GA 308

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ERSTER VORTRAG Stuttgart, 8. April 1924

#G308-1979-SE007 - Die Methodik des Lehrens und die Lebensbedingungen des Erziehens

#TI

ERSTER VORTRAG

Stuttgart, 8. April 1924

#TX

Meine sehr verehrten Anwesenden! Als die Aufgabe dieser Erziehungs­tagung wurde eine Erörterung der Frage angenommen: Welche Stel­lung hat Erziehung und Unterricht im persönlichen Leben des Men­schen und im Kulturleben der Gegenwart? Es dürfte bei denjenigen Persönlichkeiten, welche in unbefangener Weise das Kulturleben der Gegenwart nach seinen verschiedenen Gestaltungen betrachten kön­nen, kaum einem Widerspruch begegnen, wenn gesagt wird, daß ge­rade ein solches Thema heute das heißt in dem historischen Heute, das ja die gegenwärtigen Jahrzehnte umfaßt ein solches ist, das im tiefsten Sinne die Rätsel berührt, die heute einem weiten Menschen-kreise auf der Seele und auf dem Herzen liegen. Haben wir ja doch in der neueren Kultur eine eigentümliche Stellung des Menschen zu sich selbst sich herausbilden gesehen. Man hat innerhalb dieser Kultur seit mehr als einem Jahrhundert die großartige Entwickelung der Na­turwissenschaft mit alledem, was sie für die Zivilisation der Mensch­heit im Gefolge hat, sehen können, und im Grunde genommen ist ja das ganze moderne Leben durchsetzt von dem, was die gewaltige, großartige Naturwissenschaft der neueren Zeit an Erkenntnissen zu­tage gefördert hat. Allein soweit wir auch schauen im Umkreise die­ser Naturerkenntnis, so genau wir ins Auge fassen, wie wir heute hin­einschauen namentlich in das Reich des Mineralischen, und von da aus uns Vorstellungen machen über die anderen Reiche der Natur, wir müssen uns eines gestehen: So nahe und intim, wie sich der Mensch in Selbstbeobachtung in früheren Kulturepochen gegenübergestanden hat, steht er sich heute nicht gegenüber. Denn alles dasjenige, was die so eindringliche Naturerkenntnis der Menschheit gebracht hat, ist ja eigentlich auf das innerste Wesen des Menschen nicht unmittelbar an­zuwenden. Wir können fragen: Wie sind die Gesetze, wie ist der Ver­lauf der außermenschlichen Welt? Aber alle Antworten auf diese Frage kommen eigentlich an das Wesen dessen, was in die Grenzen der menschlichen Haut eingeschlossen ist, nicht heran. Sie kommen so we­nig

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heran, daß man heute nicht einmal eine Ahnung davon hat, welche wirklichen Veränderungen äußere Naturprozesse im lebenden Men­schen in Atmung, Blutzirkulation, Ernährung und so weiter erfahren.

Daher ist man dazu gekommen, selbst in bezug auf das Seelische nicht auf dieses Seelische selbst hinzuschauen, sondern es gewisser­maßen zu betrachten durch die Art und Weise, wie es sich äußert in der körperlichen Natur des Menschen. Man ist zum Experimentieren mit äußeren Maßnahmen am Menschen gekommen. Nun, es soll sich nicht etwa um Einwendungen handeln gegen eine experimentelle Psy­chologie oder experimentelle Pädagogik. Was nach dieser Richtung geleistet werden kann, soll durchaus anerkannt werden, aber mehr als Symptom denn seinem Inhalte nach soll dieses Experimentieren am Menschen wenigstens andeutungsweise erwähnt werden. In Zeiten, in denen man aus dem inneren Mitfühlen mit dem Geistig-Seelischen des anderen Menschen einen intuitiven Eindruck bekam von den inneren Seelenerlebnissen, da war es sozusagen selbstverständlich, daß man aus dem, was man über das innere Geistig-Seelische wußte, die äußeren körperlichen Offenbarungen deutete. Heute schlägt man den umge­kehrten Weg ein. Man experimentiert an den äußerlichen Merkmalen und Vorgängen herum verdienstvoll selbstverständlich, wie alle Na­turwissenschaft verdienstvoll heute ist , aber man zeigt damit nur, daß man sich allmählich gewöhnt hat im Laufe der neueren Lebens­auffassung, als positiv in der Anschauung nur das zu betrachten, was die Sinne schauen können, was der Verstand durch das Schauen der Sinne gewinnen kann. Dadurch aber ist man eigentlich dazu gekom­men, den inneren Menschen nicht mehr recht beobachten zu können und sich vielfach mit der Beobachtung der äußeren Hülle zu begnü­gen. Man entfernt sich vom Menschen. Diejenigen Methoden, die in so grandioser Weise hineingeleuchtet haben in das Leben der äußeren Natur, in ihr Wesen und Wirken, die aber auch auf den Menschen an­gewendet werden, diese Methoden nehmen uns eigentlich das unmit­telbar elementarische Wirken von Seele zu Seele.

So ist es wirklich dazu gekommen, daß die sonst so wunderbar wir­kende neuere Kultur, die uns gewisse Naturerscheinungen so nahe ge­bracht hat, uns eigentlich vom Menschen entfernt hat. Es ist leicht

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einzusehen, daß unter dieser Erscheinung am allermeisten derjenige Zweig unseres Kulturlebens leiden muß, welcher es mit der Bildung, mit der Entwickelung des werdenden Menschen, des Kindes in Erzie­hung und Unterricht zu tun hat. Denn erziehen und unterrichten kann der Mensch ebenso nur dann, wenn er dasjenige, was er zu bilden hat, was er zu gestalten hat, versteht, wie der Maler nur malen kann, wenn er die Natur, das Wesen der Farbe kennt, der Bildhauer nur arbeiten kann, wenn er das Wesen seines Stoffes kennt, und so weiter. Was für die übrigen Künste gilt, die mit äußeren Stoffen arbeiten, wie sollte es nicht gelten für diejenige Kunst, die an dem edelsten Stoffe arbeitet, der überhaupt nur dem Menschen vorgelegt werden kann, an dem Menschenwesen, seinem Werden und seiner Entwickelung selbst? Da­mit ist man aber im Grunde genommen schon darauf hingewiesen, daß alle Erziehung und aller Unterricht hervorquellen müssen aus wirk­licher Erkenntnis des Menschenwesens. Diese Erziehungskunst, die ganz und gar auf wirklicher Erkenntnis des Menschenwesens ruht, su­chen wir nun auszubilden in der Waldorfschule, und im Zusammen-hange mit den Erziehungs- und Unterrichtsmethoden der Waldorf­schule steht ja diese Erziehungstagung.

Menschenerkenntnis man kann sagen: Oh, wie weit ist es ja doch gekommen mit der Menschenerkenntnis in der neueren Zeit! Aber die Antwort darauf muß sein: Gewiß, Außerordentliches ist errungen worden in bezug auf die Erkenntnis des körperlichen Menschen; aber der Mensch ist in sich gegliedert nach Körper, Seele und Geist. Und diejenige Lebensauffassung, die der Methode, dem Erziehungswesen der Waldorfschule zugrunde liegt, die anthroposophische Geisteswis­senschaft, sie ist durchaus aufgebaut auf einer gleichmäßigen Erkennt­nis des Körpers, der Seele und des Geistes des Menschen, und sie will durch eine solche gleichmäßige Erkenntnis der drei Glieder der Men­schennatur jede Einseitigkeit vermeiden.

Ich werde in den nächsten Vorträgen, zu denen ich heute mehr eine Einleitung geben möchte, über diese Menschenerkenntnis mancherlei zu sprechen haben. Zunächst aber möchte ich darauf aufmerksam machen, daß wahre, echte Menschenerkenntnis nicht bloß damit sich befassen kann, den einzelnen Menschen nach Leib, Seele und Geist,

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wie er sich vor uns stellt, aufzufassen, sondern daß sie vor allen Din­gen dasjenige ins Seelenauge fassen will, was sich zwischen den Men­schen im irdischen Leben abspielt. Indem Mensch dem Menschen be­gegnet, kann sich nicht das wäre widersinnig eine zum vollen Be­wußtsein heraufgebrachte Menschenerkenntnis entwickeln. Wir wür­den uns als Menschen im sozialen Leben nie begegnen können, wenn wir uns so anschauen würden, daß wir fragen: Was sitzt, was ist in dem anderen? Aber in den unbewußten Empfindungen und Gefüh­len, vor allen Dingen in jenen Impulsen, die dem Willen zugrunde lie­gen, trägt der Mensch eine unbewußte Erkenntnis des anderen, der ihm im Leben begegnet. Diese Menschenerkenntnis, wir werden das noch sehen, hat allerdings in der neueren Zeit vielfach gelitten, und unsere sozialen Schäden beruhen darauf, daß sie gelitten hat. Aber sie hat sich mehr oder weniger nur zurückgezogen in noch unterbe­wußtere Gebiete als jene, in denen sie früher war. Sie ist aber vorhan­den, sonst würden wir ja ganz verständnislos Mensch an Mensch an­einander vorbeigehen. Aber ist es denn nicht so: Wenn Mensch dem Menschen begegnet auch wenn man sich es nicht klar macht , Sym­pathien, Antipathien steigen auf, Eindrücke sind da, die uns sagen, der andere Mensch ist geeignet, uns nahezukommen, oder er ist un­geeignet dazu, wir wollen uns von ihm fernhalten. Ja, auch andere Eindrücke können wir bekommen. Wir können nach dem ersten Ein­druck etwa uns sagen: Das ist ein gescheiter Mensch, das ist ein we­niger begabter Mensch. So könnte ich vieles anführen, es würde das alles zeigen, daß Hunderte und Hunderte von Eindrücken aus den Tiefen unserer Seele heraufwollen in das Bewußtsein, aber für die Unbefangenheit des Lebens hinuntergedrückt werden, daß wir jedoch mit ihnen als mit einer Seelenverfassung einem anderen Menschen ge­genüberstehen und unser eigenes Leben ihm gegenüber nach diesen Eindrücken einrichten. Auch dasjenige, was wir Mitgefühl nennen, und was im Grunde genommen einer der bedeutungsvollsten Impulse aller Moralität der Menschen ist, auch das gehört zu der unbewußten Menschenerkenntnis, von der ich hier spreche.

Nun, so wie wir im Leben als Erwachsener dem Erwachsenen ge­genüberstehen und eigentlich die Menschenerkenntnis in solch unbe­wußter

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Weise üben, daß wir sie nicht bemerken, sondern nach ihr handeln, so müssen wir in einer viel bewußteren Weise als Menschen-seele des Lehrers der Menschenseele des Kindes gegenüberstehen, um dieses heranzubilden, aber auch um in unserer eigenen Lehrerseele das erleben zu können, was erlebt werden muß, damit wir die rechte Stimmung, das rechte pädagogische Künstlertum, das richtige Mit­fühlen mit der Seele des Kindes haben können, die notwendig sind, um Erziehung und Unterricht in entsprechender Weise zu leisten. Wir werden unmittelbar darauf gewiesen, daß eigentlich das Wichtigste sich abspielt im Erziehen und Unterrichten zwischen der Lehrerseele und der Kindesseele. Und von dieser Menschenerkenntnis lassen Sie uns zunächst ausgehen, von jener Menschenerkenntnis, die nicht scharf konturiert ist, weil sie eigentlich nicht bezogen wird auf den einen Menschen, sondern weil sie schwebt, gewissermaßen sich vielfach hin-und herwebt zwischen dem, was im Unterrichte und in der Erziehung in der Lehrerseele vor sich geht, und dem, was in der Kindesseele vor sich geht. Es ist unter Umständen schwierig zu fassen, was sich da in wirklich imponderabler Weise hinzieht von Lehrerseele zu Kindes-seele und umgekehrt. Denn dasjenige, was da strömt, es verändert sich im Grunde genommen in jedem Augenblicke, während wir unterrich­ten und erziehen. Man muß sich einen Blick dafür aneignen, einen See­lenblick, der das Flüchtige, Feine, das von Seele zu Seele spielt, erfaßt. Vielleicht kann man erst dann, wenn man dasjenige, was so zwischen den Menschen intim geistig spielt, zu erfassen in der Lage ist, den ein­zelnen Menschen für sich erfassen.

Wollen wir daher an einzelnen Beispielen heute einleitungsweise sehen, wie sich in bestimmten Fällen diese Strömungen gestalten. Da­bei muß allerdings eines berücksichtigt werden: Menschenerkenntnis, insbesondere dem werdenden Menschen, dem Kinde gegenüber, nur allzuoft wird sie so geübt, daß wir das Kind in einem bestimmten Zeitpunkte seines Lebens haben, uns mit ihm beschäftigen, fragen nach seinen Entwickelungskräften, fragen, wie gerade in einem bestimmten Lebensalter die Kräfte wirken und so weiter, und was wir tun sollen, um diesen Entwickelungskräften in einem bestimmten Lebensalter in der richtigen Weise entgegenzukommen. Aber Menschenerkenntnis,

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wie sie hier gemeint ist, geht nicht nur auf diese einzelnen Erlebnis-augenblicke; solche Menschenerkenntnis geht auf das ganze Erden-leben des Menschen. Das ist nicht so bequem, als einen engbegrenzten Zeitraum im Menschenleben zu beobachten. Aber für den Erziehenden und Unterrichtenden ist es notwendig, das ganze menschliche Erden-leben ins Auge zu fassen; denn was wir im achten oder neunten Le­bensjahre im Kinde veranlagen, hat seine Wirkungen im fünfundvier­zigsten, fünfzigsten Lebensjahre des erwachsenen Menschen, wie wir es noch besprechen werden. Und was ich als Lehrer in dem volks-schulpflichtigen Alter an dem Kinde tue, das zieht sich tief hinein in die physische, in die psychische, in die spirituelle Menschennatur. Das west und webt gewissermaßen oft jahrzehntelang unter der Ober­fläche, tritt in merkwürdiger Weise nach Jahrzehnten, manchmal am Lebensende des Menschen, zutage, während es als Keim am Lebens-anfange in ihn versetzt worden ist. In der richtigen Weise kann man auf das kindliche Alter nur wirken, wenn man nicht nur dieses kind­liche Alter, sondern wenn man das ganze menschliche Leben in wah­rer Menschenerkenntnis vor Augen hat.

Solche Menschenerkenntnis habe ich im Auge, wenn ich jetzt an einzelnen Beispielen zeigen möchte heute nur andeutungsweise, die Dinge werden genauer besprochen werden , wie Lehrerseele auf Km­desseele in intimer Art wirken kann. Wir verstehen das zu tun, was wir in der Unterweisung, in der intellektuellen Unterweisung, in der Anleitung zu Willensimpulsen tun sollen, wenn wir erst wissen: Was wirkt denn da zwischen Lehrer und Kind, einfach dadurch, daß Leh­rer und Kind da sind, ein jedes mit einer bestimmten Natur, mit einem bestimmten Temperamente, mit einem bestimmten Charakter, mit ei­ner bestimmten Bildungsstufe, mit einer ganz bestimmten physischen und seelischen Konstitution? Bevor wir irgendwie beginnen zu leh­ren, zu erziehen, sind wir und das Kind da. Da ist schon Wirkung zwischen beiden da. Wie der Lehrer ist gegenüber dem Kinde, das ist die erste bedeutungsvolle Frage.

Damit wir nicht im allgemein Abstrakten herumtappen, son­dern Bestimmtes ins Auge fassen, gehen wir aus von einem bestimm­ten Charakteristikon in der Menschennatur, von dem Temperamente.

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Fassen wir ins Auge zunächst nicht das Kindestemperament, in dem wir ja keine Wahl haben wir müssen jeden Menschen jedes Tem­peramentes erziehen, und von diesem Kindestemperamente kann spä­ter gesprochen werden , sondern fassen wir zunächst einmal, um un­sere Aufgabe zu umgrenzen, das Lehrertemperament ins Auge. Mit einem ganz Destimmten Temperamente, einem cholerischen, phlegma­tischen, sanguinischen oder melancholischen Temperamente betritt der Lehrer die Schule, stellt sich der Lehrer dem Kinde gegenüber. Die Frage, was sollen wir als Erziehende tun zur Bändigung, zur Selbst-erziehung vielleicht gegenüber unserem eigenen Temperamente, sie kann ja erst beantwortet werden, wenn wir die Grundfrage ins Auge fassen können: Was tut das Temperament des Lehrers an dem Kinde, einfach dadurch, daß es da ist?

Gehen wir aus von dem cholerischen Temperamente. Das chole­rische Temperament des Lehrers, es kann sich darin äußern, daß der Lehrer diesem Temperament die Zügel schießen läßt, daß er sich die­sem cholerischen Temperamente hingibt. Wie er sich zu beherrschen hat, werden wir später sehen, aber nehmen wir zunächst an, dieses cholerische Temperament ist einfach da. In heftigen, vehementen Le­bensäußerungen gibt es sich kund. Vielleicht drängt es den Lehrer, während er erzieht, während er unterrichtet, zu Handlungen oder zur Behandlung des Kindes überzugehen, die er eben aus seinem chole­rischen Temperamente heraus tut und später bereut. Vielleicht macht er allerlei in der Umgebung des Kindes, was das Kind wir werden sehen, wie zart die Seele des Kindes wirkt in Schreck versetzt; der Schreck kann bloß kurz vorübergehend sein, aber sich doch fortpflan­zen bis in die physische Organisation des Kindes hinein. Ein choleri­scher Lehrer kann auch in dem Kinde bewirken, daß es unter fort­währenden Angstgefühlen schon an den Lehrer herankommt, oder aber es kann das Kind ganz unbewußt, unterbewußt sich bedrückt fühlen. Kurz, es ist eine ganz bestimmte Wirkung des cholerischen Temperamentes in feiner, intimer, zarter Art auf das Kind ins Auge zu fassen.

Nehmen wir ein Kind, das noch im zarten Alter steht, in einem Alter, das vor der Volksschulpflicht liegt. Da ist das Kind eigentlich

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noch ganz und gar ein einheitliches Wesen. Die drei Glieder der Men­schennatur, Leib, Seele und Geist, sie gliedern sich erst im späteren Leben auseinander. Zwischen der Geburt und dem Zahnwechsel, der einen sehr wichtigen Lebenspunkt in der Entwickelung des Menschen bedeutet, liegt eine Lebensepoche des Kindes, in der sozusagen wir beachten das nur gewöhnlich nicht genügend das Kind fast ganz Sin­nesorgan ist. Fassen wir ein Sinnesorgan ins Auge, nehmen wir das Auge selber. Äußere Eindrücke, Farbeneindrücke kommen an das Auge heran. Dieses Auge ist in einer intimen Art daraufhin organi­siert, die Farbeneindrücke mit sich zu vereinigen. Ohne daß der Mensch darauf einen Einfluß hat, wird sogleich dasjenige, was als äußerer Reiz wirkt, umgewandelt in etwas Willensartiges, was erst von der Seele, wie wir sagen, erlebt werden kann. Aber so seelisch auf Grundlage der Sinneswahrnehmung ist das ganze Leben des Kindes vor dem Zahn-wechsel. Es sieht alles innere Erleben einem seelischen Wahrnehmen ähnlich. Namentlich das, was von den Eindrücken der Menschen der Umgebung kommt, ob wir uns langsam bewegen in der Umgebung des Kindes, und dadurch die Lässigkeit unseres Geistig-Seelischen of­fenbaren, ob wir uns stürmisch bewegen in der Umgebung des Kin­des und dadurch die Wucht unseres eigenen Geistig-Seelischen offen­baren, das alles wird von dem Kinde fast mit derselben Intensität aufgenommen, mit der sonst die Eindrücke, die auf das Sinnesorgan wirken, von diesem Sinnesorgan aufgenommen werden. Das Kind ist im Ganzen Sinnesorgan. Man kann schon sagen: Wenn wir erwachsen sind, haben wir Geschmack im Munde, auf dem Gaumen, auf der Zunge. Das Kind fühlt den Geschmack viel tiefer hinunter in seinen Organismus, das Geschmacksorgan dehnt sich sozusagen durch einen großen Teil des Körpers aus. So die anderen Sinne. Die Lichtein­wirkungen verbinden sich beim Kinde innig mit den Atmungsrhyth­men, sie gehen hinunter in die Blutzirkulation. Dasjenige, was der Erwachsene abgesondert im Auge erlebt, erlebt das Kind durch den ganzen Leib hindurch, und ohne daß Überlegung dazwischentritt, kommen die Willensimpulse unmittelbar wie Reflexerscheinungen beim Kinde zutage. Ich erörtere das zunächst nur einleitungsweise, um das Thema anzuschlagen. So wirkt der ganze Leib des Kindes wie

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ein Sinnesorgan reflexartig gegenüber dem, was in der Umgebung vorgeht.

Dadurch aber sind Geist, Seele, Leib im Kinde noch nicht geglie­dert, noch nicht differenziert, noch eine Einheit, ein Ineinanderweben. Das Geistige, das Seelische wirkt im Körper, indem es dessen Zirku­lations- und Nahrungsvorgänge unmittelbar beeinflußt. Oh, wie ist beim Kinde die Seele in ihrer Empfindung nahe dem ganzen Stoff­wechselsystem, wie wirken die zusammen! Erst später, beim Zahn­wechsel, sondert sich das Seelische von dem Stoffwechsel mehr ab. Jede seelische Erregung geht beim Kinde über in die Zirkulation, in die Atmung, in die Verdauung. Leib, Seele, Geist sind noch eine Ein­heit. Dadurch setzt sich aber auch jeder Reiz, der von der Umgebung ausgeübt wird, bis in das Leibliche des Kindes fort. Und wenn nun ein cholerischer Lehrer, der seinem cholerischen Temperamente die Zügel schießen läßt, in der Umgebung des Kindes sich befindet, zu­nächst einfach da ist neben dem Kinde und sich gehen läßt, dann gehen die Ausbrüche des cholerischen Temperamentes dasjenige, was un­ter dem Einflusse des Temperamentes des Lehrers getan wird, wenn er nicht solche Selbsterziehung übt, wie wir sie noch besprechen werden über in die Seele des Kindes, setzen sich fort in das Körperliche hin­ein. Da liegt das Eigentümliche vor, daß es in die Untergründe des Daseins hinuntergeht und das, was in des werdenden Menschen Leib hineinversetzt wird, später zum Vorschein kommt. So wie der Same, der im Herbst in die Erde hineinversenkt wird, im Frühling in der Pflanze zum Vorschein kommt, so kommt das, was in das Kind im achten, neunten Jahre hineinversetzt wird, im fünfundvierzigsten, fünfzigsten Lebensjahre heraus, und wir sehen die Folgen des chole­rischen Temperamentes des Lehrers, der sich gehen läßt, in den Stoff­wechselkrankheiten nicht nur des erwachsenen, sondern des alt ge­wordenen Menschen zutage treten. Prüft man nur recht, warum uns dieser oder jener Mensch in seinem vierzigsten, fünfzigsten Jahre als Rheumatiker entgegentritt, als ein Mensch, der an allen möglichen Stoffwechselkrankheiten leidet, an schlechter Verdauung, prüft man, warum dieser Mensch so ist, wie er ist, warum er frühzeitig Gicht bekommt, dann bekommt man zur Antwort: Vieles von dem haben

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wir zuzuschreiben dem einfach in die Zügel schießenden cholerischen Temperamente eines Lehrers, der dem Kinde im Kindesalter gegen­überstand.

Wenn man so das ganze Menschenleben ins Auge faßt, nicht bloß, wie es bequemer ist, nur das kindliche Alter, um pädagogische Grund­sätze, pädagogische Impulse zu bekommen, dann wird man sich erst klar darüber, welche zentrale Bedeutung im ganzen Menschenleben Unterrichts- und Erziehungswesen eigentlich haben, wie oft Glück und Unglück nach dem Geistigen, Seelischen und Leiblichen mit Un­terricht und Erziehung zusammenhängen. Wenn man sieht, wie der Arzt beim altgewordenen Menschen, ohne daß er es weiß, die Er­ziehungsfehler korrigieren muß und es oftmals nicht mehr kann, weil sie zu gründlich in das Menschenwesen hineingegangen sind, wenn man sieht, daß das, was seelisch an das Kind herantritt, sich umwan­delt zu physischen Wirkungen, wenn man dieses Ineinanderspielen von Physischem und Psychischem durchschaut, dann bekommt man erst die rechte Achtung, die richtige Schätzung für dasjenige, was Me­thodik des Lehrens, was die Lebensbedingungen der Erziehung eigent­lich sein sollen, sein sollen einfach nach dem Wesen der Menschen-natur selber.

Betrachten wir einen phlegmatischen Lehrer, der wieder sich ge­hen läßt und nicht durch Selbsterkenntnis, durch Selbsterziehung das phlegmatische Temperament in die Hand nimmt. Es wird bei dem Phlegmatiker, der dem Kinde gegenübertritt, so sein, daß, man möchte sagen, der inneren Regsamkeit des Kindes kein Genüge geschieht. Die inneren Impulse wollen heraus, sie strömen auch heraus, das Kind will sich betätigen. Der Lehrer ist ein Phlegmatiker, er läßt sich ge­hen. Er fängt dasjenige nicht auf, was aus dem Kinde herausströmt. Es begegnet das, was aus dem Kinde herauswill, nicht äußeren Ein­drücken und Einflüssen. Es ist, wie wenn man in verdünnter Luft atmen soll, wenn ich einen physischen Vergleich gebrauchen soll. Die Seele des Kindes fühlt seelisch Atemnot, wenn der Lehrer phlegma-tisch ist. Und wenn wir nachschauen im Leben, warum gewisse Men­schen an Nervosität, an Neurasthenie und dergleichen leiden, dann finden wir wiederum, wenn wir zurückgehen in dem menschlichen

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Lebenslauf bis zum kindlichen Lebensalter, wie das nicht der Selbst-erziehung unterworfene Phlegma eines Lehrers, der Wichtiges hätte tun sollen an dem Kinde, solchen Krankheitsneigungen zugrunde liegt. Ganze Kulturerscheinungen krankhafter Art werden so erklärlich. Warum ist denn Nervosität, Neurasthenie so ungeheuer verbreitet in der neueren Zeit? Sie werden sagen: Da müßte man ja glauben, daß die gesamte Lehrerschaft in der Zeit, in der die Menschen, die heute nervös, neurasthenisch sind, erzogen worden sind, aus Phlegmatikern bestanden hat! Ich aber sage Ihnen, sie hat aus Phlegmatikern be­standen, nicht in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes, aber in einem viel wahreren Sinne des Wortes. Denn es kommt in einem bestimmten Zeitalter des neunzehnten Jahrhunderts die materialistische Weltauf­fassung herauf. Die materialistische Weltauffassung hat Interessen, die vom Menschen ablenken, die eine ungeheure Gleichgültigkeit ent­wickeln bei dem Erziehenden gegenüber den eigentlichen intimeren Seelenregungen des zu erziehenden Menschen. Derjenige, der diese Kulturerscheinungen einer neueren Zeit unbefangen beobachten konnte, der konnte finden, wenn sonst auch einer ein solcher Phleg­matiker war, daß der etwa sagte, weil er den abstrakten Grundsatz hatte, seine Schüler dürften nicht vor Zorn die Tintenfässer umwer­fen: So etwas darf man nicht tun, man darf nicht vor Arger das Tin­tenfaß umwerfen. Kerl, ich werde dir gleich das Tintenfaß an den Kopf werfen! Man muß also nicht sogleich denken, daß etwa alle solche Cholerik in dem Zeitalter, das ich meine, verpönt gewesen wäre, oder daß man nicht auch Sanguiniker kennengelernt hätte und Me­lancholiker: in bezug auf die eigentliche Erziehungsaufgabe waren sie trotzdem Phlegmatiker. Man kam mit der materialistischen Weltauf­fassung nicht an den Menschen heran, am wenigsten an den werden­den Menschen, und so konnte man Phlegmatiker sein, trotzdem man im Leben daneben Choleriker oder Melancholiker war. Es ist ein Phlegma eingetreten in allem Erziehen in einem gewissen Zeitalter der materialistischen Entwickelung. Und aus diesem Phlegma her­aus hat sich vieles von dem, was in unserem Kulturleben aufgetreten ist als Nervosität, als Neurasthenie, als die ganze Desorganisation des Nervensystems, bei vielen Menschen herausentwickelt. Ober die Einzelheiten

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wird noch zu sprechen sein. Aber so sehen wir das phleg­matische Temperament des Lehrers, einfach dadurch, daß der phleg­matische Lehrer da ist neben dem Kinde, in der Nervendesorganisa­tion zutage treten.

