GA 340

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RUDOLF STEINER

VORTRÄGE

VORTRÄGE ÜBER DAS SOZIALE LEBEN UND
DIE DREIGLIEDERUNG DES SOZIALEN ORGANISMUS

Nationalökonomischer Kurs

Vierzehn Vorträge, gehalten in Dornach
vom 24. Juli bis 6. August 1922
für Studenten der Nationalökonomie

GA 340

1965

Inhaltsverzeichnis


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ERSTER VORTRAG Dornach, 24. Juli 1922

Zunächst möchte ich heute mit einer Art Einleitung beginnen und dann morgen übergehen zu demjenigen, was in gewisser Beziehung ein Ganzes ergeben soll über nationalökonomische, über sozialökono­mische Fragen, die sich in der Gegenwart der Mensch stellen muß.

Die Nationalökonomie, wie man nun einmal in der Gegenwart von ihr spricht, sie ist eigentlich erst eine neuere Schöpfung. Sie ist ent­standen im Grunde genommen erst in der Zeit, als das wirtschaftliche Leben der neueren Völker außerordentlich kompliziert geworden ist gegenüber früheren wirtschaftlichen Verhältnissen. Und da wir hier diesen Kursus so gestalten wollen, wie er hauptsächlich für den Stu­denten der Nationalökonomie eben gestaltet werden soll, so muß ja einleitend gerade auch auf diese besondere Eigentümlichkeit des nationalökonomischen Denkens von heute hingewiesen werden.

Wir brauchen uns ja schließlich gar nicht einmal sehr weit in der Geschichte zurückzubegeben, so werden wir schon sehen, wie das wirtschaftliche Leben auch, sagen wir, nur während des 19. Jahr-hunderts selbst sich verändert hat gegenüber früheren Verhältnissen. Beachten Sie nur einmal die eine Tatsache, daß in gewissem Sinn zum Beispiel England im wesentlichen wirtschaftlich neuzeitlich gestaltet war schon in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts, so daß eigentlich verhältnismäßig wenig in der wirtschaftlichen Struktur in England sich radikal verändert hat im Laufe des 19. Jahrhunderts. Die großen Fragen, die sich in der neueren Zeit in sozialer Hinsicht an die wirt­schaftlichen Fragen anschiießen, waren in England schon da in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts, und schon damals konnten die­jenigen Menschen, welche darauf ausgingen, im modernen Sinn das Sozialökonomische zu denken, ihre Studien in England machen, wäh­rend solche Studien dazumal noch, sagen wir, in Deutschiand hätten unfruchtbar bleiben müssen. In England hatten sich vor allen Dingen die großen Handelsverhältnisse bereits herausgebildet bis in das erste Drittel des 19.Jahrhunderts, und es war innerhalb der englischen

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Volkswirtschaft durch diese Herausbildung der Struktur des Handels­wesens geschaffen eine Grundlage in dem Handelskapital. Man hatte in England nicht notwendig, für die neuere Wirtschaft an einen ande­ren Ausgangspunkt anzuknüpfen als an das, was sich als Handels-kapital ergeben hatte aus den konsolidierten Handelsverhältnissen, die eben schon bestanden, sogar schon im ersten Drittel des 19. Jahr­hunderts. An diese Zeit anknüpfend, hat sich dann für England alles mit einer gewissen Folgerichtigkeit ergeben. Nur dü?fen wir nicht vergessen, daß die ganze englische Wirtschaft nur möglich war auf der Grundlage, die sich aus dem Verhältnis Englands zu den Kolonien ergeben hatte, namentlich zu Indien. Die ganze englische Volkswirt­schaft ist nicht denkbar ohne das Verhältnis Englands zu Indien. Das heißt aber mit anderen Worten: Diese englische Volkswirtschaft mit ihrer Möglichkeit, große Kapitalien herauszubilden, ist aufgebaut dar­auf, daß ein gewissermaßen wirtschaftlich jungfräuliches Land im Hintergrund liegt. Das dürfen wir nicht übersehen, namentlich nicht, wenn wir jetzt herübersehen von der englischen Volkswirtschaft in die deutsche herein.

Verfolgen Sie diese, so werden Sie sehen, daß sie zum Beispiel im ersten Drittel des 19.Jahrhunderts noch wesentlich so ist, daß sie ent­spricht den wirtschaftlichen Gewohnheiten, die sich noch aus dem Mittelalter heraus ergeben haben. Die wirtschaftlichen Gewohnheiten und wirtschaftlichen Zusammenhänge sind innerhalb Deutschiands im ersten Drittel des 19.Jahrhunderts durchaus alte. Damit war das ganze Tempo des wirtschaftlichen Lebens in Deutschland ein anderes als zum Beispiel in England im ersten Drittel, ja in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In England spielte sich dasjenige schon ab in dieser ersten Jahrhunderthälfte, was man nennen kann das Rechnen mit rasch wechselnden Lebensgewohnheiten. Es bleibt der allgemeine Zug des wirtschaftlichen Lebens im wesentlichen derselbe, aber er ist schon berechnet auf rasch wechselnde Gewohnheiten. In Deutschland sind diese selber noch konservativ. Das wirtschaftliche Leben kann noch einen Schneckenganggehen,kannnochangepaßtseindemUmstand, daß die Verhältnis se in technischer Beziehung durch lange Zeit hindurch un­gefähr gleich bleiben, daß auch die Bedürfnisse sich nicht rasch ändern.

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Darin ist aber ein Umschwung eingetreten im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts. Da entwickelte sich rasch heraus eine Anähnlichung an die englischen Verhältnisse unter der Ausbildung des industriellen Wesens. Deutschiand war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im wesentlichen ein Agrarland, es wurde aber rasch umgewandelt in ein Industrieland, viel rascher umgewandelt als irgendein anderes Gebiet der Erde.

Aber das war mit etwas anderem noch verknüpft. Man möchte sagen: In England hat sich der Übergang zu einer industriellen Auf­fassung. der Volkswirtschaft instinktiv herausgebildet; man wußte eigentlich gar nicht wie. Er ist gekommen wie ein Naturereignis. In Deutschland war zwar das Mittelalterliche im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts vorhanden - Deutschiand war ein Agrarstaat; aber während die äußeren wirtschaftlichen Verhältnisse in der Weise ver­liefen, daß man sie fast noch mittelalterlich nennen könnte, hat sich das menschliche Denken gründlich geändert. Ins Bewußtsein der Menschen ist eingezogen, daß da etwas anderes kommen muß, daß das eigentlich nicht mehr zeitgemäß ist, was vorhanden ist; und so hat sich das, was sich als Umbildung der wirtschaftlichen Verhältnisse im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts in Deutschiand ergeben hat, viel bewußter vollzogen als in England. Die Leute haben viel mehr ge­wußt in Deutschland - in England wußte man es gar nicht -, wie man hineingekommen ist in den modernen Kapitalismus. Würden Sie heute das, was man dazumal, ich möchte sagen, auseinandergesetzt hat, gesprochen hat über das Hineingehen in den Industrialismus, würden Sie das lesen, so würden Sie die Vorstellung bekommen: Ja, es ist merkwürdig, wie da die Leute in Deutschland gedacht haben. - Die Leute haben es geradezu als eine volle Menschenbefreiung angesehen -man hat das Liberalismus genannt, Demokratie genannt -, die Leute haben das geradezu angesehen wie das Heil der Menschheit, nun herauszukommen aus alten Bindungen, aus dem alten Korporations­wesen, und zu der völlig freien Stellung - wie man es nannte - des Menschen im wirtschaftlichen Leben überzugehen. Wir erblicken des-halb in England niemals eine Theorie über die Volkswirtschaft, wie sie etwa ausgebildet haben Leute, die ihre Bildung aus der Hochblüte

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dieser Zeit gezogen haben, die ich charakterisiert habe. Schmoller, Roscher und andere haben ihre Ansichten gezogen aus der Hochblüte dieser liberalistischen Volkswirtschaft. Mit vollem Bewußtsein haben sie aufgebaut, was durchaus in diesem Sinne aufgebaut war. Solch eine Volkswirtschaftslehre würde der Engländer fade gefunden haben. Man denkt doch über solche Dinge nicht nach, würde er gesagt haben. Daher betrachten Sie nur den radikalen Unterschied, wenn man in England - ich will bloß nehmen selbst solche Leute, die schon theore­tisch genug waren, wie Beaconsfield-, wenn sie gesprochen haben über solche Fragen, oder wenn in Deutschland gesprochen haben Richter, Lasker oder selbst Brentano. In Deutschland also ist man mit Bewußt­sein in diese zweite Periode eingezogen.

Dann kam die dritte Periode, die eigentliche staatliche Periode. Nicht wahr, als das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts heranrückte, da konsolidierte sich der deutsche Staat im Grunde genommen durch reine Machtmittel. Es konsolidierte sich nicht dasjenige, was die Idealisten von den achtundvierziger oder auch schon von den dreißiger Jahren an wollten, sondern da konsolidierte sich der Staat durch reine Machtmittel. Dieser Staat nahm auch nach und nach mit vollem Be­wußtsein das wirtschaftliche Leben für sich in Anspruch, so daß das wirtschaftliche Leben in seiner Struktur ganz durchsetzt wurde im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts von dem entgegengesetzten Prinzip als früher. Im zweiten Drittel hatte es sich entwickelt unter den libera­listischen Anschauungen, jetzt entwickelte es sich ganz unter den Anschauungen des Staatsprinzips. Das gab dem Wirtschaftsleben in Deutschland seine Gesamtsignatur; und zwar waren Bewußtseins-elemente in dieser ganzen Entwickelung drinnen. Und das Ganze war doch wiederum unbewußt.

Das Wichtigste war nun, daß ja dadurch, nicht etwa bloß im Den­ken, sondern im ganzen Wirtschaften selber, ein radikaler Gegensatz geschaffen war zwischen dem, was englische Wirtschaft war, und dem, was nun mitteleuropäische Wirtschaft war. Ja, aber auf diesem Gegen­satz beruhte es, wie man miteinander wirtschaftete. Die ganze Wirt­schaft des 19. Jahrhunderts, wie sie sich entwickelte ins 20. Jahr­hundert, wäre nicht denkbar gewesen ohne diesen Gegensatz des

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Westens und der europäischen Mitte: daß man so, wie man verkaufte, verkaufte, so, wie man Waren anbrachte, sie anbrachte, wie man sie fabrizierte, sie fabrizierte.

Und so hat sich allmählich herausgebildet die Möglichkeit der eng­lischen Wirtschaft auf Grundlage des Besitzes von Indien, und jetzt die Möglichkeit der Erweiterung des Wirtschaftens auf Grundlage des Gegensatzes zwischen westlicher und mitteleuropäischer Wirtschaft. Das Wirtschaftsleben beruht ja nicht auf demjenigen, was man so sieht in seiner allernächsten Umgebung, sondern auf den großen gegenseitigen Verhältnissen in der Welt draußen.

Mit diesem Gegensatz nun trat eben die Welt überhaupt in die Welt­wirtschaft dann ein und - konnte in die Weltwirtschaft nicht hinein. Denn sie beruhte eigentlich auf den instinktiven Elementen, die sich heraufentwickelt hatten und die ich eben angedeutet habe mit dem Gegensatz zwischen England und Mitteleuropa. Im 20. Jahrhundert stand man eigentlich - ohne daß die Welt es wußte, sie bemerkte nichts davon - davor, daß dieser Gegensatz immer aktueller und aktueller, immer tiefer und tiefer wurde. Der Gegensatz wurde immer aktueller und aktueller, immer tiefer und tiefer, und man stand vor der großen Frage : Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind aus diesen Gegen­sätzen heraus entwickelt, sie tragen diese Gegensätze immer mehr und mehr in die Zukunft hinein; aber zu gleicher Zeit, wenn die Gegen­sätze immer größer und größer wurden, konnte man nicht miteinander wirtschaften. Das war die große Frage des 20. Jahrhunderts - der Gegensatz hatte die Wirtschaft geschaffen, die Wirtschaft hatte den Gegensatz vergrößert, der Gegensatz bedurfte einer Lösung -, die Frage war dann: Wie löst man die Gegensätze? - Nun, die geschicht­liche Entwickelung hat gezeigt, daß die Menschen nicht imstande waren, die Frage zu lösen.

So wie ich jetzt gesprochen habe, hätte man sprechen können 1914 im Frieden. Dann ist statt einer Lösung gekommen das Ergebnis der Unfähigkeit, eine welthistorische Lösung zu finden. Das ist die Krank­heit, die da eintrat, wenn man die Sache von der wirtschaftlichen Seite anschaut.

Nun, auf Gegensätzen beruht im Grunde genommen die Möglichkeit

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aller Entwickelung. Ich will nur einen solchen Gegensatz nennen :

Dadurch, daß die englische Wirtschaft in viel früherer Zeit konsoli­diert worden. war als die mitteleuropäische, waren die Engländer nicht fähig, für gewisse Waren so billige Preise zu machen, wie das in Deutschland der Fall war, so daß der große Gegensatz der Konkurrenz entstand; denn das «Made in Germany » war eine Frage der Konkur­renz. Und als dann der Krieg vorbei war, da konnte die Frage ent­stehen : Ja, wie kann man jetzt, nachdem sich die Menschen zunächst die Köpfe eingeschlagen hatten, statt nach einer Lösung der Gegen­sätze zu suchen, wie kann man jetzt mit den Dingen fertig werden? Da mußte ich glauben, daß die Menschen zunächst gefunden werden müßten, die nun das verstehen sollten, was auf einem anderen Gebiet als Gegensätze geschaffen werden muß; denn das Leben beruht auf Gegensätzen und kann nur existieren, wenn Gegensätze da sind, die miteinander spielen. Und so konnte man 1919 darauf kommen, zu sagen : Also weise man auf die Gegensätze hin, nach denen eigentlich die welthistorische Entwickelung tendiert, auf die Gegensätze des Wirtschaftlichen, Rechtlich-Politischen und Geistig-Kulturellen, auf die Gegensätze der Dreigliederung.

Was war im Grunde genommen das Richtige an der Sache, daß man damals dachte, man müsse die Dreigliederung in möglichst viele Köpfe hineinbringen? Ich will heute nur äußerlich charakterisieren :

das Wichtigste war, daß man zunächst die Dreigliederung in mög­lichst viele Köpfe hineingebracht hätte, bevor die wirtschaftlichen Folgen aufgetreten sind, die seither eingetreten sind. Sie müssen be­denken : als die Dreigliederung zuerst genannt worden ist, standen wir noch nicht vor den Valutaschwierigkeiten von heute; im Gegenteil, wäre damals die Dreigliederung verstanden worden, so hätten sie nie kommen können. Aber wiederum stand man vor der Unmöglichkeit, daß die Menschen so etwas in wirklich praktischem Sinn verstanden. Man versuchte damals, die Dreigliederung verständlich zu machen, und dann fragten einen die Leute : Ja, das wäre alles schön, wir sehen es auch ein; aber das erste ist ja doch, daß wir dem Niedergang der Valuta entgegenarbeiten. - Ja man konnte den Leuten nur sagen : Das steckt ja in der Dreigliederung! Bequemt euch zu der Dreigliederung,

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sie ist das einzige Mittel, um gegen den Valutariedergang zu arbeiten! -Die Leute fragten gerade, wie man das macht, was doch gerade die Dreigliederung hätte treffen sollen. Sie verstanden also die Dreigliede­rung nicht, wenn sie das auch immer behaupteten.

Und so liegt heute die Sache so, daß man sagen muß : Spricht man heute wiederum zu Persönlichkeiten, wie Sie es sind, so kann man nicht mehr in denselben Formen sprechen wie dazumal, sondern heute ist eine andere Sprache notwendig. Und das ist das, was ich Ihnen jetzt in diesen Vorträgen hier geben möchte. Ich möchte Ihnen zeigen, wie man heute nun wiederum über die Fragen zu denken hat, nament­lich, wenn man jung ist und man noch mitwirken kann an dem, was sich einmal in den nächsten Zeiten gestalten muß.

So kann man auf der einen Seite eine Zeit charakterisieren, das 19. Jahrhundert, in weltgeschichtlichen, wirtschaftlichen Gegensätzen. Man könnte aber auch weiter zurückgehen und man umfaßt dann die Zeit, in der die Menschen angefangen haben über Nationalökonomie zu denken. Sie können, wenn Sie die Geschichte der National­ökonomie nehmen, sehen : früher ging alles instinktiv. Eigentlich kommt erst in der neueren Zeit jene Kompliziertheit des Wirtschafts­lebens herauf, in der man es für notwendig fühlt, über die Dinge zu denken.

Nun spreche ich eben eigentlich für Studenten, spreche eigentlich so, wie Studenten sich hineinfinden sollen in die Nationalökonomie. Deshalb möchte ich jetzt das Wesentlichste, worauf es heute an­kommt, sagen. Die Zeit, in der man über Nationalökonomie nach­denken sollte, war schon die Zeit, wo man nicht mehr die Gedanken hatte, um solch ein Gebiet zu umfassen, wie das volkswirtschaftliche Gebiet es ist. Man hatte einfach nicht mehr die Ideen dazu. Ich will Ihnen durch Heranziehen eines Beispieles aus der Naturwissenschaft zeigen, daß das so ist.

Die Sache ist so : Wir haben als Menschen unseren physischen Leib, der schwer ist, wie andere physische Körper schwer sind. Er wird schwerer nach einem Mittagsmahl sein, als er vor einem Mittagsmahl ist. Man könnte ihn sogar abwiegen. Das heißt, wir nehmen an der allgemeinen Schwere teil. Aber mit dieser Schwere, die die Eigenschaft

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alles ponderablen Stofflichen ist, könnten wir im menschlichen Leibe nicht viel anfangen; wir könnten höchstens als Automaten in der Welt herumgehen, nicht aber als bewußte Wesen. Ich habe es schon öfter gesagt, was man braucht, um sich Begriffe zu bilden, die einen Wert haben, habe öfter gesagt, was notwendig ist für den Men­schen zum Denken. Das menschliche Gehirn ist ungefähr 1400 Gramm schwer, wenn man es für sich wiegt. Wenn Sie diese 1400 Gramm auf die Adern drücken lassen, die da an der Schädeldecke unten sind, dann quetscht es diese tot. Sie könnten keinen Augenblick leben, wenn das menschliche Gehirn so wäre, daß es mit seinen ganzen 1400 Gramm daraufdrückte. Es ist schon ein Glück für den Menschen, daß das archimedische Prinzip besteht, daß jeder Körper im Wasser so viel an Gewicht verliert, als das Gewicht der Flüssigkeit beträgt, die er verdrängt. Wenn Sie also im Wasser einen schweren Körper haben, so verliert dieser ebensoviel von seinem Gewicht, als ein gleich großer Wasserkörper schwer ist. Das Gehirn schwimmt im Gehirn-wasser und verliert dabei 1380 Gramm; denn so viel ist das Gewicht des Wasserkörpers, der gleich groß ist wie das menschliche Gehirn. Das Gehirn drückt nur mit 20 Gramm auf die Grundlage, und das kann diese Grundlage ertragen. Aber wenn wir uns jetzt fragen : Wozu ist denn das? - dann müssen wir sagen : Mit einem Gehirn, das bloß ponderable Masse ist, könnten wir nicht denken. Wir denken nicht mit dem, was schwerer Stoff ist, sondern wir denken mit dem Auftrieb. Der Stoff muß erst seine Schwere verlieren, dann können wir denken. Wir denken mit dem, was wegffiegt von der Erde.

Wir sind uns aber im ganzen Körper bewußt. Wodurch werden wir uns denn in unserem ganzen Körper bewußt? In unserem ganzen Körper sind fünfundzwanzig Billionen roter Blutkörperchen. Diese fünfundzwanzig Billionen roter Blutkörperchen sind sehr klein; sie sind aber doch schwer, sind dadurch schwer, daß sie Eisen enthalten. Jedes dieser fünfundzwanzig Billionen roterBlutkörperchen schwimmt, schwimmt im Blutserum und verliert so viel an Gewicht, als es ver­drängt an Flüssigkeit. So daß wiederum in jedem einzelnen Blut­körperchen ein Auftrieb erzeugt wird, fünfundzwanzig Billionen Mal also erzeugt wird. In unserem ganzen Körper sind wir bewußt durch

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das, was heraufstößt. So daß wir sagen können : Wenn wir Nahrungs-mittel zu uns nehmen, so müssen diese zuerst zum großen Teil ent-schwert werden, umgewandelt werden, damit sie uns dienen können. Das ist die Anforderung des Organismus.

So zu denken und das als etwas Maßgebendes anzusehen, hat man verlernt in der Zeit, wo es notwendig geworden ist, nationalökono­misch zu denken. Von da ab rechnete man nur mit den ponderablen Stoffen, dachte man nicht daran, welche Umwandlung zum Beispiel in einem Organismus ein Stoff hinsichtlich seiner Schwere erfährt, indem er einen Auftrieb hat.

Aber noch etwas anderes. Wenn Sie sich an Ihre physikalischen Studien heute noch erinnern, so werden Sie ja wissen, man redet in der Physik vom Spektrum. Man erzeugt durch das Prisma dieses Farben-band: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett. So weit, vom Roten bis zum Violetten, erscheint das Spektrum beleuchtet. Sie wissen aber, daß angenommen werden vor dem Gebiet, das Licht-wirkungen hat, die sogenannten ultraroten Strahlen und jenseits des Violetten die ultravioletten Strahlen. Wenn also einer bloß vom Licht redet, so umfaßt er nicht das Ganze dieser Erscheinung; er muß davon reden, wie das Licht nach zwei Seiten hin polarisch umgeändert wird; er muß davon reden, daß außerhalb des Rot das Licht in die Wärme hinein versinkt und außerhalb des Violett in die chemischen Wirkungen. und eigentlich verschwindet als Licht. Wenn also einer eine bloße Lichtlehre gibt, so gibt er einen bloßen Ausschnitt; wir geben aber noch dazu eine falsche Lichtlehre. In derselben Zeit, in der man hätte anfangen sollen, über Nationalökonomie zu denken, war die Physik, das physikalische Denken in einem solchen Zustand, daß eine falsche Lichtlehre herausgekommen ist.

Dieses habe ich Ihnen angeführt aus dem Grunde, weil hier eine gültige Analogie besteht. Bitte, betrachten Sie die - nun nicht Volks­wirtschaft, sondern die Spatzenwirtschaft oder Schwalbenwirtschaft! Das ist ja auch eine Art von Wirtschaft; aber diese Wirtschaft im Tier­reich, die reicht nicht weit in das Menschenreich herauf. Beim Hamster können wir ja sogar von einem Tierkapitalismus reden. Das Wesent­liche der Tierwirtschaft besteht darin, daß die Natur die Produkte darbietet

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und sich das Tier als Einzeiwesen diese nimmt. Der Mensch ragt schon noch hinein in diese tierische Wirtschaft, aber er muß heraus aus ihr.

Diejenige Wirtschaft, von der man zunächst eigentlich als einer menschlichen Wirtschaft reden kann, ist zu vergleichen mit dem, was im Spektrum als Licht sichtbar ist, während wir das, was noch in die Natur hineinragt, vergleichen müssen mit dem, was ins Uhrarote hineinragt. Da ragen wir hinein zum Beispiel in das Gebiet der Land­wirtschaft, ragen hinein in das Gebiet der wirtschaftlichen Geographie und so weiter. Die Wirtschaftslehre können wir nach dieser Richtung nicht fest begrenzen. Die Wirtschaftslehre ragt hinein in ein Gebiet, das auf ganz andere Weise erfaßt werden muß. Das auf der einen Seite.

Auf der andern Seite aber ist man gerade unter unseren kompli­zierteren Wirtschaftsverhältnissen allmählich dazu gekommen, daß eigentlich wiederum das wirtschaftliche Denken dem Menschen ent­fällt. Geradeso wie das Licht aufhört, gegen das Ultraviolette hinein als Licht zu erscheinen, so hört das menschliche Wirken im Wirt­schaften auf, rein wirtschaftlich zu sein. Ich habe das öfters charakte­risiert, wie sich das zugetragen hat. Diese Erscheinung beginnt eigent­lich erst im 19. Jahrhundert. Bis dorthin ist das Wirtschaftsleben noch ziemlich abhängig von der einzelnen menschlichen Tüchtigkeit. Eine Bank gedieh, wenn ein einzelner an der Bank tüchtig war. Die einzelnen bedeuteten noch etwas. Ich habe öfters das niedliche Beispiel erzählt, wie einmal zu Rothschild gekommen ist ein abgesandter Minister des Königs von Frankreich. Er wollte dort einen Pump anlegen. Roth­schild verhandelte gerade mit einem Lederhändler und sagte, als ihm gemeldet wurde der Abgesandte des Königs von Frankreich : Nun, er solle ein bißchen warten. - Nun war der Mann furchtbar bedrückt. Er solle warten, drinnen ist ein Lederhändler! Als der Diener herauskam und das sagte, glaubte er es ihm gar nicht. Ja, sagen Sie drinnen dem Herrn Rothschild, daß ich als Abgesandter des Königs von Frankreich komme! - Der Diener brachte die Antwort : Ja, Sie sollen warten. -Da springt er hinein und sagt : Ich bin der Abgesandte des Königs von Frankreich. - Rothschild antwortet : Bitte, setzen Sie sich, nehmen Sie

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sich einen Stuhl! - Ja, ich bin der Abgesandte des Königs von Frank­reich! - Bitte, nehmen Sie sich zwei Stühle!

Ja, es war das, was damals geschah im Wirtschaftsleben, bewußt in die menschliche Persönlichkeit gestellt. Aber es ist anders geworden. Es ist so geworden, daß heute von der einzelnen Persönlichkeit im Großen des Wirtschaftslebens ungemein wenig abhängt. Das mensch­liche wirtschaftliche Wirken ist schon sehr stark hineingegangen in dieses, was ich vergleichen möchte mit dem Ultraviolett. Und das ist dasjenige, was als Kapital als solches arbeitet. Die Kapitalmassen arbeiten als solche. Es liegt über dem wirtschaftlichen ein ultrawirt­schaftliches Leben, was im wesentlichen bedingt ist von der Eigen-kraft der Kapitalmas sen, so daß wir sagen müssen : Wollen wir heute wirklich das wirtschaftliche Leben begreifen, so müssen wir es so an­sehen, daß es in der Mitte liegt zwischen zwei Gebieten, wovon das eine in die Natur hinunter und das andere in das Kapital hinauf führt. Und dazwischen liegt das, was wir als das eigentliche wirtschaftliche Leben zu erfassen haben.

Aber daraus geht ja hervor, daß man nicht einmal den Begriff hatte, um die Wirtschaftslehre selbst richtig einzugrenzen, richtig hinein-zustellen in das gesamte Wissen. Denn wir werden es sehen : kurioser-weise ist nur dieses Gebiet, was noch nicht in das Wirtschaften eigent­lich hineingeht, was sich mit dem Ultraroten vergleichen läßt, nur dieses ist mit dem menschlichen Verstand zu fassen. Man kann nach­denken wie über andere Prozesse : Wie man Hafer baut, wie man Gerste baut und so weiter, wie man die Rohprodukte am besten zutage fördert im Bergbau. Man kann im Grunde genommen nur über dieses mit dem Verstand richtig denken, den man gewohnt worden ist in der Wissenschaft der neueren Zeit anzuwenden.

Das ist von einer immensen Bedeutung! Denn denken Sie nur doch zurück an das, was ich gegeben habe als den Begriff, den man braucht in der Wissenschaft. Wir genießen als Nahrungsmittel schwere Stoffe. Daß sie uns dienen können, beruht darauf, daß sie fortwährend ihr Gewicht verlieren in uns, daß sie sich also total umändern. Das geht aber so weit, daß sie sich in jedem Organ anders umändern. In der Leber ist eine andere Umänderung als im Gehirn oder in der Lunge.

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Der Organismus ist differenziert und die Verhältnisse werden für jeden Stoff in jedem Organ anders. Wir haben eine fortwährende Änderung der Qualität in der Änderung der Organe.

So ist es ungefähr, wenn wir reden innerhalb eines volkswirtschaft­lichen Ganzen, sagen wir von dem Wert einer Ware. Geradeso wie es Unsinn ist, irgendeinen Stoff, sagen wir als Kohlenstoff zu definieren und dann zu fragen: Wie benimmt er sich im menschlichen Körper? -der Kohlenstoff wird bis auf seine Ponderabllität etwas ganz anderes, als er da oder dort in der Außenwelt ist - ebensowenig kann man nach dem Wert einer Ware fragen. Dieser ist ein anderer, ob die Ware in einem Laden liegt oder ob sie da- oder dorthin transportiert ist.

Die Ideen der Volkswirtschaft müssen ganz beweglich sein. Wir müssen uns abgewöhnen, solche Begriffe zu konstruieren, die man definieren kann. Es muß uns klar sein, daß wir es mit einem lebendigen Prozeß zu tun haben und daß wir die Begriffe im lebendigen Prozeß umformen müssen. Nun versuchte man aber gerade, Wert, Preis, Pro­duktion, Konsumtion und so weiter mit den Ideen zu erfassen, die man hatte. Aber die taugten nichts. Daher haben wir im Grunde eine Volkswirtschaftslehre nicht erringen können. Wir können nicht mit den Begriffen, die wir gewohnt worden sind, zum Beispiel die Frage : Was ist Wert, was ist Preis? - beantworten; denn wir müssen das, was Wert hat, fortwährend in Zirkulation betrachten, wir müssen den Preis, der einem Wert entspricht, in fortwährender Zirkulation be­trachten. Und sehen Sie, wenn Sie fragen nach der einfachen physika­lischen Eigenschaft des Kohlenstoffes, so werden Sie gar nichts wissen von dem, was zum Beispiel in der Lunge vorgeht, obwohl er auch in der Lunge ist, weil die ganze Konfiguration eben etwas ganz anderes wird in der Lunge. So ist das Eisen, wenn Sie es im Bergwerk finden, etwas ganz anderes als im volkswirtschaftlichen Prozeß. Die Volks­wirtschaft geht auf etwas ganz anderes, als daß es Eisen «ist». Aber mit solch labilen Faktoren muß gerechnet werden.

Ich kam einmal in eine Familie vor etwa fünfundvierzig Jahren. Da zeigte man mir ein Bild. Das Bild, das lag, ich glaube, dreißig Jahre auf dem Boden. Solange es da gelegen hat und kein Mensch da war, der etwas anderes von dem Bild gewußt hat, als daß es so etwas ist,

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das in eine Ecke geschmissen worden ist, war es im volkswirtschaft­lichen Prozeß nichts wert; als man aber erkannt hat, daß es wertvoll ist, war es dreißigtausend Gulden wert - und dreißigtausend Gulden waren damals viel. Wovon hing der Wert dazumal ab? Lediglich von dem, was für eine Ansicht man von dem Bilde gewann. Das Bild war nicht von seinem Otte weggebracht worden; nur die Menschen haben andere Gedanken darüber gekriegt. So kommt es bei nichts darauf an, was es «ist» unmittelbar. Und gerade die volkswirtschaftlichen Be­griffe können Sie nie in Anlehnung an die äußere Realität entwickeln, sondern Sie müssen sie immer in Anlehnung an den volkswirtschaft­lichen Prozeß entwickeln. Und innerhalb eines Prozesses ändert sich ein Ding fortwährend. Man muß also sprechen von der volkswirt­schaftlichen Zirkulation, bevor man auf solche Dinge kommt, wie Wert, Preis und so weiter. Nun sehen Sie in Volkswirtschaftslehren von heute, daß man mit Definitionen von Wert und Preis beginnt. Das erste ist aber die Darstellung des volkswirtschaftlichen Prozesses; dann erst ergeben sich die Dinge, mit denen man heute die Sache anfängt.

Und nun, im Jahre 1919 konnte man denken, weil alles im Grunde genommen zerstört war, daß die Leute gesehen haben wurden, daß man mit etwas Frischem anfangen muß. Nun, es war nicht der Fall. Die geringe Anzahl von Menschen, die dazumal daran glaubten, daß man neu anfangen muß, sind auch sehr bald in die Bequemlichkeit verfallen : Man kann ja doch nichts machen. - Mittlerweile trat die große Kalamität ein, die Valutaentwertung in den östlichen und mittleren Gegenden, und damit eine vollständige Umwälzung der Menschenschichtung; denn mit jeder weiteren Entwertung muß selbst­verständlich derjenige, der von dem lebt, was mit Ultraviolett ver­glichen worden ist, verarmen. Und das geschieht auch, vielleicht mehr, als man es heute schon bemerkt. Das wird vollständig geschehen. Daher wird man vor allen Dingen hier gewiesen an den Begriff des sozialen Organismus, aus dem Grunde, weil sich ja zeigt, daß die Valutaentwertung durch die alte Staatsbegrenzung bestimmt wird. Die alte Staatsbegrenzung greift also ein in den volkswirtschaftlichen Prozeß. Diesen muß man begreifen, aber man muß erst den sozialen

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Organismus verstehen. Aber all die Nationalökonomien, von Adam Smith angefangen bis herauf zu den neuesten, rechnen eigentlich mit kleinen Gebieten als sozialen Organismen. Sie beachten da nicht ein­mal, daß, wenn man schon eine bloße Analogie wählt, diese stimmen muß. Die Menschen beachten gar nicht, daß sie stimmen muß. Haben

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Sie schon einen wirklichen ausgewachsenen Organis­mus gesehen, der so ist : Hier ist zum Beispiel ein Mensch, hier ist der zweite Mensch, hier ist der dritte Mensch und so weiter. Es waren niedliche Menschen-Organismen, die in solcher Weise aneinanderkleben würden; das gibt es doch bei ausgewachsenen Orga­nismen nicht. Das ist aber doch bei den Staaten der Fall. Organismen brauchen die Leere um sich herum bis zu dem anderen Organismus. Das, womit Sie die einzelnen Staaten vergleichen können, sind höchstens die Zellen des Organismus, und Sie können nur die ganze Erde als Wirtschaftskörper mit einem Organismus ver­gleichen. Das müßte beachtet werden. Das ist mit Händen zu greifen, seit wir Weltwirtschaft haben, daß wir die einzelnen Staaten nur mit Zellen vergleichen können. Die ganze Erde, als Wirtschaftsorganis­mus gedacht, ist der soziale Organismus.

Das wird nirgends ins Auge gefaßt. Denn die gesamte Volkswirt­schaftslehre ist gerade dadurch hineingewachsen in etwas, was nicht der Wirklichkeit entspricht, weil man Prinzipien aufstellen will, die für eine einzelne Zelle gelten sollen. Daher finden Sie, wenn Sie die französische Volkswirtschaftslehre studieren, eine andere Konstitu­tion, als wenn Sie die englische, die deutsche oder andere Volkswirt­schaftslehren studieren. Aber als Volkswirtschafter brauchen wir schon ein Verständnis für den gesamten sozialen Organismus.

Und das wollte ich Ihnen heute als Einleitung sagen.

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ZWEITER VORTRAG Dornach, 25. Juli 1922

Es werden die ersten Begriffe, Anschauungen, die wir zu entwickeln haben gerade auf volkswirtschaftlichem Gebiete, etwas kompliziert sein müssen, und das aus einem ganz sachlichen Grunde. Sie müssen sich vorstellen, daß die Volkswirtschaft, auch wenn wir sie als Welt-wirtschaft auffassen, in einer fortwährenden Bewegung ist, daß, ich möchte sagen, wie das Blut durch den Menschen, so die Güter als Waren auf allen möglichen Wegen durch den ganzen volkswirtschaft­lichen Körper hindurchfließen. Dabei haben wir dann als die wichtig­sten Dinge innerhalb dieses volkswirtschaftlichen Prozesses aufzufas­sen dasjenige, was sich abspielt zwischen Kauf und Verkau£ Wenig­stens muß das für die heutige Volkswirtschaft gelten. Was auch immer sonst vorliegen mag - und wir werden ja die verschiedensten Impulse, die im volkswirtschaftlichen Körper enthalten sind, zu besprechen haben -, was aber auch immer vorliegen mag: die Volkswirtschaft als solche kommt an den Menschen heran, wenn er irgend etwas zu ver­kaufen oder zu kaufrn hat. Was sich zwischen Käufer und Verkäufer abspielt, ist das, wonach schließlich alles instinktive Denken über die Volkswirtschaft jedes naiven Menschen abzielt, gipfelt, und worauf im Grunde genommen alles ankommt.

