welten. Das war überall vorhanden, so auch bei den chaldäischen Priesterweisen. Ihnen waren die Sterne der Ausdruck einer Seele und eines Geistes, die Körper von Geistern waren sie. Der ganze Weltenraum war für sie mit geistigen Wesenheiten belebt. Sie sprachen von den Gesetzmäßigkeiten,
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nach denen die Sterne sich bewegen, als von dem Willen der Geister, deren Körper die Sonne und die Planeten sind. Der Mensch lebte damals, indem er seine Seele fortwährend zu dem Geiste hinaufrichtete. Was die Menschen damals äußerlich an Arbeit auf der Erde vollbracht haben, das war primitiv, während dagegen in hohem Maße das geistige Durchdringen des Weltalls unter ihnen wirkte. Hohe geistige Anschauungen findet man da neben einer primitiven materiellen Kultur.
Nun sollte ein Zeitalter kommen, welches die äußere, materielle Kultur immer mehr pflegte, welches sozusagen den Erdball für die materielle Kultur eroberte. Der Blick der Menschen sollte auf dem physischen Leben ruhen. Das Denken der chaldäischen Priesterweisen, der Hermesschüler, der Schüler der alten Rishis, war auf das geistige Leben gerichtet. Für sie alle waren die wiederholten Erdenleben eine Tatsache. Davon mußten die Menschen eine Zeitlang absehen. Alle Menschen sollten einmal durch eine Inkarnation gehen, ohne etwas von den wiederholten Erdenleben zu wissen. Das wurde schon achthundert Jahre vor dem Beginn des Christentums vorbereitet. Allmählich flutet das wieder ab in unsere Zeit hinein. Heute ist für die, welche die okkulten Strömungen kennen, bekannt, daß jetzt auch das Christentum die Lehre von Reinkarnation und Karma wieder aufnehmen muß.
Das geht aus dem Mysterium auf dem Berge Tabor hervor. Es handelt sich dabei um ein Ereignis, das sich «auf dem Berge» abspielte. «Auf dem Berge» ist ein Schlüsselwort, das bedeutet, daß der Meister seine Schüler in das Innerste führt, um ihnen dort die intimsten Lehren zu geben. Es steht da: «Die Jünger waren entrückt.» Das heißt, daß sie in höhere Welten geführt wurden. Da erschienen ihnen Elias, Moses und Jesus. Das bedeutet, daß eine Überwindung von Raum und Zeit stattfand. Die nicht mehr da waren, Moses und Elias, erschienen ihnen in dem devachanischen Zustande. Der Name Elias bedeutet so viel wie der Weg Gottes, das Ziel. Das Wort El, gleich Gott, ist enthalten in Elohim, Gabriel, Michael, Raphael, auch in Bel. Der Name Moses repräsentiert die Wahrheit. Moses ist die okkulte Bezeichnung für die Wahrheit. Jesus bedeutet das Leben.
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Christus selbst, in der Mitte stehend, ist das Leben. Da wurde sozusagen mit ehernen Worten in das Mentale geschrieben: «Der Weg, die Wahrheit und das Leben.» Die Jünger sagen: «Hier laßt uns Hütten bauen.» Das bedeutet, daß sie Chelas im zweiten Grade waren. Ferner sagt der Herr: «Elias ist wiedererschienen, sie haben ihn nur nicht erkannt. Saget es aber niemandem, bis daß ich wiederkomme.» Er redet hier von der Reinkarnation, Johannes der Täufer ist Elias. Das Wiederkommen bezieht sich auf das Wiederkommen des Christus Jesus. Das Verständnis für dieses Ereignis soll vorbereitet werden durch die anthroposophische Weltanschauung.
Wenn alle Menschen einmal in einer Inkarnation das Erlebnis durchgemacht haben, nichts von Reinkarnation und Karma zu wissen, dann wird Reinkarnation wieder gelehrt. In den allerintimsten Kreisen des Christentums hat die Reinkarnation aber immer als Wahrheit gegolten. Überall, wo es Eingeweihte gab, die durch Taten gelehrt haben, ist dies zu erkennen. Ein Beispiel hierfür ist der Trappistenorden. Durch eine völlige Enthaltsamkeit im Sprechen in der einen Inkarnation bilden sie sich zu tüchtigen Rednern für die folgenden Inkarnationen aus. Durch das Gegenteil in der einen Inkarnation wird also eine ganz besondere Gabe für die nächste Inkarnation ausgebildet. Flammende Redner sollten durch die Enthaltsamkeit im Reden erzeugt werden.
Was in einem Zeitalter äußerlich gelehrt werden sollte, war, daß der Mensch an dem Gefühl festhalten sollte, das Leben auf der Erde sei mit diesem einen Leben erschöpft. Der Mensch sollte sich sagen: Eine ganze Ewigkeit hängt davon ab, was in dem einen Leben geschieht. Eine radikale Ausgestaltung dieser Auffassung ist die Lehre von den ewigen Höllenstrafen. Der Erdkreis wäre nicht erobert worden, wenn nicht die Lehrer des Christentums dies hinterlassen hätten, daß das eine Leben als ein so wichtiges angesehen werden sollte. Die großen Lehrer haben nie absolute Wahrheiten hingestellt, sondern das, was dem Menschen angemessen ist. Die letzten Wahrheiten lehren die großen Lehrer nie, sondern das, was für ein Zeitalter förderlich ist. Die Lehre von der Reinkarnation wäre in dieser Zeit nicht das Richtige gewesen. Auch was die Geisteswissenschaft
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lehrt, ist nicht die endgültige Wahrheit, sondern die anthroposophische Weltanschauung muß jetzt gelehrt werden, weil das heute das Richtige ist. Die Menschen, die jetzt die geisteswissenschaftlichen Lehren hören, werden die Wahrheit in einer späteren Inkarnation in einer ganz andern Weise hören. Innerhalb von dreitausend Jahren werden wir etwas, was auf einem höheren Gebiete liegt, lernen, weil wir schon einmal durch die Anthroposophie durchgegangen sind. Dies ist die geistige Seite. Alles Geistige muß aber auch ein Gegenbild im Physischen haben. Schon einige Jahrhunderte vor Christus hat die Individualität, die in Christus erschien, vorbereitend gewirkt.
Damit der Mensch sich dachte, die eine Inkarnation sei die einzige, dazu war notwendig, daß etwas das Gehirn von der Erkenntnis von den höheren Prinzipien im Menschen, von Atma, Buddhi, Manas und von der Erkenntnis der Reinkarnation abschnitt. Dazu wurde den Menschen der Wein gegeben. Früher war bei allem Tempelkultus nur das Wasser gebraucht worden. Dann wurde der Gebrauch des Weines eingeführt, und sogar ein göttliches Wesen, Bacchus, Dionysos, war der Repräsentant des Weines. Der tiefsteingeweihte Jünger, Johannes, enthüllt in seinem Evangelium, was der Wein für die innere Entwickelung bedeutet. Bei der Hochzeit von Kana in Galiläa wird das Wasser in Wein verwandelt. Durch den Wein wurde der Mensch so zubereitet, daß er die Reinkarnation nicht mehr verstand. Damals wurde das Opferwasser in Wein verwandelt, und wir sind jetzt wieder dabei, den Wein in Wasser zu verwandeln. Wer hinaufkommen will in die höheren Gebiete des Daseins, der muß sich jeden Tropfens Alkohol enthalten.
Im Johannes-Evangelium ist jede Zeile ein tiefes Erlebnis im einzelnen Menschen und in der ganzen Menschheit. Jesus sagte: Ich bin hierhergekommen, um die Einleitung dieser Evolutionsepoche herbeizuführen. Paulus, ein Eingeweihter, nennt Christus den umgekehrten Adam. In Adam haben wir den ersten Menschen, der zuerst in dieser Form erscheint. Damit ist der geistige Mensch in die Inkarnation auf der Erde versetzt. Nun kann er einen zweifachen Weg nehmen. Er kann das nehmen, was die Götter ihm geben, oder sich selbst etwas Neues erwerben. Das ist die Geschichte von Kain
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und Abel. Abel nimmt die Tiere, die da sind. Kain erarbeitet, was er opfert. Durch das, was Kain erarbeitet, entsteht das Brot. Brot war immer der Repräsentant für das, was der Mensch selbst erarbeitet. Der Mensch ist dadurch, daß er das Brot erarbeitet, sündig geworden. Kain hat den Bruder erschlagen. Zugleich mit der eigenen Arbeit ist der Mensch sündig geworden, er ist in die Materie herabgefallen.
Der umgekehrte Adam ist Christus Jesus, der wieder hinaufsteigt. Er muß das mit seinem Blut erkaufen. Das mußte einmal durch eine Persönlichkeit geschehen. Das Brot und der Wein finden ihren Repräsentanten in der Person Christi, in seinem Leib und Blut. Die Kainstat muß der Herr selbst auf sich nehmen: Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut. Die Erlösung muß dadurch geschehen, daß das, was auf der Erde ist, geheiligt wird. Der Wein repräsentiert das beim Abendmahl, das Blut kommt dadurch in Beziehung zum Wein.
Die Evangelien sind nicht nur Lehrschriften, sondern sie sind auch Lebensschriften. Mit den Erzählungen der Evangelien sind nicht nur äußere geschichtliche Ereignisse gemeint, sondern innere Erlebnisse des Menschen. Christlicher Joga ist das Sich-ganz-in-das-Evangelium-Hineinleben, als ob es das eigene Seelenleben wäre.
Vier Dinge sind entschieden notwendig, damit überhaupt der christliche Joga möglich sein kann. Das erste ist die Einfalt. Dies ist eine christliche Tugend. Man muß sich klarwerden, daß man im Leben in mannigfaltiger Weise solche Erfahrungen macht, durch die man seine Unbefangenheit verliert. Fast jeder Mensch ist befangen. Die einzigen unbefangenen Antworten auf Fragen sind die der Kinder. Aber sie sind auch töricht dabei, weil die Kinder noch nichts wissen. Man muß aber lernen, weise zu sein und unbefangen, kindhaft unbefangen mit der Erfahrung. Das nennt man im Christentum die Einfalt.
Die zweite Tugend, die man sich erwerben muß, besteht darin, daß man als christlicher Mystiker das abstreifen muß, was viele Menschen haben, nämlich das innere Wohlgefühl an religiösen Übungen. Man muß nicht mehr aus Eigenbefriedigung sich den Übungen
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hingeben, sondern weil es der Übungsweg erfordert. Alles Wohlgefühl an religiösen Übungen muß schweigen.
Die dritte Tugend ist noch schwieriger. Sie besteht darin, daß man absolut darauf verzichtet, irgend etwas seiner eigenen Tüchtigkeit zuzuschreiben. Man muß dagegen lernen, alles der göttlichen Kraft zuzuschreiben, dem Verdienste Gottes, der durch uns wirkt. Ohne das kann man nicht christlicher Mystiker werden.
Als vierte Tugend muß man die geduldige Ergebenheit in das erreichen, was den Menschen auch immer treffen mag. Alles Sorgen und Fürchten muß man ablegen, allem gegenüber gewappnet sein, dem Besten und dem Schlechtesten gegenüber.
Wenn man solche Tugenden nicht bis zu einem gewissen Grade ausgebildet hat, kann man nicht hoffen, christlicher Mystiker zu werden. Diese Vorbereitung befähigt, die sieben Stufen des christlichen mystischen Weges durchzumachen.
Die erste Stufe ist die Fußwaschung. Sie muß jeder vollziehen. Das ist die Ausführung des Spruches: Wer will der Herr sein, muß aller Knecht sein. Wir müssen uns klar sein, daß wir das, was wir sind, nicht unserem eigenen Selbst verdanken. Wir müssen alles in Rechnung stellen, was andere Menschen und die Umwelt aus uns gemacht haben, und das ernsthaft bedenken. Dann verstehen wir, wie wir mit der ganzen Umgebung zusammenhängen. Wenn wir Kraft gewonnen haben durch die vier Tugenden: Einfalt, Abstreifen des Wohlgefühles an religiösen Übungen, Verzicht, sich eigene Tüchtigkeit zuzuschreiben, geduldige Ergebenheit in alles, was uns trifft dann bekommen wir auch die Kraft, das auszuführen, was man die Fußwaschung nennt, nämlich auf alles dasjenige, was uns von außen gegeben ist, was uns erhoben hat, mit Dankbarkeit zu sehen, uns vor ihm zu beugen. Verwandeln müssen wir unser ganzes Gefühl in lauter Dankbarkeit gegenüber denen, die uns alles gegeben haben. So müssen wir niederknien vor denjenigen, durch die wir geworden sind. Christus Jesus kniete nieder vor seinen Jüngern, weil er ohne die Jünger nicht das sein könnte, was er geworden ist. Christus Jesus setzt die Jünger so voraus, wie die Pflanze das Mineral, wie das Tier die Pflanze voraussetzt. Er, der der Herr ist, wird aller
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Knecht. Wenn man das lernt, sich zu erniedrigen bis zum Gefühl der tiefsten Dankbarkeit, dann fällt manches, was soziale Hülle ist, weg, und wir können dann die nächste Stufe durchmachen.
Wenn wir auf die äußere Kraft verzichten, dann müssen wir innere Kraft haben. Wenn wir der Letzte geworden sind, dann gehen wir zum Vater. Das heißt «der Weg zum Vaters. Mit dieser Urkraft sind wir dann innig verbunden. Das kann nur gefunden werden durch eigenes Erleben. Wir müssen lernen, jeden Schmerz auszuhalten. Das ist die zweite Stufe, die Geißelung, die zweite Stufe im christlich-mystischen Sinne. Dann ist das Selbst auf sich gestützt.
Noch höher ist das Ertragen der Verachtung, die dritte Stufe. Man muß ertragen lernen, daß man überhaupt keine Achtung bei den Menschen findet. Man muß die ganze Kraft im höheren Leben finden. Das ist das Tragen der Dornenkrone. Wir müssen lernen, aufrechtzustehen, wenn die Welt uns verachtet und mit Hohn überschüttet.
Wenn der Mensch so weit ist, dann steht er seiner eigenen Leiblichkeit wie einer fremden gegenüber. Er hat sich erniedrigt, Schmerzen ertragen gelernt, Verachtung ertragen gelernt. Jetzt ist der Körper etwas, in dem er nicht mehr lebt, sondern den die Seele umschwebt. Das ist die Kreuzigung, die vierte Stufe. Diese wird abgelöst von derjenigen, welche dadurch eintritt, daß der eigene Leib ganz objektiv geworden ist, als wenn wir an ein fremdes Stück Holz gebunden wären. Dann hat das Sondersein für uns aufgehört. Das ist der mystische Tod am Kreuz, die fünfte Stufe.
Die sechste Stufe ist dann erreicht, wenn der Mensch allem gleich geworden ist, was auf der Erde ist, und er alles mit seinem Gefühl umfaßt, die ganze Erde als seinen Leib empfindet. Das ist die Grablegung. Damit ist der Mensch das geworden, was die Geisteswissenschaft das Einssein mit dem Planeten nennt. Er fühlt dann, daß er kein Sonderwesen ist. Der Mensch kann nur auf dieser Erde existieren. Ein paar hundert Meilen weit von ihr müßte er sterben, verdorren, wie die Hand verdorrt, die vom Leibe abgeschnitten ist. Die Erde ist dann der Leib des Menschen. In sie müssen wir begraben werden. Aus diesem Zustand heraus erringt der Mensch das
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Erdenbewußtsein. Dann folgt die siebente Stufe, die Auferstehung: Der Mensch ist ein Auferweckter geworden. Dieser Zustand kann nur von dem verstanden werden, dessen Denken nicht mehr an das physische Instrument des Gehirns gebunden ist.
Die sieben Stufen kann der Mensch durchmachen, wenn er das Johannes-Evangelium vom dreizehnten Kapitel an immer wieder in sich leben läßt: erstens die Fußwaschung, den Pfad des Dienen-Wollens, des Sich-Neigens in All-Demut; zweitens die Geißelung; drittens die Dornenkrönung; viertens die Kreuzigung; fünftens den mystischen Tod am Kreuz; sechstens die Grablegung; siebentens die Auferstehung. Das sind die sieben Stufen des christlichen inneren Mysteriums, das äußerlich dargestellt worden ist auf dem Plan der Weltgeschichte.
Die christlichen Mönche lebten das ganze Leben hindurch immer wieder in diesen Erlebnissen des Johannes-Evangeliums von Kapitel dreizehn ab. Daraus sogen sie ihre Kraft.
I 02 Das religiöse Weltbild des Mittelalters in Dantes «Göttlicher Komödie», Düsseldorf, 11. Februar 1906
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Das religiÖse Weltbild des Mittelalters
in Dantes «GÖttlicher KomÖdie»
Düsseldorf, 11. Februar 1906
Wir wollen heute über eine der größten Schöpfungen der Weltliteratur sprechen, über die «Göttliche Komödie» Dantes. Da müssen wir uns klar sein, daß es notwendig sein wird, wenn wir uns nur ein klein wenig Verständnis für diese Dichtung aneignen wollen, uns in das 13. und 14. Jahrhundert zurückzuversetzen. Goethe läßt seinen Faust sagen:
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.
Wenn einer eine Dichtung aus früherer Zeit deuten will, geschieht es gewöhnlich so, daß er seinen eigenen Geist hineinlegt und das aus der Dichtung herausliest, was aus seinem subjektiven Gefühl kommt.
Bei Dantes «Göttlicher Komödie» sieht man, wie schwer es ist, sich in die Zeit des Mittelalters zu versetzen. Es gibt dazu alle möglichen Auslegungen. So ist da eine deutsche Übersetzung von Carneri. Aus der Vorrede sieht man, er hat ein außerordentliches Wagnis unternommen. Er sagt, die «Göttliche Komödie» würde einem immer verleidet durch die theologische Anschauung, die von den Auslegern hineingebracht werde. Er habe die rein menschliche Anschauung hineingebracht. Carneri ist der Ethiker des Darwinismus. Er hat auf Grundlage des Darwinismus eine Sittenlehre aufgestellt, eine edle Ethik, aber materialistisch, ohne Bewußtsein von den geistigen Kräften in der Welt. Über seine ganze Übersetzung ist eine materialistische Gesinnung ausgegossen. Das ist «der Herren eigner Geist, in dem die Zeiten sich bespiegeln».
Nun wollen wir uns aber wirklich in die damalige Zeit hineinversetzen. Wir müssen einmal alles ganz vergessen, was wir seit unserer Kindheit aufgenommen haben, um uns in jene vergangenen Zeiten zu versetzen. Damals dachten die Menschen darüber ganz anders
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und fühlten ganz anders. Wir haben gelernt, wie die Planeten mit der Sonne ein System bilden, und daß dieses System eines unter vielen ist. In der Schule lernen wir: Die Sonne steht in der Mitte des einen Systems, und um sie herum kreisen die Planeten. Abstrakte Verstandesgesetze beherrschen alles, was da kreist, was da lebt, was da schwebt in dem unendlichen Weltenraume um uns her. Wer so denkt, sieht in diesem weiten Weltenraum nichts anderes als Weltenkörper, die in dem großen, unendlichen leeren Raum kreisen, Weltenkörper und darauf Lebewesen.
Ganz anders war das Bild der Welt für die Menschen, die zur Dante-Zeit lebten. Kein Mensch dachte damals an so etwas wie diese abstrakten Vorstellungen. Da war unsere Erde der Mittelpunkt des ganzen Weltensystems. Sie war aber nicht nur dieser feste Planet, sondern innerhalb der Erde waren Wesenheiten, die zu dem Menschen in Beziehung standen. Es waren dort die Kräfte, die den Menschen zu einem tierähnlichen Wesen machten. Diese waren in der Mitte der Erde. Darin waren die verschiedenen Stufen dessen, was man als Hölle bezeichnete. So wie Dante diese Dinge schildert, so galten sie dem Menschen dazumal als wirklich. Das ist bei Dante nicht Dichtung. Der versteht ihn nicht, der nur einen Moment daran denken kann, daß Dante das als bloßen Aberglauben angesehen hat. Damals hatte man die Vorstellung: Jenseits, auf der andern Seite der Erde, wirkt die Schwerkraft in der entgegengesetzten Richtung. Da stellten sich die mittelalterlichen Menschen die Kräfte vor, die dem Menschen entgegengesetzt waren, die Kräfte, die ihn loslösten von alledem, was geistige Erdenschwere bedeutet. Da war das Läuterungsfeuer, Kamaloka.
Wenn man von da aus in den Sternenraum hinausblickt, so waren da ganz andere Vorstellungen. Der Mond war nicht ein Mineral, sondern der Körper eines Geistwesens, auf dem viele Geistwesen wohnten, ein Weltenkörper. Es lebten darauf Wesen, die ähnliche Entwickelungszustände durchgemacht hatten wie die Menschen. Sie waren aber tiefer hinuntergefallen als die Menschen, nur waren ihre Laster geistiger aufgefaßt als die tierischen Laster der Menschen.
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Den Merkur stellte man sich auch als körperliches Wesen vor, welches einen Geist umfaßte. Wie wir den Menschen aus dem innersten des Seelenwesens ableiten, so dachte sich der mittelalterliche Mensch als Geistwesen die Sonne, den Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn. Der Mensch nahm damals überall Geist wahr. Überall war die Welt für ihn von Geistwesen bevölkert.
In dem Fixsternhimmel lebte der Christus, seit er die Welt verlassen hatte. Jenseits des Fixsternhimmels war das Empyreum, das heißt der zehnte Himmel, welcher die Urgründe alles Daseins umfaßte. Diejenigen Wesenheiten, welche nicht hier auf der Erde in diesem Leibe waren, stellte sich der Mensch vor als wohnend in irgendeinem Gebiet außerhalb der Erde. Einen Krieger, der durch den Tod gegangen war, hätten wir nach der damaligen Vorstellung auf dem Mars zu suchen. Einer, der ein beschauliches Leben geführt hat, wäre auf dem Saturn. Der noch höhergestiegen war, war im Fixsternhimmel zu suchen, wo der Christus nach seinem Tode war. Darüber standen dann noch höhere Wesenheiten.
Aus solcher Vorstellungsweise heraus hat Dante seine «Göttliche Komödie» gedichtet. Die Menschen haben jetzt gar keine Vorstellung davon, daß Leute der damaligen Zeit in allem Materiellen noch etwas Geistiges gesehen haben. Für die damalige Anschauung gibt es kein rein Körperliches und kein rein Geistiges. So ist ein Ineinanderweben des Physischen und Geistigen für alle Gemüter selbstverständlich gewesen. Wenn wir uns in eine solche Anschauung hineinversetzen, dann leben und weben wir in den Gefühlen, aus denen heraus die «Göttliche Komödie» geschrieben ist. Es ist unsinnig, darüber zu streiten, ob Beatrice nur Symbol war oder die Geliebte des Dante. Darin liegt gar kein Widerspruch. Beatrice war eine wirkliche Persönlichkeit, sie war aber auch der Ausdruck alles Geistigen. Beatrice ist gerade vor dem nicht verlernten inneren Sinn die echte Personifikation der Theologia.
Wir wollen nun die geistige Atmosphäre untersuchen, aus der das Gedicht herausgewachsen ist. Es ist der höchste Ausdruck des christlichen Katholizismus im 13., 14. Jahrhundert, der vor der Kirchenspaltung liegt, aus dem heraus solche Geister gewirkt haben
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wie der Kardinal Nikolaus Cusanus, der aus der Scholastik herausgewachsen ist. Dante ist ein Schüler der Scholastik. Er hat die Welt so angesehen wie sein Lehrer Thomas von Aquino.
Was war die Mission des Christentums? Es hatte die Mission, eine andere religiöse Grundanschauung zu begründen als diejenige, welche vorher auf der Erde war. Vorher war ein Gürtel von religiösen Anschauungen über die ganze Welt verbreitet. Nun kam eine andere Grundanschauung.
Wir müssen weit zurückgehen, wenn wir uns in den Grundton des Danteschen Gedichtes versetzen wollen. Etwa zehntausend Jahre vor unserer Zeitrechnung geschah es, daß der weitausgebreitete Kontinent, welcher Atlantis heißt, immer mehr und mehr unterging. In der Zeitschrift «Kosmos» wird die Existenz von Atlantis von dem Naturforscher Arldt naturwissenschaftlich bewiesen. Was wir Sintflut nennen, ist das allmähliche Überfluten dieses Kontinentes. Die Vorfahren der jetzigen europäischen und asiatischen Menschheit lebten auf diesem Kontinent. Eine tiefe Verwandtschaft findet sich bei all diesen Völkern in ihrer Mythologie. Die deutsche Mythologie spricht von jener Atlantis und nennt den atlantischen Kontinent Niflheim, Nebelheim. Was herübergekommen ist nach Deutschland, ist die Weltanschauung, die uns die Gestalt mitgebracht hat, die als Wotan geherrscht hat. Wotan ist derselbe wie Bodha oder Buddha. Veda und Edda haben beispielsweise ebenfalls sprachlich den gleichen Ursprung.
Alle diese Anschauungen, die hier gleichsam als ein älterer Bodensatz vorhanden sind, haben ein Gemeinsames. Ihnen war ursprünglich die Reinkarnation ganz selbstverständlich. Der Buddhismus fand dann allerdings seine Verbreitung bei mongolischen Völkern, nicht bei arischen Völkern. In die Anschauungsweise der arischen Völker schob sich das semitische Element hinein, das von Reinkarnation nichts weiß. Der erhabenste Ausdruck dieser Religionsform, die nur mit einer Inkarnation rechnet, ist das Christentum. Es hat sein charakteristisches Merkmal darin, daß es nur mit einer Verkörperung rechnet. Bei der esoterischen christlichen Lehre war das nicht so, doch in der Volksreligion war die Lehre von der
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Reinkarnation nicht enthalten. Das alte Judentum und der Arabismus kannten nicht die Lehre von der Reinkarnation.
Wenn man dies voraussetzt, hat man den Grundton, aus dem das herrliche Gedicht Dantes herausgewachsen ist. Das Gedicht stellt dar eine Vision, ausgehend vom Karfreitag. Der war der Merktag für den Sieg des Lebens über den Tod. Das stellte man sich nicht abstrakt vor. Der Mensch empfand am Karfreitag und an Ostern, daß die Sonne die neue Frühlingskraft empfängt. Sie steigt auf, sie tritt in das Sternbild des Widders oder Lammes. Sie treibt die Pflanzenwelt hervor. Die Sonne betrachtete man als den Ausdruck eines Geisteswesens. Man stellte sich eine Beziehung der geistig-seelischen Kräfte zum Geist des Sonnenkörpers vor. So empfand man die Nacht des Karfreitags als die geeignetste Zeit, in welcher die Seele sich in das versetzen kann, was jenseits des Todes liegt.
Eine Vision ist das Dantesche Gedicht, eine Vision in dem Sinne, wie sie der Eingeweihte erlebt, eine Wirklichkeit in der geistigen Welt. Dante kann wirklich das Geistige wahrnehmen. Er nimmt mit geistigen Sinnen das, was in der geistigen Welt ist, wahr. Er stellt sich das als ein christkatholischer Eingeweihter vor. Bei der Vision bringt er mit, was sich in seinen Organismus von der katholischen Welt hineingelebt hat, aber er sieht es geistig. Jederzeit sieht der Mensch das Geistige durch die Brille seiner Erfahrungen. Wie der Aufenthalt des Kindes im Leibe der Mutter sich zu dem physischen Plan verhält, so verhält sich der Aufenthalt in der geistigen Welt zu dem, was wir hier auf der Erde geistig erleben. Hier in unserem Erdenleben reifen wir gleichsam wie im Mutterleibe aus, um nachher geistig zu erstehen. Die Sinne, die wir für das Geistige ausgebildet haben, hängen von dem Leben auf dieser Erde ab. Hier reifen wir aus für das Jenseits, hier bereiten wir uns die geistigen Augen und Ohren für das Jenseits. Daher hatte Dante seine geistigen Organe in der Weise ausgebildet, wie es die christkatholische Welt hervorgebracht hatte.
Wenn wir in das andere Dasein hinüberkommen, dann können wir dasjenige wahrnehmen, was jetzt in uns ist. Das wird uns dann äußerlich sichtbar. Von Leidenschaften, Instinkten, Trieben sagen
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wir, sie gehören uns. Wenn wir in die geistigen Welten eingetreten sind, dann werden die Inhalte unseres seelischen Organismus etwas, was außer uns vorhanden ist, so wie im physischen Dasein die äußeren Gegenstände wahrzunehmen sind. Was in unserer Seele lebt, wird uns symbolisch sichtbar.
Dante nennt drei Symbole, die drei Haupteigenschaften seines Triebkörpers, seines Astralleibes, seiner niederen Seele darstellen: einen Panther, einen Löwen, eine Wölfin. Seine Hauptleidenschaften treten ihm also in Gestalt von drei Tieren entgegen. Das ist aber nicht ein bloßes Sinnbild. Wenn der Mensch den Astralplan betritt, dann kommen ihm eben wirklich die niederen Leidenschaften in der Form ,von Tieren entgegen. Die Wölfin bedeutet die eine Leidenschaft. Es ist dieselbe Wölfin, die einstmals Romulus und Remus gesäugt hat. Das ist die Leidenschaft, die dazumal, als das römische Volk gegründet wurde, von den Menschen angenommen worden ist, die Leidenschaft, die in allem lebt, was sich auf den Besitz richtet, die Habsucht und andererseits das Recht auf persönlichen Besitz. Diese Leidenschaft ist damals den Menschen eingeimpft worden, als die Wölfin Romulus und Remus gesäugt hat, vorher eignete sich der Mensch die Eigenschaft der Tapferkeit an, die im Löwen zum Ausdruck kommt und die zur Herrschsucht werden kann. Noch weiter zurück liegt das, wie sich aus der Priesterherrschaft die größere Schlauheit herausbildet: der Panther, die Odysseus-Eigenschaft. Als Virgil dem Dante entgegentritt, sagt er: Befreien kann ich dich nicht von den drei Tieren, am wenigsten aber von der Wölfin. Das sagt er, weil Dante aus dem herausgewachsen ist, was von den alten römischen Leidenschaften in Italien geblieben ist. Den Virgil, der in der Äneïde ein Bild der Einweihung gegeben hat, mußte Dante zum Führer nehmen. Von Virgil lernten die Menschen damals am meisten darüber, wie es im Jenseits aussieht. In drei Stufen bauten sie sich damals das Jenseits auf: aus Hölle, Fegefeuer und Himmel.
Es gibt nur zwei konsequente Weltanschauungen. Die eine ist die des Augustinus, die andere ist die von Reinkarnation und Karma. Augustinus sagt: Auf dieser Erde ist ein Teil der Menschen
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zum Guten und ein Teil zum Bösen bestimmt. Die andere Anschauung ist die, wonach wir uns durch viele Verkörperungen hindurch entwickeln. Nur diese zwei Weltanschauungen sind möglich. Dante steht auf dem Boden der Augustinischen Weltanschauung. Da bereitet sich der Mensch in diesem Erdenleben zu einem Schicksal für die Ewigkeit vor. Daher schließt sich an dieses Erdenleben unmittelbar Hölle, Fegefeuer oder Himmel an. Man betrachtet das eine Erdenleben hier als maßgebend. Man sieht nur auf die Persönlichkeit des Menschen.
Geht man über die Persönlichkeit hinaus, so geht man über Geburt und Tod hinaus. Über die Persönlichkeit hinausgehend ist das, was bei der Geburt hereinkommt und beim Tode wieder herausgeht. Das ist die Individualität. Was der Mensch als Individualität verschuldet hat, muß in einem nächsten Leben ausgeglichen werden. Streicht man Reinkarnation und Karma, so muß alles in einem Leben ausgeglichen werden. Wenn man für alles, was die Persönlichkeit angeht, die Vergeltung sucht, so schafft man für das Persönliche das Gegenbild, das ist die Hölle. Die Hölle ist nichts anderes als das völlige Verstricktsein in das Persönliche. Das Gegenbild des Persönlichen im Diesseits, das ist die Hölle im Jenseits. Das Persönliche darf nicht so verstrickt sein in das Diesseits, daß es das Dasein verschönt. Das Christentum hat in die Welt die Auffassung hineingebracht, daß alles davon abhängt, wie sich dies eine Leben zwischen Geburt und Tod abspielt. Darum mußte es das Irdische zu einem Jammertal machen. Es mußte darauf hinweisen, daß man das Irdische abzustreifen hat. Die heidnische Kunst ist dagegen das, was uns in das persönliche Element verstrickt. Die alten Künstler versuchten, dieses Irdische schön zu gestalten. Wer nur das Persönliche sieht, sagt: Dieses Persönliche muß alles Schöne abstreifen. Er muß gerade die Erde weniger schön machen, die Persönlichkeit von dem Diesseits losreißen. Darum war es konsequent, daß Homer und alle Dichter des Altertums dem Dante in der Hölle erschienen.
Wahr ist seine Schilderung der Geizigen und Verschwender auf dem astralen Plan. Dort kommen dem Menschen die eigenen Leidenschaften als Spiegelbilder entgegen. Der Geizige sieht auf dem
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astralen Plan das, was er mit dem Geiz anrichtet, als Verschwender. Der Verschwender sieht seine Eigenschaften in dem Gegenbild des Geizigen.
In der Stadt Dis ist Epikur, der Vertreter der Weltanschauung, die auf den Ausbau des Diesseits geht. Die Stadt Dis soll den Repräsentanten des physisch Wirklichen ausdrücken. Da sind die Menschen in Särgen. Die Materialisten sind lebendige Tote. Sie sagen, der Mensch sei ei
bloßer Leichnam. Nun müssen sie als tote Seelen in Särgen liegen.
Aus der Hölle wird Dante in das Fegefeuer geführt. Fürsten, die ihr eigenes Seelenheil gegenüber dem Staatswohl versäumt haben, müssen auch im Fegefeuer gereinigt werden. Die christlich-katholische Weltanschauung geht auf Ausbildung des Persönlichen aus. Daher müssen die Fürsten, die das versäumt haben, im Fegefeuer schmachten.
Als nächstes Gebiet zwischen Fegefeuer und Himmel kommt Dante in den Garten Eden. Dort werden wir in die Anschauungsweise eingeführt, die die eigentlich christliche ist: wie der Ursprung der Kirche im Geistigen ruht. Wer im Sinne des Mittelalters verstehen will, wie die Kirche sein soll, muß sich hinauforganisieren dahin, ihr Urbild im Jenseits zu sehen. Das führt Dante im Hinblick auf die Weltanschauung des Dionysius Areopagita von den himmlischen Hierarchien aus. Eine Stufenfolge gibt es da, die Dionysius bezeichnet: Engel, Erzengel, Urkräfte, Gewalten, Mächte, Herrschaften, Throne, Cherubim, Seraphim. Die Stufenfolge der weltlichen Hierarchie der Kirche sollte ein Abbild dieser himmlischen Hierarchien sein. Das stellt Dante im Garten Eden dar, wo uns die Hierarchien symbolisch entgegentreten.
Dann übernimmt Beatrice die Führung. In der Seele unterscheiden wir ein weibliches Element, das innere Seelenwesen, und ein männliches Element, das Geistige im Universum, das die Seele befruchtet. Die weibliche Seele zieht uns hinan. Die mittelalterlichen Alchimisten nannten das Weibliche im Menschen das «Lilium». Darum spricht auch Goethe in seinem Märchen von der «schönen Lilie». Beatrice ist wirklich im Sinne der Danteschen Denkweise so
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dargestellt, daß er in ihr das Gebäude der scholastischen Theologie zum Ausdruck bringen kann.
Ihr, Beatrice, werden zuerst die Wesen des Mondes entgegengeführt, die ihr geistliches Gelübde gebrochen haben. Sie hatten das Gelübde, nur dem Geistigen zu dienen, gebrochen und waren wieder der Sinnlichkeit verfallen. Merkur war noch für die alte griechische Theosophie dasjenige Wesen, das mitgewirkt hat, als der alte Atlantier sich zu dem Begriff des Ich aufgeschwungen hat. Die ersten Atlantier hatten noch nicht das Ich-Bewußtsein. Die Wesenheit, in deren Zeichen das Persönliche steht, ist der Gott Merkur, Hermes. Der Mensch kommt zum Persönlichen, indem er zur Ichheit, zum Egoismus herunterfällt. Das hat uns zugleich zu den Menschen gemacht, die nach dem Besitz streben. Daher ist der Merkur auch der Gott der Kaufleute.
Auf dem Jupiter findet Dante die Fürsten, die Gerechtigkeit geübt haben. Auf der Sonne geht etwas sehr Wichtiges vor. Auf der Sonne wird Dante der eigentliche Charakter des Ewigen gezeigt; wie es aufzufassen ist, wenn man einen Tag erlebt, den man den Jüngsten Tag nennt. Der Jüngste Tag verändert die Verhältnisse. Da treten uns zwei Menschen entgegen: Thomas von Aquino und der König Salomo. Thomas von Aquino stellt das Leben im Sinne des Christentums, des Neuen Testamentes dar, und König Salomo ist der Lehrer des Alten Testamentes.
In dem Priestertum sah der Christ den körperlichen Ausdruck dessen, was ihm der Christus in der geistigen Entwickelung war. Nach dem Erdenleben ist der Christus entrückt und hält seinen Triumphzug in den Fixsternhimmel. Wer hier seinen geistigen Embryo so zubereitet hat, daß er geistig schauen kann, vermag Christus in dem Fixsternhimmel zu sehen. Der tiefsteingeweihte Jünger, Johannes, tritt als der Lehrer dieser Anschauung auf. Nur Christus und Maria konnten ihren Leib in den Fixsternhimmel mit hinaufnehmen. Eine Meisterindividualität hat auch den Körper ganz in der Hand. So wie der heutige Kulturmensch lernt, mit seinen sittlichen Ideen über die Leidenschaften Herr zu sein, so wahr lernt der Mensch auf höherer Stufe den physischen Leib beherrschen. Jesus
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und Maria hatten den physischen Leib so geheiligt, daß sie ihn in die höchsten Regionen mitnehmen konnten.
Dann übernimmt der heilige Bernhard die Führung in die höheren Gebiete, wo er die Gottesanschauung, die Versenkung in das göttliche Selbst erhält. Da wächst Dante über das Kirchlich-Christliche hinaus. Er sieht die drei Kreise, die dreifache Urwesenheit der Welt, Vater, Sohn und Geist. Die indische Religion nennt sie Brahma, Vishnu, Shiva. Hier stellt sich die Dreifaltigkeit des Universums dar, wo Dante sich zur rein geistigen Anschauung, zur Kontemplation aufschwingt.
Am Schluß wird dargestellt, wie wir in Gott leben, weben und sind, aber uns nicht vermessen können, Gott zu verstehen. Nur das ahnende Gewißwerden der menschlichen Erkenntnis von Gott wird am Ende dargestellt. Für Dante war sein Gedicht das Schauspiel der Welt, von der andern Seite gesehen.
I 03 Das Johannes-Evangelium als Einweihungsurkunde, 1. Vortrag Köln, 12. Februar 1906
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Das Johannes-Evangelium als Einweihungsurkunde
Erster Vortrag, Köln, 12. Februar 1906
Die ersten zwölf Kapitel des Johannes-Evangeliums
Die gegenwärtige Theologie unterscheidet streng zwischen den drei ersten Evangelien und dem Johannes-Evangelium. Die drei ersten werden die synoptischen Evangelien genannt. Dagegen wird das letzte häufig als Lehrgedicht hingestellt, welches einen historischen Wert nicht habe. Das Entscheidende ist aber, daß wir es bei allem, was sich in den Evangelien auf den Christus bezieht, mit einem tiefen Symbol zu tun haben, und daß das Symbol zugleich eine historisch wichtige Tatsache ist. Es unterscheiden sich die drei ersten Evangelien vom Johannes-Evangelium in Wirklichkeit dadurch, daß sie von weniger tief eingeweihten Jüngern herrühren, das Johannes-Evangelium jedoch von dem am tiefsten eingeweihten Schüler.
Der Name des Johannes ist im Johannes-Evangelium unmittelbar gar nicht erwähnt, sondern er wird bezeichnet als der Jünger, den der Herr lieb hatte. Diese Bezeichnung ist ein Schlüsselwort für den am tiefsten Eingeweihten. Daß bestimmte Jünger die intimsten Eingeweihten sind, bezeichnete man damit, daß man sagte, der Meister habe sie lieb.
Der Jünger, der das Johannes-Evangelium niederschrieb, schildert zunächst ein eigenes Erlebnis. Kapitel eins bis zwölf sind Erlebnisse in der astralen Welt, Kapitel dreizehn und die folgenden schildern Ereignisse auf dem Devachanplan. Das ist sehr bedeutsam und bezeichnend für die Sache. Johannes schildert die Erlebnisse auf dem astralen Plan, weil er der Anschauung ist, daß man das, was Christus Jesus hier auf der Erde vollbracht hat, nur verstehen kann, wenn man es im Lichte des Geistigen betrachtet. Was der Meister getan, gesagt hat, kann man nur begreifen, wenn man sich in einen höheren Zustand versetzt. Durch eine innere Entwickelung kann der Mensch dazu kommen, in der astralen Welt wirklich zu sehen. Das erreicht man durch ganz bestimmte Arten von Meditationen.
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Der Mensch muß sich abschließen gegen die Außenwelt. Dann muß er in der Seele ewige Wahrheiten aufgehen lassen. Eine neue Welt geht dann rings um ihn auf.
Was der Christus Jesus auf der Erde tat, konnte nur in der richtigen Weise beurteilt werden, wenn man sich in eine höhere Welt versetzte. Was man physisch mit Jesus erlebt hatte, wurde erst durchschaubar, wenn man es astral wahrnahm. Wollte man erleben, was der Christus Jesus getan hatte, so mußte man durch das geeignete christliche Meditieren sich in einen solchen Zustand versetzen, durch den man zum Seelenverständnis des Christus kam.
Das spricht Johannes in seinem Evangelium zuerst in der Einleitung aus. Es ist ein meditatives Gebet, vom Anfang bis zu dem Satze «die Finsternisse begriffen nicht das Licht». Wenn die Seele erlebt, was in diesen Sätzen liegt, dann werden die Kräfte erweckt, um den Inhalt von Kapitel eins bis zwölf zu verstehen. «Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und ein Gott war das Wort» Diese alte Wahrheit wurde in allen alten Mysterien, besonders in denen mit ägyptischer Färbung, anschaulich dargestellt.
Die Worte durchtönen den Luftraum, wir würden sonst die Worte nicht hören. Im Luftraum sind die Gestalten der Worte, die wir aussprechen. Wenn die Luft, während ich spreche, plötzlich zum Erstarren gebracht werden könnte, so würden die in der Luft schwirrenden Wellen als feste, starre Körper herunterfallen. Der Mysterienlehrer machte dem Schüler klar: So wie der Mensch spricht und sein Inneres losringt in die Luft, so sprach auch die Weltenseele in eine viel feinere Materie hinein, in die Akasha-Materie, und diese wurde darauf fest. Alles um uns herum ist verdichtetes Gotteswort. So, sagte der Mysterienlehrer, ist die Welt ringsherum ein gefrorenes Gotteswort, ein gefrorener Logos. «Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott.» Es war noch in seinem Inneren, es war selbst ein Gott. Dann erfüllte es den Raum und erstarrte. Dieser Logos ist jetzt überall enthalten. Überall um uns her haben wir die Kristalle des Logos. Aber indem das Leben entsteht, steht der Logos aus dem Schlummerzustand gleichsam auf. Im Menschen wird er zum Lichte der Erkenntnis. Wenn wir erkennen, tritt uns
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Gott, der zuerst heruntergestiegen ist in die Welt, aus dieser Welt entgegen. Sich ganz hineinleben muß man, um so tief in die Welt hineinzudringen, daß man gewahr wird: Der Logos lebt in der Welt.
Das, was ursprünglich geschah, war die Heranbildung des physischen Menschen. In diesen physischen Menschen kam der geistige Mensch hinein. Da schien das Licht in die Finsternis. Aber die Finsternisse begriffen es zunächst nicht. Dann kommt bei seiner Fortentwickelung dem Menschen der Inhalt der astralen Wahrvision. Da wird ihm klar, was der Christus Jesus war, und was seine Lehre bedeutete: daß die Zeit damals reif war, einen umgekehrten Adam hervorzubringen. Heruntergestiegen war der Mensch in den Körper, und dadurch kam Geburt und Tod. Das Licht drang dann in die Finsternis.
Nun sollte der Mensch wieder hinaufgeführt werden zu dem Verständnis dessen, daß das Leben der Sieger über den Tod ist. Es erschien der Vorläufer, der Täufer Johannes. Der Täufer verkündet, daß das Alte, das noch ganz im Zeichen dessen steht, was die göttlichen Mächte einst hervorgebracht haben, nun durch ein neues Reich abgelöst werden wird. Bisher hieß es: Der Gott wird euch vernichten, wenn ihr gegen sein Gesetz handelt. Das neue Reich ist aber dasjenige, was der Mensch in sich selber erleben kann, wenn er den Gott erlebt. Die Vorstellung des Alten Bundes ist: Wir haben uns unter Gottes Gebot zu fügen. Der Neue Bund sagt: Der Mensch soll dem Gott im Inneren freiwillig folgen. Das ist die Liebe zum Guten. Sie wird prophetisch vorherverkündet, sie muß zunehmen. Christus, der Repräsentant des Neuen, muß zunehmen, Johannes, der nur sein Vorläufer ist, muß abnehmen.
Zwei große Momente berühren sich hier. Das erscheint in der Vision des Johannes. Da erscheint alles in bildlichem Zustand. Zugleich erscheint aber auch der wirkliche Täufer, seine geschichtliche Mission vor dem geistigen Auge des Johannes. Die ganze Mission des Christentums erscheint ihm nun. Dies schildert er im ersten Kapitel.
Sehen wir zurück in uralte Zeiten, in jene Zeiten, die mindestens zweitausend Jahre vor Christus liegen. Da gab es die Weisen, die so
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weit gekommen waren, daß sie in die Mysterien eingeweiht wurden. Ein gewisses Symbol war dabei die Opferung des Wassers. Der Weisheitspriester benutzte das Wasser als Symbol. Ein Gesetz ist, daß der Mensch sich von der höheren geistigen Welt durch den Alkohol abschließt. Wenn der Mensch sich in die geistigen Welten hinaufleben will, darf er keinen Wein trinken, auch keinen Opferwein.
Durch die Hochzeit zu Kana wird die Mission des Christentums charakterisiert. Die alten Priesterweisen besaßen die erhabensten Geisteslehren, die aus der tiefsten Erkenntnis gegeben worden waren. Aber die alte heidnische Kultur hatte eines nicht: die Eroberung der physischen Welt. Die Werkzeuge waren noch äußerst primitiv, die ganze äußere Kultur war primitiv. Die Menschen hatten noch nicht den Zusammenhang mit dem, was unmittelbar hier unten auf der Erde zu geschehen hatte. Damit nun der Mensch die Erde beherrschen lernte, mußte er auf das Physische beschränkt werden. Stark sollte er werden und den niederen Menschen heiligen.
Vorbereitet wird diese Kultur durch große Lehrer, welche auf die Bedeutung des physischen Plans hinweisen. Groß ist die ägyptische Kunst in ihrer geistigen Auffassung, aber nicht als Gestaltung auf dem physischen Plan. Die ganze griechische Kunst ist ein Herunterholen des Menschen auf den physischen Plan. Das römische Recht ist ebenfalls etwas, was den Menschen auf den physischen Plan herunterführt. Mit alldem steht der Dionysos-Dienst in Zusammenhang. Der Repräsentant des Weines wird sogar als Gott dargestellt. In einer erhabenen Form ist die Einführung des Weines in die Menschheitsentwickelung dargestellt in der Erzählung von der Hochzeit zu Kana in Galiläa. Es handelt sich in Wahrheit darum, zu zeigen, daß das Wasser höhersteht als der Wein. Weil der Mensch heruntergeführt werden sollte auf den physischen Plan, deshalb wurde das Wasser in Wein verwandelt.
Heute sind wir mit allen unseren Einrichtungen auf den physischen Plan heruntergekommen. Wenn nicht neben der Kultur auf dem physischen Plan eine moralische Kultur einhergeht, so wirken
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die physischen Errungenschaften zerstörend. Durch Entwickelung der Moralität wird der Mensch ganz andere Kräfte erzeugen können als diejenigen, die jetzt auf dem physischen Plan vorhanden sind. Keely setzte seinen Motor in Bewegung durch Schwingungen, die er im eigenen Organismus erregte. Solche Schwingungen hängen von der moralischen Natur des Menschen ab. Das ist ein erster Morgenstrahl für dasjenige, was als Technik der Zukunft herauskommen wird. In Zukunft werden wir Maschinen haben, die nur dann in Bewegung geraten, wenn die Kräfte von Menschen kommen, die moralisch sind. Die unmoralischen Menschen können solche Maschinen dann nicht in Bewegung setzen. Rein mechanischer Mechanismus muß verwandelt werden in moralischen Mechanismus.
Die geisteswissenschaftliche Weltanschauung bereitet dieses Hinaufsteigen vor. Das Christentum mußte die Menschen zunächst herabführen. Jetzt muß das Christentum die Menschheit wieder hinaufführen. Der Wein muß wieder in Wasser verwandelt werden.
Der Blick des Johannes ging über die physische Wirklichkeit hinaus. Das, was der Herr getan hat, seine Mission, erschien dem Jünger Johannes also in dem Bilde der Hochzeit zu Kana in Galiläa. Solcherart sind die zwölf ersten Kapitel des Johannes-Evangeliums aufzufassen. Es steht nicht da, daß Maria ihn aufforderte, sondern die Mutter Jesu. Wir haben es hier mit einer mystischen Ausdrucksweise zu tun. Unter Mutter versteht man in aller Mystik das, was befruchtet werden muß, wenn der Mensch hinaufsteigt zu einer höheren Stufe. Jesus hatte das ganze bisherige Menschheitsbewußtsein auf eine höhere Stufe zu bringen. Das ganze Menschheitsbewußtsein fordert ihn auf, es eine Stufe weiterzubringen. Daher konnte Jesus sagen: «Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?» Zu seiner Mutter hätte Jesus das nicht gesagt.
Am dritten Tage war eine Hochzeit. Das bedeutet, daß Johannes drei Tage lang im Einweihungsschlaf lag. Da geschah die Vision der Hochzeit zu Kana in Galiläa. Während des dreitägigen Schlafes machte er das durch, was in der geistigen Welt vor sich ging. Am dritten Tage erlebte er die Vision der Hochzeit zu Kana. Alles Folgende sind Ereignisse, die er in der astralen Vision schaut.
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Im dritten Kapitel folgt das Gespräch mit Nikodemus. In der astralen Vision erscheint dem Johannes immer der Herr selbst. Was mit Johannes geschehen soll, das tritt ihm in dem Gespräch mit Nikodemus entgegen. Deutlich spricht sich der Herr aus. Nikodemus versteht ihn zunächst nicht. Es soll dem Johannes selbst klarwerden, es wird ihm in der Vision erklärt, daß es sich um eine Abtötung des niederen Menschen und um ein Aufleben des höheren Menschen handelt. Ihm wird allmählich klar, wer eigentlich der Jesus ist; daß in dem Jesus sich die ursprünglichen Kräfte der Welt ausleben, der Vater der Welt. Daher folgen hier die Reden des Christus über den Vater. Die Gewalt der okkulten Kräfte, die Jesus hat, tritt dem Johannes als astrales Spiegelbild der wirklichen Ereignisse entgegen. Alles ist wirklich geschehen, aber Johannes erlebt es in der astralen Vision. So lernt Johannes durch den Herrn selbst die tiefsten Wahrheiten kennen.
Im vierten Kapitel folgt die Begegnung mit der Samariterin. Der Herr sagt ihr: «Fünf Männer hast du gehabt, und den du nun hast, der ist nicht dein Mann.» Sie soll hinaufgehoben werden zu dem höheren Selbst. Dazu mußte sie durch die niederen Leiber hindurchgehen. Das sind die alten Gatten. Jetzt muß sie mit dem höheren Selbst verbunden werden, das ist der neue Gatte. In der Erzählung von dem Blindgeborenen wird klar, daß es das Karma des Blindgeborenen ist, wodurch er nicht sehend ist.
Astrale Erlebnisse sind die ersten Ereignisse im Johannes-Evangelium. Ist es da nicht natürlich, daß Johannes selbst nicht dabei ist, weil er alles im Bilderbewußtsein erlebt? In den ersten zwölf Kapiteln kommt Johannes nicht vor. Da ist er noch nicht der Jünger, weil er dies alles auf dem Astralplan erlebt.
Nun schläft er den Einweihungsschlaf. Jetzt soll er zu einem höheren Grade heraufbefördert werden. Das geschieht, indem er sich aus den Erlebnissen der drei Tage hinüberlebt in den vierten Tag. Dreieinhalb Tage dauert die Einweihung. Da erscheint ihm die eigene Initiation, die Auferweckung seiner selbst. Das ist die Auferweckung des Lazarus. Lazarus ist der Schreiber des Johannes-Evangeliums. Martha und Maria sind die Bewußtseinszustände seiner
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Seele, die göttliche und die dem Erdenleben zugewandte Seele. Die Schilderung des Lazarus-Wunders ist die Schilderung einer höheren Einweihung. Im zwölften Kapitel wird vorbereitet die eigentliche Erkenntnis der Persönlichkeit des Jesus. Das sagt Johannes selbst: Nun erkenne ich ihn, der mich auferweckt hat.
Mit dem dreizehnten Kapitel beginnt die höhere Entwickelung des Johannes. Jedes Wort des Johannes-Evangeliums wird uns verständlich, wenn wir es als ein Erlebnis des Johannes auffassen. Er wird jetzt bewußt in seinem Ich, ohne Bilderbewußtsein. Nun wird er bewußt der Jünger, den der Herr lieb hatte.
I 04 Das Johannes-Evangelium als Einweihungsurkunde, 2. Vortrag Köln, 13. Februar 1906
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Das Johannes-Evangelium als Einweihungsurkunde
Zweiter Vortrag, Köln, 13. Februar 1906
Der zweite Teil des Johannes-Evangeliums
Die Erlebnisse des Johannes von Kapitel dreizehn an beziehen sich auf den Devachanplan. Das deutet Johannes dadurch an, daß er auferweckt ist: Der auferweckte Lazarus, das ist Johannes. Daher kann man verstehen, daß erst von nun an die Rede von dem Jünger ist, den der Herr lieb hatte. Das ist das Mittelpunktsgeheimnis des Johannes-Evangeliums, daß der Schreiber der auferweckte Lazarus ist.
Johannes macht nun in der geistigen Welt die Erlebnisse mit dem Christus durch. Namentlich der zweite Teil ist nicht bloß eine Erzählung dessen, was sich auf irgendeinem Weltenplane ereignet hat, sondern es wird beschrieben, was jeder in seinem Inneren erleben kann. Die Art und Weise, wie man empfindet, daß man auf der Stufe ist, die Johannes schildert, ist folgende: Der Mensch fühlt sich von einem bestimmten Punkte der Entwickelung an nicht mehr getrennt von allen Dingen. Er taucht unter in den Dingen um ihn her. Das bedeutet das eigene Selbst zum Universum erweitern. Johannes fühlt sich als ein Glied der ganzen ihn umgebenden Welt. Das kommt zum Ausdruck in dem devachanischen Bild von der Fußwaschung. Die erlebt Johannes in der geistigen Welt, wenn die Fußwaschung auch zu gleicher Zeit historisches Ereignis ist.
Immer erhebt sich ein höheres Naturreich auf Kosten eines niedrigeren Reiches. Gäbe es kein Mineralreich, so könnte das Pflanzenreich nicht seine Nahrung daraus nehmen. Das Pflanzenreich wird hinuntergestoßen, damit sich wieder ein höheres Reich, das Tierreich, entwickeln kann und so weiter. Das Menschenreich braucht auch die andern Reiche. Der höher Entwickelte braucht den weniger Entwickelten. Wenn sich nicht eine untergeordnete Kaste bildete, so könnte es keine höhere Kaste geben. So wie das Pflanzenreich das Mineralreich voraussetzt, so setzt der Christus Jesus die
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Apostel voraus. Kein Heiliger könnte sich entwickeln, wenn nicht andere hinuntergestoßen würden. In Kapitel 13, Vers 16 steht: .Der Knecht ist nicht größer denn sein Herr.» Christus ist aus den Aposteln herausgewachsen, daher kann er sie die Herren nennen, aus deren Gemeinschaft er herausgewachsen ist. Er wäscht ihnen die Füße, um anzuzeigen, daß er insofern unter ihnen steht, als er ihnen sein Dasein verdankt. Diese Empfindung muß jeder durchmachen am eigenen Leibe. Wer niemals diese Empfindung durchlebt hat, der hat den christlich-mystischen Weg nicht erkannt.
Weiter sagt Jesus: «Wer mein Brot isset, der tritt mich mit Füßen.» Er fühlt sich als in einer Gemeinschaft mit der ganzen Erde befindlich. Er fühlt die ganze Menschheit als auf ihm lastend, ihn mit Füßen tretend.
Nachdem Johannes dies alles auf dem Devachanplan erlebt hat, kann er verstehen, was jetzt im Gleichnis vom Weinstock und den Reben kommt. Die Gemeinschaft der ganzen christlichen Gemeinde kommt darin zum Ausdruck.
Wir leben in der fünften Wurzelrasse unseres Erdendaseins. Diese fünfte Wurzelrasse hat sieben Unterrassen, die urindische, die urpersische, die ägyptisch-babylonisch-chaldäische, die griechisch-römisch-semitische, die germanische, die slawische und die siebente Unterrasse. Die drei letzten Unterrassen der vierten Wurzelrasse, der atlantischen, sind besonders wichtig. Aus der drittletzten, der ursemitischen Unterrasse, ist die fünfte Wurzelrasse hervorgegangen. In der Gegend, wo heute Irland ist, saß diese fünfte Unterrasse. Sie wanderte von dort aus und ließ sich in die Wüste Gobi oder Schamo führen. Von hier ging die Stammrasse für die jetzige Wurzelrasse, die fünfte, aus. Nun sind drei Unterrassen der Atlantier, sieben Unterrassen der arischen Wurzelrasse und zwei der sechsten Wurzelrasse, die in gewisser Beziehung zusammengehören. Dann, wenn die Menschheit alle diese Rassen durchlaufen hat, dann wird sie soweit gekommen sein, daß ein großer Teil der Menschheit das erlangt hat, wozu sie veranlagt ist.
Die zwölf Apostel sind die Sinnbilder für diese zwölf Unterrassen. Jesus ist aus den zwölf Aposteln herausgewachsen. Jesus neigt
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sich in der Fußwaschung zu den Rassen, denen er das Heil zu bringen hat.
Im Gleichnis vom Weinstock fühlt Christus sich als derjenige, der mit allen Rassen in Verbindung steht; er versorgt sie mit dem, was das geistige Lebensblut ausmacht.
Nun kommen da noch die verschiedensten Bilder in der höheren Welt hinein. Es wird uns der Verrat des Judas von Iskarioth vorgeführt. Er ist der Vertreter einer der Rassen, und zwar der Rasse, welche gerade alles auf den materiellen Plan herabbringt, unserer jetzigen fünften Unterrasse, der materialistischen. Die Entwickelung, derzufolge die Menschen vorher in der geistigen Anschauung gelebt hatten und nun in die physische Welt hineingeführt werden mußten, machte es ganz selbstverständlich, daß der Vertreter dieser fünften Unterrasse gerade der Verräter wurde. Judas von Iskarioth war der Vertreter der Rasse, die am tiefsten herunterkommt. Das Johannes-Evangelium erlangt dadurch, daß es symbolisch aufzufassen ist, die Möglichkeit, über Raum und Zeit hinaus seinen Wert zu behalten. Die Tat des Judas gliedert sich ganz organisch in die Mission Christi ein. Judas geht durch eine Art Märtyrertum. Er ist der Verräter und auch in gewissem Sinne Märtyrer. Er führt die Opferung Christi herbei.
Durch die Reihe von Gleichnissen sollen die Apostel hinaufgeführt werden in die innere Natur des Christentums. Bei dem Opfertode Christi trat alles auf den Weltenplan, auf den Plan der Geschichte, was früher sich im Mysterienkultus selbst abgespielt hatte, indem der Schüler es so durchlebte, wie hier im Evangelium Lazarus es durchlebte als den dreitägigen sinnbildlichen Tod. In Christus sollte das auf den großen Plan der Geschichte heraustreten. Ein Mensch sollte von nun an auch dadurch erlöst werden, wenn er nur glaubte, ohne selbst in den Mysterien geschaut zu haben. Jeder sollte das erleben, wenn der Geist der Wahrheit kam. Er verkündet, was durch die christlichen Ereignisse als eine Kraft in die Weltgeschichte gelegt wird. «Was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.»
Aus diesem Geiste der Wahrheit verkündet Johannes voraus. Der
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geschichtliche Verrat Christi spielt sich in der Zukunft ab in der Rasse, die dem Judas entspricht.
Nun folgen die Ereignisse, die vorbildlich sind für das eigene innere Erlebnis des christlichen Mystikers. Christus erhält den Backenstreich. Das ist das zweite wichtige Ereignis nach der Fußwaschung. Das muß jeder empfangen, der in seiner Seele das Christus-Leben durchmachen will. Man muß es mit völliger Seelenruhe ertragen, von denen, vor denen man sein Bestes vertritt, nicht Anerkennung zu finden. Als zweites folgt auch noch die Geißelung. Dies heißt moralisch-seelisch, daß wir die Schmerzen, die uns von der Welt kommen, in Ruhe ertragen. Das ist, mit dem Backenstreich zusammen, die zweite Stufe, die der christliche Mystiker durchzumachen hat.
Dies machen seit jener Zeit wirklich die Schüler der christlichen Mystik durch. Daß man fähig ist, in dieser Ruhe die Schmerzen zu ertragen, das drückt sich am eigenen Leibe des Schülers aus. Er bekommt tatsächlich eine Empfindung, als ob er mit Nadeln gestochen würde.
Das nächste, die dritte Stufe, ist das Tragen der Dornenkrone. Das ist: Erniedrigung ruhig hinzunehmen. Das, was niedergedrückt wird, ist gerade das menschliche Ich. Das Vorderhirn, welches in der letzten Zeit der Atlantis ausgebildet wurde, das empfindet die Dornenkrone. Es treten wirklich schmerzhafte Erscheinungen dieses mystisch-seelischen Zustandes auf, die man überwinden muß.
Dann kommt als vierte Stufe die Kreuzigung. Dies ist das mystische Erlebnis, welches bedeutet, daß einem der eigene Leib so fremd geworden ist wie etwas Äußerliches. Der Mensch trägt dann die Last des Kreuzes. Seine Seele ist nun selbständig geworden. Sie ist dann nur noch so an den Leib gefesselt, wie der Leib Christi an das Kreuz genagelt war. Es ist dies ein Vorgang im Inneren, den der Mystiker empfindet. Der Mensch weiß jetzt tatsächlich, daß er in einem geistigen Leibe lebt. Die Begleiterscheinung dieses Vorganges ist die Blutsprobe. Dann treten wirklich an den Händen und Füßen die Wundmale Christi auf, wenn der christliche Mystiker das durch-
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gemacht hat. Für alles, was geistig ist, gibt es eine physische Begleiterscheinung.
Wenn der Mensch soweit ist, dann tritt der Tod am Kreuz ein. Das ist ein geistiges Erlebnis. Es wird ausgedrückt in dem Ausspruch Goethes:
Und solang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und Werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.
Und Jakob Böhme sagt: «Wer nicht stirbt, bevor er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt.» Der christliche Mystiker muß den Tod ganz und gar durchmachen. Anders kann er nicht in ein höheres Leben eingehen.
Dann tritt als sechstes Ereignis die Grablegung ein. Das ist die mystische Verwirklichung der Gemeinschaft mit dem Erdenorganismus. Der Schüler vereinigt sich dann mit dem Erdplaneten, er wird ein planetarischer Geist. Alles um ihn her ist dann für ihn sein Körper.
Die siebente Stufe ist das höhere Leben, die Auferstehung, die dem Menschen zuteil wird.
Das sind die sieben Stufen der christlich-mystischen Entwickelung: die Fußwaschung, der Backenstreich und die Geißelung, die Dornenkrönung, die Kreuzigung, der Tod, die Grablegung und die Auferstehung. Es ist ein innerer Weg mit äußeren Symbolen.
Johannes stellt das alles in einer solchen Weise dar, daß er tatsächlich ein mystisches Grundbuch gegeben hat. Die Sätze müssen, indem sie gelesen werden, als Meditationsstoff verwendet werden. Dann hat der Mensch die Meditation, welche notwendig ist, um diese Ereignisse durchzumachen. Es ist das Johannes-Evangelium ein Wunderbuch, indem es in der Seele Wunder wirkt. Es ist geschrieben für alle Menschen, und alle können das Johannes-Evangelium in sich erleben.
Wir betrachten von diesem Gesichtspunkte aus nochmals das zweite Kapitel. Der Mensch vor der Fußwaschung ist derjenige, der
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den neuen Menschen gebären soll. Durch die sieben Stufen ist der Mensch dann hindurchgegangen. Er wird nun der neue Mensch. Der neue Mensch verhält sich zu dem alten Menschen, wie das Kind zu der Mutter. Der alte Mensch hat ihn empfangen, der alte Mensch hat ihn getragen. So haben wir das Bild von der Mutter Jesu zu verstehen. Jeder alte Mensch ist dazu veranlagt, ein neuer Mensch zu werden.
Verschiedene Typen haben die alten Menschen. Wenn der neue Mensch in ihnen geboren wird, so werden alle den gleichen Christus aus sich heraus gebären. Der alte Mensch, die Mutter, kann in verschiedener Weise da sein. Als Christus am Kreuze ist, blickt er zurück auf seine Mutter, und zwar auf die drei Frauen als seine Mutter, als Repräsentanten dreier verschiedener Menschengestaltungen, aus denen der Mystiker herauswachsen kann. Nicht mit einem Eigennamen kann man die Mutter Jesu nennen. Dennoch nennt man sie Maria. Maria ist dasselbe Wort wie Maja, die Hülle, aus der der neue Mensch hervorgegangen ist.
Bei der Herabnahme vom Kreuz sollte dem Christus kein Bein gebrochen werden. Das hängt mit unserer ganzen Kulturentwickelung zusammen. In der Atlantis besaß der Mensch noch die Fähigkeit, auf die ätherischen Bildekräfte einzuwirken. So konnte er die Keimkraft der Körnerfrüchte benutzen, um Luftschiffe in Bewegung zu bringen. Die Aufgabe der zwölf Unterrassen, von der fünften atlantischen Unterrasse an, ist es, die Kräfte und Fähigkeiten zu entwickeln, die sich auf das mineralische Reich beziehen, die kombinatorischen Fähigkeiten. Die zwölf Rassen haben die Erde so weit zu bringen, daß das mineralische Reich im wesentlichen erobert wird. Die Zeit, für die das Christentum im Mittelpunkt steht, ist die Zeit, in welcher der Mensch das mineralische Reich umwandelt. Der Mensch wird sich den Erdmagnetismus dienstbar machen, wenn er einmal durch seine moralischen Kräfte auf die Erde wirkt. Für alles übrige ist der Mensch noch mehr oder weniger unbewußt.
Das Johannes-Evangelium ist eine der Schriften, die das Unendliche wie einen Quell in sich tragen.
I 05 Das Johannes-Evangelium, Heidelberg, 3. Februar 1907
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Das Johannes-Evangelium
Heidelberg, 3. Februar 1907
Fragenbeantwortung
Was ist der Kausalkörper?
Beim Tode des Menschen von heute trennen sich der Ätherleib mit dem Astralleib und dem Ich von dem physischen Leib. Eine Zeitlang
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lang bleibt der Ätherleib noch bei den höheren Prinzipien, und während dieser ersten Zeit nach dem Verlassen des physischen Leibes tritt vor die Seele des Menschen sein ganzes letztes Leben wie in einem großen Tableau. Das rührt davon her, daß der Ätherleib nicht nur der Träger der Lebensfunktionen ist, sondern auch der Träger des Gedächtnisses. Während des Lebens ist er aber durch das physische Gehirn eingeengt, er kann seine Funktion nicht entfalten. Sobald aber die physischen Schranken fallen, so liegt das ganze Gedächtnis wie ausgebreitet vor der Seele des Menschen. Dies dauert so lange, bis der Ätherleib sich nach einigen Tagen auch von dem Astralleib und dem Ich loslöst. Es löst sich aber nur das Ätherisch-Materielle, während dieses Erinnerungsbild von dem Menschen mitgenommen wird. Diese Essenz des Ätherleibes behält der Mensch, und die Summe dieser Essenzen aus allen Erdenleben ist der Kausalkörper.
Wie ist die Feier des Abendmahls im Johannes-Evangelium zu verstehen, besonders die Reichung des Brotes an Judas, den Verräter?
Ein ganz bestimmter Vorgang bei der alten Einweihung besteht darin, daß der Schüler in den Tempel gebracht wird und in einem «dreitägigen Tode», wobei also auch sein Ätherleib gelockert wird, durch astrale und devachanische Erlebnisse hindurchgeführt wird. Eines dieser Erlebnisse war, daß jeder Teil des Körpers in eine menschliche Gestalt verwandelt wurde. Zwölf Glieder zählte man, und zwölf Gestalten sah der Schüler, und sich als den Dreizehnten, die Seele der Zwölf.
Die Sinnlichkeit hat den Egoismus gebracht, der überwunden werden muß. Das wurde besonders dem mittelalterlichen Schüler gelehrt. Das Folgende hätte etwa ein Lehrer damals zu seinen Schülern sprechen können: Sieh dir die Pflanze an, sie hält die Fruchtorgane keusch nach oben der Sonne entgegen. Eine Frucht kann nur entstehen, wenn die Blüte von der Sonne geküßt wird. Der Mensch ist eine umgekehrte Pflanze. Das Tier steht mitten zwischen beiden. Die Weltenseele geht durch die Pflanze, das Tier, den Menschen. Die Weltenseele ist gekreuzigt am Kreuze der Erde. Der Mensch
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hat seine Substanz durchwirkt von Begierden. Sein Fleisch steht tiefer als das Fleisch der Pflanze. Später wird der Mensch wieder begierdelos werden und sich keusch den geistigen Sonnenstrahlen entgegenbringt n. Es entsteht das, was man den Heiligen Gral nennt, das geistige Hervorbringen.
Beim Abendmahl im Johannes-Evangelium erscheint die niedere Selbstsucht als Judas, der Verräter. Der Jünger, den der Herr lieb hatte, liegt an seiner Brust. Die geläuterte Kraft dringt herauf zum Herzen, das in der Zukunft geistiges Hervorbringungsorgan werden wird. Das zeigt sich schon heute im anatomischen Bau des Herzens. Das Herz gehört zu den unwillkürlichen Muskeln und sollte als solcher glatte Fasern zeigen. Aber das tut es nicht, sondern ist quergestreift wie die willkürlichen Muskeln. Dadurch weist es schon jetzt auf die Zeit hin, wo es ein willkürlicher Muskel werden wird.
Beim Erwachen nach der Einweihung entrangen sich dem Schüler die Worte: «Eli, Eli, lama sabachthani!», das heißt: «Mein Gott, mein Gott, wie hast du mich verklärt!» Dieser Wortlaut läßt sich im Urtext leicht in die andere Version umstellen, die bedeutet: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.»
Das Haus, wo das Abendmahl stattfand, war eines der Einweihungshäuser.
Was bedeutet die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana?
Nach der Erklärung der heutigen Theologen bedeutet es die Umwandlung des Alten Testamentes in das Neue, das den sprudelnden Wein bedeuten soll.
Hier im Norden war Siegfried der vorchristliche Eingeweihte, der vor der christlichen Einweihung stehenblieb. Das ist angedeutet durch die verwundbare Stelle Siegfrieds. Siegfried, der Unverwundbare, war an der Stelle verwundbar, wo Christus das Kreuz trug.
Einer wird kommen, der den Sinn der Erde bedeutet. Das Blut dieses Wesens ist das Wasser. In allen Mysterien wurde das Wasser das Blut Christi genannt.
Im 8. Jahrhundert vor Christi Geburt entwickelt sich der Dionysos-Dienst; mit ihm das Überhandnehmen des Weingenusses. In
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der atlantischen Zeit kannte man keinen Wein. Heute hat der Wein seine Funktion erfüllt. Ein Zeichen für das Schwinden des Weines ist das Auftreten der Reblaus. Als es noch keinen Wein gab, hatten alle Menschen ein Bewußtsein von dem ewigen Kern, der von Leben zu Leben geht. In dem Glauben an die Reinkarnation hatte der ägyptische Arbeiter, von dessen Mühen bei dem Bau der Pyramiden wir uns heute keinen Begriff machen, seinen Trost. Das waren Menschen, die keinen Wein tranken. Durch den Genuß des Weines wird der Mensch abgeschnitten von der Erkenntnis der höheren Prinzipien. Dieser Zustand mußte einmal eintreten. Wäre der Mensch ohne Wein geblieben, so wäre er der Erde überdrüssig geworden, aber das durfte nicht geschehen. Um die Kultur hervorzubringen, mußte der Mensch die Erde lieb gewinnen, er mußte von seinen früheren Verkörperungen abgeschnitten werden, um nur die eine, in der er gerade lebte, zu lieben. Die ganze Menschheit mußte einmal durch eine Periode hindurchgehen, in der sie von ihren höheren Prinzipien und von den früheren Verkörperungen nichts wußte. Das Christentum lehrte in den ersten zwei Jahrtausenden öffentlich keine Reinkarnation, sondern nur den Eingeweihten, wie auch Christus das tat: «Saget es niemand, bis ich wiederkomme«, das heißt, bis sich langsam die Entwickelung des sechsten Prinzips vollzogen hat. Nun ist die Zeit da. Die ganze Menschheit ist einmal durch eine Inkarnation hindurchgegangen, wo sie von oben abgeschnitten war.
In alten Zeiten bestand die Nahehe, die Ehe unter Blutsverwandten. Eine Folge des Übergangs zur Fernehe war das Erlöschen des Hellsehens. Heute würde die Nahehe die Degeneration hervorbringen. Zur Zeit der Nahehe hatten die Menschen nicht nur ein Gedächtnis von dem, was sie selbst erlebten, sondern auch von dem Leben ihrer Eltern. Dieses vererbte Gedächtnis trug einen Namen: Adam, Seth, Enoch. Außer dem Gedächtnis erbte sich Gutes und auch Böses durch die Geburt hindurch, die Erbsünde.
Sollte das geändert werden, so mußte für die Blutsliebe die allgemeine Menschenliebe treten: «Wer nicht verlässet Vater, Mutter, Weib, Kinder, der kann nicht mein Jünger werden.»
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Jesus geht auch zu den Fremden, zu dem samaritischen Weib. .Die Juden hatten keine Gemeinschaft mit den Samaritern.» Christus Jesus stammt aus Galiläa, dem Lande, wo die größtmögliche Blutsmischung bestand.
Wenn von einem entfernten Stern ein Wesen die Erde beobachten könnte, so würde es die physische Erde von einem Äther- und Astralleib durchdrungen und umgeben sehen. Würde dieses Wesen etwa die Entwickelung der Erde von Abraham bis heute beobachten, so würde es eine Änderung der Farben sehen in dem Augenblick, als das Blut aus Christi Wunden fließt. Eine Einweihung wie die des Apostels Paulus hätte vor dem Erscheinen Christi nicht stattfinden können. Es war das eine äußere Einweihung, die dadurch ermöglicht wurde, daß der ganze Astralleib der Erde verändert wurde.
Frage nach der Zukunft des Christentums
Das Christentum hat so unendliche Tiefen, daß seine Entwickelung ganz unabsehbar ist. Das Christentum ist als Religion die letzte. Es trägt alle Möglichkeiten der Entwickelung in sich. Die Theosophie ist nur ein Diener des Christentums.
Der Unterschied zwischen Christus und den andern großen Religionsstiftern liegt darin, daß in den andern Religionen an das geglaubt wird, was ihre Stifter lehrten, im Christentum aber glaubt man an das, was Christus ist.
Einfluß des Ätherleibes auf die Heilung des physischen Leibes
Geisteskrankheiten beruhen zum Teil darauf, daß der Ätherleib nicht die Macht hat, auf gewisse Teile des physischen Körpers zu wirken. Ist der Ätherleib zu schwach, einen Teil des Körpers zu beherrschen, so wird dieser Teil krank. Macht man den Ätherleib stark, so hat man geholfen.
I 06 Das Johannes-Evangelium, Fragenbeantwortung zum Vortrag Heidelberg, 3. Februar 1907
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Das Johannes-Evangelium
Heidelberg, 3. Februar 1907
Fragenbeantwortung
Was ist der Kausalkörper?
Beim Tode des Menschen von heute trennen sich der Ätherleib mit dem Astralleib und dem Ich von dem physischen Leib. Eine Zeitlang
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lang bleibt der Ätherleib noch bei den höheren Prinzipien, und während dieser ersten Zeit nach dem Verlassen des physischen Leibes tritt vor die Seele des Menschen sein ganzes letztes Leben wie in einem großen Tableau. Das rührt davon her, daß der Ätherleib nicht nur der Träger der Lebensfunktionen ist, sondern auch der Träger des Gedächtnisses. Während des Lebens ist er aber durch das physische Gehirn eingeengt, er kann seine Funktion nicht entfalten. Sobald aber die physischen Schranken fallen, so liegt das ganze Gedächtnis wie ausgebreitet vor der Seele des Menschen. Dies dauert so lange, bis der Ätherleib sich nach einigen Tagen auch von dem Astralleib und dem Ich loslöst. Es löst sich aber nur das Ätherisch-Materielle, während dieses Erinnerungsbild von dem Menschen mitgenommen wird. Diese Essenz des Ätherleibes behält der Mensch, und die Summe dieser Essenzen aus allen Erdenleben ist der Kausalkörper.
Wie ist die Feier des Abendmahls im Johannes-Evangelium zu verstehen, besonders die Reichung des Brotes an Judas, den Verräter?
Ein ganz bestimmter Vorgang bei der alten Einweihung besteht darin, daß der Schüler in den Tempel gebracht wird und in einem «dreitägigen Tode», wobei also auch sein Ätherleib gelockert wird, durch astrale und devachanische Erlebnisse hindurchgeführt wird. Eines dieser Erlebnisse war, daß jeder Teil des Körpers in eine menschliche Gestalt verwandelt wurde. Zwölf Glieder zählte man, und zwölf Gestalten sah der Schüler, und sich als den Dreizehnten, die Seele der Zwölf.
Die Sinnlichkeit hat den Egoismus gebracht, der überwunden werden muß. Das wurde besonders dem mittelalterlichen Schüler gelehrt. Das Folgende hätte etwa ein Lehrer damals zu seinen Schülern sprechen können: Sieh dir die Pflanze an, sie hält die Fruchtorgane keusch nach oben der Sonne entgegen. Eine Frucht kann nur entstehen, wenn die Blüte von der Sonne geküßt wird. Der Mensch ist eine umgekehrte Pflanze. Das Tier steht mitten zwischen beiden. Die Weltenseele geht durch die Pflanze, das Tier, den Menschen. Die Weltenseele ist gekreuzigt am Kreuze der Erde. Der Mensch
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hat seine Substanz durchwirkt von Begierden. Sein Fleisch steht tiefer als das Fleisch der Pflanze. Später wird der Mensch wieder begierdelos werden und sich keusch den geistigen Sonnenstrahlen entgegenbringt n. Es entsteht das, was man den Heiligen Gral nennt, das geistige Hervorbringen.
Beim Abendmahl im Johannes-Evangelium erscheint die niedere Selbstsucht als Judas, der Verräter. Der Jünger, den der Herr lieb hatte, liegt an seiner Brust. Die geläuterte Kraft dringt herauf zum Herzen, das in der Zukunft geistiges Hervorbringungsorgan werden wird. Das zeigt sich schon heute im anatomischen Bau des Herzens. Das Herz gehört zu den unwillkürlichen Muskeln und sollte als solcher glatte Fasern zeigen. Aber das tut es nicht, sondern ist quergestreift wie die willkürlichen Muskeln. Dadurch weist es schon jetzt auf die Zeit hin, wo es ein willkürlicher Muskel werden wird.
Beim Erwachen nach der Einweihung entrangen sich dem Schüler die Worte: «Eli, Eli, lama sabachthani!», das heißt: «Mein Gott, mein Gott, wie hast du mich verklärt!» Dieser Wortlaut läßt sich im Urtext leicht in die andere Version umstellen, die bedeutet: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.»
Das Haus, wo das Abendmahl stattfand, war eines der Einweihungshäuser.
Was bedeutet die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana?
Nach der Erklärung der heutigen Theologen bedeutet es die Umwandlung des Alten Testamentes in das Neue, das den sprudelnden Wein bedeuten soll.
Hier im Norden war Siegfried der vorchristliche Eingeweihte, der vor der christlichen Einweihung stehenblieb. Das ist angedeutet durch die verwundbare Stelle Siegfrieds. Siegfried, der Unverwundbare, war an der Stelle verwundbar, wo Christus das Kreuz trug.
Einer wird kommen, der den Sinn der Erde bedeutet. Das Blut dieses Wesens ist das Wasser. In allen Mysterien wurde das Wasser das Blut Christi genannt.
Im 8. Jahrhundert vor Christi Geburt entwickelt sich der Dionysos-Dienst; mit ihm das Überhandnehmen des Weingenusses. In
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der atlantischen Zeit kannte man keinen Wein. Heute hat der Wein seine Funktion erfüllt. Ein Zeichen für das Schwinden des Weines ist das Auftreten der Reblaus. Als es noch keinen Wein gab, hatten alle Menschen ein Bewußtsein von dem ewigen Kern, der von Leben zu Leben geht. In dem Glauben an die Reinkarnation hatte der ägyptische Arbeiter, von dessen Mühen bei dem Bau der Pyramiden wir uns heute keinen Begriff machen, seinen Trost. Das waren Menschen, die keinen Wein tranken. Durch den Genuß des Weines wird der Mensch abgeschnitten von der Erkenntnis der höheren Prinzipien. Dieser Zustand mußte einmal eintreten. Wäre der Mensch ohne Wein geblieben, so wäre er der Erde überdrüssig geworden, aber das durfte nicht geschehen. Um die Kultur hervorzubringen, mußte der Mensch die Erde lieb gewinnen, er mußte von seinen früheren Verkörperungen abgeschnitten werden, um nur die eine, in der er gerade lebte, zu lieben. Die ganze Menschheit mußte einmal durch eine Periode hindurchgehen, in der sie von ihren höheren Prinzipien und von den früheren Verkörperungen nichts wußte. Das Christentum lehrte in den ersten zwei Jahrtausenden öffentlich keine Reinkarnation, sondern nur den Eingeweihten, wie auch Christus das tat: «Saget es niemand, bis ich wiederkomme«, das heißt, bis sich langsam die Entwickelung des sechsten Prinzips vollzogen hat. Nun ist die Zeit da. Die ganze Menschheit ist einmal durch eine Inkarnation hindurchgegangen, wo sie von oben abgeschnitten war.
In alten Zeiten bestand die Nahehe, die Ehe unter Blutsverwandten. Eine Folge des Übergangs zur Fernehe war das Erlöschen des Hellsehens. Heute würde die Nahehe die Degeneration hervorbringen. Zur Zeit der Nahehe hatten die Menschen nicht nur ein Gedächtnis von dem, was sie selbst erlebten, sondern auch von dem Leben ihrer Eltern. Dieses vererbte Gedächtnis trug einen Namen: Adam, Seth, Enoch. Außer dem Gedächtnis erbte sich Gutes und auch Böses durch die Geburt hindurch, die Erbsünde.
Sollte das geändert werden, so mußte für die Blutsliebe die allgemeine Menschenliebe treten: «Wer nicht verlässet Vater, Mutter, Weib, Kinder, der kann nicht mein Jünger werden.»
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Jesus geht auch zu den Fremden, zu dem samaritischen Weib. .Die Juden hatten keine Gemeinschaft mit den Samaritern.» Christus Jesus stammt aus Galiläa, dem Lande, wo die größtmögliche Blutsmischung bestand.
Wenn von einem entfernten Stern ein Wesen die Erde beobachten könnte, so würde es die physische Erde von einem Äther- und Astralleib durchdrungen und umgeben sehen. Würde dieses Wesen etwa die Entwickelung der Erde von Abraham bis heute beobachten, so würde es eine Änderung der Farben sehen in dem Augenblick, als das Blut aus Christi Wunden fließt. Eine Einweihung wie die des Apostels Paulus hätte vor dem Erscheinen Christi nicht stattfinden können. Es war das eine äußere Einweihung, die dadurch ermöglicht wurde, daß der ganze Astralleib der Erde verändert wurde.
Frage nach der Zukunft des Christentums
Das Christentum hat so unendliche Tiefen, daß seine Entwickelung ganz unabsehbar ist. Das Christentum ist als Religion die letzte. Es trägt alle Möglichkeiten der Entwickelung in sich. Die Theosophie ist nur ein Diener des Christentums.
Der Unterschied zwischen Christus und den andern großen Religionsstiftern liegt darin, daß in den andern Religionen an das geglaubt wird, was ihre Stifter lehrten, im Christentum aber glaubt man an das, was Christus ist.
Einfluß des Ätherleibes auf die Heilung des physischen Leibes
Geisteskrankheiten beruhen zum Teil darauf, daß der Ätherleib nicht die Macht hat, auf gewisse Teile des physischen Körpers zu wirken. Ist der Ätherleib zu schwach, einen Teil des Körpers zu beherrschen, so wird dieser Teil krank. Macht man den Ätherleib stark, so hat man geholfen.
I 07 Das Mysterium von Golgatha, Köln, 2. Dezember 1906
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Das Mysterium von Golgatha
Köln, 2. Dezember 1906
Das Geheimnis, das hinter dem Mysterium von Golgatha steht, gehört zu den tiefsten Geheimnissen der Weltentwickelung. Um es zu verstehen, werden wir durch die okkulte Weisheit Jahrtausende zurück hineinleuchten müssen in die Vergangenheit der Erdenevolution. Gegen dieses tiefere Eindringen in das Mysterium von Golgatha bedeutet es keinen Einwand, daß das, was der Christus Jesus gewirkt hat, für jedes schlichte Gemüt verständlich sein soll. Das ist der Fall. Aber ein volles Verständnis für diese größte Erscheinung auf der Erde muß aus den Tiefen der Mysterienweisheit heraus geschöpft werden.
In dieser Stunde wird es sich für uns also darum handeln, aus der ganzen Tiefe der Mysterienweisheit das Verständnis dafür zu gewinnen, wie so etwas wie das Mysterium von Golgatha möglich sein konnte. Wir müssen dabei daran festhalten, daß sich mit dem Erscheinen des Christus Jesus auf der Erde etwas zugetragen hat, was wirklich einen tiefen Einschnitt in die Geschichte der Menschheit bedeutet. Wir werden das am besten verstehen, wenn wir uns die Frage beantworten: Wer war eigentlich der Christus Jesus? Diese Frage zerfällt für den Okkultisten in zwei Teile. Wir müssen unterscheiden zwischen der Persönlichkeit, die damals in Palästina gelebt hat und dreißig Jahre alt geworden ist, und dem, was dann aus ihr geworden ist.