Wenn sich der Lehrer dem melancholischen Temperamente hingibt, wenn er durch seine Melancholie zuviel mit sich selbst beschäftigt ist, so daß, man möchte sagen, der Faden des Geistig-Seelischen des Kindes fortwährend abzureißen droht, der Faden des Empfindungs­lebens sich erkältet, dann wirkt der melancholische Lehrer neben dem Kinde eigentlich so, daß das Kind seine Seelenregungen in sich ver­birgt und statt sie nach außen auszuleben, in sich hineinsenkt. Dadurch wird das Sichgehenlassen des melancholischen Temperamentes des Leh­rers für das spätere Lebensalter eines Kindes, dem der melancholische Lehrer gegenübersteht, so, daß Atmung und Blutzirkulation unregel­mäßig werden. Derjenige, der nun weder als Lehrer bloß den kind­lichen Zeitraum für die Pädagogik ins Auge faßt, noch als Arzt, wenn der Mensch eine bestimmte Krankheit hat, bloß das Lebensalter, das ihm nun entgegentritt, sondern im Zusammenhang das ganze mensch­liche Leben betrachten kann, der wird mancher Herzkrankheit Ur­sprung, die im vierzigsten, fünfundvierzigsten Lebensjahr auftritt, zu suchen haben in der ganzen Stimmung, die durch das sichgehenlasseiide melancholische Temperament des Lehrers in der einzelnen Erziehung, im Unterrichte hervorgebracht wird. Wir sehen daraus, wie die Be­obachtung der Imponderabilien im Geistig-Seelischen, die da spielen zwischen Lehrerseele und Kinderseele, einfach die Frage auf die Lip­pen drängen muß: Wie muß zum Beispiel den Temperamenten gegen­über der Lehrer, der Erzieher Selbsterziehung üben? Wir ahnen schon, daß es nicht so sein kann, daß einfach der Lehrende, der Erzie­hende sagt: Das Temperament ist angeboren, ich bleibe dabei. Er­stens ist das nicht wahr, und zweitens, wenn es wahr wäre, wäre das Menschengeschlecht längst an den Erziehungsfehlern ausgestorben.

Betrachten wir noch den Sanguiniker, der als Lehrer seinem san­guinischen Temperamente die Zügel schießen läßt. Er ist empfänglich für alle möglichen Eindrücke. Wenn irgendein Schüler einen Klecks macht, so wendet er sich hin er wird nicht heftig , er wendet den

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Blick hin. Wenn irgendein Schüler seinem Nachbar etwas ins Ohr flüstert, wendet er den Blick hin. Er ist ein Sanguiniker, die Eindrücke kommen rasch an ihn heran und machen keinen tiefen Eindruck. Er läßt irgendeine Schülerin herauskommen, fragt nur ganz kurz etwas, sie interessiert ihn nicht lange, er schickt sie gleich wieder hinein. Der Lehrer ist eben Sanguiniker. Wenn man wieder dieselben Methoden anwendet, die das ganze Menschenleben betrachten, wird man bei manchem, der an einem Mangel an Vitalität, an einem Mangel an Lebensfreude leidet das ist ja eine krankhafte Anlage manches Men­schen , diesen Mangel als auf seine Ursache zurückzuführen haben auf die Wirkung des sanguinischen Temperamentes des Lehrers, dem dieser die Zügel schießen läßt. Das sanguinische Temperament des Lehrers ohne Selbsterziehung bewirkt eine Unterdrückung der Vi­talität, eine Unterdrückung von Lebensfreude, von kraftvollem Wil­len, der aus der Individualität auf quillt.

Wenn man diese Zusammenhänge ins Auge faßt, die eine wirk­liche Geisteswissenschaft gibt, welche auf wahre Menschenerkenntnis ausgeht, dann wird man sehen, wie umfassend im Anschauen der Menschennatur und Menschenwesenheit wirkliche Erziehungskunst, wirkliches Unterrichtswesen sein muß, wie kleinlich sich daneben aus­nimmt, was oftmals nur auf das Allernächste sieht, was man gerade bequem beobachten kann. So geht es nicht, und eine Grundforderung unserer Gegenwartskultur, die ja Schäden genug an die Oberfläche des Menschendaseins gebracht hat, ist diese: Wie kommt man aus ein­zelnen Beobachtungen, die man mit dem Experimente oder auch mit den Statistiken macht, oder was all die schönen Dinge sind, wie kommt man aus diesen bequemen einzelnen Beobachtungen, die heüte fast allein der Pädagogik und Didaktik zugrunde gelegt werden, zu einer Pädagogik und Didaktik, die gleichmäßig berücksichtigt das ganze menschliche Erleben und das Ewige im Menschen, das sich durch das menschliche Erleben nur hindurchleuchtend offenbart? Und im Zusammenhang mit solchen Fragen tut sich noch etwas viel tieferes auf.

Ich habe versucht, einleitungsweise darauf hinzuweisen, was zwi­schen Lehrer und Schüler, Erzieher und Kind einfach dadurch spielt,

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daß beide da sind, wenn noch gar nicht berücksichtigt wird irgend etwas, was wir aus dem Bewußtsein heraus tun, nur dadurch, daß wir da sind. Gerade an den verschiedenen Temperamenten zeigt sich das.

Nun wird man sagen: Man muß auch anfangen zu erziehen. Und da ist man halt der Anschauung, daß derjenige jemandem etwas bei­bringen kann, der das Beizubringende gelernt hat. Habe ich selber etwas gelernt, so bin ich sozusagen berechtigt, das einem anderen bei­zubringen. Und oftmals sieht man gar nicht, wie jene durch Selbster­ziehung des Lehrers oder auch durch Seminarerziehung, wie wir sehen werden, hervorgebrachte innere Haltung in bezug auf Temperament, Charakter und so weiter im Hintergrunde desjenigen steht, was sich der Lehrer für Unterricht und Erziehung aneignen kann durch sein eigenes Lernen, durch das, was er aufnehmen kann. Aber auch da führt Menschenerkenntnis eben tiefer in das Menschenwesen hinein. Lassen Sie deshalb die Frage an uns herantreten: Wie ist es denn mit dem Heranbringen von etwas, was ich gelernt habe, an einen anderen, an ein Kind, das noch nicht gelernt hat? Genügt es, das dem Kinde in der Art beizubringen, in der man das Beizubringende selber auf genom­men hat? Es genügt nicht. Ich sage eine empirische Tatsache, die sich nur ergibt, wenn man den Menschen wirklich nach Leib, Seele und Geist durch das ganze Leben hindurch beobachtet.

Eine solche Beobachtung ergibt für die erste Lebensepoche vor dem Zahnwechsel, von der Geburt bis zum Zahnwechsel, folgendes. Wenn man das gegenseitige Verhältnis des Lehrenden zum Kinde ins Auge zu fassen weiß, so wie ich es für die Temperamente getan habe, so kommt man darauf: Für diese Lebensepoche hat das, was ich gelernt habe, in bezug auf Lehren und Erziehen an dem Kinde die allergeringste Bedeutung. Da hat die allergrößte Bedeutung, was ich für ein Mensch bin, welche Eindrücke es durch mich bekommt, ob es mich nachahmen kann.

Wahrhaftig, gerade für dieses Lebensalter hat eine Kultur, die ei­gentlich noch gar nicht von Pädagogik sprach, sondern in elementar-primitiver Weise Pädagogik tat, gesünder gedacht als wir heute viel­fach denken; eine Kultur, wie wir sie in orientalischen Gegenden in älteren Zeiten hatten, wo noch nicht der nach unserer Auffassung Päd­agoge

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zu Nennende wirkte, sondern wo namentlich wirken sollte der Mensch auf das kindliche Lebensalter, der Mensch mit dem, was er in seinem Charakter physisch, seelisch und geistig war; der einfach neben dem Kinde sein sollte, so daß das Kind sich nach ihm richten konnte, so daß das Kind mit einem Muskel zuckte, wenn er mit dem Muskel zuckte, das Kind mit den Augen blinzelte, wenn er mit den Au­gen blinzelte. Aber er hatte sich trainiert, daß er solche Dinge so machte, daß das Kind sie nachmachen konnte. Das war nicht der orientalische Pädagoge, sondern der orientalische Dätä. Da lag etwas Instinktives noch zugrunde. Wir können es aber auch heute sehen: Was ich gelernt habe, hat gar keine Bedeutung für das, was ich dem Kinde bis zum Zahnwechsel als Erzieher bin. Nach dem Zahnwechsel beginnt es schon eine gewisse Bedeutung zu haben. Aber es verliert alle Bedeutung, wenn ich es so beibringe, wie ich es in mir trage. Man muß es künstlerisch um­setzen, alles ins Bild bringen, wie wir noch sehen werden. Ich muß wiederum imponderable Kräfte zwischen mir und dem Kinde wach­rufen. Und für die zweite Lebensepoche, für die Lebensepoche vom Zahnwechsel bis zur Geschlechtsreife, hat viel mehr als die Fülle des Stoffes, die ich gelernt habe, viel mehr als das, was ich in mir, in mei­nem Kopfe trage, Bedeutung, ob ich in anschauliche Bildlichkeit, in lebendiges Gestalten umsetzen kann, was ich um das Kind entwickle und in das Kind hineinwellen lassen soll. Und erst für diejenigen, die schon durch die Geschlechtsreife gegangen sind, und für diese dann bis zum Anfang der zwanziger Jahre, bekommt eine Bedeutung, was man selber gelernt hat. Für das kleine Kind bis zum Zahnwechsel ist das Wichtigste im Erziehen der Mensch. Für das Kind vom Zahn-wechsel bis zur Geschlechtsreife ist das Wichtigste im Erziehen der in lebendige Lebenskünstlerschaft übergehende Mensch. Und erst mit dem vierzehnten, fünfzehnten Lebensjahre fordert das Kind für den er­ziehenden Unterricht und das unterrichtende Erziehen dasjenige, was man selber gelernt hat, und das dauert so bis über das zwanzigste, ein­undzwanzigste Jahr hin, wo dann das Kind ganz erwachsen ist es ist ja schon vorher eine junge Dame und ein junger Mann , und wo eben der Zwanzigjährige dann als Gleichberechtigter dem anderen Men­schen, auch wenn er älter ist, gegenübersteht.

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Wiederum läßt uns wir werden sehen, wie solche Erkenntnisse sich vertiefen gegenüber einer wirklichen Menschenweisheit so etwas tief hineinblicken in das Menschenwesen. Wir lernen erkennen, daß was man oftmals geglaubt hat man den Lehrer nicht erkennt, indem man ihn, nachdem er die Seminarbildung durchgemacht hat, exami­niert, ob er etwas weiß; da lernt man nur erkennen, ob er vortragen kann in einer solchen Weise, wie man vorträgt, wenn man die Sache selber kann, ob er vortragen kann für das Lebensalter vom vierzehn­ten, fünfzehnten bis zum zwanzigsten Lebensjahre. Für frühere Le­bensalter kommt das gar nicht in Betracht, was der Lehrer zeigen kann. Da muß die Qualität nach ganz anderen Grundlagen beurteilt werden. Und so handelt es sich darum, daß als eine Grundlage der Pädagogik und Didaktik auftritt die Lehrerfrage. Und was eigentlich leben muß in einer Kinderschar, fortvibrieren, fortwellen bis in das Herz, bis in die Willensregungen und zuletzt in den Verstand, das ist dasjenige, was zunächst im Lehrer lebt, zunächst in ihm lebt einfach dadurch, daß er mit einer bestimmten Menschennatur, mit einem be­stimmten Temperamente, einem bestimmten Charakter, mit einer be­stimmten Seelenverfassung vor dem Kinde steht; dann erst, daß er sich selber in einer gewissen Weise gebildet hat, und daß er das in sich Erbildete wieder an die Kinder heranbringen kann.

So sehen wir, wie Menschenerkenntnis, umfassend betrieben, ein­zig und allein sein kann die Grundlage zum Erfassen einer wirklichen Didaktik des Lehrens und der Lebensbedingungen des Erziehens. Und über diese beiden, über die Didaktik des Lehrens und die Lebensbedin­gungen des Erziehens, möchte ich gerne in diesen Vorträgen weiter sprechen.

ZWEITER VORTRAG Stuttgart, 9. April 1924

#G308-1979-SE023 - Die Methodik des Lehrens und die Lebensbedingungen des Erziehens

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ZWEITER VORTRAG

Stuttgart, 9. April 1924

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Gestern erlaubte ich mir, über den Lehrer zu sprechen, der vor den Kindern steht. Heute werde ich versuchen, zunächst das Kind zu charakterisieren in seinem Werden, wie es vor dem Lehrer steht. Man hat im kindlichen Lebensalter bei einer genaueren Beobachtung aller für die Entwickelung des Menschen in Betracht kommenden Kräfte zunächst für den Beginn des Erdenlebens drei deutlich voneinander getrennte Lebensepochen zu unterscheiden. Und nur, wenn man Menschenerkenntnis übt in der Weise, daß man hinschaut auf die Eigentümlichkeiten einer jeden dieser Epochen, ist Unterricht und Erziehung in sachgemäßer, man möchte lieber sagen, in menschengemäßer Weise wirklich möglich.

Die erste Lebensepoche des Kindes schließt mit dem Zahnwechsel. Nun wird ja, das verkenne ich durchaus nicht, Rücksicht genommen in den Anschauungen, die heute üblich sind, auf die Verwandlung des kindlichen Körpers, der kindlichen Seele auch in diesem Lebensalter, aber nicht in so durchgreifender Weise, daß man dadurch hineinschauen würde in alles dasjenige, was mit dem Menschen in diesem zarten Alter vor sich geht und was durchaus erfaßt und ergriffen werden muß, wenn man den Menschen erziehen will. Das Hervorbrechen der Zähne, die nicht mehr die vererbten Zähne der ersten Jahre sind, ist ja nur das alleräußerste Symptom für eine gesamte Umwandlung der ganzen menschlichen Wesenheit. Vieles, vieles geht im Organismus, wenn auch nicht äußerlich so sichtbar, vor sich, was eben in diesem Hervorbrechen der zweiten Zähne nur seinen radikalsten Ausdruck findet.

Wenn man auf diese Dinge hinschaut, dann muß man sich schon klar darüber sein, daß die Physiologie und auch die Psychologie der Gegenwart gar nicht in der Lage sind, ganz tief in den Menschen hineinzuschauen, aus dem Grunde, weil sie gerade ihre in ihrer Art vorzüglichen Methoden herangebildet haben an der Beobachtung desjenigen, was nur nach außen in dem Körperlichen liegt und was sich

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vom Seelischen in diesem Körper zur Offenbarung bringt. Anthroposophische Geisteswissenschaft hat vor allen Dingen die Aufgabe, wie ich schon gestern sagte, in das Ganze der menschlichen Entwickelung nach Leib, Seele und Geist hineinzuschauen. Nun muß aber gleich vom Anfange an ein Vorurteil hinweggeräumt werden, über welches alle diejenigen - auch das verkenne ich nicht - stolpern müssen, die sich ohne eine gründliche Beschäftigung mit Anthroposophie an die Waldorfschulpädagogik und -didaktik machen. Glauben Sie nicht, daß es mir einen Augenblick einfällt, zu behaupten, das, was eingewendet werden kann gegen diese Waldorfschulpädagogik, werde von uns einfach in den Wind geschlagen. Das ist durchaus nicht der Fall. Im Gegenteil, wer auf einem geistigen Boden steht, wie es der der Anthroposophie ist, der kann in keiner Beziehung ein einseitiger Fanatiker sein; der wird in der gründlichsten Weise alles das erwägen, was an Einwendungen gegen seine Ansichten sich erheben läßt. Und daher erscheint es ihm auch durchaus begreiflich, wenn immer wieder und wiederum gegen das, was aus anthroposophischen Untergründen heraus auch in der Pädagogik gesagt wird, eingewendet wird: Ja, das müßt ihr erst beweisen.

Sehen Sie, dieses Beweisen, das wird sehr häufig so gesagt, ohne daß man einen klaren, deutlichen Begriff mit dem verbindet, was man eigentlich damit meinen könne. Ich kann ja hier nicht einen ausführlichen Vortrag halten über die Methodik des Beweisens auf den verschiedenen Lebens- und Erkenntnisgebieten, aber ich möchte es durch folgenden Vergleich klarmachen. Was meint man denn heute, wenn man davon spricht, es solle etwas bewiesen werden? Nun, die ganze Bildung der Menschheit seit dem vierzehnten Jahrhundert ist darauf ausgegangen, alle Einsicht zu rechtfertigen aus dem Augenschein heraus, das heißt aus der sinnlichen Wahrnehmung heraus. Vor diesem Zeitabschnitt, vor dem vierzehnten Jahrhundert, war es ja ganz anders. Nur sieht der Mensch heute nicht mehr darauf hin, wie seine Vorfahren in bezug auf die ganze Welteneinrichtung eben andere Gesichtspunkte eingenommen haben. Denn der Mensch ist in gewisser Beziehung heute hochmütig in seinem Bewußtsein von der in den letzten Jahrhunderten errungenen Bildung, und er sieht leicht von

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oben her hin auf dasjenige, was zum Beispiel im finsteren Mittelalter, das er ja eigentlich gar nicht kennt, aber finster nennt, die Menschen in kindlicher Weise, wie er meint, getrieben hätten. Man 'sollte dabei nur bedenken, was unsere Nachfahren, wenn sie ebenso hochmütig denken würden, über uns sagen werden! Sie werden uns von einem solchen Gesichtspunkte ebenso kindlich finden, wie wir heute die mittelalterlichen Menschen kindlich finden wollen.

In jener Zeit, die dem vierzehnten Jahrhundert vorangegangen ist, sah man die Welt der Sinne, faßte sie auch auf mit dem Verstande. Und der Verstand, der heute so vielfach unterschätzt wird, der in den mittelalterlichen Klosterschulen geherrscht hat, er war innerlich als Verstand, als Begriffsvermögen viel höher ausgebildet, als das chaotische Begriffsvermögen, das am Gängelbande der Naturerscheinungen geführt wird, sich heute vielfach ausnimmt für den, der diese Dinge objektiv und unbefangen bedenkt. Dazumal war es so, daß alles das, was Verstand und Sinne in der Welt sahen, gerechtfertigt werden mußte aus der göttlich-geistigen Weltordnung heraus. Sinnesoffenbarung ist zu rechtfertigen aus der göttlich-geistigen Offenbarung heraus: das war dazumal nicht etwa bloß abstraktes Prinzip, sondern allgemein-menschliches Gefühl und Empfindung. Erst dann kann etwas gelten in der Sinneswelt, wenn man es so erkannt hat, daß man es beweisen, erweisen kann aus der göttlich-geistigen Weltenordnung heraus.

Das wurde anders, anfangs langsam, indem die eine Auffassung in die andere überging. Aber bis in unsere Zeit herein ist es so weit gekommen, daß eigentlich alles, auch in der göttlich-geistigen Weltenordnung, nur dann gelten soll, wenn man es aus der Sinneswelt heraus beweisen kann, wenn man Experiment und Sinnesbeobachtung so machen kann, daß man damit die Dinge, die über das Geistige gesagt werden, belegen kann. Wonach fragt einen denn heute eigentlich jemand, der da sagt: Beweise mir eine Sache, die das Geistige betrifft? - Er fragt um folgendes: Hast du ein Experiment gemacht, hast du eine sinnliche Beobachtung gemacht, die das erweist? - Warum fragt er so? Er fragt so aus dem Grunde, weil er das Vertrauen verloren hat zu der eigenen inneren Aktivität des Menschen, zu dem Hervorbrechen

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können von Einsichten, die aus dem Menschen selber kommen, gegenüber dem, was man erhält, wenn man auf das äußere Leben, auf den Sinnenschein und die Verstandeserkenntnis hinschaut. Man möchte sagen: Im Inneren schwach ist die Menschheit geworden; sie fühlt nicht mehr die starke Stütze eines innerlich produktiven Lebens. Und tief beeinflußt alle praktischen Tätigkeiten, vor allen Dingen die Erziehertätigkeit, hat dasjenige, was ich eben gesagt habe. Beweisen in diesem Sinne, durch äußeren Sinnenschein, durch Beobachtung oder Experiment, läßt sich damit vergleichen, daß jemand hingewiesen wird auf irgendeinen Gegenstand, der herunterfällt, wenn er nicht unterstützt wird; die Schwere der Erde zieht ihn an, er muß unterstützt werden, bis er auf einem festen Grund steht. Wenn nun jemand kommt und sagt: Ja, du redest uns davon, daß die Erde und die anderen Himmelskörper im Weltenraum frei schweben; das begreife ich nicht; jeder Gegenstand muß doch unterstützt werden, damit er nicht herunter- fällt - so muß man sagen: Aber die Erde fällt doch nicht herunter, die Sonne auch nicht und ebensowenig die anderen Himmelskörper. Man muß vollständig umdenken, wenn man von den Erdenverhältnissen hinausgeht in den kosmischen Raum. Man muß sagen: Da tragen sich die Himmelskörper untereinander, da hören die Gesetze, die für die unmittelbare Umgebung der Erde gelten, auf.

So ist es mit den geistigen Wahrheiten. Wenn man irgend etwas behauptet über das Sinnliche von Pflanze, Tier, Mineral oder den physischen Menschen, so muß man es durch Experiment und Sinnesbeobachtung beweisen. Das heißt in diesem Fall, man muß den Gegenstand unterstützen. Wenn man sich begibt in das freie Reich des Geistes, da müssen sich die Wahrheiten untereinander tragen. Da kann man nur dadurch einen Beweis für die Dinge finden, daß die Wahrheiten sich untereinander tragen. Daher handelt es sich bei der Darstellung des Geistigen ebenso um die klare Hineinstellung irgendeiner Einsicht in den ganzen Zusammenhang, wie die Erde oder ein anderer Himmelskörper frei in den Weltenraum hineingestellt ist. Da müssen sich die Wahrheiten untereinander tragen. So daß derjenige, der da strebt nach Einsichten in die geistige Welt, zunächst suchen muß, wie von anderen Seiten her Wahrheiten kommen, die gewissermaßen mit den freien

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Gravitationskräften des Beweises die eine Wahrheit ebenso frei im Weltenraum ohne Unterstützung halten, wie ein Himmelskörper durch die gegenseitig wirkenden Gravitationskräfte frei im kosrnischen Raum gehalten wird. Das muß gründliche innere Gesinnung werden, so über das Geistige denken zu können, sonst wird man im Menschen zwar das Seelische, nicht aber den Geist, der in ihm ebenso lebt und west wie das Seelische, ergreifen, erziehen und unterrichten können.

Wenn der Mensch hereintritt in die physisch-sinnliche Welt, so wird ihm ja durch Eltern, Voreltern der physische Leib überantwortet. Darüber gibt es heute, wenn auch noch nicht vollständig - sie wer- den erst in sehr viel späterer Zeit vollendet werden -, doch schon in gewisser Beziehung überschaubare Naturerkenntnisse. Das ist für die Geisteswissenschaft ein Teil der menschlichen Wesenheit. Denn die andere menschliche Wesenheit, die sich vereinigt mit demjenigen, was von Vater und Mutter kommt, die steigt herab als geistig-seelisches Wesen aus der geistig-seelischen Welt. Sie hat zwischen dem früheren Erdenleben und dem gegenwärtigen eine längere Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt durchgemacht. Sie hat Erlebnisse gehabt im Geistigen in diesem Lebenslauf zwischen Tod und einer neuen Geburt, ebenso wie wir durch unsere Sinne, durch unseren Verstand, durch unsere Empfindungen, durch unseren Willen körperlich vermittelt zwischen Geburt und Tod unsere Erlebnisse auf Erden haben. Diese Wesenheit mit den Erlebnissen, die geistig durchgemacht worden sind, die steigt herunter, verbindet sich zunächst in einer losen Weise mit dem Physischen des Menschen während der Embryonalzeit und ist im Grunde genommen noch in loser Weise, gewissermaßen äußerlich als Aura den Menschen umschwebend, in dem ersten kindlichen Zeitalter zwischen der Geburt und dem Zahnwechsel gegenwärtig. Und man darf sagen: Deshalb, weil dasjenige, was heruntersteigt aus der geistigen Welt als ein geistig-seelisches Wesen und ebenso real ist, als was wir mit Augen aus dem Mutterkörper hervorgehend schauen, weil das noch loser mit der physischen Körperlichkeit verbunden ist, als es später beim Menschen der Fall ist, deshalb lebt das Kind noch viel mehr als der spätere erwachsene Mensch außerhalb seines Leibes.

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Und damit ist nur in anderer Art ausgedrückt, was ich schon gestern sagte: Das Kind ist im allerhöchsten Grade seinem ganzen Wesen nach in dieser ersten Zeit ein Sinneswesen. Es ist wie ein Sinnesorgan. Durch den ganzen Organismus rieselt dasjenige, was an Eindrücken aus der Umgebung kommt, klingt nach, tönt nach, weil das Kind noch nicht so innig wie später der Mensch mit seinem Körper verbunden ist, sondern in der Umgebung lebt mit dem loseren Geistigseelischen. Daher wird alles aufgenommen, was an Eindrücken aus dieser Umgebung kommt.