Nun, nehmen Sie nur einmal dasjenige, was da sich geltend macht, wenn innerhalb der volkswirtschaftlichen Zirkulation Kauf und Ver­kauf in Betracht kommen. Das, worauf es dem Menschen ankommt, das ist der Preis irgendeiner Ware, irgendeines Gutes. Die Preisfrage ist überhaupt zuletzt diejenige Frage, auf die die wichtigsten volks­wirtschaftlichen Auseinandersetzungen hinauslaufen müssen; denn im Preis gipfelt alles, was in der Volkswirtschaft eigentlich an Impulsen, an Kräften tätig ist. Wir werden also gewissermaßen zuerst das Preisproblem ins Auge zu fassen haben; aber das Preisproblem ist kein außerordentlich einfaches. Sie brauchen ja nur an den einfachsten Fall zu denken: Wir haben an einem Orte, A, irgendeine Ware, die hat an diesem Orte A einen bestimmten Preis; sie wird dort nicht gekauft, sie

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wird weitergefahren. Es muß angestrebt werden, daß dann zu dem Preis hinzukommt dasjenige, was notwendig war, an Frachtgut zu bezahlen bis zum zweiten Orte, B. Der Preis ändert sich während der Zirkulation. Das ist der einfachste, ich möchte sagen der platteste Fall. Aber es gibt ja natürlich viel kompliziertere Fälle.

Nehmen Sie an, sagen wir, ein Haus in einer größeren Stadt kostet zu irgendeiner Zeit so und so viel. Nach fünfzehn Jahren kostet das­selbe Haus vielleicht sechs- oder achtmal so viel. Und dabei brauchen wir gar nicht, indem wir von dieser Preiserhöhung sprechen, daran zu denken, daß etwa die Hauptsache in der Geldentwertung liege. Das wollen wir gar nicht annehmen. Die Preiserhöhung kann einfach darin liegen, daß mittlerweile viele andere Häuser ringsherum gebaut wor­den sind, in der Nähe andere Gebäude liegen, die den Wert des Hauses besonders erhöhen. Es kann durchaus in zehn, fünfzehn anderen Um­ständen liegen, daß dieses Haus im Preis erhöht worden ist. Wir sind niemals eigentlich in der Lage, im einzelnen Falle etwas Generelles zu sagen, etwa zu sagen: Bei Häusern oder bei Eisenwaren oder bei Getreide liegt vor die Möglichkeit, für irgendeinen Ort eindeutig aus irgendwelchen Bedingungen heraus den Preis zu bestimmen. - Wir können zunächst eigentlich nicht einmal viel mehr sagen als: Wir müssen beobachten, wie der Preis schwankt mit dem Ort, mit der Zeit. - Und wir können einzelne von den Bedingungen vielleicht ver­folgen, durch die an einem konkreten Orte der Preis sich gerade herausstellt in der Weise, wie er ist. Aber eine allgemeine Definition, wie der Preis sich irgendwie zusammensetzt, die kann es nicht geben, die ist eigentlich unmöglich. Daher muß es immer wieder und wieder­um überraschen, daß wir in gebräuchlichen nationalökonomischen Werken so über den Preis gesprochen finden, als ob man den Preis definieren könne. Man kann ihn nicht definieren; denn der Preis ist überall ein konkreter, und mit jeder Definition hat man gerade bei volkswirtschaftlichen Dingen eigentlich etwas gegeben, das nicht ein­mal annähernd irgendwie an die Sache herankommt.

Ich habe zum Beispiel einmal den Fall erlebt: In einer Gegend sind die Grundstücke recht billig. Eine Gesellschaft hat in ihrer Mitte einen ziemlich berühmten Mann. Diese Gesellschaft kauft sich nun

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sämtlich die billigen Grundstücke und veranlaßt dann den berühmten Mann, in dieser Gegend sich ein Haus zu bauen. Dann werden die Grundstücke ausgeboten. Sie sind um wesentlich teureres Geld aus­zubieten, als sie gekauft worden sind, bloß dadurch, daß man den berühmten Mann veranlaßt hat, sich dort ein Haus hinzubauen.

Das sind Dinge, die Ihnen zeigen, von welchen unbestimmten Be­dingungen der Preis einer Sache im volkswirtschaftlichen Prozeß ab­hängt. Sie können nun natürlich sagen: Ja, aber solchen Dingen muß man steuern. - Bodenreformer und ähnliche Leute stemmen sich gegen solche Dinge, wollen in einer gewissen Weise eine Art gerechten Preises für die Dinge feststellen durch allerlei Maßregeln. Das kann man; aber volkswirtschaftlich gedacht, wird dadurch der Preis nicht geändert. Man kann zum Beispiel, sagen wir, wenn so etwas geschieht und dann die Grundstücke teurer verkauft werden, man kann den Leuten das Geld wiederum in Form einer hohen Grundsteuer ab­nehmen. Dann steckt der Staat dasjenige, was abfällt, ein. Die Wirk­lichkeit hat man aber damit doch nicht ergriffen. In Wirklichkeit ist die Sache dennoch teurer geworden. Sie können also Gegenmaßregeln ergreifen, die kaschieren aber nur die Sache. Der Preis ist doch der­jenige, der er geworden wäre ohne diese Maßregeln. Man macht nur eine Umlagerung; und volkswirtschaftlich gedacht ist das nicht, wenn man dann sagt, die Grundstücke sind nach zehn Jahren nicht teurer geworden, wenn man durch Maßregeln die Sache kaschiert hat. Es handelt sich darum, daß Volkswirtschaft mit beiden Beinen eben in der Wirklichkeit stehen muß, und man in der Volkswirtschaft immer nur sprechen kann von den Verhältnissen, die gerade in einem Zeit­alter und gerade dort sind, wo man spricht. Daß die Dinge anders sein können, das wird sich natürlich dann für den ergeben, der den Fortschritt der Menschheit will; aber zunächst müssen die Dinge in ihrer augenblicklichen Wirklichkeit betrachtet werden. Daraus er­sehen Sie, wie unmöglich es eigentlich ist, heranzugehen an so etwas, wie an den allerwichtigsten Begriff in der Volkswirtschaft: den Preis, und diesen Preis mit einem scharf konturierten Begriff erfassen zu wollen. So kann man nicht in der Volkswirtschaftslehre zu etwas kommen. Es müssen eben durchaus andere Wege eingeschlagen

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werden. Der volkswirtschaftliche Prozeß selbst muß betrachtet werden.

Trotzdem ist das Preisproblem das allerwichtigste, und wir müssen auf dieses Preisproblem hinsteuern, müssen also den volkswirtschaft­lichen Prozeß ins Auge fassen und versuchen, gewissermaßen zu er­haschen den Punkt, wo irgendwo oder irgendwann der Preis sich aus den volkswirtschaftlichen Untergründen heraus für irgendeine Sache ergibt.

Wenn Sie nun die gebräuchlichen Volkswirtschaftslehren verfolgen, so finden Sie gewöhnlich dort drei Faktoren verzeichnet, durch deren Ineinanderwirken die gesamte Volkswirtschaft sich abspielen soll. Sie finden verzeichnet: die Natur, die menschliche Arbeit und das Kapital. Gewiß, man kann zunächst sagen: Wenn man den Volkswirtschafts­prozeß verfolgt, so findet man im Verlaufe desselben dasjenige, was von der Natur stammt, dasjenige, was durch menschliche Arbeit er­reicht, und dasjenige, was unternommen wird oder geotdnet wird durch das Kapital. Aber wenn man so, ich möchte sagen, einfach nebeneinander betrachtet Natur, Arbeit und Kapital, so wird man nicht lebendig den volkswirtschaftlichen Prozeß erfassen. Man wird gerade durch eine solche Betrachtung zu den mannigfaltigsten Ein­seitigkeiten geführt werden. Und das zeigt ja die Geschichte derVolks­wirtschaftslehre. Während die einen meinen, aller Wert liege in der Natur und eigentlich käme kein besonderer Wert zu dem Stoffe der Naturobjekte hinzu durch die menschliche Arbeit, sind andere der Ansicht, daß eigentlich aller volkswirtschaftliche Wert aufgedrückt wird irgendeinem Gut, einer Ware, durch die, wie man wohl auch sagt, hineinkristallisierte Arbeit. Wiederum, in dem Augenblick, wo Sie Kapital und Arbeit nebeneinanderstellen, werden Sie auf der einen Seite finden, daß die Leute sagen, eigentlich ist es das Kapital, welches die Arbeit einzig und allein möglich macht, und der Arbeitslohn werde gezahlt aus der Kapitalmasse. Auf der anderen Seite wird ge­sagt: Nein, alles dasjenige, was Werte produziert, das ist die Arbeit, und das, was das Kapital erringt, ist nur der aus dem Arbeitsergebnis abgezogene Mehrwert.

Die Sache ist so: Betrachtet man von dem einen Gesichtspunkt die

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Dinge, so hat der eine recht; betrachtet man sie von dem anderen Gesichtspunkt, so hat der andere recht. Es kommt einem eine solche Betrachtung der Realität gegenüber eigentlich wirklich vor wie manche Buchhaltung: Setzt man den Posten da hin, kommt das heraus; setzt man ihn dort hin, kommt das heraus und so weiter. Man kann ganz gut mit sehr starken Scheingründen von Mehrwert sprechen, der eigentlich dem Arbeitslohn abgezogen ist und den sich der Kapitalist aneignet. Man kann mit ebenso guten Gründen davon sprechen, daß eigentlich im volkswirtschaftlichen Zusammenhange dem Kapitalisten alles gebührt und er nur aus dem, was er zum Arbeitslohn verwenden kann, eben seine Arbeiter bezahlt. Für beides gibt es sehr gute und auch sehr schlechte Gründe. Alle diese Betrachtungen können nämlich eigentlich durchaus nicht an die volkswirtschaftliche Wirklichkeit herankommen. Diese Betrachtungen sind gut als Grundlagen für Agitationen, aber sie sind durchaus nicht etwas irgendwie in der ernsten Volkswirtschaftslehre in Betracht Kommendes. Andere Grund­lagen müssen zuerst da sein, wenn man überhaupt mit einem gewissen Recht von einer Fortentwickelung des volkswirtschaftlichen Orga­nismus sprechen will. Nun, natürlich, bis zu einem gewissen Grade sind alle solche Aufstellungen schon berechtigt; und wenn Adam Smith zum Beispiel in der Arbeit, die verwendet ist auf die Dinge, den eigentlich wertbildenden Urfaktor sieht, so kann man eben auch dafür außerordentlich gute Gründe vorbringen. Solch ein Mann wie Adam Smith hat schon nicht unsinnig gedacht; aber dasjenige, was auch da zugrunde liegt, ist, daß man immer meint, man könne irgend etwas, was stilisteht, erfassen und dann eine Definition geben, während im volkswirtschaftlichen Prozeß alles fortwährend in Bewegung ist. Es ist verhältnismäßig einfach, über Naturerscheinungen Begriffe auf-zustellen, selbst über die kompliziertesten, gegenüber denjenigen An­schauungen, die man braucht für eine Volkswirtschaftslehre. Un­endlich viel komplizierter, labiler, variabler sind die Erscheinungen in der Volkswirtschaft als die in der Natur, viel fluktuierender, viel weniger zu erfassen mit irgendwelchen bestimmten Begriffen.

Man muß eben eine ganz andere Methode einschlagen. Diese Me­thode wird Ihnen nur schwierig sein in den allerersten Stunden; Sie

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werden aber sehen, daß sich daraus ergeben wird, was man einer wirk­lichen Volkswirtschaftslehre zugrunde legen kann. Man kann sagen:

In diesen volkswirtschaftlichen Prozeß, den man ins Auge zu fassen hat, laufen ein Natur, menschliche Arbeit und - also zunächst, wenn man auf das rein Äußere der Volkswirtschaft hinsieht - Kapital. Zunächst!

Nun aber, wenn wir gleich auf das Mittlere schauen, auf die mensch­liche Arbeit, versuchen wir uns eine Anschauung zu bilden dadurch, daß wir einmal heruntergehen - ich habe schon gestern solche An­deutungen gemacht - ins Feld des Tierischen und uns statt der Volks­wirtschaft die Spatzenwirtschaft, die Schwalbenwirtschaft ansehen. Ja, da ist die Natur die Grundlage für die Wirtschaft. Der Spatz muß auch eine Art von Arbeit verrichten. Er muß mindestens herumhüpfen und dorthin hüpfen, wo er sein Körnlein findet, und er hat manchmal gar sehr viel zu hüpfen im Tag, bis er sein Körniein findet. Die Schwalbe, die ihr Nest baut, muß auch eine Art Arbeit verrichten. Sie hat auch damit sehr viel zu tun. Dennoch, im volkswirtschaftlichen Sinn kön­nen wir das nicht Arbeit nennen. Wir kommen nicht weiter mit volks­wirtschaftlichen Anschauungen, wenn wir das Arbeit nennen; denn, sehen wir genauer zu, so müssen wir sagen: Der Spatz, die Schwalbe sind eigentlich genau so organisiert, daß sie die Dinge, die sie ge­wissermaßen, um ihr Futter zu finden, ausführen müssen, daß sie gerade diese ausführen. Sie würden gar nicht gesund sein können, wenn sie sich nicht in dieser Weise bewegen könnten. Es ist eine Fort­setzung ihrer Organisation, die zu ihnen gehört, wie sie Beine haben oder Flügel haben. So daß wir in diesem Fall eigentlich durchaus von dem, was man hier eine Scheinarbeit nennen könnte, absehen können, wenn wir volkswirtschaftliche Begriffe aufbauen wollen. Wo die Natur unmittelbar genommen wird und das einzelne Wesen, bloß um sich oder die Allernächsten zu befriedigen, die entsprechenden Schein-arbeiten ausführt, da müssen wir diese Scheinarbeiten eigentlich dann abziehen, wenn wir bestimmen wollen dasjenige, was im volkswirt­schaftlichen Sinne Wert ist, ein Wert ist. Und darum handelt es sich zunächst, daß wir uns nähern einer Anschauung über den volkswirt­schaftlichen Wert.

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Wenn wir also in der Tierwirtschaft Umschau halten, so können wir nur sagen: Diese ist so, daß wertbildend für sie lediglich die Natur selber ist. Wertbildend ist für die Tierwirtschaft lediglich die Natur selber. Nun aber, in dem Augenblick, wo wir zum Menschen, das heißt zur Volkswirtschaft heraufkommen, haben wir allerdings von der Naturseite her den Ausgangspunkt des Naturwertes; aber in dem Augenblick, wo Menschen nicht bloß für sich oder ihre Allernächsten sorgen, sondern füreinander sorgen, kommt nun allerdings sofort das­jenige in Betracht, was menschliche Arbeit ist. Auch dasjenige, was der Mensch nun tun muß in dem Augenblick, wo er nicht bloß die Naturprodukte für sich verwendet, sondern wo er mit andern Men­schen in irgendwelcher Beziehung steht und austauscht mit ihnen Güter, wird dasjenige, was er tut, der Natur gegenüber zur Arbeit. Und wir haben hier die eine Seite des Wertes in der Volkswirtschaft. Diese eine Seite entsteht dadurch, daß auf Naturprodukte menschliche Arbeit verwendet wird, und wir in der volkswirtschaftlichen Zirkula­tion Naturprodukte umgeändert durch menschliche Arbeit vor uns haben. Da entsteht eigentlich erst ein wirklicher volkswirtschaftlicher Wert. Solange das Naturprodukt an seiner Fundstelle ist, unberührt, solange hat es keinen anderen Wert als denjenigen, den es auch zum Beispiel für das Tier hat. In dem Augenblick, wo Sie den ersten Schritt machen, das Naturprodukt hineinzufügen in den volkswirtschaftlichen Zirkulationsprozeß, beginnt durch das umgeänderte Naturprodukt der volkswirtschaftliche Wert. In diesem Falle können wir diesen volkswirtschaftlichen Wert dadurch charakterisieren, daß wir den Satz aussprechen: Volkswirtschaftlicher Wert von dieser einen Seite ist Naturprodukt, umgewandelt durch menschliche Arbeit. - Ob diese menschliche Arbeit darinnen besteht, daß wir graben, daß wir hacken oder daß wir das Naturprodukt von einem Ort zum anderen bringen, das tut nichts zur Sache. Wenn wir zunächst die Wertbestimmung im allgemeinen haben wollen, so müssen wir sagen: Wertbildend ist die menschliche Arbeit, die ein Naturprodukt so verändert, daß es in den volkswirtschaftlichen Zirkulationsprozeß übergehen kann.

Wenn Sie das ins Auge fassen, dann werden Sie gleich haben das ganz Fluktuierende des Wertes eines in der Volkswirtschaft zirkulie­renden

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Gutes. Denn die Arbeit ist ja etwas fortwährend Vorhandenes, die verwendet wird auf das volkswirtschaftliche Gut. So daß Sie eigent­lich gar nicht sagen können, was Wert ist, sondern nur sagen können:

Der Wert erscheint an einer bestimmten Stelle in einer bestimmten Zeit, indem menschliche Arbeit ein Naturprodukt umwandelt. - Da erscheint der Wert. Wir können und wollen den Wert zunächst gar nicht definieren, sondern wollen nur hindeuten auf die Stelle, wo der Wert erscheint. Das möchte ich Ihnen schematisch darstellen, möchte es Ihnen so schematisch darstellen, daß ich Ihnen sage: Wir haben gewissermaßen im Hintergrunde die Natur (siehe Zeichnung 2, links); und wir haben an die Natur herankommend die menschliche Arbeit;

#Bild s. 30

und dasjenige, was gleichsam durch das Ineinanderwirken von Natur und menschlicher Arbeit erscheint, was da sichtbar wird, das ist von der einen Seite her der Wert. Es ist durchaus kein falsches Bild, wenn Sie sich zum Beispiel sagen: Sie schauen sich eine schwarze Fläche, irgend etwas Schwarzes an durch irgend etwas Helles - Sie sehen es blau. Aber je nachdem das Helle dick oder dünn ist, ist es verschieden blau. Je nachdem Sie es verschieben, ist es verschieden dicht. Es ist fluktuierend. So ist der Wert in der Volkswirtschaft, der eigentlich

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nichts anderes ist als die Erscheinung der Natur durch die menschliche Arbeit hindurch, überall fluktuierend.

Wir gewinnen mit diesen Dingen zunächst nicht viel anderes als einige abstrakte Hinweise; aber diese werden uns in den nächsten Tagen orientierend sein, um die konkreten Dinge aufzusuchen. Nun, Sie sind es ja gewohnt, man fangt doch in allen Wissenschaften an mit demjenigen, was zunächst das allereinfachste ist. Sehen Sie, Arbeit an sich hat eben gar keine Bestimmung im volkswirtschaftlichen Zu­sammenhang. Denn, ob ein Mensch Holz hackt oder sich auf ein Rad stellt, es gibt solche, weil er dick ist und immer von der einen Stufe zu der anderen steigt - sie geht hinunter - und er sich dadurch dünner macht: er kann dasselbe Quantum Arbeit leisten wie der, der Holz hackt. Arbeit so betrachtet, wie sie zum Beispiel Marx betrachtet, daß er sagt, man solle als Äquivalent suchen dasjenige, was aufgebraucht wird durch die Arbeit am menschlichen Organismus, das ist ein kolossaler Unsinn; denn aufgebraucht wird dasselbe, wenn der Mensch da auf dem Rad hinauftanzt, wie wenn er Holz hackt. Es kommt nicht darauf an im volkswirtschaftlichen Sinn, was am Men­schen geschieht. Wir haben ja gesehen, daß die Volkswirtschaft an Unvolkswirtschaftliches angrenzt. Rein volkswirtschaftlich betrachtet, hat es keine Berechtigung, irgendwie darauf hinzuweisen, daß die Arbeit - wenigstens zunächst, um den Begriff der Arbeit volkswirt­schaftlich hinzustellen - den Menschen abnützt. Es hat in einem mittelbaren Sinn Bedeutung, weil man wiederum für die Bedürfnisse des Menschen sorgen muß. Wie Marx die Betrachtungen angestellt hat, hat man es zu tun mit einem kolossalen Unsinn.

Nun, was ist da notwendig, um die Arbeit im volkswirtschaftlichen Prozeß zu erfassen? Da ist notwendig, daß man ganz vom Menschen zunächst absieht und hinsieht, wie sich in den volkswirtschaftlichen Prozeß die Arbeit hineinstellt. Die Arbeit an einem solchen Rad stellt sich gar nicht herein, die bleibt ganz am Menschen haften; das Holz-hacken stellt sich hinein in den volkswirtschaftlichen Prozeß. Ganz allein darauf kommt es an wie sich die Arbeit in den volkswirtschaft­lichen Prozeß hineinstellt. Und hier handelt es sich eigentlich für alles, was in Betracht kommt, darum, daß die Natur überall verändert wird

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durch die menschliche Arbeit. Und nur insofern, als die Natur ver­ändert wird durch die menschliche Arbeit, erzeugen wir volkswirt­schaftliche Werte nach dieser einen Seite. Wenn wir zum Beispiel, sagen wir, es zu unserer leiblichen Gesundheit richtig finden, an der Natur zu arbeiten und dazwischen drinnen immer einmal ein bißchen herumzutanzen oder Eurythmie zu treiben, so kann das von einem anderen Standpunkte aus beurteilt werden; aber dasjenige, was wir dazwischen tun, darf nicht als volkswirtschaftliche Arbeit bezeichnet werden und nicht für irgendwie volkswirtschaftlich wertbildend an­gesehen werden. Von anderer Seite aus kann es wertbildend sein; aber wir müssen uns erst die reinlichen Begriffe bilden von den volkswirt­schaftlichen Werten als solchen.

Nun gibt es aber noch eine ganz andere Möglichkeit, daß ein volks­wirtschaftlicher Wert entsteht. Das ist diese, daß wir auf die Arbeit als solche hinsehen und nun die Arbeit zunächst als etwas Gegebenes nehmen. Dann ist ja, wie Sie eben jetzt gesehen haben, diese Arbeit zunächst etwas volkswirtschaftlich ganz Neutrales, Irrelevantes. Sie wird aber in jedem Fall volkswirtschaftlich werterzeugend, wenn wir diese Arbeit durch den Geist, die Intelligenz des Menschen dirigieren -ich muß da etwas anders sprechen als vorhin. Sie könnten selbst in den extremsten Fällen denken, daß etwas, was sonst gar nicht Arbeit ist, durch den Geist des Menschen in Arbeit umgewandelt wird. Wenn es einem einfällt, wenn einer jenes Rad benützt, es in sein Zimmer stellt und magerer werden will, so ist da kein volkswirtschaftlicher Wert vorhanden. Wenn aber einer ein Seil heruuu:ieht um das Rad und dieses Seil irgendwie eingreift, um eine Maschine zu treiben, so haben Sie durch den Geist dasjenige, was gar keine Arbeit ist, verwertet. Der Nebeneffekt ist der, daß der schon magerer wird; aber das, was hier eigentlich das Maßgebende ist, ist, daß die Arbeit durch den Geist, durch die Intelligenz, durch die Überlegung, vielleicht auch durch die Spekulation in eine gewisse Richtung gebracht wird, daß die Arbeiten in gewisse Wechselwirkungen gebracht werden und so weiter. So daß wir sagen können: Hier haben wir die zweite Seite des Wertbildenden in der Volkswirtschaft. Da, wo die Arbeit im Hintergrunde steht und der Geist vorne die Arbeit dirigiert, da scheint uns die Arbeit

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durch den Geist durch und erzeugt wiederum volkswirtschaftlichen Wert.

Wir werden schon sehen, daß diese beiden Seiten durchaus überall vorhanden sind. Wenn ich das Schema hier so gezeichnet habe (siehe Zeichnung 2, links), daß gerade der volkswirtschaftliche Wert er­scheint, wenn wir durch die Arbeit hindurch die Natur erscheinend haben, so müßte ich das, was ich jetzt auseinandergesetzt habe, so zeichnen, daß wir da hinten die Arbeit haben und da vorne zunächst dasjenige, was geistig ist, was der Arbeit eine gewisse Modifikation gibt (siehe Zeichnung 2, rechts).

Das sind im wesentlichen die zwei Pole des volkswirtschaftlichen Prozesses. Sie finden keine anderen Arten, wie volkswirtschaftliche Werte erzeugt werden: entweder wird die Natur durch die Arbeit modifiziert oder es wird die Arbeit durch den Geist modifiziert, wobei der Geist im Äußeren vielfach in den Kapitalformatlonen sich darlebt, so daß in bezug auf die Volkswirtschaft der Geist in der Konfiguration der Kapitalien gesucht werden muß. Wenigstens sein äußerer Aus- -druck ist da. Doch das wird sich uns ergeben, wenn wir das Kapital als

solches und dann das Kapital als Geldmittel betrachten.

So sehen Sie ja, daß wir nicht sprechen können davon, daß eine Definition des volkswirtschaftlichen Wertes sich ergeben kann. Denn wiederum bedenken Sie nur, wovon das alles abhängt, von wieviel dummen und gescheiten Leuten es abhängt, daß irgendwo vom Geiste die Arbeit modifiziert wird. Da sind lauter fluktuierende Bedingungen vorhanden. Aber dafür gilt das, was anschauungsgemäß ist, immer:

daß auf diesen zwei polarischen Gegensätzen die wertbildenden Mo­mente im volkswirtschaftlichen Prozeß zu suchen sind.

Nun, wenn das der Fall ist, dann liegt das vor: Wenn wir irgendwo drinnenstehen im volkswirtschaftlichen Prozeß, und der volkswirt­schaftliche Prozeß, ich möchte sagen, irgendwo beim Kauf und Ver­kauf sich abspielt, so haben wir im Kauf und Verkauf im wesentlichen Wertaustausch, Austausch von Werten. Sie finden keinen anderen Austausch als den von Werten. Eigentlich ist es falsch, wenn man von Güteraustausch spricht. Im volkswirtschaftlichen Prozeß ist das Gut, ob es nun modifiziertes Naturprodukt ist oder modifizierte Arbeit, ein

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Wert. Was getauscht wird, sind Werte. Darauf kommt es an. So daß Sie sich also sagen müssen: Wenn irgendwo sich Kauf und Verkauf abspielen, so werden Werte ausgetauscht. - Und dasjenige, was nun herauskommt im volkswirtschaftlichen Prozeß, wenn Wert und Wert gewissermaßen aufeinanderprallen, um sich auszutauschen, das ist der Preis. Sie finden den Preis erscheinen niemals anders, als daß Wert an Wert stößt im volkswirtschaftlichen Prozeß. Daher kann man auch über den Preis gar nicht nachdenken, wenn man etwa an den Aus­tausch von bloßen Gütern denkt. Wenn Sie einen Apfrl um, ja, ich weiß nicht, sagen wir fünf Pfennige kaufen, dann können Sie ja sagen, Sie tauschen ein Gut aus gegen ein anderes Gut, den Apfel gegen fünf Pfennige. Auf diese Weise kommen Sie aber nie zu einer volks­wirtschaftlichen Betrachtung. Denn der Apfel ist irgendwo gepflückt, ist dann befördert worden, es ist vielleicht um ihn herum noch manches andere geschehen. Das ist die Arbeit, die ihn modifiziert hat. Sie haben es nicht zu tun mit dem Apfel, sondern mit dem von Menschenarbeit veränderten Naturprodukt, das einen Wert darstellt. Und man muß immer ausgehen vom Wert in der Volkswirtschaft. Ebenso haben Sie es bei den fünf Pfennigen mit einem Wert und nicht mit einem Gut zu tun; denn diese fünf Pfennige sind doch wohl nur das Zeichen dafür, daß vorhanden ist in dem Menschen, der sich den Apfel kaufen muß, ein anderer Wert, den er eintauscht dafür.

Also, worauf es mir ankommt, ist das: daß wir heute zu der Ein­sicht kommen, daß es falsch ist, in der Volkswirtschaft von Gütern zu sprechen, daß wir sprechen müssen, als von dem Elementaren, von Werten, und daß es falsch ist den Preis anders erfassen zu wollen, auf eine andere Art, als daß man das Spiel der Werte ins Auge faßt. Wert gegen Wert gibt den Preis. Wenn schon der Wert etwas Fluktuierendes ist, das man nicht definieren kann, dann ist ja, wenn Sie Wert gegen Wert austauschen, gewissermaßen dasjenige, was im Austausch ent­steht als Preis, das ist etwas Fluktuierendes im Quadrat.

Aus all diesen Dingen kann Ihnen aber folgen, daß es also ganz ver­geblich ist, irgendwie erfassen zu wollen Werte und Preise, um in der Volkswirtschaft auf festem Boden zu stehen und etwa gar in einen volkswirtschaftlichen Prozeß eingreifen zu wollen. Dasjenige, was da

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in Betracht kommt, muß etwas ganz anderes sein. Das muß dahinter­liegen und es liegt ja auch dahinter. Das zeigt eine sehr einfache Be­trachtung.

Denken Sie sich nur einmal: Die Natur erscheint uns durch mensch­liche Arbeit. Wenn wir, sagen wir, Eisen an einem Ort gewinnen unter außerordentlich schwierigen Verhältnissen, so ist das, was als Wert herauskommt, durch menschliche Arbeit modifiziertes Naturobjekt. Wenn an einer anderen Stelle Eisen unter leichteren Verhältnissen produziert werden soll, so ist die Sache diese, daß eventuell ein ganz anderer Wert sich ergibt. Sie sehen also, daß man nicht am Wert die Sache erfassen soll, sondern hinter dem Wert sie erfassen muß. Man muß zu dem zurückgehen, was den Wert bildet, und muß da allmählich vielleicht auf die konstanteren Verhältnisse kommen, auf die man dann einen unmittelbaren Einfluß haben kann. Denn in dem Augen­blick, wo Sie den Wert in die volkswirtschaftliche Zirkulation ge­bracht haben, da müssen Sie ihn im Sinne des volkswirtschaftlichen Organismus fluktuieren lassen. Geradesowenig wie Sie, wenn Sie auf die feinere Zusammensetzung des Blutkörperchens sehen, das anders ist im Kopf und anders im Herz und anders in der Leber, wie Sie da in der Hand haben zu sagen: Es ist darum zu tun, für das Blut eine Definition zu finden - darum kann es einem nicht zu tun sein, es kann einem nur darum zu tun sein, welches die günstigeren Nahrungsmittel sind in diesem oder jenem Falle; ebenso kann es sich niemals darum handeln, über den Wert und Preis heruun:ureden, sondern nur darum, daß man zu den ersten Faktoren geht, zu demjenigen, was dann, wenn es richtig formiert wird, eben den entsprechenden Preis herausbringt, der dann schon von selber so wird.

Es ist ganz unmöglich, mit der volkswirtschaftlichen Betrachtung stehenzubleiben im Gebiet von Wert- oder Preisdefinitionen, sondern man muß überall zurückgehen zu demjenigen, was die Ausgangs­punkte sind, also gewissermaßen zu demjenigen, woraus der volks­wirtschaftliche Prozeß seine Nahrung auf der einen Seite zieht und wodurch er auf der anderen Seite reguliert wird: also zu der Natur auf der einen Seite, zu dem Geist auf der anderen.

Das ist die Schwierigkeit gewesen bei allen volkswirtschaftlichen

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Theorien der neueren Zeit, daß man zunächst immer das fassen wollte, was fluktuierend ist. Dadurch ergaben sich für denjenigen, der die Sache durchschaut, im Grunde genommen fast gar keine falschen Definitionen, sondern lauter richtige. Man muß schon wirklich sehr danebenhauen, wenn man sagt: Die Arbeit entspricht dem, was wiederum ersetzt werden muß im menschlichen Organismus, sie ist aufgebrauchter Stoff. - Da muß man schon sehr danebenhauen und die gewöhnlichsten Dinge nicht sehen. Aber es handelt sich darum, daß auch wirklich recht kluge Leute durchaus gestrauchelt sind beim Ausbilden ihrer volkswirtschaftlichen Theorie daran, daß sie die Dinge, die im Fluß sind, in Ruhe haben beobachten wollen. Das kann man den Naturdingen gegenüber tun, muß es oftmals tun; aber da genügt es, in ganz anderer Weise das Ruhende zu beobachten. Wenn wir die Bewegung betrachten, so sind wir nur dazu gekommen in der Naturbetrachtung, sie aus kleinen Ruhen zusammengesetzt zu be­trachten, die dann fortspringen. Indem wir integrieren, betrachten wir auch die Bewegung als etwas, was sich aus Ruhen zusammensetzt.

Nach dem Muster solcher Erkenntnis kann man nicht den volks­wirtschaftlichen Prozeß betrachten. So daß man sagen muß: Das­jenige, worauf es ankommt, ist, zunächst anzufassen die Volkswirt­schaftslehre bei der Art und Weise, wie auf der einen Seite erscheint der Wert, indem die Natur durch die Arbeit verwandelt wird, die Natur durch die Arbeit gesehen wird, auf der anderen Seite, wie der Wert erscheint, indem die Arbeit durch den Geist gesehen wird. Und diese beiden Entstehungen der Werte sind durchaus polarisch ver­schieden, so wie im Spektrum der eine Pol, der helle Pol, der gelbe Pol, von dem blauen, violetten Pol verschieden ist. So daß Sie schon das Bild festhalten können: so wie auf der einen Seite die warmen Farben erscheinen im Spektrum, so erscheint auf der einen Seite der Naturwert, der sich mehr in der Rentenbildung zeigen wird, wenn wir Natur durch Arbeit verwandelt wahrnehmen; auf der anderen Seite erscheint uns mehr der Wert, der sich in Kapital umsetzt, wenn wir die Arbeit durch den Geist verändert erblicken. Dann kann allerdings der Preis entstehen, indem Werte des einen Poles mit Werten des anderen Poles zusammenstoßen, oder indem Werte innerhalb eines Poles miteinander

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in Wechselwirkung treten. Aber jedesmal, wenn Preisbildung überhaupt in Betracht kommt, dann ist es so, daß Wert mit Wert in Wechselwirkung tritt. Das heißt, wir müssen ganz absehen von alle­dem, was sonst da ist, von dem Stoffe selber, von alledem müssen wir absehen und müssen zunächst sehen, wie Werte gebildet werden auf der einen Seite und wie Werte gebildet werden auf der anderen Seite. Dann werden wir zu dem Problem des Preises vordringen können.

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DRITTER VORTRAG Dornach, 26. Juli 1922

Wenn Sie ins Auge fassen, was gestern von mir gesagt worden ist, daß es sich eigentlich in der Volkswirtschaft darum handelt, aufzufassen das Fluktuierende, das in der Zirkulation der Werte liegt und in dem Aufeinanderwirken der fluktuierenden Werte in der Preisbildung, so werden Sie sich sagen: Es handelt sich zunächst darum, heraus­zufinden, was die Volkswirtschaftslehre, die Volkswirtschaftswissenschaft eigentlich für eine Form haben muß; denn das Fluktuierende läßt sich ja nicht unmittelbar ergreifen. Es hat auch eigentlich keinen rechten Sinn, unmittelbar das Fluktuierende betrachtend ergreifen zu wollen; es hat nur einen Sinn, wenn man das Fluktuierende im Zu­sammenhang betrachtet mit dem, was eigentlich darunter liegt.

Versinnlichen wir uns das einmal an einem Vergleich: Wir be­nützen für gewisse Zwecke des Lebens, sagen wir, das Thermometer, wir benützen es, indem wir darauf ablesen die Temperaturgrade. Diese Temperaturgrade, wir haben uns ja gewöhnt, sie in einem gewissen Sinn zu vergleichen. Wir schätzen ein, sagen wir, die zwanzig Grad Wärme an den fünf Grad Wärme und so weiter. Aber wir können ja auch gewissermaßen Temperaturkurven anlegen. Wir können zum Beispiel die Temperaturen während des Winters aufzeichnen, können die steigenden Temperaturen während des Sommers aufzeichnen, und wir haben dann den fluktuierenden Stand des Thermometers. Aber was da zugrunde liegt, das wird man ja doch erst gewahr werden, wenn man auf die verschiedenen Bedingungen eingeht, die während des Winters einen tieferen Wärmestand bedingen, während des Som­mers einen höheren Wärmestand bedingen, die in der einen Gegend einen anderen Wärmestand bedingen als in der anderen Gegend und so weiter. Wir werden erst dann etwas Reales gewissermaßen in der Hand haben, wenn wir die fluktuierenden Thermometerstände zurück­führen auf das Zugrundeliegende. Es ist eigentlich nur, man möchte sagen, ein statistisches Vorgehen, wenn man die Thermometerstände bloß notifiziert. Ebenso ist es eigentlich nicht viel mehr, wenn man

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die Preise studiert für sich, wenn man die Werte studiert und so weiter. Einen Sinn wird das Ganze erst haben, wenn man dazu kommt, Preise und Werte gewissermaßen so anzusehen wie Thermo­meterstände, die auf etwas anderes hinweisen. Dadurch wird man erst auf die Realien der Volkswirtschaft überhaupt kommen. Nun geht aber daraus hervor, welche Form eigentlich die Volkswirtschaftslehre wird haben müssen.

Sie wissen ja vielleicht, daß man einem alten Gebrauch gemäß die Wissenschaften einteilt in theoretische und praktische Wissenschaften. Die Ethik zum Beispiel nennt man eine praktische Wissenschaft, die Naturwissenschaft nennt man eine theoretische Wissenschaft. Die Naturwissenschaft handelt davon, was ist; die Ethik davon, was sein

soll. Und diese Einteilung hat man ja seit ältesten Zeiten gemacht: die Wissenschaften des Seins und die Wissenschaften des Sollens. Wir brauchen uns jetzt nur zur Begriffsbestimmung darauf einzulassen. Aber wir können fragen: Ist die Volkswirtschaftswissenschaft eine Seinswissenschaft, etwa so wie es Lujo Brentano meint, oder ist die Volkswirtschaftswissenschaft eine Sollwissenschaft, eine praktische Wissenschaft? - Das wird die Frage sein.