Jesus wurde Christus im dreißigsten Jahre seines Lebens. Bei dem gewöhnlichen Menschen sind nur geringe Teile vom Astralleib Ätherleib und physischen Leib umgewandelt in Manas, Buddhi und Atma oder Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmensch. Jesus von Nazareth war ein Chela im dritten Grade. Dadurch waren seine Leiber in einem Zustande hoher Läuterung. Es war eine vollständige Reinigung, Heiligung und Läuterung bei ihm vorhanden im Astralleib, Ätherleib und physischen Leib. Wenn ein Chela diese Läuterung seiner drei Leiber absolviert hat, dann wird er fähig, in einem
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gewissen Zeitpunkt seines Lebens sein Ich hinzuopfern. Im dreißigsten Jahre verließ das Ich des Jesus die drei Körper und ging in die astrale Welt über, so daß auf der Erde die geheiligten drei Leiber zurückblieben, gleichsam ausgehöhlt vom Ich, so daß Platz darin war für die höhere Individualität. Es hat also das Ich des Jesus von Nazareth im dreißigsten Jahre seines Lebens das große Opfer gebracht, seine gereinigten Leiber der Individualität des Christus zur Verfügung zu stellen. Christus füllte diese drei Leiber aus. Nach dieser Zeit sprechen wir von dem Christus Jesus, der drei Jahre auf der Erde umhergewandelt ist und die großen Taten in dem Leibe des Jesus vollbracht hat.
Um zu verstehen, wer der Christus war, müssen wir in der Entwickelungsgeschichte der Erde und der Menschheit weit zurückgehen. Die Erde war, ehe sie Erde wurde, der alte Mond, der nicht das Gleiche ist wie der jetzige Mond, welcher nur ein abgesplittertes Stück der Erde ist. Ehe die Erde Mond wurde, war sie Sonne und vorher Saturn. Wir müssen uns also drüber klar sein, daß vor Jahrmilliarden einmal im Weltenraum ein Körper war, der alte Saturn. Ein Planet entwickelt sich auch durch verschiedene Verkörperungen hindurch. Bevor unsere Erde zur Erde wurde, war sie als Saturn, Sonne und Mond da. Nun wollen wir uns zunächst auf die Sonne versetzen. Da hatten denselben Rang, den heute die Menschen auf der Erde haben, die sogenannten Feuergeister. Sie haben aber auf der Sonne nicht wie die jetzigen Menschen ausgeschaut. Diese hohen Individualitäten haben ihre Menschheit auf der Sonne unter ganz andern Verhältnissen durchgemacht, als der Mensch dies heute auf der Erde tut. Auch auf dem Monde machte eine Schar von Wesen die Menschheitsstufe durch, die dann auf die Erde als höhere Wesen kamen: lunarische Pitris, Mondgeister, die jetzt schon eine höhere Stufe erreicht haben als der Mensch, in der christlichen Esoterik Angeloi, Engel genannt. Erst auf der Erde ist der Mensch «Mensch» geworden. Als nächste Stufe stehen über ihm die lunarischen Pitris. Noch über ihnen stehen die Feuergeister auf einer sehr hohen Stufe des Werdens.
Wir kommen nun zu der Erde, und zwar zu dem Zustand der lemurischen
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Rasse, die auf einem Kontinent zwischen dem heutigen Asien, Afrika und Australien gelebt hat. Auf der Erde waren damals physische Wesen vorhanden, höher als die heutigen Tiere, weniger ausgebildet als der heutige Mensch. Diese physischen Wesenheiten bildeten eine Art von Gehäuse, ein Wohnhaus. Sie hätten in die Dekadenz übergehen müssen, wenn sie nicht befruchtet worden wären von höheren Wesenheiten. Damals erst zogen die Seelen in den physischen Leib des Menschen ein. Diese Seelen haben damals selbst erst den späteren Menschenleib vorbereitet. Die menschliche Seele war früher ein Teil höherer geistiger Wesenheiten. Es waren auf der Erde die physischen Gehäuse der Menschenleiber, in die von oben höhere Wesenheiten aus den geistigen Welten seelische Substanz hineinströmen ließen. Dieses Seelische war noch mit den geistigen Welten verbunden. Es war wie Wasser, das als Tropfen in eine Reihe von Gefäßen ausgegossen wird. Die Wesen, die dieses Seelische ausgossen, waren diejenigen Wesenheiten, welche auf dem Monde ihre Menschwerdung vollendet hatten, die Mondgeister, die jetzt eine Stufe höher standen als die Menschen und einen Teil ihres Wesens in die Menschheit ausgießen konnten, damit diese sich weiter entwickeln konnte. Dadurch wurde der Mensch fähig, seinen Organismus immer mehr umzugestalten. Der Mensch konnte sich erheben von der Erde, aufrechtstehen, gehen, sprechen lernen, selbständig werden.
Es bestand da eine gewisse Verwandtschaft zwischen all diesen Seelen, denn sie kamen ja von gemeinschaftlichen Geistern her. Es zeigten alle die, welche jeweils einen Tropfen von einer gemein-
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samen Wesenheit bekommen hatten, große Ähnlichkeit. Früher waren es die Mitglieder eines Stammes, welche solche ähnlichen Seelen hatten. Später waren es die Völker, zum Beispiel das ganze ägyptische, das ganze jüdische Volk. Sie hatten Seelen, die aus einem gemeinschaftlichen Ursprung hervorgegangen waren.
Was die Mondgeister den Menschen gegeben hatten, war das Geistselbst im Menschen. Dadurch wurde der Mensch eine selbstbewußte Wesenheit, ein Ich. Was ihm aber die Mondgeister nicht hatten geben können, das konnte den Menschen nur geben eine einzige gemeinschaftliche, noch höhere Wesenheit, die ihre Menschheit schon auf der Sonne vollendet hatte, ein Feuergeist.
Viele solche Feuergeister hatten sich auf der Sonne ausgebildet und waren auf der Erde hohe Geister. Ein solcher Feuergeist war berufen, über die ganze Menschheit sein Wesen auszugießen. Für die ganze Erde war ein gemeinschaftlicher Geist vorhanden, der über die ganze Menschheit in all ihren Gliedern das Element der Sonnengeister oder Feuergeister ausgießen konnte, die Buddhi oder den Lebensgeist. Aber in der lemurischen Rasse und in der atlantischen Zeit waren die Menschen noch nicht reif, irgend etwas von diesem Sonnengeist zu empfangen. In der Akasha-Chronik kann man da höchst Merkwürdiges in der damaligen Zeit sehen, nämlich daß die Menschen aus physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und dem
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Geistselbst bestanden. Das Geistselbst war aber nur in ganz schwacher Weise in den Menschen darinnen. Die Buddhi oder der Lebensgeist umschwebte einen jeden, doch man konnte dies nur im Astralraum bemerken. Ein jeder hatte eine solche Buddhi-Umgebung im astralen Raum; aber diese Buddhi, die den Menschen von außen umschwebte, war noch nicht reif, in ihn einzudringen. Sie war ein Teil des einen großen Feuergeistes, der seine Tropfen über die Menschen ausgegossen hatte; diese konnten nur noch nicht in die Menschen eindringen. Durch die Tat des Christus auf Erden wurden in den Menschen die Anlagen ausgestaltet, daß sie das, was wir Buddhi nennen, in ihr Manas aufnehmen konnten.
Was Christus auf der Erde tat, wurde vorbereitet durch die andern großen Lehrer, die vorangingen, Buddha, der letzte Zarathustra, Pythagoras, die alle ungefähr sechshundert Jahre vor Christus lebten, das waren solche Geister, die schon viel von dem, was die andern Menschen nur umschwebt hatte, sich zu eigen gemacht hatten. Sie hatten diesen Funken des Christus in den Ich-Menschen aufgenommen. Auch Moses gehörte zu diesen Geistern. Aber die andern Menschen hatten diesen Funken noch nicht im Ich-Menschen empfangen.
Was in den physischen Leib, Äther- und Astralleib des Jesus von Nazareth eingezogen ist, das ist dieser ganze Feuergeist, der gemeinsame Quell aller dieser Geistesfunken für die Menschen. Das ist der Christus, die einzige göttliche Wesenheit, die in der Weise in keiner andern Form auf der Erde vorhanden ist. Sie zog ein in den Jesus von Nazareth, damit die, welche sich verbunden fühlten mit dem Christus Jesus, die Kraft erhielten, die Buddhi in sich aufzunehmen. Es beginnt mit dem Erscheinen des Christus Jesus die Möglichkeit, die Buddhi zu empfangen. Das nannte Johannes das göttliche Schöpferwort. Das göttliche Schöpferwort ist dieser Feuergeist, der seine Funken in die Menschen ausgoß.
Dadurch geschah folgendes: Konnten die Mondgeister durch ihre Einwirkung gemeinsame Stämme unter den Menschen herbeiführen, so war der Christus für die ganze Erde ein einziger Geist, so daß dadurch die Menschen zu einer die ganze Erde umfassenden
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Familie vereinigt wurden. Wurden die Unterschiede zwischen den Menschen dadurch bewirkt, daß die verschiedenen Mondgeister ihre Tropfen auf die Erde ausgegossen hatten, so wurde dagegen die Einheit der Menschheit durch die Ausströmung des Christus Jesus herbeigeführt. Was die Menschen verbindet, das kam auf die Erde durch den Christus Jesus.
Da, wo Christus von dem Jüngsten Gericht spricht, sagt er in seiner Weissagung also: «Wenn des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit» damit meint er: wenn die Tropfen des Christus alle in die Menschen eingeströmt sein werden, wenn alle Menschen Brüder geworden sind , «dann wird er sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeiset. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränket». Es wird dann keinen andern Unterschied zwischen den Menschen mehr geben, als den zwischen Gut und Böse.
Er sagt seinen Jüngern: «Dasjenige, was ihr einem unter den geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.. Dies bedeutet, daß der Christus Jesus auf die Zeit hinweist, wo die Tropfen, die er ausgegossen hat, von den Menschen so aufgenommen worden sind, daß ein Mensch, wenn er einem andern gegenübersteht, weiß, daß in ihnen beiden die gleiche Substanz lebt. Die Kraft dazu, daß überhaupt die Buddhi in den Menschen wachgerufen werden konnte, diese Kraft ging aus von dem Leben des Christus auf der Erde. So müssen wir den Christus als den gemeinschaftlichen Geist der Erde auffassen.
Könnten wir von einem fernen Stern herunterschauen auf die Erde durch lange Jahrtausende hindurch, so würden wir einen Zeitpunkt finden, wo Christus so auf der Erde wirkt, daß die ganze Astralmaterie von dem Christus durchdrungen ist. Der Christus ist der Erdengeist, und die Erde ist sein Leib. Alles, was auf der Erde lebt und sprießt und wächst, das ist der Christus. Er ist in all den Samenkörnern, in all den Bäumen und in allem, was auf der Erde wächst und sprießt. Darum mußte Christus hindeuten auf das Brot
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und sprechen: «Das ist mein Leib.» Und von dem Saft der Weintrauben beim Abendmahl handelte es sich nicht um einen schon gegorenen Wein mußte er sagen: «Dies ist mein Blut», denn der Saft der Früchte der Erde ist sein Blut. Die Menschheit muß ihm darum auch erscheinen wie Wesenheiten, die auf seinem Leibe umhergehen. Darum sprach er auch zu seinen Jüngern nach der Fußwaschung: «Der mein Brot isset, der tritt mich mit Füßen.. Dieser Ausspruch ist wörtlich zu nehmen in dem Sinne, daß die Erde der Leib des Christus ist. Gerade dadurch, daß er sich zum Träger der Erdenentwickelung macht, würde ein ferner Geist sehen können, wie immer mehr von seinem Geist einfließt in die Menschen das Hineinziehen der Substanz des Christus Jesus in jeden einzelnen Menschen hinein. Am Ende würde er die ganze Erde verwandelt sehen, verchristete Menschen tragend, durch Christus vergottete Menschen. Nur was nicht teilgenommen hat an dieser Vergottung, das wird als das Böse beiseite gesetzt. Das muß einen späteren Zeitpunkt für seine Entwickelung zum Guten abwarten.
Alle verschiedenen Völker vor dem Erscheinen des Christus auf der Erde hatten Mysterien. Es wurde dargestellt in den Mysterien, was in der Zukunft geschehen sollte. Die Schüler wurden durch lange Übungen darauf vorbereitet, daß sie die Grablegung durchmachen konnten. Der Hierophant konnte den Schüler dann in einen höheren Bewußtseinszustand bringen, wo er in einer Art von tiefem Schlaf war. In alten Zeiten mußte immer das Bewußtsein herabgedrückt werden, wenn das Göttliche im Menschen zum Vorschein kommen sollte. Da wurde die Seele durch die Regionen der geistigen Welt hindurchgeführt, und nach drei Tagen wurde der Mensch durch den Hierophanten wiederbelebt. Dann fühlte er sich als ein neuer Mensch. Er bekam einen neuen Namen. Er wurde dann ein Gottessohn genannt.
Dieser ganze Vorgang spielte sich im Mysterium von Golgatha draußen auf dem physischen Plan ab. Vorher wurden die Schüler durch einen Geistesfunken des Christus belebt, und es wurde ihnen gesagt: Es wird einmal Einer kommen, der es allen Menschen möglich machen wird, verchristet zu werden. Einer wird wirklich das
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Wort im Fleisch sein. Ihr könnt dies nur drei Tage lang erfahren, da durchwandelt ihr die Reiche der Himmel. Aber Einer wird kommen, der durchwandelt immer die Reiche der Himmel, der wird die Reiche der Himmel mit in die physische Welt hineintragen.
Was der Eingeweihte auf dem Astralplan erlebte, das sollte Christus auf dem physischen Plan darstellen: daß es von Anfang an ein göttliches Wort gegeben hat, das seine Tropfen ausgoß über die Menschen, das aber die Ich-Menschen noch nicht aufnehmen konnten. Das sagt uns Johannes, der Verkünder des Ich-Menschen, der verchristet ist, der den Christus aufgenommen hat; das bedeutet auch das «Wort. bei Johannes. Er spricht von dem Wort, das vom Urbeginne auf der Erde da war:
«Im Urbeginne war das Wort, und das Wort war bei Gott, und ein Gott war das Wort.
Dieses war im Urbeginne bei Gott.
Alles ist durch dasselbe geworden, und außer durch dieses ist nichts von dem Entstandenen geworden.
In diesem war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht schien in die Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen.
Es ward ein Mensch, gesandt von Gott, mit seinem Namen Johannes.
Dieser kam zum Zeugnis, auf daß er das Zeugnis ablege von dem Licht, auf daß durch ihn alle glauben sollten.
Er war nicht das Licht, sondern ein Zeuge des Lichtes.
Denn das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, sollte in die Welt kommen.
Es war in der Welt, und die Welt ist durch es geworden, aber die Welt hat es nicht erkannt.
In die einzelnen Menschen kam es (bis zu den Ich-Menschen kam es), aber die einzelnen Menschen (die Ich-Menschen) nahmen es nicht auf.
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Die es aber aufnahmen, die konnten sich durch es als Gottes Kinder offenbaren.
Die seinem Namen vertrauten, sind nicht aus Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, und nicht aus menschlichem Willen, sondern aus Gott geworden.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Lehre gehört; die Lehre von dem einzigen Sohn des Vaters, erfüllt von Hingabe und Wahrheit.»
Das Wort «Hingabe» in Vers 14 bedeutet für Johannes dasselbe wie Buddhi, «Wahrheit» ist das Manas, die Weisheit, das Geistselbst.
«Johannes leget Zeugnis für ihn ab und verkündet deutlich: Dieser war es, von dem ich sagte: Nach mir wird derjenige kommen, der vor mir gewesen ist, denn er ist mein Vorgänger. Denn aus dessen Fülle haben wir alle genommen Gnade über Gnade. Denn das Gesetz ist durch Moses gegeben, die Gnade und die Wahrheit aber ist durch Jesus Christus entstanden. Gott hat niemand bisher mit Augen geschaut. Der eingeborene Sohn, der im Innern des Weltenvaters war, er ist der Führer in diesem Schauen geworden.»
Auf diese Erscheinung des Christus Jesus deutete jede Einweihung in die Mysterien des Geistes hin. Im Jogaschlaf, im orphischen Schlaf, im Hermesschlaf war diese Einweihung vorhanden. Wenn der Eingeweihte wieder im Leibe erwachte, wenn er wieder mit physischen Sinnen hören und sprechen konnte, dann sagte er die Worte, die im Hebräischen also lauteten: «Eli, Eli, Lama sabachthani» «Mein Gott, mein Gott, wie hast du mich erhöhet!»
Das war die Initiation, wie sie im alten Judentum vor sich ging. Der Eingeweihte erlebte während des dreitägigen Aufenthaltes in den höheren Welten den Gang der ganzen künftigen Menschheitsentwickelung, was ihm bevorstand in der zukünftigen Menschheitsentwickelung. Während des Schauens in den drei Tagen wurden in der Regel die zukünftigen Menschheitsstufen nicht in abstrakter
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Weise gesehen, sondern jede Stufe wurde durch eine Persönlichkeit dargestellt. Der Schauende sah zwölf Persönlichkeiten. Sie stellten die zwölf Stufen der Seelenentwickelung dar. So zeigten sich vor ihm die Seelenkräfte wie äußere Persönlichkeiten. Da sah der Eingeweihte in einem gewissen Zeitpunkte eine ganz bestimmte Szene sich abspielen: Er sah seine eigene Individualität verklärt bis zu jener Stufe, wo die ganze Menschheit von Buddhi erfüllt ist wo sie also verchristet sein wird. Den Gott sah er als sich selbst, und die Seelenkräfte dahinterstehen. Unmittelbar hinter ihm stand Johannes, der als letzte Gestalt seine Vollendung ankündigt. Sich selbst sah er verklärt, in einem Zustand, den er erlangen wird, wenn er vollendet sein wird; seine Seelenkräfte personifiziert, als deren letzte Vollkommenheitsstufe die Persönlichkeit des Johannes, welcher die Christus-Stufe verkündigt. Dann bildeten sich diese zwölf Gestalten im Jogaschlaf so, daß sie sich zu dem gruppierten, was man das mystische Gemeinsamkeitsmahl nannte. Das stellt folgendes dar. Wenn der Mensch dasitzt, umgeben von den Seelenkräften, sagt er sich: Diese sind mit mir eins; sie haben mich durch die Erdentwickelung hindurchgeführt. Ich bin weitergeschritten mit den Füßen dieser Apostel. Das Mahl drückt die Gemeinsamkeit der zwölf Seelenkräfte mit dem Menschen aus.
Es besteht die Vervollkommnung des Menschen darin, daß die niederen Kräfte von ihm abfallen und nur die höheren Kräfte zurückbleiben. Die niederen Kräfte wird der Mensch später nicht mehr haben, zum Beispiel die Kraft der Fortpflanzung. Gerade die Seelenkraft des Johannes wird es bewirkt haben, daß diese Kräfte dann hinaufgehoben sind in das liebende Herz. Es wird Ströme geistiger Liebe aussenden. Ist Christus im Menschen, dann ist das Herz das Organ, das das mächtigste in ihm ist. Die niedere Seelenkraft wird dann aus dem Schoß zum Herzen emporgehoben sein. Das erlebte jeder Eingeweihte als Mysterium des Herzens. Das fand in den Worten Ausdruck: «Mein Gott, mein Gott, wie hast du mich erhöhet!»
Mit dem Erscheinen des Christus Jesus wurde nun das ganze Mysterium, das ganze Erlebnis, auf dem physischen Plan verwirklicht.
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Es gab damals in Palästina Bruderschaften, die sich aus dem alten Essäerorden herausgebildet hatten. Diese hielten als Symbol des mystischen Abendmahls ein solches Mahl. Das Wort «das Osterlamm genießen. ist ein allgemeiner Ausdruck für das, was zu Ostern geschah. Jesus ging mit den Zwölfen zu Tisch und setzte das Abendmahl ein mit den Worten: «Am Ende der Erdentwickelung werden alle Menschen das aufgenommen haben, was ich auf die Erde gebracht habe; da wird das wahr sein: dies ist mein Leib, dies ist mein Blut.. Dann sagte er: «Einer unter euch wird mich verraten.» Der Verräter ist der Egoismus, die niedere Begierde. Der Jünger, den der Herr lieb hatte, wußte es, denn er lag in seinem Schoße. Solange dort diese Kraft ist, tötet sie geschlechtliche Fortpflanzung und Tod bedingen sich gegenseitig ; diese Kraft, die im Geschlechtlichen liegt, steigt höher hinauf im Leib: ins Herz. Der Jünger zeigt das im Evangelium durch seine Erhebung zum Herzen an. Wie es sicher ist, daß es die niedere Begierde ist, die den Verrat begeht, so ist es auch sicher, daß die niedere Seelenkraft höher gehoben wird. «Es war einer unter seinen Jüngern, der lag im Schoße Jesu dieser legte sich an die Brust Jesu.. Das bedeutete, daß alle niederen Kräfte, aller Egoismus, heraufgehoben sind zum Herzen. Da wiederholte Jesus seinen Jüngern das Wort: «Eli, Eli, lama sabachthani. «Jetzt ist des Menschen Sohn verherrlicht und Gott verherrlicht in ihm.»
Was sich in den Mysterien abspielte, war dasselbe wie das, was in Golgatha geschah. Unter dem Kreuze stand der Jünger, den der Herr lieb hatte, der beim Abendmahl in seinem Schoße gelegen hatte und zur Brust hinaufgehoben ist. Dann stehen auch dort die weiblichen Gestalten, seine Mutter, seiner Mutter Schwester Maria, und Maria Magdalena. Es steht bei Johannes nicht, daß die Mutter Jesu Maria hieß, sondern seiner Mutter Schwester wird Maria genannt. Seine Mutter hieß Sophia.
Johannes taufte Jesus im Jordan. Da kommt eine Taube vom Himmel herunter. In diesem Momente geschieht eine geistige Befruchtung. Die Mutter Jesu, die hier befruchtet wird wer ist sie? Der Chela Jesus von Nazareth, der in diesem Moment sich seines
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Ichs entkleidet, das hochgebildete Manas wird befruchtet und die Buddhi geht darin ein. Das hochgebildete Manas, das die Buddhi empfangen hat, ist die Weisheit, Sophia, die Mutter, die befruchtet wird von Jesu Vater. Der Name Maria, gleich Maja, bedeutet im allgemeinen den Mutternamen. Es heißt in der Schrift: «Der Engel kam zu ihr und sprach: Gegrüßet seist du, Holdselige, siehe, du wirst fruchtbar werden und einen Sohn gebären. Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.» Der Heilige Geist ist Jesu Vater; die Taube, die herunterfliegt, befruchtet die in Jesus befindliche Sophia.
Die Schrift ist also so zu lesen: «Es stand aber bei dem Kreuze Jesu seine Mutter, Sophia.» Zu dieser Mutter spricht er: «Weib, siehe, das ist dein Sohn.» Er hatte die Sophia, die in ihm war, selbst auf Johannes übertragen. Er machte ihn zu dem Sohn der Sophia und sprach: «Das ist deine Mutter.» «Die göttliche Weisheit hast du fortan als deine Mutter anzuerkennen und ihr dich allein zu weihen.» Was Johannes geschrieben hat, das war diese göttliche Weisheit, Sophia, die verkörpert ist in dem Johannes-Evangelium selber. Das Wissen hat er selbst von Jesus empfangen, und autorisiert ist er von Christus, die Weisheit auf die Erde zu übertragen.
Der höchste Erdengeist mußte in einem Leibe inkarniert werden. Dieser Leib mußte absterben, getötet werden, das Blut mußte rinnen. Das bedeutet etwas Besonderes. Überall, wo Blut ist, ist das Selbst. Sollen alle alten Selbstgemeinschaften aufhören, dann muß die Selbstheit, die im Blute sitzt, einmal hingeopfert werden. Alle Einzelegoismen fließen hin mit dem Blute Christi am Kreuze. Das Blut der Stammesgemeinschaften wird ein gemeinsames Menschenblut dadurch, daß in jenem Zeitpunkt das Blut Christi geopfert worden ist.
Da geschah wieder etwas, was ein astraler Betrachter in der Astralatmosphäre hätte beobachten können: Die ganze astrale Atmosphäre der Erde änderte sich in dem Momente, wo er starb, so daß Ereignisse möglich waren, die früher nie möglich gewesen wären. Die plötzliche Initiation wie bei Paulus wäre früher nie möglich gewesen. Sie ist dadurch möglich geworden, daß durch das
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Fließen des Blutes Christi die ganze Menschheit zu einem gemeinschaftlichen Selbst geworden ist. Damals floß das Selbst aus dem Blute der Wunden Jesu. Nur die drei Leiber blieben am Kreuze hängen und wurden später wieder belebt von dem Auferstandenen. In dem Augenblicke als der Christus den Leib verließ, waren die drei Leiber so stark, daß sie imstande waren, selbst das Wort zu sprechen, was der Verklärte nach der Initiation gesprochen hat: «Eli, Eli, lama sabachthani.»
Diese Worte würden allen, die von den Mysterienweisheiten etwas wußten, gezeigt haben, daß es sich um ein Mysterium handelte. Mit einer kleinen Umänderung im hebräischen Text entstand hieraus das Wort der Schrift: «Eli, Eli, lama asabthani», das heißt: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.»
I 08 Die Bedeutung des Christfestes vom geisteswissenschaftl. Standpunkt, Leipzig, 15. Dezember 1906
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Die BeDeutung des Christfestes vom
geisteswissenschaftlichen Standpunkt
Leipzig, 15. Dezember 1906
Viele Menschen der Jetztzeit haben zum Weihnachtsfest keine andere Beziehung mehr als das Anzünden des Christbaumes. Dieser Christbaum ist aber das jüngste Sinnbild des Weihnachtsfestes. Selbst in den Gegenden, wo er zuerst aufkam, kennt man ihn erst etwa hundert Jahre lang. Er ist nicht, wie viele meinen, eine uralte heidnische Überlieferung. So neu wie der Weihnachtsbaum, so alt, so uralt ist indessen das große Menschheitsfest, das uns jetzt bevorsteht. Solange Menschen auf Erden mit dem Menschentum fühlten, ahnten und wußten von dem, was über das Menschentum hinaus zum Gottesmenschentum hinaufführt, was die Menschen über sie selbst erhebt, so lange kannte man diese erhabene Weihnachtsfeier. Im Johannes-Evangelium findet sich ein Ausspruch, der als ein Leitmotiv für die Idee des Weihnachtsfestes gelten kann: «Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen.» Hierin finden wir den Zusammenhang zwischen zwei wichtigen Jahresfesten angedeutet. Johannes bezeugt selbst von sich, daß er abnehmen muß, währenddessen aber der andere, der Christus, wächst. Wenn der Tag am längsten ist, dann ist Johanni. Aber hinter der äußeren materiellen Erscheinung in ihrer Vergänglichkeit erhebt sich etwas, was im Johannes-Evangelium schön mit den Worten ausgedrückt wird: «Und das Licht schien in die Finsternis», in die abnehmenden Johannistage. Innerhalb der Finsternis lebt das Licht, das leuchtender, lebendiger ist als alle materiellen Lichterscheinungen das geistige Licht. Und das Leben des großen Lichtes in der Finsternis ist der Inhalt des christlichen Weihnachtsfestes, das in den alten Zeiten in allen Religionen gefeiert wurde und das prophetisch hindeutete auf den großen Geistes-Sonnenhelden, den Christus Jesus.
Heute verstehen wir durch die geisteswissenschaftliche Weltanschauung das christliche Weihnachtsfest, das durch zwei Jahrtausende hindurch als das Fest des großen Idealismus empfunden
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wurde. Wenn in der Weihenacht, in der Finsternis der Mitternacht, der Gottesdienst beginnt und die Lichter angezündet werden, dann leuchten sie hinaus in die Finsternis. Das bedeutet, daß, wenn einstmals alles auf der Erde einem äußeren Tode geweiht sein wird wie auch alles rein Menschliche dem Tode verfallen wird , daß dann, wie es von Christus zur Wahrheit gemacht wurde, im Leib die triumphierende Seele lebt, die sich zu einem lichten Leben aus der leiblichen Hülle erhebt, auch wenn die Erde als materieller Körper in unzählige Atome zerschellen wird. Aus dieser Finsternis, diesem Untergang der Erde wird sich die Seele der ganzen Erde erheben mit allen Menschenseelen, die in diese Erdenseele aufgenommen sein werden. Und dafür, daß nicht nur die Erdenseele dies erreicht, sondern daß auch alle Menschen auf Erden die gleiche Gewißheit haben, dafür war der Christus Jesus das Vorbild, das Ideal.
Und so ist nicht nur die physische Sonne das Abbild des Christus-Wesens, sondern gerade die wachsende geistige Sonne. Wenn alle Kräfte verwandelt sein werden, der Erdenleib durch die Liebe durchglüht sein wird, dann wird die Erde von dem Christus-Prinzip ganz durchflossen sein. Dafür ist das Weihnachtslicht das Sinnbild.
Die drei Könige sind Symbole wie ihre Gaben: das Gold Symbol der Weisheit und der königlichen Macht, Myrrhen Symbol der Besiegung des Todes, Weihrauch Symbol für die vergeistigten Ätherstoffe, in denen der Gott sich verwirklicht, der den Tod überwunden hat. Durch die drei Symbole steht Christus als König da, als der Todbesieger, als Erfüllung aller irdischen Entwickelung. Jeder in die Esoterik Eingeweihte empfindet so die Geburt des Gotteskindes, vorgeahnt in den Mysterien schon vor der Zeit Christi und erlebt auch noch nachher. Die Mysterien waren nicht kirchliche Einrichtungen und Schulen im äußerlichen Sinne, sondern Erziehungs- und zugleich Kultusstätten, wo der Mensch Weisheit lernte, Ergebung und Glauben, der zugleich Wissen und Erkennen ist. Große und kleine Mysterien gab es. Der nach mancherlei Prüfungen Zugelassene sah in den kleinen Mysterien dramatische Vorstellungen der ewigen Wahrheiten, die der höher Eingeweihte in sich selbst erlebt. Die größten Momente der Menschheitsentwickelung sind im Kleinen
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zu vergleichen mit den Erfahrungen, die ein Blindgeborener macht, wenn er operiert wird: es geht ihm eine ganz neue Welt auf. Die Augen des Geistes werden dem Eingeweihten geöffnet. Es tut sich ihm in Licht und Farbe eine Welt des Geistes auf, eine ganz neue, viel größere Welt als die physische, mit allen ihren Wesen und Bewohnern. Alle Dinge scheinen ihm belebt. In diesem Augenblick erleben die Eingeweihten die Geburt ihres höheren Selbst. Das nannte man das innere Christus-Fest. Was diese Auserwählten erleben konnten und was die Eingeweihten auch heute noch erleben können, war für die andern, in den kleinen Mysterien, ein Ideal, das sie alle zu erreichen hoffen durften, der eine bald, der andere später. Wer weiß, daß jeder viele Leben durchzumachen hat, der kann gewiß sein, daß auch in ihm seine Erweckung, jene Einweihung einmal Wirklichkeit werden wird; daß die Erweckung des Christus in ihm erreicht werden wird, die Weihnacht, da das Licht in seinem Inneren leuchten wird. Dann wird sich jener Spruch aus dem Johannes-Evangelium umkehren: Und das Licht wird in der Finsternis begriffen werden.
Dies wurde also in den Mysterien dargestellt. Was als das große christliche Ereignis stattfand, war eine physische Wiederholung dessen, was sich in den Mysterien für jeden Eingeweihten abgespielt hat, in den kleinen Mysterien im Bilde, in den großen Mysterien im Inneren des Menschen. In den kleinen Mysterien wurde das wichtige Erlebnis des inneren Christus in einer ganz bestimmten Zeit des Jahres dargestellt, wo die Sonne am wenigsten Licht auf die Welt sendet, in der längsten Winternacht wie heute noch am Weihnachtsfest. Führen wir uns das Bild vor Augen, das den Sinn der inneren Menschenentwickelung in den kleinen Mysterien symbolisierte. In heiliger Weihestimmung waren die Menschen, die es sehen sollten, in der Weihnacht, in völliger Finsternis der Mitternacht versammelt. Da ertönte ein eigentümlich dumpfes, donnerndes Getöse, das sich allmählich in wundervolles rhythmisches Tönen, in harmonische Klänge verwandelte die Sphärenmusik. Und ein schwach erhellter Körper, eine in der Finsternis matt leuchtende Kugel wurde sichtbar, welche die Erde symbolisieren sollte. Aus der
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schwach leuchtenden Erdscheibe erstanden allmählich ineinander-fließende, zu den Tönen gehörende regenbogenfarbige Ringe, die sich nach allen Seiten verbreiteten die göttliche Iris. So schien in der alten Atlantis, dem Niflheim der germanischen Mythologie, den Menschen die Sonne durch den Nebel hindurch. Die Erscheinung wurde immer heller, und die sieben Farben gingen allmählich in schwaches Gold und schwaches Violett über. Und immer heller leuchtete das Gebilde, und immer mächtiger wurde das Licht, bis es sich in den hellsten Himmelskörper, die Sonne, verwandelte. In der Mitte dieser Sonne erschien in der jeweiligen Sprache des betreffenden Volkes der Name des Christus. Für den Menschen, der diese Feier mitgemacht hatte, galt das bedeutsame Wort: Er hat die Sonne um Mitternacht gesehen. Das heißt, ein Sinnbild des geistigen Schauens ist ihm erschienen. Der Mensch, dessen geistiges Auge geöffnet ist, erlebt, daß alle Materie durchsichtig wird, er sieht durch die Erde hindurch, er sieht in Wirklichkeit die Sonne um Mitternacht, er besiegt die Materie. In umgekehrter Farbe, in violett-rötlicher Farbe erscheint ihm um Mitternacht die Sonne. Was in dem großen Weltsinnbilde kosmisch erscheint, ist für den Christen, ins Menschliche übersetzt, die Erscheinung des Christus Jesus auf Erden. Wir werden alle die Sonne um Mitternacht sehen. Das steht auch in keinem Widerspruch zum Neuen Testament.
So ist Christus die Wesenheit, die verklären wird, was jetzt noch zusammenhängt mit dem Niederen, vergöttlichen wird, was noch zusammenhängt mit dem Weltlichen. Er ist die Sonne im geistigen Gebiet. Der christliche Esoteriker oder theosophische Christ empfindet so den Christus Jesus. Zur Zeit, wenn die Kälte und Dunkelheit auf Erden am größten sind, findet die geistige Erweckung statt, weil die Eingeweihten wissen, daß alsdann bestimmte Kräfte durch den Weltenraum ziehen und die Konstellation für die geistige Erweckung dann am günstigsten ist. Die Schüler wurden belehrt, daß sie sich nicht mit dem gewöhnlichen menschlichen Wissen begnügen sollten, sondern die ganze Menschheit, die ganze Erdengeschichte zu überblicken lernen müßten. Schauet auf die Zeit hin sagte man den Schülern , wo die Erde noch mit Sonne und Mond
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vereinigt war. Die damalige Menschheit lebte im Sonnenlicht. Was später die Erde werden sollte, war mit Geisteskraft erfüllt, die gleichzeitig in jedem Wesen erglänzte. Dann kam der Zeitpunkt, wo die Sonne sich von der Erde ablöste, wo das Licht von außen auf die Erde herabschien, wo es im Inneren des Menschen finster wurde. Dieser Zeitpunkt ist der Beginn seiner Entwickelung zu jener fernen Zukunft, wo er wieder Sonnenlicht in sich tragen wird. Dann entwickelt sich in ihm der höhere Mensch, der Sonnenmensch, der Licht in sich trägt und die Kraft des Erleuchtens besitzt.
So entstand die Erde aus dem Licht, sie geht durch die Finsternis hindurch und wird wieder zum Sonnenlicht kommen. So wie gegen den Herbst und in der Winterzeit die Kraft der Sonnenstrahlen abnimmt, so tritt das Geistige in der Zeit, in welcher der Mensch die äußeren Dinge der Erde, die Materie erkennen lernen soll, ganz zurück. Aber die geistige Kraft wächst wiederum, und zur Weihnachtszeit vollzieht sich, was bei Paulus durch das Gleichnis vom Weizenkorn ausgedrückt wird. Wenn das ausgesäte Körnlein nicht in der Erde zugrunde geht, kann keine neue Frucht entstehen. In der Weihnachtszeit vergeht das alte Leben, und in seinem Schoß entsteht das neue Leben. Die Säfte der Bäume steigen von diesem Tage an, neues Leben quillt hervor, das Licht beginnt in der bis dahin zunehmenden Finsternis wieder zu wachsen. Dies denkt sich der Christ ins Geistige übersetzt. Alles Herabziehende in der Materie muß vergehen, um dem Emporsprießenden Platz zu machen. Der Christus kam in die Welt, damit gleichsam aus der Niedrigkeit herausgeboren wird, was zum Höchsten hinaufführen soll. In dem Stall der Evangelienerzählung sehen wir eine Umwandlung, eine Variante dessen, was die uralte Weisheit Höhle nannte. In ausgehöhlten Felsen wurde das Fest gefeiert, verschieden nach den Völkern. Am nächsten Tage folgte ein zweites Fest, durch das gezeigt wurde, wie das sprossende Leben aus der Erde, aus dem Gestein hervorgeht. Auch dies war ein Sinnbild des Hervorwachsens des Geistigen aus dem absterbenden Irdischen.
Überall in den inneren Heiligtümern Ägyptens, in den eleusinischen Mysterien und im orphischen Kult in Griechenland, in
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Vorderasien, bei den Babyloniern und Chaldäern, im Mithrasdienst der Perser und in den Mysterien der Inder, überall wurde die Weihnacht in gleicher Weise gefeiert: Von den Teilnehmern an den kleinen Mysterien wurde das als sinnliches Schaubild gesehen, was die Eingeweihten erlebten. Was dargestellt wurde, war eine prophetische Hinweisung auf die Geburt des Christus im Menschen. Solche Eingeweihte, die es schon erreicht haben, sind, wie man sagt, auf der sechsten Stufe angelangt. Sieben solcher Stufen gab es: Auf der ersten Stufe war der Rabe, der den Verkehr zwischen dem Geistigen und der Außenwelt vermittelte. So wird in der Bibel von den Raben des Elias gesprochen, die Sage berichtet von den Raben des Wotan oder auch von den Raben Kaiser Barbarossas im Kyffhäuser.
Auf der zweiten Stufe stand der Okkulte. Dieser war schon zum Heiligtum zugelassen, er befand sich im Inneren desselben.
Der dritte Grad war der des Kämpfers oder Streiters. Wer ihn erlangt hatte, durfte für die geistigen Wahrheiten nach außen hin eintreten.
Wer den vierten Grad erreicht hatte, wurde der Löwe genannt. Sein Bewußtsein hatte sich über das seiner Individualität hinaus auf das Bewußtsein des ganzen Stammes erweitert. Man denke etwa an den Löwen vom Stamme Juda.
Der Eingeweihte des fünften Grades hatte nicht nur das Stammesbewußtsein, sondern er hatte das Bewußtsein des Volksgeistes in das seine aufgenommen. Er erhielt daher den Namen seines Volkes, bei den Persern hieß er zum Beispiel der «Perser.. Den Nathanael nennt Jesus einen «rechten Israeliter»; Jesus erkennt in ihm den Eingeweihten des fünften Grades.
Die Bezeichnung dessen, der die sechste Stufe erreicht hatte, bezieht sich auf eine wichtige Eigenschaft. Wenn wir uns in der Natur umschauen, so sehen wir die Naturwesen sich hinaufentwickeln von den niedrigsten Wesen bis zum Menschen, und vom Durchschnittsmenschen hinauf bis zu dem, der in sich den Christus geboren werden läßt. Bei den niedrigen Wesen sehen wir überall Rhythmus im Leben, einen Rhythmus, der den Wesen von der Sonne auferlegt wird. Die Pflanzen blühen stets zur selben Jahreszeit, je nach ihrer
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Art, und öffnen ihre Blüten, jede Art zur selben Zeit des Tages. Auch die Tiere zeigen in wichtigen Lebensfunktionen ihren Jahresrhythmus. Nur der Mensch verliert immer mehr diese Regelmäßigkeit. Er wird frei von dem Zwang des ihm ursprünglich ebenfalls auferlegten Rhythmus. Wenn aber die Liebe zu allen Wesen in ihm erwacht und ihn durchflutet, dann wird ein neuer, eigener Rhythmus aus ihm heraus geboren. Dieser ist nun so regelmäßig wie der Rhythmus der Sonne, die nie um ein Kleinstes von ihrem Lauf abweicht die Folgen davon würde man sich kaum ausmalen können. In dem Eingeweihten des sechsten Grades sah man ein Abbild des Ganges der segenspendenden Sonne im Weltenraume, das Abbild des Christus im Menschen und in der Geisteswelt. Deshalb wurde der sechste Grad der Sonnenheld genannt.
Ein Schauer ging durch die Seele des Schülers, der einen solchen Sonnenhelden erblickte. In diesem war der Christus innerlich geboren. Das stellte ein Ereignis dar, das als Geburt auf dem geistigen Plan empfunden wurde. Von den Eingeweihten der ersten Jahrhunderte wurde die Geburt des historischen Jesus in die äußerlich dunkelste Zeit des Jahres gesetzt, weil damit die geistige Sonne aufgegangen war. Darum wurde bei den ersten Christen auch die Mitternachtsmesse eingeführt, ein Kultus um die finstere mitternächtige Stunde, wo dann ein Lichtmeer auf dem Altar aufleuchtete. Der höchste Grad war der des Vaters.
Was sich so oft im einzelnen in den Mysterien, fern von allem äußeren Geschehen, vollzogen hatte, spielte sich in Christus Jesus offen in der Weltgeschichte ab. Nichts Höheres kann erlebt werden in der menschlichen Seele als das, was äußerlich in der physischen Welt in dem Besieger des Todes, dem Bringer des Unterpfandes für ein ewiges Leben der Seele, gebracht wurde. Was aus der sterbenden Welt als neue Lebensfrucht erwuchs, wurde von den Eingeweihten als die Geburt des Christus-Kindes empfunden in der geistigen Welt. Wer das Geistige nicht abgesondert denkt von der physischen Welt, fühlt einen tiefen Zusammenhang zwischen der Sonne in der Weihnacht und dem Geistesleben, das sich entwickelt aus dem Weltenleben. In der Weihnacht wird die Geburt des größten
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Ideals hingestellt, das es für die Welt gibt, das verwirklicht wird, wenn die Erde ihr Ziel erreicht. Was jetzt prophetisch verkündet wird, das wird dereinst zur Wirklichkeit. Wie die todbesiegende Liebe auflebt im leuchtenden Weihnachtsbaum, so wird sie in Zukunft in allen Menschen selbst aufleben. Als Perspektive steht es jetzt da.
So fühlen wir im Sinn des Weihnachtsfestes etwas, was aus weiter Ferne zu uns kommt, was aber schon in uralten Zeiten immer gefeiert wurde. Bei richtiger Erkenntnis wird das Fest wieder eine viel höhere Bedeutung für uns erlangen. Auch der Baum wird uns wichtiger werden als Sinnbild jenes Paradiesbaumes, den Sie alle aus der Genesis kennen. Das Paradies ist ja ein Bild für die höhere Menschennatur, an der nichts Böses hängt. Erkenntnis konnte nur errungen werden auf Kosten des Lebens. Wie dies angesehen wurde von denen, die da wußten, soll eine Legende erläutern: Als Seth wieder zum Paradies hingehen wollte, ließ ihn der Cherub mit dem feurigen Schwert herein. Da fand er, daß der Baum des Lebens und derjenige der Erkenntnis miteinander verschlungen waren. Auf die Weisung des Cherubs durfte er drei Samenkörner von diesem vereinigten Baume nehmen. Der Baum stellt dar, was der Mensch einst werden soll und was erst der Eingeweihte bereits erreicht hat. Als Adam gestorben war, nahm Seth die drei Samenkörner und steckte sie in Adams Mund. Daraus entsproß ein flammender Busch, worin die Worte standen: «Ejeh Asher .Ich bin, der da ist, war und sein wird.. Weiter erzählt die Legende, Moses habe daraus seinen Wunderstab angefertigt. Später sei vom selben Holze das Tor des salomonischen Tempels erbaut worden. Dann sei ein Stück davon in den Teich Bethesda gefallen und habe ihm Wunderkraft verliehen. Und endlich sei daraus das Kreuz Christi geformt worden. Es ist ein Bild für das absterbende, im Tode vergehende Leben, das in sich die Kraft hat, neues Leben hervorzubringen.
Ein großes Symbol steht vor uns: das Leben, das den Tod überwunden hat, das Holz aus dem Samenkorn des Paradieses. Dieses untergehende und neu entstehende Leben stellt uns das Rosenkreuz vor. Nicht ohne Grund sagte der große Goethe daher:
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Und so lang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und Werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.
Welch wunderbarer Zusammenhang zwischen dem Baum des Paradieses, dem Holz des Kreuzes und dem daraus sprießenden Leben! Die Geburt des ewigen Menschen im zeitlichen Leben zu empfinden, das soll für uns die Christus-Idee, die Weihnacht sein. Auf sich anwenden muß es der Mensch jetzt schon: «Das Licht scheint in die Finsternis., und allmählich muß die Finsternis das Licht begreifen. All die Seelen, in denen die Weihnacht den richtigen Funken erregt, werden lebendig fühlen, was die Weihnacht in ihnen geboren werden läßt, die Fähigkeit, die sich ihnen zur Kraft entwickeln wird, die sie instandsetzen wird, so zu sehen, zu fühlen, zu wollen, daß sich der Spruch umkehrt und es heißt: Das Licht scheint in die Finsternis, und die Finsternis hat das Licht nach und nach begriffen.
I 09 Der Urspung der Religionsbekenntnisse und Gebetsformeln, Leipzig, 17. Februar 1907
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Der Ursprung der
Religionsbekenntnisse und Gebetsformeln
Leipzig, 15. Dezember 1906
Von einer allumfassenden Grundanschauung ging die Menschheit aus, und je nach den Charakteren der Völker, nach den klimatischen Verhältnissen, in denen sie lebten, prägte sich diese in den Religionsbekenntnissen verschieden aus. Wie im Vaterunser, so treten uns in allen andern religiösen Formeln und Bekenntnissen die geisteswissenschaftlichen Grundbegriffe entgegen. Mag auch mancher sagen, sie seien bloß hineingeträumt, sie sind tatsächlich darin enthalten. Aber wie kommen sie hinein? Dazu müssen wir uns klarmachen, daß das, was uns heute gelehrt wird, in den ältesten Anschauungen nicht etwa in derselben Art vorgetragen wurde. Die Formeln der religiösen Bekenntnisse waren zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden. Die älteren Anschauungen sprechen in Bildern, nicht in Begriffen, wie wir es heute tun. Diese Bilder wurden in gewisser Weise beibehalten, und wir finden sie wieder und wieder. So wird stets von der Erkenntnis als einem Licht geredet, und von der Weisheit spricht man als vom flutenden Wasser. Wie kommt es aber, daß zu den älteren Völkern in Bildern gesprochen wurde? Wir wollen uns einmal klarmachen, wie vor Hermes, vor Buddha, Zarathustra und Moses, wie vor dem größten Religionsstifter, vor Christus, die Religionslehrer zu den Völkern sprachen.
Zwischen dem alltäglichen und dem imaginativen Bewußtsein müssen wir unterscheiden. Das gegenständliche, alltägliche Bewußtsein haben wir von morgens bis abends. Da sehen wir die Dinge so, wie sie sich unseren Sinnen zeigen. Die andern Bewußtseinszustände sind uns zunächst verborgen. Wir haben alle von dem Zustande des traumlosen Schlafes gehört. Der hat für den Eingeweihten eine ganz andere Bedeutung als für die gewöhnlichen Menschen. Vom Einschlafen bis zum Aufwachen ist der Eingeweihte in einem bewußten Zustande. Er nimmt eine Welt wahr, wenn auch anders, in ganz anderer Art als sonst. Der gewöhnliche
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Mensch weiß nichts von diesem Zustand. Das Bewußtsein des traumerfüllten Schlafes kennt man schon eher. So soll uns nun der traumerfüllte Schlaf den traumlosen erklären.
Der traumerfüllte Schlaf zeigt alles in Sinnbildern. Er ist ähnlich dem Bewußtseinszustand des Eingeweihten, wenn er in der geistigen Welt ist. Bilder sieht auch der Eingeweihte, aber nicht chaotische Traumbilder, obwohl sich auch seine Bilder fortwährend verwandeln. Auf dem physischen Plane hat jedes Ding nur eine Form, zum Beispiel ein Tisch, ein Stein. Aber je höher wir steigen, um so mehr ist die Form in der Verwandlung begriffen. Es verwandelt und regt sich die Pflanze, mehr noch das Tier, am beweglichsten und verwandlungsfähigsten ist der Mensch. Im Devachan ist alles fortwährend in der Verwandlung begriffen. Durch bestimmte Übungen kann man es erreichen, daß, wenn man eine Pflanze betrachtet, sich die Farbe von ihr abhebt und im freien Raume auf und ab schwebt. Dann muß man lernen, solche freischwebenden Farben und auch Töne zu bestimmten Dingen und Wesenheiten hinleiten zu können. Dann wird die Farbe ein Ausdruck des Innenlebens. So wirkt ja auch die Aura des Menschen in Farbe und Form. Inneres seelisches Erleben drückt sich in ihr aus. Auch sie ist niemals still. Eine ewige Bewegung ist sie, eine ewige Bewegung ist das Wesentliche der höheren Welt. Das ist auch das Verwirrende der geistigen Welt für den, der sie zum ersten Male betritt. Es verwirrt den Unerfahrenen das, was sich augenblickgemäß manifestiert. Vor denen, die mit geistigen Augen schauen, kann kein geistiges Wesen sein Seelenleben verbergen. Der gewöhnliche Mensch muß aus dem Äußeren aufs Innere schließen. Frei und offen liegt in der geistigen Welt das Innere jedes Wesens da. Wir sind da mit dem innersten Wesen der Dinge zusammen. Dies kann sich jetzt nur der Eingeweihte verschaffen, der das Innere der Dinge zum Äußeren hinzufügen kann. Und zwar tut er dies bewußt. Unbewußt konnten dies einst die Menschen vor langer Zeit. Je älter die Menschen sind, desto weniger können sie das, was wir können: sie können nicht rechnen, nicht zählen. Von Logik wissen sie nichts. So war es in der Mitte der atlantischen Zeit. Dafür konnten die Atlantier aber etwas anderes. Sie konnten ein
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ganz bestimmtes Gefühl in sich aufsteigen fühlen, wenn sie zum Beispiel eine Pflanze betrachteten. Blaß und schattenhaft sind unsere Gefühle dagegen. Die ersten Atlantier hatten noch nicht so deutliche Farbenvorstellungen wie wir. Wie Nebel sah der Atlantier die Farbe frei schwebend von der Pflanze aufsteigen. Auch die Farbe eines Kristalls hätte er nicht gesehen. Einen Strahlenkranz von Farben sah er zum Beispiel um einen Rubin herum, den Rubin selbst nur als Einschnitt darin. Vor dieser Zeit sah der Mensch noch nicht einmal die Umrisse von Menschen, Tieren und Pflanzen. Aber wenn er sich einem Feinde näherte, so sah er ein Gebilde von bräunlich-rötlicher Färbung aufsteigen. Eine schöne bläulich-rötliche Färbung zeigte ihm den Freund. So nahm er das Innenleben in einzelnen Farben wahr.
Wenn wir noch weiter zurückgehen, in die lemurische Zeit, so waren da sogar alle Willensimpulse anders. Der Wille wirkte noch magisch, er zeigte seine Verwandtschaft mit den Naturkräften draußen. Legte damals ein Mensch die Hand über eine Pflanze und ließ dabei seinen Willen wirken, so wuchs sie zusehends. Dadurch, daß der Mensch sich in eine Haut abschloß, entfernten sich seine Kräfte von den Kräften der Natur.
Der Natur am unähnlichsten sind die Denkkräfte. Noch weiter zurück gab es Wesen, die es für ein Unding gehalten hätten, zu sagen: Ich fasse einen Begriff von einem Außending. Denn sie sahen ja den Begriff draußen, arbeitend, als Wesenheit. Die Begriffe bildeten ursprünglich die Dinge. Heute betrachten wir eine Uhr und bilden uns einen Begriff davon. Aber wir könnten uns den Begriff «Uhr. nicht bilden, wenn nicht einmal jemand diesen Begriff, bevor es Uhren gab, gebildet und danach eine Uhr konstruiert hätte. Geradeso ist es mit den Begriffen aller Dinge. Die Begriffe, die wir uns über die Dinge der Welt bilden, existierten als Wirklichkeiten in urferner Vergangenheit. Damals wurden sie in die Dinge hineingelegt. Alles entsteht nach solchen Begriffen, wie es die Menschen mit ihren Schöpfungen heute auch machen. Jene Wesen von damals haben gleichsam dem Werkmeister der Dinge zugeschaut. Sie hatten einen schöpferischen Intellekt. Im fleischlichen Leibe waren sie
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noch nicht verkörpert. Was heute im menschlichen Leibe wohnt, ruhte damals noch im Schoße der Gottheit. Unten auf der Erde gab es schon ein physisches Leben und Wesen, die zwischen dem heutigen Tier und Menschen standen und reif waren, die menschliche Seele zu empfangen. Man kann sich das unter einem Bilde vorstellen. Wenn viele Schwämmchen in Wasser getaucht werden, so wird jedes Schwämmchen Wassertröpfchen aufsaugen, und so wird dann das Wasser in lauter einzelne Tropfen geteilt. Die physische Erde mit ihrem Gewimmel von Wesen war damals von einer geistigen Hülle umgeben, wie wir heute von einer Lufthülle. Da entstanden erst die einzelnen Seelen, als jedes Wesen ein geistiges Tröpfchen aufgesogen hatte. Damit war auch der Prozeß eingeleitet, wodurch der Mensch ein abgeschlossenes, gegenständliches Bewußtsein erhält.
Vorher empfing die Seele von der Weltseele wie von innen heraus alles, denn die Weltseele wußte ja alles. Das ist der Unterschied zwischen heutigem und damaligem Wissen. Die innere Welt sinkt ins Dunkel des traumlosen Schlafes herab, wenn das helle Tagesbewußtsein eintritt. Der astralische Leib ist es, der die Außenwelt wahrnimmt: er sieht Farben, hört Töne, empfindet Lust und Schmerz, aber er kann dies nicht ohne den physischen Leib. Der astralische Leib ist auch derselbe wie der, der einst in der gemeinschaftlichen Seelensubstanz war. Wenn alle Menschen zugleich einschlafen würden und ihre Astralleiber würden vermischt und auch mit dem vermischt, was sich von der allgemeinen Weltseele nicht in einzelne Leiber herabsenkte, dann würde der traumlose Schlaf aufhören, Farben und Töne würden in den Astralleibern aufsteigen, geradeso wie es ehemals war, als alle Seelen noch in der Weltseele ruhten. Was heute Nacht ist, das war einst lichterfüllt, erfüllt von Wahrnehmungen in der geistigen Welt. So hat einst die ganze Menschheit astral wahrgenommen.
Was hat die Menschheit seit jener Zeit wahrgenommen? Was hat der Mensch sich seither erobert? Sein Ich-Bewußtsein, die Möglichkeit, zu sich .Ich. zu sagen. Das ganze ältere Bewußtsein war nur ein gesteigertes Traumbewußtsein, die Menschen waren nicht selbstbe-
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wußt. Das Selbstbewußtsein ward den Menschen beim Heruntersteigen in den Leib geschenkt. Und das steigert sich mehr und mehr. Es bildet den Inhalt der jetzigen Menschheitsentwickelung. «Ich bin der Ich-bin», hat sich den Menschen offenbart. Das ist der wahre Name Jahves: «Ich bin der Ich-bin», oder länger ausgedrückt: «Ich bin, der da war, der da ist und der da sein wird.» In jener urfernen Vergangenheit war beim Menschen dies Bewußtsein nicht vorhanden. Wo war da ein «Ich-bin»-Bewußtsein? In dem Wesen, in dem die Seelen enthalten waren wie Tropfen im Wasser. Der Heilige Geist ist der, der oben vor der Einkörperung das Ich-Bewußtsein hatte. Der Geist an sich ist das, was im Menschen zum Ich-Bewußtsein kommt.
In jener urfernen Vergangenheit war das Lehren ein Ausgießen der Weisheit: sie kam von innen, nicht von außen. Von jener Zeit bis zu uns gab es eine Zwischenzeit, die atlantische Zeit. In ihrer Mitte war es, da sahen die Menschen schon Umrisse von den Dingen und Wesen. Doch war ihnen alles noch in einen Farbennebel eingehüllt und von Tönen durchklungen, die etwas zu sagen hatten, die weise waren. Damals entstand eine Lehre, die sich zur späteren religiösen Lehre fortentwickelte. Vor ungeheuren Zeiträumen gab es dort eine große Adeptenschule. Alles, was wir heute lernen, stammt von jenen, den turanischen Adepten. Es ward durch Schüler fortgepflanzt bis auf den heutigen Tag. Damals aber lehrte man ganz anders als heute. Man mußte darauf Rücksicht nehmen, daß die Menschheit sich in einem Zwischenzustand befand. Bis fünf hätten die weisesten Männer nicht zählen können. Aber man konnte, wenn man auf ihr Inneres reagierte, sie erleuchten, bildlich ihnen Weisheit beibringen. Sagen hätte man ihnen die Weisheitslehren nicht können, man wäre nicht verstanden worden. Die Menschen von damals hatten noch kein so helles Tagesbewußtsein wie wir heute. Dafür aber konnten sie leicht wieder in jenen Zustand versetzt werden, in dem die Gottheit sie von innen erleuchtete. Die Lehrer brachten die Schüler in einen Zustand der Hypnose. Das war aber nicht der hypnotische Zustand, mit dem heute so viel Unfug getrieben wird, aber etwas Ähnliches. Diesen Schlafzustand benutzten die Lehrer,
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um die Schüler zu erleuchten. Damals hatte man die okkulte Schrift, das, was man auch okkulte Sprache nennen kann. Es gibt noch Mantren, die mehr als Gedankenwert haben. Diese sind aber schattenhaft gegenüber den Tonzusammenstellungen von damals. Einfach waren diese Tonzusammenstellungen, aber wenn ein Ton angeschlagen wurde, so war die verlorene Erleuchtungsfähigkeit ersetzt. Da kam dann jene Welt innerer Erleuchtung künstlich in den Menschen hinein, er sah die Weltgeister am Werke so wie einst. Von den Lehrern empfing dann der Schüler Formeln und bestimmte Zeichnungen. Die Weltengeheimnisse nahm er dann unmittelbar wahr. Zum Beispiel wie aus einem Samenkorn eine neue Pflanze wird, sagte ihm dieses Zeichen:
Der heutige Mensch kann sich ohne Auslegung nichts dabei denken, nichts dabei fühlen. Auf die Menschen der damaligen Zeit wirkte dies Zeichen unmittelbar, wenn sie es sahen, oder wenn es abgeklopft wurde. Die Formeln, die damals Anwendung fanden, lehrten dann die Religionsstifter den späteren Völkern.
Je weiter wir zurückgehen, um so einheitlicher war die Weltseele noch. Im Schlaf sind die Astralleiber aller Menschen einander noch ziemlich ähnlich. So waren damals in Atlantis die Astralleiber alle einander gleich. Da konnte man allen Menschen eine Urweisheit bringen. Nachdem die gewaltige Flut über die atlantische Menschheit hingegangen war, war keine einheitliche Weisheit mehr möglich. Jetzt mußte man in Indien so lehren, wie es der indische Leib verlangte, und wieder anders in Persien, anders in Ägypten, anders bei den Griechen und Römern und wieder anders bei den alten Germanen. Aber in allen wirklichen Religionsformen lebt das fort, woraus sie entstanden sind. In Atlantis war die Erleuchtung Mitteilung
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von Leben, nicht von Lehre. Das Zeichen des Wirbels erweckte ja unmittelbar Empfindung. Heute müssen die Gefühle sich erst an Begriffen entzünden. Auch die sieben Bitten des Vaterunser wurden einst so mitgeteilt wie eine Tonskala in sieben Tönen, verbunden mit bestimmten sieben Farben und Gerüchen.
So erlebte der atlantische Schüler die siebengliedrige Wesenheit des Menschen. Das goß der größte der Religionslehrer, Christus, in das Vaterunser. Die Wirkung des Vaterunsers hat jeder, der es betet. Es ist kein eigentliches Mantram, obwohl es mantrische Kräfte haben kann. Es ist ein Gedankenmantram. Freilich hatte es in der Ursprache die größte Gewalt. Aber da es eben ein Gedankenmantram ist, so wird es seine Kraft nicht verlieren, und wenn man es in tausend Sprachen übersetzt. Wie man verdauen kann, ohne die Verdauungsgesetze zu kennen, so hat man die Frucht des Vaterunsers auch ohne Erkenntnis, wenn auch der Höherwissende noch eine ganz andere Frucht davon hat.
Solchen Weg machten die religiösen Wahrheiten. Alle unsere Seelen waren einst somnambul in der Weltenseele. Sie ward gegliedert und herabgezogen in viele Leiber. Die geistige Wahrnehmung ward verdunkelt, auch die Möglichkeit, den Urzustand wieder hervorzurufen. Nur ein Nachklang in Begriffen und Worten sind die religiösen Lehren, und namentlich die Formeln, die aus der geistigen Welt geholt wurden. Von Urideen und Ideen spricht noch die Weisheit des Alten Testamentes. In den Ideen lebt ein schwacher Abglanz der Urideen. Aber jene Urweisheit ist nicht verloren. Sie ruht noch in unseren schlummernden Seelen. Und das ins hellklare Bewußtsein heraufzuheben, ist die Arbeit der Geisteswissenschaft. Wenn der Mensch nach der letzten Inkarnation die ganze Außenwelt kennengelernt haben wird, dann wird er in die ursprüngliche Hellsichtigkeit aufgenommen und bringt neue Erleuchtung, Hellbewußtsein mit. Aufgehen im Allbewußtsein sei Erlösung , sagt man im Osten. So wird es nicht sein. Ehemals, vor der ersten Einkörperung, war kein Ich-Bewußtsein da. Es wird aber nach der letzten Inkarnation da sein. Jeder Tropfen der einen Seelenflüssigkeit färbt sich mit einer ganz bestimmten Farbe, jeder mit einer andern. Jeder
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bringt am Ende seine Farbe mit, und das ehemals helle, klare Wasser wird schillernd von unendlich schönen, leuchtenden Farben, die aber jede für sich da sind. Jeder bringt seine bestimmte Farbe mit, sein individuelles Bewußtsein, das unverlierbar ist. Harmonie aller Bewußtseine ist das Allbewußtsein zuletzt. In Freiheit werden die vielen, weil sie so wollen, eine Einheit sein! Wir müssen uns das vorstellen, wie es wirklich ist. Jedes Einzelbewußtsein ist ganz im Allbewußtsein enthalten.
Diese Entwickelung der Menschheit ist nicht umsonst. Ja, das Leben hat einen Sinn, und der schönste Sinn ist, daß der Mensch zuletzt am Altar der Gottheit das Stück Menschendasein niederlegen wird, was er selbst erworben hat. Und daraus wird gewoben das Gewand, das der Erdgeist spinnt, wie Goethe so schön und erhebend sagt:
In Lebensfluten, im Tatensturm
Wall ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit,
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
I 10 Die Bergpredigt, Stuttgart, 19. Januar 1907
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Die Bergpredigt
Stuttgart, 19. Januar 1907
Die Bergpredigt (Matthäus 5) ist die bedeutendste Offenbarung des Christentums. Gewöhnlich wird darunter eine Predigt verstanden, die Jesus von einem Berge herunter an das Volk gehalten hätte. Aber «auf den Berg gehen» ist ein Schlüsselwort, das sich in allen Geheimsprachen findet und uralt ist. «Liebhaben» ist ebenfalls ein okkultes Schlüsselwort. «Der Jünger, welchen der Herr lieb hatte» und bei der Auferweckung des Lazarus: «Jesus hatte Martha lieb und ihre Schwester und Lazarus», «Siehe, wie hat er ihn so lieb gehabt». Immer ist unter dem Jünger, welchen der Herr lieb hatte, der Verfasser des Johannes-Evangeliums zu verstehen. Aber im ganzen Johannes-Evangelium steht nie sein Name, selbst nicht bei der Kreuzigung. Da heißt es: «Da nun Jesus seine Mutter sah und den Jünger dabeistehen, den er lieb hatte.» Dieses Wort «liebhaben» hat eine tiefe Bedeutung. Derjenige Schüler eines Meisters, der am tiefsten in die okkulte Wissenschaft aufgenommen und eingeführt wird, heißt .ein Jünger, den der Herr lieb hat». «Auf den Berg gehen» bedeutet: Ins tiefste Mysterium gehen und Worte lehren, welche die Jünger dann wieder zum Volke sprechen. Man liest eben die Worte der Bibel nicht in ordentlicher Weise, sondern liest geradezu über die Worte hinweg.
Vers 1 heißt in richtiger Weise übersetzt: «Da er aber das Volk sah, ging er hinweg auf einen Berg und setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm.. Jesus ging also gerade hinweg vom Volk und redete nur zu seinen Jüngern. Jesus Christus mußte stets die doppelte Sprache führen. Er redete in Gleichnissen, wenn er populär zum Volke sprach. Den Jüngern aber legte er den okkulten Sinn der Worte aus, wenn er mit ihnen «auf dem Berge» war.
Vers 3: «Selig sind, die da Bettler sind um Geist, denn sie werden in sich selbst finden die Reiche der Himmel.» Die Worte, ja selbst die Buchstaben, haben alle einen geheimen, tiefen Sinn. Unser deutsches Ich, mit seinen Buchstabenverbindungen I, C, H, enthält in
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sich die Initialen von Jesus Christus: I-Ch. Die großen Eingeweihten leiteten das Wort darauf hin, daß das Ich = Jesus Christus herauskam. Nur ein Volk konnte die Geburt des Namens Jesu Christi aus dem Ich heraus finden und so ist die deutsche christliche Mystik entstanden. Es gibt noch mehr solcher Wörter, die einen tiefen, wörtlichen Sinn enthalten; zum Beispiel «heilig» = heil oder grundgesund sein. «Selig sein» = voll der Seele sein, den Inhalt der Seele in sich selbst finden. Selig, wer Drang und Trieb hat, die Seele immer mehr zum Geist zu führen. Wenn viele immer sagen: In sich selbst soll man schauen, dann werden wir Gott finden , so ist das nicht richtig. Denn wenn wir nur in uns selbst schauen, dann finden wir nur, was eben in uns selbst ist. Wir sollen unser Streben bewachen, unsere Individualität soll herausgehen aus sich selbst, das heißt: Erkenne dich selbst. Die Autorität der Menschen soll uns nicht Überzeugung, sondern Anregung geben.
Vers 4: «Selig sind, die da Leid auf sich nehmen, denn sie werden durch sich selbst den Trost finden.» Das Leid stellt sich in die Welt wie eines der größten Welträtsel. Schon die Griechen, dieses freie, frohe Geschlecht, das so sehr am Dasein hing, dem Sinnengenuß Lebensluft war, lassen den weisen Silen auf die Frage, was das Beste für den Menschen sei, die Antwort geben: «Elendes Eintagsgeschlecht Das Allerbeste ist für dich gänzlich unerreichbar: nicht geboren zu sein, nicht zu sein, Nichts zu sein. Das Zweitbeste aber ist für dich bald zu sterben.» Äsop sagt indessen, daß man aus dem Leid Lehre gewinnt. Und Hiob kommt durch alle seine Leiden, die ihm auferlegt werden, zu dem Schluß: Das Leiden läutert, es bringt den Menschen höher. Warum gehen wir nach Anhörung einer Tragödie doch befriedigt vom Theater weg? Der Held siegt gegenüber dem Leid. Zwischen dem Höhersteigen des Menschen und dem Schmerz, wenn er getragen wird, besteht ein Zusammenhang. Leid und Schmerz der Seele sprechen durch die Physiognomie zu den Erkennenden. Der Mensch muß sich ein Organ schaffen, damit er das Leid tragen kann. Wie das Auge durch das Licht, das Ohr durch den Ton gebildet wurde, so schaffen sich Leid und Schmerz geistige Organe. In sich selbst trägt der Mensch den Trost der
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Erkenntnis, daß er das Leid tragen kann. Der Mensch wird höher entwickelt durch das Leid.
Vers 5: «Selig sind, die da sanften Geistes sind, denn sie werden das Erdenreich besitzen.» Zwei Kräfte sind in der Welt tätig: einerseits der Egoismus, andererseits die Liebe und das Mitleid. Soll sich die Liebe entwickeln, muß der Egoismus schwinden. Die sinnliche Liebe muß sich zur höheren geistigen Liebe entwickeln. Sanften Geistes sein, das ist auch im dritten Satz in «Licht auf den Weg» gemeint: «Eh vor den Meistern kann die Stimme sprechen, muß das Verwunden sie verlernen.» Man soll allen mit liebevoller Gesinnung entgegenkommen, daß die Stimme nicht mehr verwundet, dann sind wir sanftmütig, wie es in der Bergpredigt gemeint ist. Das Ziel der Erdenentwickelung ist die Liebe, sie wird das Erdenreich besitzen.
Vers 6: «Selig sind, die da hungern nach der Gerechtigkeit, denn sie werden durch sich selber gesättigt werden.» Hier sagt Christus den Jüngern die ganze Bedeutung der tieferen, innersten Kräfte der menschlichen Seele: Gebt den andern Liebe nicht: strebt nach Liebe , dann wird die Liebe allgemein, wenn es jeder selbst tut.
Vers 7: «Selig sind, die barmherzig sind, denn sie werden durch sich selbst Barmherzigkeit erlangen.» Wir sollen uns hineinfühlen in jeden einzelnen Menschen, dann wird unsere getane und gegebene Barmherzigkeit aus den andern uns entgegenstrahlen.
Vers 8: «Selig sind, die da Reinheit im Herzen haben, denn sie werden durch sich selbst Gott anschauen.» Dieser Satz ist eine Anleitung zur Mystik. Wir sollen unser Herz läutern und reinigen. Das Auge, das da gemeint ist, um Gott zu schauen, das ist das Herz. Es ist das Zukunftsorgan, nicht das Gehirn. Es ist Gott gegenüber das, was ungetrübte Augen dem Licht gegenüber sind.
Vers 9: «Selig sind diejenigen, die da Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes durch sich selbst sein.» Die Seele macht den Weg von Gott durch den Menschen zu Gott. Friedfertig waren die Seelen, und der Friede führt wieder hin zur göttlichen Wesenheit.
Vers 10: «Selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich.» Jesus Christus verlangt, der
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Mensch stelle an sich selbst die Forderung der Gerechtigkeit, dann wird ihm der Durst durch die Gerechtigkeit gestillt. Eine Erdenforderung und eine Himmelsforderung werden immer auseinandergehalten.
Vers 11: «Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übels wider euch, so sie daran lügen.» Das Christentum darf nicht verwechselt werden mit andern Religionen. Beim Buddhismus kommt es darauf an, daß alles befolgt wird, was Buddha gelehrt hat. So ist es mit der Lehre des Hermes in Ägypten, des Zarathustra in Persien und so weiter. Christus aber war selbst da. Die Jünger waren berufen, Zeugnis abzulegen: Wir haben ihn selbst gehört, haben unsere Finger in seine Nägelmale gelegt. Der Evangelist Johannes spricht am meisten in seinem Evangelium von Jesus Christus. Das Christentum muß an den Christus Jesus selbst glauben, nicht nur an die Lehren von ihm. Der Logos kam herunter zu den Ich-Menschen, das Wort ist in einem Menschen Fleisch geworden und hat wirklich unter uns gewohnt. Alle sind selig in dem Glauben an den Einzigen, in dem der Logos selbst verkörpert ist. Nur Einer kann sagen: «Selig seid ihr, so ihr um meinetwillen verfolgt werdet.»
Vers 12: «Seid frohen Mutes und voll von Trost, es wird für euch die Frucht im Himmel tragen, denn also haben sie verfolgt die Propheten.» Gemeint sind damit die von Gott inspirierten Ich-Menschen.
Vers 13: «Ihr seid das Salz der Erde.» Salz bedeutet das, was der Erde Weisheit gibt.
Nun könnte jemand auf den Schluß von Kapitel 7, 28 und 29 verweisen: «Und es begab sich, da Jesus diese Rede vollendet hatte, entsetzte sich das Volk über seine Lehre, denn er predigte gewaltig und nicht wie die Schriftgelehrten.« Man könnte also meinen, daß Jesus doch wirklich zu dem Volke gesprochen hätte. Allein diese Verse stehen in gar keinem Zusammenhang mit der Bergpredigt, diese kontrastiert sogar mit dem, was unterdessen im Volk Aufruhr verursacht hatte. Das Volk entsetzte sich über eine Rede Jesu, aber über eine ganz andere als die Bergpredigt und darüber entstand im
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Volke Tumult und Aufruhr. Man muß nur allen Vorgängen in der Bibel genau nachgehen und die Worte richtig zu lesen wissen, so geht einem für vieles, über das man bisher einfach weggelesen hat, ein neues Verständnis auf.
I 11 Die Bergpredit, Fragenbeantwortung zum Vortrag Stuttgart, 19. Januar 1907
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Die Bergpredigt
Stuttgart, 19. Januar 1907
Fragenbeantwortung
Was ist von den beiden Übeltätern zu sagen, die mit Jesus gekreuzigt wurden?
Man muß vor allen Dingen ins Auge fassen, daß die sinnbildliche Deutung die wirkliche Tatsache nicht ausschließt. Manche wollen nur alles nach dem Buchstaben auslegen, halten Jesus nur für einen Menschen, der wirklich gelebt hat, und können nicht glauben, daß hinter alldem noch ein tieferer Sinn steckt. Die andern dagegen wollen alles auf geheime Weise deuten und können nicht an die geschichtlichen Begebenheiten glauben. Aber das Sinnbild ist zugleich wirklich geschichtliche Tatsache. Die Tatsache des Christentums ist überhaupt nur zu fassen, wenn sie als wirkliche Tatsache betrachtet wird. Es ist das Geheimnis der Menschheitsevolution: Christus zwischen den beiden Verbrechern, dem, der bereut, und dem, der verstockt bleibt. Es ist dies wieder der Ausgleich zwischen Egoismus und Liebe. Die Liebe ist auf Blutsverwandtschaft gegründet, und die Selbstsucht will sie auseinanderbringen. Christus will dies ausgleichen, das bedeuten die drei Kreuze auf Golgatha. Das eine ist das Prinzip des Guten, das andere ist das Prinzip des Bösen. «Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein.» Paradies ist ein Schlüsselwort und heißt: Du wirst mit mir an einem Orte sein über den gewöhnlichen Tag hinaus. Bevor der Mensch schuldig geworden ist, lebte er im Schoße der Gottheit. Wie erlangt er ein Anrecht, wieder ein Kind Gottes zu werden? Durch Friedfertigkeit! Wie kommt man davon weg? Durch Selbstsucht!
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Haben auch andere Völker in ihrem Ich die Initialen I-CH?
Es gilt nur für die deutsche Sprache. Das deutsche Ich gibt Kraft in die Seele. Daß diese Initialen den Namen Christus ergeben, soll uns das Wort lebendig machen. Christus ist da alle Tage und wirkt durch alle Sprachen. Je weiter wir nach Osten kommen, desto reicher ist die Sprache, je weiter nach Westen, desto ärmer. Amerika ist darum am ärmsten; es hat den geringsten Wortschatz in seiner Sprache. Die Gebete der alten Sprachen verlieren ihre alte Kraft, wenn sie in neuere Sprachen übertragen werden. In den lateinischen Worten des Pater noster liegt viel mehr Kraft als im Vaterunser. Die Sprache des alten Vaterunser ist die aramäische. Wer es sprach in der aramäischen Sprache, hat Zauberkraft empfunden. Durch die richtige Erfassung der Sachen müssen wir wieder die Gewalt der Worte in die Sprache hineinbringen. Die vier Sätze in «Licht auf den Weg. zum Beispiel haben englisch nicht dieselbe Kraft wie im Deutschen. Diese vier Sätze lauten in keiner Sprache so schön, wie in der deutschen; sie hat die schönste Übersetzung dieser vier Sätze.
Die dritte Frage ist unverständlich
Diese früheren Naturforscher haben mit der größten Ehrfurcht zur Bibel aufgesehen. Pfarrer X. sagte: Moses hat ebenso viele Dinge gewußt wie der moderne Naturforscher, oder er war inspiriert. Pfarrer X. hat überhaupt eine brillante, feine Art, wie er die Bibel erklärt. Als die Bibelkritik anfing, da ging die Ehrfurcht und Achtung vor der Bibel verloren. Aber aus der Bibelkritik wird nie anderes erwachsen. Für die Geisteswissenschaft ist eines charakteristisch, und dieses eine ist Gesinnung. Jeder Gedanke wird durchströmt von dieser Gesinnung, alles wird davon durchdrungen. Und was ist diese Gesinnung? Der Natur gegenüber haben wir auch eine Gesinnung, aber die Natur kritisieren wir nicht. Die Geisteswissenschaft will im Geistesleben unbefangen und mit Verständnis verstehen, alles im Leben verfolgen; nicht den Maßstab von Sympathie und Antipathie anlegen, sondern unbefangen alles verstehen, so im Menschenleben, so in der geistigen Welt. Um Verständnis handelt es sich in der Geisteswissenschaft. Man muß sich eine Gesinnung aneignen im
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Geistesleben wie in den Forschungen der Natur, dann macht man Erfahrungen. Die Bibel soll ein Buch werden, vor dem die Kritik anfängt zu schweigen. Wenn man sie dann richtig und unbefangen liest, so erlebt man, daß man anfängt, etwas als Ausdruck und Erfahrung zu empfinden, was man sich vorher nicht träumen ließ. Man findet dann tiefe Weisheiten, während man vorher sich Hindernisse in den Weg gelegt hat. Aus der Geistesforschung muß der Schlüssel gefunden werden, wie die Bibel richtig zu lesen ist; und sie wird ihn finden. Dann wird die Bibelkritik abgelöst von einer tiefen und tiefgründigen Auslegung. Die Naturwissenschaft hat es nur mit materiellen Erscheinungen zu tun und sieht davon ab, daß diese eine geistige, ihnen zugrunde liegende Entwickelung haben. Die Aufgabe der Geisteswissenschaft ist, das Wesen des Menschen zu erforschen und die Entwickelung des Menschen im Weltenall. Wo Naturforscherweisheit stehenbleiben muß, da tritt die Geistesforschung ein, denn der Naturforscher sieht nur das Äußere, er will die Atome ergründen. Aber gerade das, was der Naturforscher nicht erklären kann, das ist da. Auch der Haeckelismus ist für den Geistesforscher Wahrheit, insofern er äußere Dinge beschreibt. Der Geistesforscher will aber mit höheren, geistigen Augen zurückblicken auf das zarte Werden und will erforschen, welche geistigen Tatsachen neben den äußeren Tatsachen hergehen. Wenn man mit Geistesaugen und Geistesohren die Dinge betrachtet, dann nimmt man das Übersinnliche am Menschen wahr.
So viel physische Sinnesorgane wir haben, so viel nehmen wir von der äußeren Welt wahr. Wer also streitet und sagt: Es gibt nur, was ich physisch sehe , der hat noch keine Geisteskräfte entwickelt. So oft der Mensch ein neues Organ erwirbt, so oft nimmt er eine neue Welt wahr. Die Seelenaugen und Seelenohren können erworben werden. Wenn der Mensch Energie und Geduld genug hat, dann wird er ein Eingeweihter. Was ein Eingeweihter mit geistigen Augen schaut, muß er mit Bildern aus der physischen Welt ausdrücken. Das meinte Goethe, der ein Eingeweihter war, in dem Vers: «Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis». Die großen geistigen Wahrheiten in zutreffenden Gleichnissen ausdrücken, nennt man imagi-
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native Erkenntnis. Also nicht wegführen von der Materie will die Geisteswissenschaft, sondern sie sieht in der Materie den verdichteten Geist, der sich zu der Materie verhält wie das Eis zum Wasser.
Das Siebentagewerk ist ein Vergleich mit großen geistigen Tatsachen. Wer den Schlüssel zum Lesen der Bibel hat, der kann immer wieder die Bibel ganz wörtlich nehmen. Kein Dokument enthält die Wahrheiten der Theosophie besser als die Bibel. Die Erklärung der Bibel und den Zugang zum unbefangensten Verständnis der Bibel strebt die Geisteswissenschaft an. Die Zerspaltung des Schöpfungswerkes in zwei Teile wird man verstehen lernen, wenn man zu unterscheiden lernt den Menschen, der ungeschlechtlich ist das ist der geistige astrale Mensch. Dann fand eine Umdrehung statt: der ungeschlechtlich-geistige Mensch wurde zum physischen zweigeschlechtlichen Menschen, deshalb muß von einer doppelten Schöpfung die Rede sein. So oft hört man sagen: Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig , wobei dann jeder seinen eigenen Geist meint. Goethe sagt:
Und solang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und Werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.
Dieses «Stirb» heißt nicht: töte den physischen Leib, sondern: gebäre einen neuen Menschen aus dir heraus, daß er dir das Werkzeug gibt für die geistige Welt. Er soll ein Werkzeug der Stärke werden. Stirb und Werde» müssen wir auch zum Buchstaben sagen. In der Geisteswissenschaft ist eben alles wertvoll, auch das Kleinste ist ein Ausdruck von verdichtetem Geist. Wer die Bibel bekämpft, versteht sie nicht, er bekämpft sein eigenes Wahngebilde. Viele Menschen vermessen sich, ein Bekenntnis zu begründen. Aber klein und unbescheiden ist es, wenn man sich dann zufrieden gibt im Bewußtsein: Wie haben wir es so herrlich weit gebracht! Die Geisteswissenschaft will immer tiefer dringen, sie will liebevoll in den Buchstaben sich vertiefen und der Seele den Weg zum Göttlichen eröffnen.
I 12 Das Vaterunser, Karlsruhe, 4 Februar 1907
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Das Vaterunser
Karlsruhe, 4. Februar 1907
In all den gebetsartigen Formeln und sonstigen Weisheitssprüchen und dergleichen, die uns überkommen sind von den großen Religionen, liegt überall viel von den tiefen Geheimnissen des Daseins. Wir müssen uns nur darüber klar sein, daß alle die verschiedenen Religionen das Gebet hatten, daß sie sich allerdings in einer bestimmten Art unterschieden, indem die einen das Gebet mehr in der Form der sogenannten Meditation, das Christentum und einige andere Religionen dagegen das eigentliche, wirkliche Gebet hatten, wie es unter diesem Namen heute bekannt ist. Meditationen haben vorzugsweise die orientalischen Religionen. Meditation ist ein Sich-Versenken in einen geistigen Inhalt, und zwar so, daß der Betreffende in diesem geistigen Inhalt, in den er sich versenkt, ein Zusammengehen mit dem geistig-göttlichen Urgrund der Welt findet. Also fassen Sie das richtig auf: Es gibt Religionen, die ihren Angehörigen Meditationsformeln geben, zum Beispiel bestimmte gebetsartige Formeln, in die man sich versenkt und in deren Versenkung man fühlt, wie der Strom des göttlich-geistigen Lebens die Seele durchzieht, und der Mensch in diesen Momenten in dem göttlichen Urgrund des Geistigen aufgeht. Diese Formeln sind aber mehr Gedankeninhalt. Im Grunde genommen ist das christliche Gebet auch nichts anderes, nur ist sein Inhalt ein mehr empfindungs- und gefühlsmäßiger. Der Christ versenkt sich mehr auf dem Wege der Empfindung und des Gefühls in das göttliche Wesen, das die Welt durchströmt.
Man darf aber nicht glauben, daß das christliche Gebet immer in einem solchen Sinne aufgefaßt wurde oder überhaupt so aufgefaßt werden kann, wie es heute vielfach geschieht. Es gibt ein christliches Urgebet, in dem der Christus Jesus selbst, so klar als es irgend möglich ist, darauf hingewiesen hat, welche Stimmung für den Christen im Gebet notwendig ist. Und dieses Urgebet ist einfach das: «Vater, ist es möglich, so laß diesen Kelch an mir vorübergehen,
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doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe.» Fassen wir einmal diese letzten Worte ins Auge. Wir haben es zunächst mit einer wirklichen Bitte zu tun: das Vorübergehenlassen des Kelches, aber zu gleicher Zeit mit einem völligen Aufgehen in dem Willen des Göttlich-Geistigen: «Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe.» Diese Stimmung, daß man während des Gebets den Willen des Göttlich-Geistigen durch sich hindurchwirken läßt, aufgeht darin, nichts für sich will, sondern in sich die Gottheit wollen läßt, diese Stimmung muß als eine Unterströmung, ein Grundton das Gebet durchdringen, wenn es christlich sein soll.
Klar ist, wie unmöglich es ist, hierdurch ein egoistisches Gebet zu haben. Es ist ja schon auch aus andern Gründen unmöglich, ein egoistisches Gebet zu Gott zu schicken, denn der eine würde bitten um Regen, der Nachbar um Sonnenschein, beide würden bitten aus ihrem Egoismus heraus, ganz abgesehen von dem Falle, wo zwei Heere kampfbereit einander gegenüberstehen, und jedes bittet, daß ihm der Sieg verliehen werde, was ja ganz ausgeschlossen ist. Aber wenn man den Unterton, den Grundton hat, .nicht mein, sondern dein Wille geschehe», dann kann man um alles bitten, dann ist das ein Aufgehen in dem göttlich-geistigen Willen. Ich möchte um das bitten, aber ich stelle es der göttlich-geistigen Wesenheit anheim, zu entscheiden, ob es mir werden soll oder nicht.
Dies ist die Grundstimmung des christlichen Gebets, und von diesem Gesichtspunkte aus ging nun das umfassendste, universellste Gebet der christlichen Überlieferung: Das Vaterunser, das nach der christlichen Überlieferung von Christus Jesus selbst gelehrt worden ist. Dieses gehört tatsächlich zu den allertiefsten Gebeten der Welt. Wir können nur heute nicht mehr die ganze volle Tiefe des Vaterunsers ermessen, wie es die Ursprache ergeben hat, in der es gelehrt wurde. Aber der Gedankeninhalt ist ein so gewaltiger, daß er in keiner Sprache auch nur irgendwie Einbuße erleiden könnte.
Wenn Sie zu den Gebeten anderer Völker gehen, dann finden Sie überall da, wo die Religionen in ihrer Blüte stehen, ihre Höhe erreicht haben, Gebete in dem Sinne, der Ihnen charakterisiert worden ist. Solche Gebete haben allerdings dann, wenn die verschiedenen
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Religionen heruntergekommen sind, einen weniger richtigen Charakter angenommen: Sie sind zu Zauberformeln geworden, zu Mitteln des Götzendienstes, und in der Zeit, in der Christus Jesus die Seinigen beten lehrte, waren viele, viele solcher Zauberformeln die ja alle da, wo sie entstanden sind, etwas Tiefes bedeuteten im Gebrauch. Solche Zauberformeln bezogen sich immer auf das, was man äußerlich gerne hatte, also gerade auch auf eine egoistische, von persönlichen Wünschen erfüllte Bitte. So sollen die Christen nicht beten, lehrte der Herr. Das ist ein Gebet, das sich auf Äußeres bezieht. Der Christ soll so beten, daß sein Gebet im stillen Kämmerlein geschieht, und das ist das Innerste der menschlichen Seele, jener Teil, in dem sich der Mensch mit der göttlich-geistigen Wesenheit verbinden kann. Klar müssen wir uns ja sein, daß in jedem Menschen etwas lebt, das wir als einen Tropfen aus dem Meere des Göttlichen bezeichnen können, daß etwas in jedem Menschen ist, was Gott gleich ist. Es wäre aber ganz falsch, zu denken, daß deshalb der Mensch selbst Gott gleich sei. Wenn man sagt: Etwas ist im Menschen, das Gott gleich ist , so heißt das noch nicht, auch der Mensch selbst ist Gott gleich, denn ein Tropfen aus dem Meere ist seiner Substanz nach dem Meere gleich, aber der Tropfen ist doch nicht das Meer. So ist die menschliche Seele ein Tropfen aus dem Meere der Gottheit, aber sie ist nicht Gott, und so wie der Tropfen sich mit seiner eigenen Substanz vereinigen kann, wenn Sie ihn ins Meer gießen, so vereinigt sich die Seele als ein Tropfen der Gottheit in geistiger Weise in Gebet oder Meditation mit ihrem Gott. Dieses Vereinigen der Seele mit ihrem Gott heißt Christus Jesus, das Beten im stillen Kämmerlein.