Wie verhält sich nun das, was der Mensch durch die reine Vererbung im Physischen durch Vater und Mutter erhält, zu seiner Gesamtwesenheit? Wenn man mit dem Blick, der da darstellen muß und nicht schlechthin in dem Sinne beweisen will, wie ich das eben charakterisiert habe, wenn man mit dem Blick, der das Geistige anschauen will, die Entwickelung des Menschen betrachtet, dann wird man finden, daß alles im Organismus ebenso auf Vererbungskräften beruht wie die ersten Zähne, die sogenannten Milchzähne. Man schaue sich nur einmal an, aber mit wirklich exaktem Blick, wie anders sich die zweiten Zähne gestalten als die ersten, und wie es da, ich möchte sagen, mit Händen zu greifen ist, was eigentlich am Menschen geschieht von der Geburt bis zum Zahnwechsel. Der ganze Mensch ist nämlich von der Geburt bis zum Zahnwechsel, indem in seinem Physischen die Vererbungskräfte walten, wie eine Art Modell, an dem das GeistigSeelische arbeitet nach den Eindrücken der Umgebung als rein nachahmendes Wesen. Und wenn man sich versetzt in das Gemüt des Kindes in bezug auf sein Verhältnis zur Umgebung, wie das Kind jede Regung des Seelischen auf sein Ganzes hin betrachtet, wie das Kind in jeder Handbewegung, in jeder Miene, in jeglichem Blick des Auges das dahinterstehende Geistige des Erwachsenen wittert und in sich fortrieseln läßt, wenn man das alles beobachtet, dann findet man eben, wie nach dem Modell, das durch die Vererbung dem Menschen übergeben wird, sich nun im Verlaufe der ersten sieben Lebensjahre ein anderes bildet. Wir bekommen wirklich als Menschen von der Erdenwelt durch die Vererbungskräfte ein Modell mit, nach welchem wir den zweiten Menschen, der eigentlich erst geboren wird mit dem Zahnwechsel,

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ausbilden. Geradeso wie das Zähnchen, das Milchzähnchen, das im Körper sitzt, herausgestoßen wird durch dasjenige, was an die Stelle sich setzen will, wie man sieht, wie da ein der Individualität des Menschen Angehöriges sich hervorschiebt und das Vererbte abstößt, so ist es mit dem ganzen menschlichen Organismus. Er war in den ersten sieben Lebensjahren das modellhafte Ergebnis der Erdenkräfte. Er wird abgestoßen, ebenso abgestoßen, wie wir die äusseren Ranken unseres Körpers abstoßen, die Fingernägel wegschneiden, die Haare schneiden und so weiter. So wie fortwährend das Äußere abgestoßen wird, wird der Mensch erneuert mit dem Zahnwechsel. Nur ist dieser zweite Mensch, der ganz den ersten ersetzt, den wir durch die physische Vererbung erhalten, nunmehr gebildet unter dem Einfluß derjenigen Kräfte, die sich der Mensch mitbringt aus seinem vorirdischen Leben. Und so kämpfen eigentlich in der Lebensepoche, die zwischen der Geburt und de,m, Zahnwechsel liegt, die Vererbungskräfte, die der physischen Entwickelungsströmung der Menschheit angehören, mit den Kräften, die sich die Individualität eines jeden einzelnen Menschen herunterbringt aus dem vorirdischen Leben als die Ergebnisse seiner früheren individuellen Erdenleben.

Nun handelt es sich darum, eine solche Tatsache nicht allein aufzufassen mit dem theoretischen Verstande, wie die meisten nach den heutigen Denkgewohnheiten das tun, sondern es handelt sich darum, eine solche Tatsache mit der ganzen inneren menschlichen Wesenheit auch zu erfassen, zu erfassen von Seite des Kindes, zu erfassen von Seite des Erziehenden aus. Wenn wir es von Seite des Kindes erfassen, was da vorliegt, dann finden wir, wie das Kind mit seinem innerlichen Seelenwesen, mit dem, was es sich heruntergebracht hat aus dem vorirdischen Leben, aus der geistig-seelischen Welt, ganz hingegeben ist an das Physische der Auswirkungen der anderen Menschen, die es umgeben. Und dieses Verhältnis ist, ins Naturhafte herunterversetzt, ins Äußere hineinversetzt, ein Verhältnis, das wir nicht anders bezeichnen können denn als ein religiöses. Wir müssen uns nur verständigen über die Art und Weise, wie solche Ausdrücke gemeint sind. Natürlich, wenn man heute von einem religiösen Verhältnisse spricht, so sieht man hin auf das bewußt entwickelte religiöse Empfinden des

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Erwachsenen. Es ist das Wesentliche, daß das Geistig-Seelische des erwachsenen Menschen im religiösen Leben in dem Geistigen der Welt aufgeht, sich hingibt an dieses Geistige der Welt. Das religiöse Verhältnis ist ein Sichhingeben, ein gnadeerflehendes Sichhingeben an die Welt, aber es ist beim erwachsenen Menschen durchaus in ein Geistiges getaucht. Die Seele, der Geist sind hingegeben an die Umgebung. Daher scheint es, wie wenn man ein Ding in das Gegenteii verkehren würde, wenn man von der Art, wie der Körper des Kindes an die Umgebung hingegeben lebt, spricht als von einem religiösen Erleben. Aber es ist ein naturhaft-religiöses Verhältnis. Das Kind ist hingegeben an die Umgebung, es lebt in der Außenwelt wie das Auge, das sich absondert von der übrigen Organisation und hingegeben ist an die Umgebung in Verehrung, in Gnadeerflehen; es ist ein religiöses Verhältnis ins Naturhafte herunterversetzt. Und wollen wir gewissermaßen ein sinnliches Bild desjenigen haben, was auf geistig-seelische Art im Erwachsenen vorgeht, wenn er religiös erlebt, dann brauchen wir nur den Leib des Kindes bis zum Zahnwechsel richtig ins Seelenauge zu fassen. Das Kind lebt religiös, aber eben naturhaft religiös. Es ist nicht die Seele hingegeben, sondern die Zirkulation seines Blutes, sein Atmungsprozeß, die Art und Weise, wie es sich ernährt durch die aufgenommene Nahrung. Alle diese Dinge sind hingegeben an die Umgebung. Die Blutzirkulation, die Atmungstätigkeit, die Ernährungstätigkeit beten an die Umgebung.

Natürlich klingt ein solcher Ausdruck paradox, aber in seiner Paradoxie stellt er gerade die Wahrheit dar. Wenn wir eben nicht mit dem theoretischen Verstande, sondern mit unserer ganzen Menschlichkeit ein solches erfassen, hinschauen auf den Kampf, den in dieser religiös naturhaften Grundstimmung das Kind vor uns entwickelt, den Kampf zwischen den Vererbungskräften und demjenigen, was für einen zweiten Menschen die individuellen Kräfte erbilden durch die Macht, die sie heruntergetragen hat aus dem vorirdischen Leben, dann verfällt man als der Erziehende auch in eine religiöse Stimmung. Aber ich möchte sagen: Während das Kind mit seinem physischen Körper in die religiöse Stimmung des Gläubigen verfällt, verfällt derjenige, der erziehen soll, indem er hinblickt auf dasjenige, was in so

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wunderbarer Weise zwischen Geburt und Zahnwechsel sich abspielt, in die religiöse Gesinnung des Priesters. Und es wird der Erzieherdienst zu einem priesterlichen Dienst, wie zu einer Art von Kultus> der sich am Weihealtar des allgemeinen Menschenlebens nicht mit dem zum Tode zu führenden Opfer, sondern mit dem zum Leben zu erweckenden Opfer der Menschlichkeit selbst vollzieht. Denn dem irdischen Leben haben wir zu übergeben, was aus der göttlich-geistigen Welt uns zUgekommen ist in dem Kinde, das sich durch seine Kräfte einen zweiten menschlichen Organismus bildet aus einer Wesenheit, die durch eine Gabe des göttlich-geistigen Lebens zu uns gekommen ist.

Wenn wir diese Verhältnisse bedenken, dann erwacht in uns etwas wie das priesterliche Erziehergefühl. Und so lange dieses priesterliche Erziehergefühl für die ersten Lebensjahre nicht aufgenommen wird in alles dasjenige, was Erziehung heißt, so lange hat die Erziehung nicht ihre Lebensbedingungen gefunden. Mit dem Verstande beherrschen wollen, was zum Erziehen notwendig ist, Pädagogiken gestalten mit dem Verstande aus äußerer Anschauung der kindlichen Natur, das gibt höchstens Viertelpädagogiken. Ganze Pädagogiken dürfen nicht aus dem Verstande heraus geschrieben sein, ganze Pädagogiken müssen der Ausfluß sein auch der ganzen Menschennatur; nicht nur der äußerlich verstandesmäßig beobachtenden, sondern der innerlich die Geheimnisse des Weltenalls tief erlebenden ganzen Menschennatur. Es gibt wenig, was so wunderbar auf das menschliche Gemüt wirken kann> als wenn wir sehen, wie von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr in dem ersten kindlichen Lebensalter das innerliche Geistig-Seelische hervorbricht, wie aus den chaotischen Bewegungen der Gliedmaßen, aus dem am Äußeren hängenden Blick, aus dem Mienenspiel, von dem wir fühlen, es gehört eigentlich der Individualität des Kindes noch nicht ganz an, sich alles das herausentwickelt und an der Oberfläche der menschlichen Gestalt zur Ausprägung kommt, was aus dem Zentrum, aus dem Mittelpunkte des Menschen kommt, wo dasjenige in seiner Wirksamkeit sich entfaltet, was vom vorirdischen Leben als göttlich-geistige Wesenheit herabsteigt. Kann man das so auffassen, daß man verehrend, hingebungsvoll sich sagt: Da offenbart sich die Gottheit, die

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den Menschen geleitet hat bis zu seiner Geburt, weiter in der Ausprägung des menschlichen Organismus, da sehen wir die wirkende Gottheit, da empfinden wir, wie der Gott zu uns hereinschaut -, kann inan diesen Gottesdienst der Erziehung zu einer Angelegenheit seines Herzens machen, dann ist dies dasjenige, was aus unserer eigenen Lehrerindividualität heraus nicht in angelernter, sondern in innerlich hervorquellender, lebendiger Methodik alles Erziehen und Unterrichten leiten kann.

Diese Stimmung dem werdenden Menschen gegenüber, die brauchen wir als etwas, was zu aller erzieherischen Methodik dazugehört. Ohne diese Gemütsstimmung, ohne dieses - im Weltensinne sei es gesagt - Priesterliche im Erzieher läßt sich Erziehung überhaupt nicht durchführen. Daher wird alles, was angestrebt werden soll an Umwandlung der Methodik, gerade darin bestehen müssen, das seit dem vierzehnten Jahrhundert zu stark intellektuell, zu stark verstandesmäßig Gewordene wieder zurückzuführen in das Gemüthafte, in dasjenige, was aus der ganzen Menschennatur, nicht bloß aus dem Kopf hervorquillt. Denn das lesen wir aus dem ab, was uns die Natur des Kindes, wenn wir sie unbefangen betrachten können, lesen lehrt.

Denn welchen Gang hat denn eigentlich unser Zivilisationsleben seit dem vierzehnten Jahrhundert angenommen? Man hat bei dem großen Kulturübergang, Kulturumschwung, der sich mit dem vierzehnten Jahrhundert vollzogen hat, zunächst nur hinschauen können auf dasjenige, was einen von der Innerlichkeit, ich möchte sagen, zur Äußerlichkeit drängte. Es ist das Haften an der Äußerlichkeit so sehr zu etwas Selbstverständlichem für die heutige Menschheit geworden, daß man gar nicht mehr gewahr wird, wie in dieser Beziehung etwas anders werden kann. Man betrachtet den Zustand, in den man gekommen ist in der geschichtlichen Entwickelung, als einen absolut richtigen, nicht bloß als einen solchen, wie er den Bedingungen der Zeitkultur angehört. So wie die Menschen vor dem vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhundert empfunden haben, so konnte man eben nicht mehr empfinden. Man hat dazumal in einer ebenso einseitigen Art das Geistige betrachtet, wie man heute in einseitiger Weise das Na- turhafte betrachtet. Aber es mußte einmal die Betrachtung des rein

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Naturhaften beim Menschengeschlecht hinzukommen zu dem, was die frühere Menschheit in ihrer Hingabe an das naturlose GeistigSeelische hatte. Die Vermaterialisierung, der Umschwung war notwendig. Aber erkennen muß man, daß im gegenwärtigen Zeitpunkte, wenn die Menschheit der zivilisierten Welt nicht in Unkultur hinuntersinken will, ein neuerlicher Umschwung, eine Hinwendung zu dem Geistig-Seelischen notwendig ist. In dem Bewußtsein dieser Tatsache liegt eigentlich das Wesentliche aller solcher Bestrebungen, wie die Waldorfschulpädagogik eine ist. Eine solche Bestrebung will wurzeln in demjenigen, was sich für eine tiefere Beobachtung der Menschheitsentwickelung in unserer Zeit als das Notwendige offenbart. Wir müssen wiederum zurück zum Geistig-Seelischen. Dazu müssen wir erst ein deutliches Bewußtsein davon haben, wie wir aus ihm herausgekommen sind. Das haben heute viele eben noch nicht. Daher betrachten sie dasjenige, was wiederum zurückführen will zum Geistigen, wie ein, ja, nicht ganz Gescheites, könnte man sagen.

In dieser Beziehung bekommt man ja merkwürdige Proben zu hören. Nur wie in Parenthese, wie in der Klammer, möchte ich von einer interessanten Probe sprechen. Sehen Sie, da ist über die anthroposophische Methode, die Welt zu betrachten, auch ein im übrigen sehr interessantes Kapitel enthalten in dem neuen Buch von Maurice Maeterlinck «Das große Rätsel». Er bespricht da auch die Anthroposophie und - verzeihen Sie, daß ich persönlich werde - er bespricht mich. Er hat manche Bücher von mir gelesen, und er sagt folgendes - sehr in- teressant -, er sagt: Wenn man anfängt, meine Bücher zu lesen, dann stelle ich mich dar als ein abwägender, logischer, vorsichtiger Geist; wenn man weiter meine Bücher liest, in den späteren Kapiteln, dann erscheint es, als ob ich wahnsinnig geworden wäre. - Sehen Sie, das mag ja Maurice Maeterlinck so erscheinen, er hat natürlich das Recht dazu, subjektiv hat er das Recht dazu, denn warum sollte ich ihm nicht in den ersten Kapiteln als abwägend, logisch, wissenschaftlich erscheinen und in den späteren Kapiteln als verrückt? Das ist sein gutes Recht selbstverständlich, das wird ihm niemand abstreiten wollen. Aber es handelt sich darum, ob so etwas nicht zugleich absurd ist. Und es stellt sich als absurd heraus, wenn man folgendes bedenkt. Ich

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habe leider, Sie können dies an der sonderbaren Ausgestaltung des Büchertisches sehen, in meinem Leben recht viel geschrieben, und man kann schon sagen, wenn ich ein Buch aufgehört habe zu schreiben, fange ich wiederum an> ein neues zu schreiben. Wenn dann Maurice Maeterlinck dieses liest, so wird er wieder finden, daß ich in den ersten Kapiteln vorsichtig, abwägend, wissenschaftlich bin, bei den späteren Kapiteln werde ich wiederum wahnsinnig; dann gehe ich daran, ein drittes Buch zu schreiben, dann muß ich in den ersten Kapiteln wieder vernünftig sein und so weiter. Nun sehen Sie, ich muß also die Kunst verstehen, in den ersten Kapiteln des Buches durch Willkür ein ganz vernünftiger Mensch zu werden und ebenso durch Willkür wahnsinnig zu werden, um mich dann gleich wieder zurückzuversetzen in die Vernünftigkeit> wenn ich darangehe, das nächste Buch zu schreiben! Ich müßte also abwechselnd ein vernünftiger Mensch und dann wieder wahnsinnig werden. Er hat natürlich sein gutes Recht, das zu finden, aber auf die Absurdität einer solchen Anschauung aufmerksam zu werden, das vergißt er. Und so wird ein solcher bedeutender Mensch der Gegenwart eben absurd. Das soll nur, wie gesagt, ein Einschiebsel sein.

Es werden sich viele Menschen eben gar nicht bewußt, daß sie nicht aus dem ursprünglichen Quell der Menschennatur heraus urteilen, sondern aus demjenigen, was der äußeren Kultur seit dem vierzehnten Jahrhundert eingeprägt worden ist durch die äußere materialistische Lebensgestaltung und Bildung. Tiefer in den Menschen hineinzuschauen, das ist vor allen Dingen die Aufgabe des Pädagogen, des Erziehers, und damit eigentlich aller Menschen, die irgendwie mit Kindern etwas zu tun haben. Daher handelt es sich darum, durchaus sich bewußt zu sein, wie alles, was als Regung in der Umgebung lebt, im Kinde fortvibriert. Man muß sich schon klar darüber sein, daß in dieser Beziehung tatsächlich Imponderabilien, wie ich gestern sagte, herrschen. Das Kind wittert aus demjenigen, was wir in seiner Umgebung tun, heraus, welche Gedanken einer Handbewegung, einer Gebärde zugrunde liegen. Es wittert sie heraus, nicht dadurch selbstverständlich, daß es die Gebärden deutet, sondern durch ein viel regsameres inneres Verbundensein des Kindes mit dem Erwachsenen, als

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das später der Fall ist beim Erwachsenen gegenüber dem erwachsenen Menschen. Und so kommt es, daß wir uns nicht gestatten dürfen, in der Umgebung des Kindes anderes zu empfinden und zu denken als dasjenige, was in dem Kinde weitervibrieren kann. Im erzieherischen Verhalten gegenüber den ersten Jahren des Kindes muß durchaus der Grundsatz herrschen: Du mußt bis in deine Empfindung, Gefühl, Gedanke hinein in der Umgebung des Kindes so erleben, daß es in dem Kinde weitervibrieren kann. Und dann werden für das kindlicheAlter der Psychologe, der Seelenbetrachter, der lebenserfahrene Mensch und der Arzt eine Einheit. Denn alles dasjenige, was auf das Kind einen Eindruck macht, so daß das Kind seelisch reagiert, setzt sich fort in seiner Blutzirkulation, in der Art und Weise wie es verdaut, bildet sich aus als Anlage desjenigen, was die Gesundheitsverfassung des späteren Lebens ist. Indem wir geistig-seelisch erziehen, rechnend auf die Nachahmefähigkeit des Kindes, erziehen wir zu gleicher Zeit körperlich-physisch. Denn das ist die wunderbare Metamorphose dessen, was an das Kind geistig und seelisch herantritt, um zur physischen Konstitution, zur organischen Verfassung, zur Gesundheits- oder Krankheitsanlage für das spätere Leben zu werden.

So kann man sagen: In der Waldorfschulpädagogik erziehen wir nicht deshalb geistig-seelisch, weil wir in einseitiger Weise auf das Geistig-Seelische wirken wollen, sondern wir erziehen geistig-seelisch aus dem Grunde, weil wir wissen, daß wir damit im eminentesten Sinne das Innere des Menschen, das innerhalb seiner Haut gelegen ist, physisch erziehen. Das wird sich Ihnen an den Beispielen zeigen, die ich gestern vorbrachte. Nach dem Modell, das die Vererbungskräfte dem Menschen geliefert haben, baut er seinen zweiten Menschen auf, der dann da ist zum Erleben in der zweiten Lebensepoche zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife. Ebenso wie in der ersten Lebensepoche der Mensch sich einen zweiten Leib gewissermaßen er- kämpft durch dasjenige, was in ihm aus früheren Erdenleben unvererbt in dem rein geistigen Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt in der Individualität vorhanden ist, ebenso kämpfen in der zweiten Epoche zwischen Zahnwechsel und Geschlechtsreife die Ein- flüsse der Außenwelt gegen dasjenige, was der Mensch sich in seine

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Individualität eingliedern will. Jetzt werden die Einflüsse in der Außenwelt mächtig. Und der Mensch wird innerlich gefestigt, weil er nicht mehr wie ein Sinnesorgan so fortvibrieren läßt in seiner Organisation alles das, was in der Außenwelt da ist. Das sinnliche Erfassen konzentriert sich mehr an die Oberfläche des Menschen, an die Peripherie. Die Sinne nehmen erst jetzt ihre Selbständigkeit an, und als erstes tritt einem dann entgegen am Menschen etwas, was nicht intellektualistische Beziehung zur Welt ist, was eine Beziehung zur Welt ist, die sich nur vergleichen läßt mit der künstlerischen Lebensauffassung. Während unsere erste Lebensauffassung eine religiöse ist, in der wir als naturhaft religiöse Geschöpfe der Natur gegenüberstehen, hingegeben sind an die Umgebung, wird es jetzt zu unserem inneren Bedürfnis, alles dasjenige, was uns in der Umgebung entgegentritt, nun nicht mehr bloß hinzunehmen und es passiv fortvibrieren zu lassen in der Leiblichkeit, sondern es bildhaft umzugestalten. Das Kind ist zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife ein Artist, wenn eben auch in kindlicher Weise, wie es in der ersten Lebensepoche bis zum Zahnwechsel in naturhafter Weise ein Homo religiosus, ein religiöses Geschöpf ist. Da das Kind jetzt fordert, alles in bildhaft-künstlerischer Weise zu bekommen, hat ihm der Lehrende, Erziehende gegenüberzustehen als ein solcher, der alles, was er an das Kind heranbringt, als ein künstlerisch Formender an das Kind heranbringt. Das ist dasjenige, was als eine Forderung an den Erziehenden und Unterrichtenden unserer heutigen Kultur gestellt werden muß, was in die Erziehungskunst einfließen muß. Künstlerisches muß sich abspielen zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife zwischen dem Unterrichtenden und Erziehenden und dem heranwachsenden Menschen. In dieser Beziehung haben wir als Lehrer gar mancherlei zu überwinden. Denn unsere Zivilisation und Kultur, die uns äußerlich zunächst umgeben, sind ja so geworden, daß sie nur noch auf den Intellekt berechnet sind, daß sie auf das Künstlerische noch nicht berechnet sind.

Wenn wir in unseren heutigen Handbüchern die wunderbarsten Naturvorgänge, sagen wir, die Darstellung des embryonalen Lebens lesen, oder wenn wir die diesbezüglichen Lehren an unseren Schulen aufnehmen - ich kritisiere das nicht, ich charakterisiere es nur, denn

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ich weiß sehr gut, daß das so werden mußte und daß es in einem bestimmten Zeitpunkte der Menschheitsentwickelung eine Notwendigkeit war -, wenn wir mit der Kraft, die heute wieder erwachen will, das aufnehmen, was sich uns da darbietet, dann geschieht etwas im Fühlen des Menschen, was man sich gar nicht gestehen mag, weil man glaubt, man sündigt gegen die Reife, die das Menschengeschlecht in der weltgeschichtlichen Entwickelung erlangt hat. Und es wäre gut, wenn man sich ein diesbezügliches Geständnis machen würde. Lesen Sie heute Bücher über Embryologie, über Botanik, Zoologie: es ist ja zum Verzweifeln, wie man sofort in intellektualistische Kälte untertauchen muß, und wie alles Künstlerische - denn es gibt nichts Intellektualistisches, was im Werden der Natur lebt - da ganz bewußt methodisch ausgetrieben wird. Wenn wir als Lehrer ein heutiges Botanikbuch zur Hand nehmen, das nach ganz exakten Regeln der Wissenschaft geformt ist, so haben wir als Lehrer die Aufgabe, zunächst alles das aus uns auszuschalten, was wir in diesem Buche finden. Wir müssen es natürlich aufnehmen, weil wir sonst auf keine andere Weise zur Kenntnis dessen kommen, was in der Pflanzenwelt vorgeht. Wir müssen uns schon opfern, durch die heutigen Bücher das kennenzulernen. Aber wir müssen sie ausschalten, sobald wir als Lehrende oder Erziehende an das Kind zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife her- antreten. Da muß sich durch uns selber, durch unsere künstlerische Lebendigkeit, durch unseren künstlerischen Sinn alles ins KünstlerischBildhafte umgestalten. Da muß sich das, was in meinen Gedanken lebt über die Natur, in dasjenige verwandeln, was auf den Flügeln menschlicher artistischer Begeisterungsfähigkeit zum Bilde wird und als Bild vor die kindliche Seele hintritt. Künstlerisch gestalten den Unterricht zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife, das ist dasjenige, um was es sich nur handeln kann bei einer Metamorphose unserer pädagogischen Grundansichten von der Gegenwart in die nächste Zukunft hinein. Wie wir ein Priesterliches brauchen für die erste kindliche Lebensepoche, so brauchen wir ein Artistisches, ein Künstlerisches für die zweite Lebensepoche des Menschen, für die Epoche zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife. Denn was tun wir denn eigentlich, wenn wir an dem Menschen bilden in

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dieser Lebensepoche? Da will die Individualität, die aus früheren Erdenleben und aus der geistigen Welt heraus kommt, sich einen zweiten Menschen allmählich gestalten und will ihn durchdringen, und wir stehen Pate bei diesem Durchdringen, wir einverleiben dasjenige, was wir neben dem Kinde lehrend, erziehend tun, den Kräften, die sich in das Geistig-Seelische hineinweben sollen, um den zweiten Menschen, den Menschen gerade in seiner Eigenart zu gestalten. Wiederum muß es das Bewußtsein von dieser Weltstellung sein, was wie ein innerlich belebender Impuls dasjenige durchdringt> was Unterrichtsmethodik und Lebensbedingungen des Erziehens sein sollen. Nachdenken kann man gar nicht über das, was man da tun soll; man kann es nur werden lassen unter dem lebendigen Eindruck, den das Kind auf den Lehrenden und Erziehenden macht.

Denn in zwei Extreme kann man in dieser Lebensepoche beim Unterrichten und Erziehen verfallen. Das erste Extrem wird darin bestehen, daß wir aus der intellektualistischen Anlage zu intellektuell an das Kind herantreten, von dem Kinde fordern, daß es zum Beispiel scharfkonturierte Begriffe aufnimmt, Definitionen, wie man sagt. Es ist ja so bequem, zu erziehen und zu unterrichten mit Definitionen. Denn die Begabteren lernen die Definitionen nachsagen, und man kann dann sich die Bequemlichkeit verschaffen, in den nächsten Stunden das gewußt zu sehen von den Kindern, was man ihnen in den vorhergehenden Stunden beigebracht hat. Und die es dann nicht wissen nach einer gewissen Zeit, die läßt man sitzenbleiben. Das ist eine sehr bequeme Methode. Aber sie läßt sich vergleichen mit der Methode, die ein Schuster entwickeln würde, wenn er für ein dreijähriges Kind Schuhe machen müßte und nun verlangt, daß sie das zehnjährige noch tragen soll; sie sind scharf konturiert, die Schuhe, aber sie passen dem Kinde nicht mehr. So ist es mit dem, was das Kind aufnimmt. Was das Kind im siebten> achten Lebensjahre aufnimmt, im zwölften Lebensjahre paßt es nicht mehr zu seiner Seele, es kann es ebensowenig brauchen wie die Schuhe, die zu klein geworden sind. Nur bemerkt man das beim Seelischen nicht. Der Lehrer, der im zwölften Jahre des Kindes noch die Definitionen verlangt, die früher gebracht worden sind, der gleicht dem Schuster, der dem zehnjährigen Kinde die Schuhe des

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dreijährigen noch anziehen will. Es kommt bloß mit den Zehen hin- ein, die Schuhe umfassen die Fersen nicht mehr. Ein großes Stück des Geistig-Seelischen bleibt außerhalb des Unterrichtens und Erziehens. Was notwendig ist, das ist, durch ein künstlerisch Biegsames, das wachsen kann, dem Kinde solche Empfindungen und Vorstellungen und Vorstellungsempfindungen im Bilde zu geben, die Metamorphosen durchlaufen können, die einfach dadurch, daß die Seele wächst, mit- wachsen können. Dazu gehört aber ein lebendiges Verhältnis des Lehrers, des Erziehers zu dem Kinde, nicht ein totes, das man aus toten pädagogischen Begriffen sich aneignet. Und deshalb muß auch der ganze Unterricht zwischen dem ungefähr siebenten, achten und dem vierzehnten, fünfzehnten Lebensjahre in dieser Weise von Bildhaftig keit durchdrungen werden.

