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GA 145
RUDOLF STEINER
VORTRÄGE
VORTRÄGE VOR MITGLIEDERN
DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT
Welche Bedeutung hat die
okkulte Entwicklung des Menschen
für seine Hüllen (physischen Leib,
Ätherleib, Astralleib) und sein Selbst?
Ein Zyklus von zehn Vorträgen
gehalten in Den Haag
vom 20. bis 29. März 1913
GA 145
1986
Inhaltsverzeichnis
- ERSTER VORTRAG Den Haag, 20. März 1913
- ZWEITER VORTRAG Den Haag, 21. März 1913
- DRITTER VORTRAG Den Haag, 22. März 1913
- VIERTER VORTRAG Den Haag, 23. März 1913
- FÜNFTER VORTRAG Den Haag, 24. März 1913
- SECHSTER VORTRAG Den Haag, 25. März 1913
- SIEBENTER VORTRAG Den Haag, 26. März 1913
- ACHTER VORTRAG Den Haag, 27. März 1913
- NEUNTER VORTRAG Den Haag, 28. März 1913
- ZEHNTER VORTRAG Den Haag, 29. März 1913
- HINWEISE
- ÜBER DIE VORTRAGSNACHSCHRIFTEN
- Literatur
ERSTER VORTRAG Den Haag, 20. März 1913
Ich werde Ihnen zu sprechen haben, meine lieben Freunde, über ein Thema, welches vielen in der Gegenwart wichtig sein kann, allen denjenigen wichtig sein kann, welche in irgendeiner Weise so streben, daß sie Geisteswissenschaft nicht nur zu einer Theorie machen, sondern sie in ihr Herz und Gemüt aufnehmen, so daß sie ihnen ein wirklicher Lebensinhalt wird; daß sie etwas wird, was einfließt in ihr ganzes Menschheitsdasein als Menschen der Gegenwart.
Nicht nur für den eigentlichen Esoteriker, sondern für jeden, der anthroposophische Gedanken in seine Seelenkräfte aufnehmen will, wird wichtig sein, einiges zu erfahren über die Veränderungen, die die ganze menschliche Wesenheit dadurch erfährt, daß entweder der Mensch solche Übungen ausführt, wie sie in meiner Schrift «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» mitgeteilt sind, oder wie sie kurz zusammengestellt sind in dem zweiten Teile meiner «Geheimwissenschaft», oder auch daß der Mensch einfach, aber mit Herz und Gemüt anthroposophische Gedanken zu seinen eigenen macht. Anthroposophie, esoterisch getrieben oder exoterisch, aber ernst getrieben, bewirkt einfach gewisse Veränderungen in der Gesamtorganisation des Menschen. Man wird - das darf kühnlich behauptet werden - ein anderer Mensch durch Anthroposophie, man verwandelt sein ganzes Menschheitsgefüge. Sowohl der physische Leib wie der ätherische, wie der astralische Leib, wie das eigentliche Selbst des Menschen werden in einer gewissen Weise dadurch verwandelt, daß der Mensch Anthroposophie wirklich in sein Inneres aufnimmt. Und der Reihe nach sollen besprochen werden die Veränderungen, welche diese menschlichen Hüllen unter dem Einflusse der Esoterik oder aber der exoterisch ernst getriebenen Anthroposophie erfahren.
Besonders schwierig ist es ja, über die Veränderungen des physischen Menschenleibes zu sprechen, aus dem einfachen Grunde,
weil diese Veränderungen des physischen Menschenleibes im Anfang des anthroposophischen oder esoterischen Lebens zwar wichtige, bedeutungsvolle sind, aber in einer gewissen Weise auch oft undeutlich, geringfügig zu nennen sind. Wichtige, bedeutungsvolle Veränderungen gehen mit dem physischen Leib vor sich, aber sie sind doch äußerlich, für irgendein äußeres Wissen nicht bemerkbar. Sie können auch nicht bemerkbar sein aus dem einfachen Grunde, weil das Physische dasjenige ist, was der Mensch von innen heraus am allerwenigsten in seiner Gewalt hat, und weil sogleich Gefahren kommen würden, wenn esoterische Übungen oder anthroposophischer Betrieb so eingerichtet würden, daß der physische Leib Veränderungen erfährt, die über das Maß dessen hinausgehen, was der Mensch voll zu beherrschen in der Lage ist. Innerhalb gewisser Grenzen halten sich die Veränderungen des physischen Leibes; aber es ist doch wichtig, daß der Mensch etwas davon erfährt, daß er sie sich klarmachen kann.
Soll man zunächst mit einem zusammenfassenden Worte die Veränderungen bezeichnen, die der physische Menschenleib erfährt durch die angedeuteten Bedingungen, so muß man sagen: Dieser physische Menschenleib wird in sich zunächst beweglicher und innerlich lebendiger. Beweglicher, was heißt das? Nun, im normalen Menschenleben haben wir den physischen Menschenleib so vor uns, daß seine einzelnen Organe miteinander in Kommunikation stehen, daß seine einzelnen Organe in gewisser Weise miteinander verbunden sind. Die Wirkungen der einzelnen Organe gehen ineinander über. Dadurch, daß der Mensch Esoterik oder Anthroposophie ernsthaft auf sich wirken läßt, werden die einzelnen Organe selbständiger, unabhängiger voneinander. Alle einzelnen Organe werden voneinander unabhängiger. In einer gewissen Weise wird das Gesamtleben des physischen Leibes herabgedämpft und das Eigenleben der Organe verstärkt. Wenn auch der Grad der Herabdämpfung des Gesamtlebens und der Verstärkung des Eigenlebens der Organe ein ungeheuer geringer ist, so muß man doch Sagen: Durch den Einfluß von Esoterik und Anthroposophie überhaupt wird das Herz, das Gehirn, das Rückenmark, werden alle
Organe selbständiger und lebendiger und unabhängiger voneinander, innerlich beweglicher. Wenn ich gelehrt sprechen wollte, müßte ich sagen: Es gehen die Organe aus einem stabilen Gleichgewichtszustand in einen mehr labilen Gleichgewichtszustand über. Diese Tatsache ist aus dem Grunde gut zu wissen, weil der Mensch sehr leicht geneigt ist, wenn er etwas wahrnimmt von diesem anderen Gleichgewichtszustand seiner Organe, es dem Umstand zuzuschreiben, daß er unpäßlich oder krank geworden ist. Er ist nicht gewohnt, so zu empfinden die Beweglichkeit, die Unabhängigkeit der Organe. Man verspürt, empfindet Organe nur dann, wenn sie anders funktionieren, als der normale Zustand ist. Nun empfindet man, wenn auch zunächst in einer sehr gelinden Weise, das Unabhängigwerden der Organe voneinander; man kann das für ein Unpäßlichwerden, für ein Erkranken halten. Sie sehen also, wie man, gerade wenn es auf den physischen Menschenleib ankommt, vorsichtig sein muß Selbstverständlich kann dieselbe Sache einmal eine Erkrankung sein, ein anderes Mal eine bloße Begleiterscheinung des inneren anthroposophischen Lebens. Daher hat man in jedem Fall notwendig, individuell zu unterscheiden; aber gesagt muß werden, daß dasjenige, was hier erreicht wird durch das anthroposophische Leben, durchaus etwas ist, was ganz im normalen Entwicklungslauf der Menschheit ohnedies liegt. In älteren Zeiten der Menschheitsentwicklung. waren die einzelnen Organe noch mehr voneinander abhängig, als sie es jetzt im äußeren Leben sind, und in der Zukunft werden sie immer unabhängiger werden. So wie derjenige, der sich zur Anthroposophie bekennt, immer auf den verschiedensten Gebieten des Lebens und Erkennens gewissermaßen vorausnehmen muß spätere, erst in der Zukunft an die gesamte Menschheit herantretende Entwicklungsstufen, so muß er auch diese Entwicklungsstufe sozusagen sich gefallen lassen, daß seine Organe voneinander unabhängiger werden. Das kann sich in einer leisen, gelinden Art ausdrücken in den einzelnen Organen und 0rgansystemen.
Ich will ein besonderes Beispiel anführen. Sie kennen alle die Erscheinung, daß der Mensch, namentlich wenn er bodenständig
ist, wenn er also nicht durch seinen Beruf etwa viel reist, in einer gewissen Weise zusammengewachsen ist mit seinem Boden. Gehen Sie aufs Land zu den Landleuten, da werden Sie erfahren, daß noch in einem viel höheren Maße als bei der heutigen Stadtbevölkerung, die ja vielfach Landaufenthalte aufsucht, die Leute mit ihrem Boden, mit ihrem Klima zusammengewachsen sind und daß sie es schwer haben, wenn sie durch dieses oder jenes in eine andere Gegend oder in ein anderes Klima versetzt werden, sich zu akklimatisieren, wie man das nennt; daß bis in die Seele herein in Form von einem oftmals unüberwindlichen Heimweh die Sehnsucht nach dem Boden, mit dem sie zusammengewachsen sind, in der Seele lebt. Das soll uns nur darauf hinweisen, wie der Mensch notwendig hat - was wir auch sonst bemerken können, wenn er in eine andere Gegend kommt -, seinen ganzen Organismus anzupassen an diese Gegend, an dieses Klima. In unserem normalen Leben findet nun tatsächlich die Anpassung statt innerhalb des gesamten menschlichen Organismus. Alles wird in gewisser Weise affiziert, in Mitleidenschaft gezogen, wenn wir aus der Ebene ins Gebirge uns versetzen, wenn wir in eine etwas entfernte Gegend uns versetzen. Bei dem Esoteriker oder bei dem mit Ernst die Anthroposophie Treibenden tritt das merkbar ein, daß nun nicht mehr der ganze Organismus in Mitleidenschaft gezogen wird, sondern daß sich das Blutsystem absondert und daß die Blutzirkulation sich gleichsam heraussondert von dem übrigen Organismus und die Blutzirkulation den größeren Einfluß erfährt, wenn der Mensch von einer Gegend in die andere übergeht. Und wer sich für diese Sache eine gewisse Sensitivität aneignet, der kann bemerken, daß in der Tat an der Pulsation seines Blutes, an der Art, wie sein Puls schlägt, bemerkbar ist, wenn er einfach durch eine Reise von einem Ort in einen anderen sich versetzt. Während bei dem Menschen, der nicht durch Esoterik oder anthroposophisches Leben sozusagen imprägniert ist, das Nervensystem noch stark in Anspruch genommen wird durch die notwendige Akklimatisierung, wird bei dem, der sich mit Esoterik oder ernstem anthroposophischem Leben durchdringt, das Nervensystem sehr wenig in Anspruch genommen
werden; es tritt zurück, es sondert sich der innige Verband zwischen dem Nerven- und Blutsystem durch das anthroposophische Innenleben voneinander, und es wird das Blutsystem in einer gewissen Weise sensitiver für die Einflüsse von Klima und Boden, dafür das Nervensystem unabhängiger.
Wenn Sie für eine solche Sache Beweise haben wollen, so müssen Sie diese Beweise in der natürlichsten Weise suchen, in der sie zu finden sind: nämlich dann, wenn Sie selber in eine ähnliche Lage sich versetzt fühlen, wenn Sie selber an einen andern Ort kommen. Versuchen Sie auf sich zu achten, dann werden Sie sehen, daß Sie diese Tatsache des 0kkultismus bewahrheitet finden. Es ist außerordentlich wichtig, eine solche Tatsache ins Auge zu fassen, einfach aus dem Grunde, weil diese Tatsache sich allmählich ausbildet zu einer ganz bestimmten Empfindungsfähigkeit. An seinem Blut bemerkt derjenige, der in seinem Herzen Anthroposoph geworden ist, den Charakter einer fremden Stadt. Er braucht gar nicht viel auf anderes einzugehen: an seinem Blut kann er es schon bemerken, wie die Gegenden der Erde voneinander verschieden sind. Dagegen sondert sich wiederum das Nervensystem in einer anderen Weise heraus aus dem gesamten Organismus. Derjenige, der sich mit Anthroposophie unter den angegebenen Bedingungen durchdringt, wird nach und nach bemerken, daß er zum Beispiel den Unterschied der vier Jahreszeiten, namentlich den Unterschied von Sommer und Winter, noch in einer ganz anderen Weise empfindet als der sonstige normale Mensch der Gegenwart. Der normale Mensch der Gegenwart fühlt an seinem eigenen physischen Leibe eigentlich im Grunde genommen zumeist doch nur den Temperaturunterschied. Derjenige, der in der angedeuteten Weise Anthroposophie zu seinem Seeleninhalt gemacht hat, der empfindet nicht nur den Temperaturunterschied, sondern getrennt davon hat er noch ein besonderes Erleben in seinem Nervensystem, so daß es ihm zum Beispiel leichter wird, gewisse Gedanken, die an das physische Gehirn gebunden sind, im Sommer zu fassen als im Winter. Nicht als ob es unmöglich wäre, im Winter diese oder jene Gedanken zu fassen; aber man kann deutlich erfahren, daß es im Sommer leichter
ist als im Winter, daß sie im Sommer sozusagen leichter fließen als im Winter. Man kann auch bemerken, daß im Winter die Gedanken leichter abstrakt und im Sommer leichter bildhaft, anschaulicher werden. Das kommt davon her, daß das Werkzeug für den physischen Plan, das Nervensystem, in feiner Weise mitschwingt mit der Veränderung der Jahreszeiten, innerlich unabhängiger vom Gesamtorganismus mitschwingt, als das sonst der Fall ist.
Eine Grundveränderung aber in dem physischen Menschenleib ist dieses, daß man überhaupt beginnt - was recht bedenkliche Gestalten annehmen kann -, seinen physischen Leib stärker zu fühlen als vorher; er wird gewissermaßen empfindlicher für das Seelendasein, er wird schwerer erträglich. Es ist außerordentlich schwierig, sich das ganz klar zu machen, wenn dies auseinandergesetzt werden soll; allein stellen Sie sich vor ein Glas, in dem Wasser ist und in dem wäre aufgelöst Salz, so daß das eine trübe Flüssigkeit gäbe. Nehmen Sie an - für den normalen Zustand des Menschen - seinen Ätherleib, Astralleib und sein Selbst wie die Flüssigkeit, und der physische Leib sei darin aufgelöst wie das Salz. Jetzt lassen wir die Flüssigkeit hier im Glase etwas abkühlen. Da wird das Salz sich langsam herausverhärten, wird schwerer dadurch, daß es selbständiger wird. So verhärtet sich heraus aus dem gesamten Gefüge der vier Glieder der menschlichen Wesenheit der physische Leib; er schrumpft ein, wenn auch in geringfügigem Maße. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Er schrumpft in einer gewissen Weise ein. Nur müssen Sie sich das nicht stark vorstellen, so daß man nicht zu fürchten hat, daß der Mensch durch anthroposophische Entwicklung die allerstärksten Runzeln bekommt. Dieses Einschrumpfen ist ein In-sich-Dichterwerden. Dadurch aber zeigt er sich eigentlich erst als etwas, woran man schwerer zu tragen hat als vorher. Man empfindet ihn unbeweglicher als vorher. Dazu kommt, daß die anderen Glieder nun leichter beweglich sind. So empfindet man das, was man vorher eigentlich, wenn es ganz gesund war, gar nicht empfunden hat an sich, wozu man ganz behaglich Ich gesagt hat, das empfindet man nachher als etwas,
was man wie schwerer geworden an sich trägt, was man anfängt zu verspüren in seiner Gänze. Und insbesondere fängt man an, in seinem Leibe alle diejenigen Einschlüsse zu verspüren, welche sozusagen innerhalb dieses physischen Leibes ein gewisses, von vornherein selbständiges Dasein führen. Und hier kommen wir auf eine Frage, die eigentlich nur in diesem Zusammenhang zum vollen Verständnis gebracht werden kann - aber selbstverständlich wird damit keine Agitation getrieben, sondern nur die Wahrheit hingestellt -, wir kommen auf die Frage der Fleischkost.
Da müssen wir uns einmal, weil wir es hier mit dem physischen Leib zu tun haben, einlassen auf die Beschreibung des Wesens der Fleisch- und auch der Pflanzennahrung, der Nahrung überhaupt. Das alles soll eine Episode bilden bei der Besprechung der Einflüsse anthroposophischen Lebens auf die Hüllen des Menschen, was so charakterisiert werden kann, daß es genannt wird die Ergänzung, die` Regeneration dieses physischen Leibes von außen herein durch das, was er an äußerer Substanz aufnimmt. Man versteht das Verhältnis des Menschen zu seinen Nahrungsmitteln dann recht, wenn man das Verhältnis des Menschen zu den übrigen Naturreichen, zunächst zum Pflanzenreich ins Auge faßt. Das Pflanzenreich, als ein Reich des Lebens, führt die anorganischen Stoffe, die leblosen Stoffe bis zu einer gewissen Organisation herauf. Daß die lebendige Pflanze werde, das setzt voraus, daß die leblosen Stoffe in einer gewissen Weise - wie eben in einem lebendigen Laboratorium - verarbeitet werden bis zu einer gewissen Stufe der Organisation herauf. So daß wir in der Pflanze ein Lebewesen vor uns haben, welches die leblosen Naturprodukte bis zu einer gewissen Stufe der Organisation bringt. Der Mensch ist nun so organisiert als physischer Organismus, daß er in der Lage ist, den Organisationsprozeß da aufzunehmen, bis wohin die Pflanze ihn gebracht hat, und dann ihn von dem Punkte an weiterzuführen, so daß der höhere Menschenorganismus entsteht, wenn der Mensch das, was die Pflanze bis zu einem gewissen Grade organisiert hat, weiterorganisiert. Es verhalten sich die Dinge ganz genau so, daß dann eigentlich eine vollständige Kontinuation da ist, wenn der Mensch einen Apfel oder
ein Baumblatt abpflückt und ißt. Das ist die vollständigste Kontinuation. Würden alle Dinge so vorliegen, daß immer das Allernatürlichste könnte getan werden, so würde man sagen können: Das Natürlichste wäre, daß der Mensch einfach den Organisationsprozeß da fortsetzt, wo ihn die Pflanze stehengelassen hat, das heißt die Pflanzenorgane so nimmt, wie sie sich draußen darbieten, und von da aus in sich selber weiterorganisiert. Das würde eine gerade Linie der Organisation geben, die nirgends irgendwie durchbrochen wäre: von der leblosen Substanz bis zur Pflanze, bis zu einem gewissen Punkt der Organisation, und von diesem Punkt bis zum menschlichen Organismus hindurch.
Nehmen wir nun gleich das Gröbste: der Mensch genießt das Tier. Im Tier haben wir ein Lebewesen vor uns, welches den Organisationsprozeß auch schon weiterführt als die Pflanze, bis zu einem gewissen Punkte über die Pflanzenorganisation hinausführt. So daß wir von dem Tiere sagen können, es setzt den Organisationsprozeß der Pflanze fort. Nehmen wir nun an, der Mensch ißt das Tier. Da tritt in einer gewissen Weise das Folgende ein: der Mensch hat jetzt nicht nötig, das an inneren Kräften anzuwenden, was er hätte anwenden müssen bei der Pflanze. Hätte er da angefangen, die Nahrungsmittel organisieren zu müssen, wo die Pflanze aufgehört hat, dann hätte er eine gewisse Summe von Kräften anwenden müssen. Die bleibt nun ungenützt, wenn er das Tier ißt; denn das Tier hat die Organisation der Pflanze schon bis zu einem gewissen höheren Punkte heraufgeführt; erst da braucht der Mensch jetzt anzufangen. Wir können also sagen: Der Mensch setzt nicht die Organisation da fort, wo er sie fortsetzen könnte, sondern er läßt Kräfte, die in ihm sind, ungenützt und setzt später die Organisation fort; er läßt sich von dem Tiere einen Teil der Arbeit abnehmen, den er leisten müßte, wenn er die Pflanze genießen würde. Nun besteht das Wohlsein eines Organismus nicht darin, daß er möglichst wenig leistet, sondern darin, daß er alle seine Kräfte wirklich in Tätigkeit bringt. Wenn der Mensch tierische Nahrung zu sich nimmt, so macht er mit denjenigen Kräften, welche organische Tätigkeiten entwickeln würden, wenn er nur Pflanzen äße, etwas ähnliches, wie wenn er
auf seinen linken Arm verzichten würde, ihn anbinden würde, so daß er nicht benützt werden kann. So bindet der Mensch, wenn er Tiere ißt, innere Kräfte an, die er sonst aufrufen würde, wenn er nur Pflanzen äße. Er verurteilt also eine gewisse Summe von Kräften in sich zur Untätigkeit. Alles, was so zur Untätigkeit im menschlichen Organismus verurteilt wird, bewirkt zugleich, daß die betreffenden Organisationen, welche sonst tätig wären, brachgelegt werden, gelähmt, verhärtet werden. So daß der Mensch einen Teil seines Organismus tötet oder wenigstens lähmt, wenn er das Tier genießt. Diesen Teil seines Organismus, den der Mensch so in sich verhärtet, den trägt er dann mit durch das Leben wie einen Fremdkörper. Diesen Fremdkörper fühlt er im normalen Leben nicht.
Wenn aber der Organismus so innerlich beweglich wird und seine Organsysteme voneinander unabhängiger werden, so wie es im anthroposophischen Leben geschieht, dann beginnt der physische Leib, der ohnedies schon, wie wir charakterisiert haben, sich unbehaglich fühlt, sich noch unbehaglicher zu fühlen, weil er ja jetzt einen Fremdkörper in sich hat.
Wie gesagt, es soll nicht agitiert, sondern nur die Wahrheit an sich hingestellt werden. Und wir werden andere Wirkungen der tierischen Nahrung noch kennenlernen; wir werden diesmal genötigt sein, dieses Kapitel ausführlich zu besprechen. Daher also kommt es, daß Fortschritt im innerem anthroposophischem Leben allmählich eine Art von Ekel erzeugt an tierischer Nahrung. Nicht als ob man dem Anthroposophen die tierische Nahrung verbieten müßte; sondern das gesund fortschreitende Instinktleben wehrt sich nach und nach gegen die tierische Nahrung und mag sie auch nicht mehr; und das ist auch viel besser, als wenn der Mensch aus irgendeinem abstrakten Grundsatz heraus Vegetarier wird. Das beste ist, wenn die Anthroposophie den Menschen dazu bringt, eine Art Ekel und Abscheu vor der Fleischnahrung zu haben, und es hat nicht viel Wert in bezug auf das, was man seine höhere Entwicklung nennen kann, wenn der Mensch auf andere Weise sich die Fleischnahrung abgewöhnt. So daß man sagen kann: Die tierische Nahrung bewirkt in dem Menschen etwas, was für den physischen
Leib des Menschen eine Last wird, und diese Last wird empfunden. Das ist der okkulte Tatbestand von einer Seite.
Von einer anderen Seite werden wir ihn noch charakterisieren. Ich möchte als anderes Beispiel noch den Alkohol erwähnen. Auch das Verhältnis des Menschen zum Alkohol ist einer Veränderung unterworfen, wenn der Mensch sich innerlich lebendig, ernst mit Anthroposophie durchdringt. Der Alkohol nämlich ist ja etwas noch ganz Besonderes sozusagen in den Reichen der Natur. Er erweist sich nicht nur als eine Last-Erzeugung im menschlichen Organismus, sondern er erweist sich direkt als oppositionelle Gewalt im menschlichen Organismus erzeugend. Denn wenn wir die Pflanze betrachten, so bringt sie es in ihrer Organisation bis zu einem gewissen Punkt - mit Ausnahme der Weinrebe, die es über diesen Punkt hinausbringt. Was die übrigen Pflanzen sich einzig und allein aufsparen für den jungen Keim, alle die Triebkraft, die sonst nur für den jungen Keim aufgespart wird und nicht in das übrige der Pflanze sich ergießt, das ergießt sich bei der Weintraube auch in einer gewissen Weise in das Fruchtfleisch; so daß durch die s~ genannte Gärung, durch die Verwandlung dessen, was sich da in die Weintraube hineinergießt, was in der Traube selbst zur höchsten Spannung gebracht worden ist, etwas erzeugt wird, was in der Tat innerhalb der Pflanze eine Gewalt hat, welche nur verglichen werden kann okkultistisch mit der Gewalt, die das Ich des Menschen über das Blut hat. Was also bei der Weinerzeugung entsteht, was bei der Alkoholerzeugung sich immer bildet, ist, daß in einem anderen Naturreich dasjenige erzeugt wird, was der Mensch erzeugen muß, wenn er von seinem Ich aus auf das Blut wirkt.
Wir wissen ja, daß eine innige Beziehung besteht zwischen dem Ich und dem Blut. Sie kann schon äußerlich charakterisiert werden dadurch, daß wenn im Ich Scham empfunden wird, die Schamröte dem Menschen ins Gesicht steigt, wenn in dem Ich Furcht, Angst empfunden wird, der Mensch erblaßt. Diese Wirkung von dem Ich auf das Blut, die aber auch sonst vorhanden ist, die ist okkultistisch ganz ähnlich derjenigen Wirkung, welche entsteht, wenn der Pflanzenprozeß zurückgebildet wird, so daß das, was in dem
Fruchtfleisch der Weintraube ist oder was überhaupt aus dem Pflanzlichen kommt, zum Alkohol umgebildet wird. Das Ich muß, wie gesagt, normal einen ganz ähnlichen Prozeß im Blut erzeugen - okkultistisch gesprochen, nicht chemisch -, wie erzeugt wird durch das gleichsam Rückgängigmachen des Organisationsprozesses, durch das bloße Chemischmachen des Organisationsprozesses, wenn Alkohol erzeugt wird. Die Folge davon ist, daß wir durch den Alkohol etwas in unseren Organismus einführen, was von der anderen Seite her so wirkt, wie das Ich auf das Blut wirkt. Das heißt, wir haben ein Gegen-Ich in dem Alkohol in uns aufgenommen, ein Ich, das direkt ein Kämpfer ist gegen die Taten unseres geistigen Ich. Von der anderen Seite her wird auf das Blut gerade so gewirkt durch den Alkohol, wie von dem Ich auf das Blut gewirkt wird. So daß wir also einen inneren Krieg entfesseln und im Grunde alles das, was von dem Ich ausgeht, zur Machtlosigkeit verdammen, wenn wir ihm einen Gegenkämpfer entgegenstellen im Alkohol. Dies ist der okkulte Tatbestand. Derjenige, welcher keinen Alkohol trinkt, sichert sich die freie Möglichkeit, von seinem Ich aus auf das Blut zu wirken; derjenige, der Alkohol trinkt, der macht es gerade so wie jemand, der eine Wand einreißen will und nach der einen Seite schlägt, gleichzeitig aber auf der anderen Seite Leute aufstellt, die ihm entgegenschlagen. Ganz genau so wird durch den Genuß des Alkohols eliminiert die Tätigkeit des Ich auf das Blut.
Daher empfindet derjenige, welcher Anthroposophie zu seinem Lebenselement macht, die Arbeit des Alkohols im Blute als direkten Kampf gegen sein Ich, und es ist daher nur natürlich, daß eine wirkliche geistige Entwicklung nur leicht vor sich gehen kann, wenn man ihr nicht diese Widerlage schafft. Wir sehen gerade aus diesem Beispiel, wie das, was ja sonst auch vorhanden ist, durch das veränderte Gleichgewicht, welches eintritt im physischen Leib, für den Esoteriker oder Anthroposophen wahrnehmbar wird.
Auch in vielen anderen Beziehungen verselbständigen sich die einzelnen Organe und Organsysteme des menschlichen physischen Organismus, und diese Verselbständigung können wir auch dadurch kennzeichnen, daß Rückenmark und Gehirn viel unabhängiger voneinander
werden. Wir werden von der Nahrung, von der okkulten Nahrungsphysiologie morgen noch weiterreden; ich will aber heute mehr bei dem Thema der Verselbständigung bleiben. Diese Unabhängigkeit des Rückenmarkes vom Gehirn kann dadurch zutage treten, daß in der Tat durch eine innere Durchdringung der Seele mit Anthroposophie nach und nach der Mensch in die Lage kommt, an seinem physischen Leibe zu empfinden, als ob dieser physische Organismus an sich größere Selbständigkeit gewänne. Das kann wiederum ganz unbehagliche Situationen geben. Daher ist es um so notwendiger, daß man die Sache weiß. Es kann sich zum Beispiel herausstellen, daß, während man sich sonst in der Gewalt hat, wie man das so gewöhnlich nennt, derjenige, der weiterkommt, an sich plötzlich merkt, wie er manche Worte sagt, ohne daß er so recht die Absicht hatte, diese Worte zu sagen. Er geht auf der Straße; plötzlich merkt er, daß er ein Wort ausgesprochen hat, das vielleicht ein Lieblingswort von ihm ist, das er unterlassen hätte auszusprechen, wenn er nicht jene Verselbständigung durchgemacht hätte, die man diejenige des Rückenmarkes gegenüber dem Gehirn nennt. Was sonst gehemmt wird, das wird zu bloßen Reflexerscheinungen durch die Verselbständigung des Rückenmarkes gegenüber dem Gehirn. Aber im Gehirn selber wird ein Teil verselbständigt gegenüber dem andern Teil: nämlich die inneren Partien des Gehirns werden selbständiger gegenüber den äußeren umlagernden Partien, während diese letzteren mehr mit den inneren Partien zusammenarbeiten im normalen Leben. Das zeigt sich dadurch, daß für den Esoteriker oder wirklichen Anthroposophen das abstrakte Denken schwerer wird, schwieriger wird, als es vorher war, an dem Gehirn allmählich einen Widerstand findet. Bildlich zu denken, mehr sozusagen sich imaginativ vorzustellen, das wird leichter bei dem sich entwickelnden Anthroposophen, als daß er abstrakt denkt.
Das ist etwas, was bei manchem besonders eifrigen Anthroposophen sogar sehr bald leicht bemerkbar wird. Es stellt sich eine Vorliebe für nur anthroposophische Betätigung ein. Die Leute fangen an, nur mehr Anthroposophisches gerne zu lesen und zu denken, nicht bloß aus dem Grunde, weil sie eifrige Anthroposophen sind,
sondern weil es ihnen leichter wird, sich in diese mehr spirituellen Vorstellungen hineinzufinden, welche, soweit der physische Plan in Betracht kommt, die mittleren Partien des Gehirns beanspruchen, während das abstrakte Denken die äußeren Partien des Gehirns beansprucht. Daher kommt die Abneigung gerade manches übereifrigen Anthroposophen gegenüber abstraktem Denken und abstrakter Wissenschaft. Daher kommt es auch wiederum, daß einzelne Anthroposophen mit einer gewissen Wehmut bemerken, wie sie früher gut abstrakt haben denken können und wie gerade dieses abstrakte Denken anfängt schwieriger zu werden.
So werden die einzelnen Organe in sich lebendiger und selbständiger, und sogar einzelne Organteile werden lebendiger und selbständiger. Sie können daraus ersehen, daß sozusagen etwas Neues eintreten muß bei dem Menschen, der solches durchmacht. Früher war es eine gütige Natur, die ohne sein Zutun seine Organe in die richtige Verbindung gebracht hat; jetzt werden diese Organe selbständiger, kommen in ein unabhängiges Verhältnis zueinander. Jetzt muß er mehr von innen heraus die Kraft haben, die Organe wirklich wiederum zu einer Harmonie aufzurufen. Dieses Aufrufen der Organe und Organteile zu einer Harmonie erreicht man dadurch, daß bei jedem ordentlichen Betreiben des Anthroposophischen alles das immerfort betont wird, was die Herrschaft des Menschen über seine selbständiger gewordenen Organe erhöht. Warum spielt eigentlich innerhalb unserer Literatur etwas eine so große Rolle, wovon manche Menschen einfach sagen: Ach, das ist aber doch furchtbar schwierig! - Ich mußte schon oft eine sehr eigentümliche Antwort geben, wenn gesagt wurde: Für Anfänger ist das Buch «Theosophie» doch eigentlich zu schwierig. - Ich mußte sagen: Es durfte nicht leichter sein. Hätte man es leichter gemacht, so hätten die Leute zwar gewisse anthroposophische Wahrheiten in ihr Inneres aufgenommen, die wirken, auch zur Verselbständigung der einzelnen Gehirnpartien; aber es ist dieses Buch in einer ordentlichen Gedankenstruktur konstruiert, damit auch die andere Partie des Gehirns fortwährend genötigt ist, wirklich sich zu üben, nicht sozusagen zurückzubleiben. Das ist das Eigentümliche,
das bei einer solchen Bewegung, die auf einer okkulten Grundlage beruht, notwendig macht, nicht nur zu achten auf das, was im abstrakten Sinn das Richtige ist, und das einfach zu verkündigen in jeder beliebigen Weise; sondern es ist notwendig, es in einer gesunden Weise zu verkündigen und in ehrlichster Weise darauf zu achten, daß nicht um der Popularität willen die Sache so verkündet wird, daß sie in ihrer Verkündigung zugleich zum Schaden gereichen könne. In der Anthroposophie kommt es nicht bloß darauf an, daß die entsprechenden Wahrheiten in Büchern und in Reden mitgeteilt werden, sondern es kommt darauf an, wie sie geschrieben und wie sie mitgeteilt werden. Und um so besser ist es, wenn diejenigen, die sich zum Träger einer solchen Bewegung machen wollen, sich nicht um der Popularität willen abhalten lassen, dies oder jenes durchzuführen. Mehr als auf jedem anderen Gebiete handelt es sich auf diesem um das Bekenntnis zur reinen und ehrlichen Wahrheit. Und gerade wenn man auf solche Fragen eingeht wie die Veränderung der menschlichen Hülle durch anthroposophisches Leben, da bemerkt man erst, wie notwendig es ist, Anthroposophie in richtiger Weise vor die Welt zu bringen.
Ich möchte nur bemerken, daß die Vorträge, die ich halten werde, als ein Ganzes zu nehmen sind und daß daher manches Bedenkliche, was beim ersten Vortrag in dieser oder jener Seele auftreten könnte, schon behoben werden wird.
ZWEITER VORTRAG Den Haag, 21. März 1913
Es stehen natürlich dem Anthroposophen viel näher die Einwirkungen der Esoterik oder auch der Anthroposophie auf die ätherische und die astralische Hülle und das Selbst als gerade die Einwirkungen auf die physische Hülle. Dennoch werden wir für die nächsten Tage, wo wir die geistigeren Glieder der menschlichen Natur von diesem Gesichtspunkt aus zu betrachten haben, eine Grundlage gewinnen, wenn wir auch das ins Auge fassen, was über die Veränderung der physischen Hullen angeführt werden kann. Ausdrücklich aber soll bemerkt werden, daß die Veränderungen, die ich hier angebe, sich nicht beziehen auf die h&hsten Stufen etwa der Initiation, sondern daß sie sich beziehen mehr auf das anfängliche esoterische Leben und daß sie daher von einer gewissen allgemeinen Wichtigkeit schon sind.
Sie werden gesehen haben aus dem Gestrigen, daß unter den charakterisierten Einflüssen der physische Leib des Menschen gewissermaßen lebendiger, in sich beweglicher wird; daß er daher in einer gewissen Weise auch unbehaglicher werden kann. Man erlebt ihn in einer gewissen Weise mehr mit, als man ihn bei dem äußeren, exoterischen, sogenannten normalen Leben des Menschen miterlebt. Wir werden auch noch bei den anderen Hüllen von dem Unter- schied der vegetabilischen von der tierischen Nahrung zu sprechen haben; aber für die Gestaltung und Organisation des physischen Leibes ist denn doch der Unterschied zwischen vegetabilischer und tierischer Nahrung ein außerordentlich großer. Immer muß natür'ich betont werden, daß es nicht unsere Aufgabe sein kann, für die eine oder andere Ernährnngsweise Propaganda zu machen, sondern nur das zu sagen, was richtig, was wahr ist auf diesem Gebiete; und die Tatsachen, die in Betracht kommen, sie werden durch die Entwicklung der Seele Erfahrungstatsache.
Eine Erfahrungstatsache wird vor allen Dingen diejenige, daß unsere physische Hülle an der tierischen Ernährung mehr zu tragen,
mehr gleichsam mitzuschleppen hat als an der vegetabilischen Ernährung. Wir haben ja gestern betont, daß der physische Leib gleichsam schrumpft, sich herauslöst aus den höheren geistigen Gliedern durch die Entwicklung.
Wenn ihm nun tierische Nahrung zugeführt wird, so zeigt sich diese tierische Nahrung, wie gestern charakterisiert worden ist, auch noch dadurch, daß sie erlebt wird wie etwas, was sich als ein starker Fremdstoff in den menschlichen Organismus eingliedert, was man fühlen lernt, wenn ein radikaler Ausdruck gebraucht werden darf, wie einen Pfahl, den man sich ins Fleisch hineingefügt hat.
In dieser Beziehung erlebt man bei einer esoterischen Entwicklung sozusagen die Erdenschwere der tierischen Nahrung mehr, als man sie sonst erlebt, und man erlebt vor allen Dingen die Tatsache, daß die tierische Nahrung das instinktive Willens- leben anfeuert. Das Willensleben, das mehr unbewußt verläuft, das mehr in Affekten und Leidenschaften verläuft, das feuert die tierische Nahrung an. Es ist daher eine durchaus richtige äußere Beobachtung, wenn gesagt wird, daß kriegerische Völkerschaften mehr der tierischen Nahrung zuneigen als friedfertige Völkerschaften. Das aber braucht durchaus nicht etwa zu dem Glauben zu verleiten, als ob die vegetabilische Nahrung allen Mut und alle Tatkraft aus dem Menschen heraustreiben müsse. Wir werden ja sehen, wie das, was der Mensch in einer gewissen Weise durch Entziehung der tierischen Nahrung an Instinkten, an aggressiven Leidenschaften und Affekten verliert - es wird sich ja das alles erst besprechen lassen bei der Darstellung des astralischen Leibes -, daß alles das ersetzt wird von innen heraus von dem Seelischen. Aber alle diese Dinge hängen zusammen mit der ganzen Stellung des Menschen und unserer übrigen Naturreiche zum Kosmos, und man erlangt nach und nach, wenn man das auch noch nicht durch höheres Hellsehen erreicht, eine Art Beweis, eine Art Bestätigung dessen, was der Okkultist konstatiert über Zusammenhänge des menschlichen Lebens mit dem Kosmos. Man erlangt eine Art Beweis dafür, wenn man durch dieses Miterleben der beweglicher, lebendiger gewordenen
Vorgänge des physischen Leibes gewissermaßen am eigenen Leibe die Natur und Eigentumlichkeit der als Nahrungsmittel verwendeten Substanzen der Erde kennenlernt.
Sehen Sie, es ist zum Beispiel interessant, zu vergleichen dreierlei Arten von Nahrungsmitteln in bezug auf ihre kosmische Bedeutung: das ist die Milch und alles, was mit ihr zusammenhängt, das ist die Pflanzenwelt und alles, was mit ihr zusammenhängt, nämlich aus ihr bereitet wird, und das ist die tierische Nahrung. Milch, Pflanzen, Tier als Nahrungsmittel, man kann sie in einer gewissen Weise vergleichen lernen, wenn man empfänglicher gemacht worden ist durch die esoterische Entwicklung für das, was man an diesen Nahrungsmitteln erlebt; und dann wird man auch leichter überschauen lernen die Bestätigungen, die sich durch eine vernünftige Betrachtung der Außenwelt ergeben. Wenn Sie okkultistisch die Welt durchforschen würden, würden Sie das, was Milchsubstanz ist, auf der Erde, aber auf keinem anderen Planeten unseres Sonnensystems finden. Was produziert wird innerhalb der Lebewesen in ähnlicher Weise auf anderen Planeten unseres Sonnensystems, würde sich Ihnen als etwas ganz anderes, als die irdische Milch ist, darstellen. Die Milch ist etwas spezifisch Irdisches. Und wenn man das generalisieren wollte, was Milch ist, so müßte man sagen: Die Lebewesen eines jeden Planetensystems haben ihre eigene Milch.
Wenn man das Pflanzensystem unserer Erde untersucht und es okkultistisch vergleicht mit den Pflanzensystemen anderer Planeten, mit dem, was damit verglichen werden kann, so muß man sagen:
Zwar sind die Formen verschieden der Pflanzenwesenheit auf der Erde und der Pflanzenwesenheit auf anderen Planeten unseres Sonnensysrems, aber das innere Wesen der Pflanze auf der Erde ist doch nicht bloß ein irdisches, sondern ein zum Sonnensystem gehöriges; das heißr, die Pflanzenwesenheit unserer Erde ist verwandt mit der Pflanzenwesenheit der anderen Planeten unseres Sonnensystems, so daß wir in den Pflanzen gleichsam hereinragen haben etwas, was sich finden ließe auch auf anderen Planeten unseres Systems. Was die Tierwelt betrifft, so folgt es ja schon aus dem, was über die Milch gesagt worden und außerdem sonst okkultistisch sehr leicht
zu konstatieren ist, daß sie radikal verschieden ist als irdische Tierwelt von all dem, was Ähnliches auf anderen Planeten gefunden werden könnte. Wenn man nun das Erlebnis sozusagen der Milchnahrung nimmt, so zeigt sich die Milchnahrung vor dem Blick, vor dem Erlebnis des Okkultisten so, daß sie für den Menschenleib - wir wollen bei dem Menschen bleiben - dasjenige bedeutet, was ihn sozusagen an die Erde, an unseren Planeten fesselt, was ihn zusammenbringt mit dem Menschengeschlecht auf der Erde als zu einer gemeinsamen Gattung mit diesem Menschengeschlecht gehörig. Daß die Menschen ein Ganzes ausmachen auch in bezug auf das physische Hüllensystem, das wird mit befördert dadurch, daß Lebendiges Nahrung für Lebendiges im tierischen Sinn bereitet. Und man kann sagen: Alles das, was durch die Milchnahrung dem menschlichen Organismus zugeführt wird, das bereitet ihn dazu, ein menschliches Erdengeschöpf zu sein, bringt ihn zusammen mit den Verhältnissen der Erde, aber es fesselt ihn nicht eigentlich an die Erde. Es macht ihn zum Erdenbürger und hindert ihn nicht, ein Bürger des ganzen Sonnensystems zu sein.
Anders ist es bei der Fleischnahrung. Die Fleischnahrung, die entnommen ist dem Reich, das spezifisch irdisch ist, und die entnommen ist nicht so wie die Milch dem unmittelbaren Lebensprozeß des menschlichen oder tierischen Lebewesens, sondern die entnommen ist demjenigen Teil der tierischen Substanz, die schon zubereitet ist für das Tier, diese Fleischnahrung fesselt den Menschen speziell an die Erde, macht ihn zum Erdengeschöpf so, daß man sagen rnuß: So viel der Mensch seinen eigenen Organismus durchdringt mit den Wirkungen der Fleischnahrung, so viel entzieht er sich an Kräften, um überhaupt von der Erde loszukommen. Er verbindet sich durch die Fleischnahrung im eminentesten Sinn mit dem Erdenplaneten. Während ihn die Milchnahrung fähig macht, sozusagen der Erde anzugehören wie einem Durchgangsorte seiner Entwicklung, verurteilt den Menschen die Fleischnaiirung dazu, wenn er nicht durch anderes erhoben wird, den Erdenaufenthalt wie zu einem dauernden zu gestalten, zu einem solchen, an den er sich völlig anpaßt. Und der Entschluß, Milchnahrung
zu sich zu nehrnen, bedeutet gleichsam: Ich will mich auf der Erde aufhalten, auf der Erde meine Mission erfüllen können, aber nicht ausschließlich für die Erde da sein. Der Wille zur Fleischnahrung bedeutet: Mir sagt das Erdendasein so zu, daß ich auf alle Himmel verzichte und am liebsten ganz und gar aufgehen würde in den Verhältnissen des Erdendaseins.
Die Pflanzennahrung ist eine solche, daß sie in dem Organismus jene Kräfte rege macht, welche den Menschen in eine Art kosmische Verbindung bnöngen mit dem ganzen planetarischen System. Das, was der Mensch zu vollbringen hat, wenn er die Pflanzennahrung in seinem eigenen Organismus weiterverarbeitet, das regt Kräfte an, die im ganzen Sonnensystem enthalten sind so daß der Mensch in seiner physischen Hülle ein Anteilnehmer an den Kräften des ganzen Sonnensystems wird, also sich ihnen nicht fremd macht, sich aus ihnen nicht herausreißt. Das ist etwas, was in gewisser Beziehung wirklich nach und nach die Seele, die sich anthroposophisch oder esoterisch entwickelt, an sich erleben kann, daß sie in gewisser Beziehung mit der Pflanzennahrung etwas nicht Erdenschweres, sondern etwas der Sonne, das heißt dem Zentralkörper des ganzen Planetensystems Eigenes in sich aufnimmt. Die Leichtigkeit des Organismus, die er erhält durch die Pflanzennahrung, die hebt über die Erdenschwere hinweg, die macht eine gewisse innere - man möchte sagen - nach und nach wie zur Geschmacksempfindung sich ausbildende Erlebnisfähigkeit im menschlichen Organismus möglich: daß es ihm ist, diesem Organismus, wie wenn er mit den Pflanzen in der Tat in einer gewissen Weise das Sonnenlicht, das in den Pflanzen ja so viel Arbeit leistet, wirklich mitgenießen würde.
Aus dem, was gesagt worden ist, können Sie entnehmen, daß es gerade bei der okkultistischen, bei der esoterischen Entwicklung eine ungeheure Bedeutung hat, nicht sich sozusagen an die Erde zu fesseln, mit aller Erdenschwere sich auszustatten durch den Fleischgenuß, wenn er entbehrt werden kann nach den individuellen und Vererbungsverhältnissen; die eigentliche Entscheidung kann ja immer nur nach den persönlichen Verhältnissen des einzelnen Menschen
ausfallen. Eine wirkliche Erleichterung also der ganzen Entwicklung des Menschenlebens wird es bedeuten, wenn der Mensch sich von dem Fleischgenuß enthalten kann. Dagegen beginnen schon gewisse Bedenklichkeiten, wenn der Mensch fanatischer Vegetarier in dem Sinn sein wollte, daß er alle Milch und alle Milchprodukte meiden wOllte. Gerade bei der Entwicklung der Seele nach dem Geistigen hin kann das gewisse Gefahren einschließen, und zwar aus dem Grunde, weil der Mensch sehr leicht dadurch, daß er allen Milchgenuß und allen Genuß dessen, was damit zusammenhängt, meidet, leicht zu einem gewissen bloßen Lieben des von der Erde Wegstrebenden kommt und die Fäden leicht verliert, die ihn mit dem verbinden, was auf der Erde an Menschlichem getrieben wird.
Es ist daher wohl zu beachten, daß es in einem gewissen Sinn gut ist, wenn gerade der anthroposophisch Strebende sich nicht zum fanatischen spirituellen Schwärmer dadurch macht, daß er sich die Schwierigkeit in der physischen Hülle schafft, die schon diese physische Hülle wegbringen will von aller Verwandtschaft mit dem Irdisch-Menschlichen. Damit wir nicht gar zu sehr seelische Entwicklung anstrebende Sonderlinge werden, damit wir nicht entfremdet werden menschlichem Fühlen, menschlichem Treiben auf der Erde, ist es gut, wenn wir uns als Wanderer auf der Erde in einer gewissen Weise beschweren lassen durch den Milchgenuß und durch den Genuß von Milchprodukten. Und es kann sogar eine ganz systematische Trainierung sein für einen Menschen, nicht nur immer sozusagen in den spirituellen Welten zu leben und dadurch erdenfremd zu werden, sondern daneben Aufgaben auf der Erde zu erfüllen, es kann eine systematische Trainierung sein, nicht bloßer Vegetarier zu sein, sondern Milch und Milchprodukte daneben zu genießen. Dadurch wird er seinen Organismus, seine physische Hülle erdenverwandt, menschheitsverwandt machen, aber nicht so an die Erde fesseln, mit Erdensein beschweren, wie das der Fall ist durch den Fleischgenuß.
Es ist also in jeder Weise interessant, zu sehen, wie diese Dinge mit kosmischen Geheimnissen zusammenhängen und wie man
durch die Kenntnis dieser kosmischen Geheimnisse die eigentliche Wirkung der Nahrungsstoffe im menschlichen Organismus verfolgen kann. Sie müssen ja durchaus als Menschen, die sich interessieren für okkulte Wahrheiten, meine lieben Freunde, immer mehr und mehr sich durchdringen davon, daß dasjenige, was auf unserer Erde auftritt - und zu unserem Erdensein gehört ja zunächst auch unser physischer Leib -, nicht etwa bloß von irdischen Kräften und Verhältnissen abhängig ist, sondern auch abhängig ist von den Kräften und Verhältnissen außerirdischer Wesenhaftigkeit, kosmischer Wesenhaftigkeit.
Das ist aber in ganz verschiedener Weise der Fall. So zum Beispiel müssen wir, wenn wir tierisches Eiweiß ins Augen fassen, wie es, sagen wir, im Hühnerei vorhanden ist, uns klar sein darüber daß solches tierisches Eiweiß nicht etwa bloß das ist, was der Chemiker in seiner Analyse findet, sondern daß es in seinem Aufbau ein Ergebnis kosmischer Kräfte ist, und zwar wirken auf dieses Eiweiß die kosmischen Kräfte im wesentlichen nur, nachdem sie zuerst gewirkt haben auf die Erde selber und höchstens noch auf den die Erde begleitenden Mond. Es ist also der kosmische Einfluß auf das tierische Eiweiß ein indirekter. Nicht direkt wirken die Kräfte des Kosmos auf das Eiweiß, sondern indirekt; sie wirken zuerst auf die Erde und die Erde wirkt wiederum mit ihren Kräften, die sie aus dem Kosmos empfängt, zurück auf die Zusammensetzung des tierischen Eiweißes. Höchstens ist der Mond daran beteiligt, aber nur so, daß er zuerst die Kräfte von dem Kosmos empfängt und dann erst mit diesen Kräften, die er von sich ausstrahlt, zurückwirkt auf das tierische Eiweiß. In der kleinsten Zelle des Tierischen, also auch im Eiweiß, kann derjenige, der mit okkultem Blick die Dinge zu durchschauen in der Lage ist, sehen, wie etwa nicht bloß die auf der Erde vorhandenen physikalischen und chemischen Kräfte vorhanden sind, sondern wie die kleinste Zelle, sagen wir des Hühnereis, aufgebaut ist aus den Kräften, die die Erde erst bekommt aus dem Kosmos.
Indirekt hängt also das, was wir Eiweiß nennen, mit dem Kosmos zusammen, aber es würde diese tierische Eiweißsubstanz so,
wie sie auf der Erde ist, niemals entstehen, wenn die Erde nicht da wäre. Direkt aus dem Kosmos könnte sie nicht entstehen; sie ist durchaus ein Produkt desjenigen, was die Erde erst aus dem Kosmos empfangen muß.