Es ist ja zweifellos notwendig, daß man in der Volkswirtschaft beobachtet, wenn man zu einem Wissen kommen will. Man wird so beobachten müssen nämlich, wie man Barometer- und Thermometerstände für den Luft- und Wärmezustand beobachtet. Danach ist die Volkswirtschaftswissenschaft eine theoretische Wissenschaft. Aber mit diesem ist nichts getan; sondern erst dann ist etwas getan, wenn man unter dem Einfluß dieser theoretischen Erkenntnis nun handeln kann.

Ich will einen speziellen Fall anführen, der Ihnen zeigen wird, um was es sich da handelt. Nehmen wir an, wir bemerken durch irgend­welche Beobachtungen, die immer theoretischer Natur sind - alle Beobachtungen sind theoretischer Natur, wenn sie nicht zum Handeln führen -, wir beobachten irgendwo auf einem bestimmten Felde, daß für eine Warengattung der Preis bedenklich sinkt, so bedenklich sinkt, daß das eine deutlich ausdrückbare Misere darstellt. Nun handelt es sich darum, daß wir zunächst dieses wirkliche Sinken der Preise theore­tisch beobachten. Da sind wir gewissermaßen erst bei der Notifizierung

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des Thermometerstandes. Dann handelt es sich darum: Was tun, wenn die Preise bedenklich sinken für irgendeine Warengattung oder ein Produkt? - Nun, wir werden diese Dinge noch genauer sehen; zunächst möchte ich nur sagen, was da zu geschehen hat und von wem, wenn die Preise irgendeiner Warengattung bedenklich sinken. Da wird es sich darum handeln, daß wir eine Maßregel treffen, die geeignet ist, diesem Sinken der Preise entgegenzuwirken. Es wird vielleicht verschiedene solche Maßregeln geben. Aber eine von ihnen wird die sein, daß wir etwas tun zum Beschieunigen des Umiaufs, des Verkehrs, des Handels mit den betreffenden Waren. Eine von den Maßregeln wird das sein - sie wird ja noch nicht genügen; aber wir wollen uns nicht darum kümmern, ob das eine ausreichende oder sogar ob es eine richtige Maßregel ist, aber darum wird es sich han­deln, daß wir, wenn so die Preise sinken, so etwas tun, was den Umsatz vermehren kann.

Wir müssen tatsächlich etwas vollbringen, was ähnlich ist der Be­einflussung des Thermometerstandes: Wenn uns im Zimmer friert, so werden wir nicht so an den Thermometerstand herangehen, daß wir auf irgendeine geheimnisvolle Weise wollen die Thermometersäule in die Länge ziehen; wir werden uns gar nicht um das Thermometer-sinken kümmern, werden aber einheizen. In einer ganz anderen Ecke greifen wir die Sache an. So handelt es sich auch in der Volkswirt­schaft darum, daß wir mit dem Handeln an einer ganz anderen Ecke angreifen. Da wird die Sache praktisch und wir müssen sagen: Volkswirtschaftswissenschaft ist beides, eine theoretische Wissenschaft und eine praktische Wissenschaft. - Nur wird es sich darum handeln, wie wir das Praktische mit dem Theoretischen zusammenbringen.

Nun, das ist zunächst die eine Seite der Form der Volkswirtschafts­wissenschaft. Die andere Seite ist die, auf die ich schon vor vielen Jahren aufmerksam gemacht habe, ohne daß eigentlich die Sache ver­standen worden ist, nämlich in einem Aufsatz, den ich schon im An­fang des Jahrhunderts geschrieben habe, der damals den Titel trug: «Theosophie und soziale Frage», der eigentlich nur eine Bedeutung gehabt hätte, wenn er aufgegriffen worden wäre von Praktikern, und wenn man sich danach gerichtet hätte. Da er überhaupt ganz unberücksichtigt

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geblieben ist, habe ich ihn nicht einmal zu Ende geführt und nicht weiter erscheinen lassen. Man muß ja hoffen, daß diese Dinge immer mehr verstanden werden. Hoffentlich tragen diese Vor­träge bei zu ihrem tieferen Verständnis. Da müssen wir aber, wenn wir verstehen wollen, eine kurze historische Betrachtung anstellen.

Wenn Sie im geschichtlichen Leben der Menschheit etwas zurück­gehen, dann werden Sie finden, daß eigentlich - ich habe schon im ersten Vortrag darauf hingewiesen - in älteren Zeiten, bis sogar ins 15., 16.Jahrhundert herein, solche volkswirtschaftlichen Fragen, wie wir sie heute haben, gar nicht vorhanden waren. Das volkswirtschaft­liche Leben hat sich, sagen wir zum Beispiel im alten Orient, zum größten Teil instinktiv abgespielt, so abgespielt, daß gewisse soziale Verhältnisse unter den Menschen waren, die kastenbildend, klassenbildend waren und sich unter dem Einfluß desjenigen, was sich aus diesen Verhältnissen heraus an Beziehungen ergeben hat zwischen Mensch und Mensch, auch, ich möchte sagen, instinktbildend er­wiesen haben für die Art und Weise, wie der einzelne Mensch in das volkswirtschaftliche Leben einzugreifen hat. Da lagen ja zum großen Teil die Impulse des religiösen Lebens zugrunde, die in älteren Zeiten durchaus auch noch so waren, daß sie zu gleicher Zeit auf die Rege­lung, auf die Ordnung der Ökonomie abzielten. Wenn Sie im orienta­lischen Leben geschichtlich nachprüfen, so werden Sie sehen, daß eigentlich nirgends eine strenge Grenze ist zwischen demjenigen, was religiös geboten wird, und demjenigen, was dann volkswirtschaftlich ausgeführt werden soll. Die religiösen Gebote erstrecken sich vielfach hinein in das wirtschaftliche Leben, so daß auch für diese älteren Zeiten die Arbeitsfrage, die Frage des sozialen Zirkulierens der Arbeitswerte, gar nicht in Betracht kam. Die Arbeit wurde in ge­wissem Sinne instinktiv verrichtet; und ob der eine mehr oder weniger tat, das bildete eigentlich in der Zeit, die dem römischen Leben voranging, keine erhebliche Frage, wenigstens keine erhebliche öffentliche Frage. Die Ausnahmen, die dabei vorhanden sind, kommen gegenüber dem allgemeinen Gang der Menschheitsentwickelung gar nicht in Betracht. Wir finden noch bei Plato durchaus eine solche soziale Ansicht, daß im Grunde genommen die Arbeit als etwas Selbstverständliches

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hingenommen wird und eigentlich nur über das Soziale nachgesonnen wird, was außerhalb der Arbeit an ethischen, weisheits­vollen Impulsen von Plato erschaut wurde.

Das wurde immer mehr und mehr anders, je weniger die unmittelbar religiösen und ethischen Impulse auch volkswirtschaftliche Instinkte züchteten, je mehr gewissermaßen die religiösen und ethischen Im­pulse bloß sich auf das moralische Leben beschränkten, bloße Vor­schriften wurden für die Art und Weise, wie die Menschen füreinander fühlen sollen, wie sie sich zu außermenschlichen Mächten verhalten sollen und so weiter. Immer mehr und mehr entstand die An­schauung, die Empfindung unter den Menschen, daß - wenn ich mich bildlich ausdrücken darf - von der Kanzel herab nichts zu sagen ist über die Art und Weise, wie man arbeiten soll. Und damit wurde die Arbeit, die Eingliederung der Arbeit in das soziale Leben eigentlich erst eine Frage.

Nun ist diese Eingliederung der Arbeit in das soziale Leben histo­risch nicht möglich ohne das Heraufkommen desjenigen, was das Recht ist. So daß wir historisch gleichzeitig entstehen sehen die Be­wertung der Arbeit für den einzelnen Menschen und das Recht. Für sehr alte Zeiten der Menschheit können Sie eigentlich gar nicht in dem Sinn, wie wir heute das Recht auffassen, vom Recht sprechen, sondern Sie können erst dann vom Recht sprechen, wenn sich das Recht sondert von dem Gebot. In ältesten Zeiten ist das Gebot ein einheit­liches. Es enthält zu gleicher Zeit alles das, was rechtens ist. Dann wird das Gebot immer mehr und mehr zurückgezogen auf das bloß seelische Leben, und das Recht macht sich geltend mit Bezug auf das äußere Leben. Das verläuft wiederum innerhalb eines gewissen ge­schichtlichen Zeitraums. Innerhalb dieses geschichtlichen Zeitraums haben sich ganz bestimmte soziale Verhältnisse herausgebildet. Es würde hier zu weit führen, das genauer zu beschreiben; aber es ist ein interessantes Studium, gerade für die ersten Jahrhunderte des Mittel­alters zu studieren, wie sich auf der einen Seite die Rechtsverhältnisse, auf der anderen Seite die Arbeitsverhältnisse heraussondern aus den reli­giösen Organisationen, in denen sie früher mehr oder weniger durchaus drinnen waren - religiöse Organisationen natürlich im weite-ren Sinne.

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Nun hat das eine ganz bestimmte Folge. Solange die religiösen Impulse für das gesamte soziale Leben der Menschheit maßgebend sind, solange schadet der Egoismus nichts. Das ist eine außerordent­lich wicbtige Sache für das Verständnis auch der sozialen, volkswirt­schaftlichen Prozesse. Der Mensch mag noch so egoistisch sein: wenn die religiöse Organisation, wie sie zum Beispiel in bestimmten Ge­bieten des alten Orients ganz strenge war, wenn die religiöse Organi­sation so ist, daß der Mensch trotz seines Egoismus sich eben in fruchtbarer Weise hineingliedert in das soziale Leben, dann schadet der Egoismus nichts; aber er fängt an, im Völkerleben eine Rolle zu', spielen in dem Augenblick, wo das Recht und die Arbeit sich heraussondern aus den anderen sozialen Impulsen, sozialen Strömungen. Daher strebt, ich möchte sagen, unbewußt der Menschheitsgeist in der Zeit - während Arbeit und Recht sich eben emanzipieren - danach, fertigzuwerden mit dem menschlichen Egoismus, der sich nun regt und der in einer gewissen Weise hineingegliedert werden muß in das soziale Leben. Dieses Streben gipfelt dann einfach in der modernen Demokratie, in dem Sinn für Gleichheit der Menschen, dafür, daß jeder seinen Einfluß hat darauf, das Recht festzustellen und auch seine Arbeit festzustellen.

Aber gleichzeitig mit diesem Gipfeln des emanzipierten Rechtes und der emanzipierten Arbeit kommt noch etwas anderes herauf, was zwar früher während der älteren Perioden der Menschheitsentwickelung auch vorhanden war, was aber wegen der religiös-sozialen Impulse eine ganz andere Bedeutung hatte, was gerade für unsere europäische Zivilisation während des Mittelalters nur in eingeschränktem Maße vorhanden war, was sich zur höchsten Kulmination entwickelte von der Zeit an, in der eben Recht und Arbeit am meisten emanzipiert waren - und das ist die Arbeitsteilung.

In den älteren Zeiten der Menschheitsentwickelung hatte die Arbeitsteilung deshalb keine besondere Bedeutung, weil ja eben auch sie in die religiösen Impulse hineingestellt war und gewissermaßen jeder an seinen Platz gestellt wurde, so daß sie also keine solche Be­deutung hatte. Da aber, wo sich der Hang nach Demokratie verband mit dem Streben nach Arbeitsteilung, da fing an - das ist erst heraufgekommen

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in den letzten Jahrhunderten und aufs höchste gestiegen im 19.Jahrhundert -, da fing an die Arbeitsteilung eine ganz besondere Bedeutung zu gewinnen; denn die Arbeitsteilung hat eine volkswirt­schaftliche Konsequenz.

Diese Arbeitsteilung, deren Ursachen und Gang wir ja noch kennenlernen werden, führt zuletzt dazu, wenn wir sie zunächst einfach abstrakt zu Ende denken, so müssen wir sagen, sie führen zuletzt dazu, daß niemand dasjenige, was er erzeugt, für sich selbst verwendet. Volkswirtschaftlich gesprochen aber! Also, daß niemand dasjenige, was er erzeugt - volkswirtschaftlich gesprochen -, für sich selbst ver­wendet! Was heißt das? Nun, ich will es durch ein Beispiel erläutern.

Nehmen Sie an, ein Schneider verfertigt Kleider. Er muß selbstverständlich bei der Arbeitsteilung für andere Leute Kleider erzeugen. Er könnte aber auch so sagen: Ich erzeuge für die anderen Leute Kleider, und meine eigenen Kleider erzeuge ich mir selber. Da würde er also einen gewissen Teil seiner Arbeit darauf verwenden, seine eigenen Kleider zu erzeugen, und die andere, weitaus größere Arbeit, die dann übrigbleibt, die würde er dazu verwenden, für die anderen Menschen Kleider zu erzeugen. Nun, einfach, ich möchte sagen, banal angesehen, könnte man sagen: Ja, es ist ja das Allernatürlichste auch in der Arbeitsteilung, daß der Schneider sich seine Kleider selber erzeugt und für die anderen Menschen dann eben als Schneider arbeitet. Wie ist die Sache aber volkswirtschaftlich gesprochen? Volkswirtschaftlich angeschaut, ist die Sache so: Dadurch, daß die Arbeitsteilung ge­kommen ist, daß also nicht ein jeder Mensch für alle seine einzelnen Sachen Selbsterzeuger ist, dadurch, daß Arbeitsteilung gekommen ist, daß immer einer für den anderen arbeitet, dadurch stellt sich ja für die Produkte ein gewisser Wert ein und infolge des Wertes auch ein Preis. Und jetzt entsteht die Frage: Wenn zum Beispiel durch die Arbeits­teilung, die sich ja fortsetzt in der Zirkulation, im Umlauf der Pro­dukte, wenn also durch diese in den Umlauf der Produkte hineingelaufene Arbeitsteilung die Schneiderprodukte einen gewissen Wert haben, haben dann die Produkte, die er erzeugt für sich selbst, einen gleichen volkswirtschaftlichen Wert, oder sind sie vielleicht billiger oder teurer? Das ist die bedeutsamste Frage. Wenn er selbst sich seine

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Kleider erzeugt, dann bleibt ja das weg, daß sie in die Zirkulation der Produkte hineingehen. Dasjenige, was er für sich selbst erzeugt, nimmt nicht Anteil an der Verbilligung, die durch die Arbeitsteilung hervorgerufen wird, ist also teurer. Wenn er auch nichts dafür bezahlt, ist es teurer. Es ist einfach aus dem Grunde teurer, weil er in die Un­möglichkeit versetzt ist, bei dem, was er für sich selbst braucht, nur so viel Arbeit aufzuwenden, wie er für das braucht, was dann in die Zirkulation übergeht, dem Wert gegenüber.

Nun, vielleicht ist notwendig, sich das etwas genauer zu überlegen; aber die Sache ist schon so. Es ist so, daß alles dasjenige, was der Selbsterzeugung dient, weil es nicht in die Zirkulation, der die Arbeits­teilung zugrunde liegt, eingeht, teurer ist als dasjenige, was in die Arbeitsteilung hineingeht. So daß also, wenn die Arbeitsteilung in ihrem Extrem gedacht wird, man sagen müßte: Müßte der Schneider nur für andere Menschen arbeiten, dann würde er die Preise erzielen für die Produkte seiner Arbeit, die eigentlich erzielt werden sollen. Und er müßte sich seinerseits seine Kleider kaufen bei einem anderen Schneider, beziehungsweise er müßte sie sich verschaffen in der Art, wie man sie sich sonst verschafft, er müßte sie sich dort kaufen, wo Kleider verkauft werden.

Aber sehen Sie auf alles das hin, so werden Sie sich sagen müssen: Die Arbeitsteilung tendiert dazu, daß überhaupt niemand mehr für sich selbst arbeitet; sondern das, was er erarbeitet, muß alles an die anderen übergehen. Das, was er braucht, muß ihm wiederum zurückkommen von der Gesellschaft. Sie könnten ja eventuell einwenden: Ja, es müßte ja eigentlich ein Anzug für den Schneider, wenn er ihn bei dem anderen Schneider kauft, gerade so viel kosten, als wenn er ihn selber fabriziert, weil ihn der andere nicht teurer und nicht billiger machen wird. Wenn das der Fall wäre, wäre keine Arbeitsteilung da, wenigstens keine vollständige Arbeitsteilung, aus dem einfachen Grunde, weil für dieses Produkt des Kleidererzeugens nicht durch die Teilung der Arbeit die größte Konzentration der Arbeitsweise würde aufgebracht werden können. Es ist ja nicht möglich, daß, wenn Arbeitsteilung eintritt, eben nicht die Arbeitsteilung in die Zirkulation überfließt, so daß es also nicht möglich ist, daß der eine Schneider

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beim andern kauft, sondern er muß beim Händler kaufen. Das aber bringt einen ganz anderen Wert hervor. Er wird, wenn er seinen eigenen Rock macht, den Rock bei sich kaufen; wenn er ihn kauft, so wird er ihn beim Händler kaufen. Das macht den Unterschied. Und wenn Arbeitsteilung im Zusammenhange mit Zirkulation verbilligt, so kommt ihn sein Rock beim Händler billiger, als er ihn bei sich selber machen kann.

Wollen wir das zunächst als etwas, was uns führt zu der Form der Volkswirtschaftslehre, ansehen; die Tatsachen müssen wir ja alle noch einmal betrachten.

Das ist nun aber durchaus so, daß wir unmittelbar einsehen: Je weiter die Arbeitsteilung vorrückt, desto mehr muß das kommen, daß immer einer für die anderen arbeitet, für die unbestimmte Sozietät arbeitet, niemals für sich. Das heißt aber mit anderen Worten: Indem die moderne Arbeitsteilung heraufgekommen ist, ist die Volkswirt­schaft in bezug auf das Wirtschaften darauf angewiesen, den Egoismus mit Stumpf und Stiel auszurotten. Bitte, verstehen Sie das nicht ethisch, sondern rein wirtschaftlich! Wirtschaftlich ist der Egoismus unmöglich. Man kann nichts für sich mehr tun, je mehr die Arbeits­teilung vorschreitet, sondern man muß alles für die anderen tun.

Im Grunde genommen ist durch die äußeren Verhältnisse der Altruismus als Forderung schneller auf wirtschaftlichem Gebiet auf­getreten, als er auf religiös-ethischem Gebiet begriffen worden ist. Dafür gibt es eine leicht erhaschbare historische Tatsache.

Das Wort Egoismus, das werden Sie als ein ziemlich altes finden, wenn auch vielleicht nicht in der heutigen schroffen Bedeutung, aber Sie werden es als ein ziemlich altes finden. Das Gegenteil davon, das Wort Altruismus, das Denken an den anderen, ist eigentlich kaum hundert Jahre alt, ist erst sehr spät als Wort erfunden worden, und wir können daher sagen - wir wollen uns nicht auf diese Äußerlichkeit zu stark stützen, aber eine historische Betrachtung würde das zeigen -:

Die ethische Betrachtung war noch lange nicht zu einer vollen Würdi­gung des Altruismus gekommen, da war schon die volkswirtschaft­liche Würdigung des Altruismus durch die Arbeitsteilung da. - Und betrachten wir jetzt diese Forderung des Altruismus als volkswirtschaftliche,

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dann haben wir das, ich möchte sagen, was weiter daraus folgt, unmittelbar: Wir müssen den Weg finden in das moderne Volks­wirtschaften, wie kein Mensch für sich selber zu sorgen hat, sondern nur für die anderen, und wie auf diese Weise auch am besten für jeden einzelnen gesorgt ist. Das könnte als ein Idealismus genommen werden; aber ich mache Sie noch einmal darauf aufmerksam: ich spreche in diesem Vortrag weder idealistisch noch ethisch, sondern volkswirtschaftlich. Und das, was ich jetzt gesagt habe, ist einfach volkswirtschaftlich gemeint. Nicht ein Gott, nicht ein sittliches Ge­setz, nicht ein Instinkt fordert im modernen wirtschaftlichen Leben den Altruismus im Arbeiten, im Erzeugen der Güter, sondern einfach die moderne Arbeitsteilung. Also eine ganz volkswirtschaftliche Kate­gorie fordert das.

Das ist ungefähr, was ich dazumal in jenem Aufsatz habe darstellen wollen: daß unsere Volkswirtschaft mehr fordert von uns, als wir in der neuesten Zeit ethisch-religiös leisten können. Darauf beruhen viele Kämpfe. Studieren Sie einmal die Soziologie der Gegenwart. Sie werden finden, daß die sozialen Kämpfe zum großen Teil darauf zurückzuführen sind, daß beim Erweitern der Wirtschaft in die Welt­wirtschaft die Notwendigkeit immer mehr und mehr aufgetreten ist, altruistisch zu sein, altruistisch die verschiedenen sozialen Bestände einzurichten, während die Menschen in ihrem Denken eigentlich noch gar nicht verstanden hatten, über den Egoismus hinauszukommen, und daher immer hineinpfuschten in egoistischer Weise in dasjenige, was eigentlich als eine Forderung da war.

Wir kommen nun erst zu der ganzen Bedeutung desjenigen, was ich jetzt gesagt habe, wenn wir nicht bloß studieren die, ich möchte sagen, platt daliegende Tatsache, sondern die kaschierte, die maskierte Tat­sache. Diese kaschierte, maskierte Tatsache ist diese, daß wegen der Diskrepanz der Menschheitsgesinnung der modernen Zeit zwischen der Forderung der Volkswirtschaft und dem religiös-ethischen Kön­nen in einem großen Teil der Volkswirtschaft praktisch darinnen ist dieses, daß die Menschen sich selber versorgen, daß also unsere Volks­wirtschaft selber widerspricht demjenigen, was eigentlich ihre eigene Forderung ist durch die Arbeitsteilung. Auf die paar Selbstversorger

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nach dem Muster dieses Schneiders, den ich angeführt habe, kommt es nicht an. Einen Schneider, der sich selber seine Anzüge fabriziert, den werden wir erkennen als einen, der hineinmischt in die Arbeitsteilung, was nicht hineingehört. Aber dieses ist offenbar. Und maskiert ist innerhalb der modernen Volkswirtschaft also das, wo der Mensch zwar durchaus nicht für sich seine Produkte erzeugt, aber im Grunde genommen mit dem Wert oder Preis dieser Produkte nichts Besonderes zu tun hat, sondern, abgesehen von dem volkswirtschaftlichen Prozeß, in dem die Produkte drinnenstehen, bloß dasjenige, was er durch seine Handarbeit leisten kann, als Wert in die Volkswirtschaft hinein­zubringen hat. Im Grunde genommen ist jeder Lohnempfänger im gewöhnlichen Sinn heute noch ein Selbstversorger. Er ist derjenige, der so viel hingibt, als er erwerben will, der gar nicht kann so viel an den sozialen Organismus hingeben, als er hinzugeben in der Lage ist, weil er nur so viel hingeben will, als er erwerben will. Denn Selbstversorgen heißt, für den Erwerb arbeiten; für die anderen arbeiten heißt, aus der sozialen Notwendigkeit heraus arbeiten.

Insoweit die Arbeitsteilung ihre Forderung schon erfüllt bekommen hat in der neueren Zeit, ist in der Tat Altruismus vorhanden: Arbeiten für die anderen; insofern aber diese Forderung nicht erfüllt ist, ist der alte Egoismus vorhanden, der eben einfach darauf beruht, daß der Mensch sich selbst versorgen muß. Volkswirtschaftlicher Egoismus! Man merkt das bei dem gewöhnlichen Lohnempfänger aus dem Grunde gewöhnlich nicht, weil man gar nicht nachdenkt darüber, wofür hier eigentlich Werte ausgetauscht werden. Dasjenige, was der gewöhnliche Lohnempfänger fabriziert, das hat ja gar nichts zu tun mit der Bezahlung seiner Arbeit, hat gar nichts damit zu tun. Die Be­zahlung, die Bewertung der Arbeit geht aus ganz anderen Faktoren hervor, so daß er für den Erwerb, für die Selbstversorgung arbeitet. Das ist kaschiert, maskiert, aber es ist der Fall.

So entsteht uns eine der ersten, wichtigsten volkswirtschaftlichen Fragen: Wie bringen wir aus dem volkswirtschaftlichen Prozeß heraus die Arbeit auf Erwerb? Wie stellen wir diejenigen, die heute noch bloß Erwerbende sind, so in den volkswirtschaftlichen Prozeß hinein, daß sie nicht Erwerbende, sondern aus der sozialen Notwendigkeit heraus

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Arbeitende sind? Müssen wir das? Sicherlich! Denn wenn wir das nicht tun, bekommen wir niemals wahre Preise heraus, sondern falsche Preise. Wir müssen Preise und Werte herausbekommen, die nicht ab­hängig sind von den Menschen, sondern von dem volkswirtschaft­lichen Prozeß, die sich ergeben im Fluktuieren der Werte. Die Kar­dinalfrage ist die Preisfrage.

Nun müssen wir den Preis so beobachten wie die Thermometergrade, dann können wir auf die anderen, zugrunde liegenden Be­dingungen kommen. Nun, Thermometer beobachten kann man nur, wenn man eine Art Nullgrad hat. Da geht man herauf und herunter. Für die Preise ergibt sich nämlich auf ganz naturgemäße Weise eine Art Nullpunkt, es ergibt sich auf folgende Weise eine Art Nullpunkt.

Wir haben auf der einen Seite die Natur (siehe Zeichnung 2); sie wird durch menschliche Arbeit verändert; dann kommen die ver­änderten Naturprodukte zustande. Das ist das eine, wo Wert erzeugt wird, Wert 1. Auf der anderen Seite haben wir die Arbeit. Sie wird durch den Geist verändert, und es entsteht der andere Wert, Wert 2. Und ich habe Ihnen dann gesagt: In Wechselwirkung von Wert 1 und Wert 2 entstehen die Preise. Wir werden immer weiterkommen im Erfassen dieser volkswirtschaftlichen Anschauungen. Nun aber ver­halten sich diese Werte hier - Wert 1 und Wert 2-in der Tat polarisch. Man kann schon sagen: Derjenige, der zum Beispiel innerhalb dieses (siehe Zeichnung 2, rechts) Gebietes verdient, hauptsächlich innerhalb dieses Gebietes verdient - ganz kann man es nicht, aber hauptsäch­lich -, wer hauptsächlich dadurch verdient, daß er Arbeiter ist in einer Art, die vom Geist organisiert ist, der hat Interesse daran, daß die Naturprodukte entwertet werden. Derjenige aber, der an der Natur arbeitet, der hat Interesse daran, daß die anderen Produkte entwertet werden. Und wenn dieses Interesse realer Prozeß wird, wie es in der Tat ist - wenn das nicht so wäre, so hätten die Landwirte ganz andere Preise, und umgekehrt, wir haben auf beiden Seiten durchaus kaschierte Preise -, so können wir in der Mitte drinnen, wo zwei sind, zum Wirtschaften gehören immer zwei, wo zwei sind, welche mög­lichst wenig Interesse haben sowohl an der Natur wie an der Geistig­keit oder dem Kapital, eine Art mittleren Preis möglicherweise beobachten.

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Wo ist das praktisch der Fall? Das ist praktisch der Fall, wenn man beobachtet, wie ein reiner Zwischenhändler von einem reinen Zwischenhändler kauft, wie beide gegenseitig voneinander kaufen. Hier haben die Preise die Tendenz, ihren mittleren Wert an­zunehmen. Wenn ein Zwischenhändler mit Schuhen kauft unter Ver­hältnissen, die eben sich herausbilden, herausbilden eben auch in der normalen - wir werden dieses Wort zu erklären haben - Weise, wenn ein Zwischenhändler mit Schuhen von einem Zwischenhändler mit Kleidern kauft und umgekehrt, dann hat das, was sich da als Preis herausstellt, die Tendenz, eine mittlere Preislage anzunehmen. Die mittlere Preislage müssen wir nicht suchen bei den Interessen der Produzenten, die auf der Naturseite stehen, und nicht bei den Inter­essen derjenigen, die auf der geistigen Seite stehen, sondern wir müssen dasjenige, was die mittleren Preise herausstellt, suchen beim Zwischenhändler. Das hat nichts zu tun damit, ob man einen Zwischenhändler mehr hat oder nicht. Der mittlere Preis hat die Ten­denz, zu entstehen da, wo Zwischenhändler mit Zwischenhändler kaufend und verkaufend verkehrt.

Das widerspricht dem andern nicht, denn im Grunde genommen, sehen Sie sich die modernen Kapitalisten an: sie sind ja Händler. Der Unternehmer ist eigentlich Händler. Er ist nebenbei seine Waren Er­zeugender; aber volkswirtschaftlich ist er Händler. Der Handel hat sich ausgebildet nach der Seite der Produktion. In der Hauptsache, wesentlich, ist der Unternehmer Händler. Das ist das Wichtige, so daß in der Tat gerade die modernen Verhältnisse darauf hinauslaufen, daß das, was hier (siehe Zeichnung 2) in der Mitte sich als eine bestimmte Tendenz ausbildet, daß das ausstrahlt nach der einen und nach der anderen Seite. Nach der einen Seite werden Sie es leicht einsehen, wenn Sie das Unternehmertum studieren; wie es sich nach der anderen Seite ausnimmt, werden wir in den nächsten Tagen sehen.

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VIERTER VORTRAG Dornach, 27. Juli 1922

Ich habe gestern ein etwas krasses, möchte ich sagen, Beispiel gewählt aus dem volkswirtschaftlichen Leben, um daran etwas zu veranschau­lichen. Und es scheint ja, als ob dieses etwas drastische Beispiel dem einen oder dem anderen etwas Kopfzerbrechen gemacht hätte. Das ist das Beispiel von dem Schneider, der weniger billig für sich arbeitet, wenn er seinen eigenen Anzug verfertigt - wenn er den Anzug für sich selbst verfertigt -, als wenn er sich, während er sonst Anzüge für die anderen fabriziert, seinen eigenen Anzug eben auch bei einem Händler kauft. Nun, es ist ja furchtbar einfach, selbstverständlich, mit diesem krassen Beispiel nicht zurechtzukommen; denn es ist ganz natürlich, daß man, wenn man so rechnet, sagt: Ja, der Händler kauft, da er doch etwas profitieren muß, den Anzug billiger beim Schneider ein, als er ihn verkauft; folglich muß dann selbstverständlich der Schneider für seinen Anzug, wenn er ihn kauft, um den Profit des Händlers mehr bezahlen, als er bei ihm selbst zu stehen kommt. Es liegt so auf der flachen Hand, diesen Einwand zu machen, daß er ja kommen muß; dennoch habe ich gerade dieses krasse Beispiel ge­wählt, um zu veranschaulichen, wie man nötig hat, gegenüber der heutigen Volkswirtschaft eben nicht hauswirtschaftlich zu denken, sondern eben volkswirtschaftlich - wie man nötig hat, darauf zu rechnen, was entsteht durch die Arbeitsteilung.

Es kommt ja nicht darauf an, daß der Schneider, sagen wir, un­mittelbar nachdem er mit seinem Anzug fertig geworden ist, nun gegenüber der Tatsache, wenn er diesen Anzug nun verkaufte an einen Händler und dann einen anderen Anzug wieder zurückkaufte, daß er da etwas verloren hat; sondern es kommt darauf an, ob, wenn der Schneider nun nach einiger Zeit, nach irgendeiner Zeit,. sagen wir x, seine Rechnung macht, ob er nun, wenn er sich den eigenen Anzug gemacht hat, wenn er sich den Anzug für sich selbst gemacht hat, ob er nun besser daran ist, oder ob er besser daran ist, wenn er es unterlassen hat, diesen Anzug für sich selbst zu machen.

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Wenn nämlich Arbeitsteilung wirkt, dann verbilligt sie die Pro­dukte in der richtigen Weise; sie werden billiger durch die Arbeits­teilung, billiger eben im ganzen volkswirtschaftlichen Zusammen­hang. Und wenn man dann gegen die Arbeitsteilung arbeitet, so be­wirkt man Preisdruck bei den entsprechenden Produkten. Der Preis­druck wirkt aber im volkswirtschaftlichen Prozeß zurück. Mit anderen Worten: der Schneider wird zwar bei dem einzelnen Anzug billiger zurechtkommen; aber er wird um einen ganz kleinen Posten zunächst -aber wenn es viele Schneider tun, so multipliziert sich das -, er wird in einem gewissen Sinn auf die Preise der Kleider drücken. Die werden billiger. Dann muß er die anderen auch billiger geben. Und es handelt sich dann nur um die Zeit, nach der er nachschauen kann in der Bilanz, wieviel er für die anderen Kleider weniger eingenommen hat, als er eingenommen hätte, wenn er nicht den Preis gedrückt hätte.

Es kommt nicht darauf an, ein wenig das hauswirtschaftliche Den­ken einzumischen in die Sache. Ich habe auch nicht gemeint, daß der Schneider nicht das Recht hätte oder den Geschmack haben könnte, sich seinen Anzug selbst zu fabrizieren; aber er soll nur nicht meinen, daß er dadurch billiger zurechtkomme, sondern er wird ihm teurer zu stehen kommen. Er kommt ihm teurer zu stehen in seiner Gesamtbilanz nach einiger Zeit. Es macht allerdings insofern weniger aus für einen solchen krassen Fall, weil die Differenz, um die der Preis ge­drückt wird, erst nach einer sehr langen Zeit hervortritt. Er muß sehr viele andere Anzüge machen, um die kleine Billigkeitsquote wirksam zu machen. Aber drinnen wird sie einmal sein in seiner Gesamtbilanz. Das ist dasjenige, was Ihnen zeigen soll, daß man durchaus nicht so, ich möchte sagen, furchtbar nahe denken darf, wenn man einem volks­wirtschaftlichen Prozeß gegenübersteht, der nun in einer unermeßlich großen Anzahl von ineinandergreifenden Faktoren besteht, so daß die einzelne Erscheinung von einer unermeßlich großen Anzahl von ineinandergreifenden Faktoren bewirkt wird.

Sie kommen natürlich sofort in eine Kalamität des volkswirtschaft­lichen Denkens hinein, wenn Sie Ihre Gedanken nur an das an­knüpfen, was, möchte ich sagen, in der Nachbarschaft der Wirtschaftenden liegt. Dadurch kommen Sie absolut nicht mit dem Begreifen

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des volkswirtschaftlichen Prozesses zurecht. Sie müssen die Gesamtheit des sozialen Organismus ins Auge fassen lernen, und die Gesamtheit angesehen, führt zuletzt dazu, daß man genötigt ist, solche krasse Beispiele, die eigentlich im Tag nicht, aber vielleicht im Jahrzehnt sehr stark bemerkbar werden, anzuführen.

Es handelt sich durchaus darum, daß man von solchen, ich möchte sagen, halb absurden Beispielen ausgeht, um allmählich sein Denken von dem Denken, das man gewohnt ist, überzuführen zu einem Den­ken, das Weites umfaßt, und dadurch, daß es Weites umfaßt, mehr die scharfen Konturen verliert und dadurch in die Lage kommt, das Fluktuierende zu fassen. Dasjenige, was in unmittelbarer Nähe liegt, kann man in scharfe Konturen fassen; aber dasjenige, um was es sich handelt, ist, die Anschauung zu erringen; und die Anschauung, die liefert durchaus bewegliche einzelne Ideen. Die decken sich nicht mit demjenigen, was die in der Nachbarschaft gewonnenen Ideen sind.

Das möchte ich insbesondere Ihnen heute erwähnen, damit Sie, wenn wir jetzt von verhältnismäßig einfacheren Dingen ausgehen, doch sehen, wie der volkswirtschaftliche Prozeß sich allmählich aus den mannigfaltigsten Faktoren zusammensetzt. Wir wollen nämlich heute einmal, um immer mehr und mehr dahinzukommen, das Preisproblem erfassen zu können, wir wollen den volkswirtschaftlichen Prozeß als solchen von einem gewissen Gesichtspunkt aus vor Augen führen.