Das widerstrebt in vieler Beziehung dem Äußeren unserer heutigen äußerlichen Kultur. Gewiß sind wir in diese heutige Kultur hineingestellt. Wir lesen Bücher; da sind sinnvolle Inhalte vermittelt durch solche kleine Zeichen, die wir a, b, c und so weiter nennen. Wir denken gar nicht daran, wie wir malträtiert worden sind, um diese Zeichen zu lernen, denn sie stehen in gar keinem Verhältnis zu unserem inneren Leben. Warum sollte denn ein A oder ein E so sein, wie es heute ist? Es gibt keine innere Notwendigkeit. Man kann es nicht erleben, wenn man das, was man als Verwunderung, als ah! ausspricht, so aufschreiben soll, noch gar ein h dazu machen soll. Das war auch noch nicht vorhanden in einer älteren Menschheit. Da verbildlichte man in der äußeren Bilderschrift dasjenige, was äußere Vorgänge waren. Da hatte man, wenn man hinsah auf das Blatt, auf die Tafel, auf der man so etwas vergegenwärtigte, einen Nachklang des äußeren Prozesses oder äußeren Dinges. Es handelt sich darum, daß wir vor allen Dingen das sechs-, siebenjährige Kind mit dem Erlernen der Schriftgestaltung, wie sie heute ist, verschonen; es handelt sich darum, daß wir an das Kind heranbringen dasjenige, was aus dem Kinde selber kommen kann, aus der Betätigung seiner Arme, aus der Betätigung seiner Finger. Es schaut mit seinen Augen irgendeinen glänzenden Gegenstand an. Es wird, wenn es den glänzenden Gegenstand anschaut, einen Eindruck haben, und man läßt es den Glanz durch eine Art

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glänzende Zeichnung fixieren. Dann weiß das Kind, worum es sich handelt. Streift das Kind von oben nach unten über einen Stab, und ich lasse es dann einen Strich machen, der von oben nach unten geht, dann weiß das Kind wieder, worum es sich handelt. Ich zeige ihm einen Fisch. Ich lasse das Kind die Hauptrichtung des Fisches verfolgen.

Dann lasse ich die Hinter- und Vorderflosse verfolgen; das durchquert das Vorige. Ich lasse die Hauptrichtung und dann dieses Durchqueren aufzeichnen und sage: Was du da auf dem Papier hast, das kommt vom Fisch. Du hast ihn ja angegriffen. - Und jetzt führe ich hinüber in das innere Erleben des Wortes Fisch. Da ist darinnen das F. Das lasse ich jetzt auch so machen: einen Strich und durchqueren. Ich hole mir den Laut, mit dem das Wort Fisch beginnt, aus dem heraus, was erfühlt wird von dem Kinde. So kann ich das Ganze der Schrift hervorgehen lassen nicht aus abstraktem Nachahmen der Zeichen, wie sie heute sind, sondern aus dem Erfassen der Dinge selber, die im zeichnenden Malen, im malenden Zeichnen der Kinder entstehen. So kann ich die Schrift hervorholen aus dem zeichnenden Malen, aus dem malenden Zeichnen. Dann stehe ich in der lebendigen Bildhaftigkeit darinnen.

Ich brauche nur hinzudeuten auf ein solches kuöönstlerisches Beginnen, und man wird schon fühlen können, wie es das ganze Kind in Anspruch nimmt, nicht bloß einseitig das Verstehen, das man bei dem einen Extrem zu sehr in Anspruch nimmt. Geht man so aus dem Intellektuellen in das Bildhafte hinein, so tritt das Intellektualistische ganz zurück für das kindliche Alter. Übertreibt man das Intellektualistische, ist man nicht imstande, auf das Bildhafte überzugehen, dann kommt beim Kinde in einer feinen, intimen Weise der Atmungsprozeß in Unordnung. Ich möchte sagen, es verdichtet sich in einem ohnmächtig werdenden Ausatmungsprozeß. Das müssen Sie sich nicht gleich grob vorstellen, sondern in feiner Weise, in differentieller Weise. Es verdichtet sich der Ausatmungsvorgang, und das Kind hat ein unterbewußtes Alpdrücken, wenn der Intellektualismus zwischen dem siebenten und vierzehnten Jahre zu stark an es herangebracht wird. Es kommt ein innerlich, ich möchte sagen, intimes Alpdrücken zustande, das der Organisation bleibt und das in einem späteren Alter zu

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asthmatischen Zuständen oder allerlei Krankheiten treibt, welche zusammenhängen mit einem nicht flotten Atmungsprozeß.

Treibt man dagegen das andere Extrem zu weit, stellt man sich in die Schule hinein wie ein kleiner Cäsar, indem man natürlich glaubt, man sei ein großer Cäsar, dann stellt sich heraus, daß das Kind sich fortwährend an den Willensimpulsen des Lehrers spießt. Ebenso wie man die Ausatmung verdichtet durch das Extrem des Intellektualistischen, verdünnt man die Kräfte, welche den Stoffwechsel besorgen sollen, durch ein einseitiges Befehlen, ein einseitiges Entwickeln der Willensimpulse als Lehrer. Es entwickeln sich im Kinde die Schwächen der Verdauungsorgane, die dann im späteren Alter zum Vorschein kommen können. Beides ist eine Unmöglichkeit in der Erziehung: das Intellektualistische auf der einen Seite, und das vom Lehrer ausgehende übertriebene Willenshafte auf der anderen Seite. In dem Waagehalten, in dem Gleichgewichthalten zwischen beiden, in dem> was sich im Gemüte vollzieht, wenn der Wille sanft übergeht in die eigene Tätigkeit des Kindes, und dem, wo der Intellekt sich abmildert, so daß er den Atmungsprozeß nicht bedrückt, in der Gemütsbildung, die nach dem Bilde hinneigt und die sich äußert in einem solchen Schwebenkönnen, wie ich es charakterisiert habe, da liegt das Heil der kindlichen Entwickelung zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife.

So kann man ablesen an der Menschenentwickelung aus wahrer Menschenerkenntnis heraus dasjenige, was man von Woche zu Woche, von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr mit dem Kinde erzieherisch und unterrichtend zu vollbringen hat. Der Lehrplan muß sein eine Kopie desjenigen, was man in der Menschenentwickelung lesen kann. Wie das geschieht, werde ich mir erlauben, in allen Einzelheiten in den nächsten Vorträgen zu entwickeln.

DRITTER VORTRAG Stuttgart, 10. April 1924, vormittags

#G308-1979-SE042 - Die Methodik des Lehrens und die Lebensbedingungen des Erziehens

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DRITTER VORTRAG

Stuttgart, 10. April 1924, vormittags

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Es ist für ein gedeihliches Erziehen und Unterrichten notwendig, daß man sich als der Erziehende und Unterrichtende den richtigen Blick an- gewöhnt, der dazu führt, die Regungen, die werdende Gestaltung des kindlichen Organismus wirklich zu durchschauen. Ich möchte, um klarzumachen, was da eigentlich vorliegt, ausgehen von einem Vergleich.

Nehmen Sie das Lesen, so wie wir es üben als Erwachsene, das gewöhnliche Lesen. Dasjenige, was uns durch das Lesen vermittelt wird, wenn wir in ganz gewöhnlichem Sinne ein Buch lesen, ist doch sicher nicht dasjenige, was wir etwa aussprechen würden damit, daß wir sagen würden: Ein B hat diese Form, ein C hat diese Form. Denn schließlich, wenn jemand den Goetheschen «Wilhelm Meister» liest, wird er nicht als Resultat seines Lesens die Buchstaben beschreiben; sondern das, was er aufnimmt, ist ja ganz und gar nicht auf dem Papier, ist ja gar nicht in diesem Einband enthalten. Dennoch muß jemand, der den «Wilhelm Meister» seinem Inhalte nach aufnehmen will, gelernt haben, die Buchstaben und ihren Zusammenhang zu lesen. Er muß also die Formen der Buchstaben kennen. Ähnlich muß das Verhältnis des Lehrenden, des Erziehenden zum Kinde ein Lesen in der menschlichen Wesenheit werden. Daher wird für den Lehrenden und Erziehenden durch die Kenntnis desjenigen, was ihm die auf das Materielle sowohl der Organe wie der Funktionen bezügliche Physiologie und so weiter sagen kann, nicht mehr herauskommen als beim Lernen der Buchstaben selber herauskommt. Man muß als Lehrender und Erziehender nicht nur lernen, die Lunge sieht so aus, hat diese und jene Funktion in der physischen Welt, das Herz und so weiter sieht so und so aus; da würde man erst so viel von der Menschenwesenheit verstehen können, als einer versteht von dem Sinn eines Buches, wenn er nichts kann als die Buchstaben beschreiben, wenn er nicht lesen kann.

Nun ist in der neueren Kulturentwickelung die Sache so gegangen, daß in der Tat die Menschen allmählich abgekommen sind davon, in

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der Natur und namentlich in der menschlichen Natur zu lesen. Unsere Naturwissenschaft ist kein Lesen, unsere Naturwissenschaft ist ein Buchstabieren. Und solange man das nicht mit aller Schärfe in sich aufgenommen hat, wird man nicht eine wirkliche pädagogische Kunst, eine wirkliche Didaktik aus wahrer Menschenerkenntnis heraus entwickeln können. Es muß eine lesende, nicht e;ne buchstabierende Menschenerkenntnis sein. Man bleibt natürlich unbefriedigt, wenn man zunächst nur dieses hört, weil man den Einwand machen muß: Ja, wie ist es denn gekommen, da ja doch das Menschengeschlecht in einem fortwährenden Fortschritt sein soll, daß in bezug auf das Durchschauen der Welt gerade in der Epoche des größten Aufschwunges der Naturwissenschaften, den man als philosophischer Anthroposoph voll an- erkennt, eigentlich ein Rückschritt stattgefunden hat?

Da muß folgendes gesagt werden. Bis zum vierzehnten, fünfzehnten Jahrhundert herein haben die Menschen in der Natur überhaupt nicht «buchstabieren» können. Sie haben die Naturerscheinungen angeschaut und einen instinktiv-intuitiven Eindruck, namentlich vom Menschen, gehabt. Sie sind nicht heruntergegangen bis zu der Beschreibung der einzelnen Organe, sondern sie hatten eine Art von geistigsinnlicher Bildung, instinktiv einen Eindruck von dem Gesamtmenschlichen. Solch einen Eindruck kann man nur haben, wenn man in seinem Inneren nicht ganz frei wird. Denn es ist ein unwillkürlicher Eindruck, es ist kein Eindruck, den man innerlich beherrscht. Daher mußte eine Epoche in der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit kommen, die im vierzehnten, fünfzehnten Jahrhundert begonnen hat, die jetzt zu Ende gehen muß, in der man eigentlich weltgeschichtlich alles vergessen hat, was in der früheren Zeit an instinktiver Menschenerkenntnis da war, in der man sich befaßt hat mit dem Buchstabieren in der Menschennatur, so daß man eigentlich im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts und als Nachwirkung in dem bisherigen zwanzigsten Jahrhundert in der allgemeinen Kulturbildung vor sich hatte eine geistesleere Weltanschauung, so wie man eine Geistesleere vor sich hätte> wenn man nicht lesen könnte, sondern bloß die Formen der Buchstaben anschaute. In dieser Zeit erstarkte gerade im allgemeinen die Menschennatur, weil das unwillkürliche Leben und Wesen des

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Geistes in der Menschennatur gerade in den Gebildeten nicht vorhanden war.

So muß man in die Weltgeschichte hineinscha`uen können, sonst wird man seine Stellung als Mensch in der Zeitentwickelung nicht richtig beurteilen können. Das, was damit gesagt wird, ist ja all erdings in vieler Beziehung bedrückend gerade für den modernen Menschen. Denn er ist ja, wie ich schon angedeutet habe, mit einem gewissen Bildungshochmut, namentlich wenn er etwas gelernt zu haben glaubt, behaftet, und er schätzt sein Buchstabieren in der Natur wesentlich höher als dasjenige, was in früheren Epochen der Erdenmenschheitsentwickelung da war. Der heutige Anatom glaubt ganz gewiß mehr über Herz und Leber zu wissen, als die vorangehenden Anatomen gewußt haben. Die vorangehenden Anatomen hatten ein Bild von Herz und Leber, das in sich ein Geistiges trug in der Anschauung. Man muß sich hineinversetzen können in die Art und Weise, wie der heutige Anatom das Herz anschaut: es ist für ihn so etwas wie eine bessere Maschine, eine bessere Pumpe, die das Blut durch den Körper treibt. Wenn man sagt, er sehe ein Totes, wird er es ableugnen. Er leugnet es von seinem Standpunkt mit Recht ab, selbstverständlich, denn er kann das gar nicht einsehen, worum es sich handelt, während der ältere Anatom im Herzen etwas wie ein geistiges Wesen gesehen hat, das sich geistig-seelisch betätigt. Der Inhalt der sinnlichen An- schauung war durchsetzt von etwas Geistigem, auf das er zugleich schaute. Dieses Schauen des Geistigen konnte nicht mit klarer, voller Besonnenheit vor sich gehen, sondern es war etwas, was unwillkürlich kam. Hätte die Menschheit fortfahren müssen, in diesem sinnlichen Anschauen zugleich ein Geistiges zu haben, dann wäre es unmöglich gewesen, daß die Menschheit in ihrer Entwickelung die volle moralische Freiheit ergriffen hätte, die auch einmal kommen mußte in dieser geschichtlichen Entwickelung.

Wenn Sie den ganzen Werdegang der Geschichte seit dem vierzehnten, fünfzehnten Jahrhundert verfolgen, gerade in den zivilisierten Gegenden verfolgen, was in der nachfolgenden Entwickelung im weitesten Umkreise gegoren hat von den böhmisch-mährischen Brüdern in Mitteleuropa, deren Streben einen entschieden pädagogischen Einschlag

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hatte, bis zu Wiclif, Hus, bis herauf zu dem, was man gewöhnlich die Reformation nennt, so werden Sie überall finden das Streben nach Freiheit, das dann seinen Ausdruck findet in den Revolutionsbewegungen des achtzehnten Jahrhunderts. Und noch immer ist es ein Ringen der Menschheit, die Freiheit innerlich zu erleben. Das hätte nicht kommen können, wenn die alte Art der Anschauung geblieben wäre. Man mußte sozusagen eine Zeitlang von dem im Menschen unwillkürlich wirkenden Geiste frei werden, damit der Mensch frei das geistige Wirken in sich aufnehmen könne. Und wer so sich unbefangen das Wirken der geistigen Kultur anschaut, der wird sich schon sagen müssen: Eigentlich muß der Pädagoge zuerst ein volles Bewußtsein entwickeln von dem, was da im Menschenwerden der Erde vor sich geht. Er muß zuerst aus jenem instinktiven Zusammensein des Lehrenden und des zu Erziehenden, wie es in alten Zeiten der Fall war, ein bewußtes Zusammensein entwickeln. Das läßt sich nicht entwickeln, wenn man seine Bildung herausnimmt aus einem bloßen Buchstabieren, das auch eingezogen ist in die ganze Wissenschaft, das in das gesamte menschliche Erkennen eingezogen ist. Das läßt sich nur gewinnen, wenn man nun wiederum bewußt aufsteigen lernt von dem Buchstabieren zum Lesen. Das heißt: Wie man in dem Verhältnis, das man zu einem Buche hat, ganz darinnensteckt in dem, was die Buchstaben sagen, aber etwas ganz anderes herausnimmt, als die Buchstaben sagen - die Buchstaben sind sehr unschuldig an dem Inhalt des «Wilhelm Meister» in gewisser Beziehung -, so muß man aus der menschlichen Natur herausnehmen können dasjenige, was nun nicht die heutige Na- turwissenschaft an sich sagen kann, sondern was entsteht, wenn man die Angaben der heutigen Naturwissenschaft als Buchstaben betrachtet und dann lesen lernt in der menschlichen Wesenheit.

Deshalb ist es auch so unberechtigt zu sagen, anthroposophische Erkenntnis mißachte die Naturwissenschaft. Das ist gar nicht der Fall; sie achtet sie ganz stark, aber wie derjenige das Buch achtet, der es lesen will, nicht wie der das Buch achtet, der bloß die Buchstabenformen photographieren will. Man muß in dieser Beziehung merkwürdige Dinge sagen, wenn man die Zeitkultur richtig charakterisieren will. Ich gebe irgend jemandem einen Band «Wilhelm Meister» in die Hand.

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Es ist doch ein Unterschied zwischen dem, der mir sagt: Ich werde gleich meinen Abknipsapparat nehmen, um diesen Band «Wilhelm Meister» auf jeder Seite zu photographieren - und sich gar nicht kümmert um dasjenige, was als Inhalt in dem Buch enthalten ist, und zwischen einem, der gleich schnappt, weil er neugierig ist, was darinnen steht. In der Lage des ersteren ist derjenige, der stehenbleiben will bei der bloßen Naturwissenschaft von heute in der Menschenerkenntnis. Er will eigentlich nichts als die äußeren Formen photographieren, denn er hat auch in seinen Begriffen von den äußeren Formen nur dieses Photographieren. Es ist heute schon so, daß man zu radikalen Aussprüchen kommen muß, wenn man jenes Verhältnis des Menschen zum Menschen und zur Welt charakterisieren will, das heute vorhanden ist, denn man mißversteht ja ganz dieses Verhältnis. Man denkt, man habe heute schon etwas Höheres, als man es gehabt hat vor dem vierzehnten, fünfzehnten Jahrhundert. Man hat es nicht. Aber man muß wieder dazu kommen, dasjenige was man hat, in derselben Weise bewußt, willkürlich, besonnen handhaben zu lernen, wie man früher unbewußt in instinktiven Intuitionen zu Anschauungen von der Menschennatur gekommen ist. Diese Bildung innerhalb der Zeitkultur, das ist dasjenige, was sozusagen wie ein Zauberhauch durch alle Lehrerseminarbildung hindurchgehen müßte, was Gesinnungsbildung für die Lehrerschaft werden müßte, was eigentlich erst den Lehrer bringen würde in den Mittelpunkt desjenigen Horizontes der Weltanschauung, den er übersehen, überblicken müßte. Daher ist es heute nicht so notwendig, daß man sich hinsetzt und experimentelle Gedächtnis- und Willensuntersuchungen, Verstandesuntersuchungen macht, sondern wichtig ist, daß die didaktische, die methodische, die pädagogische Bildung in Seminaren dahin orientiert wird, daß eine Gesinnung Platz greift in den Lehrerseelen, die in der Richtung geht, wie ich sie eben charakterisiert habe. Auf das Zentrale des Menschenwesens müßte eigentlich gerade in der Lehrerbildung losgegangen werden.

Und wenn das der Fall ist, dann wird dasjenige, was der Lehrer erfahren kann, erleben kann durch seine eigene Bildung, in ihm nicht ein totes Anwenden von Erziehungsregeln sein, nicht ein Nachdenken darüber, wenn irgendein Kind da ist: Wie wendet man diese oder jene

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Regel an? - Das ist etwas, was im Grunde genommen gar nicht sein darf, sondern es muß im ganzen Menschenwesen des Lehrers ein intensiver Eindruck entstehen von dem Kinde wiederum als Ganzes, und dasjenige, was da erblickt wird in dem Kinde, muß Freude und Leben erweckend sein. Und jenes Wesen, das als Freude und Leben erweckend im Lehrer wirkt, das muß wachsen können und unmittelbar eingeben dasjenige, was in der Frage liegt: Was machst du mit dem Kinde?

Man muß vom Lesen im Allgemeinen der Menschennatur übergehen zum Lesen in der einzelnen Menschenwesenheit. Überall muß Pädagogik übergeführt werden können, lassen Sie mich diesen materiell gefärbten Ausdruck gebrauchen, in die Handhabung desjenigen, was man braucht. Beim Lesen geht auch dasjenige, was man gelernt hat über den Zusammenhang der Buchstaben, über in Handhabung. Es muß wirklich ein dem Lesen ähnliches Verhältnis werden, in das der Lehrer eingehen kann zu dem Schüler. Dann wird er die materielle Entwickelung des Körperlichen nicht unterschätzen und nicht überschätzen, sondern sich zu ihr in eine richtige Beziehung setzen. Dann wird er erst anwenden lernen, was ihm Physiologie und experimentelle Psychologie über das Kind geben können. Dann wird er vor allen Dingen aufsteigen können von der Einsicht in Einzelheiten zu der Gesamterfassung der werdenden Menschenwesenheit.

Wenn wir das Kind in dem volksschulpflichtigen Alter hereinbekommen in die Schule, dann ist es für eine innere Schau im Grunde genommen eine andere Wesenheit, als es vorher bis zum Zahnwechselalter war. Schauen wir innerlich auf die Menschennatur hin, wie sie vor dem Zahnwechsel war. In den Zähnen kommt ewas heraus, was sich bildet im ganzen menschlichen Organismus auf die Art, wie ich es gestern beschrieben habe. Es ist ein Schießen in die Form, die menschliche Seelenwesenheit arbeitet an dem zweiten Körperlichen des Mensche`n, wie der Bildhauer arbeitet an der Gestaltung des Stoffes. Es ist in der Tat ein innerlich unbewußtes plastisches Gestalten. Das kann man nicht auf eine andere Weise von außen beeinflussen als dadurch, daß man das Kind nachahmen läßt, was man selber tut. Was ich vormache, was als eine Bewegung mit meiner eigenen Hand da

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wirkt und von dem Kinde angeschaut wird, das geht über in sein seelenbildendes Element, und meine Handbewegung wird der Anlaß zur unbewußten plastischen Tätigkeit, die in die Form schießt. Dieses In- die-Form-Schießen ist ganz und gar abhängig von dem Bewegungselemente im Kinde. Was das Kind vollbringt an Bewegungen, wie bei ihm diese Willensregungen übergehen aus dem Chaotischen, Unorientierten in innerlich geordnete, wie das Kind da nach außen plastizierend an sich arbeitet, so geht dieses Plastizieren in einem hohen Grade nach dem Innern vor sich. Wenn wir das Kind in die Volksschule hereinbekommen, so müssen wir uns darüber klar sein, daß mit seinem Fortschreiten in der physisch-seelisch-geistigen Entwickelung der Vorgang, der zuerst nur in den Bewegungen lebte, in eine ganz andere Region herübergeht. Das Kind ist bis zum Zahnwechsel in seiner Blutbildung abhängig von seiner Kopforganisation. Sehen Sie sich einen Menschen an während seiner Embryonalzeit, wie da die Kopfbildung überwiegt, wie sogar die andere organische Bildung von außen, von dem, was im mütterlichen Leibe vor sich geht, abhängig ist, wie alles dasjenige, was vom Kinde selbst ausgeht, von der kindlichen Kopfbildung ausgeht. Das bleibt, wenn auch abgeschwächt, noch vorhanden in der ersten Lebensepoche des Menschen bis zum Zahnwechsel hin. Da ist in alledem, was im menschlichen Organismus vorgeht, im wesentlichen die Kopfbildung beteiligt. Da wirken Kräfte, die von der Kopfbildung, vom Nerven-Sinnes-System ausgehen, hinein in das motorische System, in das plastische Gestalten. Wenn das Kind den Zahnwechsel durchgemacht hat, dann zieht sich die Kopfbildung zurück. Dasjenige, was in den Gliedmaßen wirkt, das ist nun weniger von der Kopfbildung abhängig; das ist mehr abhängig von dem, was durch die äußerlich aufgenommenen Nahrungsmittel namentlich an Stoffen und Kräften in den menschlichen Organismus übergeht.

Beachten Sie das nur ganz genau! Nehmen wir an, wir essen als Kind in dem Lebensalter vor dem Zahnwechsel irgend etwas, wir essen Kohl zum Beispiel. Essen kann man ihn ja, wenn man ihn nur nicht redet. Der Kohl hat in sich dadurch, daß er Kohl ist, gewisse Kräfte. Diese Kräfte, die der Kohl in sich hat, die eine große Rolle spielen in der Art und Weise, wie der Kohl da auf den Feldern als Pflanze wächst,

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werden bei dem Kinde möglichst bald aus dem Kohl herausgetrieben, und die Verarbeitung des Kohls wird unternommen von denjenigen Kräften, die von dem Kopfe des Kindes ausstrahlen. Gleich versenkt sich in die Kohlkräfte dasjenige hinein, was von der Kopfbildung des Kindes selber ausstrahlt. Geht das Kind durch den Zahnwechsel durch, dann behält, weil die menschliche Natur sich mehr verinnerlicht, der Kohl viel länger bei seinem Wege durch den menschlichen Organismus seine eigenen Kräfte, und er wird nicht etwa schon im Verdauungssystem umgewandelt, sondern erst beim Übergang von dem Verdauungssystem in das Blutzirkulationssystem. Er wird später umgewandelt. Dadurch wird ein ganz anderes inneres Leben im Organismus hervorgerufen. Während in den ersten Jahren bis zum Zahnwechsel alles eigentlich abhängt von der Kopfbildung und ihren Kräften, wird für das zweite Lebensalter, für das Lebensalter vom Zahnwechsel bis zur Geschlechtsreife, besonders wichtig, wie der Atmungsprozeß mit seinem Rhythmus entgegenkommt der Blutzirkulation, und besonders wichtig wird diese Umwandlung der Kräfte, die da stattfindet an der Grenze zwischen dem Atmungsprozeß und dem Blutzirkulationssystem. So daß für das volksschulpflichtige Alter des Kindes das Wesentliche darin liegt, daß immer eine gewisse Harmonie da sein und durch die Erziehung gefördert werden muß, eine Harmonie zwischen dem Rhythmus, der sich im Atmungssystem herausbildet, und dem Rhythmus, mit dem er sich im Inneren des Organismus berührt, dem Rhythmus, der im Blutzirkulationssystem liegt und der aufschießt aus den äußerlich aufgenommenen Nahrungsmitteln. Der Ausgleich, die Harmonisierung zwischen Blutzirkulationssystem und Atmungssystem, das ist dasjenige, was sich vollzieht zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife.

Wir wissen ja, wenn wir einem Menschen den Puls fühlen, spüren wir viermal so viel Schläge durchschnittlich im erwachsenen Alter, als wir Atemzüge empfinden. Aber dieses, was da eintritt als das dem menschlichen Organismus normale Verhältnis zwischen dem Atmungsrhythmus und Blutrhythmus, das muß erst erobert werden in demjenigen Alter, das zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife verfließt. Und die Erziehung muß so eingerichtet sein in all ihrem

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Verhalten, daß ein der Größe, der Bildung des menschlichen Organismus angemessenes Verhältnis zwischen Atmungsrhythmus und Blutrhythmus eintreten kann. Ein klein wenig verschieden ist dieses Verhältnis zwischen Pulsschlag und Atemzahl immer bei den Menschen. Es hängt dieses Verhältnis bei dem einzelnen Menschen davon ab, wie groß er ist, ob er schlank oder dick ist, es wird beeinflußt durch seine ganzen inneren Wachstumskräfte, durch die plastischen Kräfte, die in den ersten Kinderjahren noch von den Vererbungsverhältnissen herrühren. Es hängt alles davon ab, daß der Mensch seiner Größe, seiner Dickheit oder Schlankheit angemessen das Verhältnis hat zwischen Atmungsrhythmus und Blutrhythmus. Sehe ich ein aufschießendes, zur Schlankheit hintendierendes Kind an, so weiß ich: Da muß ein Atmungsrhythmus sein, der in einer gewissen Beziehung schwächer wirkt auf die Blutzirkulation, als wenn ich einen kleinen Dickling vor mir habe. Bei dem Dickling muß ich den Atmungsrhythmus durch die ganze Erziehung, durch alles das, was ich geistig-seelisch in ihm hervorbringe, zu stärkerem Druck bringen, zu größerer Schnelligkeit bringen, damit für den Dickling das rechte Verhältnis da ist. Das alles muß aber so selbstverständlich und wiederum unbewußt in dem Lehrer wirken wie das Anschauen der Buchstabenformen bei dem Lesen. Man muß ein Gefühl dafür kriegen können, was man bei dem Dickling tun muß, und was man bei dem Dünnling tun muß und bei allem ähnlichen. Ob ein Kind einen großen Kopf hat im Verhältnis zum Übrigen Körper, ob ein Kind einen kleinen Kopf hat, darauf kommt unendlich viel an. Aber das alles ergibt sich, wenn man mit innerer Erziehungsfreude und richtiger Erzieherindividualität in der Klasse darinnensteht und in den Individualitäten der zur Pflege übergebenen Kinder lesen kann.