Anders zum Beispiel ist es wiederum mit dem, was wir als Fettsubstanz kennen, was wir als irdische Fettsubstanz der Lebewesen kennen, die ja auch einen Teil der Nahrung bildet, namentlich bei denjenigen Menschen, welche tierische Nahrung genießen. Es sei also die Rede von diesen tierischen Fetten. Dasjenige, was wir Fettsubstanz nennen, gleichgültig ob es der Mensch von außen genießt oder in seinem eigenen Organismus selber bildet, ist nach ganz anderen kosmischen Gesetzen aufgebaut als die Eiweißsubstanz. Während an dieser beteiligt sind jene kosmischen Kräfte, welche ausgehen von Wesenheiten der Hierarchien der Form, sind beteiligt an dem Aufbau der Fettsubstanz vorzugsweise jene Wesenheiten, die wir nennen die Geister der Bewegung. Sehen Sie, es ist wichtig, solche Dinge zu erwähnen, weil man dadurch erst den Begriff bekornmt, wie kompliziert eigentlich so etwas ist, was sich die äußere Wissenschaft so unendlich einfach vorstellt. Kein Lebewesen könnte auf der einen Seite mit Eiweißsubstanz, auf der anderen mit Fettsubstanz durchdrungen sein, wenn nicht zusammen- wirkten aus dem Kosmos herein - wenn auch indirekt - der Geist der Form und der Geist der Bewegung. Also wir können die geistigen Wirkungen, die wir kennen als ausgehend von den Wesen der verschiedenen Hierarchien, verfolgen bis in die Substanz herein, die unsere physische Hülle zusammensetzt. Daher wird beim Erleben, das dann eintritt, wenn die Seele eine anthroposophische Entwicklung durchgemacht hat, auch dieses Erleben in sich differenzierter, in sich beweglicher, das man hat gegenüber dem, was man als Eiweiß in sich trägt, und dem, was man als Fett in sich trägt in der physischen Hülle. Es ist das ein zweifaches Empfinden. Was bei dem im äußeren normalen Dasein lebenden Menschen in ein einziges Empfinden zusammenrinnt, das empfindet man durcheinander: das, was im Organismus die Fette machen und was die Eiweißsubstanzen machen. Indem der ganze physische Organismus
beweglicher wird, lernt die sich entwickelnde Seele unterscheiden zweierlei Empfindungen am eigenen Leib. Eine Empfindung, welche gleichsam uns innerlich so durchdringt, daß wir fühlen: das setzt uns zusammen, gibt uns die Statur, - da empfinden wir die Eiweißsubstanzen in uns. Wenn wir empfinden: das macht uns gleichgültig gegen unsere innere Abgeschlossenheit, das hebt uns gleichsam hinaus über unsere Form, das macht uns gegenüber unserem inneren menschlichen Fühlen phlegmatischer, wenn sich also zu der eigenen Empfindung etwas Phlegma zusetzt gegenüber dieser eigenen Empfindung - diese Empfindungen differenzieren sich sehr stark bei einer anthroposophischen Entwicklung -, so rührt diese letzte Empfindung her von dem Erleben der Fettsubstanz in der physischen Hülle. Es wird also das innere Erleben auch in bezug auf die physische Hülle komplizierter.
Das wird ja insbesondere stark dann wahrgenommen, wenn es sich handelt um das Erleben der Stärkesubstanz oder der Zuckersubstanz. Zucker ist besonders charakteristisch. Zucker differenziert sich ja zunächst im Geschmacksurteil sehr stark von anderen Substanzen. Diese Differenzierung kann man im gewöhnlichen Leben sehr gut bemerken, nicht nur an den Kindern, sondern auch manchmal an älteren Leuten an der Vorliebe, die da für Zuckersubstanz vorhanden ist; aber es geht gewöhnlich die Differenzierung nicht weiter als eben bis zu dem Geschmack. Wenn die Seele eine Entwicklung durchmacht, dann erlebt sie alles das, was sie an Zuckersubstanz aufnimmt oder in sich hat wie etwas, was ihr innerliche Festigkeit gibt, was sie innerlich stützt, was sie gewissermaßen mit einer Art natürlicher Egoität durchzieht. Und in dieser Beziehung darf sogar dem Zucker in einer gewissen Beziehung eine Art Lobrede gehalten werden. Gerade derjenige, der eine Seelenentwicklung durchmacht, kann oftmals bemerken, daß er es sogar oft nötig hat, etwas Zucker aufzunehmen, weil ja die seelische Entwicklung dahin gehen muß, immer selbstloser und selbstloser zu werden. Die Seele wird von selber selbstloser durch eine ordentIiche anthroposophische Entwicklung. Damit nun der Mensch, der ja vermöge seiner physischen Hülle schon einmal eine Erdenmission
hat, nicht sozusagen den Zusammenhang seines Ich-Organismus mit der Erde verliere, ist es geradezu gut, ein Gegengewicht im Physischen zu schaffen, wo ja die Egoität nicht eine so große Bedeutung hat wie im Moralischen. Durch den Zuckergenuß wird - man möchte sagen - eine Art unschuldiger Egoität geschaffen, die ein Gegengewicht bilden kann gegen die notwendige Selbstlosigkeit auf moralisch-geistigem Gebiete. Es würde sonst doch zu leicht die Versuchung da sein, daß der Mensch nicht nur selbstlos würde, sondern daß er auch träumerisch würde, phantastisch würde, den Zusammenhang verlieren würde mit einer gesunden Beurteilungsfähigkeit der irdischen Verhältnisse. Dazu trägt ein gewisser Zusatz von Zucker zu der Nahrung bei, einem die Möglichkeit zu geben, trotz allen Hinaufsteigens in die geistigen Welten mit beiden Beinen auf der Erde stehenzubleiben, eine gewisse gesunde Erdenansicht sich mit heranzukultivieren.
Sie sehen, die Dinge sind kompliziert; aber es wird alles kompliziert, wenn man in die wirklichen Geheimnisse des Lebens eindringen will. So fühlt zuweilen gerade der, welcher anthroposophisch in seiner Seele weiterkommt, daß ihm, damit er nicht einer falschen Selbstlosigkeit, nämlich einem Verlieren seiner Persönlichkeit ausgesetzt ist, ein Zuckergenuß zuweilen nottut. Und er erlebt dann den Zuckergenuß so, daß er sagt Nun, so füge ich mir etwas bei, was mir, ohne daß ich mich moralisch herabstimme, wie unwillkürlich, wie in einem höheren Instinkte eine gewisse Festigkeit, eine gewisse Egoität gibt. Im ganzen kann man sagen, daß der Zuckergenuß physisch den Persönlichkeitscharakter des Menschen erhöht. Man kann das so stark behaupten, daß man wird sagen können, daß die Menschen - selbstverständlich darf das alles nur in gesunden Grenzen gehalten werden -, daß die Menschen, welche in einer gewissen Weise dem Zuckergenuß huldigen, es leichter haben, schon in ihrem physischen Leib ihren Persönlichkeitscharakter auszuprägen, als diejenigen, die es nicht tun. Diese Dinge können sogar zum Verständnis dessen führen, was man auch äußerlich beobachten kann. In Ländern, wo nach der Statistik wenig Zucker genossen wird, sind die Menschen weniger mit Persönlichkeitscharakter ausgestattet
als in Ländern, wo mehr Zucker genossen wird. Gehen Sie in die Länder, wo die Menschen mehr persönlich auftreten, wo jeder sozusagen sich in sich fühlt, und dann von da in Länder, wo die Menschen, man möchte sagen, mehr den allgemeinen Volksrypus haben, unpersönlicher sind schon in der äußeren physischen Natur, so werden Sie finden, daß in ersteren Ländern viel und in den letzteren wenig Zucker konsumiert wird.
Wenn wir von diesem Erleben sozusagen der Nahrungssubstan. zen noch mehr in die Augen springende Begriffe haben wollen, so können wir es an den sogenannten Genußmitteln haben. Diese Genußmittel, die werden ja besonders lebhaft schon erlebt auch im äußeren Leben - Kaffee, Tee in einem erhöhten Maße; aber das, was schon der normale Mensch erlebt an Kaffee und Tee, das erlebt derjenige, der eine anthroposophische Entwicklung durchmacht, in einem viel höheren Maße. Wie gesagt, das alles ist weder ein agitatives Für oder Gegen den Kaffee, sondern eine Darstellung der Dinge, wie sie sind, und ich bitte, das auch nur in diesem Sinne hinzunehmen. Der Kaffee wirkt ja schon im ganz normalen menschlichen Leben erregend auf die menschliche Natur, ebenso der Tee;
nur daß diese Erregungen, die ausgeübt werden durch Kaffee und Tee auf den Organismus, von der Seele, die eine anthroposophische Entwicklung durchmacht, lebendiger empfunden werden. Vom Kaffee kann zum Beispiel gesagt werden, daß er so auf den menschlichen Organismus wirkt, daß dieser menschliche Organismus dadurch in einer gewissen Weise seinen Atherleib von dem physischen Leib heraushebt, aber so, daß der physische Leib gefühlt wird wie eine solide Grundlage des Ätherleibes. Das ist die spezifische Wirkung des Kaffees. Also, es wird etwas differenziert physischer Leib und Ätherleib beim Kaffeegenuß, aber so, daß der physische Leib namentlich in seinen Formeigenschaften gerade unter dem Einfluß des Kaffees wie hineinstrahlend in den Ätherleib gefühlt wird, wie eine Art solider Grundlage für das, was dann durch den Ätherleib erlebt wird. Das soll wahrhaftig nicht eine Agitation für den Kaffeegenuß sein; denn das bewegt sich ja alles auf physischer Grundlage, und der Mensch würde sich zu einem ganz unselbständigen Wesen
machen, wenn er sich herrichten wollte durch den Genuß dieser Nahrungs- oder Genußmittel; es soll nur der Einfluß dieser Nahrungs- und Genußmittel charakterisiert werden. Aber weil namentlich das logische, das folgerichtige Denken sehr abhängt von der Struktur, von der Form des physischen Leibes, so wird durch die eigentümliche Wirkung des Kaffees, der gleichsam schärfer herausschattiert die physische Struktur des physischen Leibes, physisch die logische Folgerichtigkeit befördert, - es wird durch den Kaffeegenuß der Mensch sozusagen auf physischem Wege in seiner logischen Folgerichtigkeit gefördert, in einem folgerichtig den Tatsachen sich anschließenden Denken. Und man kann sagen, wenn es auch gesundheitliche Bedenken haben mag, viel Kaffee zu trinken, daß es gerade für Menschen, welche in höhere Regionen des geistigen Lebens hinaufsteigen wollen, gar nicht so uneben ist, daß es ganz gut sein kann, die logische Folgerichtigkeit aus der Anregung durch den Kaffee zuweilen zu ziehen. Man möchte sagen, es erschiene einem ganz natürlich, daß der, der berufsmäßig zum Bei- spiel zu schreiben hat und nicht recht die logische Folge von einem Satz zum anderen findet und so alles aus der Feder herauskauen möchte, daß der sich anregt durch den Kaffeegenuß. Das scheint demjenigen ganz begreiflich, der diese Dinge bis zu ihrer okkulten geheimnisvollen Grundlage zu beobachten versteht. Wenn schon solcher Genuß, da wir einmal Erdenbürger sind, zuweilen notwendig ist nach den persönlichen individuellen Verhältnissen, so muß eben betont werden, daß der Kaffeegenuß bei allen seinen Schäden viel dazu beitragen kann, die Solidität zu heben. Nicht als ob er an- empfohlen werden sollte als Mittel zur Solidität, aber es muß gesagt werden, daß er es vermag, die Solidität zu heben, und daß man zum Beispiel bei demjenigen, der sich anthroposophisch entwickelt, wenn er die Neigung hat, etwas ins Unrichtige zu schweifen mit seinen Gedanken, daß man es da nicht gerade übel zu vermerken braucht, wenn er sich etwas solider macht durch Kaffee.
Anders stehen die Dinge beim Tee. Der Tee bringt eine ähnliche Wirkung hervor, eine Art Differenzierung physischer Natur und ätherischer Natur. Aber es wird in einer gewissen Weise ausgeschaltet
die Struktur des physischen Leibes. Der Ätherleib tritt mehr in seine fluktuierenden Rechte. Daher werden die Gedanken durch den Teegenuß auseinanderflatternd gemacht, werden in einer gewissen Weise weniger dazu geeignet gemacht, sich an die Tatsachen anzuschließen. Es wird zwar die Phantasie, manchmal nicht in sehr sympathischem Sinn, durch den Teegenuß angeregt, nicht aber die Anpassung an die Wahrheit und die Anpassung an die Solidität der Verhältnisse. Daher kann man sagen, daß es begreiflich ist, wenn in Gesellschaften, wo viel darauf ankommt, daß man Gedankenblitze losläßt, daß man sprühende Geistigkeit entwickelt, wenn da die Anregung gerne gegeben wird durch Tee; und es ist auch auf der anderen Seite begreiflich, daß, wenn der Teegenuß überhand nimmt, er in einer gewissen Weise eine Gleichgültigkeit erzeugt gegen die Anforderungen, die in den Menschen durch die gesunde Struktur seines physischen Erdenleibes kommen können. So daß träumerische Phantastik und ein gewisses unbekümmertes nonchalantes Wesen, ein Wesen, das gerne hinwegsieht über die An- forderungen des äußeren soliden Lebens, leicht gefördert werden durch den Teegenuß. Und bei einer Seele, die sich in anthroposophischem Sinn entwickelt, sieht man es nicht so gerne, wenn sie Tee genießt, weil Teegenuß leichter zur Scharlatanerie führt als der Kaffeegenuß. Letzterer macht solider, ersterer scharlatanhafter, wenn auch das Wort für diese Dinge viel zu scharf gebraucht wird. Dies alles sind Dinge, die sich - wie gesagt - erleben lassen durch die Beweglichkeit, in die die physische Hülle kommt, wenn der Mensch eine anthroposophische Entwicklung durchmacht.
Ich möchte nur hinzufügen, daß - Sie können ja darüber weiter nachmeditieren oder versuchen, solche Dinge wirklich zu erleben -, daß wenn der Kaffeegenuß etwas wie Solidität befördert in der physischen Hülle, der Teegenuß mehr die Scharlatanerie begünstigt, so zum Beispiel die Schokolade am meisten fördert die Philistrosität. Schokolade ist als das eigentliche Philistergetränk zu verspüren im unmittelbaren Erlebnis, wenn die physische Hülle in sich beweglicher wird. Die Schokolade kann daher gut empfohlen werden gerade bei Philisterfestlichkeiten, und man kann es dann - verzeihen
Sie diese Einlage -, man kann es ganz gut begreifen, daß man bei Familienfesten, bei Geburtsfesten, Namensfesten, namentlich in gewissen Kreisen, zu gewissen Festlichkeiten eben Schokolade trinkt. Dann, wenn wir diese Dinge, die also Genußmittel sind, ins Auge fassen, tritt uns das noch in einer bedeutungsvolleren Weise entgegen, weil da dasjenige, was sonst gegenüber den Nahrungsmitteln erlebt wird, schon seine Strahlen hereinwirft in das gewöhnliche sogenannte äußere normale Leben> aber nicht nur so, daß man sozusagen das Substantielle nur bemerkt, aus dem der Körper zusammengefügt ist und sich immer wieder erneuert, sondern daß man auch bemerkt, wie schon gestern erwähnt worden ist, das innerliche Auseinanderfallen, das Sichsondern der Organe. Das ist wichtig, das ist bedeutungsvoll.
Und da muß insbesondere hervorgehoben werden, daß für eine okkulte Betrachtung begreiflich wird das Erlebnis in bezug auf die physische Hülle mit dem physischen Herzen. Das physische Herz des Menschen ist ja für den Okkultisten ein außerordentlich interessantes, ein außerordentlich bedeutungsvolles Organ; denn dieses physische Menschenherz kann nur verstanden werden, wenn man das ganze gegenseitige Verhältnis, auch das geistige Verhältnis, in dem die Sonne zur Erde steht, ins Auge faßt. Schon als die alte Sonne nach der Saturnzeit eine Art planetarischer Vorgänger der Erde war, schon da begann sozusagen sich vorzubereiten jenes Verhältnis, das heute da ist zwischen diesen beiden Himmelskörpern, zwischen der Sonne und der Erde. Und zwar muß das Verhältnis zwischen Sonne und Erde so ins Auge gefaßt werden, daß man dabei die Erde, wie sie heute ist, ganz und gar so auffaßt, wie sie gleichsam zuerst selber sich von den Sonnenwirkungen nährt, wie sie diese Sonnenwirkungen in sich aufnimmt und verarbeitet. Was die Erde in ihrer festen Grundsubstanz an Sonnenkräften in sich aufnimmt, was sie in ihrer Luft- und Wasserhülle, in den wechselnden Wärmeverhältnissen aufnimmt, was sie in dem die Erde umflutenden Licht aufnimmt, was sie selbst aufnimmt in demjenigen, was nun nicht mehr physisch irgendwie wahrnehmbar ist als Anteil der Erde an der Sphärenharmonie, was die Erde aufnimmt an Lebenskräften,
die sie direkt von der Sonne empfängt, alles das steht in Verbindung mit den inneren Kräften, die auf das menschliche Herz vom Blutkreislauf aus wirken. Im Grunde genommen wirken alle diese Kräfte auf den Blutkreislauf und von diesem auf das Herz. Alles, was äußere Theorie in dieser Beziehung ist, ist grundfalsch. Diese äußere Theorie macht heute das Herz zu einer Pumpe, welche das Blut durch den Körper pumpt, so daß man im Herzen zu sehen hätte das Organ, das den Blutkreislauf reguliert. Das Umgekehrte ist wahr. Der Blutkreislauf ist das, was das Ursprüngliche ist, und das Herz gibt in seinen Bewegungen einen Widerklang dessen, was in der BlutzirkuIation vor sich geht. Das Blut treibt das Herz, nicht umgekehrt das Herz das Blut. Aber dieser ganze Organismus, der da beschrieben ist und der sich in der Herztätigkeit konzentriert, der ist nichts anderes als das menschliche mikrokosmische Spiegelbild jener makrokosmischen Wirkungen, die die Erde erst von der Sonne empfängt. Was die Erde von der Sonne hat, spiegelt sich wider in dem, was das Blut mit dem Herzen zu tun hat.
Anders steht das zum Beispiel mit dem Gehirn. Einzelne von den Gehirnentsprechungen sind schon gestern erwähnt worden. Das Gehirn des Menschen hat unmittelbar sehr wenig zu tun mit dem, was Sonnenwirkungen auf der Erde sind. Unmittelbar, sage ich. Mittelbar als Wahrnehmungsorgan sehr wohl, indem es zum Beispiel das äußere Licht, die Farben wahrnimmt; aber das ist eben Wahrnehmung. Aber unmittelbar in seinem Bau, in seiner inneren Beweglichkeit, in seinem ganzen Innenleben hat das Gehirn wenig, kaum irgend etwas mit den Sonnenwirkungen auf die Erde zu tun; es hat zu tun viel mehr mit all dem, was auf unsere Erde einstrahlt von dem, was außerhalb unseres Sonnensystems ist; dieses Gehirn hat zu tun mit den kosmischen Verhältnissen des ganzen Sternenhimmels, aber nicht mit den engeren Verhältnissen unseres SonnenSystems. In einer engeren Beziehung steht allerdings das, was wir als Gehirnsubstanz zu bezeichnen haben, mit dem Mond, aber nur insoweit der Mond nicht von der Sonne abhängig ist, insofern er seine Unabhängigkeit von der Sonne bewahrt hat. So daß also das, was in unserem Gehirn vorgeht, Wirkungen entspricht, die außerhalb
derjenigen Kräfte liegen, die in unserem Herzen ihr menschliches mikrokosmisches Abbild finden. Sonne lebt im menschlichen Herzen; was außerhalb der Sonne im Kosmos vorhanden ist, lebt im menschlichen Gehirn.
So ist der Mensch in bezug auf beide Organe ein Mikrokosmos, indem er mit seinem Herzen der auf die Erde ausgeübten Sonnenwirkung hingegeben ist und diese gleichsam widerspiegelt, mit seinem Gehirn aber inneres Leben hat, das unmittelbar mit dem außer der Sonne sich befindenden Kosmos zusammenhängt. Das ist ein außerordentlich interessanter und bedeutungsvoller Zusammenhang. Das Gehirn hängt mit dem, was die Sonne auf der Erde bewirkt, nur durch die äußere Wahrnehmung zusammen. Die wird aber gerade in der anthroposophischen Entwicklung überwunden. Die anthroposophische Entwicklung überwindet die äußere Sinneswelt. Daher wird das Gehirn zu einem Innenleben entfesselt, das so kosmisch ist, daß selbst die Sonne etwas viel zu Spezielles ist, als daß sich da drinnen e;twas von Sonnenwirkung abspielen würde. Wenn der Mensch in der Meditation hingegeben ist irgendwelchen Imagü nationen, so spielen sich in seinem Gehirn Prozesse ab, die gar nichts zu tun haben mit dem Sonnensystem, sondern die Prozessen außerhalb unseres Sonnensystems entsprechen. Daher besteht in der Tat ein gewisses Verhältnis zwischen dem Herzen und dem Hirn wie zwischen der Sonne und dem Sternenhimmel, und in einer gewissen Beziehung zeigt sich dieses im Erleben der anthroposophisch sich entwickelnden Seele dadurch, daß, indem diese Seele innerlich ernst und abgezogen hingegeben ist rein anthroposophischen Gedanken, das Herz wirklich etwas wie eine Art von Gegenpol bildet, in eine Art Opposition tritt zu dem - man möchte sagen - Sternenhirn. Diese Opposition drückt sich dadurch aus, daß der Mensch fühlen lernt, wie Herz und Hirn beginnen, verschiedene Wege zu gehen, und wie er, während er vorher nicht nötig hatte, auf beide gesondert achtzugeben, sondern sich alles zusammenmischte, er nun beginnen muß, wenn er sich anthroposophisch entwickelt, auf beide gesondert zu achten.
Es gibt einen eigentümlichen Begriff von der ganzen kosmischen Stellung des Menschen, wenn wir so die physische Hülle betrachten,
und ins Auge fassen, wie der Mensch hier auf der Erde steht. Da lebt in ihm durch sein Blutsystem und Herz alles das, was die Sonne mit der Erde auszumachen hat. Und wenn er lediglich innerlich hingegeben ist an das, wozu er auf der Erde als Instrument sein physisches Gehirn braucht, dann leben da drinnen Weltenprozesse, die sich abspielen außerhalb unseres Sonnensystems. Wir werden begreiflich machen müssen, daß der Mensch ein ganz neues Erleben hat gegenüber Herz und Hirn. Es differenzieren sich wirklich seine Empfindungen, so daß er fühlen lernt alles das, was Gehirnprozesse sind, man möchte sagen, in jenem ruhigen Gang, den der Nachthimmel zeigt mit seinen Sternen, und daß er fühlt die Beweglichkeit des Sonnensysteöms in seinem Herzen. Sie sehen daraus zugleich einen Weg, der bei einer höheren Initiationsstufe ein wichtiger Weg wird, denn Sie sehen gleichsam die Tore, die sich öffnen vom Menschen aus in den Kosmos. Der Mensch, der aus sich heraustritt durch eine höhere Entwicklung - wie es selbst in den exoterischen Vorträgen geschildert worden ist -, der zurückblickt auf seinen eigenen Leib, der die Prozesse seines physischen Leibes vollständig erkennen lernt, der lernt in der Tat in der Blutzirkulation mit der Herztätigkeit ein Spiegelbild der geheimnisvollen Kräfte des Sonnensystems kennen, und er lernt in den Vorgängen des Gehirns, die er dann geistig von außen anschaut, den Kosmos in seinen Geheimnissen kennen.
Die Dinge, die ich hier ausspreche mit dem letzten Satze, hängen ja zusammen mit einer Bemerkung> die ich einmal in Kopenhagen gemacht habe und die dann eingegangen ist in mein Buch «Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit». Sie können daraus entnehmen, daß in einer gewissen Beziehung sogar die Struktur des Gehirns eine Art Spiegelbild der Stellung der Himmelskörper ist, die bei der menschlichen Geburt vorhanden ist für denjenigen Punkt auf der Erde, an dem der Mensch geboren wird. Es ist nützlich, manchmal von einem anderen Gesichtspunkt wiederum auf solche Dinge zu kommen; denn daraus können Sie ein Gefühl bekommen von der Weite der okkulten Wissenschaft und von der Engherzigkeit mancher Kritik, die ausgeübt wird, wenn von dem
einen oder anderen Gesichtspunkte her eine solche Bemerkung gemacht wird. Gewiß, man kann so wichtige Tatsachen wie diese von der Widerspiegelung der Sternenwelt im menschlichen Gehirn von einem bestimmten Gesichtspunkt her erklären, und es kann das wie willkürlich erscheinen. Wenn dann andere Gesichtspunkte dazu- kommen, dann stützen sich diese alle gegenseitig. Und Sie werden noch manche - ich möchte sagen - Ströme der okkulten Wissenschaft gewahr werden, die zusammenfließen, und aus dem Zusammenfließen wird Ihnen dann immer mehr und mehr auch das sich ergeben, was Sie als einen vollen Beweis empfinden werden, auch einen äußerlichen Vernunftbeweis für die Dinge, die nur von dem einen Gesichtspunkt auszusprechen manchmal gewagt erscheinen könnte. Daraus ersehen Sie aber auch die Feinheit der ganzen menschlichen Struktur. Und wenn Sie nun bedenken, daß der Mensch dadurch, daß er Nahrung aufnimmt, in der Nahrungsaufnahme gewissermaßen sich ganz an die Erde bindet, nur in manchen Substanzen sich wiederum frei macht von der Erde, namentlich bei der Pflanzennahrung, wenn Sie also bedenken, daß der Mensch sich gerade durch die Nahrungsaufnahme zum Erdenbürger machen muß, so werden Sie die dreifache Gliederung des Menschen in bezug auf seine physische Hülle nun begreifen. Er ist durch sein Hirn gleichsam ein Angehöriger des ganzen Sternenhimmels, durch sein Herz mit all dem, was dazugehört, ein Angehöriger der Sonne, durch sein Verdauungssystem und alles, was dazugehört, im anderen Sinn, ein Erdenwesen.
Auch das kann erlebt werden und wird erlebt, wenn in sich beweglicher wird die äußere physische Hülle des Menschen. Der Mensch kann nämlich gar sehr durch das, was in ihn nur von der Erde her hineinkommt, sündigen gegen das, was in ihm durch die reinen Kräfte des Kosmos sich widerspiegelt. Der Mensch kann zum Beispiel dadurch, daß er Störungen durch die äußere Ernährung herbeiruft, die rein irdischen Gesetze, die ja wirken innerhalb der Verdauung, die weiter wirken wie die Sonnengesetze in der Herztätigkeit und wie die kosmischen Gesetze außer dem Sonnensystem in der Gehirntätigkeit wirken - der Mensch kann gewissermaßen
sehr stark sündigen durch seine Ernährung gegen die kosmischen Tätigkeiten in seinem Gehirn, und das kann erlebt werden von der anthroposophisch sich entwickelnden Seele, namentlich im Momente des Aufwachens. Innerhalb des Schlafes tritt ja auch das ein, daß sich die Verdauungstätigkeit bis in das Gehirn hineinerstreckt, hineinsprüht in das Gehirn. Beim Wachen bearbeiten die Denkkräfte das Gehirn; da tritt die Verdauungstätigkeit des Gehirns zurück. Wenn das Denken stillsteht beim Schlaf, da wirkt die Verdauungstätigkeit in das Bewußtsein hinein, und wenn der Mensch aufwacht und einen Nachklang davon verspürt, dann kann das Erleben sehr leicht ein richtiges Barometer sein gerade bei der sich entwickelnden Seele für das Gesunde oder Ungesunde der Ernährung. Oh, der Mensch verspürt dieses gleichsam aus seinem Organismus in das Gehirn Hineinziehen in dumpfmachenden, stechenden Gefühlen, Gefühlen, die sich manchmal so ausnehmen können, wenn er irgend etwas Unrechtes genossen hat, wie - sagen wir - kleine Betäubungszentren im Gehirn. Das alles wird in der feinsten Weise erlebt gerade von der anthroposophisch sich entwickelnden Seele. Und der Moment des Aufwachens ist von einer ungeheuren Wichtigkeit, ich meine in bezug auf die Wahrnehmung der von der Verdauung herrührenden Gesundheitsverhältnisse der physischen Hülle. In immer feiner und feiner werdenden Empfindungen> die sich lokalisieren innerhalb des Kopfes, nimmt der Mensch wahr, ob er sich oppositionell benimmt in seiner Verdauung gegen die kosmischen Geseue außerhalb unseres Sonnensystems oder ob er mit ihnen im Einklang steht. Hier sehen Sie in der Tat diese physische Hülle in einem wunderbaren Verhältnis zum ganzen Kosmos und den Moment des Aufwachens wie ein Barometer für den sich gegen die kosmischen Verhältnisse durch seine Verdauung widersetzenden Menschen oder mit diesen kosmischen Verhältnissen sich in Einklang verseuenden Menschen.
Diese Betrachtungen werden uns allmählich hinüberleiten in die Veränderungen, die vorgehen durch esoterische oder anthroposophische Entwicklung im menschlichen Äther- oder astralischen Leibe.
DRITTER VORTRAG Den Haag, 22. März 1913
Gleichsam überführend von dem physischen Hüllensystem des Menschen zu dem ätherischen System, zu dem Ätherleib, sind jene Veränderungen, welche mit dem Menschen vorgehen bei einer okkulten oder anthroposophischen Entwicklung in bezug auf das Muskelsystem und namentlich in bezug auf die Sinne, auf die Sinnesorgane. In bezug auf das Muskelsystem muß gesagt werden, daß der Mensch nicht nur das Muskelsystem nach und nach beweglicher fühlt, wie das ja in bezug auf die anderen physischen Organe gesagt werden konnte, sondern daß er dieses Muskelsystem fühlt - man möchte sagen -, außer dem, daß es lebendiger wird, noch wie mit einem schwachen inneren Bewußtsein durchdrungen. Es ist, als ob das Bewußtsein sich tatsächlich ausdehnte über das Muskelsystem. Und wenn man, gar nicht einmal irgendwie ungenau, aber etwas paradox sprechen wollte über das entsprechende Erlebnis, so könnte man sagen: Man gelangt allmählich dazu im Laufe der esoterischen Entwicklung, die einzelnen Muskeln und ihr System wie innerlich traumhaft zu empfinden; man trägt sein Muskelsystem immer so mit sich herum, daß man von der Tätigkeit dieses Muskelsystems mitten im Tagwachen zwischendurch schwach träumt. Es ist immerhin sehr interessant, gerade diese Veränderung der physischen Hülle ins Auge zu fassen aus dem Grunde, weil man in dieser Wahrnehmung etwas hat, was einen am besten zunächst in gewisser Beziehung unterrichten kann darüber, d`aß man einen gewissen Fortschritt gemacht hat.
Wenn man beginnt, die einzelnen Muskeln so zu fühlen, daß man zum Beispiel beim Beugen und Strecken derselben ein schwaches Bewußtsein davon hat, was da geschieht, ein schwaches Mitgefühl hat, dann muß man sagen: da drinnen geht etwas vor in den Müskeln. Wenn man träumt von seinen Muskelbewegungen, dann ist dies ein Beweis davon, daß man beginnt, den in den physischen Leib hinein imprägnierten Ätherleib nach und nach zu
fühlen; denn das, was man da eigentlich fühlt, sind die Kräfte des Ätherleibes, die in den Muskeln tätig sind. So daß es ein Anfang der Wahrnehmung des Ätherleibes ist, wenn man von seinen einzelnen Muskeln träumt, wenn man gleichsam ein traumhaftes Bewußtsein von sich so hat, wie man in anatomischen Lehrbüchern den Menschen dargestellt findet, wo ihm die Haut abgezogen ist und er nur in seinen Muskeln sich zeigt. Ja, es ist schon gewissermaßen ein solches Die-Haut-Ausziehen und Von-seinen-einzelnen-Gliedern- Träumen wie von einer Art Gliederpuppe, zu dem man da aufsteigt, wenn man beginnt, das ätherische Wesen wahrzunehmen.
Weniger behaglich, aber auch nicht ausbleibend ist die Empfindlichkeit, wenn gleichsam ins Bewußtsein heraufdämmert das Knochensystem. Es ist deshalb weniger behaglich, weil, wenn dieses Knochensystem wahrgenommen wird, man an ihm eigentlich am meisten, am hervorstechendsten sein allmähliches Altwerden empfindet. Deshalb ist es nicht gerade behaglich, zu achten auf die Empfindlichkeit, die gegenüber dem Knochensystem auftritt, was ja der Mensch im Grunde genommen sonst im normalen Leben gar nicht fühlt; aber er beginnt so etwas wie einen Schatten in sich zu fühlen in seinem Knochensystem, wenn er sich ätherisch entwickelt. Und dann bekommt man einen Begriff davon, daß es doch einer gewissen uralten hellseherischen Kraft der Menschen entsprach, daß sie das Gerippe als den symbolischen Ausdruck des Todes darstellten. Sie wußten, daß man in seinem Gerippe das Herannahen des Todes nach und nach fühlen lernt.
Aber weitaus bedeutungsvoller als alles dieses ist noch jenes Er- lebnis, das man gegenüber seinen Sinnesorganen während der es& terischen oder anthroposophischen Entwicklung hat. Wir wissen ja,
daß diese Sinnesorgane eigentlich ausgeschaltet werden müssen, wenn der Mensch eine esoterische Entwicklung durchmacht; sie müssen sozusagen schweigen. Dadurch fühlen sich gleichsam die physischen Sinnesorgane während der esoterischen Entwicklung zur Untätigkeit verurteilt; sie sind ausgeschaltet. Dafür nun, daß sie als physische Sinnesorgane ausgeschaltet sind, tritt ein anderes ein: erstens ein allmähliches Bewußtwerden der einzelnen Sinnesorgane wie
besondere Welten, die in einen hineindringen. Man lernt empfinden die Augen, die Ohren, sogar den Wärmesinn, wie hineingebohrt in einen. Aber das, was man da empfinden lernt, ist nicht das physische Sinnesorgan, sondern sind die Ätherkräfte, die Kräfte des Ätherleibes, die organisierend wirken an den Sinnesorganen. So daß man, wenn man ausschaltet die Tätigkeit der Sinne, gleichsam aufgehen sieht die Natur dieser Sinnesorgane wie ebenso viele in einen hineingebohrte ätherische Organisationen. Das ist außerordentlich interessant. In dem Maße, wie man ernsthaft während seiner esoterischen Entwicklung zum Beispiel das Auge ausschaltet, nicht mehr auf das physische Sehen reflektiert, in dem Maße lernt man kennen etwas, was sich in die eigene Organisation so hereinbohrt wie Lichtorganismen; man lernt dann wirklich erkennen, daß das Auge allmählich dadurch entstanden ist, daß die inneren Lichtkräfte an unserem Organismus gearbeitet haben. Denn während man absieht von aller Tätigkeit des physischen Auges, fühlt man das Blickfeld durchzogen von den ätherischen Lichtkräften, die organisierend auf das Auge wirken. Eine eigentümliche Erscheinung ist diese, daß man durch das Auge, wenn man es ausschaltet, die Lichtkräfte kennen lernt. Alle physikalischen Theorien sind nichts gegen jene Kenntnis der inneren Natur des Lichtes und seiner Wir- kung, die man erfährt, wenn man eine Weile sich geübt hat, die physische Sehkraft des Auges auszuschalten, und allmählich sich hineinflndet, an der Stelle des physischen Augengebrauches wahrzunehmen die innere Natur der ätherischen Lichtkräfte.
Der Wärmesinn liegt gleichsam auf einer niedrigeren Stufe. Es ist ja außerordentlich schwer, wirklich auszuschalten die Empfindlichkeit für Wärme und Kälte. Es gelingt einem am besten, wenn man versucht während seiner esoterischen Entwicklung während der Dauer der Meditation nicht von irgendeinem Wärmegefühl gestört zu werden. Da ist es also gut, seine Meditation so zu machen, daß man gerade von jener Temperatur umgeben ist, welche weder als Wärme noch als Kälte empfunden wird, so daß man in keiner Weise irritiert wird, weder durch Wärme- noch durch Kältegefühle. Wenn einem das gelingt, dann kann man - allerdings ist es nur
schwierig zu unterscheiden von der gewöhnlichen Temperaturwahrnehmung -, dann kann man sich nach und nach daran gewöhnen, auch die innere Natur des Wärmeäthers kennenzulernen, des den Raum durchstrahlenden Wärmeäthers; dann erst fühlt man sich in seiner eigenen Leiblichkeit wie durchdrungen von der eigentlichen Tätigkeit des Wärmeäthers. Wenn man nicht mehr die empfindungsmäßige Wahrnehmung der Wärme hat, dann lernt man die Natur des Wärmeäthers durch sich selbst kennen.
Durch die Ausschaltung des Geschmackssinnes, natürlich ist ja der Geschmackssinn während der esoterischen Übungen aus- geschaltet, gewiß, aber wenn es einem dann gelingt, an Geschinacksempfindungen sich zu erinnern, dann ist damit ein Mittel gegeben, die Natur eines noch feineren Äthers zu erkennen, als der Lichtäther ist, des sogenannten chemischen Äthers. Es ist das auch nicht ganz leicht, aber man kann es erleben. Ebenso kann man durch die entsprechende Ausschaltung des Geruchssinnes den Lebensäther erkennen.
Eigentümlich ergeht es einem mit der Ausschaltung des Gehörs Da muß man allerdings es dahin bringen, eine solche Abgezogenheit zu erreichen, daß man, wenn auch Hörbares in der Nähe vorgeht, es nicht mehr hört. Man rnuß also willkürlich von Hörbarem absehen lernen. Dann treten einem entgegen wie hereingebohrt in den Organismus die im Ätherleib befindlichen Kräfte, welche unser Gehörorgan organisierten. Man macht dabei eine merkwürdige Entdeckung. Diese Dinge gehören in der Tat zu den immer höher und höher liegenden Geheimnissen. Daher wird es vielleicht unschwer gesagt werden können, daß nicht gleich alles das durchschaut werden kann, was mit Bezug auf diese Erlebnisse gegenüber solchen Sümen wie dem Gehörsinn gesagt wird. Man macht nämlich die Entdeckung, daß das Ohr eine solche Organisation hat, daß man genau erkennt: Dieses Ohr, so wie wir es als Mensch an uns tragen in seiner wunderbaren Organisation, könnte gar nicht aus den Kräften heraus gebildet sein, welche als Ätherkräfte die Erde als solche umspielen. Die Lichtkräfte, die Atherkräfte des Lichtes, die die Erde umspielen, hängen innig zusammen mit der Bildung unserer Augen,
wenn auch die Augenanlage schon früher vorhanden war; aber so, wie das Auge gestaltet ist, wie es jetzt am Organismus sitzt, so hängt es innig zusammen mit den Lichtätherkräften der Erde. Ebenso hängt unser Geschmackssinn mit den chemischen Ätherkräften der Erde zusammen, er ist zum großen Teil aus diesen herausgebildet. Unser Geruchssinn hängt mit dem Lebensäther der Erde zusammen; er ist fast ausschließlich organisiert aus dem Lebensäther, der die Erde umspielt. Unser Gehörorgan zeigt aber, wenn es okkultistisch erlebt wird innerhalb einer esoterischen Entwicklung, daß es zum allergeringsten Teil den die Erde umspielenden Ätherkräften sein Dasein verdankt. Man möchte sagen: die letzte Hand haben an unser Gehörorgan die Ätherkräfte angelegt, welche die Erde umspielen; aber dieses Gehörorgan ist so von diesen Ätherkräften, welche die Erde umspielen, behandelt worden, daß sie es eigentlich nicht vollkommener gemacht haben, dieses Gehörorgan, sondern unvollkommener; denn diese die Erde umspielenden Ätherkräfte können auf das Ohr nur dadurch wirken, daß sie in der Luft tätig sind und fortwährend an der Luft einen Widerstand haben.
Daher kann man, obzwar das paradox gesprochen ist, sagen: Eine viel feinere Organisation, die da war, ist auf der Erde in unserem Gehörorgan korrumpiert worden. Und dann wird auf dieser Stufe sogar durch eigenes Erlebnis es erklärlich für den sich entwickelnden Anthroposophen, daß er das Ohr, das ganze Gehörorgan schon mitgebracht hat auf die Erde, als er den Weg von dem alten Mond zur Erde herein machte; ja, daß dieses Gehörorgan auf dem alten Monde viel vollkommener war als auf der Erde. Man lernt es allmählich dem Ohre anfühlen, daß man ihm gegenüber, möchte man sagen - man muß manchmal paradoxe Ausdrücke wählen -, daß man ihm gegenüber melancholisch werden könnte, weil das Ohr zu den Organen gehört, die in ihrer ganzen Einrichtung, in ihrer ganzen Struktur zeugen von vergangenen Vollkommenheiten. Und wer die eben ein wenig angedeuteten Erlebnisse allmählich sich heranzieht, der wird den Okkultisten verstehen, der allerdings aus noch viel tieferen Kräften heraus seine Erkenntnis schöpft, den Okkultisten, der ihm sagt: Auf dem alten Mond hatte das Ohr eine viel größere
Bedeutung für den Menschen als heute. Damals war das Ohr dazu da, gleichsam ganz zu leben in der auf dem Mond in einer gewissen Beziehung noch erklingenden Sphärenmusik. Und gegenüber diesen Klängen der auf dem Monde, obzwar schon schwach im Vergleich zu früher, aber doch erklingenden Töne der Sphärenmusik verhielt sich das Ohr so, daß es sie aufnahm. Es war sozusagen auf dem alten Monde vermöge seiner damaligen Vollkommenheit immer in Musik getaucht. Diese Musik, die teilte sich noch auf dem alten Monde der ganzen menschlichen Organisation mit; die Musikwellen durchdrangen auf dem alten Monde noch die menschliche Organisation, und das innere Leben des Menschen war auf dem alten Monde ein Miterleben mit der ganzen musikalischen Umgebung, ein Anpassen an die ganze musikalische Umgebung; das Ohr war ein Kommunikationsapparat, um jene Bewegungen innerlich nachzumachen, welche außen als Sphärenmusik erklangen. Der Mensch fühlte sich auf dem alten Monde noch wie eine Art Instrument, auf welchem der Kosmos mit seinen Kräften spielte, und die Ohren waren in ihrer damaligen Vollkommenheit die Vermittler zwischen den Spielern des Kosmos und dem Instrument des menschlichen Organismus auf dem alten Mond. So wird einem die heutige Einrichtung des Gehörorganes wie zum Wecker einer Erinnerung, und man verbindet einen Sinn damit, daß durch eine Art Korruption des Gehörorgans der Mensch unfähig geworden ist, die Sphärenmusik zu erleben, daß er sich emanzipiert hat und daß er diese Sphärenmusik nur hereinfangen konnte in das, was heutige Musik ist, die skh im Grunde genomInen doch nur innerhalb der Luft, die die Erde umspielt, abspielen kann.
Auch anderen Sinnen gegenüber tauchen Erlebnisse auf; aber sie werden allerdings immer undeutlicher, und es würde nicht viel Bedeutung haben, die Erlebnisse in bezug auf andere Sinnesorgane zu verfolgen aus dem einfachen Grunde, weil es schwierig ist, mit den gewöhnlichen menschlichen Begriffen in diese Veränderungen hineinzuleuchten, die sich an ihnen durch die esoterische Entwicklung vollziehen. Was würde es zum Beispiel für eine Bedeutung haben gegenüber dem, was der Mensch heute auf der Erde erfahren kann,
wenn von dem Sprachsinn gesprochen würde - ich meine nicht von dem Sinn für das Sprechen. Für diejenigen, die die Vorträge über «Anthroposophie» in Berlin gehört haben, ist es schon bekannt, daß es einen eigenen Sprachsinn gibt. Wie es den Tonsinn gibt, so gibt es einen eigenen Sinn, der nur innerlich ein Organ hat und nicht äußerlich, für die Wahrnehmung des gesprochenen Wortes selber. Dieser Sinn ist noch mehr korrumpiert worden; er ist so korrumpiert worden, daß heute im Grunde genommen nur noch ein letzter Nachklang vorhanden ist von demjenigen, was dieser Sprachsinn zum Beispiel noch auf dem alten Monde war. Auf dem alten Monde diente dasjenige, was heute zum Sprachsinn, zum Verstehen der Worte bei unseren Mitmenschen geworden ist, dazu, sich in die ganze Umgebung bewußt mit imaginativem Bewußtsein hineinzufühlen, um den alten Mond gleichsam zu umkreisen. Welche Bewegungen man machte, wie man sich zurechtfand, das diktierte der Sprachsinn auf dem alten Monde. Man lernt erst allmählich kennen diese Art der Erlebnisse des Sprachsinnes, wenn man sich nach und nach eine Empfindung für den inneren Wert der Vokale und Konsonanten aneignet, wie empfunden wird dieser innere Wert dieser Vokale und Konsonanten bei den mantrischen Sätzen. Aber es ist dies doch nur ein schwacher Nachklang, zu dem sich der Erdenmensch im allgemeinen auf diesem Gebiet erheben kann gegenüber dem, was der Sprachsinn einstmals war.
So sehen Sie, meine lieben Freunde, wie der Mensch sich hier allmählich hinein lebt in die Wahrnehmung seines ätherischen Leibes, wie das, was er gleichsam von sich weist in seiner okkulten Entwicklung, die Tätigkeit der physischen Sinne, sich ihm ersetzt auf der anderen Seite, indem es ihn hineinführt in die Wahrnehmung des ätherischen Leibes. Aber es ist eigentümlich: diese Wahrnehmungen vom Ätherleibe, von denen jetzt eben gesprochen worden ist, wir fühlen sie so, wenn wir sie erleben, als ob sie nicht recht zu uns gehörten, als ob sie - wie gesagt - von außen in uns hineingebohrt würden. Wir fühlen den Lichtkörper in uns wie hineingebohrt, wir fühlen etwas wie eine auf der Erde nicht hörbare musikalische Bewegung durch unser Ohr in uns hineingebohrt; den
Wärmeäther fühlen wir allerdings nicht wie in uns hineingebohrt, sondern uns durchdringend; und wir lernen fühlen die Tätigkeit des in uns arbeitenden chemischen Äthers für den ausgeschalteten Geschmack und so weiter. Da also sind wir bereits daran, daß der Mensch gegenüber dem Zustand, den man als den normalen bezeichnet, verändert fühlt seinen Ätherleib, in den gleichsam von außen Pfropfen hereingetrieben sind.
Nun aber beginnt der Mensch allmählich auch mehr direkt sei- nen Ätherleib wahrzunehmen. Die auffälligste Veränderung, welche mit dem Ätherleib vor sich geht und die für manchen recht unsympathisch zu vernehmen ist, die nicht erkannt wird als eine Veränderung im Ätherleib, die aber doch eine ist, die besteht darin, daß die esoterische Entwicklung sehr deutlich an sich merken läßt, am eigenen Leib sozusagen merken läßt, wie die Kraft des Gedächtnisses zunächst etwas nachläßt. Das, was man gewöhnlich als Gedächtnis hat, erleidet durch eine esoterische Entwicklung fast immer eine Herabstimmung. Man bekommt zunächst ein schlechteres Gedächtnis. Wer ein schlechteres Gedächtnis nicht haben will, kann eben eine esoterische Entwicklung nicht durchmachen. Namentlich hört auf stark tätig zu sein dasjenige Gedächtnis, das man als mechanisches Gedächtnis bezeichnen kann, das gerade in den Kinder- und Jugendjahren bei Menschen am besten ausgebildet ist und was ja zumeist gemeint ist, wenn vom Gedächtnis die Rede ist. Und gar mancher Esoteriker wird zu klagen haben über die Herabstimmung seines Gedächtnisses. Denn man kann das recht bald bemerken; jedenfalls viel früher, als man die feinen Wahrheiten, die jetzt auseinandergesetzt worden sind, an sich wahr- nimmt> bemerkt man diese Herabsetzung des Gedächtnisses. Aber wie man niemals Schaden nehmen kann an seinem physischen Leibe, troudem er beweglicher wird, wenn man die richtige anthroposophische Entwicklung einschlägt, so kann man ernstlich doch nicht auf die Dauer Schaden nehmen, auch nicht in bezug auf das Gedächtnis. Man muß nur anstreben, das Richtige zu machen.
In bezug auf die physische Organisation muß man - während der äußere Leib beweglicher wird, während innerlich seine Organe
unabhängiger werden, so daß man sie schwerer in Einklang bringen kann als früher -, muß man sich innerlich stark machen. Das wird getan durch jene sechs Übungen, die Sie im zweiten Teil meiner «Geheimwissenschaft» geschildert finden. Wer diese in entsprechender Weise macht, wird sehen, daß ihm so viel an innerer Stärke zuwächst, um den beweglicheren physischen Leib in Ordnung zu halten, als er an Kraft verliert durch die esoterische Entwicklung. In bezug nun auf das Gedächtnis müssen wir auch das Richtige tun. Das Gedächtnis, das für das äußere Leben da ist, geht schon einmal verloren; aber wir brauchen gar keinen Schaden zu nehmen, wenn wir darauf achten, für alles das, was uns im Leben angeht, mehr Interesse zu entwickeln, tieferes Interesse, mehr An- teil zu entwickeln, als wir das vorher gewohnt waren. Wir müssen anfangen, uns für die Dinge, die für uns Bedeutung haben, namentlich ein gefühlsmäßiges Interesse anzueignen. Vorher haben wir ein mehr mechanisches Gedächtnis entwickelt, und dieses mechanische Gedächtnis arbeitet auch dann zuweilen recht sicher, wenn man die Dinge, die man sich merken will, nicht besonders liebt; aber das hört auf. Man wird nämlich bemerken, daß man, wenn man eine anthroposophische oder esoterische Entwicklung durch- macht, die Dinge leicht vergißt. Sie fliegen nur so fort, die Dinge, für die man kein gefühlsmäßiges Interesse hat, die man nicht lieb- gewinnen kann, mit denen man sozusagen nicht seelisch zusammen- wächst. Dagegen haftet das um so besser, mit dem man seelisch zusammenwächst. Man muß daher versuchen, geradezu systematisch dieses seelische Zusammenwachsen zu bewirken.
Man kann folgende Erfahrung machen: Nehmen wir an, irgendeine Persönlichkeit hätte in ihrer Jugend, als sie noch nicht an die Anthroposophie herangekommen war, etwa wenn sie einen Roman gelesen hat, diesen Roman gar nicht vergessen können; sie konnte ihn immer wieder und wiederum erzählen. Nun liest sie später, nachdem sie in die anthroposophische Entwicklung eingetreten ist, einen Roman. Flugs ist er oftmals fort; er kann nicht wiederum erzählt werden. Wenn man aber mit einem Buch, von dem man sich selber diktiert oder diktiert bekommt, daß es einem wertvoll sein
soll, die Sache so macht, daß man es einmal durchliest, dann unmittelbar danach versucht, es im Geiste zu repetieren, und man nicht nur repetiert, sondern von hinten nach vorne, die letzten Dinge zuerst und die ersten zuletzt sich wiederholt, wenn man sich die Mühe nimmt, besondere Einzelheiten ein zweites Mal durchzugehen, wenn man so mit der Sache zusammenwächst, wenn man gar noch ein Stück Papier nimmt und sich kurze Gedanken daraus aufschreibt, und wenn man versucht, sich die Frage vorzulegen: Von welcher Seite kannst du dich denn für diesen Gegenstand besonders interessieren? - dann wird man sehen, daß man sich auf diese Weise eine andere Art von Gedächtnis heranerzieht. Das ist nicht dasselbe Gedächtnis. Man merkt genau den Unterschied, wenn man sich seiner bedient. Wenn man sich des mechanischen Gedächtnisses bedient, dann ist es so, daß die Dinge in unsere Seele hineintreten als Erinnerungen; wenn man sich auf diese Weise, wie es jetzt geschildert worden ist, ein Gedächtnis heranerzieht systematisch als Esoteriker oder Ant1iropo- soph, dann ist es so, wie wenn die Dinge, die man durchlebt hat auf diese Weise, stehengeblieben wären in der Zeit. Man lernt gleichsam in der Zeit zurückschauen, und es ist wirklich so, wie wenn man hinausschauen würde auf das Betrachtete; ja man wird bemerken, daß immer mehr und mehr die Dinge bildhaft werden, daß das Gedächtnis immer imaginativer und iniaginativer wird. Hat man es so gemacht, wie das eben jetzt geschildert worden ist mit einem Buch, dann braucht man, wenn es notwendig ist, die Sache wiederum vor die Seele hinzustellen, nur irgendwie etwas anzuschlagen, was damit zusammenhängt, dann wird man gleichsam hinschauen auf den Zeitpunkt, wo man mit dem Buch beschäftigt war, man wird sich lesend anschauen. Nicht die Erinnerung kommt: das ganze Bild steigt herauf; man wird dann bemerken können, daß, während man vorher nur in dem Buch gelesen hat, jetzt die Dinge tatsächlich heraufsteigen. Man schaut sie an wie in einer zeitlichen Entfernung; das Gedächtnis wird ein Anschauen von Bildern, die in zeitlicher Entfernung stehen.