Wir wollen ihn heute beginnen mit der Natur. Zunächst muß die menschliche Arbeit ja bei der Natur einsetzen, die Naturprodukte ver­wandeln, so daß dann dieses verwandelte Naturprodukt, dieses durch die menschliche Arbeit verwandelte Naturprodukt, im Aufdrücken der menschlichen Arbeit auf das Naturprodukt einen volkswirtschaft­lichen Wert erhält. Und in der Volkswirtschaft hat man es nun ein­mal nicht mit der Substanz zu tun. Diese als solche hat keinen volks­wirtschaftlichen Wert. Die Kohle, die noch im Bergwerk unter der Erde liegt als Kohlensubstanz, hat keinen volkswirtschaftlichen Wert, bekommt auch keinen volkswirtschaftlichen Wert, wenn sie nun wan­dert vom Bergwerk in die Wohnung, in das Zimmer desjenigen, der einheizt. Dasjenige, was die Substanz der Kohle zum Wert macht, das

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ist die aufgeprägte Arbeit, also dasjenige, was getan werden mußte, um die Kohle zutage zu fördern, auch schon um das Bergwerk zurechtzumachen, um die Kohle zu verfrachten und so weiter. Alles dasjenige, was der Substanz der Kohle aufgeprägte menschliche Arbeit ist, gibt ihr erst den volkswirtschaftlichen Wert. Und nur mit diesem hat man es in der Volkswirtschaft zu tun.

Sie können keine volkswirtschaftliche Erscheinung fassen, wenn Sie nicht von solchen Ideen ausgehen. Nun aber, indem so die mensch­liche Arbeit auf die Natur angewendet wird, kommen wir ja beim Weiterrücken der volkswirtschaftlichen Entwickelung eben in die Arbeitsteilung hinein, in die Arbeitsteilung, die dadurch entsteht, daß Menschen zusammenwirken, bei irgendeiner für die Volkswirtschaft bedeutsamen Tatsache zusammenwirken.

Nehmen wir ein ganz einfaches Beispiel. Nehmen wir einmal an, in einer Gegend hätte eine Anzahl von Menschen eine bestimmte Tätigkeit verrichtet, indem diese Anzahl von Menschen einen Gang verrichtet hätten von ihren Häusern, also, sagen wir, von verschiede­nen Ortschaften zu einer gemeinsamen Arbeitsstätte, zu einer Förde­rungsstätte von irgendwelchen Naturprodukten. Nehmen wir an, wir wären noch in einer sehr primitiven Zeit, es gäbe noch kein anderes Mittel, als daß die Arbeiter, um zu der Stätte zu kommen, wo sie die Natur bearbeiten, zu Fuß gehen. Nun kommt einer darauf, einen Wagen zu bauen und Pferde zu benützen, um den Wagen zu ziehen. Da wird dasjenige, was zuerst allein verrichtet werden mußte von jedem, das wird nun von jedem verrichtet im Zusammenhang mit demjenigen, der den Wagen nun stellt. Es wird eine Arbeit geteilt. Dasjenige, was verrichtet wird, was im volkswirtschaftlichen Sinne Arbeit ist, wird geteilt. Es spielt sich ja dann die Sache so ab, daß ein jeglicher, der den Wagen benutzt, nun an den Wagenunternehmer eine bestimmte Quote zu bezahlen hat.

Damit aber ist derjenige, der den Wagen erfunden hat, in die Kate­gorie des Kapitalisten eingetaucht. Der Wagen ist für den betreffenden Menschen jetzt richtiges Kapital. Sie werden, wo Sie suchen wollen, sehen, daß gewissermaßen der Entstehungspunkt des Kapitals immer in der Arbeitsteilung, Arbeitsgliederung liegt. Aber wodurch ist der

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Wagen erfunden worden? Er ist eben durch den Geist erfunden wor­den. Und jeglicher solcher Vorgang besteht darin, daß der Geist auf die Arbeit angewendet wird, daß die Arbeit durch den Geist in irgend­einer Beziehung durchdrungen wird. Also durchgeistigte Arbeit, das ist dasjenige, was im Verlauf der Arbeitsteilung auftritt. Wir haben es zunächst mit nichts anderem zu tun als mit durchgeistigter Arbeit, wenn wir im Verlaufe der Arbeitsteilung Kapital entstehen sehen. Die erste Phase des Kapitals besteht eigentlich immer darinnen, daß vom Geist heraus, während früher nur von der Natur heraus, jetzt vom Geist heraus die Arbeit organisiert, gegliedert und so weiter wird.

Es ist schon notwendig, daß das Kapital, die Kapitalbildung, von diesem Gesichtspunkt aus klar angesehen wird; denn nur von diesem Gesichtspunkt kann man verstehen die Funktion des Kapitals im volkswirtschaftlichen Prozeß. Kapitalentstehung ist immer die Be­gleiterscheinung der Arbeitsteilung, Arbeitsgliederung.

Damit aber löst sich etwas los von dem unmittelbaren Verkehr, in dem der Mensch ist mit der Natur, wenn er die Natur bearbeitet. Solange man es nur zu tun hat mit der Bearbeitung der Natur, solange können wir nur sprechen von Naturprodukten, die durch die mensch­liche Arbeit verändert worden sind und dadurch einen Wert be­kommen haben; in dem Augenblick aber, wo wir davon sprechen, daß der Geist die Arbeit organisiert, die Arbeit als solche - denn diesem Menschen, nicht wahr, der da Kapital schafft in seinem Wagen, dem ist es ja im Grunde genommen gleichgültig, zu welchem Zweck, zu welchem Ziel er seine Leute von einem Ort zum andern führt -, findet eine Emanzipation statt von der Natur. Hier überall ist, ich möchte sagen, noch durchscheinend durch die menschliche Arbeit die Natur. Wenn auch die Kohle als Substanz nicht den Wert bildet, son­dern dasjenige, was als menschliche Arbeit der Kohie aufgeprägt ist, so scheint doch eben das Naturprodukt durch, durch die menschliche Arbeit. Das ist die eine Seite der Entstehung wirtschaftlicher Werte.

Die andere Seite ist diese, daß sich nun dasjenige, was vom Geist aus an der Arbeit organisiert wird, daß sich das von der Natur voll­ständig emanzipiert, daß es sich vollständig abhebt von der Natur. Wir kommen endlich dazu, daß wir den Kapitalisten haben, dem ganz

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gleichgültig sein kann, wie die Arbeit, die er gliedert, zu der Natur steht. Es kann ja sehr einfach stattfinden. Es kann diesem Mann ein­fallen: während er bisher Leute geführt hat von den verschiedensten Orten, sagen wir zu irgendeiner Ackerarbeit, läßt er nun, wenn ihm das besser gefallt, indem er seinen Wagen da wegnimmt, Leute an einen anderen Ort, zu einer ganz anderen Arbeit fahren. Sie werden finden, daß sich in der Anwendung des Geistigen durchaus emanzi­piert dasjenige, was menschliche Arbeitsgliederung ist, von der Naturgrundlage. Damit haben Sie aber auch die Emanzipation des Kapitals gegeben von der Naturgrundlage.

Man hat ja von verschiedenen volkswirtschaftlichen Standpunkten aus die Ansicht aufgestellt, daß Kapital aufgespeicherte Arbeitskraft wäre; aber es ist dieses eigentlich nur eine Definition, die, weil die Sache fluktuierend ist, eigentlich nur für ein gewisses Stadium paßt. Solange man im engsten Sinn mit der geistigen Organisation an irgendeine Arbeitsart gebunden ist, wird noch die Natur durch­schimmern. In dem Augenblick, wo man sich emanzipiert, wo man nurmehr an das denkt, wie man dasjenige, was man gewinnt, durch die Anwendung des Geistes fruchtbar macht, in dem Augenblick merkt man auch, wie in der Kapitalmasse, die man dann hat, die Arbeit all­mählich undeutlich wird, in ihrer besonderen Eigenart verschwindet.

Nehmen Sie an, Sie haben eine Zeitlang kapitalisiert und haben sich dadurch Kapital erworben, das nun wirklich volkswirtschaftlich arbeitet. Einer, der erst einen Wagen hat, kann volkswirtschaftlich weiterarbeiten, indem er zwei Wagen erwirbt und so weiter. Sein Kapital arbeitet volkswirtschaftlich. Aber im Grunde ist von der Natur der Arbeit da nichts mehr darinnen. Wenn Sie einen Berg­arbeiter ansehen, da ist von ihr sehr viel darinnen; aber in dem Kapital sehen Sie immer weniger von der Arbeit darinnen; und wenn Sie gar annehmen, der Mann überläßt nun einem anderen die ganze Sache, dann wird es durch den Übergang unter Umständen dem zweiten eben nur darauf ankommen, daß sich dasjenige, was da durch den Geist geschehen ist, fruktifiziert; aber höchst gleichgültig wird ihm die Natur der Arbeit sein, die da organisiert wird. Es soll überhaupt nur organisiert werden.

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Mit anderen Worten: Wir haben da einen realen Abstraktionsprozeß. Es ist ganz dasselbe, was man sonst im logischen Denken in der Abstraktion innerlich vollzieht. Das vollzieht man da äußerlich. Die Besonderheit verschwindet, die Besonderheit der Natursubstanz und die Besonderheit der Arbeitsarten, in den Kapitalmassen nach und nach. Wenn wir den volkswirtschaftlichen Prozeß dann weiter ver­folgen, dann werden Sie sehen, daß schon gar nichts mehr da ist von dem, was ursprünglich da an Arbeit organisiert worden ist. Denn nehmen Sie den Fortschritt des volkswirtschaftlichen Prozesses, dann wird er sich etwa so darstellen: Der Mann, der den Wagen gebaut hat, der hat noch seinen Geist wenigstens dieser ganzen Erfindung auf-geprägt; aber nun verdient er, er verdient mehr an Wert, als er nur irgendwie selbst bewältigen kann. Ja, sollen das jetzt für die Volkswirtschaft unbenützte Werte bleiben? Das sollen sie nicht bleiben. Es muß ein anderer kommen, der diese Werte mit einer anderen Art von Geistigkeit bewältigen kann, der diese Werte in einer ganz anderen Weise nun verwertet.

So können Sie sich vorstellen: Dasjenige, was da an Werten ge­schaffen worden ist durch den Wagenerfinder, das ginge über nach einiger Zeit - also dasjenige, was als Fruktifizierung herausgekommen ist -, ginge über an einen Kunstschmied. Der Kunstschmied hat den Geist, eine Kunstschmiede aufzuführen; aber mit dem Geist kann er zunächst nichts anfangen. Aber der andere hat schon wirtschaftliche Werte geschaffen. Die muß er übertragen auf diesen. Da haben Sie schon den vollständigsten Abstraktionsprozeß in der Realität draußen.

Daher ist es auch notwendig, damit die Sache überhaupt weiter­gehen kann - sie könnte sonst nicht weitergehen, denn wie soll der Wagenbauer dem Kunstschmied seine Werte übertragen? -, daß etwas da ist, was sich zu dem Besonderen, das da in der Volkswirtschaft lebt, wie ein Abstraktes verhält. Und das ist zunächst das Geld. Das Geld ist nichts anderes als der äußerlich ausgedrückte Wert, der durch Arbeitsteilung erwirtschaftet ist und der von einem auf den anderen übertragen wird.

Wir sehen also im Verfolg der Arbeitsteilung den Kapitalismus

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auftreten, wir sehen im Verfolg des Kapitalismus, und zwar ziemlich bald, auftreten die Geldwirtschaft. Das Geld ist gegenüber den be­sonderen wirtschaftlichen Geschehmssen ein vollständiges Abstrak­tum. Wenn Sie fünf Franken in der Tasche haben, können Sie sich dafür ebensowohl ein Mittagsmahl kaufen und ein Abendbrot, wie Sie sich einen Anzugsteil kaufen können. Für das Geld ist es irrelevant, was dafür erworben wird, gegen was es sich im volkswirtschaftlichen Prozeß austauscht. Das Geld ist das für die einzelnen Volkswirt­schaftsfaktoren, insofern sie noch von der Natur beeinflußt sind, absolut Gleichgültige. Deshalb wird das Geld aber der Ausdruck, die Handhabe, das Mittel für den Geist, um einzugreifen in den volks­wirtschaftlichen Organismus, der in der Arbeitsteilung steht.

Ohne daß das Geld geschaffen wird, ist es überhaupt nicht möglich, daß der Geist eingreift in den volkswirtschaftlichen Organismus, wenn wir von der Arbeitsteilung sprechen. So können wir sagen: Da wird dasjenige, was ursprünglich zusammen ist im volkswirtschaft­lichen Zustand, was jeder einzelne in seinem Egoismus erarbeitet, das wird verteilt auf die Gesamtheit. - So ist es ja in der Arbeitsteilung. Im Kapital werden Einzelheiten wiederum zusammengefaßt zu einem Gesamtprozeß. Die Kapitalbildung ist eine Synthese, durchaus eine Synthese. So wird derjenige, der in dieser Art als Kapitalbildner auf­getreten ist, der durch dle Notwendigkeit des Auftretens des Geldes eben sein Kapital in Geldkapital verwandeln kann, der wird zum Leiher für einen, der nichts anderes hat als Geist. Der empfängt das Geld. Das ist der richtige Repräsentant von durch den Geist auf­gebrachten wirtschaftlichen Werten.

Wir müssen die Sache durchaus volkswirtschaftlich betrachten. Es mag religiös und ethisch das Geld eine noch so schlimme Sache sein; im volkswirtschaftlichen Sinn ist das Geld der in dem volkswirtschaft­lichen Organismus drinnen wirksame Geist. Es ist nicht anders. Also, es muß im volkswirtschaftlichen Prozeß das Geld geschaffen werden, damit überhaupt der Geist seinen Fortschritt findet von dem Aus­gangspunkt aus, wo er sich nur an die Natur wendet. Er würde in primitiven Zuständen bleiben, wenn er sich nur auf die Natur an­wenden würde. Er muß, um nun auch die Errungenschaft des Geistigen

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in den volkswirtschaftlichen Prozeß wiederum hineinzugießen, als Geld sich realisieren. Geld ist realisierter Geist. Es kommt aber gleich wieder das Konkrete herein. Zunächst ist das Geld ein Abstrak­tum, von dem man sagen kann: Es ist gleich, ob ich mir um fünf Franken einen Teil des Anzugs kaufe oder die Haare schneiden lasse -es braucht ja nicht ein einziger Haarschnitt zu sein -, ich meine, für das Geld ist es gleichgültig. Aber indem das Geld an die Person des Menschen und damit an den Geist des Menschen zurückkommt, in dem Moment wird das Geld dasjenige, was nun wiederum in seiner konkreten besonderen Tatsache volkswirtschaftlich tätig ist. Das heißt: der Geist ist in dem Geld drinnen volkswirtschaftlich tätig.

Da entsteht nun aber ein ganz besonderes Verhältnis. Derjenige, der das Geld zunächst erworben hat, der wird zum Leiher, zum Gläubiger. Der andere, der das Geld bekommt, der nur den Geist hat, wird zum Schuldner. Da haben Sie jetzt das Verhältnis zwischen zwei Menschen. Dasselbe Verhältnis kann ja auch dadurch herbeigeführt werden, daß nun die Beleiher eine Anzahl von Menschen sind, die dem einen eben thre Überschüsse geben, so daß er nun noch eine höhere Synthese bewirkt durch seinen Geist; aber er bleibt der Schuldner. Dieser arbeitet durchaus auf dem Boden, der sich nun also durch und durch emanzipiert hat von der Naturgrundlage, denn selbst dasjenige, was er noch bekommt von den ersten Kapitalisten selbst, ist ja bei ihm überhaupt ein Nichts; das muß er ja wieder zurückgeben nach einiger Zeit, es gehört ihm ja nicht. - Er arbeitet eigentlich nur auf der einen Seite volkswirtschaftlich als Schuldner, und auf der anderen Seite haftet er volkswirtschaftlich als geistiger Schöpfer. Es ist durchaus sogar vielleicht eines der gesündesten Verhältnisse, wir müssen das besonders berücksichtigen in der sozialen Frage, wenn ein geistiger Arbeiter für die Allgemeinheit dadurch arbeitet, daß ihm die All­gemeinheit auch - denn für ihn ist es die Allgemeinheit - das Geld dazu gibt. Wie da hinein Besitz und Eigentum und so weiter spielen, das werden wir noch sehen. Hier handelt es sich nur darum, den volks­wirtschaftlichen Prozeß zu verfolgen. Es ist ganz gleichgültig, ob Sie den Leihenden als Besitzer auffassen oder nicht und den Schuldner so

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auffassen, wie ihn dle Jurisprudenz auffaßt oder nicht. Es kommt darauf an, für uns jetzt, wie der volkswirtschaftliche Prozeß ver­läuft.

Wir sehen also zuletzt einen Teil des volkswirtschaftlichen Pro­zesses, wo herausgearbeitet wird bloß noch aus dem, was geistig errungen ist, was sich schon emanzipiert hat. Aber diese geistige Errungenschaft ist vorher aus der Organisation der Arbeit entstanden. Aber wir sind jetzt auf der zweiten Etappe. Wenn Sie auf dieser zweiten Etappe, wo ein geistiger Arbeiter als Schuldner arbeitet, noch sagen wollten, dasjenige, was er bekommt als Schuldkapital, das sei etwa kristallisierte Arbeit, so würden Sie volkswirtschaftlich einen ungeheuren Unsinn sagen, denn es hat keine Bedeutung für den volks­wirtschaftlichen Prozeß, wie das Kapital entstanden ist, das er schuldet, sondern das hat Bedeutung, wie dessen Geist beschaffen ist, der das Geld jetzt hat, wie er es überführen kann in fruchtbare volkswirt­schaftliche Prozesse. Die erste Arbeit, durch die das Kapital ent­standen ist, hat jetzt keinen volkswirtschaftlichen Wert mehr; volks­wirtschaftlichen Wert hat lediglich das, was er als Geist aufbringt, um das Geld zu verwerten. Denken Sie sich, es ist noch so viel Arbeit aufgespeichert im Kapital: Es kommt ein Dummkopf darüber, der alles verpulvert; dann haben Sie einen anderen Prozeß, als wenn ein gescheiter Mensch dazu kommt, der einen fruchtbaren Prozeß ein­leitet.

Also auf dieser zweiten Etappe, wo wir es zu tun haben mit Leiher und Schuldner, müssen wir sagen: Wir haben es zu tun mit dem Kapital, aus dem die Arbeit bereits verschwunden ist.

Worin besteht jetzt die volkswirtschaftliche Bedeutung dieses Kapi­tals, woraus die Arbeit verschwunden ist, worin besteht sie? Die volks­wirtschaftliche Bedeutung besteht lediglich darin, daß erstens eine Möglichkeit herbeigeführt worden ist, daß man solches Schuldkapital aufbringen kann, daß man es zusammensammeln kann; und zweitens, daß es geistig verwertet werden kann. Darin besteht die volkswirtschaftliche Bedeutung dieses Kapitals.

Das Reale, das daraus entsteht, ist das Verhältnis zwischen dem Schuldner und seinen Geldgebern. Und in dem volkswirtschaftlichen

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Prozeß, der von dem Schuldner eingeleitet wird, steht der Schuldner in der Mitte drinnen. Wir haben es auf der einen Seite zu tun mit dem, was zum Schuldner hintendiert, und auf der andern Seite mit dem, was von dem geistig Produzierenden, dem Schuldner, ausgeht. Und wir können sagen: In diesem Fall wird dasjenige, was auf der einen Seite Leihkapital ist, dadurch einfach, daß es Schuldkapital wird, um­gewandelt in die zweite Etappe des volkswirtschaftlichen Pro­zesses.

Sie haben gar nichts darinnen als eine Zirkulation des Kapitals; aber diese Zirkulation des Kapitals ist in einer sozialorganischen Betäti­gung darinnen, so wie Sie das Blut in einer menschlichen oder tieri­schen organischen Betätigung haben, wenn es durch den Kopf fließt und verwertet wird zu dem, was der Kopf erzeugt.

Und ich möchte sagen: Was wird denn hervorgerufen dadurch, daß wir es zu tun haben mit Leihenden und Schuldnern, die auftreten? Es ist das etwas ganz Ähnliches wie das, was Ihnen im Physikalischen als eine Art Niveaudifferenz entgegentritt. Wenn Sie hier oben Wasser haben, so langt es da unten an durch die Niveaudifferenz. Ebenso ist einfach eine soziale Niveaudifferenz vorhanden zwischen der ersten Stätte des Kapitals und der zweiten, zwischen der Stätte des Leihers, der nichts anzufangen weiß damit, und der Stätte des Schuldners, der es verwerten kann. Das ruft die Niveaudlfferenz hervor.

Aber wir müssen bedenken, was das Tätige in dieser Niveaudifferenz ist. Das Tätige ist nicht einmal dasjenige, was als Geist sich ausdrückt in dem Geschehen; sondern bei dieser Niveaudifferenz sind das Bedingende die verschiedenen Anlagen der Menschen. Wenn einer Kapital hat, der dumm ist, so wird in einem gesunden volkswirtschaft­lichen Prozeß der Dumme oben sein und der Kluge unten. Dadurch entsteht eine Niveaudifferenz. Das Kapital schwimmt zu dem Klugen hin ab. Und durch die Niveaudifferenz zwischen den menschlichen Anlagen kommt eigentlich das Kapital in Fluß. Es ist eigentlich nicht einmal die menschliche Betätigung, sondern die menschliche Qualität der Menschen, die im sozialen Organismus miteinander verbunden sind, was die Niveaudifferenz hervorruft und dann erst den volkswirt­schaftlichen Prozeß weiter fortsetzt.

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Nun schauen Sie sich einmal konkret diesen volkswirtschaftlichen Prozeß an, so werden Sie sich sagen: Wir sind ausgegangen von der Natur, die noch nichts wert ist. Daß sie nichts wert ist, geht daraus hervor, daß, wenn der Spatz seine Bedürfnisse an der Natur be­friedigt, so zahlt er nichts dafür. Also die Natur als solche hat noch keinen volkswirtschaftlichen Wert. Das zeigt die Spatzenwirtschaft im Gegensatz zur Volkswirtschaft. Es beginnt also der volkswirtschaft­liche Wert damit, daß die menschliche Arbeit sich mit der Natur ver­bindet. Es geschieht die Fortsetzung des wirtschaftlichen Prozesses dadurch, daß die Arbeit sich gliedert, sich teilt. Nennen wir zunächst in höchst unbestimmter Art dasjenige, was wir da haben: Arbeit auf die Natur angewendet. Ich will, damit allmählich ein völliger volks­wirtschaftlicher Sinn in die Sache kommt, das, was da auftritt, be­zeichnen mit Na = Natur, erfaßt von menschlicher Arbeit. Was ist das im volkswirtschaftlichen Sinn: Natur, erfaßt von der menschlichen Arbeit? Das ist, wie wir gesehen haben, Wert; in der Volkswirtschaft ist es Wert. Ich will also sagen: Natur, erfaßt von der menschlichen Arbeit, zum Wert geworden: Naw. Das ist das eine.

Jetzt kommt die Arbeitsteilung. Was heißt aber in diesem Sinne Arbeitsteilung? In diesem Sinne Arbeitsteilung heißt ja: Auseinander-teilen derjenigen Prozesse, die man zuerst als an der Natur vollführte Arbeitsprozesse verrichtet hat, und die dann weiterleben. Nicht wahr, wenn ich zuerst einen ganzen Ofen mache, so habe ich die ver­schiedensten Arbeitsprozesse verrichtet; wenn ich teile, so habe ich diese Arbeitsprozesse auseinandergeschält. Ich teile. Wenn das hier, Naw, dasjenige ist, was durch Arbeit verändertes Naturprodukt ist, das zum Werte geworden ist, dann muß dasjenige, was durch die Arbeitsteilung entsteht, indem dieses, Naw, auseinanderge schält wird -ich könnte es ja auch anders schreiben -, sein: = Nawl, Naw2 und so weiter.

Wenn das nun wirklich einen realen Prozeß durchmacht, wodurch muß er dann, wenn die Arbeitsteilung eintritt, ausgedrückt werden? Nun, durch eine Division, durch einen Bruch. Es muß dasjenige, was in der Realität vorhanden ist, indem der Wert, den ich hier auf­geschrieben habe, in die Arbeitsteilung übertritt, es muß das in irgendeiner

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Weise dividiert werden. Es fragt sich jetzt nur, durch was wird es denn dividiert? Was ist denn das Teilende? Was teilt denn diesen Prozeß auf? Nun, da müssen wir eben auf die andere Seite sehen. Nicht wahr, bei der reinen Mathematik braucht man nur zu nehmen, was als Zahlen gegeben ist; wenn man aber Rechnungsprozesse in der Wirklichkeit selber aufzusuchen hat, muß man dasjenige, was wirklich teilt, das muß man aufsuchen. Nun haben wir auf der anderen Seite gefunden die vom Geist erfaßte Arbeit. Wir können also dem, Naw, gegenüberstellen die vom Geist erfaßte Arbeit, die nun nach der anderen Seite zum Wert wird: Agw, unter dem Bruchstrich geschrie­ben. Aber nun haben wir es ja schon dazu gebracht, etwas zu ver­stehen von dieser durch den Geist erfaßten Arbeit: Wenn sie weiter-wirken soll im volkswirtschaftlichen Prozeß, wenn dieses, Naw, divi­diert ist, und sie soll weiterwirken - wir haben ja gesehen, was da für dies Agw, Arbeit, durch den Geist organisiert, zum Wert geworden, eigentlich eintritt:

Naw

Agw

Das Geld tritt ein. Das Geld tritt aber jetzt nicht ein in seiner ganzen Abstraktheit - abstrakt ist es zunächst -, ich möchte sagen, als die Substanz, an die der Geist sich anwendet; aber es wird sehr individua­lisiert, sehr besondert, wenn der Geist es erfaßt und auf das oder jenes anwendet. Und indem der Geist dieses tut, bestimmt der Geist als solcher den Wert des Geldes. Hier beginnt das Geld einen bestimmten konkreten Wert zu bekommen. Denn, ob einer ein Dummkopf ist und das Geld auf etwas, was sich nicht fruktifiziert, hinausschmeißt, oder es in einer bestimmten Weise anwendet, das zeigt sich jetzt als ganz realer Wert im volkswirtschaftlichen Prozeß. So daß Sie also als diesen Nenner bekommen werden, was mit dem Gelde etwas zu tun hat. Als Zähler kann ich natürlich nichts anderes bekommen als das, was damit zu tun hat, daß ich etwas vor mir habe, wohinein sich die Substanz der Natur verwandelt hat. Wenn aber eine Natursubstanz sich durch Arbeit verwandelt und dann da ist im volkswirtschaftlichen Prozeß, dann ist es Ware, in die Formel eingesetzt: über dem Bruchstrich

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= Ware. Und das, was hier die organisierte Arbeit ist, das ist Geld, in die Formel eingesetzt unter dem Bruchstrich = Geld. Das

Naw __ Ware

Agw Geld

heißt, es sind uns jetzt neue Werte aufgetreten: Der Warenwert und der Geldwert. Und wir haben in einem volkswirtschaftlichen Prozeß, der auf Arbeitsteilung beruht, zu erkennen, daß der Quotient von der in dem volkswirtschaftlichen Organismus vorhandenen Ware und dem in dem volkswirtschaftlichen Organismus vorhandenen Geld -wenn wir es ansehen nicht als dasjenige, was wir in den Kassen ab­zählen, sondern als dasjenige, was vom Geist der Menschen ergriffen wird - ein Zusammenwirken darstellt, in dem das Geld den Divisor ausmacht. Und in diesem Zusammenwirken - aber in einem solchen, das nicht etwa durch Subtraktion dargestellt werden kann, sondern eben durch Division -, in diesem Zusammenwirken besteht eigentlich die Gesundheit des volkswirtschaftlichen Prozesses. Und wir werden verstehen müssen, um nach und nach die Gesundheit des volkswirt­schaftlichen Prozesses zu verstehen, was da eigentlich im Zähler und was da im Nenner wirkt: Wir werden immer mehr und mehr verstehen

Gesundheit = Naw =_ Ware

Agw Geld

müssen, worin das eigentliche Wesen der Ware auf der einen Seite liegt, und worin das eigentliche Wesen des Umlaufmittels, des Geldes, auf der anderen Seite liegt. Die bedeutsamsten volkswirtschaftlichen Fragen können gar nicht gelöst werden, wenn man nicht in einer solchen Weise genau auf die Sachen eingeht, aber sich auch klar darüber ist, daß, was auch auftritt in der Volkswirtschaft, daß das immer etwas Fluktuierendes sein muß. In dem Augenblick, wo die Ware nur von einem Ort zum andern gebracht wird, wird der Zähler etwas anderes und so weiter. Und ich kann eigentlich immer nur beweisen, wie fluktuierend im volkswirtschaftlichen Prozeß alles ist.

Es ist ein sehr beträchtlicher Unterschied zwischen der Börse, die ich in der Tasche habe und wo fünf Franken drin sind, und der Börse,

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die ein anderer hat und wo auch fünf Franken drin sind. Es ist nicht gleichgültig, ob die fünf Franken in der einen Tasche oder in der anderen sind; denn das alles muß im realen wirtschaftlichen Prozeß absolut erfaßt werden. Sonst bekommen Sie nur einige hingepfahlte abstrakte Begriffe heraus von Preis und Wert und Ware und Produk­tion und Konsumtion und so weiter, und Sie bekommen nicht das heraus, was eigentlich wirklich zum Verständnis des volkswirtschaft­lichen Prozesses führt.

Das ist das so unendlich Traurige in unserer Gegenwart, daß wir in einer Lage sind, wo wir eben einfach deshalb, weil durch Jahr­hunderte die Menschheit sich an scharf konturierte Begriffe gewöhnt hat, die nicht anwendbar sind im Prozeß, das nicht können, was sich heute so notwendig als eine Forderung vor uns hinstellt: daß wir mit unseren Begriffen in Bewegung kommen, um die volkswirtschaft­lichen Prozesse zu durchdringen. Das ist, was errungen werden muß: die Beweglichkeit des Denkens, um einen Prozeß als solchen innerlich durchdenken zu können. Gewiß, in der Naturwissenschaft werden auch Prozesse durchgedacht, aber so, wie sie von außen angeschaut werden. Das hilft aber nichts. Sie müßten sich in einem Luftballon weit hinaufbegeben und den volkswirtschaftlichen Prozeß anschauen, wie der Chemiker seine Prozesse von außen anschaut. Was die volks­wirtschaftlichen Prozesse auszeichnet, ist, daß wir in ihnen drinnen-stehen. Wir müssen sie also von innen anschauen. Wir müssen uns in den volkswirtschaftlichen Prozessen so erfühlen, wie etwa ein Wesen, das, sagen wir, in einer Retorte wäre. Hier wird etwas gebraut unter Wärmeentwickelung. Dieses Wesen, das da in der Retorte wäre, das kann nicht der Chemiker sein, dieses Wesen, das ich vergleichen will mit uns, sondern das müßte ein Wesen sein, das die Wärme mitmacht, selber mitsiedet. Der Chemiker kann das nicht, dem Chemiker ist das ein Äußerliches. In der Naturwissenschaft stehen wir außer den Pro­zessen. Der Chemiker könnte das nicht mitmachen, wenn hier eine Temperatur von hundertfünfzig Grad entwickelt wird. Den volks­wirtschaftlichen Prozeß machen wir überall innerlich mit, müssen ihn auch innerlich verstehen. Deshalb ist es so, daß vielleicht ein Mathe­matiker sagt: Ja, du hast uns jetzt irgend etwas wie eine Formel aufgeschrieben.

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So sind wir nicht gewohnt, daß mathematische Formeln aufgebaut werden. - Gewiß, weil wir nur gewohnt sind, daß mathe­matische Formeln aufgebaut werden, wenn wir die Prozesse von außen anschauen! Wir müssen Anschauung entwickeln, damit wir einen Zähler und einen Nenner kriegen und um zu begreifen, daß etwas eine Division sein muß und nicht eine Subtraktion sein kann. Wir müssen versuchen, uns hineinzudenken in den volkswirtschaftlichen Prozeß. Deshalb habe ich natürlich auch dieses krasse Beispiel gestern gewählt, daß ich Ihnen nicht vorgeführt habe den einen Schneider und den Händler von außen betrachtet, wie es der Naturwissenschafter be­trachtet; denn da kann man nicht darauf kommen auf das, um was es sich handelt. Will man herein, dann kommt es einem unheimlich vor mit dem Denken, das nur von außen anschaut wie beim Forscher, der die Retorte nur von außen anschaut. Wir müssen die ganze Summe von Vorgängen, die sich abspielen zwischen dem Schneider und allen Effekten, die sich volkswirtschaftlich zutragen, uns innerlich vor­stellen.

Ich würde nicht wahr werden in dem Erfüllen dessen, was Sie ver­langt haben, wenn ich die Sache anders darstellen würde, als wie ich sie darstelle. Dadurch ist die Sache von Anfang an etwas schwierig.

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FÜNFTER VORTRAG Dornach, 28. Juli 1922

Wenn wir die Tatsachenfolgen innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses, die wir gestern ins Auge gefaßt haben, uns noch etwas weiter anschauen, so wird sich uns das Folgende ergeben. Wir haben gesehen, wie der volkswirtschaftliche Prozeß in Gang kommt dadurch, daß zunächst die Natur bearbeitet wird, daß also aus dem bloßen, innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses noch wertlosen, un­bearbeiteten Naturprodukte das bearbeitete Naturprodukt entsteht. Dann haben wir gesehen, wie der Prozeß weitergeht dadurch, daß die Arbeit gewissermaßen eingefangen wird von dem Kapital, daß das Kapital die Arbeit gliedert, organisiert, und daß dann die Arbeit in dem Kapital drinnen wiederum verschwindet, so daß für den weiteren Fortschritt des volkswirtschaftlichen Prozesses das Kapital arbeiten muß. Aber dieses Arbeiten ist nicht mehr in demselben Sinn wie früher ein Arbeiten, sondern es ist ein Aufnehmen des Kapitals von dem bloßen Geistigen. Und indem dann das Geistige, wie ich es gestern beschrieben habe, das Kapital weiter verwertet innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses, geht eben dieser vorwärts.

Ich möchte Ihnen das, was ich Ihnen hier auseinandergesetzt habe, damit wir zu einem Begreifen der gestern angedeuteten Formel all­mählich aufsteigen können, schematisch, gewissermaßen sinnbildlich darstellen. Wir können sagen: Die Natur geht unter in der Arbeit (siehe Zeichnung 3). So daß wir etwa diese Strömung haben von der Natur in die Arbeit hinein. Die Natur geht unter in der Arbeit. Die Arbeit entwickelt sich weiter. Die entwickelten Werte strömen ge­wissermaßen weiter. Die Arbeit verschwindet im Kapital. Und wir haben den Prozeß bis hierher verfolgt (siehe Zeichnung 3). Sie werden ihn sich jetzt leicht fortsetzen können. Es ist notwendig, daß der Kreislauf sich schließt. Das Kapital kann nicht in einfaches Stocken hineinkommen. Sonst hätte man es nicht mit einem organischen Prozeß zu tun, sondern mit einem Prozeß, der im Kapital ersterben würde. Es muß das Kapital wiederum in der Natur verschwinden. Das,

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daß das Kapital wiederum in der Natur verschwinden muß, das kön­nen Sie eigentlich anschaulich verfolgen, aber Sie müssen vorerst noch einen anderen Begriff zu Hilfe nehmen, wenn Sie dieses Verschwinden des Kapitals in der Natur richtig verstehen wollen.

#Bild s. 68

Bedenken Sie doch, was ich eigentlich bis jetzt vor Ihnen hier im volkswirtschaftlichen Prozeß nur entwickelt habe. Ich habe ent­wickelt die Bearbeitung der Natur, die Organisierung der Arbeit durch den Geist, und damit die Entstehung des Kapitals, die eine Begleiterscheinung ist der Organisierung der Arbeit durch den Geist. Dann das Vorhandensein des Kapitals, das gewissermaßen die Über­nahme des Kapitals aus dem die Arbeit organisierenden Geist ist, diese Verselbständigung des Kapitals, wo die Arbeit verschwindet und wo nun der Geist im Kapital als erfinderischer Geist, aber im sozialen Zusammenhang, arbeitet. Das eigentlich Technische der Erfindungen geht uns hier nichts an, das eigentlich Technische der Erfindungen wird erst in Betracht kommen, wenn wir unsere Auseinandersetzungen weiter verfolgen.

Nun, alles, was ich Ihnen da geschildert habe - überschauen Sie es nur -, das ist von einem einseitigen Standpunkt aus geschildert. Ich

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mußte es auch von einem einseitigen Standpunkt aus schildern. Denn das ist alles geschildert vom Standpunkt des Produzierens aus. Ich habe im Grunde genommen höchstens andeutungsweise bisher von etwas anderem gesprochen als von der Produktion. Ich habe gewisser­maßen nur hereingenommen zuweilen Begriffe, die von der Konsum­tion herrühren, wenn es sich darum gehandelt hat, uns der Preisfrage etwas zu nähern; aber von der Konsumtion werden Sie eigentlich noch gar nichts bemerkt haben. Also, ich habe bisher von der Pro­duktion gesprochen. Aber der volkswirtschaftliche Prozeß besteht ja nicht bloß in der Produktion, sondern besteht auch außer in der Produktion in der Konsumtion.