Wenn wir nun zunächst charakterisiert haben, welches die Gesinnung des christlichen Gebetes und die Forderung bei diesem Gebet in bezug auf die christliche, menschliche Gesinnung ist, dann werden wir uns nun den Inhalt des Vaterunsers selbst vor die Seele rücken können. Gesagt wurde Ihnen, daß das Vaterunser das umfassendste Gebet ist. Deshalb werden Sie es mit mir für nötig finden, daß wir, um das Vaterunser zu verstehen, einmal eine ganz umfassende Weltbetrachtung anstellen. Es wird ein weiter Umweg not-
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wendig sein, das Vaterunser zu begreifen. Wir müssen von einem gewissen Gesichtspunkte aus das Wesen des Menschen betrachten. Sie wissen, daß wir das so tun, wie die Geistesforschung der Jahrtausende es immer betrachtet hat. Führen wir uns das noch einmal rasch vor die Seele.
Wenn ein Mensch vor uns steht, so steht da zunächst der physische Leib, den er in seinen Stoffen und Kräften mit allen Mineralien und scheinbar leblosen Naturprodukten gemeinsam hat. Dieser physische Leib des Menschen ist aber nicht, wie etwa der materialistische Sinn meint, allein in dem Raume vor uns, sondern er ist nur das allerunterste der Glieder der menschlichen Wesenheit. Als nächstes Glied unterscheiden wir den Ätherleib oder Lebensleib des Menschen, den er gemeinschaftlich mit den Pflanzen und Tieren hat, denn jede Pflanze, jedes Tier und jeder Mensch muß die chemischen und physischen Stoffe aufrufen, so daß sie zum Leben kommen, nicht durch sich selbst können sie sich Leben geben. Das dritte Glied ist der astralische Leib, der Träger von Lust und Leid, Trieben, Begierden und Leidenschaften und den gewöhnlichen Vorstellungen des täglichen Lebens. Alles das könnte der Mensch nicht haben, wenn er nicht diesen astralischen Leib hätte. Diesen hat er nur noch mit den Tieren gemeinschaftlich. Auch das Tier hat Lust und Leid, Triebe, Begierden und Leidenschaften und hat also auch diesen Leib. Den physischen Leib hat der Mensch demnach gemeinschaftlich mit den scheinbar leblosen Mineralien, den Äther- oder Lebensleib mit allem was wächst und sich fortpflanzt, mit dem ganzen Pflanzenreich; den astralischen Leib hat er gemeinschaftlich mit der tierischen Natur. Dazu hat er noch etwas, wodurch er hinausgeht über diese drei Naturreiche der Erde, wodurch er die Krone der Erdenschöpfung ist. Das ist das vierte Glied seiner Wesenheit.
Wir kommen dazu, wenn wir eine kleine Überlegung anstellen. Es gibt einen Namen, der sich unterscheidet von allen übrigen: «Ich» können Sie zu niemand anderem sagen. Für jeden anderen bin ich ein «Du», und jeder andere ist für mich ein «Du». «Ich» kann nur als Name für das, was es bedeutet, im Inneren der Seele selbst ertönen, niemals kann es von außen an Sie heranklingen, wenn es Sie
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selbst bedeutet. Das haben die tieferen Religionen immer empfunden zu allen Zeiten, und daher sagten sie: Wenn die Seele anfängt, im Inneren diese ihre Selbstbezeichnung sich zu geben, dann fängt der Gott im Menschen zu sprechen an, der Gott, der durch die Seele spricht. Der Name «Ich» kann nicht von außen hineintönen, er muß in der Seele selbst ertönen. Das ist das vierte Glied der menschlichen Wesenheit.
Die hebräische Geheimwissenschaft hat dieses Ich den unaussprechlichen Namen Gottes genannt. «Jahve» bedeutet nichts anderes als: «Ich bin». Was eine äußere Wissenschaft auch für Interpretationen geben kann, in Wahrheit hat es bedeutet: «Ich bin» das vierte Glied der menschlichen Wesenheit. Dieses sind die vier Glieder, aus denen der Mensch zunächst besteht. Wir nennen sie auch die vier Glieder der sogenannten niederen Natur des Menschen.
Nun müssen Sie, um die ganze Wesenheit des Menschen zu verstehen, in der menschlichen Entwickelung noch ein wenig zurückgehen. Da kommen wir zurück zu mannigfaltigen Völkern, die uns vorangegangen sind: die alte germanische und mitteleuropäische Entwickelung, die griechisch-lateinischen und chaldäischen Völker, Ägypter, Assyrer, Babylonier und Hebräer, die persischen Völker bis hinunter zu dem Volk, von dem unsere jetzige Kultur ausgegangen ist: zu dem indischen Volk. Dieses hat seinerseits aber auch wieder Vorfahren gehabt, welche aber ganz woanders gelebt haben, und zwar auf jenem Erdteil, der jetzt der Meeresboden zwischen Europa und Amerika ist, in der Atlantis. Diese ist durch mächtige Fluten hinweggespült worden, der Boden hat sich gesenkt durch ein gewaltiges Naturereignis, das sich in den Mythen und Sagen aller Völker als die Sintflut erhalten hat.
Aber auch dieses ist noch nicht das älteste Kulturland der Erde. Vor langen Zeiten kommen wir zurück in das Gebiet, wo der Mensch in seiner heutigen Form entstanden ist, ein Land, das ungefähr zwischen dem heutigen Hinterindien, Australien und Afrika lag: das alte Lemurien, ein uraltes Land, in dem ganz andere Verhältnisse als heute auf der Erde geherrscht haben. Gewöhnlich stellt man sich viel zu wenig vor, wie groß und ganz umfassend die Um-
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änderungen auf der Erde im Laufe der Menschheitsentwickelung selbst waren. Da nun treffen wir einen Zeitpunkt an, in dem die niedrige Natur des Menschen schon vorhanden war. Damals wandelten auf dieser Erde Wesenheiten, die aus diesen vier Gliedern bestanden: physischem Leib, Ätherleib, Astralkörper und der Ich-Natur. Diese Wesenheiten waren höher organisiert als die höchsten heutigen Tiere, nur noch keine Menschen: Tiermenschen, aber nicht etwa wie die heutigen Tiere. Diese sind degenerierte Nachkommen, die sich von diesen Tiermenschen durch Zurückbleiben und Zurückbildung entwickelt haben. Mit diesen Wesen also, die damals lebten, ist in jener Zeit etwas ganz Besonderes geschehen.
Damals waren sie reif, eine gewisse Kraft in sich aufzunehmen, eine Kraft, welche unsere höhere Seelenkraft ist. Es fand, wenn wir das so ausdrücken wollen, damals die Vereinigung der niederen Menschennatur mit der menschlichen Seele statt. Diese Menschenseele ruhte bis dahin im Schoße der Gottheit, war ein Glied innerhalb der Gottheit selbst. Oben also, im Reiche des Geistigen, haben wir die göttlich-geistige Wesenheit, unten die bis zu diesem Zeitpunkt herangereiften viergliedrigen Menschenhüllen, die fähig waren, Tropfen dieser Gottheit aufzunehmen. Bildlich können wir uns nun vorstellen, was damals geschah. Denken Sie sich ein Glas mit Wasser, Sie nehmen hundert kleine Schwämmchen und versuchen, nach und nach jedes dieser Schwämmchen mit einem Tropfen aus diesem Wasser anzusaugen, dann haben Sie hundert Tropfen, die vorher mit dem Wasser ganz verbunden waren, verteilt auf hundert Schwämmchen. So können Sie sich bildlich und einfach vorstellen, wie dazumal der Prozeß der Beseelung vor sich ging. Die Seele ruhte bis dahin in der großen allgemeinen göttlichen Wesenheit wie der Tropfen in dem Glase Wasser. So wie diese Schwämmchen wirkten, so wirkten diese physischen Menschenhüllen. Es sonderten sich diese geistigen Tropfen aus der gemeinsamen göttlichen Substanz heraus, sie wurden individualisiert, sie waren als Seelen Tropfen in den Hüllen darin und fingen dazumal an, den Menschen eigentlich zu bilden, wie er jetzt ist, als eine geistig-physische Wesenheit. Dazumal verkörperten sich diese Seelen zum ersten Mal, gingen
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dann durch viele, viele Verkörperungen hindurch und bildeten ihren Menschenleib aus bis zu seiner heutigen Gestalt. Aber was dazumal geschehen ist, ist die Vereinigung von Teilen der Gottheit mit den niederen Gliedern der Menschennatur. Mit jeder Verkörperung kamen sie weiter, mit jeder Verkörperung wurden sie vollkommener, um in der Zukunft einen gewissen Höhepunkt zu erlangen.
Diesen Teil der höheren Natur, der sich dazumal verbunden hat als eine Kraft, welche die niedere Natur umänderte und sich in dieser Umänderung selbst erhöht, nennen wir den höheren Wesenskern des Menschen: Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmensch oder Manas, Buddhi, Atma. Es sind das also die Teile der göttlichen Wesenheit, durch die der Mensch stufenweise die niedere Natur in die höhere allmählich überführt. Durch seine Kraft des Manas gestaltet er den astralischen Leib um, durch die Buddhi den Ätherleib, und durch die Kraft des Atma gestaltet er den physischen Leib um. Sie alle also hat er zu verklären, zu durchgeistigen, um einmal das Ziel seiner Entwickelung zu erlangen. So hatten wir einmal die vier Glieder: physischen Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich, und wir haben in jener Zeit dazu erhalten die Keimanlage zur Höherentwickelung, die eigentlich ein Ausfluß der höchsten geistigen Wesenheit ist: die dreifache, höhere Wesenheit des Menschen, den göttlichen Wesenskern, die göttliche Anlage des Menschen. Diesen höheren Teil der menschlichen Natur können wir nun von zwei Gesichtspunkten aus betrachten. Der eine ist der, daß wir sagen: Das ist die höhere Menschennatur, zu der sich der Mensch im Laufe der Entwickelung hinentfaltet. Oder aber wir betrachten ihn als einen Teil der göttlichen Wesenheit, von der er ausgeflossen ist, der göttliche Teil im Menschen. Der Christ betrachtet ihn zunächst im letzteren Sinne, und wir wollen dies nun auch tun und studieren, welcher Art diese höheren Kräfte der menschlichen Natur sind. Wir gehen von dem höchsten Glied aus, von dem, was im Menschen die Kraft des Atma genannt wird.
Was ich Ihnen jetzt schildere, ist nicht etwa irgendeine äußere Definition, sondern ich möchte Ihnen die wirkliche Natur und Wesenheit dieses höheren Teiles der menschlichen Natur charakterisieren.
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Dasjenige, was zur Kraft des Atma wird, das ist nämlich, insofern es eine Kraft ist, die aus der Gottheit fließt, willensartiger Natur. Wenn Sie sich auf Ihre eigene Willenskraft besinnen, auf das, was in Ihnen wollen kann, dann haben Sie eine schattenhafte Nachbildung, einen schattenhaften Abglanz dessen, was aus der Kraft des Atma, aus der Gottheit ausfließt. Der Wille des Menschen ist heute die Kraft, die noch am wenigsten ausgebildet ist. Der Wille kann sich aber immer weiter und weiter ausbilden, bis eine Zeit kommen wird, da er einmal auf seinem Höhepunkt angelangt ist, dann, wenn dieser Wille fähig sein wird, das zu vollbringen, was man in den Religionen .das große Opfer» nennt.
Stellen Sie sich vor, Sie stünden vor einem Spiegel und schauten hinein. Ihr Bild gleicht Ihnen vollständig in jedem Teile Ihrer Physiognomie, Ihrer Gesten, in allem ist es Ihnen gleich, es ist aber Ihr totes Bild. Sie stehen davor als eine lebendige Wesenheit und haben es mit Ihrem toten Bilde zu tun, das Ihnen in allem gleich ist bis auf die lebendige Wesenheit, bis auf den substantiellen Inhalt. Denken Sie sich einmal, Ihr Wille wäre bis zu dem Punkte gewachsen, daß er imstande wäre, den Entschluß zu fassen, Ihr eigenes Dasein, Ihre eigene Wesenheit aufzugeben und diese abzugeben an Ihr Spiegelbild; Sie wären imstande, sich ganz hinzuopfern, um Ihr Spiegelbild mit Ihrem Leben zu versehen. Von einem solchen Willen sagt man: er emaniert, er strömt sein eigenes Wesen aus. Es ist das die höchste Entfaltung des Willens, das, was das Christentum den «göttlichen Vaterwillen» nennt.
Der menschliche Wille ist also heute unter allen Seelenkräften das am wenigsten ausgebildete Glied. Er ist aber auf dem Wege, sich zu solcher Macht hin zu entfalten, daß er «das große Opfer» zu vollbringen imstande ist. Das ist die wirkliche Natur dessen, was sich als die Kraft des Atma entwickeln kann: willensartige Natur, insofern es ein Ausfluß göttlicher Wesenheit ist.
Nun wollen wir das zweite Glied der höheren menschlichen Natur betrachten, die Buddhi oder den Lebensgeist, unter dem Gesichtspunkt eines Ausflusses von der Gottheit, wie es im Christentum betrachtet worden ist. Sie bekommen am leichtesten einen Be-
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griff davon, wenn Sie sich nun nicht an die Kraft halten, die von sich ausströmt, um das Spiegelbild zu beleben, sondern an das Spiegelbild selbst. In dem Spiegelbild entsteht eine vollständige Wiederholung der ursprünglichen Wesenheit, es ist dasselbe und doch nicht dasselbe , wenn Sie das auf die Welt anwenden, auf das ganze Universum: wie der göttliche Weltenwille in einem Punkte nach allen Seiten gespiegelt wird.
Denken Sie gleichsam eine Hohlkugel, die nach innen spiegelt. Der eine Punkt im Inneren wird unendlichfach nach innen gespiegelt. Überall in unendlicher Vermannigfaltigung der göttliche Weltenwille, überall Spiegelbilder, Einzelheiten des Göttlichen.
Betrachten Sie so den Kosmos, das Universum als eine Spiegelung des unendlichen Weltenwillens. In keinem einzelnen Wesen ist der göttliche Weltenwille darin, aber überall spiegelt sich der Weltenwille in der mannigfaltigsten Weise. Die Spiegelung der Gottheit wobei die Gottheit in dem Punkte bleibt, wo sie ist, und doch jeden Punkt, in dem sie sich spiegelt, durch «das große Opfer, belebt das nennt man das «Reich, im christlichen Sinne. Und dieser Ausdruck, das Reich, bezeichnet dasselbe, was im Menschen die Buddhi ist. Wenn Sie das Universum in bezug auf das schöpferische, produktive Prinzip betrachten, das aus dem Ursprünglichen, Göttlichen ausfließt, so ist dasjenige, was sich zunächst an das Atma anschließt, sein göttlicher Lebensfunke, die Buddhi. Als «Reich» ist es universell-kosmisch.
Und nun wenden wir den Blick von da herunter auf die Einzelheiten des Reiches. Wir haben es erst als ein Ganzes betrachtet. Jetzt gehen wir zum einzelnen herunter. Wodurch unterscheidet man das eine von dem andern? Durch das, was man im christlichen Sinne den «Namen» nennt. Ein jedes wird benannt, und dadurch unterscheidet man das Mannigfaltige, Einzelne des Reiches untereinander. Der Christ versteht unter dem Namen das, was vielfach die Vorstellung genannt wird, das, was einem Dinge eigen ist. Wie der einzelne Mensch sich von dem andern durch den Namen unterscheidet, so wird der Name so empfunden, daß in ihm zugleich ein Teil der göttlichen gespiegelten Wesenheit liegt. Der Christ verhält
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sich richtig zu diesem Namen, wenn er sich klar ist, daß ein jedes Glied des Reiches ein Ausfluß des Göttlichen ist, bei jedem Bissen Brot, daß er ein Ausfluß, ein Spiegel und ein Teil der Gottheit ist. Den geringsten Dingen gegenüber soll der Christ sich darüber klar sein. In der menschlichen Natur macht es das individuelle Geistselbst aus, daß er ein einzelner den andern gegenüber wird. Was im Reich der Name ist, das hat der Mensch in dem einzelnen Geistselbst oder Manas dadurch, daß er einen besonderen Teil der Gottheit bildet, einen besonderen Namen für sich hat, den Namen, der sich bei den einzelnen Menschen durch alle Inkarnationen hindurchzieht.
So sehen wir nun diese dreifache Natur vor uns als einen Ausfluß der göttlich-geistigen Wesenheit, und in diesem Sinne ist Atma der Wille der Gottheit, Buddhi oder der Lebensgeist das Reich und Manas oder das Geistselbst der Name.
Nun betrachten wir die vier niederen Teile der menschlichen Natur, von unten anfangend zuerst den physischen Leib. Dieser ist dasjenige, was dieselben Stoffe und Kräfte hat wie die äußere physische Natur, aber auch dieselben Stoffe und Kräfte fortwährend umsetzt. Diese ziehen ein und aus im menschlichen physischen Leib, und nur dadurch ist er da, daß diese Stoffe und Kräfte fortwährend ein- und ausziehen. Er kann nur dadurch bestehen, daß er sich fortwährend erneuert und umsetzt durch die äußeren physischen Stoffe. Er ist ein Ganzes mit der übrigen physischen Natur. So wenig Sie diesen Finger abschneiden können, so daß er bleibt, was er ist er verdorrt, sobald Sie ihn vom übrigen Körper trennen, er ist das, was er ist, nur dadurch, daß er im ganzen Organismus ist , ebensowenig können Sie den physischen Menschenleib so von der Erde trennen, daß er bleibt, was er ist. So ist der Mensch nur das, was er im Zusammenhang mit den Elementen der Erde ist. Die physischen Stoffe und Kräfte ziehen aus und ein in ihm, und dadurch ist er dasjenige, wodurch er einzig und allein seine Wesenheit erhalten kann. Damit ist dieser physische Leib charakterisiert.
Das zweite Glied ist der Äther- oder Lebensleib. Bei ihm müssen wir uns klar sein, daß er das ist, was die bloß physischen Stoffe und
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Kräfte zum Leben aufruft. Er ist der Träger von Wachstum und Fortpflanzung, der Lebenserscheinungen überhaupt, aber auch noch von ganz etwas anderem: von allen denjenigen Eigenschaften des Menschen, welche bleibenderer Natur sind als die vorübergehenden Triebe, Begierden und Leidenschaften. Wodurch unterscheidet er sich von diesen? Wenn Sie diesen Unterschied fassen wollen, dann denken Sie einmal nach, zurück bis zu der Zeit, da Sie acht Jahre alt waren. Denken Sie daran, was Sie seitdem alles gelernt haben, mit wieviel Begriffen und Vorstellungen, Erlebnissen und Erfahrungen Sie Ihre Seele bereichert haben es ist ungeheuer viel. Aber nun denken Sie über etwas anderes nach: Wie langsam, im Schneckengang, etwas anderes geht. Denken Sie daran, wie Sie ein jähzorniges Kind waren, und sagen Sie, ob dieser Zorn jetzt nicht noch manchmal durchdringt, wie Ihre Neigungen oder Ihr Temperament zum großen Teile dieselben geblieben sind. Das alles hat sich nicht so viel geändert wie Ihre Erlebnisse. Was man lernt, erlebt, erfährt, das kann man vergleichen mit dem Minutenzeiger der Uhr, und die Änderungen in bezug auf Charakter, Temperament und Gewohnheit mit dem Stundenzeiger der Uhr. Diese Verschiedenheit ist vorhanden, weil der ersteren Träger der Astralleib ist, während diese andern, die so langsam gehen, den Ätherleib zum Träger haben. Wenn sich Ihre Gewohnheiten ändern, so ist das eine Veränderung in Ihrem Ätherleibe. Haben Sie nur dieses oder jenes gelernt, so bedeutet das eine Veränderung im Astralleib.
Bei dem, der im höheren Sinne ein Schüler des eigentlichen Okkultismus wird, beruht diese Schulung nicht auf äußerem Lernen, sondern alle geheimwissenschaftliche Schulung geht im Ätherleib vor sich. Daher haben Sie für die eigentliche okkulte Ausbildung mehr getan, wenn es Ihnen gelungen ist, nur irgendeine festgewurzelte Charaktereigenschaft umzubilden, als wenn Sie noch soviel äußeres Wissen sich angeeignet hätten. Demnach unterscheidet man exoterisch, wofür der Ätherleib Träger ist, und esoterisch, was der Ätherleib braucht. Der Ätherleib ist auch der Träger des Gedächtnisses als Eigenschaft, nicht der Erinnerung. Wenn das Gedächtnis zum Beispiel schärfer werden soll, so ist damit eine Umänderung
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des Ätherleibes verknüpft, oder schwindet es, so ist das im Ätherleib eine Änderung, eine Änderung der Gedächtniskraft Noch etwas, das uns unendlich wichtig ist: Der Mensch lebt, so wie er jetzt ist, nach zwei Richtungen hin. Jeder gehört einer Familie, einem Stamm, Volk und so weiter an, und es sind auch gewisse Eigenschaften, die er mit den andern gemeinschaftlich hat und die ihn zu jenem Zusammenhang verbinden. Der Franzose hat andere als der Deutsche, dieser wiederum andere als der Engländer und so fort. Sie haben alle gewisse Stammeseigenschaften gemeinsam. Daneben hat aber jeder wieder seine eigenen, individuellen Eigenschaften, wodurch er herauswächst aus seinem Volk, wodurch er dieser besondere Mensch wird. Man ist ein Angehöriger einer Gemeinschaft wegen gewisser Eigenschaften des Ätherleibes. Der Ätherleib hat die Eigenschaften, durch die man einem Volk, einer Rasse, überhaupt der menschlichen Gemeinschaft angehört. Wollen Sie aber das erfassen, wodurch Sie herauswachsen aus dieser Gemeinschaft, so ist das im Astralleib zu suchen. Dieser bedingt das Individuelle im Menschen.
Daher hängt alles Leben eines Menschen in der Gemeinschaft davon ab, daß sein Ätherleib den richtigen Ausgleich findet mit den Ätherleibern derer, mit denen er zusammenleben muß. Findet er diesen nicht, so kann er nicht mit ihnen zusammenleben, es geht schief, er fällt heraus. So daß also dieser Ätherleib des Menschen die Aufgabe hat, sich den andern Ätherleibern anzupassen. Der astralische Leib bedingt das Individuelle, er hat vor allen Dingen so zu leben, daß der Mensch nicht persönliche Sünden begeht. Das, wodurch der Astralleib da- oder dorthin abirrt, sind die persönlichen Sünden, sind Verfehlungen des astralischen Leibes. Die Disharmonie mit der Gemeinschaft, das sind Verfehlungen des Ätherleibes. Die christliche Esoterik nannte nun, wenn sie genau sprach, die Verfehlungen des Ätherleibes «Schuld», das, was das Gleichgewicht mit den andern stört. Eine Verfehlung des Astralleibes, die durch die Individualität bedingt ist, hieß in der christlichen Esoterik ein «Unterliegen der Versuchung». Der Astralleib unterliegt in bezug auf seine Triebe, Leidenschaften und Begierden der Versuchung.
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Dadurch irrt er ab, daß er in sich selbst der Versuchung verfällt. So unterschied man in der christlichen Esoterik «Schuld» und ein «Unterliegen der Versuchung».
Nun noch das vierte Glied der menschlichen Wesenheit: das Ich. Wir hatten den physischen Leib, der durch den Stoffwechsel besteht, den Ätherleib, der behaftet sein kann mit Schuld, den Astralleib, der der Versuchung erliegen kann. Nun das Ich. Es ist der Urgrund der Selbstsucht, des Egoismus. Das Ich, das ist dasjenige, das bewirkt hat, daß das, was Eins war in dem großen göttlich-geistigen Wesen, in die vielen eingezogen ist. Der Abfall aus der Einheit des Göttlichen in die einzelnen hinein ist durch das Ich bedingt. Deshalb sah das christliche Wissen in dem Ich den eigentlichen Ursprung des Egoismus und der Selbstsucht. Solange die einzelnen Wesenheiten in der Gottheit vereint waren, konnten sie nicht gegeneinander streben. Dies konnten sie erst in der Absonderung als Iche. Vorher konnten sie nur das wollen, was die Gottheit wollte. Dieses Gegeneinander-sich-Entwickeln, das dem Egoismus entspricht, das nennt das Christentum die Verfehlung des Ich, und die christliche Überlieferung bezeichnet den Zeitpunkt sehr genau, wo diese Seele heruntersteigt in den Leib durch den Sündenfall, durch den Apfelbiß. Die eigentliche Verfehlung des Ich bezeichnet man mit dem Ausdruck .Übel.. Die Verfehlung des vierten Gliedes ist also das Übel. Dem Übel verfallen kann also nur das Ich, und dies entstand durch das, was mit dem Apfelbiß bezeichnet wird. Malum ist ja im Lateinischen dasselbe Wort für Apfel und Übel.
Also nochmals kurz zusammengefaßt: Der physische Leib ist gleich mit den physischen Elementen rings um sich und erhält sich durch den fortwährenden Wechsel der Stoffe und Kräfte, Stoffwechsel. Der Ätherleib ist das, was das Gleichgewicht hält mit den andern Gliedern der Gemeinschaft und das der Schuld verfallen kann. Der astralische Leib, der nicht der Versuchung erliegen soll, und das Ich, das nicht dem Egoismus zum Opfer fallen darf, dem Übel.
Diese viergliedrige Wesenheit schließt sich zusammen mit der dreigliedrigen höheren, dem göttlichen Wesenskern:
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Nun fassen Sie einmal das Gebet auf als eine Verbindung des Menschen im stillen Kämmerlein mit der Gottheit selbst. Im Ursinne des Christentums ist es eben so, daß die Seele als göttlich dargestellt wird, als Tropfen vom Meere der Gottheit. Und diese Seele muß erflehen, daß dieser abgesonderte Tropfen wiederum zu seinem Ursprunge hinkommt. Diesen Ursprung der göttlichen Wesenheit des Menschen bezeichnet man mit dem Vater-Namen. Und das, wonach die Seele strebt, wo sie wieder vereinigt sein wird mit dem, was man mit dem Vater-Namen bezeichnet, ist das Devachan oder der Himmel.
Und nun denken wir uns das Urgebet: Eine Anrufung des Hinganges des einzelnen menschlichen Wesens zu dem, was die göttliche Vaternatur ist.
Dieses Gebet mußte erflehen, daß die drei höheren Glieder der Menschennatur zur Entwickelung kommen mögen, bitten, daß der «Wille», der der höchste Ausfluß des Göttlichen ist, im Menschen sich verwirklichen möge; daß das zweite Glied der göttlichen Wesenheit, das «Reich», im Menschen Platz greifen soll; daß das dritte Glied, der «Name», als heilig empfunden werden solle. Es würde sich dies also beziehen auf die drei höheren Glieder der göttlichen Wesenheit im Menschen. Und für die vier niederen Glieder der menschlichen Natur würde man bitten: Es mögen meinem physischen Leibe zukommen die Stoffe, die er braucht zu seinem Unterhalt. Der Ätherleib möge einen Ausgleich finden zwischen seiner Schuld und der Schuld der andern, er möchte in Harmonie mit den andern zusammenleben. Das Gebet müßte erflehen, daß für den astralischen Leib keine Versuchung ihn herunterziehe, und für das Ich, daß es nicht dem Übel, dem eigentlichen Ausfluß dessen, was man Egoismus nennt, verfällt.
Ihr sollt Eure Vereinigung mit dem Vater in einem Urgebete erflehen. Ihr sollt das in dem Sinne tun, daß die einzelnen Glieder Eurer siebengliedrigen Wesenheit in Eurem Gebete Euch vor der Seele stehen:
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«Vater unser in den Himmeln.» Erst ruft Ihr den Vater an, dann bringet die Bitten, die sich auf die drei höheren Glieder beziehen:
«Geheiligt werde dein Name, zu uns komme dein Reich.»
«Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden.»
Dann die vier Bitten, die sich auf die vier übrigen Glieder der menschlichen Natur beziehen:
«Gib uns heute unser täglich Brot.»
«Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.»
Das ist der Ausgleich mit denjenigen, unter denen wir leben.
«Führe uns nicht in Versuchung»: Unser astralischer Leib.
«Sondern erlöse uns von dem Übel»: das heißt: von jeglichem Ausfluß des Egoismus.
So haben Sie in den sieben Bitten des Vaterunser den Sinn der Entwickelung der siebengliedrigen Menschennatur gegeben. Aus der Tiefe der Weisheit über den Menschen heraus ist das Vaterunser als ein christliches Gebet den Christen gegeben, und die ganze theosophische Weisheit über den Menschen liegt im Vaterunser darin. Man braucht es nur zu verstehen, und man hat die ganze theosophische Weisheit, insofern sie sich auf den Menschen bezieht.
Diejenigen Gebete, die nicht nur kurz wirken, sondern die durch Jahrtausende hindurch die Seelen ergreifen und die Herzen erheben, sind alle aus der tiefsten Weisheit geschöpft. Niemals ist ein solches Gebet so gegeben worden, daß man in beliebiger Weise schöne oder erhabene Worte zusammengestellt hat, sondern man hat sie aus der tiefsten Weisheit heraus genommen, weil sie nur so die Kraft haben, über die Jahrtausende hinüber zu wirken auf die Seele der Menschen.
Nicht gilt der Einwand, daß ja die naive Seele nichts weiß von dieser Weisheit. Sie braucht nichts zu wissen, denn die Kraft, die das Vaterunser hat, kommt doch aus dieser Weisheit, und sie wirkt, auch wenn man nichts davon weiß.
Man muß es nur in der richtigen Weise verstehen: Ein Mensch geht hin vor eine Pflanze und ist entzückt davon. Auch das naivste Gemüt wird entzückt sein und weiß doch vielleicht nichts von der
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göttlichen Weisheit, die in der Pflanze ist. Ebenso ist es mit den großen Gebeten. Man braucht ebensowenig die Weisheit zu kennen, und ein solches Gebet hat doch die Kraft, die Weisheit, die Erhebung, die Heiligkeit des Gebetes. Ist es auch herausgeboren aus der höchsten Weisheit, so kommt es doch nicht darauf an, diese Weisheit zu wissen, sondern darauf, die Kraft der Weisheit zu erleben.
Erst in unserer Zeit ist die Möglichkeit vorhanden, wiederum das herauszuholen, was Christus Jesus hineingelegt hat in das Gebet, und wiederum das zu wissen, was er als Kraft hineingelegt hat besonders in das Vaterunser. Weil es aus den größten Tiefen der Weisheit über den Menschen selbst herausgeschöpft ist, über seine siebengliedrige Natur, deshalb ist es groß und gewaltig auch für das naivste Gemüt, und erst recht wiederum erhebend für einen, der auch die Weisheit herausschöpfen kann, die darinnen ist. Und nichts verliert es dabei von der Macht, die es immer ausgeübt hat, erschütternd und erhebend, wie die ganze Theosophie, die göttliche Weisheit, in dem Vaterunser darinnen ruht.
Der Menge sagte der Herr vieles in Gleichnissen. Wenn er aber mit seinen Jüngern allein war, legte er sie ihnen aus, denn sie sollten aus der weisheitsvollen Erklärung der Gleichnisse jene Kraft schöpfen, durch die sie seine Boten werden konnten, durch die sie wissen konnten, wodurch er selbst jene Zauberkraft erlangt hat, wodurch sein Werk über die Jahrtausende hin zu wirken berufen war.
Das ist dasjenige, was in den Sinn des Vaterunsers hineinführen sollte.
I 13 Das Vaterunser, Köln, 6. März 1907
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Das Vaterunser
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Wenn man von Gebet spricht im christlichen Sinne, muß man sich vor allen Dingen klarmachen, daß die Form des Gebetes kaum etwas anderes darstellt als die Versenkung, die Hingabe an das Göttliche. In denjenigen großen Religionen, die diese Hingabe mehr in gedanklicher Versenkung zu erreichen suchen, spricht man von Meditation; bei denjenigen Religionen, wo die Hingabe mehr vom Herzen als vom Kopfe ausgeht, mehr von der Persönlichkeit ausgeht, nennt man diese Hingabe Gebet. In der christlichen Religion hat diese Hingabe einen persönlichen Charakter bekommen; in den alten Religionen war sie viel mehr Unbewußtes, Unpersönliches. Der Mensch hat vor Jahrtausenden schon gewußt, daß es ein Ewiges, ein Göttliches gibt. Beispiel vom Sklaven, der sich sagt: Ein Leben unter vielen. Lebenshoffnung, Mut, Kraft und Sicherheit lebten darum damals in den Menschen. Eine Art Hinausblicken vom Zeitlichen ins Ewige war es. Es mußte aber für die Menschheit ein Zeitalter kommen, wo der Mensch persönlich zu seinem Gotte aufsieht. Das exoterische Christentum sagt: Von der Persönlichkeit, die von der Geburt bis zum Tode geht, hängt ungemein viel ab. So nahm darum die Meditation auch diesen persönlichen Charakter des Gebets an. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß es im Christentum ein Urgebet gibt: «Mein Vater, ists möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe.»
Wenn Sie diese Stimmung erzeugen, dann haben Sie ein christliches Gebet. Dasjenige Gebet, das für seine Persönlichkeit, für seine Angelegenheiten bittet, ist kein christliches Gebet. Da sind zum Beispiel zwei Heere, die zur Schlacht gerüstet sind, beide beten um Sieg. Zwei Bauern, der eine bittet um Regen, der andere um Sonnenschein. Was soll der Gott tun? Mit solchen persönlichen Wünschen und Begehren hat das wahre christliche Gebet nichts zu tun. Das persönliche Gebet, das wahre Gebet, kann auch bei persönlicher Bitte da sein, aber der oberste Grundsatz muß dabei sein:
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«Nicht mein, sondern dein Wille geschehe!» Damit ist aus dem christlichen Urgebet des Christus Jesus, des Herrn, heraus die Stimmung angegeben, die das Gebet haben soll. Es gibt viele christliche Gebete, aber das Vaterunser, das christliche Urgebet, ist dasjenige, von dem man sagen kann, daß es kaum etwas gibt auf der Welt, was so viel und so wichtiges enthält, wie dieses Vaterunser. Und dann erinnern wir uns daran, wie der Christus Jesus dieses Gebet einsetzt. «Wenn du betest, so gehe in dein Kämmerlein», sagt er.
Überall, in allen Religionen finden Sie Meditationsformeln, Zauberformeln. Diese Zauberformeln haben meditativ sogar die gleiche Bedeutung wie die Meditationen. Der Mensch hat sich seinem Gotte damit meditativ hingeben wollen, auch durch Zauberüben hat er sich seinem Gotte hingeben wollen. Der Christus Jesus aber mahnt: «Ihr sollt nicht beten um das, was auf der Straße geschieht, ihr sollt tief, tief in euer Inneres gehen, wenn ihr betet.» Es lebt in dem Menschen etwas von der göttlichen Wesenheit, ein Tropfen der göttlichen Wesenheit lebt im Menschen, der von demselben Stoffe ist wie die Gottheit. Das ganze Meer und der Tropfen Wasser sind auch vom selben Stoffe.
Und nun wollen wir einmal so, wie es in den ersten esoterischen Schulen üblich war, das Weltenall und den Menschen betrachten. Wir wollen dazu zurückgehen bis zu dem Zeitpunkt, wo die Menschenleiber, die sich vorbereiteten, gleichsam warteten auf den göttlichen Keim der Menschenseele, der sich aus der Gottheit heruntersenkt. Die damalige Weltbevölkerung bestand aus Pflanzen und anderem, Tiermenschenleiber waren darunter. Nicht der Mensch, wie er heute ist, war da. Die Seelen bereiteten sich den heutigen Leib allmählich vor. Eine geistige Flüssigkeit war rings um die Erde herum. Und nun denken Sie sich, es nähme jemand hundert kleine Schwämmchen und würde in jedes dieser Schwämmchen einen Tropfen dieser Flüssigkeit sammeln. Nun haben Sie in jedem einen Tropfen des Göttlichen. Die Seelen waren vorher im Meere der Gottheit, dann sind sie verkörpert als Tropfen. Diese Seelen waren damals noch sehr unvollkommen bei der ersten Verkörperung, aber im Keim hatten sie schon auch die höhere menschliche
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Wesenheit: Atma, Buddhi, Manas in sich zur Entfaltung, zur Entwickelung im Erdenleben. Der tierische Mensch hat schon die vier niederen Hüllen, aber erst mit der Seele gestaltet er sie um und erhält dann Atma, Buddhi, Manas.
Nun wollen wir diese Entwickelung esoterisch betrachten von zwei Gesichtspunkten aus: Erstens, der Mensch vergöttlicht sich immer mehr in Atma, Buddhi, Manas; zweitens, der Tropfen der Gottheit ist in ihm.
Wir wollen zuerst den höheren Menschen von seinem göttlichen Aspekt aus betrachten. Man hat in den christlichen Schulen gesagt: Erst betrachtet ihr das oberste Glied der göttlichen Wesenheit, zu dem der Mensch am Ende seiner Entwickelung aufgestiegen sein wird. Atma, der Wille, willensartiger Natur ist dieses oberste Glied. Sein Wille wird, wenn der Mensch vollkommen geworden sein wird, seine größte Macht sein. Der Wille muß dann nach außen fließen. Es wird dann beim Menschen keinen Willensentschluß mehr geben, der nicht sogleich zur Tat wird. Unser Atma ist willensartiger Natur. Die Gottheit hat uns mit dem Atma zuerst ihren Willen einströmen lassen. Der göttliche Wille lebt in uns und in allen Dingen.
Als zweites haben wir im Menschen die Buddhi. Indem die Gottheit herunterströmt in den Menschen, geht sie von Atma zu Buddhi. Wie wirkt denn der göttliche Wille? Wir können dem Verständnis des göttlichen Willens nur beikommen mit dem Begriffe des Opfers. Denken Sie sich, Sie sehen in einen Spiegel, da sehen Sie Ihre Gestalt: diese Gestalt ist Ihnen ähnlich. Denken Sie sich nun, in Ihnen wäre ein schöpferischer Wille, Sie würden dann alles, was Sie haben, all Ihr Leben, all Ihr Sein an das Bild hingeopfert haben. Sie leben damit in diesem Bilde. So können Sie das opfervolle Schaffen des göttlichen Willens begreifen. Der göttliche Wille spiegelt sich nicht nur in den Dingen, in den Bildern, sondern er opfert alles in sie hinein, und so haben Sie den geopferten göttlichen Willen im ganzen Weltenraum. So schaut der Christ in einem jeglichen Dinge der Welt ein Spiegelbild der Gottheit, des göttlichen Willens. Die hingeopferte Gottheit haben Sie im Weltenraum, und dieses Spiegelbild der Gottheit bezeichnete man im esoterischen Christentum
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als das «Reich.. Millionenfach vermannigfaltigt zurückgestrahlt den göttlichen Willen, das empfand man als das Reich. Das, was als Atma schafft, was in uns lebt als Buddhi, was draußen schafft in der Welt, das bezeichnete man als das Reich.
Nun blicken Sie hinauf, was im Spiegelbilde lebt von der Gottheit im Kosmos. Das kann das einzelne Wesen unterscheiden durch den «Namen.. Dieser ist in uns Manas, das Geistselbst, das ist unser Name. Manas ist der Name in uns und einem jeglichen Dinge draußen. So war für den Menschen der Name eines jeglichen Dinges geheiligt. Und man sagte dem Schüler: Du sollst dir klarwerden, selbst wenn du einen Bissen Brot issest, daß auch dieser ein Ding ist, in dem die Gottheit ist, und darum soll es dir heilig sein.
Insoferne unser Name in Gott ist, ist er Manas, der Name. Unsere Buddhi ist so das Reich. In unserem Atma lebt der göttliche Wille. Die göttlichen Wesensglieder des Menschen sind diese drei. Der Mensch bekam diese göttlichen Wesensglieder, und draußen in der Welt sind sie aufgezählt als Name, Reich und Wille.
Und nun denken Sie sich, der Christus wollte seine Jünger so lehren, daß er ihnen sagte: Die Gottheit nannte man den Vater und das Göttliche den Himmel. Die Vereinigung mit dem Göttlichen war nur möglich, indem dieses Göttliche sich nunmehr den höheren drei Gliedern des Menschen hingibt.
Was muß der Christ sagen, wenn er dieses ausdrücken will?
Unser Vater, der du bist in den Himmeln,
geheiliget werde dein Name,
Dein Reich komme,
Dein Wille geschehe wie oben in den Himmeln
also auch auf Erden.
So haben Sie in den drei ersten Bitten des Vaterunser die drei höheren Glieder des Menschen in bestimmtester Weise ausgedrückt. Diese ersten Bitten des Vaterunser sind aus der höheren geistigen Wesenheit des Menschen herausgebildet.
Nun betrachten wir esoterisch die vier niederen Glieder des
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Menschen: den physischen Leib, den Ätherleib, den astralischen Leib, das Ich.
Der physische Leib ist derjenige, den der Mensch mit allen Mineralien gemein hat und in dem die physischen Stoffe und Kräfte täglich aus- und eingehen. Wenn der Mensch seinen physischen Leib aufbauen will, muß er darum flehen, daß diese physischen Stoffe, die da draußen in der physischen Welt sind, ihm gegeben werden. Den Ätherleib haben wir gemeinsam mit allen Menschen, die uns umgeben. Den Astralleib, den haben wir mehr als ein Persönliches.
Im Ätherleibe haben wir etwas Gemeinsames in jeder Familie, in jedem Volke. Du gehörst mehr einer Art, einer Gattung an, indem du einen Ätherleib hast. Du bist mehr eine Individualität, indem du einen Astralleib hast. Du störst die Ätherleiber deiner Umgebung, wenn du nicht in Harmonie mit ihnen bist, und das nannte man die «Schuld», das, was man einem andern antut durch seinen Ätherleib. Dadurch wurde man aber auch selbst geschädigt. Schuld haftet also am Ätherleib oder Lebensleib. Du wirst dem Nächsten etwas schuldig, indem du seinen Ätherleib oder Lebensleib verletzest oder schädigst. Hüte dich davor, denn nur dadurch können dir deine eigenen Schulden vergeben werden.
Wodurch gedeiht der Astralleib? Das Abirren der Individualität vom richtigen Pfade ist die Versuchung. Der astralische Leib unterliegt der Versuchung. Alles, was die Individualität sündigt, ist die Versuchung.
Das Ich ist die Quelle der Selbständigkeit im Menschen und zugleich die Quelle des Egoismus, der Selbstsucht. Das Ich ist in diesem Sinne das Übel, das Symbolum dafür. Malum heißt «Apfel» und «Übel». Der Sündenfall ist das Übel, das Fehlen aus Egoismus.
Will der Christ bitten für das rechte Gedeihen seiner vier niederen Glieder, so sagt er für diese Wesenheiten:
Unser täglich Brot gib uns heute,
Und vergib uns unsere Schulden,
wie wir vergeben unsern Schuldigern,
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Und führe uns nicht in Versuchung,
Sondern erlöse uns von dem Übel.
Das sind die vier anderen Bitten des Vaterunser.
So hat der Christ der esoterischen Schulen zu bitten gehabt, so sind diese vier Formeln für die vier unteren Glieder der menschlichen Wesenheit. Sehen Sie sich die vier letzten Bitten des Vaterunser an auf die niedere Wesenheit des Menschen hin, so haben Sie da ebenso die vier Bitten für die niederen Glieder, wie Sie in den drei ersten Bitten die für die drei oberen Glieder der menschlichen Wesenheit haben. So haben Sie in den sieben Bitten des Vaterunser die Lehre von der siebengliedrigen Wesenheit des Menschen, wie sie die Geisteswissenschaft lehrt.
In allen großen Religionen gibt es kein Gebet, keine Formeln, die nicht aus der ganzen tiefen Weltenweisheit herausgenommen sind, und nur dadurch, daß sie da herausgeboren sind, haben diese Gebete ihre tiefe Wirkung. Die großen Religionen verdanken ihre tausendjährige Wirkung der Urweltweisheit.
Der Vater bringt die Urwesenheit der Welt zum Ausdruck. Man kann das nicht schöner schildern, als es im Vaterunser geschildert ist. Daher die Wirksamkeit des Vaterunser, das zu Herzen Gehende, das Kraftvolle dieses Gebetes. Man kann nicht sagen, der naive Mensch weiß nichts von dieser Weisheit. Der naive Mensch hat dasselbe davon. Es ist ebenso, wie wenn er entzückt ist von den Blumen und auch nichts ahnt von der Weisheit, mit der sie aufgebaut sind. So kann doch seine Seele entzückt sein vom Vaterunser, ohne seine Weisheit zu begreifen. Wenn man diese Weisheit, die im Gebet lebt, auch nicht begreift, kann es doch diese Kraft für den Menschen haben. Diejenigen, die die Gebete den Menschen gegeben haben, haben sie aus der tiefsten Weisheit herausgeholt; darum die Macht des großen Weltengebetes. Das ist das Geheimnis dieser Gebete, daß sie von Eingeweihten und Religionsstiftern aus der Urweisheit geholt worden sind.
Heute ist die Zeit gekommen, daß die Menschen wissen müssen, was mit diesen Gebeten gemeint ist. Wir sollen das Vaterunser beten,
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und täglich. Man braucht über die Natur des Menschen sonst nichts zu wissen als das, was im Vaterunser gesagt ist. Denn damit würde der Mensch das empfangen, was die theosophische Weisheit über die Natur des Menschen zu sagen hat.
Tief war die Esoterik der Schule, die der Apostel Paulus gegründet hat. Draußen wurde das Christentum exoterisch vertreten. Dionysius, den Areopagiten, hat Paulus beauftragt, diese Weisheit esoterisch zu pflegen. So stellte man sich das Reich des Geistes in den Gewalten, Herrschaften und Mächten vor, und man sagte sich: Wenn wir so ]eben, wie das Vaterunser es fordert, so leben wir uns hinauf durch die Gewalten, Mächte, Herrschaften bis zu den Cherubim, Seraphim hinauf, bis zu der Gottheit selbst im Vaterunser.
Da haben Sie diese drei Stufen: «Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit» erhalten, denn diese drei Stufen sind im Reiche des Geistes.
Über das Amen zu sprechen im besonderen, ist schwierig. Ich kann nur sagen, daß es eine alte Formel ist, etwas verstümmelt ausgedrückt.
So haben wir gesehen, inwieferne das Vaterunser und seine so mächtige Wirkung, die es in der Seele des Menschen hat, die Lehre von der Siebengliedrigkeit des Menschen darstellt. Es ist darum das wirksamste Gebet. Dieser Rhythmus, der da in einer Seele angeschlagen wurde, wurde dem bewußt, der esoterisch wußte: Der Christ hat, indem er das Vaterunser gebetet hat, menschliche Theosophie gebetet, im Gebet gelebt. Diese Theosophie ist nichts Neues, sondern sie ist dasjenige, was in allen Herzen ist, was im Geiste erfaßt wird, damit sich das Licht der Erkenntnis über das Gebiet des Göttlichen verbreiten kann. Geschieht dieses in den Herzen und Seelen, so findet der Mensch seinen Pfad zu den höchsten Höhen des Geistes, zu denen er sich entwickeln kann.
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Die Adeptenschule der Vergangenheit
Die Mysterien ds Geistes, des Sohnes und des Vaters
Düsseldorf, 7. März 1907
Die geisteswissenschaftliche Bewegung ist nicht etwas, was durch den Willkürakt eines einzelnen, dieses oder jenes Menschen, dieser oder jener Gesellschaft in unsere Zeit gekommen ist. Sie hängt mit der ganzen Entwickelung der Menschheit zusammen und ist als solche als einer der wichtigsten Kulturimpulse anzusehen. Wollen wir uns in diese Mission der geisteswissenschaftlichen Bewegung hineinfinden, so müssen wir uns in Vergangenheit und Zukunft der Menschheit hineinversetzen. Wie die einzelnen Menschen von da ab, wo sie zum ersten Male als Individualseelen aus dem Schoße der Gottheit herabgestiegen sind, eine Entwickelung durchgemacht haben, so hat auch die ganze Menschheit eine Entwickelung durchgemacht.
Machen Sie sich einmal klar, welche Unterschiede, welche Veränderungen und welche Entwickelung auf der Erdoberfläche im Laufe der Jahrtausende zu bemerken sind wie gründlich sich da alles verändert hat! Was wir gewohnt sind, «Menschheit» zu nennen, ist erst ein Ergebnis der sogenannten fünften Wurzelrasse. Dieser ging eine andere Menschheit voran, die vierte Wurzelrasse, deren Kontinent, die Atlantis, wir etwa zwischen dem heutigen Europa und Amerika zu suchen hätten. Diese Atlantis sah unsere Vorfahren in einer ganz andern Gestalt. Dort herrschte eine ganz andere Kultur. Nicht verstandes- und gedankenausgebildet war der alte Atlantier, aber dafür mit feinen somnambul-hellseherischen Kräften ausgestattet. Logik, kombinierender Verstand, Wissenschaft, Kunst wie jetzt, gab es nicht im alten Atlantien, denn das Vorstellen, Denken und Fühlen der Menschen war dort ganz anders. So kombinieren, rechnen, zählen, lesen hätte der Mensch damals nicht gekonnt wie heute. Aber gewisse somnambulisch-hellseherische geistige Kräfte lebten in ihm. Er konnte die Sprache der Natur verstehen, was Gott zu ihm sagte im Plätschern der Wellen, was der Donner rollt, was
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der Wald rauscht, was die feinen Gerüche der Blumen ausdrücken. Er verstand diese Sprache der Natur und war im Einklang mit der ganzen Natur. Nicht Gesetz, nicht Juristerei gab es damals, um den Nachbarn mit dem Nachbarn zu verständigen. Nein, da ging der Atlantier hinaus und horchte auf die Laute der Bäume, des Windes, und die sagten ihm, was er zu tun hatte.
Schön hat sich in der Volkssage, die nie etwas Zufälliges, Ausgedachtes ist, das Andenken an die alte Atlantis, das Nibelheim, erhalten, zum Beispiel in dem Nibelungenlied. In dem Wort «Nibel» oder «Nifel» wird angedeutet, daß der Rhein und alle diese Flüsse zurückgebliebene Wasser aus den Nebelmassen der alten Atlantis sind. Und die Weisheit, die von ihr zurückgeblieben ist, wird angedeutet als der Schatz, der in ihnen verborgen liegt. In diesem Kontinent zwischen Amerika und Europa haben wir auch die Pflanzschule der alten Adepten zu suchen, wo diejenigen sich aufhielten, welche geeignet waren, Schüler der großen Individualitäten zu werden, die wir die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen nennen.
Die Stelle, wo sich diese Adeptenschule befand, deren Blütezeit in die vierte Unterrasse der alten Atlantis fällt, wäre in der Mitte des Atlantischen Ozeans zu suchen. Dort wurde der Schüler ganz anders gelehrt als heute. Ganz anders, gewaltig konnte da von Mensch zu Mensch durch die Kraft, die damals noch in den Worten lag, gewirkt werden. Was heute noch im Volke lebt, das ist ein feines Gefühl für die innere geistige, okkulte Kraft der Worte. Die jetzige Kraft der Worte können Sie absolut nicht vergleichen mit der damaligen. Das war etwas ganz Gewaltiges: das Wort schon erweckte Kräfte in der Seele des Schülers. Ein Mantram von heute hat lange nicht mehr die Kraft von damals, wo die Worte nicht so durchsetzt von Gedanken waren. Wenn diese Worte wirkten, gingen die Seelenkräfte des Schülers auf. Eine menschliche Initiation durch die Sprache der Natur von gewaltiger Wirkung konnte man das nennen. Eine deutliche Sprache wurde auch noch dort gesprochen durch das Abräuchern von Substanzen, das Verbrennen von Stoffen wie Weihrauch und so weiter.
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Es bestand dort ein viel unmittelbarerer Zusammenhang zwischen der Seele des Lehrers und derjenigen des Schülers. Und was als Schriftzeichen in der Adeptenschule der alten Atlantis existierte, das waren Nachbildungen von Naturvorgängen, die mit der Hand in die Luft gezeichnet wurden und die wirkten, auch nachwirkten auf den Geist der damaligen Bevölkerung. Sie weckten in der Seele Kräfte.
So hat jede Rasse ihre Aufgabe in der Menschheitsentwickelung. Die Aufgabe der unsrigen, der fünften Haupt- oder Wurzelrasse besteht darin, zu den vier Gliedern der menschlichen Wesenheit das hinzuzubringen, was man das Manasische nennt, das heißt, durch Begriffe und Ideen das Verständnis zu wecken. Jede Rasse hat ihre Aufgabe: diejenige der atlantischen war die Ausbildung des Ich. Unsere, die fünfte Wurzelrasse, die nachatlantische Zeit, hat das Manas, das Geistselbst auszubilden.
Mit dem Untergang der Atlantis gingen aber deren Errungenschaften nicht unter, sondern es wurde von alldem, was in der atlantischen Pflanzschule der Adepten vorhanden war, das Wesentlichste von einem kleinen Kern von Menschen mitgenommen. Diese kleine Masse zog unter der Führung des Manu in die Gegend der heutigen Wüste Gobi. Und diese kleine Schar bereitete nun Nachbildungen der früheren Kultur und Lehre vor, aber mehr im Verstandeshaften. Es waren die in Gedanken und Zeichen umgesetzten früheren geistigen Kräfte. Von dort, von diesem Zentrum zogen dann, wie Radien, wie Strahlungen, die verschiedenen Kulturströmungen aus. Zunächst die wunderbare uralte vorvedische Kultur, die zum ersten Male die einströmende Weisheit in Gedanken umgesetzt hat.
Die zweite der von der alten Adeptenschule ausgehenden Kulturen war die uralte persische Kultur. Die dritte war die chaldäisch-babylonische mit ihrer wundervollen Sternenweisheit, ihrem großartigen Priesterwissen. Als vierte erblühte die griechisch-lateinische Kultur mit ihrer persönlichen Färbung, und endlich als fünfte die unsrige. Der sechsten und siebenten leben wir entgegen. Damit habe ich Ihnen unsere Aufgabe in der Menschheitsentwickelung ge-
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kennzeichnet: in Gedanken umzusetzen, herunterzubringen bis auf den physischen Plan dasjenige, was bis jetzt an kosmischer Weisheit da war.
Wenn der alte Atlantier unter den ihm erklingenden Tönen hinhorchte auf den Zwischenton, dann hörte er den Namen dessen, was er als das Göttliche erkannt hatte: Tao. In den ägyptischen Mysterien haben Sie diesen Ton umgesetzt in Gedanken, in Schrift, in Zeichen in dem Tao-Zeichen, den Tao-Büchern. Alles, was Wissen, Schrift, Gedanke ist, kam erst in der nachatlantischen Zeit in die Welt. Früher hätte man das nie aufgeschrieben. Das Verständnis dafür wäre nicht dagewesen. Nun stehen wir in der Mitte der manasischen Entwickelung darinnen. Die Verstandeskultur, zugleich aber auch den Egoismus auf das Alleräußerste zu bringen, das besorgt unsere Rasse. Man kann wohl sagen, wenn es auch grotesk klingt: Es gab niemals so viel Verstandeskraft in der Welt und so wenig inneres Schauvermögen wie in der Gegenwart. Der Gedanke ist am weitesten entfernt von dem, was die innere Wesenheit der Dinge ist, weit weg vom inneren, spirituellen Schauen.
Wenn der atlantische Priester ein Zeichen in die Luft schrieb, so war die Wirkung in der Hauptsache das innere Seelenerlebnis des Schülers. In der vierten, der griechisch-lateinischen Epoche tritt das Persönliche mehr in den Vordergrund. In Griechenland entwickelt sich die persönliche Kunst. In Rom finden wir das Persönliche in der staatlichen Regulierung und so weiter. In unserer Zeit erleben wir den Egoismus, das trocken Persönliche, das trocken Verstandesmäßige. Aber unsere Aufgabe besteht heute darin, das Okkulte im Manas, im reinsten Element des Gedankens zu erfassen. Das Erfassen des Spirituellen in diesem feinsten Destillat des Gehirns ist die eigentliche Mission unserer Zeit. Diesen Gedanken so kraftvoll zu machen, daß er etwas von okkulter Kraft hat, das ist die uns gestellte Aufgabe, um unseren Platz für die Zukunft ausfüllen zu können.
Durch mächtige Feuermassen ist das alte Lemurien, durch mächtige Wasserfluten das alte Atlantien zerstört worden. Auch unsere Kultur wird untergehen, und zwar durch den Krieg aller gegen alle: das steht uns bevor. So wird unsere fünfte Wurzelrasse zugrunde gehen
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durch den aufs Höchste gesteigerten Egoismus. Zugleich wird sich aber eine kleine Gruppe von Menschen bilden, die von der Kraft des Gedankens aus die Kraft der Buddhi, des Lebensgeistes entwickelt, um sie dann mit hinüberzunehmen in die neue Kultur. Alles Produktive im strebenden Menschen wird immer größer und größer werden, bis seine Persönlichkeit so hoch gekommen ist, daß sie den Gipfel der Freiheit erreicht hat. In unserer Zeit wird jede einzelne Individualität in sich finden müssen eine Art von führendem Geist im Inneren der Seele, die Buddhi, die Kraft des Lebensgeistes. Würden wir der Zukunft so entgegengehen, daß wir die Kulturimpulse nur so aufnehmen könnten wie in früheren Zeiten, so würden wir einer Zersplitterung der Menschheit entgegengehen.
Was haben wir nun in der Gegenwart? Ein jeder will sein eigener Herr sein: der Egoismus, die Selbstsucht, ist auf die Spitze getrieben. Es kommt die Zeit, da überhaupt keine andere Autorität anerkannt werden wird als diejenige, welche die Menschen freiwillig anerkennen, deren Macht auf dem freien Vertrauen basiert. Jene Mysterien, die auf der Macht des Geistes aufgebaut waren, nennt man die Mysterien des Geistes. Diejenigen, die in der Zukunft aufgebaut sein werden auf der Grundlage des Vertrauens, auf der Macht des Vertrauens, nennt man die Mysterien des Vaters. Mit denen schließen wir unsere Kultur ab. Dieser neue Impuls der Macht des Vertrauens muß kommen, sonst gehen wir einer Zersplitterung entgegen, einem allgemeinen Ich- und Egoismuskultus.
In den Zeiten der Mysterien des Geistes, die auf der allerdings berechtigten Macht, Autorität und Gewalt des Geistes gebaut waren, gab es einzelne große Weise. Sie waren im Besitz der Weisheit, und nur wer die harten Proben durchmachte, konnte durch sie eingeweiht werden. Nun gehen wir in der Zukunft den Mysterien des Vaters entgegen und müssen immer mehr darauf hinarbeiten, daß jeder einzelne weise wird. Wird dies gegen den Egoismus und die Zersplitterung helfen? Ja! Denn nur, wenn die Menschen höchste Weisheit bekommen, in der sie nicht variieren können, in der es keine eigene Meinung, keinen Standpunkt der Persönlichkeit gibt, sondern nur eine Ansicht, können sie einig werden. Blieben die
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Menschen so, wie sie sonst verschieden sind, Standpunkte haben und so weiter, so würden sie sich immer wieder trennen. Die höchste Weisheit erzeugt aber stets bei allen Menschen die gleiche Ansicht. Die wirkliche Weisheit ist eine einzige, welche die Menschen wieder zusammenbringt bei größtmöglichster Freiheit, ohne jegliche Zwangsautorität. Wie die Mitglieder der großen weißen Bruderschaft immer in Harmonie miteinander und mit der Menschheit sind, so werden einst durch diese Weisheit die Menschen alle eins werden. Nur diese Weisheit wird die wahre Bruderschaftsidee begründen. Die Geisteswissenschaft braucht daher sich keine andere Aufgabe zu stellen, als nur die Menschen dieser Idee zuzuführen, jetzt durch die Entfaltung des Geistselbstes und später des Lebensgeistes. Das Freiwerden des Menschen, das wahre Weisewerden möglich zu machen, das ist das große Ziel der geisteswissenschaftlichen Bewegung; diese Wahrheit und Weisheit einströmen zu lassen in die Menschen, das ist ihre Mission.
Man hat in der modernen Bewegung für Geisteswissenschaft mit der elementarsten Lehre angefangen. Es ist dabei viel Wichtiges enthüllt worden in den Jahren, die seit dem Beginn dieser Bewegung verflossen sind, und noch Wichtigeres wird immer mehr zur Enthüllung kommen. Die Arbeit der geisteswissenschaftlichen Bewegung ist also ein allmähliches Ausströmenlassen der Weisheit der großen weißen Bruderschaft, die in der Atlantis ihren Ursprung hat. Vorbereitet wurde solche Arbeit immer durch lange Zeiträume. So haben wir als Vorbereitung für das eine große Ereignis der einzigartigen Erscheinung des Christus Jesus das ganze Wirken der großen Religionsstifter. Die Geisteswissenschaft will die Testamentsvollstreckerin des Christentums sein. Und das wird sie sein. Werden einst die Vater-Mysterien erfüllt sein, das heißt wird die Buddhi-Entwickelung in jedem einzelnen Menschen vollendet sein, dann wird jeder seine tiefste Wesenheit Atma, den Geistesmenschen, in sich selbst finden. Vorbereitet wurde also die Erscheinung des Christus Jesus durch die Reihe der Religionsstifter, durch Zarathustra, Hermes, Moses, Orpheus, Pythagoras. Alle ihre Lehren verfolgen das gleiche Ziel: die Weisheit in die Menschheit einfließen zu lassen,
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nur immer in der für das betreffende Volk gerade geeignetsten Form. So ist denn, was Christus gesagt hat, nicht das eigentlich Neue. Das Neue an der Erscheinung und Lehre des Christus Jesus ist, daß in dem Christus Jesus die Kraft war, all das zum Leben zu bringen, was vorher nur Lehre war.
Durch das Christentum ist der Menschheit die Kraft entstanden, daß bei größtmöglicher Individualisierung in der freiwilligen Anerkennung der Autorität des Christus Jesus alles sich einigen, und daß durch den Glauben an ihn, sein Erscheinen, seine Göttlichkeit, die Menschen sich zu einem Bruderbunde zusammenschließen können. So stehen zwischen den Mysterien des Geistes und denjenigen des Vaters die Mysterien des Sohnes, deren Pflanzstätte die Schule des heiligen Paulus war, zu deren Leitung er den Dionysius Areopagita bestimmt hatte. Unter ihm hatte diese Schule ihre Blütezeit, denn Dionysius hat diese Mysterien in einer ganz besonderen Weise gelehrt, während Paulus die Lehre exoterisch ausbreitete.
Nun wollen wir noch von einer andern Seite eine Erklärung suchen, um zu verstehen, was es heißt: es kommen die Mysterien des Vaters. Die Lehrer der alten atlantischen Adeptenschule waren noch keine Menschen, sondern höhere Wesen als die Menschen. Sie hatten auf früheren Planeten ihre Entwickelung vollendet. Und sie, die von alten planetarischen Entwickelungen her da waren, lehrten einer auserlesenen kleinen Schar die Mysterien des Geistes. In den Mysterien des Sohnes trat bei besonderen Anlässen der Christus selbst in Person als Lehrer auf: also auch ein Lehrer, der nicht Mensch, sondern Gott war. Erst die, welche Lehrer werden in den Mysterien des Vaters, werden Menschen sein. Solche Menschen, die sich schneller als die übrige Menschheit entwickelt haben, werden dann die wahren Meister der Weisheit und des Zusammenklanges sein. Sie nennt man die Väter. Die Führung der Menschheit geht also bei den Vater-Mysterien über von Wesenheiten, die aus andern Welten herabgestiegen sind, in die Hände der Menschen selbst. Das ist das Bedeutsame.
Die Menschen dazu vorzubereiten, einen Kern für dieses Ziel zu bilden, sie vorzubereiten für eine gemeinsame Weisheit, für eine
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Autorität, die nur auf Vertrauen gebaut ist, und das Verständnis dafür zunächst in einem kleinen Menschheitskern zu entwickeln: das ist die Aufgabe der Geisteswissenschaft. Die Entwickelung der materiellen Kultur hatte im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreicht. Daher kam in dieser Zeit der Einschlag der Geisteswissenschaft in die Welt. Mit ihr wurde geschaffen und war da der Gegenimpuls für den Materialismus, die Gegenrichtung nach der Spiritualität hin. Geisteswissenschaft ist nichts Neues, die geisteswissenschaftliche Bewegung ebensowenig, sie ist nur die Fortsetzung dessen, was da war. Der Materialismus, der Egoismus bringen die Zersplitterung der Menschheit, der einzelne übersieht nur seine Interessen. Die Weisheit muß die dadurch getrennten Menschen wieder zusammenbringen. In vollster Freiheit, durch keinerlei Zwang, werden die Menschen in der Weisheit zusammengeführt . Das ist die Aufgabe der geisteswissenschaftlichen Bewegung in unserer Zeit. Klar müssen wir uns dabei sein, daß wir uns im Konkreten die Weisheit anzueignen haben. Wir kennen alle das Beispiel des Ofens, dessen Aufgabe darin besteht, das Zimmer warm zu machen. Stellen wir dem Ofen seine Aufgabe in noch so beweglichen Worten vor und bitten wir ihn, das Zimmer warm zu machen, so wird er das nicht tun. Erst wenn wir ihn heizen, kann er seine Aufgabe erfüllen. So hat alle Rederei von Bruderschaft und Nächstenliebe kaum einen Wert. Nur die Erkenntnis rückt an das Ziel heran. Für jeden einzelnen und für das allgemeine Menschentum ist der Weg zur Weisheit, zur Bruderschaft nur zu erreichen durch Erkenntnis.
Wir haben nun diesen Weg durch drei Mysterienarten hindurch verfolgt. Geisteswissenschaft muß es dazu bringen, daß ein kleiner Menschheitskern Verständnis für das Gesagte hat, um in der sechsten Rasse das Verständnis dafür in der Masse zu wecken. Es ist dies die Aufgabe, welche die Geisteswissenschaft zu erfüllen hat. Ein kleiner Teil der fünften Wurzelrasse wird die Entwickelung vorausnehmen, er wird Manas spiritualisieren, das Geistselbst entfalten. Der große Teil aber wird den Gipfel der Selbstsucht erreichen. Jener Menschheitskern nun, der das Geistselbst entwickelt, wird der Same der sechsten Wurzelrasse sein, und die Vorgeschrittensten dieses
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Kernes, die aus der Menschheit hervorgegangenen Meister, wie wir sie nennen, werden dann die Menschheit führen. Nach diesem Ziel hin strebt die Bewegung für Geist-Erkenntnis.
I 15 Die Verheißung des Geistes der Wahrheit, Köln, 8. März 1907
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Die Verheissung des Geistes der Wahrheit
Köln, 8. März 1907
Die Wahrheiten der religiösen Urkunden sind aus den Tiefen der Weisheit heraus genommen. Aber da kommen viele Menschen und sagen: Ihr gebt uns da eine komplizierte Sache, wir wollen das Evangelium einfach und naiv haben. Die großen Wahrheiten dürfen nicht kompliziert sein. In gewisser Weise haben diese Menschen recht, aber nicht nur das schlichte, auch das weisheitsvolle Denken muß die höchsten Wahrheiten finden können. Der Standpunkt, von dem aus wir diese Dinge betrachten, kann gar nicht hoch genug sein. Den Bequemlichkeitsstandpunkt müssen wir in der Zukunft immer mehr verlassen, um mit rechtem Ernst in die tiefsten Erkenntnisse einzudringen.
Die Verheißung des Geistes der Wahrheit wollen wir heute verstehen lernen. Um eine geheime Einweihung handelt es sich bei diesen Worten.
«Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist's, der mich liebet», sagt Christus. «Lieb haben» deutet auf das vertrauliche Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler hin, das esoterisch ist. Von Person zu Person werden da die tiefsten Seelengeheimnisse übertragen, ganz intim. Die Worte der Bibel, die wir uns heute klarmachen wollen, heißen folgendermaßen:
«Euer Herz bleibe ruhig. Glaubet an Gott und glaubet an mich. In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen»
«Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote! Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, daß er bei euch bleibe in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit, welchen die Welt nicht kann empfangen; denn sie siehet ihn nicht und kennet ihn nicht. Ihr aber kennet ihn; denn er bleibet bei euch und wird in euch sein.»
«Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist's, der mich liebet. Wer mich aber liebet, der wird von meinem Vater geliebet werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren. Spricht zu ihm
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Judas, nicht der Ischariot: Herr, was ist 's, daß du uns willst dich offenbaren und nicht der Welt? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebet, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.»
«Vater», so heißt die innerste Kraft der Seele. Sie soll den intimen Jüngern offenbar werden. Judas fragt: «Was ist's, daß du dich uns den intimen Jüngern willst offenbaren und nicht der Welt?» Damit bringt Judas direkt zum Ausdruck, daß den intimen Jüngern im Mysterium etwas geoffenbart werden soll.
Jesus spricht: «Wir werden Wohnung machen beim Vater». Das war das Wichtigste bei der Ausgießung des Geistes, die begann mit den Worten: «Euer Herz bleibe ruhig.» Für seine intimen Jünger geht Christus hin, die Wohnung zu bereiten: «In des Vaters Hause sind viele Wohnungen».
Diese Worte wollen wir uns klarmachen. Den Grad von Bewußtsein, den der Mensch einmal erlangt hat, kann er nie mehr verlieren. Abgewöhnen muß man sich jede andere Vorstellung. Im .Aufgehen im Allbewußtsein» schwelgen die Menschen so oft und meinen, das sei eine Erlösung. Solches Allbewußtsein gibt es gar nicht und wird es niemals geben. Die Fähigkeit, «Ich» zu sagen, erringt sich ja jetzt der Mensch. Und je mehr er «Ich» sagt und vom Ich aus an der Läuterung seiner drei niederen Leiber, an dem Astralleib, Ätherleib und dem physischen Leib, arbeitet, um so stärker entwickelt er sein Ich und entwickelt sich in die Zukunft hinein. So kann der Mensch bewußt selbstlos werden, weil er will. Einmal werden alle Menschen auf dem Gipfel der Ich-Entwickelung angekommen sein. Dennoch können sie selbstlos den Geist der Gemeinschaft erfassen. Wir sitzen hier in diesem Zimmer beisammen, und der gemeinsame Geist darinnen ist wie ein Punkt, von dem alles gemeinsam ausstrahlt. Aber dieser gemeinsame Geist kann auch freiwillig aus jedem Herzen hervorstrahlen und den Raum durchschwirren. Denken wir daran, wie die Gottheit sich in der Welt spiegelt. Sie hat all ihr Leben durch das große Opfer hineingegossen in ihr Spiegelbild. Nun wollen wir uns vorstellen, wir könnten unser
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Leben auch in unzählige Spiegelbilder hinein ausgießen, so daß jedes einzelne Spiegelbild sagen würde: Ich und mein Ursprung sind eins. So gingen einst alle Menschen wie Spiegelbilder der Gottheit aus dem Schoße der Gottheit hervor. Leere Iche sind sie schließlich mit umgewandeltem Astralleib, Ätherleib und physischem Leib, und sie treten hin in die geistige Welt und sagen das tiefste Geheimnis ihres Wesens: «Ich und der Vater sind eins!» Die Tiermenschen der lemurischen Zeit konnten nie von sich aus geistig werden; nur dadurch, daß sie die göttlichen Tropfen aufnahmen. Am Ende ihrer Entwickelung, gereinigt und geläutert, können sie sagen: «Ich und der Vater sind eins.»
In ferne Zeiten blicken wir zurück. Viel vulkanische Tätigkeit war da noch auf der Erde in der lemurischen Zeit. Ganz andere Wesen lebten damals als heute. Da empfing der Mensch zuerst das, was er als Seele herausarbeiten sollte. Gehen wir noch weiter zurück, so sehen wir oben die Seelennatur und unten die Leibesnatur des Menschen noch als eine Natur. Im gemeinsamen Gottesschoße waren da beide vereint. Dann wurde die physische Strömung unten sich selbst überlassen und entwickelte sich zu den Tiermenschen der lemurischen Zeit. Das Obere entwickelte sich seelisch-geistig. Der Leib mußte unten erst vorbereitet werden, die Seele von oben aufzunehmen.
Der Geist, der in dem gemeinsamen Ursprung beider, der Seelen und der Leiber, waltete, das ist der Vatergeist, das ist der Vater.
Der Geist, der unten im Physischen waltete, als das Geistige oben getrennte Wege ging, das ist der Sohnesgeist, das ist der Sohn.
Und der Geist, der oben im Seelischen waltete, bis er ins Physische hinabsteigen konnte, das ist der Heilige Geist.
In der lemurischen Zeit, bei der ersten Inkarnation der Seele, gab es eine Ausgießung des Geistes: «Und Gott hauchte dem Menschen den lebendigen Odem ein, und also ward der Mensch eine lebendige Seele.»
Das war die erste Ausgießung des Geistes, eine unbewußte Ausgießung. Da lebte der Mensch noch lange traumhaft. Erst in der zweiten Hälfte der atlantischen Zeit eignete er sich die Fähigkeiten
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an, zu rechnen, logisch zu denken und die Außenwelt richtig in ihren Verhältnissen zu beobachten. Der Mensch der ersten Hälfte der atlantischen Zeit sah einen andern Menschen wie eine farbige Wolke. Rötlichbraun sah die Wolke aus, wenn der Mensch unsympathisch, ein Feind war. Eine violett-rötliche Wolke kündigte das sympathische Wesen, den Freund an. Auch andere Dinge wurden so wahrgenommen: Stieg eine goldgelbe Wolke auf wie eine Art Nebelgebilde zwischen dem Astralen und dem Physischen, so war das das Zeichen, daß hier ein nützliches Metall lag. Eine dumpf blaurote Wolke mit merkwürdigen Begrenzungslinien, wie sie nur ein Mineral haben kann, deutete auf ein unbrauchbares Metall hin. Allmählich sonderten sich die Menschen immer mehr ab, sie grenzten ihre Gefühle ein durch die Haut, das äußere physische Wahrnehmen entwickelte sich. Wie heute ein Fisch oder eine Schnecke nicht aber wie eine Schildkröte oder ein Krokodil , so nahm der Mensch der ersten atlantischen Zeit wahr. Dadurch, daß der Mensch anfing, durch eine Lunge zu atmen, fing die neue Wahrnehmung an. Damit war auch die Blutbildung und die Tätigkeit des Ich im Inneren verbunden.
Ein Rest der Wirkung des Ich auf das Blut ist heute noch vorhanden, wenn wir in Angst erblassen oder in Scham erröten. Darin zeigt sich noch die unmittelbare Tätigkeit des Ich. Dies ist zurückgeblieben aus einer Zeit, in der das Ich auf das Blut mächtig wirkte. Heute äußert sich die innere Kraft des Ich nur in Gesten, im Erröten und Erblassen. Heute können die Menschen im Enthusiasmus mit den Händen gestikulieren, damals konnte das Blut durch den Impuls des Ich Organe aus dem Leibe herausgestalten: So entstanden zum Beispiel die Finger. Am Ende der atlantischen Zeit war der damalige Mensch dem heutigen schon ähnlich.
Ehemals waren die Blutsbande stärker als jetzt. Ein viel größerer Zusammenhang bestand zwischen Blutsverwandten. Als Beispiel mag folgendes angeführt werden. Zwei Schriftsteller unserer Zeit haben in ihren Werken die Bauern vortrefflich dargestellt, aber auf ganz verschiedene Weise. Anzengruber stellt sie scharf umrissen hin, geradezu gemeißelte Figuren sind es. Rosegger dagegen stellt viele
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einzelne Züge äußerlich zu einem Ganzen zusammen. Er macht sich Notizen über seine Beobachtungen, und diese verwendet er dann. Rosegger wunderte sich nun, wie Anzengruber überhaupt Bauern darstellen könne, obwohl er doch nie unter ihnen gelebt und sie auch nie beobachtet hatte. Anzengruber antwortete ihm, er könne die Bauern gerade darum so gut darstellen, weil er sie nicht kenne: Alle seine Vorfahren waren Bauern, und da lag ihm die Art der Bauern im Blut. Aus seinem Blut heraus beschrieb er die Figuren der Bauern, die seine Vorfahren gekannt hatten.
In früherer Zeit umfaßte die Menschheit viele kleine Gruppen. Wenn wir die «Germania» des Tacitus lesen, so finden wir darin viele blutsverwandte kleine Stämme aufgezählt, für welche die Blutsverwandtschaft etwas Besonderes bedeutete. Bei den Patriarchen des Alten Testamentes wird immer im selben Stamme geheiratet, da rollt immer dasselbe Blut in den Adern; da reicht das Gedächtnis des Nachkommen bis zu den Vorfahren hinauf. Der Nachkomme erinnert sich der Vorfahren so, wie wir uns unserer Kindheit erinnern. Neunhundert Jahre nach Adam erinnerten sich die Nachkommen noch an Adams Erlebnisse. So erklären sich die hohen Altersangaben in der Bibel. Solange man sich erinnern konnte, hieß das durch die Generationen hindurchreichende Ich zum Beispiel «Adam». Ein gemeinsames Ich lebt im Stamme und es lebt im Blute. Darum kann nur mit Blut gesühnt werden, wenn Blut vergossen wurde. Und der ganze Stamm rächt sich für das Blut eines einzelnen Stammesgenossen durch die Blutrache.
Allmählich geht die Nahehe immer mehr in weitere Zusammenhänge, in die Fernehe über. Die Stämme werden international. Das Prinzip der reinen Menschlichkeit gewinnt die Oberhand.
Im Physischen, in der Verwandtenliebe, die durch das Blut zusammengehalten wird, wirkt das Sohnes-Prinzip. Die Seele aber entwickelt sich immer individueller, so daß das Blut in immer weitere Kreise rollt, immer mehr abkommt von der Gemeinschaft des Stammes.
Auf dem Prinzip der Blutsverwandtschaft waren alle alten Staaten aufgebaut. Die zehn Gebote der Juden sind Stammesgebote.
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Was am jüdischen Volke haftet, haftete noch nicht an der ganzen Menschheit. Da erschien der Sohnesgeist in Christus auf der Erde und sein Blut rann. Das Blut, das früher nur enge Verbände geschaffen hatte, ward ausgegossen. Dadurch wurde errungen das Ausfließen aller engen Bande zu einem Bruderbunde aller Menschen. Das engbegrenzte Ich-Gefühl, das noch nicht sagen kann: «Wer nicht verlässet Vater, Mutter, Weib, Kinder, Bruder und Schwester und dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger seine, solche Ich-Sucht muß rinnen aus den Wunden des Erlösers. Im rinnenden Blute Christi ward die Fähigkeit der Liebe errungen, welche die Blutsbruderschaft, Stamm und Volk überwindet. Hätten wir die Blutstropfen am Kreuze auffangen können, so hätten wir wirklich und in vollster Wahrheit die Substanz gehabt, die die Menschen so verwandelte. Erreicht soll werden, daß der Mensch den Zusammenhang finden kann mit allen Menschen, daß nicht nur Bruder und Schwester sich lieben können, sondern daß der Mensch den Menschen lieben kann. Das physische Blut, das aus den Wunden Christi floß, ist die Verkörperung des Erlösungsprinzips, dieses Blut ist ein bedeutsames Erlösungssymbolum.
Die Menschen sollen in vollem Umfange den Geist wiederfinden. Sie hatten ihn einst, aber nur dumpf, nebulos. Dann hat er die Form angenommen, wie der Mensch heute die Welt ansieht. Aber der Mensch sieht heute nur das Diesseits, nur die eine Seite. Wie durch einen Schleier ist der Mensch durch diese Anschauung vom geistigen Leben abgeschnitten. Nun soll er durch das Einzelbewußtsein, das ihn zum Ich machte, wieder hinausgebracht werden zum Weltenbewußtsein. Darum ward Christi Blut aus dem engen Stamme in die weite Welt versprengt. Das Kreuz vermochte dies. Vom Kreuze strömte das Blut hinaus in die ganze Menschheit. Aber zugleich entwickelte das Kreuz das Ich auch immer enger, immer individueller. Das alles brachte uns das Christentum.
Aber wenn die Menschen so allein auf sich gestellt werden, ohne Stammeszusammenhang und mit gesteigertem Ich-Bewußtsein, so muß der Egoismus höher steigen. Das sah der Christus Jesus voraus.
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Er sah das Kommen des Materialismus, und als Bollwerk setzte er dagegen das Christentum.
Im Altertum war alles auf der Blutsbruderschaft aufgebaut. Das zeigt deutlich der Ahnenkult. Viele Sagen schlossen sich an die Gestalt eines Ahnenhelden an, zum Beispiel an Theseus, an Kadmos. In Gesetz und Gebot herrschte dieses Prinzip. Dann aber wurden äußere Einrichtungen maßgebend für das Zusammenleben. Das bildete sich aber erst mit der Verbreitung des Christentums heraus. Was findet der Mensch heute in der Internationalität? Ein Prinzip, das mächtiger ist als die Gewalt des Staates. International sind die großen Mächte, welche die Welt heute beherrschen. Sie heißen: Geld, Verkehr, Industrie und so weiter. Nichts hat das mehr mit der alten Blutsbruderschaft zu tun. Die Kehrseite dieser Entwickelung ist der Materialismus. In der Maschine wohnt der egoistische Verstand. Wie anders bildete noch der Grieche seinen Gott ab in Zeus, sich erinnernd, daß das Vaterprinzip allem zugrunde liegt. Wo finden wir bei uns im öffentlichen Leben etwas Göttliches? Maschinen, Eisenbahnen und so weiter, alles dient dem Egoismus. Das wird in der Zukunft noch eine besondere Rolle spielen. Im Krieg aller gegen alle wird es sich auf das äußerste steigern.
Wenn auch Christus das Einigungsband für alle Menschen schuf, so muß zur Tat des Erlösers doch noch ein zweites hinzutreten. In den Menschen, die sich zu Christus hingezogen fühlen, leben die Empfindungen, die von Mensch zu Mensch führen. Seine Tat ist die große Verbindungstat, die den Geist mit dem Physischen wieder zusammenbringen kann. Heute beherrschen die Menschen das Physische noch im Dienste des Egoismus. Sie sollen es einst im Dienste des Geistes gebrauchen. Der Geist muß sich mit dem Sohne vereinen, damit beide vereint im Vater aufgehen!
Christus spricht: «Niemand kommt zum Vater denn durch mich!» Ein jeder soll sagen: Ich bin wie die Rebe am Weinstock; Christus ist mein Weinstock. Dann überwindet Christus den Egoismus in den Organismen der Menschheit. In die einzelnen Iche muß der Vatergeist, der Geist des gemeinsamen Ursprungs, einziehen, dann schafft das Ich am Vaterprinzip; dann baut sich jedes Ich
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sein eigenes Haus, und doch sind sie alle durch das Christus-Prinzip geeint. »In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen», sagt Christus. Damit sind die Wohnungen gemeint, die die Iche sich bauen. Christus aber muß die Stätte, den Wohnplatz bereiten. Aber dazu muß der Geist kommen, der die Menschen einigt: das ist der Geist der Wahrheit.
Die Theosophie soll die Menschen das Gemeinsame verstehen lehren, sie soll die höhere Weisheit bringen, den Geist der Wahrheit. Man hat so lange verschiedene Meinungen, als man noch nicht das höchste Wissen hat. Die Gnostiker nannten die Mystik «Mathesis», denn in der Mathematik kann niemand sagen, er sei anderer Meinung als die anderen. Es können nie zwei Gelehrte über einen mathematischen Satz verschiedener Meinung sein. Da kommt es nicht auf das menschliche Wünschen an. Bei der großen Weisheit müssen wir uns noch freimachen von unseren Wünschen. Nur wer den Geist der Wahrheit studieren will, ganz ohne eigenes Wünschen, nur der ist reif, ihn zu empfangen. Das höchste Wissen einigt die Menschen, da gibt es kein Meinen und Wähnen. Der Geist der Wahrheit muß die Menschen überstrahlen. Dann können sie noch so sehr zerstreut sein in ihren verschiedenen Wohnungen, aber der Geist der Wahrheit wird sie einigen. Damit das Haus, das das Ich sich baut, ins Geistige hineinpasse, muß der gemeinsame Geist der Wahrheit die Iche beherrschen. Den Geist der Wahrheit verheißt Christus seinen Jüngern am Pfingstfest. Da reden die Jünger in verschiedenen Zungen, da lernen alle Nationen einander verstehen. Mag auch der Egoismus immer größer werden, jedes Ich wird den Gemeinsamkeitsgeist haben, wenn es teil hat am Geiste der Wahrheit. Im Geiste des Johannes-Evangeliums muß leben, wer solches anstrebt. Das ist wahre Theosophie. Wie alle Pflanzen sich zur Sonne neigen, wie sie alle ihr entgegenwachsen, wo auch immer ihr Wohnplatz sei, so werden sich alle Iche zur Sonne des Geistes wenden, zum Geisteslicht der Wahrheit!
I 16 Frühere Einweihung und esoterischs Christentum, München, 17. März 1907
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FrÜhere Einweihung und esoterisches Christentum
München, 17. März 1907
Wenn wir gerade zwei Ideen der christlichen Weltanschauung, die Sünde wider den Heiligen Geist und die Idee der christlichen Gnade, aus ihren Tiefen heraus beleuchten wollen, so müssen wir uns ein wenig bekanntmachen mit den Grundfragen und Grundströmungen des Christentums. Sie wissen aus andern Vorträgen, daß den Lehren des gewöhnlich verkündeten Christentums zugrunde liegt ein sogenanntes esoterisches Christentum. Sie wissen auch, daß sich im Evangelium selbst Andeutungen finden für ein solches Christentum, einfach in den Worten: Wenn der Herr vor dem Volke war, dann sprach er in Gleichnissen, wenn er aber mit den Jüngern allein war, dann legte er ihnen diese Gleichnisse aus. Es gab eben einfach eine Lehre für diejenigen, die noch weniger verstehen konnten, zu denen man in Andeutungen sprechen mußte, für die man noch nicht tiefer gehen konnte, und eine Lehre gab es, die für die Eingeweihten bestimmt war. In diesem Sinne hat denn auch der große Verbreiter des Christentums, Paulus, vor dem Volke das gelehrt, was wir aus seinen Briefen kennen. Außer dieser Lehre des Paulus, die eine äußerliche für das Volk war, gab es aber auch von ihm eine esoterische Lehre. Paulus hat, was die äußere Geschichte nicht weiß, die esoterische Schule in Athen unter der Führung des Dionysius begründet. Innerhalb dieser esoterischen Schule des Christentums wurde intimen Schülern diejenige Geheimlehre gelehrt, die Sie auch heute durch die Geisteswissenschaft wieder kennenlernen.