Dies ist nämlich schon der allererste Anfang, der elementarste allerdings, zum allmählichen Lesenlernen in der Akasha-Chronik: das Gedächtnis ersetzt sich durch ein Lesenlernen in der abgelaufenen Zeit. Und es kann manchmal derjenige, der eine gewisse esoterische Entwicklung durchgemacht hat, sein Gedächtnis fast ganz verloren haben, es schadet ihm nichts, weil er die Dinge rückwärts laufend sieht. Insofern er mit ihnen selbst verbunden war, sieht er sie mit besonderer Deutlichkeit. Ich sage Ihnen da etwas, was derjenige, der außerhalb der Anthroposophie steht, wenn es ihm gesagt wird, durchaus nur auslacht und nur auslachen kann, weil er gar keinen Begriff damit verbinden kann, wenn irgendein Esoteriker zu ihm sagt, er habe kein Gedächtnis mehr, und dann doch ganz gut weiß, was da geschehen ist, weil er es schaut in der Vergangenheit. Da sagt der andere: Du, höre, du hast ja ein ganz vorzügliches Gedächtnis! - weil er keinen Begriff hat, welche Verwandlung da vorgegangen ist. Und dies ist gerade etwas, dem eine Verwandlung im ätherischen Leibe zugrunde liegt.
Allerdings ist dann in der Regel diese Umwandlung des Gedächtnisses verbunden mit etwas anderem; sie ist verbunden damit, daß auch gewissermaßen eine Art neuer Beurteilung unseres inneren Menschen auftritt. Wir können nämlich nicht diesen rückschauenden Blick uns aneignen, ohne zugleich in einer gewissen Weise einen Standpunkt einzunehmen gegenüber dem, was wir da erlebt haben. So wird derjenige, der in einer späteren Zeit zurückblickt auf etwas, was er so behandelt hat, wie das vorhin von dem Buch gesagt worden ist - wenn er sich selbst so darinnen sieht -, wie selbstverständlich beurteilen müssen, ob das gescheit oder dumm war, daß er sich gerade damit beschäftigt hat. Und stark verbindet sich, als ein anderes Erlebnis, ganz notwendig mit dieser Rückschau eine Art Selbstbeurteilung. Man kann gar nicht anders, als Stellung zu seiner Vergangenheit zu nehmen: Vorwürfe wird man sich in bezug auf das eine machen, man wird froh sein, daß einem das andere gelungen ist; kurz, man wird nicht anders können, als die Vergangenheit beurteilen, die man also rückblickend anschaut. So daß man in der Tat ein schärferer Beurteiler seiner
selbst, nämlich seines abgelaufenen Lebens wird. Man fühlt sozusagen den sich in einem regenden Ätherleib - der ja die ganze Vergangenheit in sich hat aus der Rückschau nach dem Tode -, man fühlt diesen Ätherleib wie einen Einschluß in einem selber, wie etwas, das in einem lebt und das den Wert von einem aus- macht. Ja, es geht eine solche Veränderung mit dem Ätherleib vor, daß man oftmals den Drang verspürt zu solcher Selbstrückschau; daß man auf das oder jenes hinblickt, um auf ganz naturgemässe Weise seinen Wert als Mensch beurteilen zu lernen. Während man sonst lebt und ihn nicht wahrnimmt, wird nun der Ätherleib gleichsam wahrgenommen im rückschauenden Blick auf das eigene Leben. Das eigene Leben wird einem allmählich zu schaffen machen, wenn man eine esoterische Entwicklung durchmacht. Dem muß man entgegengehen, daß einem das esoterische Leben gewissermaßen zu schaffen macht, daß man genötigt ist, genauer hinzu- schauen auf seine Vorzüge und Fehler, auf seine Irrtümer und Unvollkommenheiten.
Aber etwas Tieferes, das an den Ätherleib gebunden ist, wird sozusagen wahrnehmbar, etwas, was früher auch wahrnehmbar ist, aber nicht bis zu solcher Stärke. Das ist das Temperament. Und auf der Veränderung des Ätherleibes beruht bei dem sich ernst entwickelnden Esoteriker die größere Empfindsamkeit, die größere Sensitivität gegenüber dem eigenen Temperament. Nehmen wir, um gleich einen besonderen Fall herauszuheben, an dem das besonders anschaulich werden kann, den Melancholiker. Wenn der Melancholiker, der kein Esoteriker geworden ist, der nicht an die Anthroposophie herangekommen ist, der so durch die Welt geht, daß ihn manches mürrisch macht in der Welt, daß manches seine allzu abfällige Kritik herausfordert, den überhaupt die Dinge so berühren, daß sie seine Sympathie und Antipathie stärker hervorrufen als es zum Beispiel beim Phlegmatiker der FaII ist, wenn ein solcher Melancholiker mit all seinen Eigenschaften von jenem Grade an, wo er ein «zuwiderer» Mensch ist, mürrisch, abweisend die ganze Welt, verachtend und hassend, bis zu dem Grade, wo er nur etwas sensitiver ist gegenüber den Wahrnehmungen der Welt - es gibt ja
alle Zwischenstufen und Nuancen -, nun, wenn solch ein Melancholiker eintritt in eine esoterische Entwicklung, dann wird ihm da das Temperament im wesentlichen zur Grundlage, den Ätherleib zu empfinden. Es wird ihm das System seiner die Melancholie bewirkenden Kräfte empfindlich, deutlich in sich selber wahrnehmbar, und während er früher bloß seine Unzufriedenheit gegen die äußeren Eindrücke der Welt gerichtet hat, beginnt er jetzt diese Unzufriedenheit gegen sich selbst zu kehren.
Es ist sehr notwendig, daß bei einer esoterischen Entwicklung die Selbsterkenntnis sorgfältig geübt wird und daß dem esoterisch sich Entwickelnden nahegelegt wird, daß er diese Selbsterkenntnis übt, die es ihm möglich macht, eine solche Veränderung als Melancholiker ruhig und gelassen hinzunehmen. Wie ihm früher vielfach die Welt zuwider war, wird er sich selber zuwider, fängt er an sich selber zu kritisieren, so daß man sieht, wie ihm an ihm selber alles nicht recht ist. Man kann diese Dinge nur richtig beurteilen, meine lieben Freunde, wenn man das,, was man Temperament nennt, in der richtigen Art am Menschen sieht. Ein Melancholiker ist ja nur dadurch ein Melancholiker, daß bei ihm das melancholische Temperament vorschlägt; denn im Grunde genommen hat jeder Mensch alle vier Temperamente in seiner Seele. Ein Melancholiker ist in gewissen Dingen auch wiederum phlegmatisch, in anderen sanguinisch, wieder in anderen cholerisch; es schlägt nur sozusagen vor dem phlegmatischen und sanguinischen und cholerischen Temperament das melancholische besonders vor. Und ein Phlegmatiker ist nicht derjen,ige, der etwa alle anderen Temperamente nicht hätte und nur das Phlegmatische, sondern bei ihm schlägt das phlegmatische Temperament vor und die anderen Temperamente halten sich mehr im Hinter- und Untergrunde seiner Seele. Und so ist es auch bei den anderen Temperamenten.
Wie nun die Veränderung des Atherleibes bei dem ausgesprochenen Melancholiker so auftritt, daß er sozusagen sich gegen sich selber mit seiner Melancholie kehrt, so treten auch Veränderungen, neue Empfindungen gegenüber den anderen Temperamentseigenschaften hervor. Aber es kann durch eine weise Selbsterkenntnis
dahin gebracht werden bei der esoterischen Entwicklung, daß man die Schäden ausbessert, die etwa angerichtet werden durch das hervorstechende Temperament; daß man in einem höheren Grade zu empfinden beginnt: es können diese Schäden ausgebessert werden dadurch, daß man auch mit den anderen Temperamenten Veränderungen bewirkt; solche Veränderungen, die gleichsam die Waage halten der hauptsächlichsten Veränderung mit dem hervorstechendsten Temperament. Da muß man nur erkennen, wie die Veränderungen gegenüber den anderen Temperamenten auftreten.
Nehmen wir an, daß ein Phlegmatiker ein Esoteriker wird - er wird schwer dazu zu bringen sein; aber nehmen wir an, er sei dazu zu bringen, ein recht guter Esoteriker zu werden. Es ist durchaus nicht unmöglich, das zu erreichen, weil der Phlegmatiker zuweilen, wenn er starke Eindrücke empfängt, machtlos ist gegenüber gewissen Eindrücken; so daß manchmal gerade das phlegmatische Temperament, wenn es nicht vom Materialismus zu weit angefressen ist, gar keine ganz üble Vorbedingung für eine esoterische Entwicklung ist; es muß nur edler sozusagen zutage treten als in dem grotesken Sinn, in dem man oftmals einzig und allein das phlegmatische Temperament sieht. Wenn ein solcher Phlegmatiker Esoteriker wird, dann verändert sich das phlegmatische Temperament in einer eigentümlichen Weise. Der Phlegmatiker hat dann sehr stark die Neigung, recht gut sich selber zu beobachten, und es macht ihm sozusagen am wenigsten Leid, sich so recht selber zu beobachten, und deshalb ist das phlegmatische Temperament eine nicht schlechte Vorbedingung für eine esoterische Entwicklung, wenn sie eintreten kann, weil er dann zu einer gewissen ruhigen Selbstbeobachtung ganr: geeignet ist. Es regt ihn nicht, wie den Melancholiker, alles auf, was er an sich selber wahrnimmt; und dadurch, wenn er dann Selbstbeobachtungen macht, gehen diese sogar in der Regel tiefer als die Selbstbeobachtungen des Melancholikers, der überall durch das Wüten gegen sich selber zurückgehalten wird. Wenn daher der Phlegmatiker eine Seelenentwicklung hat, dann ist er sozusagen der beste Schüler für die ernsthafte anthroposophische Entwkklung.
Nun hat jeder Mensch eben alle Temperamente in sich, und - wie gesagt - beim Melancholiker schlägt nur das melancholische Temperament vor. Es ist zum Beispiel auch das phlegmatische Temperament in ihm. Man kann immer an dem Melancholiker Seiten finden, wo er sich als Phlegmatiker gegenüber diesen oder jenen Dingen zeigt. Man muß nun versuchen, wenn der Melancholiker Esoteriker wird und man ihn irgendwie leiten kann, man muß versuchen - während er auf der einen Seite ganz gewiß anfangen wird, scharf mit sich selber zu Werke zu gehen, so daß immer Selbstvorwürfe kommen - seinen Sinn hinzulenken auf die Dinge, gegenüber denen er vorher phlegmatisch gewesen war. Man muß versuchen sein Interesse zu erregen gegenüber Dingen, für die er sich früher nicht interessiert hat. Wenn einem das gelingt, dann paralysiert man gewissermaßen die Schäden, die durch die Melancholie hervorgerufen werden.
Ein eigenartiger Esoteriker wird der Sanguiniker, der ja dadurch im äußeren Leben charakterisiert ist, daß er leicht von Eindruck zu Eindruck eilt und nicht gerne an einem Eindruck festhalten will. Der verändert sich nämlich ganz eigentümlich durch die Umwandlung seines Ätherleibes; der wird in dem Augenblicke, wo er es versuchen will oder wo ein anderer versucht, ihm Esoterik beizubringen, der wird ein Phlegmatiker gegenüber seinem eigenen Innern; so daß der Sanguiniker unter Umständen das wenigst gute Material ist zunächst in bezug auf sein Temperament für die esoterische Entwicklung. Wenn der Sanguiniker zur Esoterik oder zum anthroposophischen Leben kommt - und er kommt sehr häufig dazu, denn er interessiert sich ja für alles mögliche, so auch einmal, wenn auch nicht intensiv, für Anthroposophie oder Esoterik, es hält nur nicht lange vor -, dann muß er zu einer Art Selbstbeobachtung kommen; aber er nimmt das alles mit großer Gleichgültigkeit auf, er schaut nicht gerne in sich selber hinein. Dies oder jenes an ihm interessiert ihn schon, aber es geht nicht besonders tief. Er entdeckt allerlei interessante Eigenschaften an sich, er aber ist dann gleich damit zufrieden; und er spricht ganz gern von dieser interessanten Eigenschaft, hat aber die ganze Sache bald wieder vergessen, auch das, was er ansich
selber beobachtet hat. Und unter denjenigen, die der Esoterik nahetreten aus einem Augenblicksinteresse heraus und die ihr bald wieder entlaufen, sind vorzugsweise sanguinische Naturen.
Wir werden morgen versuchen, das, was ich heute in Worten ausführe, auch ein wenig durch die Zeichnung des Ätherleibes auf die Tafel uns klarzumachen; wir werden dann die Veränderungen des Ätherleibes durch die anthroposophische oder esoterische Entwicklung dazu zeichnen.
Noch anders ist es mit dem cholerischen Temperament. Beim Choleriker wird es fast gar nicht oder doch nur in den allerseltensten Fällen gelingen, ihn zum Esoteriker zu machen; er wird sich gerade dadurch auszeichnen, wenn das cholerische Temperament besonders bei ihm ausgesprochen ist als Persönlichkeit, daß er alle Esoterik von sich weist; nichts wissen will von ihr. Es kann aber doch sein, daß durch die karmischen Lebensverhältnisse gerade der Choleriker auch einmal an die Esoterik herangebracht wird; dann wird er es schwer haben, Veränderungen gerade in seinem Ätherleibe zu bewirken; denn dieser Ätherleib erweist sich beim Choleriker als besonders dicht, schwer beeinflußbar. Beim Melancholiker ist der Atherleib so, man möchte sagen - verzeihen Sie den trivialen Vergleich, aber es wird anschaulich werden durch ihn, was ich sagen will -, beim Melancholiker ist der Ätherleib so wie ein Gummiball, aus dem man die Luft herausgeblasen hat: wenn man eine Vertiefung hineinbohrt, so bleibt sie lange. Beim Choleriker ist der Ätherleib so wie ein Gummiball, der ganz mit Luft vollgepreßt ist; wenn man eine Vertiefung hineinmachen will, so hält er nicht nur nicht die Vertiefung, sondern er drängt einen noch ganz gehörig zurück.
Also wenig nachgiebig, knorrig ist der Ätherleib des Cholerikers. Daher hat es der Choleriker selber sehr schwer mit der Umwand
lung des Ärherleibes. Er kann nicht an sich selber heran. Daher stößt er auch die esoterische Entwicklung, die ja gerade ihn umwandeln soll, von vornherein zurück; er kann sich selber sozusagen nicht bei- kommen. Wenn aber der Ernst des Lebens oder irgendwelche Dinge an den Choleriker herantreten oder wenn man gerade ein solches Temperament hat, daß man einen leisen melancholischen Klang hat
im Temperament und doch wieder Choleriker in sich ist, dann kann es gerade durch die melancholische Nuance herbeigeführt werden, daß der Choleriker seine cholerische Note in seinem menschlichen Organismus so zur Entwicklung bringt, daß er jetzt mit aller mächtigen Kraft arbeitet an seinem Widerstand bietenden Ätherleib. Und wenn es ihm dann gelingt, an seinem Ätherleib doch Veränderungen hervorzurufen, dann erzeugt er in sich dadurch eine ganz besondere Eigenschaft: er wird fähiger als andere Leute, durch seine esoterische Entwicklung ordentlich sachgemäß und tief äußere Tatsachen in ihrem ursächlichen oder geschichtlichen Zusammenhang darzustellen. Und wer empfinden kann gute Geschichtsschreibung - sie wird ja in der Regel nicht von Esoterikern gerade gemacht -, aber wer gute Geschichtsschreibung, die wirklich die Tatsachen sprechen läßt, empfinden kann, der wird immerhin schon den Anfang finden, den unbewußten, instinktiven Anfang von dem, was der Esoteriker, der Cholerisches in sich hat, gerade als Geschichtsschreiber oder als Erzähler oder als Schilderer leisten könnte. Menschen wie zum Beispiel Tacitus waren im Anfang einer solchen instinktiven esoterischen Entwicklung. Daher diese wunderbare, unvergleichliche Darstellung des Tacitus. Und derjenige, der als Esoteriker den Tacitus liest, weiß, daß diese eigentümliche Art von Geschichtsschreibung herrührt von einer ganz besonderen Hineinarbeitung eines cholerischen Temperamentes in den Ätherleib. Ganz besonders aber tritt das dann hervor, wenn wir Darsteller haben, die eine esoterische Entwicklung durchgemacht haben. Wenn es auch die äußere Welt nicht glaubt, so ist das doch der Fall bei Homer. Homers plastische grandiose Darstellung verdankt er dem cholerischen Temperament, das in seinen Ätherleib hineingearbeitet hat. Und so könnte noch manches auf diesem Gebiete gezeigt werden, was schon im äußeren Leben gleichsam beweisend oder wenigstens belegend darstellt, daß der Choleriker, ganz besonders wenn er eine esoterische Entwicklung durchmacht, sich geeignet macht, die Welt in ihrer Wirklichkeit, in ihren ursächlichen Zusammenhängen innerlich darzustellen. Wenn der Choleriker eine esoterische Entwicklung durch- macht, dann sind diese seine Darstellungen so, daß sie - man möchte
sagen - schon in ihrer äußeren Struktur den Charakter der Wahrheit und Wahrhaftigkeit tragen.
So sehen wir, daß in den Veränderungen des Ätherleibes ganz besonders zum Ausdruck kommt sozusagen das menschliche Leben, das wahrnehmbarer wird in seiner bisherigen Gestaltung in dieser Inkarnation, mehr als das sonst der Fall ist. In der esoterischen Entwicklung wahrnehmbar werden ferner stärker die Temperamente, und die Berücksichtigung der Temperamente bei der wahren Selbsterkenntnis ist von einer ganz besonderen Bedeutung. Von diesen Dingen wollen wir dann morgen weiter sprechen.
VIERTER VORTRAG Den Haag, 23. März 1913
Je mehr sich der Ätherleib des Menschen verändert unter dem Einfluß einer esoterischen Entwicklung, desto mehr bekommt der Mensch dasjenige, was man nennen möchte ein Zeitgefühl. Unter diesem Zeitgefühl soll verstanden werden ein Gefühl für das Miterleben der Aufeinanderfolge der Tatsachen und Ereignisse in der Zeit. Gewöhnlich ist ja im äußeren Leben der Mensch ohne dieses ausgesprochene Zeitgefühl. Nun habe ich schon ein wenig angedeutet, wie dieses Zeitgefühl sogar schon durch die Veränderung des physischen Leibes auftritt, indem man durch eine esoterische Entwicklung empfindlicher wird gegenüber - sagen wir - dem Sommer und dem Winter. Aber durch die Veränderung des Ätherleibes wird das Miterleben des äußeren Wandels der Ereignisse ein noch viel lebendigeres, ein viel empfindlicheres. Und derjenige, der eine Zeitlang versucht hat, mit allem Ernst seine Seele vorwärtszubringen, der wird einen deutlichen Unterschied wahrnehmen zunächst einmal zwischen den verschiedenen Jahreszeiten, ja sogar zwischen Teilen der Jahreszeiten, er wird einen großen Unterschied allmählich innerlich erleben lernen zwischen Sommer und Winter, zwischen Frühling, Sommer und Herbst, aber auch noch viel kleinere Zeitabschnitte im Jahreslaufe werden empfunden werden. Die Zeit wird gewissermaßen etwas in ihrem Fortschritt Lebendiges. Man merkt nach und nach, daß man im Verlaufe der Zeit differenziertes Leben wahrnimmt. So wie im physischen Leibe die einzelnen Organe sich differenziert zeigen, wie sie innerlich lebendiger und unabhängiger voneinander werden, so werden die Teile der fortlaufenden Zeiten- folge gewissermaßen selbständiger voneinander, unabhängiger. Und das ist damit in Verbindung, daß man mit der Entwicklung des eigenen Ätherleibes miterlebt das Leben im äußeren Äther, der uns ja überall umgibt. Es umgibt uns ja nicht nur die Luft, es umgibt uns überall der Äther; aber dieser Äther lebt ein wirkliches Leben in der Zeit.
Der uns umgebende Äther ist gewissermaßen eine Art Lebewesen, er lebt, und lebt aufeinanderfolgend verschieden, wie ja der Mensch auch in seinen Lebensaltern verschieden lebt. Und man lernt miterleben das fortschreitende Leben des äußeren Äthers. So bekommt man immer mehr und mehr ein Gefühl dafür, wie draußen das Leben des Lebensäthers ist, wenn der Frühling kommt, wenn er sich dem Sommer nähert, wenn der Sommer auf seinem Höhepunkt angelangt ist, wenn der Sommer zur Neige geht, wenn der Herbst sich nähert und wenn dieser dann da ist. Diesen äußeren Verlauf lernt man miterleben; man lernt einen deutlichen Unterschied kennen zwischen diesem Sommer-Frühling-, Sommer-Herbstleben und dem eigentlichen Winterleben.
Dieser Unterschied wird immer deutlicher wahrnehmbar, so daß man sich wirklich zuletzt sagen kann: die Erde lebt mit ihrem Äther ein selbständiges Leben, und man schwimmt, indem man mit der Zeit mitlebt, förmlich darinnen in diesem sich wandelnden Leben des Äthers. Wenn der Hochsommer da ist, so fühlt man am allerdeutlichsten, wie man mit seinem Ätherleib gewissermaßen auf sich selber angewiesen ist, wie man mit der Erde ein eigenartiges Leben mitmacht so, daß die Erde einen dann wenig innerlich berührt; man ist, wie gesagt, gleichsam auf sich selbst angewiesen, und man verbindet dann allmählich einen Begriff mit dem, was der Okkultist sagt: Während des Sommers ist die eigentliche Schlafenszeit der Erde. Wir kommen da zu einer Tatsache, die wegen der äußeren Maja, von der der Mensch ja fortwährend umgeben ist, ganz falsch beurteilt wird. Im äußeren, von der Maja dirigierten Leben vergleicht der Mensch gerne den Frühling mit dem Morgen, den Sommer mit dem Mittag, den Herbst mit dem Abend. Er tut Unrecht mit diesem Vergleich, denn in der Realität verhält sich die Sache nicht so. In der Realität müssen wir, wenn wir den äußeren Erdenverlauf mit etwas in uns vergleichen, Frühling, Sommer, Herbst - in dieser Aufeinanderfolge - mit der Schlafenszeit der Erde vergleichen; und Herbst, Winter, Frühling - in dieser Aufeinanderfolge - mit der Wachenszeit der Erde. Und wenn wir von einem Geist der Erde sprechen, so müssen wir uns vorstellen, daß für diejenige Halbkugel, wo Sommer
ist, der Geist der Erde während dieses Sommers sozusagen in demselben Zustand ist, in welchem wir als Menschen während uneseres Schlafzustandes sind. Es ist natürlich bei der Erde anders. Der Mensch wechselt absolut mit Wachen und Schlafen ab, bei der Erde ist das so, daß Wachen und Schlafen gleichsam von der einen zur anderen Halbkugel ziehen; daß im Grunde genommen der Geist der Erde nie recht schläft, sondern daß, wenn er seine Wachtätigkeit für die eine Halbkugel vom Schlafe abgelöst sein läßt, er dann seine Wachtätigkeit auf die andere Halbkugel verlegt. Aber darauf brauchen wir ja weniger Rücksicht zu nehmen.
Wir wollen einmal betrachten das Miterleben des Menschen mit der Erde: da kommt ja eigentlich nur die eine Halbkugel der Erde in Betracht. Wir haben uns da vorzustellen, daß der Geist der Erde während der Sommerszeit in gewisser Weide sich selber trennt von seinem physischen Leibe, der jetzt die Erde selbst wäre, und daß dieser Geist der Erde im Verhältnis zu seinem physischen Erdenleib im Sommer dasselbe Leben lebt, das der Mensch während der Schlafenszeit im Verhältnis zu seinem physischen Leib lebt.
Während der Schlafenszeit liegen der physische und der Ätherleib im Bette; sie führen ein rein vegetatives Leben. Für den okkulten Blick stellt sich heraus, daß im schlafenden Menschenleib etwas entfaltet wird wie eine feine Vegetation, wie ein Hervorsprossen und Hervorsprießen des rein vegetativen Lebens, und die während der Wachenszeit verbrauchten Kräfte werden durch dieses vegetative Leben wiederum ersetzt, so daß der Mensch während des Schlafes eigentlich seine Sommerszeit hat. Und würde er hinschauen, wenn er mit seinem astralischen Leib und seinem Ich außer dem physischen Leibe ist, auf das Leben des schlafenden physischen Leibes, so würde er dieses schlafende Leben des physischen Leibes so erblicken, wie man gerade hervorsprießend und sprossend erblickt das pflanzliche Leben im Frühling und Sommer auf der Erde. So würde man an seinem physischen Leibe ein vegetatives sprießendes und sprossendes Sommerleben während der Schlafenszeit bemerken.
Dadurch aber, daß die Erde an dem von uns bewohnten Teile während des Sommers ihre Schlafenszeit hat, dadurch ist der Mensch
gewissermaßen mit seinem Ätherleibe auf sich selbst angewiesen, und die Folge davon ist, daß bei einer esoterischen Entwicklung der Mensch während dieser Sommerszeit, wenn er sich überhaupt schon die Fähigkeit angeeignet hat, so etwas wahrzunehmen, seinen eigenen Ätherleib mehr wahrnimmt, besser, deutlicher wahrnimmt als während der Winterszeit. Er nimmt sozusagen die Selbständigkeit seines Ätherleibes wahr, und zwar vorzugsweise in unserem Zeitenzyklus die Selbständigkeit des ätherischen Teiles des Kopfes, des ätherischen Teiles, der dem Gehirn zugrunde liegt. Es ist ein sehr eigentümliches Empfindenlernen, wenn man anfängt, dadurch, daß man das Leben des Erdenäthers mitlebt im Sommer, allmählich eine Art innerer Empfindung sich anzueignen für diesen besonderen Teil des menschlichen Ätherleibes, der dem Haupte, dem Kopfe zugrunde liegt; und man fühlt dann dieses innere Erleben anders im Frühling, anders im Sommer, anders gegen den Herbst zu. Man fühlt so deutlich die Unterschiede in diesem inneren Erleben, daß man jetzt wirklich sprechen kann, geradeso wie beim physischen Leibe von einer Differenzierung der Glieder, von verschiedenen Leben, die man durchmacht im Laufe der Sommerszeit, von deutlich sich voneinander differenzierenden Leben. Anders ist das Leben, das sich da innerlich entfaltet im Frühling, anders das Leben, das sich innerlich entfaltet im Sommer, und anders das im Herbst. Wenn man vom Ätherleib spricht, so muß man eigentlich eine Trennung machen, die wir heute machen werden: sozusagen einen besonderen Ätherteil abtrennen, der dem Haupt zugrunde liegt, dem Kopfe.
Das ist es, was ich mit ein paar Strichen Ihnen skizzieren will, meine lieben Freunde. Wenn wir uns skizzenhaft den Menschen vorstellen, so können wir uns vorstellen, daß dieser Ätherleib, von dem ich jetzt eben gesprochen habe, so empfunden wird - und zwar nach oben immer weniger empfunden wird, aber ins Unbestimmte sich verlierend -, daß er mit der Zeit mitgeht. Und man lernt allmählich sogar ganz deutlich fühlen, daß an diesem Teil unseres Ätherleibes Wesenheiten schöpferisch mit tätig waren, die in den verschiedenen Zeiten, die man da durchlebt vom Frühling gegen den Herbst, sozusagen einander ablösen; man merkt, daß an dem
Gehirnteil unseres Ätherleibes die Zeiten gearbeitet haben, so daß unser Äthergehirn ein in gewisser Beziehung kompliziertes Organ ist.
Es ist gleichsam von verschiedenen geistigen Wesenheiten, die ihre Fähigkeiten in aufeinanderfolgenden Zeiten entfalten, ineinandergefügt worden. Man bekommt nun einen Begriff von einer sehr bedeutungsvollen Lehre - und man lernt diese Lehre in ihrer Wahrheit nach und nach empfinden -, von der Lehre, die insbesondere in den Zarathustraschulen gepflogen worden ist. Diese Lehre sagte, daß der Ätherleib des menschlichen Gehirns von geistigen Wesenheiten, die man Amshaspands nannte, nach und nach aus dem geistigen Kosmos heraus geschaffen worden ist. Und diese Amshaspands, Sie wirken so, daß sie gleichsam während der Sommerszeit die Herrschaft führen, und zwar heute noch so die Herrschaft führen, daß sie einander ablösen, der erste sozusagen im Frühfrühling, der zweite im Frühling und so weiter bis zum sechsten und siebenten. Sieben, beziehungsweise sechs solcher geistiger Wesenheiten, sie wirken sich ablösend in der Zeit; und sie sind die schöpferischen Geister, welche - dadurch, daß sie eben sich ablösen, so daß, wenn der eine seine Tätigkeit vollführt hat, der andere eingreift - ein solches kompliziertes Wesen zustande bringen, wie es der Ätherleib, besonders der des menschlichen Gehirns ist. In unser Gehirn also spielen herein sechs bis sieben einander ablösende geistige Wesenheiten, und das physische Gehirn des Menschen wird man erst begreifen, wenn man sich sagen wird: da wirkt ein Geist, der empfunden werden kann insbesondere im Frühfrühling - er strahlt seine Kräfte, die zunächst Ätherkräfte sind, aus; dann kommt im späteren Frühling ein zweiter Geist, der strahlt wiederum seine Kräfte aus.
Da strahlen also die Ätherkräfte dieses zweiten Geistes in denselben Raum hinein. Der dritte Geist strahlt wiederum seine Ätherkräfte hinein, und so bildet sich dieser Ätherteil des menschlichen Gehirns in der Weise, daß in denselben Raum in aufeinanderfolgenden Zeiten Geister, die sich ablösen, ihre ätherischen Kräfte hinein- senden.
Nun müssen wir uns klar sein, daß wir nur fühlen können gewisse Zusammenhänge dessen, was da in unserem Gehirn ist an Verwandtschaft mit diesen Geistern, die außer uns ihre Ätherkräfte heute entfalten. Denn der Okkultismus lehrt uns, daß das, was ich jetzt eben beschrieben habe, sich schon abgespielt hat während der alten Mondenzeit; so daß wir nicht glauben dürfen, daß etwa diese Geister, die, wie wir sagen können, den Sommer regieren, heute noch hineinwirken und etwa Bildekräfte sind. Die Anlagen, die während der alten Mondenzeit wirklich hineingestrahlt sind von diesen Geistern, die hat sich der Mensch schon ins Erdendasein herübergebracht; aber weil er sie so in sich trägt in seinem eigenen Ätherleib, verspürt er heute noch - wo diese geistigen Wesenheiten keinen unmittelbaren Einfluß mehr haben auf unseren inneren Ätherleib im Gehirn -, verspürt er heute noch die Verwandtschaft mit ihnen, und das ist es, was man spürt im Sommer. Man fühlt im Frühfrühling den ersten dieser Geister, der heute eine andere Aufgabe hat draußen im Äther; aber man fühlt, daß von ihm herrührt, was man in sich trägt, was man im alten Mond aufgenommen hat; man fühlt sich zu jener Zeit mit ihm verwandt. Das ist jene gewaltige Entdeckung, die der Mensch machen kann im Verlaufe seiner esoterischen Entwicklung: daß er in sich im Laufe der Zeit etwas erlebt wie ein Abbild von geistig wirksamen Wesenheiten, die sogar heute schon eine ganz andere Aufgabe haben als früher, die in der Vergangenheit mitschöpferische Geister an unserer eigenen Wesenheit waren. Während der Erdenbildung ist dann gleichsam das physische Gehirn entstanden wie ein Abdruck, eine Abprägung dessen, was schon wie eine Art von ätherischem Urbild während der alten Mondenzeit sich herausentwickelt hat durch diese geistig-kosmischen Einflüsse. Ich habe nach oben offen gezeichnet diesen Teil unseres Ätherleibes, weil er wirklich s0 empfunden wird (siehe Zeichnung Seite 71). Er wird so empfunden, daß, sobald man ihn an sich selber wahrnimmt, man in der Tat das Gefühl bekommt: Da öffnest du dich in geistige Welten hinaus, da stehst du im Zusammenhang mit geistigen Welten, die immer über dir sind. Es gibt noch eine Empfindung, die man nach und nach im esoterischen
Leben entwickelt gegenüber diesem Teil des Ätherleibes. Es ist im allgemeinen gar nicht leicht, über diese Dinge sich zu verständigen; aber ich hoffe, daß, wenn ich mich bemühe, diese Dinge deutlich auszusprechen, daß wir uns doch verstehen können.
Es ist so, wie wenn man in der Tat, wenn man den Ätherleib zu fühlen beginnt, wie im Strome der Zeit sich schwimmend fühlt. Aber für diesen Ätherteil des Kopfes ist es so, wie wenn man gewissermaßen fühlte, als ob man die Zeit mitnimmt, man also nicht nur fortschwimmt, sondern die strömende Zeit mitnimmt. In der Tat, man trägt viel von früherer Zeit in diesem Ätherteil des Kopfes: man trägt ja die alte Mondenzeit da drinnen mit; denn das Wesentliche, was da entstanden ist, ist während der alten Mondenzeit entstanden, und den Strom der alten Mondenzeit trägt man im Ätherteil des Gehirns mit. Und wenn man jetzt so anfängt zu fühlen, ist es wie eine Erinnerung an die alte Mondenzeit. Wer sich einen Begriff verschafft von den inneren Erlebnissen, die als Temperamentserlebnisse gestern aufgeführt worden sind, der kann auch verstehen, wenn gesagt wird, daß der Okkultist, der so das Innere des Ätherleibes seines Kopfes fühlen lernt, wenn er sich besonders konzentriert auf diesen Ätherteil des Kopfes, dann immer dieses Sich- konzentrieren auf den Ätherteil seines Kopfes verbunden fühlt mit einer melancholischen Stimmung, die ihn überkommt; man fühlt sozusagen wie ausgegossen in der esoterischen Entwicklung melancholische Stimmung in Sein Haupt hinein. Und aus dieser melancholischen Stimmung heraus entwickelt sich im inneren Erleben allmählich ein Verständnis für solche Dinge, wie sie unseren Freunden angeführt worden sind bei der okkulten Beschreibung des alten Mondes.
Die esoterische Entwicklung muß natürlich noch viel weiter gehen, wenn man wirklich die einzelnen Verhältnisse auf dem Monde beschreiben will; aber Sie sehen, wie die Dinge beginnen, die zu einer solchen Beschreibung führen. Sie sehen, daß etwas auftaucht im Menschen drinnen selber, was man nennen könnte die Melancholie seines Kopfes, innerhalb welcher Stimmung sich allmählich herausdifferenziert ein Schauen wie ein Erinnerungsschauen
in eine urferne Vergangenheit, in die alte Mondenzeit. Und es wäre wünschenswert, meine lieben Freunde, daß Sie aus solchen Schilderungen, wie die eben jetzt gegebenen sind, ermessen, wie eigentlich esoterische Entwicklung fortschreitet, wie man ausgeht von einem bestimmten Erlebnis, wie man dieses Erlebnis erkennen lernt zunächst - in diesem Fall zum Beispiel wie eine Erinnerung an eine urferne Vergangenheit, aus der man den Strom der Zeit mit hereingenommen hat in die Gegenwart - und gleichsam wieder aufrollen lernt dasjenige, was einstmals durch lebt worden ist. Ermessen Sie daraus, daß der Okkultist wahrhaftig nicht von Träumereien spricht, wenn er jene Konstruktion des Weltenalls gibt, die zurückgeht zur alten Monden-, Sonnen- und Saturnzeit, sondern daß man schon, wenn man nur geduldig ausharrt, durch die Auseinandersetzung, wie diese Dinge gefunden werden, einen Begriff bekommen kann von dem allmählichen Hineinerleben in jene gewaltigen großen Weltentableaus, die allerdings einer urfernen Vergangenheit angehören, die aber wieder heraufgerufen werden aus dem gegenwärtigen Leben. Wir müssen nur dazu kommen, zum Beispiel verflossene Zeitenerscheinungen, die wie involviert, wie eingewickelt in uns liegen, in uns zu erleben und dann zur Entfaltung zu bringen.
Anders erlebt sich der Ätherleib, der Teil des Ätherleibes, der angehört der mittleren Partie des Menschen. Nach außen verliert sich die Empfindung; innerlich wird sie ungefähr so wahrgenommen, daß man sagen kann: Dieses, was hier in der Mitte gezeichnet ist wie eine Art Eiform, das wird abgetrennt vom anderen empfunden. Wenn man diesen mittleren Teil des Atherleibes so heraussondert als ein besonderes Erleben, so muß man sagen: Derjenige, der durch eine esoterische Entwicklung dahin kommt, das differenzierte Leben auch dieses mittleren Teiles des Menschen in sich zu erfahren, der hat dann das Gefühl, daß er in diesem Teile des Ätherleibes gewissermaßen im wesentlichen genau mitschwimmt mit dem Strom der Zeit. Und in diesem Teil des Ätherleibes wird in der Tat noch deutlich empfunden das Miterleben mit dem in der Aufeinanderfolge der Zeit sich differenzierenden Ätherleben der Erde.
Wer esoterisch weiterkommt, der fühlt gerade in diesem Teil, wie im Frühfrühling in der Tat andere Geister sozusagen auf ihn einwirken als im Hochsommer oder Herbst. Es ist eine Art Miterleben, genauer eine Art von Mitschwimmen. Dadurch auch sondert sich dieser Teil von dem anderen heraus, und wir haben, wenn wir nun in solche Dinge eingehen können, für diesen mittleren Teil des Ätherleibes ein Gefühl, welches schwankt zwischen phlegmatischer und sanguinischer Stimmung. Die mannigfaltigsten Nuancen nimmt es an zwischen phlegmatischer und sanguinischer Stimmung. Es ist zum Beispiel in der Frühlingszeit mehr eine Art von Mitgehen im Ätherleib - im physischen Leib drückt sich das ganz anders aus - mit dem Strom der Zeit, gegen den Herbst zu ein Sich-mehr-Wehren, ein Abstoßen des Stromes der Zeit.
Ein dritter Teil des Ätherleibes wird dann empfunden so, daß wir ihn nach unten ins Unbestimmte verlaufend fühlen, daß er in die Erde hinein verschwindet, sich aber ausbreitet. Dieses sind drei Teile des Ätherleibes, die man getrennt voneinander empfinden kann.
Nun aber würde dieses darstellen die innere Empfindung, das innere Erleben des Ätherleibes; es würde sich das zum Beispiel für den Hellseher nicht so darstellen, wenn er den Ätherleib eines anderen Menschen betrachtete, sondern es ist das das innere Erleben des Ätherleibes. Dieses Erleben wird noch wesentlich dadurch modifiziert, daß ein viertes Glied des Ätherleibes da ist, deutlich begrenzt wie eine Art Eiform, welches eigentlich den Menschen in sich aufnImmt. Man verschafft sich aus den verschiedenen Empfindungen, die man diesen Teilen des Ätherleibes gegenüber hat, allmählich solche Empfindungen, daß man das Gefühl erhält, man habe den inneren Eindruck von dem Ätherleib wie von äußerer Form.
Und dann tingiert sich der Ätherleib, dann färbt er sich, und man bekommt den Eindruck, als ob man hier in diesem Teil des Ätherleibes wie in einer Art von bläulicher oder bläulichvioletter Aura wäre. Dieser Teil, der dem Kopfe entspricht, der ist auch bläulich oder, je nachdem der Mensch geartet ist, bläulichviolett, geht aber nach unten allmählich ins Grünliche über. Der mittlere Teil hat eine deutlich gelbrötliche Färbung - wenn man die Farbe empfindet
und der untere Teil hat eine deutlich rötliche bis tiefrote Farbe, die aber ausstrahlt und oftmals bis weit hinaus geht.
Nun sind aber die Kräfte, die in diesen vier Teilen wirken, differenziert, so daß dasjenige, was man als die inneren Empfindungen hat, nicht genau herauskommt; sondern wenn man es von außen
hellseherisch anschaut, so wirken die Kräfte, die in dieser äußersten Aura sind, zusammendrängend den oberen Teil, und man bekommt dann, wenn man von außen schaut, den Eindruck, als ob, nur ein wenig größer, der Ätherteil des Kopfes ganz der Form des Kopfes angemessen wäre. Der mittlere Teil ebenso. Je weiter nach unten, desto weniger ist das der Fall. Aber man bekommt dadurch, daß die Kräfte aufeinander wirken, wenn man das von außen ansieht,
den Eindruck, als ob der Ätherleib eine Art Grundform wäre des physischen Leibes, bis zu einer gewissen Weite aber aus dem physischen Leib herausragt. Gegen unten verliert sich allmählich das Gefühl des Zusammenstimmens von physischem Leib und Ätherleib.
Also Sie müssen festhalten daran, daß das innere Erlebnis des Ätherleibes ein anderes ist als das Wesen, das der Ätherleib in der Anschauung dem Hellseher nach außen zeigt. Das muß ganz genau festgehalten werden.
Wenn Sie noch lernen, in der esoterischen Entwicklung auf die Stimmung zu achten im Sinne jener Grundstimmungen, die ja im ätherischen Leib veranlagt sind und die gestern charakterisiert worden sind, so ergibt sich, daß für den untersten Teil des ätherischen Leibes die Stimmung als eine cholerische empfunden wird. So differenzieren sich in der Tat für die verschiedenen Glieder unseres Ätherleibes die einzelnen Temperamente. Der obere Teil des Ätherleibes ist melancholisch gestimmt, der mittlere ist in Wechselzuständen phlegmatisch-sanguinisch gestimmt, der untere cholerisch. Und ich bitte Sie, durchaus darauf zu achten, daß diese Beschreibung für den Ätherleib gilt. Wer das nicht genau in Erwägung zieht, wird zum Beispiel sehr leicht, wenn er die Dinge äußerlich nimmt, in Irrtümer verfallen können. Wer aber genau das in Erwägung zieht, der wird durch die Übereinstimmung dessen, was ausgeführt worden ist, mit gewissen Erscheinungen des Lebens im höchsten Grade frappiert sein. Man versuche nur einmal zum Beispiel Choleriker zu studieren - es ist im höchsten Grade interessant.
Nach dem, was gesagt worden ist, würde bei dem Choleriker der untere Teil des Ätherleibes ganz besonders hervorragend ausgebildet sein; er würde hervorstechen über die anderen Teile, dadurch würde der Mensch ein Choleriker sein. Die anderen Teile sind natürlich auch entwickelt, aber der untere Teil würde besonders hervorstechen. Wenn nun der untere Teil des Ätherleibes besonders als Ätherleib ausgebildet ist, da drinnen seine starken Kräfte hat, dann tritt immer ein anderes ein: daß nämlich der physische Leib in diesen Partien etwas zu kurz kommt, daß der physische Leib gewisse mangelnde Ausbildungen nach jener Richtung zeigen kann,
die diesem Teil des Ätherleibes unterliegen. Es würde also daraus sich ergeben, daß bei ausgesprochenen Cholerikern, die im Leben als solche auftreten, der anatomische Befund für gewisse Organe, die diesem Teil des Ätherleibes entsprechen, eine Art Zu-kurz-Kommen aufweist. Bitte lesen Sie den anatomischen Befund über einen Napoleon, und Sie werden frappiert sein von dem, was sich Ihnen da als Beleg darstellen wird. Wenn man anfangen wird zu studieren diese verborgenen Seiten der Menschennatur, dann wird man dies erst in Wirklichkeit begreifen lernen.
Sie können nun die Frage aufwerfen: Wie stimmt das, was gestern gesagt worden ist, mit dem Heutigen überein? Es stimmt durchaus überein. Es ist gestern von den vier Temperamenten gesprochen worden. Sie sind vorbedingt durch die Kräfte des Ätherleibes. Und in der Tat: das Leben des Ätherleibes bezieht sich ebenso auf das Zeitliche, wie sich bezieht die Gliederung, die Differenzierung auf das Räumliche. Der physische Leib wird in sich lebendiger in dem Räumlichen, sich gleichsam differenzierend in seine einzelnen Glieder; der Ätherleib wird lebendiger, indem sich seine Glieder zeitlich differenzieren, das heißt indem das Zeitleben in der Aufeinanderfolge in selbständigen Teilen und Gliedern miterlebt wird.
Beim Melancholiker liegt in der Tat das zugrunde, daß er stets ein von ihm in der Zeit Erlebtes, ein Vergangenes in sich mitträgt. Wer einzugehen vermag auf den Ätherleib des Melancholikers, der findet, daß dieser Ätherleib noch immer in sich nachschwingen hat das, was er miterlebt hat in vergangenen Zeiten. Ich meine jetzt nicht dasjenige, was hier erwähnt worden ist beim menschlichen Gehirn, was sich auf urferne Zeiten bezieht, sondern bei dem, was man gewöhnlich Melancholie nennt. Da regt sich vor allen Dingen das Ätherleben des Kopfes an in einer bestimmten Zeit - sagen wir in der Jugend; und dann wird das, was angeregt ist, so stark beeinflußt, daß in späteren Lebensaltern man als Melancholiker noch mitträgt die Schwingungen im Ätherleib, die sich in der Jugend eingeprägt haben, während beim Nichtmelancholiker diese Schwingungen sich eben abvibriert haben. Bei dem Phlegmatiker und Sanguiniker haben wir eine Art Mitschwimmen mit der Zeit; nur
daß beim Phlegmatiker gleichsam ein vollständiges gleichmäßiges Mitschwimmen mit dem Strom der Zeit vorhanden ist, während der Sanguiniker wechselt zwischen sozusagen innerem schnellerem Erleben und langsamerem Erleben gegenüber dem äußerlich verfließenden Strom der Zeit. Der Choleriker dagegen stemmt sich - und das ist das Eigentümliche - gegen die Zeit, die heranrückt, die gleichsam aus der Zukunft uns zufließt. Der Choleriker weist also in gewissem Sinn die Zeit von sich ab, und er entledigt sich schnell der Vibrationen, die die Zeit in seinem Ätherleib hervorruft. Daher trägt der Melancholiker am meisten von Nachschwingungen des in der Vergangenheit Erlebten in sich; der Choleriker trägt am wenigsten von Nachschwingung dessen in sich, was er in der Vergangenheit erlebt hat. Nehmen Sie den etwas grotesken Vergleich von dem in sich mit Luft vollgesogenen Ball, der verglichen wurde mit dem Ätherleib des Cholerikers, so können Sie diesen Vergleich auch hier anwenden. Der Ball ist schwer zu beeindrucken durch die aufeinanderfolgenden Ereignisse; er stößt die Ereignisse von sich, läßt daher die Ereignisse, wie sie in dem Zeitenstrom wirken, nicht stark in sich nachschwingen. Daher trägt er das nicht lange in sich. Der Melancholiker, der die Ereignisse tief, tief in Seinen Ätherleib hereinwirken läßt, hat lange zu tragen an den Schwingungen, die er sich aus einem vergangenen Zeitenverlauf in die Zukunft hinein mitnimmt.
Es ist gut, wenn man sich überhaupt für das Verständnis von Äther- und physischem Leib die Vorstellung aneignet, daß der physische Leib vorzugsweise ein Raumesleib, der Atherleib vorzugsweise ein Zeitenwesen ist. Man versteht den Ätherleib gar nicht, wenn man ihn nur als ein Raumeswesen betrachtet. Und eine solche Zeichnung, wie sie hier gemacht worden ist, ist eigentlich nur eine Art Verbildlichung im Raum für das in der Zeit dahinfließende und mit der Zeit sich auseinandersetzende Leben des Ätherleibes. Weil das Leben des Ätherleibes selber wie in der Zeit verlaufend ist, ein Zeitenleben ist, deshalb erleben wir auch mit unserem Ätherleib die Zeit mit, das heißt den äußeren Strom der Ereignisse in der Zeit.
Auch noch einen anderen Strom von Ereignissen in der Zeit erlebt der Mensch mit, wenn er eine okkulte Entwicklung durch- macht. Im gewöhnlichen Leben wird dieser Strom von Ereignissen wenig wahrgenommen, aber er wird eben wahrgenommen bei einer Höherentwicklung der Seele: das ist der Tageslauf. Denn in gewisser Weise wirken mit minderen Kräften die Geister des Jahreslaufes auch herein in den Tageslauf. Ist es ja dieselbe Sonne, die den Jahres- und die den Tagesverlauf bedingt! Derjenige, der eine esoterische Entwicklung durchgemacht hat, der wird bald finden, daß eine solche Verwandtschaft besteht zwischen seinem Ätherleib und dem, was im äußeren Äther vorgeht, daß er sozusagen den Geistern des Morgens anders gegenüberstehen wird als den Geistern des Mittags und denen des Abends. Die Geister des Morgens regen uns so an, daß wir uns da sozusagen angeregter fühlen in unserem Ätherleib zu einer Tätigkeit, die mehr nach dem Verstande, nach der Vernunft zuneigt, die mehr das Erlebte überdenken kann, die mehr das Beobachtete in der Erinnerung mit dem Urteil verarbeiten kann. Geht es gegen den Mittag zu, so nehmen diese Kräfte des Urteils nach und nach ab; der Mensch fühlt, wie innerlich die Impulse des Willens arbeiten. Wenn auch der Mensch gegen den Mittag zu anfängt, sozusagen in bezug auf die äußeren Arbeitskräfte weniger leistungsfähig zu sein als am Morgen: innerlich arbeiten die Willenskräfte mehr. Und wenn es dann gegen den Abend zugeht, dann kommen die produktiven Kräfte, das, was mehr mit der Phantasie zusammenhängt. So unterscheiden sich auch in bezug auf ihre Obliegenheiten die geistigen Wesenheiten, die ihre Kräfte in die Lebensäther-Verhältnisse der Erde hereinsenden.
Man kann überzeugt sein, daß man allmählich immer mehr wird verstehen lernen - je mehr man überwunden haben wird die ganze materialistische Gesinnungsweise unserer Zeit -, Rechnung zu tragen überhaupt der Anpassung des menschlichen Ätherleibes an den Zeitenverlauf. Es wird eine Zeit kommen, wo man es eben sonderbar finden wird, wenn man in den Schulstunden am Morgen einen Schulgegenstand vornimmt, der an die Phantasie besondere Ansprüche
macht. Man wird das in der Zukunft einmal ebenso sonderbar finden, wie man es heute sonderbar finden wird, wenn sich jemand im August einen Pelz anzöge und mitten im Winter ein dünnes Gewand. Gewiß, wir sind heute von diesen Dingen noch etwas weit entfernt; aber sie werden schon heranrücken, früher als die Menschen eigentlich glauben. Es wird sich eine Zeit ergeben, in welcher im allgemeinen - es wird wiederum ein Unterschied zwischen Sommers- und Winterszeit sein -, aber es wird sich eine Zeit ergeben, in welcher die Menschen einsehen werden, daß es ein Unding ist, die Schulstunden anders einzurichten, als daß man einige Stunden am Morgen einrichtet, dann den Mittag wird frei lassen in einer weiten Spanne Zeit und dann auf den Abend wiederum einige Stunden legen wird. Vielleicht findet man das nach der heutigen Zeiteinteilung unpraktisch; man wird es einmal praktisch finden in bezug auf die Anforderungen der Menschennatur. Und man wird die Mathematikstunden auf den Morgen legen, das Lesen von Dichtern in die Abendstunden. Heute sind wir gerade in einer Zeit, in der das Verständnis dieser Dinge durch die materialistische Gesinnung, die heute eine Hochflut bildet, ganz verschüttet ist; so daß es heute vorkommen wird, daß das, was als das Vernünftigste er- scheinen muß, wenn man die gesamte Natur des Menschen ins Auge faßt, als das Närrischste erscheint.