Wenn Sie eine einfache Überlegung anstellen, so werden Sie sehen, daß die Konsumtion genau der entgegengesetzte Pol ist von der Pro­duktion. Wir haben uns bemüht, innerhalb der Produktion zu finden Werte, die im volkswirtschaftlichen Prozeß entstehen; aber die Kon­sumtion besteht in einem fortwährenden Wegschaffen dieser Werte, in einem fortwährenden Auf brauchen dieser Werte, also in einer fort­währenden Entwertung dieser Werte. Und das ist in der Tat das­jenige, was im volkswirtschaftlichen Prozeß die andere Rolle spielt: ein fortwährendes Entwerten der Werte. Dadurch gerade hat man ein gewisses Recht, davon zu sprechen, daß der volkswirtschaftliche Pro­zeß ein organischer ist, ein Prozeß, in den das Geistige dann eingreift; denn ein Organismus besteht eben darinnen, daß er etwas bildet und dann wieder entbildet. Es muß fortwährend im Organismus produ­ziert und verbraucht werden. Das muß auch im volkswirtschaftlichen Organismus da sein. Es muß fortwährend produziert und verbraucht werden.

Damit kommen wir dazu, dasjenige, was eigentlich sich bis jetzt an werterzeugenden Kräften gezeigt hat, noch in einem anderen Licht, von einem anderen Gesichtspunkt aus zu sehen. Bis jetzt haben wir eigentlich nur gezeigt, wie innerhalb oder im Verlauf des Produktions­prozesses Werte entstehen. Nun aber, jedesmal wenn ein Wert vor seiner Entwertung steht, dann verändert sich ja die ganze Bewegung, die wir bisher gesehen haben. Es war eine fortlaufende Bewegung, die wir beobachtet haben: Werte entstehen durch die Anwendung der

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Arbeit auf die Natur; Werte entstehen durch die Anwendung des Geistes auf die Arbeit; Werte entstehen durch die Anwendung des Geistes auf das Kapital. Und das alles ist eine fortschreitende Be­wegung.

Wir können also sagen: Wir haben die wertebildende Bewegung betrachtet innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses. - Es gibt aber dadurch, daß überall in diesen volkswirtschaftlichen Prozeß nun auch das Entwertende, die Konsumtion eintritt, noch etwas anderes. Es gibt jene Wertentfaltung, welche sich nun ergibt zwischen der Produktion selbst und der Konsumtion. Indem der Wert in die Kon­sumtion hineingeht, bewegt er sich nicht weiter. Er wird nicht höher­wertig. Er bewegt sich nicht weiter. Es steht ihm etwas gegenüber. Es steht ihm eben die Konsumtion mit ihrer Bedürfnisentwickelung gegenüber. Da ist der Wert hineingestellt in etwas ganz anderes, als er bis jetzt in unserer Betrachtung hineingestellt erschien. Bis jetzt haben wir den Wert betrachtet in einer fortlaufenden Bewegung. Nun­mehr müssen wir beginnen, den Wert bis zu einem gewissen Punkt zu betrachten, dann aber ihn aufgehalten anzusehen. Jedesmal, wenn der Wert aufgehalten wird, entsteht nicht eine wertbildende Bewegung weiter, sondern eine wertbildende Spannung.

Und das ist das zweite Element im volkswirtschaftlichen Prozeß. Wir haben im volkswirtschaftlichen Prozeß nicht nur wertbildende Bewegungen, sondern haben auch wertbildende Spannungen. Und solche wertbildende Spannungen, wir können sie am anschaulichsten eben beobachten, wenn einfach der Konsument dem Produzenten oder Händler gegenübersteht, und wenn im nächsten Augenblick, könnten wir sagen, die Wertbildung aufhört, indem sie in die Ent­wertung übergeht. Da bildet sich eine Spannung, und diese Spannung, die wird im Gleichgewicht gehalten durch das Bedürfnis von der anderen Seite. Da (siehe Zeichnung) wird der wertbildende Prozeß aufgehalten: das Bedürfnis, der Verbrauch tritt ihm entgegen, und es entsteht die Spannung zwischen Produktion und Konsumtion, die nun durchaus auch ein wertbildender Faktor ist, aber ein solcher wert­bildender Faktor, der einem Kraftentwickeln, das aufgehalten wird, das im Gleichgewicht gehalten wird, nicht einem Fortwirken der

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Kräfte zu vergleichen ist. Sie haben da durchaus ein Analogon zu dem Physikalischen der lebendigen Kräfte und der Spannkräfte, der leben­digen Energien und der Energien der Lage, wo Gleichgewicht erzeugt wird. Wenn man närulich diese Spannungsenergien im volkswirtschaft­lichen Prozeß nicht ins Auge faßt, so kommt man zu den kuriosesten Anschauungen. Wir werden sehen, wenn man solche Anschauungen entwickelt, wie man da zu Auffassungen eines jeden volkswirtschaft­lichen Verhältnisses kommt, wie man aber sonst in die konfusesten Anschauungen hineinkommt. Sie werden, wenn Sie zum Beispiel nur einseitig volkswirtschaftliche Bewegungen der Energien festhalten, nicht begreifrn können, warum der Diamant in der Krone von Eng­land einen so ungeheuer großen Wert hat; denn da sind Sie zugleich genötigt, zu dem Begriff des volkswirtschaftlichen Spannungswertes Ihre Zuflucht zu nehmen. Ebenso finden Sie heute noch bei vielen Volkswirtschaftern die Seltenheit irgendeines Naturproduktes berück­sichtigt. Die Seltenheit wird niemals gefunden werden als werte­bildender Faktor, wenn man nur die Bewegung innerhalb des volks-wirtschaftlichen Prozesses als wertebildend ansieht, wenn man nicht verstehen lernt allmählich, wie eintritt da oder dort, am hervor­ragendsten durch die Konsumtion, aber auch durch andere Verhält­nisse, was die Wertebildung durch Spannungen ist, durch Situationen, durch Gleichgewichtslagen.

Nun sehen Sie also, daß im volkswirtschaftlichen Prozeß, den wir damit durchaus als einen organischen ansehen können, in den fort-während der Geist eingreift, auch Entwertung eintreten kann. Ent­wertung muß fortwährend da sein oder ist fortwährend da. So daß wir also sagen werden: Bei diesem Weg, den die Werte durchmachen, von der Natur, der Arbeit zum Kapital, wird eine fortwährende Ent­wertung gleichzeitig eintreten. Wenn nämlich diese Entwertung nicht in der entsprechenden Weise eintreten könnte, ja, was würde denn dann geschehen? Was dann geschehen würde, kann Ihnen gerade hier an dieser Stelle (siehe Zeichnung 3) anschaulich werden.

Nehmen Sie einmal, um sich das wirklich klarzumachen, die Kredit-frage, das Kreditproblem. Wenn wir in dem Sinne, wie ich das gestern auseinandergesetzt habe, das Kapital in den Dienst des Geistes stellen

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wollen, so wird ja der geistige Produzent zum Schuldner. Er wird zum Schuldner oder kann zum Schuldner werden nur dadurch, daß er Kredit hat. Hier tritt der Kredit ein (siehe Zeichnung), und zwar dasjenige, was man nennen kann den persönlichen Kredit. Er hat Kredit. Der Kredit ist zahienmäßig auszudrücken. Was ihm viele andere oder mehrere andere eben an Kapital vorschießen, das ist ge­wissermaßen sein Personalkredit. Nun, dieser Personalkredit hat ja, wie Sie wissen, eine bestimmte Folge, wenigstens wenn wir ihn inner­halb unserer jetzigen nationalökonomischen Verhältnisse betrachten. Er hat etwas zu tun in seiner volkswirtschaftlichen Wirksamkeit mit dem Zinsfuß.

Nehmen Sie an, der Zinsfuß ist niedrig. Ich habe wenig zu bezahlen an die Menschen, die mir das Kapital vorschießen, wenn ich als geistiger Schöpfer im volkswirtschaftlichen Prozeß zum Schuldner werde, also zu demjenigen, der Kredit in Anspruch nimmt. Ich kann dadurch, daß ich weniger an Zins zu bezahlen habe, meine Waren billiger herstellen; dadurch werde ich in den volkswirtschaftlichen Prozeß verbilligend einwirken können. Wir können also sagen: der Personalkredit verbilligt die Produktion, wenn der Zinsfuß abnimmt. Wenn wir dieses Verhältnis so lange betrachten, solange das Kapital noch vorn Geiste einfach verwertet wird im ökonomischen Prozeß, ist das immer so. Bei sinkendem Zinsfuß kann sich derjenige, der Kredit braucht, leichter rühren, er kann in einer intensiveren Weise ein­greifen in den volkswirtschaftlichen Prozeß, in intensiverer Weise nämlich für die anderen. Wenn er zunächst Waren verbilligt, so greift er in fruchtbarer Weise zunächst für die Konsumenten ein.

Nun aber stellen wir uns das andere vor. Es wird Kredit gegeben, sogenannter Realkredit, auf Grund und Boden. Wenn Realkredit auf Grund und Boden gegeben wird, so steht die Sache wesentlich anders. Nehmen Sie an, der Zinsfuß ist fünf Prozent. Und derjenige, der Kapital auf den Grund und Boden aufnimmt, muß fünf Prozent be­zahlen. Kapitalisieren Sie das, so bekommen Sie das Kapital, das diesem Grund und Boden entspricht, das heißt dasjenige, um das der Grund und Boden gekauft werden muß. Nehmen Sie an jetzt, der Zinsfuß fällt auf vier Prozent, dann kann mehr Kapital in diesen

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Grund und Boden Itineinkreditiert werden, wird wenigstens mehr hineinkreditiert. Und wir sehen überall, daß infolge des sinkenden Zinsfußes Grund und Boden nicht billiger, sondern teurer werden. Grund und Boden werden infolge sinkenden Zinsfußes nicht billiger, sondern teurer. Realkredit verteuert, während Personalkredit ver­billigt. Realkredit verteuert den Grund und Boden, während Personal-kredit die Waren verbilligt. Das heißt aber eigentlich sehr viel im volkswirtschaftlichen Prozeß; das heißt, daß, wenn das Kapital nun wiederum zurückkommt zur Natur und sich einfach mit der Natur in Form des Realkredites verbindet, so daß man dann eine Verbindung von Kapital mit Grund und Boden, das heißt mit der Natur hat, man den volkswirtschaftlichen Prozeß immer mehr und mehr in die Ver­teuerung hineinführt.

Vernünftig kann es also nur sein innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses, wenn sich das Kapital hier (siehe Zeichnung 3) nicht erhält in der Natur, sondern wenn es in die Natur hinein verschwindet. Auf welche Weise kann es verschwinden in die Natur hinein? Ja, solange Sie überhaupt das Kapital verbinden können mit der Natur, also fort­während durch die Kapitalbildung die Natur verteuern können in ihrem noch unbearbeiteten Zustande, so lange kann das Kapital in die Natur hinein nicht verschwinden; im Gegenteil, es erhält sich in die Natur hinein. Und in allen Ländern, in denen die Hypothekgesetz­gebung dahin geht, daß sich das Kapital mit der Natur verbinden kann, bekommen wir ein Stauen des Kapitals in der Natur im Grund und Boden. Statt daß das Kapital hier (siehe Zeichnung 3) verbraucht werde, das heißt hier verschwinde, statt daß hier eine wertbildende Spannung entsteht, entsteht eine weitere werthildende Bewegung, die dem volkswirtschaftlichen Prozeß schädlich ist. Was davon abhalten kann, ist nur, daß wir demjenigen, der Grund und Boden zu bearbeiten hat, überhaupt nicht einen Realkredit auf den Grund und Boden zu­sprechen können, wenn der volkswirtschaftliche Prozeß gesund ist, sondern auch nur einen Personalkredit, das heißt einen Kredit für die Verwertung des Kapitals durch Grund und Boden. Wenn wir lediglich Grund und Boden verbinden mit dem Kapital, dann staut sich das Kapital, indem es bei der Natur hier ankommt. Wenn es sich aber ver­bindet

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mit der geistigen Leistungsfähigkeit desjenigen, der auf Grund und Boden eben die Verwaltung übt, der durch Grund und Boden den volkswirtschaftlichen Prozeß zu fördern hat, dann verschwindet das Kapital, indem es bei der Natur hier ankommt, dann staut es sich nicht, dann wird es nicht erhalten, sondern dann geht es durch die Natur durch, eben wieder in die Arbeit hinein, und es macht den Kreislauf wiederum. Eine der schlimmsten Stauungen im volkswirt­schaftlichen Prozeß ist diejenige, wo Kapital sich einfach mit der Natur verbindet, wo also, nehmen wir den volkswirtschaftlichen Pro­zeß an seinem Anfange - das ist ja nur eine Hypothese -, wo, nachdem sich an die Natur anschließend, Arbeit und Kapital entwickelt haben, dann das Kapital in die Lage kommt, sich der Natur zu bemächtigen, statt sich in die Natur hineinzuverlieren.

Ja, nun werden Sie natürlich einen sehr gewichtigen Einwand haben können, der dahin geht, daß Sie sagen: Ja, nun aber, innerhalb dieser Bewegung ist eben das Kapital entstanden. Wenn es nun da ankommt vor der Natur, und es ist so viel, daß man nicht die Möglichkeit hat, es in die Arbeit zu leiten? Wenn man nicht die Möglichkeit hat, sagen wir, neue Methoden zu finden, um die Rohproduktion zu fördern? -Da ist überall nicht die Natur mit dem Kapital verbunden, sondern die Arbeit: wenn wir also hier ankommen mit dem Kapital, und wir machen die Rohproduktion rationeller oder erschließen neue Roh­produktequellen und so weiter, dann können wir hier das Kapital unmittelbar in die Arbeit überleiten. Aber wenn nun zuviel Kapital da ist, empfinden das natürlich die einzelnen Kapitalbesitzer, die nun nichts anfangen können mit ihrem Kapital. Ja, wenn Sie geschichtlich die Sache verfolgen, so ist das auch so, daß in der Tat zuviel Kapital eben entstanden ist, und dadurch das Kapital nur den Ausweg ge­funden hat, sich in der Natur zu konservieren. Dadurch haben wir eben gerade den sogenannten Wert, die sogenannte Werterhöhung von Grund und Boden innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses sich herausbilden sehen.

Betrachten Sie aber jetzt in diesem größeren Zusammenhang das­jenige, was durchaus immer ungenügend von den Bodenreformern dargestellt wird, wo die Sache nie verstanden werden kann, so werden

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Sie sich sagen: Ja, wenn ich das Kapital mit der Natur verbinde, dann wird der Wert der Natur selbstverständlich erhöht. Je mehr Hypo­theken auf etwas lasten, desto teurer muß es dann bezahlt werden. Es wird fortwährend erhöht der Wert. Ja, ist denn das aber - die Höher-wertung von Grund und Boden -, ist das eine Wirklichkeit? Es ist ja gar keine Wirklichkeit. Naturgemäß kann der Grund und Boden nicht mehr Wert bekommen, er kann mehr Wert höchstens bekommen, wenn eine rationellere Arbeit darauf verwendet wird. Dann ist die Arbeit das Werterhöhende; aber der Grund und Boden als solcher selbst - wenn Sie ihn verbessern, so muß die Arbeit vorangehen -, der Grund und Boden als solcher, werterhöht gedacht, ist ein Unding, ein völliges Unding. Der Grund und Boden, insofern er bloß Natur ist, kann ja noch überhaupt keinen Wert haben. Sie geben ihm ja einen Wert, indem Sie das Kapital mit ihm vereinigen, so daß man sagen kann: Dasjenige, was im heutigen volkswirtschaftlichen Zusammen-hange Wert von Grund und Boden genannt wird, ist in Wahrheit nichts anderes als auf den Grund und Boden fixiertes Kapital; das aber auf dem Grund und Boden fixierte Kapital ist nicht ein wirllllicher Wert, sondern ein Scheinwert. Und darauf kommt es an, daß man auch innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses endlich begreifen lernt, was wirkliche Werte sind und was Scheinwerte sind.

Wenn Sie in Ihrem Gedankensystem einen Irrtum haben, dann be­merken Sie ja zunächst nicht die Wirksamkeit dieses Irrtums, weil sich der Zusammenhang zwischen dem Irrtum und allen diesen verschiede­nen störenden Prozessen im Organismus, die damit zusammenhängen und die man nur durch Geisteswissenschaft erkennt, weil sich dieser Zusammenhang der heutigen groben Wissenschaft entzieht. Man weiß nicht, wie zum Beispiel in den peripherischen Organen durch Irrtümer Verdauungsstörungen entstehen und so weiter. Aber im volkswirt­schaftlichen Prozeß, da wirken eben die Irrtümer, die Scheingebilde, da werden sie real, da haben sie eine Folge. Und es ist eigentlich volks­wirtschaftlich kein wesentlicher Unterschied, ob ich, sagen wir, irgend­wo Geld ausgebe, das zunächst nicht in irgendeiner Realität begründet ist, sondern das einfach Notenvermehrung ist, oder ob ich dem Grund und Boden Kapitalwert verleihe. Ich schaffe in beiden Fällen

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Scheinwerte. Durch solche Notenvermehrung erhöhe ich der Zahl nach die Preise, aber in Wirklichkeit tue ich gar nichts im volkswirt­schaftlichen Prozeß. Ich schichte nur um. Den einzelnen aber kann ich ungeheuer schädigen. So schädigt diejenigen Menschen, die im Zusammenhang im volkswirtschaftlichen Prozeß drinnenstehen, dieses Kapitalisieren von Grund und Boden.

Sie können ja da ganz interessante Studien anstellen, wenn Sie zum Beispiel vergleichen die Hypothekargesetzgebung, wie sie vor dem Kriege war in mitteleuropäischen Ländern, wo man den Grund und Boden in beliebiger Weise hinaufschrauben konnte, durch die Gesetz­gebung selbst bedingt - und wenn Sie in England nehmen die Gesetz­gebung, wo der Grund und Boden nicht wesentlich steigen kann in gewisser Weise, wenn Sie sich da die Wirkungen auf den volkswirt­schaftlichen Prozeß anschauen. Doch diese Dinge können ganz inter­essante Dissertationsthemen abgeben. Einmal die Wirkung der eng­lischen Hypothekargesetzgebung mit der deutschen Hypothekar­gesetzgebung zahlenmäßig zu vergleichen, würde ein ganz gutes Thema abgeben.

Damit also konnte ich Ihnen anschaulich machen, um was es sich hier eigentlich handelt: daß tatsächlich die Natur hier (siehe Zeich­nüng 3) nicht zu einer Konservierung des Kapitals führen darf, son­dern daß hier das Kapital ungehindert weiterwirken muß wiederum in die Arbeit hinein. Aber wenn es da ist - ich will das noch einmal sagen -, wenn es nicht verwertet werden kann, ja das einzige, wo­durch es nicht da ist in einem Maße, in dem es nicht da sein soll, das einzige ist, daß es auf diesem (siehe Zeichnung 3) Wege aufgebraucht wird und daß zuletzt nur so viel da ist, als hier wiederum in die Be­arbeitung des Grund und Bodens hineingehen kann, als diese Arbeit braucht. Das Selbstverständlichste ist, daß auf dem Wege hier das Kapital verbraucht wird, daß es konsumiert wird. Es wäre ja auch -denken Sie sich das hypothetisch! - etwas Furchtbares, wenn auf dem ganzen Wege hier nichts konsumiert würde. Da würde man die Pro­dukte mitschieppen müssen. Nur dadurch wird die Sache organisch, daß die Dinge aufgebraucht werden. Ebenso aber, wie aufgebraucht wird dasjenige, was erarbeitete Natur ist, wie aufgebraucht wird die

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durch das Kapital organisierte Arbeit, so muß auf seinem weiteren Wege das Kapital einfach verbraucht werden, richtig verbraucht wer­den. Ja, dieser Verbrauch des Kapitals, der ist ja etwas, was eben ein­fach herbeigeführt werden muß.

Das kann nur herbeigeführt werden dadurch, daß der ganze volks­wirtschaftliche Prozeß vom Anfang bis zum Ende, das heißt bis zu seiner Rückkehr zur Natur, in richtiger Weise geordnet wird, so daß etwas da ist, wie der Selbstregulator im menschlichen Organismus. Der menschliche Organismus bringt es zustande, daß, wenigstens wenn er normal funktioniert, nicht unverbrauchte Nahrungsstoffe da oder dort abgelagert werden. Und wenn unverbrauchte Nahrungs­stoffe da oder dort abgelagert werden, so ist man eben krank, ebenso wie wenn unverbrauchte Teile des Organismus abgelagert werden. Denken Sie sich zum Beispiel, bei der Kopfverdauung werden die Stoffe abgelagert, das heißt es tritt im Kopfe eine unregelmäßige Ver­dauung ein. Die Sachen werden nicht fortgeschafft, die abgelagert werden. Also der Verbrauch ist nicht ordentlich geregelt. Dann kom­men die Migränezustände. So könnten Sie überall sehen im mensch­lichen Organismus, wie im nicht richtigen Aufnehmen und Weg-schaffen des zu Verdauenden, wie da die Ursache von Krankheits­erscheinungen liegt. Ebenso ist es im sozialen Organismus in dem Anhäufen von demjenigen, was eigentlich an einer bestimmten Stelle verbraucht werden soll. Es ist einfach notwendig, daß hier (siehe Zeichnung 3) der Verbrauch des Kapitals eintritt, damit mit der Natur nicht das Kapital eben sich zum Unlebendigen verbinden kann, gleich­sam zu einem versteinerten Einsatz im volkswirtschaftlichen Prozeß. Denn der kapitalisierte Grund und Boden ist eben ein unmöglicher Einsatz im volkswirtschaftlichen Prozeß.

Ich möchte ausdrücklich bemerken, daß es sich hier nicht handelt um agitatorische Dinge. Ich will die Dinge entwickeln, wie sie sich aus dem natürlichen Prozeß heraus gestalten. Nur das Wissenschaft­liche soll hier in Betracht kommen; aber man kann eine Wissenschaft, die mit dem Handeln der Menschen sich beschäftigt, nicht treiben, ohne daß man hinweist darauf, was für Krankheitserscheinungen ent­stehen können, so wie man auch den menschlichen Organismus nicht

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betrachten kann, ohne daß man hinweist darauf, was für Krankheits­erscheinungen entstehen können. Nun, der entsprechende Verbrauch des Kapitals muß da sein, nur nicht der ganze Verbrauch, sondern was notwendig ist, das ist: daß eben noch etwas übergeht, damit dann die Natur weiter bearbeitet werden kann.

Das aber, was da übergehen muß, das kann ich Ihnen wiederum durch ein Bild klarmachen. Nehmen Sie einen Landmann, der muß volkswirtschaftlich danach trachten, daß er das, was das Erträgnis seiner Äcker ist, daß er das tatsächlich wegschafft und für das nächste Jahr das Saatgut behält. Das Saatgut muß fortbehalten werden, muß konserviert werden. Das ist durchaus ein Bild, das sich anwenden läßt auf diesen Prozeß hier (siehe Zeichnung 3). Das Kapital muß soweit verbraucht werden, daß lediglich noch das bleibt, was als eine Art von Saat für die weitere Anfachung des volkswirtschaftlichen Prozesses, wiederum von der Natur aus, aufgefaßt werden kann. Also nur das darf bleiben, was etwa rationeller die Förderung von gewissen Roh­produktequellen besorgt, was unter Umständen auch den Boden ver­bessert, sagen wir, durch Schaffung von besseren Düngesubstanzen. Aber da müssen Sie Arbeit aufwenden. Also es muß das dem Ver­brauch entzogen werden, was als Arbeit fortwirken kann; dagegen das muß verbraucht werden vorher, was, wenn es noch hier wäre (siehe Zeichnung 3), sich mit der Natur in unorganischer Weise verbinden würde.

Nun können Sie sagen: Also, sag uns jetzt, wie das geschieht, daß nun gerade richtig hier nur so viel Kapital ankommt, daß dieses Kapital gewissermaßen nur das Saatgut für das folgende ist! Sag uns das!

Nun, wir stehen mit der Volkswirtschaftswissenschaft nicht auf einem logischen Boden, sondern wir stehen mit der Volkswirtschafts­wissenschaft auf einem realen Boden. Da kann man nicht Antworten geben, wie man sie unter Umständen, sagen wir, in der bloß theore­tischen Ethik bekommt. Nicht wahr, man kann in der theoretischen Ethik einen Verbrecher sehr schön ermahnen und alles Mögliche tun. Da wird man ethisch genug getan haben. Aber das Volkswirtschaft­liche, das muß geschehen, das muß sich abspielen. Man muß von

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Realitäten reden. Wenn man vom Produktionsprozeß redet und zeigt, inwiefern er Werte schafft, redet man von Realitäten, Daß man beim Konsum von Realitäten spricht, weiß ja jeder. Also, man muß in der Volkswirtschaft von lauter Realitäten sprechen. Ideen, die bewirken nichts in der realen Welt. Dasjenige, was den volkswirtschaftlichen Prozeß in der richtigen Weise regelt, das spricht sich aus in dem, was ich in meinen «Kernpunkten der sozialen Frage» die wirklichen Asso­ziationen genannt habe.

Wenn Sie nämlich das wirtschaftliche Leben auf sich selber stellen und diejenigen Menschen, die am wirtschaftlichen Leben beteiligt sind, sei es als Produzenten, sei es als Händler, sei es als Konsumenten, wenn Sie diese Menschen zusammenfassen entsprechend in Assozia­tionen, dann werden diese Menschen durch den ganzen volkswirt­schaftlichen Prozeß hindurch die Möglichkeit haben, eine zu starke Kapitalbildung aufzuhalten, eine zu schwache Kapitalbildung an­zufachen.

Dazu gehört natürlich die richtige Beobachtung des volkswirt­schaftlichen Prozesses. Sie gehört dazu. Wenn also irgendwo eine Warengattung, sagen wir, zu billig wird oder zu teuer wird, so muß man das in der entsprechenden Weise beobachten können. Billiger werden und teurer werden hat ja natürlich noch keine Bedeutung; erst dann, wenn man in der Lage ist, aus den Erfarrrungen heraus, die nur im Zusammenberaten der Assoziationen entstehen können, zu sagen: Fünf Geldeinheiten sind für eine Menge Salz zu wenig oder zu viel - erst dann, wenn man wirklich sagen kann, der Preis ist zu hoch oder zu niedrig, dann wird man die nötigen Maßregeln ergreifen können.

Wird der Preis irgendeiner Ware, irgendeines Gutes zu billig, so daß diejenigen Menschen, welche das Gut herstellen, nicht mehr in der entsprechenden Weise für ihre zu billigen Leistungen, für ihre zu billigen Ergebnisse Entlohnung finden können, dann muß man für dieses Gut weniger Arbeiter einstellen, das heißt die Arbeiter nach einer anderen Beschäftigung ableiten. Wird ein Gut zu teuer, dann muß man die Arbeiter herüberleiten. Man hat es zu tun bei den Asso­ziationen mit einem entsprechenden Beschäftigen von Menschen innerhalb

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der einzelnen Zweige der Volkswirtschaft. Man muß sich klar darüber sein, daß ein wirkliches Steigen des Preises für einen volks­wirtschaftlichen Artikel ein Zunehmen der Menschen, die diesen volks­wirtschaftlichen Artikel bearbeiten, bedeuten muß, und daß ein Sinken des Preises, ein zu starkes Sinken des Preises, die Maßregel notwendig macht, die Arbeiter ab- und auf ein anderes Arbeitsfeld herüber­zulenken. Wir können von den Preisen nur sprechen im Zusammen­hang mit der Verteilung der Menschen innerhalb gewisser Arbeits­zweige des betreffenden sozialen Organismus.

Was für Ansichten herrschen zuweilen heute, wo man überall die Tendenz hat, lieber mit Begriffen zu arbeiten als mit Realitäten, das zeigen Ihnen manche Freigeldleute. Die finden es ganz einfach: Wenn Preise, sagen wir, zu hoch sind irgendwo, also man zuviel Geld aus­geben muß für irgendeinen Artikel, so sorge man dafür, daß das Geld geringer wird, dann werden die Waren billiger, und umgekehrt. Wenn Sie aber gründlich nachdenken, so werden Sie finden, daß das ja gar nichts anderes in Wirklichkeit bedeutet für den volkswirtschaftlichen Prozeß, als wenn Sie beim Thermometer so durch eine hinterlistige Vorrichtung, wenn es zu kalt wird, die Thermometersäule zum Stei­gen bringen. Sie kurieren da nur an den Symptomen herum. Dadurch, daß Sie dem Gelde einen anderen Wert geben, dadurch schaffen Sie nichts Reales.

Reales schaffen Sie aber, wenn Sie die Arbeit, das heißt die Menge der arbeitenden Leute, regulieren; denn es hängt eben der Preis von der Menge der Arbeiter ab, die auf einem bestimmten Felde arbeiten. So etwas durch den Staat ordnen wollen, das würde die schlimmste Tyrannei bedeuten. So etwas durch die freien Assoziationen, die innerhalb der sozialen Gebiete entstehen, zu ordnen, wo jeder den Ein­blick hat - er sitzt ja in der Assoziation, oder sein Vertreter sitzt darin, oder es wird ihm mitgeteilt, was darin geschieht, oder er sieht es selber ein, was zu geschehen hat -, das ist dasjenige, was zu er­streben ist.

Natürlich ist das andere damit verbunden, daß man nun sorgen muß, daß der Arbeiter nun nicht bloß sein ganzes Leben lang nur irgendeinen Handgriff kann, daß er sich auch anders betätigen kann.

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Denken Sie, das wird notwendig werden, namentlich notwendig aus dem Grunde, weil sonst zuviel Kapital hier (siehe Zeichnung 3) an-kommt. Da können Sie das Kapital, das hier zuviel wäre, dazu ver­wenden, um den Arbeitern etwas beizubringen, um sie in andere Berufszweige überzuführen. Also, Sie sehen, in dem Augenblick, wo man rationell denkt, da korrigiert sich der nationalökonomische Pro­zeß - das ist das Wichtige, das Wesentliche -, er korrigiert sich. Aber er wird sich nie korrigieren, wenn man bloß sagen würde, durch das und jenes, durch Inflation oder durch Ausgabe von den oder jenen Verfügungen wird es besser werden. Dadurch wird es nicht besser, sondern lediglich dadurch, daß Sie den Prozeß an jeder Stelle beobach­ten lassen, und die beobachtenden Leute unmittelbar die Konsequenz ziehen können.

Bis hierher wollte ich heute kommen, damit Sie sehen, daß es sich bei dem, was als Dreigliederung gemeint war, nicht gehandelt hat darum, Agitation zu treiben, sondern der Welt etwas zu sagen, was folgt aus einer realen Betrachtung des volkswirtschaftlichen Prozesses.

SECHSTER VORTRAG Dornach, 29. Juli 1922

#G340-1965-SE082 Nationalökonomischer Kurs

#TI

SECHSTER VORTRAG

Dornach, 29.Juli 1922

#TX

Sie wissen vielleicht, daß ich in meinen «Kernpunkten der sozialen Frage» formelhaft zu bestimmen versuchte, wie man zu einer Vor­stellung des, sagen wir zunächst richtigen Preises innerhalb des volks­wirtschaftlichen Prozesses kommen kann. Natürlich ist mit einer sol­chen Formel ja nichts weiter gegeben als zunächst eine Abstraktion. Und in diese Abstraktion, ich möchte sagen, die ganze Volkswirtschaft wenigstens skizzenweise hineinzuarbeiten, ist ja eben unsere Aufgabe in diesen Vorträgen, die sich, ich denke doch, zu einem Ganzen schließen werden, wenn auch die Zeit eine kurze ist.

Ich habe also in den «Kernpunkten der sozialen Frage» als Formel das Folgende angegeben: Ein richtiger Preis ist dann vorhanden, wenn jemand für ein Erzeugnis, das er verfertigt hat, so viel als Gegenwert bekommt, daß er seine Bedürfnisse, die Summe seiner Bedürfnisse, worin natürlich eingeschlossen sind die Bedürfnisse derjenigen, die zu ihm gehören, befriedigen kann so lange, bis er wiederum ein gleiches Produkt verfertigt haben wird. Diese Formel ist, so abstrakt sie ist, dennoch erschöpfend. Es handelt sich ja beim Aufstellen von Formeln eben darum, daß sie wirklich alle konkreten Einzelheiten enthalten. Und ich meine, für das Volkswirtschaftliche ist diese Formel wirklich so erschöpfend wie, sagen wir, der Pythagoräische Lehrsatz erschöpfend ist für alle rechtwinkeligen Dreiecke. Nur handelt es sich darum: ebenso wie man in diesen hineinbringen muß die Verschiedenheit der Seiten, so muß man unendlich viel mehr in diese Formel hineinbringen. Aber das Verständnis, wie man in diese Formel den ganzen volkswirtschaftlichen Prozeß hineinbringt, das ist eben Volkswirtschaftswissenschaft.

Nun möchte ich heute gerade ausgehen von einem ganz Wesent­lichen in dieser Formel. Das ist das, daß ich nicht hinweise in dieser Formel auf dasjenige, was vergangen ist, sondern auf dasjenige, was eigentlich erst kommt. Ich sage ausdrücklich: Der Gegenwert muß die Bedürfnisse in der Zukunft befriedigen, bis der Erzeuger wieder­um ein gleiches Produkt verfertigt haben wird. Das ist etwas ganz

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Wesentliches in dieser Formel. Würde man einen Gegenwert verlangen für das Produkt, das er schon fertig hat, und dieser Gegenwert sollte entsprechen irgendwie den wirklichen volkswirtschaftlichen Vor­gängen, so könnte es durchaus passieren, daß der Betreffende einen Gegenwert bekommt, der seine Bedürfnisse, sagen wir, nur zu fünf Sechsteln der Zeit befriedigt, bis er ein neues Produkt hergestellt hat; denn die volkswirtschaftlichen Vorgänge ändern sich eben von der Vergangenheit in die Zukunft hinein. Und derjenige, der da glaubt, von der Vergangenheit her allein irgendwelche Aufstellungen machen zu können, der muß immer im Volkswirtschaftlichen das Unrichtige treffen; denn Wirtschaften besteht eigentlich darinnen, daß man die künftigen Prozesse mit dem, was vorangegangen ist, ins Werk setzt. Wenn man aber die vergangenen Prozesse benützt, um die künftigen ins Werk zu setzen, dann müssen sich unter Umständen die Werte ganz bedeutend verschieben; denn fortwährend verschieben sie sich. Daher handelt es sich bei dieser Formel ganz wesentlich darum, daß ich sage:

Wenn jemand ein Paar Stiefel verkauft, so ist die Zeit, in der er sie ver­fertigt hat, volkswirtschaftlich durchaus nicht maßgebend, sondern maßgebend ist die Zeit, in der er das nächste Paar Stiefel verfertigen wird. Das ist, worauf es in dieser Formel ankommt, und das müssen wir nun in breiterem Sinn innerhalb des volkswirtschaftlichen Pro­zesses verstehen.

Wir haben ja gestern uns den Kreislauf vor die Seele geführt (siehe Zeichnung 3): Natur - Arbeit - Kapital, das also vom Geiste verwertet wird. Ich könnte hier statt Kapital ebensogut herschreiben Geist. Und wir haben zunächst den volkswirtschaftlichen Prozeß in dieser Rich­tung - gegen den Uhrzeiger - verfolgt und gefunden, daß hier, bei der Natur, keine Stauung stattfinden darf, sondern daß eigentlich da nur durchkommen darf, was als eine Art Samen die Möglichkeit hat, den volkswirtschaftlichen Prozeß fortzusetzen, so daß also nicht durch eine Fixierung des Kapitals in der Bodenrente eine volkswirtschaft­liche Stauung entsteht. Nun sagte ich Ihnen ja, daß im Grunde ge­nommen der Ertrag von Grund und Boden beim Verkauf, also die Bewertung von Grund und Boden, widerspricht im volkswirtschaft­lichen Prozeß den Interessen, die man hat bei der Herstellung von

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wertvollen Gütern. Derjenige, der mit Hilfe von Kapital wertvolle Güter herstellen will, hat ein Interesse daran, daß der Zinsfuß niedrig ist; denn er braucht dann weniger Zins zurückzuzahien und kann sich dadurch leichter bewegen mit dem, was er als Leihkapital bekommt. Derjenige aber, der Besitzer etwa ist - ich darf diese Dinge, weil sie innerhalb unserer Volkswirtschaft Bedeutung haben, durchaus be­sprechen -, derjenige, der ein Interesse daran hat, den Grund und Boden teurer zu machen, der macht ihn gerade dadurch teurer, daß der Zinsfuß ein niedriger ist. Hat er niedrigen Zins zu bezahien, so wächst der Wert seines Grundes und Bodens, der wird immer teurer; während derjenige, der einen niedrigen Zinsfuß zu bezahien hat, bei der Her­stellung von wertvollen Waren die Waren billiger herstellen kann. Also Waren, bei denen es ankommt auf den Prozeß der Herstellung, werden bei niedrigem Zinsfuß billig: Grund und Boden, der einen Ertrag liefert, ohne daß man ihn erst herstellt, der wird teurer bei niedrigerem Zinsfuß. Sie können sich das einfach ausrechnen. Es ist das eine volkswirtschaftliche Tatsache.