Die Gelehrsamkeit weiß nicht viel von den Lehren, die damals von den esoterischen Genossen des heiligen Paulus in Athen zu intimen Schülern geredet worden sind. Man spricht sogar von einem falschen Dionysius, weil man sagt, daß man nicht nachweisen könne, daß irgend etwas von diesen Lehren damals niedergeschrieben wurde. Pseudo-Dionysius nennt man den, der im 6. Jahrhundert
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diese Esoterik gelehrt hat. Nur diejenigen sagen das, die nicht wissen, was mit solchen intimen Lehren in alter Zeit üblich war. Erst in unserer Zeit ist es üblich geworden, daß jeder nicht schnell genug alles der Schrift anvertrauen kann. Was die heiligste Wahrheit war, das hat man in alten Zeiten vor Veröffentlichung bewahrt. Man hat sich den erst angesehen, dem man sie sagte. Nur in der esoterischen Schule, nur von Person zu Person wurde sie gelehrt, wenn diese sie auch wirklich würdigen konnte. So wurden auch die Lehren des esoterischen Christentums von Mensch zu Mensch übertragen und einige im 6. Jahrhundert aufgeschrieben. Weil es üblich war, daß der Vorsteher einer solchen Schule immer den Namen Dionysius trug, deshalb trug der Vorsteher dieser Schule in Athen im 6. Jahrhundert auch diesen Namen, den nämlichen wie sein großer Vorfahre in Athen, der Freund des Paulus. Im Sinne dieser esoterischen Schule, wirklich wie es da gelehrt worden ist, wollen wir den Begriff der Sünde wider den Heiligen Geist oder eigentlich des Lästerns wider den Heiligen Geist und den Begriff der christlichen Gnade betrachten.
Wenn wir den Ursinn des Christentums erfassen wollen, dann müssen wir weit in die Entwickelungsgeschichte der Menschen zurückgehen und uns klarmachen, daß wirklich mit dem Auftreten des Christus Jesus etwas ganz Neues in die geistige Entwickelungsgeschichte der Menschheit eingeprägt worden ist. Was da eingeprägt worden ist, kommt in der Einweihung des Paulus selbst am intensivsten zum Ausdruck. Die Tatsache, daß ein Mann wie Saulus durch eine so plötzliche Erleuchtung die ganze Überzeugung von der Wahrheit des Christentums erhielt, wäre vor dem Erscheinen des Christus Jesus nicht möglich gewesen. Wir haben schon öfters davon gesprochen, wie die Einweihung vor der Erscheinung des Christus Jesus auf der Erde war. Wir wollen es noch einmal tun, um zu verstehen, was im christlichen Sinn der Geist der Wahrheit eigentlich bedeutet. Wenn wir erfassen wollen, was in den alten Einweihungsstätten vorgegangen ist, dann müssen wir uns kurz das Wesen des Menschen vor die Seele rufen.
Sie kennen das Bestehen des Menschen aus sieben Wesensgliedern.
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Der physische Leib ist aus denselben Bestandteilen aufgebaut wie die leblosen Stoffe der physischen Welt. Der Ätherleib ruft diese Kräfte zum Leben auf, er arbeitet in jedem Moment unseres Lebens dem Verfall des physischen Leibes entgegen. Erst im Tode rückt der Äther- oder Lebensleib aus dem physischen Leibe heraus. Der Kristall behält seine Stoffe beisammen aus sich selbst; der lebende Körper zerfällt, sobald er sich überlassen wird. Wahrhaft ist in jedem Moment in ihm ein Kämpfer gegen den Tod. Hört dieser zu kämpfen auf, dann tritt der Tod ein. Das dritte Glied ist der Astralleib, der Bewußtseinsleib. Das vierte Glied ist das Ich, durch dieses ist der Mensch die Krone der Schöpfung. Alle Geheimlehren haben den Menschen aus diesen vier Gliedern aufgebaut gedacht. In der pythagoreischen Schule mußte ein jeder Schüler zuerst in diese Lehre von dem viergliedrigen Menschen eingeführt werden. Erst wenn diese Lehre in ihm innerste Überzeugung geworden war, konnte er in die höhere Weisheit eingeführt werden. Er mußte also geloben: Ich gelobe bei dem, was uns tief ins Herz geprägt, der heiligen Vierheit, dem geistig erhabenen Symbolum, dem Urquell alles natürlichen und geistigen Schaffens.
Der unentwickeltste Mensch hat diese vier Glieder. Der Mensch entwickelt sich durch die verschiedenen Verkörperungen hindurch zu immer größerer Vollkommenheit dadurch, daß das Ich an diesen drei Gliedern der Wesenheit arbeitet. Im astralen Leib arbeitet es zuerst an allem, was Kulturfortschritt, logisch wissenschaftliches Lernen ist, was dazu dient, wegzukommen von der tierischen Stufe. Das ist Arbeit des Ich am astralischen Leib. Bei jedem entwickelten Menschen, dessen Ich schon am astralischen Leibe gearbeitet hat, teilt sich dieser in zwei Teile: in den gegebenen und in den Teil, den das Ich erst gemacht hat. Diesen Teil, der immer größer und größer wird, je weiter der Mensch vorwärtsdringt, bezeichnet man mit Manas oder Geistselbst. Die christliche Esoterik bezeichnet diesen Teil als den Heiligen Geist, im Gegensatz zu dem Geiste, dem ungeläuterten und ungeheiligten Teile des astralischen Leibes. Somit kennen wir das fünfte Glied.
Nun kann das Ich aber auch in den dichteren Ätherleib hineinar-
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beiten. In einer gewissen Weise geschieht dies schon bei dem gewöhnlichen Menschen, das heißt unbewußt. Schon öfters wurde gesagt, wie man unterscheiden muß zwischen der Arbeit am astralischen Leib und am Ätherleib: erstere läßt sich in der Raschheit des Fortschrittes gegenüber der letzteren mit der Bewegung des Minutenzeigers gegenüber der des Stundenzeigers vergleichen. Wenn der Mensch sich dem Eindruck eines erhabenen Kunstwerkes hingibt, dann wirkt ein solches Kunstwerk umgestaltend auf Lebens- und Bewußtseinsleib. Jeder große künstlerische Impuls übt diese Wirkung aus. Am stärksten ist die Wirkung religiöser Impulse, welche die Religionsstifter in die Welt gebracht haben, die das Ich auf das Ewige hin richten. Das hellseherische Auge kann es sehen, wenn der Ätherleib eines Menschen immer schöner und reiner wird.
Denjenigen Teil des menschlichen Ätherleibes, den das Ich vergeistigt, nennt man die Buddhi, den Lebensgeist; es ist der umgewandelte Lebensleib. In der christlichen Esoterik nennt man diesen Teil, der vom Ich umgearbeitet ist, den Christos. Das fünfte Glied der menschlichen Wesenheit ist der Heilige Geist, das sechste Glied ist der Christus, der innere Christos.
Es ist auch schon darauf hingedeutet worden, daß es immer sogenannte Geheimschulungen für den Menschen gegeben hat, und daß er dadurch ein Eingeweihter werden und in die geistige Welt selbst hineinschauen kann. Dies beruht eben auf einer höheren Umgestaltung des Äther- oder Lebensleibes. Darum müssen Sie sich auch klarmachen, daß eine jede höhere Schulung nicht nur eine Aufnahme von Begriffen und Lehrmaterial ist. Die Geheimschulung besteht vielmehr in der Umwandlung der Eigenschaften unseres Lebensleibes. Wer sein Temperament umgestaltet hat, hat viel mehr getan, als wenn er unendlich viel Wissenschaft aufgenommen hätte.
Es gibt noch eine höhere Umwandlung, die erst bei fortgeschrittener Schulung eintritt. In dieser läutert und reinigt der Mensch seinen physischen Leib. Was weiß der Mensch von seinem physischen Leib? Dadurch, daß er ihn im anatomischen Institut durch Zerlegen untersucht, erlangt er noch keine Erkenntnis der in ihm waltenden Gesetze, keine innere Beherrschung derselben. Es gibt aber eine
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Möglichkeit, in sich hineinzuschauen, daß einem die Bewegungen der Nervenstränge, des Pulsschlages, der Atmungsströme klarwerden, so daß der Mensch bewußt in sie hineinarbeiten kann. Wenn der Mensch in der sogenannten Geheimschulung auch seinen physischen Körper umzuwandeln vermag, dann nennt man diesen umgearbeiteten dichten Körper Atma, weil das beginnt mit einer Regulierung des Atmungsprozesses. Das siebente Glied der menschlichen Wesenheit ist Atma, in der christlichen Esoterik der Vater.
So kommt man zuerst zum Heiligen Geist, dem umgestalteten astralischen Leib, durch den Heiligen Geist zum Christus, dem Bewußtsein des Ätherleibes, und durch den Christus zum Vater, dem Bewußtsein des physischen Leibes.
Wenn Sie verstanden haben, wie diese sieben Glieder der menschlichen Natur zusammenhängen, so werden Sie auch verstehen, wie nun die Einweihung in alten Zeiten vor Christus war und wie diese Einweihung war, nachdem der Christus Jesus auf Erden erschienen war. Wenn der Mensch schläft, dann liegen im Bett nur der physische und der Ätherleib, der astralische Leib ist draußen. Wenn der Mensch stirbt, läßt er den physischen Leib zurück, und heraus hebt sich der Teil, den er vom physischen Leib schon umgestaltet hat, Kräfte, keine Stoffe. Sehr wenig ist das, was der Mensch da mitnimmt. Es ist aber doch das, was in einer neuen Inkarnation dazu dient, den neuen physischen Leib zu formen. Der Materialismus nennt diesen Teil «Permanentes Atom». Zunächst dringt dieser Teil heraus, den der Mensch vom physischen Leib selbst umgewandelt hat, heraus dringt der Ätherleib, heraus der Bewußtseinsleib, heraus das Ich. Nach einiger Zeit löst sich der Teil des Ätherleibes los, an dem der Mensch noch nicht gearbeitet hat. So geht der Mensch in das Kamaloka ein, den Ort der Läuterung. Nach einiger Zeit löst sich vom astralischen Leib auch das los, woran das Ich noch nicht gearbeitet hat. Es kommt dann die Zeit, wo am Menschen von den drei Leibern nur das noch haftet, was das Ich selbst erarbeitet hat. Das geht durch das Geistgebiet hindurch. Es ist der ewige Wesenskern des Menschen. Dieser wird immer größer, je mehr das Ich erarbeitet hat.
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Der Heilige Geist ist der ewige Geist im Menschen. Der Christus ist der ewige Teil des Lebensleibes, der Vater das Ewige des physischen Leibes. Diese drei gehen mit dem Menschen durch alle, alle Zeiten als sein ewiger Teil mit.
Vor der christlichen Zeit war die Einweihung so, daß der Schüler zunächst vorbereitet wurde zu alledem, was die Geheimwissenschaft geben kann, bis zu dem Punkte, wo ihm alle Begriffe und Vorstellungen, alle Gewohnheiten und Gefühle geläufig waren, die man braucht, um in den höheren Welten leben zu können, um darin wahrnehmen zu können. Dann kam, was man die Auferweckung nannte, was dreieinhalb Tage und drei Nächte dauerte. Diese bestand darin, daß durch die Kunst des Tempelpriesters der Mensch für dreieinhalb Tage künstlich in einen todähnlichen Schlaf versetzt wurde. Während sonst im Schlaf physischer und Ätherleib verbunden bleiben, wurde dem Einzuweihenden für diese Zeit der Ätherleib durch die Kunst des initiierenden Priesters herausgehoben aus dem physischen Leibe, so daß nur eine lose Verbindung zwischen dem physischen Leib und den andern Leibern bestand. Es war ein tiefer Tranceschlaf. Das Ich des Menschen lebte während dieser Zeit in den höheren Welten. Da man dem Schüler ein Wissen von der höheren Welt gegeben hatte, kannte er sich dort aus. Der Priester leitete ihn. Erst mußte der Priester den Ätherleib von dem lethargischen physischen Leib befreien, um den Schüler in die geistigen Welten hinauszuführen. Im vollbewußten Zustande hätte der Mensch in jene höheren Welten nie hinaufsteigen können. Er mußte aus diesem Zustande herausgehoben werden.
So großartig und gewaltig es war, was der Mensch da erlebte, er war doch ganz in der Hand des Priesters. Ein anderer herrschte über ihn, und nur um diesen Preis konnte er in die höheren Welten eindringen. Was er nach dieser Zeit war, können Sie sich vorstellen, wenn Sie bedenken, daß der Mensch bei dieser Gelegenheit sein Ewiges erleben konnte. Er war entledigt desjenigen Teiles der Endlichkeit, des physischen Leibes, den er nicht brauchen konnte, wenn er sich in den höheren Welten bewegen sollte. Aus diesem kam ein solcher Mensch als ein Wissender heraus, als ein solcher, der aus
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eigener Anschauung zeugen konnte von dem Siege des Lebens über den Tod. Das waren die Eingeweihten, die davon zeugen konnten. Es mußte der Ätherleib aus dem physischen Leib herausgehoben werden, um den Christos im Menschen zu erleben. Diese Eingeweihten konnten sagen: Ich habe es selbst erlebt, daß im Menschen vorhanden ist ein Teil, der ewig ist, der alle Verkörperungen überdauert. Ich weiß es, ich habe ihn selbst erlebt, diesen ewigen Wesenskern. Um diesen Preis mußten sie in einen dreitägigen völligen Traumschlaf eingehen.
Noch etwas anderes war damit verknüpft; diese Art der Einweihung war noch an etwas anderes gebunden. Je weiter wir zurückgehen, desto mehr erkennen wir das. Ich habe es schon einmal charakterisiert, als ich davon sprach, daß in uralten Zeiten das vorhanden war, was wir die Nahehe nennen im Gegensatz zur Fernehe. Bei allen Völkern gab es kleine Gemeinschaften, die miteinander verwandt waren. Innerhalb dieser heiratete man, aus diesen kleinen Gemeinschaften herauszutreten galt als unmoralisch. Immer floß verwandtes Blut in den Ehen. Erst allmählich wurde die Nahehe abgelöst durch das Prinzip der Fernehe. Es waren sogar für Einweihungen ganz besondere Maßnahmen notwendig: Man mußte sorgfältig die vorhergehenden Inkarnationen auswählen, um eine möglichst gute Blutmischung herbeizuführen. Aus diesem Stamm wurde herausgeboren der, welcher die hohen Einweihungen durchmachen konnte. Bei Blutsverwandten ist es besonders leicht möglich, den Ätherleib aus dem physischen Leibe herauszuheben. Bei den Fernehen ist es gar nicht so leicht möglich. Es waren ganze Generationen von Priestern da, die darauf achteten, daß das Blut in einer ganz bestimmten Weise erhalten werde.
Das Menschenleben ist kompliziert, es geht nicht immer den geraden Weg. Man muß tiefer hineindringen in die Rätsel des Daseins. Immer mehr und mehr wurde das Prinzip der Nahehe durchbrochen, immer mehr erweiterte sich der Stamm zum Volke. Bei den Israeliten sehen wir, wie das Stammesprinzip ganz und gar zur Volksgemeinschaft erhoben wurde. Christus erweitert diese Perspektive auf eine ferne Zukunft hinaus: «Wer nicht verläßt Vater,
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Mutter, Bruder, Schwester um meinetwillen, der kann mein Jünger nicht sein.»
Grausam, aber am wahrsten zeigt dieses Wort die Tendenz des Christentums an. Bei der Volksgemeinschaft sagte man: Das ist mein Bruder, der innerhalb des Volkes geboren ist. Bei der Menschenverbrüderung, die das ganze Menschengeschlecht umfassen muß, heißt es: Weil du Mensch bist, bist du mein Bruder. Das ist das tiefste Prinzip des Christentums. Alle Engherzigkeit der andern Verwandtschaft muß zerrissen werden, ein gemeinsames Band von Mensch zu Mensch geschlungen werden. Damit ist aber auch zugleich das alte Einweihungsprinzip zerrissen worden, das auf der Verwandtschaft des Blutes beruht.
Das neue Einweihungsprinzip, das von jetzt ab an keine physische Eigenschaft gebunden ist, sehen wir bei Paulus selber angedeutet: Er wird im Licht eingeweiht, nicht im Dunkel des Tempels. Das hätte früher nicht geschehen können. Wenn wir dies bedenken, werden wir den großen Umschwung erkennen können, der durch den Christus Jesus herbeigeführt wurde. Vorbereitet war er durch Moses, Zarathustra, Buddha, Pythagoras, gebracht wurde er durch den Christus Jesus.
So sehen wir denn auch in den christlichen Einweihungsschulen zum ersten Male das Prinzip durchgeführt, nicht durch Herausziehen aus dem physischen Leibe den Menschen in die höheren Welten hineinzuführen, sondern ihn bei vollbewußtem physischem Leibe einzuführen. Das ist dann in den christlich-esoterischen Schulen der Fall gewesen. Diesem steht bei den Alten, und damit einem großen Teile der Menschheit auch jetzt noch, der initiierende Tempelpriester gegenüber, dessen strenger Autorität der Einzuweihende sich fügt. Nur dadurch, daß man sich ganz der Gewalt eines solchen Einweihenden unterwarf, konnte man hinaufsteigen.
Das Prinzip der Zwangsautorität kam auch im äußeren sozialen Leben zum Ausdruck: Herrscher waren die Priester. Alle Regeln des Regierens, alle Struktur des Staates ging von der initiierenden Gewalt aus. Von der Blutsgemeinschaft im Stamm bis zum Volk war das möglich. Dadurch, daß das alte initiierende Prinzip aufgehoben
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wurde, wurde eine ganz andere Autorität angebahnt: die freie, lediglich auf das Vertrauen gebaute Autorität. Du sollst dem glauben, dem du vertraust , das ist die höchste christliche Idee, zu der man sich hinauferhebt, wo ein jeder dem andern gegenübersteht als ein Bruder, und derjenige, der höher steht, anerkannt wird als der, dem man Vertrauen schenkt.
«Wachet und betet», das ist der christliche Grundsatz. Im Wachzustand verläuft die neue Einweihung. «Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen», das ist ein tiefes christliches Wort. Es bedeutet eine Perspektive in die Zukunft des Christentums hinein. Das Christentum steht erst am Anfang seiner Entwickelung.
Bedenken Sie den intensiven Zusammenhang zwischen dem initiierenden Lehrer im alten Tempelschlaf und dem Schüler, der in den dreieinhalb Tagen das Letzte in der Einweihung empfängt. Dies Verhältnis war so, wie wir es uns heute nicht einmal vorstellen können. Das Verhältnis zwischen Hypnotiseur und Hypnotisiertem gibt uns ein schwaches Abbild von der Art und Weise, wie der initiierende Tempelpriester zuerst den Heiligen Geist und dann den Christos erweckte. Der Schüler spiegelte wider den Heiligen Geist und den Christos des Lehrers; zusammengeflossen waren sie, der Hellseher konnte diesen Vorgang beobachten. Während der drei Tage waren Lehrer und Schüler identifiziert. Das Ich des Lehrers lebte fort in allen seinen Schülern, tief verschmolzen durch die dreieinhalb Tage. Betrachten Sie den sozialen Pyramidenbau: unten das Volk, darüber die Eingeweihten, darüber die Lehrer der Eingeweihten. Ein Geist floß herunter durch alle Stufen. Es lebte vieles fort in den so Eingeweihten, auch Fremdartiges.
Durch das Prinzip des Christentums trat die Individualität in ihre Geltung ein. Daher der Grundsatz der christlichen Einweihung: Nie darf der Schüler mit dem Lehrer in dieser Weise verschmelzen. Sie dürfen nicht während der Einweihung eine Person sein. Der Heilige Geist muß in dem Ich eines jeden entstehen, auferweckt werden. Das ist das Prinzip der christlichen Einweihung geworden. Dies wird auch im Pfingstwunder der Apostelgeschichte symbolisch
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zum Ausdruck gebracht. Die Möglichkeit der Einweihung war dadurch gegeben, daß alle anfingen, in den verschiedenen Zungen zu reden.
Der Lehrer läßt die Individualität des andern gelten; er steigt in das Herz des Schülers hinein, er holt es sich nicht heraus aus dessen physischem Körper.
Bedenken Sie, wie es bei dem jetzigen Menschen vor allem darauf ankommt, daß selbständig der Heilige Geist und der Christos entwickelt werden. Da werden Sie begreifen, daß diese menschliche Persönlichkeit eigentlich erst durch dieses Prinzip des Christentums als eine freie gedacht worden ist. Erst das Christentum hat die menschliche Individualität wirklich befreit, und daher ist durch das Christentum ein ganz anderes Verhältnis zur Wahrheit und Weisheit als früher notwendig geworden.
In den alten Zeiten herrschte der Geist der Weisheit, weil er zentralisiert wurde. Mit der Zerklüftung wird er dezentralisiert, es tritt aber der Egoismus ein. Je mehr das Prinzip der Fernehe geltend wird, desto größer muß die Gewalt dessen sein, was die freigewordenen Menschen wieder zusammenbringt. Was ist das? Sehen Sie sich an, was wir heute in den elementaren Teilen der Geisteswissenschaft lernen, und gehen Sie zurück in der Geschichte, so sehen Sie dies Wissen nur im Besitz kleiner Gemeinschaften, schließlich nur der höchsten Spitze. Dadurch herrschte diese nach dem Prinzip der Zwangsautorität. Wir nähern uns der Zeit, wo die Weisheit immer mehr und mehr populär wird. Dies wird ein Mittel sein, den großen Bruderbund der Menschheit zu stiften.
Zwei Geistesforscher werden nie über eines verschiedener Meinung sein. Wenn sie es sind, dann ist die eine Meinung falsch. Die Weisheit ist etwas Einheitliches, das keiner Differenz fähig ist. Je individueller die Menschen werden, desto mehr muß man ihnen die Weisheit geben; die wird sie zusammenführen. Heute sind wir in einem Übergangsstadium. Das Prinzip des Standpunktes hört ganz auf mit der zunehmenden Weisheitsentwickelung. Je individueller, desto weiser muß die Menschheit werden, denn Erkenntnis wird sie zusammenführen: das ist der Geist der Weisheit, den Christus Jesus
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den Seinigen verheißt. Die Sonne der Weisheit zieht alle Standpunkte zu sich hin, wie die Sonne die Pflanzen.
Der Geist, der den Menschen frei machen wird, ist der Heilige Geist. Gegen diesen Geist darf der Christ niemals sündigen. Wer dagegen sündigt, sündigt wider das Christentum selber, gegen den verheißenen Geist, der die einzelnen menschlichen Individualitäten einzig zusammenführen kann.
Es wird in den Evangelien davon gesprochen, daß der Christus Jesus Dämonen austreibt. Dämonen gibt es nur, solange der Mensch nicht frei geworden ist, solange er diesen Geist der Weisheit noch nicht aufgenommen hat. Der Mensch ist ganz gespickt mit allerlei Wesenheiten, die in seinen niederen Gliedern aus- und einfluten. Wir nennen sie Schemen, Spektren, Gespenster, Dämonen. Wenn wir einen trivialen Vergleich nehmen wollen: es ist so, wie beim Käse die Maden aus- und einwandern. Indem sich der Christus Jesus als den Geist hinstellt, der die Dämonen austreibt, gibt er sich als den Geist der Freiheit zu erkennen. Austreiben kann man die Dämonen nur, indem man den einen Geist gegen den andern aufruft, den Geist der Freiheit gegen alle andern Geister.
Nun denken Sie noch kurz an jene alten Gemeinschaften von der Stammes- bis zur Volksgemeinschaft. Wie kann man diese Menschen zusammenbringen, die nicht individuell frei geworden sind? Denken Sie sich, alle Hiersitzenden wären frei geworden, in ihnen allen lebte der Geist der Wahrheit! Werden wir je streiten, je in Unfrieden kommen? Nein, denn Standpunkte gibt es nicht, wenn uns nur der Geist vereinigt.
In alten Zeiten mußte das äußere Gesetz walten, um die Menschen zusammenzuhalten. Zwei Menschen, die den Geist der Wahrheit kennen, werden sich von selbst zueinander hingezogen fühlen. So steht am Beginn der Menschheitsentwickelung das Gesetz, am Ende von innen heraus das friedliche, harmonische Zusammenarbeiten. Das nennt man im esoterischen Christentum, im Gegensatz zum Gesetz, die Gnade. Nichts anderes als die Fähigkeit, mit dem anderen im vollen Frieden mitzufühlen, das ist der tiefste Begriff des Christentums.
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Der vom Heiligen Geist erfüllte astralische Leib ist allen gleich, der Geist der Wahrheit ist in einem jeden gleich. Denken Sie sich diesen Geist in einer solchen Individualität, in der auch zugleich der Christos erweckt ist, dasjenige Prinzip, das als Lebensgeist im Lebensleib wirkt. Wenn ein jeder den Ätherleib mit diesem Gefühl durchdringt, dann haben Sie in jedem Herzen das Gefühl für den einheitlichen Geist, die Individualitäten zusammengeführt durch die gemeinsame Weisheit. Und das, was Sie in sich fühlen: das ist die Caritas, die Gnade.
Gebracht hat sie Er, der im Beginne unserer Zeitrechnung in der Individualität den ganzen Christos in sich hatte, der das ganze Menschheitsprinzip als erster erfüllt hat. Der Christus Jesus hat sich zu dem gemacht, was in jedem einzelnen Menschen leben soll. Durch ihn ist das in die Welt gekommen, was durch Freiheit und friedliches Zusammenwirken besteht.
«In Christo werdet wieder lebendig; tötet den Geist der Uneinigkeit!» sagt Paulus.
Es kann der Mensch gegen alles dasjenige sündigen, was nicht in diesem Geist selber gehalten ist. Würde er gegen diesen Geist der allgemeinen Menschheit sündigen, würde er ihn leugnen, dann würde er kein Christ mehr sein.
Der Mensch muß dahin kommen, über den Geist bewußt zu sein. Wenn der Mensch sich immer mehr und mehr entwickelt, geschieht die Umwandlung seines Bewußtseinsleibes zum Heiligen Geist. Darum kann die Sünde wider den Heiligen Geist nicht vergeben werden.
Beim Uneingeweihten geschieht die Umwandlung des Ätherleibes unbewußt. Solange der Mensch nicht eingeweiht ist, kann er nur im astralischen Leib die Sünde begehen, die nicht vergeben werden kann. Der Eingeweihte darf auch nicht gegen den physischen und den Ätherleib sündigen. Dem noch nicht Eingeweihten können diese Sünden vergeben werden. Es geschieht dies mit der Hilfe derjenigen, welche die Führer der Menschheit sind.
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II 17 Luzifer, der Träger des Lichtes Christus, der Bringer der Liebe, Düsseldorf, 30. März 1906
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Luzifer und Christus
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Luzifer, der TrÄger des Lichtes
Christus, der Bringer der Liebe
Düsseldorf, 30. März 1906
Bei den verschiedenen Völkern ist in ihren Religionsbekenntnissen und Weltanschauungen ein Bewußtsein von zwei einander entgegenstrebenden Mächten vorhanden. Auch im Christentum finden wir dies. Das hängt ein wenig mit der Frage zusammen, die uns heute eingehend beschäftigen soll.
Tatsächlich gibt es Mächte, die weder als absolut gut noch als absolut böse bezeichnet werden können. Was in einer gewissen Beziehung eine gute Macht ist, kann in anderer Beziehung eine böse Macht werden. Wir brauchen da nur an die Naturerscheinung des Feuers zu denken. Dem Feuer verdanken wir Unendliches. Mit der Erfindung des Feuers begann in der Natur und der Kultur eine neue Epoche. Aber auch schlimme Wirkungen hängen damit zusammen. Schön hat dies Schiller in dem «Lied von der Glocke» geschildert:
Wohltätig ist des Feuers Macht,
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
Und was er bildet, was er schafft,
Das dankt er dieser Himmelskraft,
Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
Wenn sie der Fessel sich entrafft,
Einhertritt auf der eignen Spur,
Die freie Tochter der Natur.
Auf der einen Seite ist das Feuer die wohltätige Macht, auf der andern Seite die verderbenbringende.
Wer tiefer hineinsieht in das Dasein, wird sich das Urteil abgewöhnen, daß etwas unter allen Umständen gut oder böse ist. Im Christentum wird die Schlange als Verführerin der Menschheit bezeichnet und Luzifer mit Abscheu genannt. Die Anschauung über das luziferische Prinzip hat sich allerdings geändert, aber Goethe hat
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doch recht, wenn er die Weltanschauung des Durchschnitts der Menschen im Christentum so schildert:
Natur und Geist so spricht man nicht zu Christen.
Deshalb verbrennt man Atheisten,
Weil solche Reden höchst gefährlich sind.
Natur ist Sünde, Geist ist Teufel,
Sie hegen zwischen sich den Zweifel,
Ihr mißgestaltet Zwitterkind.
Dies ist keine Anschauung des ursprünglichen Christentums, sondern später erst in das Christentum hineingekommen. Auch bei den christlichen Mystikern der ersten Jahrhunderte, bei den Gnostikern ist die Schlange nicht ein Symbol für das Böse, sondern sogar ein Symbol für die geistige Führung der Menschheit. Der Weise, der Führer heißt «die Schlange». So wurde derjenige bezeichnet, welcher die Menschheit zur Erkenntnis führt. Die Schlange ist das Symbol des Luzifer.
An der Änderung der Faust-Sage kann man die Wandlung in der Auffassung des luziferischen Prinzips verfolgen. Faust war eine Gestalt des Mittelalters, halb Gaukler, halb schwarzer Magier, der allerlei Künste getrieben hat, aber allmählich für das Volk ein Typus geworden ist. Die Faust-Sage steht genau im Gegensatz zur Luther-Sage. Luther ist der Mann Gottes, der mit der Bibel in der Hand dem Bösen widersteht und ihm das Tintenfaß an den Kopf wirft. Faust dagegen legt die Bibel zunächst beiseite und wird ein Mediziner, der nach Weisheit sucht anstelle des bloßen Offenbarungsglaubens. Faust wird vom Teufel geholt und geht zugrunde. Bei Goethe ist es das Große, daß er den Faust gerettet werden läßt. Das ist eine völlige Wandlung, die sich in bezug auf die Auffassung der Faust-Gestalt in den letzten Jahrhunderten vollzogen hat. Goethe hat das luziferische Prinzip dem Faust in Gestalt des Mephistopheles gegenübergestellt. Mephis bedeutet Lügner, Tophel Verderber, ein hebräischer Name, herübergekommen aus alten magischen Lehren. Faust ist der weiße Magier im Gegensatz zu Mephistopheles, der den
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Anfang der schwarzen Magie darstellt. Goethe läßt den Faust nicht dem Mephistopheles verfallen.
Der Name Luzifer bedeutet: der Träger des Lichts. Lux heißt Licht, fero: ich trage. Das kann nicht das Prinzip des Bösen sein. Um dieses Prinzip wirklich zu verstehen, müssen wir uns zurückbegeben in sehr alte Zeiten. Will man das Prinzip des Luzifer verstehen, dann muß man das Gottesprinzip und das Menschenprinzip so denken, wie sie noch in der ersten Zeit des Christentums vorgestellt worden sind. Als der Mensch seine Heranbildung begann, gab es Wesen, die tiefer standen als der Mensch, und solche, die höher standen. Diese waren die Götter. Sie sind das auch erst nach einer langen Entwickelung geworden. Diese hohen Wesen haben nun nicht mehr nötig, dieselben Lehren aufzunehmen, die der Mensch aufzunehmen hat. Wir stellen uns vor, daß dem irdischen Dasein ein anderes planetarisches Dasein vorangegangen ist, daß sich dort die Götter entwickelten, die später schöpferische Mächte wurden. Die Götter sind uns voraus. Sie haben sozusagen schon die Schule absolviert, die der Mensch jetzt durchmacht. Auf einer gewissen Stufe, als sie am Anfang der Evolution standen, waren auch die Götter noch Menschen.
Man muß ins Auge fassen, wie sich überhaupt die verschiedenen Stufen des Daseins zueinander verhalten. Beginnen wir mit dem Mineralreich, dem Pflanzen- und dem Tierreich.
Wenn wir das Mineralische anschauen, müssen wir uns fragen: Wie ist das eigentlich entstanden? Diese Frage führt auf eine tiefe okkulte Wahrheit. Man blicke die Steinkohle an. Sie ist heute Stein. Einige Millionen Jahre zurück in der Erdenevolution war das, womit wir heute unsere Öfen heizen, noch in einem schönen Farnwalde enthalten. Durch eine Erdkatastrophe wurden die Bäume verschüttet und machten dann den Prozeß durch, der sie nach und nach in Kohle verwandelte. Man kann bei der Steinkohle konstatieren, daß aus Lebendem Lebloses entstanden ist. Im Gesteinsreich gibt es Bestandteile, bei denen man das nicht so leicht feststellen kann, zum Beispiel den Diamanten und den Bergkristall. Auch diese gehörten einmal einem Lebensträger an. Wenn man weiter zurückginge,
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würde man ebenfalls Pflanzen finden, die später zu diesen andern Mineralien versteinert sind. Alles Tote ist aus einem einzigen Leben hervorgegangen. Würde alles Leben einmal versteinert werden, so würde die Erde ein starrer Körper. Unsere heutigen Pflanzen sind etwas, was das Leben herübergerettet hat aus einem früheren allgemeinen Leben. Ein Teil ist versteinert, aber ein Teil hat das Leben herübergerettet. Die alten Farnwälder versteinern, ein neues Reich entsteht, daraus tritt neues Leben hervor. Eine alte Zeit war zuerst da, in der es nur Leben gab, dann eine neue Zeit, in der ein Teil versteinerte und daneben ein jüngeres Pflanzenreich entstand. Das Gesteinsreich tritt uns nicht chaotisch entgegen, sondern schön gegliedert. Es ist Weisheit darin. Das ganze Gerüst der Erde ist in Weisheit aufgebaut. Das Pflanzenreich hat das Leben hinübergenommen. Wir können aber das Leben selbst aus einem noch höheren Reiche ableiten. Wir können uns vorstellen, daß alles Lebendige aus einem noch höheren Reich hervorgegangen ist. Das ist das Reich der Liebe. Ein Urwesen muß dagewesen sein, das die Liebe in sich barg. Aus ihm gliederte sich ab das Reich des Lebens, und vom Reich des Lebens das Reich der Weisheit. Von dem Reich der Liebe gliederte sich außerdem das jüngere Reich der Liebe ab, in dem die Wesen auf der Tierstufe stehen, in dem aber die Liebe schon zum Ausdruck kommt. Nun kommen wir zu etwas noch Höherem hinauf. Das Göttliche steht über all diesen Reichen. Aus dem Göttlichen haben sich die andern Reiche herausgebildet. Jetzt begreift man, wie im Anfang der planetarischen Evolution Mensch und Gott sich gegenüberstanden, so wie sich in den Naturreichen im Anfang Mineral und Pflanze gegenüberstanden.
Früher gab es ein Pflanzenreich, welches das Gesteinsreich nicht brauchte. Aber das jüngere Pflanzenreich braucht das Gesteinsreich. So brauchten auch die Götter am Anfang der Erdenevolution die Menschen. Ohne die Menschen hätten die Götter beim Anfang der Erdenevolution ebensowenig gedeihen können wie die Pflanzen ohne die Steine. Man betrachte nun das Tier- und das Pflanzenreich. Es besteht eine ganz bestimmte Beziehung zwischen beiden Reichen. Das Tier atmet Kohlensäure aus, die Pflanze Sauerstoff. Sie
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sind voneinander abhängig. Das niedere Pflanzenreich gibt in schöner Liebe das dem Tier zurück, was es braucht. Die Pflanze behält den Kohlenstoff für sich und gibt den Sauerstoff wieder zurück. So besteht fortwährend die wunderbare Wechselwirkung zwischen den niederen und den höheren Reichen. Eine solche Wechselwirkung besteht auch zwischen dem Pflanzen- und dem Mineralreich. Die Pflanze zieht fortwährend die Stoffe der Erde aus dem Mineralreich heraus und versetzt dadurch diese Stoffe in einen Lebensprozeß. So wirkt das höhere Reich auf das niedere Reich. Und so wirkte im Anfang der Erdenevolution auch das Reich der Götter auf das Menschenreich. Anfangs war da eine Wechselwirkung wie zwischen Pflanze und Mineral und zwischen Tier und Pflanze. Die Wechselwirkung zwischen Göttern und Menschen kam anfangs in dem zum Ausdruck, was wir Liebe der Menschen untereinander nennen. Als der Mensch anfangs auf der Erde auftrat, wurde er ein zweigeschlechtliches Wesen. Diese Kraft der Liebe, der Verwandtschaft untereinander, das ist das, wodurch das Göttliche sich im Anfang der Erdenevolution ausdrückt. Die Götter empfangen die in den Menschen pulsierende Liebe und leben von ihr, so wie das Tier von dem Sauerstoff lebt, den ihm die Pflanze zubereitet. Die im Menschengeschlecht lebende Liebe ist die Nahrung der Götter. Anfangs ist alles auf diese Liebe gebaut. Blutsverwandtschaft verbindet die Menschen. Stämme, Horden, Völkerschaften und so weiter gründen sich darauf. Auf dieser Liebe, die sich um die zwei Geschlechter schlingt, beruht alle Macht der Götter im Anfang der Menschheitsevolution. Die Liebe war vorher da, bevor die Zweigeschlechtlichkeit entstand. Sie bestand vorher als eine vollständig bewußte Liebe. Jetzt, als der zweigeschlechtliche Mensch entstand, verdunkelte sich das Bewußtsein der Liebe. Es wurde daraus ein blinder Trieb, die Sinnlichkeit, die nicht erfüllt ist von heller Klarheit, sondern die sich nur als dunkler Trieb auslebt. Das Bewußtsein der Liebe war hinaufgestiegen zu den Göttern. Die Götter thronten nun oben im Bewußtsein der Liebe, die Menschen aber übten die Liebe in einem blinden Trieb. Die Götter nähren sich von diesem blinden Trieb der menschlichen Liebe, es wird daraus für sie das helle Licht.
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Es gibt eine Möglichkeit des Hellsehens, wo alles sichtbar wird, was in dem Menschen als blinde Triebe lebt. Die Götter haben dieses Sehen im Anfang der Menschheitsevolution gehabt, die Menschen aber waren bar dieser Anlage. Sie wurden erfüllt von Leidenschaften, sie wurden durchflutet von dem, was die Geschlechter zueinander treibt. Die Götter lebten im astralen Licht. Sie sahen diese Triebe, sie lebten davon.
Wie früher das jüngere Pflanzenreich zurückblieb und das Mineralreich zurückgestoßen hat, so ist aus einem alten Götterreich ein neues Götterreich und die Menschheit in ihrer jetzigen Verfassung entstanden. Es gibt nämlich auch solche Wesen, die nicht das volle Bewußtsein im astralen Licht erlangt hatten. Sie standen zwischen Göttern und Menschen mitten darin, als die Menschheit ihr Dasein auf der Erde begann. Diese Wesenheiten nennen wir die Scharen des Luzifer. Unter dem Einfluß der Götter, die durch ihre frühere Evolution ihre Vollendung erlangt hatten, wäre der Mensch ohne das Astrallicht geblieben, ohne Erkenntnis. Diese Götter hatten kein anderes Interesse, als daß der Mensch auf der Erde lebt. Luzifer aber mußte das nachholen, was er früher versäumt hatte. Das konnte er jetzt nur, wenn er sich des Menschenwesens mit dazu bediente. Das sinnliche Dasein war im Menschenreich vorhanden. Luzifer hatte kein sinnliches Dasein. Er mußte die Leiber der Menschen benutzen, um sich selbst vorwärtszubringen. Daher mußte er dem Menschen die Gabe verleihen, das im Lichte zu schauen, was die Götter ihm eingepflanzt hatten. Die Götter hatten ihm die Liebe eingepflanzt, Luzifer mußte ihn verleiten, diese im Lichte zu schauen. Nun haben wir also den Menschen, die gestaltete Form, die Weisheit; ferner Luzifer, der der Menschheit Licht gibt; und den Gott, der den Menschen durchströmt mit Liebe.
Mensch | Weisheit | |
Luzifer | Licht | |
Gott | Liebe |
Luzifer steht zu dem Menschen in einem viel intimeren Verhältnis als die in Liebe thronenden Götter. Luzifer hat dem Menschen die Augen
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geöffnet. Indem der Mensch die Augen öffnet und hinausschaut in die Welt, schaut Luzifer innerhalb des Menschen in die Welt hinaus. Er vollendet im Menschen seine Entwickelung. Sofern der Mensch im Schoß der Götter ruhte, war er ein Kind Gottes. Sofern er nach Erkenntnis strebte, war er ein Freund Luzifers. Das kommt in der Paradiesessage zum Ausdruck. Jehova gestaltet den Menschen. Er ist der Geist der Form. Er würde die Menschen so geschaffen haben, daß sie in Liebe lebten, ohne das Licht. Da kam Luzifer, die Schlange, und brachte dem Menschen das Licht der Erkenntnis und damit auch die Eventualität, das Böse zu tun. Jetzt sagt Jehova dem Menschen, daß die Liebe, die sich mit der Erkenntnis des Luzifer verbunden hat, Schmerzen bringen werde. Die Taten dessen, der die Erkenntnis eingepflanzt hat, das Licht der Liebe, dämmt Jehova dadurch ein, daß er zu der Liebe die Schmerzen hinzugibt.
In Kain sehen wir den, der sich auflehnt gegen das, was durch die blutsgebundene Liebe geschaffen ist. Er durchschneidet die Verwandtschaftsbande. Er ist aber auch der Repräsentant der Selbständigkeit. Neben der passiven Liebe die aktive, lichte Erkenntnisarbeit. Die Liebe eine Jehovagabe, die Erkenntnis eine Gabe Luzifers. Die Liebe muß geregelt werden. Die Organisation für die Familienbande ist das Gesetz von Sinai. Daneben steht die Erkenntnis, das Licht, das aus den Menschen selbst kommen soll, das den in ihm waltenden Lichtträger zum Ursprung hat. Auch das muß vertieft werden, es muß eine neue Phase erleben. Das kann nur dadurch geschehen, daß nicht bloß das Gesetz von außen her waltet. Das Gesetz wirkte von außen als ein Zwangsgesetz. Das, was Christus der Erde brachte, wirkt von innen. Es ist das zur Liebe heraufgeholte Licht, das Gesetz, das in der Seele selbst geboren wird, das Paulus die Gnade nennt. Das Gesetz, das aus der innersten Natur heraus wiedergeboren war, das war zugleich Liebe und Licht, und das hat den Anfang gegeben zu einer neuen Evolution auf der Erde. Paulus nennt den Christus den umgekehrten Adam.
Beim Menschen wirkte über ihm der Gott der Liebe, in ihm selbst der Luzifer, das Licht. Um zur Liebe zu gelangen, muß man erst Licht werden. Durch das Erscheinen des Christus Jesus ist dieses
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Licht zur Liebe verwandelt worden. Christus Jesus stellt die Hinaufhebung des Lichts zur Liebe dar.
Man sprach früher von Luzifer als dem andern Pol, welcher der Menschheit Licht gebracht hat. Zwei Mächte müssen auf der Erde wirken: der Liebesträger Christus, der Lichtträger Luzifer. Für den Menschen sind Licht und Liebe die zwei Pole. Unter der Einwirkung dieser beiden polarisch auftretenden Kräfte lebt jetzt der Mensch. Die Götter, welche die Liebe impulsiert haben, waren einstmals Licht, das Licht ist berufen, wiederum Liebe zu werden. Das Licht kann mißbraucht werden und zum Bösen führen, aber es muß da sein, wenn der Mensch frei werden soll.
Die ersten Christen sahen in Luzifer etwas, was durchaus in der Menschennatur wirken sollte. Erst später änderte man die Anschauung darüber. Nur wer die Qualen des Zweifels durchgemacht hat, kann sich in der Erkenntnis befestigen. Die junge christliche Menschheit mußte noch vor dem Lichte behütet werden. Aber heute ist die Zeit gekommen, wo der Bund zwischen Liebe und Weisheit neuerdings geschlossen werden soll. Er wird geschlossen, wenn das Wissen als Weisheit im Menschenherzen geboren wird durch die Liebe. Dieses Wissen, welches als Weisheit im Menschenherzen geboren wird, indem es zur Liebe heraufgehoben wird, das ist die Geisteswissenschaft.
Im Altertum ist das Gesetz da. Das Gesetz ist durch Christus zur Gnade geworden, indem das Gesetz aus der eigenen Menschenbrust herausgehoben wird. Nun soll das Wissen wieder zur Liebe heraufgehoben werden. Zu der äußeren Organisation des Christentums soll das innere Christentum hinzugefügt werden. Bisher hat das Christentum die Liebe nur in seinen Einrichtungen verwirklichen können. Aber jetzt müssen wir die Liebe bis in die tiefsten Tiefen der Menschenbrust tragen. Jetzt hat jeder noch die Eigenliebe für seine Meinung. Die Liebe steht erst über der Meinung, wenn man sich trotz der verschiedensten Meinungen vertragen kann. Die verschiedensten Meinungen nebeneinander und darüber die Liebe. Dann wirkt die einzelne Meinung nicht allein, sondern alle zusammen wirken in einem großen Chor.
II 18 Die Kinder des Luzifer Die Ablösung der Blutsliebe durch die geistige Liebe, Düsseldorf, 4. April 1906
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Die Kinder des Luzifer
Die AblÖSung der Blutsliebe durch
die geistige Liebe
Düsseldorf, 4. April 1906
Wir können sagen, daß es auf der Erde zweierlei Arten von Menschen gibt. Zwei große geistige Strömungen sind in der Menschheit zu erkennen. Der Unterschied zwischen den beiden liegt darin: Die einen streben mehr dahin, alles im Lichte der Erkenntnis zu sehen, die andern möchten in einer gewissen Beziehung geführt werden. Gerade die Art der Aufnahme der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung zeigt, daß das Streben, nach hellem, klarem Licht zu suchen, nicht sehr verbreitet ist. Die Mehrzahl der Menschen ist noch nicht so weit, von allem etwas wissen zu wollen. Vielen ist eine Umnebelung recht und lieb, es geniert sie, wenn sie in irgendeiner Sache vollständige Klarheit bekommen sollen. Es muß aber alldem entsagt werden, was zu einer Umnebelung des Bewußtseins führen kann. Das gilt auch für die ganze Lebensführung. So muß der Mensch auch in bezug auf seine Nahrung enthaltsam sein und alles vermeiden, was das Bewußtsein umdunkelt, wie es zum Beispiel beim Alkohol der Fall ist. Es gibt noch unzählige andere Dinge, die den Menschen von der Klarheit wegführen. Die Entsagung von diesen Dingen macht den Menschen auch praktischer im täglichen Leben. Auch Autoritätsglauben führt zu einer Umdunkelung. Nur anregen soll man sich lassen, aber nicht auf die Autorität bauen.
Was wir hier unter Klarheit zu verstehen haben, ist am wenigsten verbunden mit einer untergeordneten Art, die höheren Welten zu sehen. Eine solche untergeordnete Art ist in der Tat mit einer seelischen Umdämmerung des Bewußtseins verbunden. Ein derartiger Zustand war in den früheren Zeiten der Menschheitsgeschichte allgemein verbreitet. In der Zeit der Atlantier war das Bewußtsein des Menschen viel weniger klar als jetzt. Jetzt sind sogar die wildesten Völkerschaften weit hinausgerückt über den Bewußtseinszustand der Atlantier. Wenn wir immer weiter zurückgehen in der
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Menschheitsentwickelung, kommen wir immer mehr in Zustände, wo der Mensch von innen heraus sieht, aber nicht mit dem Verstande begreift. Bei der atlantischen Rasse dämmert der Verstand zum ersten Male auf. An der Stätte, die das heutige Irland einnimmt, lebten zu einer gewissen Zeit die Atlantier. Wenn dem Atlantier sich ein anderer Mensch näherte, so stiegen in ihm astrale Bilder auf. Nachdenken konnte der Atlantier noch nicht. Erst wenn das Vorderhirn entwickelt ist, kann der Mensch zu sich «Ich» sagen. In dem Teil der Atlantis, der an der Stelle des heutigen Irlands lag, fingen die Menschen zuerst an, das Ich-Bewußtsein auszubilden. Von dieser Stelle aus verbreiteten sich die Atlantier über Europa hin nach Asien. Die Menschenknochen, welche man im Neandertal gefunden hat, sind solche, welche von den Nachkommen der Atlantier herrühren, sie haben noch eine weit zurückliegende Stirn. Der Mensch lernte von der damaligen Zeit an ganz langsam, verstandesmäßig zu denken und das Ich-Bewußtsein auszubilden. In dem Moment, wo der Mensch hier auf der Erde sein mit dem Geiste befruchtetes Dasein anfing, war er schon weit über das Tier hinaus, konnte aber noch nicht sprechen und denken.
Damals waren göttliche Wesen da, die man die Devas nennt, die keinen physischen Leib brauchten, die im Astralraum schwebten. Was sie durch einen physischen Leib erwerben konnten, hatten sie auf dem Monde durchgemacht. Es waren aber auch noch andere Wesenheiten da, die auf dem Monde ihre Evolution nicht beendet hatten, die damit nicht fertig geworden waren. Dies sind die luziferischen Wesenheiten, die gegenüber den Devas zurückgeblieben waren. Die Götter oder Devas lebten von dem auf der Erde, was eine Eigenschaft der Menschen geworden war, von der zweigeschlechtlichen Liebe. Die Liebe der Menschen ist die Luft oder auch die Nahrung, welche die Götter genießen. Man bezeichnete sie in der griechischen Mythologie als Nektar und Ambrosia.
Solange die Menschen noch somnambul waren, hatten die Scharen des Luzifer keine rechte Aufgabe in der Menschheit. Daß sie den Menschen so recht zu ihrem eigenen Kinde machten, das bildete sich erst in der fünften Wurzelrasse aus. Menschliches Denken
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ist noch gar nicht so sehr alt. Was man uralte Weisheit nennt, war bei den ältesten Völkern heimisch. Diese uralte Weisheit ist alte Priesterweisheit, die von innen heraus geoffenbart ist. Richtiges Erkennen ist aber erst ein paar Jahrhunderte vor Christi Geburt entstanden, etwa um 600 vor Christus. Auch die Urteilskraft hat sich erst nachträglich in der Welt entwickelt.
Da kommen wir an ein wichtiges Mysterium mit einer Tatsache, die man bei alten Völkern findet. Nur wer hineinleuchten kann in die seelische Welt, ist imstande, diese Tatsache zu begreifen. Bei einem nordamerikanischen Indianerstamm findet man eigentümliche Benennungen für die Familienbeziehungen. Geschwisterkinder nannten sich bei den Irokesen «Geschwister» doch nur die Kinder von Brüdern, nicht die von Schwestern. Das ist noch ein Relikt aus der alten Atlantis. In dieser frühen Zeit der Menschheitsgeschichte war der Familienzusammenhang das einzig Geltende. Die Frau hatte mehrere Männer, und man konnte nicht bezeichnen, wer der Vater der Kinder war. Alle Völker hatten ursprünglich Vorfahren, welche nicht so sehr darauf gesehen haben, keine nahen Verwandten zu heiraten. Eine nahe Blutsverwandtschaft war keineswegs ein Hindernis für die Ehe. Man sagte, daß solche Kinder, die von am nächsten verwandten Eltern abstammten, am meisten erleuchtet waren: sie waren somnambul. Die weitere Evolution geht nun immer mehr und mehr dahin, daß sich solche Menschen verbinden, die nicht blutsverwandt sind. Es ist ein Gesetz, daß sich durch die Verbindung Fernerstehender der Ätherleib der Menschen herauslockert aus dem physischen Leib. Bei den blutsverwandten Ehen saß bei den Nachkommen der Ätherleib fest. Er wurde von innen heraus erleuchtet. Sie dachten noch mehr mit dem Sonnengeflecht, aber sie hatten nicht Urteilskraft. Diese wächst durch Fernehen und tritt in demselben Maße auf, wie die alten blutsverwandten Ehen zurückgehen. Es schwindet dann das alte somnambule Anschauen, und es tritt eine neue Art des Anschauens auf, die Urteilskraft. Man bezeichnet diese neue Epoche mit dem Aufkommen des dionysischen Prinzips. Dionysos wird zerstückelt, nur das Herz wird gerettet. Als das Dionysische auftrat, wurden die Menschen zerstückelt und dann
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wieder aufs neue zusammengeführt durch das Herz, die seelische Verwandtschaft, die mit einer vollständigen Veränderung des sexuellen Lebens zusammenhängt. Der Verstand ist umgewandelte frühere Verwandtensexualität.
Die früheren Entwickelungszustände der Menschheit werden nun im einzelnen Menschenleben noch einmal in Siebenjahresrhythmen wiederholt. Vom ersten bis siebenten Jahr tritt der Ätherleib des Kindes noch ganz zurück. Man soll daher vor dem siebenten Jahr noch nicht das Gedächtnis ausbilden, sondern nur die Sinne. Man kann dann auf die Sinne wirken, und die inneren Kräfte werden mit Hilfe der Sinne geweckt. Man soll diese Kräfte dadurch anregen, daß man den Kindern Spielzeuge gibt, bei denen die Phantasie tätig sein kann, etwa einen Holzklotz mit angemalten Punkten als Augen und so weiter, aber keine fertigen Puppen, bei denen das Kind gar nichts mehr durch seine Phantasie hinzufügen kann. Vom siebenten bis zum vierzehnten Jahr muß man bei den Kindern hauptsächlich feste Gewohnheiten ausbilden, die ihnen dann im späteren Leben einen bestimmten Halt geben. In diesen Jahren muß alles Gedächtnismäßige an den Menschen herantreten. Daher ist es besser, wenn man in diesem Lebensabschnitt nicht auf die Urteilskraft wirkt. Das Kind soll dann Autorität um sich haben, aber nicht selbst Autorität sein. Man soll durch Erzählungen auf das Kind wirken, nicht Moral predigen, sondern hinweisen auf große Beispiele, auf Vorbilder. Für die Moral würde es nötig sein, daß man dann in der alten pythagoreischen Form das Gefühl dafür ausbildet. Pythagoras sagte zu seinen Schülern: Du sollst nicht mit dem Schwerte ins Feuer schlagen , ein Bild dafür, daß man nutzlose Dinge nicht tun soll. Ein anderes derartiges pythagoreisches Wort war: Du sollst auf deinem Wege nicht umkehren, ehe du ans Ende gekommen bist. Erst nach der Geschlechtsreife soll der Mensch selbst urteilen lernen. Der Ätherkörper wird zu diesem Zeitpunkt gelockert, und der Astralkörper ist erst jetzt bereit, nach außen tätig zu sein.
Diese Entwickelung, die also heute der einzelne Mensch in Siebenjahresrhythmen durchmacht, hat die Menschheit als solche im
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Lauf ihrer großen Entwickelungsepochen absolviert. Ein Teil der untergeordneten Kräfte im Menschen wurde heraufgehoben zur Ausbildung der Urteilskraft. Da konnten erst die Scharen des Luzifer eingreifen. In dem selbständigen Urteil des Menschen äußert sich diese luziferische Kraft. In diesen Zeiten des Eingreifens des luziferischen Prinzips traten zum ersten Mal eigene menschliche Arbeiten auf. Wenn man die alten Zeiten verfolgt, kann man sich sagen: Es hat sich damals nur das zusammengefunden, was eine Familie bildet. Die anstelle der Blutsverwandtschaft das rein Geistige setzen wollten, waren diejenigen, welche im Namen Luzifers arbeiteten. Die Kirche bildete sich als Fortsetzung der alten Priesterweisheit heraus. Daneben entstand aber die Strömung, die selbst nach Licht suchte, die luziferischen Menschen wie zum Beispiel die Tempelritter. Sie sagten, man müsse sich selbst Licht und Wahrheit suchen. Es gab im Mittelalter eine Sekte, die dies verstand. Ihre Mitglieder nannten sich Luziferianer. Sie sagten: Wenn der Mensch noch so selig werden kann, aber ohne das Licht der Erkenntnis, so ist dies nicht unsere Sache wir wollen uns zum Licht durchringen.
Dies sind die zwei Strömungen in der Menschheit. Die eine Strömung ist die, welche nur selig werden will, die andern wollen das Licht dabei. Die, welche vor der Erkenntnis Furcht haben, betrachten Luzifer als den Bösen. Aber für die andern ist Luzifer der Lichtträger, der Lichtbringer. In einem Manuskript im Vatikan steht davon, aber es wird von der Kirche geheimgehalten und diese kirchliche Richtung warnt die Menschen vor Luzifer.
Dogmatik kann durchaus Wahrheit enthalten. So ist der pythagoreische Lehrsatz für den, der ihn nicht eingesehen hat, ein Dogma. Wenn er ihn aber versteht, so wird er für ihn helle, klare Erkenntnis. Die Dogmen sind als auf Autorität begründet hingestellt. Wenn man sie versteht, so werden sie auch klare Erkenntnis.
In der Zeit, da Paulus lebte, war das Christentum so, daß es zur allgemeinen Menschenliebe führen sollte. Aus einer Stammes- und Volksreligion sollte eine Weltreligion entstehen. An der Blutsgemeinschaft hängt der Offenbarungsglaube. Feste Gesetze werden gegeben von Moses. Christus gibt nicht feste Gesetze, sondern anstelle
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des Gesetzes tritt die Gnade. Es ist das Aufleben des Innersten in der menschlichen Seele.
Eine absteigende Welle ist es, die in der Kirchenorganisation angestrebt wird, und eine aufsteigende Welle in dem Anstreben der Freiheit der Meinungen. Es gibt solche Bestrebungen in bestimmten Bruderschaften, so bei den Tempelrittern, die nach dem Licht streben. Dies Geschlecht, das nach dem Lichte ringt, das sind die Kinder des Luzifer.
An den Zeitpunkt, als das Christentum anfängt sich stramm zu organisieren, versetzte Edouard Schur das Drama «Die Kinder des Luzifer». Da ist eine kirchliche Strömung, und daneben die andere, das luziferische Prinzip. Die Kinder des Luzifer sind die Kinder des inneren Lichtes, nicht des Offenbarungsglaubens. Diese, die der Zukunft zustreben, müssen sich in geniöser Weise verwandt fühlen. In unserer Zeit ist durch die geisteswissenschaftliche Bewegung das ausgesprochen worden, daß man durch eigenes Streben zum Licht kommen soll. Tief innerste Freiheit soll innerhalb der menschlichen Seele entwickelt werden.
Mit Absicht ist die theosophische Zeitschrift «Luzifer» genannt worden. Sie hängt zusammen mit dem innersten Wesen der theosophischen Bewegung. Es sollte einmal dokumentiert werden, daß in bewußter Weise das luziferische Prinzip in die Welt hineingeworfen worden ist. Als die katholische Kirche das Dogma der Infallibilität aufstellte, trat als entgegenstrebender Pol die Betonung des luziferischen Prinzips auf. Oder umgekehrt kann man sagen: Daß die Theosophie die geistige Freiheit proklamierte, das erzeugte als andern Pol das Dogma der Infallibilität, weil die Kirche sich nur dadurch retten konnte.
II 19 Der Verstand als Gabe Luzifers und seine künftige Umwandlung in ein neues Hellsehen, Stuttgart, 29. April 1906
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Der Verstand als Gabe Luzifers und seine kÜnftige
Umwandlung in ein neues Hellsehen
Stuttgart, 29. April 1906
Heute wollen wir von den Funktionen reden, die man gewissen geistigen Wesenheiten zuschreibt, die man luziferische nennt. Wir werden da auf merkwürdige Zusammenhänge stoßen, die sie mit der Menschheit haben. Zum Ausgangspunkt nehmen wir die Tatsache, daß die Wissenschaft vom Denken, von der Überlegung, nicht weiter als achthundert bis neunhundert Jahre vor Christus zurückgeht. Wer die Geschichte der Philosophie studiert, weiß, daß dieselbe mit Thales beginnt, der um 600 vor Christus lebte und einmal eine Sonnenfinsternis nach naturwissenschaftlichen Beobachtungen voraussagte, was damals noch etwas Außergewöhnliches war. Die Philosophie der abendländischen Logik haben wir erst seit Aristoteles. Vorher gab es keine Lehre über das Denken, denn das Denken selber, der abstrakte Verstand dämmerte erst 600 bis 800 vor Christus herauf. Keime dazu waren natürlich schon in der atlantischen Rasse enthalten. Wir haben allerdings schon eine Astronomie bei den Chaldäern, den alten Ägyptern und andern Orientalen, doch stammte diese aus den tieferen Anlagen des Hellsehens.
Ein halbes Jahrtausend vor Christus kommt also erst der Verstand herauf, und diese Tatsache hängt mit der Abänderung aller Verwandtschafts- und Eheformen zusammen. Diese waren ganz andere als heutzutage. Noch bei wilden Völkern Amerikas hat die Wissenschaft konstatiert, daß die Verwandtschaft von Vettern und Cousinen eine viel kompliziertere ist als bei uns. Die Irokesen zum Beispiel nennen Vettern und Cousinen väterlicherseits Geschwister, mütterlicherseits jedoch nicht, aus dem Grunde, weil die gleichaltrigen Männer einer Familie alle gleichaltrigen Frauen zu Frauen haben konnten, man also innerhalb einer Familie wohl die Mutter eines Kindes genau kannte, aber nicht den Vater. Die Irokesen haben noch heutzutage diese verwandtschaftlichen Beziehungen und
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Bezeichnungen. Nur der Okkultismus kann die richtige Erklärung für diese Verhältnisse geben. 800 bis 900 vor Christus haben wir Tatsachen zu verzeichnen, die darauf deuten, daß nunmehr aus der Verwandtschaftsehe die Fernehe wurde. Früher war ein Oberhaupt der Familie der Vater des Stammes. Noch bei den Germanen finden wir in viel späteren Zeiten diese Einrichtungen, während in Afrika und in den Ländern um das Mittelmeer herum schon zur Fernehe übergegangen wird. Im Mittelalter finden wir in den deutschen Sagen, zum Beispiel im Gudrunlied, diesen Übergang zur Fernehe verherrlicht. Tacitus spricht in seiner «Germania» noch von den deutschen Stämmen mit einem Ahnherrn. Dieser Gebrauch wird später gebrochen, und im Gudrunlied ziehen die Könige in ferne Länder, um ihre Frauen zu suchen. In der Siegfriedsage haben wir eine Schilderung davon, wie sich die neue Ordnung auflehnt gegen die Blutsverwandtschaftsehe: Siegmund und Sieglinde, deren Ehe von Frigga verworfen wird. Wotan ist der Begründer der Fernehe. Bei den verschiedenen Völkern ist die Fernehe zu verschiedenen Zeiten eingeführt worden, aber es existiert ein eigenartiger Zusammenhang zwischen dem Übergang zur Fernehe und der Ausbildung des Verstandes. Es ist ein okkulter Satz, daß die Fernehe auf einen Teil des Ätherkörpers tötend wirkt: das Vorderhirn wird belebt, während das alte Hellsehen abgetötet wird, das durch Blutsverwandtschaftsehen wächst. Die verstandesmäßige Erfassung der Dinge erwacht. Heute ist die Menschheit der Fernehe angepaßt, wie sie es früher der Verwandtschaftsehe war. Die Verwandtenehe wirkt heute schädigend auf die geistige Tätigkeit der Kinder, besonders auf das Sinnesorgan, das mit der Verstandesentwickelung zusammenhängt, das Auge. Daher gibt es so viele Blinde in Verwandtenehen. Nur durch die Fernehe wird das Gehirn verbessert. Diese physiologische Tatsache steht in engem Zusammenhang mit der Menschheitsentwickelung. Sie war notwendig, um das Erscheinen des Christentums vorzubereiten. Hätte dieses unter andern Bedingungen entstehen können? Es bringt die Liebe der Seele zur Seele, das Wirken von Seele auf Seele. Die Blutsverwandtschaftsliebe mußte erst überwunden werden. Die Völker werden überhaupt erst reif für das Christentum
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werden, wenn sie die Verwandtschaftsliebe überwunden haben. Die alten Eingeweihten Ägyptens stammten immer aus der gleichen Familie innerhalb langer Generationen. Die ältere Weisheit war intuitiver Art, was um so deutlicher hervortritt, je weiter man die Menschheit zurückverfolgt. Das verstandesmäßige Überlegen hängt mit der Grundlage des Christentums zusammen.
Wie war nun das Verhältnis der Götter zu den Menschen? Die Menschen werden im Verlaufe ihrer Entwickelung Götter sein, und die Götter haben eine Art Menschheitsentwickelung durchgemacht, anders als die unsrige, auf andern Planeten, aber immerhin etwas Ähnliches. Die Höherstehenden entwickeln sich fort auf der Grundlage der niederen: Mensch und Tier leben von der Pflanze, diese vom Mineral. Nie könnten die Götter sein, wenn die Menschen nicht wären. Es besteht das gleiche Verhältnis zwischen ihnen. Was brauchen nun die Götter von uns? Sie nähren sich von unserer Liebe. Die Zweiteilung der Geschlechter tritt ein. Die wirkliche Bedeutung von Nektar und Ambrosia, der Nahrung der Götter, ist die Liebe des Mannes und der Frau. Es ist dies der Ausdruck einer okkulten Tatsache.
Zwischen Göttern und Menschen stehen nun Wesenheiten, die ihre Entwickelung nicht zu gleicher Zeit mit den Göttern vollendet haben, die sozusagen in der Schule der Evolution sitzengeblieben sind, den Menschen aber weit voraus sind. Es sind die luziferischen Wesenheiten. Sie sind die Anfacher der höheren geistigen Selbständigkeit beim Menschen. Sie erzogen ihn zum Aufruhr gegen die Götter, sie bildeten jenen Teil in ihm aus, der die Götter nicht nährt. In der Paradiesessage erscheint deshalb Luzifer als Schlange, und die Strafe Jehovas ist: «Mit Schmerzen sollst du Kinder gebären.. Die Scharen des Luzifer wirkten weiter an der Verstandeserziehung. Was sie nicht erreicht hatten, holten sie nach, als die Fernehe entstand. Nicht mehr das unfreie Blut bewirkt Liebe, sondern von außen durch Übereinstimmung der Seelen kommt sie. Wenn wir dies erwägen, wird uns auch Jehovas Walten klar: Er ordnet durch richtige Gesetze die Blutsverwandtschaft. Das alte Gesetz schafft unter den Menschen Ordnung. Luzifer wurde achthundert
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bis neunhundert Jahre vor Christus frei, und die innere Kraft der Seele beginnt sich zu entfalten. Christus ist der Repräsentant der neuen Ordnung. Das äußere Gesetz wurde auf dem Sinai gegeben, das innere Gesetz, die Gnade, ist denen gegeben, die befreit durch Christus sind. So ist der Fortschritt der Menschheit: immer mehr mußte sich im Menschen das luziferische Prinzip entwickeln. Die äußere Wissenschaft soll durch die Theosophie frei werden: Wissenschaft vertieft zur Weisheit. Der Name Luzifer deutet das Prinzip der Selbständigkeit an, deshalb nannte Madame Blavatsky ihre erste Zeitschrift so und deshalb heißt die unsere so, um dieses Prinzip zu dokumentieren. Mehr und mehr werden sich die Unterschiede zwischen Menschen und Völkern abschleifen und der erste Satz der Prinzipien der Theosophischen Gesellschaft in Kraft treten: den Kern einer Menschenbruderschaft zu bilden. Die Liebe der Blutsverwandtschaft wird immer mehr überwunden werden, und man wird mehr die seelischen Zusammenhänge suchen. Aus den größten Fernen werden sich die Seelen zusammenfinden. Die Weiterentwickelung und Umwandlung des Verstandes wird uns in der Zukunft ein neues Hellsehen bringen. Das Überwinden der Geschlechtsliebe bedeutet zunächst Vereinsamung. Der Chela muß entwurzelt werden die große Überwindung aller Verwandtschaftsgefühle, das ist die Funktion des luziferischen Prinzips.
II 20 Der Verstand als Gabe Luzifers und seine künftige Umwandlung in ein neues Hellsehen, Fragenbeantwortung zum Vortrag Stuttgart
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Der Verstand als Gabe Luzifers und seine kÜnftige
Umwandlung in ein neues Hellsehen
Stuttgart, 29. April 1906
Fragebeantwortung
Fragen nicht notiert.
Dem Kastenwesen der Inder liegt Kenntnis des Karma zugrunde. Die hellsehenden Führer der Inder sahen voraus, für welche Kaste das Karma den Menschen bestimmte, so daß jeder in der ihm entsprechenden Kaste geboren wurde. Mit dem aufsteigenden Verstande durch die Fernehe werden die Menschen ein bewußtes Hell-
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sehen erlangen, und am Ende der sechsten Unterrasse werden sie sich in moralische Kasten gliedern. Mit der nächsten Unterrasse wird alle Blutsverwandtschaftsliebe schwinden. Den Göttern schwindet damit die Nahrung, sie ziehen sich mehr und mehr von den Menschen zurück zu höheren Entwickelungsstufen. Die Menschen werden weitergeführt durch ihre Meister, die sozusagen von der Pike auf in der Menschheit gedient, sich aber bewußt schneller entwickelt haben. Diese göttlichen Führer brauchen die Liebe der Menschen nicht zur Nahrung, deshalb hört die Geschlechtsliebe auf.
Wäre das luziferische Prinzip nicht in Kraft getreten, würde die Erde gleich dem Mond allmählich zur Schlacke geworden sein, tot und verödet. Das soll sie nicht, der Mensch selber wird sie davor bewahren und umgestalten. Als die Menschen auftraten, sah die Erde noch nicht aus wie jetzt. Lemurien hatte keine toten, erstarrten Metalle und Steine, alles floß, Metallflüsse durchströmten die Berge, was man jetzt noch deutlich erkennen kann. Die Bergleute, die in so intime Berührung mit dem Erdinnern kommen, verstehen das und sind deshalb immer die besten Spiritualisten. Viele Pflanzen waren damals noch Tiere, und Milch, von der die Menschen sich nährten, floß ebenfalls in freien Strömen. Als Kind machen wir unbewußt dieses Stadium noch einmal durch. Wir sollen aber bewußt zu dieser Nahrungsweise zurückkehren. Das ist ebenfalls in dem Satze beschlossen: So ihr nicht werdet wie die Kindlein. Milch und Pflanzenkost rufen okkulte Heilkräfte wach, deshalb muß ein Arzt der Zukunft sich so nähren, das heißt von allem, was der Sonne zustrebt. Indische Ärzte machen sich immun gegen Schlangenbisse, indem sie sich von Schlangen beißen lassen, um dann bei andern diese Bisse heilen zu können. Unsere Nahrung wird mineralisch sein. Mineralisch nähren sich jetzt schon die physiologischen Eingeweihten. Es gibt verschiedene Eingeweihte: solche, die Weisheit lehren, und unter andern solche, die an der Blutsverbesserung der Menschheit arbeiten, physiologische. Diese brauchen nicht besonders klug nach anderer Richtung hin zu sein, lediglich ihr Sinn für Physiologie ist sehr entwickelt. Wir sollen nur das von Pflanzen und Tieren essen, was nicht die Lebenskraft derselben enthält, also nicht
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die Wurzeln, nicht das Fleisch, sondern die Früchte und die Milch, die Blätter. Was über der Erde wächst, was die Kuh ißt, das ist richtige Nahrung, was an der Sonne gedeiht. Von Mineralien esse man nicht, was sich absetzt, also kein Salz, nur Wasser. Physiologische Okkultisten wachen über den Blutsübergang zur nächsten Rasse.
Wir haben uns im letzten Jahrhundert seit Friedrich dem Großen zehnmal schneller entwickelt, als in dem Jahrtausend von Karl dem Großen bis zu Friedrich dem Großen, und die Entwickelung wird entsprechend schneller weitergehen. In Rußland bildet sich die sechste Unterrasse. Nichtglaube ist ein großes Hindernis für die Entwickelung.
Der Merkur ist der Körper gewisser großer Wesenheiten, von denen eine sich in Gautama Buddha verkörperte.
Im Verlaufe der Entwickelung wird der Mensch seinen Körper von außen regieren, ihn gewissermaßen wie die Schnecke ihr Haus mit sich tragen, an ihm arbeiten und ihn umwandeln, wie er es jetzt schon unbewußt im Schlafe tut.
III 21 Die drei Einweihungspfade, Basel, 19. September 1906
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Alte Esoterik und Rosenkreuzertum
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Die drei Einweihungspfade
Ansprache zur Gründung des Paracelsus-Zweiges
Basel, 19. September 1906
Wenn man einen Vortrag über ein christliches Thema vor einer öffentlichen Versammlung hält, so kann man über die theosophische Weltbewegung nicht so intim sprechen wie im vorliegenden Fall in kleinerer, geschlossenerer Gesellschaft. In dem folgenden Vortrag soll eine skizzenhafte Schilderung der drei Pfade der Initiation gegeben werden.
Viele von Ihnen werden sich wohl in der mannigfaltigsten Weise mit der Theosophie befaßt haben und kennen auch verschiedene Anschauungen, die durch die theosophische Weltbewegung verbreitet werden. Aus Literatur, Vorträgen, eigenem Nachdenken ist manch einem das Interesse dafür rege geworden, von übersinnlichen, ewigen, über das Zeitlich-Vergängliche hinausgehenden Dingen genauere Kenntnis zu erhalten.
So hat es denn besonders die Geisteswissenschaft zu ihrer Aufgabe gemacht, Belehrungen über das tiefere Wesen des Menschen und seine Stellung zum Weltganzen zu geben, ferner zu erforschen, was im Menschen das Ewige und Bleibende sei, welches die Ursachen von Krankheiten, vom Bösen und Übel in der Welt wie im einzelnen Menschen seien, wohinaus letztlich die Ziele und Zwecke der Welt und der Menschen laufen, und endlich, wie die Welt entstanden sei.
Heute freilich sollen im wesentlichen die Pfade besprochen werden, die einzuschlagen sind, wenn man eine Einsicht in jene höheren Probleme erlangen will.
Menschheitsmoral ist das höchste Ziel, das sich der Mensch setzen kann. Allgemeine Verbrüderung unter den Menschen ist das Ideal, das sich alle großen, edeln Menschen zu allen Zeiten vorgestellt haben. Das gleiche will auch die theosophische Vereinigung. Nie und nimmer bezweckt sie aber die Begründung einer neuen Sekte auf buddhistischer Grundlage, noch weniger will sie das
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Christentum abschaffen oder ersetzen. Sie will überhaupt auch nichts Unwissenschaftliches bringen. Wichtig ist dann noch, auseinanderzuhalten die Lehre der Theosophie, ihre Weltanschauung, und die Ziele derselben, nämlich die der allgemeinen Menschenverbrüderung.
Beides ist wichtig, die theoretische wie die praktische Seite der Theosophie. Ihre Erkenntnissätze sollen dazu dienen, uns mit dem Höheren und Höchsten bekanntzumachen. Denn durch ein solches theoretisches Denken leisten wir an unserer Seele eine gewisse Arbeit. Wir bereiten sie in gewissem Maße vor zur praktischen Menschenliebe und Verbrüderung. Die theoretischen Ziele sind, dahin zu gelangen, die Mitmenschen in ihrem Wesen zu verstehen, so daß einer dem andern wirklich verständnisvoll gegenübersteht und ihn demgemäß beurteilt und behandelt. Denn die verschiedenen Meinungen, Beschäftigungen, Umgebungen und so weiter bringen sie im Leben auseinander. Das Mittel, um trotz der verschiedensten Meinungen zwischen den Menschen Frieden und Liebe zu stiften, soll eine tiefere Einsicht und Erkenntnis sein, nämlich die theosophische Weltanschauung. Sie stammt ursprünglich von denen, welche sich bemüht haben, durch Vertiefung und Entwickelung ihrer schlummernden inneren Fähigkeiten mehr von der Welt zu erkennen, als es mittels der gewöhnlichen Sinne oder des gemeinen Menschenverstandes möglich ist. Solche Menschen nennt man Eingeweihte. Dabei unterscheidet man verschiedene Stufen der Initiierten. Die großen Religionsstifter waren große Eingeweihte, zum Beispiel Hermes, der Lehrer der altägyptischen Priester, Zarathustra, Moses, Plato, Jesus Christus. Sie alle haben eine höher entwickelte Seele getragen. Sie vermochten hineinzusehen in die geistige Welt, die uns ähnlich umgibt wie die physische.
Solange man nicht selbst danach strebt, den Pfad der Einweihung zu gehen, gibt es nur ein Mittel, in jene geistigen Welten zu schauen, nämlich die menschliche Vernunft. Die Welt wird licht und klar bei der Durchdringung durch die Vernunft.
Durch die geisteswissenschaftliche Weltanschauung wird die Weltkenntnis klarer und tiefer als durch die andern Philosophien.
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Die Vernunft ist die Richterin für die Annahme oder Verwerfung solcher Menschheitslehren. Nach ihnen hat der Mensch ein wirkliches Bedürfnis, weshalb sie ihm auch vorgetragen werden.
Wie man nun selber seine Seele so entwickelt, daß sie imstande ist, jenes Hohe, Übersinnliche zu erkennen, soll im folgenden des genaueren dargetan werden. Freilich ist zu einer solchen Entwickelung kein Soll oder gar ein Muß vorhanden. Nicht jeder braucht einen solchen Pfad zu beschreiten. Wer sich dazu eignet, wird schon die nötigen Anregungen erhalten und ihnen entsprechend die geeigneten Schritte tun.
Methoden, sich jene höheren Fähigkeiten anzueignen, hat es zu allen Zeiten gegeben. Nur waren sie bis in die letzten Jahrzehnte hinein bloß wenigen auserwählten Geheimlehrern und Geheimschülern bekannt. Ein dazu Berufener kann den geeigneten Entwickelungspfad eventuell auch selber finden. Es bedarf dazu nur des ernsthaften Entschlusses seines eigenen freien Willens.
So soll auch dieser Vortrag keine propagandistische Tendenz haben und die Menschen auf einen solchen Pfad drängen wollen. Es sollen nur die Wege aufgedeckt werden, die man beschreiten könnte. Das Ziel dieses Entwickelungsganges ist die Einweihung, das heißt das Erringen der Fähigkeiten zu übersinnlichen Erkenntnissen.
Es ist leider noch vielfach die irrige Meinung verbreitet, die Theosophie sei etwas aus dem Orient Herübergebrachtes, stamme eigentlich aus Indien, als eine Art Neu-Buddhismus, und wolle nun uns Abendländern sozusagen als neue Religion aufgedrängt werden. Hierdurch freilich fügt man der Theosophie großes Unrecht zu, denn sie ist schon von Anbeginn auch in Europa gewesen und hatte besonders in den letzten Jahrhunderten vielerorts tiefe Wurzeln geschlagen. Freilich hat man ihr seit jeher im Orient mehr Verständnis entgegengebracht.
Der Orient und der Okzident haben auch ganz verschiedene Arten der Einweihung, entsprechend dem tieferen Charakter der Völker. Wichtiger als der orientalische Weg ist für uns hier natürlich der europäische, den zu beschreiten uns angemessener ist. Indessen
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führen alle diese Wege zu ein und demselben Ziel, denn die Wahrheit ist hier und dort, heute und gestern und in alle Ewigkeit dieselbe. Zunächst sollen nun die drei wichtigsten Einweihungspfade kurz geschildert werden: erstens die indische Jogaeinweihung, zweitens der christlich-gnostische Weg, der auch von heutigen Menschen noch sehr wohl betreten werden kann, drittens der rosenkreuzerische Weg, der dem heutigen Menschen, welcher im bloßen Glauben nicht letztlich Genüge finden kann, sondern mit den Errungenschaften der Kultur und Technik bekannt wird, jedenfalls der angemessenste ist. Auch dieser ist im tiefsten Grunde ein christlicher Weg, was schon daraus hervorgeht, daß gerade der rosenkreuzerisch Entwickelte die Weisheitslehren des Christentums am besten und tiefsten verstehen lernt.
Erstens: Der orientalische Jogaweg. Der menschlichen Seele ist es möglich, sich so weit zu entwickeln, daß sie wie ein Auge wird, welches direkt das Geistige, Ewige, Unzeitliche schaut. Der Weg, den der Orientale zu dieser Entwickelung einschlägt, ist wegen der völligen Andersartigkeit seiner Naturanlage und Organisation vom Weg des Europäers verschieden. Nicht etwa bloß dem Äußeren nach ist der Hindu vom Europäer verschieden, nein, sogar Gehirn und Seele sind bei beiden abweichend gebaut. Somit ergibt sich deutlich, daß zur wirklichen Erreichung jenes vorgesteckten Zieles der Hindu einen andern Weg einschlagen muß als der Europäer. Ja die Sache geht sogar so weit, daß ein Europäer sich gegebenenfalls moralisch und physisch ruiniert, wollte er den orientalischen Entwickelungspfad einschlagen. Jene Einsamkeit und Zurückgezogenheit der Seele, wie dies der Jogaweg erfordert, ist in unserer europäischen Kultur fast unmöglich. Man müßte dabei schon ganz aus dem gewöhnlichen Leben, ja aus unserer ganzen Kultur hinaustreten, um einzig nur seiner eigenen inneren Entwickelung zu obliegen.
Der auf diesem Weg geistig Weiterschreitende bedarf eines geistigen Führers oder Gurus, der ihn sicher durch die vielen Wirrnisse durchleitet. Ohne einen solchen Guru ist es unmöglich, diesen Pfad zu beschreiten. Ferner bedarf es dazu einer völligen Umwandlung des menschlichen Wesens, einer Umwandlung, die der Guru einem
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vorschreibt. Überhaupt besitzt dann ein solcher Guru eine unumschränkte Gewalt über seinen Schüler. Es bleibt dann nicht mehr gleichgültig, was der Mensch in seinem sonstigen Leben tut. Es genügt nicht mehr, ein anständiger, guter Mensch gewöhnlichen Schlages zu sein, einfach ein Mensch, den die Gesellschaft so im gewöhnlichen als musterhaft bezeichnet.
Seele und Körper müssen nun möglichst vollständig unterschieden und getrennt werden können, sie dürfen sich nicht mehr wie früher gegenseitig durchdringen. Leidenschaften und tierische Instinkte sollen künftig nichts mehr mit der Seele zu tun haben, denn solange dies der Fall ist, wird die Seele gehemmt und verhindert, die Nebel der physischen Welt zu durchdringen und in die höhere geistige Welt zu schauen. Bei einer genauen Trennung aber von Seele und Körper kann letzterer sehr wohl seine Leidenschaften und Begierden geltend machen, währenddem sich gleichzeitig die Seele im höheren Leben befindet. So kann sich also die Seele höher bilden zum geistigen Schauen, währenddem der Körper allen möglichen schlechten Eigenschaften verfällt und eventuell verkommt, weil nun seine Leidenschaften und Triebe nicht mehr, wie dies früher noch möglich war, als Seele und Körper sich noch gegenseitig durchdrangen, von der einsichtigen Seele zum Bessern geleitet werden. Daraus ergibt sich die enorme Wichtigkeit einer richtigen Führung auf diesem gefährlichen Pfad. Auf den Guru hat man dann in jedem Falle strikt zu hören, auch in Fällen, wo man das ungern tut. Der Guru darf sich in die intimsten Herzensangelegenheiten hineinmischen und seinem Schüler entsprechende Verhaltensmaßregeln geben. Gewisse Beziehungen können einem verboten werden, weil sie einem hinderlich in der eingeschlagenen Entwickelung sind. Vorbedingungen für diesen Entwickelungsweg sind: Einmal der Ausartung seiner niederen Naturtriebe wirksam vorbeugen zu können; dann die stete Übung gewisser Handlungsweisen und Festigung bestimmter Eigenschaften und die Ausbildung weiterer, erst schlummernder oder noch nicht vorhandener Fähigkeiten.
Solche Vorbereitungen für den Pfad sind: Erstens: Abgewöhnung eines irrlichtelierenden Denkens. Dies scheint eine leichte
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Bedingung zu sein, ist aber in Wirklichkeit schwer. Wir werden von äußeren Eindrücken gejagt und getrieben. Zum wenigsten fünf Minuten des Tages sollte der Mensch völlig Herr über seine Gedankenfolge sein. Als Übung kann man zum Beispiel versuchen, eine einzige Vorstellung in den Mittelpunkt des Bewußtseins zu stellen. Dann darf durchaus nichts anderes mit dieser Vorstellung verbunden werden, so viel sich unwillkürlich daran reihen möge, als was ich durch freien Entschluß selber damit verbinde. Derlei Übungen sollten mit verschiedensten Gegenständen angestellt werden. Nach einiger Zeit stellt sich dann ein kontrollierteres Denken ein, das sich äußerlich schon in der präziseren Sprache ausdrückt.
Zweitens: Initiative des Handelns. Diese fehlt manchem Menschen fast ganz, denn von früh auf wird er gewöhnlich in einen Beruf gedrängt, der nun den größten Teil seines Handelns absorbiert. Unsere meisten Handlungen sind von außen bestimmt. Daher soll der, welcher die Einweihung sucht, es sich eindringlich angelegen sein lassen, zu einer bestimmten Tageszeit regelmäßig eine Handlung zu verrichten, die aus inneren, eigenen Antrieben heraus kommt, mag dies im Grunde auch etwas Unbedeutendes sein.
Drittens soll der Schüler über das «himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt» hinauskommen, das heißt, der Mensch soll sich nicht jedem Schmerz und jeder Lust willenlos überlassen, sondern er soll sein inneres Gleichgewicht beibehalten auch bei den herbsten Schmerzen und den größten Lüsten. Dies braucht ganz gewiß keine Stumpfheit und Empfindungslosigkeit zu erzeugen, im Gegenteil, es bildet sich daraus ein um so feineres und intensiveres Empfinden.
Viertens: Eine persische Legende von Christus Jesus soll im Schüler lebendig werden, nämlich: Mit den Jüngern ging Jesus über Land. Am Wege lag ein halb verwester Hund, greulich anzusehen. Die Jünger wandten sich mit Entsetzen ab, Christus Jesus hingegen schaute mit liebevollen Augen den Kadaver an und bemerkte dazu: Schaut doch die wunderschönen Zähne dieses toten Tieres! Die Quintessenz hiervon ist, aus dem Häßlichen auch noch das verborgene Schöne herauszufinden und überhaupt immer das Positive zu
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suchen, das, wozu man ja sagen kann. Selbst im Leben des ärgsten Bösewichts gibt es lichte Momente, denen man verständnisvoll begegnen soll.
Fünftens ist völlige Freiheit von Vorurteilen anzustreben. Niemals soll die Vergangenheit einem das Urteil über die Gegenwart bestimmen. Etwas Neues soll man nicht einfach von sich weisen, weil es einem noch nie begegnet ist. Neuen Erkenntnissen soll man unbefangen entgegentreten, wenn man ein Eingeweihter werden will.
Sechstens: Entwickelung zur Seelenharmonie. Diese wird eigentlich aus allen andern wie von selbst entstehen.
Die angeführten Eigenschaften sind für jeden auf dem Jogaweg Einzuweihenden unerläßliche Vorbedingungen.
Der eigentliche Jogaweg besteht ebenfalls aus einzelnen Abschnitten, die man scharf auseinanderhalten muß.
Erstens: Der Jogaschüler soll nicht töten, nicht lügen, nicht stehlen, nicht ausschweifend leben und nicht begehren. Je mehr man aufhört, auf Kosten anderer zu leben, um so näher kommt man dem, was mit der Forderung «nicht stehlen» gemeint ist. Es handelt sich hier natürlich nicht um das auch kriminell strafbare Stehlen, sondern um feinere Arten desselben. Was die übrigen Erfordernisse besagen, weiß wohl jeder unmittelbar selbst.
Zweitens ist es sehr erwünscht, gewisse symbolische Handlungen als die seinigen anzuerkennen. Man soll einen Sinn dafür haben und verstehen lernen, daß eine Kultushandlung eigentlich bloß ein symbolischer Ausdruck für einen tieferen Inhalt ist.