Ein anderes Ergebnis wird sein, daß man während der Winters- zeit durch die esoterische Entwicklung immer mehr und mehr fühlen wird, daß man sozusagen mit seinem inneren Ätherleib nicht so in sich geschlossen ist wie während der Sommerszeit, sondern daß man mehr in Zusammenhang kommt mit dem unmittelbaren Geist der Erde. Der Unterschied wird so gefühlt sein, daß man sich während der Sommerszeit sagt: Du lebst da mit den Geistern, die vor uralten Zeiten an dir gearbeitet haben, deren Arbeit du mitträgst, während der unmittelbare Lebensgeist der Erde dir jetzt im Sommer ferner liegt. - Im Winter werden mehr schweigen die inneren Schwingungen, die man seit alten Zeiten namentlich im Kopfe mit sich trägt; man wird sich fühlen verbunden mit dem Geist der Erde, man wird verstehen lernen, daß der Geist der Erde
wacht im Winter. Wie er im Sommer schläft, so wacht er im Winter. Während des Sommers sieht der Geist der Erde geradeso das sprießende und sprossende Pflanzenleben kommen, wie der schlafende Mensch in seinem eigenen Leibe die vegetativen Kräfte empor- schießen sieht. Während des Winters treten sie zurück, wie während des Wachens diese vegetativen Kräfte im Menschenleib zurück- treten. Im Winter wacht der Geist der Erde; die Erde ist gleichsam vereint mit dem wachenden Geist, wie der Mensch während der Wachenszeit mit seinem wachen Geist vereinigt ist. Die Folge ist, wenn man sich durch esoterisches Leben eine Empfindung dafür verschafft, daß man fühlen lernt, daß man im Sommer denken muß, die Gedanken sich erarbeiten muß. Nicht die Inspirationen; die kommen aus dem, was im Innern ist, im unabhängigen Atherleib. Im Winter aber wird man mit Gedanken leichter inspiriert als im Sommer, so daß das menschliche Denken im Winter mehr wie eine Inspiration wirkt als im Sommer. Also gerade das im besonderen Sinn menschliche Denken geht im Winter so leicht vor sich, daß es wie von selber kommt in gewisser Beziehung. Natürlich kombinieren sich diese Verhältnisse. Diese Verhältnisse stellen sich auch ganz individuell bei dem einzelnen Menschen ein. So daß, wenn ein Mensch mehr dazu veranlagt ist, sozusagen Gedanken zu hegen, die nach dem Übersinnlichen gehen, sich das kreuzen kann. Dadurch, daß während der Sommerszeit dann zu diesem Übersinnlichen ein leichteres Produzieren für diese Gedanken möglich ist, kann gerade das Umgekehrte eintreten. Aber für das Erleben des Ätherleibes gilt das, was ich jetzt eben gesagt habe.
Gerade dieses Miterleben mit dem äußeren Atherwesen, das tritt imsrier empflndlicher auf> je mehr der Mensch in seiner esoterischen Ent`,`kklung fortschreitet. Und wenn der Mensch seinen Ätherleib überhaupt in entsprechender Weise zur Entwicklung bringen will, so muß er - wie er zuerst die sinnliche Wahrnehmung unterdrücken muß - nach und nach das Denken auch ausschalten; er muß namentlich das abstrakte Denken ausschalten und nach und nach übergehen zum konkreten, zum bildhaften Denken; er muß vom Denken übergehen zum Gedanken und dann auch die Gedanken fallenlassen.
Dann aber, wenn der Mensch herstellt sein leeres Bewußtsein, wenn er die Gedanken fallenläßt, wie Sie das beschrieben finden im zweiten Teil meiner «Geheimwissenschaft», dann fühlt der Mensch, wie sein in ihm lebendes Denken herunterschwindet, wie gleichsam schmilzt das, was er bisher aus seinen eigenen Anstrengungen als sein Denken hervorgebracht hat; dafür aber fühlt er sich dann merkwürdig belebt von Gedanken, die wie aus unbekannten Welten in ihn einströmen, für ihn da sind.
Es ist ein Übergang im menschlichen Seelenleben, den man so charakterisieren kann etwa - ich bitte Sie, den Ausdruck nicht mißzuverstehen -, daß man sagt der Mensch hört auf gescheit zu sein und beginnt weise zu werden. Dieses ist etwas, womit man einen ganz bestimmten Begriff verbindet. Klugheit, die man sich erarbeitet innerlich durch Urteilskraft, Gescheitheit, die ein Erdengut ist, schwindet dahin. Namentlich kommt man in die innere Verfassung, daß man sie nicht besonders hoch schätzt; denn man fühlt allmählich in sich aufleuchten von Göttern einem geschenkte Weisheit!
Ich bitte eben den Ausdruck durchaus nicht mißzuverstehen; denn das Erleben, das bringt es schon dahin, daß der Ausdruck gebraucht werden kann ohne alle Unbescheidenheit, daß er ganz demütig und bescheiden gebraucht werden kann. Gegenüber der von Göttern geschenkten Weisheit wird der Mensch schon immer demütiger und demütiger; stolz und hochmütig ist man eigentlich nur auf die selbst erarbeitete Klugheit und die sogenannte Gescheitheit.
Und dann, wenn man dieses Erlebnis durchmacht, dann fühlt man allmählich, wie wenn diese Weisheit, diese gottgeschenkte Weisheit in einen einströmt, in den Atherleib einströmt, den Ätherleib erfüllt. Dies ist eine ganz bedeutsame Erfahrung, die man macht; denn man macht diese Erfahrung auf eigentümliche Weise. Man macht sie so, daß man fühlt Leben fortgehen oder fortschwimmen mit dem Strom der Zeit. Und der Strom der Weisheit ist etwas, was einem entgegenkommt, was einem, indem man mit der Zeit fortschwimmt, wie ein entgegenrückender Strom sich in einen ergießt; und man fühlt dieses Ergießen in der Tat so, daß man - das ist bildlich gezeichnet -, daß man es fühlt wie Ströme, aber
eben in der Zeit verlaufende Ströme, welche durch das Haupt hereinkommen und in den Leib sich ergießen und vom Leib aufgefangen werden.
Nach und nach wird das, was ich jetzt eben ausgesprochen habe, zu einem ganz bestimmten Erlebnis. Man fühlt sich nicht mehr im Raum; denn man lernt fühlen den Atherleib, der ein Zeitwesen ist, man lernt sich fortbewegen in der Zeit, aber man lernt fortwährend sich sozusagen begegnen mit den geistigen Wesenheiten, die einem entgegenkommen wie von der anderen Seite der Welt, die von der Zukunft her einem entgegenkommen und einen beschenken mit der Weisheit. Dann ist das Gefühl, daß man diese Weisheit empfängt, nur zu erreichen, wenn man die esoterische oder okkulte Entwicklung so eingerichtet hat, daß man ein Gefühl in sich entfaltet hat, das in eigentümlicher Weise die Seele stellt gegen alle Zukunftsereignisse: Wenn man Gelassenheit entfaltet hat gegenüber dem, was die Zukunft uns bringt, das heißt, was das fortwährende Erleben uns entgegenbringt. Wenn wir noch stark mit Sympathie und Antipathie entgegengehen unserem Erleben, wenn wir noch nicht gelernt haben, Karma ernst zu nehmen, das heißt dasjenige, was uns trifft, in gelassener Ertragung des Karmas hinzunehmen gelernt haben, dann können wir noch nicht jene eigentümliche Empfindung der uns entgegenströmenden Weisheit haben; denn nur aus einem gelassen empfundenen Erleben differenzieren sich heraus die in unsere Wesenheit Iichtvoll einströmenden Ströme der Weisheit. Durch die eben geschilderte Empfindung ist zu charakterisieren ein ganz bestimmter Punkt des esoterischen Erlebens, jener Punkt, auf dem wir ankommen und den wir eigentlich nur erleben können> wenn wir in hingebender Dankbarkeit und in Gelassenheit jedes Erlebnis an uns heranrücken lassen. Dazu befähigt uns die Veränderung unseres ätherischen Leibes, die vor sich geht bei der richtigen esoterischen Entwicklung und die ja neben anderen Entwicklungsforderungen auch diese stellt: daß wir uns Gelassenheit, daß wir uns wirkliches Verständnis für unser Karma aneignen, so daß wir nicht mit Sympathie und Antipathie herbeiziehen das, was kommen soll, oder uns auflehnen gegen das, was uns trifft, sondern im
gleichmäßigen Strom des Erlebens unser Karma ertragen lernen. Dieses Ertragenlernen des Karmas gehört zur esoterischen Entwicklung, und das ist es, was es uns möglich macht, unseren ätherischen Leib so zu verwandeln, daß er allmählich immer mehr und mehr empfinden lernt das äußere ihn umgebende Ätherleben.
FÜNFTER VORTRAG Den Haag, 24. März 1913
Es wird sich darum handeln, daß wir diesen Vortragszyklus gerade im richtigen Sinne nehmen, das heißt, ihn betrachten als eine Auseinandersetzung über Erlebnisse, die der Mensch durchmacht als Veränderungen in sich selbst während seiner esoterischen, oder sagen wir, durch Anthroposophie an ihm bewirkten Entwicklung, so daß das, was geschildert wird, durchaus anzusehen ist als etwas, was während der Entwicklung wirklich erlebt werden kann.
Naturgemäß können nur hervorstechende Erlebnisse, sozusagen typische Erlebnisse auseinandergesetzt werden; allein an diesen hauptsächlichsten Erlebnissen wird man ja eine Vorstellung gewinnen können über mancherlei anderes noch, was im Verlaufe der Entwicklung zu beobachten ist. Gestern sprachen wir hauptsächlich davon, daß der Mensch sich eine feinere Empfindlichkeit gegenüber dem aneignet, was im äußeren Lebensäther oder überhaupt im Äther vorgeht. Verknüpft sind diese Erlebnisse mit mancherlei anderen, und ein Erlebnis, auf das ganz besonders zu achten ist, ist das, was wir gegenüber unserer Urteilskraft machen.
Nicht wahr, als Menschen stehen wir ja in der Welt so, daß wir die Dinge, die an uns herantreten, in einer gewissen Weise beurteilen, daß wir uns Vorstellungen über die Dinge machen, daß wir das eine für richtig, das andere für nicht richtig halten. Wie ein Mensch imstande ist, die Dinge zu beurteilen, davon hängt ja das ab, was man in der Regel als Klugheit, als Gescheitheit, als Urteilsfähigkeit bezeichnet. Diese Klugheit, diese Gescheitheit, diese Urteilsfähigkeit wird allmählich im Laufe der Entwicklung etwas, was sich in ein anderes Licht setzt. Ein wenig ist das ja schon gestern angedeutet worden. Man findet immer mehr und mehr, daß für die eigentlichen Angelegenheiten des höheren, des spirituellen Lebens gerade diese Klugheit, diese Gescheitheit nicht von dem allergeringsten Wert ist, obwohl man sie so viel als möglich mitbringen muß
von seinem Ausgangspunkt, von dem physischen Plan aus, wenn man den Weg in die höheren Welten antreten will. Und so kommt man schon einmal in die Lage, die den Nützlichkeitsmenschen leicht als unerträglich erscheinen kann: daß man etwas ganz notwendigerweise zunächst braucht für eine höhere Entwicklung und daß dennoch dann, wenn man in dieser höheren Entwicklung drinnen steht, es an Wert verliert. Man muß also gewissermaßen alles daransetzen, um eine gesunde, den Tatsachen gerecht werdende Urteilskraft hier auf dem physischen Plan zunächst zu entwickeln, muß sich aber dann klar sein darüber, daß beim Verweilen in den höheren Welten selbst diese Urteilskraft nicht den gleichen Wert hat wie hier unten auf dem physischen Plan. Wenn man gesunde höhere Sinne haben will, dann muß man von einer gesunden Urteilskraft ausgehen; aber diese gesunde Urteilskraft muß sich eben verwandeln für das höhere Anschauen in gesundes Anschauen.
Nun sind wir aber, wenn wir uns noch so sehr entwickeln, immer solange wir auf dem physischen Plan zu verweilen haben, Menschen dieses physischen Planes, und auf diesem physischen Plane haben wir die Aufgabe, unsere Urteilskraft gesund zu entwickeln. Daher müssen wir sorgfältig darauf achten, daß wir beizeiten lernen, nicht miteinander zu vermischen das Leben in den höheren Welten und das Leben auf dem physischen Plan. Wer unmittelbar anwenden will dasjenige, was er für höhere Welten erlebt, auf den physischen Plan, der wird leicht zum Schwärmer, zum unbrauchbaren Menschen. Wir müssen uns angewöhnen, klar in der höheren Welt leben zu können und dann wiederum, wenn wir heraustreten aus dem Zustande dieses Lebens in den höheren Welten, möglichst uns an das zu halten, was das Richtige ist für den physischen Plan. Und diese Doppelstellung, die durch die Doppelstellung des geistigen und physischen Lebens selber gefordert wird, die müssen wir sorgfältig und gewissenhaft durchführen. Wir gewöhnen uns an eine richtige Lage zur Welt auf diesem Gebiete dadurch, daß wir möglichst uns nicht angewöhnen, in den alltäglichen Umgang hinein dasjenige zu mischen, was der höheren Welt einmal angehört; daß wir in den alltäglichen Umgang hinein möglichst
wenig von dem mischen, wozu man so leicht versucht sein kann: etwa zu sagen, wenn einem irgend etwas an einem Menschen unsympathisch ist, man könne seine Aura nicht vertragen. Es ist besser, wenn man bei der gewöhnlichen Redensart bleibt für das gewöhnliche Leben, wenn man sagt: es sei einem dieses oder jenes unsympathisch. Es ist besser, daß man in dieser Beziehung ein Mensch auf dem physischen Plan unter anderen Menschen auf dem physischen Plan bleibt und möglichst mit Ausdrücken, die ja vollständig ihre Richtigkeit in bezug auf das höhere Leben haben, sparsam ist im gewöhnlichen Leben. Sorgfältig sollte man sich davor bewahren, in den täglichen Umgang Worte, Begriffe, Vorstellungen hineinzumischen, die dem höheren Leben gehören. Das könnte vielleicht wie eine Art pedantischer Forderung erscheinen demjenigen, der - nun, sagen wir - aus einer gewissen Begeisterung für das spirituelle Leben findet, daß es notwendig sei, das ganze Sein zu durchdringen mit diesem spirituellen Leben; und dennoch: Was vielleicht in einem gewöhnlichen Fall für das gewöhnliche Leben pedantisch erscheinen möchte, es ist ein wichtiger Erziehungsgrundsatz für die höheren Welten.
Übersetzen wir daher, wenn es uns naturgemäßer scheinen sollte, mit Worten des höheren Lebens das gewöhnliche Leben zu bezeichnen, übersetzen wir das in eine möglichst für den physischen Plan taugliche Sprache! Immer wieder und wiederum muß betont werden, daß diese Dinge nicht gleichgültig, sondern bedeutungsvoll und wirksam sind. Wenn man das voraussetzt, dann kann man auch unbefangen davon reden, wie mit Bezug auf das Leben in den höheren Welten die gewöhnliche Urteilskraft an Wert verliert, wie man gewissermaßen fühlen lernt, daß die Art, wie man vorher gescheit war, jetzt aufhören müsse. Und da merkt man dann wiederum - das ist eine Erfahrung, die man immer mehr und mehr macht - seine Abhängigkeit von dem ätherischen Leben der Welt, nämlich von der Zeit. Wie leicht trifft man es gerade in unserem Zeitalter, daß Menschen - sagen wir - von einer gewissen Jugend sich an alles, alles, was in der Welt beurteilt werden kann, heranmachen und nun glauben: Ja, wenn man sich angeeignet hat eine gewisse
Urteilsfähigkeit, dann kann man über alles sein Ja und Nein sagen, dann kann man über alles mögliche philosophieren. - Dieser Glaube, daß man über alles mögliche philosophieren könne, der reißt sich bei einer esoterischen Entwicklung gründlich aus der Seele heraus; denn da merkt man, daß unsere Urteile eigentlich etwas Wesenhaftes haben, das vor allen Dingen der Reifung bedarf. Man lernt erkennen, wie man mit gewissen Vorstellungen, die man in sich aufgenommen hat, einfach eine Zeitlang leben muß, so daß unser eigener Ätherleib sich mit ihnen auseinandersetzen kann, wenn man zu einem Urteil kommen will, mit dem man selber einverstanden sein kann. Man merkt, daß man es abwarten muß, zu einem gewissen Urteil zu kommen. Man merkt erst dann die ganze, volle Bedeutung des Wortes: Ausreifenlassen dasjenige, was Seeleninhalt ist. Und man wird im Grunde genommen immer bescheidener und bescheidener.
Es ist ja allerdings mit diesem Bescheidenerwerden eine so eigenartige Sache, weil man nicht immer die Waage halten kann zwischen dem Urteilenmüssen und dem Wartenkönnen auf die Reife, um über irgendeine Sache ein Urteil zu haben, weil man sich auch gerade über diese Dinge in hohem Maße täuscht und weil es eigentlich nichts Rechtes gibt als das Leben selber, das einen aufklä^ ren kann über diese Dinge. Es kann - sagen wir - bei einer Frage über irgendein Weltengeheimnis, über irgendein Weltengesetz ein Philosoph gegenübertreten einem solchen, der esoterisch bis zu einem gewissen Grade entwickelt ist. Wenn der Philosoph nur sein philosophisches Urteil fällen kann, so wird er einmal in sich den Glauben haben, daß er recht haben müsse über irgendeine Sache, und man wird begreifen, daß er diesen Glauben haben muß. Der andere wird ganz gut wissen: mit der Urteilsfähigkeit, die der Philosoph aufbringen kann, kann über die Frage überhaupt nicht entschieden werden. Denn er weiß, daß er die Vorstellungen, die der Philosoph zu einem Urteil zusammenbraut, in vergangenen Zeiten in sich aufgenommen hat, daß er sie ausreifen ließ in sich und daß ihm das erst die Möglichkeit gebracht hat, eine Anschauung zu haben über die Sache; er weiß, daß er gelebt hat mit der Sache und daß er sich
dadurch reif gemacht hat zu diesem Urteil, welches er jetzt auf einer höheren Stufe der Reife fällt. Aber eine Verständigung zwischen beiden ist eigentlich ausgeschlossen, kann gar nicht unmittelbar herbeigeführt werden in vielen Fällen; nur dann kann sie herbeigeführt werden, wenn in dem Philosophen ein Gefühl auftaucht von der Notwendigkeit des Ausreifens gewisser Seeleninhalte, bis man sich über sie eine Meinung gestatten darf. Meinungen, Anschauungen - das lernt man immer mehr und mehr erkennen - müssen erkämpft, müssen errungen werden. Dafür eignet man sich eine tiefe, eine intensive Empfindung an, und das rührt davon her, weil man dieses innere Zeitgefühl bekommt, das im wesentlichen mit der Entwicklung des Ätherleibes zusammenhängt.
Ja, man merkt allmählich einen gewissen Gegensatz in der Seele heraufkommen zwischen der Art, wie man früher geurteilt hat, und wie man jetzt, nachdem man sich eine gewisse Reife in der entsprechenden Angelegenheit errungen hat, urteilt; und man merkt, wie das, was man in der Vergangenheit hat urteilen können, und das, was man jetzt urteilt, sich wie zwei Mächte gegenüberstehen, und man merkt dann eine gewisse innere Beweglichkeit des Zeitlichen in sich, man merkt, wie durch das Spätere das Frühere überwunden werden muß. Dies ist das Heraufdämmern eines gewissen Zeitgefühles im Bewußtsein, das auftritt durch das Vorhandensein innerer Kämpfe, die aber nur dadurch auftreten, daß das Spätere mit dem Früheren in einen gewissen Gegensatz kommt. Dieses ist durchaus notwendig sich anzueignen als ein inneres Zeitgefühl, als eine innere Zeitempfindung; denn daran müssen wir festhalten, daß wir das Ätherische nur erfahren lernen, wenn wir uns einen inneren Zeitbegriff aneignen.
Des weiteren wird uns das ein gewisses Erlebnis, daß wir immer das Gefühl haben: das Frühere rührt von uns selber her in unserem Urteil, in unserer Erkenntnis; das Spätere ist wie in uns eingeflossen, ist uns wie entgegengeströmt, ist uns verliehen worden. Immer deutlicher tritt das Gefühl eben hervor von dem, was schon gestern erwähnt worden ist: daß die Gescheitheit, die aus einem selber stammt, abgelöst werden muß von der Weisheit, die wie durch eine
Art von Hingabe an einen aus der Zukunft entgegenfließenden Strom erworben wird. Sich erfüllt fühlen von Gedanken, im Gegensatz zu dem, was man früher getan hat, da man gelebt hat in dem Bewußtsein, man mache die Gedanken, das bezeugt den Fortschritt. Indem man immer mehr und mehr fühlen lernt, man macht nicht mehr Gedanken, sondern die Gedanken denken sich in einem, indem man dieses Gefühl hat, hat man ein Zeichen dafür, daß der ätherische Leib allmählich in sich das notwendige innere Zeitgefühl entwickelt. Alles Frühere wird den Beigeschmack des egoistisch Gemachten haben; alles das, was beim Heranreifen erlangt ist, wird den Beigeschmack haben, daß es verbrennt dasjenige, was man selber gemacht hat, daß es aufzehrt dasjenige, was man selber gemacht hat. Und so verwandelt man allmählich sein Inneres in ein ganz merkwürdiges Erleben: Man kommt immer mehr und mehr zu dem Bewußtsein davon, daß das eigene Denken, das eigene Gedankenmachen unterdrückt werden müsse, weil es etwas Minderwertiges ist, und daß das Sichhingeben an die Gedanken, die einem aus dem Kosmos zuströmen, das eigentlich Wertvolle ist.
Das Eigenleben verliert sozusagen einen seiner Teile - das ist außerordentlich wichtig -, es verliert den Teil, den wir vorzugsweise das Selbstdenken nennen, und übrig bleibt nur das Selbstfühlen, Selbstempfinden und Selbstwollen. Aber auch diese erfahren eine Veränderung gleichzeitig mit dem Denken. Man macht nicht mehr seine Gedanken, sondern sie denken sich im Innern der Seele. Mit dem Gefühl, daß die Gedanken Eigenkräfte haben, durch die sie sich denken, kommt ein gewisses Zusammenfließen von Gefühl und Wille. Gefühl - könnte man sagen - wird immer mehr und mehr aktiv, und Wille wird immer mehr und mehr gefühlsmäßig. Gefühl und Wille werden miteinander verwandter, als sie vorher auf dem physischen Plan waren. Man kann da nicht mehr einen Willensimpuls fassen, ohne daß man ein Gefühl damit entwickelt. Manches von dem, was man tut, erzeugt einem ein bitteres Gefühl, anderes erzeugt einem ein erhebendes Gefühl. Gleichzeitig mit seinem Willen fühlt man in sich ein gefühlsmäßiges Richteramt über seine eigenen Willensimpulse. Gefühle, die bloß um des Genusses
willen da sind, an denen erlebt sich allmählich, daß sie einem zu einer Art von Vorwurf gereichen; Gefühle aber, welche so empfunden werden, daß man sich sagt, man muß als Menschenseele den Schauplatz für solche Gefühle abgeben, man muß sie innerlich erleben, sonst würden sie im Weltenall nicht da sein, solche Gefühle findet rnan nach und nach gerechtfertigter als die anderen.
Es sei gleich ein besonderes Beispiel angeführt, und zwar ein radikales Beispiel, damit das, was gemeint ist, recht deutlich hervortreten kann. Irgend jemand - es soll damit nichts profaniert werden, sondern die Sache nur radikal ausgedrückt werden, irgend jemand könnte so recht seine Freude haben an einer guten Mahlzeit, an einem guten Mahle. Wenn er diese Freude erlebt, so geschieht etwas mit ihm - das ist ganz zweifellos -, aber es verändert sich nicht viel im Welteninhalt, im Kosmos, ob der einzelne diese Freude an einem guten Mahle hat oder nicht; es macht das für das allgemeine Weltenleben nicht viel aus. Wenn aber jemand hernimmt das Johannes-Evangelium und liest darin nur drei Zeilen, so macht das ungeheuer viel für das ganze Weltenall aus; denn wenn zum Beispiel niemand unter den Erdenseelen das Johannes-Evangelium lesen würde, würde die ganze Erdenmission nicht erfüllt werden können: von unserer Teilnahme an solchen Dingen strahlen aus spirituell die Kräfte, welche der Erde immer neues Leben zuführen gegenüber dem, was in ihr abstirbt.
Man muß sich einen Unterschied im Erleben aneignen zwischen demjenigen, was bloß egoistisches Fühlen ist, und dem, wo wir nur den Schauplatz abgeben zu dem Erleben des Gefühls, das da sein muß für das Weltendasein. Es kann unter Umständen ein Mensch äußerlich sehr wenig tun, aber wenn er, nicht um einen persönlichen Genuß zu haben, sondern mit einer entwickelten Seele weiß, daß in seinem Gefühl die Gelegenheit gegeben wird, daß dieses Gefühl, welches für das Weltendasein wichtig ist, überhaupt vorhanden ist, so tut er damit außerordentlich viel. So sonderbar es erscheint, so sei auch noch das Folgende gesagt: Es hat einmal einen griechischen Philosophen gegeben, der Plato hieß. Es rühren von ihm Schriften her. Solange man nur auf dem physischen Plan
lebt mit seiner Seele, liest man diese Schriften, um sich aus ihnen zu belehren. Eine solche äußere Belehrung hat ihre Bedeutung für den physischen Plan, und es ist ganz gut, wenn man alles mögliche benutzt, um sich auf dem physischen Plane zu belehren, denn sonst bleibt man eben dumm. Die Dinge, die auf dem physischen Plane geleistet werden, sind dazu da, daß man sich aus ihnen belehrt. Wenn aber die Seele esoterisch sich entwickelt hat, dann nimmt sie - Sagen wir - den Plato und liest ihn wiederum aus einem anderen Grunde: nämlich weil der Plato mit seinen Schöpfungen nur dann einen Sinn im Erdendasein gehabt hat, wenn das, was er geschaffen hat, in Seelen auch erlebt wird; und man liest dann nicht nur, um sich zu belehren, sondern man liest, weil dadurch etwas getan wird.
So müssen wir uns etwas aneignen für unser Fühlen, was uns einen Unterschied erkennen läßt zwischen egoistischem Fühlen, das mehr nach der Genußseite hingeht, und unegoistischem Fühlen, welches einem erscheint wie eine spirituelle Verpflichtung. Sogar bis ins äußere Leben und in die äußerliche Lebensanschauung kann sich das hineinerstrecken. Und hier kommen wir auf einen Punkt zu sprechen, welcher - man möchte sagen - aus dem einzelnen Erleben in das soziale Erleben hineinleuchtet. Wenn derjenige, dar mit den Geheimnissen der Esoterik bekannt ist, sich das äußere Weltentreiben anschaut: wie so viele Menschen die freie Zeit, die ihnen bleibt, verschwenden, statt ihre Gefühle zu veredeln in Anknüpfung an das, was dem Erdendasein aus den geistigen Schöpfungen kommt, dann möchte der, der eine esoterische Entwicklung durchgemacht hat, weinen über die Stumpfheit im Menschendasein, das vorübergeht an dem, was da ist, damit es durch menschliches Fühlen und menschliches Empfinden ströme. Und es ist auf diesem Gebiete durchaus darauf aufmerksam zu machen, daß da, wo diese Erlebnisse beginnen, schon ein gewisser feinerer Egoismus in der Menschennatur auftreten wird. Wir werden in den nächsten Vorträgen hören, wie dieser feinere Egoismus dazu angetan ist, sich selber zu überwinden; aber es tritt das durchaus zuerst wie ein feinerer Egoismus auf, und man wird während der spirituellen Entwicklung an sich erfahren können, daß eine Art höherer Genußbedürftigkeit
auftritt, eine Genußbedürftigkeit gegenüber geistigen Dingen und geistigen Angelegenheiten. Und so grotesk es klingen mag, so ist es doch wahr, derjenige, der eine esoterische Entwicklung durchmacht, er sagt sich von einem bestimmten Punkte an, wenn er auch dieses Bewußtsein nicht bis zum Hochmut und zur Eitelkeit kommen lassen darf, er sagt sich: Dasjenige, was an geistigen Schöpfungen auf der Erde vorliegt, muß von mir genossen werden; es ist da, um von mir genossen zu werden. So gehört es sich. - Und man entwickelt einen gewissen Drang allmählich nach solchen geistigen Genüssen. Die Esoterik wird schon in dieser Beziehung kein Unheil stiften in der Welt; denn man kann sich versichert halten, daß, wenn solche Genußsucht gegenüber den geistigen Schöpfungen der Menschheit auftritt, diese nicht zum Nachteil sein wird.
Im Gefolge davon tritt aber noch etwas anderes auf. Man fühlt also nach und nach seinen eigenen Ätherleib gewissermaßen erwachen dadurch, daß man das eigene Denken wie etwas Minderwertiges fühlt, daß man die Gedanken, die in einen einströmen wie von dem Kosmos, von dem gottdurchwobenen Kosmos einströmen fühlt Man fühlt immer mehr und mehr, wie Wille und Gefühl aus einem selber aufsteigen; Egoität beginnt man zu fühlen eigentlich nur noch in Wille und Gefühl, während man wie etwas, das einen mit der ganzen Welt verbindet, die Gaben der Weisheit empfindet, von denen man sich durchströmt fühlt. Und dann ist dieses Erlebnis mit einem anderen verbunden: Man beginnt diese innere Wirksamkeit von Gefühl und Willen mit innerer Sympathie und Antipathie durchwirkt zu erleben. Das Gefühl wird immer feiner und feiner dafür: Wenn du dieses oder jenes tust, so ist es eine Schande, da du ein gewisses Quantum von Weisheit doch in dir hast. - Von anderem kann man fühlen: Es ist würdig, es zu tun, da man dieses Quantum von Weisheit fühlt. - Ein im Fühlen auftretendes Erleben der Selbstkontrolle stellt sich naturgemäß ein. Ein bitteres Gefühl überkommt einen, wenn man von sich aufsteigen fühlt einen Willen, der einen drängt, dieses oder jenes zu tun, was doch nicht gerechtfertigt erscheint gegenüber der Weisheit,
deren man teilhaftig geworden ist. Dieses bittere Gefühl wird am deutlichsten wahrgenommen gegenüber dem, was man gesprochen hat; und es ist gut bei dem anthroposophisch sich Entwickelnden, nicht mit Unaufmerksamkeit darüber hinwegzugehen, wie sich gerade in dieser Beziehung verfeinern kann das ganze innere Empfindungsleben. Während der Mensch des exoterischen Lebens, wenn er Worte ausgesprochen hat, wenn er dieses oder jenes gesagt hat, es auch abgetan hat, stellt sich bei demjenigen, der eine esoterische Entwicklung durchgemacht hat, ein deutliches Nachgefühl gerade gegenüber dem Gesprochenen ein: etwas wie eine innere Schande, wenn er etwas Unrichtiges in moralischer oder intellektueller Beziehung ausgesprochen hat, etwas wie eine Art von Dankbarkeit - nicht Wohlgefallen mit sich selbst -, wenn es einem gelungen ist, so etwas auszusprechen, wozu die errungene Weisheit «ja» sagen kann. Und fühlt man - man bekommt auch dafür eine feine Empfindung -, daß etwas auftaucht wie innere Selbstbefriedigung, Selbstgefälligkeit, wenn man etwas Richtiges gesagt hat, dann läßt man sich das zum Zeugnis dafür sein, daß man noch zuviel Eitelkeit in sich trägt, die nichts taugt in der Entwicklung des Menschen. Man lernt unterscheiden zwischen dem Gefühl der Befriedigung, wenn man etwas gesagt hat, womit man einverstanden sein kann, und der Selbstgefälligkeit, die nichts taugt. Man versuche dieses Gefühl nicht aufkommen zu lassen, sondern nur die Empfindung zu entwickeln gegenüber der Schande, wenn man Unrichtiges und Unmoralisches gesagt hat, und gegenüber der Dankbarkeit für die Weisheit, die einem zuteil geworden ist und die man nicht als seine eigene beansprucht, sondern als vom Weltenall geschenkt, wenn es einem gelungen ist, etwas ihr Angemessenes zu sagen.
Nach und nach empfindet man auch so gegenüber seinem eigenen Denken. Es ist ja vorhin gesagt worden: Man muß ein Mensch auf dem physischen Plane bleiben; man muß also neben dem, daß man den selbstgemachten Gedanken nicht allzuviel Wert beimißt, diese Gedanken doch machen, aber dieses Selbstdenken verwandelt sich jetzt auch, und zwar so, daß man es unter die eben charakterisierte Selbstkontrolle stellt. Bei einem Gedanken, von dem man
sich sagen kann: du hast ihn gemacht und er ist angemessen der Weisheit, - bei diesem Gedanken entwickelt man ein Gefühl der Dankbarkeit gegenüber der Weisheit. Ein Gedanke, der aufsteigt als irrtümlicher, unschöner, unmoralischer Gedanke, der führt zu einem gewissen inneren Schamgefühl, und man bekommt die Empfindung: So kannst du noch sein; das ist noch möglich, daß du so viel Egoität hast, um das zu denken gegenüber dem, was schon als Weisheit in dich eingezogen ist! - Das ist ungeheuer wichtig, eine solche Art von Selbstkontrolle in seinem Inneren zu fühlen. Diese Selbstkontrolle hat noch die Eigentümlichkeit, daß sie einem nie gegeben wird durch den kritischen Verstand, sondern immer auftritt im Fühlen, im Empfinden.
Achten wir wohl darauf, meine lieben Freunde: Derjenige, der nur gescheit ist, der nur Urteilskraft in bezug auf das äußere Leben hat, kritisch ist, der kann zu dem, um was es sich handelt, niemals kommen; denn das muß im Fühlen aufkommen. Wenn es im Gefühl auftaucht, wenn man dieses Gefühl sich errungen hat, so ist es ein Gefühl, das wie aus dem eigenen Innern aufsteigt; man identifiziert sich dann mit diesem Gefühl der Scham oder Dankbarkeit und man empfindet sein Selbst verbunden mit diesem Gefühl. Und wenn ich schematisch aufzeichnen sollte, was man da erlebt, so müßte ich sagen, daß es ist, wie wenn man Weisheit von oben einströmend, von oben also einem entgegenkommend fühlte, von vorne in das Haupt einströmend und dann einen von oben nach unten ausfüllend. Dagegen empfindet man, wie einem aus dem eigenen Leib entgegenströmt etwas von Scham, so daß man sich identifiziert mit diesen Gefühlen, und sich das, was als Weisheit da ist, anspricht als etwas, was von außen gegeben ist; und man empfindet in sich eine Region, wo sich begegnet das, was jetzt das Ich ist, dieses Gefühl, und die einströmende, einem geschenkte Weisheit.
Diese Region, wo die beiden zusammenkommen, die kann man innerlich erleben. Fühlt man dieses Zusammenkommen, so ist dieses das richtige innere Erleben der ätherischen Welt. Man erlebt, wie sich hereindrängen die Gedanken aus der äußeren ätherischen Welt - denn das ist die Weisheit, die aus der äußeren ätherischen Welt
einem entgegenströmt, was da hereindrängt und empfunden wird durch die beiden Gefühle. Das ist die richtig empfundene ätherische Welt, - und wenn wir sie so empfinden, steigen wir auf zu den höheren Wesen, die nur bis zu einem Ätherleib herunterkommen
und nicht bis zu einem physischen Menschenleib. - Dagegen kann man auch diese ätherische Welt in einer gewissen Weise unrichtig erleben. Richtig wird die ätherische Welt zwischen Denken und Fühlen erlebt, wie eben gezeigt worden ist: das Erlebnis ist also ein rein innerer seelischer Vorgang. Unrichtig kann die elementarische oder ätherische Welt erlebt werden, wenn man sie erlebt an der Grenze zwischen Atmen und unserem eigenen Ätherleib. Wenn man zu früh oder überhaupt unrichtig Atemübungen macht, so wird man allmählich ein Zeuge seines eigenen Atmungsprozesses. Mit dem Atmungsprozeß, den man dann wahrnimmt - während man sonst atmet, ohne es wahrzunehmen -, kann man sich aneignen ein wie sich selber empfindendes Atmen. Und zu diesem Empfinden kann sich gesellen ein gewisses Wahrnehmen der ätherischen Welt. Man kann sich durch alle möglichen Atmungsprozesse ein Erfahren, ein Beobachten ätherischer Prozesse aneignen, die in der Außenwelt real sind, die aber zu den niedersten äußerlichen psychischen Prozessen gehören und die einem niemals, wenn man sie zu früh erlebt, einen richtigen Begriff geben werden von der wahren geistigen Welt.
Gewiß, es kann von einem gewissen Zeitpunkt des esoterischen Übens an auch ein regulierter Atmungsprozeß eintreten; aber er muß in der richtigen Weise geführt werden. Dann kommt das zustande, daß wir die ätherische Welt wahrnehmen, wie es geschildert worden ist, an der Grenze zwischen dem Denken und Fühlen, und daß nur unterstützt wird dasjenige, was wir da kennenlernen, dadurch, daß wir auch die groben ätherischen Vorgänge kennenlernen, die sich an der Grenze der ätherischen Welt und unseres Atmungsvorganges abspielen. Denn die Sache ist so, daß es eine Welt wirklicher höherer Geistigkeit gibt; die erreichen wir durch jenen Prozeß, der beschrieben worden ist, zwischen der Weisheit und dem Fühlen; da dringen wir hinauf bis zu den Taten, welche in der ätherischen Welt die Wesen der höheren Hierarchien verrichten. Aber es gibt eine große Anzahl von allen möglichen guten und schlechten und widrigen und schauerlichen und schädlichen Elementarwesen, die, wenn wir mit ihnen zur Unzeit bekannt werden, sich uns so aufdrängen, als ob sie wirklich eine wertvolle geistige Welt wären, während sie nichts anderes sind als in einer gewissen Weise die letzten Abfallwesen der geistigen Welt. Derjenige, der in die geistige Welt eindringen will, muß ja schon auch mit diesen Wesenheiten bekannt werden; aber es ist nicht gut, zuerst mit ihnen bekanntzuwerden. Denn das Eigentümliche ist dieses, meine lieben Freunde, daß, wenn man mit diesen Wesenheiten zunächst bekannt wird, ohne den schwierigeren Weg des eigenen inneren Erlebens zu gehen, dann bekommt man eine Vorliebe für diese Wesenheiten, eine ungeheure Vorliebe für diese Wesenheiten. Und da kann es sich herausstellen, daß jemand, der auf unrichtige Weise, namentlich durch solche physische Trainierung, die man eine Änderung des Atmungsprozesses nennen kann, sich so hinauflebt in die geistige Welt, daß er gewisse Dinge beschreibt aus diesen geistigen Welten, so wie sie ihm erscheinen. Und er beschreibt sie so, daß manche Menschen sie hinnehmen als etwas außerordentlich Schönes, während sie für denjenigen, der sie im inneren Erleben wahrnimmt, Schauerliches und Ekelhaftes sein können. Diese Dinge sind durchaus möglich im Erleben der geistigen Welt.
Von anderen Vorgängen, die der Mensch als Trainierung an sich vornehmen kann und durch die er in schlimme Welten eintreten kann, braucht hier nicht die Rede zu sein, da es im allgemeinen in dem der Welt zu verkündenden Okkultismus Usus, Sitte ist, daß man von demjenigen, was der Mensch in der geistigen Welt als den Abschaum dieser geistigen Welt kennenlernt, nicht spricht. Es ist nicht notwendig, daß man in diese Welt geistig eintritt; daher ist es nicht Usus, von den Methoden, die unter den Atmungsprozeß noch hinuntergehen, zu sprechen. Schon der Atmungsprozeß, wenn er nicht in der richtigen Weise getrieben wird, führt durchaus in Abfallswesen hinein, die man allerdings kennenlernen soll, aber nicht zuerst, weil sie einem sonst durchaus eine gewisse Verliebtheit in sie abgewinnen, die man eben nicht haben soll. Einen richtigen objektiven Standpunkt gegenüber ihrem Werte wird man erst bekommen, wenn man von der anderen Seite in die geistigen Welten eingedrungen ist.
Wenn man nun beginnt, so aus sich selber gleichsam herausströmend zu fühlen Gegengefühle gegenüber der Weisheit, Schamgefühle, Dankbarkeitsgefühle, wenn einem das gleichsam aus dem eigenen Organismus heraus aufstößt, dann macht man dadurch wiederum die erste elementarste Bekanntschaft mit etwas, das dann weiter kennengelernt werden muß in der fortschreitenden okkulten Entwicklung. Wir haben gestern darauf aufmerksam gemacht, daß bei dem allmählichen Erleben des Ätherischen wir mit dem bekannt werden, was in unserem Hirnätherleib tätig ist als Amshaspands der Zarathustralehre. Für unsere Begriffe können wir auch sagen: Wir lernen da zuerst einen Begriff kennen für die wirkenden Erzengelwesen, für das, was diese Archangeloi in uns zu tun haben. Durch das, was da zurück sich staut, was da aus uns selber heraufdringt in dem Gefühl von Dankbarkeit und Scham, das einen Persönlichkeitscharakter hat, weil es aus uns herauskommt, durch das bekommen wir den ersten elementaren wahren Begriff von dem, was man Archai oder Urkräfte nennt; denn was die Urkräfte in uns wirken, das erleben wir auf diese eben geschilderte Weise in der ersten elementarsten Art. Während man sozusagen in seinem Kopfe,
wenn man anfängt ätherisch zu erleben, zuerst die Archangeloi - man möchte sagen - schattenhaft erlebt in ihren Tätigkeiten, in ihren ätherischen Wirkungen, erlebt man in dem, worauf die Weisheit in einem stößt und was einen Rückschlag gibt, die mit etwas Willensartigem, aber nicht ganz Willensartigem durchströmten Urkräfte, die in einen eingezogen sind und die in der menschlichen Persönlichkeit mitwirken. Man bekommt dann allmählich einen Begriff davon - wenn man so fühlen lernt -, was der Okkultist meint, wenn er sagt: Auf der uralten Verkörperung unserer Erde, auf dem alten Saturn, haben gelebt sozusagen auf ihrer Menschenstufe die Urkräfte oder Geister der Persönlichkeit. Damals waren diese Urkräfte oder Geister der Persönlichkeit Menschen. Sie haben sich weiterentwickelt. Indem sie sich weiterentwickelt haben, haben sie die Fähigkeit erlangt, aus dem Übersinnlichen heraus zu wirken. Und wie entfalten sie in unserer heutigen Zeit, in unserer Erdenzeit, diese Macht, die sie sich angeeignet haben, indem ihre Entwicklung fortgeschritten ist bis zur Erde herein?
Sie haben sich die Fähigkeit erworben, aus dem Übersinnlichen an unserer eigenen Leiblichkeit, an unserer Hülle so zu arbeiten, daß sie in unserem Ätherleib Kräfte bewirken, welche so zur Erscheinung kommen, wie beschrieben worden ist. Sie haben diese Kräfte in uns hereingelenkt, und wenn wir heute fühlen: Wir sind so organisiert, daß wir in uns die charakterisierten Gefühle von Dankbarkeit und Scham entwickeln können wie einen inneren naturgemäßen Vorgang - das kann in uns zum Erleben werden -, so müssen wir sagen: Damit dies zum inneren Erlebnis werden kann, damit unser Ätherleib so pulsieren kann, damit er so reagiert auf die Weisheit, dazu haben Kräfte in ihn hineingegossen die Urkräfte, geradeso wie der Mensch selber dazu gelangen wird, einstmals bei den fernen Verkörperungen unserer Erde in andere Wesenheiten, die unter ihm stehen werden, in ihr Inneres hinein solche Fähigkeiten für eine entsprechende Hülle zu prägen. Was man über die höheren Welten wissen soll, wird eben nach und nach durch inneres Erleben erworben, wird erworben dadurch, daß wir aufsteigen, daß wir von dem physischen Erleben ins ätherische Erleben
übergehen. Auf dem alten Saturn - das sei zur Verdeutlichung dieser Dinge noch angeführt - war ja, wie Sie wissen, die Wärme sozusagen der dichteste physische Zustand, der einzige physische Zustand, zu dem es zunächst gekommen ist in der mittleren Saturnzeit. Und das, was damals - Sie können das nachlesen in meiner «Geheimwissenschaft» - als Saturnwirkungen im Physischen vorhanden war, das waren Wärme- und Kälteströmungen. Psychisch, seelisch können wir diese Wärme- und Kälteströmungen auch ansprechen dadurch, daß wir sagen: Es strömte Wärme, aber diese war strömende Dankbarkeit der Geister der Persönlichkeit, oder es strömte Kälte, und diese strömende Kälte, die nach einer anderen Richtung strömte, war strömendes Schamgefühl der Geister der Persönlichkeit. Das ist das, was wir uns allmählich aneignen müssen, daß sich uns verbindet das physische Wirken mit dem moralischen Wirken; denn je weiter wir in die höheren Welten hineingehen, desto mehr gesellen sich diese beiden Dinge zusammen, das physische Geschehen, das dann kein physisches Geschehen mehr ist, und das moralische, das dann aber mit der Macht von Naturgesetzen durch die Welt hinströmt.
Alles das, was jetzt charakterisiert worden ist als etwas, was im inneren Erleben auftritt durch den veränderten Ätherleib, das bewirkt noch ein anderes in der menschlichen Seele. Es bewirkt, daß diese menschliche Seele nach und nach anfängt, ein Unbehagen darüber zu empfinden, daß man überhaupt dieser einzelne Mensch ist, dieser einzelne persönliche Mensch ist. Das ist wichtig, daß man auch darauf achten lernt; und es ist gut, wenn man sich zum Grundsatz macht, überhaupt darauf zu achten. Je weniger man sich nämlich vor dieser Stufe der esoterischen Entwicklung angeeignet hat an Interesse für das, was die Menschen im allgemeinen angeht, an Interesse für das allgemein Menschliche, desto störender empfindet man das beim Vorwärtsdringen. Eine Seele, die ohne Interesse geblieben ist für das allgemein Menschliche und die dennoch eine esoterische Entwicklung durchmachen würde, würde sich selber immer mehr und mehr wie eine Last empfinden. Eine Seele zum Beispiel, die es vermag, hinzugehen durch die Welt mitleidlos und
ohne Mitfreude an dem, was eine andere Seele erfreuen und erleiden kann, eine solche Seele, die nicht gut untertauchen kann in die Seelen der anderen, die sich nicht recht hineinversetzen kann in die Seelen von anderen Menschen, eine solche Seele empfindet, wenn sie fortschreitet in der esoterischen Entwicklung, sich selber wie eine Art von Last. Wie ein schweres Gewicht schleppt man sich selber mit, wenn man, trotzdem man gleichgültig bleibt gegenüber Menschenleid und Menschenfreude, dennoch eine esoterische Entwicklung durchmacht; und man kann sicher sein, daß die esoterische Entwicklung eine äußerliche, verstandesmäßige bleibt, daß man das Geistige so aufnimmt wie die Lehren eines Kochbuches oder einer äußeren Wissenschaft, sobald man sich nicht als Last empfindet, wenn man trotz seiner Entwicklung nicht ein mitfühlendes Herz entfalten kann mit allem Menschenleid und mit aller Menschenfreude.
Daher ist es so gut, wenn man seine menschlichen Interessen erweitert während seiner okkulten Entwicklung, und nichts ist eigentlich schlimmer, als wenn man nicht versucht, Verständnis sich anzueignen im Fortschritt der esoterischen Entwicklung für jede Art von Menschenfühlen und Menschenempfinden und Menschenleben. Das bedingt natürlich nicht den Grundsatz - das muß immer wieder betont werden -, daß man über alles Unrecht, das etwa in der Welt geschieht, kritiklos hinweggehen müsse; denn das wäre ein Unrecht gegenüber der Welt. Aber etwas anderes bedingt es: Während man vor seiner esoterischen Entwicklung eine gewisse Freude haben kann am Tadel irgendeines Menschenfehlers, hört dieses Freudehaben am Tadeln eines Menschen im Laufe der esoterischen Entwicklung eigentlich ganz auf. Wer kennt nicht im äußeren Leben die Spötter, die so gerne über Fehler anderer eine ganz treffende Kritik abgeben können. Nicht als ob gerade das Treffende des Urteils über Menschenfehler aufhören müßte, nicht als ob man unter allen Umständen verpönte - sagen wir - eine solche Tat, wie sie Erasmus von Rotterdam getan hat mit seinem Buche «Das Lob der Narrheit». Nein, es kann ganz berechtigt bleiben, scharf zu sein gegen die Fehler, die in der Welt geschehen; aber wer eine esoterische Entwicklung durchmacht, bei dem ist es so, daß
ihn jeder Tadel, den er aussprechen oder in Wirkung umsetzen muß, schmerzt und immer mehr und mehr Schmerz bereitet. Und das Leid über das Tadelnmüssen, das ist etwas, was auch wie ein Barometer der esoterischen Entwicklung auftreten kann. Je mehr man noch Freude empfinden kann, wenn man tadeln muß oder wenn man lächerlich finden muß die Welt, desto weniger ist man wirklich reif, fortzuschreiten. Und man muß schon allmählich eine Art von Gefühl dafür bekommen, daß sich in einem immer mehr ein Leben entwickelt, welches einen diese Torheiten und Fehler der Welt anschauen läßt mit einem spottenden und mit einem von Tränen erfüllten Auge, mit einem nassen und einem trockenen Auge. Dieses innerliche Gegliedertwerden, dieses Selbständigerwerden sozusagen von dem, was früher vermischt war, das gehört nun auch zu der Veränderung, die der Ätherleib des Menschen erlebt.
SECHSTER VORTRAG Den Haag, 25. März 1913
Wir haben die Veränderungen am physischen und am Ätherleibe des Menschen betrachtet, insofern sie der Mensch erlebt im Laufe einer esoterischen Entwicklung, die er zu nehmen versucht. Wenn wir den Grundcharakter dieser Veränderungen ausdrücken wollen, so können wir sagen: Der Mensch fühlt immer mehr und mehr seinen physischen Leib und seinen ätherischen Leib im Verlaufe der Entwicklung innerlich. Wir haben gegenüber dem physischen Leib betonen können, daß die einzelnen Organe immer selbständiger und selbständiger gefühlt werden, je weiter man vordringt, daß sie gewissermaßen unabhängiger voneinander werden. Lebendiger in sich - möchte man sagen - fühlt sich der physische Leib an. Vom ätherischen Leib haben wir betont, daß er nicht nur sich lebendiger fühlt, sondern daß er empfindlicher überhaupt wird, daß er sich durchzieht mit einer Art von Bewußtsein; denn er beginnt den Verlauf der äußeren Ereignisse in feiner Weise mitzufühlen. Wir haben betont, wie der Mensch im Verlaufe seiner esoterischen Entwicklung immer empfindlicher wird gegenüber dem Verlauf von Frühling, Sommer, Herbst und Winter, wie dieser Verlauf für ihn etwas ganz Ausgesprochenes wird, so daß sich die aufeinanderfolgenden Zeittatsachen voneinander mehr trennen, als das im gewöhnlichen Verlauf des Lebens der Fall ist; daß sie sich sondern, daß sie sich differenzieren.