Nun handelt es sich darum, daß also dann eigentlich die Notwendig­keit vorliegen würde, den Zinsfuß in zweifachem Sinn zu gestalten:

man müßte also einen möglichst niedrigen Zinsfuß für das Installieren der Arbeit, des Erzeugens der wertvollen Warengüter haben, und man müßte einen möglichst hohen Zinsfuß haben für dasjenige, was Grund und Boden ist. Das folgt ja unmittelbar daraus. Man müßte einen mög­lichst hohen Zinsfuß haben für das, was Grund und Boden ist. Das ist etwas, was so ohne weiteres praktisch nicht leicht durchführbar ist. Ein etwas höherer Zinsfuß, der auch schon praktisch durchführbar wäre für Leihkapital, das auf Grund und Boden gegeben wird, würde nicht außerordentlich viel helfen, und ein wesentlich höherer Zinsfuß

- ich will zum Beispiel sagen, der Zinsfuß, der einfach als Zinsfuß Grund und Boden immer auf einem gleichen Wert hielte, der Zinsfuß von hundert Prozent -, der würde auch praktisch außerordentlich schwierig so ohne weiteres durchführbar sein. Hundert Prozent für Beleihung von Grund und Boden würde ja sofort die Sache verbes­sern; aber es ist eben, wie gesagt, praktisch nicht durchführbar. Aber bei solchen Dingen handelt es sich darum, daß man klar und deutlich

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hineinschaut in den volkswirtschaftlichen Prozeß; und da merkt man dann, daß schon das Assoziationswesen dasjenige ist, was allein den volkswirtschaftlichen Prozeß gesund machen kann, weil nämlich der volkswirtschaftliche Prozeß, in der richtigenWeise angeschaut, dennoch dahin führt, daß man ihn auch in der richtigen Weise dirigieren kann.

Wir müssen ja reden im volkswirtschaftlichen Prozeß von Produk­tion und Konsum, wie ich schon gestern angedeutet habe. Wir müssen also sehen das Produzieren und das Konsumieren. Nun, das ist ja ein Gegensatz, der insbesondere in den neueren, vielfach geführten Dis­kussionen auf volkswirtschaftlichem Gebiet, die dann auch in die Agitation hineingegangen sind, eine große Rolle gespielt hat. Man hat namentlich über die Frage viel disputiert, ob die geistige Arbeit - ein­fach die geistige Arbeit als solche -, ob diese überhaupt auf wirtschaft­lichem Gebiet werterzeugend sei.

Der geistige Arbeiter ist ja sicher ein Konsument. Ob er auch in dem Sinne, wie man es schon auf volkswirtschaftlichem Gebiet an­sehen muß, ein Produzent ist, darüber ist ja viel diskutiert worden; und die extremsten Marxisten zum Beispiel haben ja immer und immer wiederum den unglückseligen indischen Buchhalter angeführt, der für seine Gemeinde die Bücher zu führen hat, der also nicht die Äcker besorgt oder eine andere produktive Arbeit verrichtet, sondern diese produktive Arbeit nur registriert, und sie sprechen diesem nun die Fähigkeit ab, irgend etwas zu produzieren. So daß sie konstatieren, daß er lediglich unterhalten wird aus dem Mehrwert, den die Produ­zenten erarbeiten. So daß wir diesen Prachtbuchhalter haben, wie er immer angeführt wird, wie wir ja auch den Cajus haben in der formalen Logik in den Gymnasien, der die Sterblichkeit der Menschen immer beweisen soll. Sie wissen ja: Alle Menschen sind sterblich, Cajus ist ein Mensch, also ist Cajus sterblich! - Dieser Cajus ist dadurch, daß er immerfort die Sterblichkeit des Menschen beweisen mußte, eine un­sterbliche logische Persönlichkeit geworden. So ist es mit dem indi­schen Buchhalter, der nur vom Mehrwert der Produzenten erhalten wird; so ist es mit ihm in der marxistischen Literatur, wo man ihn sozusagen in Reinkultur findet.

Nun, diese Frage, die ist außerordentlich, ich möchte sagen, voll

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von allerlei solchen Schlingen, in denen man sich verfängt, wenn man sie volkswirtschaftlich durchführen will, diese Frage: Inwiefern ist

- oder ist überhaupt - das geistige Arbeiten, die geistige Arbeit wirt­schaftlich produktiv? - Sehen Sie, da kommt es eben sehr stark darauf an, daß man unterscheidet zwischen der Vergangenheit und der Zu­kunft. Wenn Sie nämlich bloß die Vergangenheit ins Auge fassen und bloß auf die Vergangenheit statistisch reflektieren, dann werden Sie beweisen können, daß die geistige Arbeit mitBezug anfdieVergangen­heit und alles dasjenige, was nur eine unmittelbare Fortsetzung der Vergangenheit ist, daß die geistige Arbeit dafür eigentlich unproduk­tiv ist. Von der Vergangenheit in die Zukunft ist an Materiellem nur die rein materielle Arbeit auch im volkswirtschaftlichen Prozeß pro­duktiv zu denken mit ihrer Fortsetzung. Ganz anders ist es, wenn Sie die Zukunft ins Auge fassen - und Wirtschaften heißt eben, aus der Vergangenheit in die Zukunft hineinarbeiten. Da brauchen Sie ja nur an das einfache Beispiel zu denken: Sagen wir, irgendein Handwerker verfertigt irgend etwas in einem Dorf und er wird krank. Er wird, sagen wir, unter gewissen Verhältnissen, wenn er an einen ungeschick­ten Arzt kommt, drei Wochen im Bett liegen müssen und seine Dinge nicht verfertigen können. Da wird er den volkswirtschaftlichen Prozeß sehr wesentlich stören; denn es werden durch drei Wochen hindurch, wenn der Betreffende, sagen wir, Schuhe verfertigt hat, die Schuhe nicht auf den Markt gebracht werden - Markt im weitesten Sinne ver­standen. Nehmen wir aber an, er kommt an einen sehr geschickten Arzt, der ihn in acht Tagen gesund macht, so daß er nach acht Tagen wieder arbeiten kann, dann können Sie die Frage in ernsthaftem Sinn entscheiden: Wer hat denn dann durch diese vierzehn Tage hindurch die Schuhe fabriziert? Der Schuhmacher oder der Arzt? Eigentlich hat der Arzt die Schuhe fabriziert. Und es ist ganz klar: Sobald Sie von irgendeinem Punkt an die Zukunft ins Auge fassen, können Sie nicht mehr sagen, daß das Geistige in die Zukunft hinein nicht produktiv wäre. Der Vergangenheit gegenüber ist das Geistige, das heißt, sind diejenigen Menschen, die im Geistigen arbeiten, nur konsumierend: in bezug auf die Zukunft sind sie durchaus produzierend, ja die Pro­duzierenderen. Daß sie die Produzierenderen sind, in dem Sinn auch,

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daß sie den ganzen Produktionsprozeß umgestalten und ihn zu einem eminent anderen machen im volkswirtschaftlichen Sinn, das sehen Sie zum Beispiel, sagen wir, wenn heute Tunnels gebaut werden: sie können nicht gebaut werden, ohne daß die Differentialrechnung ge­funden worden ist. Mit dieser Art Arbeit baut heute Leibniz noch an allen Tunnels mit, und wie sich da die Preise stellen, ist im wesent­lichen durch diese Anspannung der geistigen Kräfte entschieden wor­den. So daß Sie niemals die Dinge so beantworten können, daß Sie in der volkswirtschaftlichen Betrachtung das Vergangene im gleichen Sinn betrachten wie das Zukünftige. Aber das Leben geht nicht nach der Vergangenheit hin, setzt auch die Vergangenheit nicht fort, son­dern das Leben geht in die Zukunft hinein.

Daher ist keine volkswirtschaftliche Betrachtung eine reale, die nicht mit dem rechnet, was eben durch die geistige Arbeit - wenn wir sie so nennen wollen -, das heißt aber im Grunde genommen, durch das Denken geleistet wird. Aber diese geistige Arbeit, die ist nun wirk­lich recht schwer zu fassen; denn diese geistige Arbeit hat ganz be­stimmte Eigentümlichkeiten, die sich wirtschaftlich zunächst außer­ordentlich schwer fassen lassen. Die geistige Arbeit, sie beginnt ja schon damit, daß die Arbeit durch organisierendes Denken organi­siert, gegliedert wird. Sie wird aber immer selbständiger und selb­ständiger. Wenn Sie diese geistige Arbeit fassen bei demjenigen, der irgendein in der materiellen Kultur stehendes Unternehmen leitet, so wendet er eine große Summe von geistiger Arbeit auf, aber er arbeitet noch mit dem, was ihm der volkswirtschaftliche Prozeß aus der Ver­gangenheit liefert. Aber es ist ja nicht zu umgehen, rein auch aus ganz praktischen Interessen, daß innerhalb der geistigen Betätigung - so will ich es statt Arbeit nennen -, des geistigen Wirkens, auch das voll­ständig freie Wirken auftritt. Schon wenn man die Differentialrechnung erfindet, und gar erst, wenn man ein Bild malt, tritt eine vollständig freie geistige Betätigung auf. Mindestens kann man relativ von freier geistiger Betätigung sprechen, weil dasjenige, was aus der Vergangen­heit verwendet wird, die Farben und dergleichen gegenüber dem, was zustande kommt, nun nicht mehr die Bedeutung hat wie etwa der Rohprodukteeinkauf bei der materiellen Fabrikation.

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Wir kommen, indem wir da (siehe Zeichnung) herübergehen, in das Gebiet des vollständig freien Geisteslebens hinein und finden auf die­sem Gebiet des freien Geisteslebens vor allen Dingen den Unterricht und die Erziehung. Diejenigen Menschen, die den Unterricht und die Erziehung zu leisten haben, die stehen eigentlich im völlig freien Geistesleben darin. Für den rein materiellen Fortgang des volkswirt­schaftlichen

#Bild s. 88

Prozesses sind insbesondere diese freien Geistesarbeiter der Vergangenheit gegenüber durchaus Konsumenten, absolut Kon­sumenten nur. Nun, Sie können sagen: Sie produzieren ja etwas und bekommen für das, was sie produziert haben - wenn sie zum Beispiel Maler sind -, sogar etwas bezahlt. - Also es spielt sich scheinbar der-selbe volkswirtschaftliche Prozeß ab, wie wenn ich den Tisch fabri­ziere und verkaufe. Und doch ist es ein wesentlich anderer, sobald wir nicht auf den Kauf und Verkauf des einzelnen Menschen sehen, son­dern beginnen, volkswirtschaftlich zu denken und auf den ganzen volkswirtschaftlichen Organismus unser Augenmerk zu lenken - und das müssen wir heute bei der so weit vorgeschrittenen Arbeitsteilung.

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Außerdem aber sind innerhalb eines sozialen Organismus reine Konsumenten anderer Art noch da. Das sind die jungen Leute, die Kinder, und die alten Leute. Jene sind bis zu einer gewissen Alters­stufe zunächst reine Konsumenten. Und diejenigen, die sich haben pensionieren lassen oder pensioniert worden sind, die sind wiederum reine Konsumenten.

Sie brauchen nur eine geringe Überlegung, so werden Sie sich sehr bald sagen: Ohne daß im volkswirtschaftlichen Prozeß reine Konsu­menten da sind, die keine Produzenten sind, geht es gar nicht vorwärts, denn wenn alle produzieren würden, könnte nicht alles, was produ­ziert wird, auch konsumiert werden, wenn der volkswirtschaftliche Prozeß überhaupt weitergehen soll - so wenigstens, wie es nun einmal im Menschenleben ist. Und das Menschenleben ist ja nicht bloß Volks­wirtschaft, sondern ist als Ganzes zu nehmen. So ist der Fortschritt des volkswirtschaftlichen Prozesses nur möglich, wenn wir in ihm reine Konsumenten haben.

Nun, daß wir im volkswirtschaftlichen Prozeß reine Konsumenten haben, das muß ich Ihnen jetzt von einer ganz anderen Seite aus be­leuchten.

Wir können diesen Kreis hier (siehe Zeichnung 4), der sehr lehrreich sein kann, mit allen möglichen Eigenschaften ausstaffieren, und es wird immer die Frage sein, wie wir die einzelnen volkswirtschaftlichen Vorgänge, volkswirtschaftlichen Tatsachen in diesen Kreis, der uns eben der Kreisgang des volkswirtschaftlichen Prozesses ist, hinein-bringen. - Da gibt es eine Tatsache, die spielt sich ab unmittelbar auf dem Markt bei Verkauf und Kauf, wenn ich dasjenige, was ich be­komme, gleich bezahle. Es kommt nicht einmal darauf an, daß ich es gleich mit Geld bezahle, ich kann es auch noch, wenn es Tauschhandel ist, mit der entsprechenden Ware bezahien, die der Betreffende an­nehmen will. Es kommt darauf an, daß ich zunächst gleich bezahle, das heißt überhaupt zahle. Und jetzt haben wir wieder nötig, an dieser Stelle (siehe Zeichnung 4) von der gewöhnlichen trivialen Betrachtung zur volkswirtschaftlichen Betrachtung überzugehen. Es spielen näm­lich in der Volkswirtschaft die einzelnen Begriffe fortwährend ineinan­der, und die Gesamterscheinung, die Gesamttatsache, ergibt sich aus

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dem Zusammenspiel der verschiedensten Faktoren. Sie können sagen: Es ware ja auch denkbar, daß durch irgendeine Maßregel überhaupt hiemand gleich bezahlen würde - dann gäbe es das Gleichzahlen nicht. Man würde also immer erst, sagen wir, nach einem Monat zahlen oder nach irgendeiner Zeit. Ja, es handelt sich nur darum, daß man dann in einer ganz falschen Begriffsbildung drinnen ist, wenn man sagt: Heute übergibt mir jemand einen Anzug und ich bezahle ihn nach einem Monat. Ich bezahle eben nach einem Monat nicht mehr diesen Anzug allein, sondern ich bezahle dann in diesem Moment etwas anderes: ich bezahle dasjenige, was unter Umständen durch eine Steigerung oder Erniedrigung der Preise etwas anderes ist, ich bezahle ein Ideelles da­zu. Also der Begriff des A-tempo-Zahlens, der muß durchaus da sein, und der ist beim einfachen Kauf da. Und etwas wird eine Ware des Marktes dadurch, daß ich es gleich bezahle. So ist es im wesentlichen mit denjenigen Waren, die bearbeitete Natur sind. Da zahle ich, da spielt das Zahlen die wesentliche Rolle. Dieses Zahlen muß durchaus sein; denn zahlen tue ich dann, wenn ich meine Börse aufmache und Geld weggebe, und der Wert wird bestimmt in dem Moment, wo ich das Geld weggebe oder meine Ware gegen eine andere austausche. Da wird bezahlt. Dieses ist das eine, daß im volkswirtschaftlichen Prozeß gezahlt werden muß.

Das Zweite ist das, worauf ich gestern schon aufmerksam gemacht habe, was eine ähnliche Rolle spielt wie das Zahlen. Das ist das Leihen. Das tangiert, wie gesagt, das Zahlen als solches nicht; das Leihen ist wiederum eine ganz andere Tatsache, die doch da ist. Wenn ich Geld geliehen bekomme, kann ich meinen Geist anwenden auf dieses ge­liehene Kapital. Ich werde zum Schuldner; aber ich werde zum Pro­duzenten. Da spielt das Leihen eine wirklich volkswirtschaftliche Rolle. Es muß möglich sein, daß ich, wenn ich geistig befähigt bin, dieses oder jenes zu tun, Leihkapital bekomme, ganz gleichgültig wo­her; aber ich muß es bekommen, es muß einfach Leihkapital geben. Es muß also zum Zahlen das Leihen kommen (siehe Zeichnung 4). Und damit haben wir zwei ganz wichtige Faktoren im volkswirtschaft­lichen Prozeß darinnen: das Zahlen und das Leihen.

Und jetzt können wir wirklich durch eine einfache Deduktion - wir

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müssen sie nur da (siehe Zeichnung 4) verifizieren - das Dritte finden. Sie werden in keinem Moment im Zweifel sein, was dieses Dritte ist. Zahlen, Leihen - und das Dritte ist Schenken. Zahlen, Leihen, Schen­ken: Das ist tatsächlich eine Trinität von Begriffen, die in eine gesunde Volkswirtschaft hineingehört. Man hat eine gewisse Abneigung, das Schenken zum volkswirtschaftlichen Prozeß zu rechnen; aber, wenn es das Schenken irgendwo nicht gibt, so kann überhaupt der volks­wirtschaftliche Prozeß nicht weitergehen. Denn denken Sie sich doch einmal, was wir machen sollten aus den Kindern, wenn wir ihnen nichts schenken würden. Wir schenken fortwährend an die Kinder und, im volkswirtschaftlichen Prozeß darinnen gedacht, ist eben dann das Schenken da, wenn wir ihn vollständig betrachten, wenn wir ihn als einen fortlaufenden Prozeß betrachten. So daß der Übergang von Werten, die eine Schenkung bedeuten, eigentlich sehr mit Unrecht angesehen wird als irgend etwas, was nicht zulässig ist im volkswirt­schaftlichen Prozeß. Sie finden daher - zum Horror sehr vieler Leute -in meinen «Kernpunkten der sozialen Frage» gerade diese Kategorie ausgebildet, wo die Werte übergehen, zum Beispiel die Produktions­mittel übergehen, im Grunde genommen durch einen Prozeß, der mit dem Schenken identisch ist, auf den, der dazu befähigt ist, sie weiter zu verwalten. Daß die Schenkung nicht in konfuser Weise gemacht wird, dafür muß eben vorgesorgt werden; aber im volkswirtschaft­lichen Sinn ist das eine Schenkung. Diese Schenkungen sind durchaus notwendig.

Aber denken Sie sich jetzt einmal dieses, was Sie immer mehr finden werden als eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit, daß die Trihität von Zahlen, Leihen und Schenken drinnen ist im volkswirtschaftlichen Prozeß, dann werden Sie sich eben sagen: Ja, sie muß in jedem volks-wirtschaftlichen Prozeß - sonst könnte er gar keiner sein, sonst würde er sich überall ins Absurde hineinführen -, sie muß in jedem volkswirt­schaftlichen Prozeß drinnen sein.

Man kann sie zeitweilig bekämpfen; aber die volkswirtschaftlichen Kenntnisse sind heute keine sehr großen, und gerade diejenigen, die Volkswirtschaftswissenschaft lehren wollen, die müßten sich eigent­lich ganz klar darüber sein, daß die volkswirtschaftlichen Kenntnisse

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heute keine sehr großen sind, daß man vor allen Dingen nicht sehr geneigt ist, in die wirklichen volkswirtschaftlichen Zusammenhänge hineinzugehen. Es ist ja mit Händen zu greifen, möchte ich sagen. So stark mit Händen zu greifen, daß Sie, wenn Sie heute die «Basler Nach­richten » lesen, kurioserweise heute in ihnen eine Betrachtung darüber angestellt finden, wie weder bei Regierungen noch bei Privaten heute die Neigung vorhanden ist, volkswirtschaftliches Denken zu ent­wickeln. Ich glaube ja nicht, daß Dinge, die nicht heute mit Händen zu greifen sind, just gerade in den «Basler Nachrichten» erörtert werden! Es ist schon mit Händen zu greifen. Und es ist immerhin interessant, daß das in dieser Weise besprochen wird; der Artikel ist interessant durch dieses, daß er einmal auf die absolute volkswirtschaftliche Im­potenz ein grelles Licht zu werfen beginnt; und auch dadurch, daß er sagt: Das muß nun anders werden, die Regierungen und die Privaten müssen anfangen, nun endlich anders zu denken. - Damit schließt er aber auch. Wie sie anders denken sollen, darüber ist natürlich nichts zu finden in den «Basler Nachrichten». Das ist natürlich auch sehr interessant.

Nun, man kann störend eingreifen in den volkswirtschaftlichen Prozeß, wenn man diese Trinität eben nicht in der richtigen Weise, das eine mit dem anderen in ein Verhältnis bringt. Es gibt heute viele Leute, die enthusiasmieren sich ganz besonders dafür, daß zum Beispiel Erbschaften, die auch Schenkungen sind, daß diese hoch besteuert werden müssen, Ja, das bedeutet ja nicht irgend etwas volkswirtschaft­lich Bedeutsames; denn man entwertet die Erbschaft eigentlich nicht, wenn, sagen wir, sie einen Wert-W hat und man teilt diesen Wert =W in zwei Teile, W 1 und W 2, und gibt dieses W 2 an jemand an­deren ab und läßt dem einen nur das W 1, dann wirtschaften halt mit diesem Wert W die beiden zusammen. Und es handelt sich darum, ob derjenige, der das W 2 hat, ebenso günstig wirtschaften wird wie der­jenige, der eventuell W 1 und W 2 zusammen bekommen hätte. Nicht wahr, es kann jeder selber nach seinem Geschmack das Folgende ent­scheiden: Ob nun ein gescheiter Einzelner, wenn er die Gesamterb­schaft bekommt, besser wirtschaftet, oder ob besser wirtschaftet der­jenige, der nur einen Teil der Gesamterbschaft bekommt und den

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anderen Teil der Staat, und der also mit dem Staat zusammen wirt­schaften muß.

Das sind die Dinge, die ganz entschieden abführen von dem rein volkswirtschaftlichen Denken; denn es ist ein Denken des Ressenti­ments, ein Denken aus dem Gefühl heraus. Man beneidet eben die reichen Erben. Das mag ja begründet sein; aber von solchen Dingen allein kann man nicht reden, wenn man volkswirtschaftlich denken will. Darauf kommt es an, was im volkswirtschaftlichen Sinn gedacht werden muß; denn danach muß sich erst richten, was sonst einzutreten hat. So können Sie sich natürlich einen sozialen Organismus denken, der dadurch krank wird, daß in unorganischer Weise das Zahlen mit dem Leihen und dem Schenken zusammenwirkt, indem man gegen das eine oder andere auftritt oder das eine und das andere fördert. Irgend­wie zusammenwirken tun sie doch. Denn schaffen Sie nur das Schen­ken auf der einen Seite ab, so lagern Sie es nämlich nur um. Und ent­scheidend ist nicht die Frage, ob man umlagern soll, sondern ob das Umlagern immer günstig ist; denn ob die Erbschaft der einzelne in­dividuelle Erbe allein antritt oder mit dem Staat zusammen, das ist eine Frage, die erst volkswirtschaftlich entschieden werden muß. Ob das eine oder das andere günstiger ist, das ist es, worauf es ankommt.

Nun aber, das Wichtige ist nämlich dieses, daß wir vor der Tatsache stehen, daß ja das freie Geistesleben mit einer gewissen Notwendigkeit herausentsteht aus dem Eintritt des Geistes überhaupt in das Wirt­schaftsleben. Und dieses freie Geistesleben - ich habe es vorhin ge­sagt -, es führt dazu, daß reine Konsumenten da sind für die Ver­gangenheit. Aber wie steht es denn mit diesem freien Geistesleben mit Bezug auf die Zukunft? Da ist es nämlich in einem gewissen Sinn mittelbar produktiv, aber außerordentlich produktiv. Wenn Sie sich nämlich dieses freie Geistesleben auch wirklich befreit denken im sozialen Organismus, so daß tatsächlich immer die Fähigkeiten sich voll entwickeln können, dann wird gerade dieses freie Geistesleben in der Lage sein, einen außerordentlich befruchtenden Einfluß auszuüben auf das halbfreie Geistesleben, auf dasjenige Geistesleben, das in das materielle Schaffen hineingeht. Und da, wenn wir das betrachten, be­ginnt die Sache eine durchaus volkswirtschaftliche Seite zu bekommen.

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Wer das Leben unbefangen betrachten kann, der wird sich sagen:

Es ist durchaus nicht gleichgültig, ob irgendwo auf einem Gebiet alle diejenigen, die sich im freien Geistesleben betätigen, nun ausgerottet sind - vielleicht dadurch, daß sie nichts mehr zum Konsumieren er­halten können und man das Recht, da zu sein, nur denjenigen zuspricht, die in den materiellen Prozeß eingreifen -, oder ob innerhalb des so­zialen Organismus wirklich freie Geistesmenschen existieren können. Diese freien Geistesmenschen haben nämlich die Eigenschaft, daß sie den «Gritzi», die Geistigkeit, bei den anderen loslösen, daß sie ihr Denken beweglicher machen, und daß dadurch die anderen besser in die materiellen Prozesse einzugreifen vermögen. Nur handelt es sich darum, daß es Menschen sind. Sie dürfen daher nicht etwa dasjenige, was ich jetzt sagen möchte, widerlegen wollen dadurch, daß Sie auf Italien hinweisen und sagen: In Italien ist ja wirklich sehr viel von freiem Geistesleben, aber die volkswirtschaftlichen Prozesse, die aus dem Geist herausgehen, wurden dadurch doch nicht in besonderer Weise angeregt. - Ja, es ist freies Geistesleben, aber freies Geistesleben, das aus der Vergangenheit stammt. Es sind Denkmäler, Museen und so weiter. Die machen es aber nicht aus. Ausgemacht wird es durch das, was lebendig ist. Und das ist dasjenige, was vom freien Geistes-menschen ausgeht auf die anderen geistig Produzierenden. Das ist das­jenige, was in die Zukunft hinein als ein auch volkswirtschaftlich Pro­duzierendes wirkt. Man kann also sagen: Es ist völlig die Möglichkeit gegeben, auf den volkswirtschaftlichen Prozeß gesundend einzuwir­ken, indem den freien Geistesarbeitern ihr Feld gegeben wird, das Feld freigegeben wird.

Nun denken Sie sich, Sie haben ein gesundes assoziatives Leben in einer sozialen Gemeinschaft. Es kommt ja bei diesem gesunden asso­ziativen Leben darauf an, daß man den Produktionsprozeß so ordnet, daß, wenn irgendwo auf einem Gebiet zu viele arbeiten, daß man sie auf etwas anderes hinüberleitet. Auf dieses lebendige Verhandeln mit den Menschen kommt es an, auf dieses Hervorgehenlas sen der ganzen sozialen Ordnung aus den Einsichten der Assoziationen. Und wenn diese Assoziationen eines Tages anfangen, etwas zu verstehen von dem Einfluß des freien Geisteslebens auf den volkswirtschaftlichen

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Prozeß, dann kann man ihnen ein gutes Mittel übergeben - und darauf ist auch schon gedeutet in meinen « Kernpunkten der sozialen Frage» -, ein gutes Mittel, den Wirtschaftskreislauf zu regulieren. Sie werden nämlich finden, diese Assoziationen, daß wenn die freie Geistesarbeit zurückgeht, daß dann zuwenig geschenkt wird, und sie werden daraus, daß zuwenig geschenkt wird, den Zusammenhang erkennen. Sie werden den Zusammenhang zwischen dem Zuwenig-Schenken und dem Mangel an freier Geistesarbeit erkennen. Wenn zuwenig freie Geistesarbeit da ist, werden sie merken, daß zuwenig geschenkt wird. Sie werden merken, daß die freie Geistesarbeit zu­rückgeht, wenn zuwenig geschenkt wird.

Es gibt nun die größte Möglichkeit, den Zinsfuß für den Natur-besitz geradezu auf hundert Prozent hinaufzutreiben dadurch, daß man möglichst viel von dem Naturbesitz in freier Schenkung ver­mittelt den geistig Produzierenden. Da haben Sie die Möglichkeit, die Bodenfrage in unmittelbaren Zusammenhang zu bringen mit dem­jenigen, was nun am meisten in die Zukunft hineinwirkt, das heißt mit anderen Worten: Dem Kapital, das angelegt werden will, das also die Tendenz hat, in die Hypotheken hineinzumarschieren, dem muß man den Ablauf schaffen in freie geistige Institutionen hinein. So nimmt sich das praktisch aus. Lassen Sie die Assoziationen dafür sorgen, daß das Geld, das die Tendenz hat, in die Hypotheken hineinzugehen, den Weg in freie geistige Institutionen hinein findet! Da haben Sie den Zusammenhang des assoziativen Lebens mit dem allgemeinen Leben. Sie sehen daraus, daß einem, wenn man nur versucht, in die Realitäten des wirtschaftlichen Lebens hineinzudringen, erst in Wirklichkeit auf­geht, was da zu tun ist, was mit dem einen oder anderen zu machen ist. Ich will gar nicht agitatorisch sagen, das oder jenes soll geschehen, sondern ich will nur darauf hinweisen, was ist. Und es ist der Fall, daß wir dasjenige, was wir durch einfache Gesetzesmaßregeln nie erreichen können, nämlich das überschüssige Kapital abzuhalten von der Natur, erreichen durch das assoziative Wesen, indem wir das Kapital ableiten in freie geistige Institute. Ich sage nur: Wenn das eine der Fall ist, so ist das andere der Fall. - Die Wissenschaft gibt ja die Bedingungen an, unter denen die Dinge zusammenhängen.

SIEBENTER VORTRAG Dornach, 30. Juli 1922

#G340-1965-SE096 Nationalökonomischer Kurs

#TI

SIEBENTER VORTRAG

Dornach, 30. Juli 1922

#TX

Wir haben uns nun klargemacht, wie die Gesamtvolkswirtschaft so verläuft, daß als treibende Faktoren, als bewegende Faktoren drinnen sind: Kauf, beziehungsweise Verkauf, Leihung und Schenkung. Wir müssen uns schon klar sein darüber, daß ohne dieses Ineinanderspielen von Leihen, Schenken, Kaufen eine Volkswirtschaft nicht bestehen kann. Was also im Volkswirtschaftlichen die Werte, von denen wir ja von der einen Seite her schon gesprochen haben, erzeugt, was also zu der Preisbildung führt, das wird hervorgehen aus diesen drei Faktoren, aus Kauf, Schenkung, Leihung. Es handelt sich nur darum, wie diese drei Faktoren drinnen in der Preisbildung spielen. Denn, erst wenn wir einsehen, wie diese Faktoren in der Preisbildung spielen, werden wir zu einer Art Formulierung des Preisproblems kommen können.

Nun handelt es sich darum, daß man wirklich ordentlich hinsieht, worin denn die einzelnen volkswirtschaftlichen Probleme bestehen. In dieser Beziehung ist ja unsere Volkswirtschaft voll von ganz un­klaren Vorstellungen, Vorstellungen, die hauptsächlich unklar da­durch werden, daß man, wie ich schon öfter auseinandergesetzt habe, das, was in Bewegung ist, in Ruhe erfassen will.

Betrachten wir einmal unter der Voraussetzung, daß in der volks­wirtschaftlichen Bewegung Schenkung, Kauf und Leihung drinnen sind, ich möchte sagen, die wichtigsten Ruhefaktoren unserer Volks­wirtschaft. Sehen wir uns einmal dasjenige an, wovon gerade in der Gegenwart am allermeisten gesprochen wird, und durch das eigentlich am meisten Irrtümer in die Volkswirtschaftswissenschaft kommen. Man spricht vom Lohn und benennt wohl den Lohn auch so, daß der Lohn aussieht wie der Preis für die Arbeit. Man sagt, wenn man einem sogenannten Lohnarbeiter mehr bezahlen muß, die Arbeit sei teurer geworden; wenn man einem sogenannten Lohnarbeiter weniger be­zahlen muß, sagt man, die Arbeit sei billiger geworden; spricht also tatsächlich, wie wenn eine Art Kauf statttinden würde zwischen dem Lohnarbeiter, der seine Arbeit verkauft, und demjenigen, der ihm

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diese Arbeit abkauft. Aber dieses ist nur ein fingierter Kauf. Das ist gar kein Kauf, der in der Tat stattfindet. Und das ist ja das schwierige an unseren volkswirtschaftlichen Verhältnissen, daß wir eigentlich überall kaschierte, maskierte Verhältnisse haben, die sich anders ab­spielen, als sie eigentlich sind im tieferen Sinn. Ich habe das ja auch schon früher erwähnt.

Wert in der Volkswirtschaft kann ja nur entstehen - das haben wir schon ersehen können - im Austausch der Erzeugnisse, im Austausch der Waren oder überhaupt volkswirtschaftlicher Erzeugnisse. Auf eine andere Weise kann Wert nicht entstehen. Aber Sie können leicht ein­sehen: Wenn nur auf diese Weise Wert entstehen kann, und wenn der Preis des Wertes so zustande kommen will, wie ich das gestern aus­einandergesetzt habe, daß berücksichtigt werden soll, wie für jemand, der ein Erzeugnis hervorgebracht hat, ein solcher Gegenwert für das Erzeugnis erhältlich sein soll, daß er die Bedürfnisse befriedigen kann, die er hat, um ein gleiches Erzeugnis wieder herzustellen - wenn das möglich sein soll, so müssen ja die Erzeugnisse sich gegenseitig be­werten. Und schließlich ist es ja nicht schwer, einzusehen, daß im volkswirtschaftlichen Prozeß sich die Erzeugnisse gegenseitig be­werten. E& wird nur kaschiert dadurch, daß das Geld zwischen das­jenige tritt, was ausgetauscht wird. Aber das ist nicht das Bedeutsame an der Sache. An dem Geld hätten wir nicht das geringste Interesse, wenn es nicht das Austauschen der Erzeugnisse förderte, bequemer machte und auch verbilligte. Wir hätten Geld nicht nötig, wenn es nicht so wäre, daß derjenige, der ein Erzeugnis auf den Markt liefert

- unter dem Einfluß der Arbeitsteilung -, zunächst sich nicht abmühen will, um dasjenige, was er braucht, da zu holen, wo es vorhanden ist, sondern eben Geld dafür nimmt, um dann sich wiederum in der ent­sprechenden Weise zu versorgen. Wir können also sagen: In Wirk­lichkeit ist es die gegenseitige Spannung, welche zwischen den Erzeug­nissen eintritt im volkswirtschaftlichen Prozeß, die mit der Preiserzeu­gung zu tun haben muß.

Betrachten wir von diesem Gesichtspunkt aus einmal das sogenannte Lohnverhältnis, das Arbeitsverhältnis. Wir können nämlich gar nicht Arbeit gegen irgend etwas austauschen, weil es zwischen Arbeit und

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irgend etwas eigentlich keine gegenseitige Bewertungsmöglichkeit gibt. Wir können uns einbilden-und die Einbildung realisieren,in­dem wir eben das Lohnverhältnis eintreten lassen -, daß wir die Arbeit bezahlen; in Wirklichkeit tun wir es nicht. Was in Wirklichkeit ge­schieht, ist etwas ganz anderes. Was in Wirklichkeit geschieht, ist dieses: daß auch im Arbeits- oder Lohnverhältnis Werte ausgetauscht werden. Der Arbeiter erzeugt unmittelbar etwas, der Arbeiter liefert ein Erzeugnis; und dieses Erzeugnis kauft ihm in Wirklichkeit der Unternehmer ab. Der Unternehmer bezahlt tatsächlich bis zum letzten Heller die Erzeugnisse, die ihm die Arbeiter liefern - wir müssen schon die Dinge in der richtigen Weise anschauen -, er kauft die Er­zeugnisse dem Arbeiter ab. Und dann hat er die Aufgabe, daß er diesen Erzeugnissen durch die allgemeinen Verhältnisse im sozialen Organis­mus, nachdem er sie abgekauft hat, einen höheren Wert durch seinen Unternehmungsgeist verleiht. Das gibt ihm dann in Wahrheit den Ge­winn. Das ist dasjenige, was er davon hat, dasjenige, was ihm möglich macht, daß er, nachdem er die Waren von seinen Arbeitern gekauft hat, sie durch - nennen wir das übelberüchtigte Wort - die Konjunktur an Wert erhöht.

Wir haben es also im Arbeitsverhältnisse mit einem richtigen Kauf zu tun. Und wir dürfen nicht sagen, daß da unmittelbar im Arbeits­verhältnis ein Mehrwert entstünde. Sondern wir dürfen nur sagen, daß der Preis, den der Unternehmer bezahlt, durch die Verhältnisse eben nicht derjenige ist, von dem ich gestern gesprochen habe. Aber das werden wir auch noch weiterhin im volkswirtschaftlichen Prozeß fin­den, daß zwar die Erzeugnisse sich gegenseitig ihre Werte bestimmen, ihre wirklichen Werte haben, daß diese Werte aber im Verkehr nicht bezahlt werden. Sie werden im Verkehr nicht bezahlt. Daß nicht alle Wette im Verkehr bezahlt werden, das können Sie ja unglaublich leicht einsehen. Denken Sie doch nur einmal: Wenn irgend jemand, sagen wir, Fabrikant ist, kleiner Fabrikant ist und plötzlich eine reiche Erbschaft macht, und ihm die ganze Geschichte mit der Fabrik zu dumm wird, so kann er beschließen, dasjenige, was er noch hat an Waren, unglaublich billig zu verkaufen. Die Waren werden deshalb nicht weniger wert, nur wird nicht der wirkliche Preis bezahlt. Es wird

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der Preis im volkswirtschaftlichen Verkehr gefälscht. Darauf müssen wir sehen, daß eben überall der Preis im volkswirtschaftlichen Verkehr gefälscht werden kann. Deshalb ist er aber doch da. Die Waren, die dieser Fabrikant verkauft, sind ja nicht weniger wert als die gleichen Waren, die ein anderer erzeugt.