Drittens: Einnehmen einer bestimmten Körperstellung und -lage, denn es ist durchaus nicht gleichgültig, welche Lage man dem Körper bei den Übungen zur höheren Weisheit gibt. Man soll ihn nämlich möglichst in die Richtung der geistigen Strömungen in der Welt bringen.
Viertens: Von großer Wichtigkeit ist auch das Pranayama oder das Jogaatmen, welches mit der Forderung zusammenhängt, nicht zu töten, denn durch seinen Atem wirkt der Mensch auf viele Dinge seiner Umgebung tötend. Das Jogaatmen zielt darauf ab, dem menschlichen Atem jenen tötenden Einfluß auf andere Lebewesen
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allmählich zu nehmen. Vor allem soll nicht mehr so viel tötende Kohlensäure abgegeben werden. Daß dies möglich ist, ergibt sich schon daraus, daß die tief Eingeweihten Jahrzehnte in dumpfen Höhlen zubringen können, ohne physisch zu verderben.
Die fünfte Stufe bezieht sich auf die Unterdrückung des Ablaufs bestimmter sinnlicher Vorstellungen. Wir dürfen hier nicht mehr jede sinnliche Vorstellung auf uns einwirken lassen, sondern sollen einzelne herausnehmen, um auf sie dann alle Aufmerksamkeit zu konzentrieren. Ferner sollen die andern Gedanken jeweils einen bestimmten und geregelten Weg des Ablaufs erhalten.
Sechstens: Im weiteren Verfolg hat sich der Schüler etwa auf einen Lichteindruck, oder besser gesagt, auf das in der Seele haftende Bild eines solchen Eindrucks zu konzentrieren. Letzteres bildet eine noch höhere Stufe. Noch wertvoller ist die Meditation, die von einer Vorstellung ausgeht, die nicht mehr der sinnlichen Welt angehört. Daß der Mensch sich solchen Vorstellungen in Kontemplation hingibt, ist für seine Schulung durchaus erforderlich.
Die folgende siebente Stufe ist sehr schwer, denn sie besteht darin, daß der Mensch nun überhaupt jegliche Vorstellung aus seinem Bewußtsein verbannt und dabei doch vollständig wach bleibt. So nähert er sich dem Zustand intuitiver Empfängnis. Jetzt erst ist der Boden bereitet, damit uns aus einer bisher noch unbekannten Welt deren Inhalt zufließt.
Bei all dieser Vorbereitung und Schulung ist der Guru unentbehrlich, denn erst durch ihn und ausschließlich durch ihn werden diese inneren Vorgänge in der richtigen Weise und zum Heil des Schülers geleitet.
Die hier gebrachte Darlegung dieses Jogaweges ist freilich nur eine unvollständige Skizze und ja nicht etwa für irgend jemand eine Anleitung zur Betretung dieses Weges. Es bedarf, um es noch einmal zu sagen, von Zeit zu Zeit der unentbehrlichen, nur von Mensch zu Mensch zu übermittelnden Anleitung durch den Guru.
Zweitens: Der christlich-gnostische Weg. Der Hauptunterschied dieses Weges vom vorigen ist der, daß hier nicht jeder einzelne Schüler einen besonderen Guru für sich braucht. Er ist dieses
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Erfordernisses enthoben durch die Existenz einer großen, erhabenen Persönlichkeit, nämlich des Christus Jesus, welcher dem Schüler Ziel und Wegweiser sein soll. Die genauere Darlegung des einzuschlagenden Weges findet er in der Heiligen Schrift, der Bibel, und zwar speziell im Johannes-Evangelium, welches in seinem tieferen Grunde in der Tat eine direkte Anweisung zu mystischer Schulung ist.
Bei diesem Weg ist der Führer mehr ein Berater als ein autoritativer eigentlicher Guru. In der Anleitung zur Einweihung ist hier zugleich die höchste Autorität beschlossen, nämlich Jesus Christus. Das Johannes-Evangelium gibt diese Anleitung zur mystischen Entwickelung. Es ist also kein Studienbuch, sondern in wahrhaftem Sinne ein Lebensbuch. Schon die ersten wenigen Sätze dieses Evangeliums haben eine bestimmte mystische Kraft und sind überaus wichtig zum Betreten des Einweihungspfades. So muß sich ein christlicher Mysterienschüler in bezug auf diese wenigen Sätze meditativ verhalten, das heißt zum Beispiel, jeden Morgen um eine bestimmte Zeit diese Sätze und sonst gar nichts anderes zum Inhalt seiner Seele machen. Nach einiger Zeit wird ihm dann der tiefe Gehalt dieser Sätze intuitiv klar, und jetzt erst ist der Moment gekommen, wo man das weitere Studium des Johannes-Evangeliums wirklich fruchtbringend beginnen kann.
Im Verlauf dieses Studiums werden sich allmählich in unsere Träume leise jene Bilder des Evangeliums einschleichen, so daß wir die darin dargelegten Handlungen innerlich selber erleben. Dieses innere Erlebnis erstreckt sich dann über sämtliche Entwickelungsstufen, deren eingehendere Schilderung ich hier nicht bringen will.
Ist man vorgeschritten bis zur Fußwaschung, welche die symbolische Handlung für das demütige Bekennen der Abhängigkeit und des Hervorwachsens aus dem unter einem Stehenden, Niedereren ist, so machen sich auch schon äußerlich gewisse Symptome geltend: ein eigenartiges Gefühl von rieselndem Wasser an den Füßen. Als inneres Symptom steht ihm gegenüber das imaginative Bild der Fußwaschung. In der christlichen mystischen Entwickelung bedeutet die Fußwaschung die erste Stufe.
Als zweite Station folgt dann die Geißelung, welche man eben-
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falls gefühlsmäßig erlebt. Sie bedeutet, daß wir trotz großer und vieler Schmerzen und Kümmernisse, die wir im Leben auszuhalten haben, immer aufrechtstehen und nicht kleinmütig werden. Auch hier haben wir sowohl ein äußeres wie ein inneres Symptom, nämlich ein seltsames physisches Stechen und das geistige Bild unserer eigenen Geißelung.
Dritte Stufe die Dornenkrönung. Diese Handlung besagt, daß, wenn uns auch Schmerzvolles begegnet, wenn uns unsere heiligsten Gefühle und Überzeugungen mit Hohn und Spott verfolgt würden, man seine innere Festigkeit, sein Gleichgewicht nicht verlieren soll. Symptome: Kopfschmerzen, Vision der eigenen Person mit der Dornenkrone auf dem Haupt.
Viertens die Kreuztragung [Kreuzigung]: Hier soll dem Schüler zum Erlebnis werden, daß der Leib eigentlich ein gleichgültiges Objekt ist gegenüber der Seele und deren Wichtigkeit. Sind wir uns dessen wirklich bewußt, dann werden wir auch imstande sein, den Leib bloß als Instrument zu höheren Dingen zu benutzen, dann werden wir ihn wirklich beherrschen. Symptome: Erscheinen der Wundmale Christi als gerötete Stellen an Händen und Füßen. Diese Blutsprobe tritt freilich nur für Augenblicke während der Meditation auf. Innerliche Vision, daß man selber gekreuzigt werde.
Fünftens der mystische Tod. Hier hat der Schüler das sonderbare Erlebnis, als ob die ganze Welt um ihn mit einem Schleier zugedeckt wäre, und hinter dem Schleier ahnt er das Wesenhafte. Während er sich so in der Finsternis fühlt, reißt plötzlich der Schleier, und er blickt hindurch in eine ganz neue, wundersame Welt hinein. In einem ganz andern Maße lernt er nun beurteilen, was auf dem Grunde der menschlichen Seele liegt. Es ist dieser mystische Tod gleichsam ein Hinabsteigen in die Hölle.
Jetzt ist er ein Erweckter und kann zur sechsten Stufe, zur Grablegung, fortschreiten. Hier empfindet der Mensch seine ganze äußere Umgebung als seinen Leib. Seine Persönlichkeit weitet sich aus und umfaßt die ganze Erde. Der Leib fühlt sich mit der Erde eins, und das persönliche Bewußtsein dehnt sich zum Erdenbewußtsein aus. Die siebente Stufe kann nicht genauer beschrieben werden, denn
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sie steht jenseits allen sinnlichen Vorstellungsvermögens. Höchstens kann sie noch denkend von jenen Menschen erfaßt werden, welche durch unablässige Übung endlich von dieser Welt frei geworden sind. Diese Stufe umfaßt das Eingehen zu vollkommener Göttlichkeit und Herrlichkeit, wofür unsere Worte zur Schilderung nicht mehr ausreichen.
Dieser christliche Weg ist zwar ein schwieriger, weil er innerlich mit großer Demut und Selbstentäußerung verknüpft ist. Wer ihn aber durchwandelt hat, der hat erreicht, was des Menschen Ziel und Würde ist, in dem ist das wahre Christentum wirklich lebendig geworden.
Drittens: Der rosenkreuzerische Pfad. Dieser Weg ist eigentlich nur eine Modifikation der andern beiden. Er ist im 14. Jahrhundert aufgekommen, weil die Adepten damals schon voraussahen, daß in den nächsten Jahrhunderten die Kulturverhältnisse ganz anders würden.
Für den modernen Menschen ist dieser Weg der geeignetste. Er ist auch dem Europäer am angemessensten. Freilich ist damit nicht gesagt, daß nicht einer der andern Wege ebenfalls zum Ziel führen könnte. Das rosenkreuzerische System ist jedoch mit unserer ganzen Kultur und Zivilisation vereinbar. Dieser Weg ist allerdings bisher nicht in Büchern oder Handschriften niedergelegt, sondern durch mündliche Überlieferung von einer Generation auf die andere übertragen worden. Eine ausführlichere Darlegung desselben findet sich in der «Luzifer-Gnosis. unter dem Titel «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?».
Hier haben wir eine ganz andere Auffassung des Guru. Er ist dem Schüler nicht mehr eine unbedingte Autorität, sondern mehr ein Ratgeber und Freund. Autorität ist hier bloß noch die freie Entschließung des Individuums.
Die Entwickelung vollzieht sich in sieben Stufen, nämlich: Erstens Studium, zweitens Imagination, drittens Erkenntnis der okkulten Schrift, viertens Rhythmisierung des Lebens, fünftens Aufsuchen von entsprechenden Beziehungen zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos, sechstens Kontemplation, siebentens Erleben der Gottseligkeit.
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Es ist also zunächst ein Studium erforderlich, freilich nicht ein wissenschaftliches Studium im gelehrten Sinne, sondern eine Beschäftigung mit Gedanken über Welt und Menschenleben, über Entstehung der Gestirne und so weiter oder sonstige Schulung des Denkens. Das Denken hat nämlich die Eigenschaft, neue Erfahrungen und Erlebnisse zu geben, das heißt, nur das zielbewußte, logische Denken. Es bildet einen sicheren Führer durch alle Welten, denn in jeder muß in derselben Weise konsequent gedacht werden.
Zweitens die Aneignung der Imagination. Sie besteht darin, daß man nicht bloß ein theoretisches und gedankliches, sondern ein moralisches Verhältnis zu seiner Umgebung gewinnt. Man soll hier lernen, an jedem Ding das herauszufinden, was einem moralischen Hintergrund entspricht. Zur Pflege dieser Imagination kann man sich zum Beispiel das Bild einer Pflanze in aller Klarheit und Deutlichkeit vor Augen bringen. Oder man legt ein Körnchen vor sich hin und imaginiert nun das allmähliche Emporsprießen eines Halmes und zuletzt einer fertigen Pflanze mit Früchten. Nach einiger Übung sieht man dann wirklich, wie eine Pflanze aus einem solchen Körnchen herauskommt und emporwächst. Dazu bedarf es freilich schon starker okkulter Kräfte. Aber mit geringeren Mitteln kann man als ein kleines Flämmchen, das aus dem Samen herauskommt, den Astralkörper der Pflanze wahrnehmen.
Drittens die Erlernung der okkulten Schrift. Es ist dies eine Aneignung von Zeichen, welche mit dem Weltprozeß zu tun haben.
Viertens die Rhythmisierung des Lebens. Hierzu gehört eine Regelung des Atemvorganges, bei der das Verhältnis von ausgeatmeter Kohlensäure zu eingeatmetem Sauerstoff in bestimmter Weise geändert wird. Eine Rhythmisierung des Lebens ist in unserer unruhigen Zeit überhaupt sehr notwendig. Alle Vorgänge folgen sich in einem großen Rhythmus, und dieser Rhythmus soll so viel als möglich auch ins Leben hineingetragen werden. So soll man zum Beispiel einen Meditationsprozeß genau zu einer bestimmten Stunde ansetzen, oder am Abend zur selben Stunde eine Rückschau auf sein vergangenes Leben halten. Dadurch entbindet man starke Kräfte in seiner Seele.
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Fünftens Aufsuchen der Entsprechungen zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos. Den Zusammenhang zwischen diesen beiden hat auch Goethe in dem schönen Worte ausgedrückt:
Wär nicht das Auge sonnenhaft,
Die Sonne könnt es nie erblicken,
Läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
Wie könnt uns Göttliches entzücken?
Eine eingehende Versenkung in unsere Organe belehrt uns über die ihnen entsprechenden Teile des Makrokosmos. Zum Beispiel das Studium des Auges belehrt uns über das Licht, ein Erforschen der Lunge gibt uns Aufschluß über die Zusammensetzung der Luft und so weiter. Ähnlich soll man zuletzt zu der eigenen Selbsterkenntnis kommen.
So wird uns durch Versenkung in die innere kleine Welt allmählich auch die große Welt offenbar. Durch solche vergleichende Betrachtungen wird endlich der Zustand der Gottseligkeit erreicht, als Folge aller vorhergehenden Übungen und besonders der tiefruhigen Kontemplation der sechsten Stufe.
Bei alledem ist erforderlich, daß der Mensch durchdrungen ist von bestimmten guten Eigenschaften, als da sind Selbstvertrauen, Selbstbeherrschung und Geistesgegenwart.
An dieser inneren Fortbildung soll unablässig gearbeitet werden. Denn trotzdem das Göttliche wirklich schon in uns latent ist, wird es doch nicht ohne Arbeit und entsprechende Entwickelung unmittelbar offenbar. Dieser Weg verlangt kein Hinausgehen aus menschlichen und sozialen Kreisen, um in der Einsamkeit seiner eigenen Entwickelung zu obliegen. Er fordert auch keine Verachtung der Materie, sondern ein bloßes Darüber-Hinauskommen und eine Überwindung derselben zu Höherem.
Selbsterkenntnis ist Welterkenntnis! diene zum Leitspruch.
Die geschilderten drei Wege nun führen den Menschen zur höheren Schülerschaft hin. Erst von dieser aus kann er dann durch einen wahrhaft Eingeweihten den letzten Schlüssel zum Weltgeheimnis
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erlangen, um dadurch einen Einblick in die tieferen Zusammenhänge des Welt- und Menschenlebens zu bekommen. Jene höchste Stufe bedeutet dann die Befähigung, Intuitionen aus höheren Welten in sich aufzunehmen. Es ist ein Zustand geistiger Helle und göttlichen Lichtes.
III 22 Der Jogapfad, die chritlich-gnostische Einweihung und die Esoterik der Rosenkreuzer, Köln, 30. November 1906
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Der Jogapfad, die christlich-gnostische Einweihung und die Esoterik der Rosenkreuzer
Köln, 30. November 1906
Durch die Einweihung wird der Mensch zur Erkenntnis höherer Welten befähigt. Sie besteht in einem intimen Entwickelungsgang unserer Seele. Die Wege dazu sind bei den verschiedenen Menschen verschieden, aber die Wahrheit ist überall dieselbe. Wenn man erst auf dem Gipfel eines Berges steht, hat man nach allen Seiten eine freie Aussicht. Aber es wäre ein großer Unsinn, wenn wir nicht den nächsten Weg von dem Punkte aus gehen wollten, wo wir gerade sind, um den Gipfel zu erreichen. So ist es auch mit der Einweihung. Wenn wir am Ziel angekommen sind und wirklich die freie Aussicht der Erkenntnis errungen haben, dann ist diese Erkenntnis für alle dieselbe.
Es ist aber nicht gut, wenn der Mensch einen andern Entwickelungsweg geht als den, der seiner Natur angemessen ist. Eigentlich müßte es für einen jeden Menschen einen besonderen Einweihungsweg geben. Alle Wege gehen aber auf drei verschiedene Typen zurück: Auf den Jogaweg, die christlich-gnostische Einweihung und die christlich-rosenkreuzerische Einweihung. Einen dieser drei verschiedenen Wege kann man also beschreiten. Sie sind deshalb verschieden, weil es drei Gattungen von Menschen gibt. Unter den europäischen Menschen findet man nur wenige, welche den orientalischen Jogaweg gehen können. Daher ist es für den Europäer im allgemeinen nicht richtig, wenn er den Jogaweg geht. Denn im Orient leben die Menschen in einem ganz andern Klima, unter einem ganz andern Sonnenlichte. Die Verschiedenheit des Orientalen vom Europäer wird die Anatomie nicht so leicht nachweisen können, aber es ist unter ihnen ein tiefer seelischer und geistiger Unterschied, und dieser muß berücksichtigt werden, da die innere Entwickelung tief eingreift in die seelische und geistige Natur des Menschen. Die feinere Struktur des Hindugehirns ist für den Anatomen
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nicht wahrnehmbar. Aber wenn man dem Europäer das zumutete, was man dem Inder zumuten kann, dann würde man ihn zugrunde richten. Man kann dem Inder gewisse Verrichtungen vorschreiben, die dem Europäer gar nichts nutzen oder ihm sogar schlecht bekommen. Der Jogaweg stellt vor allen Dingen an den Schüler eine Grundforderung, ohne deren Erfüllung es gar nicht möglich ist, diesen Weg zu beschreiten. Er fordert die strenge Autorität eines Lehrers, eines sogenannten Guru. Wer ihn gehen will, muß sich bis in die Einzelheiten des Lebens hinein den Anordnungen des Guru fügen. Abgesehen davon ist der indische Jogaweg kaum zu gehen, wenn man sich nicht aus den äußeren Lebensverhältnissen herausreißt. Es ist nämlich notwendig, daß die verschiedensten äußeren Maßnahmen getroffen werden, um die vorgeschriebenen Übungen zu unterstützen. Wenn man gewisse Erlebnisse hat, die auf die Gefühlswelt einen Eindruck machen, so wird dies, wenn man eine innere okkulte Entwickelung durchmacht, einen tiefgehenden Einfluß haben. Darum muß der orientalische Jogaschüler in allen Einzelheiten des Lebens den Guru fragen. Wenn man irgendwelche Veränderungen im Leben vornehmen will, so muß man sich von dem Guru dazu die Richtung weisen lassen. Also ist der Jogaweg ein solcher, der die absolute Unterwerfung unter den Guru voraussetzt. Man muß lernen, mit den Augen des Guru zu sehen, und lernen, wie er zu fühlen. Man kann diesen Weg nicht gehen ohne tiefes Vertrauen, ohne vollkommene Liebe, vereint mit uneingeschränktem Vertrauen und bedingungsloser Hingabe, die alles andere übersteigt.
Bei dem christlich-gnostischen Weg gibt es nur einen großen Lehrer, den zentralen Guru. Erforderlich ist da der Glaube an den Christus Jesus selbst, nicht nur an seine Lehren. Der christlich-gnostische Schüler muß glauben können, daß in dem Christus Jesus die einzige hohe göttliche Individualität inkarniert war, eine Individualität, die nicht zu vergleichen ist mit irgendeiner andern, selbst der höchsten Individualität. Alle andern Individualitäten haben auf dieser Erde auf einer niedrigeren Stufe angefangen und sind dann aufgestiegen, wie Buddha, Hermes, Zoroaster, Pythagoras, so daß ihre geistige Gestalt das Ergebnis vieler vorhergehender Inkarnationen
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ist. Bei dem Christus Jesus ist das nicht der Fall. Er läßt sich nicht vergleichen mit irgendeiner andern Individualität, mit irgend etwas anderem auf der Erde. Ohne diesen Glauben würde man den rein christlich-gnostischen Weg nicht gehen können.
Ein dritter Weg ist der christlich-rosenkreuzerische. Da ist der Lehrer der Ratgeber, der seinen Rat vorzugsweise auf die Maßnahmen der geistigen Entwickelung selbst beschränkt. Diese geistige Entwickelung muß so eingerichtet werden, daß sie einen durchgreifenden Einfluß auf das Leben des Menschen hat. Ein Lehrer muß bei der Einweihung immer da sein. Eine ernsthafte Einweihung ohne Lehrer gibt es nicht. Wer das behaupten wollte, würde etwas ebenso Törichtes sagen wie jemand, der die Geburt eines Kindes ohne das Zusammenwirken der beiden Geschlechter als möglich erachtete. Die Einweihung ist ein geistiger Befruchtungsprozeß. Wenn dieser nicht in dem Dualverhältnis zwischen Lehrer und Schüler herbeigeführt würde, so wäre er sogar ein schädlicher Vorgang.
Der indische Jogaweg unterscheidet sieben Stufen. Aber sie folgen nicht immer alle nacheinander in derselben Reihenfolge. Die Stufen, die aufgezählt werden, können in einer gewissen Weise untereinander gemischt werden. Es ist nicht notwendig, die erste bis zur siebenten Stufe nach der Reihe durchzugehen. Es kann sein, daß man dazu angehalten wird, etwas aus den sieben Stufen vorwegzunehmen und dann nach Maßgabe der Individualität eine Übung aufgegeben bekommt, die einer ganz andern Stufe entspricht. Vielleicht macht der Schüler das in einigen Jahren durch, vielleicht auch in einigen Monaten. Auf die Frage, wie lange man zur Einweihung braucht, hat Subba Row gesagt: Es kann siebzig Inkarnationen dauern oder auch sieben Inkarnationen, bei manchen dauert es sieben Jahre, bei andern sieben Monate oder nur sieben Tage oder auch nur sieben Stunden. Das hängt ganz von der geistigen Reife ab, die ein Mensch schon erlangt hat. Die geistige Reife kommt bei dem einen schneller, bei einem andern langsamer zum Vorschein. Das hängt vom Karma ab. Man kann wohl die Frage aufwerfen, wie es kommt, daß ein bestimmter Mensch nicht hervortritt, obwohl er in einem früheren Dasein geistig sehr hoch stand. Vielleicht sind Hindernisse
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in seiner körperlichen und seelischen Anlage vorhanden. Darin liegt hauptsächlich die Aufgabe des Lehrers, diese Hindernisse fortzuräumen. Nicht ist maßgebend, welche äußere Physiognomie jemand im gewöhnlichen Leben besitzt. Es kann eine frühere Einweihung tief verborgen in der Seele ruhen und nur wegen irgendwelcher Hindernisse nicht hervorkommen.
Die erste Stufe der indischen Jogaschulung ist Yama. Das heißt etwa Unterlassung, Nichtvollziehung. Der Inder versteht darunter: nicht töten, nicht lügen, nicht stehlen, nicht ausschweifen, nicht begehren. Wenn wir aber tiefer eindringen wollen in das, was der Inder damit meint, so müssen wir es in seinem ganzen Umfange nehmen. Wenn wir zum Beispiel auch Vegetarier werden, so haben wir uns das Töten doch noch nicht abgewöhnt. Unser Leben ist ohne Töten gar nicht möglich. Schon durch das Atmen töten wir dadurch, daß wir Kohlensäure ausatmen. Wenn nicht die grüne Pflanzendecke der Erde fortwährend die Kohlensäure aufnähme und den Sauerstoff zurückgäbe, so könnten Menschen und Tiere nicht leben. Ein Teil der Jogaübungen besteht darin, sich gerade dieses Töten abzugewöhnen. Der Inder nimmt diesen Punkt sehr wichtig. Er würde auch zahlreiche Verkettungen in unserem heutigen sozialen Leben so auffassen, daß sie für ihn unter den Begriff des Stehlens fallen. Ein jeder von uns muß in irgendeiner Weise Geld einnehmen. Damit er dieses Geld bekommt, sind viele Bedingungen notwendig. Wenn wir einen Rock kaufen, können wir nicht wissen, ob nicht an dem Rock menschliches Blut hängt. Der Mensch denkt wenig darüber nach, wie er in sozialen Zusammenhängen steht und mitverantwortlich ist für das, was er tut. Wenn man die Dinge ernst nimmt, dann muß man sich für das verantwortlich fühlen, was durch einen selbst geschieht.
Dadurch hilft man den Mitmenschen am meisten, daß man bedürfnislos wird. Mehr als der Philanthrop hilft den Mitmenschen der, der bedürfnislos wird. Wenn man zum Beispiel keine unnötigen Briefe schreibt, so erspart das einigen Menschen vielleicht, viele Treppen hinaufsteigen zu müssen. Man ist sehr im Irrtum, wenn man glaubt, daß man den Menschen hilft, indem man größere
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Ansprüche hat und auf diese Weise für mehr Arbeit sorgt. Man vermehrt nicht im geringsten das, was die Menschen brauchen, wenn man ihnen Arbeit gibt. Unter den komplizierten Verhältnissen, die in Europa herrschen, wird es immer schwieriger, die von dem Orientalen geforderten Dinge durchzuführen, um den Jogaweg zu gehen. In einem Lande, wo es keine Banken gibt, wo die Kulturverhältnisse zu übersehen sind, da kann man den Jogaweg in seiner strengen Weise gehen.
Das zweite ist Nyana, die Pflege eines Rituals. Das fordert der indische Jogaweg durchaus, daß der Mensch ein Ritual hat, daß er die Lehre mit einem Kultus verbindet. Von jedem, der den Jogaweg geht, wird streng verlangt, daß ein Ritual befolgt wird. Man muß die Dinge in Handlungen sichtbar vor sich haben. So wie es bei der Kunst auf wirkliche Ausprägung in äußeren Objekten ankommt, so kommt es bei dieser Einweihung darauf an, daß die Dinge im Ritual vorgeführt werden.
Das dritte ist Asana, die Übereinstimmung der menschlichen Körperhaltung mit gewissen Strömungen im Kosmos. Wo man noch ein Gefühl für solche Dinge gehabt hat, hat man beispielsweise in Kultbauten immer den Hauptaltar nach Osten gebaut. Bei der feinen Organisation der Inder ist es von Bedeutung, in welcher Richtung er steht. Es gibt tatsächlich einen andern Strom von Norden nach Süden als von Osten nach Westen. Bei der Joga-Einweihung kommt es darauf an, wie die Körperhaltung ist, weil der orientalische Leib viel weicher ist und es sich in ihm viel mehr ausprägt, wenn er eine bestimmte Lage annimmt. Wollte der Europäer den orientalischen Jogaweg gehen, dann müßte er alle diese Dinge mitmachen.
Das vierte ist Pranayama, die Rhythmisierung des Atmungsprozesses. Das wird uns am leichtesten verständlich, wenn wir daran denken, daß der Mensch durch seinen Atem in gegenwärtigen Verhältnissen tötet. Der Lehrer gibt dem Schüler die Vorschrift: Du sollst wenigstens eine gewisse Zeit nach den Regeln, die dir der Lehrer gibt, den Atmungsprozeß regeln. Würde man den Atem untersuchen, dann würde man sehen, daß die ausgeatmete Luft bei
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einem Jogaschüler eine ganz andere Zusammensetzung hat, einen ganz andern Gehalt an Kohlensäure als beim gewöhnlichen Menschen. Es trifft infolgedessen zu, daß er durch die Regelung des Atmungsprozesses tatsächlich auf die zukünftige Entwickelung der Erde einwirkt. Steter Tropfen höhlt den Stein. Man kann das nicht von heute auf morgen sehen. Aber das summiert sich und wird im Verlauf langer Zeiträume etwas ganz Bestimmtes bedeuten.
Die Rhythmisierung des Atmungsprozesses läßt auch der rosenkreuzerische Lehrer zu einer bestimmten Zeit vornehmen. Was bewirkt der Atmungsprozeß? Der physische Mensch ist ohne die Pflanzen nicht denkbar. Wir atmen Sauerstoff ein, der wird in der Lunge mit Kohlenstoff verbunden, und wir atmen Kohlensäure aus. Die Pflanze tut gerade das Umgekehrte. Ein fortwährender Kreislauf findet zwischen den Menschen einerseits und den Pflanzen andererseits statt. In fernen Zeiten wird der Mensch in sich selbst ein Organ ausbilden, weiches das besorgen kann, was heute die Pflanze besorgt. Er wird imstande sein, die Kohlensäure in sich zu verarbeiten. Dies wird durch ein Organ ermöglicht werden, durch das der Mensch den Kohlenstoff loslöst vom Sauerstoff und ihn mit sich selbst vereint. Was wir heute zum Aufbau des Leibes mit der Nahrung aufnehmen, werden wir dann bewußt in uns selbst vollziehen. Dadurch werden wir die Kohlensäure wieder zu Sauerstoff verwandeln. Dieser Prozeß wird tatsächlich gefördert durch die Rhythmisierung des Atmungsprozesses. Im 14. Jahrhundert wurde dies in den Rosenkreuzerschulen ausführlich gelehrt. Durch Verrat von einigen solchen Geheimnissen ist manches davon in die populäre Literatur gekommen. In einer Schrift des 18. Jahrhunderts steht etwas von dem Stein der Weisen. Was da steht, ist wörtlich richtig. Der Schreiber selbst hat aber wahrscheinlich gar nicht gewußt, worum es sich real handelt. Der ganze Mensch muß sich umändern, wenn er das vollziehen soll, was jetzt die Pflanze für ihn vollzieht. Sein physischer Leib wird dann selbst Kohlenstoff, aber das wird kein schwarzer Kohlenstoff sein, auch kein harter Diamant, der ja lediglich das Symbol für den Stein der Weisen ist. Unter diesem Stein der Weisen versteht man jenen Leib, der durchsichtig ist, in den die
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andern Organe eingegliedert sind. Er wird aus einer Masse von geleeartigem Kohlenstoff, ähnlich wie Eiweiß, bestehen. Der Mensch ist auf einer Bahn, in der er sich einstmals zu dieser wunderbaren Glorie entwickeln wird. Das rhythmische Atmen, welches dazu führt, nennt man Alchimie. Den Stein der Weisen nennt man Lapis philosophorum. Der Mann, der davon geschrieben hat, hat selbst nicht gewußt, was er schrieb.
Die fünfte Stufe des Jogapfades ist Pratyahara. Sie besteht darin, daß man imstande ist, die Eindrücke der äußeren Sinne zu unterdrücken. Wir müssen uns klarmachen, was unsere eigentliche Seelenwelt ist, und alles weglassen, was von außen auf uns eingedrungen ist. Das meiste, was der Mensch denkt, ist von außen in ihn hineingekommen. Wenn der Mensch sich bewußt dem inneren Gedanken hinzugeben vermag, wenn er sich blind und taub für seine Umgebung machen kann, und dabei doch innerlich wach ist, wenn er einen Gedanken haben kann, ohne daß er auf Äußeres reflektiert, dann wird sein Schlaf von Träumen erfüllt, dann übt er Pratyahara.
Auf der sechsten Stufe hat man nicht nur das, was Augen sehen und Ohren hören können, völlig zu absorbieren, sondern auch innere Vorstellungen zu unterdrücken, die aus der Seele selbst aufsteigen. Nachdem man alles aus der Seele entfernt hat, was durch das Leben hineingekommen ist, stellt man eine Vorstellung in das Innere der Seele. Diese gibt einem der Guru. Das können etwa solche Vorstellungen sein, wie sie in den vier ersten Lehren von «Licht auf den Weg» enthalten sind. Die besten Seeleninhalte sind die, die einem ein spezieller Lehrer geben kann.
Nachdem ein solcher Seeleninhalt eine Zeitlang gewirkt hat, läßt man denselben fallen, ohne das Bewußtsein zu verlieren. Man hat dann noch die Funktion des Geisteslebens als solche, ohne den Inhalt des Denkens. Ist diese siebente Stufe erreicht, so dringt die geistige Welt in uns ein. Diesen Zustand nennt man Samadi.
Ebenso wie der Jogaweg hat auch die Schulung der christlichen Gnosis sieben Stufen. Diese Methode rechnet schon mit einem etwas vergröberten Leibe und ist besonders auf die Gefühls- und Empfindungswelt abgestellt. Der christliche Lehrer muß die
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Gefühls- und Empfindungswelt des Schülers leiten. Die sieben Stufen der christlichen Einweihung sind: Erstens die Fußwaschung, zweitens die Geißelung, drittens die Dornenkrönung, viertens die Kreuzigung, fünftens der mystische Tod am Kreuz, sechstens die Grablegung, siebentens die Himmelfahrt.
Am besten ist es, daß wir diese sieben Stufen so durchnehmen, daß wir beschreiben, wie sich das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler abspielt. Der Lehrer sagt dem Schüler etwa: Sieh dir die Pflanze an! Sie wurzelt und wächst im Gesteinsreich. Sie müßte, wenn sie sich an das Gesteinsreich wendet, zu ihm sprechen: Dir verdanke ich mein Dasein, nur durch dich kann ich leben ich danke dir! Ebenso müßte das Tier zum Pflanzenreich sprechen: Dir verdanke ich mein Dasein, nur durch dich kann ich leben. Und wenn der Mensch die Natur um sich her und die Menschen, die noch unter ihm stehen, ansieht, so muß eine ähnliche Empfindung seine Seele durchziehen. Keine höhere Stufe kann sich entwickeln und erreicht werden, ohne daß die niederen Stufen da sind. Darum müssen die Menschen, die in einer höheren sozialen Lage sind, auch herniedersteigen zu den Tieferstehenden und ihnen danken. Dies hat der Christus Jesus in der Fußwaschung dadurch angedeutet, daß er sich zu den Jüngern niederbeugte und ihre Füße wusch. Von dieser Empfindung der Dankbarkeit gegen alles unter ihm Stehende muß sich der Schüler auf der ersten Stufe der christlichen Einweihung ganz durchdringen. Was er erreicht, wird sich in zwei Symptomen zeigen. Erstens wird er in einer astralen Vision sich selbst in der Situation der Fußwaschung sehen. Das tritt bei jedem auf, der dies richtig durchmacht. Zweitens wird er ein Gefühl haben, als ob Wasser seine Füße umspülte.
Auf der zweiten Stufe muß der Schüler alle Leiden des Lebens, die sich fortwährend um ihn herum abspielen, ertragen lernen. Er muß aufrechtstehen, auch wenn er die größten Schmerzen zu erdulden hat. Das Symptom ist, daß er in der astralen Vision sich selbst gegeißelt sieht und daß er an seinem Körper an verschiedenen Stellen etwas wie Nadelstiche fühlt.
Die dritte Stufe ist die Erlangung der Fähigkeit, zu ertragen, daß
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das Heiligste, was wir kennen, mit Spott und Hohn überschüttet wird. Der Lehrer sagt dem Schüler: Wenn du die Verhöhnung dessen, was dir das Heiligste ist, ertragen kannst und gleichwohl dafür eintrittst, dann bist du fähig, die Dornenkrone zu tragen. Der Schüler wird eine besondere Art von Kopfschmerz empfinden, wenn er diese Stufe erreicht hat.
Auf der vierten Stufe muß er lernen, den Leib als etwas ganz Äußerliches anzusehen, den Leib herumzutragen, wie wir sonst ein Instrument, einen Hammer oder ein anderes Werkzeug herumtragen. In manchen Schulen lernen die Schüler so von ihrem Leibe zu sprechen, daß sie sagen: Mein Leib geht durch die Tür und dergleichen. Der Betreffende sieht sich auf dieser Stufe in der astralen Anschauung ans Kreuz geschlagen. Er bekommt die Wundmale Christi an Händen und Füßen und an der rechten Seite des Leibes. Da treten in dem Moment seiner Meditation und Konzentration rote Stigmata auf.
Die fünfte Stufe ist der mystische Tod. Auf dieser Stufe hat der Mensch das Erlebnis, als ob sich ein Schleier zwischen ihn und die übrige Welt legte, wie ein schwarzer Vorhang. Dann erfährt er innerlich, was alles schlecht sein kann in der Welt. Das Hinabsteigen in die Hölle, das ist der mystische Tod. Darauf zeigt eine Vision das Zerreißen dieses Vorhangs.
Auf der sechsten Stufe erlangt man dann eine Empfindung, als ob alles andere der eigene Leib wäre. Man wird dann mit der Erde vereinigt. Das ist die Grablegung.
Die siebente Stufe, die Auferstehung, kann nicht mit Worten geschildert werden. Wer solche Gefühle in sich durchmacht, erlangt den Einblick in die geistige Welt.
Die dritte Art der Einweihung ist die rosenkreuzerische, die seit dem 14. Jahrhundert in Europa auftritt. Sie rechnet vor allem mit der Stärkung und Kräftigung des inneren Willens. Legt die orientalische Schulung das Schwergewicht auf das Denken, die christlich-gnostische auf das Fühlen, so ist die rosenkreuzerische Schulung auf die Ausbildung des Willens gerichtet. Die Stufen dieser Schulung sind: Erstens das Studium, zweitens die Imagination, drittens das
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Erlernen der okkulten Schrift, viertens die Rhythmisierung des Lebens, fünftens das Verstehenlernen der Entsprechung von Mikrokosmos und Makrokosmos, sechstens die Kontemplation oder das Versenken in den Makrokosmos, siebentens die Gottseligkeit.
Das Studium erfordert, daß der Schüler die Geduld hat, gewisse Begriffe über die Welt zu gewinnen. Zunächst muß er von seinem Lehrer Lehren aufnehmen. Er muß zum Beispiel hingebungsvoll studieren, was die elementare Theosophie ihm als Lehren in die Hand geben kann. Er muß versuchen, diese Lehren zu durchdringen, so gut er kann. Das geduldige Aneignen von Begriffen ist notwendig für jeden, der höher hinaufdringen will. Es ist dazu eine gewisse Trainierung des Denkens erforderlich, eine Angewöhnung, im reinen Elemente des Denkens zu leben und zu weben. Für die, welche die rosenkreuzerische Einweihung erlangen und den Geist trainieren wollen, sind solche Bücher geschrieben wie .Die Philosophie der Freiheit. und .Wahrheit und Wissenschaft». Es kommt darauf an, die für manche unendlichen Schwierigkeiten zu überwinden, den Gedanken zu verfolgen und zu erkennen, wie ein Gedanke sich aus dem andern mit Notwendigkeit herausspinnt. Bei der orientalischen Schulung ist eine strenge Unterwerfung unter den Guru erforderlich. Bei der christlich-gnostischen Schulung muß der Schüler in das Zentrum des Strebens den Christus stellen. In der christlich-rosenkreuzerischen Schulung steht der Lehrer ihm als Freund und Ratgeber zur Seite.
In den höheren Gebieten kann man viel leichter straucheln, deshalb muß man eine innere Sicherheit haben. Im gewöhnlichen Leben rückt uns das Leben selbst zurecht. Manchmal korrigiert das Leben unsere Irrtümer in furchtbarer Weise. Diese Korrektur hat man nicht, wenn man in die höheren Welten aufsteigt. Darum muß man in der orientalischen Schulung mit den Augen des Guru sehen, durch ihn fühlen. Einen Ratgeber hat man an dem europäischen Lehrer. Beim Hinaufsteigen in die höheren Welten braucht man jedenfalls noch eine andere Richtschnur. In der astralen Welt sind ganz andere Wahrnehmungen als in der physischen Welt; ebenso in der devachanischen Welt geht uns eine neue Welt von Wahrneh-
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mungen auf. In bezug auf die Eindrücke sind die drei Welten ganz verschieden. Aber eins ist bei allen gleich: das logische Denken. Das kann uns ein sicherer Führer sein auf dem Astralplan und dem Devachanplan. Wenn man durch das Studium gelernt hat, folgerichtig zu denken, so kann man sich auch auf dem Astral- und Devachanplan helfen. Für den Buddhiplan gilt die Logik des physischen Planes allerdings nicht mehr.
Die zweite Stufe der Rosenkreuzerschulung ist die Imagination. Diese soll bei dem europäischen Schüler nicht übereilt angestrebt werden, weil er leicht straucheln kann. Der Mensch muß lernen, ein moralisches Verhältnis zu den Dingen einzugehen. Man hat in allen vergänglichen Dingen ein Gleichnis für ein Ewiges zu sehen. Schauen wir in diesem Sinne die Natur an, so wird beispielsweise die Herbstzeitlose für uns das Sinnbild für eine einsame Wesenheit, die in Melancholie aufwärtsstrebt. Das Veilchen ist dann ein Symbol für etwas, was in anspruchsloser, ruhiger Schönheit sein Dasein erfüllt. Jeder Stein regt in uns Gedanken an er ist ein Gleichnis für etwas, was dahintersteht. Dadurch wird die Welt um uns reicher. Die Dinge verraten uns ihr innerstes Wesen. Die eine Blume wird dann zur Träne, durch welche die Erde ihr Leid ausspricht, die andere zum Ausdruck der Freude. Betrachten wir etwa ein Reiskörnchen, so können wir beobachten, wie eine kleine Flamme daraus hervorwächst. Die kleine Flamme wird zum Bilde für das, was nachher als Halm daraus emporsprießt.
Drittens kommt eine Stufe, wo aus allen Wesen eine ganze geistige Welt aufgeht. Es schwebt über den Dingen ihre geistige Wesenheit, ihr geistiger Inhalt. Die ganze astralische Welt wird sichtbar. Man befindet sich dann wie in der Mitte von Meeresfluten und hat das Erlebnis, als ob man in einem Meer schwimmen würde. Man sieht wie herausgehoben die Farbe einer Tulpe und erkennt, daß diese das Gewand einer astralischen Wesenheit bildet. Auf dieser dritten Stufe folgt für den Schüler das Erlernen der okkulten Schrift. Wenn wir in der Astralwelt wirklich leben wollen, dann müssen wir die okkulte Schrift kennen. In der Welt sind viele Dinge zum Beispiel nach der Figur des Wirbels gebaut:
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Diese Spirale finden wir sowohl im Orionnebel wie auch bei der Gestaltung von lebendigen Wesen. Die Menschen- und Tierkeime haben in einem früheren Stadium eine Spiralform. Der eine Teil verbildlicht das Physische, der andere Teil, der sich hineinschlingt, das Astrale. Auch der Anbruch eines neuen Stadiums in der Menschheitsgeschichte wird durch das Zeichen zweier ineinander verschlungener Wirbel symbolisiert. Es ist dies das Tierkreiszeichen des Krebses. Als nach Untergang der alten Atlantis mit der urindischen Unterrasse die nachatlantische Epoche ihren Anfang nahm, ging die Sonne bei Frühlingsanbruch im Tierkreiszeichen des Krebses auf. Wenn man die okkulte Schrift kennt, lernt man sich in der Astralwelt orientieren.
Als vierte Stufe folgt das Erlernen des Lebensrhythmus. Der Schüler bekommt die Anweisung zu einer bestimmten Regelung des Atmens. In der Natur verläuft alles rhythmisch. Eine jede Pflanze blüht rhythmisch zu derselben Zeit. Auch im Tierreich kann man den Rhythmus verfolgen. So ist das Tier nur zu bestimmten Zeiten des Jahres befruchtungsfähig. Beim Menschen aber geht der Rhythmus ins Chaos über. Der Mensch muß einen neuen Rhythmus für sein Leben schaffen. Bei vielen Menschen gibt es nur einen erzwungenen Rhythmus. Im allgemeinen gibt es bei den Menschen keinen freiwilligen Rhythmus. Für die Rhythmisierung des Lebens muß der Rosenkreuzer sorgen. In den Atmungsprozeß wird man durch die spezielle Anweisung des Lehrers Rhythmus hineinbringen.
Das fünfte ist die Erlernung der Entsprechung von Mikrokosmos und Makrokosmos. Es gibt ein gewisses Band zwischen dem Menschen und allen Dingen der Welt um ihn her. Bei dem gewöhnlichen Menschen kommt das nur heraus in der Liebe zwischen den zwei Geschlechtern, in dem Gefühl, wie der eine in dem andern
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gerade das findet, was ihm verwandt, vertraut ist, was zu ihm gehört. Auf diesem geheimnisvollen Verhältnis der Welt zum Menschen beruht aber vieles. Darauf beruht zum Beispiel, daß Paracelsus herausfand, wie gewisse Pflanzen in Beziehung zum Menschen stehen. Ebenso das Verhältnis anderer Substanzen zum Menschen lernte er durch diese Fähigkeit kennen. Er nannte einen Cholerakranken einen Arsenicus, weil Arsenik bei dem gesunden Menschen gerade dieselben Symptome eintreten läßt, wie sie sich bei einem Cholerakranken zeigen. Man kann ein persönliches Verhältnis, ein Liebeverhältnis zu allen Dingen in ganz rein geistiger Beziehung haben. Das muß besonders geübt werden. Man kommt dazu, wenn man ganz bestimmte Anweisungen befolgt. Wenn man mit einem bestimmten Wort an den Punkt zwischen den Augenbrauen über der Nasenwurzel denkt, kommt man dazu, daß einem nach einiger Zeit die Erkenntnis eines ganz bestimmten Vorganges in der Welt aufgeht. Durch das Denken an das Innere des Auges erlangt man Kenntnis von der Natur der Sonne, von den Vorgängen, die sich abspielten, als Sonne und Erde noch einen Himmelskörper bildeten. Durch eine andere Übung erkennt der Mensch, was der Mond geistig ist, oder, was für einen Zustand die Erde vor achtzehn Millionen Jahren gehabt hat.
Dann folgt das Versenken in die Entsprechung von Mikrokosmos und Makrokosmos. Durch Konzentration auf den Punkt zwischen den Augenbrauen über der Nasenwurzel kann man eindringen in die Zeit, als das Ich in den Menschen hineinzog. Dann wächst der Mensch mit seinem Bewußtsein in den Makrokosmos hinein. Das muß er eine ganz bestimmte Zeit hindurch üben und so in alle Dinge hineinwachsen, ob sie fern oder nah sind.
Siebentens folgt die Stufe der Gottseligkeit, wo man herauswächst aus der begrenzten leiblichen Hülle und mit dem Makrokosmos zu leben vermag.
Die Lehren werden dem Schüler gegeben nach dem okkulten Befund seines Wesens. Wenn der Schüler diese Stufen im realen Erleben durchgemacht hat, dann hat er den Gipfel der Erkenntnis höherer Welten erlangt.
III 23 Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten im rosenkreuzerischen Sinne? München, 11. Dezember 1906
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Wie erlangt man Erkenntnisse der HÖHEREN Welten im rosenkreuzerischen Sinne?
München, 11. Dezember 1906
Weniger bekannt als andere Gedichte von Goethe ist sein Gedicht «Die Geheimnisse.. Dieses Gedicht ist Fragment geblieben. Goethe erzählt uns von einem Pilger, Bruder Markus, der uns in seinen Wanderungen an das Schicksal des Parzival erinnert. Nach langer Wanderung gelangt er an ein einsames Haus, ein klosterartiges Gebäude. Innerhalb desselben findet er einen Bund, eine Versammlung von zwölf Persönlichkeiten. Er lernt endlich die Natur, den Charakter der Zwölf und des Dreizehnten kennen, der ihr Oberhaupt darstellt. Jeder dieser Zwölf hat etwas außerordentlich Wichtiges zu tun und eine Art Lebensbeschreibung von dem Dreizehnten zu geben. Dieser Dreizehnte hat sich hindurchgearbeitet durch Wirrnisse und Hemmungen aller Art. Es wird von ihm gesagt:
Von der Gewalt, die alle Wesen bindet,
Befreit der Mensch sich, der sich überwindet,
das heißt, der den höheren Menschen in sich ausbildet.
Dieser Dreizehnte, Humanus genannt, ist ganz über sich hinausgewachsen. Die Größe, der Einfluß dieses Weisen, den wir fühlen und ahnen, wird noch dadurch erhöht, daß er, wie wir gleich hören, im Sterben liegt, daß er das Letzte, das Schönste und das Größte den Zwölfen vor dem Eintritt in die höheren geistigen Welten zu geben hat. Und dazu soll nun der «reine Tor» hindurchdringen. Er soll den Dreizehnten ersetzen. Es schwebt etwas wie Karfreitagszauber über diesem Fragment. In der Tat hätte das ganze in dem Milieu des Karfreitags dargestellt werden sollen. Goethe selbst erklärt sein Gedicht etwa so, daß er sagt: Es gibt in der Welt viele Bekenntnisse, aber in allen haben wir den gleichen Kern Wahrheit zu sehen. Das deutet Goethe dadurch an, daß er von zwölf Weltreligionen eine hinstellen
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wollte, die den gemeinsamen Wahrheitskern der Zwölf darstellt. Und der Dreizehnte ist der Repräsentant dieser Urwahrheit selbst. Das Gedicht umschreibt eigentlich die theosophische Weltanschauung. Goethe will in einem dichterischen Bild zum Ausdruck bringen, auf welche Weise eine Synthese aller Religionen zum Frieden führen kann. Als Bruder Markus an die Pforte des Klosters tritt, leuchtet ihm ein mit Rosen umwundenes Kreuz entgegen. Goethe kannte die tiefe Bedeutung dieses Symbols, was auch in seinen Versen angedeutet wird:
Doch von ganz neuem Sinn wird er durchdrungen,
Wie sich das Bild ihm hier vor Augen stellt:
Es steht das Kreuz mit Rosen dicht umschlungen.
Wer hat dem Kreuze Rosen zugesellt?
Das sind Worte von wahrem esoterischem Sinn.
Heute soll uns nun die Frage beschäftigen: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten im Sinne der Rosenkreuzer? Wir wollen einiges über die Rosenkreuzermethode besprechen. Sie ist einer der Erkenntnispfade, die in übersinnliche Welten hineinführen. Das Wort Rosenkreuzer mag für manchen ungewohnt und merkwürdig klingen. Man hat von den Rosenkreuzern als einer geheimen Bruderschaft gehört, die etwa im 14. Jahrhundert unter dieser Bezeichnung auftaucht. Was im Konversationslexikon und sonst in der Tagesliteratur über die Rosenkreuzer zu finden ist, ist belanglos. Die Rosenkreuzer haben eine ganz bestimmte Geistesrichtung durch eine Anzahl sehr einflußreicher Persönlichkeiten vertreten. Wie leicht man den schwersten Irrtümern unterliegen kann, wo man höchste Wahrheiten zu finden glaubt, beweisen viele Veröffentlichungen, die über die Rosenkreuzer erschienen sind. Die Rosenkreuzer waren eine der intimsten Geheimbrüderschaften und hatten strenge Proben und schwere Prüfungen zu bestehen. Durch vieles mußten diejenigen hindurchgehen, die in den Rosenkreuzerorden aufgenommen werden wollten. Eine ganz bestimmte okkulte Schulung mußte der Anwärter durchmachen, um zur Selbstschau geführt zu werden. Aber Unkenntnis kann dazu verleiten, im Erha-
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bensten eine Karikatur zu sehen. So wurde auch das Rosenkreuzertum völlig verkannt und zur Karikatur verzerrt. Was über die Rosenkreuzer geschrieben worden ist, ist schlechthin Scharlatanerie. Wer das Rosenkreuzertum richtig beurteilen kann, der sieht den wahren Kern darin. Wie schwer es aber von jeher war, das Rosenkreuzertum kennenzulernen, das sehen Sie daraus, daß Helmont, Leibniz und andere nichts von den Rosenkreuzern erfahren konnten. Die Rosenkreuzereinweihung wird historisch zurückgeführt auf ein Buch vom Anfang des 17. Jahrhunderts, in dem es unter anderem heißt, daß die Rosenkreuzer sich mit alchimistischen Dingen beschäftigt hätten, auch mit anderen, zum Beispiel mit der höheren Erziehung und so weiter. So steht es zu lesen in der «Fama Fraternitatis».
Über das, was wirklich Rosenkreuzerei ist, ist auch darin nichts zu finden, weil die Geheimnisse der Rosenkreuzer nur durch mündliche Tradition überliefert worden sind. Was sich äußerlich den Namen Rosenkreuzer beigelegt hat, ist recht wenig dazu geeignet, das Wesen der Rosenkreuzer zu ergründen. Wir wollen uns nun heute mit den Methoden der echten Rosenkreuzer beschäftigen, soweit dies in der Öffentlichkeit möglich ist. Die theosophische Bewegung ging anfangs vom orientalischen Weg aus. Die Wahrheit ist, wenn man sie zu suchen weiß und reif dazu ist, überall zu finden. Eine andere Denkungsweise, ein anderes Fühlen und Wollen, ein anderes Schauen und Wahrnehmen gab es einstmals in der Menschheit, als die alten Inder die Lehren der heiligen Rishis empfingen. Was damals getan wurde, läßt sich heute nicht mehr durchführen. Die Methoden, die früher möglich waren, sind heute nicht mehr gangbar. Es gibt nichts Absolutes in der Welt; die Menschheit ist in einer fortwährenden Entwickelung begriffen. Die jetzigen Menschen haben eine ganz andere, feinere Gehirnstruktur, sogar eine ganz andere Blutbildung als die damaligen Menschen. Darum muß heute alle Wahrheit so umgeformt werden und müssen die Einweihungsmethoden so angeordnet werden, daß sie für die heutigen Europäer geeignet sind. Das sind die Gründe, warum es ein Rosenkreuzertum geben mußte, warum man eine andere Form der Einweihung
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brauchte. Die Strömung der Rosenkreuzer ist getragen von den großen Lehrern, die sich immer im Hintergrunde hielten.
Das Rosenkreuzertum umfaßt sieben Stufen der Einweihung. Diese sieben Stufen bilden eine einheitliche Methode, durch die der Europäer in der Lage ist, all die Proben abzulegen, durch die er hindurchgehen muß. Man macht diese Stufen nicht unbedingt nacheinander durch, sondern der Lehrer nimmt je nach der Individualität des einzelnen Schülers dasjenige heraus, was am geeignetsten für den Betreffenden ist.
Die sieben Stufen sind das Studium, die Imagination, die inspirierte Erkenntnis oder das Lesen der okkulten Schrift, das Bereiten des Steines der Weisen, die Entsprechung von Mikrokosmos und Makrokosmos, das Hineinleben in den Makrokosmos sowie als siebente und höchste Stufe die Gottseligkeit.
Unter dem Studium versteht man die Aneignung solcher Begriffe und Ideen, die den Menschen geeignet machen, ein gesundes, umfassendes Urteil über wesentliche Zusammenhänge fällen zu können. Das Studium enthielt bei den Rosenkreuzern alles das, was wir nach Abziehen des orientalischen Gewandes heute in der Theosophie haben. Was heute die Theosophie bringt, das ist Rosenkreuzerweisheit. Auch in öffentlichen Vorträgen habe ich über die Elementarlehre der Rosenkreuzer gesprochen. Das Wesentliche davon ist, sich eine Summe von Begriffen über die Welt anzueignen, die in sich geschlossen ist, die einen streng gefestigten Gedankenbau darstellt. Ein Denksystem wird hier aufgestellt, das vernünftig ist. Ein denkender, nüchterner Mensch muß der Rosenkreuzer sein. Diese Lehren sind Wahrheiten, die für die schlichtesten Herzen wie für die geistvollsten Gemüter verständlich sind. Was ist Zweck des Studiums? Es führt zum Hineinblicken in die übersinnlichen Welten, in die astralische Welt, dann in die geistige oder devachanische Welt, in jene Welten, die uns alle unsichtbar umgeben.
So viele Welten um den Menschen herum sind, so viele Fähigkeiten hat er, sie wahrzunehmen. Freilich sind diese Fähigkeiten zunächst unentwickelt. Eine Neugeburt bedeutet für den Blindgeborenen das Sehendwerden. Ebenso ist das Auftauchen jeder neuen
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Welt für den Menschen eine Neugeburt. Die astralische Welt, die wir aus gewissen Gründen so nennen, ist um uns herum, ebenso die geistige oder devachanische Welt. Es ist unbescheiden von einem, der nichts von den höheren Welten weiß, zu behaupten, sie seien nicht da. Die astralische Welt und die devachanische Welt unterscheiden sich beide gewaltig von dem, was in der physischen Welt sichtbar um uns herum ist. Ganz neue Eindrücke erleben wir in der astralischen wie in der devachanischen Welt. Wenn nun auch die Wahrnehmungen in diesen Welten ganz verschieden sind von denen in der physischen Welt, so bleibt die Logik die gleiche. Das Denken in allen drei Welten ist das gleiche; erst in noch höheren Welten ändert sich dieses ebenfalls. Hat man in einer dieser drei Welten denken gelernt, so sind die Gesetze dafür in den höheren Welten dieselben. Allerdings korrigiert sich ein Irrtum in der physischen Welt für den Menschen durch die Erfahrung. In jenen andern Welten gibt es diese bequeme Korrektur nicht, daher muß man dort einen festen Maßstab von Objektivität haben. Stützelos bist du dort, trittst du ohne diese Objektivität ein! Bei der alten Einweihung war daher der Guru notwendig. Der Guru mußte gleichsam als höchste Autorität in die Seele desjenigen einziehen, der in die indische Jogaweisheit eingeweiht wurde. In der Rosenkreuzerschulung wird dieses Verhältnis zwischen Guru und Schüler ersetzt durch die Stütze eines geschulten Denkens. Es muß der Schüler selbst der Führer sein. Deshalb ist das Studium ein so wichtiger Bestandteil der Schulung. Grundlegende Wahrheiten der Theosophie sind für die schlichtesten Herzen wie für die höher aufstrebenden Menschen in den Schriften «Wahrheit und Wissenschaft» und .Philosophie der Freiheit» niedergelegt. Man muß beim Lesen dieser Bücher innerlich ganz mitarbeiten, einen Gedanken aus dem andern herausarbeiten.
Die zweite Stufe des Rosenkreuzerpfades ist die Imagination. Sie führt durch eine umfassende Methode schon den ersten Schritt in die höheren Welten hinein. Das Erleben der Imagination erschließt den tieferen Sinn des Goethe-Wortes: «Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis».
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Betrachten wir eine Pflanze, so können wir an ihrer Gestalt, an ihrem Wesen erleben, wie wahr es ist, daß sich gleichsam der Geist der Erde in seiner Trauer, in seiner Heiterkeit durch sie offenbart. Es ist eine große Wahrheit, daß der Mensch im gleichen Maße zur Erde gehört wie ein Finger zum menschlichen Leibe. Der Mensch ist nur ein Glied des Ganzen, aber er gibt sich der Illusion hin, losgelöst zu leben. Der Finger ist geschützt vor dieser Illusion, weil er auf dem Leibe des Menschen nicht herumspazieren kann. Fühlt man sich als ein Glied der Erde, dann verspürt man etwas nicht nur von der Poesie, sondern auch von der Wahrheit der Goetheschen Worte vom Erdgeist. Geht der Mensch über zu dem, was der Erdgeist an seiner Oberfläche hervorbringt, so werden ihm manche Pflanzen zu den Tränen, manche zum Lächeln des Erdgeistes werden.
Eines noch wurde mit allen Mitteln der Schulung dem Schüler zum Bewußtsein gebracht. Ihm wurde gesagt: Sieh dir den Pflanzenkelch mit seinen Befruchtungsorganen an, die er keusch der Sonne zuwendet. Der Sonnenstrahl küßt das Innere des Pflanzenkelches. Die Pflanze streckt ihre Befruchtungsorgane unschuldig in den Weltenraum hinaus. Denke dir dies in seiner Umwandlung auf einer höheren Stufe. Betrachte zunächst das Tier und den Menschen und siehe, wie der Mensch das verhüllt, was die Pflanze der Sonne entgegenhält. Und dann sage dir: Eine künftige Stufe soll der Mensch einstmals erreichen, auf der alles Niedrige von seinen Organen gewichen ist. Auf dieser höheren Stufe wird er der Sonne das entgegenbringen, was heute bei der Pflanze der Kelch ist. Dann ist alles Triebhafte geläutert, die menschliche Individualität hat die Begierdennatur überwunden. Diese Umwandlung nannte man in der Weisheit der Rosenkreuzer den Gral, die heilige Schale.
Hat man in solchen Vorstellungen eine Zeitlang gelebt, dann ist man reif, zu noch höheren Erlebnissen aufzusteigen. Das physische Auge sieht in der Pflanze nur den Samen. Durch die Vorbereitung ist die Seele so weit, daß sie dann zu dem Bild vordringen kann, das sich ihr am Samenkorn ergibt und in dem sich das darstellt, wodurch die Pflanze wächst. Es tritt vor die Seele das Bild einer Flammenbildung, die sich aus dem Samenkorn heraushebt. Man lernt so
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das Geistige hinter den Dingen sehen, man lernt erkennen, wie alles Physische herausgeboren ist aus einer Welt des Geistigen.
Die dritte Stufe wird in der Rosenkreuzerschulung das Lesen der okkulten Schrift genannt. Die kosmischen Kräfte, die in der Welt wirken, offenbaren sich durch bestimmte Strömungen und Zusammenstellungen von Farben und Tönen. Diese okkulte Schrift ist in ihrer Struktur in die Welt hineingeschrieben. Ein Beispiel dafür ist die Spirale, die wir im äußeren Kosmos in der Gestalt von zwei ineinandergeschlungenen Wirbeln im Orionnebel erblicken. Mikrokosmisch geschieht die erste Eingliederung des Menschenkeims in einer entsprechenden Form. Das Bild zweier ineinandergeschlungener Wirbel ist das Tierkreiszeichen des Krebses. In der okkulten Schrift zeigt es den Übergang von einem Entwickelungsstadium in das nächste an. In der Tat lag der Frühlingspunkt der Sonne im Zeichen des Krebses, als im alten Indien nach dem Untergang der Atlantis eine neue Menschheitsepoche eingeleitet wurde.
Ein anderes Zeichen der okkulten Schrift ist das Dreieck, das ebenfalls in den Makrokosmos eingezeichnet ist. Mikrokosmisch ist die Figur des gleichseitigen Dreiecks mit dem eingezeichneten Mittelpunkt das Symbol für das erlangte Gleichgewicht zwischen den drei Seelenkräften. Aus der Harmonisierung von Denken, Fühlen und Wollen erwächst die höhere Liebekraft.
Dieser dritten Stufe, auf der das Bewußtsein der Inspiration errungen wird, folgt die Rhythmisierung des Lebens und Atmens. Sie wird in der Sprache der Rosenkreuzer auch als Bereitung des Steins der Weisen bezeichnet. Damit wird wiederum eine spätere allgemeine Entwickelungsstufe der Menschheit vorausgenommen. Heute braucht der Mensch den Sauerstoff bei der Einatmung. Die Kohlensäure atmet er als Giftstoff aus. Umgekehrt verhält es sich bei der Pflanze, die gerade die Kohlensäure einatmet und den Sauerstoff abgibt. In einer fernen Zukunft wird der Mensch den Kohlenstoff, den er heute mit der Nahrung aufnimmt, bewußt zum Aufbau seiner Leiblichkeit verwenden und nicht mehr ausatmen. Dann wird die menschliche Leiblichkeit aus einer ganz andern Sub-
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stanz bestehen, als dies heute der Fall ist. Diese wird ein durchsichtiger, weicher Kohlenstoff sein. Der Leib des Menschen selber ist dann der Stein der Weisen. Das Symbol dafür ist der kristallhelle Diamant, der aus Kohlenstoff besteht.
Vorbereitet wird dieser ganze Prozeß durch eine Rhythmisierung der Atmung wie überhaupt aller Lebensvorgänge. Bei der Pflanze und beim Tier sind diese von außen her geregelt. Beim heutigen Menschen geschieht dies nicht mehr, sondern er muß sich den Rhythmus, der in der Natur ohne Dazutun der darin lebenden Wesen herrscht, selbst schaffen. Die strenge Einhaltung eines solchen Rhythmus stellt einen wichtigen Bestandteil der Rosenkreuzerschulung dar.
Die fünfte Stufe der Rosenkreuzerschulung ist es, auf welcher die Entsprechung von Mikrokosmos und Makrokosmos erlebt wird. Paracelsus sagt: Alles, was um uns im Raume ist, ist mit uns verwandt. In der Welt sind die einzelnen Buchstaben, und der Mensch ist das Wort. Ein Sich-Einleben in sein Inneres ist auf dieser Stufe möglich. Der Mensch hat alles im Kleinen, in der Essenz in sich, was draußen in der Welt ist. Sich selbst erkennen, um die Welt zu erkennen, ist die Aufgabe, die auf dieser Stufe gestellt ist.
Das Hinausleben in den Makrokosmos wird auf der folgenden, sechsten Stufe gefordert. Hier hat der Mensch sich seiner selbst zu entäußern und alles Eigene zurückzulassen. Er lernt nun den Makrokosmos wahrhaft erkennen.
Die höchste Stufe, die der Rosenkreuzer erreichen kann, ist die Gottseligkeit. Hier wächst der Eingeweihte mit dem ganzen Universum zusammen, er erlebt den Gipfel der menschlichen Evolution, wie sie der Menschheit für eine ferne Zukunft vorgezeichnet ist. Der Rosenkreuzerschüler richtet sein ganzes Streben darauf, diese Evolution vorzubereiten.
Im Menschen lebt eine niedere passive Natur und ein aktives Element. Entwickelt er sich in der geschilderten Weise, so überwindet er die niedere Natur und wird durch den Geist wiedergeboren. Dieser Sinn der menschlichen Evolution ist in den Worten Goethes beschlossen:
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Und solang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und Werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.
Das Symbol für das «Stirb» ist das Kreuz, das Symbol für das «Werde» sind die Rosen. Der physische Leib des Menschen stellt das Kreuz dar. Alles, was mit den Wachstumskräften zusammenhängt, bildet das passive Element im Menschen. Dazu gehört insbesondere die Milch. Im Blut dagegen entwickelt der aufwärtsstrebende Mensch ein aktives Element. Das ist das Geheimnis der weißen und der roten Rose. Die höhere Menschennatur ist es, welche den Ausgleich zwischen der weißen und der roten Rose sucht. In Goethes Gedicht .Die Geheimnisse» gibt uns der Dreizehnte ein Bild jenes Menschen, der diese hohe Stufe erreicht hat. Als Leitspruch für alles Rosenkreuzerstreben können wir daher die Worte auffassen, die von diesem Dreizehnten gesagt werden:
Denn alle Kraft dringt vorwärts in die Weite,
Zu leben und zu wirken hier und dort;
Dagegen engt und hemmt von jeder Seite
Der Strom der Welt und reißt uns mit sich fort,
In diesem innern Sturm und äußern Streite
Vernimmt der Geist ein schwer verstanden Wort:
Von der Gewalt, die alle Wesen bindet,
Befreit der Mensch sich, der sich überwindet.
III 24 Wer sind die Rosenkreuzer? Leipzig, 16. Februar 1907
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Wer sind die Rosenkreuzer
Leipzig, 16. Februar 1907
Um den Namen Rosenkreuzer schwebt für diejenigen, die sich mit theosophischer Literatur beschäftigen, etwas Unbestimmtes, Unklares, als läge ein Geheimnis dahinter. Viele sehen darin eine Bezeichnung für Menschen, die sich im 18. Jahrhundert mit möglichen und unmöglichen Zaubereien beschäftigt haben. In Werken von Persönlichkeiten, welche die Rosenkreuzer wissenschaftlich und geschichtlich erforschen wollen, fühlt man das wohlwollende Achselzucken durch, wenn es etwa heißt: Da war einmal eine Art von Bruderschaft, die hohe Ideale und moralische Fortschrittsideen gehabt hat. Vielleicht wird darin noch von deren symbolischen Formeln gesprochen. Jedenfalls wird in gelehrten Werken immer wieder betont werden, daß die Rosenkreuzer verkommen seien. Wenn die Rosenkreuzer jemals das gewesen wären, was da gesagt ist, so würde die Rosenkreuzerei das Verkehrteste sein. In Wahrheit sind sie etwas, was zum Wertvollsten der Menschheit gehört. Äußerlich könnte man es nicht ergründen. In Bücher sind die Geheimnisse nie übergegangen. Ist etwas davon kundgeworden, so geschah es nur durch Verrat oder dergleichen und das konnte dann leicht als Torheit oder Aberglauben gelten. Eine solche Anschauung hat nichts mit dem zu tun, was die Rosenkreuzerei war. Etwas von dem, was die Rosenkreuzerei umschließt, ist jedoch in einem Buch zu finden, das im Jahre 1616 erschienen ist. Der Verfasser hieß Johann Valentin Andreae. Es hatte den Titel «Die chymische Hochzeit des Christiani Rosenkreutz» und stellt den Entwickelungsgang eines Menschen dar, der ein Rosenkreuzer wurde. Später hat Andreae ein Buch erscheinen lassen, von dem man nicht wußte, war es Ernst oder Scherz oder ein Widerruf.
Es wird sich uns in unserer heutigen Betrachtung dasjenige enthüllen, was heute schon öffentlich werden darf von dem, was die Rosenkreuzerei wirklich ist. Eine Einweihung hat es zu allen Zeiten gegeben. Die Menschen stehen auf verschiedenen Entwickelungs-
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stufen. Es gibt hochstehende Menschen, die in die tiefsten Weltengeheimnisse eingeweiht sind, die davon etwas wissen, wie die Welten sich bilden, wie die Erde entstanden ist und wie die Menschen immer höhere Entwickelungsstufen erreichen. Wenn ausgesprochen wird, der Eingeweihte sei wissend, so wird das oft zu leicht genommen. Zu wissen, welches das eigentliche Menschengeheimnis ist, zu wissen, was des Menschen Zukunft ist, das bedeutet das Größte, was der Mensch lernen kann. Ja, es gibt ein Wissen, welches auf den unvorbereiteten Menschen geradezu tötend wirkt. Würde es heute ohne weiteres mitgeteilt, wäre es um die Menschheit geschehen. Die Menschheit würde gespalten werden, der größte Teil würde zerstört, auf den kleineren Teil würde es günstig wirken. Das Geheimnis kann dem Eingeweihten nie in unberufener Weise abgelockt werden; auch durch keine Marter, kein Martyrium. Wollten Sie es von einem Eingeweihten fordern, er würde niemals einem Unberufenen das letzte Weltengeheimnis offenbaren. Von dem Gedanken allein, das Geheimnis offenbaren zu sollen, würde er wahnsinnig werden oder getötet werden. In einem Bilde stelle ich Ihnen die Perspektive der ganzen Entwickelung dar, die mit diesem Geheimnis zusammenhängt: eine Allee, die immer schmäler und schmäler wird, scheinbar, obgleich für alle Menschen sich einst das große Geheimnis enthüllen wird.
Die Rosenkreuzerei ist eine Art, eingeweiht zu werden. Durch Christian Rosenkreutz ist sie gestiftet worden. Es gibt verschiedene Wege der Einweihung. Der eine ist von den alten Rishis, den Indern gelehrt worden; das ist der orientalische Jogaweg. Dann gab es den christlich-gnostischen Weg, und der dritte ist der Rosenkreuzerweg. Alle drei Wege führen zu dem Gipfel der Einweihung. Es wird aber gewöhnlich nicht berücksichtigt, wie grundverschieden die geistige und physische Veranlagung der Inder und Europäer ist. Schon dem europäischen Körper wäre es unmöglich, den indischen Weg zu gehen. Man bedenkt außerdem nicht die Einwirkung der äußeren Verhältnisse in ihrer großen Verschiedenheit. Sie können verfolgen, daß in Indien zum Beispiel bestimmte Krankheiten Cholera, Blattern einen ganz andern Verlauf nehmen, in heißen
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Ländern anders als in kalten. Die Umwelt ist ganz verschieden und wirkt sich dementsprechend auf alle Hüllen des Menschen aus. Es ist daher eine sonderbare Meinung gewesen, daß für den Europäer die Jogaschulung ausführbar sei. Das war ein Irrtum. Man hat allerdings nicht gewußt, daß seit dem 14. Jahrhundert die Rosenkreuzer einen Entwickelungsweg beschritten haben.
Der Rosenkreuzerweg ist keineswegs ein unchristlicher. Für viele Menschen, die inbrünstig und fest im Christentum stehen, ist der christlich-gnostische Weg der richtige, und sie erreichen auf diesem die höchsten Gipfel. Aber die Zahl solcher Naturen nimmt ab. Die Rosenkreuzerei birgt die tiefsten Geheimnisse des Christentums, aber sie verschafft darüber hinaus die Möglichkeit, alle Zweifel hinwegzunehmen, in die jetzt die Menschen durch populäre oder auch weniger populäre Anschauungen gebracht werden. Niemand ist heute vor den bittersten Zweifeln geschützt, die sich an ihn überall herandrängen. Durch die christliche Schulung würde er diesen Zweifeln nicht in der richtigen Weise begegnen können, sich nicht zu schützen und zu verteidigen wissen. Sie dürfen das nicht in einer äußerlichen Weise nehmen. Wenn einer zum Beispiel sagen wollte: Ich lese keinen Haeckel, ich schließe mich ab in meiner christlichen Weltanschauung , so wäre damit nichts erreicht. Wir leben in einer Welt, in welcher der Mensch ganz mit der Zivilisation angefüllt ist. Benützen wir Eisenbahnen, die neu erschlossenen Lichtquellen, so bedienen wir uns der Naturgesetze. Mag der Mensch sich noch so sehr verschließen: in jeder Lokomotive, in jeder künstlichen Flamme teilen sich ihm diese Gedanken, die im geistigen Umkreis leben, mit. Würde sich jemand nur an das Bibellesen halten, in der Nacht würde sein astralischer Leib, sein Seelenleib, doch umgeben sein mit allen möglichen zerstörenden Seelenempfindungen. Sie wissen nicht, warum Sie nervös werden. Derjenige weiß es, der die unbewußt einströmenden Gedanken kennt. Es geht dabei nicht um die materialistische Wissenschaft als solche, sondern um die ganze geistige Atmosphäre, in der wir leben. Im 12. Jahrhundert herrschte noch religiöse Inbrunst, die Kirche war geistig und äußerlich der Mittelpunkt. Der Mensch, der schwer gearbeitet hatte, flüchtete sich
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in das Haus der geistigen Mächte und fand dort Ruhe. Das ist heute anders geworden. Die rosenkreuzerische Schulung berücksichtigt diese Fakten, sie rechnet mit alledem, was an den modernen Menschen herankommt.
Was ist nun die rosenkreuzerische Schulung? Sie werden hier hohe Ideale kennenlernen. Wer diese Schulung durchmachen will, muß sich an den wenden, der das entsprechende Wissen besitzt. Schon bei den ersten Schritten, die er tut, sieht der Schüler, worauf es ankommt. Was durch die Rosenkreuzerschulung bewirkt wird, ist eine völlige Umwandlung des Menschen. Nur dadurch, daß der Mensch Fähigkeiten der höheren Welt erlangt, kann er deren Bürger werden.
Sieben Bestandteile, Verrichtungen, gehören zur rosenkreuzerischen Geheimschulung. Erstens: Richtiges Studium; zweitens: Aneignung der Imagination; drittens: Erlernung okkulter Schrift; viertens: Auffindung des Steines der Weisen; fünftens: Erkenntnis des Menschen selbst, der Welt im Kleinen, des Mikrokosmos; sechstens: Erkenntnis des Makrokosmos; siebentens: Erkennen, was Gottseligkeit ist. Oft kommen Abweichungen in der Reihenfolge vor, so daß ein Lehrer je nach der Individualität des Schülers, zum Beispiel das, was an fünfter Stelle steht, als vierte wählt.
Sie werden fragen: Gibt es denn heute noch eine echte Rosenkreuzerei? Ja, es gibt eine solche, und sie wird erst in der Zukunft ihre wichtigste Bedeutung erlangen. Diese Rosenkreuzerbrüder haben auch gewisse Erkennungszeichen. Nicht viele können in die Öffentlichkeit hinaustreten, ein Teil wirkt vollständig in der Stille. Wer sie sucht, findet sie, und wer sie nicht findet, kann annehmen, daß es für ihn noch nicht an der Zeit ist. Die Begegnung tritt aber unweigerlich ein. Oft schaut es aus wie ein rechter Zufall. Sie können zum Beispiel in einem Wartesaal wegen einer eingeschneiten Bahnstrecke drei Stunden lang warten müssen. Ein Fremder tritt scheinbar ganz zufällig an Sie heran. Sie haben in ihm Ihren Lehrer gefunden. Das ist nur ein Fall, den ich Ihnen hier nenne.
Erstens: Richtiges Studium. Was ist darunter gemeint? Sie werden in Welten geführt, von denen sich der gewöhnliche Mensch
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keinen Begriff macht. Es ist notwendig, daß man sich darin zurechtfindet. Ein Phantast, der nicht einen festen Halt in seinem Denken hat, ist nicht dafür geeignet. Sicherstes Denken ist Bedingung. Der Mensch muß sich umschauen, er muß sich bemühen, gesunden Auges umherzusehen, aber auch imstande sein, seine Sinne abzuschließen. Damit ist etwas gesagt, was nicht jeder würdigt, selbst nicht die größten Philosophen. Eduard von Hartmann zum Beispiel hat es immer wieder ausgesprochen: Bei jedem Denken ist immer noch etwas von den Sinnen zurückgeblieben, sei es ein Ton- oder ein Farbeneindruck. Es bedeutet dies eine unglaubliche Unbescheidenheit, zu behaupten, ein Denken, in dem nichts Sinnenfälliges enthalten ist, sei nicht möglich. Was zu einem solchen sinnlichkeitsfreien Denken führt, wird jetzt in geisteswissenschaftlicher Literatur und in Vorträgen geboten.
Solche, die sich als geeignet ausweisen, werden tiefer in das Wissen hineingeführt. Aber der elementare Teil dieses Wissens ist einem großen Teil der Menschen zugänglich. Das Studium, das heute an die Menschen herangebracht wird, welches von dem Sinnenfälligen der Welt wegführt, besteht in einer Schulung der Gedanken. Diese haben dann nichts zu tun mit dem, was uns in der Sinnlichkeit umgibt. Wer noch tiefer eindringen will, muß seinen Geist zu einer verstärkten Gedankentrainierung hinleiten. Zu solchem sinnlichkeitsfreien Denken versuchte ich Anleitung zu geben in den beiden Schriften: «Die Philosophie der Freiheit» und «Wahrheit und Wissenschaft». Es ist so: Wer beginnt, sich in diese Bücher zu vertiefen, wird merken, wie ein Gedanke sich an den andern reiht in einer bestimmten Notwendigkeit der Gedankenfolge. Alle, die höher hinaufstreben, erhalten damit das Mittel zu einem richtigen geistigen Wachstum.
Zweitens: Aneignung der Imagination. Hier unterscheidet sich das Vorstellen vom gewöhnlichen Denken. Denken Sie an Goethes Wort: «Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis.» Wenn Sie einen Menschen mit lächelndem oder mit kummervollem Antlitz sehen, so werden Sie nicht sagen, da im Gesicht entsteht eine Falte, oder eine Träne rollt über die Backe, sondern Sie s
agen sich, dieses ist der
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Ausdruck einer heiteren, jenes der einer traurigen Seele. Das Äußere erschließt Ihnen das Innere, es ist ein Sinnbild, ein Gleichnis für das Erleben der Seele. Beim Menschen wird es jeder zugeben. Jeder kennt den Unterschied eines Menschenkopfes und seiner Abbildung. Der Geologe beschreibt Ihnen die Erde, ohne daß ihn irgend etwas anderes dabei beschäftigt als die rein physische Struktur. Das wissen die Menschen nicht, daß der Erdkörper der Körper eines Wesens ist, und daß gewisse Pflanzen der Ausdruck sind für den heiteren und für den traurigen Erdengeist. Goethe wußte davon zu sagen, er wußte die Erde als einen Leib anzusehen und wußte, was ihn durchdringt. Er läßt den Erdgeist im «Faust» sagen:
In Lebensfluten, im Tatensturm
Wall ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
Alles auf der Erde ist ein Gleichnis für das, was im Inneren der Erde vor sich geht. Auf dem Erdenleib wandern die Menschen umher. Aus meinem Leib so kann die Erde sagen wächst das heraus, was dem Menschen sein Brot gibt. In jener Stelle des Johannes-Evangeliums: «Der mein Brot isset, tritt mich mit Füßen», ist eines der tiefsten Mysterien der Weltanschauung ausgedrückt.
Imagination eignet man sich dadurch an, daß man in jedem Ding ein Gleichnis sieht. Dazu aber muß man vorher logisches Denken gelernt haben. Aber in der Rosenkreuzerschulung wird niemand ein anderes Gleichnis wählen. Ein jeder empfindet in allem ein Gleichnis des Ewigen. Ich muß hier in einen Dialog kleiden, was sich hinter einem Gleichnis versteckt, welches erst in den mittelalterlichen Tempeln und dann in den Rosenkreuzerschulen gelehrt wurde. Der
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Lehrer sagte zum Schüler: Sieh die Pflanze an, wie sie mit ihrer Wurzel in den Boden treibt und wie sie den Blütenkelch, den Sitz der Befruchtungsorgane dem Sonnenlicht zuwendet. Der Blütenkelch wird vom Sonnenstrahl in Keuschheit geküßt, und hierdurch entsteht ein neues Wesen. Der Sonnenstrahl wird auch die heilige Liebeslanze genannt. Selbst Darwin sagt: Die Wurzel der Pflanze ist mit dem Kopf zu vergleichen. Der Mensch ist eine umgekehrte Pflanze. Seine Fortpflanzungsorgane sind schamvoll dem Mittelpunkt der Erde zugekehrt. Das Tier steht zwischen Mensch und Pflanze. Es werden die drei Reiche der Natur bildlich mit einem Kreuz bezeichnet.
Plato sagt: Die Weltenseele ist am Kreuz des Weltenleibes gekreuzigt.
Nun fordert der Rosenkreuzerlehrer den Schüler auf: Also vergleiche die fleischliche Materie mit der pflanzlich-keuschen Materie , es wird aber eine Zeit kommen, wo der Mensch geläutert sein wird in seinen Begierden und Leidenschaften, und er wird zu einer Stufe heranreifen und der geistigen Sonne entgegenleuchten, so keusch, so begierdenlos wie die keusche Pflanze. Durch dieses Ideal wird er sein Fleisch so läutern, daß sich die Befruchtung keusch und rein vollzieht. Dieses Ideal stellt die mittelalterliche Schulung in dem Heiligen Gral dar. Ein heiliges Symbolum ist der Kelch für das, was menschliche Sinnlichkeit werden muß, wenn sie dem gleich wird, was der Pflanzenkelch ist. Dann wird sie geküßt werden von der weißen Taube der Kelch wird dargestellt mit der Taube darüber.
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So die Welt zu vergeistigen, in solchen Bildern die Umgebung des Menschen zu sehen, hebt hinauf zum Anschauen astraler Bilder. Gemüt und Gefühl bilden die Imagination aus.
Drittens: Erlernung der okkulten Schrift. Die okkulte Schrift besteht darin, daß die inneren Strömungen der Natur nachgebildet werden. Ein solches Zeichen ist das Wirbelzeichen. Könnten Sie den Orionnebel ganz sehen, so würden Sie ihn wie zwei ineinander verschlungene Sechsen wahrnehmen. Hier sehen Sie eine zugrunde-gehende und eine entstehende Welt in dem Nebel. So ist es überall. Wenn die Pflanze eine neue Frucht abstößt, so geht gar nichts von der alten Pflanze in die neue über. Nichts anderes als die Kräfte bewirken, daß sich eine neue Pflanze bildet. Auch da würden Sie nur den Wirbel sich hineinringeln und hinausringeln sehen. Ebenso könnten Sie sehen, wie eine alte Kultur sich in sich selbst hineinringelt und eine neue sich herausschlängelt. Dieser geistige Vorgang kann uns helfen, ein solches Schriftzeichen zu verstehen.
Achthundert Jahre vor Christi Geburt trat die Sonne in das Zeichen des Widders oder Lammes. Jedes Frühjahr rückt sie etwas weiter. Jetzt ist der Frühlingspunkt im Sternbild der Fische. Zu ersterer Zeit glaubten die Menschen, der Widder bringe ihnen alles Heil, die neue Kraft im Frühjahr. Selbst den Erlöser brachten sie damit in Zusammenhang. In den ersten Zeiten des Christentums hatten sie als Symbol das Kreuz mit dem Lamm. Bevor die Sonne im Frühjahr im Sternbild des Widders stand, stand sie im Sternbild des Stieres. Damals verehrten die Ägypter den Apis, die Perser den Mythrasstier. Nach der Sintflut stand die Sonne im Sternbild des Krebses. Der Krebs hat dieses okkulte Zeichen bekommen:
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Und so gibt es viele solcher Linien, aber auch Farben. Und solche Zeichen lernt man, die uns hineinführen in die Naturkräfte und Naturmächte. Die Ausbildung des Willens lernt man in der okkulten Schrift.
Viertens: Die Auffindung des Steines der Weisen. Im 18. Jahrhundert verstand man ein Geheimnis darunter. Jemand hatte damals auch etwas davon veröffentlicht. Es ist etwas, das jeder kennt. Der Stein der Weisen ist zugleich das Edelste, was der Mensch sich erringen kann, was der Mensch aus seinem Organismus machen kann, um zu höherer Entwickelung zu kommen.
Hier möchte ich Ihnen ein Gleichnis der Vedantaphilosophie nennen: Einmal wollten die Menschen die Fähigkeit prüfen, ob der Mensch auch ohne Augen leben könne. Nach einem Jahr sagte der Betreffende: Ja, ich habe gelebt, aber als ein Blinder. Dann versuchte er, ohne Ohren zu leben, und nach einem Jahr gab er den Bescheid: Ja, ich habe ohne Ohren gelebt, aber als ein Tauber. Die Stimme wurde genommen, und er lebte als ein Stummer. Nun sollte ihm auch der Atem genommen werden, und das ging nicht: ohne Atem konnte er nicht leben. Der Atem bringt uns die Lebensluft. «Und Gott hauchte dem Menschen den Odem ein, und er ward eine lebendige Seele.» Mit jedem Atemzug ziehen wir Sauerstoff ein und stoßen Kohlensäure aus. Bei der Pflanze ist ein umgekehrter Kreislauf vorhanden. Die Pflanze baut ihren Leib aus Kohlenstoff auf. Daher kommt es, daß wir noch nach Jahrtausenden in der Kohle versteinerte Pflanzen finden. Der Mensch hat in sich den Kohlenstoff, er atmet Sauerstoff ein und Kohlensäure wird erzeugt, die sich entfernt. Das tut auch das Tier. Nun lehrt die Rosenkreuzerschule eine besondere Gestaltung des Atmungsprozesses, und hierdurch
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lernt der Mensch den Vorgang, den die Pflanze in sich vornimmt. Dann wird der Mensch imstande sein, den Kohlenstoff in sich selber zu verwandeln: er wird selber das blaue zurückfließende Blut in rotes umwandeln. Er nimmt die Pflanzennatur in sich auf und wird einst tun, was die Pflanze heute tut. Der Rosenkreuzer sagt: Heute ist dein Leib durch Fleisch aufgebaut, einst wirst du ihn selber durch deinen Atem aufbauen. Die Pflanzennatur wird in dir erscheinen, du wirst aber nicht schlafen wie sie, du wirst hellseherisch dabei sein.
Diesem Ideal geht der Mensch entgegen, seinen Leib aufzubauen aus Kohlenstoff die gewöhnliche Kohle, das ist der Stein der Weisen. Nicht schwarze Kohle wird es sein, sondern durchsichtig wasserheller Kohlenstoff, wenn des Menschen Leib sternhaft geworden ist. Es sind das nicht nur chemische Vorgänge, sondern es sind hohe Ideale. Das macht der Rosenkreuzer gradweise durch, und später wird die ganze Menschheit dazu aufsteigen.