Wir können also sagen, daß der Mensch beginnt, gleichsam die Vorgänge des äußeren Äthers mitzuerleben. Es ist dieses der erste Anfang eines wirklichen Freiwerdens von seiner Leiblichkeit. Immer unabhängiger und unabhängiger wird man damit von der eigenen Leiblichkeit, daß man anfängt die Umgebung wirklich mitzuerleben. Man wird gleichsam selber Frühling, Sommer, Herbst und Winter innerlich erleben; dadurch aber, daß man in dem Äußeren lebt, hört man auf, in dem, was die eigene Leiblichkeit ist, zu leben. Nun haben wir ja gestern betont, daß dieses alles verknüpft ist mit einem
Empfindlicherwerden für diese eigene Leiblichkeit. Man empfindet allmählich, indem man unabhängiger wird von der eigenen Leiblichkeit, diese eigene Leiblichkeit sozusagen wie eine Art Kalamität; man merkt, daß einem alles das, was sich nur auf diese eigene LeibIichkeit bezieht, zu einer Art von Vorwurf wird. Und damit ist für eine Höherentwicklung schon außerordentlich viel errungen, wenn man beginnt, in solchen Vorstellungen und Empfindungen, wie sie gestern auseinandergesetzt wurden, nicht mehr ganz einverstanden sein zu können mit seiner eigenen menschlichen Persönlichkeit; und wenn man dies in immer höherem Maße erlebt, dann ist schon sehr viel gewonnen für das höhere, für das spirituelle Erleben.
Nun will ich heute versuchen, gewissermaßen durch einen Sprung unsere Betrachtungen, die wir mehr von innen nach außen bisher geführt haben, dadurch in ihrem Fortgang zu unterstützen, daß ich zunächst versuchen werde, den Standpunkt zu schildern, als ob der Mensch mit seinem astralischen Leib und seinem Ich schon unabhängig geworden wäre vom physischen und Ätherleib. Die Zwischenzustände werden wir in den nächsten Tagen noch besprechen. Also ich werde gewissermaßen zur leichteren Verständigung die Hypothese hinstellen, daß der Mensch mitten im Schlafe den Moment erlebt, hellsichtig zu werden außer seinem Leibe, und daß er auf seinen physischen und Ätherleib zurückschauen kann.
Wir haben nur ein paar Schritte nach diesem Zustand getan bis- her, sind so weit gekommen, daß wir gewissermaßen aus uns heraus- gegangen sind und gelernt haben, so etwas wie Jahres- und Tageszeiten mitzuerleben; jetzt wollen wir gleich den Zustand ins Auge fassen, der eintreten würde, wenn wir auf der einen Seite physischen und Ätherleib hätten, und herausgehoben, wie es im Schlafe ist, Ich und astralischen Leib; und wir nehmen an, wir könnten zurück- schauen auf den zurückgelassenen physischen und Ätherleib. Da würde das, worauf wir da zurückblicken, uns in einem ganz anderen Licht erscheinen, als es uns für das gewöhnliche Leben bewußt erscheint. Für das gewöhnliche Leben blicken wir durch die alltägliche Beobachtung oder durch die äußere physische Wissenschaft
auf unseren materiellen Leib hin und sehen in ihm mit einem gewissen Rechte in physischer Beziehung die Krone der Erdenschöpfung. Wir gliedern diese Erdenschöpfung so, daß wir sprechen von einem mineralischen Reich, von einem pflanzlichen Reich, von einem tierischen Reich und von dem Menschenreich; und wir sehen all die verschiedenen Vorzüge, die ausgegossen sind auf die verschiedenen Tiergruppen, vereinigt gleichsam in dieser physischen Schöpfungskrone, in dem menschlichen Leib. Wir werden schon sehen, daß für die äußere physische Betrachtung dies eine gewisse Berechtigung hat. Es soll auch nicht der Glaube erweckt werden durch den heutigen Vortrag, als ob mit dem, was sich zunächst darbieten kann für die rückschauende Betrachtung auf den physischen und Ätherleib, wenn man plötzlich im Schlafe hellsichtig würde, - es soll nicht der Glaube erweckt werden, als ob mit dem eine endgültige Betrachtung über den physischen Leib gegeben wäre; es soll nur gleichsam ein Augenblick hellseherischer Rückschau festgehalten werden. Einem solchen Augenblick kann sich folgendes ergeben: Wir blicken zurück zunächst, schauen sozusagen unseren Ätherleib, der uns erscheint wie ein in sich gegliedertes Nebelgebilde, ein Nebelgebilde mit mancherlei Strömungen, die wir später genauer beschreiben wollen, - ein kunstvolles Gebilde, das aber in fort- dauernder Beweglichkeit ist, das an keinem Ort Stille, Ruhe hat; und dann blicken wir hin auf das, was eingebettet ist in diesen Ätherleib, auf unseren physischen Leib.
Nun erinnern Sie sich, daß wir ja gesagt haben: das eigene Den- ken, das muß ausgeschaltet sein. Also, eigene Gedanken machen wir uns nicht über das, was wir sehen. Das ist vor allen Dingen eine Grundforderung für diesen hellseherischen Blick, daß wir uns ganz und gar sozusagen durch die Weltengedanken, die in uns einströmen, daß wir uns durch sie inspirieren lassen. Was wir also da sehen, das schauen wir an, aber es wirkt vor allen Dingen auf unser Gefühl; auf Gefühl und Wille wirkt es. Unser Denken, das erscheint uns so, wenn wir wirklich das erreicht haben, wovon gesprochen worden ist, als wenn wir es verloren hätten; unser eigenes Denken meine ich. Und so schauen wir mit dem Gefühl, das uns eigen
geblieben ist, zurück auf das, was da eingebettet ist in das Nebelgebilde, in das immer bewegliche Nebelgebilde unseres Ätherleibes als unser physisches Organ.
Da bekommen wir zunächst einen Totaleindruck. Dieser Totaleindruck ist so, daß uns das, was wir da erblicken, zu unendlicher Traurigkeit, zu furchtbarer Traurigkeit stimmt. Und man muß sagen, meine lieben Freunde, diese Stimmung der Seele, diese furchtbare Traurigkeit, die ist nicht etwa abhängig von der einen oder anderen menschlichen Individualität, sondern sie ist ganz allgemein. Den Menschen kann es nicht geben, der so, wie es geschildert worden ist, von außen zurückblickt auf seinen physischen Leib, wie er eingebettet ist im Ätherleib, und der nicht ganz, ganz durchdrungen würde von maßloser Traurigkeit. Alles das, was ich an Eindrücken jetzt schildere, prägt sich zunächst im Gefühl aus, nicht irn Gedanken. Maßlose Traurigkeit, eine ganz melancholische Stimmung überkommt uns, wenn wir nun aufblicken zu den Weltgedanken, die in uns einströmen. Diese Gedanken, die nicht unsere eigenen, sondern die schöpferisch durch die Welt webende und wirkende Gedanken sind, die beleuchten sozusagen dieses Gebilde unseres physischen Leibes, und sie sagen uns durch die Art und Weise, wie sie das beleuchten, sie sagen uns, was das eigentlich ist, was wir da sehen.
Sie sagen uns: das alles, was wir da sehen, das ist das letzte Dekadenzprodukt einer einstmals bestehenden Herrlichkeit. Und wir bekommen durch das, was uns diese Gedanken sagen, den Eindruck: Was wir da als unseren physischen Leib vor uns haben, das ist wie etwas, was einstmals gewaltig und herrlich war und verdorrt und zusammengeschrumpft ist und jetzt in ein kleines Gebilde zusammengeschrumpft eine einstmalige ausgebreitete Herrlichkeit uns zeigt. Wie eine letzte ins Physische verhärtete Erinnerung urferner Herrlichkeit erscheint uns das, was da eingebettet ist in unseren Ätherleib. Da erscheinen uns unsere einzelnen physischen Organe, die heute sozusagen zu unserem Ernährungs-, zu unserem Blutzirkulations-, zu unserem Atmungssystem gehören; wir blicken sie von außen an, sie geistig anschauend, und siehe da, sie erscheinen uns so, daß wir uns sagen: Das alles, was wir da im physischen
Leibe vor uns haben, das sind Schrumpfprodukte, verdorrte Pro- dukte von einstmals existierenden Lebewesen; von Lebewesen, die in einer herrlichen Umgebung gelebt haben und die jetzt zusammengeschrumpft und verdorrt sind. Und in dem Leben, das sie heute in sich haben, diese Lunge, dieses Herz, diese Leber und die anderen Organe, in dem ist nur das letzte Dekadenzleben eines ursprünglichen gewaltigen innerlichen Lebens.
Und es formen sich uns in diesem hellseherischen Anschauen allmählich diese Organe zu dem, was sie einstmals waren. So wie ein Gedanke, an den wir uns nur ganz von ferne erinnern, wenn wir uns Mühe geben, ihn aus dem Gedächtnis heraufzuholen, sich auswächst zu dem, was er einst war, so wächst an dasjenige, was wir zum Beispiel als Lunge in uns tragen und das zunächst sich darstellt wie die leute Erinnerung an eine urferne Pracht und Herrlichkeit, - so wächst das an. Aber wir fühlen: es geht zurück wie ein jetziger Gedanke an eine ferne Erinnerung, der sich dann aus- bildet zu dem, was er einstmals war. Es wächst sich in unserer An- schauung die Lunge aus zu der Imagination dessen, was einstmals als ein ständiges Symbolum der Okkultist gekannt hat und auch heute noch als Symbolum der Menscheiigestalt kennt: zur Imagination des Adlers. Und wir bekommen das Gefühl: Diese Lunge war einstmals eine Wesenheit, - nicht zu vergleichen mit einer heutigen tierischen Adlerwesenheit, denn die stellt auch nur anderseits ein Dekadenzprodukt eines einstmaligen gewaltigen Wesens dar, das man im Okkultismus als Adler bezeichnet; der Okkultist wird wie in einer ko&mischen Erinnerung geführt zum Adler, der einstmals dagewesen ist. - Und wenn wir uns rückblickend an unser Herz wenden, dann fühlen wir, wie das sich ebenfalls ausnimmt wie das Schrumpfprodukt, das verdorrte, zusammengezogene Produkt, wie eine Erinnerung an eine alte Herrlichkeit -: dann fühlen wir, wie wir zurückgeführt werden in uralte Zeiten, in urferne Vergangenheiten zu einem Wesen, das der Okkultist als den Löwen bezeichnet. - Und dann, die unteren Leibesorgane, sie stellen sich uns dar wie eine Erinnerung an das, was im Okkultismus Stier genannt wird, ein uraltes Lebewesen, welches in herrlicher Umgebung
lebendig einstmals da war, das verdorrt ist in der Evolution, zusammengeschrumpft, und das sich heute als die unteren Leibesorgane darstellt.
So möchte ich schematisch zeichnen das, was einstmals war und wozu wir kommen, wenn wir diese unsere körperlichen Organe von außen hellseherisch betrachten: Es soll nur schematisch gezeichnet werden Stier, Löwe, Adler übereinander. So erblicken wir etwas, was gelebt hat als drei herrliche Lebewesen in uralter Vergangenheit. Ich will nun dieses etwas verkleinern und nur schematisch zeichnen. Um diese Grundorgane herum können wir auch die anderen Organe in demjenigen schauen, was sie früher waren in urferner Vergangenheit; und wir bekommen auf diese Weise etwas vor unseren hellseherischen Blick, was sich vergleichen läßt mit fast allen Formen des Erdentierreiches.
Wenn wir nun den Blick nochmals zurückwenden auf diesen in unseren Ätherleib eingebetteten physischen Leib und auf das blicken, was man in der Anatomie das Nervensystem nennt, ja, dann er- scheint dieses Nervensystem auch wie ein Schrumpfprodukt, wie verdorrte Produkte. Aber das, was heute als Nervensystem da in unserem physischen Leib eingebettet ist, das erscheint in unserem Ätherleib eingebettet für den rückschauenden hellseherischen Blick wie die Summe von wunderbaren pflanzlichen Wesenheiten, die sich in der mannigfaltigsten Weise hindurchschlängeln durch diese tierisch zu nennenden Wesenheiten, so daß wir Anordnungen von pflanzlichen Wesenheiten sehen, die durchgehen nach allen Seiten. Das ganze Nervensystem löst sich auf in eine Summe von uralten
pflanzlichen Wesenheiten, so daß sich uns wirklich etwas darstellt wie eine mächtig sich ausbreitende Pflanzenwesenheit, darin wohnend die tierischen Wesenheiten, von denen wir eben gesprochen haben. Wie gesagt, ich schildere das, was sich dem hellseherischen Blick ergibt, der eben charakterisiert worden ist als zustande- kommend wie im Schlaf, das heißt den im Ätherleib eingebetteten physischen Leib von außen ansehend.
Wenn man dieses alles vor sich hat, dann sagt man sich - das heißt man sagt es sich aus dem Grunde, weil einem die Weltengedanken gewissermaßen Auskunft darüber geben und einem das interpretieren, was man vor sich hat -, man sagt sich dann: Alles das, was du als Mensch in dir trägst, das ist das Zusammengewelkte, das Zusammengeschrumpfte von dem, was dir jetzt wie in einer kosmischen Erinnerung hellseherisch aufgeht. - Und nun handelt es sich darum, bis zu diesem Punkte die Entwicklung so zu betreiben, daß man fortwährende Selbstkontrolle, fortwährende Selbsterkenntnis übt. Die Selbsterkenntnis bringt einen dahin, nun sich gefühlsmäßig besinnen zu können: Du bist außerhalb deines physischen Leibes. Dasjenige, was dir als physischer Leib im Ätherleib eingebettet erschienen ist, hat sich vor deinem Blick in das verwandelt, wovon eben jetzt gesprochen worden ist. Und das, was du jetzt siehst, das ist nicht in der Gegenwart vorhanden, das mußte in einer Urvergangenheit vorhanden sein, damit das, was dein physischer Leib da unten ist, hat entstehen können. Damit dieses Schrumpfprodukt hat entstehen können, mußte einstmals das vorhanden sein, was du jetzt mit hellseherischem Blick vor dir siehst. - Deshalb macht der physische Leib zunächst diesen traurigen Eindruck, weil man ihn als etwas erkennt, was sich ergeben hat wie das letzte Welkprodukt einer einstmaligen Herrlichkeit, die jetzt aufgegangen ist dem hellseherischen Blick.
Hat man nun die Selbstbesinnung genügend weit gebracht, bis zu diesem Grad der Entwicklung, dann wird man gewahr, daß man in diesem astralischen Leib, den man jetzt außer dem physischen und Ätherleibe hat, gar nicht anclers kann als - bitte, mißverstehen Sie das nicht, ich schildere Tatsachen und Sie werden schon
sehen, wie sich diese Tatsachen auflösen; immerhin - wenn man so sagen wollte zur Ehre der weisheitsvollen Weltenlenker - man muß eben die Tatsachen erst kennenlernen, und es wird sich schon in den nächsten Tagen aufklären, um was es sich da handelt -, man kann also gar nicht anders, als sich, wie man da ist in seinem astralischen Leib, als einen absoluten Egoisten erkennen, als ein Wesen, das nichts anderes kennt als nur sich selber, und man lernt erkennen, daß man Gründe genug hat, traurig zu sein. Denn es drängt jetzt das Gefühl, zu wissen, warum das geschehen ist, warum das alles zusammengeschrumpft ist.
Und nun handelt es sich darum: Ja, wer hat die Schuld an diesem Zusammenschrumpfen? Wer hat die Gestalt, die du hellseherisch vor dir hast, dieses wunderbare Pflanzenwesen mit den tierischen, vollkommenen Gebilden innerhalb seines Selbst, wer hat das zu dem heutigen Schrumpfprodukt des physischen Leibes gemacht? - Jetzt ertönt es wie eine innere Inspiration aus einem selbst heraus: Du selbst hast das dazu gemacht, du selbst. Und daß du überhaupt das gewöorden bist, was du heute bist, das verdankst du dem Umstand, daß du die Kraft gehabt hast, diese ganze Herrlichkeit zu durchtränken mit deinem Wesen. Daß dein Wesen wie Gift hineingeträufelt ist in diese alte Herrlichkeit, das hat diese alte Herrlichkeit so zum Schrumpfen gebracht, wie sie jetzt ist!
Also, man ist es selbst und man verdankt die Möglichkeit, so ein Selbst zu sein, wie man es ist, dem Umstand, daß man mit seinem eigenen Wesen den Todeskeim in all diese Herrlichkeit hineinversenkt, imprägniert hat, so daß sie schrumpfte. Wie wenn Sie einen mächtigen Baum, der in Herrlichkeit wächst und der in sich mannigfaltige Tiere ernährt, die nur von diesem Baum ernährt werden können, wie wenn Sie den an einem Punkt anstechen, so daß er von diesem Punkt aus verdorrt, daß er welkt und zusammen- schrumpft ins Kleine und mit ihm all die Wesen ersterben, die von ihm ernährt werden, so kommt Ihnen das vor, was geschehen ist mit dem, was sich da hellseherisch ausbreitet und was da zusammengeschrumpft ist zum menschlichen physischen Leibe. Es ist dieses ein ungeheurer Eindruck, der hervorgerufen wird durch diesen
Moment hellsichtiger Betrachtungsweise. - Und immer mehr und mehr drängt der Mensch in seinem astralischen Leibe dazu, zu wissen, wie das gekommen ist. In diesem Moment erscheint ihm unter den tierischen Urwesen, die er hier wahrnimmt, sozusagen an der Hinterwand des Gartens, wie sich windend, in einer wunderschönen Gestalt tatsächlich Luzifer!
Hier macht man zuerst Bekanntschaft durch hellseherische Betrachtung mit Luzifer und weiß jetzt: O ja, so war es mit den Kräften, die heute im physischen Menschenleibe verschrumpft sind, zur Zeit, als Luzifer innerhalb dieses ganzen Wesens, das sich dir jetzt hellseherisch darbietet, erschien.
Und nun weiß der Mensch, daß in jener urfernen vergangenen Zeit, in welcher das alles Wirklichkeit war, was da dem hellseherischen Blick erscheint, daß er sich da lebendig fühlte innerhalb von alledem: da war er drinnen, das war sein Reich. Und in diesem Reich zog ihn Luzifer an sich, der Mensch verband sich mit Luzifer, und die Folge davon war, daß ihm in Kraftströmungen, die etwa in solcher Linie gezeichnet werden könnten, die Wesenheiten der höheren Hierarchien nachdrängten und den
Menschen, der sich mit Luzifer verband - das zeigt sich alles der hellseherischen Betrachtung - in diese Regionen und nach vorne herausdrängten. Es bekam das Gebiet hier (oben ~echts) Öffnungen; diese Öffnungen sind im Zusammenschrumpfen unsere heutigen Sinnesorgane geworden. Durch diese Öffnungen ist der Mensch, der früher in diesem Gebiet gelebt hat, herausgedrängt worden, weil er sich mit Luzifer verbunden hat. Und indem der Mensch herausgedrängt worden ist, lebt er nun in der Welt außerhalb dieses Gebildes, und dieses Gebilde schrumpfte zusammen und ist sein physischer Leib.
Also stellen Sie sich vor, damit Sie eine schematische Anschauung haben, den heutigen physischen Leib immer größer und größer werdend, alle Organe sich vergrößernd, alle Verdauungs., Blutzirkulations-, Atmungsorgane wie zu mächtigen tierischen Lebewesen in der Vergrößerung werdend, die Nervenorgane zu Pflanzenwesen werdend; in diesem mächtigen Gebilde denken Sie sich den Menschen herrschend. Auf der einen Seite erscheint nun Luzifer; der Mensch wird angezogen von Luzifer, dadurch drängen dann Wesenheiten der höheren Hierarchien nach und drängen den Menschen hinaus. Dadurch, daß der Mensch hinausgedrängt ist, schrumpft nach und nach das ganze Gebilde zusammen zu dem engen Raum, den heute ein Menschenleib einnimmt, und der Mensch ist mit seinem Bewußtsein, mit seinem ganzen Tagesbewußtsein, außerhalb seines Leibes. Denn das hat bewirkt, daß der Mensch nicht das weiß, was da drinnen ist, wovon er früher wußte, sondern daß er von dem weiß, was außerhalb ist. Er ist herausgejagt worden durch die Öffnungen, die heute die Sinne sind, und ist heute in der Sinneswelt, und das, worin er war in urferner Vergangenheit, ist heute zusammengeschrumpft, das stellt sein Inneres dar.
Jetzt habe ich Ihnen eine Vorstellung gegeben, wie der Mensch durch hellseherische Betrachtung zu dem kommt, was man das Paradies nennt. So wurde in der Tat geleitet in den Mysterien- schulen die menschliche Vorstellung hin zum Paradiese. Wo war das Paradies? fragen die Menschen. Das Paradies war in einer Welt, die allerdings heute in der Sinneswelt nicht mehr vorhanden ist.
Das Paradies hat sich zusammengeschrumpft, hat sich nur vervielfältigt; das Paradies hat als seinen letzten Erinnerungsrest zurückgelassen das physische Innere des Menschenleibes, nur ist der Mensch herausgejagt worden, er lebt nicht in seinem Inneren. Dieses Innere kann er erst auf die Art durch hellseherische Weise kennenlernen, wie wir es gesehen haben. Der Mensch weiß von den Dingen außerhalb, er weiß von dem, was vor seinen Augen steht, um seine Ohren herum ist; sonst wußte er, was drinnen ist, aber dieses Drinnen war groß, war das Paradies.
Versuchen Sie jetzt eine Vorstellung davon zu bekommen, daß tatsächlich der Mensch dadurch, daß er ein Wesen ist, welches das Bewußtsein über die äußere Sinneswelt verbreitet, die Welt, in der er wohnte, bevor er in die Sinneswelt eingetreten ist, zusammengedrängt hat zu den Welk- oder Schrumpfprodukten seines inneren Leibes. Dann bedienten sich die hier (siehe Zeichnung, Seite 107) den Menschen zuerst hinausstoßenden und dann nachwirkenden Wesenheiten des Ahriman und anderer Geister, deren Tätigkeit sie ins Gute verkehrten, und setzten die Gliedmaßen, Hände und Füße an, und hier das Antlitz, das sie formten, indem sie die Möglichkeit gaben, daß der Mensch sich durch Hände und Füße und durch das, was durch seine Sinnesorgane nach dem Inneren geht, bediente des zusammengeschrumpften Paradieses.
Wir haben so vor unserem geistigen Blick auftreten sehen den ins Riesenhafte vergrößerten physischen Menschenleib, der in seinem heutigen Zustand also das Schrumpfprodukt des einstigen Paradieses darstellt. Wenn wir dieses betrachten, dann können wir ein wenig wiederum eine Vorstellung davon bekommen, wie eigentlich hellseherische Betrachtung vorrückt. Wir haben gesehen, wie der Mensch zunächst immer sensitiver und sensitiver wird gegenüber seinem physischen und Atherleibe. Jetzt haben wir mit einem gewissen Sprung über einen Abgrund gleichsam nachgesehen, was sich für Eindrücke ergeben, wenn der Mensch von ganz außerhalb zurückblickt auf seinen in den Ätherleib eingebetteten physischen Leib. Ich habe gesagt, daß der Ätherleib ein in sich Bewegliches ist; nichts in diesem Ätherleib, wenn man von außen in ihn zurücksieht,
ist eige?1tlich stillstehend, nichts ist in Ruhe, alles in ständiger Bewegung. Es geschieht fortwährend etwas; aber je mehr man lernt, durch Geistesschulung hinzublicken auf das, was da geschieht, desto mehr vergrößert sich gleichsam auch das Tableau dieses Geschehens, und alles wird sinnvoll. Wie gewissermaßen der physische Leib zu dem sinnvollen Garten des Paradieses wird, so wird auch das, was im Ätherleib vorgeht, zu sinnvollen Vorgängen. Man könnte ja nun einmal den Versuch anstellen, typisch zu erzählen, was man da für Tatsachen und Vorgänge sieht, wenn man auf den Ätherleib hinsieht und von dem physischen Leib dabei absieht. Nun, den physischen Leib, so wie ich ihn Ihnen beschrieben habe, könnte man wirklich hellseherisch nur sehen, wenn man im allertiefsten Schlafe plötzlich hellseherisch aufgeweckt würde; dann würde sich der physische Leib also erweitern zu diesem Gebilde, wie es gezeigt worden ist. Aber der Ätherleib ist gewissermaßen schon leichter zu sehen; er ist schon dadurch zu sehen, daß man versucht, in einer gewissen Beziehung den Moment des Einschlafens zu erhaschen, so zu erhaschen, daß man nicht ins Unbewußte gleich hinüberschläft, sondern daß man bewußt eine Zeit bleibt, nachdem man mit seinem astralischen Leib und dem Ich den physischen und Atherleib verlassen hat. Da sieht man hauptsächlich dann auf diesen Ätherleib hin, sieht förmlich wie ganz lebendige Träume diese beweglichen Tatsachen des ätherischen Leibes. Dann sieht man sich wie durch einen tiefen Abgrund getrennt von dem, was da im ätherischen Leibe vorgeht; aber man sieht jetzt alles in nicht räumlichem, sondern in zeitlichem Geschehen. Man muß also, wenn man schon heraus ist aus seinem Atherleib, empfinden diese Erlebnisse, diese bewegten Erlebnisse im Ätherleib, wie wenn man mit dem Bewußtsein noch einmal hineinschlüpfte.
Also diese Empfindung muß man haben, wie wenn man durch einen Abgrund, der gleichsam durch Äther ausgefüllt ist, durch den allgemeinen Weltenäther, wie wenn man durch einen solchen Ab- grund getrennt wäre von seinem ätherischen Leib; wie wenn man jenseits des Ufers des ätherischen Leibes wäre und da mannigfaltige Vorgänge sich abspielten. Man fühlt sich also, weil man es hier
mit Vorgängen zu tun hat, die alle in der Zeit sich abspielen, gleichsam wie ein Wanderer, der zu seinem eigenen Ätherleib hingeht. In Wirklichkeit verläßt man ihn immer mehr und mehr, aber man geht in hellseherischem Bewußtsein zu diesem Ätherleibe hin. Man fühlt, wie wenn man im Annähern an diesen eigenen Ätherleib etwas entgegenkommend hätte, was einen zurückstößt. Wie an einem geistigen Fels kommt man an. Dann ist es, wie wenn man in etwas hineingelassen würde. Man war erst draußen, dann ist es, wie wenn man in etwas hineingelassen würde, wie wenn man erst draußen gewesen wäre und jetzt drinnen wäre, aber nicht so, wie wenn man bei Tage drinnen wäre. Alles hängt davon ab, daß man mit seinem astralischen Leib und Ich draußen ist und nur hineinschaut, das heißt, nur mit seinem Bewußtsein drinnen ist. Und jetzt merkt man, was da drinnen vorgeht.
Es ist auch in einer gewissen Weise alles verwandelt, wie sich der physische Leib ins Paradies verwandelt hat; aber das, was da geschieht, hängt doch noch viel inniger zusammen mit den gegenwärtigen Vorgängen am Menschen. Bedenken wir nur, was der Schlaf eigentlich bedeutet, was dieses «außerhalb des physischen und Ätherleibes sein» bedeutet. Denn wir haben angenommen, daß das hellseherische Vermögen in diesem Augenblicke hervorgerufen wurde dadurch, daß der Mensch plötzlich im Schlafe hellseherisch würde oder im Einschlafen hellseherisch bewußt bliebe. Bedenken wir, was der Schlaf ist: Dasjenige, was mit Bewußtsein den physischen und ätherischen Leib durchdringt, ist draußen; da drinnen gehen jetzt nur sozusagen vegetative Vorgänge vor sich, spielt sich alles ab, was die während des Tages verbrauchten Kräfte wiederum ersetzt. Ja, das nehmen wir wahr, nehmen wahr, wie da aus dem Physischen heraus die Kräfte, die namentlich im Gehirn verbraucht worden sind, ersetzt werden. Aber nicht so, daß wir das Gehirn sehen würden wie der Anatom, sondern wir sehen, wie der Mensch der physischen Welt, dessen wir uns während des Tagwachens für unser Bewußtsein bedienen, wie dieser Mensch - von uns verlassen zwar, aber deutlich zeigend, daß er unser Werkzeug ist - gleichsam verzaubert in einer Burg liegt.
Wie unser Gehirn innerhalb der Schädeldecke wie ein Sinnbild liegt, so erscheint uns unser Menschenwesen auf Erden wie eine verzauberte Wesenheit, in einer Burg lebend. Wir treten unserer Menschenwesenheit entgegen wie einer Wesenheit, die wie gefangen, umschlossen von Felsenmauern ist. Das Sinnbild, das gleichsam wiederum zusammengezogene Sinnbild davon ist unsere Schädeldecke. Von außen erscheint uns das als die kleine Schädeldecke. Wenn wir aber auf die ätherischen Kräfte blicken, die zugrunde liegen, so erscheint uns in der Tat das, was Erdenmensch ist, wie da drinnen in der Schädeldecke sich beflndend und eingefangen in dieser Burg. Und dann strömen herauf aus dem anderen Organismus die Kräfte, die diesen Menschen unterhalten, der eigentlich in der Schädeldecke drinnen ist wie in einem mächtigen Schlosse. Da strömen die Kräfte herauf. Zunächst strömt diejenige Kraft herauf, die da kommt aus dem im Organismus verbreiteten Werkzeug des astralischen Menschenleibes; es strömt herauf alles das, was erglüht und mächtig den Menschen macht durch die Nervenstränge; das alles strömt zusammen in den irdischen Gehirnmenschen: das erscheint einem als das «mächtige Schwert», das der Mensch sich auf der Erde geschmiedet hat. - Dann dringen herauf die Kräfte des Blutes; diese Kräfte des Blutes - man fühlt allmählich, man lernt erkennen - erscheinen einem als das, was eigentlich den bloß in dem Zauberschloß der Schädeldecke liegenden Gehirnmenschen verwundet: wie die «blutige Lanze» sind die Kräfte, die im Ätherleibe nach dem irdischen Menschen heraufströmen, der in dem Zauberschloß des Gehirns liegt. - Und dann gewinnt man eine Erkenntnis. Diese eine Erkenntnis ist, daß man beobachten kann, was da alles heraufströmen darf nach den edelsten Teilen des Gehirns. Davon hat man ja vorher gar keine Ahnung.
Ja, sehen Sie, da komme ich von einem anderen Gesichtspunkt aus auf das zurück, was ich schon in diesen Tagen berührt habe. Der Mensch kann nämlich noch so viel aus dem Tierreich essen: für einen gewissen Teil seines Gehirns ist das alles nicht brauchbar, ist das alles nur Ballast. Andere Organe mögen dadurch ernährt werden, aber im Gehirn gibt es etwas, wovon der ätherische Leib
sogleich alles zurückstößt, was vom tierischen Reiche kommt. Ja, sogar alles das stößt der ätherische Leib zurück von einem Teil des Gehirnes, von einem kleinen edlen Teil des Gehirnes, was vom pflanzlichen Reiche kommt, und nur den mineralischen Extrakt läßt er gelten in einem kleinen edlen Teil des Gehirns; und da bringt er zusammen diesen mineralischen Extrakt mit den edelsten Einstrahlungen durch die Sinnesorgane. Das Edelste des Lichtes, das Edelste des Tones, das Edelste der Wärme berührt sich hier mit den edelsten Produkten des mineralischen Reiches; denn von der Verbindung der edelsten Sinneseindrücke mit den edelsten mineralischen Produkten nährt sich der edelste Teil des menschlichen Gehirns.
Von diesem edelsten Teile des menschlichen Gehirns sondert der Ätherleib alles aus, was aus dem Pflanzen- oder Tierreich kommt. Dann dringen ja auch alle die Dinge, die der Mensch als seine Nahrung bekommen hat, herauf. Das Gehirn hat auch unedlere Teile, die halten Mahlzeit von alledem, was da heraufströmt und wovon sich eben der Organismus ernährt. Nur der edelste Teil des Gehirns muß von dem schönsten Zusammenfluß von Sinnesempfindungen und dem edelsten, gereinigten mineralischen Extrakt genährt werden. Da lernt man erkennen einen wunderbaren kosmischen Zusammenhang des Menschen mit dem ganzen übrigen Kosmos. Da blickt man sozusagen an eine Stelle des Menschen, wo sich vor einem abspielt, wie das Denken des Menschen durch das Instrument des dem Astralleibe dienenden Nervensystems das Schwert bereitet für die menschliche Stärke auf Erden; da macht man Bekanntschaft mit dem, was alles dem Blut beigemischt ist und was gewissermaßen zur Tötung gerade des Edelsten im Gehirn beiträgt. Und immerdar hält aufrecht dieses Edelste im Gehirn der Zusammenfluß der feinsten Sinnesempfindungen mit den edelsten Produkten des mineralischer; Reiches. Und dann strömen nach dem Gehirne zur schlafenden Zeit, wo sich das Denken nicht mit dem Gehirne beschäftigt, die Produkte, die sich weiter abwärts im Innern gebildet haben aus dem Pflanzen- und dem Tierreich.
So ist es, wenn man in seinen eigenen Atherleib hineindringt, wie wenn man an einem Abgrunde ankommen würde und über
diesen Abgrund hinweg in seinem Ätherleibe sehen würde, was der da macht; und das erscheint alles in mächtigen Bildern, die Vorgänge des geistigen Menschen während des Schlafes darstellen. Dieses Ich und der astralische Leib, dieser geistige Mensch, der untertaucht in die Burg, die gebildet wird aus dem, was eben sich nur symbolisch in der Schädeldecke darstellt, wo schlafend, verwundet vom Blut, der Mensch liegt, dem man es ansieht, wie Gedanken seine Stärke sind - das, was sich da ernähren lassen muß von alledem, was aus den Reichen der Natur heraufdringt, was in seinem edelsten Teile von jenem Feinsten bedient werden muß, das da gekennzeichnet worden ist -, dieses alles in Bilder gebracht, gab die Gralssage. Und die Sage von dem Heiligen Gral kündet uns von jener Wunderspeise, die zubereitet ist aus den feinsten Wirkungen der Sinneseindrücke und aus den feinsten Wirkungen der mineralischen Extrakte, die dazu berufen sind, den edelsten Teil des Menschen zu ernähren sein Leben hindurch, wie er es physisch zubringt auf der Erde; denn durch alles andere würde er getötet. Diese Himmelsspeise ist das, was in dem Heiligen Gral drinnen ist.
Und das, was sonst geschieht, was aus den übrigen Reichen hinaufdringt, finden wir genugsam dargestellt, wenn wir zurückgehen auf die ursprünglich beschriebene Gralssage, da wo wir vor eine Mahlzeit geführt werden, bei der zuerst eine Hirschkuh aufgetischt wird. Das Hinaufdringen in das Gehirn, wo immerdar schwebt der Gral - das heißt das Gefäß für die edelste Nahrung des durch alles übrige getöteten menschlichen Heros, der in der Burg des Gehirns liegt -, das alles wird uns dargestellt. Und am besten ist es nicht eigentlich bei Wolfram, sondern am besten ist es äußerlich - exoterisch noch dargestellt -, weil fast jeder erkennen kann, wenn er darauf aufmerksam gemacht worden ist, wie diese Gralssage ein okkultes Erlebnis ist, das jeder Mensch an jedem Abend neu erleben kann -, am besten ist es dargestellt trotz der Profanation, die auch da schon eingetreten ist, bei Christian von Troyes. Und er hat hinlänglich durch mancherlei Andeutungen darauf hingewiesen, daß er das, was er meint, exoterisch gegeben hat; denn er beruft sich ja auf seinen Lehrer und Freund, der im
Elsaß gelebt hat und der ihm das eigentlich Esoterische gegeben hat, welches er in exoterische Formen brachte. Dies geschah in der Zeit, in der es notwendig war wegen jenes Überganges, auf den hingedeutet ist in meiner Schrift «Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit». Kurz vorher ist die Gralssage exoterisch gemacht worden, 1180.
Derlei Dinge erscheinen der äußeren Welt heute noch wie eine Phantasterei, weil ihr so vielfach als das Wirkliche nur das erscheint, was außerhalb des Menschen liegt. Daß der Mensch sich in einem noch viel höheren Sinne als Krone der Schöpfung erweist, erkennt er gerade dann, wenn er seinen physischen Leib in der ursprünglichen herrlichen Größe sieht, und seinen Atherleib so sieht, wie er innerlich arbeitet: an dem physischen Leib, um das wieder zum Leben zu erwecken, was durch jenen Stich, von dem ich als vom Blute kommend gesprochen habe, getötet und gelähmt worden ist. Daran arbeitet der ätherische Leib, um es sofort, so gut es geht, wiederum zum Leben zu erwecken; er erhält es durch seine menschliche Lebenszeit hindurch, trotzdem es, wenn es geboren wird, schon zum Tode verurteilt ist. Er erhält es dadurch, dieser ätherische Leib, daß er von einem kleinen Teile der menschlichen Organisation alles das hinauswirft, was aus dem Tier- und Pflanzenreich kommt, nur den edelsten mineralischen Extrakt nimmt und ihn zusammenbringt mit den edelsten Eindrücken der äußeren Sinneswelt. Dieses wirklich tief genug empfindend, läßt einem tatsächlich diesen edelsten Teil im menschlichen Organismus erscheinen wie den vervielfältigten Heiligen Gral. Und ich wollte durch diese beiden Hindeutungen heute zeigen, wie typisch Imaginationen auftreten, wie allmählich übergeht für das wirkliche Hellsehen das Anschauen des physischen Leibes in Imaginationen. Und zu den größten Imaginationen, die man erleben kann, gehört, wenigstens für die Erdenzeit, die Paradieses- und die Grals-Imagination.
SIEBENTER VORTRAG Den Haag, 26. März 1913
Gestern versuchte ich, auf zwei Legenden, auf die Paradieseslegende und die Gralslegende hinzuweisen, versuchte ich darauf aufmerksam zu machen, wie diese beiden Legenden eigentlich okkulte Imaginationen darstellen, welche wirklich erlebt werden können, wenn ein entsprechender Augenblick eintritt. Wenn der Mensch unabhängig von seinem physischen und ätherischen Leibe - wie er unbewußt im Schlafe ist - bewußt hellseherisch wahrnimmt und sich für die Wahrnehmungen anregt von seinem physischen Leib, dann ergibt sich die Paradieseslegende; wenn er sich anregt von seinem ätherischen Leibe, dann ergibt sich die Gralslegende. Nun muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß ja solche Legenden gewissermaßen wie Dichtungen oder wie religiöse Legenden gegeben werden und in einer gewissen Art in einem bestimmten Zeitalter der Menschheit zugänglich gemacht werden. Der erste Ursprung solcher Legenden, die uns da in Form von Dichtungen oder in Form von religiösen Schriften entgegentreten in der physischen Entwicklungsgeschichte der Menschheit, geht eben von den Mysterien aus, in denen ihr Inhalt erst durch hellseherische Beobachtungen festgestellt worden ist. Und bei der Abfassung solcher Legenden ist besonders notwendig, daß die allergrößte Sorgfalt darauf verwendet werde, gerade jenen Inhalt und jenen Ton zu treffen, welcher dem Zeitalter und dem Volk, dem solche Legenden gegeben werden, besonders angemessen ist.
Wir haben nämlich ausgeführt in den Vorttägen, die gehalten worden sind, wie durch anthroposophisch-okkulte Entwicklung der Mensch gewisse Veränderungen erleidet an seinem physischen Leib, an seinem Ätherleib. Wir werden den asttalischen Leib und das Selbst noch genauer zu betrachten haben und dann mit einigen Worten noch zurückkommen auf den physischen und Äthetleib. So sehen wir, daß der Mensch, wenn er diese Selbstentwicklung sich angedeihen läßt, um weiterzukommen durch die Aufnahme spirituellen
Weisheits- und Wahrheitsgutes, dadurch dann Veränderungen in den Gliedern seiner geistigen und physischen Organisation hervorruft. Nun wissen wir aus der Darstellung, die aus der Akasha-Chronik von den verschiedensten Entwickelungsgebieten gegeben worden ist, daß da auch im Laufe der ganz normalen geschichtlichen Menschheitsentwicklung diese verschiedenen Glieder der Menschennatur gleichsam naturgemäß eine Veränderung erleiden.
Wir wissen, daß in der uralt indischen Zeit, der ersten Kulturperiode, die auf die große atlantische Katastrophe folgte, in Betracht kamen die Vorgänge des menschlichen Atherleibes; wir wissen, daß dann während der urpersischen Kulturperiode in Betracht kamen die Veränderungen des menschlichen Astralleibes, während der ägyptisch-chaldäischen Zeit die Veränderungen der menschlichen Empflndungsseele und während der griechisch-lateinischen Zeit die Veränderungen der menschlichen Verstandes- oder Gemütsseele. In unserer Zeit kommen besonders in Betracht die Veränderungen der menschlichen Bewußtseinsseele. Und nun ist es wichtig, daß, wenn irgendeinem Zeitalter - sagen wir, jenem Zeitalter, in dem die Verstandes- oder Gemütsseele eine besondere Veränderung erleidet, wo die Tatsachen innerhalb dieser Verstandes- oder Gemütsseele besonders wichtig sind -, wenn einem solchen Zeitalter eine Legende gegeben wird, daß sie so gegeben wird, daß auf dieses Zeitalter ganz besondere Rücksicht genommen wird; daß man sich sagt innerhalb der Mysterienstätten, aus denen jene Legenden ausfließen: Die Legende muß so geartet sein, daß die Veränderungen, die vorgehen während unseres Zeitalters in der menschlichen Verstandes- oder Gemütsseele, gewappnet sind gerade gegen etwaige schädliche Einflüsse dieser Legende und daß sie ganz besonders für die günstigen Einflüsse dieser Legende geeignet sind.
Also es kann sich nicht darum handeln, daß der betreffende Angehörige eines Mysteriums, dem die Aufgabe zufällt, eine solche Legende der Welt mitzuteilen, sozusagen nur seinem innersten Im- puls folgt, sondern er muß dem folgen, was ihm sein Zeitalter diktiert.
Wir werden, gerade wenn wir einschlägige Betrachtungen in dieser Richtung anstellen, die Veränderungen besser verstehen, die namentlich mit dem menschlichen Astralleib vor sich gehen, wenn der Mensch eine esoterisch-okkulte Entwicklung durchmacht.
Dieser Astralleib, der lebt ja abgesondert bei dem Esoteriker oder bei demjenigen, der eine ernsthafte anthroposophische Entwicklung durchmacht, der Anthroposophie zu seinem Lebensinhalte macht. Er lebt aber bei dem gewöhnlichen Menschen nicht so lose, so selbständig wie bei dem geschilderten in Entwicklung begriffenen Menschen. Dieser Astralleib wird in einer gewissen Weise selbständig, trennt sich ab bei demjenigen, der eine Entwicklung durchmacht. Er geht nicht unbewußt in eine Art Schlafzustand über, aber er wird selbständig, trennt sich ab, macht gleichsam auf andere Weise das durch, was der Mensch sonst im Schlafzustand durchmacht; dadurch kommt dieser astralische Leib in seinen ihm gemäßen Zustand. Beim gewöhnlichen Menschen, der draußen in der exoterischen Welt lebt, ist dieser Astralleib mit den anderen Leibern verbunden; die anderen Leiber üben ihren entsprechenden Einfluß auf ihn aus. Da kommt die einzelne hervorstechende Eigenschaft eines solchen menschlichen Gliedes nicht in Betracht. Wenn aber dieser Astralleib heraus- gerissen wird, dann macht er seine Eigentümlichkeiten geltend. Und was sind denn die Eigentümlichkeiten des astralischen Leibes?
Nun, meine lieben Freunde, ich habe schon vielleicht zum Entsetzen manches hier Sitzenden auf diese Eigentümlichkeit hingewiesen. Diese Eigentümlichkeit des menschlichen Astralleibes auf der Erde ist nämlich der Egoismus. Und wenn der Astralleib, abgesehen von den übrigen Einflüssen, die von den andern Gliedern der Menschennatur herkommen, seine ureigenste Eigenschaft geltend macht, so ist dies eben der Egoismus, das Streben, in sich und bei sich ausschließlich zu sein. Das kommt dem Astralleib zu. Und für den Astralleib als solchen wäre es schlecht und schlimm, es stellte eine Unvollkommenheit in ihm dar, wenn er nicht von der Kraft des Egoismus sich durchdringen könnte, wenn er nicht zu sich sagen könnte: Ich will im Grunde genommen alles nur durch mich erreichen, will alles, was ich arbeite, in mir verarbeiten, will einzig und
allein alle Sorgfalt auf mich selber verwenden. Das ist die richtige Stimmung des Astralleibes. Wenn wir diese in Betracht ziehen, so werden wir verstehen, wie esoterische Entwicklung gerade nach dieser Richtung hin einzelne Gefahren hervorrufen kann. Es können zum Beispiel durch eine esoterische Entwicklung, weil diese notwendigerweise den Astralleib etwas freimachen muß, solche Menschen, die - sagen wir - ohne Beachtung alles dessen, was wahre Theosophie geben will, sich auf den Boden einer nicht ganz ernsthaften Theosophie stellen, es können gerade solche Menschen diese Eigenschaft des Astralleibes, den Egoismus, im Verlaufe ihrer esoterischen Entwicklung besonders hervorkehren. Diese Beobachtung kann gemacht werden in vielen theosophischen und okkulten Gesellschaften, daß, während als ein Moralgrundsatz wohl gepredigt und immer wiederholt wird Selbstlosigkeit, allgemeine Menschenliebe, durch die naturgemäße Loslösung des Astralleibes gerade der Egoismus blüht. Für den Seelenbeobachter hat es ohnedies etwas auf der einen Seite durchaus Berechtigtes, auf der anderen Seite Bedenkliches, wenn geradezu zum oft ausgesprochenen Grundsatz - wohlgemerkt, ich sage nicht zum Grundsatz, sondern zum oft ausgesprochenen Grundsatz - gemacht wird allgemeine Menschen- liebe; denn unter gewissen Voraussetzungen des Seelenlebens sagt das der Mensch am liebsten und am häufigsten, was er am wenigsten hat, wovon er merkt, daß es ihm am meisten fehlt, und wir können oft bemerken, daß Grundsätze dort am meisten betont werden, wo sie am meisten fehlen.
Allgemeine Menschen liebe sollte ja ohnedies in der Menschheitsentwicklung etwas werden, was die Seelen völlig beherrscht, in den Seelen lebt wie etwas Selbstverständliches und demgegenüber man das Gefühl hat: Du sollst es nicht so oft eitel nennen, du sollst es nicht überflüssigerweise zu oft im Munde führen. Gerade so wie ein ja überall bekanntes Gebot davon spricht: Du sollst den Namen des Gottes nicht eitel aussprechen, - so könnte es ein Gebot werden echter, wahrer Menschlichkeit und Humanität: Du sollst die Forderung der allgemeinen Menschen liebe, die den Grundlebenszug deiner Seele ausmachen soll, nicht zu oft eitel aussprechen. Denn
wenn das Schweigen über manche Dinge ein viel besseres Erziehungsmittel ist als das Sprechen, so gilt es insbesondere bei solchen Dingen, daß das Schweigen und Still-im-Herzen-Kultivieren ein viel, viel besseres Mittel ist, die betreffende Eigenschaft zu entwickeln, als das oftmalige Aussprechen.
Nun hat zunächst die Vertretung dieses exoterischen Grundsatzes nichts zu tun mit dem, wovon eben gesprochen worden ist als der ureigensten Eigenschaft des astralischen Leibes: Egoismus, Streben in sich zu sein, bei sich zu sein, durch sich zu sein. Es fragt sich jetzt: Wie ist es denn möglich, diese - gebrauchen wir ruhig den Ausdruck - zunächst uns abscheulich erscheinende Eigenschaft des astralischen Leibes, daß er ein absoluter Egoist sein will, in einem richtigen Licht zu sehen? Gehen wir einmal so vor, daß wir von einfachen Tatsachen des Lebens ausgehen.
Es gibt Fälle, wo der Egoismus sich erweitert schon im gewöhnlichen Leben, und wo wir gewissermaßen es als eine notwendige Einrichtung des Lebens ansehen müssen, daß der Egoismus sich erweitert. Betrachten Sie zum Beispiel den Grundzug mancher Mutterliebe und versuchen Sie zu verstehen, wie da der Egoismus sich erweitert von der Mutter auf das Kind. Man darf sagen: Je mehr man hineindringt in weniger gebildete Volksmassen und - man möchte sagen - die Löwenart, mit der die Mütter ihre Kinder verteidigen, beobachtet, desto mehr merkt man, wie der Mutter der Angriff auf ihr Kind einen Angriff auf sich selbst bedeutet. Ihr Selbst ist erweitert auf das Kind, und es ist so, daß die Mutter eine Attacke auf ein Glied von ihr selbst nicht mehr empfinden würde als eine Attacke auf ihr Kind. Denn das, was sie in ihrem Selbst fühlt, überträgt sie auf das Kind, und wir könnten nichts Besseres finden für die Einrichtung der Welt, als wenn in einer solchen Weise der Egoismus von einem Wesen auf die anderen sich übertrüge und das eine Wesen das andere gleichsam zu sich rechnete und gerade deshalb seinen Egoismus auf dieses Wesen ausdehnte. Wir sehen also, daß der Egoismus aufhört, seine Schattenseiten zu entwickeln, wenn sich das Wesen erweitert, wenn das Wesen sein Fühlen und Denken in ein anderes Wesen hineinverlegt und dieses als zu sich
gehörig betrachtet. Mütter machen dadurch, daß sie auf der einen Seite ihren Egoismus auf das Kind ausdehnen, auch wiederum Anspruch auf das Kind als ihr Eigentum; sie rechnen es auch wiederum durchaus zu sich, sie machen es so, wie der astralische Leib es macht: Alles, was mit mir in Zusammenhang steht, durch mich, zu mir, mit mir und so weiter.
Wir könnten selbst in trivialeren Fällen, als es die Mutterliebe ist, noch etwas Ähnliches sehen. Nehmen wir einen Menschen an, der Haus und Hof und Feld hat und darauf arbeitet. Nehmen wir an, dieser Mensch hätte - nun, nennen Sie es meinetwillen die Schrulle -, er hätte die Schrulle, Haus und Hof und Feld und seine Arbeiter so zu lieben wie Seinen eigenen Leib; er betrachtete gleichsam die Sache so, daß sich sein Leib fortsetzt und daß er Haus und Hof und Feld und seine Leute miteinander so liebt, wie manche Dame, unter gewissen Voraussetzungen, ihr Kleid so liebt wie das, was zu ihrem eigenen Leib gehört. Da erweitert sich das eigene Wesen über die Umgebung gewissermaßen. Wenn sich nun die Sorgfalt des betreffenden Menschen so auf diese Umgebung erstreckt, daß er alles das, wovon hier die Rede war, so hütet und jede Attacke so abwehrt, wie wenn sie seinem eigenen Leibe gälte, dann - muß man sagen - ist die Tatsache, daß diese ganze Sphäre mit seinem Egoismus überzogen wird, etwas der Sache außerordentlich Förderliches.