Da kommt es dann darauf an, daß man nun, man möchte sagen, den fortlaufenden plastischen Prozeß, der wie ein Fortrollen desjenigen ist, was bis zum Zahnwechsel hin geschieht, gewissermaßen auffaßt, ergreift und ihm entgegenkommt, ihm etwas entgegenstellt, was vom Atmungsrhythmus ausgeht. Das ist aber alles dasjenige, was von musikalischer, von rezitatorischer Kunst im Erziehen ausgehen kann. Die Art und Weise, wie wir das Kind sprechen lehren, wie wir das

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Kind an das Musikalische heranbringen, sowohl an das Hören des Musikalischen wie an das Gesangliche, wie an die Betätigung im Musikalischen, das alles wird für die Erziehung ein Gestalten des Atmungsrhythmus, so daß der sich immer mehr und mehr an den ihm entgegenkommenden pulsierenden Rhythmus von unten herauf anpassen kann. Und es ist schon ein sehr Schönes, wenn der Unterrichtende, der Erziehende dahin kommt, bei alledem, was sich im Sprechenlernen, im Singenlernen für das Kind so herausstellt, daß nun durch das Sprechenlernen, durch das Singenlernen die Gesichtszüge, wenn auch intim, fein, wenn auch nicht für eine grobe Beobachtung, sich da ändern. Wenn wir als Lehrender, als Erziehender für das Lebensalter zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife hinschauen lernen auf das, was im Blick, in der Physiognomie, in der Bewegung der Finger, in dem Aufstellen der Beine auf den Boden sich herausentwickelt aus dem Sprechenlernen und aus dem Singenlernen, wenn wir das ebenso mit innerer Ehrfurcht beobachten können, wie wir am ganz kleinen Kind beobachten, wie aus dem Zentrum des Menschen heraus die verwaschenen Gesichtszüge übergehen in die schön geformten und so weiter, wenn wir gewissermaßen den Übergang beobachten desjenigen, was wir um das Kind herum tun, in die körperliche Physiognomierung und Gestikulierung des menschlichen Organismus, dann gelangen wir als Lehrende, als Erziehende zu der fortwährend wie aus dem Unbestimmten herauskommenden Empfindungsantwort auf eine Empfindungsfrage. Diese Empfindungsfrage, die man sich gar nicht zum verstandesmäßigen Bewußtsein zu bringen nötig hat, ist diese: Was geschieht mit dem, was ich an dem Kinde im Sprechenlehren, im Singenlehren tue? - Dann antwortet das Kind: Ich nehme auf, oder ich lehne ab! - und man sieht es an der Geste des Körpers, an der Physiognomie, an dem Mienenspiel des Gesichtes: Geht das, was du tust, in das Kind hinein, arbeitet es darinnen, oder verfliegt das, was du tust, in leere Luft, geht einfach durch das Kind durch, und ist es, als ob das Kind gar nichts davon aufnähme? - Viel wichtiger als das Wesen aller Erziehungsregeln: «Das muß man so und das so machen!» ist es, diese Empfindung sich anzueignen, den Reflex des Kindes empfinden, beobachten zu können, wenn man die eigene Tätigkeit

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entwickelt, wie sie einem entgegenkommt am Reflex. Es ist also im wesentlichen ein intuitives Element, das im Verhältnis des Lehrenden und Erziehenden zu dem Kinde sich entwickeln muß. Man muß sozusagen auch lesen lernen das Ergebnis seines eigenen pädagogischen Tuns. Dann, wenn man das ganz ermißt, wird man sehen, welche ungeheure Bedeutung es hat, in der richtigen Weise gerade mit dem musikalischen Elemente einzugreifen in Erziehung und Unterricht in der Volksschule und ein Verständnis zu haben für dasjenige, was eigentlich das Musikalische am Menschen ist.

Sehen Sie, wir beschreiben in der Anthroposophie den Menschen nach seinem physischen Leib, der das Grobstoffliche an ihm ist, nach seinem feineren Leib, dem Ätherleib, der noch ein Stoffliches ist, aber ein Stoffliches, das nicht Schwere in sich hat, das eigentlich eher eine Tendenz hat, der Schwere entgegen sich in den Weltenraum zu verflüchtigen. Der Mensch hat seinen schweren physischen Körper, der zur Erde fallen kann, wenn er ihn nicht aufrecht hält; er hat aber auch einen feineren Ätherkörper, der ebenso immer in die Weiten der Welt, der Schwere entgegen, sich verflüchtigen will. Und ebenso wie der physische Körper, wenn er nicht unterstützt wird, hinabfällt, ebenso wie der physische Körper unterstützt werden muß durch die Unterlage, ebenso muß der Ätherleib gehalten werden durch die inneren Kräfte der menschlichen Organisation, damit er sich nicht verflüchtigt. Wir reden also von dem physischen Leib, von dem ätherischen Leib, wir reden dann von dem astralischen Leib, der nun nicht mehr substantiell ist, der nun schon geistig ist, und wir reden von der IchOrganisation, die erst recht geistig ist. Wir reden von diesen vier Gliedern der menschlichen Wesenheit. Verfolgt man in dieser Weise den Menschen und will man sich Erkenntnis, Menschenerkenntnis über ihn erwerben, dann sagt man sich folgendes: Den physischen Organismus, ihn kann man begreifen, über ihn kann man Einsichten bekommen, wenn man so vorgeht, wie die heutige Anatomie und Physiologie vorgehen; den ätherischen Menschen kann man so schon nicht mehr begreifen, und ganz und gar nicht den astralischen Menschen.

Wie soll man den ätherischen Menschen begreifen? Nun, den ätherischen Menschen zu begreifen, dazu ist eine viel bessere Vorbereitung

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notwendig als die, die heute gesucht wird, um den Menschen zu begreifen. Den begreift man, wenn man sich hineinlebt in das plastische Gestalten, wenn man weiß, eine Rundung wird so, eine Ecke wird so, aus den inneren Kräften heraus wird das so. Mit dem, was man als die allgemeinen Naturgesetze begreift, kann man den Ätherleib nicht begreifen. Mit dem, was man in die Hand, in die durchgeistigte Hand hineinbekommt, mit dem begreift man den Ätherleib. Daher sollte eigentlich keine Seminarbildung sein ohne eine aus dem Inneren des Menschen hervorgehende künstlerische Betätigung in Plastik, in Bildhauerei. Wenn das fehlt, ist es für das Erziehen viel ungünstiger, als wenn einem fehlt, die Hauptstadt von Rumänien oder der Türkei oder diesen oder jenen Berg zu wissen, denn das kann man im Lexikon nachschlagen. Es ist gar nicht nötig, daß man manches weiß, wovon man heute im Examen Gebrauch macht; das schadet auch nichts, wenn man im Lexikon nachschaut. Aber es gibt noch kein Lexikon, wodurch man jene Beweglichkeit kennenlernt, jenes könnende Wissen und wissende Können, das man in sich haben muß, um den Ätherleib zu begreifen, der nicht nach Naturgesetzen vorgeht, sondern der den Menschen in plastischer Tätigkeit durchzieht.

Und dem astralischen Leib, dem kommt man schon ganz und gar nicht bei, wenn man weiß, das Gay-Lussacsche Gesetz lautet so und so, wenn man alle Gesetze kennt, die man in der Akustik lernt, in der Optik lernt. Dem astralischen Leibe kommt man nicht bei mit diesen abstrakten empirischen Gesetzen. Was im astralischen Leibe webt und west, das läßt sich nicht so anschauen. Hat man aber innerlich begriffen, was eine Terz ist, was eine Quinte ist, kann man innerlich erleben die`ses Verhältnis - aber innerlich musikalisch anschauend, nicht wie es die Akustik macht -, kann man innerlich musikalisch die Skala erleben, dann erlebt man das, was in dem astralischen Menschen ist. Denn der astralische Leib des Menschen ist Musik, nicht Naturgeschichte, nicht Naturwissenschaft, nicht Physik. Das geht so weit, daß man auch in der formenden Tätigkeit verfolgen kann im menschlichen Organismus, wie die Musik des astralischen Leibes in dem Menschen gestaltet. Sie setzt hier ein in der Mitte der Schulterblätter, strahlt aus zunächst in die Prim der Skala. Indem sie zur Sekunde vorschreitet,

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bildet sie den Oberarm, indem sie zur Terz fortschreitet, den Unterarm. Indem wir zur Terz kommen, haben wir den Unterschied zwischen Moll und Dur, und wir haben am Unterarm zwei Knochen, nicht einen. Der eine Knochen, die Speiche, stellt das eine, die EIle stellt das andere, Moll und Dur, dar. Wer die äußere menschliche Organisation betrachtet, inwieweit sie vom astralischen Leib abhängig ist, der muß Physiologie treiben nicht als Physiker, sondern als Musiker. Und er muß die innerlich gestaltende Musik im menschlichen Organismus kennen.

Verfolgt, wie ihr wollt, anatomisch den Gang der Nerven im menschlichen Organismus, ihr werdet nie auf den Sinn dieses Ganges der Nerven kommen. Verfolgt ihr aber diesen Gang musikalisch, mit Verständnis der Musikverhältnisse, aber alles tief innerlich hörbar, nicht mit physikalischer Akustik, verfolgt ihr so das Nervensystem, schaut ihr mit musikalischer Anschauung, mit geistig~musikalischer Anschauung> wie diese Nerven von den Gliedmaßen hin verlaufen nach dem Rückenmark, da angespannt werden und von da aus nach dem Gehirn sich fortpflanzen, seht ihr das geistig-musikalisch an, dann bekommt ihr durch das musikalische Anschauen das allerwunderbarste Musikinstrument des Menschen, das aus dem astralischen Leib gebildet ist, und auf dem die Ich-Organisation spielt.

Und lernt man, von da aufsteigend, wie die Sprache sich gestaltet im Menschen, lernt man das innere Gefüge der Sprache, das man ja gar nicht mehr kennenlernt in unserem Zeitalter der fortgeschrittenen Zivilisation, die alles Anschauliche abgestreift hat, lernt man erkennen, was im Menschen dann vorgeht, wenn er ein A, ein I ausspricht, wie im A die Verwunderung gegenüber etwas liegt, im I die In-sichErfestigung der inneren menschlichen Wesenheit, lernt man so erkennen, wie sozusagen das Sprachliche in die Organisation des Menschen hineinschießt, lernt man nicht bloß abstrakt sagen, wenn eine Kugel hinrollt: sie rollt -, sondern lernt man im Aussprechen das Rollen, was so innerlich verfließt wie das Rollen der Kugel äußerlich - rollen -, lernt man so innerlich anschauend, aber sprachgeistig anschauend kennen dasjenige, was eigentlich in der Sprache wirkt, dann lernt man durch die Struktur des Sprachlichen die Ich-Organisation kennen.

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Heute gehen wir, wenn wir die Organisation des Menschen kennenlernen wollen, zum Physiologen, zum Anatomen, wenn wir kennenlernen wollen, was in der Sprache lebt, gehen wir zum Philologen. Aber was von dem einen und dem anderen gesagt wird, hat keine Verbindung. Darum handelt es sich aber, daß eine innerliche geistige Beziehung entsteht, daß man weiß, in dem Sprechen wirkt und lebt ein lebendiger Sprachgenius, und dieser Sprachgenius, der kann studiert werden, und studiert man ihn, dann lernt man die Ich-Organisation des Menschen kennen.

Wir gliedern in unsere Waldorfschulerziehung die Eurythmie dem Unterrichte ein. Was tun wir damit? Die Eurythmie zerfällt bei uns in eine Toneurythmie und in eine Spracheurythmie. Wir rufen in der Toneurythmie in dem Kinde diejenigen Bewegungen hervor, die entsprechen der Gestaltung des astralischen Leibes; wir rufen in der Spracheurythmie diejenigen Gestaltungen hervor, die entsprechen der Ich-Organisation. Wir arbeiten damit bewußt an der Ausgestaltung des seelischen Menschen, indem wir das Physische tun und Toneurythmie treiben; wir arbeiten bewußt an der Ausgestaltung des geistigen Menschen, indem wir das Physische dafür tun in der Spracheurythmie. Solch ein Arbeiten kann aber nur hervorgehen aus einer wirklich totalen Auffassung der menschlichen Organisation. Wer da glaubt, mit äußerer Physiologie oder mit experimenteller Psychologie, die ja auch nur äußere Physiologie ist, an den Menschen heranzukommen, der sieht eben nicht, daß man ja auch nicht, wenn man jemanden im Leben in irgendeine Stimmung versetzen will, vor ihm auf irgendeine Holzplatte klopfen muß, sondern Musik entwickeln muß. So muß auch das Erkennen nicht stehenbleiben bei den abstrakten logischen Regeln, sondern es muß das Erkennen so zum Erfassen des Menschenlebens aufsteigen, daß es nicht nur die tote Natur begreift oder das Lebendige, wenn es tot geworden ist oder man es tot vorstellt. Wenn man von diesen abstrakten Regeln aufsteigt zu dem, was sich plastisch gestaltet, wie sich jedes Naturgesetz bildhauerisch gestaltet, dann lernt man den Menschen nach seinem Ätherleib kennen. Wenn man aber anfängt, innerlich geistig zu hören, wie sich der Weltenrhythmus ausspricht aus dem wunderbarsten Musikinstrument, das aus dem

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Menschen gemacht wird durch den astralischen Leib, dann lernt man die astralische Natur des Menschen kennen. Und es müßte ein Bewußtsein davon vorhanden sein: Erste Periode des Lernens: Man lernt abstrakt logisch den physischen Leib des Menschen kennen. Man wendet dann das plastische Gestalten an im intuitiven Erkennen: Man lernt den Ätherleib kennen. Und die dritte Periode: Man wird als Physiologe zum Musiker und schaut den Menschen an, wie man ein Musikinstrument anschaut, wie eine Orgel oder eine Geige, indem man in ihr darinnen die verwirklichte Musik schaut; so lernt man den astralischen Menschen kennen. Und lernt man nicht nur äußerlich gedächtnismäßig mit den Worten verbunden leben, sondern lernt man den Genius in den Worten wirksam kennen, so lernt man die Ich-Organisation des Menschen kennen.

Nun, heute würde man einem schön heimleuchten, wenn man bei einer Universitätsreform etwa des medizinischen Studiums sagen würde: Die Erkenntnis muß aufsteigen vom Lernen zum Plastizieren, zum Musikalischen, zum Sprachlichen. Die Menschen würden sagen: Ja, wie lange würde dann eine Ausbildung sein? Sie dauert ohnedies schon lange genug! Dann soll man noch zum Plastizieren, dann zum Musikalischen und dann noch zum Sprachlichen aufsteigen! - Sie würde aber kürzer sein in Wirklichkeit. Denn die heutige Länge rührt von etwas ganz Besonderem her. Die rührt nämlich davon her, daß man ganz stehenbleibt beim Abstrakt-Logischen und beim empirisch- sinnlichen Anschauen. Da fängt man zwar an beim physischen Leib, aber der ist nicht erklärlich dadurch - und jetzt kommt man aii kein Ende. Man kann da alles Mögliche studieren und kann das bis an sein Erdenende fortsetzen: es braucht gar kein Ende zu haben, während es innerlich geschlossen wird, wenn es selber organisch aufgebaut wird für den leiblich-seelisch-geistigen Organismus. Es handelt sich also nicht darum, daß wir etwa durch Anthroposophie noch neue Kapitel aufnehmen in das, was wir schon haben. Oh, wir können schon zufrieden sein mit demjenigen, was die äußere Wissenschaft gibt. Wir bekämpfen sie nicht, wir sind ihr nur dankbar, aber so, wie wir dem Geigenmacher dankbar sind, daß er uns die Geige liefert. Aber was notwendig ist aus unserer Zeitbildung und Zeitkultur heraus, das ist,

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diese ganze heutige Bildung in die Hand zu nehmen und sie zu durchseelen, zu durchgeistigen, wie der Mensch selber durchseelt und durchgeistigt ist. Es ist notwendig, das künstlerische Element in der Kultur überhaupt nicht so bestehen zu lassen, daß es wie eine Luxusunterhaltung neben dem ernsten Leben einhergeht, wie eine Luxusunterhaltung, der wir uns zuwenden, auch wenn wir sonst das Leben geistig zu nehmen wissen, sondern es so zu nehmen, daß es überall als eine göttlich- geistige Gesetzmäßigkeit Welt und Mensch durchdringt.

Wir müssen verstehen lernen zu sagen: Du stehst der Welt gegenüber. Erst kommst du ihr bei mit logischen Begriffen und Ideen. Das Wesenhafte der Welt gibt aber weiter der menschlichen Natur etwas, was herrührt von der Weltenplastik, die da ebenso aus den Sphären hereinarbeitet wie die Erdenschwere von unten herauf, von dem Erdmittelpunkte heraus, arbeitet. Und in all das gliedert sich hinein Weltenmusik> die da wirkt im Umkreis. Wie die Plastik von oben, die Physik von unten durch die Schwere wirkt, so wirkt in der Bewegung der Gestirne im Umkreis die Weltenmusik. Und das, was den Menschen eigentlich zum Menschen macht, das, was man geahnt hat in alten Zeiten, als man solche Sätze geprägt hat wie diesen: «Im Urbeginne war das Wort, und das Wort war bei Gott, und ein Gott war das Wort», das Weltenwort, die Weltensprache, sie ist das, was auch die menschliche Wesenheit durchdringt und in der menschlichen Wesenheit zur Ich-Organisation wird. Will man erziehen, muß man aus Weltenerkenntnis heraus Menschenerkenntnis gewinnen und auf diese Art künstlerisch gestalten lernen, was man an Menschenerkenntnis aus der Weltenerkenntnis gewonnen hat.

Davon dann heute abend weiter.

VIERTER VORTRAG Stuttgart, 10. April 1924, abends

#G308-1979-SE058 - Die Methodik des Lehrens und die Lebensbedingungen des Erziehens

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VIERTER VORTRAG

Stuttgart, 10. April 1924, abends

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Heute morgen versuchte ich darzustellen, wie sich die Erkenntnis des Menschen selber in sich umgestalten muß aus der bloßen Naturerkenntnis in gewissermaßen höhere Erkenntnisformen, wenn der ganze Mensch, also auch der ganze werdende Mensch, das Kind, so begriffen werden soll, daß dieses Begreifen übergehen kann in eine künstlerische Handhabung des Erziehens und Unterrichtens. Ich könnte mir nun denken, daß die Frage entstehe: Ja, handelt es sich denn überhaupt darum, daß derlei Dinge wie das Begreifen des physischen Leibes durch bloßes Beobachten und Intellektualisieren, das Begreifen des Ätherleibes des Menschen durch plastische Übung, das Begreifen des astralischen Leibes durch musikalisches Verständnis, das Begreifen der IchOrganisation durch Einsicht in das Sprache-Wesen, daß solche Einsicht in den Menschen, wenn sie beim Lehrer und Erzieher vorhanden ist, irgendwie praktisch werden kann? - Ja, wenn man das ganze Wesen des Erziehens und Unterrichtens so zu charakterisieren hat, wie das in diesen Vorträgen hier für die Waldorfschulpädagogik geschehen ist, dann muß man sagen: Es ist sogar das Allerwichtigste, was beim Lehrer, beim Erzieher vorhanden sein muß, die Lebensauffassung, die Weltanschauung; nicht dasjenige, was man gewöhnlich heute unter Weltanschauung versteht, denn das ist etwas durch und durch Theoretisches, sondern etwas, was wie eine Seelenkraft in das ganze tätige Wesen des Menschen, also auch des erziehenden Menschen übergehen kann. Man möchte sagen: Wenn sich der Lehrer oder Erzieher Erziehungsprinzipien aneignen möchte aus dem, was die neueste anerkannte Einsicht in den Menschen gewähren kann, so muß er sich die Begeisterung, die er einmal braucht als Lehrer oder Erzieher, erst von anderswo herholen. Daher die fortwährenden Anweisungen über er- zieherische Ideale, die dann doch unwirksam bleiben, weil sie aus irgendwelchen Abstraktionen herausklingen, wenn sie noch so vollberechtigt scheinen. Dagegen wird eine wirkliche, in das Wesen der Welt und des Menschen eindringende Einsicht durch ihr eigenes Dasein

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im Herzen des Menschen in Begeisterung ausbrechen und den Erzieher und Unterrichter so hineinstellen in seinen Beruf, daß er aus dem, was er in seinem Verhältnis zur Welt und zu sich selbst fühlt, selber Begeisterung schöpfen kann, wie der Künstler, wenn ihm das Kunstwerk in den Gliedern liegt. Da braucht er sich auch nicht erst die Begeisterung von etwas anderem herzuholen: er holt sie sich von der Sache her. Und jene Begeisterung, die beim Lehrenden und Erziehenden aus einer innerlich erlebten und immer neu zu erlebenden Weltanschauung kommt, jene innerliche Begeisterung, die wird sich übertragen auf die Seelenverfassung der Kinder, die dem Lehrer anvertraut sind. Diese Begeisterung wird leben in alledem, was der Lehrer in der Schule erzieherisch machen kann. So wird es jemandem, der so hineinschaut in das Wesen des Menschen, daß er sieht, wie zusammenklingt gerade in dem volksschulmäßigen Alter, in dem Alter zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife, das Musikalische mit dem plastischen Bilden im Innern der Menschenwesenheit, ganz und gar nicht einfallen können, unrechte Wege zu wählen, um Schreiben und Lesen in der richtigen Weise an das Kind, an den werdenden Menschen her- anzubringen. Er wird eine lebhafte Empfindung dafür haben: Schreiben, besonders wenn es so getrieben wird, wie es hier geschildert worden ist, das beschäftigt den ganzen Menschen, das geht über in die Handhabung namentlich von Armen und Händen, durchgeistigt Arme und Hände und ist eine Übung für den ganzen Menschen.

Gerade solches im Menschen wird lebhaft empfunden, wenn man von einer solchen Weltanschauung ausgeht, wie ich sie heute morgen beschrieben habe. Und ebenso wird man dann empfinden, wie das Lesen-Üben eine einseitige Beschäftigung des Kopfes ist und den Menschen vereinseitigt, und man wird fühlen: Zu solcher Einseitigkeit ist das Kind erst geeignet, wenn es zuerst in Anspruch genommen worden ist in bezug auf seine Totalität, in bezug auf sein ganzes Menschenwesen. Daher wird ein Lehrer, der in dieser Weise mit Menscheneinsicht sich verbindet, darauf achten, aus dem zeichnenden Malen und malenden Zeichnen, wie ich es angedeutet habe, das Schreiben zu entwickeln, bis das Kind so weit ist, daß es dasjenige, was es innerlich als Wort, als Satz empfindet> aufschreiben kann.

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Nun ist das Kind bei einer bestimmten Entwickelung angelangt. Es spricht, und dasjenige, was es spricht, kann es schriftlich fixieren.

Dann erst ist die Zeit gekommen, wo man zu Leseübungen übergeht, wo man anfängt, das Lesen zu lehren. Und es wird sich dieses Lesen leicht lehren lassen, wenn man zuerst das Schreiben bis zu einer wirklich in gewissem Sinne vollkommenen Stufe ausgebildet hat. Dann, wenn das Kind dasjenige, was Inhalt des Geschriebenen und Gelesenen ist, erst in Übung gebracht hat bei sich selber, in seinem Menschen- wesen, in dem motorischen System, in dem Bewegungssystem, wenn es innerlich beteiligt war an dem Entstehen dessen, was dann gelesen werden soll, dann ist es reif, vereinseitigt zu werden; dann kann der Kopf, ohne daß eine Gefahr eintritt für die menschliche Entwickelung, in Anspruch genommen werden, um nun dasjenige, was man erst selbst schreibend fixieren gelernt hat, umzusetzen in das Lesen.

Sie sehen, worauf es ankommt, ist dieses, daß man wirklich sachgemäß Woche für Woche, Monat für Monat den werdenden Menschen so in Betätigung versetzt, wie das die in ihm sich entwickelnden Kräfte der menschlichen Organisation verlangen. Es kommt also darauf an, daß`man abliest aus der Art und Weise, wie sich die menschliche Wesenheit entwickeln will, was man in jedem Lebensalter mit dem Kinde zu machen hat. Da geht es dann allerdings nicht, daß man arbeitet mit jenen Stundenplänen, die irgendeine Betätigung durch eine Stunde oder dreiviertel Stunden einschlagen, dann sofort zu einer anderen überspringen, dann zur dritten und so weiter. Daher wurde in der Waldorfschule jener Unterricht eingeführt, der eine gewisse Zeit hindurch, ein paar Wochen hindurch für die ersten Morgenstunden den gleichen Lehrgegenstand bringt, so daß der Schüler sich ganz hineinlebt in diesen Lehrgegenstand, daß er wirklich nicht gleich, wenn er die Hand angelegt hat, wiederum herausgerissen wird. Ein sogenannter Epochenunterricht also ist die Art, die in der Waldorfschule geübt wird.