Fünftens: Erkenntnis des Menschen als Mikrokosmos. In der ganzen übrigen Natur ist die Welt ausgebreitet, und der Mensch ist der Extrakt davon. Alles in der Welt ist als Buchstabe ausgebreitet, und der Mensch ist das Wort daraus. Im Anfang des 19. Jahrhunderts brachten Oken und Schelling ganz richtige Grundideen davon. Sie suchten sich die Wesenheit klarzumachen, die einem Organ entspricht. Oken verfuhr etwas grotesk, wenn er erklärte: Die Zunge ist ein Tintenfisch. Goethe sagt: Das Auge ist vom Licht für das Licht gebildet. Die wahre Natur des Lichtes erkennen wir erst, wenn wir im Menschen das finden, was dem Licht entspricht.
Ein Leitmotiv gibt der Lehrer dem Schüler, sich zu konzentrieren auf einen Punkt, jenes Organ hinter der Nasenwurzel, und er lernt die Natur des Traumbewußtseins des Menschen kennen zum heutigen hellen Bewußtsein hinzu. Und der Mensch lernt die ganze Welt kennen, wenn er sich vertieft in Milz, Leber und anderes mehr. Hat er durch diese innere Versenkung gefährlich ist ein Hineinbrüten sein Bewußtsein erweitert, wird er zusammenwachsen mit der ganzen Welt.
Sechstens: Erkenntnis des Makrokosmos. Wer das Vorherge-
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hende erkannt hat, wird auch hinter allen Geschöpfen den Schöpfer erkennen.
Siebentens: Erkenntnis der Gottseligkeit. Auf der siebenten Stufe erreicht der Mensch einen Punkt, welcher aus der Tiefe der menschlichen Seele das Allgefühl hervorruft und, wozu er erst auf dieser Stufe berechtigt ist, das Gefühl der Beseligung. Erst durch Erkenntnis des Makrokosmos lernt er sich hineinversetzen in dieses Allgefühl. Ein klares Sich-Hineinleben in alle Einzeldinge ist: Gottseligkeit. Da lernt er, was hinter der Natur als Seele ruht. Einmal sagte mir jemand: Ich habe niemals gemeint, daß der Stein beim Klopfen auch etwas fühle. Der Geist des Mineralreiches fühlt das Zerklopfen des Steins als höchste Wollust, als beseligendes Gefühl. Wenn uns scheint, als müsse der Marmorbruch Marter empfinden, für den Geist des Steins ist das höchste Seligkeit. Nun könnten Sie sagen: Warum werden diese Einzelheiten nicht mitgeteilt? Einst sagte jemand, das könnte doch höchst nützlich für die Menschheit sein. Ich erwiderte ihm: Die Menschen würden selbstsüchtigen Vorteil daraus ziehen wollen, und dieses Geheimnis kann nur in den selbstlosesten Dienst der Menschheit gestellt werden.
Dieses Geheimnis wußten die Rosenkreuzer und diejenigen, die jetzt durch die Welt wandeln und dem menschlichen Fortschritt dienen, sie teilen mit, was zum Fortschritt dient, sie, die wissen, wie die «Chymische Hochzeit» vor sich gehen kann.
III 25 Die christliche Einweihung und die Rosenkreuzerschulung, Wien, 22 Februar 1907
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Die christliche Einweihung und die Rosenkreuzerschulung
Wien, 22. Februar 1907
Haben wir gestern ein Thema besprochen, das mehr die äußere, exoterische Seite der Geisteswissenschaft betrifft, so dürfen wir heute über die innere Seite, die esoterische Seite der Geisteswissenschaft, einige Betrachtungen anstellen.
Wenn man, wie es heute unsere Aufgabe ist, zu einem großen oder auch kleineren Publikum über die Ergebnisse der Forschung des Übersinnlichen redet, so wird gar bald die Frage gestellt: Woher weiß man das? Wie kann man denn dazu kommen, selbst etwas zu erfahren in bezug auf die höheren Welten? Diese Frage ist eine sehr berechtigte. Nur hat man sich klar zu sein darüber, daß man nicht allzufrüh, etwa gar vor der Bekanntschaft mit den wichtigen geisteswissenschaftlichen Ideen, diesen Weg des eigenen Beobachtens gehen kann. Man muß schon eine Art von Bekanntschaft mit den allgemeinen Ideen und Gedanken der Anthroposophischen Weltanschauung gemacht haben. Man muß versucht haben, die Ahnung zu bekommen, die jedem Menschen aufdämmert, daß Wahrheit in der Anthroposophie ist. Man muß endlich versucht haben, aus der menschlichen Logik heraus den inneren Zusammenhang der geisteswissenschaftlichen Lehren zu begreifen.
Heute kann eigentlich prinzipiell nichts dagegen eingewendet werden, wenn jemand Verlangen trägt, selbst aufzusteigen zu den Stufen der höheren Erkenntnis. Gewiß wird von manchen Seiten recht viel von den Gefahren und von all dem gesprochen, was sich der okkulten Entwickelung so nennt man nämlich die innere Entwickelung des Menschen entgegentürmt. Viel wird über Hathajoga und Rajajoga gesprochen, doch hat dies mehr theoretischen Wert. Wenn die Sache richtig gemacht wird, wenn derjenige, der eine solche innere Entwickelung leitet, auch dazu berufen ist, das zu tun, dann besteht eigentlich die Gefahr nicht. Es muß nur alles richtig gemacht werden, darauf kommt es an. Ein solcher Vortrag wie der heutige ist etwa nicht dazu da, Anleitungen zu geben dies sei
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besonders hervorgehoben , diese müssen ausdrücklich von Mensch zu Mensch gegeben werden. Wer sie gibt, übernimmt eine große Verantwortung, und wer sie sich geben läßt, muß sich klar sein, daß der Erwählte sein Vertrauen auch wirklich verdient. Dieses Vertrauen ist etwas, was unbedingt vorhanden sein muß.
Die okkulte oder innere Entwickelung des Menschen führt also den einzelnen nach und nach hinauf zu den Stufen der eigenen Erkenntnis. Ich möchte Ihnen nun das Wesentliche der inneren Entwickelung skizzieren, und zwar, wie schon gesagt, zur Information, nicht zur Anleitung.
Wenn jemand den Gipfel der Erkenntnis erreicht hat, wenn jemand oben am Gipfel des Berges steht, hat er nach allen Seiten freie Aussicht. So ist es im physischen Dasein, so auch in der Erkenntnis. Solange man nicht oben ist, solange man am Wege ist, so lange hat man die freie Aussicht nicht. Man lernt, je mehr man steigt, immer mehr kennen, aber immer bleibt noch ein großer Teil durch den Berg verdeckt. Sehr gut paßt dieses Bild des Berges auf die innere Entwickelung. Ein jeder muß auch, wenn er die Stufen der höheren Erkenntnis hinaufsteigen will, von einem Punkte ausgehen, der für ihn geeignet ist. Das heißt, die Menschen sind verschieden auf Erden, verschieden auch hinsichtlich ihrer physischen, ätherischen und astralischen Konstitution. Die äußere Natur eines Hindu, eines Menschen aus Vorderasien, eines Europäers oder Amerikaners sind voneinander verschieden, viel mehr als sich der Nichtokkultist vorstellen kann. Was einer Hindunatur an Übungen in bezug auf innere Entwickelung frommt, das ist nicht ohne weiteres einer abendländischen Natur zuzumuten. Es war also ein Fehler, daß man die orientalische Jogalehre nach Europa übertrug. Dadurch wurde viel Unheil angerichtet. Der viel weichere Leib des Hindu kann ganz anders entwickelt werden, als der durch die Zivilisation, wenn man so sagen darf, viel härter gemachte Europäerorganismus. So sind die menschlichen Naturen viel verschiedener, als Sie sich vorstellen können. Der Anatom kann Ihnen nichts sagen darüber, aber wer als Hellseher einen Blick in das Innere hinein tut, der weiß, wie gewaltig verschieden die Naturen sind.
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Nun kann man die heutige Menschheit in drei Typen einteilen: Erstens gibt es noch immer solche, für die im wesentlichen die orientalische Jogaeinweihung passend ist, dann solche, für welche der christlich-gnostische Weg möglich ist, endlich aber diejenigen und das ist bei der weitaus größten Zahl der Fall , für die jener Weg geeignet ist, der seit dem 14. Jahrhundert als Rosenkreuzerweg bekannt ist. Wohlgemerkt, diese Wege führen nicht etwa zu verschiedenen Erkenntnissen, denn, wenn man oben ist am Gipfel, sind alle Dinge gleich. Aber die Wege sind und müssen verschieden sein.
Auf dem christlich-gnostischen Wege kann man Mannigfaltiges erreichen, man kann zu den höchsten Erkenntnissen kommen. Der Rosenkreuzerweg ist aber für den modernen Menschen geeignet, weil dieser Mensch in Lagen kommen kann, wo sich ihm deshalb, weil er innerhalb unseres Lebens lebt, Zweifel ergeben, Störungen einstellen, welche er für sich und sein Wirken in der Welt beseitigen muß. Dies ist nur möglich bei der einen inneren Schulung mit Grundlage der rosenkreuzerischen Methode, die für die abendländische Welt die richtige ist.
Ich möchte nur einige Gesichtspunkte der christlich-gnostischen Einweihung angeben, damit Sie sehen, daß hier noch ein Gebiet ist, über das man noch viel heute lernen kann. Ich werde dann ohne weiteres zur Rosenkreuzerschulung übergehen. Den orientalischen Jogaweg wollen wir heute nicht weiter berühren.
Der christliche Weg ist in einer Schrift vorgezeichnet, die außerhalb okkulter Kreise kaum verstanden wird. Vollständig vorgezeichnet ist der richtige Weg der christlichen Einweihung im Johannes-Evangelium.
Das Johannes-Evangelium gehört zu den tiefsten Schriften der Welt, nur muß man es richtig lesen können, das heißt, man muß nicht glauben, daß das Lesen allein genügend und richtig ist. Es ist ein Lebensbuch. Vor allem müssen Sie sich klar sein, daß schon die ersten Worte nicht bloß zum Lesen, nicht zum philosophischen Spekulieren geschrieben sind, daß sie geschrieben sind zur Meditation. Nur muß man sie in der richtigen Weise haben, nicht in der
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gewöhnlichen Übersetzung, sondern aus der deutschen Sprachsubstanz heraus müssen die ersten Verse aus dem Johannes-Evangelium so geschaffen werden, daß nicht bloß der Sinn der Sätze, sondern auch der Lautwert der Sätze da ist. Denn im wirklichen okkulten Leben kommt noch dasjenige in Betracht, was man den Lautwert der Worte nennt.
Die Meditation besteht in der inneren Versenkung in gewisse Formeln, Sätze oder auch Worte, aber die Meditation, die ein wichtiges Mittel der Entwickelung darstellt, ist nicht etwa nur eine philosophische oder verstandesmäßige Versenkung in dasjenige, was einem der okkulte Lehrer gibt, sondern es ist ein Aufgehen bis in den Lautwert hinein. Wenn Sie über einen Satz nachdenken würden, den Ihnen ein Lehrer gibt, könnten Sie nur das an Gedanken herausbringen, was Sie schon haben. Sie sollen aber etwas Neues erhalten, darum handelt es sich. Meditationssätze sind Sätze, welche Ihnen die Pforte aufschließen zur geistigen Welt, welche beruhen auf jahrhundertelanger Erfahrung. Man weiß, daß sie in jedem Buchstaben, in jeder Wendung eine Wirkung auf die Seele haben. So müssen Sie die ersten Sätze genau dem Buchstaben nach meditieren. Sie lauten, richtig übersetzt:
«Im Urbeginne war das Wort, und das Wort war bei Gott, und ein Gott war das Wort.
Dieses war im Urbeginne bei Gott.
Alles ist durch dasselbe geworden, und außer durch dieses ist nichts von dem Entstandenen geworden.
In diesem war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht schien in die Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen.
Es ward ein Mensch, gesandt von Gott, mit seinem Namen Johannes.
Dieser kam zum Zeugnis, auf daß er das Zeugnis ablege von dem Licht, auf daß durch ihn alle glauben sollten.
Er war nicht das Licht, sondern ein Zeuge des Lichtes.
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Denn das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, sollte in die Welt kommen.
Es war in der Welt, und die Welt ist durch es geworden, aber die Welt hat es nicht erkannt.
In die einzelnen Menschen kam es (bis zu den Ich-Menschen kam es), aber die einzelnen Menschen (die Ich-Menschen) nahmen es nicht auf.
Die es aber aufnahmen, die konnten sich durch es als Gottes Kinder offenbaren.
Die seinem Namen vertrauten, sind nicht aus Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, und nicht aus menschlichem Willen, sondern aus Gott geworden.
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt,
und wir haben seine Lehre gehört; die Lehre von dem ein-
zigen Sohn des Vaters, erfüllt von Hingabe und Wahrheit,»
Wenn wir länger miteinander sprechen könnten, könnte ich Ihnen manches über diese ersten Sätze sagen. Was ich Ihnen jetzt über diese christliche Einweihung kurz sage, haben Hunderte und aber Hunderte von Menschen durchgemacht. Es ist eine praktische Erfahrung für Tausende geworden. Nur andeuten will ich Ihnen einige Stufen der christlichen Einweihung.
Dem Schüler wurde vorerst gesagt: Du hast zunächst durch Wochen, Monate, Jahre hindurch jeden Morgen eine gewisse Zeit lang diese ersten Sätze des Johannes-Evangeliums in deiner Seele leben zu lassen. Du hast diese Zeit hindurch die Aufmerksamkeit von allem abzuwenden, was um dich vorgeht. Blind und taub mußt du werden für alles um dich, und aufsteigen müssen diese Worte in deiner Seele, als ob du sie hörtest, Tag für Tag, immer und immer wieder.
Diese Übung hat zunächst eine bestimmte Wirkung auf die Seele. Sie zaubert heraus, daß ein solcher Mensch sieht, wie seine Träume plötzlich regelmäßig werden, wie sie regelmäßige Formen annehmen. Und dann kommt jener Moment, wo der Mensch weiß, daß er nicht in einer Welt des Traumes ist. Sondern er weiß: Jetzt hast du eine neue Wirklichkeit um dich herum, die imaginative, die
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astralische. Wie man im gewöhnlichen Bewußtsein Baum und Strauch um sich sieht, so sieht man nun die Erlebnisse jener Welt. Stufenweise kommen sie heraus, und dann weiß man, was sie bedeuten. Zuerst wie Traumbilder, dann immer mehr und mehr als lebende Wachvision sieht der Schüler die ersten zwölf Kapitel des Johannes-Evangeliums vor sich.
Nach diesem Erleben sagt der Lehrer der christlichen Einweihung dem Schüler: Nunmehr hast du dich vorzubereiten für das Erleben des dreizehnten Kapitels. Stelle dir eine Pflanze vor! Diese Pflanze wächst aus dem mineralischen Reiche heraus. Wenn sie denken und empfinden könnte, dann müßte sie zu dem mineralischen Reiche sagen: Aus dir wachse ich heraus, du bist zwar ein niedereres Reich als ich, aber unmöglich könnte ich ohne dich leben. Und dankbar müßte sie sich zum mineralischen Reiche hinneigen und sagen: Ich danke dir, Stein! Dir verdanke ich das ganze Dasein. Ebenso müßte das Tier zur Pflanze sprechen. Und der Mensch müßte sich zu den niederen Naturreichen hinunterneigen und dasselbe empfinden. Und jeder, der auf der sozialen Stufenleiter höher emporgekommen ist, müßte sich hinunterneigen zu dem unter ihm Stehenden und sagen: Ohne dich könnte ich nicht leben.
Darin ganz aufzugehen, hat der Schüler sich zu üben, wochen-, monatelang. Dann kommen zwei Symptome, für alle die gleichen. Er erlebt zunächst das äußere wie auch das innere Symptom als eine ganz bestimmte Tatsache. Er sieht sich selbst als den Dreizehnten, der den Zwölfen die Füße wäscht. Der Christus Jesus hat den Zwölfen in der Fußwaschung diese große Wahrheit klarmachen wollen. Dieses wunderbare Seelenerlebnis kommt in der Einweihung über den Menschen. Bis zu äußeren Symptomen geht es. Er erlebt etwas, was er empfindet, als wenn er seine Füße in Wasser tauchte. Niemand braucht sich davor zu fürchten, es vergeht bald wieder.
Wenn der Schüler so weit ist, dann kommt der Lehrer und sagt: Jetzt hast du dich in eine andere Empfindungssphäre zu begeben. Das Leben bringt von allen Seiten Leid und Schmerz. Du mußt dich in einen Zustand hineinversetzen, daß du allem Leid und allem Schmerze, wie sie auch von allen Seiten der Welt kommen, als auf-
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rechter Mensch begegnest, so daß sie dir nichts anzuhaben vermögen. Wochen- und monatelang mußt du in diesen Dingen verharren. Dann kommt ein Zeitpunkt, wo ein astralisches Symptom eintritt. Er sieht sich in der Vision der Geißelung, und am ganzen Körper tritt eine ähnliche Empfindung auf, die zwar wieder vergeht, die aber so wirkt, daß sich der Schüler mit dieser Empfindung bis in den ganzen Körper hinein durchdringt. Damit hat er sich reif gemacht, aufrechtzustehen in den Geißelhieben des Lebens.
Für die dritte Stufe erhält er die Anweisung: Nun hast du dich hineinzuversetzen in die Empfindung, wie es mit dir stände, wenn du nicht nur Schmerz und Leid zu erdulden hättest, sondern wie wenn dir auch noch das, was dir das Heiligste ist, mit Hohn und Spott übergossen würde. Du mußt durch die Kräfte des Inneren stehen können, du mußt einen solchen Mittelpunkt in dir haben, daß du aufrechtstehen kannst. Dann tritt eine neue Vision auf: Der Schüler sieht sich als dornengekrönt. Er hat als das äußere Symptom eine Art Kopfschmerz, der bis in die Glieder hinein zeigt, daß sich dieses große Erlebnis eingestellt hat.
Dann kommt die vierte Station. Es muß der irdische Leib für den Schüler wie ein Außending werden. Die meisten Menschen empfinden ihn als das Ich. Wie ein Stück Holz, wie etwas Äußerliches muß der Leib werden. Der Schüler muß sich angewöhnen zu sagen, statt «Ich komme zur Tür herein»: «Ich trage den Leib zur Tür herein», Ganz objektiv muß ihm der Leib werden. Wenn der Schüler sich darin wochen- und monatelang hineingelebt hat, dann hat er eine Vision, ein astralisches Erlebnis: Er sieht sich gekreuzigt. Das ist die vierte Station. Und als äußeres Symptom treten für eine kurze Zeit während der Meditation die Wundmale, die Stigmata auf, an den Händen, Füßen und der rechten Seite nicht links, wie gewöhnlich angenommen wird. Sie zeigen, wie sich dieser Grad der Entwickelung bis in den fleischlichen Leib hineingearbeitet hat.
Dann kommen Stufen, über die wir nicht mehr sprechen können, weil wir keine Worte dafür haben. Die fünfte Stufe ist der mystische Tod, wo der Schüler tatsächlich zuerst erlebt, wie wenn zwischen ihm und der Wirklichkeit etwas stünde wie ein schwarzer
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Vorhang. Bis ihm die Erkenntnis aufgeht, fühlt er etwas wie eine Art Verlorenseins, eine Art des ganz und gar Einsamstehens. Die Fleischeswelt ist, wie wenn sie versunken wäre, und wie ein undurchdringlicher schwarzer Vorhang liegt es vor dem Auge der Seele. Das ist ein Moment, den jeder, der diesen Einweihungsweg geht, erleben muß. Man macht die Bekanntschaft mit allem, was als wirklich großes Leid und Schmerz auf dem Grunde der Seele ruhen kann, und mit allem Bösen, das in der Welt vorhanden ist. Das ist das Hinuntersteigen in die Hölle. Dann kommt es dem Schüler vor, als ob der Vorhang zerrisse, und er sieht in die andere Welt.
Es folgt sodann die Grablegung, ein Erlebnis, bei dem man sich mit den Planeten eins fühlt, und die siebente Stufe, von der man nicht reden kann, weil nur der etwas ahnen kann, der sein Denken von seinem Gehirn lostrennen kann. Es ist die Himmelfahrt.
Durch diese Darstellung der christlichen Einweihung wollte ich Ihnen begreiflich machen, was man sich darunter vorzustellen hat. Es ist ein entsagungsreicher Weg. Ganz in der Stille kann es geschehen, und mancher lebt unter Ihnen, der dies alles durchgemacht hat. Es geschieht gleichsam zwischen den Zeilen des Lebens, und je ernster, desto weniger ist es für den äußeren Blick sichtbar.
Wenn nun der Mensch gewappnet sein will gegen alles, was von außen herantreten kann, so muß er die Rosenkreuzereinweihung durchmachen. Was Sie vielfach in Büchern darüber lesen, das müßte Sie dahin führen, die Rosenkreuzer wirklich als Scharlatane anzusehen, denn so sind sie vielfach von Gelehrten geschildert.
Die wahren Rosenkreuzer haben sich seit dem 14. Jahrhundert an einem geheimen Zeichen erkannt. Außenstehenden durfte jedoch nicht mitgeteilt werden, worin das Wesen des Rosenkreuzertumes bestand. Erst seit einem gewissen Zeitpunkt des 19. Jahrhunderts muß es sogar sein, daß die elementaren Dinge der Rosenkreuzereinweihung mitgeteilt werden. Allmählich erst wächst die Menschheit hinein in jene Reife, durch die sie etwas über die Dinge erfahren darf. Warum das so sein muß, warum die höheren Geheimnisse noch immer verborgen gehalten werden müssen, darauf können wir heute nicht weiter eingehen.
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Auch die Rosenkreuzereinweihung hat sieben Stufen, und zwar: Erstens das Studium, das Rosenkreuzerstudium, zweitens die Aneignung der imaginativen Erkenntnis, drittens die Aneignung der okkulten Schrift, viertens die Aufsuchung des Steines der Weisen, fünftens das Erleben des Zusammenhangs zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos, sechstens die Versenkung in den Makrokosmos und siebentens die Gottseligkeit.
Ich schicke wieder voraus, daß nur skizzenhafte Andeutungen gegeben werden können und nicht mehr.
Das Studium ist nicht das Lernen, wie es gewöhnlich geschieht, sondern man muß darauf kommen, daß es für den Menschen ein Denken gibt, welches noch ein flüssiges, wirkliches Denken ist, wobei der Mensch alle sinnlichen Wahrnehmungen um sich herum ausschließt. Die abendländischen Denker leugnen, daß es ein solches Denken gibt. Sie sagen, man könne nur denken, wenn in dem Gedanken noch ein Rest von Sinneswahrnehmung enthalten sei. Die Herren wissen eben nicht, daß andere es gekonnt haben, und wollen es nicht glauben, weil sie selbst nicht so denken können. Der Mensch muß lernen, alles zu vergessen, von allem abzusehen, was äußerlich auf die Sinne wirkt, ohne jedoch leeres Gefäß zu bleiben. Das ist möglich, wenn man sich in einen reinen, sinnlichkeitsfreien Gedankeninhalt vertieft, wie er in den Mitteilungen des Geistesforschers enthalten ist, und über das, was sich fortspinnt, sinnt. Ich habe in meinen Schriften diesen Weg verfolgt, ich habe sie so niedergeschrieben, daß wie bei einem lebendigen Wesen ein Glied aus dem andern herauswächst, ein Gedanke aus dem andern organisch herauskommt. Man gibt sich dem Gedanken selbstlos hin, es tritt eine innere Trennung ein. Wer höher hinauf will, muß geisteswissenschaftliche Mitteilungen so lesen. Wer nicht höher hinauf will, der kann sie wie ein gewöhnliches Buch lesen. Das erstere ist aus dem Grunde der Fall, weil der Mensch durch die höhere Erkenntnis in andere Welten gelangt. Sie leben jetzt im physischen Plane das Wort «Ebene» sollte abkommen, denn es ruft die meisten Irrtümer hervor. Das englische Wort «plan» sollte nicht «Ebene. heißen, sondern so wie ein Plan eines Hauses gar nichts mit einer Ebene zu tun
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hat, so sollte es Plan heißen. Also Sie kommen in verschiedene Plane, in verschiedene Welten. Zuerst leben Sie hier in der physischen Welt, dann kommen Sie in die astralische, imaginative Welt. Das ist eine Welt, die man so schildern kann: Denken Sie sich eine Pflanze, grün, mit roter Blüte. Sie erlangen durch gewisse Übungen die Möglichkeit, nicht nur zu sehen, was Ihre Sinne sehen, sondern Sie können wahrnehmen, wie sich aus der Pflanze gleichsam eine kalte Flammenbildung heraushebt. Sie nehmen schwebende Farben wahr. Sie kommen so zur Wahrnehmung von Wesen, die Sie mit den äußeren Sinnen nicht wahrnehmen können. Es verdampft alles von der Oberfläche der Dinge und wird der Ausdruck von rein astralischen Vorgängen. Diese Welt ist eine viel wirklichere als unsere Sinneswelt, denn unsere Sinneswelt ist aus ihr, der geistigen, heraus geschaffen. Diese physische Welt ist eine verdichtete aus dem Astralischen. Für den wirklichen Okkultisten ist die Materie verdichteter Geist, den wir wieder auflösen können. Unsere ganze sinnliche Welt ist verdichtete astralische Erscheinung.
Hinter dieser astralischen Welt steht nun wieder eine andere Welt, die wir am besten dadurch beschreiben, daß ich Ihnen zeige, wie der Mensch dazu kommt, sie zu erleben. Wenn er diese Übungen macht, die ich in meinen Schriften beschrieben habe, regeln sich zunächst seine Träume. Versuchen Sie, sich einmal in die Natur der Träume zu versenken. Was ist der Traum? Ich werde einige Beispiele anführen, und zwar aus dem Leben, denn andere bringe ich nicht vor.
Jemand hat geträumt, er habe einen Laubfrosch gefangen, und hatte den Bettzipfel in der Hand. Im Wachzustande hätte er als den dem Traum zugrunde liegenden Tatbestand bemerkt, daß er den Bettzipfel in der Hand gehalten hat. Der Traum symbolisiert den Vorgang. Ein anderes Beispiel: Jemand träumt, er befinde sich in einem dumpfen, schwarzen Kellerloch voller Spinnweben. Er wacht mit Kopfschmerzen auf. Ganze dramatische Vorgänge können so geträumt werden. Ein Student steht an der Tür des Hörsaales. Ein anderer, der hereinkommt, rempelt ihn an, und es kommt, so träumt er weiter, zu einem Pistolenduell. Der Schuß knallt und
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der Stuhl neben dem Bette ist umgefallen. Dieses kleine Ereignis hat sich symbolisiert ausgedrückt in der ganzen Traumhandlung. Eine Bäuerin träumt, daß sie nach der Stadt gehe, in die Kirche eintrete, wo der Pfarrer von erhabenen Dingen predigt. Gerade an einer erhabenen Stelle verwandelt sich der Pfarrer: Er sieht aus, als ob er Flügel bekäme, und fängt auf einmal an zu krähen. In dem Augenblick wacht die Bäuerin auf, denn draußen kräht der Hahn. Diese Handlung des Hahnenschreies hat sich symbolisiert umgestaltet im Traume.
Ein solcher Bildner ist der Traum. Dies alles ist chaotisch. In diese Welt kommt jedoch Leben hinein, und alles wird harmonisch und regelmäßig, wenn Sie sich bis zu einem gewissen Punkte die Gewißheit erringen, daß da eine Wirklichkeit vorhanden ist. So tritt das zuerst auf, und später nimmt man das in der Traumwelt Wahrgenommene in das gewöhnliche Leben herüber. Es bildet sich nämlich etwas heraus, was man «die Kontinuität des Bewußtseins» nennen kann.
Der Mensch hat auch den traumlosen Schlaf. Auf seiner nächsten Entwickelungsstufe lernt nun der Rosenkreuzerschüler, im Schlafzustand die Wesen und Vorgänge um sich herum wahrzunehmen: Aus der Finsternis des traumlosen Schlafes tönen die Offenbarungen der Geisteswelt. Das ist die nächste, die devachanische Welt. Die pythagoreischen Schulen nannten diese Welt die Welt der Sphärenmusik: Die geistige Welt tönt. Wenn Sie wirklich etwas über das Devachan hören wollen, kann es nur so geschehen, daß es Ihnen als eine tönende Welt geschildert wird. Goethe, der in diesem Grade in die Rosenkreuzerweisheit eingeweiht war, wußte um diese Tatsache: «Die Sonne tönt nach alter Weise.» Das ist entweder ein Unsinn oder eine höhere Weisheit. Die physische Sonne tönt nicht, der Geist der Sonne ist ein wirkliches, tönendes Wesen. Und Goethe bleibt im Bilde; lesen Sie im zweiten Teil des «Faust»: «Tönend wird für Geistesohren / Schon der neue Tag geboren.» Er schrieb so, weil für ihn eine Wahrheit war, was die Pythagoreer Sphärenmusik genannt haben. Das alles kann ich nur andeuten. Alle Dinge werden sprechen zu uns, eine neue Offenbarung geht hervor.
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Das sind die Stufen, zu denen der Rosenkreuzerschüler durch seine Übungen gelangen kann. Die Welten sind immer ganz andere, und wer nur die physische Welt kennt, kann sich keinen Begriff davon machen, was er in andern Welten erfahren kann. Nur eines bleibt gleich durch alle Welten, und das ist das logische Denken. Die Wahrnehmungen sind ganz verschieden in der astralischen, in der devachanischen Welt, aber die Denkgesetze sind in allen drei Welten die gleichen. Daher muß der Rosenkreuzerschüler erst dieses Denken lernen, damit er nicht abirre von dem sicheren Pfade.
Die zweite Stufe ist die Aneignung der imaginativen Erkenntnis. Da kann ich Ihnen nur einige Dinge sagen, die Ihnen erklären sollen, was man darunter versteht. Wenn Sie sehen, daß eine Träne über eine Wange perlt, so schließen Sie daraus, daß Traurigkeit in der Seele ist. Wenn Sie die Physiognomie des Menschen heiter sehen, schließen Sie daraus, daß die Seele heiter ist. Das tun Sie dem Menschen gegenüber. Wer zur imaginativen Erkenntnis aufsteigen will, muß es der ganzen Welt gegenüber tun. Ihm muß das Leben der Pflanzen, der Tiere und der Steine ein Ausdruck der Physiognomie der Weltseele werden. Manches muß wie die Heiterkeit sein, anderes wie die perlenden Tränen des Erdgeistes. Das muß eine Wirklichkeit für den Menschen werden. So wie wir im Gesicht des Menschen seine Physiognomie lesen, so muß uns die ganze Erde ein Ausdruck für die geistige Seele der Erde werden. Da kann man viel erleben. Damit hängt das Geheimnis des Heiligen Grales, des Ideals des mittelalterlichen Rosenkreuzerschülers, zusammen.
Nehmen wir ein Beispiel. Da stand der Schüler des Rosenkreuzers dem Lehrer gegenüber, der ihm eine Übung auferlegte. Was ich nun als Form eines Dialoges bringe, ist als Zwiegespräch nie gesprochen worden, aber es ist geübt worden, was darinnen enthalten ist, es ist erlebt worden. Es ist ganz wahr und absolut richtig in jeder Einzelheit. Der Schüler kommt zum Lehrer, und dieser sagt ihm: Sieh dir die Pflanze an! Sie streckt die Wurzel in den Boden hinein, sie wächst in die Höhe, öffnet den Kelch nach oben, darin hat sie die Befruchtungs- und Fortpflanzungsorgane. Keusch und edel und
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rein läßt sie sich küssen vom Sonnenstrahle und dem Lichte, der heiligen Liebeslanze, die als Sonnenstrahl den Kelch der Pflanze durchdringt und dasjenige herauslockt, was in den Befruchtungsorganen der Pflanze veranlagt ist. Du würdest dir etwas Falsches vorstellen, wenn du, die Pflanze mit dem Menschen vergleichend, denken würdest, die Blüte sei der Kopf und die Wurzel die Füße. Die Wurzel ist der Kopf und die Blüte das Untere. Der Mensch ist eine umgekehrte Pflanze.
So sieht der Okkultist im Menschen die umgekehrte Pflanze und in der Pflanze den umgekehrten Menschen, und das Tier steht mitten darinnen. Sieh dir die Pflanze an: ihr entspricht der abwärtsgerichtete Balken des Kreuzes, dem Tier der horizontale Balken, dem Menschen der vertikale, aufwärtsgerichtete Balken. - Das ist die ursprüngliche Bedeutung des Kreuzes: Es ist das Sinnbild für Pflanze, Tier, Mensch als drei Reiche der Natur. Deshalb schreibt Plato, daß die Weltenseele am Weltenleibe gekreuzigt sei. Und nun sagte der Lehrer weiter zum Schüler: Sieh dir den Menschen an, den Menschen im Fleische! Was ist dieses menschliche Fleisch, vergleiche dieses mit dem, was in der Pflanze enthalten ist. Keusch und rein ist die Pflanzenmaterie. Das menschliche Fleisch ist durchdrungen von Begierde und Leidenschaft. Höher steht der Mensch auf der Leiter der Entwickelung, damit aber hat er auch zugleich die Begierde und Leidenschaft aufgenommen. Und eine zukünftige Gestaltung des Menschen ging in der Ahnung des okkulten Schülers auf, in welcher das menschliche Fleisch wieder rein und keusch sein wird wie der keusche Blumenkelch, der sich mit seinen Befruchtungsorganen der heiligen Liebeslanze des Sonnenstrahles entgegenstreckt. Dann werden seine produktiven Kräfte dem Geiste so rein entgegenstreben, wie heute die Pflanze der Liebeslanze, dem Lichte entgegenstrebt. Wer das anstrebt, erstrebt eine Umwandlung des Fleisches. Damit stellte man vor das Auge des Schülers das große Ideal hin, daß der Mensch einmal so rein und keusch sein wird wie die Pflanze. Dieses Ideal nennt man den Heiligen Gral. Das ist eines jener Bilder, die zum Herzen und zur ganzen Seele sprechen. Nicht Gedanken sind es, durch die der Schüler aufsteigen konnte,
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sondern Bilder, die auf die ganze Seele wirken und das Herz und das Gefühl mitreißen. Erst dann kann imaginative Erkenntnis erlangt werden.
Die dritte Stufe ist die Aneignung der okkulten Schrift. Es gibt etwas in der Welt, was man im okkulten Leben den Wirbel nennt. Dieser Wirbel ist überall in der Natur und in der geistigen Welt vorhanden. Stellen Sie sich vor, Sie schauten hinauf zum Orionnebel, der eine merkwürdige Spirale bildet. Wären Sie ein Seher, so würden Sie sehen, daß sich ein Wirbel wie eine Sechs herauswindet und dann einen zweiten, der dunkler ist. Diese beiden Wirbel greifen ineinander. Das kommt in der geistigen Welt auch vor.
Wir leben in der Zeit nach der großen atlantischen Flut. Vor dieser Zeit lebten unsere uralten Vorfahren, Menschen ganz anderer Art. Heute stellt man sich vor, die Menschen damals seien so gewesen, wie sie jetzt sind. Die äußeren physischen Verhältnisse waren jedoch ganz anders. So war Atlantis ein Land, das immer dunkel war, gehüllt in dichte Nebelmassen. Es ist wichtig, daß Sie das wissen. Die alte deutsche Mythologie hat die Erinnerung behalten in den Worten Nifelheim, Nebelheim, Nibelungen. Diesen Verhältnissen entsprechend war die menschliche Organisation eine ganz andere. Ebenso haben die Atlantier eine ganz andere Kultur gehabt. Sie würden eine Vorstellung davon bekommen, wenn ich Ihnen im einzelnen schildern könnte, wie die Menschen damals in allen Dingen artikulierte Laute vernommen haben. Sittengebote gab es nicht. Wenn einer wissen wollte, wie er sich zu seinem Nachbarn verhalten sollte, konnte er sich nicht an irgendwelche Instanz wenden: er horchte auf die Wellen und wußte es.
Das war eine Kultur, von der jede Spur geschwunden zu sein scheint. Sie ist untergegangen. Wann ist das geschehen? Am Himmel können wir es sehen. Etwa acht Jahrhunderte vor Christi Geburt ging die Sonne im Bilde des Widders auf. Sie bewegt sich im Laufe von etwa 2160 Jahren durch ein Sternbild hindurch. Um das Jahr 800 vor Christus rückte die Sonne in das Sternbild des Widders oder Lammes ein. Die Menschheit empfand, das neue Sternbild habe ihr die neue Fruchtbarkeit des Frühlings, das neue Gute
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gebracht. Daher sehen wir, daß sie das Lamm oder den Widder wichtig fand. Vieles deutet darauf hin, zum Beispiel die Argonautensage, in der das Goldene Vlies eine solche Rolle spielt. Selbst Christus wird das Lamm Gottes genannt. Das Symbolum, dem die Verehrung dargebracht wurde, war das Lamm. Früher war die Sonne im Sternbild des Stieres, daher die Verehrung des Stieres in der ägyptischen und persischen Kultur. Noch früher ging die Sonne durch das Bild der Zwillinge. Dem entspricht die große Rolle, welche die Zweiheit in der persischen Lehre von Ormuzd und Ahriman spielt. Spuren davon finden sich sogar noch im Alten Germanentum. Vorher ging die Sonne durch das Sternbild des Krebses. Dies war die Zeit, die dem Hereinbrechen der atlantischen Flut folgte. Ein Wirbel hatte sich im Geistigen vollzogen.
Dieses Sternbild mit dem okkulten Schriftzeichen des Krebses können Sie noch heute im Kalender sehen. Viele solche Zeichen kennt der Mensch. In Wahrheit ist das nichts anderes als eine Nachbildung der ursprünglichen Naturkräfte. Wenn Sie Ihr Gemüt schulen, um die okkulten Schriftzeichen zu verstehen, werden Sie durch die okkulte Schrift Ihren Willen stählen. Sie lernen die Wege kennen, welche die der Natur zugrundeliegenden geistigen Wesenheiten beschreiten. Ein schwacher Nachklang davon sind symbolische Schriftzeichen, wie das Pentagramm oder das Hexagramm. Ein okkultes Zeichen, von dem Sie oft lesen, ist die Swastika. Was es da alles an abenteuerlichen Erklärungen gibt, ist unglaublich. In Wahrheit ist sie nichts anderes als das Zeichen für die astralen Sinnesorgane, die Räder oder Lotosblumen, von denen mehrere im Astralleib veranlagt sind: im Herzen, im Kehlkopf, zwischen den Augenbrauen. Wenn sich das letztgenannte Rad zu drehen beginnt, tritt das astrale Sehen ein. Das Zeichen für dieses astrale Wahrnehmungsorgan ist die Swastika.
Die vierte Stufe ist die sogenannte Bereitung des Steines der Weisen. Dies gibt es wirklich. Es wurde sogar Ende des 18. Jahrhunderts von einem Menschen, der etwas «läuten», aber nicht «zusammenschlagen» gehört hat, in einer Zeitschrift eine recht schöne Beschreibung des Steines der Weisen gegeben. Der Verfasser hat nur
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selbst nicht gewußt, wie gut er ihn beschreibt. Damals ist durch einen gewissen Vorgang manches aus der okkulten Schule verraten worden, und jemand beschrieb dann eben den Stein der Weisen. Das ist eigentlich eine Sache, die jeder Mensch kennt, die viele täglich in der Hand haben, ohne eine Ahnung davon zu haben. Damit Sie sehen, was gemeint ist, machen Sie mit mir eine kleine Betrachtung durch. Denken Sie an die Atmung des Menschen. Er atmet Sauerstoff ein, dadurch verwandelt er sein blaues Blut in rotes, er atmet Kohlensäure aus, so daß er jeden Moment giftige Stoffe ausatmet. Die Pflanze nimmt dagegen die Kohlensäure auf, die Mensch und Tier ausatmen, behält den Kohlenstoff zurück und baut ihren Leib damit auf. Sie gibt den Sauerstoff wieder ab, so daß ihn der Mensch wieder einatmen kann. Das ist ein Kreislauf. Große Bedeutung haben die Okkultisten diesem Vorgang beigelegt. Wenn Sie heute eine Pflanze in Form der Steinkohle ausgraben, können Sie sehen, wie sich die Pflanze ihren Leib aus Kohlenstoff aufgebaut hat. Der Mensch nimmt den Sauerstoff auf, verwandelt sein blaues Blut in rotes, die Pflanze nimmt die Kohlensäure auf, gibt den Sauerstoff zurück, der Mensch nimmt ihn wieder auf.
Nun machen wir uns einmal klar, was durch eine bestimmte Regelung des Atmungsprozesses in der Rosenkreuzerschulung geschieht. Wie und auf welche Weise das vor sich geht, kann nur von Mensch zu Mensch gesagt werden, doch über den Erfolg kann gesprochen werden. Steter Tropfen höhlt den Stein , sagt ein Sprichwort. So ist es mit jenem Vorgang, den ich jetzt beschreibe. Der okkulte Schüler bekommt vom Lehrer die Anweisung, wie er seine Atemübungen aus dem Geiste heraus zu machen hat. Es handelt sich also um eine Anweisung, den Atmungsprozeß in einer bestimmten Weise zu regeln, wodurch die Möglichkeit herbeigeführt wird, daß sich das menschliche Bewußtsein nach und nach über etwas ausdehnt, wovon der Mensch sonst nichts weiß, über etwas, was sich sonst in der Pflanze vollzieht. Die Pflanze bildet jetzt mit ihm ein Ganzes. Normalerweise gibt der Mensch den Kohlenstoff ab und nimmt den Sauerstoff auf. Dies hat der Schüler nun in sein Bewußtsein hineinzunehmen. Er erlebt in seinem Atmungsprozeß
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bewußt die Umwandlung von Kohlenstoff in Sauerstoff, von blauem Blut in rotes Blut. Er lernt, in sich dasjenige zu vollziehen, was er sonst der Pflanze überläßt. Nun ist er imstande, seinen eigenen Leib aufzubauen. Das lernt er durch die regelmäßige Atmung. Er hat die Fähigkeit erlangt, den Pflanzenprozeß in sich selber auszuführen. Jetzt haben Sie den realen Prozeß, wodurch der Mensch lernt, sein Fleisch auch physisch zu reinigen. In diesem Vorgang liegt die Alchimie des menschlichen Leibes beschlossen. Er bewirkt die Umwandlung des Menschen zum Träger einer reinen, keuschen Inkarnation, die sich der Pflanze vergleichen läßt. Der Schüler hat das Bewußtsein des Hohen, des Hellen; er weiß, er mußte durch das Fleisch nur durchgehen. Dies ist die Umwandlung von Kohle in Diamant. Sie werden nun begreifen, was die Rhythmisierung des Atems in der Rosenkreuzerschulung bedeutet und in welchem Sinne man von einem Stein der Weisen gesprochen hat. Der regulierte Atmungsprozeß ist der Weg zum Stein der Weisen.
Es sind das nur Andeutungen, aber Sie werden verstehen, daß sich hinter dem Aufsuchen des Steines der Weisen etwas Tiefes verbirgt, etwas, was sich auf die Umwandlung der ganzen Menschheit bezieht, so daß der Mensch ein anderer wird, als er heute ist er und die ganze Erde. So groß und stark und fest, moralisch groß müssen die Kräfte der Seele sein, daß der Mensch auch das Fleisch hineinzieht in den Erlösungsprozeß. Wir haben alles, was um uns herum ist, alle Geschöpfe mitzuerlösen.
Der fünfte Schritt ist die Versenkung in den Zusammenhang zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos. Ein großer Okkultist des Mittelalters, den man erst lesen lernen muß, hat ein schönes Bild gebraucht, um die Beziehung zwischen dem Makrokosmos und dem Mikrokosmos darzulegen. Paracelsus hat gesagt: Ihr seht da die einzelnen Buchstaben. Der Mensch ist das Wort, das aus Buchstaben zusammengesetzt ist. So hat man in der ganzen Natur einen ausgebreiteten Menschen und im Menschen die zusammengesetzte Natur zu sehen. Paracelsus nannte zum Beispiel den Cholerakranken Arsenicus, weil in ihm dieselben Kräfte wirksam sind wie im Arsenik.
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Nun geht das aber weiter. Wenn sich der Mensch ganz stark auf einen ganz bestimmten Teil des Inneren konzentriert, nämlich auf den Punkt zwischen den Augenbrauen was natürlich nur ein Anhaltspunkt ist , hat er ein ganz bestimmtes Erlebnis, das ihn in die inneren Geschehnisse in der großen Welt hineinführt. Diese entsprechen nämlich dem, was zwischen den Augen mikrokosmisch enthalten ist. So muß die Entsprechung zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos Stück für Stück weiter erlebt werden. Durch die Versenkung in sein Inneres muß der Schüler die Außenwelt kennenlernen.
Auf der sechsten und siebenten Stufe wächst der Rosenkreuzerschüler mit der ganzen Welt zusammen. Er erlangt eine wirkliche Erkenntnis von dem, was draußen in der Welt ist. Im gleichen Maße wächst sein Gefühl und seine ganze Seele mit der Außenwelt zusammen. Das ist jener Zustand, der Gottseligkeit genannt wird. Dann wird der Erdenleib sein Leib. Damit ist das erreicht, was man das Aufgehen im All nennt. Es ist ein langer Weg einer bestimmten geistigen Schulung. Wer ihn durchgemacht hat, wird ein Bote der geistigen Welt, der aus Erfahrung spricht.
Diesen Weg kann heute jeder gehen dem Prinzip nach wohl jeder. Bei manchem dauert es lange, bei manchem kürzere Zeit. Einer der besten Theosophen, der verstorbene Subba Row, hat gerade über die Zeit, deretwegen so viel gefragt wird, gesagt: Es ist richtig, daß der eine siebzig Inkarnationen, ein anderer sieben Inkarnationen, wieder ein anderer siebzig Jahre oder auch sieben Jahre gebraucht hat; es hat schon solche gegeben, die es in sieben Monaten, und manche, die es in sieben Tagen erreicht haben, je nach dem Karma aus den verflossenen Erdenleben her. Beginnt man, den Weg zu gehen, so muß man Geduld und Ausdauer haben und sich klar darüber sein, daß man großen Gefahren ausgesetzt ist, wenn man nicht vorher eine gute Charakterschulung durchgemacht hat. Ersehen Sie dies aus einem Gleichnis: Nehmen Sie eine grüne Flüssigkeit, die aus einer blauen und einer gelben gemischt ist. Wenn Sie nun ein chemisches Mittel beisetzen, sind Sie imstande, die blaue von der gelben Flüssigkeit zu trennen. Früher haben Sie von
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den Eigenschaften der beiden nun getrennten Flüssigkeiten nichts gesehen. Jetzt kehren sie die Eigenschaften hervor. So ist es auch beim Menschen. Das Hohe und das Niedere sind untereinander gemischt. Das Niedere ist durch die beigemischten höheren Kräfte behütet davor, sich in ganzer Intensität auszuwirken. Nun trennen Sie die Teile durch Ihre Übungen. Da kann man erleben, daß jemand, der bis dahin einigermaßen leidlich war, boshaft und verschlagen wird und noch ganz andere schlechte Eigenschaften hervorkehrt. Hierüber muß man sich klar sein. Verhütet kann eine solche Gefahr unter allen Umständen werden, wenn bestimmte Vorübungen gemacht werden, durch welche der Schüler auf eine gewisse innere charaktervolle Moral gestellt wird.
Erstens muß er sich die Fähigkeit aneignen, seine Gedanken strenge zu kontrollieren. Er muß sich üben, einen Gedanken lange in den Mittelpunkt des Seelenlebens zu stellen, je intensiver, desto besser. Der Übende muß beim Gegenstand bleiben und alle Gedanken daran reihen. Diese Übung muß täglich wenigstens fünf Minuten lang vorgenommen werden. Je mehr, desto besser, nur darf man sich nicht damit übernehmen.
Erforderlich ist zweitens die Initiative der Handlung. Diese besteht darin, daß der Schüler eine Handlung täglich ganz aus ureigener Initiative vollzieht. Es genügt, wenn es eine ganz kleine, unbedeutende Handlung ist, zum Beispiel Blumen zu begießen. Nach einiger Zeit nimmt man sich wieder eine andere Handlung vor.
Drittens muß man Herr über Lust und Leid werden. Das «himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt» muß aufhören. Dadurch wird man feiner und empfänglicher, aber man muß selbst der Herr sein, und nicht die Empfindungen dürfen es sein.
Viertens ist die Positivität notwendig. Was darunter zu verstehen ist, wird eine persische Legende von Christus Jesus besagen. Christus ging mit einigen seiner Jünger des Weges. Da lag am Wegesrande ein krepierter Hund, der schon in Verwesung übergegangen war. Die Jünger wandten sich ab und sprachen: Wie häßlich ist das Tier! Christus aber blieb stehen und sagte: Seht nur, welche schönen Zähne das Tier hat! Es ist also in dem Häßlichsten noch
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Schönes, in dem Bösesten noch Gutes, im Kleinen noch Großes zu suchen und zu finden. Überall muß die positive Eigenschaft gesucht werden.
Fünftens muß die absolute Unbefangenheit allen neuen Eindrücken gegenüber erworben werden, Unbefangenheit im höchsten Maße. Die Menschen pflegen zu sagen: Das hab ich noch nie gehört, noch nie gesehen, das glaube ich nicht! Im weitesten Umfange muß man sich abgewöhnen, von Unmöglichkeiten zu sprechen. Man muß im Herzen eine Kammer haben, in welcher man beispielsweise die Möglichkeit offen läßt, daß der Kirchturm wirklich schief steht, wenn jemand sagt, der Kirchturm sei schief. Wenigstens für möglich muß man halten, was man hört.
Die sechste Stufe besteht in der Harmonisierung der fünf Eigenschaften.
Dann hat der Schüler in seinem Inneren eine so starke Natur entwickelt, daß er geschützt ist gegen das, was ihm sonst die okkulte Schulung anhaben könnte. Diese okkulte Schulung darf man nicht dadurch abtun, daß man sagt: Ich will nur einen ethischen Nutzen haben. Wenn man in die höheren Welten eindringen will, muß man den angedeuteten Weg gehen. Der Weg der höchsten Erkenntnis ist zugleich der Weg des höchsten Mitleides. Durch die Erkenntnis muß man zum Mitleid gelangen, nicht durch Phrasen. Alle, die voll Mitleid umherstehen, können bei einem Beinbruch nicht helfen, bis auf den einen, der weiß, was er tun soll, und der es richtig macht. Wenn man in der Theosophie bloß predigt, dann ist es so, wie wenn man sich hinstellt vor den Ofen und zu ihm spricht: Deine Pflicht ist, das Zimmer warm zu machen. Ebenso ist es, wenn man Menschen sagt, sie sollen Bruderliebe üben. Wie man in den Ofen Holz legen und es anzünden muß, so muß man den Menschen das geben, wodurch sich die Seelen verbinden in der großen Brüderschaft, und das ist Erkenntnis. Die wahre Erkenntnis ist das Brennmaterial zum großen Bruderbunde der Menschheit. Heute ist die Zeit des Materialismus, der es dahin gebracht hat, daß sich die Menschen getrennt haben.
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IV 26 Das Karmagesetz als Wirkung des Tatenlebens Die Ursachen von Krankheit und Vererbung, Stuttgart, 14. März 1906
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Erkenntnisse und Lebensfrüchte der Geisteswissenschaft
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Das Karmagesetz als Wirkung des Tatenlebens
Die Ursachen von Krankheit und Vererbung
Stuttgart, 14. März 1906
Wir wollen heute vom Karmagesetz des Menschen im einzelnen sprechen. Sie wissen, daß dasselbe durch die einzelnen Menschenleben hindurchwirkt. Eine jede noch so genaue Auseinandersetzung dieses Gesetzes ist natürlich immer lückenhaft, denn der Okkultist soll nicht von ausgedachten Fällen reden, sondern von Erfahrungen, die auf diesem Gebiete gemacht worden sind und von denen er wirklich Bestimmtes weiß, zum Beispiel durch Beobachtung eines Menschen, der so und so war und dessen verschiedene Leben man verfolgt. Wir fragen nun: Wie kommt das Lebensschicksal zustande, wie die Stellung, die der Mensch im Leben einnimmt, wie sein Charakter, seine Neigungen, Gewohnheiten und so weiter? Der eine wird mit einem heftigen, zornigen Charakter geboren, der andere als milder, sanfter Mensch. Dem einen wird ein gutes Schicksal zuteil, der andere steht in fortwährendem Kampf. Not und Sorge begleiten ihn.
Vor allem müssen wir die verschiedenen Leiber der Menschen berücksichtigen und fragen, wie die karmischen Ursachen in den drei Leibern, dem physischen, ätherischen und astralischen im Menschen wirken. Wir betrachten zuerst wieder den physischen Leib und was durch denselben geschieht. Vor allen Dingen ist er der Faktor, durch den unsere Taten in der Welt ausgeführt werden, denn was wir tun, geschieht durch Bewegungen, die unser physischer Leib macht. Von diesem unserem Tun hängt unser äußeres Schicksal in der nächsten Inkarnation ab. Ob wir arm oder reich, an diesem Ort oder jenem, in dieser Umgebung oder jener geboren werden, ist das Resultat der Taten unseres physischen Leibes in früheren Leben. Begehen wir schlechte Taten, so werden wir in eine schlechte Umgebung geboren, gute Taten erwirken uns eine gute Umgebung. Dies ist das erste Gesetz.
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Nun kommt das zweite Gesetz. Wir kommen da am leichtesten zum Verständnis, wenn wir uns einmal in unsere eigene Kindheit hineinversetzen. Wir alle werden finden, daß wir seitdem viele neue Begriffe und Vorstellungen in uns aufgenommen und daß wir vieles gelernt haben. Wir zum Beispiel, die wir zur Geisteswissenschaft gekommen sind, haben allein dadurch schon viele neue Begriffe in uns aufgenommen. Denn, was lernen wir nicht alles durch sie, und welch neue Gedankengänge gibt sie uns! Der Inhalt dessen, was wir lernen und in unser Gedankenleben aufnehmen, geschieht durch den Astralleib. Es entstehen dadurch Veränderungen an demselben, und da dieser vergleichsweise der dünnste und feinste der Leiber ist, die der Mensch hat, so reagiert er auch am schnellsten auf jede Beeinflussung. Aber nicht nur in unseren Begriffen und Vorstellungen haben wir uns seit unserer Kindheit verändert, auch unser Temperament, unsere Neigungen, Gewohnheiten und unser Charakter sind anders geworden. Wir entsinnen uns, daß diese letztgenannten Eigenschaften durch die Einflüsse auf den Ätherleib beim Kinde gebildet wurden.
Dadurch nun, daß der Ätherleib ein viel dichterer Körper als der Astralleib ist, erhalten sich diese Gewohnheiten viel zäher und viel länger; ja, falls nicht bewußt auf sie eingewirkt wird, fast das ganze Leben hindurch. Die Vorstellungen und Begriffe, die wir aufnehmen und die die Veränderungen am Astralleib ausmachen, gestalten mit Riesenschritten denselben um, im Vergleich zu den sich langsam verändernden Charaktereigenschaften, die dadurch auch allmählich den Ätherleib umgestalten. Wir können es mit den beiden Uhrzeigern, dem großen und dem kleinen, vergleichen: Der große läuft schnell, der kleine langsamer. So ist es mit den raschen Veränderungen am Astralleib, mit den langsameren am Ätherleib.
Am physischen Leib, der ja der gröbste ist, gehen natürlich die Veränderungen noch langsamer vor sich, er ist der am langsamsten arbeitende. Wir werden noch an den weiteren Abenden hören, daß der Einzuweihende lernt, mit vergrößerter Geschwindigkeit an seinem Astral- und Ätherleib und zuletzt sogar an seinem physischen Leib zu arbeiten. Ja, er wird schließlich einmal so weit kommen, daß
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er seinen Pulsschlag ändern kann. Jetzt freilich sind wir noch nicht so weit, sondern was wir in diesem Leben lernen, wird erst im nächsten Leben die entsprechenden Veränderungen hervorrufen. Die Änderung, die der Astralleib in diesem Leben erfährt, tritt in der nächsten Inkarnation am Ätherleib auf, indem sie gestaltend auf ihn einwirkt. Gute Taten geben Neigungen zu guten Taten im nächsten Leben. Wir müssen unsere Gewohnheiten jetzt vorbereiten für das folgende Leben, damit wir dort die Wirkung haben. Will jemand etwa im nächsten Leben mit einem guten Gedächtnis geboren werden, so soll er bemüht sein, sich möglichst an alles zu erinnern, und alles, was er erlebt, sich ins Gedächtnis zurückzurufen. Er soll zum Beispiel am Abend daran denken, was er heute getan hat, und dann weiter, was er gestern, vor einem Monat, im letzten Jahr, was er in den vergangenen Jahren getan und erlebt hat. So bildet man das Gedächtnis aus. Menschen, die nur achtlos durch die Welt rasen, werden mit Neigungen geboren werden, die es unmöglich machen, daß irgend etwas, was ihnen begegnet, haften bleibt. Natürlich kann auch jemand gezwungen sein zu rasen, ich meinte das vorher Gesagte nur in bezug auf das oberflächliche Hinwegblicken über alles, was er erlebt.
Wir alle kennen die Temperamente. Der Choleriker mit seinem stark wirkenden Willen und dem Drang, recht viel zu tun, der sich schon beim Kinde zeigt, will herrschen und den Ton unter seinen Kameraden angeben. Er ist mutig, kühn, tatendurstig. Cholerische Naturen waren Napoleon, Cäsar, Hannibal. Das melancholische Kind hingegen sondert sich ab, es ist mißtrauisch, möchte am liebsten seine Sachen unter Schloß und Riegel halten und schaut seinen Kameraden nach, wenn sie gegangen, ob sie nichts mitgenommen haben. Es beschäftigt sich viel mit sich selbst. Es ist dies der Mensch der Betrachtung und nicht der Tat. Das phlegmatische Kind zeigt kein besonderes Interesse. Es sucht in gewisser Weise alles auf, aber nichts macht einen großen Eindruck auf seine Seele. Es träumt viel, ist untätig und sucht den Sinnengenuß. Das sanguinische Temperament zeigt wohl Interesse für alles, aber dieses Interesse hält nicht an, sondern ist bald verflogen. Doch kann man die Menschen nicht
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in die verschiedenen Temperamente rubrizieren. In jedem ist meist nur als ein Grundton ein Temperament vertreten, aber die anderen spielen mit hinein. Diese vier Temperamente drücken sich im Ätherleib als vier verschiedene Arten aus und sind im Astralleib als vier verschiedene Grundfärbungen zu erkennen. Das melancholische Temperament wird bei der nächsten Inkarnation hervortreten, wenn jemand jetzt die Neigung hat, im engsten und stillsten Kreise zu leben und sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Der andere jedoch, der mit vielen Dingen zusammengekommen ist, ihnen auf den Grund ging und viele Erlebnisse, auch schwere durchmachte, wird als Choleriker geboren werden. Wer ein angenehmes Leben, ohne viel Kampf und Mühsal hatte, wird ein Sanguiniker oder Phlegmatiker. Was dem Astralleib in diesem Leben geschieht, geht karmisch im nächsten Leben als Grundwesen auf den Ätherkörper über.
In den Einweihungsschulen wird nun bewußt nach dieser Erkenntnis an den verschiedenen Körpern gearbeitet, und zwar früher noch mehr als heute. Das hängt mit der zyklischen Entwickelung zusammen. Heute hat die Geheimlehre eine ganz andere Art zu lehren als vor fünftausend Jahren. Damals mußte man mehr an Menschengruppen arbeiten. Man arbeitete bewußt daran, daß ganze Kategorien von Menschen im nächsten Leben harmonisch zusammenstimmen konnten. In Indien wurde die gesamte Bevölkerung in vier Kasten geteilt und nun so an ihnen gearbeitet, daß die Menschen im nächsten Leben in eine bestimmte Kaste hineinpaßten. Die Ausbildung des Menschen war systematisch darauf eingerichtet, für Jahrtausende zu sorgen, auf Jahrtausende hinaus das Weltbild zu formen. Gerade das gab den okkulten Führern ihre große Macht. Jetzt ist das alles ganz anders geworden. Die fortschreitende Entwickelung des Menschen löst ihn los aus diesen Gruppen, diesen Kasten, er kann nicht mehr gewissermaßen en gros erzogen werden. Der Mensch wird und soll immer individualisierter werden.
Wie wirkt nun der Mensch im Hinblick auf das nächste Leben auf seinen Ätherleib ein? Alle Neigungen und Gewohnheiten des jetzigen Ätherleibes geben im nächsten Leben die Disposition zu Gesundheit oder Krankheit. Aus dem, was sich jetzt als bestimmte
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Gewohnheiten, sowohl gute wie schlechte, am Ätherleib langsam entwickelt, kristallisiert sich nach und nach der gute oder schlechte Charakter eines Menschen im kommenden Leben. Zum Beispiel, der eine Mensch sucht seinen Fleiß zu kultivieren, oder der andere arbeitet daran, seinen Zorn abzulegen. Wieder ein anderer gewöhnt sich den Trunk an, wodurch sein Wille schwach wird. Der andere wird faul und so weiter. Was nun in den Ätherleib durch ein Lebensdasein hineingelegt wird, erlangt im darauffolgenden im physischen Leib seinen Ausdruck. Eine schlechte Gewohnheit im vorhergehenden Leben ist eine Ursache zur Krankheit im nächsten, eine gute Gewohnheit ist natürlich eine Ursache zur Gesundheit. Eine bestimmte Leidenschaft bringt uns eine bestimmte Krankheit für das nächste Leben. Man könnte sehen, wie die Disposition eines Menschen zu Infektionskrankheiten auf diese Weise erworben wird. Wir wissen gut, daß jemand zu allen Menschen, an alle Orte hingehen kann, wo Epidemien oder ansteckende Krankheiten herrschen, ohne daß er sich gefährdet und diese Krankheiten bekommt. Der andere liest sie gleichsam auf der Straße auf und steckt sich gleich an. Es hängt nur von seiner Disposition ab, ob er angesteckt wird oder nicht. Nun wissen die Eingeweihten ganz genau, daß die Disposition, die zu Infektionskrankheiten führt, auf einem im vorigen Leben ausgeprägten egoistischen Erwerbssinn beruht, der in selbstischer Weise daran denkt, für sich Reichtümer zu sammeln. Wer in einem Leben reich werden will, schädigt sich für seine nächst-kommende Inkarnation. Dieser egoistische Drang nach Erwerb und Reichtum ist eine Eigenschaft des Ätherkörpers, die im nächsten Leben als Disposition für Infektionskrankheiten hervortritt.
Wenn man sich über Gesundheit und Krankheit informieren will, so muß man allerdings bedenken, daß da viele Dinge zusammenwirken. Die Ursachen von Krankheiten brauchen nicht bloß im Einzelkarma zu liegen. Es gibt auch in bezug auf Krankheiten ein Volkskarma. Das kann ein Beispiel lehren, das man beobachtet hat. Dieser Fall betrifft gewisse Gesundheitsverhältnisse der Rassen und ganzer Völker. Wir alle kennen die Völkerwanderung und deren Geschichte. Wir wissen, daß damals von Osten her verschiedene
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Stämme, die Hunnen, Mongolen, sich aufmachten und nach Europa kamen. Sie ergossen sich von Asien her über das Land und stießen mit den Germanen zusammen. Diese Hunnen, wie überhaupt die mongolische Rasse, waren Nachzügler der Atlantier darauf deutet schon der Name Attila oder Atli , Zurückgebliebene dieser großen Rasse. Während die Germanen, Perser und Inder die vorgeschritteneren Rassen repräsentierten, waren die Mongolen, die auf einer bestimmten Stufe stehengebliebenen Atlantier, im Verfall. Während der große Menschheitsstrom sich nach vorwärts entwickelt, bleiben solche einzelnen niederen Völkerrassen zurück und gliedern sich ab. Die Astralleiber dieser zurückgebliebenen Rassen tragen nun astralische Verwesungsstoffe in sich. Natürlich kamen solche in großen Mengen mit zu uns herüber. Die Europäer gerieten in Furcht und Schrecken durch diese anstürmenden Massen, und durch diese Furcht und den Schrecken, den sie empfanden, gediehen die astralischen Verwesungsstoffe noch besser, denn Furcht und Schrecken sind Eigenschaften des Astralleibes, die günstig auf das Gedeihen dieser schädlichen Einflüsse wirken. Die europäischen Astralleiber wurden infiziert, und diese Infektion zeigte sich in den späteren Generationen als Aussatz, jene schreckliche Krankheit, die solche Verheerungen im Mittelalter anrichtete. Dies war die physische Folge des Einflusses der mongolischen Astralleiber auf die europäischen, und der Leitungsstrom gewissermaßen, auf dem dieser Einfluß sich in die europäischen Leiber ergoß, war die Furcht und der Schrecken, der die Germanen erfüllte vor den verheerenden Scharen, die ihr Land überfluteten. Man sieht, wie hier Krankheiten im Volkskarma entstehen, und wie diese sich von Generation auf Generation vererben. Die Vorfahren erlebten geistig die Krankheit, und sie ging bei den späteren Generationen ins Physische über. So und nicht anders ist auch der Bibelspruch gemeint: «Die Sünden der Väter suche ich heim an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied.» Wir können dies ganz wörtlich nehmen. Es ist damit diese Art von Volkskarma gemeint.
Überhaupt werden die religiösen Urkunden viel zu wenig wörtlich genommen. Zuerst ist der Mensch ein Naiver, wie zum Beispiel
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heute noch vielfach die Leute auf dem Lande. Dort nehmen die Menschen die Bibelsprüche buchstäblich. Dann wird der Mensch gescheit und damit negierend. Er wirft alles Altüberlieferte über Bord, das ist die zweite Stufe. Als dritte Stufe kommen die modernen Freidenker, die alles nur noch als Symbol ansehen wollen. Hier kann Bruno Wille als Beispiel gelten. Nun hängt aber viel davon ab, wie gescheit ein solcher Auslegender ist, denn der eine findet ein noch besseres Symbol als der andere und glaubt nun, seines als das allein richtige der Welt verkünden zu müssen. Da wird aber viel unterlegt und nicht nur ausgelegt. Es gibt aber noch eine vierte Stufe: Die Geheimwissenschaft. Sie lehrt uns, die religiösen Urkunden wieder wörtlich zu verstehen und aufzufassen. Zuletzt wird man Geheimschüler, nachdem man erst naiver Mensch und dann Freidenker und Symboliker war.
Bei unserer Betrachtung des Krankheitskarmas, sowohl des einzelnen als auch ganzer Stämme, haben wir gesehen, daß dasjenige, was vorher geistig vorbereitet gewesen ist, später im physischen Leben sich wieder geltend macht. Sorgen wir deshalb für gute Erziehung und gute Gewohnheiten der Menschheit, dann werden wir dadurch auch die Gesundheit fördern! Nicht nur das sittliche Element wird durch gute Neigungen gefördert, sondern faktisch auch die Gesundheit, da eine schlechte Gewohnheit eine Krankheit fürs nächste Leben schafft. Die Nervosität, diese eigentlich heute am weitesten verbreitete Krankheitsform, ist die Folge einer bestimmten Geistesverfassung in einer früheren Zeit. Niemals würde sie aufgetreten sein, wenn nicht die materialistische Weltanschauung mit ihren Denkgewohnheiten herrschend geworden wäre. Würde diese Geistesrichtung fortdauern, so würde sie verheerend auf die Volksgesundheit wirken und die Menschheit dem Irrsinn nahebringen. Kinder würden schon zitternd vor Nervenschwäche geboren werden, ja eine Irrsinnsepidemie würde durch zunehmenden Materialismus zu befürchten sein, und die Menschen würden aus jeder Empfindung heraus ein peinigendes Schmerzgefühl haben. Das ist der furchtbare Einfluß des Materialismus, wie er sich physisch ausleben wird, nachdem er die Geister infiziert hat.
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Dies Weltenbild der Zukunft war nun die wahre Ursache, warum sich die okkulten Führer der Menschheit in die Notwendigkeit versetzt sahen, etwas aus dem Schatz der spirituellen Wahrheiten in die Welt einfließen zu lassen. Denn nur durch eine spirituelle Weltanschauung, die, losgelöst von den Fesseln des Materialismus, aufschaut zu den höchsten Lebensströmen der Menschheit und sie in sich einfließen läßt, nur durch sie kann den kommenden Generationen auch eine gute Gesundheitsanlage wiedergegeben werden. Die Gründe, weshalb unsere geisteswissenschaftliche Weltanschauung heute verbreitet wird, gehen viel tiefer, als mancher denkt, und in ihr und durch sie kann jeder mit seinem Teil an dieser Gesundung der Menschen mitarbeiten. Früher hatte das Wort «nervös» eine ganz andere Bedeutung als heute. Es hieß: muskelstark, Nerven wie Stricke haben. Man sieht schon aus dieser Umwandlung des Wortsinns, wie etwas ganz Neues in die Welt gekommen ist.
Wir wollen uns noch der Frage zuwenden: Wie steht es mit der Einzelvererbung beim Kinde, geistig sowie physisch, und wie mit dem Karma? Wir wissen, daß sowohl Eigenschaften, wie Ähnlichkeiten vom Vater, der Mutter, dem Onkel, der Tante, den Großeltern vererbt werden. Ein Kind sieht seinem Vater, das andere der Mutter ähnlich. Die musikalische Veranlagung zum Beispiel kann sich durch Generationen hindurch vererben. In der Familie Bach gab es etwa achtundzwanzig Musiker im Laufe von zweihundertfünfzig Jahren, wenn auch nur einen ganz berühmten darunter, und in der Mathematikerfamilie Bernoulli acht bedeutende Mathematiker. Es gibt viele Beispiele, wo die Vererbung eine große Rolle spielt. Man muß aber im wahren Sinn die Bedeutung von Karma und Reinkarnation verstehen, dann erst begreift man richtig die Vererbung, denn die Vererbungstheorie der materialistischen Wissenschaft ist nur zum Teil wahr und manches dabei verzerrt gesehen. Zum bedeutenden Musiker zum Beispiel gehört nicht nur die musikalische Anlage in der Seele. Diese allein könnte sich nicht auswirken, wenn sich diese Seele nicht verkörpern könnte in einem Leib, der mit einem musikalisch konstruierten Ohre versehen ist. Was nun in einer solchen Musikerfamilie physisch ist, diese guten
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und fein konstruierten Gehörorgane, die vererben sich von Eltern auf Kinder, und ein Menschenkeim, der aus dem Devachan kommt und einer neuen Verkörperung entgegeneilt, wird sich hingezogen fühlen zu einer solchen Familie, in der seine musikalische Seele sich in gutgebildeten musikalischen Organen ausleben kann. Wie der Pol die Magnetnadel anzieht, so wird ein solches Kind hineingeboren in eine Familie, wo seine persönlichen Anlagen die besten physischen Vorbedingungen vorfinden. Es stimmt eben alles ganz ausgezeichnet. Ein astralischer Menschenkeim wird zu einer Familie hingetrieben, die physisch zu ihm paßt. Das banale Sprichwort: Man muß vorsichtig in der Wahl seiner Eltern sein , ist deshalb nicht ganz so unsinnig, wie es klingen mag. Nicht das Kind sieht den Eltern ähnlich, sondern es wird von denjenigen Eltern geboren, die ihm am ähnlichsten sind, die es schon vorher liebt. Die tiefste Sympathie besteht schon vor der Geburt, das Kind fühlt sich schon zu der Mutter hingezogen. Die Mutterliebe ist die sekundäre Liebe, sie ist die Erwiderung der schon vorher vorhandenen Kindesliebe.
Unsere Begriffe weiten sich durch diese Einsichten bedeutend, und ich hoffe, daß ich Ihnen im Laufe der weiteren Vorträge noch manches klarer machen kann. Je mehr man vorschreitet, desto mehr dringt man ein in all diese Fragen. Zuerst ist vieles anfänglich noch unklar, dann löst sich ein Schleier nach dem andern, und fortschreitend werden wir nach einiger Zeit immer tiefere Einblicke gewinnen. Und aus dieser Erfahrung heraus lernen wir uns sagen, daß wir ruhig warten wollen, bis die Zeit kommt, wo wir auch das weitere, das uns jetzt noch verschleiert ist, begreifen können. Es ist meist ein Vorgeschrittener, der geduldig wartet, bis er auch das Höhere in sich aufnehmen kann.
IV 27 Das Gralsgeheimnis im Werk Richard Wagners, Landin (Mark), 29. Juli 1906
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Das Gralsgeheimnis im Werk Richard Wagners
Landin (Mark), 29. Juli 1906
In Anknüpfung an Richard Wagners Kunstwerk «Parsifal» will ich einiges über okkulte und geisteswissenschaftliche Wahrheiten bringen. Es besteht ein merkwürdiger, tiefer Zusammenhang zwischen der bedeutungsvollen künstlerischen Erscheinung Richard Wagners und der heutigen geistigen Bewegung, welche man Theosophie nennt. Daß Richard Wagner und sein Kunstwerk überhaupt eine ungeheure Summe von okkulter Kraft verkörpern, das ist etwas, was nachgerade zum Bewußtsein der Menschheit kommt. Aber es wird in der Zukunft noch etwas anderes klar werden, nämlich, daß wir in Richard Wagner eine Erscheinung haben, in der noch viel mehr lebte, als er selbst wissen konnte. Das ist das Geheimnis vieler bedeutender und besonders künstlerischer Erscheinungen, daß in ihnen eine Kraft lebt, von der sie selbst nichts wissen.
Wenn wir uns auf der einen Seite klarmachen, daß in Richard Wagner viel mehr lebte, als ihm selbst zum Bewußtsein kam, dürfen wir auf der andern Seite nicht vergessen, daß er doch bis zur letzten Stufe der Weisheit nicht hat vorrücken können, und daß sich daher für den Okkultisten Richard Wagners Kunst ganz besonders ausnimmt. Man muß sich bei Richard Wagners Kunstwerken sagen: In alldem lebt viel mehr etwas Geheimnisvolles, was noch dahintersteht.
Es ist höchst reizvoll, im Hintergrunde die tieferen Strömungen zu sehen. Daß man in Richard Wagner viel mehr, als gewöhnlich geschieht, finden könne, hat Richard Strauß einmal gesagt. Er führte dazu etwa folgendes aus: Diejenigen, die immer behaupten, man dürfe nichts hinzudenken zu dem, was Richard Wagner geschaffen hat, kommen mir vor wie Menschen, die bei einer Blume auch nichts hinzudenken wollen. Solche Menschen kommen aber nie hinter das Geheimnis der Blume. Ähnlich ergeht es denen, die bei einem großen Künstler sich nichts hinzudenken können.
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Richard Wagner hat sich besonders an Stoffe von hoher Bedeutung herangemacht. Immer findet man bei ihm Namen, welche an uralte heilige Traditionen anknüpfen. Was er im «Parsifal» erreicht hat, hängt innig zusammen mit der Kraft, die so merkwürdig im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gewirkt hat.
Wir müssen in tiefe Geheimnisse der Menschheitsentwickelung einen Blick tun, um seine Gestalten und Motive zu verstehen. Zu diesem Zweck wollen wir in der Geschichte um einige Jahrtausende zurückgehen. Richard Wagner hat zeit seines Lebens die allertiefsten Studien über den Menschenzusammenhang und das Geheimnis der Menschenseele getrieben. Er suchte in seiner Jugend das Geheimnis der Reinkarnation zu erforschen. Daß er sich damit beschäftigt hat, zeigt sich in einem Entwurf zu einem Drama, den er 1856 ausgearbeitet hat. Dieses Drama heißt «Die Sieger». Wagner gab die Ausführung dieses Dramas später auf, weil das Problem der «Sieger» für ihn musikalisch nicht lösbar war. Dramatisch allein wäre es für ihn vollkommen lösbar gewesen. Das Drama hatte folgenden Inhalt: Ein Jüngling im fernen Indien, Ananda mit Namen, aus der Brahmanenkaste, wird von einem Tschandalamädchen, aus der untersten Kaste, mit Namen Prakriti, geliebt. Ananda wird ein Schüler des Buddha. Er erwidert die Liebe der Prakriti nicht. Sie ist dadurch in die äußerste Betrübnis versetzt. Ananda zieht sich von der Welt zurück und widmet sich dem religiösen Leben. Dem Tschandalamädchen wird dann durch einen Brahmanen Aufklärung zuteil, warum sie dieses Schicksal hat. Sie hat in einem früheren Leben als Brahmanin die Liebe desselben Jünglings, der damals in der Tschandalakaste war, verschmäht. Unter dem Eindruck dieser Lehre wendet auch sie sich dem Buddha zu, und nun werden sie beide Schüler dieses einen Lehrers.
Diesen Stoff hat Wagner 1856 skizziert und ausarbeiten wollen. Was ihm damals nicht gelungen ist, das stand in anderer Weise schon ein Jahr danach vor seiner Seele. 1857 faßte er die große Idee zum .Parsifal.. Es ist merkwürdig, wie in einem Augenblick das ganze Mysterium des .Parsifal. in Richard Wagners Seele hineingezogen ist. Es war am Karfreitag 1857 in der Villa Wesendonk am
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Zürichsee. Da sah er hinaus in die aufkeimende, aufsprießende und blühende Natur. Und in diesem Augenblick wurde ihm der Zusammenhang zwischen der aufsprießenden Natur und dem Tode Christi am Kreuze klar. Dieser Zusammenhang ist das Geheimnis des Heiligen Gral. Von diesem Moment an ging durch Richard Wagners Seele der Gedanke, er müsse das Geheimnis des Heiligen Gral in musikalischer Form in die Welt hinaussenden.
Wenn wir dies eigentümliche Erlebnis in Richard Wagners Seele verstehen wollen, dann müssen wir in der Geschichte um einige tausend Jahre zurückgehen. Seine schönen Gedanken über die menschliche Evolution hat Richard Wagner in seiner Schrift «Heldentum und Christentum» niedergelegt. Wir wollen dazu zunächst die Form der Lehre, die innerhalb Europas zu allen Zeiten bis zum 16. oder 17. Jahrhundert in Mysteriengesellschaften erteilt wurde, in Betracht ziehen. Mysterien hat es zu allen Zeiten gegeben. In den Mysterien bekam man ein Wissen, welches zu gleicher Zeit Religion war, und eine Religion, welche zu gleicher Zeit Weisheit war. Den richtigen Begriff von einem Mysterium kann derjenige überhaupt nicht bekommen, der nicht den Begriff von einer geistigen Welt hat.
Um uns her haben wir in Stufen ausgebreitet die verschiedenen Naturreiche, Mineralien, Pflanzen, Tiere und Menschen. Wir betrachten das Menschenreich als das höchste unter diesen vier Reichen. Wie es Reiche um den Menschen herum gibt, die unter ihm stehen, so gibt es auch über den Menschen hinaus höhere Wesen in vielen Stufen. Man hat von jeher die in verschiedenen Stufen über den Menschen hinausragenden Wesenheiten als Götter bezeichnet. Durch die Art der Weisheit, wie sie in den Mysterien den Menschen mitgeteilt wurde, wurde der Mensch in einen bewußten Umgang mit den Göttern gebracht. Einen solchen Menschen bezeichnete man immer, wo es Mysterien gab, als einen Eingeweihten. Er erhielt nicht bloß eine Wortweisheit, sondern erfuhr Tatsachen, die er innerhalb der Mysterien erlebte. Auch heute noch gibt es Mysterien, doch sind sie anderer Natur als jene in den alten Zeiten und im Mittelalter.
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In der Zeit, als die Kreuzzüge beginnen, und etwas vorher, finden wir in einer Gegend im Norden von Spanien ein wichtiges Mysterium. Die damals vorhandenen Mysterien nannte man die späteren gotischen Mysterien. Die in diese damals eingeweiht wurden, nannte man die Tempelîsen oder Tempeleisen oder die Ritter vom Heiligen Gral. Zu diesen gehörte auch Lohengrin. Die Gralsritter stellen in ihrer Gemeinschaft etwas vor, was verschieden ist von einer andern Ritterschaft. Diese andere Rittergemeinschaft hatte ihren Sitz in England, in Wales. Alles, was im Mittelalter von König Artus und seiner Tafelrunde erzählt wird, knüpft an diese andere Einweihungsgemeinschaft an.
In Urzeiten, lange vor der Entstehung des Christentums, bewegte sich ein Menschenstrom auf der Erde von Westen nach Osten. Sehr lange Zeit ist das her. Einstmals befand sich in der Gegend des Atlantischen Ozeans die Atlantis, wo unsere weit zurückliegenden Vorfahren, die Atlantier, gewohnt haben. Alles, was Europa und Asien, bis nach Indien hin, bevölkert hat, waren Nachkommen der Atlantier. Diese Atlantier lebten unter ganz andern Bedingungen als denjenigen, unter denen die Menschen später lebten. Sie lebten ganz hierarchisch unter der Leitung solcher Einweihungsschulen. Alles Regieren und Herrschen ging damals von Eingeweihten aus. Eine berühmte Einweihungsschule war im Norden des heutigen Rußland. Die Eingeweihten dort nannte man Trotten. Andere Einweihungsschulen gab es im Westen Europas, wo die Eingeweihten die Druiden hießen. Um Ordnung in die Menschenmassen zu bringen, gingen von diesen Eingeweihten alle sozialen Einrichtungen aus.
Wir sehen nun in diese allerältesten Schulen hinein. Was für ein Geheimnis wurde da gelehrt? Nur die Formen solcher Lehren ändern sich zu verschiedenen Zeiten. Höchst merkwürdig ist es, daß da das Geheimnis, welches Richard Wagner empfunden hat, zur höchsten Entfaltung gebracht worden ist, nämlich: wie die im Frühling sprießende Natur mit dem Geheimnis des Kreuzes zusammenhängt.
Es handelt sich darum, daß der Mensch sich zunächst klarmacht,
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daß alle Kraft der Hervorbringung, die außerhalb des Tier- und Menschenreiches liegt, auch im Pflanzenreich zu sehen ist. Im Frühling sprießt die göttliche Schöpferkraft aus der Mutter Erde hervor. Erkennen muß man, daß ein Zusammenhang besteht zwischen der Kraft, die hervorkommt, wenn die Erde sich mit einem grünen Teppich bedeckt, und der göttlichen Schöpferkraft. Den Schülern wurde gesagt: Da draußen seht ihr in den sich öffnenden Blütenkelchen eine Kraft, die sich in den Samenkörnern konzentriert. Unzählige Samenkörner werden aus der Blüte hervorkommen, die, in die Erde gelegt, Neues hervorbringen können. Jetzt fühlt man ganz und gar, daß das, was draußen in der Natur vor sich geht, nichts anderes ist, als was auch im Menschen- und Tierreich vor sich geht, was aber bei der Pflanze ohne Begierde, ganz keusch vor sich geht.
Die unendliche Unschuld und Keuschheit, die in den Blütenkelchen der Pflanzen schlummert, sie mußte durch die Seele der Schüler ziehen. Weiter wurde ihnen gesagt: Die Blüten öffnet der Sonnenstrahl. Er holt die Kraft aus den Blüten heraus. Zwei kommen sich da entgegen, die sich öffnende Blume und der Sonnenstrahl. Zwischen dem Pflanzenreich und dem göttlichen Reiche stehen andere Reiche, das Tier- und Menschenreich. Alle diese Reiche sind nur ein Übergang vom Pflanzenreich zum göttlichen Reiche. Im göttlichen Reiche sieht man wieder ein Reich der Unschuld und Keuschheit wie im Pflanzenreich. Im Tier- und Menschenreich sehen wir ein Reich der Begierde.
Aber dann wurde in die Zukunft verwiesen: Schwinden werden einstmals alle Lüste und Begierden. Es wird dann von oben herunter der Kelch sich öffnen, so wie der Kelch der Blume sich öffnet, und herab zum Menschen schauen. Wie der Sonnenstrahl sich in die Pflanze senkt, so wird des Menschen eigene geläuterte Kraft sich mit diesem göttlichen Kelch vereinigen.
Man kann den Blütenkelch der Blume geistig umkehren, so daß er von oben, vom Himmel, sich nach unten neigt, und man kann den Sonnenstrahl umkehren, so daß er vom Menschen sich zum Himmel erhebt. Diesen umgekehrten Blütenkelch, wie es als Tatsache
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in den Mysterien dargestellt wurde, nannte man den Heiligen Gral. Der wirkliche Blütenkelch der Pflanze ist der umgekehrte Heilige Gral. Das, was der Sonnenstrahl darstellt, lernt jeder kennen, der Okkultismus kennt, und zwar in dem sogenannten Zauberstab. Der Zauberstab ist das abergläubisch ausgeprägte Symbol für eine geistige Wirklichkeit. Diesen Zauberstab nannte man in den Mysterien die blutige Lanze. In dieser Darstellung sieht man den Ursprung des Gral auf der einen Seite und der blutigen Lanze auf der anderen Seite, den ursprünglichen Zauberstab des wirklichen Okkultisten.
Dies sind kleine Andeutungen von ungeheurer Tiefe, bedeutungsvolle Wahrheiten, die sich auf dem Gürtel im Norden und Westen Europas abgespielt haben. Richard Wagner hat vieles von diesen Wahrheiten geahnt, ebenso sein Freund, der tiefsinnige Graf Gobineau.
Wenn man das ausdrücken soll, was den bis jetzt erwähnten Mysterien zugrunde liegt, so war es die Kenntnis dessen, was in Tier- und Menschenadern fließt. Ganz mit Recht heißt es in Goethes «Faust»: «Blut ist ein ganz besondrer Saft». Blut ist dasjenige, an dem vieles hängt. Wir werden verstehen, was Blut bedeutet, wenn wir uns darüber klar werden und begreifen, was für eine große Umwälzung sich in den Mysterien vollzogen hat. In alten Zeiten der europäischen Bevölkerung hat man gewußt, daß etwas ganz Besonderes davon abhängt, wie die Menschen in Blutsverwandtschaft zueinander stehen. Daher wäre in den damaligen Zeiten niemals die Fortentwickelung dem Zufall überlassen worden. Es wurden alle diese Dinge aus der okkulten Weisheit geregelt. Man wußte: Wenn in kleinen Stammesgemeinschaften die Fortentwickelung so abgeschlossen war, daß kein außerhalb derselben Stehender hineinkam, so waren bei den daraus hervorgehenden Menschen gewisse höhere Kräfte vorhanden. Man kannte in den Mysterien die Folge des Zusammenwirkens von verschieden geartetem Blut. Man wußte auch genau, welcher Stamm für eine Gegend paßte. Man wußte, daß in dem gemeinsamen Blute der Träger bestimmter Menschenkräfte gegeben ist.
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Als die uralte Blutsverwandtschaft durchbrochen wurde, ging in den Mysterien etwas Besonderes vor sich. Was ehemals durch die Blutsverwandtschaft erreicht worden war, wurde nun ersetzt durch zwei bestimmte geistige Präparate in den hohen Mysterien. In den niederen Mysterien waren die äußeren Symbole dafür vorhanden. Diese äußeren Symbole waren Brot und Wein. Was als jene zwei Präparate vorlag, es waren Stoffe, die geistig etwas Ähnliches bewirkten wie physisch das Blut in den Adern. Als das alte Hellsehen verlorenging, wurde dies also ersetzt durch den Genuß dieser Präparate. Wenn man die ganze theosophische Weisheit gelernt hatte, bekam man damals diese Symbole aus der Schale der Ceridwen. Das war es, was als geläutertes Blut aus dem von oben herab sich öffnenden Kelch den Menschen gegeben werden konnte. Es ist dies, was als das eigentliche Mysterium besteht, dann auf eine sehr kleine Körperschaft übergegangen.