Unter Umständen kann das, was man Liebe nennt, sehr selbstsüchtig sein. Man betrachte nur das Leben einmal; man versuche zu prüfen, wie oft das, was man lieben nennt, selbstsüchtig ist. Aber es kann auch ein über die Person hinaus erweiterter Egoismus sehr selbstlos sein, das heißt er kann das, was zu ihm gehört, ungeheuer schüuen und hegen und pflegen. Gerade an einer solchen Sache
sollen wir lernen, daß sich das Leben nicht in Begriffe einpfahlen läßt Wir reden von Egoismus und Altruismus, und man kann sehr schöne Systeme machen mit solchen Begriffen wie Egoismus und Altruismus. Die Tatsachen zermürben solche Systeme; denn wenn der Egoismus sein Interesse an der Umgebung so erweitert, daß er diese betrachtet wie zu ihm selbst gehörig und sie so hegt und
pflegt, dann wird der Egoismus zur Selbstlosigkeit. Und wenn der Altruismus so wird, daß er die ganze Welt nur mit dem beglücken will, was er gerne hat, wenn er aller Welt seine Gedanken und Empfindungen mit aller Gewalt aufdrängen will und übergehen will zu dem Grundsatz: «Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein», - dann kann selbst der Altruismus sehr selbstsüchtig werden. Im Begriffe läßt sich die Wirklichkeit, die in Kräften und in Tatsachen lebt, nicht hineinpfahlen, und ein großer Teil desjenigen, was sich dem Menschheitsfortschritt entgegenstemmt, liegt darin, daß immer wieder und wiederum der Glaube in unreifen Köpfen und in unreifen Geistern entsteht, daß sich die Wirklichkeit in Begriffe irgendwie hineinpfropfen lasse.
Der astralische Leib ist dadurch zu charakterisieren, daß er ein Egoist ist. Die Folge davon ist, daß jede Entwicklung, die den Astralleib freimacht, damit rechnen muß, daß sich die Interessen des Menschen erweitern, immer weiter und weiter werden. Ja, wenn unser astralischer Leib sich in der richtigen Weise loslösen soll von den übrigen Gliedern der Menschennatur, dann muß das Interesse unseres Astralleibes über die ganze Erde und Erdenmenschheit gehen. Es müssen in der Tat die Interessen der Menschheit auf der Erde unsere Interessen werden; es muß aufhören das Interesse, irgendwie an Persönliches nur anzuknüpfen; es muß alles, was den Menschen betrifft, nicht nur in unserer Zeit, sondern was den Menschen jemals in der ganzen Erdenentwicklung betroffen hat, unser tiefstes Interesse erregen; wir müssen in die Lage kommen, nicht nur diejenigen, die mit uns blutsverwandt sind, nicht nur das, was für Haus und Hof und Feld mit uns zusammenhängt, wie eine Fortsetzung unseres Eigenen zu betrachten, sondern alles, was die Erdenentwicklung ausmacht, zu unserer Angelegenheit machen.
Wenn wir in unserem Astralleib Interesse haben für alle An- gelegenheiten der Erde, wenn alle Angelegenheiten der Erde unsere eigenen Angelegenheiten sind, dann dürfen wir uns der Egoität unseres Astralleibes überlassen. Das aber ist notwendig, daß die Interessen der Menschheit auf der Erde unsere Interessen werden. Betrachten Sie von diesem Gesichtspunkt aus die zwei Legenden,
von denen ich gestern gesprochen habe! Wenn sie einer Menschheit gegeben werden, dann werden sie gegeben unter dem Gesichtspunkt, daß der Mensch hinaufgehoben werde von jedem Einzelinteresse zu dem allgemeinen Erdeninteresse.
Die Paradieseslegende führt den Menschen unmittelbar hin bis zu jenem Ausgangspunkt der Erdenentwicklung, wo der Mensch die erste Inkarnation noch nicht betreten hatte, oder wo er sie eben betritt, wo Luzifer an ihn herantritt, wo er noch vor der Gesamtentwicklung steht, wo er tatsächlich alle menschheitlichen Interessen in seine eigene Brust hereinnehmen kann. Die größtdenkbare Erziehungslegende, das größtdenkbare Erziehungsproblem liegt in der Paradieseserzählung, in jener Erzählung, die den Menschen hinaufhebt zum Gesichtspunkt der ganzen Menschheit, die ein Interesse, welches in jedes Menschen Brust sprechen kann, auch in jedes Menschen Brust hineinprägt. Wenn die Bilder der Paradieseslegende, so, wie wir Sie zu begreifen versuchten, in die Menschenseele herein- dringen, so wirkt das so, daß der Astralleib sich davon durchdringt, und daß unter dem Einflusse dieses den Gesichtskreis über die ganze Erde erweiternden Menschenwesens der Astralleib auch alles das, was jetzt in seine Sphäre hereintritt, zu seinem Interesse machen darf. Er hat sich dazu erzogen, die Interessen der Erde als seine Interessen betrachten zu dürfen. Versuchen Sie, meine lieben Freunde, in vollem Ernst und in voller Würde zu betrachten, was eigentlich in einer solchen Legende für eine universelle pädagogische Kraft liegt, was für ein spiritueller Impuls in einer solchen Legende liegt.
Ähnlich ist es mit der Gralslegende. Während die Paradieseslegende sozusagen gegeben ist für die Menschheit der Erde, insofern sich diese Menschheit zurückwendet zum Ursprung, zum Ausgangspunkt der Erdenentwicklung, während die Paradieseslegende also dafür gegeben ist, auf den Horizont der ganzen Menschheitsentwicklung sich hinaufzuheben, ist die Gralslegende dazu gegeben, ins tiefste Innere des astralischen Leibes sich zu versenken, in die ureigensten Interessen dieses astralischen Leibes; weil dieser eben, wenn er nur sich selbst überlassen wird, ein Egoist wird, der nur seine ureigensten Interessen betrachtet.
Man kann eigentlich, wenn es sich um die Interessen des Astralleibes handelt, nur nach zwei Richtungen hin abirren. Diese zwei Richtungen sind die Richtung nach dem Amfortas und, bevor Amfortas zur völligen Erlösung kommt, nach dem Parzival. Mitten drinnen liegt die richtige Entwicklung des Menschen, insofern sein astralischer Leib in Betracht kommt. Dieser astralische Leib strebt also danach, in sich die Kräfte des Egoismus zu entwickeln. Wenn er aber in diesen Egoismus persönliche Interessen hineinbringt, dann wird er angefressen; er wird gleichsam, während er sich über die ganze Erde ausdehnen sollte, zusammengeschrumpft auf die einzelne Persönlichkeit. Das darf nicht sein! Denn wenn es geschieht, wird durch die Wirkung der Persönlichkeit, die ihren IchAusdruck im Blute findet, die ganze menschliche Persönlichkeit verwundet: man irrt nach der Amfortasseite ab. Des Amfortas Grundfehler besteht darin, daß er in die Sphäre, wo der Astralleib sich die Berechtigung erworben haben sollte, Egoist zu sein, daß er in diese hinaufträgt dasjenige, was noch an persönlichen Begierden und Wünschen im Menschen sein kann. In dem Augenblick ist es heillos, wenn man in die Sphäre, wo der astralische Leib von den persönlichen Interessen sich lösen sollte, persönliche Interessen mit- nimmt; dann ist man der verwundete Amfortas.
Aber auch die andere Abirrung kann zum Unheil führen und führt nur dann nicht zu Unheil, wenn die Wesenheit, die diesem Unheil ausgesetzt ist, in solche Unschuld getaucht ist wie Parzival. Parzival sieht den Heiligen Gral wiederholt vorübergetragen werden. Er begeht gewissermaßen ein Unrecht. Jedesmal wenn der Heilige Gral vorübergetragen wird, hat er die Frage auf den Lippen, für wen eigentlich diese Speise sei; er fragt aber nicht, und zuletzt ist das Mahl fertig, ohne daß er gefragt hat. Daher muß er abziehen nach diesem Mahle, ohne daß er die Möglichkeit hat, etwas Zurückgelassenes noch zu holen. Es ist wirklich so, wie wenn der noch nicht völlig reife Mensch einen Augenblick das Hellsehen hätte in der Nacht, wie wenn er wie durch einen Abgrund getrennt wäre von dem, was in der Burg seiner Leiblichkeit enthalten ist, und er einen Blick hineintun würde, dann aber, ohne daß er die entsprechende
Erkenntnis gewonnen hätte, das heißt ohne daß er die Frage getan hat, würde alles sich ihm wiederum schließen. Er würde, auch wenn er dann erwachte, nicht wieder in diese Burg hineinkommen können. - Was versäumt eigentlich Parzival?
Wir haben gehört, was der Heilige Gral enthält. Er enthält das, wovon sich das physische Instrument des Menschen auf der Erde nähren muß als dem Extrakt, dem rein mineralischen Extrakt, der aus allen Nahrungsmitteln gewonnen wird und der sich verbindet im edelsten Teil des menschlichen Gehirns mit den edelsten Sinneseindrücken, Eindrücken, die durch die Sinne in uns hineinkommen. Ja, wem soll diese Speise gereicht werden? Eigentlich soll sie gereicht werden - das zeigt sich uns, wenn wir aus der exoterischen Dichterdarstellung in die esoterische Mysteriendarstellung eintreten -, eigentlich soll sie gereicht werden demjenigen Menschen, der ein Verständnis gewonnen hat für das, was den Menschen reif macht, wirklich nach und nach bewußt sich zu dem zu erheben, was dieser Heilige Gral ist. Wodurch erlangt man denn die Fähigkeit, sich bewußt zu erheben zu dem, was der Heilige Gral ist?
Es wird in der Dichtung gleichsam mit Fingern darauf hin- gedeutet, für wen eigentlich der Heilige Gral ist. Wenn man eingeht auf die Mysteriendarstellung der Gralslegende, dann sogar noch ganz besonders. In der ursprünglichen Gralslegende ist der Beherrscher der Burg ein Fischerkönig, ein König über ein Fischervolk. Ein anderer war auch mit einem Fischervolk zusammen, der nur nicht König dieser Fischer sein wollte, sondern etwas anderes unter diesen Fischern; der es verschmäht hat, wie ein König über Sie zu herrschen, der ihnen etwas anderes gebracht hat als der herrschende König: der Christus Jesus. Hingedeutet wird also darauf, daß die Abirrung beim Fischerkönig - denn das ist eigentlich Amfortas in der ursprünglichen Legende -, daß diese Abirrung beim Fischerkönig diejenige ist, welche nach der einen Seite geht. Er ist sozusagen doch nicht ganz würdig, durch den Gral wirklich das Heil zu empfangen. Er ist es aus dem Grunde nicht, weil er mit Machtmitteln beherrschen will sein Fischervolk; er läßt nicht nur
den Geist unter diesem Fischervolke walten.
Parzival ist zunächst nicht so weit innerlich offen, daß er in selbstbewußter Weise fragt: Wozu der Gral? - Was braucht es nun? - Bei dem Fischerkönig brauchte es, daß er sein persönliches Interesse abtötete und sein Interesse so weit machte wie das Interesse der allgemeinen Menschheit bei dem Christus Jesus. Bei Parzival ist notwendig, daß er hinaufhebt sein Interesse über das bloß unschuldige Anschauen zum innerlichen Verstehen dessen, was in jedem Menschen dasselbe ist, was der ganzen Menschheit zukommt, die Gabe des Heiligen Gral. So schwebt in einer wunderbaren Weise zwischen Parzifal und Amfortas oder dem ursprünglichen Fischerkönig mitten drinnen das Ideal des Mysteriums von Golgatha. Und es wird in zarter Weise so angedeutet gerade an der entscheidenden Stelle der Legende, daß auf der einen Seite der Fischerkönig zuviel Persönlichkeit bis in die Sphären des astralischen Leibes mitgenommen hat und auf der anderen Seite Parzival steht, der noch zu wenig allgemeines Welteninteresse dort hinaufgetragen hat, der noch zu naiv, zu wenig fühlend ist mit dem allgemeinen Welteninteresse. Das ist gerade auch das ungeheuer Pädagogische der Gralslegende, daß sie so in die Seelen hereinwirken konnte bei den Schülern des Heiligen Gral, daß man etwas vor sich hatte wie eine Waage: auf der einen Seite das, was bei Amfortas war, und auf der anderen das, was bei Parzifal war; daß man dann wußte, das Gleichgewicht ist herzustellen. Wenn der astralische Leib seinem ureigensten Interesse folgt, wird er sich hinaufheben zu jenem Horizont allgemeinster Menschlichkeit, der dann erreicht wird, wenn zur Wahrheit das Wort gemacht wird: Wo zwei in meinem Namen vereinigt sind, bin ich mitten unter ihnen, gleichgültig, wo in der Erdenentwicklung diese zwei sich finden.
Ich bitte Sie, gerade in diesem Punkte ja nicht einen Teil für das Ganze zu nehmen, sondern die heutige und morgige Betrachtung durchaus zusammenzunehmen, denn der einzelne Teil kann Mißverständnisse hervorrufen; aber es ist durchaus notwendig, daß an diesem Punkte der menschliche Astralleib in seiner Entwicklung zum Horizont der Menschheit hinaufgehoben werde in einer ganz besonderen Weise, so daß allgemeinste Menschheitsinteressen seine
Interessen werden, daß er sich beleidigt, verletzt, trauernd fühlt in sich selber, wenn irgendwo die Menschheit verletzt wird. Dazu ist notwendig, daß der Mensch, wenn er allmählich dazu gelangt, daß sein astralischer Leib frei, unabhängig wird von den übrigen Gliedern der Menschennatur durch die esoterische Entwicklung, daß er dann sich wappnet und schützt zunächst, namentlich gegen die beliebigen Einflüsse anderer astralischer Leiber; denn wenn der astralische Leib frei wird, so ist er nicht mehr geschützt durch den physischen und Ätherleib, die gleichsam eine feste Burg sind für den astralischen Leib. Er ist frei, er wird durchlässig und es können sehr leicht die Kräfte, die in anderen Astralleibern sind, in ihn herein- wirken. Stärkere Astralleiber als der eigene können da Einfluß gewinnen auf ihn, wenn er sich nicht wappnen kann durch seine eigenen Kräfte. Es wäre verhängnisvoll, wenn jemand ganz bis zur freien Handhabung seines astralischen Leibes hinaufkäme und so unschuldig bliebe mit Bezug auf das Verhältnis des astralischen Leibes, wie Parzival im Anfang ist. Das geht nicht; denn dann würden alle möglichen, von Astralleibern ausgehende Einflüsse auf seinen Astralleib die entsprechende Wirkung haben können.
Sehen Sie, meine lieben Freunde, in gewisser Beziehung kann auch in der äußeren, exoterischen Welt das Bedeutung haben, worauf jetzt eben hingedeutet wird. Die Menschen leben ja über die Erde hin in gewissen einzelnen Religionssystemen. Diese Religionssysteme haben ihre Kulte, sie haben ihre Ritualien. Diese Ritualien umgeben den Menschen mit demjenigen, was ja durchaus Imaginationen sind, die mit Hilfe des Astralleibes aus höheren Welten genommen sind. In dem Augenblick, wo solch eine Religionsgemeinschaft einen Menschen aufnimmt, ist er inmitten von Imaginationen, die Seinen astralischen Leib, während der Ritus auf ihn wirkt, befreien; wenigstens für kurze Augenblicke wird bis zu einem gewissen Grade der astralische Leib frei innerhalb irgendeines religiösen Ritus. Und je stärker der Ritus ist, je mehr er unterdrückt die Einflüsse des Ather- und physischen Leibes, je mehr er mit solchen Mitteln arbeitet, daß der astralische Leib emanzipiert wird, desto mehr wird während der entsprechenden Zeremonie der astralische Leib herausgelockt aus
dem Äther- und physischen Leib. Es ist deshalb auch - verzeihen Sie den Ausdruck, es könnte scheinen, als ob ich den Ausdruck mit einem gewissen Spott gebrauchen würde, es ist aber kein Spott -, es ist deshalb nirgends so gefährlich zu schlafen als in der Kirche, weil im Schlafe ohnedies schon der astralische Leib sich trennt vom physischen und Ätherleib und weil das, was im Ritus vorgeht, eben sich einnistet in den astralischen Leib; denn er ist mit Hilfe von astralischen Leibern aus den höheren Welten herabgenommen. Also der sogenannte Kirchenschlaf, der ja in manchen Gegenden bei vielen eine sehr beliebte Sache ist, der sollte eigentlich vermieden werden. Es handelt sich da mehr um Kirchen, die einen Ritus haben, weniger um diejenigen Religionsgemeinschaften, die vermöge der Anschauungen der Neuzeit schon von einem gewissen Ritus abgekommen sind oder auf ein Minimum eines Ritus sich beschränken. Hier werden diese Dinge nicht besprochen mit irgendeiner Vorliebe oder Nichtvorliebe für dieses oder jenes Bekenntnis, sondern rein nach Maßgabe der objektiven Tatsachen. Wenn der Mensch also seinen Astralleib von den übrigen Gliedern der Menschennatur emanzipiert hat, so haben auf ihn leicht die Impulse, die Kräfte Einfluß, die wiederum mit Hilfe von Astralleibern gewonnen sind. Und hier liegt auch die Möglichkeit, daß eine Persönlichkeit, die zur freien Benutzung ihres Astralleibes gekommen ist, wenn sie stärker ist als eine andere, die auch in gewisser Weise ihren Astralleib emanzipieren kann, daß die erste Persönlichkeit auf die zweite einen ungeheuren Einfluß gewinnen kann. Es ist dann förmlich wie ein Übertragen der Kräfte des einen Astralleibes der stärkeren Persönlichkeit auf den der schwächeren Persönlichkeit. Und wenn man dann hellseherisch die schwächere Persönlichkeit betrachtet, so trägt sie in ihrem Astralleibe eigentlich ganz die Bilder und Imaginationen der stärkeren astralischen Persönlichkeit.
Sie sehen, wie notwendigerweise die Moral wachsen muß auf einem Boden, auf dem der Okkultismus gepflegt werden soll; denn man kann natürlich nicht den Okkultismus pflegen, ohne daß man in Wirklichkeit anstrebt, die Astralleiber zu emanzipieren von den übrigen Gliedern der Menschennatur. Das Verderblichste ist aber,
wenn auf dem Felde des Okkultismus die stärkeren Persönlichkeiten noch irgendwie nach Macht für ihre persönlichen Interessen und persönlichen Intentionen streben. Berechtigt, auf okkultem Felde zu wirken, sind eigentlich nur diejenigen Persönlichkeiten, die vollständig darauf verzichten, irgendwelchen persönlichen Einfluß zu haben, und das größte Ideal desjenigen Okkultisten, der etwas Berechtigtes erreichen soll, ist, durch seine Persönlichkeit gar nichts erreichen zu wollen; das, wofür er persönliche Sympathien oder Antipathien hat, möglichst von alledem auszuschalten, was er wirken will. Wer daher Sympathien oder Antipathien für dieses oder jenes hat und okkult wirken will, der muß diese Sympathien und Antipathien sorgfältig sozusagen für sein allerprivatestes Feld nur zusammentragen und auf seinem allerprivatesten Feld gelten lassen; er darf jedenfalls auf dem Boden, auf dem eine okkulte Bewegung blühen soll, nichts von diesen persönlichen Antipathien und Sympathien selber hegen und pflegen. Und so paradox es eigentlich klingt, so kann man doch sagen: Das Gleichgültigste für den okkulten Lehrer ist eigentlich für ihn seine Lehre, das Allergleichgültigste die Lehre, die er ja schließlich wirklich nur nach seinen Talenten und Temperamenten geben kann. Sie wird nur eine Bedeutung haben, wenn ihm an der Lehre als solcher nicht eigentlich irgendwie persönlich etwas Iiegt, sondern lediglich so viel liegt, als diese Lehre Seelen helfen kann. Daher wird auch kein okkulter Lehrer jemals einem Zeitalter etwas von seinen Kenntnissen aufdrängen, wenn er weiß, daß dieser Teil der Kenntnisse für dieses Zeitalter nichts taugt, daß er nur für ein anderes Zeitalter tauglich sein könnte. Dies alles kommt in Betracht, wenn von der eigenartigen Natur des Astralleibes unter dem Einfluß okkulter Entwicklung gesprochen wird.
In unserem Zeitalter, schon als es sich vorbereitete und wie es sich weiterentwickelt hat, gibt es noch eine Komplikation. Was ist denn das Wesentliche unseres Zeitalters? Unser Zeitalter ist das der Entwicklung der Bewußtseinsseele. Nichts ist so sehr verknüpft mit dem Egoismus, der an die engsten, persönlichsten Interessen herandringt, als die Bewußtseinsseele. Daher gibt es in keinem Zeitalter
eine solche Versuchung, die persönlichsten Interessen mit den allgemeinen Menschheitsinteressen zu verwechseln, wie in unserem Zeitalter. Dieses Zeitalter mußte ja allmählich die Menschheitsinteressen gleichsam zusammenziehen in das menschliche Ich herein, nämlich in den Teil des menschlichen Ich, der die Bewußtseinsseele ist. Wir sehen, wie sich gegen unser Zeitalter hin die menschlichen Interessen nach dem Punkt des Ich, nach dem Punkt der Egoität zusammendrängen. In . dieser Beziehung ist ungeheuer lehrreich, wenn man sich einmal tiefernst fragt, ob so etwas, wie es zum Beispiel schon der heilige Augustinus in seinen Konfessionen geschrieben hat, jemals möglich gewesen wäre im alten Griechenland.
Das wäre absolut ausgeschlossen gewesen. Der Grieche war seiner ganzen Natur nach so, daß sein Inneres mit dem Äußeren in einem gewissen Einklang stand, so daß äußere Interessen zugleich innere Interessen waren und innere Interessen nach dem Äußeren übergriffen. Nehmen Sie die ganze griechische Kultur: Sie ist so, daß man noch ein gewisses Verknüpftsein des menschlichen Innern mit dem Äußern überall voraussetzen muß. Man versteht erst die griechische Kunst, die griechischen Tragiker, die griechischen Geschichtsschreiber und Philosophen, wenn man weiß, wie bei den Griechen noch das Seelische ergossen war in das Äußere und das Äußere sich wie selbstverständlich zusammenfügte mit dem Innern. Damit vergleiche man so etwas wie die Konfessionen des Augustinus. Alles lebt für ihn,ö in seinem Inneren sucht er, gräbt er, forscht er. Man versuche da die ganze persönliche individuelle Note in den Schriften des Augustinus überall zu verfolgen; man wird sie finden. Man muß sagen: Augustinus lebt lange vor dem Hereinbrechen unseres Zeitalters; aber er bereitet es vor; er ist der Geist, in dessen Schriften wir, lange vor dem Sonnenaufgang, die erste Morgenröte des Zeitalters finden, das ganz auf die Bewußtseinsseele zugeschnitten ist. In jeder Zeile des Augustinus ist das wahrzunehmen, und jede Zeile des Augustinus unterscheidet sich für ein feineres Fühlen von alledem, was im alten Griechentum möglich war.
Und jetzt, wenn man das weiß: Augustinus lebt entgegen dem Zeitalter, in dem die Egoität, die Beschäftigung des Menschen mit
seinem eigenen Innern schon innerhalb des physischen Leibes wie eine Art Charakter dieses Zeitalters wird, dann kann man begreifen, daß derjenige, der wie Augustinus wiederum weitere Interessen daneben hat und hinsieht zu dem gesamten Entwicklungsgang der Menschheit, daß der ein richtiges Schaudern bekommt, wenn an ihn herantritt eine Menschenwesenheit, die ahnen läßt, daß bei einer gewissen Entwicklung nach der Höhe hinauf der Astralleib naturgemäß zu einer Art Egoismus kommen muß. Augustinus geht rein und edel und groß auf die Egoität los. Man möchte sagen, selbstlos geht er auf die Egoität los. Aber er gerät in das Zeitalter hinein, wo die Menschheit sich losgelöst hat von den großen Interessen des Außeren. Man bedenke, wie noch im dritten nach- atlantischen Zeitraum jeder ägyptische Mensch seinen Blick hinauf- richtete nach den Sternenwelten und in den Sternen menschliche Schicksale las, - wie da die Seele verbunden war mit allgemeinen Interessen. Das konnte man natürlich nur erreichen, als der Mensch noch fähig war, seinen Astralleib gesonderter im alten elementaren Hellsehen zu erhalten von dem physischen Leib. Daher mußte Augustinus schaudern, wenn ihm ein Mensch gegenübertrat, der ihn gleichsam erinnerte: mit einer höheren Entwicklung wächst zunächst der Egoismus! Das kann er begreifen, das fühlt er, das gibt ihm sein Instinkt: er lebt ja dem Zeitalter der Egoität entgegen. Da fühlt er, indem ihm ein Mensch gegenübertritt, der eine Höherentwicklung darstellt über diejenige im physischen Leib hinaus: es geht gegen den Egoismus zu. Und er kann zugleich nicht begreifen, daß dieser Mensch noch herüberbringt ein allgemeinmenschliches Interesse.
Versuchen Sie, diese Empfindung zu gewinnen, wie Augustinus gegenübersteht nach seinem eigenen Bekenntnis dem Manichäerbischof Faustinus - denn ihn habe ich geschildert. Als er diesem gegenüberstand, da empfand Augustinus, was ein Mensch empfinden kann, der sozusagen dem Zeitalter des Egoismus in edler Weise entgegengeht und nur durch die innere Kraft dieses Zeitalter schützen will gegen den Egoismus und der sich abwenden muß von einem Menschen, wie der Manichäerbischof Faustinus einer war. Er
wendete sich ab von ihm, weil er ihm dasjenige darstellte, was wie etwas, das man nicht anrühren soll, erscheint; denn er birgt etwas in sich, wofür das Zeitalter der Egoität nimmermehr Verständnis finden kann im exoterischen Leben. Es tritt also dem Kirchenvater Augustinus der Manichäerbischof Faustinus gegenüber. Ihm, der dem Zeitalter der Bewußtseinsseele entgegengeht, tritt eine menschliche Wesenheit gegenüber, die in der Art, wie so etwas bewahrt werden kann in einer okkulten Weltenströmung, den Zusammenhang mit der geistigen Welt bewahrt und damit die Grundeigenschaft des astralischen Leibes, vor welcher dem Augustinus schaudert, von seinem Gesichtspunkt aus mit Recht schaudert.
Gehen wir ein paar Jahrhunderte weiter. Da tritt uns entgegen an der Universität in Paris ein Mensch, der in der Literatur wenig bekannt geworden ist, denn was er geschrieben hat, gibt keine Vor- stellung seiner Persönlichkeit. Was er geschrieben hat, erscheint pedantisch, aber persönlich muß er großartig gewirkt haben; persönlich scheint er vor allen Dingen gewirkt zu haben so, daß er gleichsam in seine ganze Umgebung etwas wie eine Erneuerung griechischer Weltanschauung hereingebracht hat. Der rechte Renaissancemensch war er. Er starb 1518 und wirkte bis dahin an der Pariser Universität. Diese Persönlichkeit, sie verhielt sich sozusagen zu dem Wesen des Griechentums - wenn auch viel exoterischer -, wie sich der Manichäerbischof Faustinus zu dem Manichäertum verhielt, das ja vor allen Dingen in seine Traditionen neben vielem übrigen alle guten und großen Seiten der dritten nachatlantischen, der ägyptisch.chaldäischen Kulturperiode aufgenommen hatte.
Es gibt also diesen Manichäerbischof Faustinus, der uns im Zusammenhang mit Augustinus entgegentritt und der dadurch, daß er Manichäer ist, sich gerade die okkulten Untergründe der dritten nachatlantischen Kulturperiode bewahrt hat. 1518 stirbt in Paris ein Mensch, welcher gewisse - wenn auch exoterisch -, gewisse Seiten des Untergrundes der vierten nachatlantischen Kulturperiode her- überträgt. Dadurch war er unheimlich denjenigen, die im traditionellen Christentuui dazumaI in seiner Umgebung wirkten. Die Mönche betrachteten ihn als ihren Todfeind, aber er machte einen großen
Eindruck auf Erasmus von Rotterdam, als sich dieser in Paris auf- hielt. Nur kam es Erasmus von Rotterdam vor, als wenn die äußere Umgebung schlecht taugen würde zu demjenigen, was eigentlich im Innern dieser merkwürdigen Seele lebte. Und als Erasmus wiederum wegreiste und nach England gegangen war, schrieb er einmal an denjenigen, der mittlerweile sein Freund geworden war, er möge sich doch von seinem physischen Leib, in dem das Podagra herrschte, einmal freimachen und möge in der Luft nach England fliegen, da wäre an Boden viel mehr in der äußeren Umgebung zu finden für das, was er in seiner Seele empfinde. Daß in einer anschaulichen Weise diese Persönlichkeit, die dazumal gewirkt hat, erstehen lassen konnte griechisches Fühlen, griechisches Empfinden, das geht uns insbesondere hervor, wenn wir das Verhältnis des feinsinnigen Erasmus von Rotterdam zu dieser Persönlichkeit ins Auge fassen. So lebte - man möchte sagen - gerade am Ausgangspunkt des Zeitalters der Egoität diese Persönlichkeit, die da 1518 in Paris starb, so lebte sie als ein Feind derer, welche anpassen wollten das Leben der Menschenseelen dem Zeitalter der Egoität und welche eine Art von Schauder empfanden gegenüber einer solchen Seele, die deshalb so wirken konnte, weil sie ein anderes Zeitalter, wo sozusagen der Mensch näherstand der Egoität des astralischen Leibes, das griechische Zeitalter heraufzaubern wollte. Auf Erasmus von Rotterdam wirkte diese Persönlichkeit durchaus sympathisch. Diese Persönlichkeit wurde geheißen Faustus Andrelinos.
Im 16. Jahrhundert hatte man es in Mitteleuropa mit einer Persönlichkeit zu tun, welche wie eine Art fahrender Sänger hingestellt wird, von der das entsprechende Volksbuch erzählt, daß sie sich abwandte von der traditionellen Theologie. Diese Persönlichkeit wollte sich hernach keinen Theologen mehr nennen, nannte sich den Weltmenschen und Mediziner, legte die Bibel eine Weile unter die Bank und befaßte sich mit dem Studium der Natur. Nun ist auch das Studium der Natur gerade in dem Zeitalter, wo der Übergang von allem möglichen Alten zu allem möglichen Neuen stattfand, so, daß es dem Menschen ebenso wie das Manichäertum, wie das alte Griechentum, die astralische Egoität nahebringt. So brachte
die astralische Egoität nahe das, was dazumal an der Grenzscheide stand der alten Alchemie tind der neuen Chemie, der alten Astrologie und der neuen Astronomie und so weiter. Dieses eigentämliche Flimmern und Schimmern der Naturwissenschaft zwischen dem alten und dem neuen Standpunkt, das brachte den Menschen nahe, wenn er die Bibel eine Weile unter die Bank legte, einer solchen Astralität, wo man sich auseinanderzusetzen hat mit der Egoität. Kein Wunder, daß es diejenigen schauderte, die mit ihren Traditionen zurechtkommen wollten mit dem Zeitalter der Egoität, wo die Bewußtseinsseele schon vollständig ihren Aufgang gefunden hatte. Und es entstand in Mitteleuropa die Sage von dem dritten Faust, von dem Johannes Faust, auch Georg Faust genannt, der ja eine wirkliche historische Persönlichkeit gewesen ist. Und das 16. Jahr. hundert schweißte zusammen allen Schauder vor der Egoität des astralischen Leibes, indem sie die drei Fauste, den des Augustinus, den des Erasmus und den Faust Mitteleuropas in eine Gestalt zusammenfügte, in jene Gestalt des mitteleuropäischen Volksbuches, die dann auch der Faust des Marlowe wird. Aus diesem Faust machte Goethe mit völliger Umkehrung seinen Faust, in welchem er uns klarmachen will: es gibt die Möglichkeit, nicht zu schaudern vor dem Träger dessen, der einem nahebringt die Astralität, sondern ihn besser zu verstehen, so daß er eine Entwicklung zeigen kann, so daß wir aussprechen können das Wort: «Wir können ihn erlösen.» Ganze Zeitalter setzten sich auseinander mit der Frage der Egoität des astralischen Leibes, und in ganzen Legendendichtungen, ja auch in der Historie klingt nach des Menschen Schaudern vor der Egoität des astralischen Leibes und des Menschen Sehnsucht, das Problem dieses astralischen Leibes in der richtigen Weise zu lösen so, wie es der weisen Führung der Welt und der esoterischen Entwicklung der einzelnen Seele entspricht.
ACHTER VORTRAG Den Haag, 27. März 1913
Wenn man an die Vorgänge im astralischen Leib und im Selbst des Menschen herantritt, insofern sie erfahren, erlebt werden durch eine okkulte Entwicklung, so wird die Schilderung immer schwieriger. Denn man entfernt sich mit dem Erleben in diesen Gliedern der Menschennatur sehr weit von dem, was man gewohnt ist zu erleben im alltäglichen Dasein. Im gewöhnlichen Seelenleben, da ist es ja so, daß man als sein Innenleben allerdings empfindet das Leben im astralischen Leibe in den auf- und abflutenden Leidenschaften, Affekten, Trieben, Begierden und so weiter; daß man auch als sein Innenleben empfindet dasjenige, was seinen Ausdruck findet in der Zusammenfassung im Ich. Allein, was man so erlebt, das ist ja doch nichts anderes als der Widerschein, die Spiegelung des Selbstes und des astralischen Leibes am Ätherleib und am physischen Leib, das ist kein bewußtes Miterleben des astralischen Leibes und des Selbstes. Und man kann durch das, was man im gewöhnlichen Seelenleben hat, überhaupt keine rechte Vorstellung gewinnen von dem eigentlichen Erleben innerhalb der höheren Welten im astralischen Leib und im Selbst. Daher muß man, wenn man diese Dinge schildert, die Zuflucht nehmen zu einer solchen Art der Darstellung, die naturgemäß ist für diese höheren Welten, man muß die Zuflucht nehmen zu Imaginationen; und diese Imaginationen werden ja auch in der Wirklichkeit erlebt. Allein Sie müssen sich, meine lieben Freunde, nicht vorstellen, daß das Anschauen, gleichsam das Hinstarren auf die hellseherischen Imaginationen das einzige ist, was man erlebt; es ist gewissermaßen nicht einmal die Hauptsache; die Hauptsache ist das, was man innerlich dabei mitmacht, was die Seele an Vorgängen und inneren Prüfungen durchmacht, wenn sie diesen Imaginationen gegenübersteht.
Und so ist es denn auch namentlich solch bedeutsamen, gewaltigen Imaginationen gegenüber, wie diejenige eine ist, die geschildert
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worden ist in der Paradieses-Imagination. Wer diese ParadiesesImagination wirklich erlebt, wer sie also als eine Errungenschaft des höheren Erlebens vor sich haben kann, der fühlt sich mitten drinnenstehend in einem inneren Seelenwogen, er fühlt sich ergriffen von einem inneren Seelenwogen und fühlt, wie er gewissermaßen nach den zwei gestern bezeichneten Richtungen abirren kann. Wie er angezogen wird, lebendig angezogen wird von all den Leidenschaften, Affekten, die aus dem persönlichen Leben, das man eben einmal auf dem physischen Plan führt, nachwirken - denn wie hundert und aber hundert magnetische Anziehungskräfte wirken immer stärker und stärker die persönlichen Interessen, die man sich nach und nach herangezogen hat auf dem physischen Plan -, auf der anderen Seite aber fühlt man noch etwas anderes. Je mehr man in die Nähe kommt, je deutlicher diese ParadiesesImagination zu sehen ist, desto mehr Stärke gewinnen diese Kräfte, die einen zu den persönlichen Interessen herunterziehen, und das, was sie an einem bewirken, das ist: sie löschen einem immer mehr und mehr diese Paradieses-Imagination aus, oder besser gesagt, Sie lassen Sie gar nicht richtig entstehen, man wird wie betäubt. Was man da mitschleppt an persönlichen Interessen, Affekten, Gefühlen und Empfindungen und so weiter, das sind ebenso viele Hunderte und aber Hunderte von magnetischen Kräften, wie sie auf der anderen Seite Betäubungsmittel sind. Und dann, wenn man versucht, seine Selbsterziehung so weit zu bringen, daß man den astralischen Leib sozusagen immer mehr in Wahrheit betrachtet - man ist ja, wenn man diese Paradieses-Imagination hat, außerhalb seines physischen und ätherischen Leibes, also man ist in seinem astralischen Leib und Ich -, wenn man erfaßt hat die Natur Und den Charakter des Astralleibes, dann weiß man: der ist der Egoist. Und der ist nur gerechtfertigt an dieser Stelle, die man da durch Selbsterziehung erlangt hat, wenn er in seine egoistischen Interessen nicht das Persönliche zu Seinem Wesen macht, das dann mit den hundert und aber hundert Kräften kommt, sondern wenn er immer mehr die ganz allgemeinen Menschheits- und Weltinteressen zu den seinigen machen kann. Man fühlt nämlich wie ein Gegengewicht an
dieser Stelle der okkulten Entwicklung gegen den Egoismus des astralischen Leibes ein anderes, das immer mehr und mehr herauf- kommt, je mehr sozusagen die egoistischen Kräfte sich regen in dem freigewordenen astralischen Leibe. Man fühlt immer mehr Einsamkeit, eisige Einsamkeit. Das gehört auch zu dem, was man im innerlichen Wogen erlebt, die eisige Einsamkeit. Und diese eisige Einsamkeit, die ist es, die einen kuriert von dem Überhandnehmenlassen des Egoismus, und man hat sich richtig erzogen, wenn man an diesem Punkt der okkulten Entwicklung nebeneinander fühlen kann den Trieb, alles durch sich und für sich zu sein, aber wenn man auch die frostige Einsamkeit an sich herankommen fühlt.
Es ist ebenso wichtig, dieses GefühI zu haben, wie allmählich sich der Paradieses.Imagination zu nähern. Und wenn diese beiden Kräfte, der Egoismus, der sich zu Weltinteressen ausdehnt, und die frostige Einsamkeit zusammenwirken, dann nähert man sich immer mehr und mehr der Paradieses-Imagination. Und wenn diese aufgetreten ist mit der entsprechenden Lebendigkeit, wenn sie wirklich da ist, dann ist auch der Zeitpunkt gekommen, wo man in der ganz richtigen Weise die Begegnung mit dem Hüter der Schwelle` erlebt. Es ist schwierig, diesen Hüter der Schwelle auf einmal zu charakterisieren - ich habe es ja an verschiedenen Stellen unserer Betrachtungen getan. Heute soll es weniger darauf ankommen, diesen Hüter der Schwelle zu charakterisieren, als das innere Erleben ari den menschlichen Hüllen und an dem menschlichen Selbst. Kommt man also nahe der Paradieses-Imagination, daß heißt, wird sie immer lebendiger und lebendiger und begegnet man dann dem Hüter der Schwelle, dann fühlt man erst recht stark die geschilderten magnetischen Kräfte, und indem man dem Hüter der Schwelle gegenübersteht, fühlt man sich - und das ist eine furchtbar erschütternde Empfindung - wie gefesselt, wie gebannt. Denn alle diese magnetischen Kräfte, die einen in das Persönliche hinunterziehen, die üben jetzt ihren stärksten Einfluß aus; und nur wenn man es so weit gebracht hat, wenn einem die frostige Einsamkeit so zum Erzieher geworden ist, daß man imstande ist, wirkliche Weltinteressen zu seinen Interessen zu machen, dann kommt man vorbei an dem
Hüter der Schwelle. Und dann kann man das fühlen, was man nennen kann: Man vereinigt sich mit der Paradieses-Imagination, man wird eins mit ihr. Man fühlt sich dann drinnen in ihr. Dieses Erlebnis, sich drinnen zu fühlen, das ist wie ein Gerechtfertigt-sichFühlen in den Welteninteressen, so daß man sich gestehen darf: Ja, du darfst deine eigenen Interessen geltend machen, denn sie sind jetzt die Welteninteressen. - Wenn man aber nicht vorbeikommt, wenn man noch nicht allgemeine Interessen genug gewonnen hat, dann ziehen einen die persönlichen Interessen zurück, und dann tritt das ein, was man im Okkultismus nennt: man kommt nicht an dem Hüter der Schwelle vorbei. Dann verdunkeln diese persönlichen Interessen die Paradieses.Imagination; dann gewinnt man sozusagen einzelne Stücke aus derselben, gewinnt undeutliche Eindrücke, aber nicht vollständige, und man wird wie zurückgerissen wiederum in das persönliche Leben. Aber es kann dann der Fall eintreten, daß man bis zu einem gewissen Grade die Möglichkeit erhalten hat, hellseherische Erlebnisse zu haben. Diese hellseherischen Erlebnisse sind dann erst recht Maja-Erlebnisse, die können ganz irrtümlich Sein; denn sie sind überall durchzogen und benebelt von den persönlichen Interessen.
Durch solch ein Erlebnis wird es einem erst völlig begreiflich, wird es einem erst sozusagen ernst, wie die persönlichen Interessen in Welteninteressen übergegangen sein müssen, wenn man wirklich Richtiges sehen will in der geistigen Welt. Es ist tatsächlich so, daß man es vorher nicht recht glauben kann, da ja die persönlichen Interessen gegen diesen Glauben sprechen; aber an der geschilderten Stelle merkt man es schon.
Wir befinden uns sozusagen hier, meine lieben Freunde, an einer recht gewagten Stelle der Schilderung okkulter Verhältnisse. Dennoch soll versucht werden, auch die nächsten Schritte zu bezeichnen in einer solchen Weise, wie sie sich da aus der Erfahrung des Okkultisten ergeben und wie sie gegeben werden müssen, wenn darauf gerechnet werden soll, daß die Zuhörer versuchen, diese Dinge in einer gewissen Weise zum Eigentum ihrer Seelen zu machen, sie weiterzuverarbeiten. Denn in trockenen abstrakten Begriffen kann
man diese Dinge nicht geben; man muß versuchen, nachzuzeichnen, was sich dem hellseherischen Anschauen ergibt. Nun ist dieses hellseherische Anschauen nicht etwa so zu verstehen, daß es sozusagen mit starrer schematischer Notwendigkeit gezeichnet werden kann; aber das, was ich schildern werde, ist wiederum ein typisches Erlebnis wie das Paradieseserlebnis, und man muß eigentlich dieses Erlebnis haben, um nachher erkennen zu lassen, was eigentlich Erkenntnis ist und was eigentlich okkultes Schauen ist. Vorher kann man keinen richtigen Begriff haben, ich meine keinen erlebten Begriff von okkultem Schauen. Man kann aber, wenn einem solche Dinge geschildert sind, selbst solche Dinge noch verstehen, wenn man den gesunden Menschenverstand anwendet. Aber es muß einmal geschildert werden, wie es eben geschildert werden kann aus der Schauung heraus.
Ich nehme hypothetisch an, ein Mensch sei an dem Hüter der Schwelle vorbeigekommen, hätte gefeiert Seine Vereinigung mit der Paradieses-Imagination, fühlte sich so darinnen, wie wenn diese Paradieses-Imagination jetzt seine eigene größere astralische Hülle geworden wäre. Also so, daß er zwar seinen astralischen Leib an sich genau noch empfindet, daß er weiß: der ist mit seinem Selbst zusammenhängend; aber daß dieser astralische Leib zugleich seine Interessen nach alledem ausdehnt, was die Dinge und Wesenheiten der Paradieses-Imagination angeht. Wenn der Mensch diese Vereinigung mit der Paradieses-Imagination gefeiert hat, dann kann er etwa den folgenden Eindruck haben: Er wird seinen eigenen astralischen Leib als zu ihm gehörig wahrnehmen, und wenn er genugend gefühlt hat das, was eben als frostige Einsamkeit geschildert worden ist, so wird dieses Gefühl in ihm eine Kraft sein, und dieses Gefühl frostiger Einsamkeit wird ihn davor bewahren, nur sich selber zu schauen, wenn er die Vereinigung mit der ParadiesesImagination gefeiert hat. Er wird dadurch gleichsarn das Organ sich schaffen, andere Wesenheiten zu schauen. Sein okkulter Blick wird zunächst fallen auf eine andere Wesenheit, auf eine Wesenheit, die auf ihn dadurch einen besonderen Eindruck machen wird, daß sie ihm ähnlich so erscheinen wird, wie er selber ist. Er selber fühlt
sich in seinem Selbst und seinem astralischen Leibe; das andere Wesen wird ihm zunächst auch mit einem Selbst und einem astralischen Leibe erscheinen. Die Sache kommt davon her, weil die Eigenschaften und Kräfte, die sich der Mensch mitbringt für einen solchen Augenblick, es bewirken, daß er gerade solch ein Wesen schauen kann, welches sich wie in einem Selbst und in einem astralischen Leibe darstellt. - Nun wird der Mensch folgendes fühlen, und dieses Fühlen wird bewirkt durch die frostige Einsamkeit, die er ertragen gelernt hat.
Sein astralischer Leib wird sich in seinen Kraftwirkungen so dar- stellen, als wenn er nach aufwärts strömen wollte. Wenn ich schematisch das darstellen wollte, so müßte ich es so zeichnen - aber wie gesagt, ich mache nur eine ganz schematische Zeichnung -:
Das Selbst zeichne ich wie einen Kometenkern und den astralischen Leib wie einen nach oben ausschweifenden Kometenschweif. Aber das ist schematisch; denn man schaut ein Wesen, man schaut sich selber als ein Wesen - und das Anschauen ist viel komplizierter als das Anschauen des eigenen Wesens als physischer Mensch. Das andere Wesen, zu dem man hinüberschaut, sieht man auch in sei- nem Selbst - wie gesagt, es ist das ein typisches Erlebnis, es ist so gemeint, daß einfach der Blick zuerst auf ein solches Wesen fällt -, aber man fühlt: Dieses Wesen steht nicht in einer solchen Sphäre
frostiger Einsamkeit wie man selber, und dadurch zeigt es den astraIischen Leib wie nach abwärts gerichtet. - Es ist höchst bedeutsam, dieses zu erleben: sich selber wie in einem Astralleib fühlend, der nach oben sich öffnet, nach oben seine Kraftwirkungen entfaltet, nach oben strömen will, und den anderen, das andere Wesen erblickend wie ein Selbst, dessen Astralleib nach unten seine Kräfte entfaltet.
Nun taucht diesem typischen Erlebnis gegenüber im Selbstbewußtsein etwas auf wie: Du bist im Nachteil, du bist weniger wert als dieses andere Wesen. Das ist wertvoll an dem anderen Wesen, daß es seinen astralischen Leib nach unten öffnen kann, seine Kräfte nach unten gleichsam ergießen kann; das ist wertvoll an diesem Wesen. Und man bekommt den Eindruck, man habe ja die physische Welt verlassen, die Kräfte, welche von dem astralischen Leib des anderen nach unten gehen, die gehen nach der physischen Welt und wirken dort als Segenskräfte. Kurz, man hat den Eindruck, daß man einem Wesen gegenübersteht, das dasjenige, was es sich errungen hat in der geistigen Welt, wie einen segnenden Geistesregen nach abwärts auf die Erde schicken darf; und selber kann man Seinen astralischen Leib nicht nach abwärts dirigieren, der will nach aufwärts. Man bekommt das Gefühl, daß man dadurch weniger wert ist, weil man den astralischen Leib nicht nach abwärts dirigieren kann. Und man bekommt weiter das Gefühl: Dieses Bewußtsein, das da in dir aufgestiegen ist, muß dich zu einer geistigen Tat führen. Ein geistiger Entschluß reift. Der geistige Entschluß, welcher reift, ist der, daß man seine Einsamkeit zu diesem zweiten Wesen hinträgt und daß man seinen Frost erwärmen läßt an der Wärme des anderen Wesens, daß man sich vereinigt mit diesem anderen Wesen. Man hat einen Augenblick den Eindruck, als ob jetzt das Bewußtsein auslöschen würde, als ob man eine Art Ertötung des eigenen Wesens, wie eine Art Verbrennung des eigenen Wesens bewirkt hätte. Dann tritt das ein, was man nennen kann: es bricht in das Selbstbewußtsein, das sich wie ausgelöscht schon fühlte, etwas herein, was man jetzt erst kennenlernt: die Inspiration. Man fühlt sich inspiriert. Es ist wie ein Gespräch, wie ein typisches Gespräch,
das jetzt geführt wird mit einem Wesen, das man nur kennenlernt deshalb, weil es seine Inspiration einem zuteil werden läßt. Ist man fähig, das, was dieses Wesen als seine inspirierende Stimme hereinschickt, wirklich zu verstehen, so könnte man das, was dieses inspirierende Wesen sagt, etwa übersetzen in die Worte: Weil du den Weg zu dem anderen gefunden hast und dich vereinigt hast mit seinem Opferregen, so darfst du mit ihm, in ihm, zurückkehren zur Erde und ich werde dich auf der Erde zu seinem Hüter bestellen. Und man hat das Gefühl, daß man dadurch etwas unendlich Bedeutsames aufgenommen hat in seine Seele, daß man diese Worte hat hören dürfen, die Worte durch Inspiration. Es gibt im Geistigen ein Wesen, das wertvoller ist als man selbst, das segnend seine Astralität nach abwärts ergießen darf. Daß man sich vereinigen darf mit ihm und daß man, wenn man unten angekommen ist, sein Hüter sein darf, durch diesen Eindruck lernt man erst verstehen, wie man als physischer Mensch, der auf der Erde herumgeht, sich wirklich verhält mit seiner physischen und ätherischen Hülle zu dem, was einem als höhere Kräfte imprägniert wird in das Selbst und in den astralischen Leib. Man ist mit dem, was man als physische und ätherische Hülle hat, der Hüter desjenigen, was zu höheren Sphären sich immer weiter und weiter entwickeln soll. Und im inneren Erleben hat man eigentlich erst ein richtiges, wahres Verstehen des Verhältnisses der äußeren Hüllen zu der inneren Wesenheit des Menschen, wenn man die äußere Wesenheit als Hüter der inneren Wesenheit fühlt.
Nun aber, wenn man an dem Hüter der Schwelle vorbeigekommen ist, bleibt dieses Erlebnis, das ich hier geschildert habe, nicht allein, sondern es wird von einem anderen gefolgt. Zunächst habe ich Ihnen das rein Hellseherische und inspirierte Erlebnis geschildert, das man haben kann, wenn man außer dem physischen und Ätherleib dazu gekommen ist, mit der Paradieses-Imagination sich zu vereinigen, und dann jene Inspiration bekommen hat, die einem eigentlich erst einen Begriff gibt von dem Verhältnis der Hüllen zum Selbst. Wenn man aber an diesem Hüter der Schwelle vorbeigekommen ist, so gesellt sich zu diesem ersten Eindruck ein zweiter;
es öffnet sich gleichsam der Blick an dem Hüter der Schwelle vorbei in die physische Welt hinunter. Ich zeichne diesen Strich wie die Grenzlinie zwischen den höheren geistigen Welten und der physischen Welt, so daß da oben das Gebiet der geistigen Welten wäre und da unten das der physischen Welt.