Nun, nachdem wir versucht haben, uns klarzumachen, daß wir es im Lohnverhälmis eigentlich mit einem Kauf zu tun haben, wollen wir uns nun einmal fragen, mit was wir es zu tun haben bei der Boden-rente, bei dem Preis für Grund und Boden. Der Preis von Grund und Boden entspringt ja ursprünglich nicht dem Verhältnisse, das in der fertigen Volkswirtschaft da ist. Um, ich möchte sagen, ein sehr radikales Verhältnis anzuführen, braucht man ja nur hinzuweisen darauf, daß Grund und Boden zum Beispiel durch Eroberung, also durch Ent­faltung von Macht, in die Verfügung von irgendwelchen Menschen übergegangen ist. Irgend etwas von einem Tausch wird auch da zu­grunde liegen. Es wird zum Beispiel derjenige, der Helfer hat bei der Eroberung, einzelne Teile des Bodens an diese Helfer abtreten. Wir haben also da im Ausgangspunkt der Volkswirtschaft nichts eigentlich Wirtschaftliches. Der ganze Prozeß ist nicht eigentlich wirtschaftlich. Der ganze Prozeß, der sich da abspielt, ist so, daß wir nur anwenden können das Wort Macht oder Recht. Durch Macht werden Rechte er­worben, Rechte auf Grund und Boden. So daß wir tatsächlich das Volkswirtschaftliche auf der einen Seite anstoßen haben an Rechts-und Machtverhältnisse.

Was geschieht aber unter dem Einfluß von solchen Rechts- und Machtverhältnissen? Nun, unter dem Einfluß von solchen Rechts- und Machtverhältnissen geschieht fortwährend das, daß der Betreffende, der das freie Verfügungsrecht über den Grund und Boden hat, sich selber besser abfindet, als er die anderen abfindet, welche er zur Arbeit heranzieht, welche ihm die Erzeugnisse durch Arbeit liefern. Ich rede jetzt also nicht von der Arbeit, sondern von dem Erzeugnis der Arbeit. Denn diese Erzeugnisse der Arbeit sind es, die in Betracht kommen. Es muß ihm mehr abgeliefert werden - das ist ja nur die Fortsetzung seines Eroberungs-, seines Rechtsverhältnisses -, es muß ihm mehr abgeliefert werden, als er den anderen gibt. Was ist denn dasjenige,

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was da mehr abgeliefert wird, als er den anderen gibt, was also das Preisverhältnis fälscht, was ist denn das? Ja, das ist ja nichts anderes als eine Zwangsschenkung. Sie haben also hier durchaus das Schen­kungsverhältnis eintretend, nur eben, daß der Betreffende, der die Schenkung zu tun hat, sie nicht freiwillig tut, sondern dazu gezwungen wird. Es tritt eine Zwangsschenkung ein. Das ist dasjenige, was hier gegenüber dem Grund und Boden der Fall ist. Durch die Zwangs-schenkung wird aber der Preis, den eigentlich die Produkte als Tausch. preis haben sollten, die auf dem Grund und Boden erzeugt werden, im wesentlichen erhöht.

Daher ist der Preis all desjenigen, was der Unterwerfung unter solche Rechtsverhältnisse fähig ist, mit der Tendenz behaftet, über seine Wahrheit hinaus zu steigen. Wenn Forstmenschen, Jäger, mit Landwirten zusammenleben, kommen die Forstmenschen besser weg als die Landwirte. Landwirte unter Forstmenschen müssen nämlich den Forstmenschen für das, was ihnen geliefert ist, höhere Preise be­zahlen als die reinen Austauschpreise wären zwischen den Produkten der Forstwirtschaft und denen der Landwirtschaft, aus dem einfachen Grunde, weil die Forstwirtschaft am meisten nur durch das Rechts­verhältnis in die Verfügung desjenigen, der die Preise bedingt, hinein­gebracht werden kann. Bei der Landwirtschaft muß schon eine wirk­liche Arbeit aufgebracht werden; bei der Forstwirtschaft stehen wir noch sehr nahe der arbeitslosen Bewertung, die eben ganz allein aus Rechts- und Machtverhältnissen hervorgeht. Und wenn unter Land­wirten Handwerker leben, so haben die Preise wiederum die Tendenz, gegen die Landwirtschaft höher, als die Wahrheit ist, zu steigen, und gegen das Handwerk hin niedriger sich zu senken, als die Wahrheit ist. Handwerker unter Landwirten leben teurer; Landwirte unter Hand­werkern, wenn also die Minorität in Betracht kommt, verhältnismäßig billiger. Handwerker unter Landwirten leben verhältnismäßig teurer. So daß also die Stufenfolge dieser Tendenz, daß die Preise über die Wahrheit hinaussteigen oder unter die Wahrheit hinuntersinken, daß die Reihenfolge diese ist: am meisten ist das bei der Forstwirtschaft der Fall, dann kommt die Landwirtschaft, dann kommt das Hand­werk und dann die vollständig freie Betätigung. So müssen wir

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die Preisbildung innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses auf­suchen.

Nun besteht aber im volkswirtschaftlichen Prozeß eine Tendenz, eine Eigentendenz, Bodenrente zu erzeugen, gewissermaßen von selbst dazu zu neigen, sich diesem Zwang zu unterwerfen, die Land­wirtschaft teurer zu bezahlen als das andere. Diese Tendenz besteht, wenn Arbeitsteilung vorhanden ist; und alle unsere Auseinander­setzungen beziehen sich ja auf den sozialen Organismus, in dem Arbeitsteilung vorhanden ist. Diese Tendenz wird einfach dadurch hervorgerufen, daß bei der Landwirtschaft nicht das eintreten kann, was ich vor einigen Tagen - ich möchte sagen, zur gedanklichen Schwierigkeit von einer größeren Anzahl der verehrten Zuhörer -zweimal sagen mußte: Der Selbstversorger lebt tatsächlich teurer, also muß er für seine Produkte mehr nehmen, eigentlich muß er sie sich höher berechnen als derjenige, der seine Produkte im freien Verkehr erwirbt von anderen. In bezug auf die Gewerbe hat das einen gewissen Sinn, wenn Sie sich auch durch eine lange Überlegung erst vielleicht vollständig hineinfinden in diesen Sinn. In bezug auf Landwirtschaft und Forstwirtschaft hat es aber keinen Sinn. Das ist eben gerade das, was man wissen muß gegenüber den Wirklichkeiten, daß die Begriffe immer nur gelten für ein bestimmtes Gebiet und sich für ein anderes Gebiet umändern. Das ist auch sonst in der Wirklichkeit der Fall. Was ein Heilmittel für den Kopf ist, ist ein Verderbnismittel, ein krank­machendes Mittel für den Magen, und umgekehrt. Und so ist es durch­aus auch im volkswirtschaftlichen Organismus. Wenn es nämlich überhaupt der Fall sein könnte, daß der Landwirt nicht ein Selbst­versorger wäre, dann würden für ihn auch die Regeln gelten, die man sonst vorbringen muß für die Zirkulation der Waren. Aber er kann gar nicht anders, als Selbstversorger sein; denn im volkswirtschaft­lichen Prozeß fügt sich von selbst die gesamte Landwirtschaft eines sozialen Organismus zu einer Einheit zusammen, wenn auch einzelne Besitzer da sind. Und unter allen Umständen muß einfach de4enige, der Landwirt ist, das, womit er sich selbst versorgt, aus dem Umfang seiner Produkte zurückhalten. Wenn er es vom andern nimmt, so hält er es auch zurück. In Wirklichkeit ist er ein Selbstversorger, muß also

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seine Güter teurer bewerten. Und die Folge davon ist, daß sich die Preise nach dieser Seite erhöhen müssen.

Das heißt, im volkswirtschaftlichen Prozeß besteht einfach die Ten­denz, Bodenrente zu erzeugen. Es handelt sich nur darum, wie man diese Bodenrente unschädlich macht im volkswirtschaftlichen Prozeß. Aber das ist notwendig, daß man weiß, daß die Tendenz besteht, Bodenrente zu erzeugen. Sie können die Bodenrente abschaffen, sie wird in irgendeiner Form immer wieder erzeugt, aus dem einfachen Grunde, den ich eben jetzt auseinandergesetzt habe.

Aus demselben Grunde, aus dem im volkswirtschaftlichen Prozeß eine Tendenz besteht, Bodenrente zu erzeugen, aus demselben Grunde besteht nach der anderen Seite die Tendenz der Unternehmer, Kapital zu entwerten, immer billiger und billiger zu machen. Diese Tendenz wird man am besten verstehen, wenn man sich darüber klar wird, daß man ja Kapital nicht kaufen kann. Gewiß, es wird Kapital gehandelt. Man kauft Kapital. Aber jeder Kapitalkauf ist wiederum nur ein kaschiertes Verhältnis. In Wirklichkeit kaufen wir nicht Kapital, son­dern in Wirklichkeit wird Kapital nur geliehen; auch dann, wenn scheinbar ein anderes Verhältnis stattfindet, werden Sie immer heraus-finden können den Leihcharakter des Unternehmerkapitals. Ausdrück­lich sage ich des Unternehmerkapitals; denn wenn Sie den Begriff aus­dehnen auf die Bodenrente, so ist das nicht der Fall; aber durchaus bei dem Unternehmerkapital; und zwar aus dem einfachen Grunde ist das der Fall, weil dauernd die Tendenz besteht, dasjenige, was von dem menschlichen Willen abhängt - Sie sehen hier (siehe Zeichnung 4) das Handwerkliche und die freie Betätigung -, das gegenüber dem anderen zu entwerten. Unternehmerkapital ist ganz eingesponnen in die freie Betätigung. Es wird fortwährend entwertet, sodaß wir sagen können:

Wir haben nach dieser Seite (siehe Zeichnung 4) die Tendenz im volks­wirtschaftlichen Prozeß - während wir die Bodenrente erzeugen -, das Unternehmerkapital herunterzubringen, es immer niedriger und nied­riger zu machen, immer niedriger und niedriger zu bewerten. Wie es also nach der einen Seite hin, nach der Bodenrentenseite, immer teurer wird, wird es nach der Kapitalseite immer billiger. Das Kapital hat die Tendenz, fortwährend in seinem volkswirtschaftlichen Werte, oder

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eigentlich Preise, zu sinken, die Bodenrente hat die Tendenz, fort­während in ihrem Preise zu steigen.

Auch noch einen andern Grund gibt es, aus dem heraus Sie einsehen können, daß das Unternehmerkapital sinken muß. Wenn Sie sich klar­machen, daß man in der Landwirtschaft nur Selbstversorger sein kann und gerade durch die Selbstversorgung hervorgebracht wird dieses (siehe Zeichnung 4) Hinaufsteigen in der Bewertung der landwirt­schaftlichen Erzeugnisse, so können Sie sehen: Beim Unternehmer-kapital, wo das Leihprinzip herrscht, da kann man nicht Selbstversor­ger sein. Man kann sich nicht selbst versorgen mit Kapital. Womit man sich selbst versorgen kann, das muß man heute in Bilanzen ganz genau so berechnen wie dasjenige, was man aufnimmt, wenn man eine richtige Bilanz aufstellen will. Da man sich also da (siehe Zeichnung 4) nicht selbst versorgen kann, so ist natürlich auch die entgegengesetzte Tendenz vorhanden, die Tendenz des Herabsteigens der Preise.

Gerade auf das Durchschauen dieser Verhältnisse im volkswirt­schaftlichen Prozeß kommt es an; denn Sie werden daraus erkennen, daß die Herstellung von richtigen Preisen nicht etwas so ganz Ein­faches ist. Die Herstellung von richtigen Preisen wird ja fortwährend beeinträchtigt dadurch, daß auf der einen Seite Dinge auf dem Markt erscheinen, die eigentlich im Preise zu hoch sein wollen, möchte ich sagen, und auf der anderen Seite Dinge erscheinen, die im Preise zu niedrig sein wollen. Da aber der Preis durch den Austausch bewirkt wird, ist auch dasjenige, was in der Mitte drinnen ist, fortwährend Stö­rungen ausgesetzt. Sie können das auch im volkswirtschaftlichen Pro­zeß durchaus beobachten: in demselben Maße, in dem die landwirt­schaftlichen und forstwirtschaftlichen Produkte teurer werden, werden die aus freier menschlicher Betätigung hergestellten billiger. Dadurch entstehen eben gerade jene Spannungsverhältnisse, welche die sozialen Unruhen bewirken, welche das sozial Unbefriedigende erzeugen. Und daher ist die allerwichtigste Frage in bezug auf Preisbildung: Wie ge­langen wir dahin, die Spannung auszugleichen, die besteht in der Preis­erzeugung zwischen der Bewertung der aus freiem menschlichem Willen entstehenden Güter gegenüber denjenigen Gütern, zu denen die Natur mitwirkt? Wie kommen wir dieser Spannung bei? Wie gleichen

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wir die eine Tendenz nach abwärts mit der anderen Tendenz nach aufwärts aus?

Innerhalb der Arbeitsteilung entstehen ja immer differenziertere und differenziertere Erzeugnisse. Sie brauchen sich nur zu erinnern, wie einfach die Erzeugnisse sind, die, sagen wir, innerhalb eines Jägervolks entstehen, das ganz von der Forstwirtschaft lebt. Da kommt eigentlich noch nicht viel in Betracht von der Schwierigkeit der Preisbildung. Wenn sich zur Forstwirtschaft die Landwirtschaft hinzugesellt, da beginnt es aber schon mit der Schwierigkeit. In der Differenzierung liegt nämlich die Schwierigkeit. Und je weiter und weiter sich die Arbeitsteilung ausbreitet und damit neue Bedürfnisse erzeugt werden, in demselben Maße nimmt die Differenzierung der Produkte zu und in demselben Maße häufen sich die Schwierigkeiten der Preisbildung; denn je verschiedener die Produkte, die Erzeugnisse voneinander sind, desto schwerer wird es, die gegenseitige Bewertung - und sie kann nur eine gegenseitige sein - zu bewirken. Sie können das daraus entneh­men, daß es ja eine gegenseitige Bewertung gibt bei nicht stark diffe­renzierten Produkten, sagen wir bei Weizen, Roggen und anderen landwirtschaftlichen Produkten. Gehen Sie durch sehr lange Zeit hin­durch: Sie werden finden, daß das Verhältnis in der gegenseitigen Wertgebung zwischen Weizen, Roggen und anderen Getreidesorten ziemlich stabil bleibt. Geht der Weizen hinauf, gehen die anderen Ge­treidesorten auch hinauf; geht der Weizen herunter, so gehen die an­deren auch herunter. Das rührt davon her, daß durchaus eine geringe Differenzierung nur besteht zwischen diesen Erzeugnissen. Wird die Differenzierung größer, dann ist das durchaus nicht mehr der Fall, dann kann durch Ereignisse innerhalb des sozialen Organismus irgend­ein Produkt, das jemand gewohnt gewesen ist auszutauschen gegen ein anderes Produkt, hoch hinaufschnellen im Preis, das andere vielleicht hinuntergehen. Denken Sie sich, was dadurch für eine Umiagerung in den volkswirtschaftlichen Verhältnissen bewirkt wird. Dasjenige über­haupt, was in der Volkswirtschaft bewirkt wird, das beruht nämlich viel mehr auf den gegenseitigen Preissteigerungen und dem Preisfallen als auf irgend etwas anderem. Auf dem gegenseitigen Steigen und Fallen der Preise beruht ja dasjenige, was in die Volkswirtschaft hinein

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die Schwierigkeit des Lebens trägt. Ob schließlich die Produkte im Ganzen steigen oder fallen - wenn sie alle gleichmäßig stiegen oder fielen, das könnte eigentlich die Leute im Grunde recht wenig interes­sieren. Dasjenige, was sie interessiert, das ist, daß in verschiedenem Maße die Produkte steigen oder fallen. Das ist ja etwas, was, man möchte sagen, auf eine tragische Weise jetzt durch die gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnisse eben herauskommt; dadurch, daß die Produkte in verschiedenster Weise steigen und fallen - namentlich steigen und fallen die Geldwerte selbst, in denen aber aufbewahrt ist einfach früherer wirklicher Wert -, dadurch wird ja gegenwärtig eine völlige Mischung der menschlichen Gesellschaft zustande ge­bracht.

Das aber führt uns dazu, zu erkennen, daß wir die im volkswirt­schaftlichen Organismus wirksamen Faktoren noch in einer anderen Weise anschauen müssen. Wir sind von dem ausgegangen, was die ge­wöhnliche Volkswirtschaft aufzählt, wenn von den Faktoren ge­sprochen wird, die in einem volkswirtschaftlichen Organismus dar­innen sind, haben aber gesehen, daß mit der Aufzählung von Natur, Kapital und Arbeit eigentlich nichts erreicht werden kann. Denn, gerade wenn Sie zu dem schon früher Gesagten auch noch das heutige hinzufügen, so werden Sie sehen, daß ja die Preisbewertung der Natur­produkte eben nicht unter rein volkswirtschaftlichen Verhältnissen zustande kommt, sondern durch Rechtsverhältnisse; daß in die Be­wertung des Unternehmerkapitals hineinspielt der freie menschliche Wille mit all demjenigen, was er enifaltet, wenn er sich im öffentlichen Leben betätigt. Denken Sie sich doch nur einmal, was man braucht, um ein Unternehmerkapital wirklich zu sammeln für irgend etwas. Da spielt der freie menschliche Wille hinein. In das Leihen spielt der freie menschliche Wille hinein. Vielleicht nicht direkt. Natürlich, derjenige, der Erspartes haben will, will es schon leihen; aber ob jemand über­haupt spart oder nicht, das ist schon ein Ausdruck des Willens. Es ist so, daß der freie menschliche Wille da ganz wesentlich hineinspielt. Wenn wir aber das berücksichtigen, so werden wir noch eine andere Gliederung der volkswirtschaftlichen Faktoren finden, als diejenige ist, die wir bisher betrachtet haben.

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Ich habe Ihnen bisher eine schematische Gliederung gegeben, worin ich Ihnen gezeigt habe: Natur ist da, aber Wert wird erst durch die bearbeitete Natur, wenn sich Natur gegen Arbeit bewegt. Und Wert wird erst durch Arbeit, wenn sich diese gegen Kapital oder den Geist bewegt. Und dadurch entsteht die Tendenz, wiederum zu der Natur zurückzukehren, was ja dadurch verhindert werden kann, daß über­geführt wird dasjenige, was überschüssiges Kapital ist, nicht in den Grund und Boden, wo es fixiert wird, sondern in freie geistige Unter­nehmungen, wo es eben bis zu dem Rest verschwindet, der gewisser­maßen als Samen weiterbestehen soll, damit der volkswirtschaftliche Prozeß aufrechterhalten werden kann.

#Bild s. 106

Und außer dieser Bewegung, die also hier (siehe Zeichnung 5) von links nach rechts geht und wodurch entsteht bearbeitete Natur, orga­nisierte oder gegliederte Arbeit und emanzipiertes, bloß innerhalb der geistigen Unternehmungen figurierendes, sich betätigendes Kapital, außer dieser Bewegung gibt es noch eine andere Bewegung. Das ist nämlich diejenige Bewegung, welche nun nicht in die Verwertung

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hineinführt, so hineinführt, daß das Vorhergehende von dem Nächsten übernommen wird, sondern die im entgegengesetzten Sinn geht. Die eine Bewegung geht entgegengesetzt dem Uhrzeiger, die andere geht dem Uhrzeiger entsprechend. Bei der einen Bewegung entsteht etwas dadurch, daß gewissermaßen das vorhergehende Glied in das nächste eingreift; bei der anderen Bewegung dadurch, daß das, was hier (siehe Zeichnung 5) herüberfließt, auffängt, was hinüberfließt und es gleich­sam umspannt. Sie werden gleich darauf kommen, was ich damit meine. Wenn Sie berücksichtigen, daß Kapital eigentlich verwirklichter Geist ist im volkswirtschaftlichen Prozeß, so kann ich statt Kapital ja auch Geist schreiben, so daß wir haben: Natur, Arbeit und Geist,

Dann, wenn der Geist aufnimmt, was bearbeitete Natur ist, wenn er es nicht einfach in der fortschreitenden Bewegung, entgegengesetzt dem Zeiger einer Uhr, in den volkswirtschaftlichen Prozeß hinein-führt, sondern wenn er es aufnimmt, so entsteht das Produktions­mittel. Das Produktionsmittel ist nämlich etwas anderes: es ist eigent­lich in einer ganz entgegengesetzten Bewegung als dasjenige, was für den Konsum bearbeitetes Naturprodukt ist. Es ist ein Naturprodukt, das in Empfang genommen wird von dem Geist, ein Naturprodukt, das der Geist haben muß. Von der Schreibfeder an, die ich als mein Produktionsmittel habe, bis zu den kompliziertesten Maschinen in der Fabrik, sind die Produktionsmittel gewissermaßen vom Geist erfaßte Natur. Die Natur kann bearbeitet werden und nach dieser Richtung geschickt werden: dann wird sie Kapital; oder nach der andern Seite geschickt werden: dann wird sie zum Produktionsmittel.

Ebenso aber kann dasjenige, was mit Hilfe des Produktionsmittels sich hier bildet, sich weiterbewegen und wiederum in Empfang ge­nommen werden von der Arbeit. Geradeso wie hier von dem Geist die Natur empfangen wird, so kann von der Arbeit empfangen werden dasjenige, was also zum Beispiel Produktionsmittel eben ist im weite­sten Sinne. Wenn von der Arbeit dasjenige empfangen wird, was Pro­duktionsmittel ist, wenn also eine Verbindung entsteht zwischen dem Produktionsmittel und der Arbeit, dann liegt in dieser Verbindung das Unternehmerkapital. Das ist das Unternehmerkapital. So daß sich also, wenn Sie diesen Prozeß (siehe Zeichnung 5) verfolgen, eine Bewegung

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ergibt, die ineinanderschiebt Produktionsmittel und Unternehmer­kapital.

Und wenn diese Bewegung sich jetzt fortsetzt, so daß fortwährend übernommen wird von der Natur - allerdings jetzt von einem anderen Teil der Natur als beim Konsumtionsprozeß -, so daß fortwährend übernommen wird von der Natur dasjenige, was mit Hilfe von Pro­duktionsmittel und Unternehmerkapital hervorgebracht wird, dann entsteht erst im volkswirtschaftlichen Prozeß dasjenige, was eigentlich die Ware ist. Die Ware wird nämlich schon vom Naturprozeß über­nommen. Entweder sie wird gegessen, dann wird sie sehr stark von der Natur übernommen, oder sie geht zugrunde, wird verbraucht -kurz, es wird etwas Ware dadurch, daß es zur Natur wiederum zu­rückkehrt.

So daß Sie sagen können: Wir haben jetzt diejenige Bewegung ver­folgt, welche drinnen steckt im ganzen volkswirtschaftlichen Vorgang und die die Faktoren enthält: Produktionsmittel, Unternehmerkapital, Ware. Hier (siehe Zeichnung 5), an dieser Stelle, wird die Unterschei­dung außerordentlich schwierig sein; denn dasjenige, was beim eigentlichen Tausch, also beim Kauf und Verkauf, hin- und hergeht, an dem läßt es sich außerordentlich schwer unterscheiden, ob es in der Bewegung so hin ist oder so her, ob es eine Ware ist, oder ob es etwas ist, was nicht im wahren Sinn des Wortes Ware genannt werden kann. Denn, wodurch wird denn ein Gut eine Ware? Ich müßte eigentlich bei der Bewegung in dieser Richtung - entgegengesetzt dem Zeiger der Uhr -, wenn ich ganz genau benennen wollte, müßte ich her-schreiben Gut und bei der rückläufigen Bewegung müßte ich schrei­ben Ware; denn Ware ist das Gut nur in der Hand des Händlers, des Kaufmannes, der es anbietet und nicht selbst benützt.

Es kam mir also heute hauptsächlich darauf an, daß wir uns Begriffe aneigneten, welche auf die wahren Verhältnisse im volkswirtschaft­lichen Prozeß hindeuten, die durch die verfälschten Prozesse fort­während in eine solche Wirkungsweise hineinkommen, daß der volks­wirtschaftliche Prozeß in der Tat fortwährend Störungen erleidet. Diese Störungen fortwährend auszugleichen, das ist eigentlich ein Wesentliches in der Aufgabe der Volkswirtschaft. Die Leute reden

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heute viel davon, daß man sollte die Schäden der Volkswirtschaft be-seifigen, und haben so ein bißchen den Hintergedanken: Dann wird alles gut sein, dann ist so ungefähr das Paradies auf Erden. - Aber das ist so, wie wenn man sagte: Nun möchte ich doch einmal so viel essen, daß ich dann gar nicht mehr zu essen brauche. - Ich kann das nicht, weil ich ein Organismus bin, weil da fortwährend auf- und absteigende Prozesse sich entwickeln müssen. Diese auf- und absteigenden Pro­zesse müssen in der Volkswirtschaft da sein; es muß die Tendenz da sein, auf der einen Seite die Preise zu verfälschen durch die Bildung der Rente, auf der andern Seite muß die Tendenz da sein, die Preise zu erniedrigen gegen das Unternehmerkapital hin. Diese Tendenzen sind fortwährend da und müssen erfaßt werden, um möglichst die Preise so zu bekommen, daß die Fälschungen immer ein Minimum sind.

Dazu ist notwendig, den volkswirtschaftlichen Prozeß durch un­mittelbare menschliche Erfahrung gewissermaßen im Status nascendi zu erfassen, immer drinnen zu stehen. Das kann niemals der einzelne, das kann auch niemals eine über eine gewisse Größe hinausgehende Gesellschaft, zum Beispiel der Staat; das können nur Assoziationen, die aus dem wirtschaftlichen Leben selbst herauswachsen und des­halb aus dem unmittelbaren lebendigen wirtschaftlichen Leben auch wirken können. Gerade wenn wir stark technisch betrachten den volkswirtschaftlichen Prozeß, werden wir dazu geführt, anzuerkennen, daß aus dem Wirtschaftsprozeß selbst heraus sich die Institutionen bilden müssen, welche die Menschen so zusammenfassen, daß sie asso­ziativ drinnenstehen im unmittelbaren lebendigen Prozeß und nun beobachten können, wie die Tendenzen vorhanden sind und wie man den Tendenzen entgegenwirken kann.

ACHTER VORTRAG Dornach, 31. Juli 1922

#G340-1965-SE110 Nationalökonomischer Kurs

#TI

ACHTER VORTRAG

Dornach, 31.Juli 1922

#TX

Wir werden uns heute noch damit zu beschäftigen haben, einige Be­griffe zu korrigieren, die vorhanden sind, und die einfach stören den­jenigen, der eine sachgemäße, eine wirklichkeitsgemiße volkswirt­schaftliche Betrachtung anstellen und sich dann mit einer solchen Be­trachtung auch hineinstellen will in den Gang des volkswirtschaft­lichen Lebens. Es hat ja eigentlich eine Volkswirtschaftswissenschaft, die nicht auch das praktische Leben befruchten kann, nicht einen eigentlichen Wert. Und Begriffe, die aus einer solchen nur betrach­tenden Volkswirtschaftswissenschaft heraus gewonnen sind, die müs­sen eigentlich immer zu einer gewissen Unzukömmlichkeit führen.

Da wir ja vielleicht bereits eingesehen haben, daß innerhalb der volkswirtschaftlichen Betrachtung das wichtigste die Preisfrage ist, so handelt es sich darum, nun den Preis in dem Sinn, wie ich es gezeigt habe, anzusehen: daß er uns eigentlich angibt, je nachdem er steigend oder fallend oder stabil ist oder nach einer gewissen Empfindung für gewisse Produkte zu hoch oder zu niedrig ist, daß er uns angibt, ob die Dinge im volkswirtschaftlichen Organismus in Ordnung sind oder nicht. Denn das ist, was den Assoziationen zufallen muß: nach dem Barometer der Preisstände das herauszufinden, was im übrigen volks­wirtschaftlichen Leben zu tun ist.

Nun wissen Sie ja, daß eine viele Kreise beherrschende Ansicht die ist, daß sich eigentlich bezüglich der Preisfrage praktisch nichts anderes machen läßt als dasjenige, was sich von selbst ergibt unter der Wirkung des sogenannten Angebots und der Nachfrage. Unter dem Zwang, nicht der volkswirtschaftlichen Tatsachen, sondern mehr unter dem Zwang der in der neueren Zeit immer mehr und mehr auftretenden sozialen Aspirationen ist allerdings erschüttert worden diese Ansicht, die nicht nur Adam Smith, sondern sehr viele aufstellten: daß eigentlich der Preis von selbst sich reguliert im volkswirtschaftlichen Leben unter dem Einfluß von Angebot und Nachfrage. Es wird ja da einfach be­hauptet, daß, wenn ein zu starkes Angebot da ist, dann wird dieses

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Angebot dazu führen müssen, daß man es verringert, daß man es nicht auf derselben Höhe erhält. Und damit wird von selbst eine Regulie­rung der Preise eintreten. Ebenso wenn die Nachfrage eine zu große oder zu kleine ist, dann wird müssen eine Regulierung eintreten der Produzierenden, um nicht zuwenig oder zuviel zu produzieren. Und damit meint man, daß sich gewissermaßen automatisch unter dem Ein­fluß von Angebot und Nachfrage auf dem Markt der Preis einem ge­wissen stabilen Zustand nähert.

Nun handelt es sich darum, ob man mit einer solchen Anschauung sich bloß bewegt im Theoretischen, im Begriffssystem, oder ob man mit einer solchen Anschauung hineinsteigt in die Wirklichkeit. Mit dieser Anschauung tut man es zweifellos nicht; denn sobald Sie diesen Begriffen Angebot und Nachfrage zu Leibe gehen, dann werden Sie gleich sehen, daß es überhaupt unmöglich ist, sie im volkswirtschaft­lichen Sinne auch nur aufzustellen. Im Sinne der kontemplativen Be­trachter der Volkswirtschaft können Sie sie aufstellen. Sie können die Leute auf den Markt schicken und beobachten lassen, wie wirken An­gebot und Nachfrage; aber es frägt sich, ob man mit dem, was man da beobachtet, so tief hineingreift in den Gang der volkswirtschaft­lichen Prozesse, daß man irgend etwas in der Hand hat mit solchen Begriffen. Und Sie haben eben in der Wirklichkeit nichts in der Hand mit solchen Begriffen, weil Sie überall das weglassen, was hinter den Vorgängen steht, die Sie mit diesen Begriffen treffen wollen. Sie sehen auf dem Markt, daß sich abspielt das Angebot und das, was man Nach­frage nennt; aber das umfaßt nun nicht dasjenige, was hinter dem liegt, was da als Angebot mir entgegentritt, und was wiederum vor dem liegen wird, was als Nachfrage auftritt. Da liegen erst die wirklichen volkswirtschaftlichen Prozesse, die sich nur zusammenschoppen auf dem Markt -, möchte ich sagen. Und das sehen Sie am besten daran, daß ja diese Begriffe höchst brüchig sind.

Wollen wir uns ordentliche Begriffe bilden, so können und so müs­sen diese Begriffe beweglich sein gegenüber dem Leben. Wir müssen einen solchen Begriff haben können, ihn gewissermaßen von Wirklich­keitsgebiet zu Wirklichkeitsgebiet tragen können, und er muß sich verändern; aber der Begriff darf nicht so sein, daß er sich selbst in die

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Luft sprengt. Und der Begriff von Angebot ebenso wie der von Nach­frage sprengt sich in die Luft. Denn nehmen wir an, irgend etwas ist ein Angebot: Es ist ein Angebot, wenn einer auf den Markt Waren bringt und sie für einen gewissen Preis ausbietet. Das ist ein Angebot. Das kann jeder behaupten. Ich behaupte aber: Nein, das ist eine Nach­frage. - Wenn einer Waren auf den Markt bringt und sie verkaufrn will, so ist das bei ihm eine Nachfrage nach Geld. Es ist nämlich, so­bald man nicht weiter eingeht auf den volkswirtschaftlichen Zu­sammenhang, gar kein Unterschied, ob ich Angebot habe in Waren und Nachfrage in Geld, oder ob ich im groben Sinn mit der Nachfrage komme. Wenn ich Nachfrage entwickeln will, so brauche ich Angebot in Geld.

Also Angebot in Waren ist Nachfrage in Geld, und Angebot in Geld ist Nachfrage in Waren. Das sind volkswirtschaftliche Realitäten. Denn es kann sich der volkswirtschaftliche Prozeß, insofern er Tausch oder Handel ist, gar nicht vollziehen anders, als daß, sowohl bei Käufer wie bei Verkäufer, Angebot und Nachfrage da ist; denn dasjenige, was der Käufer hat als sein Geldangebot, das muß auch erst hinter seinem Rücken oder hinter dem Rücken der Nachfrage im volkswirt­schaftlichen Prozeß entwickelt werden, genauso wie die Ware ent­wickelt werden muß, die als Angebot auftritt.

Also wir haben keine realen Begriffe vor uns, wenn wir glauben, der Preis entwickelt sich aus dem Wechselverhältnis von dem, was wir gewöhnlich Angebot und Nachfrage nennen:

P =f (a n)

Er entwickelt sich nämlich gar nicht in der Weise, wie man es da definiert, wenn man die Betrachtung so anstellt; denn es entwickelt sich durchaus auch der Preis unter dem Einfluß dessen, ob der Nach-fragende ein Anbietender in Geld werden kann, oder ob er es gemäß des volkswirtschaftlichen Prozesses zum Beispiel in irgendeiner Zeit in bezug auf ein Produkt nicht werden kann. Es handelt sich nämlich nicht bloß darum im volkswirtschaftlichen Prozeß, daß eine gewisse Anzahl von Waren als Angebot da sind, sondern daß auch eine Anzahl von Leuten da sind, die das Angebot Geld gerade für diese Waren ent­wickeln

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können. Das ist etwas, was Ihnen sogleich zeigen wird, daß man von einem Wechselspiel von Angebot und Nachfrage gar nicht sprechen kann.

Und dennoch, wenn man jetzt nicht auf die Begriffe sieht, die ja falsch gebildet werden können, sondern wenn man auf die Tatsachen sieht, auf die Tatsache des Marktes oder selbst auf die Tatsache des marktlosen Waren- und Geldaustausches, so ist es doch wiederum ohne Frage, daß sich zwischen dem Angebot und der Nachfrage - aber auf beiden Seiten - der Preis entwickelt. Das ist doch wiederum det Fall; der reinen Tatsache nach ist es doch wiederum der Fall.

Nur sind Angebot und Nachfrage und Preis drei Faktoren, die alle primär sind. Es ist nicht so, daß wir aufschreiben Preis = Funktion von Angebot und Nachfrage, so daß wir behandeln, wenn ich mathe­matisch spreche: a und n als veränderliche Größen und das p, den Preis, als eine Größe, die sich aus den beiden Veränderlichen ergibt, sondern in gleicher Weise müssen wir a und n, Angebot und Nachfrage, und p, Preis, als voneinander unabhängige Veränderliche betrachten und müssen uns irgendeiner Größe x - Sie sehen, wir nähern uns einer Formel -, wir müssen uns einer Größe x nähern. Wir müssen nicht glauben, daß wir es mit unabhängigen Veränderlichen nur in a und n zu tun haben und mit dem Preis als einerFunktion von beiden, sondern mit drei voneinander Unabhängigen, die miteinander in ein Wechsel­spiel treten und die eben ein Neues geben. Der Preis ist da zwischen An­gebot und Nachfrage; aber er ist auf eine ganz eigentümliche Weise da.

x = f (a n p)

Wir müssen nämlich die ganze Betrachtungsweise von einer anderen Ecke aus beginnen. Wenn wir irgendwo sehen auf dem Markt, daß Angebot und Nachfrage gerade für dieses Gebiet in dem Zusammen­hang stehen, in dem sie zum Beispiel Adam Smith gesehen hat, dann ist das ungefähr der Fall - auch nicht ganz - für die Warenzirkulation vom Händlerstandpunkt aus. Es ist aber ganz und gar nicht der Fall für den Standpunkt des Konsumenten und nicht für den Standpunkt des Produzenten. Für den Standpunkt des Konsumenten gilt nämlich etwas ganz anderes. Der Standpunkt des Konsumenten wird bewirkt

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durch das, was er hat. Und zwischen dem, was er hat, und dem, was er gibt, entwickelt sich ein ähnliches Verhältnis, wie es sich für den Händier entwickelt zwischen Angebot und Nachfrage: Der Konsu­ment hat eine Wechselwirkung zwischen Preis und Nachfrage. Er fragt weniger nach, wenn ihm für seine Taschenverhältnisse der Preis zu hoch ist, und er fragt mehr nach, wenn ihm für seine Taschenverhält­nisse der Preis niedrig genug ist. Er hat überhaupt als Konsument nur im Auge Preis und Nachfrage.