Nun handelt es sich darum, bei allem, was dem Kinde gerade beizubringen ist zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife, die Methode zu finden, wie das Beizubringende herauszulesen ist aus den Anforderungen der Menschennatur selber. Da ist vor allen Dingen notwendig, wenn man das Kind allmählich in ein Verhältnis zu

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sich selbst und zur Welt einführen will, daß man als Lehrender und Erziehender selbst ein solches Verhältnis zur Welt hat. Nun ist es allerdings in unserer gegenwärtigen Zivilisation eigentlich nicht möglich, wenn man ein noch so gelehrter Mensch geworden ist, innerhalb dieser Zivilisation ein innerlich belebtes, inhaltserfülltes Verhältnis zur Welt und zu sich selbst zu gewinnen. Wiederum ein radikaler Ausspruch. Aber man darf heute nicht zurückschrecken vor wirklichen Einsichten in dasjenige, was der Zivilisation allmählich eingefügt werden muß. Vor allen Dingen ist es nötig, daß der Lehrende und Erziehende selbst wirklich nicht bloß sozusagen kosmische Kirchturmpolitik verfolgt in seiner eigenen Bildung, sondern daß er hinausschaut über das bloße Irdische und weiß, wie er abhängig ist als Mensch nicht nur von den Nahrungsmitteln in der nächsten Umgebung, sondern von dem ganzen Weltenall. Gewiß, in dieser Beziehung ist heute sogar eine große Schwierigkeit vorhanden, unbefangen zu reden. Denn wenn heute die Menschen versuchen, hinauszublicken über ihre Abhängigkeit vom bloß Irdischen, dann findet sich in der Zeitbildung wenig, um Anhaltspunkte für ein solches Hinausblicken zu geben. Daher werden vielfach alte Lehren, die aus alten instinktiven Einsichten herrühren, unverstanden herübergenommen in die Gegenwart. Da kommt dann Aberglaube zustande. Und eigentlich haben wir innerhalb der gegenwärtig anerkannten Zivilisation nur kosmische Kirchturmpolitik ,des Menschen, weil diese Zivilisation noch nicht Einsichten hergibt, die sich von der Erde aus in den Weltenraum verbreiten. Da haben wir ja nur Rechnung oder höchstens Spektralanalyse, die uns unterrichten über der Gang und die Stellung der Sterne, uns unterrichten - wenigstens vermeintlich unterrichten - über die Substanz der Sterne und dergleichen. Aber eine so intime Erkenntnis, wie wir sie dadurch ge

winnen, daß wir mit den Erdenwesen recht nahe Verhältnisse eingehen, können wir ja in bezug auf das Außerirdisch-Kosmische gar nicht aus der anerkannten Zivilisation heraus gewinnen. Nicht wahr, in bezug auf Kohl und Spinat und Wildbret hat der Mensch noch ganz andere Einsichten als die, welche er durch eine abstrakte, intellektualistische Wissenschaft gewinnt, denn er ißt diese Dinge, und beim Essen spielt ja nicht der bloß abstrakte Gedanke eine Rolle. Man ißt

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ja nicht bloß, um dasjenige in sich zu erfahren, was die heutige Wissenschaft über den Hasen zu sagen hat, sondern man erlebt vom Hasen im Geschmack, in der Art und Weise der Verdauung viel Konkreteres, viel Intimeres, möchte ich sagen. Aber unsere Kenntnis vom außerirdischen Weltenall ist ja so geartet, daß wir diese intimeren Beziehungen durchaus nicht haben. Denn wenn wir nur dasjenige, was Astronomie und Spektralanalyse vom außerirdischen WeltenalI wissen, vom Hasen wissen würden und jene Rechnungsergebnisse, die wir haben können über die gegenseitige Lagerung der Knochen beim Hasen, über die Verhältniszahl der Substanzen, die sich im Hasen befinden, wenn wir nur so e1ne Beziehung zum Hasen eingehen würden, so würden wir uns gar nicht in dem menschlichen Verhältnis, das wir zum Hasen haben, zurechtfinden können. Es würde für uns nichts werden, was ein erlebtes menschliches Verhältnis zum Hasen ist. Der Mensch weiß nur heute nicht, daß solche intimen Verhältnisse auch zu dem außerirdischen Weltenall in einer älteren instinktiven Weisheit vorhanden waren. Sieht man nur in der richtigen Weise auf jene alte Weisheit hin, dann bekommt man auch schon wiederum den Impuls, aus unserem vorgerückteren Stande der Seelenverfassung eine neue Weisheit auf diesen Gebieten zu suchen, die uns dann ebenso menschlich nahegebracht werden kann wie die Wissenschaft von den Naturobjekten, die im Irdischen um uns herum sind.

Ich will das an einem Beispiele erläutern, an dem ich zeigen möchte, wie sehr es darauf ankommt, daß der Lehrer wirklich ein lebendiges Verhältnis zur Welt gewinnt, um aus diesem den Enthusiasmus zu trinken, den er braucht, wenn er das, was allerdings als ein anderes in der Seele des Erziehers liegend leben soll, umsetzen soll in die einfach anschaulichen Bilder für das Kind. Aber ist er selber eingeweiht in sein Verhältnis zur Welt, so setzt es sich im Anblick des Kindes und der kindlichen Betätigung um in jene Bilderwelt, die notwendig ist, um das Kind wirklich so vorwärtszubringen, wie es die Menschheitsentwickelung erfordert. Sehen Sie, wir haben um uns herum die Pflanzenwelt. Sie enthält tatsächlich für ein sinngemäßes Anschauen recht viele Rätsel. Solche Rätsel sind Goethe aufgefallen. Er hat die sich bildenden Pflanzenformen in ihren verschiedenen Metamorphosen

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verfolgt und kam dabei in diesem Anschauen, wie die Pflanze wächst, zu einer merkwürdigen Formel, die, ich möchte sagen, die Pflanzenerkenntnis mit Leben übergießt. Er kam zu der Formel, daß er sagte: Sehen wir zuerst den Keim an, den wir in die Erde versenken, aus dem heraus die Pflanze erwächst. Da ist das Leben der Pflanze äußerlich physisch wie in einen Punkt zusammengedrängt. Dann sehen wir, wie der Keim sich entfaltet, wie sich immer mehr und mehr das Leben ausbreitet, endlich in den ersten Keimblättern ganz ausgebreitet ist. Dann zieht es sich wieder zusammen, bleibt in der Enge des Stengels, geht bis zu dem nächsten Blattansatz, breitet sich wieder aus, um wiederum sich zusammenzuziehen und im Stengel zu verharren und beim nächsten Blattansatz sich wiederum auszubreiten und so weiter, bis die letzte Zusammenziehung dann da ist, wenn in der neuen Keimbildung, in der Samenbildung das ganze Pflanzenleben in einen physischen Punkt wiederum zusammengenommen wird. So sprach Goethe davon, wie dieses Pflanzenwachstum in seinem Werden Abwechslung zeigt von Ausdehnung, Zusammenziehung, Ausdehnung, Zusammenziehung.

Nun, Goethe hat damit einen tiefen Blick getan in das innere, das aus dem eigenen Pflanzenleben herausquellende Gestalten der Pflanze. Er konnte aber noch nicht, weil die Zeit dazu noch nicht gekommen war, dieses Pflanzenleben, für das er die Formel gefunden hat, nun beziehen auf die ganze Welt. Denn die ganze Welt ist mit ihren Kräften immer beteiligt an der Art und Weise, wie ein Wesen lebt und west. Mit Hilfe der heutigen Geisteswissenschaft, der anthroposophischen Geisteswissenschaft, wie Sie sie verfolgen können in der geisteswissenschaftlichen Literatur - ich möchte diese Dinge nur andeuten -, kann man aber weit über diese Formel hinauskommen. Und dann wird man finden, wie in dem Ausdehnen des Pflanzenwesens dasjenige lebt, was von der Sonne kommt. Denn in der Sonne lebt nicht bloß dasjenige, was verzeichnet wird durch Astronomie und Spektralanalyse, mit den Sonnenstrahlen wellen und weben geistige Kräfte zur Erde hernieder, und in dieser inneren Beseelung des Sonnenlichtes lebt dasjenige, was zum Beispiel im Pflanzenwachstume die Ausbreitung bedingt. Da kommt es dann nicht darauf an, daß diese Ausbreitung

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nur dann geschieht, wenn die Sonne auf die Pflanzen scheint, sondern Pflanzenwachstumskraft erhält sich in ihrem Sonnenhaften auch über das äußerlich Angeschienenwerden hinaus. Dagegen alles dasjenige, was sich zusammenzieht, wo das ganze Pflanzenwachstum wiederum in den Punkt sich zusammenzieht bei dem Übergang von dem einen Blattansatz zum anderen, bei der Bildung des Samens, das steht unter dem Einfluß der Mondenkräfte. Und wie wir im rhythmischen Wechsel Sonnenschein und Mondenschein im Kosmos sehen, so sehen wir die Widerspiegelung desjenigen, was uns im rhythmischen Wechsel von Sonnenschein und Mondenschein vom Himmel herunter sich offenbart, in der aufsprossenden Pflanze, die der Wirkung der Sonne entgegensetzt die Ausbreitung in die Blattbreite hin, und wir sehen die Mondenkräfte in der Zusammenziehung der Pflanze. Ausdehnung und Zusammenziehung ist das Spiegelbild in der Pflanze von demjenigen, was aus Weltenweiten, aus Ätherfernen herunterwirkt auf die Erde in den Kräften von Sonne und Mond in ihrem Wechsel.

Jetzt weitet sich schon der Blick hinaus von der Erde in die Weltenweiten, in die Ätherfernen. Wir bekommen einen Eindruck davon, wie die Erde sich gewissermaßen in bezug auf ihre Fruchtbarkeit und ihre Wachstumskräfte von demjenigen nährt, was zu ihr aus dem Kosmos hereinfließt. Wir bekommen ein Gefühl, wie wir auf dem Umweg Über die Pflanze zusammenwachsen mit dem Geist von Sonne und Mond. Jetzt wird dasjenige, was sonst bloß errechnet oder spektralanalytisch verfolgt wird, schon an den Menschen herangebracht. Braucht man Begeisterung, um über das menschliche Verhältnis zur Welt etwas an den werdenden Menschen heranzubringen, dann kann das nicht fließen aus dem bloß abstrakten Verfolgen dessen, daß sich ein Blatt gezackt oder ungezackt in seinen Rändern darbietet oder daß die Blätter sich so oder so geformt zeigen. Das gibt nicht Begeisterung. Begeisterung gibt es aber dann, wenn sich uns die Widerspiegelung von Sonne und Mond in dem Wachstum dieser oder jener Pflanze zeigt. Wie wunderbar bildet sich einem das Anschauen der umgebenden Natur, wenn man meinetwillen irgendeine Pflanze beobachtet, die regelmäßig aufwächst wie der Hahnenfuß: Man findet in ihr etwas, was die Erde entgegensendet, indem sie sich in einer, ich

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möchte sagen, liebevollen Art an das Sonnen- und Mondenhafte des Kosmos hingibt, was beiden in der gleichen Weise huld,igt. Wir wenden unseren Blick auf eine Pflanze wie etwa die Kaktuspflanze, die das, was Stamm ist, ausweitet: Was schauen wir da? Im Zusammenziehen, das sonst der Stengel zeigt, sehen wir die Mondenkräfte; wenn sich dieser Stengel selber ausweiten will, sehen wir den Kampf zwischen Sonnen- und Mondenwirkungen. Wir sehen es der Form jeder Pflanze an, wie Sonne und Mond in ihr zusammenwirken. Wir sehen in jeder Pflanze eine kleine Welt, ein Abbild der großen Welt. Ich möchte sagen, wie wir sonst im Spiegel unser eigenes Bild sehen, sehen wir im Spiegel des Erdenwachstums dasjenige, was im Weltenall draußen geschieht.

In der alten instinktiven Weisheit waren solche Dinge gewußt, vorhanden. Dafür ist ein Beweis das Folgende: Die Leute haben gesehen, in dem im Frühling aus der Erde heraussprießenden Pflanzen- leben spiegelt sich aus dem Kosmos herein die Art und Weise, wie Sonnen- und Mondenkräfte zueinander stehen. Daher wurde der Früh

ling gefeiert durch das Osterfest, dessen zeitliche Bestimmung heruntergenommen wurde von dem Verhältnis der Sonne zum Mond. Ostern ist das Fest, das da angesetzt wird am ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond. Es ist also die Zeitbestimmung für das Osterfest aus dem Kosmischen genommen, gerade aus dem Verhältnis von Sonne und Mond. Was wollte man damit sagen? Damit wollte man sagen: Sehen wir hin, wie im Frühling die Pflanzen sprießen. Wir haben hier ein Rätsel, warum sie manchmal früher, manchmal später kommen. Aber wir schauen in dieses Rätsel hinein, wenn wir im betreffenden Jahre darauf schauen, wie die Zeitbestimmung des Frühlingsvollmondes überall in allem Sprießen und Sprossen darinnensteckt. - Nun, gewiß gibt es andere Faktoren, welche das beeinträchtigen, aber im allgemeinen wird man schon bemerken, daß tatsächlich in dem, was sich im Frühling abspielt> indem die Pflanzen das eine Jahr früher, das andere Jahr später herauskommen, sich ausdrückt, was sich abspielt zwischen Sonne und Mond. Wie wird man aber sagen, wenn man bloß die wissenschaftliche Kirchturmpolitik des Abhängigseins von der Erde beachtet? Da wird man sagen: Nun ja, in einem Jahre,

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wo die Pflanzen früher herauskommen, kommt dies daher, weil es weniger lange geschneit hat, weil der Schnee früher weggeschmolzen ist, und in einem Jahre> wo die Pflanzen später kommen, da hat es halt länger geschneit. - Gewiß, eine Erklärung, die sehr naheliegt, die aber eigentlich gar nichts erklärt. Eine wirkliche Einsicht bekommt man erst, wenn man sich zu sagen weiß aus der Anschauung, wie von der Wirkung von Sonnen- und Mondenkräften das Pflanzenwachstum abhängt, und wenn man aus dieser Anschauung heraus weitergehen kann und sagt: Daß der Schnee sich länger oder kürzer hält im Jahr, hängt nun auch von der Sonnen- und Mondenkonstellation ab. Dasselbe, was die Pflanzen bestimmt hervorzukommen, bestimmt auch schon den Schnee in seiner Dauer. So daß die klimatischen Verhältnisse, die meteorologischen Verhältnisse eines Jahres auf diese Weise auch unter den kosmischen Einfluß gestellt werden.

Ja, indem man solche Dinge immer weiter und weiter fortsetzt, bekommt man eine Einsicht in da`s Leben der Erde, das diese Erde auf ihrer Wanderung durch den Kosmos führt. Wir sagen: Ein Mensch kann gedeihen, wenn die Kühe in seinem Stall zahlreich sind und er viel Milch bekommt - weil wir da hinweisen können auf eine uns bekannte Abhängigkeit des Menschen von seiner unmittelbaren ErdenUmgebung. Wir verfolgen einmal das Nahrungsleben des Menschen, indem wir in dieses Verhältnis hineinschauen. Erst dadurch erscheint uns etwas als lebendig, daß wir das Verhältnis zu seiner Umgebung sehen, das Verarbeiten desjenigen, was es aus der Umgebung bekommt. Schauen wir die Erde durch den Weltenraum wandern, indem sie dasjenige aufnimmt, was von Sonne und Mond und den anderen Sternen kommt, so sehen wir sie leben im Weltenall. Wir bilden nicht eine tote Geologie und Göeognosie aus, sondern wir erheben das, was uns die tote Geologie und Geognosie zu bieten haben, zu einer Beschreibung des Lebens der Erde im Kosmos draußen. Die Erde wird ein Lebewesen vor unserem geistigen Anblick. Wenn wir jetzt die Pflanzen heraussprießen sehen aus der Erde, so sehen wir, wie die Erde das Leben, das sie aus dem Kosmos aufnimmt, weitergibt an das, was in ihr ist, und Erde und Pflanzenwachstum werden uns eine Ein- heit. Und wir werden gewahr: Es ist Unsinn, eine Pflanze aus der

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Erde auszureißen und sie dann ausgerissen zu betrachten von der Wurzel bis zur Blüte und zu glauben, das wäre eine Realität. Das ist ebensowenig eine Realität wie ein menschliches Haar, das ausgerissen ist; es gehört zum ganzen Organismus und ist nur zu verstehen als zugehörig zum ganzen Organismus. Und ein Haar auszureißen und für sich zu betrachten, ist ebenso ein Unsinn, wie eine Pflanze auszureißen und für sich zu betrachten. Das Haar ist im Zusammenhang mit dem menschlichen Organismus, die Pflanze im Zusammenhang mit der ganzen lebendigen Erde.

Auf diese Art verwebt man sein eigenes Wesen mit der lebendigen Erde, so daß man sich nicht nur auf ihr herumgehen fühlt, unterworfen den Kräften, die aus ihr hervorkommen, sondern man schaut auch in der Umgebung dasjenige, was aus Ätherfernen hereinwirkt. Man bekommt eine lebendige Anschauung und Empfindung davon, wie überall aus dem Kosmos her die Kräfte wirken, die, wie ich sagte, den Ätherleib auseinanderziehen, geradeso wie der physische Leib zur Erde hingezogen wird. Und man bekommt so eine natürliche Empfindung des Ätherzuges nach den Weiten, wie man bezug auf den physischen Körper eine Empfindung bekommt für die Schwere, die einen zur Erde hinzieht. Damit weitet sich immer mehr und mehr der Blick des Menschen, so daß seine Erkenntnis innerliches Leben wird, daß er durch seine Erkenntnis sich wirklich etwas erringt. Früher glaubte er, die Erde wäre ein Totes im Weltenall. Durch Erkenntnis belebt er sie. Wir müssen wiederum zurück zu einer solchen lebendigen Erkenntnis, deren Nachwirkungen wir noch sehen in solchen Zeitbestimmungen wie die zu Ostern. Aber wir müssen aus der entwickelten besonnenen Erkenntnis, nicht aus dem Instinkte heraus, wie es in alten Zeiten der Fall war, wiederum zu kosmischen Einsichten kommen. Diese kosmischen Einsichten werden in uns so leben, daß wir sie zu künstlerischen Bildern formen können, die wir brauchen. Ein Mensch, der walten sieht Sonne und Mond in allem Pflanzenwachstum, der fühlt, was an Begeisterung für das Weltenall aus solcher lebendiger Einsicht hervorgehen kann, der vermittelt wahrhaft anders, was Pflanzen sind, als einer, der die abstrakten Anschauungen der heutigen Botanikbücher aufnimmt und verarbeitet. Da wird alles so, daß der Begriff reich

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an Gefühl und künstlerisch vermittelt werden kann an den werdenden Menschen, an das Kind. Und das Kind wird reif für dasjenige, was dann der Erzieher machen kann aus einer 'solchen in die Weite gehenden Einsicht, etwa gegen das zehnte Lebensjahr hin. Und vermittelt man ihm da in anschaulich lebendigen Bildern, wie die ganze Erde ein Lebewesen ist, wie sie die Pflanzen nur in komplizierterer Art trägt wie der Mensch die Haare, macht man in der Anschauung eine Einheit, aber eine lebendige Einheit zwischen dem Lebewesen Erde und dem oder jenem Gebiet der aufwachsenden Pflanzen, dann geht etwas auf wie ein Weiten in der Seele des Kindes. Da ist es so in der Seele des Kindes, daß man ihm, wenn man ihm etwas von Pflanzenwesen vorführt, entgegenkommt wie einem, der in dumpfer Luft ist und dem man nun frische Luft zuführt, daß sich der Atem weitet in der frischen Luft. Dieses Weiten der Seele, das ist es, was eintritt durch eine solche, den Geheimnissen des Kosmos wirklich angemessene Erkenntnis.

Sagen Sie nicht, das Kind sei nicht reif für solche Anschauungen. Derjenige, der sie hat, bei dem diese Weltanschauung im Hintergrunde steht, der weiß sie in solche Formen zu prägen, für welche eben das Kind reif ist, so daß das Kind mit seinem ganzen Menschen mitgerissen wird. Anschaulich zu vereinfachen, das ergibt sich schon, wenn man die Sache zunächst hat. Und aus solchen Hintergründen muß alles dasjenige fließen, was vom Lehrenden und Erziehenden an das Kind herangebracht wird. Dann begründet sich wirklich ein Verhältnis des werdenden Menschen zur Welt. Und dann wird man geradezu wie von selbst darauf geführt, alles in lebendige Bilder zu bringen, denn es läßt sich das nicht abstrakt erklären, was ich Ihnen jetzt vorgebracht habe über die Pflanzenwelt, es läßt sich das nur an das Kind heranbringen, indem man es in anschaulichen Bildern entwickelt, in- dem man nicht bloß das intellektualistische Erkenntnisvermögen in Anspruch nimmt, sondern den ganzen Menschen. Und man wird schon sehen, wie beim Begreifen von einer solchen Sache, die man ins Bild gebracht hat, das Kind merkwürdig auftaut. Es ist dann gar nicht mehr der Fall, daß das Kind einem dann bloß mit dem Munde antworten wird mit einem Begriff, den es doch noch nicht prägen kann, sondern

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es will erzählen und wird seine Arme, seine Hände zu Hilfe nehmen, es wird allerlei machen, was aus dem ganzen Menschen herauskommt, und es wird vor allen Dingen in diesem Machen und Anzeigen offenbaren, wie es ein innerliches Erlebnis davon hat, daß es Mühe macht, an eine Sache heranzukommen. Und das Schönste und Edelste, was man sich im Erlernen erringen kann, ist, daß man das Gefühl, die Empfindung hat: Es ist schwierig, mühevoll, an eine Sache heranzukommen. - Wer da glaubt, daß er immer nur mit gescheiten Worten das Wesen einer Sache treffen kann, soweit es notwendig ist, der hat überhaupt keine Ehrfurcht vor den Dingen der Welt, und Ehrfurcht vor den Dingen der Welt ist dasjenige, was zum ganzen, vollendeten Menschen gehört, soweit der Mensch vollendet und ganz werden kann innerhalb des irdischen Daseins. Etwas empfinden davon, wie hilflos man ist, wenn man an das Wesen der Dinge heranwill, wie man da alles zusammennehmen muß, was man in seinem ganzen Menschen hat, das gibt erst die wahre Stellung des Menschen zur Welt. Die kann man dem Kinde nur vermitteln, wenn man sie selber hat. Methodik des Lehrens, die muß leben, die kann nicht bloß ausgeübt werden. Methodik des Lehrens muß erblühen aus den Lebensbedingungen des Erziehens. Und sie kann erblühen aus den Lebensbedingungen des Erziehens, wenn sie erwächst aus einem lebendigen Sich-Erfühlen des Lehrenden, des Erziehenden im ganzen Weltenall.

Und hat man das andere, wovon ich heute morgen gesprochen habe, in sich erfaßt und den astralischen Leib des Menschen durch Musikverständnis in seiner Wirklichkeit ergriffen, den Menschen selber angesehen wie ein inneres wunderbar organisiertes Musikinstrument, hat man das für den astralischen Leib des Menschen ergriffen, dann ergibt sich daraus wiederum ein weiteres Verständnis für dass ganze Verhältnis des Menschen zur Welt. Natürlich kann man das in der Form, wie ich es jetzt wieder aussprechen werde, nicht dem Kinde unmittelbar mitteilen, aber man kann es schon in Bilder bringen. Aber der Lehrer schaue nun selbst darauf hin mit seinem in musikalischen Formen innerlich erklingenden Menschenverständnis des astralischen Leibes, schaue hin auf den Menschen, schaue hin auf die verschiedenen in der Welt ausgebreiteten Tierformen. Dann wird man finden,

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wie es doch in der alten instinktiven Weisheit einen tiefen Sinn hatte, den Menschen vorzustellen wie einen synthetischen Zusammenfluß von vier Wesenheiten, drei niederen und einer höheren: Löwe, Stier, Adler, Engel - der Mensch. Denn dasjenige, was der Stier ist, ist die einseitige Ausbildung der niedrigsten Kräfte der Menschennatur. Wenn man sich denkt, daß alles, was der Mensch in seinem Verdauungs- und Gliedmaßensystem an Kräften hat, nicht ein Gegengewicht, Gegenkräfte hat an dem Kopfsystem, an dem rhythmischen System, wenn man sich das einseitige Schwergewicht auf dem St0ffwechsel~Gliedmaßensystem liegend denkt, dann bekommt man die einseitige Bildung, wie sie sich uns entgegenstellt bei dem Rinde. So daß man sich vorstellen kann, wenn dieses Rind gemildert wäre durch ein menschliches HauptesSystem, so würde sich das, was in ihm ist, so ausbilden wie der Mensch selber. Wird aber einseitig durch Verkürzung des Darmsystems und durch ein Zurückbleiben des Kopfsystems das rhythmische System ausgebildet, das System des mittleren Menschen, so bekommt man in der Tat ein einseitiges Bild davon in der Löwennatur. Und wird einseitig das Kopfsystem ausgebildet, so daß das, was sonst in unserem Kopf an Kräften im Inneren vorhanden ist, nach außen schießt in die Federn, dann bekommt man die Vogel- oder Adlernatur. Und wenn man sich die Kräfte, die diese drei zu einer Einheit zusammenklingen lassen, so denkt> daß sie sich eben als Einheit auch äußerlich offenbaren können, wenn man sich das engelhafte Vierte dazu vorstellt, dann bekommt man die synthetische Einheit der drei, den Menschen. Das ist schematisch vorgestellt, aber es gibt eine Einsicht in die Art und Weise> wie der Mensch sich zu seiner tierischen Umgebung verhält, und er verhält sich so nicht bloß zum Stier, Adler, Löwen, er verhält sich so zu den gesamten Tierformen, die auf der Erde ausgebreitet sind. Und in jeder einzelnen Tierform können wir eine einseitige Ausbildung eines gewissen Organsystems des Menschen finden. Solche Dinge lebten in der alten instinktiven Weisheit.

In den späteren Zeiten gab es noch Traditionen davon. Die Leute drückten das in paradoxen Redensarten aus, weil sie selber keine Anschauung mehr davon hatten und daher die alten Anschauungen in intellektualistischer Weise verarbeiteten. Oken sagte ja den grotesken

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Satz: Wenn man auf die Zunge des Menschen hinschaut und annimmt, daß sie einseitig ausgebildet wäre, wenn also dasjenige, was in ihr gemildert ist durch die Kräfte des Kopfes und dadurch, daß die Zunge dem Magen und so weiter dient, der weit von ihr entfernt ist, einseitig ausgebildet wäre, wenn ein Wesen zunächst nur Zunge wäre und alles andere nur Anhängsel daran, was würde die Zunge sein? Ein Tintenfisch. Die Zunge ist ein Tintenfisch. - Nun, es ist gewiß ein grotesker Ausdruck, aber es ist etwas, was in modern-intellektualistischer Art auf eine alte wesenhafte Anschauung zurückblicken läßt. Es war natürlich Unsinn, was so gesagt wird, aber es quoll hervor aus dem, was einmal einen tiefen Sinn hatte. Es kann wiederum gefunden werden, was als Seelenverfassung der alten Erkenntnis zugrunde lag; es kann wiederum gefunden werden, wie man den Menschen in einer gewissen Beziehung aufgeteilt denken kann in all die verschiedenen Tierformen, Tiergestaltungen, die sich auf der Erde finden. Und wenn man sie zusammenfügt, so daß das eine durch das andere harmonisiert wird, dann bekommt man den Menschen.

So findet man des Menschen Verhältnis zur Außenwelt in bezug auf seinen astralischen Leib, wenn man anschaulich entwickelt sein Verhältnis zur Tierwelt. Und ein musikalisches Verständnis muß es sein, das sich auf den astralischen Leib bezieht. Ich schaue hinein in den Menschen, ich schaue hinaus in die ausgebreiteten mannigfaltigen Tierformen: es ist so, als ob ich eine Symphonie wahrnähme, in der alle Töne zusammenklingen zu einem wunderbar harmonisch melodiösen Ganzen, und ich würde dann in längerer Entwickelung einen Ton von dem anderen lösen und einen Ton neben den anderen stellen aus dieser Symphonie. Ich schaue hinaus in die Tierwelt: es sind die einzelnen Töne. Ich schaue hinein in den menschlichen astralischen Leib und in das, was der menschliche astralische Leib erbildet im physischen und Ätherleib: ich sehe die Symphonie. Und bleibt man nicht in philiströser Weise beim intellektualistischen Erfassen der Welt stehen, sondern hat man Freiheit der Erkenntnisgesinnung genug, um sich in künstlerischem Erkennen heraufzuerheben, dann kommt man zu einer innigen, von religiöser Inbrunst durchzogenen Verehrung jenes unsichtbaren Wesens, jenes wunderbaren Weltenkomponisten, der sich

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zuerst die Töne in den verschiedenen Tierformen auseinandergelegt hat, um daraus den Menschen in bezug auf dasjenige, was seine Animalität offenbart, symphonisch zu komponieren. Das muß man in der Seele tragen, so muß man verstehen zur Welt zu stehen, dann wird sich hineinergießen in dasjenige, was man als die Tierformen zu beschreiben hat, nicht nur etwas von abstrakten Begriffen und Naturgesetzen, sondern etwas von wahrer Inbrunst gegenüber Weltenschaffen und Weltengestalten. Und dann wird in jedem Worte, in der Art wie man es spricht, etwas von religiöser Inbrunst im ganzen Unterrichte leben.