Nun sieht man gleichsam in die physische Welt hinunter, und da tritt ein anderes Bild auf, das Bild, daß man selber hier unten als Mensch steht. Man merkt an sich seinen astralischen Leib; aber dieser astralische Leib, der sich jetzt wie im Spiegelbild zeigt, er ist nach abwärts gerichtet, er will nicht die Kraft entfalten, nach der g`eistigen Welt hinzuströmen; er bleibt gleichsam an dem physischen Plan kleben und hängen, er erhebt sich nicht nach der Höhe. Man sieht auch das Spiegelbild des anderen Wesens; dessen astralisch`er Leib strömt nach aufwärts. Man hat das Gefühl: dieser astralische
Leib strömt in die geistige Welt ein. Man sieht sich, man sieht den anderen, man hat das Gefühl: Du stehst da unten noch einmal; an der Stelle des anderen Wesens steht ein wirklich anderer Mensch da unten; es ist ein Mensch, der besser ist als du; sein astralischer Leib strebt nach oben, geht wie Rauch nach oben. Dein astralischer Leib strebt nach der Erde zu, geht wie Rauch nach unten. Man bekommt ein Gefühl von dem Selbst, das in einem drinnen lebt, indem man da hinunterschaut, und man bekommt den furchtbaren Eindruck: In dir dämmert ein Entschluß auf, ein furchtbarer Entschluß auf - der Entschluß, den anderen, den du als besser fühlst, zu töten. Man weiß: dieser Entschluß kommt nicht ganz aus dem Selbst; denn das Selbst hat man da oben. Es ist ein anderes Wesen, das da unten aus einem spricht; aber dieses gibt den Entschluß ein, den anderen zu töten. Und jetzt hört man wieder die Stimme, die vorher inspiriert hat die Inspiration, aber jetzt wie eine furchtbare rächende Stimme: «Wo ist dein Bruder? » Und es ringt sich aus diesem Selbst die Gegenstimme los zu der früheren. Früher war die Inspiration diese: Dadurch, daß du dich vereinigt hast mit den segnenden Mächten der anderen Wesenheit, wirst du mit diesen segnenden Mächten nach abwärts dich ergießen, und ich werde dich zum Hüter machen des anderen Wesens. Jetzt entringt sich diesem Wesen, das man als sich selbst erkennt, das Wort: «Ich will nicht der Hüter meines Bruders sein.» Zuerst der Entschluß, den anderen zu töten, dann der Protest gegen die Stimme, die also inspirierend war: Ich bestelle dich, weil du deine Kälte mit jener Wärme hast vereinigen wollen, zum Hüter des anderen - der Protest: Ich will nicht der Hüter sein.
Wenn man dieses imaginative Erlebnis gehabt hat, meine lieben Freunde, dann weiß man, wessen alles eine Menschenseele fähig sein kann, und dann weiß man vor allen Dingen eines: daß, wenn sie verkehrt werden in ihr Gegenteil, die edelsten Dinge der geistigen Welten zu den furchtbarsten Dingen der physischen Welt werden können. Man weiß, daß auf dem Grunde der menschlichen Seele durch Verkehrung der edelsten Opferwilligkeit der Wunsch entstehen kann, den Mitmenschen zu töten. Von diesem Augenblicke
an weiß man, was mit der Kain- und Abel-Geschichte in der Bibel gemeint ist; aber erst von diesem Momente an, denn die Kain- und Abel-Geschichte, die ist nichts anderes als die Wiedergabe eines okkulten Erlebnisses, und zwar jenes, von dem eben gesprochen worden ist. Hätte - aus anderen Gründen als denen, die da vorlagen im Laufe der Menschheitsentwicklung - hätte der Schreiber der Kain- und Abel-Geschichte schildern können dasjenige, was mit dem Menschen vorgegangen ist vor dem Zeitpunkt der Paradiesesgeschichte, so hätte er das erste (auf der Zeichnung), das obere Erlebnis geschildert. So beginnt er mit der Paradiesesgeschichte und schildert die Spiegelung; denn so fühlte der Kain dem Abel gegenüber, bevor der Zeitpunkt in der Erdenentwicklung da war, der durch die Paradiesesgeschichte angedeutet ist, so fühlte der Kain dem Abel gegenüber, wie es hier oben angedeutet worden ist. Und nach der Versuchung und nach dem Verlust jener Anschauung, die wieder errungen wird in okkultem Schauen durch die ParadiesesImagination, war bei Kain die Opferwilligkeit übergegangen in das, was hier unten auftritt. Und der Wunsch der Seele, den anderen zu töten, hatte sich in Wirklichkeit umgewandelt. Und der Ruf, der uns in der Bibel mitgeteilt wird: Soll ich denn der Hüter meines Bruders sein?, der ist das Spiegelbild der anderen Inspiration: Ich will dich hier unten auf Erden zum Hüter des anderen bestellen.
Gerade aus dieser Darstellung werden Sie ermessen, daß solche typischen Erlebnisse gewiß bedeutungsvoll sind; denn sie stellen eine gewisse Verbindung her zwischen dem, was wir heute sein können, und den allgemeinsten Menschheitsinteressen. Aber zu gleicher Zeit zeigen sie uns gerade ganz deutlich, wie in dem, was wir an ihnen erleben im auf- und abwogenden Seelenleben, die Hauptsache ist, zu empfinden, wie die Menschheitsentwicklung diesen kolossalen Sprung gemacht hat von dem, was ich Ihnen als die erste, sozusagen vorirdische Imagination geschildert habe, zu dem, was hingestellt wird in der Kain-Abel-Geschichte als Menschheitsereignis nach der Vertreibung aus dem Paradiese, nach jenerVertteibung, durch welche unsichtbar geworden ist der Hüter der Schwelle für die Menschen. Die Bekanntschaft mit diesem Sprung in der Entwicklung der
Menschheit, dies zeigt uns eigentlich erst, was dieser Erdenmensch ist; denn wenn man das, was jetzt erzählt worden ist, ganz durch- fühlt, dann erfährt man allmählich, wie dieser Erdenmensch gleichsam so, wie er hier auf die Erde gestellt ist, die Verkehrung desjenigen ist, was er einstmals war. Und ganz gewIß weiß man, was man geworden wäre, wenn nichts anderes eingetreten wäre. Würde man ohne alles andere einfach in dieser Erdenentwicklung sich entfaltet haben, dann würde man gewußt haben, wovon das auf der Erde die Widerspiegelung ist. Das durfte man zunächst nicht wissen.
Im Grunde ist erst in unserer Zeit die Möglichkeit gegeben, daß die Menschen wissen dürfen, wovon die Kain- und Abel-Geschichte die Spiegelung ist: daß sie die Spiegelung ist eines hohen Opfers. Alles das, was oben war, was vorparadiesisch war, wurde verhüllt, indem der Hüter selber es verdeckte, indem mit anderen Worten die Menschen aus dem Paradies ausgetrieben worden sind. Und das konnte nur dadurch geschehen, daß der physische und Ätherleib des Menschen nun so mit Kräften durchsetzt wurden, daß der Mensch dasjenige nicht ausführt, was sich als Spiegelbild ergibt; denn ganz gewiß würde der Mensch das ausführen, wenn er fühlen würde alles, was in dem Astralleibe ist. Der physische Leib und der Ätherleib betäuben den Menschen so weit, daß der Wunsch in ihm, den anderen zu töten, nicht Tatsache wird. Bedenken Sie, was mit diesem einfachen Satz gesagt ist: Dadurch, daß die guten fortschreitenden göttlich-geistigen Mächte den physischen und Ätherleib des Menschen ihm so gegeben haben, daß er nicht zurückschauen kann, dadurch wird zugleich etwas wie eine Art Betäubung ausgegossen über den Wunsch des Krieges aller gegen alle. Dieser Wunsch wird nicht rege in der Seele, weil des Menschen physischer und Ätherleib so zubereitet worden sind, daß dieser Wunsch betäubt wird. Der Mensch kann seinen astralischen Leib nicht schauen; daher bleibt ihm auch dieser Wunsch unbekannt, er führt ihn nicht aus.
Sehen Sie, wenn man den astralischen Leib in einer Wechselwirkung mit dem Selbst wirklich schildern will, dann muß man Dinge schildern, die nicht nur tatsächlich verborgen bleiben der
Menschennatur, sondern die verborgen bleiben müssen. Was ist denn aber dadurch geschehen, daß dieser Wunsch und ähnliche Wünsche, die auf Vernichtung, auf Zerstörung des menschlichen und sonstigen auf dem physischen Plan wirkenden Zusammenseins hingehen, übertäubt sind? Sie sind abgeschwächt; die menschliche Seele empfindet sie nur abgeschwächt, empfindet sie sozusagen nur leise. Und dieses leise Empfinden jener Wünsche, die etwas so Furchtbares wären, wenn der Mensch sie ausleben würde, so wie sie eigentlich sind, das ist die wirkliche menschliche Erdenerkenntnis.
Ich spreche hiermit zuerst die Definition aus, was die menschliche Erdenerkenntnis ist. Diese menschliche Erdenerkenntnis sind die stumpf gemachten Zerstörungstriebe: Shiva in seiner furchtbarsten Gestalt so weit abgestumpft, daß er sich nicht auslebt, sondern daß er gleichsam fadenscheinig gemacht, ausgepreßt bis zur menschlichen Vorstellungswelt geworden ist, das ist die Maja des Inneren, das ist die Erkenntnis des Menschen. So mußte die Erkenntnis abgeschwächt werden, respektive so mußten die Triebe und inneren Kräfte abgeschwächt werden, damit das ursprünglich Furchtbare, in dem Ahriman drinnen waltet - denn ursprünglich ist es Ahriman, der diesen Wunsch hier erregt -, damit Ahrimans Gewalt so weit abgeschwächt werde, damit der Mensch nicht Ahriman auslebte und ständig sich dadurch zum Diener des Shiva machte. So weit mußte abgeschwächt werden dasjenige, was die Summe dieser Kräfte ist, daß sie nur so walten in dem Menschen, daß er mit seinen Begriffen und Ideen sich in die anderen Wesen hineinversetzen kann. Wenn man mit einem Begriffe versucht, ein anderes Wesen zu durchdringen, wenn man die Vorstellung zu versenken sucht in das Wesen eines anderen, so ist diese in das Wesen eines anderen hineinversenkte Vorstellung die abgestumpfte Waffe des Kain, die in Abel hineingestoßen wurde. Und daß sie so ab- geschwächt wurde, diese Waffe, das machte möglich, daß das, was mit einem Ruck in sein Gegenteil verkehrt worden ist, in Evolution übergeht. Und so kommt der Mensch in langsamer Evolution durch immer weitergehende Verstärkung der Erkenntnisse dahin, daß er, was er nicht aus leben durfte in der physischen Welt, weil es da
Zerstörungstrieb geworden ist, daß er das nach und nach entwickelt - erst in der gegenständlichen Erkenntnis, dann in der imaginativen Erkenntnis, die schon mehr in das Wesen des anderen geht, in der inspirativen Erkenntnis, die noch näher in das Wesen des anderen dringt, in der intuitiven Erkenntnis, die ganz hineingeht, aber geistig mit dem anderen selbst fortlebt in dem anderen Wesen. So ringen wir uns allmählich herauf, zu begreifen, was dieses Selbst eigentlich ist. Der astralische Leib ist, seiner innersten Natur nach angesehen, der große Egoist; das Selbst ist mehr als der große Egoist, das will nicht nur sich, das will sich noch in dem anderen, das will noch hinübergehen in das andere. Und die Erkenntnis, wie sie auf der Erde errungen ist, ist diese abgestumpfte Sucht, in das andere hinüberzutreten, auszudehnen alles, was man ist, nicht nur in sich, sondern weiter über sich hinaus in das andere hinein. Sie ist ein Steigen des Egoismus über sich selbst hinaus.
Wenn Sie diesen Ursprung der Erkenntnis zunächst ins Auge fassen, dann werden Sie begreifen, wie überall die Möglichkeit vorliegt, diese Erkenntnis zu mißbrauchen; denn in dem Augenblick, wo diese Erkenntnis abirrt, wird sie sogleich zum Mißbrauch, wenn diese Erkenntnis eine wirkliche Erkenntnis im Selbst ist. Nur da- durch, daß man fortschreitet, immer geistiger und geistiger dieses Hineindringen ins andere macht und aus dem zu Weltinteressen erweiterten astralischen Leib dazu gelangt, auf jegliches Eindringen in das andere zu verzichten, daß man völlig unberührt in seinem eigenen Bestande dieses andere läßt, daß man des anderen Interessen höherstellt als die eigenen Interessen, nur dadurch macht man sich reif, in der Erkenntnis aufzusteigen. Sonst kann man ohnedies nicht ein Wesen aus der Hierarchie der Angeloi erkennen, wenn man nicht dahin gelangt ist, daß einen das Innere der Angeloi mehr interessiert als das eigene. Solange man mehr Interesse hat für sein eigenes Wesen als für das Wesen der Angeloi, so lange kann man nicht die Angeloi erkennen. Man muß sich also erziehen zuerst zu Welteninteressen und dann zu Interessen, die noch weitergehen, so daß einem andere bedeutungsvoller, wichtiger sein können als man selbst. In dem Augenblick, wo man versucht, sein Selbst weiterzubringen
in den okkulten Erlebnissen, und einem doch dieses eigene Selbst wertvoller bleibt als die anderen Wesen, die man erkennen will, in dem Augenblick ist die Abirrung da. Und hier, wenn Sie diesen Gedankengang verfolgen, kommen Sie eigentlich zu einer wirklichen Vorstellung über das, was schwarze Magie ist; denn die schwarze Magie beginnt da, wo okkulte Tätigkeit hineingetragen wird in die Welt, ohne daß man in der Lage ist, zuerst seine Interessen zu Weltinteressen auszudehnen, ohne daß man andere Interessen mehr schätzen kann als seine eigenen Interessen.
Solche Dinge kann man eigentlich nur so geben, daß man die Anregungen gibt zu den Vorstellungen, denn sie sind zu bedeutungsvoll, als daß man mehr geben könnte als eine Anregung dazu. Ich wollte zeigen, wie man allmählich dahin kommen kann, das, was in unserem Inneren lebt als astralischer Leib und Selbst, seiner wahren Gestalt nach, nicht in der Maja, zu erkennen; denn so wie der Mensch seinen astralischen Leib innerlich erlebt, so ist es nicht der wirkliche astralische Leib, so ist es der astralische Leib, wie er sich spiegelt im Ätherleib. Und was der Mensch sein Selbst nennt, ist nicht das wirkliche Ich, ist das Ich, wie es sich spiegelt im physischen Leib. Spiegelbilder seines Inneren erlebt der Mensch nur. Und wenn er unreif die Gestaltungen dieses eigenen inneren Astralleibes und Ichs erleben würde, so entstünden in ihm Zerstörungstriebe, so würde er ein aggressives Wesen, so entstünde in ihm die Lust zu schaden. Und diese Dinge liegen ja aller schwarzen Magie zugrunde. Wenn auch die Wege, welche die schwarze Magie geht, sehr verschieden sind, der Effekt, den sie erzielen, hat immer etwas von einem Bündnis mit Ahriman oder mit Shiva. Und dadurch lernt man nur astralischen Leib und Ich in ihrer wirklichen Gestalt erkennen, daß man weiß: Man darf sie nur erkennen lernen, wenn man zugleich bejaht die Notwendigkeit, daß sie sich entwickeln und würdig und wert machen müssen, das zu sein, was sie sein sollen. Die innerste Natur des astralischen Leibes ist der Egoismus; das Ideal muß aber sein, Egoist sein zu dürfen, weil die Weltinteressen die eigenen Interessen werden. Das Ideal muß sein, in das andere Wesen untertauchen zu dürfen, weil der Wille vorliegt, in den
anderen Wesen nicht sich zu suchen mit seinen Interessen, sondern das andere Wesen bedeutungsvoller zu finden, als man sich selber findet. Die Selbsterziehung muß so weit gehen, dieses obere Bild in seiner ganzen okkult-moralischen Bedeutung zu fühlen, dieses Bild: das, was man selber ist, allmählich so umzugestalten, daß einen die eigenen Affekte, die eigenen Triebe, Begierden und Leidenschaften nicht mehr wärmen können, sondern daß man mit dem Sicheinleben in den astralischen Leib sich einlebt in frostige Einsamkeit und dadurch sich der Wärme öffnet; das heißt, dem warmen Interesse, das von den anderen Welten ausströmt und sich den segnenden Kräften vereinen will, die von diesem anderen Wesen ausgehen. Damit ist uns zugleich der Ausgangspunkt gegeben für ein nach und nach Sicherheben zu den höheren Hierarchien in ihrer wirklichen Gestalt. Wir gelangen sonst nicht hinauf in die Wesenheiten der höheren Hierarchien, wenn wir nicht imstande sind, uns würdig dieser Imagination und Inspiration, wie sie geschildert worden ist, entgegenzustellen und ihr Gegenbild auszuhalten, das heißt: die Möglichkeiten in den Tiefen der menschlichen Natur, als sie herab- geworfen wurde aus den geistigen Welten in die physische Welt. Wenn man das Doppelbild Kain und Abel, unten sich und den Repräsentanten seines höheren Selbstes, aber den Vermittler zwischen sich und den höheren Hierarchien nicht schauen will, kann man nicht hinaufsteigen. Dann aber, wenn man imstande ist, dieses Gefühl, das hier angedeutet ist, in sich zu kultivieren, dann erlebt man sein Selbst und von diesem aus den Zugang zu den Hierarchien der höheren Ordnungen.
NEUNTER VORTRAG Den Haag, 28. März 1913
Ich kannte einmal einen jetzt lange verstorbenen Dichter. Der Mann äußerte einmal mir gegenüber in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, daß er eine große Angst habe vor der Zukunft der Menschheit - und ich betone, daß der Ausdruck seiner Angst zwar vielleicht etwas paradox war, daß es ihm aber mit dieser Angst selber und mit der Richtung, worauf er mit seinem paradoxen Ausdrucke hindeuten wollte, ganz bitter ernst war - ja, er war zu einem gewissen Pessimismus gestimmt, weil er diese Angst hatte. Er sagte nämlich, daß es ihm vorkomme, als ob die Entwicklung der Menschheit nach der Zukunft hin sich so vollzöge, daß der Mensch vorzugsweise immer mehr und mehr seinen Kopf ausbilden würde und daß alles übrige am Menschen gegenüber dem Kopf verkümmern würde. Es war ihm bitter ernst, wie gesagt, um diese Vorstellung, und er drückte das paradox so aus: daß er fürchte, das verständige, intellektuelle Wesen des Menschen könne einmal so überhand nehmen, daß der Kopf wie eine große Kugel wäre und daß die Menschen sich dann so fortrollen würden wie Kugeln auf der Erde. Dem Mann war es bitter Ernst mit dieser seiner Angst; denn er dachte sich eben, daß wir in dem Zeitalter des Intellektualismus leben, der Ausbildung der intellektuellen Kräfte, die ihren Ausdruck im Kopfe haben, und daß diese Intelligenzkräfte immer mehr und mehr zunehmen werden, so daß der Mensch einer wenig Sehnsucht erweckenden Zukunft entgegen- gehe.
Nun ist das natürlich ein ganz paradoxer Ausspruch, und man könnte in gewisser Weise sagen: Auch die Angst, die ihm seinen Pessimismus eingegeben hat, ist in einer gewissen Weise paradox. Aber wie es dem Verstand so häufig geht, so auch in diesem Falle: der Verstand des Menschen nämlich, der hat die Tendenz, auszuarten, Folgerungen zu ziehen, wenn irgendeine Beobachtung vorliegt. Man kann das sowohl im äußeren, exoterischen Leben wie
auch auf dem Gebiete der theosophischen Bewegung hinlänglich bemerken. Im äußeren, exoterischen Leben braucht man sich nur ein wenig umzusehen, so wird man bemerken, daß die Erfahrungen, die wirklichen Beobachtungen, die der Mensch im Laufe der Zeiten gemacht hat, immer eine Unsumme von Theorien, Hypothesen hervorgerufen haben. Wie viele Hypothesen sind im Laufe der Menschheitsentwicklung als wertlos sozusagen 'in den Abgrund versunken! Auf anthroposophisch-okkultem Gebiete kann man die Bemerkung machen, daß irgend jemand, der okkulte Schulung hat, der also in einem gewissen Sinne hellseherische Kräfte hat, dieses oder jenes aus der wirklich hellseherischen Beobachtung heraus mitteilt und daß dann die Theoretiker kommen und dann alle möglichen Schemas und Theorien erfinden: die Dinge werden ausgebaut. Oftmals ist die Beobachtung klein, aber die Schemas und Theorien, die darauf aufgebaut sind, sind ganze Welten umfassend. Das ist eben immer das Schlimme> daß solche Tendenz des Verstandes vorliegt. Wir haben ja diese Tendenz in einem gewissermaßen noch dezenten Sinn bei dem berühmten Buch «Esoterischer Buddhismus» von Sinnett. Diesem Buch liegt eine Anzahl von wirklichen okkulten Tatsachen zugrunde; die stehen in den mittleren Partien des Buches, beziehen sich auf die mittlere Entwicklung der Erde. Dann aber ist darauf ein Schematismus gebaut von Runden und Rassen, und das rollt und kollert nur so um sich herum in immer mehr oder weniger gleicher Weise. Das sind Folgerungen, Theorien, die gemacht worden sind aus den wenigen wirklichen, den Tatsachen entsprechenden Angaben, die sich in diesem Buche auch finden. Und so war es auch sozusagen bei meinem Dichter. Er hatte eine Art unbewußter instinktiver Imagination im Hintergrunde, die ihm etwas sagte, was wahr ist, man möchte sagen, ein Lot wahr ist, und er hat einen oder sogar viele Zentner daraus gemacht. Solche Dinge kommen oftmals in der Welt vor. Was ist die Wahrheit an der Sache?
Die Wahrheit ist diese, daß in der Tat für unser gegenwärtiges Zeitalter, für unseren jetzigen Erdenzyklus der Mensch in bezug auf sein Haupt in einer gewissen Evolution begriffen ist, daß die Formation des Hauptes, die ganze Ausbildung des Hauptes gegen die
Zukunft hin Veränderungen erfahren wird. Wenn wir den Blick auf eine sehr ferne Erdenzukunft hin richten, haben wir uns in der Tat vorzustellen, daß zum Beispiel die menschliche Stirnbildung, die menschliche Nasenbildung, die menschliche Kieferbildung wesentliche Veränderungen erfahren haben werden, daß in einer gewissen Weise allerdings zurückgegangen sein wird alles übrige, was der Mensch als Erdenorganismus an sich trägt; aber selbstverständlich wird das Verhältnis des sich fortentwickelnden Hauptes zu dem übrigen Leibe während der Erdenzeit nie das einer fortkollernden Kugel sein. Also in einem sehr, sehr engen Maße ist durchaus das wahrzunehmen. Dafür war in älteren Entwicklungsepochen der Erde, vor der Mitte der atlantischen Zeit, der übrige Organismus des Menschen veränderlich, in einer Art von Bildung begriffen. Verhältnismäßig wenig - verhältnismäßig wenig - hat sich seit der Mitte der atlantischen Zeit der Organismus des Menschen außer dem Kopfe verändert; dagegen vor der atlantischen Zeit hat der Mensch in bezug auf seinen übrigen Organismus große Veränderungen durchgemacht. Daraus werden Sie die Folgerung ableiten können - die jetzt aber richtig ist, weil sie nichts anderes ist als die in Worte gefaßte Beobachtung -, daß der Mensch, je weiter wir zurückgehen in die atlantische, die lemurische Zeit, wesentlich anders ausgesehen hat, auch für seinen eigenen Anblick. Und in der alten Iemurischen Zeit hat der Mensch ganz anders ausgesehen, als er sich selber jetzt bekannt ist.
Derjenige Anblick, welchen der Mensch von sich selber gehabt haben würde in der letzten lemurischen Zeit, bietet sich nun dem Menschen in einer gewissen Weise dar, wenn er nach und nach sich jenem hellseherischen Eindruck nähert, der hinführt zu dem, was wir ja schon charakterisiert haben: der hinführt zur ParadiesesImagination. Ich habe Ihnen zwar gesagt - was richtig ist, daß dieser Paradieses.Imagination entspricht ein vollständiges Sichdarstellen des Menschenwesens, des physischen Menschenleibes, sozusagen als das Paradies selber. Der Mensch tritt gleichsam auseinander, zerteilt sich; die gegenwärtige Leiblichkeit erscheint aus- gebreitet in der Weise, wie es dargestellt worden ist; aber in der
damaligen Zeit, das heißt als die Zeit wirklich da war, in welche man gleichsam hellseherisch zurücksieht, wenn man die Paradieseslegende vor sich hat, in dieser Zeit geschah ein Sprung nach vorwärts, ein mächtiger Ruck nach vorwärts. Und durch diesen Ruck, den man auch beobachten kann durch hellseherische Beobachtung, war verhältnismäßig rasch zusammengezogen worden, was man nennen könnte die Ausbreitung der menschlichen Wesenheit zu dem, was dann der Ausgangspunkt des Menschen für die folgende Entwicklung war. Dennoch war unmittelbar nach der Zeit, welcher die Paradieses-Imagination entspricht, der Mensch seiner Gestalt nach recht unähnlich dem, was heute aus diesem Menschen geworden ist. Und im Grunde genommen war dazumal auch alles das, was in den Reichen der Natur den Menschen umgab, recht unähnlich dem, was heute den Menschen in der Natur umgibt.
Ich habe Ihnen ja in den Vorträgen, die ich hier gehalten habe, schon gesagt, daß der Mensch zu dieser Paradieses-Imagination kommen könnte, wenn er während des Schlafzustandes plötzlich für einen Moment hellseherisch würde und gleichsam zurückschaute auf seinen physischen und ätherischen Leib und sich anregen ließe zu der entsprechenden Imagination durch seinen physischen und ätherischen Leib. Im allgemeinen kann man sagen, daß man viel durchgemacht haben muß an esoterischer Entwicklung, wenn man zu dieser Paradieses-Imagination kommen will. Viele Überwindungen, vieles von dem, was dazu gehört, um persönliche Interessen in allgemeine Menschheits- und Welteninteressen zu verwandeln, muß man durchgemacht haben. Da ergibt sich dann, wenn man sozusagen aus dem tiefsten Schlafe - der Schlaf hat ja seine Grade - übergeht zu einem weniger tiefen Schlafe und in diesem weniger tiefen Schlafe hellseherisch wird, da ergibt sich dann das, was sozusagen in der Erdenentwicklung später Realität geworden war: Der Zustand, wie der Mensch, nachdem er den großen Ruck nach vorwärts gemacht hatte, in der alten lemurischen Zeit vorhanden war. Wir können also sagen: Eine Möglichkeit ist vorhanden, diese urferne Vorzeit der Erde zu schauen, dadurch, daß man sich mit sei- nem Selbst und mit seinem astralischen Leibe vom physischen und
ätherischen Leibe trennt und auf diese zurückschaut. Da nun einem - ja man möchte sagen - die Natureinrichtung zu Hilfe kommt, weil man in der Nacht außerhalb seines physischen Leibes ist, so kann man sozusagen diese Natureinrichtung benutzen, und man kann die Trainierung so einrichten, daß man wie aus dem Schlafe erwachend, aber nicht zurückkehrend zum physischen Leibe, wie in einem anderen Bewußtsein erwachend, den physischen Leib dann sieht. Daraus werden Sie entnehmen können, daß diese Anschauung, von der eben jetzt gesprochen wird, die einzige wirkliche Möglichkeit bietet, kennenzulernen, wie der Mensch in urferner Vergangenheit gestaltet war.
Es wird noch lange dauern, aber es wird einmal die Zeit kommen, wo man das Folgende wissen wird, wo man sagen wird: Wie sonderbar waren doch diese Menschen des 19. und des 20. Jahrhunderts! Die haben damals geglaubt, durch äußere Naturforschung die Abstammung des Menschen erkennen zu können, haben geglaubt, Schlußfolgerungen ziehen zu können aus dem, was sich ihnen an tierischen Wesen in ihrem Umkreis auf dem physischen Plan ergibt, Schlußfolgerungen ziehen zu können auf die Ahnenschaft des Menschen. Nun zeigt sich aber der wirklichen Entwicklung der menschlichen Erkenntnis, daß man nur zu einer wirklichen Anschauung über den Ursprung des Menschen auf Erden, über seine alte Form durch hellseherische Beobachtung kommen kann; daß man niemals anders eine Einsicht bekommen kann, wie der Mensch zum Beispiel in der lemurischen Zeit war, als durch hellseherische Beobachtung, als durch ein Zurückschauen, das man angeregt sein läßt von den Eindrücken des eigenen physischen und Ätherleibes. Dann zeigt sich aber - so wird man in der Zukunft wissen -, daß der Mensch niemals ähnlich war irgendeiner der jetzt im 19. oder 20. Jahrhundert um den Menschen herum lebenden Tierformen; denn die Formen, die der Mensch dazumal gehabt hat und die sich seinem hellseherischen Bewußtsein zeigen auf die an- gedeutete Weise, die unterscheiden sich von alledem, was im 19. Jahrhundert an tierischen Formen den Menschen umgeben kann. Und selbst die Ausdrücke, die wir gebraucht haben - Stier, Löwe und so
weiter -, sind ja nur vergleichsweise gebraucht. Besonders grotesk - werden die Menschen der Zukunft sagen - ist es, zu sehen, wie die Menschen des 19. und 20. Jahrhunderts ihren Stammbaum zu affenähnlichen Wesen hinaufführen; denn Affen hat es dazumal in der lemurischen Zeit in der Gestalt, wie sie später die Erde betraten, überhaupt noch gar nicht gegeben, diese entstanden erst aus heruntergekommenen und abgefallenen Menschengestalten in viel späterer Zeit.
Erst um die Mitte der atlantischen Zeit sind überhaupt in der Erdenevolution für den rückschauenden Blick solche tierische Wesenheiten aufzufinden, welche man vergleichen kann den heute lebenden Affen. Je weiter man nämlich zurückgeht in der Menschheitsentwicklung, desto mehr erschaut man auch, daß gewissermaßen erhalten geblieben ist für den hellseherischen Blick in der Anschauung unseres Selbstes während des Schlafes, während der Nacht, unsere Gestalt, unsere Form in der Vorzeit. Und so kommt es auch, daß der Mensch, wenn er hinblickt auf sich selber, seine physische Körperlichkeit kennenlernt in einer unendlich viel feineren - man möchte sagen - ätherischen Körperlichkeit, aber nicht im Sinne unseres heutigen Athers. So erscheint sich da der Mensch. Seine Gestalt ist eher ähnlich einem lebhaften Traumbild als der Gestalt aus Fleisch und Blut, als welche sich der Mensch heute erscheint. So müssen wir uns bekannt machen mit der Vorstellung, daß Selbst und astralischer Leib, wenn sie außerhalb der menschlichen Wesenheit sind, das Haupt kaum sehen. Das wird ganz schattenhaft; es löscht nicht vollständig aus, aber es wird ganz schattenhaft. Dagegen wird deutlicher die übrige Organisation des Menschen. Sie wird auch schattenhaft, aber sie wird so, daß der Mensch sich zwar nicht wie aus Fleisch und Blut vorkommt, aber den deutlichen Eindruck hat, er habe eine mächtigere Organisation.
Es wird Ihnen paradox vorkommen, aber es ist doch wahr: Der Mensch sieht, wenn er hellseherisch sich selbst erblickt im Schlaf, in gewissen Augenblicken so aus, das heißt sein physischer und ätherischer Leib sehen so aus für das Selbst und den astralischen Leib, daß man ganz an die Gestalt des Kentauren erinnert wird.
Nur ist dasjenige, was da nach oben als menschliche Fortsetzung am Kentauren erscheint, Menschenantlitz zeigt, eben ganz schattenhaft; das dagegen, was nicht übereinstimmt mit irgendeiner tierischen Form von heute, was aber erinnert in gewisser Beziehung an tierische Formen, das gewinnt Macht, und man sagt sich: Für den geistigen Anblick ist dieses stärker, dichter sogar als die heutige Gestalt aus Fleisch und Blut.
Ich habe diese Dinge schon einmal in einem Vortragszyklus berührt; aber Sie müssen sich natürlich damit bekannt machen, daß alle diese Imaginationen außer der Paradieses-Imagination flüchtig sind und daß man sie von verschiedenen Seiten darstellen kann. Ich könnte ebensogut einen etwas anderen Anblick darstellen, und Sie würden sehen, daß dieser nur einem anderen Entwicklungspunkt entspricht, und dann würden wir auf die Sphinxgestalt kommen. Die aufeinanderfolgende Entwicklung des Menschen stellt sich eben in verschiedenen Anblicken, in verschiedenen Aspekten dar. Viel mehr Richtigkeit, viel mehr Wahrheit haben die mythologischen Bilder, die sogenannten mythologischen Symbole, als die phantastischen Verstandeskombinationen, welche sich die heutige Wissenschaft macht.
Nächtlich also werden wir eine sehr eigentümliche Gestalt. Nun aber wird uns noch etwas anderes klar. Wenn wir diese an eine tierische Wesenheit uns erinnernde Fortsetzung nach unten ins hellseherische Auge fassen, dann lernen wir etwas kennen, wovon wir einen ganz bestimmten Eindruck gewinnen. Und ich habe schon gestern gesagt: Diese Impressionen, diese inneren Erlebnisse sind eigentlich das Wesentliche. Die Bilder sind wichtig, aber die inneren Erlebnisse sind das noch Wichtigere. Man gewinnt einen gewissen Eindruck, so daß man nachher weiß Das, was dich eigentlich bei Tag zu deinen bloß persönlichen Interessen treibt, was dir bloß persönIiche Interessen einimpft in deiner Seele, das kommt von dem, was du nachts als deine gleichsam tierische Fortsetzung siehst. Bei Tag siehst du sie nicht; aber sie ist in dir als Kraft. Das sind die Kräfte, welche dich gewissermaßen hinunterziehen und zu den persönlichen Interessen verführen. - Und wenn man diese Impression
immer mehr und mehr ausbildet, dann kommt man dazu, zu erkennen, wer eigentlich in unserer Evolution real Luzifer ist. Je weiter wir nämlich den hellseherischen Blick zurückwenden gegen die Zeit, der die Paradieses-Imagination entspricht, desto schöner wird das Gebilde, das eigentlich erst für die spätere Zeit ans Tierische erinnert. Und wenn wir gar zurückgehen ins Paradiesische, wo die Sache sich so ausnimmt, daß die tierische Fortsetzung des Menschen von dem Menschen selber wie losgerissen und vervielfältigt ist in Stier, Löwe, Adler, da dürfen wir sagen, daß diese Gestalten, die wir mit diesen Namen ansprechen für jene alten Zeiten, uns in gewisser Beziehung auch sein können die Sinnbilder der Schönheit. Immer schöner und schöner werden diese Gestalten. Und gehen wir dann noch weiter zurück in die Zeit, von der wir gestern gesprochen haben, als wir die Impression des Opfers darstellten, dann kommen wir zurück in die Zeit, in welcher uns sozusagen Luzifers wahre Gestalt erscheint in hehrer Schönheit, nur so, wie er sich bewahren wollte in der Evolution vom alten Mond herüber zur Erde.
Aus der Darstellung, die ich gegeben habe in meiner «Geheim- wissenschaft», ersehen Sie, daß dem Menschen auf dem Monde der astralische Leib gegeben war. Das, was wir in unserem astralischen Leibe tragen, hat überhaupt auf dem alten Monde eine große Rolle gespielt. Wir haben es aber charakterisiert als die Egoität, als den Egoismus. Auf dem alten Mond mußte dem Menschen eingepflanzt werden dieser Egoismus> und da der Mensch auf dem alten Monde seinen Astralleib empfangen hat, so sitzt eben der Egoismus in seinem Astralleibe; und da Luzifer sein Mondwesen bewahrt hat, hat er sich als die innere Seeleneigenschaft seiner Schönheit in die Erde hereingetragen den Egoismus. Er ist daher auf der einen Seite der Geist der Schönheit, auf der anderen der Geist des Egoismus. Und das, was man sein Unrecht nennen kann, wäre nur dieses, daß er etwas, was sich für den Menschen - wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf - auf dem Mond gehörte, nämlich sich zu durchdringen, zu imprägnieren mit Egoismus, daß er das auf die Erde hereinverpflanzt hat. Dadurch aber wurde dem Menschen, wie oftmals
erwähnt worden ist, eben gerade die Möglichkeit gegeben, in sich selber, in seinem Inneren zu werden eine in sich abgeschlossene, freie Wesenheit. Das wäre der Mensch niemals geworden, wenn Luzifer die Egoität vom Monde nicht nach der Erde herüber- getragen hätte. So lernt man im inneren Erleben Luzifer kennen sozusagen als den nächtlichen Geist. Und es ist mit jener Verändernng, die mit unserem Selbst und mit unserem Astralleibe vorgeht während unserer okkulten Entwicklung, verbunden, daß wir uns fühlen in der Nacht in der Gesellschaft des Luzifer.
Sie werden das vielleicht zunächst, wenn Sie die Vorstellung an der Oberfläche haften lassen, recht fatal finden, daß der Mensch, wenn er hellsichtig wird und einschläft, gewahr wird, daß er während der Nacht in die Gesellschaft des Luzifer kommt. Aber wenn Sie genauer nachdenken, so wird es Ihnen bald aufgehen, daß es gescheiter ist, man lernt Luzifer erkennen, daß es besser ist, wenn man weiß, daß man in seiner Gesellschaft ist, - als wenn man glaubt, er sei nicht da, und man hat ihn nur unsichtbar mit seinen Kräften wirksam in sich. Das hat man ja auch während des Tages. Das Schlimme besteht nicht darin, daß Luzifer an unserer Seite ist, denn wir lernen ihn allmählich erkennen als den Geist, der die Freiheit bringt; sondern das Schlimme besteht darin, daß man ihn nicht kennt. Aber in einer gewissen Weise durften ihn die Menschen, nachdem sie sozusagen seiner ansichtig wurden bei seiner Verführung in der lemurischen Zeit, es durften ihn die Menschen nicht weiter schauen; denn zu jener Urverführung in der lemurischen Zeit wären dann lauter partielle Verführungen getreten. Da- her mußte diejenige göttlich-geistige Wesenheit, der es um den Fortschritt des Menschen zu tun war, einen Schleier ziehen vor die Anschauung der Nacht. Damit allerdings ging für den Menschen auch alles das verloren, was er sonst während des Schlafes sehen würde. Und der Schlaf bedeckt dem Menschen die Welt, in der er vom Einschlafen bis zum Aufwachen ist, mit Finsternis. In dem Augenblicke, wo der Schleier weggezogen würde, welcher die Nacht mit Finsternis bedeckt, würden wir eben finden, daß Luzifer an unserer Seite ist. Wäre der Mensch stark genug, würde das nichts
schaden; da er aber zunächst nicht stark sein konnte im Sinne der Erdenentwicklung, so mußte dieser Schleier über die nachtschlafende Zeit gezogen werden. Und nach der Urverführung, die in ihrer Folge zurückließ die Möglichkeit der menschlichen Freiheit, sollten nicht die anderen Verführungen durch ein unmittelbares Anschauen Luzifers vom Einschlafen bis zum Aufwachen an den Menschen herantreten können.
Nun gibt es ein Äquivalent. Man kann nämlich nicht Luzifer in der Nacht schauen, wenn man nicht bei Tag seinen Genossen, den Ahriman, schaut. Und so wird für den Menschen, der so weit gekommen ist in der Entwicklung seines Selbstes und seines astralischen Leibes, das Tägliche, das im Wachen die Anschauung der Dinge bewirkt, anders als für den naiven Menschen. Der Mensch lernt erkennen, daß er den Dingen anders gegenübertritt, als er ihnen früher vor seiner Entwicklung des Selbstes und des astralischen Leibes entgegengetreten ist. Der Mensch lernt zunächst gewisse Eindrücke, die er sonst in abstraktem Sinn hinnimmt, als Wirkungen der ahrimanischen Wesenheiten anschauen. So lernt er die Begierde - nicht diejenige, die von innen heraus kommt, die ist luziferisch, aber das, was von außen kommt, was dem Menschen von außen die Begierde erweckt, was also in den Dingen und Wesen um uns herum uns anzieht, so daß wir aus persönlichem Interesse dieser Anziehung folgen, also alles das, was uns von außen zum Genuß verlockt - erkennen als ahrimanische Impression. Dann lernt man erkennen als ahrimanische Impression alles das, was uns von außen Furcht einflößt, was die Furcht in uns erregt von außen. Es sind zwei Pole, möchte ich sagen: Genuß und Furcht. Um uns herum ist die sogenannte materielle und die sogenannte geistige Welt; die materielle Welt sowohl wie die geistige erscheint dem äußeren Tagwachen in der Maja. Die äußere Welt der Sinne erscheint in der Maja, denn die Menschen sehen nicht, daß überall, wo sie von den äußeren Dingen und Wesenheiten zum Genuß erregt werden, Ahriman hervorguckt und den Genuß in der Seele hervorruft. Dasjenige aber, was zum Beispiel die Materialisten leugnen, daß wirkliche Geistigkeit überall
in der Materie ist, das bewirkt Furcht; und wenn die Materialisten merken, daß die Furcht ihnen nahekommt aus den Untergründen ihrer Seele, aus dem Astralischen, dann betäuben sie sich, dann ersinnen sie die materialistischen Theorien; und es ist tief wahr, was der Dichter Sagt Den Teufel - nämlich den Ahriman - metkt das Völkchen nie, und wenn er sie schon am Kragen hätte. Wozu werden zum Beispiel Materialistenversammlungen abgehalten? Um den Teufel zu beschwören! Das ist im wöttlichen Sinne wahr; nur wissen es die Leute nicht. Überall, wo heute in der Welt Materialistenversammlungen abgehalten werden und in schönen Theorien vertreten wird, daß es nur Materie gibt, da hat Ahriman das Volk am Kragen, und es gibt keine günstigere Gelegenheit heute, den Teufel zu studieren, als wenn man in materialistische oder monistische Versammlungen geht. So begleitet einen der Ahriman, wenn man eine gewisse Entwicklung durchgemacht hat in seinem astralischen Leib und Selbst, auf Schritt und Tritt. Wenn man anfängt ihn zu schauen, dann kann man sich vor ihm schützen, dann sieht man, daß er aus den Verlockungen des Genusses und aus den Eindrücken der Furcht hervorlugt.
Wiederum mußte wegen der Unreife der Menschen dieser Ahriman verborgen werden, das heißt, es wurde über sein Wesen ein Schleier gebreitet. Das wurde auf etwas andere Weise gemacht als gegenüber dem Luzifer; es wurde so gemacht, daß die Außenwelt dem Menschen in Maja getaucht wurde, indem ihm vorgegaukelt wird, daß statt des Ahriman, der überall hervorlugt, Materie draußen sei in der Welt. Überall an der Stelle, wo der Mensch Materie hinträumt, da ist in Wahrheit Ahriman. Und die größte Verführung ist die materialistische Theorie der Physik, sind die materiellen Atome; denn diese sind nichts anderes in Wirklichkeit als die Kräfte des Ahriman.
Nun ist die Menschheit als Ganzes in einer Entwicklung, in einer Evolution. Und diese Evolution geht so vor sich, daß der Mensch tatsächlich gegen unsere Zukunft hin immer mehr und mehr die Kräfte des Intellektualismus wirklich entwickelt. Dadurch wird äußerlich sein Haupt plastisch eine andere Gestalt annehmen. In
einer gewissen Beziehung ist der Anfang zu dieser Entwicklung nach der Intellektualität gegeben worden in der Morgenröte der neueren Naturwissenschaften, so vom 16. Jahrhundert an etwa. Diese intellektuelle Entwicklung, wenn sie sich immer mehr vertiefen wird, wird aber auf das Selbst und auf den astralischen Leib des Menschen einen großen Einfluß ausüben. Nun trat eine Zeit ein, in welcher man noch Traditionen des alten Hellsehens hatte, - sie trafen zusammen gerade mit der Morgenröte der neueren Naturwissenschaften. Es war eben im 16. Jahrhundert; da wußte man, es werde eine Zukunft kommen, in der die Menschen fähig sein würden, wegen der Höherentwicklung ihres Selbstes und ihres astralischen Leibes immer mehr und mehr den Ahriman auch wirklich zu schauen. Dann trat, weil eben in der ersten Zeit die intellektuelle Entwicklung sich mit aller Gewalt sträubte gegen die Wahrnehmung des Geistigen, dann trat eine Verdunkelung ein. Aber das 16. Jahrhundert hat in der Mephistogestalt an der Seite des Faust, die nichts anderes ist als der Ahriman, noch darauf hinweisen können, daß im Grunde genommen Ahriman in bewußter Weise der Zukunft der Menschheitsentwicklung immer gefährlicher und gefährlicher werden wird, daß Sozusagen Mephisto immer mehr und mehr eine Art von Verführer des Menschengeschlechtes werden wird. In der ersten Zeit zeigte sich das nur dadurch, daß die Menschen noch eine Erinnerung an die alten geistigen Gestaltungen hatten. Jetzt ist es von der allgemeinen Menschheit vergessen worden; aber in der Zukunft wird sich dem Menschen schon die Er- kenntnis aufdrängen, daß er sein ganzes Wachleben hindurch von Ahriman-Mephisto begleitet wird. Dem entspricht aber natürlich auch das Gegenbild, und das ist, daß der Mensch einer Zukunft entgegengeht, welche ihm bei jedem Aufwachen wie einen eben hinhuschenden Traum - und dann immer deutlicher und deutlicher - die Impression geben wird: dein nächtlicher Genosse war der Luzifer.
Sie sehen daraus, daß der Mensch durch die okkulte Entwicklung seines Selbstes und seines astralischen Leibes etwas vorausahnen kann von dem, was in der Zukunft der Menschheit eintreten wird, etwas ahnen kann von der Genossenschaft des Ahriman und des
Luzifer. Durch eine bestimmte Gesetzmäßigkeit in der Entwicklung trat an den Menschen zuerst heran während der lemurischen Zeit Luzifer, dann später erst als Folge des luziferischen Einflusses der ahrimanische Einfluß. In der Zukunft wird es umgekehrt sein: Der ahrimanische Einfluß wird zuerst stark sein und dann wird sich ihm der luziferische Einfluß zugesellen. Der ahrimanische Einfluß wird vorzugsweise im Wachzustande wirken, der luziferische Einfluß vor- zugsweise im Schlafzustande oder in all den Zuständen, die dem Schlafzustande zwar ähnlich, aber bewußt sind, in immer mehr und mehr sich entwickelnden hellseherischen Zuständen der menschlichen Seele.
So brauchte der Mensch, weil eintreten soll Ahriman in sein äußeres sinnliches Leben im Wachzustand, zuerst den Schutz für den Wachzustand vor dem Ahriman. Solche Schutzimpulse werden viele, viele Jahrhunderte in der Menschheitsentwicklung gegeben, bevor die entsprechende Gefahr eintritt. Während jetzt noch immer nicht das volle Bewußtsein des Ahriman-Mephisto für die allgemeine Menschheit da ist, ist der Schutzimpuls eingetreten im Beginne unserer Zeitenentwicklung in der physischen Erscheinung des Christus in der Erdenentwicklung. Daß der Christus im physischen Leibe einmaI in der Erdenentwicklung erschien, das ist die Vorsorge dafür gewesen, daß der Mensch gewappnet sein möge durch die Aufnahme des Christus-Impulses gegen den notwendigen Einfluß, der von Ahriman-Mephisto kommen wird. Daß der Mensch später gewappnet sein werde, wenn der luziferische Einfluß da ist, dagegen wird der Mensch gewappnet durch die Erscheinung des Christus im Ätherleib, von der auch öfters schon gesprochen worden ist, daß sie herannahe. Das ist ein Einfluß, der für ein anderes Bewußtsein kommen wird. Wie der Christus einmal erschienen ist im physischen I,eibe und von da aus der Impuls weiter ausgegangen ist, wird der Christus in ätherischer Gestalt merkbar werden schon von diesem 20. Jahrhundert ab für eine erst geringe, dann für eine immer größere Anzahl von Menschen. Und so sehen wir, wie durch eine Art von Äquilibrium, durch eine Art von Sich.die.Waage.Halten der Impulse, die Fortentwicklung des Menschen bewirkt wird. Dasjenige,
was in der Versuchungsgeschichte der Evangelien dargestellt wird, das Gegenüberstehen des Christus dem Luzifer und dem Ahriman, in dem einen Evangelium so, in dem anderen so - ich habe das einmal dargestellt -, das ist ein Zeugnis dafür, daß der Mensch durch den Christus-Impuls, durch den Impuls des Mysteriums von Goigatha die richtige Zukunftsentwicklung finden kann. Es gehört zu einer wirklichen Entwicklung des Selbstes und des astralischen Leibes des Menschen, daß der Mensch in diesem veränderten Selbst und astralischen Leibe die Impressionen erhalten kann, wie es mit Ahriman, wie es mit Luzifer, wie es mit dem Christus in der Menschheitsevolution steht; und eine richtige Entwicklung des Selbstes und des astralischen Leibes führt zu einer solchen Erkenntnis der drei die Menschheitsevolution bedingenden Impulse.
Eine richtige Entwicklung schließt aber ein Hinlenken der Egoität des astralischen Leibes zu allgemeinen Menschheits- und Weltinteressen ein. Und wie Gift wirkt es, wenn der Mensch in die- jenigen Regionen seiner hellseherischen Beobachtung, wo er nur imprägniert mit allgemeinen Menschheits- und Weltinteressen beobachten sollte, hinaufträgt persönliche Interessen und persönliche Aspirationen. Dann kommt für die hellseherische Beobachtung nicht die Wahrheit zustande, sondern es kommen Imaginationen zustande, welche unwahr, unrichtig sind, welche nur die Widerspiegelungen sind der persönlichen Interessen und der persönlichen Aspirationen. Da kann es zuweilen vorkommen, daß ein Hellseher, der noch ganz erfüllt ist von persönlichen Aspirationen und Interessen, etwas macht wie das Folgende. Ich bekam einen Brief, worin mir jemand schrieb, er müßte mir etwas mitteilen, was ich wissen müsse. Es sei der Christus wiedergeboren in einem physischen Leib; seine Adresse sei London W. soundso. Es sei die Maria wieder- geboren in einem physischen Leibe; ihre Adresse sei die seiner Nichte, Straße soundso. Paulus sei wiedergeboren; das war sein Schwager, der wurde der Adresse nach gezeigt. Und so war denn die ganze Gesellschaft, die in den Evangelien geschildert wird, in jener Verwandtschaft wiedergeboren, und in jenem Briefe waren die einzelnen Adressen angegeben. Diesen Brief könnte ich jedem zeigen;
er ist ein Dokument, so grotesk er sich ausnimmt, für das Hin- auftragen persönlicher Interessen in jene Höhen, wo Welt- und Menschheitsinteressen walten sollten.
Nun müssen wir uns aber klar sein, daß, wenn jemand in bezug auf seine abstrakten Verstandeserkenntnisse irrt, daß er dann im Grunde genommen mit diesem Irrtum etwas leicht Kontrollierbares hinstellt, etwas, was verhältnismäßig bald aus der Welt zu schaffen ist, obzwar Erkenntnis des Menschen jenen - man möchte sagen - furchtbaren Ursprung hat, auf den gestern hingewiesen worden ist. Weil Erkenntnis des Menschen, wie sie sich einmal auslebt in unserem wachen Tagleben, so verdünnte Impulse enthält, daß jeder- mann gegenüber diesen verdünnten Impulsen völlige Freiheit entwickeln kann, deshalb braucht sich niemand blenden zu lassen von dem, was des Menschen Intellekt an Torheiten ersinnt, und diejenigen, die sich blenden lassen durch das, was des Menschen Intellekt an Torheiten ersinnt, die werden in verhältnismäßig kurzer Zeit geheilt werden können.