In andern Gegenden Europas sind die Mysterien verfallen und auf eine abscheuliche, abstoßende Weise profaniert worden. Da findet man als Symbol des Opfers eine Schale, in die ein blutendes Haupt gelegt wurde. Man hatte die Meinung, daß in dem Menschen durch den Anblick dieses Hauptes etwas erweckt werden könne. Was da vorgenommen wurde, war schwarze Magie. Es war der Gegensatz zu dem Geheimnis des Heiligen Gral.
Man wußte damals, daß das, was im Blütenkelch nach oben strömt, im menschlichen Blute lebt. Das mußte wieder rein und keusch werden wie der Blütensaft. In den entarteten Mysterien hat man das in eine grobe materialistische Form gebracht. Im Norden brauchten sie als Symbol in den Mysterien das sublimierte Blut und in den eleusinischen Mysterien den Wein des Dionysos und das Brot der Demeter. Das abscheulich gemachte Gralsgefäß mit dem blutenden Haupte finden wir wieder bei der Herodias mit dem Haupt des Johannes. Sie lacht über das profanierte Mysterium.
Das eigentliche Geheimnis der hohen Mysterien ist übergegangen auf die Tempeleisen im Norden Spaniens, die Gralshüter. Während die Ritter des Artus sich mehr mit den weltlichen Angelegenheiten befaßten, konnten die Tempeleisen vorbereitet werden,
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ein noch höheres Geheimnis aufzunehmen, nämlich zu verstehen das große Geheimnis von Golgatha, das weltgeschichtliche Mysterium.
Das Christentum ist hervorgegangen aus dem allerstärksten Völkergemisch, den Galiläern, aus denen, die ganz fremd draußen stehen, außerhalb aller Blutsgemeinschaft. Der Heiland ist derjenige, der mit seinem Reiche ganz und gar nicht mehr fußt auf der alten Blutsgemeinschaft, der jenes Reich begründet, das jenseits aller Blutsgemeinschaft liegt. Das sublimierte Blut, das Blut, das geläutert ist, sprießt aus dem Opfertode, dem Reinigungsprozeß, hervor. Das Blut, das Wünsche und Begierden erzeugt, das muß rinnen, geopfert werden, hinfließen.
Das heilige Gefäß mit dem geläuterten Blut wurde nach Europa zu den Tempeleisen auf dem Berge Montsalvatsch gebracht. Titurel, der Ahnherr, hat den Gral empfangen, vorher war er ersehnt worden. Jetzt war die Überwindung des Blutes vor sich gegangen. Es war das rein Physische des Blutes durch das Geistige überwunden worden.
Nur wenn man das Blut nicht bloß, wie der Materialist, als aus chemischen Bestandteilen zusammengesetzt ansieht, kann man verstehen, was sich auf Golgatha vollzogen hat. Es ist im höchsten Grade bemerkenswert, daß Richard Wagner nur dadurch die fromme Stimmung zum «Parsifal» finden konnte, daß er wußte: Es handelte sich nicht allein um den Tod des Erlösers, sondern um das Blut, das gereinigt war, das etwas anderes war als das gewöhnliche Blut. Er spricht selbst von dem Zusammenhang des Erlöserblutes mit der ganzen Menschheit: «Fanden wir nun dem Blute der sogenannten weißen Rasse die Fähigkeit des bewußten Leidens in besonderem Grade zu eigen, so müssen wir jetzt im Blute des Heilands den Inbegriff des bewußt wollenden Leidens selbst erkennen, das als göttliches Mitleiden durch die ganze menschliche Gattung, als Urquell derselben, sich ergießt».
Ferner sagt Richard Wagner: «Das Blut in den Adern des Erlösers dürfte so der äußersten Anstrengung des Erlösung wollenden Willens zur Rettung des in seinen edelsten Rassen erliegenden menschlichen Geschlechtes, als göttliches Sublimat der Gattung selbst entflossen sein.»
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Weil der Erlöser aus der größten Völkermischung hervorgegangen ist, war sein Blut das Sublimat alles Menschenblutes, das Menschenblut in der gereinigten Gestalt.
Richard Wagner ist an das Urgeheimnis herangegangen wie kaum ein anderer. Gerade die Kraft, mit der er dies tat, macht ihn zum großen Künstler. Man darf ihn nicht bloß als einen gewöhnlichen Musiker nehmen, sondern man muß ihn als einen tiefen Erkenner sehen, der für die moderne Menschheit die tiefen Geheimnisse des Heiligen Gral wieder verkörpern wollte. Bevor Richard Wagner den «Parsifal» gedichtet hat, wußte man in Deutschland nicht viel von den Mysterien und den Gestalten, die Richard Wagner dann gebracht hat.
Man unterschied bei der Einführung in die Mysterien drei Stufen, durch die der Mensch hindurchgehen mußte. Die erste Stufe war die Dumpfheit, die zweite Stufe war der «Zwîfel«, die dritte Stufe war die «Saelde». Die erste Stufe war die, auf welcher der Mensch von allem Vorurteil der Welt hinweggeführt wurde, hingewiesen wurde auf die Kraft seiner eigenen Seele, seine eigene Liebeskraft, damit er das innere Licht leuchten sehen konnte. Die zweite Stufe war der Zwîfel, Zweifel. Dieser Zweifel an allem kommt auf der zweiten Stufe der Einweihung, und er wird auf einer höheren Stufe hinaufgehoben in die innere Seligkeit = Saelde. Dies war die dritte Stufe, das bewußte Zusammenführen mit den Göttern.
Perceval dringe durch das Tal! , so wurden im Mittelalter solche Einzuweihende genannt. Das alles mußte Parsifal erfahren als Erlebnis. Durch eine merkwürdige Genialität hat Richard Wagner das an jenem Karfreitage 1857 gefühlt, was als der leitende rote Faden durch die ganze Entwickelung des Parsifal hindurchgehen mußte.
Die Tempeleisen waren die, welche das innere, das wahre Christentum vertraten gegenüber dem Kirchenchristentum. Man kann überall im «Parzival» des Wolfram von Eschenbach sehen, wie er den Geist des inneren Christentums hinstellen wollte neben das Kirchenchristentum.
Es bestanden im Mittelalter noch Überreste der alten profanierten Mysterien. Alles, was dazugehört, das wird zusammengefaßt unter dem Namen Klingsor. Er ist der schwarze Magier gegenüber der weißen Magie
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des Heiligen Gral. Richard Wagner hat ihn auch den Tempeleisen gegenübergestellt.
Kundry ist die wiedererstandene Herodias. Sie symbolisiert diejenige Kraft, die die Hervorbringungskraft der Natur ist, die beides, keusch und unkeusch sein kann, aber ungeleitet. Dem Keuschen und dem Unkeuschen liegt ein Einheitliches zugrunde, und es kommt hierbei darauf an, «wie man in den Wald hineinruft». Die Produktionskraft, die sich in den Pflanzen in den Blütenkelchen zeigt, durch die andern Reiche hinauf, ist dieselbe wie in dem Heiligen Gral. Sie muß nur die Läuterung empfangen in der reinsten, edelsten Form des Christentums, wie es sich im «Parsifal» zeigt.
Kundry mußte eine schwarze Zauberin bleiben, bis Parsifal sie erlöste. Die ganze Gegenüberstellung des Parsifal mit der Kundry atmet den Duft tiefster Weisheit. Richard Wagner hat mehr als ein anderer dafür gesorgt, daß man das aufnehmen konnte, ohne davon zu wissen. Richard Wagner war ein Missionar, der der Welt das Bedeutungsvolle übermitteln sollte, ohne daß die Menschheit diese Wahrheit wußte.
Wolfram von Eschenbach hat ein schmuckloses Epos geschrieben, den «Parzival». Das genügte für seine Zeit. Es gab damals Menschen, die eine gewisse Gabe der Hellsichtigkeit hatten, die Wolfram von Eschenbach verstanden. Aber die tiefe Bedeutung jenes Vorganges den Menschen im Drama deutlich zu machen, war im 19. Jahrhundert nicht möglich. Doch gibt es ein Mittel, zum Verständnis zu wirken, auch ohne Worte, ohne Begriffe, ohne Idee. Das Mittel ist die Musik. Die Wagnersche Musik enthält alles das, was an Wahrheiten im Parsifal liegt. Die Zuhörer empfangen durch die eigentümliche Wagnerische Musik in ihrem Ätherleib ganz besondere Schwingungen. Darin liegt das Geheimnis der Wagnerschen Musik. Man braucht die Dinge gar nicht wirklich zu verstehen, aber man bekommt ihre wohltätigen Wirkungen durch den Ätherleib. Der Ätherleib hängt mit allen Wallungen des Blutes zusammen. Richard Wagner hat das Geheimnis des gereinigten Blutes verstanden. In seinen Melodien liegen die Schwingungen, die im Ätherleibe des Menschen sein müssen, wenn er sich so läutert, wie es nötig ist, um das Geheimnis des Heiligen Gral zu empfangen.
Die eigentümliche Art, wie Richard Wagner in seinen Schriften
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schreibt, ist nur dann ganz zu verstehen, wenn man sich auf das einläßt, was hinter Wagner stand. Er war sich klar darüber, daß der menschliche Wille eine ganz besondere Beleuchtung vom Geiste aus empfängt. Er sagte, der Wille ist zunächst das Grobe, das Instinktive; dann verfeinert sich das immer mehr. Der Intellekt wirft sein Licht auf den Willen, und der Mensch wird leidbewußt, und durch das Bewußtsein des Leidens wird eine Läuterung herbeigeführt. Anknüpfend an seinen Freund, den Grafen Gobineau, sagt er: «Ist beim Überblick aller Rassen die Einheit der menschlichen Gattung unmöglich zu verkennen, und dürfen wir, was diese ausmacht, im edelsten Sinne als Fähigkeit zu bewußtem Leiden bezeichnen, in dieser Fähigkeit aber die Anlage zur höchsten moralischen Entwicklung erfassen, so fragen wir nun, worin der Vorzug der weißen Rasse gesucht werden kann, wenn wir sie durchaus hoch über die andern stellen müssen. Mit schöner Sicherheit erkennt ihn Gobineau nicht in einer ausnahmsweisen Entwicklung ihrer moralischen Eigenschaft selbst, sondern in einem größeren Vorrate der Grundeigentümlichkeiten, welchen jene entfließen. Diese hätten wir in der heftigeren, und dabei zarteren, Empfindlichkeit des Willens, welcher sich in einer reichen Organisation kund gibt, verbunden mit dem hierfür nötigen, schärferen Intellekte, zu suchen; wobei es dann darauf ankommt, ob der Intellekt durch die Antriebe des bedürfnisvollen Willens sich bis zu der Hellsichtigkeit steigert, die sein eigenes Licht auf den Willen zurückwirft und in diesem Falle durch Bändigung desselben zum moralischen Antriebe wird.»
Richard Wagner spricht hier von dem eigentlichen Vorgang der Abspiegelung des Intellekts auf den Willen des dadurch hellsichtig werdenden Menschen.
Es handelt sich hei Richard Wagners Schaffen um eine religiöse Vertiefung der Kunst, zuletzt aber um ein tiefes Verständnis des Christentums. Er wußte, daß in der musikalischen Gestalt das Christentum am besten zum Vorschein kommen kann. Durch die Erhebung zu den inneren Geheimnissen der Weltenordnung erlangt man auf der einen Seite das Wissen, aber auf der andern Seite auch die wahre Frömmigkeit. Es gibt eine menschliche Entwickelung, welche die Bedeutung dieser Tatsache des Christentums erkennen lehrt.
IV 28 Die Musik des «Parsifal» als Ausdruck des Übersinnlichen, Kassel, 16. Januar 1907
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Die Musik des «Parsifal» als Ausdruck des Übersinnlichen
Kassel, 16. Januar 1907
Hier, wo mein Wähnen Frieden fand,
Wahnfried
sei dieses Haus von mir benannt.
Diese Worte schrieb Richard Wagner über das Haus, das er sich in Bayreuth erbaute. Er hatte dieses Haus tief ersehnt. Alles Leben hatte er als Streben und Wähnen empfunden. Den Frieden seines Wähnens fand er in seinem Bühnenweihespiel «Parsifal».
Man glaubt meistens, daß ein Kunstwerk wie Wagners «Parsifal» so entstehe, als ob der Künstler alle Gedanken, die darin gefunden werden können, bewußt hineingelegt habe. So faßt aber niemals ein Mystiker das von ihm geschaffene Werk auf. Auch die Pflanze kennt die Gesetze nicht, die der Botaniker in ihr findet. Unsichtbare Mächte schwebten über Richard Wagner. Von ihnen stammt, was im Parsifal liegt. In Wagner lebte vieles von dem, was wir Geheimschulung nennen. Eine wunderbare Wirkung kann davon ausgehen, wenn man die Entwickelung seiner Persönlichkeit durch sein Leben hindurch verfolgt. Man beobachtet dann, wie in ihm Wahrheiten aufdämmern, die jahrhundertelang in den Geheimschulen systematisch gepflegt worden sind.
Führen wir uns vor Augen, in welcher Weise die Geheimschüler in solche Geheimnisse eingeführt wurden, wie sie später in Wagner instinktiv auflebten. Mannigfaltige Übungen des Körpers und der Seele wurden da vorgenommen, wodurch eine intime Formung des okkulten Vorstellungsvermögens eintrat. Der Lehrer erweckte in dem Schüler vor allem eine Grundempfindung, um in ihm ein intimes Verhältnis zu der umgebenden Natur hervorzurufen. Der Schüler wurde durch die Naturreiche geführt und angeleitet, der Natur gegenüber ebenso zu empfinden, wie man gegenüber Menschen empfindet. Wie man beim Menschen hinter einem Lächeln Heiterkeit
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der Seele, hinter Tränen eine bestimmte andere Empfindung wahrnimmt, so wurde der Schüler angeleitet, auch in der Natur die Entsprechungen zwischen der Physiognomie und dem Seelischen zu erkennen. Ein Okkultist ist derjenige, der mit seinen Empfindungen in diesen Dingen ganz in das Konkrete hineingehen kann. Dem Schüler wurde beim Hineinschauen in die Natur gesagt: Alles ist Physiognomie und Ausdruck eines Geistigen. Eine Pflanze mit leuchtenden Farben erscheint ihm als lächelnde Miene des Erdgeistes eine andere als die Miene des trauernden Erdgeistes. So trägt der Okkultist Gefühlseindrücke durch die ganze Welt.
Der Kristall läßt keusch das Licht hindurch. In ihm ist die Materie nicht von Begierde und Verlangen durchzogen. Die menschliche Materie ist vollkommener, aber sie ist von Schmerz und Freude, Begierde und Leidenschaften durchzogen. Einmal wird die menschliche Materie so keusch und edel wie die des Kristalls sein. So wurde das Gemüt des Schülers darauf gestimmt, Vorbilder der künftigen Fleischesentwickelung in der Natur zu sehen. Mit der gleichen Objektivität, mit welcher der Mathematiker räumliche Gebilde imaginiert, erscheinen dem Okkultisten die Gegenstände der äußeren Welt als Ausdruck der Seele der Welt. Wie es unmöglich ist, daß zwei Mathematiker über einen Lehrsatz Verschiedenes lehren, so ist es unmöglich, daß zwei, die wirklich in das höhere Wissen eingedrungen sind, verschieden empfinden. Es gibt über das Mystische ebensowenig einen Streit wie über das Mathematische.
Wenn der Schüler so geübt und schließlich für reif befunden war, wurde ihm eine andere Vorstellung beigebracht. Er sollte das Schönste, Reinste und doch Anfechtbarste kennenlernen. Da wurde ihm gesagt: Sieh dir die Pflanze an. Ihr Kelch ist der Sonne zugewandt. Vom Sonnenstrahl wird sie im Wachstum beeinflußt und erhalten. Sie streckt ihre Fortpflanzungsorgane keusch der Sonne entgegen. Was jetzt beim Menschen und Tier schamvoll verhüllt ist, ist bei der Pflanze keusch gegen die Sonne gerichtet. Siehe zurück in urferne Zeiten. Damals war der Mensch auf der Stufe, auf der die Pflanze zurückgeblieben ist. Da hatte auch er seine Fortpflanzungsorgane gegen die Sonne gerichtet. Der Kopf, die Wurzel, war in der
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Erde. Die Mystiker haben immer gewußt, daß der Mensch eine umgekehrte Pflanze ist. Erst im Laufe der Entwickelung ist er weitergeschritten, wurde zuerst horizontal wie das Tier und nahm dann die heutige aufrechte Menschengestalt an. Er ging durch das Pflanzen- und das Tierreich hindurch zum Menschenreich. Darauf hat Plato gedeutet, wenn er sagte: Die Weltenseele ist an den Weltenleib gekreuzigt. Der Mensch ist aber noch nicht am Ende seiner Entwickelung. Er ist in einem Durchgangsstadium, indem er die Begierde überwinden und zu höherer Geistigkeit durchdringen muß. In demjenigen, was er von der Sonne abwendet, muß die Begierde überwunden und zu höherer Geistigkeit hindurchgedrungen werden. Dann wird der Mensch so rein und keusch wie die Pflanze der höheren geistigen Sonne den Kelch seines Wesens entgegentragen.
Dieses Ideal des vergeistigten Pflanzenkelches wurde denen vor Augen gestellt, die Schüler des Heiligen Grals waren. Jene heilige Schale sei der Pflanzenkelch, der durch das Tierische hindurchgegangen ist und wieder zur Geistigkeit geläutert wurde. Zu dem Schüler wurde gesprochen: Dieser Kelch, der die Strahlen der geistigen Sonne in sich aufnimmt, ist im menschlichen Organismus veranlagt. Der Mensch hat fertige Organe und solche, die sich erst in der Zukunft herausbilden werden. Ähnlich wie wir jetzt durch das Wort die Luftwelle hervorbringen, so wird in ferner Zeit die Art sein, wie der Mensch seinesgleichen hervorbringt. Wenn der Mensch sich mit solchen Empfindungen durchdrang, dann konnte er zur Karfreitags- und Osterzeit in jenen Geheimfesten fühlen, wie aus den Pflanzen eine Triebkraft hervorsprießt, die in der Zukunft gereinigt und geläutert auch im Menschen erscheinen wird. Insbesondere am Karfreitag wurde dieses Heraussprießen erlebt zugleich mit der Empfindung, daß durch Christi Opfertod ein Unterpfand gegeben sei, daß der Mensch sich zum Besitz des Heiligen Grales emporringen könne. Der Blutsaft Christi macht den Menschen rein, so wie die Pflanze von reinem Saft durchströmt ist. Dies erlebten die Schüler in den feierlichsten Augenblicken. Dann fühlten sie sich als Wissende. Der Erlösungsgedanke stand klar vor ihnen, indem der
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Zusammenhang des Opfertodes Christi mit der sprießenden Pflanze empfunden wurde. Diese Idee stand immer vor Richard Wagner.
Wagner stellte die Geburt des Ich und des Egoismus in der Gestalt des Alberich dar. Er benützte dazu den Es-Dur-Orgelpunkt.
Im Jahre 1856 versuchte er das Rätsel des Erdenlebens in dem Stück «Die Sieger. auszugestalten: Ein Jüngling wird von einem Tschandalamädchen geliebt. Die Kastenunterschiede aber sind so groß, daß er dadurch veranlaßt wird, sich von dem Mädchen abzuwenden, um ein Buddha-Schüler zu werden. Durch den großen Schmerz, den das Mädchen dadurch erfährt, wird ihm klar, daß es in einem früheren Leben ein Brahmane war und damals die Hand eines Tschandalamädchens ausgeschlagen habe. So suchte Wagner nach einer Darstellung zum Begreifen des Weltgedankens.
Am Karfreitag des Jahres 1857 stand Richard Wagner vor der Villa Wesendonk bei Zürich und blickte auf den Zürichsee und die Huren hinaus. Da kam ihm aus den sprießenden Pflanzen der Gedanke über den Zusammenhang zwischen Erlösung und dem Pflanzendasein entgegen. In seinem Herzen tauchte wie ein Bild die Grundempfindung vom Kelchideal auf, die die Gralsschüler immer gehabt hatten. Später suchte er dann die Töne, um die Entwickelung auszudrücken, die vom Pflanzenkelch zum Gralskelch führt. Dadurch fand er den Frieden seines Wähnens.
In der Keimanlage war der Parzival-Gedanke in der neueren Kultur immer verborgen da. Goethe schildert in seinem Gedicht «Die Geheimnisse», wie ein Jüngling durch den Wald zu einem Kloster wandert und dort in die Gemeinschaft der Eingeweihten aufgenommen wird. Dieser Jüngling erscheint wie ein Parzival, der zur Gralsburg wandert. Goethe hat später einer Studentenverbindung, die ihn darüber befragte, dieses Gedicht erklärt: In der Welt gebe es viele religiöse Anschauungen. Jeder der zwölf Männer in dem Kloster, in das der Bruder Markus kommt, sei der Repräsentant einer solchen. Der Dreizehnte in ihrer Mitte sei der Führer.
Goethe hat in dieser Dichtung die okkulte Loge dargestellt, in der es keinen Streit der Meinungen, sondern nur Liebe gibt. Der Wanderer sieht, als er an das Kloster kommt, ein Kreuz über der
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Klosterpforte, welches mit Rosen umschlungen ist. Er fragt: «Wer hat dem Kreuze Rosen zugesellt?» In dem Zeichen des Rosenkreuzes drückt sich ein Gedanke aus, der durch die ganze Weltenentwickelung hindurchgeht. Wer das Ideal und das Symbol versteht, kann ihn überall finden. Die alte Legende erzählt, wie Kain den Zugang zum Paradies suchte. Nicht er, sondern Seth wurde hineingelassen. Seth findet dort die beiden ineinander verschlungenen Bäume der Erkenntnis und des Lebens. Er nimmt davon drei Samenkörner und legt sie dem sterbenden Adam auf die Zunge. Ein Baum wächst hervor. Das ist derselbe Baum, an welchem Moses die Flammenbildung wahrnimmt und das Wort hört: «Ich bin, der da war, der da ist und der da sein wird.» Von diesem Baum wird der Stab des Moses genommen. Aus seinem Holz ist die Pforte des salomonischen Tempels, die Brücke, über die Christus schritt, als er zum Ölberg ging, und schließlich das Kreuz von Golgatha. Die Gralsanschauung hat hinzugefügt: Als das Holz trocken und zum Kreuz geworden war, da trieb es lebendige Sprossen als Unterpfand des ewigen Lebens. Dieses sah der Gralsschüler in der Gestalt der Rosen. Hier reichen sich Vergangenheit und Zukunft die Hand. Goethe berührt dieses Geheimnis in solchen Versen:
«Sagt es niemand, nur dem Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet »
Diese Stimmung liegt auch dem Wort zugrunde: «Wer hat dem Kreuze Rosen zugesellt?» Am intensivsten hat Wagner diese Evolutionsstufe im «Parsifal» dargestellt. Alles was Parsifal tut, ist sinnvoll. Er tut nichts Äußerliches. Er darf in der übersinnlichen Welt tätig sein. Er leistet am meisten da, wo er die höchste Höhe seiner inneren Entwickelung erreicht.
Dies tönt so wunderbar durch Wagners letzte Dichtung. Wenn wir jene heilige Schar, die sich um den Gral versammelt, sehen, dazu Parsifal, der erst tötet er schießt den Schwan und dann Erlöser wird, so verstehen wir, was Wagner meinte mit den Worten «des Wähnens Frieden finden». Er hat zeigen wollen, daß mit dem
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Musikalischen zu erreichen ist, was mit der dramatischen Kunst nicht erreicht worden war. Bis jetzt hat die Musik nur innere Gefühle zum Ausdruck gebracht. Andererseits ist das Wort «Drama» als aufdringlich empfunden worden. Die tiefsten Empfindungen setzen da ein, wo die Worte aufhören. Wagner suchte nach einem Verbindungsglied. Das sollte das Musikdrama sein. Das äußere Wort sollte im gegebenen Augenblick aufhören und der Musik den Raum freigeben. Ohne den «Parsifal» hätte Wagner das Ideal seines Strebens nicht erreicht. Da wo er am höchsten ins Übersinnliche vordrang, brauchte er das intimste Musikalische. Im «Parsifal» fand er den reinsten musikalischen Ausdruck dafür. Er hat als Künstler und Musiker darzustellen versucht, was in ihm als Mystiker gelebt hat.
IV 29 Die drei Aspekte der Welt, Köln, 4. Dezember 1906
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Die drei Aspekte der Welt
Köln, 4. Dezember 1906
Wir können in der Welt, die an uns herantritt, in der wir leben, drei Aspekte unterscheiden: erstens, wie sie sich uns von außen zeigt, zweitens, wie wir sie in uns empfinden, und drittens, wie sie selbst im Inneren ist.
Unsere Sinnesorgane vermitteln uns den Aspekt der Welt, wie sie sich uns von außen zeigt, die Welt der Formen und Gestalten in der unorganischen Natur, der Mineralwelt; in der belebten Natur, der Pflanzenwelt; in der empfindenden Natur, der Tierwelt, und in der denkenden Natur, der Menschenwelt. Von außen tritt sie uns entgegen als die Welt der Wahrnehmungen, und wir nehmen diese Welt der Erscheinung, der Wahrnehmung durch unsere Sinnesorgane auf. Unsere Sinnesorgane sind die Pforten, durch welche die äußere Welt der Gestalten zu uns Zutritt hat. Hätten wir unsere Sinnesorgane nicht, so bliebe die Gestaltenwelt für uns ewig ein Unbekanntes, ein Geheimes, ein Okkultes; sie wäre für uns nicht da. Man könnte uns nur davon erzählen und uns lediglich eine annähernd für uns verständliche Beschreibung derselben geben. Aber solange uns die Sinnesorgane fehlten, könnten wir uns niemals eine ganz zutreffende Vorstellung von der äußeren Welt der Formen und Gestalten machen. Was wir jetzt sehend, hörend, fühlend und tastend, durch Geruch und Geschmack aufnehmen, wäre dann für uns nicht da. Die äußere Welt bliebe dann für uns im Dunkel verborgen, und nur ahnen könnten wir sie und nach den Beschreibungen derer, die sie kennen, uns ein annäherndes, aber niemals ein genaues Bild derselben machen. Immer wäre diese Gestaltenwelt eine okkulte Welt für den Menschen geblieben, hätten sich seine Sinne nicht geöffnet, um sie aufzunehmen. Seine Sinne mußten sich erschließen, damit ihm der Zugang zu dieser äußeren Welt möglich wurde.
Das Wahrnehmen der Sinneswelt ist eine Stufe in der Menschheitsentwickelung, die sie früher nicht erreicht hatte. Es gab eine Zeit, wo die Sinnesorgane des Menschen sich noch nicht nach außen
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aufgetan hatten. Da konnte der Mensch die Gestaltenwelt nicht wahrnehmen; da konnte er nichts draußen wahrnehmen; da lebte er noch ganz in seinem nach der Welt zu abgeschlossenen Inneren. Er lebte ganz ein Innenleben, wie es uns jetzt noch in unseren Empfindungen bekannt ist.
In diesem Innenleben finden wir jetzt noch den zweiten Aspekt der Welt. Durch das Wahrnehmen der äußeren Gestaltenwelt mit unseren Sinnesorganen entstehen in unserem Inneren Empfindungen. Wie wir mit unseren Sinnesorganen die Außenwelt wahrnehmen, so empfinden wir mit unserer Seele die Eindrücke, die uns diese Außenwelt macht. Dadurch wird diese Außenwelt in unserer Seele zu unserer eigenen Innenwelt. In dem Maße, wie unsere Seele und ihre Organe entwickelt sind, wird uns diese eigene Innenwelt zum Bewußtsein kommen. Je höher der Mensch in der Entwickelung steht, desto stärker empfindet er diese Außenwelt auch als Innenwelt in der Seele; je mehr er seine Seelenorgane ausgebildet hat, desto mannigfaltiger gestaltet sich seine Innenwelt, desto reicher sind die Bilder derselben, die in seinem Inneren aufsteigen, desto geordneter und harmonischer durchziehen sie sein Inneres. Um die Außenwelt ganz zu seiner eigenen zu machen, muß der Mensch eine starke, harmonisch ausgestaltete und gegliederte Seele haben, einen ausgebildeten Seelenorganismus. Je vielseitiger der Mensch sein Seelenleben ausgebildet hat, desto mannigfaltiger wird dort die Außenwelt in abwechslungsvollen Bildern auftauchen. Je harmonischer seine Seele ist, desto schöner wird sich die Außenwelt in seiner Seele abspiegeln. In unserer Seele taucht dann die Außenwelt unter und ersteht dort zu einem schönen, harmonischen, lebensvollen, abwechslungsreichen Ganzen.
Während der Mensch im Wachbewußtsein sein Hauptaugenmerk auf die Außenwelt richtet und sie zunächst nur chaotisch als Empfindungen in sich auftauchen spürt, muß er lernen, diese chaotischen Empfindungsvorgänge zu ordnen und zu regeln, sie in bewußte Beziehung zur Außenwelt zu bringen und daraus ein harmonisches Ganzes zu gestalten. Er muß die Innenwelt seiner Seele unter seine Herrschaft bringen lernen. Erst dann wird sie wirklich
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seine eigene und eigenste Welt, in der er bewußt und nach eigenem Willen leben kann. Im Traumleben taucht der Mensch in seine Innenwelt unter. Da ist er der Sinnenwelt entrückt und ist preisgegeben dem chaotischen Wirbel seiner Empfindungswelt, die in Bildern in ihm auftaucht. In dem Maße, wie sich seine Empfindungen ordnen, werden auch seine Traumbilder geregelt und bedeutungsvoll.
Was nun in ihm zur Innenwelt geworden ist in seiner Seele, das ist der Aspekt der Umwelt, wie er sie empfindet. Dieser steht gegenüber dem Aspekt der Wahrnehmungen, unter dem sich die Umwelt seinen Sinnen zeigt.
Nun besteht die Welt aber noch unter einem andern Aspekt, unter dem Aspekt, wie sie wirklich ist. Es ist der eigentliche Aspekt des wahren Seins der Welt, wie sie in ihrem Inneren ist. Zu diesem Aspekt gelangt der Mensch, wenn er den eingeschlagenen Weg weiter verfolgt. Wenn aus klaren Sinneswahrnehmungen in ihm Empfindungen entstanden sind in seinem Inneren, wenn er diese Empfindungen in harmonische Ordnung und in schönen Rhythmus gebracht hat, dann tragen ihn diese Empfindungen wieder hinaus in die Welt. Sie schlagen eine Brücke von seiner Seele zur Welt, und während die Welt sich in ihn hineinergießt durch seine Sinne, so ergießt sich nun seine Seele in die Welt hinein durch das Denken über die Welt. Seine Empfindungen gießt er hinein in den Gedanken, und sein Gedanke dringt ein in die Umwelt. So ist die Kette geschlossen zwischen Welt und Mensch und zwischen Mensch und Welt.
Die Welt ist draußen, die Empfindung im Inneren des Menschen; der Gedanke ist in beiden. Im Denken vereinigt sich der Mensch ganz mit der Welt. Denn das Weltendenken und sein Denken sind ein Ganzes. So wurzelt die Menschheit mit ihren Wahrnehmungen im sinnlichen Dasein. So wächst sie, indem sie aus der Sinnenwelt Eindrücke empfängt und diese sich in der Seele zu Empfindungen, zu Bildern ordnen, sich rhythmisieren und im seelischen Leben sich umwandeln. So erblüht sie, indem sie aus diesen Bildern und den Wahrnehmungen herausliest, herausempfindet,
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heraushört den Weltgedanken, der in jedem denkenden Menschen neue Blüten treibt.
Die Menschen wurzeln alle in dem einen Boden der physischen Sinnen- und Gestaltenwelt. Es ist dieselbe Welt für alle, derselbe Boden, aus dem alle herauswachsen. Und jede einzelne Menschenindividualität saugt heraus aus dem gemeinsamen Boden Kräfte zu ihrer besonderen Entfaltung. Viele und verschieden geartete Stämme sind die einzelnen Menschenindividualitäten, die aus dem einen Boden hervorwachsen und, jede in ihrem Seelenleben, die aus dem einen Boden aufgenommenen Kräfte in ihrer besonderen Eigenart verarbeiten. Aber droben zur Blüte gelangend, in der Welt des Gedankens, bilden alle ein großes Ganzes, ein wunderbares wogendes Blütenmeer, jede Blüte eine Widerspiegelung des großen einen Weltendenkens, und eine die andere ergänzend, sich einfügend als Glied in die ganze Kette, als Juwel in eine Krone von Juwelen, als Welle in ein Gedankenweltenmeer.
Unten ein Ganzes: die physische Welt. Oben ein Ganzes: die Geisteswelt. Dazwischen Umwandlung des Unteren in das Obere in vielen Individualitäten: die Seelenwelt.
Ein Spiegelbild der Geisteswelt ist die physische Welt draußen in ihrer Einheitlichkeit. Ein Spiegelbild der Geisteswelt ist die Seelenwelt des Menschen in ihrer Mannigfaltigkeit. Die ganze große Welt draußen wird in jeder Menschenseele eine besondere kleine Welt, und wird, aus allen Menschenseelen im Gedanken heraustretend, wieder ein großes Ganzes. So geht der Weg vom Kosmos durch den Mikrokosmos hindurch, um als neuer, vervollkommneter Kosmos aus den gesamten Mikrokosmen hervorzugehen.
IV 30 Das Innere der Erde, München, 21. April 1906
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Das Innere der Erde
München, 21. April 1906
Es ist sehr naheliegend, daß der Schüler der Geisteswissenschaft unter dem Eindruck jener gewaltigen Naturereignisse, des Ausbruchs des Vesuvs und des Erdbebens in Amerika, die Frage nach dem Zusammenhang einerseits mit dem kosmischen Entwickelungsprozeß, andererseits mit dem menschlichen Karma aufwirft. Und in der Tat ist es ungeheuer interessant, diese jüngsten Ereignisse vom Standpunkt des Okkultismus zu untersuchen und zu erklären. Um dies zu können, ist es erforderlich, daß der Okkultist nicht nur im gewöhnlichen Sinne hellseherisch geschult ist, sondern es ist notwendig, daß er die Einweihung des zweiten Grades durchgemacht hat. Es ist in Okkultistenkreisen eine bekannte Tatsache, daß dieses Innere der Erde sich dem Blick des gewöhnlichen Hellsehers entzieht. Verhältnismäßig leicht ist es, astral, devachanisch hellseherisch bewußt zu sein. Aber um das Innere der Erde erforschen zu können, ist eine andere Art von Einweihung erforderlich.
Zunächst lassen Sie mich darauf hinweisen, daß es dem heutigen Menschen nur geglückt ist, bis zu einer ganz geringen Tiefe in die äußerste Schale der Erde einzudringen. Kaum hat er die Tiefe von zweitausend Metern erreicht. Alles andere, was darunter folgt, entzieht sich seinem Erkenntnisvermögen. Und wirklich würde er aufs höchste überrascht oder sogar verwirrt sein, wenn es ihm gelänge, über die tiefer liegenden Schichten unserer Erde nähere Erfahrungen zu machen. Es würde ihn verwirren darum, weil er Dinge fände, die den unsrigen auf der Erdoberfläche nur ganz entfernt ähnelten. Für die meisten würden ihm die Worte fehlen, denn in der Tat sind die Zustände der Materie in der Erde gänzlich verschieden von den uns hier oben bekannten. Höchst erstaunt würde er sein, wenn er sähe, daß dasjenige Metall, das unserem Silber entspricht, dort unten flüssig wie Quecksilber ist. Ebenso ist es mit den andern Metallen und Mineralien.
Die Erde zerfällt nun in sieben verschiedene Schichten, und die
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Erforschung dieser sieben Schichten entspricht stufenweise den sieben verschiedenen Graden der christlichen Einweihung. Sie lauten: erstens Fußwaschung, zweitens Geißelung, drittens Dornenkrönung, viertens Kreuzigung, fünftens der mystische Tod am Kreuz, sechstens die Grablegung, siebentens die Auferstehung.
Demnach würde ein Mensch, der die erste Einweihung bestanden hätte, fähig sein, die äußerste Schicht hellseherisch zur Erforschung der zweiten zu durchschreiten und so weiter fort.
Die Erde zerfällt also zunächst in sieben Schichten. Die äußerste, auf der wir leben, wird in der Sprache der Eingeweihten die mineralische Erde genannt. Diese und die folgenden Bezeichnungen stammen von einer großen Okkultistenschule. Dieselben Benennungen hatten die mittelalterlichen Mystiker, Rosenkreuzer und andere.
Diese mineralische Erde enthält alle uns bekannten Mineralien. Ihre Schicht ist verhältnismäßig äußerst dünn und zart. Die vulkanischen Eruptionen legen für ihre Durchdringbarkeit von tieferliegenden Schichten Zeugnis ab.
Auf diese mineralische Erde folgt die sogenannte weiche Erde. Sie heißt darum so, weil der Verhärtungsprozeß in ihr noch nicht so weit wie in der mineralischen vorgeschritten ist. Ferner zeigt sie eine höchst bemerkenswerte Eigenschaft. Sie besitzt eine Art Empfindung. Rührt man sie an, so äußert sie Symptome von Empfindung wie das dumpfe Bewußtseinsempfinden von gewissen Pflanzenarten.
Die nächstfolgende Schicht wird die Dampferde genannt. Wie der Dampf in einem Wasserkessel erzeugt wird, so zeigt diese Schicht eine willensartige Äußerung. Eine ungeheure Expansionskraft ist ihr eigen, und nur mit Mühe gelingt es der mineralischen Schicht, sie fest zu umschließen.
Die vierte Schicht wird die Form- oder auch Wassererde genannt. An ihr ist bemerkenswert, daß sie alle Formen, welche wir auf der mineralischen Schicht haben, im Negativ besitzt. Ein Bergkristall zum Beispiel würde in ihr die Form eines Negativs wie bei einem Gipsabguß hier oben haben.
Die fünfte Schicht wird die Fruchterde genannt. Könnte sie ins
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Freie gelangen, so würden wir an so einem Stück Fruchterde die Beobachtung machen, wie fortwährend Formen auf Formen aus ihr entständen und wieder vergingen. Sie besitzt gleichsam Seele, die Fähigkeiten einer nach Gestaltung ringenden Seele.
Als sechste Schicht folgt die Feuererde, eine sehr bemerkenswerte Schicht, wie wir noch weiter sehen werden. Sie hat die Fähigkeit, sozusagen Lust und Leid zu empfinden, und befindet sich in einem ähnlichen Zustand wie der Mensch, der zwischen «himmelhoch jauchzend» und «zu Tode betrübt» schwankt. Die Leidenschaften der Menschen üben auf sie einen ungeheuren Einfluß aus, so daß mit Zunahme menschlicher Leidenschaften auch ihre Unruhe wächst.
Die siebente Schicht heißt der Erdenspiegel, eben darum, weil sich in dieser Region alle Dinge widerspiegeln, die sich auf der äußersten Schicht ereignen. Nur muß man sich den Verlauf ein wenig anders vorstellen. Alles, was hier passiv ist, ist dort aktiv, und umgekehrt. Schlüge man demnach hier auf ein Metall, so daß es tönte, so gäbe das Metall dort unten von selbst einen Ton von sich.
Auf diese sieben Schichten folgen nun noch zwei weitere, die sehr eigenartiger Natur sind. Die achte Schicht wurde von der Schule des Pythagoras die Sphäre der Zahlen genannt, und zwar wegen einer Eigentümlichkeit, die wir gleich kennenlernen werden. Unsere okkulten Schulen nennen sie den Zersplitterer. Würde man nämlich gegen dieselbe etwa eine Blume halten, also so, daß wir versuchten, gleichsam durch die Blume hindurch die Schicht zu betrachten, so würden wir dieselbe unendlich oft vervielfältigt sehen. Würde man dagegen dieses Experiment mit einem Stein versuchen, so würde keine Vervielfältigung eintreten. Nur lebende Naturformen oder mit künstlerischem Sinn Geschaffenes ist hierzu geeignet. Diese Region nun ist der Sitz alles Unharmonischen, aller Unmoral, alles Unfriedens. Alles strebt dort auseinander. Sie ist das Gegenteil von Liebe. Gelingt es einem Schwarzmagier, bis zu ihr vorzudringen und es steht dies im Bereich seiner Kräfte , so wird das Böse in ihm noch gewaltig verstärkt. Auf diese Sphäre nun hat die jeweilige Moral der Menschen einen ungeheuren Einfluß. Wenn es den Menschen
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immer mehr gelingt, die Unmoral zu beseitigen und die Moral an ihre Stelle treten zu lassen, so wird sich auch diese Zone immer mehr und mehr zur Ruhe begeben. Dann findet auch ihrerseits wieder eine Rückwirkung auf die Gesinnungen der Menschen statt.
Die neunte und letzte Schicht ist sozusagen der Wohnsitz des Planetengeistes. Sie zeigt zwei eigentümliche Erscheinungen. Man könnte sie mit einem Menschen vergleichen, denn sie besitzt ein Organ, das einem Gehirn ähnelt. Ein anderes Organ gleicht einem Herzen. Auch der Planetengeist ist Veränderungen unterworfen, die mit der Entwickelung der Menschen in engem Zusammenhange stehen.
Wir kehren nun zu der Feuererde zurück. Wie erwähnt, zeigt sie die Eigenschaft des Lust- und Leidempfindens, und die Leidenschaften der lebenden Menschen üben auf sie einen gewaltigen Einfluß aus, so daß sie zu Zeiten, wo die Menschen große Leidenschaften entwickeln, in eine um so größere Unruhe und Aufregung gerät. Infolgedessen übt sie einen noch stärkeren Druck auf die über ihr liegende Fruchterde aus. Und von dieser Schicht führen in der Tat verzweigte Kanäle nach allen oberhalb liegenden Schichten. In der mineralischen Erde befinden sich nun, allerdings in beträchtlicher Tiefe, große Höhlungen. In diese führen die von der Fruchterde kommenden Kanäle und pressen in sie hinein gewaltige Massen, die nun ihrerseits entweder Erdbeben verursachen oder in dem Schacht eines Vulkans sich ihren Ausweg suchen. Und diesen Ursachen sind auch die jüngsten Katastrophen zuzuschreiben.
Die Lemurier, also die dritte große Wurzelrasse, lebten noch auf der weichen Erde. Der Verhärtungsprozeß war oben bei der äußersten Kruste damals noch nicht so weit vorgeschritten, und es gab nur ganz wenige härtere Gebiete, die gleichsam wie Inseln auf dieser weichen Schicht schwammen. Als letzte Überbleibsel und Zeugnisse von der weichen Erde haben wir die vielen kleinen Inseln im Stillen Ozean zu betrachten, die plötzlich über der Meeresoberfläche auftauchen und nach einiger Zeit wieder versinken. Die Lemurier nun, die gewaltige Leidenschaften entwickelten, übten, je weiter sie in ihrer Entwickelung fortschritten und ihren Lästern frönten,
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einen derartigen Einfluß auf die Feuererde aus, daß diese sozusagen rebellisch wurde, mit ungeheurer Kraft an die Oberfläche gelangte und die Rasse vernichtete.
Wir sehen also, daß die Lemurier ihren Untergang sich selbst zuzuschreiben haben. Für den Okkultisten gibt dies Anlaß zu der Betrachtung, daß, wenn er an seiner eigenen Vervollkommnung arbeitet, er nicht nur den Entwickelungsprozeß seiner Epoche beschleunigt, sondern auch auf den Werdegang der Erde erheblich einwirken kann. Es muß sich für ihn hieraus ein Verantwortungsgefühl in zweifacher Richtung ergeben und ihn zum weiteren Arbeiten an sich selber anspornen.
Wenden wir uns nun noch der Betrachtung zweier höchst wichtiger okkulter Tatsachen zu, die mit diesen Naturereignissen in Zusammenhang stehen. Einmal führen wir uns das Karma derjenigen vor Augen, die bei diesen Katastrophen umgekommen sind. Freilich ist es verständlich, wenn der Mensch sich über das ungeheure Karma wundert, das bei dieser Gelegenheit über so unzählige Menschen hereinbricht. Aber lassen Sie mich sagen, wie man okkult beobachtet hat, daß alle diejenigen Seelen, die bei einer solchen Katastrophe zu Tode gekommen sind, in der nächsten Inkarnation die besten Spiritualisten werden. Der gewaltsame Tod, den sie jetzt fanden, war gleichsam der letzte Schock, um die Fesseln des Materialismus für sie endgültig abzustreifen.
Und die andere Beobachtung, die man okkult angestellt hat, ist die, daß alle diejenigen, welche um die Zeit solcher Ausbrüche geboren werden, im Leben Materialisten werden. Es ist dies ganz erklärlich. In der Zeit, wo sie mit aller Gewalt die Wiederverkörperung suchen, wirkt auf sie das beunruhigende Element der Feuererde ein und gibt ihnen materialistische Leidenschaften. Ob nun die Seele hier geboren wird, während zum Beispiel in Amerika der Ausbruch stattfindet, ist gleichgültig. Räumliche Trennung bleibt in dieser Zone ohne Ursache. So sind viele Leser und Verfasser materialistischer Schriften um das Jahr 1822 geboren, damals, als der Vesuv nach langer Zeit wieder ausbrach. Einen Hinweis auf das spirituelle Mittelalter bildet die Tatsache, daß der Vesuv jahrhundertelang
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ruhig geblieben ist. Seither folgen sich die Ausbrüche in kürzeren Abständen. Jetzt findet überhaupt eine beschleunigte Entwickelung statt. Der Zeitraum von Karl dem Großen bis zu Friedrich dem Großen entspricht dem Zeitraum des 19. Jahrhunderts. Dies ist so zu verstehen, daß alle Ereignisse während des gekennzeichneten langen Zeitraumes in ihrer Zahl und Bedeutung hinsichtlich der Entwickelung heute einem Zeitraum von hundert Jahren entsprechen. Wir werden uns in der Folgezeit noch schneller entwickeln.
IV 31 Welches sind die Gründe dafür, daß es heute eine theosophische Bewegung gibt? Leipzig, 25. April 1906
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Welches sind die GRÜnde dafÜr, dass es heute eine theosophische Bewegung gibt?
Leipzig, 25. April 1906
Es ist keine Zufälligkeit, daß es eine theosophische Bewegung gibt. Sie hängt mit der ganzen Entwickelung des 19. Jahrhunderts zusammen, mit der Ausbreitung des Materialismus, die in den vierziger Jahren ungefähr, auch etwas vor- und nachher ausschlaggebend wurde. Schon in den vorangegangenen letzten vier Jahrhunderten bereitete sich der Materialismus vor. Um das zu verstehen, muß man sich einmal bis in das 5. und 6. Jahrhundert zurückversetzen. Man macht sich eine ganz falsche Vorstellung von den geistigen Zuständen damaliger Zeiten. Es ist der größte Irrtum, anzunehmen, daß der Mensch damals so dachte wie heute. Zum Beispiel von den Sternen hatte man noch im 13., 14. und 15. Jahrhundert eine ganz andere Vorstellung. Jetzt sieht der Mensch auf ihnen nur Materielles. Im Mittelalter sah man in jedem Stern einen Geist. Nicht nur für den Ungelehrten, sondern auch für den Gebildeten war der Stern der Ausdruck für einen Geist. So war der ganze Himmelsraum vergeistigt. Das ist ein großer Unterschied, ob man im Universum nur Körper oder auch Geistiges vermutet. Der damalige Mensch fühlte sich ganz geborgen in einem geistigen Weltenraum. Wir brauchen uns aber nicht nach dieser mittelalterlichen Anschauung zurückzusehnen.
Kopernikus eroberte den Weltenraum für eine materialistische Anschauung. Die Erforschung der physischen Welt stieg auf den Höhepunkt. Schleiden und andere entdeckten die Zelle. Eisenbahnen und alles dergleichen förderten mächtig den Materialismus. Da fragten sich die großen Führer der Menschheit: Was tun? Auf welche Weise ist es den Menschen beizubringen, daß geistiges Leben vorhanden ist? Es war nur Sinn für das Materielle vorhanden. Man sagte: Gibt es Geist, so soll er sich auch als Geist beweisen. So wurde denn tatsächlich ein Versuch unternommen durch den hereinbrechenden Spiritismus. Da von den Eingeweihten immer
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Belehrung in der den Menschen verständlichen Weise versucht wird, wurde angestrebt, Manifestationen, Offenbarungen aus der jenseitigen Welt hervorzubringen. Wir müssen nun zunächst einmal das Schicksal des Menschen nach dem Tode betrachten. Wenn der Mensch schläft, sind physischer Leib und Ätherleib vereinigt, der Astralleib schwebt über dem physischen Leib. Wenn der Mensch stirbt, trennt sich nicht nur der Astralleib vom physischen Leib, sondern Astralleib und Ätherleib gehen zusammen fort, der physische Körper bleibt zurück. Astralleib und Ätherleib bleiben noch kurze Zeit vereint, es findet eine zwei bis drei Tage dauernde Lebensrückschau statt. Dann trennen auch sie sich, der Ätherleib löst sich als Lebenskraft in der allgemeinen Lebenskraft auf, und der Astralleib kommt in den Zustand, den man Kamaloka nennt. Er ist entkörpert, hat aber noch die Gewohnheiten und Neigungen des physischen Leibes. Hier ein verdeutlichender Fall: Der Feinschmecker hat noch seine Gelüste. Das ist eine seelische Eigenschaft, eine Begierde. Den Gaumen hat er nicht mehr, aber die Gaumenbegierde bleibt ihm als brennendes Durstgefühl. Im Kamaloka findet die Abgewöhnung statt, denn die Begierde verzehrt sich schließlich, und dann wird auch der Astralleib abgelegt, soweit er Träger der Begierden ist.
Nun gibt es eine Möglichkeit, solche abgelegte Astralleichname zu galvanisieren, sie hereinzurufen in die sinnliche Welt. Hierzu stellt ein Medium seinen Ätherleib zur Verfügung. Mit dessen Hilfe kommen sogenannte Materialisationen zustande. Das war die Methode, der materialistischen Menschheit zu zeigen, was übrigbleibt nach dem Tode, und die Eingeweihten hatten gehofft, dadurch die Menschen zu überzeugen.
Zwei Mißstände aber zeigten sich. Erstens wurden diejenigen, die durch den Spiritismus überzeugt wurden, nicht moralisch besser mit dieser Auffassung, blieben also ohne sittliche Hebung. Zweitens aber erwies sich diese Art von Anschauung oder Überzeugung sogar als ungünstig nach dem Tod. Denn solchen, die sie hatten, wurde der Zustand im Kamaloka nicht leichter, sondern schwerer. Zu allem übrigen brachten sie nämlich noch das Verlangen mit, alles Geistige
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materiell durch die Sinne befriedigt zu sehen, weil eine jede derartige Anschauung als Kamaloka-Eigenschaft auftritt. Es war eine drückende Schwere, die sich bleiern auf die Toten legte. Das war der Grund, daß die Eingeweihten sich sagten: So geht es nicht weiter. Also irrten sich die Eingeweihten wird man hier einwenden. Aber auch Eingeweihte müssen ihre Erfahrungen sammeln und erproben. Da beschloß man ziemlich einstimmig in der großen Gemeinschaft der Okkultisten, nachdem sich dieses äußere Mittel nicht bewährt hatte, einen andern Weg einzuschlagen, einen inneren, den theosophischen Weg. Was will dieser? Er will dasjenige, was im Menschen selbst als Geist lebt, kennenlernen. Dieser Geist ist das Ziel. Nun kann man den Geist nur kennenlernen, wenn man sich unbefangen hingibt. Man muß das Gemeinsame der Menschheit verstehen.
Als Parallelerscheinung des Materialismus hatte sich der Egoismus entwickelt. Hier nur ein Beispiel: Bei allgemeinen Reiseunternehmungen gibt es eine besondere Bedingung zur Teilnahme: Alle religiösen Fragen sind als Gesprächsgegenstand ausgeschlossen. Man fürchtet den Egoismus der Meinungen, denn wo sieben Menschen beisammen sind, kann man sieben Meinungen finden. Man stellt also die Meinungen über die allgemeine Menschenliebe. Da aber fängt Brüderschaft erst an, wo Menschenliebe über den Meinungen steht.
Dazu ist die Theosophie da, um im Ausgleich der Meinungen die eine Wahrheit zu suchen. Die Menschen müssen wieder tolerant werden, nicht nur bis in die Persönlichkeit, sondern bis in die Individualität hinein. Tolerant heißt nicht nur duldsam sein, andere gewähren lassen, sondern heißt hier, sich offen machen, ihre Eigenart zu verstehen. Theosophie soll also kein Dogma sein, sondern Äußerung der Liebe. Man muß den Menschenbrüdern helfen, also die Liebe über die Meinungen stellen, und das bringt den einheitlichen Geist in die Menschenentwickelung. Das ist das Praktische, was in der theosophischen Bewegung herausgebildet werden soll.
IV 32 Welches sind die Gründe dafür, daß es heute eine theosophische Bewegung gibt? Fragenbeantwortung zum Vortrag Leipzig
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Welches sind die GRÜnde dafÜr, dass es heute eine theosophische Bewegung gibt?
Leipzig, 25. April 1906
Fragenbeantwortung
Welche Schulungsmethode soll man anstelle der Jogaschulung wählen?
Man darf nicht Okkultismus mit Theosophie verwechseln. Die Theosophie sucht die Lehre von der tiefen Weisheit zu verbreiten. Sie ist an sich nicht da, um die Menschen zum Hellsehen zu führen. Dennoch leitet sie auch zu solcher Ausbildung hin.
Es gibt okkulte Schulungen. Manche glauben, sie müßten solche in Indien suchen. Das ist ein großer Irrtum. In Europa finden auch solche Schulungen statt. Derjenige, der seinen Lehrer oder Guru sucht, findet ihn in der Welt. Die Theosophen tun unrecht, nur in Indien zu suchen. Der hochstehende Inder Chakravarti sagte auf dem Kongreß in Chicago die bedeutsamen Worte: «Auch mein Volk ist heruntergesunken von der spirituellen Erfassung der Welt, und die Theosophie hat uns geholfen, uns wieder zu erheben.»
Übrigens hat Frau Blavatsky gar nicht, wie so viele annehmen, uns nur indische Anschauungen gebracht. Zunächst war ein Europäer ihr Führer, dann ein Ägypter, damals schrieb sie «Isis unveiled».
Man darf nicht glauben, daß gleiche Ausbildung für alle sein muß. Der indische Organismus ist so, daß der Ätherleib viel leichter herausgezogen werden kann. Er steht auf einer andern Stufe. Er befindet sich auf der ersten Stufe der fünften Wurzelrasse, also deren erster Stammrasse, während der Europäer sich auf der fünften Stufe der fünften Stammrasse befindet. Es ist verhältnismäßig leicht, den Inder zum Hellsehen zu bringen, den Ätherleib herauszuziehen und ihn in den Zustand zu bringen, den man Lethargie nennt, das heißt Betäubung und Unempfindlichkeit. Der Körper ist dann wie abgestorben. Ein Hellseher würde, wenn man beispielsweise einen Finger mittels eines abschnürenden Fadens absterben ließe, den Ätherfinger neben dem abgebundenen herunterhängen sehen. Beim Hypnotisierten sieht der Hellseher das ätherische Gehirn zu beiden Seiten des Kopfes herunterhängen. Wenn also der Körper wie abge-
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storben ist, muß der Astralleib benutzt werden, und nun drückt dieser das, was ihm eingeprägt wird, dem Ätherleib ein. Weil es nun für den Europäer außerordentlich schwer ist, solche astralischen Eindrücke zu bekommen, oder sich geben zu lassen, wurde ein Weg gesucht, auf dem es nicht nötig war, den Ätherleib herauszuziehen. Diesen hatten seit dem 14. Jahrhundert die Rosenkreuzer gefunden, und ihre Methode ist für die Europäer die geeignetste. Unser Körper ist dichter geworden als der der Inder; er entwickelte sich hinunterwärts, dem notwendigen Entwickelungsgang gemäß. Dafür aber entsteht dieser Zustand bei uns bewußt, während bei den Indern das Tagesbewußtsein unterdrückt wird.
Das Hypnotisieren ist im allgemeinen nicht gut. Es ist ein Eingriff, der erstens den Willen des Hypnotisierten schwächt. Und zweitens ist es schwarze Magie, man überwältigt den andern. Bei gesunden Menschen darf er unbedingt nicht angewandt werden. Bei Kranken dürfte es etwas anderes sein.
Was ist mit dem Ausdruck gemeint: Hinunterwärts entwickeln?
Nehmen Sie die materialistische Anschauungsweise. Sie sagt: Hier Affe, hier Mensch , also stammt der Mensch vom Affen ab. Dem ist nicht so, sondern Affe und Mensch haben gemeinsame Ahnen, das erkennt heute auch die Naturwissenschaft an. Tatsächlich muß sich der eine auf Kosten des andern entwickeln. So gab es zu einem Zeitpunkt der alten Mondentwickelung ein Reich, dessen Wesen zwischen Tier und Pflanze standen. Ein Relikt davon ist die Mistel. Die Pflanze entwickelte sich hinunter, das Tier hinauf. Das gilt nun auch für den Menschen: gewisse Glieder entwickelte der Mensch hinauf, andere hinunter. Tatsache ist zum Beispiel, daß der Mensch einst Knorpel statt Knochen hatte. Grob ausgedrückt: er ist in der Verhärtung begriffen. Indessen ist jede Lockerung oder Loslösung der höheren Wesensglieder, wie sie durch die okkulte Schulung bewirkt wird, eine Vorausnahme späterer allgemeiner Entwickelungszustände.
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Wozu wurde der Mensch im physischen Leib inkarniert?
Der Mensch hatte wohl schon früher alle Anlagen, die er auf der Erde zur Entfaltung bringen soll, aber sie waren noch kein eigenes Besitztum. Wenn erst der Mensch nichts mehr auf dieser Welt gewinnen kann, braucht er sich nicht mehr zu inkarnieren. Dann gibt er seinen Leib an den Planeten ab.
Wie verhält es sich mit der Noahschen Flut?
Diese Flut war das große Weltereignis, das eintrat, als das Festland der Atlantis zum größten Teil versank. Sein eigentlicher Untergang erstreckte sich auf lange Zeiträume. Wie alles, was in der Bibel und den ältesten Schriften von Bedeutung ist es sind da noch unsägliche Schätze zu heben , so ist auch der Regenbogen, der zu Noahs Zeiten erstand, etwas ganz Bedeutungsvolles. Er soll, so heißt es, den Bund zwischen Gott und den Menschen symbolisieren. Aber okkult hat er noch eine andere Bedeutung. Auf der Atlantis war eine ganz andere Verteilung von Feuchtigkeit und Luft. Der germanische Mythus spricht von Niflheim, Nebelheim. Die ganze Luft war damals von Wasser erfüllt. Erst nach dem Untergang des atlantischen Festlandes konnte der Mensch der nachatlantischen Zeit leben. Der Regenbogen konnte nur entstehen, als Regen und Sonnenschein zugleich auf der Erde möglich waren.
In Beschreibungen der Atlantis liest man von lenkbaren Luftschiffen. Wie verhält es sich damit?
Bei den Atlantiern war zunächst das zweite Wesensglied des Menschen, der Ätherleib mit der Lebenskraft, hervorragend entwickelt. Dagegen war der Verstand erst ganz schwach vorhanden. Das Gedächtnis mußte ihn ersetzen. Der Atlantier rechnete zum Beispiel nicht, er kannte nicht den Wert der Zahlen, doch wußte er aus dem Gedächtnis Mengen zu beurteilen. Er wußte, wenn er zu drei Stück noch drei hinzulegte, welche Menge das geben würde; frühere, im Gedächtnis haftende Fälle verhalfen ihm zu dieser Vorstellung. Weil er nun aber das zweite Wesensglied, die Lebenskraft, voll entwickelt hatte, wußte er die Lebenskraft in der ganzen Natur für sich nutzbar
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zu machen. So kannte er die Keimkraft des Kornes und verstand es, sie herauszuziehen und zu verwenden. Und welche Kraft liegt in einem Samenkorn! Was alles entsteht aus ihm! Auch die Jogis wissen in einer gewissen Weise die Keimkraft aus dem Samenkorn herauszulocken. Denn die Erzählungen vom Stecken eines Samenkornes des Mangobaumes in die Erde und dem alsbaldigen Hervorwachsen erst von einem Trieb, dann von Baum, Blättern, Blüte und endlich Frucht ist keine ausgedachte Erzählung, sondern eine Tatsache. Daß also der Atlantier zu einem lenkbaren Luftschiff wie zu andern Dingen Lebenskräfte zu verwenden verstand, braucht nicht in das Reich der Fabel zu gehören.
Ist ein Verzicht auf den nachtodlichen Durchgang durch das Devachan möglich?
In einem gewissen Stadium der Entwickelung ist der Ätherleib so fest gefügt, daß er sich nach dem Tode nicht auflöst. Es ist das der Fall, wo der Astralleib dem Ätherleib viel Spiritualität eingeprägt hat. Weil der Ätherleib weiterbestehen kann, braucht der Schüler nicht erst ins Devachan überzugehen, den Ort, wo der neue Ätherleib gebildet wird.
Hat die Ernährungsweise wirklich eine so große Bedeutung für die Entwickelung okkulter Kräfte?
Unbedingt. Vollständig ausgeschlossen ist die Entwickelung bei Alkoholgenuß. Und das ist wieder das Eigenartige, aber Tiefbegründete, daß gerade jetzt die Abstinenz- und Temperenzfrage lebhaft auftaucht.
Aber Wein ist doch nur Traubensaft, also Fruchtsaft?
Solange der aus Trauben gewonnene Saft nur Fruchtsaft ist, ist er gut, gegoren aber nachteilig für die Entwickelung. Blicken Sie wieder in die Geschichte zurück. 600 vor Christus fing der Genuß von Wein an, war damals vielleicht schon in voller Blüte, denn da erstanden die Dionysos-Feste, durch die dem Weingott gehuldigt wurde. Aber wie alles seine Zeit hat, auch jede Frucht, so wird auch die Traube von der Erde wieder verschwinden. Denken Sie nur an das
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Auftreten der Reblaus. Vom Tier ist alles zu genießen, was vom lebenden Tier kommt Milch, Eier , von den Pflanzen das, was hinaufstrebt nach dem Licht, der Sonne zu. Deshalb sind Baumfrüchte sehr gut. Knollengewächse, die in der Erde wachsen, wie Kartoffeln, Rüben, sind nicht so günstig. Früher fraßen Menschen andere Menschen, dann genossen sie Tiere. Sie werden zur reinen Pflanzenkost übergehen und schließlich mit dem Mineral enden. Alles, was sich niederschlägt, ist zu meiden, zum Beispiel Salz. Dies bezieht sich alles auf die Entwickelung okkulter Kräfte, aber nicht auf die wissensmäßige Aneignung spiritueller Wahrheiten.
IV 33 Edelsteine und Metalle in ihrem Zusammenhang mit der Erden- und Menschheitsevolution, Leipzig, 13. Oktober 1906
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Edelsteine und Metalle in ihrem Zusammenhang
mit der Erden- und Menschheitsevolution
Leipzig, 13. Oktober 1906
Fragenbeantwortung
Frage nicht notiert.
Mit dem künstlerischen Anschauen der Pflanzen verhält es sich so, daß dieses allerdings zunächst auf den astralischen Leib wirkt, während das okkulte Schauen in den Ätherleib hineinwirkt. Der Künstler mag zu manchen seiner Werke, sei es Skulptur, Bild oder Melodie, den Urbildern begegnen, bewußt findet man sie auf dem Devachanplan.
Was ist Gold?
Als Erde und Sonne noch eine Masse bildeten und alles noch reiner Äther war, da war alles aufgelöst, und zwar in eine Feinheit wie das Sonnenlicht. Da konnten die Minerale nicht gerinnen. Erst nachdem die Sonne sich abgetrennt hatte und als etwas vom reinen Sonnenlicht bei der Erde verblieben war, verdichtete sich dieses in den Adern der Erde zum Gold. Das Gold ist verdichteter Sonnenstrahl und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Sonne.
Saphir entspricht am Menschen den Füßen. Die Füße sind ein viel wichtigeres Glied, als man gewöhnlich annimmt. Einstmals hatten die Füße noch die Fähigkeit, sich wie ansaugend festzuhalten, ähnlich wie die Fliege es tut.
Opal entspricht mehr einer Region, der auch die Lunge entsprossen ist.
Rubin hängt zusammen mit dem, was man das höhere Organ des Gehirns nennt, mit dem Intuitionsorgan.
Eisen ruft im Menschen eine gewisse Erregung der sinnlichen Natur hervor. Als die Erde sich mit dem Mars begegnete, wurde auch jene Eigenschaft im Blut erzeugt. Der Okkultist greift nicht gerne rein eiserne Gegenstände an.
Frage nach der Bedeutung des Romans «Vril» von Edward Bulwer.
Alles, was es früher in der Welt gab, kommt wieder. Der Vril-Kraft liegt etwas Besonderes zugrunde. Jetzt kann der Mensch
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eigentlich nur die Kräfte der mineralischen Natur benutzen. Schwerkraft ist mineralisch, Elektrizität ist ebenfalls mineralisch. Den Betrieb von Eisenbahnen verdanken wir der Steinkohle. Was aber der Mensch noch nicht zu benützen versteht, das ist die pflanzliche Kraft. Die Kraft, die in einem Getreidefeld die Halme herauswachsen läßt, ist noch eine latente Kraft, und diese wird der Mensch ebenso in seinen Dienst zwingen wie die Kraft der Steinkohle. Das ist Vril. Es ist dieselbe Kraft, die die Fakire noch benützen. Sie leben im Atavismus Ahnenzustandsmerkmal.
War Goethe ein Eingeweihter?
Die Initiation Goethes fand statt zwischen seinem Leipziger und Straßburger Aufenthalt, wo er dem Tode nahe war. Es kam ihm aber damals nicht zum Bewußtsein. Dies geschah erst 1795. Schon 1784 tauchte es wieder neu in ihm auf, aber noch undeutlich. Damals schrieb er das Fragment gebliebene Gedicht «Die Geheimnisse» in einem erleuchteten Augenblick. Erst im «Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie» legte er sein Bekenntnis nieder. Seine Einweihung auf dem physischen Plan geschah durch eine ganz bestimmte Persönlichkeit.
IV 34 Edelsteine und Metalle in ihrem Zusammenhang mit der Erden- und Menschheitsevolution, Fragenbeantwortung zum Vortrag Leipzig
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Edelsteine und Metalle in ihrem Zusammenhang
mit der Erden- und Menschheitsevolution
Leipzig, 13. Oktober 1906
Fragenbeantwortung
Frage nicht notiert.
Mit dem künstlerischen Anschauen der Pflanzen verhält es sich so, daß dieses allerdings zunächst auf den astralischen Leib wirkt, während das okkulte Schauen in den Ätherleib hineinwirkt. Der Künstler mag zu manchen seiner Werke, sei es Skulptur, Bild oder Melodie, den Urbildern begegnen, bewußt findet man sie auf dem Devachanplan.
Was ist Gold?
Als Erde und Sonne noch eine Masse bildeten und alles noch reiner Äther war, da war alles aufgelöst, und zwar in eine Feinheit wie das Sonnenlicht. Da konnten die Minerale nicht gerinnen. Erst nachdem die Sonne sich abgetrennt hatte und als etwas vom reinen Sonnenlicht bei der Erde verblieben war, verdichtete sich dieses in den Adern der Erde zum Gold. Das Gold ist verdichteter Sonnenstrahl und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Sonne.
Saphir entspricht am Menschen den Füßen. Die Füße sind ein viel wichtigeres Glied, als man gewöhnlich annimmt. Einstmals hatten die Füße noch die Fähigkeit, sich wie ansaugend festzuhalten, ähnlich wie die Fliege es tut.
Opal entspricht mehr einer Region, der auch die Lunge entsprossen ist.
Rubin hängt zusammen mit dem, was man das höhere Organ des Gehirns nennt, mit dem Intuitionsorgan.
Eisen ruft im Menschen eine gewisse Erregung der sinnlichen Natur hervor. Als die Erde sich mit dem Mars begegnete, wurde auch jene Eigenschaft im Blut erzeugt. Der Okkultist greift nicht gerne rein eiserne Gegenstände an.
Frage nach der Bedeutung des Romans «Vril» von Edward Bulwer.
Alles, was es früher in der Welt gab, kommt wieder. Der Vril-Kraft liegt etwas Besonderes zugrunde. Jetzt kann der Mensch
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eigentlich nur die Kräfte der mineralischen Natur benutzen. Schwerkraft ist mineralisch, Elektrizität ist ebenfalls mineralisch. Den Betrieb von Eisenbahnen verdanken wir der Steinkohle. Was aber der Mensch noch nicht zu benützen versteht, das ist die pflanzliche Kraft. Die Kraft, die in einem Getreidefeld die Halme herauswachsen läßt, ist noch eine latente Kraft, und diese wird der Mensch ebenso in seinen Dienst zwingen wie die Kraft der Steinkohle. Das ist Vril. Es ist dieselbe Kraft, die die Fakire noch benützen. Sie leben im Atavismus Ahnenzustandsmerkmal.
War Goethe ein Eingeweihter?
Die Initiation Goethes fand statt zwischen seinem Leipziger und Straßburger Aufenthalt, wo er dem Tode nahe war. Es kam ihm aber damals nicht zum Bewußtsein. Dies geschah erst 1795. Schon 1784 tauchte es wieder neu in ihm auf, aber noch undeutlich. Damals schrieb er das Fragment gebliebene Gedicht «Die Geheimnisse» in einem erleuchteten Augenblick. Erst im «Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie» legte er sein Bekenntnis nieder. Seine Einweihung auf dem physischen Plan geschah durch eine ganz bestimmte Persönlichkeit.
IV 35 Geisteswissenschaftliche Gesichtspunkte zur Erziehungsfrage, Leipzig, 12. Januar 1907
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Geisteswissenschaftliche Gesichtspunkte zur Erziehungsfrage
Leipzig, 12. Januar 1907
Als vor drei Jahrzehnten die theosophische Bewegung begründet wurde, handelte es sich von seiten der führenden Persönlichkeiten nicht darum, eine neue Lehre einzuführen, wodurch die Wißbegierde befriedigt würde, sondern vor allem darum, weiteren Kreisen eine geistige Einsicht zugänglich zu machen, durch die man die wichtigen Fragen des praktischen Lebens mit Hilfe geistiger Erkenntnisse lösen kann. Eine von diesen Fragen, an denen sich zeigt, wie die Geisteswissenschaft in das praktische Leben eingreift, bildet auch das Thema dieses Vortrages, die Erziehungsfrage.
Die Erziehungsfrage kann nur richtig im Zusammenhang mit der intimeren Kenntnis der menschlichen Wesenheit behandelt werden. Durch die Menschenerkenntnis, die in des Menschen übersinnliches Wesen eindringt, ergeben sich jedem, der es mit dieser Frage ernst nimmt, grundlegende Erziehungsprinzipien. Zu diesem Zwecke müssen wir von einer Betrachtung des Wesens des Menschen ausgehen. Die Frage nach dem Wesen des Menschen liefert die Grundgedanken zur Beantwortung der Erziehungsfragen.
Was die äußeren Sinne vorn Menschen erfassen können, ist für die Geistesforschung nur ein Glied der menschlichen Wesenheit. Diesen physischen Leib, das physische Wesen hat der Mensch gemein mit der ganzen übrigen Natur.
Als zweites Glied der menschlichen Wesenheit findet die okkulte Forschung durch das geistige Auge den Ätherleib oder Lebensleib. Er ist ein Organismus, feiner als der physische Leib, aber in allen Organen und Teilen gleich diesem gebildet. Es ist jedoch vielleicht besser, wenn man ihn als eine Summe von Kraftströmungen auffaßt, als den Architekten des physischen Leibes. Der letztere ist gleichsam aus dem Ätherleib herauskristallisiert. Wie sich durch Abkühlung aus dem Wasser das Eis entwickelt, so hat sich der physische Leib aus dem Ätherleib herausgebildet. Diesen Äther-
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leib oder Lebensleib hat der Mensch gemeinsam mit allen lebenden Wesen.
Das dritte Glied der menschlichen Wesenheit ist der Astralleib, der Träger von allen niederen und höheren seelischen Eigenschaften des Menschen, der Träger von Lust und Leid, Freude und Schmerz und allen Willensimpulsen. Dieses dritte Glied, das durch die Herausbildung der höheren Wahrnehmungsorgane geschaut werden kann, hat der Mensch gemeinsam mit der ganzen Tierwelt. Es umgibt den Menschen wie eine Art Wolke, die den physischen Leib und Ätherleib zugleich durchsetzt. Dieses Wesensglied ist in fortwährender Bewegung und spiegelt alles ab, was im Menschen vorgeht. Die Bezeichnung Astralleib ist verschiedentlich angefochten worden. Aber wie der physische Leib durch seine physischen Stoffe mit der ganzen Erde verbunden und von ihr abhängig ist, so steht der Astralleib mit der ganzen die Erde umgebenden Sternenwelt in Beziehung, und alle die Kräfte, welche das Schicksal und den Charakter des Menschen wesentlich bedingen, haben Zusammenhang mit jener Welt.
Einer der neueren Geister, Goethe, der tief hineingeschaut hat in die Zusammenhänge zwischen der Natur und dem geistigen Menschen und seinen Zusammenhang mit dem Kosmos, sagt:
Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
Bist alsobald und fort und fort gediehen
Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.
Wegen seiner Beziehung zur Sternenwelt wird also das dritte Glied der menschlichen Wesenheit der Astralleib genannt.
Das vierte Glied hat der Mensch nicht gemeinsam mit andern Wesen, es ist das, was den Menschen die Kraft gibt, Ich zu sich
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selbst zu sagen. Ich ist das geheimnisvolle Wort, das jeder nur zu sich selbst sagen kann, in dem Worte Ich spricht die Seele ihren göttlichen Urfunken aus. Mit dem Ich beginnt der Gott im Inneren des Menschen zu sprechen. In den jüdischen Geheimschulen nannte man das Ich den unaussprechlichen Namen Gottes, und ein Schauer der Ehrfurcht ging durch die Menge, wenn der Eingeweihte den für die Außenstehenden unaussprechlichen Namen aussprach: Jahve Ich bin der Ich-bin.
Diese vier Glieder bilden die Vierheit in der menschlichen Natur. Diese Vierheit ist in allen Menschen vorhanden. Sie entwickelt sich von der Kindheit zum Mannesalter heran, aber dies geschieht durchaus differenziert, und wir müssen daher jeden Teil im Menschen gesondert betrachten.
Veranlagt ist schon alles im Embryo, aber die Entwickelung geht ganz verschieden vor sich. Der Mensch kann sich nicht ohne eine Umgebung entwickeln, er kann nur gedeihen, wenn er von andern Wesen und Gliedern des Kosmos umgeben ist. So muß der mütterliche Organismus den Menschen bis zu einer gewissen Reife umschließen. Was bei der physischen Geburt vor sich geht, wiederholt sich, denn bei der physischen Geburt wird noch nicht der ganze Mensch geboren, sondern so wie der sich entwickelnde Menschenkeim vom physischen mütterlichen Organismus umschlossen wird, so ist der Mensch nach der physischen Geburt von einem geistigen Organismus umgeben, welcher der ganzen Geistwelt angehört. Das Kind ist umgeben von einer Ätherhülle und von einer Astralhülle und ruht darin, wie der Embryo im Mutterschoß.
Im siebenten Lebensjahr, um die Zeit des Zahnwechsels, löst sich vom Ätherleib eine Ätherhülle los, wie sich bei der physischen Geburt der mütterliche Organismus vom physischen Körper des Kindes löst. Der Ätherleib wird frei, während sich vorher eine Wesenheit aus demselben Äther dem Ätherleibe anschließt und Strömungen von ihr auf das Kind übergehen, wie dies vor der physischen Geburt im Mutterleib geschieht. Nach und nach wird das Kind also zum zweiten Mal, und jetzt ätherisch, geboren. Nun ist noch immer das dritte Glied, der Astralleib, von einer schützenden
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Astralhülle umgeben. Diese Astralhülle umgibt den Menschen bis zur Geschlechtsreife, bis zum vierzehnten, fünfzehnten Jahre, und zieht sich dann zurück. So wird der Mensch zum dritten Mal geboren, die astrale Geburt findet statt.
Diese dreifache Geburt zeigt, daß wir jedes Wesensglied getrennt betrachten müssen, denn bei jedem neugeborenen Kinde ist nur das erste Glied, der physische Körper, freigelegt. Und wie es unmöglich ist, das Licht von außen durch den mütterlichen Organismus an das Kind heranzubringen, ebenso sollte es vermieden werden, Einflüsse von außen an den Ätherleib heranzubringen, ehe derselbe frei geworden ist von der Ätherhülle. Vor dem Zahnwechsel sollten keine Einflüsse an den Ätherleib herankommen, und vor der Geschlechtsreife keine an den Astralleib. Bis zum siebenten Lebensjahre können wir erzieherisch auf den Menschen nur dann richtig wirken, wenn wir ihn vom Physischen her beeinflussen. Wie die Pflege der Mutter innig zusammenhängt mit dem Gedeihen des Embryo, so muß auch die Unantastbarkeit und Heiligkeit der Ätherhülle geschützt werden, wenn sich das Kind gedeihlich entwickeln soll. Bis zum Zahnwechsel ist nur der physische Körper für Wirkungen von außen empfänglich, daher kann bis dahin nur der physische Körper erzogen werden, und wenn in dieser Zeit etwas von außen an den Ätherkörper herangebracht wird, dann versündigt man sich am Ätherleibe des Kindes. Der Ätherleib ist beim Menschen der Träger alles dessen, was bleibend an ihm ist, der Träger von Gewohnheiten, Charakter, Gewissen, Gedächtnis, Temperamentsanlagen. Am Astralleib haftet die Urteilsfähigkeit, das vernunftgemäße Urteil über die Umgebung. So wie sich bis zum siebenten Jahre die äußeren Sinne des Kindes entwickeln sollen, so werden bis zum vierzehnten Jahre die Gewohnheiten, das Gedächtnis, das Temperament und so weiter freigegeben und dann bis zum zwanzigsten, einundzwanzigsten Jahre der kritische Verstand, das selbständige Verhältnis zur Umwelt.
Daher gibt uns die Geisteswissenschaft ganz bestimmte Regeln für die Erziehung des Kindes in diesen einzelnen Lebensepochen. So gehört zur Pflege des Kindes bis zum siebenten Jahre alles, was
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mit dem physischen Leib zusammenhängt. Darunter fällt die harmonische Ausbildung der Organe durch die Einwirkung auf die Sinne des Kindes. Die Physis ist daher das Maßgebende, das zu Erziehende. Dem tragen wir dadurch Rechnung, daß wir dem Kinde alles bringen, was durch die Sinne heranbildend wirkt. Aristoteles sagt: Der Mensch ist das nachahmendste der Tiere. Das Kind ist also ein Nachahmer, alles steht bei ihm unter dem Zeichen der Nachahmung dessen, was es hört und sieht. In diesem Alter haben Gebote und Verbote wenig Bedeutung. Die größte Bedeutung aber hat das Vorbild, dadurch muß die Umgebung die Sinne des Kindes erwecken. Wie wir sind, das ist die Hauptsache, und bis in die Feinheiten hinein muß der Erwachsene sein eigenes Tun und Lassen beobachten. Er darf nichts tun, was das Kind nicht nachahmen darf, denn alles, was es sieht, das betrachtet es als etwas, was es selber tun und nachahmen darf. So überraschte ein gutgeartetes Kind seine Eltern damit, daß es Geld aus einer Kassette genommen hatte. Die Eltern waren entsetzt und glaubten, das Kind hätte einen Hang zum Stehlen. Auf Befragen stellte sich aber heraus, daß das Kind einfach nur nachgeahmt hatte, was es Vater und Mutter täglich hatte tun sehen. Auf Vorbild und Nachahmung beruht die Erziehung bis zum Zahnwechsel. Daher muß der Erzieher bis zum siebenten Jahre des Kindes in jeder Hinsicht Vorbild sein. Unrichtig wäre es auch, dem Kinde bis dahin die Bedeutung der Buchstaben einprägen zu wollen. Es kann nur ihre Form nachahmen, denn die Kraft zum Begreifen ihrer Bedeutung haftet am Ätherleib.
In diesen Jahren, in denen die Organe des Kindes entwickelt und gesunde Anlagen begründet werden sollen, ist auch alles höchst wichtig, was an moralischen Dingen in der Umgebung des Kindes vorgeht. Es ist auch durchaus nicht gleichgültig, ob das Kind Schmerz und Leid oder Lust und Freude um sich her sieht, denn Freude und Lust begründen gesunde Anlagen im physischen Körper. Alles um das Kind herum sollte Freude und Lust atmen, und beides hervorzurufen sollte der Erzieher bedacht sein, bis auf die Farbe der Kleider, der Tapeten und Gegenstände. Dabei ist sorgfältig die individuelle Anlage des Kindes zu berücksichtigen. Ein
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Kind, das zu Ernst und Stille neigt, sollte dunklere, bläuliche, grünliche Farben in seiner Umgebung sehen, ein lebhaftes, lebendiges Kind gelbliche, rötliche Farben, weil dadurch die Fähigkeit der Sinne zur Erweckung der Gegenfarbe hervorgerufen wird. Die Organe, die jetzt heranentwickelt werden, müssen dadurch veranlaßt werden, ihre inneren Kräfte herauszubilden. Darum sollte man dem Kinde auch keine fertigen Spielsachen geben, wie Baukasten, Puppen und so weiter. Jedes Kind zieht eine selbstgemachte Puppe aus einem Stiefelknecht oder einer alten Serviette den ausgeputzten Wachsdamen vor. Warum tut es das? Weil dadurch die Imagination geweckt wird, weil die Phantasie in Tätigkeit gesetzt wird und die inneren Organe anfangen zu arbeiten zur Freude und Lust des Kindes. Wie lebendig und interessiert ist solch ein Kind bei seinem Spiel, wie geht es mit Leib und Seele in dem auf, was seine Imaginationen ihm vorspiegeln! Und wie lässig und unvergnügt sitzt das andere da, bei dem die inneren Sinne in Untätigkeit verharren. Das Kind hat eine sehr gesunde Einsicht für das, was ihm gut oder schädlich ist. Es steht in einem solchen Verhältnis zur Außenwelt, daß es abweist, was dem physischen Körper, zum Beispiel dem Magen, nicht bekommt, und Begierde zeigt nach dem, was demselben frommt. Und töricht wäre es, den gesunden Begierden, welche die Entwickelung fördern, entgegenzuarbeiten und das Kind zum Beispiel zum Essen von Nahrungsmitteln zu zwingen, welche die natürlichen Instinkte austreiben. Jeder Anflug von Asketismus ist eine Ausrottung der natürlichen Gesundheit.
Gegen das siebente Jahr, im Verfolg des allmählichen Zahnwechsels, lösen sich die Umhüllungen des Ätherleibes, und jetzt muß der Erzieher alles heranbringen, was den Ätherleib ausbildet, was auf denselben entwickelnd wirkt. Aber er muß sich noch hüten, zu großen Wert darauf zu legen, daß die Vernunft und der Verstand ausgebildet werden. In dieser Zeit, zwischen dem siebenten und zwölften Jahre des Kindes, handelt es sich vorzugsweise um Autorität, Glauben, Vertrauen, Ehrfurcht. Wichtig für die ganze spätere Lebensentwickelung ist es, daß das Kind möglichst viele Momente erlebt habe wie den folgenden: Das Kind sieht mit einer gewissen heiligen
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Scheu zu einer verehrten Person auf, es hat Ehrfurcht im tiefsten Inneren, die ihm verbietet, irgendeinen Gedanken von Kritik oder Opposition ihr gegenüber aufkommen zu lassen. Da steht es eines Tages vor der Türe dieser verehrten Person und empfindet eine heilige Scheu, auf die Klinke zu drücken und das Zimmer zu betreten, das ihm ein Heiligtum ist. Diese Momente der Ehrfurcht sind Kräfte für das spätere Leben, und von ungeheurer Bedeutung ist, daß der Erzieher selbst dem Kinde Autorität sei. Die Menschen, die das Kind umgeben, die es sieht und hört, müssen seine Ideale sein. Aus der Geschichte und Literatur sollte sich jedes Kind einen Helden wählen, zu dem es mit Bewunderung und Ehrfurcht aufsieht. Es ist ganz falsch, wenn die materialistische Weltanschauung sich gegen die Autorität ausspricht und das Gefühl der Hingebung und Verehrung mißachtet. Wichtig ist, daß in dieser Zeit das Gedächtnis herausgebildet wird. Und zwar geschieht das zunächst am besten auf ganz mechanische Weise. Nicht die Rechenmaschine sollte benützt werden, sondern Zahlen und Gedichte und so weiter sollten gelernt und dadurch das Gedächtnis entwickelt werden.
In alten Zeiten erzog man in dieser Hinsicht das Kind sehr vernünftig. Die guten alten Kinderlieder und Ammenlieder, bei denen es nicht auf die intellektuelle Bedeutung, sondern auf das Erwecken einer unmittelbaren Empfindung ankam, erscheinen heutzutage, wo das Verständnis dafür verlorengegangen ist, sinnlos. Aber es liegt gleichwohl ein tiefer Sinn darin verborgen. Es kam beim Vorsingen auf den Zusammenklang und die Harmonie für das kindliche Ohr an, daher die oft sinnlosen Reime. Wer zwischen sieben bis vierzehn Jahren im Ätherleib keinen festen Grundstock an Charakter, Gedächtnis und so weiter bekommen hat, ist falsch erzogen. Der Weg zur richtigen Erziehung ist in dieser zweiten Lebensperiode die Autorität. Was das Kind ahnt als innerste Natur des Menschen, der ihm Autorität ist, das bildet sein Gewissen, seinen Charakter, und sogar sein Temperament aus und wird zur dauernden Anlage bei ihm. Bildend auf den Ätherleib wirkt in diesen Jahren auch das Gleichnis und Sinnbild, überhaupt alles, was durch Gleichnisse die Welt erkennbar macht. Daher der Segen der Märchenbücher in dieser
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Zeit und das Vorführen großer Persönlichkeiten und Helden in Sage und Geschichte.
Wichtig ist auch der Turnunterricht, der ein Gefühl von Kraft, Gesundheit und Lebensfreudigkeit im Kinde hervorruft und daher ebenso organbildend wirkt wie Lust und Freude. Aber der Turnunterricht hat gerade jetzt große Mängel. Der Turnlehrer sollte seine Zöglinge nicht mit dem Blick des Anatomen betrachten, sondern darauf sinnen, durch welche Bewegungen des Leibes der Seele das Gefühl von erhöhter Kraft und dem Kinde der Genuß seiner Leiblichkeit bereitet werde. Der Lehrer muß sich intuitiv hineindenken in die fühlende Seele des Kindes und jede Turnübung so berechnen, daß sie das Gefühl der wachsenden Kraft erzeugt.
Einen großen Einfluß bis in unseren Ätherleib und Astralleib übt jedes künstlerische Gebilde aus. Daher muß echtes, wahres Künstlerisches den Ätherleib durchdringen. Gute Vokal- und Instrumentalmusik ist zum Beispiel von hoher Bedeutung, und das Kindesauge sollte viel Schönes um sich her erblicken.
Aber durch nichts ist der Religionsunterricht zu ersetzen. Die Bilder des Übersinnlichen prägen sich tief in den Ätherleib ein. Das Kind sollte nicht Kritik und Urteil über ein Glaubensbekenntnis lernen, sondern es muß Bilder von dem Unendlichen bekommen. Alle religiösen Vorstellungen müssen Bildervorstellungen werden; das Gleichnis wirkt kräftig ein auf den Ätherleib. Die größte Sorgfalt muß gelegt werden auf die Erziehung aus dem Lebendigen heraus.