Das sind die Dinge, die einem belegen können, wie Unterrichten und Erziehen nicht auszugehen haben von irgendeinem Erlernen, das man dann anwendet, sondern wie Unterricht und Erziehung auszugehen haben von einem lebendigen Durchdrungensein, das einen so hineinstellt in die Klasse, wie wenn man etwas wäre, das in diesem Wirken auf die Kinder, ich möchte sagen, nach vorne sich äußert, indem von hinten her die Weltengeheimnisse pulsierend den Menschen durchströmen; wie wenn man das bloße Werkzeug dafür wäre, daß die Welt zu dem Kinde sprechen könne. Dann liegt ein wirklicher, nun nicht äußerlich pedantischer, sondern ein innerlich lebenskräftiger methodischer Zug im Unterrichte. Daß nicht eine Begeisterung erkünstelt werde, sondern eine Begeisterung erblühe, wie die Blüte erblüht aus der ganzen Pflanze, aus dem, was der Lehrer in sich trägt als sein Verhältnis zur Welt, darauf kommt es an.

Man muß sprechen, wenn man von der Methodik des Lehrens und den Lebensbedingungen des Erziehens spricht, von dem Enthusiasmus, der angeregt werden kann von wirklicher Einsicht in die Welt, nicht von theoretisch-abstrakter Einsicht. Dann, wenn man in diesem Stil herantritt an das Kind zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife, dann führt man es in der richtigen Art bis zur Geschlechtsreife. Und in dem Moment des Lebens, wo die Geschlechts- reife eintritt, da entwickelt sich dann der astralische Leib im Menschen in seiner Selbständigkeit. Dasjenige, was zuerst gewissermaßen als die Musik der Welt aufgenommen worden ist, das entwickelt sich im Inneren weiter. Das Merkwürdige tritt ein, daß das, was in Bildern

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entwickelt worden ist im kindlichen Alter zwischen Zahnwechsel und Geschlechtsreife, was in lebendigen Bildern innerlich musikalisch-plastisches Eigentum der Seele geworden ist, dann erfaßt wird von dem Intellekt. Und der Mensch nimmt mit seinem Intellekt nicht etwas auf von dem, was man ihm zwangsmäßig von außen intellektualistisch beibringt, sondern der Mensch nimmt dasjenige auf mit dem Intellekt, was erst selber in ihm auf andere Art gewachsen ist als durch den Intellekt. Und dann tritt das Bedeutsame ein: Man hat vorbereitet, was hinter der Geschlechtsreife bei den gesund sich entwickelnden Menschen liegen muß, das Selbst-Begreifen dessen, was man schon hat. Alles, was man in Bildern begriffen hat, lebt aus dem eigenen inneren Hervorquellen verständnisvoll jetzt auf. Der Mensch schaut in sich, indem er zum Intellekt übergehen will. Das ist ein Ergreifen des Menschenwesens in sich selber durch sich selber. Da findet ein Zusamm,enschlagen statt des astralischen Leibes, der musikalisch wirkt, mit dem ätherischen Leibe, der plastisch wirkt. Da schlägt etwas im Menschen zusammen, und durch dieses Zusammenschlagen wird der Mensch sein eigenes Wesen nach der Geschlechtsreife in einer gesunden Weise gewahr. Und indem so zusammenschlägt, was zwei Se,iten seiner Natur darstellt, kommt der Mensch nach der Geschlechtsreife durch dieses nun erst erfolgende Begreifen desjenigen, was er früher nur angeschaut hat, zum richtigen inneren Erlebnis der Freiheit.

Das Größte, was man vorbereiten kann in dem werdenden Menschen, in dem Kinde> das ist, daß es im rechten Momente des Lebens durch das Verstehen seiner selbst zu dem Erleben der Freiheit kommt. Wahre Freiheit ist inneres Erleben, und wahre Freiheit kann nur dadurch im Menschen entwickelt werden, daß man als Erzieher und Unterrichter so auf den Menschen hinschaut. Da sagt man sich: Freiheit kann ich dem Menschen nicht geben, er muß sie an sich selbst erleben. Dann muß ich aber etwas in ihn verpflanzen, zu dem sein eigenes Wesen, das ich unangetastet lasse, nachher einen Zug verspürt, so daß es untertaucht in das Verpflanzte. Und ich habe das Schöne er- reicht, daß ich im Menschen erzogen habe, was zu erziehen ist, und unangetastet habe ich gelassen in scheuer Ehrfurcht vor der göttlichen Wesenheit in jedem einzelnen individuellen Menschen, was dann seIber

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zum Begreifen seiner selbst kommen muß. Ich warte, indem ich alles das im Menschen erziehe, was nicht sein Eigenes ist, bis sein Eigenes ergreift, was ich in ihm erzogen habe. So greife ich nicht brutal ein in die Entwickelung des menschlichen Selbstes, sondern bereite die- ser Entwickelung des menschlichen Selbstes, die nach der Geschlechts- reife eintritt, den Boden. Gebe ich dem Menschen vor der Geschlechts- reife eine intellektualistische Erziehung, bringe ich an ihn abstrakte Begriffe heran oder fertig konturierte Beobachtungen, nicht wachsende, lebenssprühende Bilder, dann vergewaltige ich ihn, dann greife ich brutal in sein Selbst ein. Wahrhaft erziehen werde ich ihn nur, wenn ich nicht eingreife in sein Selbst, sondern abwarte, bis dieses Selbst selbst eingreifen kann in das, was ich in der Erziehung veranlagt habe. Und so lebe ich mit dem Kinde demjenigen Zeitpunkte entgegen, wo ich sagen kann: Da wird das Selbst in seiner Freiheit~geboren; ich habe ihm nur den Boden bereitet, daß es sich selber gewahr werden kann. - Und ich sehe mir entgegenkommen, wenn ich so bis zur Geschlechtsreife erzogen habe, den Menschen, der mir sagt: Du hast an mir, als ich noch kein voller Mensch war, dasjenige getan, was mir gestattet, daß ich mich jetzt, wo ich es kann, selber zum vollen Menschen machen kann! - Ich sehe mir entgegenkommen den Menschen, der mir mit jedem Blick, mit jeder Regung offenbart: Du hast etwas getan an mir, aber meine Freiheit damit nicht beeinträchtigt, sondern mir die Möglichkeit geboten, diese meine Freiheit mir im rechten Lebensaugenblicke selber zu geben. Du hast das getan, was mir jetzt möglich macht, vor dir zu erscheinen, mich selber gestaltend als Mensch aus meiner Individualität heraus, die du in scheuer Ehrfurcht unangetastet gelassen hast.

Das wird vielleicht nicht ausgesprochen, es lebt aber in dem Menschen, wenn man ihn in der richtigen Weise erziehend und unterrichtend durch das Volksschulalter hindurchgebracht hat. Wie manches noch zu gestalten ist, damit man in solcher Weise erfahren kann, ob die Erziehung und der Unterricht demjenigen Rechnung tragen, dem der Mensch nach der Geschlechtsreife entgegentritt, das soll dann noch der morgige Vortrag zeigen.

FÜNFTER VORTRAG Stuttgart, 11. April 1924

#G308-1979-SE075 - Die Methodik des Lehrens und die Lebensbedingungen des Erziehens

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FÜNFTER VORTRAG

Stuttgart, 11. April 1924

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In diesen fünf Vorträgen mußte ich mir die Aufgabe setzen, die leitenden Gesichtspunkte der Waldorfschul-Pädagogik und -Methodik in einigen Strichen zu charakterisieren. Es kam mir diesmal weniger darauf an, auf Einzelheiten einzugehen, als vielmehr darauf, zu versuchen, den ganzen Geist der Pädagogik, die aus Anthroposophie herausströmen soll, zu kennzeichnen. Denn in der Tat bedürfen die Menschen heute vielleicht noch mehr als der Einzelheiten, deren Notwendigkeit nicht unterschätzt werden soll, einer durchgreifenden Erneuerung, einer durchgreifenden Erkraftung des ganzen geistigen Lebens. Und man kann sagen: In allen geistigen Berufen ist für die nächste Zukunft außer dem geistigen Inhalt, den sie brauchen, vor allen Dingen notwendig eine Erneuerung des Enthusiasmus, der aus einem im Geiste ergriffenen Welterkennen und einer solchen Weltanschauung sich entwickeln kann. Und daß der Bildner, der Seelenkünstler, denn das muß der Pädagoge werden, dieses Enthusiasmus am meisten bedarf, das fängt man heute schon an, in weitesten Kreisen zu empfinden. Man sucht vielleicht nur erst noch auf Wegen, die nicht zum Ziele führen können, weil noch eine allgemeine Mutlosigkeit herrscht gegenüber einem durchgreifenden Suchen gerade auf geistigem Felde. Dasjenige, was unserer Pädagogik zugrunde liegt, ist, eine Methodik des Lehrens zu finden, die Lebensbedingungen der Erziehung durch das Lesen in der Menschennatur zu finden, durch jenes Lesen in der Menschennatur, das die Wesenheit des Menschen allmählich enthüllt, so daß wir dieser Enthüllung folgen können mit dem, was wir vom Lehrplan bis zum Stundenplan in Unterricht und Erziehung hinein- tragen.

Versetzen wir uns einmal in den Geist eines solchen Lesens im Menschen. Haben wir doch gesehen, wie das Kind in naturhafter Art wie religiös hingegeben ist an seine unmittelbare menschliche Umgebung, wie es ein nachahmendes Wesen ist, wie es in sich wahrnehmend willensgemäß ausbildet, was es unbewußt und unterbewußt aus der

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Umgebung erlebt. Nicht dem Inhalte nach, denn die Seele ist nach außen naturhaft erst sich offenbarender Geist, wohl aber der ganzen Konfiguration nach liegt religiöser Charakter, ich möchte sagen, in der Körperlichkeit des Kindes von dem Augenblicke an, da es in die Welt eintritt, bis zum Zahnwechsel. Und da der Mensch nicht ohne Vorbedingungen in die Welt hereintritt, da er nicht bloß kommt mit den physischen Vererbungskräften der Abstammungslinie, sondern mit den Kräften, die er sich aus vorigen Erdenleben mitbringt, so kann diese Hingabe zunächst sein an das Schöne und Häßliche, Gute und Böse, Weise und Törichte, Geschickte und Ungeschickte. Da haben wir die Aufgabe, so zu wirken in der Umgebung des Kindes, daß bis in die Gedanken und Empfindungen hinein das Kind ein nachahmendes Wesen des Guten, des Wahren, des Schönen, des Weisen werden möge.

Denkt man so, so kommt Leben in den Verkehr mit dem Kinde, und in dieses Leben in dem Verkehr mit dem Kinde kommt in ganz selbstverständlicher Weise Erziehung hinein. Erziehung wird dann nicht nur angestrebt im einzelnen Tun, sondern Erziehung wird gelebt. Und nur wenn Erziehung gelebt wird um das Kind herum, so daß sie dem Kinde nicht aufgedrängt wird, dann entwickelt sich das Kind in der rechten Art im Leben zum Menschen.

Dasjenige aber, was so in naturhafter Weise als eine religiös zu nennende Hingabe in priesterlichem Erziehen, so wie ich es gemeint habe, heranerzogen wird, das muß man in Erziehen und Unterricht, die verfließen zwischen Zahnwechsel und Geschlechtsreife, wiederzuerwecken verstehen, zu erwecken auf einer seelisch höheren Stufe in der zweiten Lebensepoche des Kindes zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife. Wir erziehen das Kind, indem wir alles, was wir an es heranbringen, bildhaft gestalten, indem wir die Erziehung zu einem künstlerischen und trotzdem echt menschlich subjektiv-objektiven Tun machen. Wir erziehen das Kind so, daß es ästhetisch dem Schönen hingegeben, das Bildhafte in sich aufnehmend, dem Erzieher und Unterrichter gegenübersteht. Da handelt es sich darum, daß an die Stelle des Religiösen das naturhaft künstlerische Empfangen der Welt tritt. Nun ist eingeschlossen in diesem naturhaft Künstlerischen - das nicht verwechselt werden darf mit dem luxuriös Künstlerischen, das in Unserer

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Kultur so vielfach spielt - in diesem rein menschlich Künstlerischen im Kinde ist dasjenige eingeschlossen, was nun auftritt als das moralische Verhalten zur Welt.

Verstehen wir das recht, dann lernen wir wissen, daß wir dem Kinde zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife noch nicht beikommen, wenn wir ihm Gebote geben. Wir kommen moralisch dem Kinde vor dem Zahnwechsel nicht bei, wenn wir irgendwie moralisieren. Das hat im ersten Lebensalter noch keinen Zugang zu der Seele des Kindes. Da hat nur Zugang, was wir an Moral tun, was das Kind schauen kann in dem, was sich als Moral auslebt in den Handlungen, Gebärden, Gedanken, Gefühlen der menschlichen Umgebung. Und in der zweiten Lebensepoche, zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife, kommen Wir dem Kinde auch noch nicht bei, wenn wir ihm Moralgebote geben. Es hat noch keine innerliche Beziehung zu dem, was in Moralgeboten liegt. Moralgebote sind für es ein leerer Schall. Beikommen können wir dem Kinde in diesem Lebensalter nur, wenn wir ihm gegenüberstehen als eine selbstverständliche Autorität, wenn das Kind, ohne daß es abstrakt weiß, was Schönheit, Wahrheit, Güte und so weiter ist, in seinem Gefühl entwickeln kann den Impuls: In dem Lehrenden und Erziehenden steht vor mir verkörperte Güte, verkörperte Wahrheit, verkörperte Schönheit. - Versteht man das Kind recht, so weiß man: Ein abstrakt erkennendes, intellektuelles Verständnis gibt es noch nicht beim Kinde für die Offenbarung von Weisheit, Schönheit, Güte, aber die Offenbarung gibt es, die das Kind schaut in dem Blick, der Handbewegung des Lehrers und Erziehers, in der Art und Weise, wie die Worte des Lehrers und Erziehers gesprochen werden. Der Lehrende, der Erziehende selbst ist das, was das Kind, ohne daß es viele Worte ausspricht, Wahrheit, Schönheit, Güte nennt, nennt mit den Offenbarungen des Herzens. Und so muß es sein. Und wenn dann der Lehrer und Erzieher dem entspricht, was das Kind in diesem Lebensalter bedarf, dann erwächst in dem Kinde allmählich zweierlei. Erstens der Sinn, der innere ästhetische Sinn des Wohlgefallens und des Mißfallens auch für das Moralische. Das Gute gefällt dem Kinde, wenn wir es in der richtigen Weise durch unsere ganze Persönlichkeit im Beispiel an das Kind heranbringen. Und wir müssen

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die Erziehung so einrichten, daß das natürliche Bedürfnis nach dem Gefallen am Guten sich entwickeln kann, ebenso das Mißfallen an dem Bösen. Wie fragt sich das Kind? Nicht in ausgesprochenen intellektuellen Worten, sondern innerlich herzhaft fragt es: Soll ich etwas tun? Ich darf es tun, denn der Lehrer tut es. Soll ich etwas unterlassen? Ich muß es unterlassen, denn der Lehrer bedeutet mir, daß es nicht geschehen darf. - So erlebt das Kind am Erzieher die Welt, die Welt in ihrer Güte, die Welt in ihrem Bösen, die Welt in ihrer Schönheit, die Welt in ihrer Häßlichkeit, in ihrer Wahrheit, in ihrer Lüge. Und dieses Gegenüberstehen dem Lehrer und Erzieher, dieses Arbeiten in den verborgenen Kräften zwischen Kindesherz und Erzieherherz, das ist der wichtigste Teil der Methodik des Lehrens, und darin liegen die Lebensbedingungen des Erziehens.

So ist gerade das Lebensalter zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife dasjenige, in welchem Gefallen und Mißfallen gegenüber dem Moralischen und Unmoralischen heranwachsen. Dann aber zeigt sich in alledem, was da als moralischer Gefühlsinhalt in dem Kinde heranwächst, etwas im Hintergrunde: Dasjenige, was zuerst in naturhafter Art beim Kinde vorhanden war in der ersten Lebensepoche, diese Hingabe, die religiös zu nennen ist, an die Umgebung, die tritt, ich möchte sagen, als etwas Wiedererstehendes in anderer Form in all diesem moralischen Bilden auf. Und wir können leicht, wenn wir dazu die geschickte Seelenkraft als Lehrer und Erzieher haben, dasjenige, was als Gefallen am Guten und Mißfallen am Bösen entsteht, jetzt hinleiten zu demjenigen, was die Naturäußerungen seelisch durch- strömt. Erst ist das Kind wie naturhaft an die Natur selbst hingegeben, denn was in der Umgebung als Moralisches auffällt, das wird vom Kind an der Natur geschaut, es wird vom Kind die moralische Handbewegung empfunden, nachgeahmt, sich einverleibt. Aber was da na- turhaft ist, dieses Religiöse, es verwandelt sich, metamorphosiert sich, indem wir das Gefallen am Guten entwickeln, ins Seelenhafte hinein.

Und bedenken Sie, was das bedeutet, daß wir im Zauber des voll Unbewußten bis zum Zahnwechsel hin im Kinde das Religiöse auf naturhafte Art, in reiner Nachahmung sich entwickeln lassen. Wir stellen dadurch das Religiöse zunächst in jenes Lebensalter des Menschen

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hinein, wo wir noch nicht antasten können die Kraft seiner in- neren freien Individualität. Wir erziehen an der Natur und tasten das Seelisch-Geistige nicht an. Und wenn wir zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife an das Seelische herandringen, wenn wir uns nähern müssen dem Seelischen, dann pfropfen wir nicht mehr in das Kind hinein das religiöse Fühlen, dann erwecken wir es schon, dann appellieren wir schon an das Selbst im Menschen. Da sind wir als Er- zieher und Unterrichter schon praktische Freiheitsphilosophen, denn wir sagen nicht: Du mußt an das oder jenes glauben im Geist -, sondern wir erwecken das, was dem Menschen angeboren ist zu glauben. Wir werden immerfort Erwecker der kindlichen Seele, nicht Ausstopfer dieser Seele. Das ist die richtige Ehrfurcht, die wir vor jedem von dem Göttlichen in die Welt hereingesetzten Geschöpf, insbesondere vor dem Menschen, haben müssen. Und so sehen Sie das Selbst im Menschen aufkeimen, sehen, wie sittliches Gefallen und Mißfallen den religiösen Charakter empfängt.

Wenn wir nun beachten lernen, wie das Religiöse, das erst naturhaft war, sich seelisch metamorphosieren will, da legt der Lehrer und Erzieher in das Wort hinein dasjenige, was zum gefallenden Bild des Guten, Schönen, Wahren wird. Dann liegt in seinem Worte das, woran das Kind hängt. Da handelt aber noch der Lehrer und Erzieher. Seine Handlungsweise wird jetzt nicht mehr nachgeahmt, sie weist zu dem, was dahintersteht. Sie regt nicht mehr das äußerlich Körperliche an, sie regt das Seelische an. Eine religiöse Atmosphäre durchzieht das moralische Gefallen und Mißfallen.

Wenn das Kind durch die Geschlechtsreife durchgegangen ist, dann beginnt erst eigentlich das Intellektuelle sich in seiner Art zu regen. Daher habe ich schon aufmerksam gemacht, daß es darauf ankommt> den Menschen wirklich dahin zu bringen, daß er das, was er verstehen soll, dann in sich selber finden kann, daß er heraufholen kann aus seinem Inn,eren, was ihm gegeben worden ist erst für die naturhafte Nachahmung, dann für die künstlerische Verbildlichung; so daß wir auch für das spätere Lebensalter an den Menschen nicht das heranbringen sollen, wo wir ihn zwingen, daß er in sich, ob er nun will oder nicht, logische Überwältigung empfindet.

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Es war schon ein großer Augenblick in der Entwickelung des deutschen Geisteslebens, als gerade mit Bezug auf das moralische Erleben Schiller sich entgegengesetzt hat der Kantische`n Moralauffassung. Denn als Kant die Worte ausgesprochen hatte: Pflicht! du erhabener, großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich führt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst - da widersetzte sich dem Schiller. Einem solchen Pflichtbegriff widersetzte er sich, der das Moralische nicht aus dem Urquell des guten Willens hervorgehen läßt, sondern aus der Unterwerfung unter das Sittengebot. Schiller setzte ja seine denkwürdigen Worte, die ein wirkliches Moralmotiv enthalten, dem Kantischen Pflichtbegriff gegenüber: «Gerne dien ich den Freunden», so sagt Schiller, «doch tu ich es leider mit Neigung, und so wurmt es mir oft, daß ich nicht tugendhaft bin.» Erst wenn die Pflicht anfängt, innerste menschliche Neigung zu sein, wenn sie das wird, was Goethe mit dem Worte ausgesprochen hat: «Pflicht, wo man liebt, was man sich selbst befiehlt», da wird die ganze Moral zu demjenigen, was aus dem reinen Menschentum hervorquillt. Das war ein großer Augenblick, als dazumal die «Verkantung» des Moralischen wiederum menschlich gerundet wurde durch Schiller und Goethe.

Aber dasjenige, was dazumal gequollen ist aus deutschem Geistesleben, es ist untergetaucht in die materialistische Gesinnung des neunzehnten Jahrhunderts. Wir finden es noch heute so. Wir müssen den Menschen wiederum herausheben, herausheben aus demjenigen, was in der Zivilisation entstanden ist durch das Vergessen dieser auch auf dem moralischen Gebiete so großen Tat. Zuerst obliegt dieses Wiederherausheben des Menschen, jetzt im Kleid des wahrhaft Menschlichen, auch Moralischen, denjenigen, die zu erziehen, zu unterrichten haben. Und in diesem Bewußtsein wird der Impuls eines lebendigen Erziehens und Unterrichtens entstehen können. Man möchte sagen: Gerade jene Sonne des deutschen Geisteslebens, die da in Schiller und Goethe auch auf moralischem Gebiete leuchtet, die sollte insbesondere herunterscheinen auf all dasjenige, was Tat werden kann durch den Erziehenden und Lehrenden von heute, der die Aufgabe seiner Zeit versteht, der entwickeln will durch das Erziehen und Unterrichten ein

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menschliches Verhältnis des Menschen zu sich selbst und zu den wahrhaften Bedürfnissen der Zeitkultur. Zu sprechen von der Stellung der Erziehung im Persönlichen des Menschen und in der Zeitkultur war ja die Aufgabe dieser Erziehungstagung. Wir werden an diese Aufgabe nur herankommen, wenn wir auch dasjenige dankbar ins Auge fassen, was durch die großen erleuchteten Geister, wie die genannten, an Impulsen schon hereingekommen ist in die Entwickelung Mitteleuropas. Nicht nur den kritischen Sinn wollen wir entwickeln, wenn wir unsere Stellung in der Welt ergreifen wollen, sondern vor allen Dingen die Dankbarkeit gegenüber dem, was Menschen, die uns vorangegangen sind, schon geleistet haben.

Und so könnte man sagen: Man redet eigentlich nur von Selbsterziehung, wenn man meint die Art, wie der Mensch sich selber erzieht; aber alle Erziehung ist nicht nur in diesem subjektiven Sinne, sondern auch im objektiven Sinne Selbsterziehung, nämlich Erziehung des Selbstes des andern. Und im Deutschen hängt erziehen zusammen mit ziehen. Was man heranzieht, läßt man aber in seiner Wesenheit ungeschoren. Will man einen Stein aus dem Wasser ziehen, so zerschlägt man ihn nicht. Erziehung fordert nicht, daß man das Menschenwesen, das in die Welt hereintritt, in irgendeiner Weise zerschlägt oder vergewaltigt, sondern es heranzieht zu dem Erleben der Kulturstufe, auf der die Menschheit in dem Zeitpunkte steht, in dem dieses Menschen- wesen heruntergestiegen ist aus göttlich-geistigen Welten in die sinnliche Welt. Alle diese empfundenen und gefühlten Ideen, sie gehören zur Methodik des Lehrens. Derjenige, der sie nicht drinnen hat in der Methodik, kann am wenigsten die Stellung der Erziehung in der Gegenwart verstehen.

Und während wir moralisch wachsen lassen das Gefallen am Guten, das Mißfallen am Bösen, während wir seelisch erwachen lassen das Religiöse, das erst naturhaft beim Kinde da war, bildet sich wiederum im Untergrunde, im Keimhaften zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife die Anlage aus beim Menschen, der durch die Geschlechtsreife hindurchgegangen ist, für das In-Freiheit-Begreifen desjenigen, was man schon in sich selber hat. Wir bereiten das freie Erfassen der Welt auch für das Religiöse und Sittliche vor. Es

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ist ein Großes, wenn der Mensch es erleben kann, wie er Gefallen und Mißfallen, Durchdringung seines ganzen Gefühlslebens mit dem moralisch Guten und Bösen durch sein zweites Lebensalter erfahren hat. Dann quillt in ihm der Impuls auf: Das, was dir gefallen hat als gut, das mußt du tun, was dir mißfallen hat, mußt du unterlassen. - Dann quillt das Moralprinzip heraus aus demjenigen, was nun schon im Selbst des Menschen ist; dann ersteht die religiöse Hingabe im Geiste an die Welt, nachdem sie zuerst naturhaft in der ersten Epoche, seelenhaft in der zweiten Epoche da war. Da wird das religiöse Gefühl und auch der religiöse Willensimpuls dasjenige, was den Menschen so handeln läßt, als ob der Gott in ihm handelte. Das wird zum Ausdruck des menschlichen Selbstes, wird nicht etwas äußerlich Aufgepfropftes. Alles erscheint aus der menschlichen Natur erstanden und geboren nach der Geschlechtsreife, wenn man das Kind in entsprechender Weise heran- gebildet hat, so wie es dem Verständnis des Menschenwesens eben entspricht.

Da aber muß man, wie ich es bereits andeutete, vor sich haben das ganze Menschenwesen, wie es lebt in seinem Erdenwandel von der Geburt bis zum Tode. Wie leicht nimmt man es in der Pädagogik mit dem Ausgehen davon, daß man das Kind beobachten will. Man beobachtet es heute äußerlich experimentell; dann will man aus dem, was man nun am Kinde wahrnimmt, die Methodik des Lehrens schauen. Das kann man nicht. Denn derjenige, der zum Beispiel aus einem cholerischen Temperament, dem er die Zügel schießen läßt, als Lehrer und Erzieher jähzornige Handlungen entwickelt, der bereitet den Keim für Gicht, Rheumatismus, für Ungesundung des ganzen Organismus im höheren Menschenalter. Und in vieler anderer Beziehung ist das so der Fall. Wir haben stets den ganzen Menschen in seiner Erden- zeit vor uns, wenn wir etwas zu tun haben mit einem Geschehen, das in einem einzelnen Lebensalter vor sich geht. Dessen müssen wir eingedenk sein. Wer da hängt an jenen Trivialitäten, die man häufig als Anschauungsunterricht heute hat, wo man sich verschanzt hinter dem auf der einen Seite selbstverständlichen, auf der anderen Seite törichten Wort: An das Kind soll Anschaulichkeit nur herangebracht werden, wofür es eben das Begriffsvermögen hat -, nun, der kommt eben zu

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all den Trivialitäten, denen gegenüber man die Wand hinaufkriechen möchte. Dem muß entgegengesetzt werden jenes tiefere Menschheitsgesetz, das uns zum Bewußtsein bringt, was es für die Vitalität des Menschen bedeutet, wenn er als Vierzigjähriger plötzlich darauf- kommt: Du verstehst jetzt erst das, was dir die verehrte Autorität vorgedacht und vorgelebt hat. Damals nahmst du es auf, weil dir die Autorität die Verkörperung von Wahrheit, Güte, Schönheit war. Jetzt hast du Gelegenheit, das Gehörte ins volle Bewußtsein heraufzuholen.