Nehmen wir aber an, es kommt in der hellseherischen Betrachtung auf die geschilderte Weise zu unrichtigen Imaginationen, dann wirken diese unrichtigen Imaginationen in einer gewissen Weise seelisch ansteckend; sie stecken so an, daß sie gerade den gesunden Menschenverstand und die Inteliektualität auslöschen. Sie schaden also in einem ganz anders starken Maße als die bloß intellektuellen Torheiten. Wenn man daher versucht, alles das, was auch auf dem Felde des Okkultismus gewonnen wird, zu durchdringen mit den Formen des gesunden Menschenverstandes, so tut man recht. Wenn man die Imagination ohne weiteres gibt und sie nicht in dieser Weise zu rechtfertigen versucht, wie wir das gerade in diesem Vortragszykius versuchen - und man wird nur solche Imaginationen,welche zu Unrecht bestehen, als bloße Imaginationen geben -, dann übertölpelt man gerade dasjenige im anderen, was sich regen sollte zur Zurückweisung solcher Imaginationen. Und es könnte immerhin sein, daß - während der, welcher Verstandestorheiten verbreitet, Kritik herausfordert, leicht Kritik herausfordert - jemand, der falsche Imaginationen verbreitet, mit diesen den anderen, die an
ihn glauben, gerade die Möglichkeit der Kritik nimmt, das heißt, sie blind macht gegen die notwendige Ablehnung der betreffenden Imaginationen. Wir können daraus ersehen, wie eigentlich in dem Augenblick, wo die Erkenntnis über das hinausgeht, was den Menschen im natürlichen Gang der Entwicklung zugedacht ist, wie in dem Augenblick, wo der Mensch zu hellseherischen Erkenntnissen sich erhebt, es unbedingt notwendig ist, daß seine Entwicklung eben nach den allgemeinen Menschheits- und Welteninteressen zu geht. Das ist etwas, was jederzeit im wahren Okkultismus anerkannt werden wird. Und das Gegenteil behaupten, daß es einen gesunden Eintritt in die geistigen Welten, also eine gesunde Entwicklung des astralischen Leibes und des Selbstes geben könnte unabhängig von der Erweiterung der menschlichen Interessen zu selbstlosen Welt- und Menschheitsinteressen, die gegenteilige Behauptung also von derjenigen, die hier gemacht worden ist, könnte nur entspringen einer den Okkultismus mit Frivolität durchdringenden Gesinnung. Dies müssen wir als wichtig ins Auge fassen, wenn wir von den Veränderungen sprechen, welche mit dem astralischen Menschen und dem Selbst bei der höheren spirituellen Entwicklung vor sich gehen.
ZEHNTER VORTRAG Den Haag, 29. März 1913
Wir haben gesehen, daß mit den vier Hauptgliedern der menschlichen Wesenheit durch die im Ernst getriebene esoterische oder old:ulte EntwicklungVeränderungen vorgehen, und bemerken konnten Sie, daß in unserer Schilderung der Hauptwert gelegt worden ist auf die innere Veränderung dieser vier Glieder der menschlichen Natur, auf jene Veränderung, welche gewissermaßen im Innern erlebt wird. Man muß wohl unterscheiden diese im Innern erlebbare Veränderung von jener Schilderung, welche gegeben werden kann für den Blick des Hellsehers nach außen. Das ist natürlich etwas anderes. Bei der eigentlichen esoterischen Entwicklung ist es ja zunächst wichtig, daß man weiß, was im Innern des Menschen vorgeht und was einem bevorsteht, wenn man eine okkulte Entwicklung durchmacht. Interessant, wenn auch vielleicht nicht so wichtig, ist die Veränderung, wie sie sichtbar wird für die äußere hellsichtige Anschauung. Und da können wir etwa kurz charakterisierend sagen: Was im Innern wahrgenommen wird wie eine Art von Beweglicherwerden und Unabhängigerwerden der einzelnen Teile des physischen Leibes, das zeigt sich für den hellseherischen Blick, der also nicht von innen erlebt die Veränderung mit dem physischen Leib, sondern der sie von außen ansieht, das zeigt sich dadurch, daß der physische I,eib eines Menschen, der in okkulter Entwicklung begriffen ist, sich gewissermaßen zerteilt, zerspaltet; und dadurch, daß er sich zerspaltet, fühlt ihn der hellseherische Blick wie auseinandergehend.
Es wächst tatsächlich der physische Leib einer immer und immer weiter in okkulte Entwicklung dringenden Persönlichkeit für den hellseherischen Blick. Und man kann sagen: Wenn man es mit jemand zu tun hat, der in einer wirklichen okkulten Entwicklung begriffen ist, so hat man den Anblick so, daß, wenn man ihm in einer bestimmten Zeit begegnet, dasjenige, was der hellseherische Blick als physischen Leib sieht, eine bestimmte
Größe hat; begegnet man ihm nach Jahren wieder, so ist dieser physische Leib gewachsen, wesentlich größer geworden. Es gibt also ein solches Wachsen des physischen Leibes über die gewöhnliche physische Größe hinaus; nur ist das verbunden damit, daß dieser physische Leib schattenhafter wird. Man bemerkt aber dann: Wenn der Betreffende sich entwickelt hat, so zeigt er einem einen immer mehr und mehr sich vergrößernden physischen Leib; der ist aber sozusagen aus einzelnen Teilen zusammengesetzt, und diese einzelnen Teile stellen sich einem dar in demjenigen, was man im okkulten Leben Imagination nennt. Immer mehr zeigt sich der physische Leib einer in okkulter Entwicklung begriffenen Persönlichkeit als eine Summe von Imaginationen, von gewissermaßen innerlich lebendigen und regsamen Bildern; und diese Bilder sind oder werden vielmehr immer interessanter, denn diese Bilder sind nicht beliebig. Sie sind zuerst, wenn der Betreffende im Anfang der okkulten Entwicklung ist, noch nicht besonders bedeutsam; am wenigsten sind sie bedeutsam, wenn der hellseherische Blick den noch nicht okkult entwickelten Menschenleib betrachtet.
Wenn man den noch nicht okkult entwickelten Menschenleib betrachtet, nimmt man wahr eine Anzahl von Bildern, von Imaginationen. Das, was physische Materie ist, das verschwindet ja für den hellseherischen Blick, an die Stelle treten Imaginationen; aber die sind so zusammengeschoben, daß sie den freundlichen, innerlich erglänzenden Anblick einer Person, die in okkulter Entwicklung begriffen ist, nicht zeigen, sondern sich so zeigen wie in sich verfinsterte Materie. Aber auch bei dem noch nicht entwickelten Menschen zeigen sie sich, und zwar wie Teile, und jeder Teil bezieht sich auf etwas im Makrokosmos. Im wesentlichen kann man zwölf Glieder unterscheiden. Jedes solche Glied ist eigentlich ein Gemälde; ein Gemälde eines Teiles der großen Welt. Wenn man alle zwölf zusammen hat, hat man den Eindruck, irgendein unbekannter Maler habe Miniaturbilder geschaffen vom Makrokosmos - zwölf an der Zahl - und habe daraus den physischen Menschenleib gebildet. Wenn nun die Persönlichkeit in okkulter Entwicklung begriffen ist, dann wird dieses Bild immer größer und größer, aber
auch innerlich immer freundlicher und freundlicher, von innen heraus leuchtend. Das kommt daher: Bei einer Persönlichkeit, die nicht in okkulter Entwicklung begriffen ist, wird der Makrokosmos nur in seinem physischen Aspekt abgebildet; bei einer Persönlichkeit aber, die eine okkulte Entwicklung durchmacht, zeigt sich immer mehr und mehr in den Bildern auch der geistige Inhalt, zeigen sich die Bilder der geistigen Wesen des Makrokosmos. So stellt sich uns die okkulte Entwicklung auch noch so dar, daß die in einer okkulten Entwicklung begriffene Persönlichkeit von einem bloß physischen Mikrokosmos immer mehr und mehr ein geistiger Mikrokosmos wird; das heißt, daß sie immer mehr in sich die Bilder nicht bloß von Planeten und Sonnen, sondern von Wesenheiten der höheren Hierarchien zeigt. Das ist der Unterschied zwischen einer nicht lfl okkulter Entwicklung begriffenen Person und einer solchen, die in okkulter Entwicklung begriffen ist. Und immer höhere Hierarchien zeigen sich, je mehr der Mensch in seiner okkulten Entwicklung vorwärts dringt. Man lernt also sozusagen das Gefüge der Welt kennen, indem man hellseherisch den physischen Menschenleib betrachtet.
Der ätherische Menschenleib, der zeigt bei einer nicht in einer okkulten Entwicklung begriffenen Person den Werdegang der Welt, dasjenige, was in der Zeit aufeinanderfolgt; er zeigt, wie sich Planeten und Sonnen oder auch menschliche Kulturen auf der Erde oder auch einzelne Menschen durch ihre Inkarnationen hindurch verändern, wie sie sich im aufeinanderfolgenden Werden zeigen. Der Ätherleib ist also eigentlich ein Erzähler; er erzählt den Werdegang der Welt. Während der physische Leib des Menschen wie eine Summe von Gemälden ist, von einem unbekannten Maler gemalt, erweist sich der Ätherleib wie eine Art Erzähler, der die Weltengeschichte selber in seinen eigenen inneren Geschehnissen erzählt. Und je mehr der Mensch in einer okkulten Entwicklung begriffen ist, desto weiter reichen die Erzählungen hinauf. Ein Mensch, der verhältnismäßig wenig in okkulter Entwicklung begriffen ist, der zeigt in seinem Ätherleib vielleicht für den hellseherischen Blick ein paar Generationen, die ihm in physischer Vererbung vorangegangen
sind; denn dieses Werden zeigt sich auch noch im Ätherleib des Menschen. Je weiter aber die okkulte Entwicklung einer Persönlichkeit geht, desto mehr ist es möglich, in dem Ätherleib Menschheitskulturen, einzelne Verkörperungen dieser oder jener Individualitäten zu sehen, ja hinaufzusteigen zu dem kosmischen Werden und dem Anteil der Geister höherer Hierarchien an dem kosmischen Werden.
Der astralische Leib des Menschen, der ist ja für die gewöhnliche Beobachtung sozusagen nur durch sein inneres Schattenbild zu sehen, durch Gedanken-, Willenserlebnisse, Gefühlserlebnisse; er wird immer mehr und mehr zu einem Ausdruck desjenigen, was der Mensch in bezug auf seine Wesenheit im Kosmos wert ist. Diese Schilderung, diese Darstellung bitte ich ganz besonders bedeutsam zu nehmen. Der astralische Leib des in einer okkulten Entwicklung begriffenen Menschen wird immer mehr und mehr der Ausdruck für den Wert des Menschen im Kosmos. Wir haben ja geschildert, wie wir darauf kommen, daß der astralische Leib seiner Urwesenheit nach eine Art Egoist ist, wie aber die okkulte Entwicklung diesen überwinden muß dadurch, daß Persönlichkeitsinteressen zu Weltinteressen hinaufgehoben werden. Beobachtet man den astralischen Leib einer in höherer Entwicklung begriffenen Persönlichkeit, dann wird man an diesem astralischen Leib sehen, je nachdem er sich finster oder dunkel erweist oder innerlich sich hell erglänzend zeigt, je nachdem er sich in schrillen Mißtönen zu erkennen gibt oder in harmonischen, melodischen Klängen, daran wird man sehen, ob der betreffende Mensch seine Entwicklung so geleitet hat, daß er mit seinen persönlichen Interessen verknüpft geblieben ist, von denen gesprochen worden ist, oder ob er wirklich Weltinteressen zu seinen Interessen gemacht hat. Das ist es, was sich ergeben kann an dem astralischen Leibe einer in höherer Entwicklung begriffenen Menschenpersönlichkeit, daß, wenn die Entwicklung in richtiger okkulter Moral vor sich gegangen ist, wir an ihm sehen, wie wunderbar der Mensch dadurch wird, daß er den Horizont seiner Interessen aus dem Persönlichen in das Allgemein-Menschliche und in die allgemeinen Weltintentionen hinaus erweitert. Immer
strahlender, immer sonnenhafter wird der astralische Leib dadurch, daß der Mensch immer mehr und mehr lernt, die allgemeinen Menschheits- und Weltangelegenheiten zu seinen Angelegenheiten zu machen.
Das Selbst des Menschen zeigt, je weiter der Mensch in seiner Entwicklung vorwärtsdringt, immer mehr und mehr die Tendenz, sich zu zerspalten, sich zu zerteilen. Es schickt gleichsam seinen Bewußtseinsinhalt aus; dieser Bewußtseinsinhalt macht Botengänge in der Welt. Ja, wenn der Mensch zum Beispiel eine Wesenheit aus der Hierarchie der Angeloi kennenlernen will, dann genügt es nicht, daß er Erkenntniskräfte anwendet von gewöhnlicher Art. Wenn er sie wirklich kennenlernen will, dann muß er sein Bewußtsein verlegen können, das heißt, er muß die Kräfte seines Selbsts heraus- sondern können und ein Stück von seinem Selbstbewußtsein hinüberverlegen können in die Wesenheit des betreffenden Wesens aus der Hierarchie der Angeloi. Was wir immer für ein Wesen kennenlernen, wir können es nur so kennenlernen, daß wir unser Selbstbewußtsein in dieses Wesen hineinverlegen. Das ist der Drang des Selbstes, aus sich herauszugehen, sich in das andere Wesen hineinzuverlegen und das, was zuerst nur in einem selbst gelebt hat, weiter- leben zu lassen in dem anderen Wesen. Dieser Drang zeigt sich auf einer niedrigeren Menschheitsstufe der menschheitlichen Wesenheit, auf der Stufe des gewöhnlichen Menschendaseins, in einem gewissen Drange, sein Bewußtsein aus sich selber heraus zu entfernen; es zeigt sich dieses in dem Bedürfnis nach Schlaf. Und dasjenige, was den Menschen seelisch zum Schlafen treibt, das ist ganz derselbe Impuls, der in höherer Ausbildung das Bewußtsein nicht in die unbe`wußte Schlafenswelt hinüberleitet, sondern in das Bewußtsein des Angeloi oder des Geistes der Form oder höherer Hierarchien. So könnte man das paradoxe Wort aussprechen: Was heißt es, einen der Elohim, einen der Geister der Form kennenzulernen? Das heißt, sich so weit entwickelt haben, daß man imstande ist, hinüberzuschlafen in das Bewußtsein des Elohim und im Elohim aufzuwachen mit dem Bewußtsein dieses Geistes der Form, dieses Geistes der höheren Hierarchien. Das heißt Erkennen einer höheren
Wesenheit: Sein Bewußtsein aufgeben, wie man es im Schlaf aufgibt, aber es so aufgeben vermöge der höheren in ihm erwachten Kräfte, daß dieses Bewußtsein aufwacht und einem als das Bewußtsein dieses höheren Wesens entgegen leuchtet.
So wird ein astralischer Leib in richtiger okkulter Entwicklung wie eine Sonne, welche ihre Weltinteressen hinausstrahlt. Ein Selbst aber wird, wenn es sich höher entwickelt, wie die Planeten, die um diese Sonne des astralischen Leibes kreisen und welche bei ihrem Kreisen durch die Welt anderen Wesenheiten begegnen und, indem sie anderen Wesenheiten begegnen, von diesen anderen Wesenheiten Kunde bringen dem erkennenden Wesen des Menschen. So bietet in der Tat der astralische Leib und das Selbst bei einem in okkulter Entwicklung begriffenen Menschen das Bild einer Sonne - das ist der astralische Leib -, umgeben von ihren Planeten: das ist eine Anzahl von Vervielfältigungen des Selbstes, die hinausgesandt werden in andere Wesenheiten, damit der Mensch durch das, was ihm zurückstrahlt sein vervielfältigtes Selbst von diesen anderen Wesenheiten, das Wesen dieser anderen Wesenheiten erkenne.
Und das Gefühl, das man hat beim Erkennen der Glieder höherer Hierarchien in ihrer inneren Wesenheit - durch physischen Leib und Ätherleib lernt man sie erkennen in ihrer äußeren Wesenheit; innerlich lernt man sie erkennen durch astralischen Leib und Selbst, man gelangt durch astralischen Leib und Selbst sozusagen in Verkehr mit diesen Wesenheiten der höheren Hierarchien -, das Gefühl, das man hat, das ist: wie wenn man sich müßte in seinem astralischen Leibe zur Sonne machen und ein Selbst von sich abspalten, welches die Veranlagung hat, unterzutauchen in die Hierarchie der Angeloi; ein anderes Selbst, das die Veranlagung hat, unterzutauchen in die Hierarchie der Archangeloi; ein anderes Selbst, das die Veranlagung hat, unterzutauchen in die Hierarchie der Geister der Form. Ein viertes Selbst taucht unter in die Hierarchie der Geister der Bewegung, ein fünftes taucht unter in die Hierarchie der Geister der Weisheit und des Willens, ein sechstes Ich taucht unter in die Hierarchie der Cherubim und ein siebentes in die Hierarchie der Seraphim. Es ist möglich, meine lieben Freunde, daß der Mensch,
wenn er die vier Glieder seiner Wesenheit zur Ausbildung auf eine hohe Stufe erhebt, in der Tat zu einem solchen Erleben kommt, wie es jetzt eben charakterisiert worden ist. Es ist dieses möglich; aber neben dem, daß der Mensch zu einer solchen Entwicklung seines Selbstes kommt, wie ich es eben jetzt angedeutet habe, kann er zu einer gewissermaßen noch höheren Entwicklung seines Selbstes gelangen.
Dadurch nämlich, daß das Selbst sieben Selbste aus sich heraussondert, dadurch macht es als achtes zurückbleibendes eine höhere Entwicklung durch. Also bitte, wollen Sie die Sache so betrachten: Wir haben das ursprüngliche Selbst des Menschen, das dem Menschen gegeben ist, bevor er eine okkulte Entwicklung durchgemacht hat. Jetzt macht er eine solche durch, und dadurch sendet dieser Mensch sieben Selbste aus sich aus. Damit das, was ihm ursprünglich gegeben ist, sieben Selbste hat aussenden können, hat er eine innere Kraft anwenden müssen. Dadurch, daß dieses Selbst das durchgemacht hat, ist es aber selber um eine Stufe höher gestiegen. Nun bitte ich Sie aber, zu bedenken, daß der Vorgang, den ich hier sozusagen in seinem Extrem geschildert habe, sich nach und nach vollzieht. Der Mensch, der eine okkulte Entwicklung durchmacht, ist natürlich nicht gleich eine vollkommene Sonne in seinem astralischen Leib, umgeben von den Planeten seines Selbstes, sondern er erlangt zuerst ein unvollkommenes Sonnendasein, unvollkommene Ausbildungen seiner planetarischen Selbste; das geht alles nach und nach vor sich. Damit aber geht auch ganz langsam und allmählich die Entwicklung des gewöhnlichen Selbstes ins höhere Selbst über. Wenn diese Entwicklung an einem bestimmten Punkt angelangt ist, wenn also tatsächlich das Selbst höher und höher gelangt, dann bietet sich allmählich die Möglichkeit, zu früheren Inkarnationen zurückzuschauen. Ich bezeichne Ihnen hier also den Punkt, der die Möglichkeit gibt, in frühere Inkarnationen zurückzuschauen. Das ist die Entwicklung des Selbstes über sich hinaus, so daß es über sich hinauskommt durch die Kräfte, die ihm zugleich die Möglichkeit geben, die höheren Hierarchien zu durchschauen. Man könnte also sagen: Der Mensch wird in bezug auf sein Selbst und seinen astralischen
Leib durch seine okkulte Entwicklung sternenähnlich, sternensystemähnlich für den hellseherischen Blick.
Damit, meine lieben Freunde, habe ich Ihnen mehr oder weniger dasjenige geschildert, was für das äußere Hellsehen, für das Anschauen einer anderen hellsehend werdenden Persönlichkeit sich ergibt, während ich Ihnen in den verflossenen Tagen mehr die Erlebnisse als innere Erlebnisse dargestellt habe. Noch etwas Wichtiges ist darzustellen, was gewissermaßen eine Andeutung, die.schon gemacht worden ist, weiter auszuführen hat. Der Mensch gelangt dazu, wie Sie sehen, wenn er also seinen astralischen Leib und Sein Selbst ausbildet, eine Welt, die vorher leer war, angefüllt zu schauen mit den Wesenheiten der höheren Hierarchien: Angeloi, Archangeloi, Archai und so weiter. Jetzt können Sie ja die Frage aufwerfen: Verändern sich auch die Reiche der Natur um den Menschen herum? - Und in der Tat, die Reiche der Natur verändern sich ganz wesentlich. Sehen Sie, ich habe Ihnen ja vorhin gesagt, daß der physische Leib für den Hellseher schon bei der gewöhnlichen Persönlichkeit wie eine Summe von Gemälden sich darstellt, die immer mehr innerlich erglänzend werden, je mehr die Persönlichkeit fortschreitet.
Wie ist es denn bei den Tieren? Ja, wenn man mit hellseherischem Blick die Tiere anschaut, dann verwandelt sich ihr physischer Leib auch in Imaginationen, und dann weiß man: Diese Tiere sind nicht das, was sie in der Maja erscheinen, sondern sie sind Imaginationen, das heißt sie sind in einem Bewußtsein vorgestellte Imaginationen. Wer stellt denn die Tiere als Imaginationen vor? Bei wem sind sie die Imaginationen? Tiere, auch Pflanzen in ihren äußeren Formen - aber Pflanzen weniger als Tiere und am wenigsten die Mineralien - sind Imaginationen Ahrimans. Unsere Physiker suchen nach den materiellen Gesetzen in den äußeren Natur- reichen; der okkultistische Erkenner kommt immer mehr und mehr darauf, daß die äußeren Naturreiche, insofern sie sich als materielle Wesenheiten darstellen, Imaginationen Ahrimans sind. Wir wissen ja, daß den Tieren zum Beispiel Gruppenseelen zugrunde liegen. Die Gruppenseelen sind nicht Imaginationen Ahrimans, sondern
die einzelnen Individuen der Tiere in äußeren Gestalten sind die Imaginationen Ahrimans. Wenn wir also das Reich der Löwen haben, so ist die Gruppenseele derselben angehörig sozusagen den guten geistigen Wesenheiten, und der Kampf Ahrimans gegen die guten geistigen Wesenheiten besteht eben darin, daß er ihnen ihre Grnppenseele preßt in die einzelnen individuellen Gestalten der Tiere und denen aufprägt seine Imaginationen. Die einzelnen Löwen- gestalten, wie sie draußen real herumlaufen in der Welt, sind aus den Gruppenseelen herausgezwängt durch Ahriman. So zeigt sich uns auch die Umwelt allmählich sich verwandelnd in etwas ganz anderes, als sie in der Maja erscheint.
Nun will ich Ihnen noch, damit Sie gewissermaßen etwas haben, woran Sie die Gedanken, die sich uns eröffnet haben im Laufe dieses Zyklus, wie auf einer Leiter hinanführen können, ich will Ihnen noch eine Art schematischer Zeichnung geben. Zunächst will ich aufzeichnen links hier das, was wir nennen können die Gliederung
des gewöhnlichen Menschen aus physischem Leib, ätherischem Leib, astralischem Leib, Empfindungsseele, Gemüts- oder Verstandesseele, Bewußtseinsseele, Geistselbst, Lebensgeist, Geistesmensch. So kennen wir ja die Gliederung des Menschen. Ich will also das nur in Strichen darstellen. Das Innere, das sei Empfindungsseele, das nächste Gemüts- oder Verstandesseele, das nächste Bewußtseinsseele, das nächste sei Geistselbst. Die oberen Glieder können ja, weil wir sie
heute nicht mehr brauchen, ergänzt gedacht werden. Diese Konstitution des Menschen zeigt sich ja äußerlich so, daß das Leibliche gleichsam in den drei niederen Gliedern, das, was seelisch erlebt wird, in den drei mittleren Gliedern, und das Geistselbst gar nicht mehr Sozusagen, sondern wie eine Perspektive in die Zukunft am Menschen vorhanden ist. Wenn nun der Mensch eine okkulte Entwicklung durchmacht, so handelt es sich zunächst darum, daß gewisse Dinge in der Seele selber unterdrückt werden. Wir haben gesehen, wie es insbesondere darauf ankommt, daß der Mensch es dazu bringt, die äußeren Sinneseindrücke auszuschalten. Das ist ja das erste Erfordernis eines wirklichen okkulten Vorwärtskommens, daß man die äußeren Sinneseindrücke ausschaltet. Dadurch, daß der Mensch die äußeren Sinneseindrücke ausschaltet, verändert sich innerlich das Glied seiner Seele, welches vorzugsweise unter der Einwirkung der äußeren Sinneseindrücke sich ausbildet. Das ist die Bewußtseinsseele. Verstehen Sie recht: die Bewußtseinsseele ist gegenwärtig in ihrer Hauptausbildung, weil da hauptsächlich auf die äußeren Sinneseindrücke gezählt wird. Daß die Bewußtseinsseele innerlich am meisten erstarkt unter dem Eindrucke der Sinneseindrücke, müssen Sie nicht mit der Tatsache verwechseln, daß diese Sinneseindrücke durch die Empfindungsseele vermittelt werden. Wenn es sich um die okkulte Entwicklung handelt, so hat man darauf zu sehen, unter was für Einflüssen die Bewußtseinsseele am meisten erstarkt: das ist unter den Einflüssen der äußeren Sinneseindrücke; wenn diese ausgeschaltet werden, dann wird die Bewußtseinsseele gedämpft. So daß also - rechts will ich hinzeichnen das, was sich im okkult entwickelten Menschen mit den einzelnen Seelengliedern entspricht - die Bewußtseinsseele im okkult sich entwickelnden Menschen vor allen Dingen wird zurücktreten müssen. Das also ist gemeint, was im gewöhnlichen Leben den Menschen dazu führt, sein Ich zu betonen, was ihn dazu führt, vor allen Dingen auf allen möglichen Gebieten dieses Ich zu betonen. In unserer Zeit wird ja dieses Ich schon auf dem Gebiet des Denkens betont. Nichts kann man öfter hören als: Dies ist mein Standpunkt, ich denke dies oder jenes. - Als ob es darauf ankäme, was dieser oder
jener Mensch denkt, als ob es nicht vielmehr darauf ankäme, was die Wahrheit ist! Wahr ist, daß die Summe der drei Winkel eines Dreiecks zusammen hundertachtzig Grad ausmachen, und gleichgültig ist, was der Mensch für einen Standpunkt dazu einnimmt. Wahr ist es, daß die Hierarchien zerfallen in drei mal drei nach oben vom Menschen aus gerechnet, und gleichgültig ist, was der Mensch für einen Standpunkt dazu einnimmt. Das also, was Betonung des Ich ist, tritt zurück; dafür erfüllt sich die Bewußtseinsseele, die früher vorzugsweise zur Kultur des Ich gedient hat, allmählich mit dem, was wir die Imagination nennen. Wir können geradezu sagen: Beim okkult sich entwickelnden Menschen verwandelt sich die Bewußtseinsseele in die Imaginationsseele.
Dann wissen wir ja aus den Darstellungen der vergangenen Tage, daß sich verwandeln muß auch das Denken selber, welches vorzugsweise ausgebildet wird in der Verstandes- oder Gemütsseele. Wir haben ja gehört, wie das Denken immer mehr und mehr verzichten muß, eigene Gedanken zu entwickeln, wie die menschliche Persönlichkeit immer mehr und mehr das Selbstdenken unterdrücken muß. Wenn es dem Menschen gelingt, das, was er in seinem gewöhnlichen Leben aus seiner Verstandes- oder Gemütsseele gemacht hat, zu unterdrücken, dann geht an den Platz dessen, was als gewöhnliches Denken, als Verständigkeit und auch als gewöhnliches Gemütsleben für den physischen Plan in dem Menschen lebt, die Inspiration, da verwandelt sich die Verstandes- oder Gemütsseele in die Inspirations- oder inspirierte Seele. Die inspirierten Werke der Kultur sind in die verwandelte Verstandesseele herein inspiriert worden.
Die Empfindungsseele wird vorzugsweise dadurch allmählich ausgeschaltet, daß man den astralischen Leib überhaupt überwindet, Weltinteressen zu den seinigen macht und dadurch immer mehr und mehr über das persönliche Empfinden hinauskommt; dadurch verwandeln sich Empfindungsseele, alle inneren Impulse, inneren Leidenschaften und Affekte, in Intuitionen. Und an die Stelle der Empfindungsseele tritt die Intuitionsseele. - So daß wir jetzt rechts hier (siehe Schema Seite 175) aufzeichnen können den okkult
entwickelten Menschen, von dem wir sagen: Er besteht auch aus astralischem Leib, Ätherleib und physischem Leib, aber innerlich aus der Intuitionsseele, der Inspirationsseele, der Imaginationsseele, was dann ins Geistselbst übergeht. Und jetzt können Sie aus dem Schema, das richtig die Tatsachen der okkulten Beobachtung wiedergibt, von den Ergebnissen der Vorträge sozusagen behalten, wie der Mensch durch den Grad seiner moralischen Entwicklung sich seine okkulte Entwicklung beeinflußt. Was ist denn ein Mensch, der noch ganz erfüllt ist von persönlichen Affekten, persönlichen Leidenschaften, der unter dem Eindruck von, man möchte sagen, menschlichen Instinkten handelt? Ein solcher Mensch lebt noch ganz in seiner Empfindungsseele; der moderiert seine Instinkte nicht durch Verstandesbegriffe, geschweige denn durch die Ausbildung seines Bewußtseins; der ist sozusagen, wenn ich jetzt die moralische Entwicklung in die Mitte hereinzeichne als diesen Strich (Seite 175, kleinster Pfeil), ist gleichsam nur bis zu der Empfindungsseele hierher entwickelt.
Es kann also der Fall eintreten, daß ein Mensch nur bis zu der Empfindungsseele entwickelt ist, das heißt, daß er ganz und gar sei- nen persönlichen Begierden, Trieben und SO weiter die Herrschaft läßt. Nehmen wir an, ein solcher würde hinaufgeschraubt durch okkulte Entwicklung. Die Folge wäre, daß er seine Empfindungsseele umgestaltet in seine Intuitionsseele und er gewisse Intuitionen hätte; aber diese Intuitionen stellten sich als nichts anderes dar denn als die Umgestaltungen seiner eigenen persönlichen Triebe, Begierden und Instinkte. Ein Mensch, der mit seiner moralischen Entwicklung bis zur Verstandesseele gekommen ist, das heißt, der reinliche Begriffe, allgemeinere Begriffe sich angeeignet hat, der in Seinem Gemüte umfaßt allgemeine Welteninteressen in gewisser Weise, der wird wenigstens seine Gemütsseele in die Inspirationsseele verwandeln und er kann zu gewissen Inspirationen kommen, wenn auch noch immer seine hellsichtige Kraft nicht ganz reinlich ist.
Erst wenn der Mensch mit seinem Ich wirklich bis zur Bewußtseinsseele vorgedrungen ist, dann entwickelt er zunächst die Umgestaltung seiner Bewußtseinsseele in die Imaginationsseele, und
das andere ergibt sich sozusagen, weil er ja durch die anderen Stadien gegangen ist, als eine selbstverständliche Konsequenz. In unserer Zeit muß daher ein entsprechendes wirkliches Hellsehen darauf gehen, dem Menschen die Aufgabe zu stellen, seine moralische Entwicklung in der Weise zu betreiben, daß er zunächst seine Triebe, Begierden und so weiter aus dem Persönlichen herausschält und auf den Standpunkt der allgemeinen Welteninteressen erhebt; dann muß versucht werden, daß ein solcher Mensch wirklich sich als Ich erfaßt, aber in der Bewußtseinsseele sich als Ich erfaßt. Dann werden ohne alle Gefahr verwandelt werden können Empfindungsseele, Gemütsseele, Bewußtseinsseele in Intuitionsseele, Inspirationsseele, Imaginationsseele. Es ist, wenn wir das gewöhnliche Bewußtsein auf dem physischen Plan betrachten, die Empfindungsseele die reichste Seele. Denn was alles ist als eine Summe von Instinkten und Trieben in so einer Menschenseele, wenn sie noch so niedrig steht, verborgen! Welcher Triebe und Begierden ist so eine Menschenseele nicht fähig! Etwas ärmer schon ist diese Menschenseele an Gemüts- und Verstandesinhalt, aber am ärmsten als Bewußtseinsseele, zusammengeschrumpft bis zu dem Bewußtsein des Selbstes, also gewissermaßen bis zu einem Punkt. Man möchte sagen: Die Figur, welche uns darstellt die menschliche Seele im natürlichen Zustand auf dem physischen Plan, würde eine Art nach oben gerichteter Pyramide (siehe die zwei Dreiecke) darstellen;
unten an der Basis die Summe der Triebe, Begierden und Leidenschaften, oben an der Spitze der Punkt des Bewußtseins. Eine umgekehrte Pyramide stellt dar die entwickelte Seele des wahren Hellsehers:
Eine Pyramide, welche oben die Basis hat, nämlich alle möglichen Imaginationen, die man sich bilden kann und die da zum Ausdruck bringen alles das, was uns abbilden kann den Welteninhalt, unten als Spitze dasjenige, was das höhere Einzelbewußtsein des Menschen ergibt. Aber noch in einem anderen Sinne ist dieses Schema gewissermaßen maßgebend. Ich habe es auch schon angedeutet in den neuen Auflagen meiner «Theosophie», daß wir sagen können: Die Empfindungsseele ist gleichsam der provisorisch umgestaltete Astralleib. So daß wir hier zusammenstellen können:
Astralleib Empfindungsseele-Intuitionsseele
Ätherleib Verstandesseele-Inspirationsseele
Physischerleib Bewußtseinsseele-Imaginationsseele
unten physischen Leib, dann Ätherleib, dann astralischen Leib. Der provisorisch umgewandelte Astralleib ist die Empfindungsseele auf dem physischen Plan; der provisorisch umgewandelte Ätherleib ist die Verstandes- oder Gemütsseele, und der provisorisch umgewandelte physische Leib ist die Bewußtseinsseele.
Also die Bewußtseinsseele haben wir zunächst im gegenwärtigen Menschheitszyklus als lokalisiert im physischen Leib, das heißt so, daß Sie sich der physischen Werkzeuge bedient. Die Verstandesseele im Ätherleib, das heißt, daß sie sich der ätherischen Bewegungen bedient. Die Empfindungsseele, die Triebe, Begierden und Leidenschaften zum Inhalt hat, bedient sich der Kräfte, die im astralischen Leib lokalisiert sind. Die Gemüts- oder Verstandesseele, die die inneren Empfindungskräfte, Mitleidskräfte zum Beispiel zum In- halte hat, bedient sich des ätherischen Leibes; die Bewußtseinsseele bedient sich des Gehirns des physischen Leibes.
Wenn in diesem Sinn die Empfindungsseele umgestaltet wird zu der Intuitionsseele, so müssen Sie sich demgemäß auch vorstellen, daß die Intuitionsseele im Astralleibe des Menschen ihr Werkzeug
hat. Die Inspirationsseele ist die umgewandelte Verstandes- oder Gemütsseele. Sie hat im Ätherleibe des Menschen ihr Werkzeug. Und die Imaginationsseele, die umgewandelte Bewußtseinsseele hat im physischen Leib des Menschen ihr Werkzeug. Und nun vergleichen Sie das, was ich hier als Schema dargestellt habe, mit dem, was ich eben vorhin ausgeführt habe, dann werden Sie gewahr wer- den, daß Sie an diesem Schema ein Erinnerungsbild haben. Ich habe Ihnen ausgeführt, daß sich der physische Leib für das hellseherische Anschauen in Imaginationen verwandelt, die Gemälde des Makrokosmos sind. Sie sehen hier im Schema die Imaginationsseele den physischen Leib ausfüllen. In der Tat taucht ein die Imaginationsseele in den physischen Leib, durchdringt ihn, so daß das hellseherische Bewußtsein, je mehr es einem entwickelten Menschen gegenübersteht, die Glieder des physischen Leibes durchdrungen sieht mit immer höheren und höheren Imaginationen, die von dem Inneren dieser Persönlichkeit in den physischen Leib hineingedrückt werden. Im gewöhnlichen Menschen sind eine Anzahl von Imaginationen, die ihm von höheren geistigen Wesenheiten in die Glieder seines Leibes eingeprägt sind; bei dem höher entwickelten Menschen treten in die Glieder des physischen Leibes zu den Imaginationen, die ursprünglich da sind, diejenigen hinzu, welche er aus seinem eigenen Innern in seine Leibesglieder hineinprägt; so daß immer reicher und reicher die Organe des physischen Leibes einer okkult entwickelten Persönlichkeit werden.
Ich wollte Ihnen in diesem Schema nichts anderes geben als eine Art von Notiz, die zusammenfaßt das, was ich in den Vorträgen schildernd ausgeführt habe. Ich mache Sie besonders darauf aufmerksam, daß Sie aus diesem Schema immer die Erinnerung davon behalten können, daß Empfindungsseele, Gemüts- oder Verstandesseele und Bewußtseinsseele sich umkehren, so daß nicht die Bewußtseinsseele zur Intuitionsseele, sondern zur Imaginationsseele, und nicht die Empfindungsseele zur Imaginationsseele, sondern zur Intuitionsseele wird.
Damit, meine lieben Freunde, haben wir eine Skizze von dem geliefert, was im Laufe dieser unserer Vorträge gegeben werden
konnte unter dem Thema: Die Veränderungen der menschlichen Hüllen und des menschlichen Selbstes im Laufe einer ernsthaft getriebenen anthroposophischen Entwicklung oder einer esoterisch okkulten Entwicklung, was ja im Grunde durchaus auch zusammenfallen kann. Sie haben gesehen, wie wir begonnen haben sozusagen bei den kleinen, kaum wahrnehmbaren Veränderungen des physischen Leibes, die der in okkulter Entwicklung Begriffene zuerst leise wahrnimmt: die einzelnen Glieder des physischen Leibes werden wie innerlich lebendiger und lebendiger, während uns sonst nur der gesamte physische Leib des Menschen wie ein Lebendiges vorkommt. Dann haben wir gesehen, wie gewisse Veränderungen vorgehen, die gewaltige Tatsachen des Innenlebens darstellen: diejenigen Veränderungen des astralischen Leibes und des Selbstes, welche jene gewaltigen Imaginationen geben, durch die wir uns wie an den Anfang unserer Erdenmenschheitsentwicklung versetzt fühlen können, ja noch ein Stück darüber hinaus, die zur Paradieses- und zur Kain-Abel.Imagination führen. Sie haben gesehen, wie in der Tat als eine Wirklichkeit eine Art von Kraft im physischen Leib entsteht, die ihn befähigt, sich gleichsam zu zerteilen; er bleibt aber doch zusammen, er gibt nicht nach, weil hier in unserem Menschheitszyklus die okkulte Übung nicht so weit gehen darf, daß es zur Schädigung des physischen Leibes führt. Aber es gibt doch eine Stärke der okkulten Entwicklung, welche bis an die Möglichkeit heranführt, daß der physische und der Ätherleib sich innerliche Zerstörungskräfte heranerziehen; und im Grunde genommen ist das immer da, wenn der Mensch die Begegnung mit dem Hüter der Schwelle hat. Diese Begegnung mit dem Hüter der Schwelle ist gar nicht möglich, ohne daß man vor der Gefahr steht, in gewisser Beziehung Zerstörungskräfte einzupflanzen seinem physischen und ätherischen Leibe; aber eine jede richtige okkulte Entwicklung schafft zugleich die Gegenmittel, und diese Gegenmittel sind gegeben in dem, was Sie in meiner «Geheimwissenschaft» als die sechs okkulten Nebenübungen bezeichnet finden: Gedankenkonzentration, das heißt starkes Anspannen seiner Gedanken, konzentriertes Zusammenfassen seiner Gedanken; Herausentwicklung einer
gewissen Initiative des Willens, eines gewissen Gleichmaßes von Lust und Leid, eine gewisse Positivität im Verhalten zur Welt, einer gewissen Unbefangenheit. Wer diese Eigenschaften in seiner Seele parallel der okkulten Entwicklung heranerzieht, bei dem entwickelt sich allerdings auf der einen Seite eine Art Bestreben des physischen und ätherischen Leibes, zu zerbrechen, das heißt, Todeskeime unter dem Einflusse der okkulten Entwicklung aufzunehmen; aber in dem gleichen Maße, wie sich das entwickelt, wird es aufgehoben, so daß es eigentlich nie wirksam ist, wenn der Mensch die genannten Eigenschaften entwickelt oder durch seine moralische Entwicklung ohnedies schon genug hat an Eigenschaften, die diesen sechs Eigenschaften gleichkommen.
Mehr noch als eine Schilderung Ihnen zu geben, war ich bestrebt, ein Gefühl in Ihren Herzen hervorzurufen von dem, was okkulte Entwicklung ist und wie mannigfaltig und den Menschen verändernd okkulte Entwicklung in das Menschenwesen eingreift. Ahnen und empfinden haben Sie es können, daß der Mensch vor mancherlei Erschütterndem, auch Gefahrbringendem steht, wenn er eine okkulte Entwicklung durchmacht. Aber neben manches, was vielleicht schon in der theoretischen Betrachtungsweise ein leises Grauen eingeflößt hat, mußte doch immer sich der Gedanke vor die Seele hinzaubern, der alles Grauen hinwegschafft, alle Furcht vor Gefahr beseitigen kann, der einfach Enthusiasmus, Willensstärke in unserer Seele aufruft: der Gedanke, daß wir an der von den Göttern gewollten Evolution selbsttätig ein Stück arbeiten, in- dem wir uns weiterbringen. Wer diesen Gedanken zu fassen weiß in seiner ganzen Größe, in seiner ganzen enthusiasmierenden und anfeuernden Bedeutung, wer diesen Gedanken zu fassen weiß so, daß er Evolution, okkulte Entwicklung im schönsten Sinn als seine Pflicht erscheinen Iäßt, wer dies vermag zu fühlen, der fühlt den Beginn dessen, was neben aller Gefahr, neben allem Kampfe, neben allen Verwirrungen, neben allen Hindernissen verknüpft ist mit aller Entwicklung des Entgegengehens den Seligkeiten der geistigen Welten. Denn indem man diesen Gedanken von der enthusiasmierenden Kraft des Ideals der Entwicklung empfindet, kann man
schon die Seligkeit der Entwicklung beginnen fühlen; aber diese Seligkeit bedeutet: dieses Entwickeln, diesen okkulten Fortschritt als eine Notwendigkeit anzuerkennen. Das wird die Zukunft solcher spirituell-esoterischer Bewegungen, wie die unsrige eine ist, sein, daß spirituelle Entwicklung der Menschenseelen immer mehr und mehr als eine Notwendigkeit wird angesehen werden und daß das Ausschließen, das Sichfeindlichstellen zur spirituellen Entwicklung - bedeuten wird ein Sichverbinden mit den in der eigenen Erden- schwere zugrunde gehenden Abfallsprodukten des Irdischen, mit dem Herausfallen aus der gottgewollten Evolution des Weltenalls.
HINWEISE
Das der 2. und 3. Auflage vorangestellte Vorwort von Marie Steiner ist jetzt enthalten in: Marie Steiner
Zu der Zeit, als Rudolf Steiner diese Vorträge hielt, hatte er sich soeben mit seiner anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft von der damaligen Theosophischen Gesellschaft getrennt. Er gebraucht die Ausdriicke , jedoch immer im Sinne seiner von Anfang an anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft. Einer Anweisung Rudolf Steiners folgend, sind hier diese Bezeichnungen, wenn es dem Sinn des Textes gemäß ist, durch
Textgrundlagen: Die Vorträge wurden stenographisch aufgenommen und vom Stenographen in Klartext übertragen. Der Nachschreibende ist nicht bekannt, Stenogramme liegen nicht mehr vor. Der Text dieser Auflage folgt, wie alle vorangehenden Auflagen, der ersten, großfonmatigen Zyklenausgabe von 1913.
Der Titel des Bandes entspricht dem von Rudolf Steiner gewählten Titel des VortragsZyklus.
Werke Rudolf 5teiners innerhalb der Gesamtausgabe (GA) werden in den Hinweisen mit der Bibliographie-Nummer angegeben. Siehe auch die Übersicht am Schluß des Bandes.
Zu Seite
11 An die Mitglieder gerichtete einleitende Worte vor dem Zyklus über die damals soeben vollzogene Trennung der Anthroposophischen von der Theosophischen Gesellschaft werden in Bibl.-Nr. 252 der Gesamtausgabe (Vorträge zur Geschichte der anthroposophischen Bewegung und der Anthroposophischen Gesellschaft) abgedruckt.
50 Vornge u~ber «Anthroposophie»: Rudolf Steiner 60 Tacitss, 55 bis etwa 115, Römischer Historiker.
66 Zarathuttratchuli, Amshaspands: Vgl. auch den Vortrag über Zarathustra in «Antworten der Geisteswissenschaft auf die großen Fragen des Daseins>, GA Bibl.-Nr. 60, sowie , 4. Vortrag (vorgesehen für Bibl.-Nr. i01).
67 Okkulte Betchreihung des alten Mondes: Vgl. Rudolf Steiner 97 Erasinus von Rotterdam, i459-i536. 114 Gral, Chr6tien de Troyes ssw.: Vgl. Rudolf Steiner , GA Bibl.-Nr. i49.
130 A ugastinas, 354-430. #SE145-186
131 ff. Manichaerbischof Faustinus, Faustus Andre/inos usw.: Die Darstellung der verschiedenen Faustgestalten ist dem Aufsatz von Herman Grimm , Bd. 1, GA Bibl.-Nr. 272.
134 Faust des Marlowe: Christopher Marlowe, 1564-1593, englischer Dramatiker. «Life and Death of Dr. Faustus>, 1588.
Johannes (oder Georg) Faust, ca. 1480-1539: Vgl. im übrigen Herman Grimm a.a.O.
137 >Huter der 5chwe/le»: Vgl. Rudolf Steiners gleichnamiges Mysteriendrama in «Vier Mysteriendramen>, GA Bibl.-Nr. 14, sowie die Vorträge «Die Geheimnisse der Schwelle., GA Bibl.-Nr. 147.
151 lange verstorbener Dichter: Hermann Rollett, 1819-1904. Vgl. auch Rudolf Steiner .Geistige Wirkenskräfte im Zusammenleben von alter und junger Generation. PiidagogischerJugendkurs>, GA Bibl.-Nr. 217
152 Sinnell, «Fsoterischer Buddhismus»: A. P. Sinnett, «Esoteric Buddhism., erschien 1883, deutsch 1884.
157 ich habe diese Dinge schon einma/ berührt: Vgl. «Okkulte Geschichte. Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhiinge von Persönlichkeiten und Ereignissen der Weltgeschichte>, 2. Vortrag, GA Bibl.-Nr. 126.
161 «Den Teufe/ spürt das Väikchen nie...«: Worte des Mephistopheles in «Faust> 1. Teil, Auerbachs Keller.
164 ich habe das einmal dargeste//t: Vgl. .Das Matthäus-Evangelium« 7. und 8. Vortrag, GA Bibl.-Nr. 123, ferner die Darstellung der Versuchungsgeschichte in «Aus der Akasha-Forschung. Das Fünfte Evangelium>, GA Bibl.-Nr. 148.
ÜBER DIE VORTRAGSNACHSCHRIFTEN
Es liegen nun aus meinem anthroposophischen Wirken zwei Ergebnisse vor; erstens meine vor aller Welt veröffentlichten Bücher, zweitens eine grol;e Reihe von Kursen, die zunächst als Privatdruck gedacht und verkäuflich nur an Mitglieder der Theosophischen (später Anthroposophischen) Gesellschaft sein sollten. Es waren dies Nachschriften, die bei den Vorträgen mehr oder weniger gut gemacht worden sind und die - wegen mangelnder Zeit - nicht von mir korrigiert werden konnten. Mir wäre es am liebsten gewesen, wenn mündlich gesprochenes Wort mündlich gesprochenes Wort geblieben wäre. Aber die Mitglieder wollten den privatdruck der Kurse. Und so kam er zustande. Hätte ich Zeit gehabt, die Dinge zu korrigieren, so hätte vom Anfange an die Einschränkung Hier in meinem «Lebensgang» ist notwendig, vor allem zu sagen, wie sich die beiden: meine veröffentlichten Bücher und diese privatdrucke in das einfügen, was ich als Anthroposophie ausarbeitete.
Wer mein eigenes inneres Ringen und Arbeiten für das Hinstellen der Anthroposophie vor das Bewußtsein der gegenwärtigen Zeit verfolgen will, der muß das anhand der allgemein veröffentlichten Schriften tun. In ihnen setzte ich mich auch mit alle dem auseinander, was an Erkenntnisstreben in der Zeit vorhanden ist. Da ist gegeben, was sich mir in «geistigem Schauen> immer mehr gestaltete, was zum Gebäude der Anthroposophie - allerdings in vieler Hinsicht in unvollkommener Art - wurde.
Neben diese Forderung, die Da war vor allem eine starke Neigung vorhanden, die Evangelien und den Schrift-Inhalt der Bibel überhaupt in dem Lichte dargestellt zu hören, das sich als das anthroposophische ergeben hatte. Man wollte in Kursen über diese der Menschheit gegebenen Offenbarungen hören. Indem interne Vortragskurse im Sinne dieser Forderung gehalten wurden, kam dazu noch ein anderes. Bei diesen Vorträgen waren nur Mitglieder. Sie waren mit den Anfangs-Mitteilungen aus Anthroposophie bekannt. Man konnte zu ihnen eben so sprechen, wie zu Vorgeschrittenen auf dem
Gebiete der Anthroposophie. Die Haltung dieser internen Vorträge war eine solche, wie sie eben in Schriften nicht sein konnte, die ganz für die Öffentlichkeit bestimmt waren.
Ich durfte in internen Kreisen in einer Art über Dinge sprechen, die ich für die öffentliche Darstellung, wenn sie für sie von Anfang an bestimmt gewesen wären, hätte anders gestalten müssen.
So liegt in der Zweiheit, den öffentlichen und den privaten Schriften, in der Tat etwas vor, das aus zwei verschiedenen Untergründen stammt. Die ganz öffentlichen Schriften sind das Ergebnis dessen, was in mir rang und arbeitete; in den Privatdrucken ringt und arbeitet die Gesellschaft mit. Ich höre auf die Schwingungen im Seelenleben der Mitgliedschaft, und in meinem lebendigen Drinnenleben in dem, was ich da höre, entsteht die Haltung der Vorträge.
Es ist nirgends auch nur in geringstem Maße etwas gesagt, was nicht reinstes Ergebnis der sich aufbauenden Anthroposophie wäre. Von irgend einer Konzession an Vorurteile oder Vorempfindungen der Mitgliedschaft kann nicht die Rede sein. Wer diese Privatdrucke liest, kann sie im vollsten Sinne eben als das nehmen, was Anthroposophie zu sagen hat. Deshalb konnte ja auch ohne Bedenken, als die Anklagen nach dieser Richtung zu drängend wurden, von der Einrichtung abgegangen werden, diese Diucke nur im Kreise der Mitgliedschaft zu verbreiten. Es wird eben nur hingenommen werden müssen, daß in den von mir nicht nachgesehenen Vorlagen sich Fehlerhaftes findet.
Ein Urteil über den Inhalt eines solchen Privatdruckes wird ja allerdings nur demjenigen zugestanden werden können, der kennt, was als Urteils-Voraussetzung angenommen wird. Und das ist für die allermeisten dieser Drucke mindestens die anthroposophische Erkenntnis des Menschen, des Kosmos, insofern sein Wesen in der Anthroposophie dargestellt wird, und dessen, was als «anthroposophische Geschichte» in den Mitteilungen aus der Geist-Welt sich findet.
Literatur
- Rudolf Steiner: Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen (physischer Leib, Ätherleib, Astralleib) und sein Selbst?, GA 145 (2005), ISBN 3-7274-1450-2 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
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