Der kindliche Geist hat heutzutage zuviel mit dem Toten zu tun. Dem können im ersten Lebensjahrsiebent beispielsweise bewegliche Bilderbücher entgegenwirken. Alles sollte Handlung, Tat, Leben sein, das belebt den Geist und bewegt das Innere. Darum muß man das Kind nicht mit dem Baukasten bauen und mit fertigen Sachen spielen lassen, es muß lernen, das Lebendige aus dem Unlebendigen hervorzubringen.
An dem sich entwickelnden Gehirn des Kindes erstirbt vieles, wenn es mit toten Verrichtungen wie Flechtarbeiten und dergleichen beschäftigt wird. Ganze Anlagen bleiben dadurch unentwickelt.
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Das Spielzeug des Unlebendigen bildet auch nicht den Glauben an das Lebendige heran. Daher besteht ein tiefer Zusammenhang zwischen der Kindererziehung und der Glaubenslosigkeit unseres Zeitalters.
Bei der Geschlechtsreife fallen die astralen Hüllen. Mit dem Gefühl für das andere Geschlecht tritt die persönliche Urteilskraft hervor. Von da an kann man an das Ja und Nein, an den kritischen Verstand appellieren. Erst vom zwölften Jahre an bildet sich die Urteilskraft heraus, doch bedarf dieser Prozeß geraumer Zeit. Kritiker von neunzehn oder zwanzig Jahren können unmöglich ein wirklich zutreffendes Urteil haben. Äußerst wichtig ist es, wer dem jungen Menschen in diesem Lebensalter als Lehrer entgegentritt, um seine Lernbegierde und seinen Freiheitsdrang in die rechten Bahnen zu lenken.
Diese Grundsätze ergeben sich aus der Geistesforschung und sind für die gesunde Weiterbildung des Menschengeschlechtes von größter Bedeutung. Die Theosophie kann durch dieselben in die wichtigsten Vorgänge des Menschenlebens praktisch eingreifen. So erfüllt diese geistige Weltanschauung den Erzieher mit einer Fülle von Einsichten, wie sie das Rätsel des heranwachsenden Menschen erfordert. Die Geisteswissenschaft soll nicht nur überzeugen, lehren, sie soll tun, handeln, eingreifen ins praktische Leben. Sie soll sich bewähren, sie soll in alle Handgriffe einfließen und ein gesundes Leben in leiblicher und geistiger Beziehung bewirken. Theosophie ist nicht nur eine richtige, sondern auch eine gesunde Wahrheit. Am besten können wir der Menschheit dienen und ihr soziale und andere Kräfte zuführen, wenn wir dieselben herausholen aus dem werdenden Menschen. Der werdende Mensch, der sich entwickelnde Mensch ist eines der größten Rätsel des Lebens, und der rechte Erzieher muß ein Rätsellöser sein in der praktischen Heranbildung des werdenden Menschen.
IV 36 Tierseele und menschliche Individualität, Leipzig, 16. März 1907
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Tierseele und menschliche IndividualitÄT
Leipzig, 16. März 1907
Die Frage nach der Beseelung anderer Geschöpfe, als es der Mensch ist, soll uns heute beschäftigen, besonders die Frage, ob die Tiere in irgendeiner Weise beseelt sind oder nicht. Dem, der über solche Dinge obenhin huscht, mag sie überflüssig erscheinen, und doch haben sich auch schon früher hochstehende Menschen damit beschäftigt. Bereits Cartesius, der im Beginn des 17. Jahrhunderts lebende Erneuerer der im Mittelalter erstorbenen Philosophie, warf diese Frage auf. Er sah freilich die Tiere wie Maschinen an, wie Wesen, bei denen man von einer eigentlichen Beseelung nicht sprechen kann, Reflexmaschinen. Wer das Tierleben sinnig betrachtet, wird diese Ansicht schwerlich teilen können. Wir brauchen nur darauf hinzuweisen, wie manche Tiere in unserer Umgebung Dinge ausführen, Beziehungen knüpfen auch unter sich, die ohne Seele schwer zu denken sind. Ein Beispiel ist die Treue des Hundes. Wir können uns schwer dem Gedanken hingeben, daß nichts in seinem Inneren lebt, ähnlich dem, was im Menschen lebt.
Wenn wir gewisse Verrichtungen betrachten, können wir da absehen von einer höheren geistigen Tätigkeit? Betrachten wir zum Beispiel einen Biberbau. Diese so kunstvolle Ausführung würde für einen Menschen eine große geistige Anstrengung bedeuten. Wie etwa gewisse Balken genau, aber auch ganz genau im richtigen Winkel dem Gefälle des Wassers und den jeweiligen Verhältnissen angepaßt sind, darin liegt eine tiefe Weisheit.
Nehmen Sie die Ameisen! In jedem Ameisenhaufen treffen Sie etwas wie eine weise staatliche Einrichtung der Menschen, ja sogar über die der jetzigen Menschen hinausgehend. In drei Gruppen sind die Ameisen geteilt: Arbeiter, Männchen und Weibchen. Nachweisbar ist, daß die Arbeiter sehr klug, die Weibchen dümmer und die Männchen sehr dumm sind. Alles in dem Bau ist kunstvoll gegliedert: wie sie alles Nötige herbeischaffen zum Bau und zur Aufzucht der Jungen, wie sie ihre Raubzüge ausführen und so weiter. Wenn
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alles dies im Menschenstaat eine seelische Tätigkeit notwendig macht, so können wir den Tieren eine Beseelung nicht absprechen. Die Menschen geben sich da immer zufrieden mit dem Instinkt, aber sie versuchen nie, sich etwas unter dem Instinkt zu denken. Wir müssen nun auch die andere Seite betrachten und nicht übersehen, daß ein grundlegender Unterschied besteht zwischen dem, was das Tier, und dem, was der Mensch leistet mit seiner Seele. Wir wollen da von einer bestimmten Tatsache als Beispiel ausgehen. Reisende konnten mehrfach bemerken, daß, wenn sie sich bei Kälte ein Feuer anmachten und dies dann verließen, die Affen kamen und sich daran wärmten. Nie aber wurde bemerkt, daß ein Affe Holz geholt hätte, das Feuer zu unterhalten. Zu dieser Kombination kommt er nicht, und das ist eminent wichtig: Aus eigenen geistigen Fähigkeiten kann er nicht Neues dazutun, wie das Feuer zu schüren und so weiter.
Wenn wir uns die Tierseele klarmachen wollen, müssen wir von diesem Unterschied zur Menschenseele ausgehen. Ein weiterer Unterschied zwischen der Tier- und Menschenseele ist, daß Sie von jedem Menschen eine Biographie schreiben können, vom Tiere nicht. Das ist sehr wichtig. Fragen Sie sich über Ihr Interesse an den verschiedenen Wesen, so werden Sie finden, daß Sie dasselbe Interesse wie einem einzelnen Menschen bei den Tieren einer ganzen gleichgearteten Gruppe entgegenbringen. Stellen Sie sich einen Löwen vor, so empfinden Sie für den Löwengroßvater, -vater, -sohn, -enkel und so weiter genau dasselbe. Dem Menschen gegenüber würde Ihnen diese Auffassung geradezu als frivol erscheinen. Daß ein Hundebesitzer vielleicht behaupten wird, von seinem Hund eine Biographie schreiben zu können, sagt nichts. Sie können ja schließlich auch die Biographie einer Stahlfeder schreiben oder über die Unterschiede im Leben einer Stopfnadel und einer Nähnadel. Das ist nur ein übertragener Begriff. So stark sich die ganze tierische Art unterscheidet, so stark unterscheidet sich der einzelne individuelle Mensch. Eine gemeinsame Seele lebt in der ganzen Tiergruppe. Wie Ihre zehn Finger Glieder Ihrer Hand sind, so sind alle Wölfe Glieder der Wolfsgruppenseele.
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Nun müssen wir noch genauer auf die Menschenseele eingehen, die früher nicht so individualisiert war wie heute. An einem Punkte der Menschheitsentwickelung stand der Mensch der Gruppenseele viel näher. Tacitus gibt in seiner «Germania. hundert Jahre nach Christus ein Bild der einzelnen germanischen Völkergruppen. Da fühlten sich alle Glieder einer Gruppe zueinander gehörig, mit Unterschieden natürlich, denn alles in der Menschheitsentwickelung ist gradweise. Da sahen sich auch alle Angehörigen einer Gruppe gleich. Die ausgeprägt individuellen Physiognomien sind das Zeichen für die Entfernung der einzelnen Seele von der Gruppenseele. Bei den Wilden finden Sie noch heute mehr oder weniger die gleiche Physiognomie. Wir müssen diese Tatsache festhalten, daß die ausgeprägte Physiognomie der Beweis ist dafür, daß die Individualität gestaltend auf den Leib wirkt. Dies wird bei weiterentwickelten Menschengeschlechtern immer noch mehr ausgeprägt werden. Es wird eine Zeit kommen, wo der Volkscharakter ganz zurücktritt. Wird eine Seele einmal hier in dieser, einmal in jener Nation inkarniert, so verschwinden die Nationalunterschiede, da wird jeder nur immer wieder sich selbst gleich sehen, je mehr sich seine Individualität durchgearbeitet hat. Früher, als noch immer innerhalb eines Stammes geheiratet wurde, hielten die Glieder zusammen wie Finger einer Hand, rächte einer des andern Schmach, als sei sie ihm geschehen. Dieser Zusammenhalt verschwindet mehr und mehr, je größer der Bund, je allgemeiner der Menschenbund, desto individueller werden die Seelen und Charaktere. Es entsteht nicht etwa ein Mischmasch, sondern je mehr Unterschiede fallen, desto mehr Individualität.
Wodurch unterscheiden sich nun die menschlichen Gruppenseelen von den tierischen? Wir müssen da weit in der Entstehungsgeschichte zurückgehen. Es gab eine Zeit, in der der Mensch noch nicht so lebte wie jetzt in seinen leiblichen Hüllen und dem geistigen Wesenskern. Ich meine die lemurische Zeit. Da waren die höchsten Wesen eine Art Menschentiere mit physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und der Anlage zum Ich, aber noch nicht mit dem Ich selber, Wesenheiten, die geeignet waren, den göttlichen
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Keim aufzunehmen. Die Seele, die heute in seinem Inneren lebt, war noch nicht dem Schoß der Gottheit entstiegen, sie lebte noch in einer Seelengeistesschicht. Denken Sie sich ein Wassergefäß mit tausend Tropfen, die ohne Trennung ineinander übergehen, eines bilden. Nehmen Sie tausend kleine Schwämmchen, von denen jedes einen Tropfen fassen kann, und tauchen Sie sie ein, so wird ein jedes erfüllt von einem Tropfen. So denken Sie sich, daß die menschlichen Hüllen den göttlichen Keim aufsaugen. Dadurch werden sie erst individuell, selbständig. Nun stellen Sie sich vor, daß anfangs die Seele nicht gleich in jedem einzelnen Wohnung nahm, sondern eine Seele sich auf viele Leiber verteilte, als Gruppenseele. Was heute im einzelnen wohnt, bewohnte damals einen ganzen Stamm. Und da müssen Sie einen neuen Begriff fassen. Solche Gruppenseele stirbt auch nicht. Die schöne bedeutsame Seite des Todes ist ein Spezifikum, ein Vorzug der individuellen menschlichen Seele. Wenn ein Teil aus einer Gruppenseele stirbt, so ersetzt er sich gleich wieder, wie der Fortsatz, den Sie einem Polypen abschneiden. So empfindet die Gruppenseele, die nicht auf den physischen Plan hinuntersteigt, den Tod als Abgang eines Gliedes, die Geburt als Nachwachsen eines solchen. Den Vorzug des Todes hat sie nicht. Erst wenn ein sinnliches Wesen sagt: Ich bin es , beginnt der Tod ins individuelle Leben einzugreifen. Durch den Tod erkämpft, erringt der Mensch sich sein höheres Leben. Würde nicht der Tod überwunden, so könnte er nicht durch ihn zu noch höherem Leben gelangen.
Auf dem Astralplan finden wir die Seelen der Tiere, die mit jedem einzelnen ihrer Gruppe durch einen Faden verbunden sind. Um zu begreifen, wie tierische Gruppenseelen entstehen, müssen Sie sich klar darüber sein, was den Menschen zum physischen Wesen macht, wie es ist.
Als die Gotteskeime herunterkamen, fanden sie die Träger sehr verschieden. Manche besonders ausgebildet zum Kampf, andere ähnlich gestaltet, aber mehr ausgebildet zur Arbeit, zur Geduld und so weiter. So daß die verschiedenen Körper in der mannigfaltigsten Ausbildung, auch in der äußeren Gestalt, verschieden wurden. Was
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heute an niederen Tieren, wie Insekten und anderen, existiert, das ist schon bei einer früheren Erdenverkörperung abgezweigt worden und für sich entstanden.
Jetzt beschäftigen uns nur die Tiere von den Fischen aufwärts. Als das Heruntersteigen in den wartenden Leib geschah, der äußerlich, nicht innerlich, auf der Höhe ungefähr des Fischleibes stand, waren noch keine Säugetiere vorhanden. Der Mensch, der damals lebte, mußte sich halb schwimmend, halb schwebend fortbewegen und hatte dazu flossenartige Organe. Was an seinem Leib geschehen ist auf Erden, geschah durch die in ihm wohnende Menschenseele. Erst im Laufe langer Entwickelungen wurde dieser zu dem jetzigen gottähnlichen Leibe umgestaltet. Manches ist auf dem langen Wege stehengeblieben. Weil sich aber die Erde mittlerweile weiter verwandelte, wurde aus dem Stehenbleiben ein Abwärtsentwickeln der Leiber. Nehmen Sie als Beispiel zwei Geschwister: Eines wandelt sich um durch alle Lebensalter, das andere bleibt auf der Kindheitsstufe stehen. Mit sechzig Jahren schaut es aber dann nicht mehr so aus wie ein Kind. So sind die jetzigen Fische heruntergekommen und schauen anders aus als früher. Die Menschheit entwickelte sich weiter und gestaltete alles bis zum Säugetierleibe. Überall blieben wieder welche stehen, durch Dekadenz herabgekommene Menschen. Wenn Sie sich richtig hineinversetzen, werden Sie begreifen, daß alle Tiere auf der Jugendstufe gealtert sind, zu früh gealtert sind, feste Formen angenommen haben, die sie hätten überschreiten sollen: sie sind gleichsam in ihrer ganzen Entwickelung kristallisiert. Die Hinaufentwickelung brachte nun freilich den Menschen in bezug auf gewisse Eigenschaften in eine eigentümliche Lage. Er verlor die Sicherheit. Affen in Gefangenschaft werden bald von Tuberkulose und andern Krankheiten befallen. Tiere können die menschliche Lebensweise nicht vertragen. Sie haben auch in bezug auf Nahrung eine gewisse Sicherheit. Wenn eine Kuh über eine Wiese geht, weiß sie genau, welches Kraut ihr frommt. Der Mensch hat das nicht mehr. Er braucht die Unsicherheit, um zur freien Wahlbestimmung zu kommen. Die jetzige Unsicherheit ist notwendig zur Erreichung der Sicherheit auf einer höheren Stufe. Der Mensch paßt sich
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der höheren Stufe an. So ist das Unsicherwerden Garantie, daß der Mensch selbständig sein wird. Sicher geblieben ist, was nicht so weit gekommen ist, daß das Ich in der einzelnen Wesenheit arbeitet. Wir dürfen uns ebensowenig über die Tierweisheit wundern wie über die Weisheit unserer Hand. Der einzelne Biber ist bloß der Handlanger der Gruppenseele auf dem astralen Plan. Auf einer noch ganz andern Stufe als der Biber steht die Ameise, und uns viel ferner, weil sie sich schon auf dem viel früheren Planetendasein der Erde abgespalten hat. In ihrer einseitigen Richtung hat sie es noch weiter gebracht als der Mensch. Die Menschen denken, fühlen, wollen in fester Verbindung. Sehe ich etwas, was mir gefällt, so greife ich danach. Die Vorstellung bringt das Wollen hervor. Ohne dies Ineinandergreifen würde der Mensch sehr unsicher werden. Bei der spirituellen Schulung werden Wille, Vorstellung und Gefühl auseinandergerissen, müssen ganz getrennt werden. Für die allgemeine Menschheit wird das erst im Jupiterdasein der Erde erreicht werden. Aber bevor der Schüler dies erlebt, begegnet ihm der Hüter der Schwelle und gibt ihm Klarheit über sein ganzes bisheriges Leben.
Dieses Zerfallen der Seelentätigkeit in die Dreiheit haben gewisse Tiergruppenseelen verfrüht durchgemacht. Tatsächlich sind einzelne Teile im Gehirn des Geistesschülers wie die Ameisen im Haufen differenziert. Die Ameise hat sich das verfrüht vorweggenommen und bleibt nun wie ein Kind unreif klug. Die Bibergruppenseele wird nachholen müssen, was sie versäumt hat, die Ameisenseele hat sich dies ein für allemal verscherzt und geht ganz andere Wege. Die Tierseelen sind einseitig gewordene Menschenseelen. Oken sagt: Die Zunge ist ein Tintenfisch. Das ist natürlich nicht wörtlich zu nehmen. Das Wesen aber, bei dem sich die Eigenschaften der Zunge zu sehr vorgedrängt haben, blieb dabei stehen. Paracelsus sagte die tiefen Worte: Wenn wir die Natur überschauen, sehen wir lauter einzelne Buchstaben, und das Wort, das sie bilden, ist der Mensch. All die verschiedenen Eigenschaften, die Sie im Menschen beisammen finden, denken Sie sich auf verschiedene Leiber verteilt, die jeweils zu einer Gruppenseele gehören. Tiere sind in der einseitigen Ausbildung ihrer Eigenschaften stehengebliebene Menschen.
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Der Mensch wurde Erfinder durch Verlust der Sicherheit. Das erste Element, das er in seinen Dienst zu stellen lernte, war das Feuer. Damit erklomm er die erste Stufe der Kultur, die ihn zum produktiven Wesen machte. Er ist eine Enzyklopädie der verschiedenen Tierseelen.
Nun müssen Sie sich noch über einen Punkt klarwerden. Wenn Sie zu niederen Tieren gehen, werden Sie finden, daß diese nicht durch den Ton unmittelbar Leid und Freude ausdrücken können. Die Insekten geben zwar Geräusche von sich, das sind aber Körpergeräusche. Die okkulte Wissenschaft macht da ganz abgestufte Unterschiede zwischen den tönenden Tieren und den nichttönenden. Aber erst im Menschen wird der innerliche Ton zum Wort, zur Sprache. Auch die höchststehenden Tiere haben nur einseitig ausgebildete Laute. In späterer Zeit werden die tierischen Gruppenseelen, nicht die einzelnen Tiere, Menschen werden, aber in einer ganz andern Konstitution als die heutigen Menschen.
Noch vor der Geisteswissenschaft fühlte dies Goethe und sprach es in seiner Metamorphose der Tiere wunderbar aus: sie seien wie ein auseinandergelegter Mensch. Die ganze Tierheit schaue aus der menschlichen Gestalt heraus. So sagt der Mensch, indem er auf alle tierischen Wesenheiten hinblickt: All dies in eins zusammengefaßt, bist du.
V ANHANG-1, Hinweise
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Anhang
Hinweise zu dieser Ausgabe
Hinweise zum Text
Indisch-theosophische Ausdrücke
Korrekturen-Nachweis
Namenregister
Rudolf Steiner über die Vortragsnachschriften
Übersicht über die Rudolf Steiner Gesamtausgabe
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Hinweise
Zu dieser Ausgabe
Die in dem vorliegenden Band vereinigten Nachschriften und Notizen von 31 in verschiedenen Orten gehaltenen Einzel- und Doppelvorträgen aus den Jahren 1906 und 1907 wurden im gleichen Zeitraum gehalten wie die Berliner Vorträge des Bandes «Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft», GA 96, und bilden somit eine Ergänzung zu den Berliner Darstellungen.
Alle diese Vorträge richteten sich an Mitglieder der damaligen Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft. Zu dem Vortrag in Landin über Richard Wagners «Parsifal» war es dadurch gekommen, daß Rudolf Steiner mit Marie Steiner-von Sivers und einigen anderen Freunden damals einige Ferientage auf dem Gut von Eugenie von Bredow in Landin/Westhavelmark verbrachte und anschließend von den beiden Leiterinnen des Münchner Zweiges Sophie Stinde und Pauline von Kalckreuth zur Parsifal-Aufführung in Bayreuth eingeladen worden war.
Anstelle der sonst üblichen chronologischen Folge wurden im vorliegenden Bande die Vorträge nach vier großen Themenkreisen aufgegliedert. In 14 Vorträgen beleuchtet Rudolf Steiner den spirituellen Gehalt der christlichen Offenbarungswahrheiten; 3 Vorträge behandeln Wesen und Aufgabe der luziferischen Geister, 5 Vorträge den rosenkreuzerischen Erkenntnisweg in seiner Besonderheit gegenüber älteren Einweihungsformen. Die vierte Gruppe bilden 9 Vorträge, die teils zentrale anthroposophische Erkenntnisse, teils deren Anwendung auf einzelne Lebensgebiete behandeln.
Zu den Ausdrücken «Theosophie» und theosophisch»: Zur Zeit dieser Vorträge stand Rudolf Steiner mit seiner anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft noch innerhalb der damaligen Theosophischen Gesellschaft und gebrauchte weitgehend die den Teilnehmern vertraute Terminologie. Die Worte «Theosophie» und «theosophisch» wurden von ihm jedoch von Anfang an immer im Sinne seiner selbständigen Geistesforschung verwendet. Einer späteren Angabe Rudolf Steiners zufolge sind diese Bezeichnungen für den Druck der Vorträge durch «Geisteswissenschaft» oder «Anthroposophie», «geisteswissenschaftlich» oder «anthroposophisch» ersetzt worden, es sei denn, daß ausdrücklich auf die von H. P. Blavatsky ausgegangene theosophische Strömung Bezug genommen wird, wie das in den Vorträgen Düsseldorf, 4. April 1906, Leipzig, 25. April 1906 und 12. Januar 1907, geschieht.
Zu den mehrfach vorkommenden indisch-theosophischen Bezeichnungen siehe den Hinweis auf Seite 336.
Zu den Textunterlagen: Die Vorträge wurden von verschiedenen Zuhörern mehr oder weniger gut mitgeschrieben. Regelrechte Nachschriften im Sinne einer weitgehend wörtlichen Wiedergabe liegen nur von den Vorträgen
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Basel, 19. September 1906, Karlsruhe, 4. Februar 1907 und Wien, 22. Februar 1907 vor. Alle andern Vorträge des Bandes sind nach Kurznotizen oder referatartigen Zusammenfassungen von Hörern wiedergegeben. Die sehr aphoristische Nachschrift des Landiner Parsifal-Vortrages konnte durch Notizen von Frau Marie Steiner ergänzt werden.
Trotz der überwiegend unbefriedigenden Beschaffenheit der textlichen Unterlagen wurden die Nachschriften in die Gesamtausgabe aufgenommen, weil sie ein Bild von der Vortragsarbeit Rudolf Steiners in diesem Zeitraum vermitteln und sich inhaltlich auch in wesentlichen Einzelheiten vielfach ergänzen.
Für die 3. Auflage wurden die Hinweise überarbeitet und ein Namenregister beigefügt. Textdurchsicht: Anna Maria Balastèr und Ulla Trapp.
Der Titel des Bandes stammt vom Herausgeber der ersten Auflage; die Titel der Vorträge sind nicht von Rudolf Steiner.
Einzelausgaben:
München, 17. März 1907:
in «Das Christentum hat begonnen als Religion, aber es ist größer als alle Religionen», Freiburg i. Br. 1952;
in «Die Mysterien des Geistes, des Sohnes und des Vaters», Dornach 1981, 1997
Frühere Veröffentlichungen:
Folgende Vorträge dieses Bandes wurden in der Wochenschrift «Das Goetheanum» bzw. in deren Beilage «Nachrichtenblatt» («Was in der anthroposophischen Gesellschaft vorgeht») veröffentlicht:
Düsseldorf, 11. Febr. 1906, im «Nachrichtenblatt» 1936, 13. Jg. Nrn. 1819
Köln, 2. Dezember 1906, im «Nachrichtenblatt» 1945, 22. Jg. Nr. 20
Karlsruhe, 4. Februar 1907, in «Das Goetheanum» 1945, 24. Jg. Nrn. 25015027
Düsseldorf, 7. März 1907, im «Nachrichtenblatt» 1941, 18. Jg. Nrn. 2728
München, 17. März 1907, im « Nachrichtenblatt» 1936, 13. Jg. Nrn. 67
Fragenbeantwortung zum Vortrag Stuttgart, 19. Januar 1907, im «Nachrichtenblatt» 1945, 22. Jg. Nr. 33.
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Hinweise zum Text
Werke Rudolf Steiners, welche innerhalb der Gesamtausgabe (GA) erschienen sind, werden in den Hinweisen mit der Bibliographie-Nummer angegeben. Siehe auch die Übersicht am Schluß des Bandes.
Zu Seite:
20 | auf dem Berge Tabor: Die bis Origenes und wohl zum 2. Petrusbrief 1, 18, zurückgehende Tradition bezeichnet den Tabor als Berg der Verklärung. Vgl. Rudolf Steiners Vorträge Bern, 10. September 1910 (in GA 123), und Basel, 22. September 1912 (in GA 139). Siehe auch Matth. 17, 19; Markus 9, 29; Lukas 9, 2836. |
Bel: Bezeichnung des babylonischen Gottes Marduk als «Gott» oder «Herr» schlechthin. | |
21 | Das Wiederkommen des Christus-Jesus: Siehe hierzu Rudolf Steiner, «Das Ereignis der Christus-Erscheinung in der ätherischen Welt», GA 118. |
Trappistenorden: Zisterzienser der strengen Observanz. Die Ordensregel schreibt strenges Stillschweigen, harte Feldarbeit, vegetarische Nahrung vor. Ausgangspunkt war die 1140 gegründete Benediktinerabtei La Trappe in der Normandie. | |
22, 40, 51 | Hochzeit zu Kana: Joh. 2, 111. Vgl. Rudolf Steiners Vortrag Kassel, 2. Juli 1909 (in GA 112). |
22 | Paulus nennt Christus den umgekehrten Adam: 1. Kor. 15, 5. Vgl. Rudolf Steiners Vortrag Karlsruhe, 19. Oktober 1911 (in GA 131). |
Kain und Abel: Vgl. Rudolf Steiners Vorträge in Berlin vom 10. Juni 1904, 22. Mai und 23. Oktober 1905 (in GA 93), sowie den Vortrag in Den Haag vom 27. März 1913 (in GA 145). | |
23 | Dies ist mein Leib : Matth. 26, 26 und 28. |
24 | die sieben Stufen des christlichen mystischen Weges: Vgl. R. Steiners Vorträge in Paris vom 1. Juni 1906 (in GA 94) und in Kassel vom 7. Juli 1909 (in GA 112). |
Wer will der Herr sein : Joh. 13, 16. | |
27 | Dante Alighieri, 12651321. «Die Göttliche Komödie» wird hier von Rudolf Steiner in den Grundzügen behandelt. Ganz anders im Stil ist die Darstellung im Arbeitervortrag Dornach, 14. März 1923 (in GA 349). Der Einfluß Brunetto Latinis wird geschildert im Vortrag Dornach, 30. Januar 1915 (in GA 161) und in verschiedenen Vorträgen des Jahres 1924, insbesondere im Vortrag Dornach, 10. September 1924 (in GA 238). |
Was ihr den Geist der Zeiten heißt: «Faust» I, Vers 577578. | |
deutsche Übersetzung von Carneri: Sechs Gesänge aus Dantes «Göttliche Komödie», deutsch und eingeleitet mit einem Versuch über die Anwendung der Alliteration bei Dante von B. Carneri, Wien 1896. | |
der Ethiker des Darwinismus: Bartholomäus Ritter von Carneri, 18211909. Vgl. Rudolf Steiner, «Bartholomäus Carneri, der Ethiker des Darwinismus» (in GA 30), sowie in «Die Rätsel der Philosophie», GA 18, Seiten 536539. | |
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30 | Nikolaus Cusanus, 14011464. Vgl. Rudolf Steiner, «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung» (1901), GA 7, Seiten 7799; ferner «Der Entstehungsmoment der Naturwissenschaft in der Weltgeschichte und ihre seitherige Entwicklung» (Dornach 1922/ 23), GA 326, Seiten 21, 23, 35 und 151. |
Thomas von Aquino, 12251274. In seiner Lehre hat die philosophisch-theologische Lehrentwicklung der Hochscholastik ihre vollendetste Ausprägung erfahren. Er war der «doctor angelicus». Eingehend spricht Rudolf Steiner über ihn an Pfingsten 1920 in Dornach: «Die Philosophie des Thomas von Aquino», GA 74; über sein Verhältnis zu Aristoteles im Vortrag München, 20. März 1908 (in GA 108). | |
Etwa zehntausend Jahre vor unserer Zeitrechnung: In der ersten Auflage stand laut einer anderen Nachschrift «dreißigtausend Jahre». Es ist jedoch sehr fraglich, ob diese Zahl vom Nachschreiber richtig festgehalten worden ist. Vgl. hierzu Rudolf Steiner «Okkulte Geschichte», GA 126, 5. Vortrag, Stuttgart, 31. Dezember 1910. | |
In der Zeitschrift «Kosmos»: 2. Jahrgang 1905, Heft 10; «Das Atlantisproblem». Theodor Arldt, geb. 1878, Paläonthologe und Paläogeograph. | |
31 | sie tritt in das Sternbild des Widders: Dante, «Göttliche Komödie», Inferno 1, 38f. Nach der allgemeinen Meinung der Zeit stand die Sonne im Sternbild des Widders, als Gott die Gestirne des Himmels ihr Kreisen beginnen ließ. Damit wird der Frühlingsbeginn als der Moment bestimmt, in dem Dante seine Reise beginnt. (Anmerkung W. von Wartburgs zu 1, 38 in seiner Übersetzung). |
32 | Panther, Löwe, Wölfin: Dante, «Göttliche Komödie», Inferno 1, 32f. Die drei Tiere finden sich auch schon bei Jeremias 5, 6. Vgl. Rudolf Steiners Schilderung der verzerrten drei Tiere Stier, Löwe, Adler im Vortrag Wien, 24. März 1910 (in GA 119). |
Als Virgil dem Dante entgegentritt: «Göttliche Komödie», Inferno 1,94 f. Publius Vergilius Maro, 7019 v. Chr., genoß im Mittelalter hohes Ansehen. | |
Virgils Äneïde: Epos in 12 Büchern von Äneas Irrfahrten nach der Zerstörung von Troja und seiner Ansiedlung in Italien. | |
33 | Augustinus, 354430, der größte der lateinischen Kirchenväter, lehrte die durch den Fall Adams bewirkte Unfähigkeit des Menschen zum Guten (Erbsünde) und die Erwählung einzelner Menschen zum ewigen Heil durch einen Gnadenratschluß Gottes (Prädestination). Vgl. in Rudolf Steiner «Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums» (1902), GA 8, das Kapitel: Augustinus und die Kirche. |
Homer und alle Dichter des Altertums in der Hölle: «Göttliche Komödie», Inferno, IV, 25 | |
Schilderung der Geizigen und Verschwender: Inferno, VII. | |
34 | In der Stadt Dis ist Epikur: Inferno, X. |
Fürsten, die ihr eigenes Seelenheil: Purgatorio, VII, 64 f. | |
zwischen Fegefeuer und Himmel Garten Eden: Purgatorio, XXVII, 124f.; XXVIII f. | |
die Kirche Urbild im Jenseits: Purgatorio, XXIX f. | |
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34, 124, 131, 142 | Dionysius Areopagita: Mitglied des Areopags in Athen, von Paulus bekehrt (Apostelgeschichte 17, 34). Unter seinem Namen erschienen im 6. Jahrhundert Schriften, die im Mittelalter hei Scholastikern und Mystikern höchste Verehrung genossen, insbesondere seine Hierarchienlehre. Sie wurden im 9. Jahrhundert von Scotus Erigena aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt. Deutsche Ausgabe: «Die angeblichen Schriften des Areopagiten Dionysius, übersetzt und mit Abhandlungen begleitet von J. G. V. Engelhardt», 2 Teile, Sulzbach 1823. Vgl. auch den Vortrag Rudolf Steiners in Düsseldorf vom 12. April 1909 (in GA 110). |
34 | Dann übernimmt Beatrice die Führung: Purgatorio, XXX. «Lilium»: Purgatorio, X, 21. |
Goethe in seinem Märchen: Das Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie erschien erstmalig 1795 in den «Horen» als Abschluß der Erzählung «Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten». Vgl. Rudolf Steiner, «Goethes Geistesart in ihrer Offenbarung durch seinen Faust und durch das Märchen von der Schlange und der Lilie» (1918), GA 22. | |
35 | Ihr, Beatrice, werden zuerst die Wesen des Mondes entgegengeführt: Paradiso, III. Merkur: Paradiso V,91VII. |
Auf dem Jupiter: Paradiso, XVIII 70f. | |
Auf der Sonne Thomas von Aquino und der König Salomo: Paradiso, XXIV. Der tiefsteingeweihte Jünger Johannes: Paradiso, XXVI, 169. | |
36 | Dann übernimmt der heilige Bernhard die Führung: Paradiso, XXXI, 58f. Bernhard von Clairveaux, 10911153. Vgl. Rudolf Steiners Vortrag Berlin, 16. Juli 1918 (in GA 181): « die vielleicht bedeutsamste Persönlichkeit des 12. Jahrhunderts». |
Am Schluß wird dargestellt, wie wir in Gott leben: Paradiso, XXXIII, 124 bis Schluß. | |
41 | John Worrel Keely, 18271898, amerikanischer Ingenieur. Keely wird von Rudolf Steiner öfter erwähnt, z. B. im Vortrag Berlin, 30. März 1905 (in GA 53); Berlin, 2. Januar 1906 (in GA 93); Berlin, 20. Juni 1916 (in GA 169); Dornach, 1. Februar 1918 (in GA 186); Stuttgart, 8. November 1920 (in GA 197). Sehr eingehend, wenn auch verworren: H. P. Blavatsky, «Geheimlehre», Band 1, Seiten 606 bis 617. |
42 | Auferweckung des Lazarus: Joh. 11, 145. Siehe auch das Kapitel «Das Lazarus-Wunder» in Rudolf Steiner, «Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums» (1902), GA 8. |
44 | Fußwaschung: Joh. 13, 111. |
45, 58, 70, 220 | «Wer mein Brot isset »: Joh. 13, 18. |
45 | Gleichnis vom Weinstock: Joh. 15, 18. |
46 | «Was zukünftig ist »: Joh. 16, 13. |
4749 | Ereignisse, die vorbildlich sind Backenstreich, Dornenkrönung, Kreuzigung, Tod und Auferstehung: Joh. 18. und 19. Kapitel. |
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48, 85, 101, 214 | «Und solang du das nicht hast »: Goethe, «West-östlicher Divan», das Gedicht «Selige Sehnsucht». |
48 | Jakob Böhme, 15751624. Siehe das Kapitel «Valentin Weigel und Jakob Böhme» in Rudolf Steiners «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens», GA 7. Vgl. auch die beiden Vorträge über Jakob Böhme: Berlin, 3. Mai 1906, in GA 54, und Berlin, 9. Januar 1913, in GA 62. |
50 | Von der heutigen christlichen Theologie wird das Johannes-Evangelium angefochten: Siehe z. B. David Friedrich Strauß, «Leben Jesu», Bonn 1904, Seite 30 ff; Ernest Renan, «Das Leben Jesu», Leipzig o. J. (Reclam), Seite 17ff; Adolf Harnack, »Das Wesen des Christentums», Leipzig 1901, bes. die 2. Vorlesung. |
Christian Karl Josias von Bunsen, 17911860, preußischer Diplomat und Theologe, «Bibelurkunden» 4. Teil, Seite 77, Leipzig 1866. | |
51 | unter den drei Frauen am Kreuze: Joh. 19, 25. spricht er zu seiner Mutter: Joh. 19, 26. |
52, 71, 229 | Man müßte auch das Johannes-Evangelium richtig übersetzen: Schon früher, z. B. im Vortrag München, 27. Oktober 1906 (in GA 94) hatte Rudolf Steiner über eine Übersetzung von Johannes 1, 114 gesprochen; vgl. auch den Vortrag Köln, 2. Dezember 1906 in diesem Band. |
«Im Urbeginne war das Wort »: Die Übersetzung ist wiedergegeben nach der Handschrift Rudolf Steiners (Archiv-Nr. NZ 3477); die eingeklammerten Stellen hat er in der Handschrift nachträglich eingefügt. | |
54 | «Die Sonne tönt nach alter Weise »: «Faust» I, Vers 242246. Karl Julius Schröer sagt hierzu in seinem Faust-Kommentar: «Bei den Deutschen der Urzeit herrschte der Glaube, daß man bei Sonnenaufgang einen Klang vernehme; Tacitus Germania 45. In einem Gesang Ossians, den Goethe übersetzte, heißt es: Wo aufsteigt tönend die Sonne . Nach der Anschauung der Pythagoreer spricht sich das physikalische Gesetz, durch das die Himmelskörper kreisen und gehalten sind, als Harmonie der Sphären in Tönen aus.» |
«Tönend wird für Geistesohren »: «Faust» II, Vers 46674668. Hier weist Karl Julius Schröer auf die Germanen und Ossian hin und fährt fort: «Hier hat Goethe wohl die Stelle der Iliade V, 749, VIII, 393, vor Augen. Die Horen, Wächterinnen des Olymps, hüten, öffnen und schließen das Himmelstor. An den angegebenen Stellen aber heißt es: Und auf krachte von selbst des Himmels Tor, das die Horen hüteten.» | |
57 | Franz von Assisi, 11821226, «Pater Seraphicus». Vgl. Rudolf Steiners Vortrag Berlin, 15. Februar 1909 (in GA 109) und Berlin, 22. März 1909 (in GA 107). |
58 | Die Bergpredigt: Vgl. den Vortrag Stuttgart, 19. Januar 1907 in diesem Band. |
«Da huben sie Steine auf »: Job. 8, 59. | |
61, 72, 74, 76 | «Eli, Eli, lama sabachthani»: Matth. 27, 46; Mark. 15, 34; «sabachthani» meistens übersetzt mit «verlassen». Ähnlich lautender Ausdruck «shevachthani» gleich «erhöht» oder «verherrlicht». Vgl. den 12. Vortrag in «Das Matthäus-Evangelium», GA 123. |
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62 | «Saget es niemand »: Mark. 9, 9. |
62, 139, 148, 149 | «Wer nicht verlasset »: Luk. 14, 26; Matth. 10, 37; Mark. 10, 29. |
63 | «Die Juden hatten keine Gemeinschaft »: Joh. 4, 9. |
63, 75, 143 | Einweihung des Paulus: Apostelgeschichte 9, 36. Vgl. Rudolf Steiner, «Von Jesus zu Christus», GA 131. |
68 | Buddha, der letzte Zarathustra, Pythagoras: Vgl. Rudolf Steiner, «Das Prinzip der spirituellen Ökonomie», GA 109/111, insbesondere den Vortrag vom 25. Mai 1919. Der Ausdruck «der letzte Zarathustra» ist nach Rudolf Steiner zu verstehen als die letzte von verschiedenen Inkarnationen dieser Individualität, in denen sie immer den Namen Zarathustra trug. |
68 | «Wenn des Menschen Sohn kommen wird »: Matth. 25, 31 und 34/35. « was ihr einem unter den geringsten »: Matth. 25, 40. |
70 | «Das ist mein Leib»: Matth. 26, 26 und 28. |
71 | «Im Urbeginne war das Wort»: Siehe Hinweis zu Seite 52. |
74 | «Einer unter euch wird mich verraten»: Joh. 13, 21. |
«Es war einer unter den Jüngern »: Joh. 13, 23 und 25. | |
«Jetzt ist des Menschen Sohn verherrlicht»: Joh. 13, 31. | |
75 | «Der Engel kam zu ihr »: Luk. 1, 28, 31 und 35. |
77 | Christbaum das jüngste Sinnbild des Weihnachtsfestes: Vgl. die Vorträge Rudolf Steiners in Berlin, 19. Dezember 1904, «Zeichen und Symbole des Weihnachtsfestes», sowie 21. Dezember 1909, «Der Weihnachtsbaum ein Symbolum» (in GA 117). Ein frühes literarisches Zeugnis stammt aus dem Jahre 1539 aus Straßburg (bei Kluge, Etymologisches Wörterbuch, 11. Aufl. 1934). Vgl. auch Camille Schneider, «Der Weihnachtsbaum und seine Heimat, das Elsaß», Dornach 1965. |
«Er muß wachsen »: Joh. 3, 30. | |
«Und das Licht schien in die Finsternis»: Joh. 1, 5. | |
81 | Gleichnis vom Weizenkorn: 1. Kor. 15, 3544. |
82 | Raben des Elias: 1. Könige 17, 46. |
Den Nathanael nennt Jesus einen «rechten Israeliter»: Joh. 1, 47. | |
83 | Der höchste Grad war der des Vaters: Vgl. die Vorträge Rudolf Steiners in Paris, 30. Mai 1906, und in München, 2. November 1906 (in GA 94). |
84 | Paradiesbaum Legende: Vgl. Rudolf Steiner, «Die Tempellegende und die Goldene Legende. Aus den Inhalten der Esoterischen Schule», GA 93, besonders den Vortrag Berlin, 29. Mai 1905. |
90 | der wahre Name Jahves: 2. Mose 3, 14. |
93, 220 | Goethe : «In Lebensfluten »: «Faust» I, Vers 501509. |
94 | Auferweckung des Lazarus: Joh. 11, 145. |
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94 | «Da nun Jesus seine Mutter sah»: Joh. 19, 26. |
95 | lassen den weisen Silen die Antwort geben: Siehe Friedrich Nietzsche «Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik». |
Äsop sagt: Fabel 232 «Der Hund und der Koch». | |
96, 99, 199 | Mabel Collins (Mrs. Kenningdale Cook, 18511927), «Licht auf den Weg»: Aus dem Englischen übersetzt von Oscar von Hoffmann. Siehe Rudolf Steiners Erläuterungen zu diesem Buch in GA 264, Seite 441 ff. |
98 | «heute wirst du mit mir im Paradiese sein»: Luk. 23, 43. |
100, 210, 219 | «Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis»: «Faust» II, Vers 12 104. |
101 | Zerspaltung des Schöpfungswerkes in zwei Teile: Vgl. hierzu den Vortrag Rudolf Steiners Berlin, 2. Oktober 1905 (in GA 93a). |
Wie haben wir es so herrlich weit gebracht!: Nach «Faust» I, Vers 573. | |
102ff. | Zu den beiden Vorträgen über das Vaterunser vergleiche man auch den Vortrag Berlin, 28. Januar 1907, in GA 96. |
102, 118 | «Mein Vater, ists möglich»: Matth. 26, 39. 119 «Wenn du betest . .»: Matth. 6, 6. |
126 | Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen: Mit diesem Ausdruck weist Rudolf Steiner auf hochentwickelte Individualitäten hin, welche für die Evolution der Menschheit von größter Bedeutung sind. «Diese erhabenen Wesenheiten haben den Weg bereits zurückgelegt, den die übrige Menschheit noch zu gehen hat. Sie wirken nun als die großen Lehrer der Weisheit und des Zusammenklanges der Menschheitsempfindungen.» (Aus einem Brief an Anna Wagner in Lugano, Berlin, 2. Jan. 1905, in GA 264). Vgl. auch das Kapitel «Aus dem Lehrgut über die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen» in GA 264. |
127 | Führung des Manu: Vgl. Rudolf Steiner, «Das Prinzip der spirituellen Ökonomie im Zusammenhang mit Wiederverkörperungsfragen» (1909), GA 109/111, insbesondere den Vortrag Heidelberg, 21. Januar 1909. |
130 | der großen weißen Bruderschaft: In einer Nachschrift heißt es: «der weißen Loge». 134 Die Worte der Bibel: Joh. 14, 12, 1517, 2123. |
136 | «lch und der Vater sind eins»: Joh. 10, 30. |
«Und Gott hauchte »: 1. Moses 2, 7. | |
137 | Ludwig Anzengruber, 18391889, Dramatiker und Erzähler; Rudolf Steiner verfaßte einen Nachruf auf ihn (GA 32, S. 16ff.). |
Peter Rosegger, 18431918, steiermärkischer Dichter. | |
138 | Rosegger wunderte sich nun: «Ein anderesmal mit Anzengruber auf einem Spaziergang Wir plauderten über dichterisches Schaffen und über dichterische Stoffe. Da äußerte ich, daß er in Oberbayern gelebt oder doch viel mit oberbayerischen Bauern verkehrt haben müsse. Seine Bauerngestalten erinnerten sehr an diesen Schlag. Er setzte auf die scharf |
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gebogene Nase seinen Zwicker und sagte: Oberbayern? Nein. Ich habe eigentlich mit Bauern überhaupt nie verkehrt. Wenigstens nicht näher. Als er darüber meine Verwunderung merkte: Ich brauche das nicht. Brauch so einen nur von weitem zu sehen, ein paar gewöhnliche Worte zu hören, irgendeine Geste von ihm zu beobachten: und kenne den ganzen Kerl aus- und inwendig. Sonderbar! Lieber Freund , sagte er, Sie wissen es ja selbst. Alle äußeren Gelegenheiten und Anlässe sind nur Hebammen. Gebären muß der Dichter aus sich heraus. Was Bauern! Ich bin Großstadtmensch! Aber wenn ich, wie Sie sagen, besser Bauern dichten als Stadtleut dichten kann, so mag das wohl im Blut stecken. Oder in irgendeinem Knochen, wie eine vererbte Gicht. Meine Vorfahren von der Vaterseite sind oberösterreichische Bauern gewesen. Na, und so was rumort halt nach.» Gesammelte Werke von Peter Rosegger, Leipzig, 191416, 36. Band, «Gute Kameraden Persönliche Erinnerungen an berühmte und eigenartige Zeitgenossen», Seite 145f. | |
138 | «Germania» des Tacitus: Cornelius Tacitus, um 55116 n. Chr., der größte römische Geschichtsschreiber. Der zweite Teil seines Werkes «De origine et situ Germanorum», Kap. 2846 enthält die Schilderung der einzelnen germanischen Stämme. |
hohe Altersangaben in der Bibel: Z. B. 1. Moses, 5. Kapitel. | |
140 | «Niemand kommt zum Vater denn durch mich»: Joh. 14, 6. |
Ich hin wie die Rebe am Weinstock : Abwandlung von Joh. 15, 5. | |
142 | Sünde wider den Heiligen Geist: Matth. 12, 3132; Mark. 3, 2829; Luk. 12, 10. |
im Evangelium selbst Andeutungen: Matth. 13, 1013, 3436; Mark. 4, 3334. | |
146 | «Permanentes Atom»: Eine Theorie, die von dem englischen Theosophen Charles Webster Leadbeater angestellt wurde. Annie Besant und C. W Leadbeater, «Okkulte Chemie», aus dem Englischen übersetzt von P. Lange, Leipzig 1909. |
150 | «Ihr werdet die Wahrheit erkennen »: Joh. 8, 32. |
im Pfingstwunder: Ap. 2, 4. | |
152 | in den Evangelien Christus Jesus Dämonen austreibt: Z. B. Luk. 4, 3337. |
Schemen, Spektren, Gespenster, Dämonen: Vgl. Rudolf Steiners Vortrag München, 30. Mai 1907 (in GA 99). | |
153 | sagt Paulus: Vergleiche Eph. 2, 46; 4,3. Die Nachschrift weist an dieser Stelle eine Lücke auf. |
158 | »Natur und Geist »: «Faust» II, Vers 48974902. |
163, 173 | Jehova Luzifer Kain: Vgl. die Vorträge Rudolf Steiners in «Die Tempellegende und die Goldene Legende» (Berlin 19041906), GA 93. |
168 | Pythagoras sagte zu seinen Schülern: Du sollst nicht mit dem Schwerte ins Feuer schlagen Du sollst auf deinem Wege nicht umkehren: Sprüche der Pythagoreer. |
169 | Tempelritter: Vgl. die Vorträge Rudolf Steiners in Dornach, 25. September und 2. Oktober 1916 (in GA 171). |
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169 | Luziferianer: Anhänger des Bischofs Luzifer von Cagliari, gestorben 370; eine Zeitlang auf Sardinien, in Spanien, Gallien, Italien und Afrika verbreitet. |
170 | Edouard Schuré, 18411929. Siehe Marie Steiner-von Sivers, «Edouard Schuré in «Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe» Nr. 17, das Drama «Die Kinder des Lucifer», autorisierte Übersetzung von Marie von Sivers, Leipzig 1905. Dieselbe Übersetzung in freie Rhythmen gebracht von Rudolf Steiner (1909), veröffentlicht in Rudolf Steiner/Edouard Schur «Luzifer. Die Kinder des Lucifer», Dornach 1955. |
die theosophische Zeitschrift «Luzifer»: Siehe «Luzifer-Gnosis», GA 34. Vergleiche «Mein Lebensgang» (192325), GA 28, Seite 421ff. | |
Dogma der Infallibilität: Durch das Vatikanische Konzil von 186970 wurde dem Papst die Infallibilität ex cathedra (Unfehlbarkeit in Ausübung seines Amtes) zugesprochen. | |
171 | Thales Aristoteles: Vgl. Rudolf Steiner, «Die Rätsel der Philosophie» (1914), GA 18 (Register). |
172 | Gudrunlied: Mittelhochdeutsches Epos, entstanden im 11./12. Jahrhundert. Tacitus in seiner «Germania»: Siehe Hinweis zu Seite 138; a.a.O., Kap. 2. |
Siegfriedsage: Hauptquellen der vielgestaltigen Überlieferung im Norden die Eddalieder und die Thidreksaga, in Deutschland das Nibelungenlied. | |
173 | die Strafe Jehovas: 1. Mos. 3, 16. |
174 | Helena Petrowna Blavatsky, 18311891; gründete 1875 zusammen mit Henry Steel Olcott in New York die Theosophical Society und 1887 ihre Zeitschrift «Luzifer». Vgl. auch Hinweis zu Seite 170. |
der erste Satz der Prinzipien der Theosophischen Gesellschaft: Den Keim eines allgemeinen Bruderbundes der Menschheit zu bilden, ohne Unterschied des Glaubens, der Nation, des Standes, des Geschlechts. | |
175 | So ihr nicht werdet wie die Kindlein: Matth. 18, 3. |
176 | Merkur im Gautama Buddha verkörperte: Vgl. Rudolf Steiners Vortrag Helsingfors, 13. April 1912 in GA 136. |
184 | eine persische Legende: Siehe Goethe, «Noten und Abhandlungen zum West-östlichen Divan», «Allgemeines». |
189 | in der «Luzifer-Gnosis»: Nrn. 1328, Berlin 19041905. Die erste Buchausgabe erschien Berlin 1909. |
191 | «Wär nicht das Auge sonnenhaft »: Zahme Xenien 111. |
195, 243 | Subba Row (Rao), 18561890, indischer Gelehrter. Die zitierte Aussage findet sich in dem Buch von Annie Besant, «Der Pfad der Jüngerschaft»; die deutsche Übersetzung erschien 1905. Rudolf Steiner hat dieses Buch in der Zeitschrift «Luzifer-Gnosis» besprochen (in GA 34). |
198 | In einer Schrift des 18. Jahrhunderts: Karl Arnold Kortum, 17451828, veröffentlichte in der Zeitung «Reichsanzeiger» vom 8. Oktober 1796 eine Abhandlung über den Stein der Weisen. Vergleiche Ludwig Kleeberg «Wege und Worte», 2. Aufl. Stuttgart 1961, Fußnote auf S. 131. |
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202, 210, 219 | Rudolf Steiner, «Die Philosophie der Freiheit» (1894), GA 4, und «Wahrheit und Wissenschaft, Vorspiel einer Philosophie der Freiheit » (1892), GA 3. |
205, 242, 314 | Paracelsus, eigentlich Theophrastus Bombastus von Hohenheim, 14931541. Vergleiche Rudolf Steiners Vortrag, Berlin, 26. April 1906, in GA 54. |
205 | Er nannte einen Cholerakranken einen Arsenicus: «Daraus entspringt daß ihr nicht sollen sagen, das ist Cholera, das ist Melancholia, sondern das ist Arsenicus, das ist Aluminosum; also auch der ist Saturni, der ist Martis, nicht der ist melancholiae, der ist cholerae. Dan ein Teil ist des Himels, ein Teil ist der Erden und in einander vermischt wie Feuer und Holz, da jedweders seinen Namen verlieren mag; dan es sind zwei Ding in einm.» Aus «Paragranum», Gesamtausgabe der medizinischen Werke, herausgegeben von K. Sudhoff, München/Berlin, 192223, Band 8, Seite 74. |
206, 272
299 |
«Die Geheimnisse»: Vergleiche den Vortrag Köln, 25. Dezember 1907, «Die Geheimnisse. Ein Weihnachts- und Ostergedicht von Goethe» ( in GA 98). |
206 | Goethe selbst erklärt sein Gedicht: In «Die Geheimnisse. Fragment von Goethe», veröffentlicht im «Morgenblatt für die gebildeten Stände», 27. April 1816. |
208 | Johann Baptist van Helmont, 15771644, Arzt und Chemiker. Seine naturphilosophischen und theosophischen Lehren wurden von seinem Sohn Franciscus Mercurius van Helmont, 16141699, weiter ausgeführt. |
Gottfried Wilhelm Leibniz, 16461716. «Sämtliche Schriften und Briefe», hg. von der (Preußischen) Deutschen Akademie der Wissenschaften, 40 Bde., 1923 ff. Die von Rudolf Steiner benutzte Quelle ist bisher nicht ermittelt. Vergleiche Paul Arnold «Esoterik im Werke Shakespeares», Berlin o. J.: «Leibniz sah sich veranlaßt zu schreiben, daß alles, was man über die Brüder vom Rosenkreuz sagt, reine Erfindung einiger einfallsreicher Leute sei.» Es steht jedoch fest, daß Leibniz während seiner Promotion an der Universität Altdorf (Nürnberg) 1667 Mitglied eines rosenkreuzerischen Kreises war, dem auch der ehemalige Präsident des Geheimen Staatsrates des Kurfürsten von Mainz, Freiherr Johann Christian von Boyneburg, angehörte. Durch die Vermittlung Boyneburgs wurde Leibniz in diplomatische und juristische Dienste des Kurfürsten von Mainz berufen. | |
«Fama Fraternitatis»: Die Schrift «Fama Fraternitatis oder Entdeckung der Bruderschaft des Hochlöblichen Ordens der R. C.», geschrieben von Johann Valentin Andreae (15861654), erschien anonym, Kassel 1614. | |
209 | Auch in öffentlichen Vorträgen über die Elementarlehre der Rosenkreuzer: Vgl. z. B. Rudolf Steiners Vortrag Berlin, 14. März 1907, «Wer sind die Rosenkreuzer?» in GA 55. |
210 | des Goethe-Wortes: «Alles Vergängliche »: «Faust» II, Schlußchor. |
211 | Goethesche Worte vom Erdgeist: Zitiert im folgenden Vortrag, Seite 220. |
213, 242, 314 | In der Welt sind die einzelnen Buchstaben: «Dan das will ich bezeugen mit der natur: der sie durchforschen will, der muß mit den füßen ire bücher treten, die geschrift wird erforschet durch ire buchstaben, die natur aber durch lant zu lant: als oft ein lant als oft ein |
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blat. Also ist codex naturae, also muß man ire bletter umbkeren.» (Siehe Hinweis zu Seite 205), Band 11, München 1924, «Die vierte Defension», Seite 145f. | |
215, 225 | Johann Valentin Andreae, «Die chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz. Anno 1459», 1603 niedergeschrieben, erschien anonym, Straßburg 1616. Siehe Rudolf Steiner, «Die Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz» (in GA 35). |
215 | Später hat Andreae ein Buch erscheinen lassen: Seine späteren Schriften, darunter die allegorische Dichtung «Die Christburg», 1626, haben einen mehr pietistischen Charakter. |
216 | Christian Rosenkreutz: Vgl. Rudolf Steiners Vorträge Neuchâtel, 27. und 28. Oktober 1911, in GA 130. |
217 | die neu erschlossenen Lichtquellen: Die erste elektrische Straßenbeleuchtung erhielt 1882 New York. |
219 | Eduard von Hartmann hat es immer wieder ausgesprochen: «Wir denken entweder in Bildern, dann nehmen wir direkt die Sinneseindrücke und ihre Umgestaltungen und Kombinationen aus der Erinnerung auf, oder wir denken in Abstraktionen. Diese Abstraktionen sind aber doch auch bloß von den Sinneseindrücken abstrahiert, und mag man beim Abstrahieren fallen lassen, so viel man will, so lange man überhaupt etwas übrig behält, kann es nur etwas sein, was in dem Ganzen schon steckte, aus welchem man erst abstrahiert, das heißt es sind auch die Abstrakta für uns nur Reste von Sinneseindrücken und haben mithin die Form der Sinnlichkeit». «Philosophie des Unbewußten», Zweiter Band, 9. Auflage, Berlin 1882, Seite 4f. |
221 | Selbst Darwin sagt: «Es ist wohl keine Übertreibung zu behaupten, daß eine Wurzelspitze, die die Fähigkeit besitzt, die Bewegungen der ihr anliegenden Teile zu leisten, eine ähnliche Funktion ausübt wie das Gehirn eines niedrigen Tieres.» Charles Darwin assisted by Francis Darwin «The Power of Movement of Plants», New York 1892. Siehe Walter von Wyß «Charles Darwin», Zürich 1958, Seite 262. |
Es werden die drei Reiche der Natur bildlich mit einem Kreuz bezeichnet: Vgl. dazu die Schilderung Rudolf Steiners im Vortrag Wien, 22. Februar 1907 (in diesem Band, Seite 226) und den Hinweis zur Seite 238. Die Umkehrung der Richtungen zwischen Mensch und Pflanze ergibt sich hier durch die Hervorhebung des Aspektes Kelch und Gralssymbol gegenüber dem Aspekt Wurzel und Haupt in anderen Darstellungen. | |
221, 238, 271 | Plato sagt: Die Weltenseele ist am Kreuz des Weltenleibes gekreuzigt: Rudolf Steiner führt diesen Ausspruch aus dem Timaios (Kap. 8) oft an, und zwar in der Formulierung des ihm persönlich bekannt gewesenen Wiener Philosophen Vincenz Knauer aus dessen Werk «Die Hauptprobleme der Philosophie in ihrer Entwickelung und teilweisen Lösung von Thales bis Robert Hamerling», Wien und Leipzig 1892, Seite 96 (zur Bibliothek Rudolf Steiners gehörend und von ihm unterstrichen): «Der Mythus berichtet hierüber im Timäos, Gott habe diese Weltseele in Kreuzesform durch das Universum gelegt und darüber den Weltleib ausgespannt.»
Im Timaios selbst heißt es, Gott habe die Weltseele in zwei Hälften gespalten, «schlang beide Teile in Gestalt des Buchstabens Chi (X) zusammen und wand aus jedem einen |
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Kreis, so daß beide mit ihren Enden der Mitte gegenüber miteinander, wie auch jeder mit sich selbst zusammentrafen. Beiden Teilen gab er die einförmige und in dem nämlichen Raume sich vollziehende Bewegung des Kreisumschwunges, und einen dieser Kreise aber machte er zum äußeren, den anderen zum inneren.» (Zitiert nach der Übersetzung von Otto Apelt «Der philosophischen Bibliothek Band 179» Leipzig 1919). Vgl. auch Rudolf Steiners Ausführungen dazu in «Das Christentum als mystische Tatsache» (1902), GA 8 (Register). | |
223 | jemand hatte etwas davon veröffentlicht: Siehe Hinweis zu Seite 198. |
Ein Gleichnis der Vedantaphilosophie: Konnte bisher noch nicht nachgewiesen werden. | |
«Und Gott hauchte dem Menschen den lebendigen Odem ein »: 1. Mose 2, 7. | |
224, 314 | Lorenz Oken, 17791851; stellte in seiner Naturphilosophie ein alle Naturreiche umfassendes System dar. «Lehrbuch des Systems der Naturphilosophie», 3 Teile, 18091811, 2. Auflage 1843. Das Zitat «Die Zunge ist ein Tintenfisch» ist eine freie Wiedergabe Rudolf Steiners aus dem Werk «Lehrbuch der Naturphilosophie», Jena 1831, Friedrich Frommann, 14. Buch: Zoologie, S. 424, 466, 496. |
Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling, 17751854. «Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie», 1799. | |
226 | Haben wir gestern ein Thema besprochen: Öffentlicher Vortrag, Wien, 21. Februar 1907, «Die Erforschung des übersinnlichen und deren Mission in der Gegenwart». Eine Nachschrift dieses Vortrags liegt nicht vor; siehe den zum gleichen Thema in Berlin gehaltenen Vortrag vom 11. Oktober 1906, in GA 55. |
Hathajoga und Rajajoga: Die Methoden des Hatha- oder Krijajoga sind überwiegend äußerer Art, wie Anhalten des Atems, besondere Körperstellungen. Unter Rajajoga ist das sechste bis achte Glied des Heilsweges der Sankhyaphilosophie zu verstehen; Konzentration, Meditation, Versenkung. | |
229 | «Im Urbeginne war das Wort »: Siehe Hinweis zu Seite 52. |
234 | Die abendländischen Denker leugnen, daß es solches Denken gibt: Hier dürfte Rudolf Steiner vor allem an Eduard von Hartmann denken; vgl. den Hinweis zu Seite 219. |
236 | «Die Sonne tönt nach alter Weise » und «Tönend wird für Geistesohren »: Siehe Hinweis zu S. 54. |
238 | Sieh dir die Pflanze an: ihr entspricht der abwärtsgerichtete Balken: Diese oft von Rudolf Steiner erwähnte Tatsache formuliert er im Vortrag Basel, 22. November 1907 (in GA 100) so: |
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«Die Pflanze zeichnet man vertikal der Erde zugerichtet, den Menschen ebenso vertikal von der Erde abgewendet, das Tier horizontal.» Vgl. ebenfalls den Berliner Vortrag vom 29. Mai 1905, in GA 93, sowie Berlin 27. September 1905, in GA 93a. Im Gegensatz dazu steht die Zeichnung zum Vortrag Leipzig, 16. Februar 1907, siehe den Hinweis zu Seite 221. | |
240 | Swastika: Altindische Bezeichnung des Hakenkreuzes. Vgl. Rudolf Steiners Vortrag Dornach, 10. September 1923, in GA 350. |
von einem Menschen, der etwas «läuten», aber nicht «zusammenschlagen» gehört hat: Siehe Hinweis zu Seite 198. | |
250 | Wir werden noch an den weiteren Abenden hören: Siehe Hinweis zu Seite 257. |
254 | «Die Sünden der Väter »: 2. Mose, 20, 5. |
255 | Bruno Wille, 18601928, Schriftsteller, Mitbegründer des Giordano Bruno-Bundes und der Berliner Freien Volksbühne. Vgl. Rudolf Steiner, «Mein Lebensgang» (192325), GA 28, S. 385. |
256 | Bach: Die Familie wanderte um 1590 aus Ungarn in Thüringen ein. Als ältester Musiker ist Hans Bach, gestorben 1626, nachweisbar. Sein Urenkel ist der große Komponist Johann Sebastian Bach, 16851750. Von dessen Söhnen erlangten Friedemann, 17101784, Philipp Emanuel, der «Berliner Bach», 17141788, und Johann Christian, der «Londoner Bach», 17351782, zeitgenössische Berühmtheit. Der letzte männliche Sproß der Familie war der Berliner Kapellmeister Wilhelm Friedrich Ernst Bach, 17591845. |
Bernoulli: Der durch die Protestantenverfolgungen im 16. Jahrhundert aus Antwerpen vertriebenen Familie entstammen u. a. die Brüder Jakob, 16541705, und Johann, 16671748, beide bahnbrechend in der Anwendung der von Leibniz entdeckten Infinitesimalrechnung. Nächst ihnen waren Nikolaus, 16871759, und Daniel, 17001782, die bedeutendsten Mathematiker des Namens Bernoulli. | |
257 | Im Laufe der weiteren Vorträge: Den nächsten Vortrag für Mitglieder hielt Rudolf Steiner am 29. April 1906 (im vorliegenden Band, Seite 171 ff.). Vom 22. August bis 4. September 1906 folgte dann der grundlegende Zyklus von 14 Vorträgen «Vor dem Tore der Theosophie», GA 95. |
258 | Richard Wagner: Vergleiche Rudolf Steiners Vortrag Berlin, 28. März 1907 «Richard Wagner und die Mystik», in GA 55; Vorträge Berlin, 22. und 29. März 1906, in GA 54. |
Richard Strauß, 18641949. Vergleiche: Walter Thomas «Richard Strauß und seine Zeitgenossen», München-Wien 1964, Seiten 46, 72, 75. | |
259 | «Die Sieger»: Entwurf, Zürich, Mai 1856, in Richard Wagner «Sämtliche Schriften und Dichtungen», Leipzig 1911, Band 31. Wagner schreibt darüber aus Paris Anfang August 1860 an Mathilde Wesendonk: «Nur die tiefsinnige Annahme der Seelenwanderung konnte mir den trostreichen Punkt zeigen, auf welchen endlich alles zur gleichen Höhe der Erlösung zusammenläuft, nach dem die verschiedenen Lebensläufe, welche in der Zeit getrennt nebeneinander laufen, außer der Zeit sich verständnisvoll berührt haben. Nach der schönen buddhistischen Annahme wird die fleckenlose Reinheit des Lohengrin einfach daraus erklärlich, daß er die Fortsetzung Parzifals der die Reinheit sich erst erkämpfte ist. Ebenso würde Elsa in ihrer Wiedergeburt bis zu Lohengrin heranreichen. |
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Somit erschien mir der Plan zu meinen Siegern , als die abschließende Fortsetzung zu Lohengrin. Hier erreicht Savitri, (Elsa) den Ananda vollständig. So wäre alle furchtbare Tragik des Lebens nur in dem Auseinanderliegen von Zeit und Raum zu finden: da aber Zeit und Raum nur unsre Anschauungsweisen sind, außerdem aber keine Realität haben, so müßte dem vollkommenen Hellsehenden auch der höchste tragische Schmerz nur aus dem Irrtum des Individuums erklärt werden können: ich glaube, es ist so! Und in voller Wahrheit handelt es sich durchaus nur um das Reine und Edle, das an sich schmerzlos ist,» «Richard Wagner an Mathilde Wesendonk. Tagebuchblätter und Briefe. 18531871», 36. Auflage, Berlin 1909, Seite 242. | |
259 | 1857 faßte er die große Idee zum «Parifal»: Nun brach auch schönes Frühlingswetter herein; am Karfreitag erwachte ich zum ersten Mal in diesem Hause bei vollem Sonnenschein: das Gärtchen war ergrünt, die Vögel sangen, und endlich konnte ich mich auf die Zinne des Häuschens setzen, um der langersehnten verheißungsvollen Stille mich zu erfreuen. Hiervon erfüllt, sagte ich mir plötzlich, daß heute ja Karfreitag sei und entsann mich, wie bedeutungsvoll diese Mahnung mir schon einmal in Wolframs Parzival aufgefallen war. Seit jenem Aufenthalte in Marienbad, wo ich die Meistersinger und Lohengrin konzipierte, hatte ich mich nie wieder mit jenem Gedichte beschäftigt; jetzt trat sein idealer Gehalt in überwältigender Form an mich heran, und von dem Karfreitagsgedanken aus konzipierte ich schnell ein ganzes Drama, welches ich, in drei Akte geteilt, sofort mit wenigen Zügen flüchtig skizzierte.» Richard Wagner «Mein Leben», III. Band, München 1915, Seite 133f. |
260 | in seiner Schrift «Heldentum und Christentum»: Richard Wagner, «Gesammelte Schriften und Dichtungen» in 10 Bänden, herausgegeben von Wolfgang Golther, Leipzig o. J., 10. Bd., Seite 275ff: «Ausführungen zu Religion und Kunst», 2. «Heldentum und Christentum». |
263 | Joseph Arthur Graf Gobineau, 18161882, «Essai sur linégalité des races humaines», 4 Bände 18531855; deutsch von L. Schemann, 3 Bände 18981900. |
«Blut ist ein ganz besondrer Saft«: Faust» 1, Vers 1740. | |
264 | Ceridwen: Siehe Ch. W. Heckethorn, «Geheime Gesellschaften, Geheimbünde und Geheimlehren», Leipzig 1900, Seite 60: «Der Druidismus umfaßte alle zu seiner Zeit in jenen Ländern bekannten religiösen und philosophischen Studien. Die Hauptgottheiten lassen sich in zwei zusammenfassen: eine männliche und eine weibliche, den großen Vater und die große Mutter: Hu und Ceridwen, die in jeder Hinsicht Osiris und Isis oder Bacchus und Ceres etc. entsprechen.» Vgl. Rudolf Steiners öffentlichen Vortrag Berlin, 6. Mai 1909, «Die europäischen Mysterien und ihre Eingeweihten», in GA 57, in dem die Mysterien von Hu und Ceridwen dem Geist der Sonne und der suchenden und sich erhebenden Seele erläutert werden. |
265 | Er spricht selbst von dem Zusammenhang: Siehe Hinweis zu Seite 260, 10. Band, Seite 281 |
Ferner sagt Richard Wagner: a.a.O. Seite 282. | |
266 | Perceval dringe durch das Tal: Wolfram von Eschenbach, um 11701220, deutet den Namen des Helden seines Epos V. 140,16f: «deiswar du heizest Parzival. Der name ist Rehte enmitten durch» nämlich nach dem französischen «perce val». |
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268 | Anknüpfend an seinen Freund, den Grafen Gobineau, sagt er: a.a.O. Seite 276f. |
269 | Zum Vortrag Kassel, 16. Januar 1907: Vergleiche Ludwig Kleeberg »Wege und Worte. Erinnerungen an Rudolf Steiner aus Tagebüchern und Briefen», 2. Auflage Stuttgart 1961, Seite 134 ff. |
272 | Er benützte dazu den Es-Dur-Orgelpunkt: Im Vorspiel zu «Rheingold». |
273 | Die alte Legende erzählt, Kain Seth: Vgl. Rudolf Steiners Vorträge in «Die Tempellegende und die Goldene Legende» (19041906), GA 93. |
»Ich bin, der da war »: 2. Mose, 3, 15 und 14. | |
275 | unter dem Eindruck jener gewaltigen Naturereignisse: Im April 1906 stürzte der Gipfelkegel des Vesuv, etwa 100 Millionen Kubikmeter, in sich zusammen. Die durch die Dampfspannung wieder ausgeworfenen Massen erzeugten einen gewaltigen Aschenregen, der die Gegend tagelang verdunkelte und im Verein mit Lavaströmen schwere Schäden anrichtete. Über 100 Menschen kamen ums Leben. Am 18. April 1906 wurde San Francisco von einem Erdbeben heimgesucht, das zusammen mit einer anschließenden mehrtägigen Feuersbrunst fast die ganze Stadt vernichtete. |
280 | Grade der christlichen Einweihung: Vgl. Rudolf Steiners Vortrag Köln, 30. November 1906 (in diesem Band) und Stuttgart, 3. September 1906, in GA 95. |
285 | Nikolaus Kopernikus, 14731543. »De revolutionibus orbium coelestium», Nürnberg 1543. |
Matthias Jakob Schleiden, 18041881. «Beiträge zur Phylogenesis» im «Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medizin», Jahrgang 5, 1838. | |
286 | Spiritismus: Vgl. Rudolf Steiners öffentlichen Vortrag «Die Geschichte des Spiritismus», Berlin, 30. Mai 1904, in GA 52; ferner die Vorträge Dornach, 10. und 11. Oktober 1915, in GA 254. |
288 | G. N. Chakravarti, Prof. Dr., sprach 1893 auf dem Weltkongreß der Religionen in Chicago für den Hinduismus und gleichzeitig als Theosoph über Theosophie auf dem Theosophenkongreß. |
288 | Frau Blavatsky (siehe Hinweis zu S. 174) |
Zunächst war ein Europäer ihr Führer, dann ein Ägypter; damals schrieb sie »Isis unveiled» (erschienen Boston, 1877); über diese beiden Führer ist Näheres nicht bekannt. Vgl. H. S. Olcott «Old diary leaves», 1895. | |
289 | Affe und Mensch haben gemeinsame Ahnen, das erkennt heute auch die Naturwissenschaft an: Siehe die Darstellung dieser Wissenschaftsentwicklung in dem Kapitel «Abkunft» in: H. Poppelbaum, «Mensch und Tier», Dornach 1975. |
290 | Regenbogen, der zu Noahs Zeiten entstand: 1. Mose 9, 1317. |
In Beschreibungen der Atlantis liest man: Siehe zum Beispiel W. Scott-Elliot «Atlantis. Nach okkulten Quellen», Vorwort von A. P. Sinnet. Autorisierte deutsche Übersetzung, Leipzig o. J., Original «The story of Atlantis», 1896. | |
293 | Ich sprach Ihnen früher davon, daß in jedem Menschen Kräfte schlummern: Siehe Rudolf Steiners Vorträge in Leipzig im Juni und Juli 1906, in «Kosmogonie», GA 94. |
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Seite 335 | |
296 | in Goethes «Märchen von der grünen Schlange»: Siehe den Hinweis zu Seite 35. |
Wie eine schöne Legende berichtet, verlor Luzifer: Diese Deutung des Grales tritt bei Albrecht von Scharfenberg im sogenannten «Jüngeren Titurel» auf; vgl. Ernst Uehli, «Eine neue Gralssuche», Stuttgart 1921, S. 6 und 248. | |
298 | Bedeutung des Romans «Vril»: Edward George Earl Bulwer-Lytton, 18031873, «Vril oder eine Menschheit der Zukunft», Dornach 1958; Original: «The coming race», 1870; ins Deutsche übersetzt wurde der Roman auf Anregung von Rudolf Steiner von Guenther Wachsmuth. |
301 | «Wie an dem Tag »: Goethe, «Urworte. Orphisch». |
304 | Aristoteles sagt: Der Mensch ist das nachahmendste Tier: Aristoteles «Über die Dichtkunst», Kapitel 4. |
309 | Tierseele und menschliche Individualität: Vgl. auch Rudolf Steiners Vorträge Berlin, 10. November 1910 «Menschenseele und Tierseele», und Berlin, 17. November 1910 «Menschengeist und Tiergeist», in GA 60. |
Cartesius, René Descartes, 15961650. Begründer des mechanistischen Weltbildes. Den mechanischen Grundgesetzen unterliegen nach Descartes nicht nur die Gegenstände der Physik und Astronomie, sondern auch die der Physiologie und Psychologie, ausgenommen «die denkende Substanz». Philosophische Werke, übersetzt von Buchenau, 1907, 1922, 1. Bd. Seite 358 f. und Seite 368371. | |
311 | Tacitus gibt in seiner «Germania»: Siehe Hinweis zu Seite 138. |
315 | in seiner Metamorphose der Tiere: Siehe «Goethes Naturwissenschaftliche Schriften», herausgegeben und kommentiert von Rudolf Steiner in «Kürschners Deutsche National-Litteratur», GA la, Seite 332 (Vorträge über die drei ersten Kapitel des Entwurfs einer allgemeinen Einleitung in die vergleichende Anatomie, ausgehend von der Osteologie, 1796). |
das Durchgehen durch die Krisis: Vgl. Rudolf Steiners Vortrag Dornach, 3. August 1924, in GA 237. |
V ANHANG-2, indisch-theosophische Ausdrücke
GA 97 Das christliche Mysterium
Seite 336
Hinweis zu einigen mehrfach vorkommenden
indisch-theosophischen Ausdrücken
Akashamaterie | Die dem Weltengedächtnis zugrundeliegende Geistsubstanz. Siehe R. Steiner, «Aus der Akasha-Chronik» (1904), GA 11 |
astrale Welt (Plan) | Seelenwelt, Seelenland, imaginative Welt, elementarische Welt. Siehe Rudolf Steiner, «Theosophie» (1904), GA 9; das Kapitel: «Die drei Welten». |
Atma, Buddhi, Manas | Die drei geistigen Wesensglieder des Menschen. In der deutschen Terminologie: Geistesmensch, Lebensgeist, Geistselbst. Siehe Rudolf Steiner, «Theosophie», das Kapitel: «Das Wesen des Menschen» |
Chela (Tschela) | Geheimschüler. |
Devachan oder Mentalwelt (-plan) | Geisterland, geistige Welt, auch Welt der Sphärenharmonie. Siehe Rudolf Steiner, «Theosophie», das Kapitel: «Die drei Welten». |
Kamaloka | Kama: Wunsch- oder Begierdenmaterie; Kamaloka: Ort der Begierden. «Fegefeuer» |
Pitris | Väter oder Vorfahren der Erdenmenschen auf der Mond- und Sonnenentwicklung. |
Rishis | Die Urlehrer der Menschheit in der urindischen Kulturepoche. |
Wurzelrassen
Rassen, Unterrassen |
Menschheitsepochen (lemurisch, atlantisch) Kulturperioden (urindisch, urpersisch etc.). Siehe Rudolf Steiner, «Die Apokalypse des Johannes» (1908), GA 104. |
Über die in diesen Vorträgen als bekannt vorausgesetzten früheren Verkörperungen der Erdentwicklung siehe Rudolf Steiners später (1910) erschienenes Werk: «Die Geheimwissenschaft im Umriß», GA 13; das Kapitel: «Die Weltentwicklung und der Mensch».
V ANHANG-3, Korrekturen-Nachweis
GA 97 Das christliche Mysterium
Seite 337
Ergänzungen und Korrekturen zur 2. Auflage 1981
gegenüber der ersten Auflage 1968:
Neu für diese im Wesentlichen unveränderte Auflage wurden die Inhaltsangaben erstellt, die Hinweise und einige Einfügungen im Text in eckigen Klammern ergänzt.
Folgende Fehler konnten berichtigt werden:
21 | 9 v. o. | Das Verständnis für dieses Ereignis früher: das vorbereitet wird |
29 | 8 v. o. | Empyreum, das heißt früher: Empyreum. Dahinter war |
30 | 12 v. o. | Etwa zehntausend Jahre früher: Etwa dreißigtausend Jahre
(Siehe Hinweis zu dieser Stelle.) |
60 | 9 v. o | einigen Tagen früher: einigen Stunden |
126 | 9 v. o | In dem Wort «Nibel» oder «Nifel» wird angedeutet früher: Lieblich wird darin angedeutet |
139 | 9 v. u. | Weltenbewußtsein früher: Weitenbewußtsein |
212 | 4 v. u. | abgibt früher: resorbiert |
264 | 10 v. o. | Schale der Ceridwen früher: Schale mit dem Ceridwein |
274 | 10 v. o. | Mystiker früher: Musiker |
Korrekturen zur 3. Auflage 1998 | ||
20 | 20 v. o. | welche die okkulten Strömungen früher: welche die okkulten Störungen |
52f., 71f.
229f. |
Im Urbeginne war das Wort: Die Übersetzung ist wiedergegeben nach der Handschrift Rudolf Steiners (Archiv-Nr. NZ 3477). | |
109 | 7 v. o. | Der Wille kann früher: Der Wille konnte |
226 | 4 v. o, | Betrachtungen früher: Bemerkungen |
283 | 1 v. u. | jahrhundertelang früher: sechshundert Jahre |
V ANHANG-4, Namenregister
GA 97 Das christliche Mysterium
Seite 339
Namenregister
(H = Hinweis / * = ohne Namensnennung)
Aesop 95
Albrecht von Scharfenberg 296* Andreae, Johann Valentin 208*, 215, 225 Anzengruber, Ludwig 137f. Aristoteles 171, 304 Arldt, Theodor 30 Attila 254 Augustinus 33 Bach, Familie 256 Bernoulli, Familie 256 Blavatsky, Helena Petrowna 174, 288 Böhme, Jakob 48 Buddha 68, 97, 149, 176, 259, 272 Bulwer-Lytton, Edward George 298 Bunsen, Christian Karl Josias von 50 Carneri, Bartholomäus von 27 Cartesius (Rene Descartes) 309 Chakravarti, G. N. 288 Collins, Mabel 96, 99, 199 Dante Alighieri 27ff. Darwin, Charles 27, 221 Dionysius Areopagita 34, 124, 131, 142f. Epikur 34 Franz von Assisi 57 Friedrich der Große 176, 284 Gobineau, Joseph Arthur von 263, 268 Goethe, Johann Wolfgang von 27, 34, 48, 54, 84, 93, 100f., 157ff., 191, 206f., 210-214, 219f., 224, 236, 263, 272f., 296, 299, 301, 315 Hartmann, Eduard von 219 Helmont, Johann Baptist van 208 Homer 33 Karl der Große 176, 28 Keely, John Worrel 41 |
Kopernikus, Nikolaus 285
Kortum, Karl Arnold 198*, 223*, 240* Leibniz, Gottfried Wilhelm 208 Moses 149 Nicolaus Cusanus 30 Oken, Lorenz 224 Paracelsus 20, 205, 213, 242, 314 Plato 221, 238, 271 Pythagoras 68, 130, 149, 168f., 194, 236, 281 Rosegger, Peter 137 f. Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von 224 Schiller, Friedrich 57, 157 Schleiden, Matthias Jakob 285 Schuré, Edouard 170 Steiner, Rudolf 219 Wahrheit und Wissenschaft 202, 210, 219 Die Philosophie der Freiheit 202, 210, 219 Wie erlangt man ... 189 Die Erziehung des Kindes 19 Strauß, Richard 258 Subba Row 195, 243 Tacitus 138, 311 Thales 171 Thomas von Aquino 30, 35 Virgil 32 Wagner, Richard 258-274 Wille, Bruno 255 Wolfram von Eschenbach 266, 267 Zarathustra 68, 149 |
GA 97 Das christliche Mysterium
Seite 340 [vakat]
V ANHANG-5, Rudolf Steiner über die Vortragsnachschriften
GA 97 Das christliche Mysterium
Seite 341
Über die Vortragsnachschriften
Aus Rudolf Steiners Autobiographie
»Mein Lebensgang« (35. Kap., 1925)
Es liegen nun aus meinem anthroposophischen Wirken zwei Ergebnisse vor; erstens meine vor aller Welt veröffentlichten Bücher, zweitens eine große Reihe von Kursen, die zunächst als Privatdruck gedacht und verkäuflich nur an Mitglieder der Theosophischen (später Anthroposophischen) Gesellschaft sein sollten. Es waren dhttp://www.dtp.lan/joomla/administrator/index.php?option=com_content§ionid=5&task=edit&cid[]=509#ies Nachschriften, die bei den Vorträgen mehr oder weniger gut gemacht worden sind und die wegen mangelnder Zeit nicht von mir korrigiert werden konnten. Mir wäre es am liebsten gewesen, wenn mündlich gesprochenes Wort mündlich gesprochenes Wort geblieben wäre. Aber die Mitglieder wollten den Privatdruck der Kurse. Und so kam er zustande. Hätte ich Zeit gehabt, die Dinge zu korrigieren, so hätte vom Anfange an die Einschränkung «Nur für Mitglieder» nicht zu bestehen gebraucht. Jetzt ist sie seit mehr als einem Jahre ja fallen gelassen.
Hier in meinem «Lebensgang» ist notwendig, vor allem zu sagen, wie sich die beiden: meine veröffentlichten Bücher und diese Privatdrucke in das einfügen, was ich als Anthroposophie ausarbeitete.
Wer mein eigenes inneres Ringen und Arbeiten für das Hinstellen der Anthroposophie vor das Bewußtsein der gegenwärtigen Zeit verfolgen will, der muß das an Hand der allgemein veröffentlichten Schriften tun. In ihnen setzte ich mich auch mit alle dem auseinander, was an Erkenntnisstreben in der Zeit vorhanden ist. Da ist gegeben, was sich mir in «geistigem Schauen» immer mehr gestaltete, was zum Gebäude der Anthroposophie allerdings in vieler Hinsicht in unvollkommener Art wurde.
Neben diese Forderung, die «Anthroposophie» aufzubauen und dabei nur dem zu dienen, was sich ergab, wenn man Mitteilungen aus der Geist-Welt der allgemeinen Bildungswelt von heute zu übergeben hat, trat nun aber die andere, auch dem voll entgegenzukommen, was aus der Mitgliedschaft heraus als Seelenbedürfnis, als Geistessehnsucht sich offenbarte.
Da war vor allem eine starke Neigung vorhanden, die Evangelien und den Schrift-Inhalt der Bibel überhaupt in dem Lichte dargestellt zu hören, das sich als das anthroposophische ergeben hatte. Man wollte in Kursen über diese der Menschheit gegebenen Offenbarungen hören.
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Seite 342
Indem interne Vortragskurse im Sinne dieser Forderung gehalten wurden, kam dazu noch ein anderes. Bei diesen Vorträgen waren nur Mitglieder. Sie waren mit den Anfangs-Mitteilungen aus Anthroposophie bekannt. Man konnte zu ihnen eben so sprechen, wie zu Vorgeschrittenen auf dem Gebiete der Anthroposophie. Die Haltung dieser internen Vorträge war eine solche, wie sie eben in Schriften nicht sein konnte, die ganz für die Öffentlichkeit bestimmt waren.
Ich durfte in internen Kreisen in einer Art über Dinge sprechen, die ich für die öffentliche Darstellung, wenn sie für sie von Anfang an bestimmt gewesen wären, hätte anders gestalten müssen.
So liegt in der Zweiheit, den öffentlichen und den privaten Schriften, in der Tat etwas vor, das aus zwei verschiedenen Untergründen stammt. Die ganz öffentlichen Schriften sind das Ergebnis dessen, was in mir rang und arbeitete; in den Privatdrucken ringt und arbeitet die Gesellschaft mit. Ich höre auf die Schwingungen im Seelenleben der Mitgliedschaft, und in meinem lebendigen Drinnenleben in dem, was ich da höre, entsteht die Haltung der Vorträge.
Es ist nirgends auch nur in geringstem Maße etwas gesagt, was nicht reinstes Ergebnis der sich aufbauenden Anthroposophie wäre. Von irgend einer Konzession an Vorurteile oder Vorempfindungen der Mitgliedschaft kann nicht die Rede sein. Wer diese Privatdrucke liest, kann sie im vollsten Sinne eben als das nehmen, was Anthroposophie zu sagen hat. Deshalb konnte ja auch ohne Bedenken, als die Anklagen nach dieser Richtung zu drängend wurden, von der Einrichtung abgegangen werden, diese Drucke nur im Kreise der Mitgliedschaft zu verbreiten. Es wird eben nur hingenommen werden müssen, daß in den von mir nicht nachgesehenen Vorlagen sich Fehlerhaftes findet.
Ein Urteil über den Inhalt eines solchen Privatdruckes wird ja allerdings nur demjenigen zugestanden werden können, der kennt, was als Urteils-Voraussetzung angenommen wird. Und das ist für die allermeisten dieser Drucke mindestens die anthroposophische Erkenntnis des Menschen, des Kosmos, insofern sein Wesen in der Anthroposophie dargestellt wird, und dessen, was als «anthroposophische Geschichte» in den Mitteilungen aus der Geist-Welt sich findet.
Literatur
- Rudolf Steiner: Das christliche Mysterium, GA 97 (1998), ISBN 3-7274-0970-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv. Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen. Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners. |