Solch ein Heraufgeholtes wirkt ungeheuer verjüngend, vitalisierend im späteren Lebensalter. Und all das muß man im späteren Alter entbehren, wenn beim Erziehen und Unterrichten nicht darauf gesehen worden ist, daß nun wirklich in den Untergründen etwas von dem ist, was eben erst später verstanden werden kann. Leer und öde wird die Welt, wenn nicht immer von neuem aus dem Inneren der Menschennatur aufquellen kann, was die äußere Anschauung durchsetzt mit Geist und Seele. So geben wir dem Menschen in voller Freiheit Vitalität für sein ganzes Leben, wenn wir in dieser Weise erziehen. Und ich darf erwähnen, was ich oft gesagt habe: Ein wirklicher Unterrichter und Erzieher muß stets das ganze menschliche Leben vor sich haben, muß zum Beispiel hinscha~en auf jene wunderbare Äußerung manches Menschen im Greisenalter: Es braucht einer nur zu kommen und gar nicht viel zu sagen, was er erregt, trägt einen segnenden Stempel. In jeder Handbewegung, die er macht, liegt etwas Segnendes, Das ist manchem an der Schwelle des Todes stehenden Menschen eigen. Woher hat er das? Er hat das, weil er in der Kindheit auf na- türliche Art hat aufschauen, hat sich hingeben gelernt. Das verehrende Aufschauen und Hingeben im Kindesalter wird zur Macht des Segnens im späteren Lebensalter. Man darf sagen: Keiner kann am Ende des Erdenlebens die Hand zum Segnen ausbreiten, der sie nicht als Kind auf natürliche Weise hat falten gelernt zum Gebet. Aus der Faltung der Hände zum Gebet, aus jener frommen Hingabe im Kindheitsalter entsteht die Kraft des Begnadens im höchsten Lebensalter an der Schwelle des Todes. Denn alles das, Was keimhaft in dem Kinde angedeutet ist, alles das bildet sich aus als gute oder böse Frucht für das

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eigene Erleben des Menschen im weiteren Erdenleben. Auch das muß man stets vor sich haben, wenn man eine Methodi,k des Lehrens auf Grund der Lebensbedingungen des Erziehens ausbilden will.

Nun, damit ist wenigstens mit einigen Strichen angedeutet, was zugrunde liegt dem Versuch, Anthroposophie fruchtbar zu machen im Erziehungs- und Unterrichtswesen durch die Waldorfschule. Diese Erziehungstagung sollte das, was da versucht worden ist, was nun doch schon seit Jahren in der Praxis wirkt, in einer gewissen Weise beleuchten. Es ist von verschiedenen Seiten beleuchtet worden; es ist auch gezeigt worden, was Leistungen der Schüler sind, und es wird weiter nach dieser Richtung manches zu zeigen und zu besprechen sein.

Es sind nun von zwei Seiten her im Beginne dieser heutigen Stunde liebevolle Worte an mich gerichtet worden. Ich darf sagen: Mit herzlichem Dank empfange ich diese liebevollen Worte, denn was könnte man mit den schönsten Impulsen tun, wenn sich nicht Menschen fänden, die zur Verwirklichung dieser Impulse all ihre Hingabe und Opferwilligkeit aufbringen! - Daher richtet sich meine Dankbarkeit gegen die Waldorflehrer, die versuchen, dasjenige, was zugrunde liegen soll einer Erziehungserneuerung, auszuführen. Es wendet sich mein Dank auch gegen diejenigen, die, ich möchte sagen, als die spätere Jugend, als die jungen Menschen von heute gerade aus ihren Erfahrungen während ihrer Erziehung ein Herzensverständnis entwickeln für das, was mit der Waldorfschulpädagogik eigentlich gemeint ist. Man würde sich glücklich fühlen müssen, wenn in recht großem Umfang das, was hier ausgesprochen worden ist als die herzhafte Empfindung der Jugend gegenüber der Waldorfschulpädagogik, zu dem tragenden Wagen würde, der unsere Waldorfschulpädagogik durch die Zeitenkultur, durch die Zeitenzivilisation dahinfährt. Und ich glaube auch, daß ich aus den Empfindungen Ihrer aller handle, wenn ich allseits denjenigen, die so liebevolle Worte, so schöne Worte gesprochen haben, dankbarlichst diese Worte erwidere; denn mehr noch als irgend etwas an- deres braucht Erziehung und Unterricht Menschen, welche die Intentionen verwirklichen. Der Maler, der Bildhauer, er mag sogar in aller Einsamkeit sein Werk hinstellen und sich sagen: Wenn Menschen es nicht schauen, die Götter schauen es ja doch. Der Lehrende, der Erziehende,

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er leistet dasjenige, was geistige Leistung ist, für das Erden- dasein; er kann dasjenige> was sein Geleistetes sein soll, nur im Verein mit denjenigen erleben, die es in der physisch-sinnlichen Welt verwirklichen helfen.

Das brauchen wir als Lehrende und Erziehende wieder als Einschlag in unser Bewußtsein, besonders in dieser unserer Gegenwart. Und darauf lassen Sie mich am Schlusse dieser Vorträge noch hinweisen, denn ich muß meine Vorträge damit abschließen, weil ich, an- derwärts in Anspruch genommen, nicht weiter bleiben kann; damit lassen Sie mich abschließen: Eine Erziehung, wie diese auf Anthroposophie begründete - nicht Anthroposophie als Weltanschauung den Menschen aufdrängende, sondern auf Anthroposophie begründete, weil Anthroposophie echte Menschenerkenntnis nach Leib, Seele und Geist liefert -, sie will sich auch wirklich ganz sachgemäß, ganz real hineinstellen in dasjenige, was die tiefsten Notwendigkeiten und Bedingungen unserer gegenwärtigen Zivilisation sind, notwendig deshalb, weil der Menschheit in Mitteleuropa eine Zukunft nur dadurch noch winken kann, daß sie ihr Tun und Denken aus solchen Impulsen herausholt.

Woran kranken wir am allermeisten? Ich habe, indem ich sozusagen ganz zentral unsere Pädagogik und Didaktik charakterisieren wollte, immer wieder darauf hinweisen müssen, wie wir, in scheuer Ehrfurcht vor dem, was die göttlichen Mächte als Selbst des Menschen in die Welt gesetzt haben, diesem Selbst als Erzieher zu seiner Entwickelung verhelfen. Und dieses Selbst, es wird nicht in Wahrheit erfaßt, wenn es nicht im Geist erfaßt wird; es wird in Wahrheit verleugnet, wenn es nur am Stoff erfaßt wird. Vor allen Dingen hat im materialistischen Leben der neueren Zeit das Ich gelitten durch die Mißerkennung, die Mißanschauung des menschlichen Selbstes, denn indem man überall losgegangen ist auf das Anschauen im Stoffe, auf das Handeln im Stoffe, zersplitterte vor dem Menschen der Geist, damit aber sein Selbst. Setzt man mit den naturhaften Methoden der Naturerkenntnis Grenzen, sagt man, man könne nicht in die Welt des Geistigen eindringen, so behauptet man nichts Geringeres als: man kann nicht in die Welt des Menschen eindringen. Der Erkenntnis Grenzen

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setzen heißt, für das Erkennen in der Welt den Menschen auslöschen. Wie will man eine Seele erziehen, wenn man sie erst durch materialistische Gesinnung auslöscht? Aber dieses Auslöschen ist dasjenige gewesen, was ganz eigen war dem vergangenen, aber heute noch vielfach herrschenden Materialismus in allem menschlichen Tun. Und so kann man schon sagen: Das, was geschehen ist in der neueren Zeit, in der, wie ich gesagt habe, von anderer Seite ja gerechtfertigten materialistischen Gesinnung - gerechtfertigt, weil sie kommen mußte innerhalb der Entwickelung der Menschheit, aber sie muß auch wieder verlassen werden -, man kann es mit den Worten ausdrücken: Die Menschen haben sich ihr Selbst verschrieben an den Stoff. Damit aber ist wirkliche lebendige Methodik des Lehrens, sind die wirklichen Lebensbedingungen der Erziehung mit eingefroren, denn nur äußerlich Technisches kann leben in einer Zivilisation, die sich selbst, die das Selbst dem Stoff verschreibt. Aber der Stoff bedrängt den Menschen. Jeder Mensch wird mehr oder weniger dadurch, daß der Stoff ihn in der Körperlichkeit abschließt, auch eine verschlossene Seele. Man wird eine verschlossene Seele, wenn man den anderen Menschen nicht im Geiste findet, denn im Körper kann man ihn nicht in Wahrheit finden! So hat die materialistische Zivilisationsgesinnung ein Zeitalter heraufgebracht, wo die Menschen aneinander vorbeigehen, weil alle Empfindung an Körperlichkeit verschrieben ist. Sie schreien nach dem sozialen Leben mit dem Verstand, entwickeln aber aus der Empfindung heraus das unsoziale Nebeneinander-Vorbeigehen, das Sich-nicht- Verstehen. Die Seelen, die in die einzelnen Körper eingeschlossen werden, sie gehen aneinander vorbei; die Seelen, die den Geist in sich erwecken, die den Geist selber finden, die finden sich als Menschen mit den anderen Menschen zusammen. Ein soziales Leben wird aus dem Chaos nur aufkeimen, wenn die Menschen den Geist finden werden und dadurch, durch den Geist, der eine Mensch den anderen im Nebeneinanderleben findet.

Und das ist auch die große Sehnsucht der Jugend von heute: den Menschen zu finden. Die Jugendbewegung ging aus von dem Schrei nach dem Menschen. Jetzt hat sich - das hat sich vor einigen Tagen gezeigt, als die jungen Menschen, die hier sind, sich vereinigt haben -

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dieses Rufen nach dem Menschen verwandelt in ein Rufen nach dem Geist, weil man ahnt: Der Mensch kann nur gefunden werden im Finden des Geistes. Der andere Mensch muß verloren werden, wenn man den Geist verliert.

Wie man Weltenerkenntnis finden kann und aus der Weltenerkenntnis heraus den wahrhaft lebendigen Menschen auf der Erde nach Leib, Seele und Geist, das versuchte ich gestern abend zu zeigen, wie Weltanschauung hinauswachsen kann in das Erleben des Kosmischen, wie Sonne und Mond gesehen werden können in all dem, was auf der Erde wächst und gedeiht. Erziehen wir mit einem solchen Hintergrund, dann werden wir auch in der richtigen Weise das Erleben des Unsterblichen, des Göttlichen, des Ewig-Religiösen in dem heranwachsenden Kinde entwickeln. Dann werden wir den Menschen während ihrer Kindheit dasjenige einpflanzen, was sie, damit es weiter gedeihen kann, im Geist durch die Pforte des Todes tragen müssen als ihr unsterbliches Teil. Doch diese Seite des Erziehens im besonderen zu besprechen, soll ja hier nicht die Aufgabe sein. Die Beziehung der Erziehung zum menschlichen Selbst und Kulturleben, das ist es, was zunächst gezeigt werden sollte. Aber überzeugt kann man sein: Wenn der Mensch richtig erzogen wird auf der Erde, dann wird auch der Himmelsmensch richtig erzogen, denn im Erdenmenschen lebt der Himmelsmensch. Erziehen wir den irdischen Menschen in der richtigen Weise, so bringen wir durch das Stückchen, das er vorwärtsgebracht werden muß zwischen Geburt und Tod, auch den himmlischen Menschen in der richtigen Weise weiter.

Damit aber ist einer Anschauung Rechnung getragen, welche in der richtigen Weise nach Weltenerkenntnis geht, nach jener Weltenerkenntnis, die da weiß: Der Mensch muß mitbauen an dem großen geistigen Weltenbau, der dann auch im Sinnlichen sich offenbart. Als ein an der Menschheit Mitbauender muß der Mensch erkannt werden in einem richtigen Erziehen. Das habe ich gestern gemeint mit der Charakteristik jener Weltauffassung und Lebensanschauung, von der ich sagte, sie solle im Hintergrunde des Lehrens und Erziehens stehen. Daraus geht aber hervor, daß wir nicht in dem einseitigen Inhalt des Kopfes die Welt erfassen können. Falsch ist es, wenn jemand sagt, die Welt

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könnte erfaßt werden in Ideen, Begriffen, Vorstellungen. Falsch ist es selbst noch, wenn man sagt, die Welt solle erfaßt werden mit dem Gefühl. Sie soll erfaßt werden mit Ideen und Gefüh~, aber auch mit dem Willen! Denn nur, wenn das Göttlich-Geistige in den Willen hinunter- geht, dann ist die Welt vom Menschen erfaßt; dann ist aber auch der Mensch erfaßt, angeschaut nicht von einem Teil des Menschen, sondern vom ganzen Menschen. Wir brauchen Weltanschauung nicht für Verstand und Intellekt allein, wir brauchen Weltanschauung für den ganzen Menschen, für den denkenden, fühlenden und wollenden Menschen, eine Weltanschauung, welche im ganzen Menschen nach Leib, Seele und Geist die Welt im Menschen wiederentdeckt. Nur der, welcher so die Welt im Menschen wiederentdeckt, der im Menschen die Welt schaut, nur der kann eine wirkliche Weltanschauung haben. Denn so wie sich im Auge die sichtbare Welt spiegelt, so ist der ganze Mensch ein geistig-seelisch-leibliches Auge, in dem sich die ganze Welt spiegelt. Dieses Spiegelbild kann man nicht von außen anschauen, das muß man von innen erleben. Dann wird es aber auch nicht Schein bleiben wie ein äußeres Spiegelbild, dann wird es innerliche Realität. Dann wird in der Erziehung die Welt Mensch, und der Mensch entdeckt in sich die Welt. Arbeitet man so erzieherisch, dann empfindet man recht, wie die Menschheit zersplittert wird, wenn alles menschliche Erleben dem Stoffe verschrieben wird, weil die Seelen aneinander sich nicht gewinnen, sondern sich verlieren, wenn sie sich selber verneinen. Geht man über zum Geiste, dann findet man durch dasjenige, was im Geiste gefunden werden kann, den anderen Menschen. Soziales Leben im echten Sinne des Wortes, es muß vom Geiste aus begründet werden. Es muß die menschliche Wesenheit im Geist sich finden, dann wird sich Mensch mit Mensch verbinden können, und es muß die Welt im Menschen geschaut werden, wenn Welten erbaut werden aus Menschentaten. Daher lassen Sie mich aussprechen am Schlusse dieser Betrachtung, was ich eigentlich immer im Hintergrunde hatte, während ich zu Ihnen sprach. Betitelt ist das, was gesprochen werden sollte, als eine Betrachtung der Erziehung im persönlichen Leben und im Kulturleben der Gegenwart. Jetzt am Schluß erlauben Sie mir, daß ich den Titel metamorphosiere, daß ich ihn dahin verwandle, daß er in sich

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schließt, was ich eigentlich habe aussprechen wollen. So daß zusammenschlagen soll dasjenige, was ich eigentlich gemeint habe, in die Worte:

Dem Stoff sich verschreiben,

Heißt Seelen zerreiben.

Im Geiste sich finden,

Heißt Menschen verbinden.

Im Menschen sich schauen,

Heißt Welten erbaUen.

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EINE ERZIEHUNGSTAGUNG

DER WALDORFSCHULE IN STUTTGART

Bericht von Rudolf Steiner

über die vorangegangenen Vorträge

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Vom 7. bis 13. April konnten wir eine zahlreiche Besucherschaft in Stuttgart vereinigen. Der Vorstand am Goetheanum und das Lehrerkollegium der Waldorfschule hatten eine Einladung ergehen lassen zur Behandlung der Fragen über «Die Stellung der Erziehung im persönlichen und im Kulturleben der Gegenwart». Das Thema schien uns wichtig. Denn die Zeit bedingt Selbstbesinnung darüber, wie die Kultur der Gegenwart, die Hervorragendes nur auf dem Gebiete des Naturerkeniiens und der Naturbeherrschung geleistet hat, wieder so in das Innere des Menschen dringen könne, daß die Sprache der Seele erklingen kann, die für den Erziehenden und Lehrenden notwendig ;st. Mit der Naturerkenntnis erfaßt man in Wirklichkeit nur, was außerhalb des Menschen liegt. Man glaubt wohl in der Hochblüte der naturwissenschaftlichen Weltauffassung, daß man mit deren Methoden den Menschen erforschen und auch bilden könne; aber in Wahrheit bleibt der Mensch für den Menschen ein unbekanntes Gebiet, wenn es keine Einsicht gibt, daß innerhalb des Menschen etwas ganz anderes waltet als außerhalb desselben. Wahre Menschen-Erkenntnis, die so sicher auf Grundlagen ruht wie die Naturerkenntnis, die aber nicht bloß Menschen-Erkenntnis dadurch sein will, daß sie den Menschen wie ein Naturwesen behandelt, ist notwendig, um der Erziehung und dem Unterricht das Leben zuzuführen, das so viele in ihnen heute vermissen, ohne daß sie von den Wegen etwas wissen wollen, auf denen ein solches zu erlangen ist. Wahre Menschen-Erkenntnis muß den Menschen nach Leib, Seele und Geist erforschen. Denn der Menschenleib ist ein Werk des Geistes und eine Offenbarung der Seele. Will der Erzieher den Leib bilden, so muß er sich an die Kräfte des Geistes wenden, um fortzusetzen, was dieser aus dem vorirdischen Leben in diesen Leib an Bildekräften hereinschickt und im irdischen noch weiter fortwirken läßt. Will er die Seele bilden, so muß er den Leib kennen, um zu verstehen,

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wie das Seelische, das der Geist in diesen Leib verborgen hat, aus demselben herausgeholt werden kann. Körperliche Erziehung bloß durch Einfluß auf den Körper leisten zu wollen, ist ein Unding. Denn, was im kindlichen Alter in die Seele aufgenommen wird, das erscheint im Erwachsenen als gesunde oder kranke Körperverfassung. Man verbilde im Kinde das Seelische, so wird diese Verbildung in die körperliche Beschaffenheit überspringen. Denn im Kinde überträgt sich jeder seelische Impuls in gesunde oder kranke Atmung, in gesunde oder kranke Zirkulation, in gesunde oder kranke Verdauungstätigkeit. Was da Krankes entsteht, fällt oft am Kinde noch nicht auf. Es ist erst keimhaft vorhanden. Aber der Keim wächst mit dem Menschen heran. Und manche chronische Krankheit der Vierziger Jahre des Menschen ist das Ergebnis der Seelenverbildung im ersten oder zweiten Lebensjahrzehnt.

Die Denkart, die sich seit dem fünfzehnten Jahrhundert entwickelt und die in unserer Zeit ihren Höhepunkt erreicht hat, kann sich in die angedeuteten Wahrheiten so wenig finden, daß diese ihr sogar absurd erscheinen können. Deshalb dringt diese Denkart nicht durch zu einer lebendigen, den ganzen Menschen und das ganze Menschenleben, von der Geburt bis zum Tode, erfassenden pädagogischen Kunst.

Wie in der Gegenwart die Menschheit innerlich nach den Grundlagen unbewußt verlangt, die sie äußerlich bewußt ablehnen möchte, das sollte auf unserer Erziehungstagung dargestellt werden. Daß viele Menschen heute das Bedürfnis empfinden, sich auf die Stellung der Er- ziehung im Kulturleben zu besinnen, das zeigt sich wohl darin, daß wir die Besucher der Vorträge in dem immerhin nicht kleinen Sieglehaus kaum unterbringen konnten. Daß die Art, wie da über diese Stellung gesprochen wurde, manchem einleuchtet, ging aus der Stimmung der Zuhörerschaft hervor. Und auch das andere erwies diese Stimmung, daß gefühlt wurde, wie die anthroposophische Pädagogik der Erziehung und dem Lehren eine Stellung zum Leben des Menschen gibt, die dem von der Menschennatur selbst Geforderten entspricht.

Es war mir sehr schmerzlich, daß ich selbst nur für die Zeit meiner Vorträge, vom Dienstag abend bis Freitag früh bei der Tagung sein konnte; und auch während dieser Zeit konnte ich, da anderes mir oblag, nicht teilnehmen an den Vorträgen unserer hingebungsvollen,

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opferwilligen, unermüdlichen Lehrerschaft. Aber ich konnte aus Berichten entnehmen, wie schöne Früchte diese Hingabe, Opferwilligkeit und Unermüdlichkeit auch bei dieser Tagung in der öffentlichen Vertretung der Waldorfschulpädagogik gezeitigt haben.

Außer den Vorträgen fanden Führungen durch die Räume der Waldorfschule statt, bei denen die Leistungen der Schüler veranschaulicht werden sollten. Man hatte Eurythmieaufführungen der Kinder, und künstlerische Eurythmiedarbietungen, die das Wesen und den pädagogisch-didaktischen Wert der Eurythmie offenbaren sollten.

In Diskussionen und. Aussprachen war eine Erweiterung und Verdeutlichung des Gehörten und Gesehenen angestrebt.

Unsere jungen Anthroposophen hielten eine Jugendversammlung ab, bei der besprochen wurde, was Anthroposophie dem jungen Menschen der Gegenwart für sein Suchen werden kann. An den Gesichtern dieser jungen Freunde konnte man lesen, wie bei ihnen Jugendempfindung mit Gefühl für die Anthroposophie zusammenfällt` Mit tiefster Befriedigung schaue ich auf diesen Teil der Erziehungstagung zurück.

HINWEISE

#G308-1979-SE093 - Die Methodik des Lehrens und die Lebensbedingungen des Erziehens

#TI

HINWEISE

#TX

Die in diesem Band enthaltenen fünf Vorträge wurden von Rudolf Steiner im Rahmen der öffentlichen «Erziehungstagung in der Freien Waldorfschule in Stuttgart vom 7. bis 13. April 1924» gehalten. Es waren dies die letzten öffentlichen Vorträge Rudolf Steiners in Stuttgart, an denen 1700 Zuhörer teilhahmen.

Zu den Textunter/agen: Die Vorträge wurden mitstenografiert von Karl Lehofer und Karl Schubert. Die Originalstenogramme von Lehofer liegen nicht mehr vor, die von Schubert nur in Bruchstücken. Dem in diesem Band vorliegenden Wortlaut liegen die Texte früherer Ausgaben (1. Auflage 1926 hrg. v. E. A. Karl Stoclimeyer, 2. Auflage hrg. von Marie Steiner), die ursprünglich auf einer Bearbeitung der Stenogramme von Lehofer basieren, zugrunde.

Der Titel des Bandes entspricht dem von Rudolf Steiner für die Vortragsreihe gegebenen.

Die Inhaltsangaben wurden erstmals für die 6. Auflage erstellt.

Der Anhang wurde erstmals der 6. Auflage beigefügt. Die Hinweise sind ergänzt worden.

zu Seite

21 der orientalische Da~ta~: Sanskrit: der Gebende, der hingebungsvoll Schenkende.

33 in dem neuen Buch von Maurice Maeterlinck. Das große Rätsel», Jena 1924. Wörtlich heißt es dort (S. 167 f.): «Er beschreibt uns die aufeinander folgenden Wandlungen der Wesenheiten, die zu Menschen werden, und er tut das mit soviel Sicherheit, daß man sich fragt, nachdem man ihm mit Interesse durch die Einführung gefolgt ist, die einen sehr abwägenden, logischen und weiten Geist zeigt, ob er plötzlich wahnsinnig wird oder ob man es mit einem Schwindler oder wirklichen Visionär zu tun hat. »

42 «Wilhelm Meister»: Der große Entwicklungs- und Bildungsroman Goethes, an dem er 17731829 arbeitete und der aus «Wilhelm Meisters Lehrjahre» (4 Bde. 1795/96) und aus «Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden» (1821 und 1829) besteht; die früheste Fassung «Wilhelm Meisters theatralische Sendung», die 17751 85 entstand, wurde 1910 gefunden und gedruckt.

44 böhmisdh-mahristhe Brüder: Die Böhmischen Brüder, auch Mährische Brüder, sind eine 1467 in Böhmen gegründete religiöse Gemeinschaft, die sich «Unitas fratrum» («Brüdervereinigung») nannte und nach echter Brüderlichkeit strebte, ein schlichtes zurückgezogenes Leben führte, Kriegsdienst, Eid und Bekleidung staatlicher Ämter ablehnte; später gingen sie in der «Brüdergemeine» auf.

45 john Wiclif, 13241384, englischer Vorreformator.

johannes Hus, 13701415, tschechischer Vorreformator.

53 Gay-Lussacsche Gesetz: Joseph Gay-Lussac, 1778-1850, französischer Chemiker und Physiker. Das Gay-Lussacsche Gesetz (1802) besagt, daß alle vollkommenen Gase durch die Wärme sich gleich stark und zwar um V273 des Volumens für I« ausdehnen, oder daß bei konstantem Volumen der Druck um V27> seines anfänglichen Wertes steigt. Siehe «Repetitorium der Physik», von Dr. Theodor Schmidt, II. Auflage, neu bearbeitet von Dr. H. Lux, Breslau 1900 (Von Rudolf Steiner benutzte Ausgabe), § 274, S. 109.

62 f. Goethe. .. hat die sich bildenden Pflanzenformen in ihren verschiedenen Metamorphosen verfolgt: Siehe hierzu seine Schrift «Die Metamorphose der Pflanzen», 1791.

70 f. Lorenz Oken, 1779-1851, deutscher Naturforscher und Philosoph. Vgl. seine Schrift «Lehrbuch der Naturphilosophie», Buch XIV Zoologie, Jena 1831, S. 424496. Es handelt sich hier um eine zusammenfassende freie Wiedergabe der Ausführungen von Oken durch Rudolf Steiner.

80 «Pflicht! du erhabener großer Name. . . »: Immanuel Kant, « Kritik der praktischen Vernunft» (1788), 1. Teil, 3. Hauptstück.

«Gerne dien ich den Freunden . . .»: Friedrich von Schiller in der Xenie «Gewissensskrupel».

«Pflicht, wo man liebt, was man sich selbst befiehlt»: Goethe, Mazimen und Reflezionen, 6. Abteilung: Ethisches, 829. 90 f. Der Bericht Rudolf Steiners über die Erziehungstagung in Stuttgart erschien in der Beilage zur Wochenschrift «Das G`oetheanum»: «Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht. Nachrichten für deren Mitglieder» vom 20. April 1924. Siehe auch: Rudolf Steiner «Die Konstitution der` Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Der Wiederaufbau des Goetheanum 192~1925», GA Bibl.-Nr. 260 a.