So daß wir sagen: Beim Konsumenten haben wir mehr zu sehen auf das Wechselspiel zwischen Preis und Nachfrage. Beim Händler haben wir mehr zu sehen auf das Wechselspiel zwischen Angebot und Nach­frage. Und beim Produzenten handelt es sich darum, daß wir jetzt bei ihm zu sehen haben auf das Wechselspiel zwischen Angebot und Preis. Er richtet sich nämlich zunächst ein in bezug auf das Angebot nach den Preisen, die möglich sind im ganzen volkswirtschaftlichen Prozeß. So daß wir die erste Gleichung, p =f(a n), nennen können die Händlergleichung. Adam Smith hat sie geltend gemacht für die gesamte Volkswirtschaft; für die gesamte Volkswirtschaft ist sie falsch. Wir können nämiich auch die Gleichung bilden: das Angebot, a, können wir ansehen als Funktion von Preis und Nachfrage; und die Nachfrage können wir ansehen als Funktion von Angebot und Preis. Dann haben wir in dieser Gleichung n = f (a p), n = Funktion von Angebot und Preis, die Produzentengleichung. Und in der dritten Gleichung - das Angebot ist eine Funktion von Preis und Nachfrage a = f (p n) - haben wir die Konsumentengleichung. Noch immer aber haben wir diese Gleichungen dadurch qualitativ verschieden ge­macht, daß hier das a beim Konsumenten ein Angebot in Geld ist, beim Produzenten ist es ein Angebot in Waren, und beim Händler haben wir es zu tun mit etwas, was eigentlich zwischen Geld und Ware drinnen liegt.

P = f (a n) = Händlergleichung

x = f (a n p)

a = f (p n) = Konsumentengleichung

n = f (a p) = Produzentengleichung

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Aber jedenfalls sehen Sie, wieviel komplizierter der volkswirtschaft­liche Gang betrachtet werden muß, als man es gewöhnlich tut. Des­halb, weil man, ich möchte sagen, die Begriffe so schnell abfangen will, gibt es im Grunde genommen heute gar keine ordentliche Volkswirt­schaftslehre. Nun handelt es sich aber darum, daß wir, um in die Reali­tät, in die Wirklichkeit hineinzukommen, uns zu fragen haben: Ja, was lebt denn eigentlich alles in diesem volkswirtschaftlichen Gang, was lebt denn da drinnen eigentlich alles?

Wir können sagen: Es geht ja dasjenige, was ich für meine Bedürf­nisse erwerbe, zunächst über in diesen meinen Bereich - ich will erst später von Besitz und Eigentum reden, will mich jetzt möglichst un­bestimmt ausdrücken, weil es trotzdem die Sache deckt -, es geht über in meinen Bereich unter den Verhältnissen, in denen wir heute leben. -Nun, ich gebe Geld, oder etwas, was ich für Geld produziert habe -so geschehen ja die Dinge in der Regel -, aber, haben wir damit eigentlich für den volkswirtschaftlichen Gang die volle Wirklichkeit erschöpft? Ich könnte ja auch auf andere Weise, als daß ich für Geld eine Ware hingebe oder für eine Ware Geld hingebe, Geld und Ware erwerben. Nehmen wir an, ich stehle es. Ich stehle: da würde ich auch etwas erworben haben. Und wenn ich das Stehlen im Großen be­treiben könnte, wie es ja manchmal durch Jahrzehnte die alten Räuber­hauptmänner betrieben haben, so würde man für so etwas eine ganz andere Volkswirtschaftswissenschaft begründen müssen als diejenige, die für unsere Sittenlehre im allgemeinen begründet werden muß. Nun könnte es Ihnen als ein sehr groteskes Beispiel vorkommen, daß ich sage: Ja, ich stehle. - Aber was heißt denn eigentlich Stehlen? Stehlen heißt: Jemandem etwas wegnehmen, ohne daß er imstande ist, sich dagegen zu wehren, und ohne daß derjenige, der stiehlt, es nützlich findet, das Ding zu nehmen gegen Entgelt, gegen Vergütung. - Nun vergleichen Sie jetzt zum Beispiel diesen unnobel gewordenen Begril des Stehlens mit demjenigen, den man im Deutschen mit einem Fremd­wort bezeichnet, mit dem Worte requirieren. Unter gewissen Verhält­nissen requiriert man, man nimmt den Leuten etwas weg und gibt ihnen kein Entgelt dafür. Und es kommt sonst auch im volkswirt­schaftlichen Prozeß vor, daß den Leuten etwas weggenommen wird,

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und sie bekommen kein Entgelt dafür. Das sind Dinge, auf die man ja nur hinzudeuten braucht, sonst glauben die Leute, man wolle agi­tieren. Ich will aber hier nur Wissenschaft treiben, nicht agitieren. Nun nehmen Sie einmal an, ich würde irgendwo eine soziale Ordnung, ein kleineres Gebiet sozialer Ordnung einrichten, da das Geld abschaffen, indem ich einfach organisieren würde, daß Ausfälle gemacht werden mit den nötigen Waffengewalten; und die Leute, die etwas haben, werden niedergeschlagen und dann werden ihnen die Sachen ab­genommen. Nun, nicht wahr, was ist dagegen, daß das geschieht? Da­gegen ist, daß vielleicht die anderen sich wehren würden, dann müssen sie die Mittel haben, sich dagegen zu wehren, oder aber, daß ich es nicht nützlich finden würde. Wenn mein Gebiet nicht groß wäre, würde ich es nicht nützlich finden.

Da muß etwas anderes in den volkswirtschaftlichen Prozeß herein-spielen. Ich kann nicht ohne weiteres jemand anderem etwas ab­nehmen. Warum denn nicht? Weil es in einer gewissen Weise von meinen Mitmenschen anerkannt werden muß, daß ich das behalten darf. Und es wird auf keine Weise anerkannt, daß ich das behalten darf, was ich dadurch erworben habe, daß ich meine Mitmenschen in der Umgegend erschlagen habe. Was spielt denn da hinein? Da spielt nämlich hinein das Recht. Und Sie können den volkswirtschaftlichen Prozeß gar nicht betrachten, ohne daß Sie überall das Recht hinein-spielend haben. Das läßt sich gar nicht volkswirtschaftlich durch­denken, auch nicht volkswirtschaftlich realisieren, was geschehen soll, ohne daß in die Volkswirtschaft das Recht hineinspielt. Und wenn Sie statt des Tauschhandels den durch Geld geförderten Handel nehmen, so sehen Sie ja unmittelbar, daß in die Volkswirtschaft das Recht hin­einspielt. Denn auf welche Weise sollte es sich denn überhaupt sonst ermöglichen lassen, daß ich nun nicht für ein Paar Schuhe einen Zylin­derhut hingebe, sondern, sagen wir meinetwillen zwanzig Mark, was es halt ist - so daß ich habe meine Schuhe, er hat aber zwanzig Mark -, wenn diese zwanzig Mark, auch wenn sie in Gold sind, von niemand anerkannt werden würden als ein Wert, für den man wiederum etwas bekommt? Wenn die nicht in der rechten Form hineingegossen wür­den in den volkswirtschaftlichen Prozeß, so könnte man ja noch so viel

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angesammelt haben davon, man würde ja niemals etwas davon haben, Also in dem Augenblick, wo das Geld auftritt im volkswirtschaftlichen Verkehr, sehen wir ganz anschaulich das Auftreten der Rechtsfaktoren. Das ist außerordentlich wichtig, daß wir dieses ins Auge fassen; denn hier sehen Sie, daß sich tatsächlich zunächst der gesamte soziale Orga­nismus nur betrachten laßt, wenn wir allmählich überführen das bloß wirtschaftlich Geschehende in dasjenige, was unter dem Einfluß des Rechtes geschieht.

Nun aber nehmen wir an, ich habe von dem Schuhmacher also er­worben ein Paar Schuhe, habe ihm zwanzig Mark gegeben. Dieser Schuhmacher, der könnte ja jetzt gerade, just nachdem er mir seine Schuhe verkauft hat, sich darauf besinnen, daß Schuster schon manch­mal in der Welt noch etwas anderes gewesen sind als Schuster - Hans Sachs, Jakob Böhme; und er könnte jetzt, nachdem er die zwanzig Mark bekommen hat, daran denken, daß er etwas ganz anderes tut damit, als ein Paar neue Stiefel machen. Er könnte irgend etwas machen damit, wo hinein er sein Ingenium legt, so daß diese zwanzig Mark für ihn plötzlich einen ganz anderen Wert hätten als den Wert von ein Paar Schuhen. In dem Augenblick, wo wir nämlich die Ware in Geld verwandelt haben, also eigentlich in Recht, läßt sich entweder das Recht halten - ich kaufe mir mit den zwanzig Mark etwas, was gleich­wertig ist mit den Paar Schuhen -, oder aber ich mache durch mein Ingenium mit dem Gelde etwas, was ganz Neues hineinproduziert in den volkswirtschaftlichen Prozeß. Da kommen die menschlichen Fähigkeiten hinein, diese menschlichen Fähigkeiten, die eben unter den Menschen frei wachsen, die sich in einer ebensolchen Weise ein-gliedern in dasjenige, was ich mit dem Geld als Recht erworben habe, wie sich das Geld als die - nun in diesem Sinn - Verwirklichung des Rechtes draußen in der Ware verkörpert. Aber damit haben wir in das­jenige, was wir bisher vorläufig im organischen Prozeß so betrachtet haben, daß wir sagten: Natur, bearbeitete Natur, dann Arbeit, durch den Geist gegliedert - damit haben wir in diesen ganzen Prozeß hin­eingestellt das Recht und die Fähigkeiten des Menschen.

Wir haben also innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses selber eine Gliederung gefunden, die eine Dreigliederung ist. Nur wird es

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sich darum handein, über diese Dreigliederung dann in der richtigen Art zu denken.

Nun aber, wenn wir die Volkswirtschaft betrachten, so sehen wir ja, daß gerade dadurch, daß das Tatsachen sind, was ich eben jetzt charak­terisiert habe, daß gerade dadurch innerhalb der Volkswirtschaft ge­wisse reale Unmöglichkeiten auftreten. Denn, zu einem Recht kann man eben auch kommen durch Eroberung und dergleichen, indem man die Macht hat, das Recht zu nehmen. Zu einem Recht kommt man nicht immer durch bloßen Tausch, sondern auch dadurch, daß man die Möglichkeit, die Macht hat, sich das Recht zu nehmen. Dann aber haben wir in dem Rechte etwas, was sich ja, insoferne es da ist, gar nicht vergleichen läßt mit der Ware. Es ist kein Berührungspunkt mit der Ware, zwischen Ware und Recht. Aber in unserem volkswirtschaft­lichen Prozeß werden fortwährend ausgetauscht Waren, oder der Geld-wert für die Waren, mit Rechten. Gerade wenn wir, sagen wir, den Boden bezahlen, ja, wenn wir nur mit unserer Miete den Bodenwert mitbezahlen, wie er ihn heute hat, so bezahlen wir ein Recht durch eine Ware, beziehungsweise durch das Geld, das wir für eine Ware be­kommen haben, also jedenfalls Rechtswert bezahlen wir mit Waren-wert. Und wenn wir einen Schullehrer anstellen, dem wir einen ge­wissen Lohn geben, so bezahlen wir geistige Fähigkeiten unter Um­ständen mit einem Warenwert, mit dem Wert einer Ware, oder dem entsprechenden Geldwerte. So daß im volkswirtschaftlichen Prozeß fortwährend auftreten Austausche zwischen Rechten und Waren, zwi­schen Fähigkeiten und Waren und auch wiederum zwischen Fähig­keiten und Rechten.

Dinge, die gar nicht miteinander vergleichbar sind, werden im volkswirtschaftlichen Prozeß ausgetauscht. Denken Sie sich doch nur, wenn sich jemand eine Erfindung bezahlen läßt, ein Patent nimmt: er läßt sich zunächst einen rein geistigen Wert in Warenwert ausbezahlen. Es ist gar nicht irgendwie etwas, was da als Vergleichsmoment figu­rieren könnte. Da berühren wir eben ein Element, wo erst recht Leben hineinkommt in den volkswirtschaftlichen Prozeß. Und besonders kompliziert wird die Sache, wenn wir den Begriff der Arbeit hinein­bringen.

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Nun habe ich schon davon gesprochen, daß eigentlich der Lohn­arbeiter in Wirklichkeit ja nicht das bekommt, was man unter dem Begriff des Lohnes gewöhnlich versteht, sondern daß er eigentlich das Ergebnis seiner Arbeit auf Heller und Pfennig verkauft an den Unter­nehmer und auch bezahlt bekommt, und der Unternehmer erst durch die Konjunktur demjenigen, was er dem Arbeiter abgekauft hat, nun den richtigen Wert, einen höheren Wert verleiht. Der Gewinn wird da nicht, volkswirtschaftlich betrachtet, als Mehrwert aus der Arbeit geholt. Man kann nicht auf volkswirtschaftlichem Weg zu einem sol­chen Urteil kommen, kann höchstens durch ein moralisches Urteil dazu kommen. Der Gewinn wird dadurch geholt, daß der Arbeiter in einer ungünstigeren sozialen Situation ist, und daß daher die Ergeb­nisse seiner Arbeit, die er verkauft, an der Stelle, wo er sie verkauft, weniger Wert haben, als wenn der Unternehmer, der in einer anderen Position ist, sie weiterverkauft. Der kennt einfach die Verhältnisse besser, kann besser verkaufen. Es gilt dasselbe für das Verhältnis zwi­schen Arbeiter und Unternehmer wie für denjenigen, der auf den Markt geht und da für irgendeinen Preis irgendeine Ware kauft. Er muß sie dort kaufen. Warum? Aus dem einfachen Grunde, weil seine Verhältnisse nicht gestatten, sagen wir, sie sich irgendwo anders zu kaufen. Ein anderer kann sie irgendwo anders viel billiger kaufen. Es ist gar kein Unterschied. Es ist einfach das, was zwischen dem Unter­nehmer und dem Lohnarbeiter ist, eine Art Markt, volkswirtschaftlich angesehen.

Nun aber ist tatsächlich ein gewisser Unterschied, ob ich mir voll-bewußt bin, daß das der Fall ist, oder ob ich glaube, daß ich dem Arbeiter die Arbeit bezahle. Sie könnten das vielleicht für einen bloßen theoretischen Unterschied ansehen; aber lassen Sie einmal solch eine Anschauung oder zwei solche Anschauungen, lassen Sie diese, die eine und die andere, real werden, dann werden Sie sehen, wie sich die realen volkswirtschaftlichen Verhältnisse unter der einen und der anderen Anschauung verändern; denn dasjenige, was vorgeht unter Menschen, ist eben auch das Ergebnis der Anschauungen. Es verändern die An­schauungen dasjenige, was vorgeht, je nachdem sie selbst anders wer­den. Heute baut das ganze Proletariat seine Agitation darauf auf, daß

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die Arbeit entsprechend bezahlt werden muß; aber nirgends wird Arbeit bezahlt, sondern immer werden nur die Ergebnisse der Arbeit bezahlt. Und das würde, wenn man es verstehen würde im rechten Sinn, auch in der Wirklichkeit der Preise zum Ausdruck kommen. Man kann nicht sagen: Es ist gleichgültig, ob man etwas Warenpreis oder Lohn nennt; denn in dem Augenblick, wo man vom Lohn spricht, glaubt man, daß man Arbeit in Wirklichkeit bezahlt. Und dann kommt man auf all diejenigen weiteren sekundären Begriffe, welche die Arbeit als solche zusammenbringen mit anderen volkswirtschaftlichen Pro­zessen, die werterzeugend sind, und es entstehen die sozialen Wirren in einer falschen Weise. Es entstehen die sozialen Wirren insofern rich­tig, als sie aus Empfindungen, aus Gefühlen heraus entstehen. Gefühle und Empfindungen haben immer in einer gewissen Weise recht; aber man kann nicht korrigieren, was man korrigieren soll, wenn man nicht die richtigen Begriffe hat. Und das ist im sozialen Leben das Fatale, daß auf eine ganz richtige Weise oftmals die Diskrepanzen entstehen, die Korrekturen sich aber unter falschen Begriffen vollziehen. Und im allereinzeinsten entwickeln die Menschen solche falschen Begriffe, die dann auch hinausgetragen werden in die ganze volkswirtschaftliche Anschauung und dann eben Verheerendes anrichten.

Nehmen Sie einmal ein sehr einfaches Beispiel an: Ein Herr - ich möchte dieses Beispiel aus dem Leben erzählen - sagte mir einmal: Ja, ich liebe es sehr, Ansichtskarten für meine Freunde zu schreiben, recht viele Ansichtspostkarten. - Ich sagte: Ich liebe gar nicht, Ansichts­postkarten zu schreiben, und zwar - es war das noch in einer Zeit, wo ich noch nicht so viel zu tun hatte wie jetzt -, und zwar, sagte ich, aus volkswirtschaftlichen Gründen. - Warum? - fragte er. Ich sagte: Ich muß mir unwillkürlich denken bei jeder Ansichtspostkarte, die ich schreibe, es läuft vielleicht ein Briefträger hinauf bis zum vierten Stock. Kurz, ich verursache eine Umlagerung des volkswirtschaftlichen Pro­zesses. Nicht auf die Arbeit des Briefträgers kommt es an, aber beim Briefträger ist schwer zu unterscheiden die Leistung von der Arbeit. Und die Leistung muß taxiert werden. Ich vermehre also in unökono-mischer Weise die Leistungen, die die Briefträger zu vollführen haben, wenn ich es liebe, viele Ansichtspostkarten an meine Freunde zu

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schreiben. - Er sagte: Das ist nicht volkswirtschaftlich gedacht; denn wenn man stipuliert: ein Briefträger braucht nur so und so viel zu leisten, dann werden ja für die vielen Ansichtspostkarten, die die vielen Leute schreiben, eben viele neue Briefträger angestellt, und es be­kommen so und so viele Briefträger ihr Gehalt, ihre Entlohnung. Ich bin also eigentlich, sagte er, ein Wohltäter der Leute, die angestellt werden. - Ich konnte nur erwidern: Ja, bringen Sie aber nun auch das alles hervor, was diese Leute essen, die da angestellt werden? Sie ver­mehren ja nicht die Konsumtionsmittel; Sie machen nur eine Um­lagerung. Dadurch, daß mehr Briefträger angestellt werden, vermehrt man ja nicht die Konsumtionsmittel.

Das ist es, was im einzelnen Fall oftmals die allerkrassesten Irrtümer hervorruft. Denn wenn irgendeine Versammlung solcher Herren irgendwo ein Stadtrat ist - das kann es ja auch geben, es könnten solche Herren sogar Minister werden, dann könnte es ein Ministerrat wer­den -, dann würde man einfach sagen: Es sind so und so viele Arbeits­lose da, also man führt neue Bauten auf und so etwas, dann sind die Leute untergebracht. Ja, für die nächsten fünf Schritte hat man das Problem los, aber man hat doch nichts Neues produziert. Alle Arbeiter zusammen haben nicht mehr zu essen, als sie früher zu essen hatten. Wenn ich auf der einen Seite die Waagschale sinken lasse, muß sie auf der anderen Seite steigen. Es muß also, indem ich nicht durch einen zusammenhängenden volkswirtschaftlichen Prozeß, sondern durch eine bloße einzelne Maßregel irgend etwas veranlaßt habe, auf der anderen Seite eine volkswirtschaftliche Kalamität eingetreten sein. Und man würde, wenn man zu beobachten verstünde, sich ausrechnen können: wenn ich in dieser Weise soziale Reform treibe, daß ich ein­fach die brotlosen Leute dadurch, daß ich Neubauten aufführen lasse, in Brot setze, verteure ich diese oder jene Artikel für eine andere An­zahl von Leuten. So daß es gerade auf wirtschaftlichem Gebiete eben ersichtlich ist, wie man nicht kurz denken darf, sondern alles im Zu­sammenhang denken muß. Und so muß man sich eben sagen: Es kommt schon darauf an, daß die Dinge eben im Zusammenhang ge­dacht werden.

Das ist etwas, was absolut nicht so leicht ist im volkswirtschaftlichen

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Prozeß, die Dinge im Zusammenhang zu denken, einfach aus dem Grunde, weil der volkswirtschaftliche Prozeß etwas anderes ist als ein wissenschaftliches System. Das wissenschaftliche System kann in sei­ner Totalität im einzelnen Menschen gegeben sein - vielleicht ist es nur skizzenhaft gegeben, aber es kann im einzelnen Menschen gegeben sein -, der volkswirtschaftliche Prozeß kann niemals in seiner Totalität im einzelnen Menschen sich vollziehen, sondern lediglich da kann er sich spiegeln, wo zusammenwirken die Urteile aus den Menschen, die in den verschiedensten Gebieten drinnenstehen.

Über dasjenige, was ich Ihnen jetzt angeführt habe, gibt es über­haupt keine andere Möglichkeit, zu einem realen Urteil zu kommen, als auf assoziative Art - nicht zu einem theoretischen Urteil, sondern zu einem realen Urteil. Mit anderen Worten: Wenn Sie diese drei Gleichungen haben (siehe Seite 114), so wird derjenige, der ganz und gar nur die Usancen des Händlers kennt, immer die erste Gleichung im Kopfe haben, wird unter dem Einfluß dieser Gleichung handeln und wird also wissen können, was unter dem Einfluß dieser Gleichung steht. Ebensogut wird der Konsument, der mit Verstand den Konsum verfolgt, alles wissen, was unter dem Einfluß der zweiten Gleichung steht. Und der Produzent wird alles wissen, was unter dem Einfluß der dritten Gleichung steht. Aber Sie werden sagen: Die Menschen sind doch nicht so dumm, daß sie nicht auch über ihren Horizont hinausdenken könnten; es kann doch einer, der bloß Konsument oder bloß Händler ist, auch über seinen Horizont hinausdenken - wir sind doch keine Kirchturmsmenschen, so wenig wir Kirchturmspolitiker sind. - Das soll man sogar, soweit es auf die Weltanschauung an­kommt. Aber es gibt keinen Weg, über, sagen wir dasjenige, was im Handel vorgeht, etwas Maßgebliches zu wissen, als im Handel drin­nenzustehen und zu handeln. Es gibt keinen anderen Weg. Darüber gibt es keine Theorien. Die Theorien können interessant sein - aber es handelt sich nicht darum, daß Sie wissen, wie gehandelt wird im all-gemeinen, sondern darum, daß Sie wissen, wie in Basel und seiner Umgebung die Produkte hin- und hergehen. Und wenn Sie das wissen, so wissen Sie damit noch nicht, wie in Lugano die Produkte hin- und hergehen. Also, es handelt sich nicht darum, im allgemeinen über die

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Sache etwas zu wissen, sondern auf einem bestiminten Gebiet etwas zu wissen. Und ebenso wissen Sie noch lange nicht, wenn Sie sich ein maßgebendes Urteil darüber bilden können, unter welchem höhe-ren oder niedrigeren Preis man Sensen oder andere landwirtschaftliche Maschinen fabrizieren kann, unter welchen Preisen man nun meinet­halben Schrauben fabrizieren kann oder dergleichen.

Das Urteil, das im wirtschaftlichen Leben gebildet werden muß, muß aus der unmittelbaren Konkretheit gebildet werden. Und das kann auf keine andere Weise geschehen, als daß für bestimmte Gebiete, deren Größe sich - wie wir gesehen haben - aus dem volkswirtschaft­lichen Prozeß heraus ergibt, die Assoziationen gebildet werden, in denen eben gleichmäßig aus den verschiedensten Zweigen heraus alle drei Vertretungen sitzen desjenigen, was im wirtschaftlichen Leben vorkommt: der Produktion, der Konsumtion und der Zirkulation.

Es ist schon eigentlich, möchte ich sagen, außerordentlich traurig, daß sich in unserer Zeit für etwas im Grunde genommen so Einfaches und so Sachgemäßes kein Verständnis findet. Denn in dem Augenblick, wo sich wirklich Verständnis findet, kann ja die Sache, nicht etwa erst bis übermorgen, sondern schon bis morgen geschaffen sein. Denn es handelt sich ja nicht darum, radikale Umgestaltungen zu machen, son­dern im einzelnen den assoziativen Zusammenschluß zu suchen. Dazu braucht man nur den Willen aufzubringen und das Verständnis dahin zu bringen. Das ist es, was in der Tat einen so schmerzlich berührt, wo in der Tat das volkswirtschaftliche Denken mit dem moralischen und, ich möchte sagen, mit dem religiösen in einer gewissen Weise zu­sammenfällt; denn es ist mir zum Beispiel ganz unbegreiflich, wie hat vorübergehen können eine solche volkswirtschaftliche Betrachtung, sagen wir an denjenigen, die ofliziell sorgen für die religiösen Bedürf­nisse der Welt. Denn es ist doch zweifellos, daß es sich im Laufe der neueren Zeit eben herausgestellt hat, daß unsere volkswirtschaftlichen Verhältnisse nicht mehr bewältigt worden sind, daß die Tatsachen hinausgeschritten sind über dasjenige, was Menschen bewältigen konnten, so daß wir vor allen Dingen vor der Frage stehen: Wie kann das bewältigt werden? - Es muß aber durch Menschen bewältigt werden und durch Menschen in Assoziationen bewältigt werden.

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Ich möchte nicht einen Witz machen am Ende einer verhältnismäßig recht ernsthaften Betrachtung, sondern möchte sagen: Es hat sich unsere Volkswirtschaftswissenschaft so entwickelt, daß sie nicht mit­gemacht hat in ihren Anschauungen dasjenige, was sich vollzogen hat von der Tauschwirtschaft zu der Geldwirtschaft und zu der Fähig­keitenwirtschaft. Sie bandelt in ihren Begriffen immer noch herum in der Tauschwirtschaft und betrachtet immer das Geld noch so, als ob es nur eine Art von Stellvertreter wäre für den Tausch. Die Leute geben das nicht zu; aber in den wirklichen Theorien steckt das drinnen. Und so kommt es, daß in älteren Wirtschaftssystemen, wenn uns diese heute auch nicht mehr sympathisch sein können, man getauscht hat, dann ist das Geld gekommen, und da - ich möchte, wie gesagt, keinen Witz machen, der Sprachgenius wirkt da -, da ist aus dem Tauschen bloß der Umlaut entstanden, da ist alles undeutlich geworden: wir täuschen uns heute in allen möglichen volkswirtschaftlichen Prozessen. Aus dem Tauschen ist ein Täuschen geworden. Nicht ein absichtliches Betrügen, sondern ein Undeutlichwerden der ganzen Prozesse. Und wir mussen erst wiederum dahinterkommen, wie sich die volkswirt­schaftlichen Prozesse im Innern abspielen.

NEUNTER VORTRAG Dornach, 1. August 1922

#G340-1965-SE125 Nationalökonomischer Kurs

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NEUNTER VORTRAG

Dornach, 1.August 1922

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Die Formeln, die ich gestern versuchte darzustellen, sind natürlich nicht mathematische Formeln, sondern sie sind Formeln, so wie die­jenigen, von denen ich schon früher gesprochen habe, die eigentlich am Leben verifiziert werden müssen. Und nicht nur das, sondern sie müssen so aufgefaßt werden, daß sie in der Volkswirtschaft drinnen wirklich leben.

Nun muß ich Ihnen heute einiges sagen, das nach und nach dazu führen kann, zu begreifen, wie diese Dinge volkswirtschaftlich leben. Wenn wir einfach darauf hinsehen, daß im gesamten volkswirtschaft­lichen Prozeß alles, was drinnen zirkuliert, einen gewissen Wert haben muß, so müssen wir auf der anderen Seite uns wiederum doch darüber klar sein, daß im volkswirtschaftlichen Organismus manches vor-kommen kann, was seinen Wert unmittelbar in den Vorgängen der Volkswirtschaft nicht zum Ausdruck bringt.

Ich will Ihnen das an einem Beispiele klarmachen, das uns dann dazu führen wird, einige weitere volkswirtschaftliche Begriffe uns vorzu­führen. Solche Dinge, die gewissermaßen verborgenere volkswirt­schaftliche Zusammenhänge darlegen, hat ja sehr schön Unruh in sei­nen volkswirtschaftlichen Büchern dargestellt. Und ich führe hier nur dasjenige an, dem ich selber dann nachgegangen bin, und von dem ich sagen kann, daß es rein der Beobachtung nach stimmt, obwohl Unruh ein durchaus von Staatsökonomie getragener Geist ist, der also da­durch, daß er eigentlich nicht wirtschaftlich, sondern politisch denkt, die Dinge wiederum nicht in einen entsprechenden Zusammenhang zu bringen weiß.

Was uns aufmerksam machen kann, wie kompliziert sich die Dinge im volkswirtschaftlichen Prozeß abspielen, das ist zum Beispiel in ge­wissen Gebieten Mitteleuropas der Roggenpreis. Wenn man Groß-landwirte hört, so werden sie sehr häufig sagen: Am Roggenpreis ver­dient man nichts; im Gegenteil, man verliert durch den Roggenpreis. -Was ist damit eigentlich gemeint? Damit ist zunächst gemeint, daß

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Roggen für diese Leute nicht so verkauft werden kann, wie verkauft werden muß dasjenige, was zum Beispiel - wenigstens in der Haupt­sache - seinen Preis heute in der Regel zusammensetzt aus den Preisen für die Rohprodukte, aus den Herstellungskosten und einem gewissen Gewinn. Wenn man in dieser Weise die Roggenpreise nehmen würde, so würde man einfach finden, sie entsprechen nicht dem, was die Her­stellungskosten und ein Gewinn sind. Sie sind weit darunter. Und wenn man in dieser Weise die Bilanz gestalten würde für irgendeine Landwirtschaft, daß man einfach die Roggenpreise mit den Werten einsetzt, wie sie sind auf dem Markt, dann würde man eben einfach Werte einsetzen, die durchaus die Bilanz in einem negativen Sinne beeinflussen müssen. Wie gesagt, man kann der Sache nachgehen, und es ist absolut richtig, daß unter dem Preis - wie man sagen könnte -verkauft wird. Nun, das kann aber doch eigentlich nicht sein in Wirk­lichkeit. Es ist unmöglich, daß es in Wirklichkeit geschieht. Nach außen hin geschieht es aber durchaus. Was da vorliegt, ist dieses: Der Roggen liefrrt nicht nur die Frucht, sondern auch das Stroh. Das Stroh wird nur zum kleinsten Teile verkauft von solchen Landwirten, welche unter dem Preis Roggenfrucht abgeben. Sie verwenden es in ihrer eigenen Landwirtschaft. Damit versorgen sie namentlich das Vieh. Und dann machen sie ihre Bilanz so, daß sie dasjenige, was sie am Roggen verlieren, ausgleichen durch den Dünger, den sie be­kommen von den Tieren. Nun ist dieser Dünger ja der beste Dünger, den man bekommen kann für die Landwirtschaft. Er ist außerordentlich bakterienreich. Und man bekommt auf diese Weise eigentlich den Dünger wiederum geschenkt - der Bilanz gegenüber geschenkt. So daß man also auf diese Weise tatsächlich einen richtigen Bilanz-ausgleich schaffen kann.

Sie sehen, Her liegt etwas vor, was uns nötigt, einen volkswirt­schaftlichen Begriff aufzustellen, der außerordentlich wichtig ist und den Sie wenig berücksichtigt finden in der volkswirtschaftlichen Literatur. Dieser Begriff, den ich da aufstellen möchte, ist der der Binnenwirtschaft innerhalb der Volkswirtschaft. Also, wenn Wirt-schaft in sich selber Wirtschaft treibt, also Tausch der Produkte in sich selber treibt, so daß also die Produkte nicht nach außen verkauft und

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von außen gekauft werden, sondern innerhalb der Wirtschaft selber zirkulieren - das möchte ich als Binnenwirtschaft bezeichnen gegen-über der allgemeinen Volkswirtschaft. Wo Binnenwirtschaft getrieben wird, haben wir es durchaus mit der Möglichkeit zu tun, daß nun sogar unter dem sonst volkswirtschaftlich notwendigen Preis Pro­dukte abgegeben werden. Dadurch wird natürlich die Preisbildung innerhalb eines volkswirtschaftlichen Gebietes eine außerordentlich komplizierte Tatsachenreihe.

Nun können wir aber, wenn wir von diesen, wie gesagt, auch schon von Volkswirtschaftern als Tatsachen bemerkten Zusammenhängen ausgehen, zu einer anderen Tatsachenreihe übergehen, die ich schon berührt habe von einem gewissen Gesichtspunkt aus, die nun aber auch von einem anderen Gesichtspunkt aus angeschaut werden muß. Ich habe Ihnen nämlich vor einigen Tagen gesagt, daß man nicht ohne weiteres die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge übersieht. Wenn man daran denkt, daß ein Schuster, sagte ich, krank wird und einen ungeschickten Arzt bekommt, so bleibt er drei Wochen krank, kann keine Schuhe fabrizieren; es werden also seine Schuhprodukte, die er in drei Wochen fabrizieren würde, der volkswirtschaftlichen Zirkula­tion entzogen. Nun sagte ich Ihnen, wenn er nun einen geschickten Arzt bekommt, der ihn in acht Tagen gesund macht und er also vier­zehn Tage lang seine Schuhe fabrizieren kann, so kann man die Frage aufwerfen: Wer hat jetzt, volkswirtschaftlich gedacht, die Schuhe fabriziert? - Volkswirtschaftlich gedacht, hat sie zweifellos in diesem Augenblick des volkswirtschaftlichen Prozesses der Arzt fabriziert. Es ist ja gar nicht daran zu zweifeln.

Aber nun liegt hier wiederum etwas anderes vor, nämlich, es fragt sich, ob nun der Arzt sie auch bezahlt bekommen hat. Bezahlt bekommen hat sie der Arzt nun wieder nicht. Denn Sie könnten jetzt folgende Rechnung anstellen: Sie könnten marktmäßig berechnen, wieviel diese Schuhe ausmachen, die der Arzt fabriziert hat, und Sie könnten das aufrechnen, wenn Sie eine etwas längere Bilanz aufstellen, auf seine Ausbildungsausgaben, und da würden Sie sehen, daß seine Ausbildungsausgaben wahrscheiniich nicht sehr verschieden wären von all den Schuhen, die er fabriziert hat, von all den Hirschen, die er

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geschossen hat - denn bekanntlich haben Ärzte nicht immer die Eigentümlichkeit, daß sie einen, der sonst drei Wochen dem Leben entzogen wäre, eben nur acht Tage entziehen. Aber jedenfalls, wie auch dann die Gesamtbilanz sich stellen würde, würden wir die volks-wirtschaftliche Rechnung nicht richtig aufstellen, wenn wir sie in einer solchen Weise aufstellen würden, daß wir nun die Schuhe, die er fabriziert, die Hirsche, die er schießt, wenn er einen Jäger früher ge­sund macht, das Korn, das er erntet und so weiter, nicht aufrechnen würden auf seine Ausbildung. Nur ist der volkswirtschaftliche Prozeß natürlich da ein sehr komplizierter, und das Zahlen stellt sich auch als ein außerordentlich kompliziertes heraus.

Sie können also daraus ersehen, daß es gar nicht so sicher ist, an irgendeiner Stelle zu sagen, wo heraus eigentlich etwas gezahlt wird im volkswirtschaftlichen Prozeß. Man muß manchmal weit gehen, um herauszubringen, von woher irgend etwas bezahlt wird. Wer etwa ganz glatte Einfachheit sucht im volkswirtschaftlichen Prozeß, der wird niemals zu volkswirtschaftlichen Anschauungen kommen, die sich mit der Wirklichkeit irgendwie decken. Er wird niemals zu dem gehen, was ich gesagt habe: es ist eigentlich hinter den Formeln ge­geben: Preis, Angebot, Nachfrage und so weiter. Er wird nicht zu dem gehen. Man muß aber zu dem gehen. Nun aber, dadurch wird es ganz besonders schwer, den volkswirtschaftlichen Prozeß in der rich­tigen Weise zu taxieren, weil man eben aus dem Grunde, daß, sagen wir, für Ausgaben manchmal die Einnahmen weit weg liegen, nicht so leicht in die Lage kommt, im gesamtvolkswirtschaftlichen Prozeß einzusehen, was bezahlt, gekauft ist, was geliehen ist und was ge­schenkt ist. Denn nehmen Sie einmal an jetzt, es realisiert sich das, was ich vor ein paar Tagen gesagt habe, daß diejenigen Kapitalien, die auf irgendeine Weise entstehen, entzogen werden dem Stauen innerhalb des Grund und Bodens und hineingeschoben werden in die geistige Kultur, dann kann das in der Form geschehen, daß man zum Beispiel Stipendien und Stiftungen gründet. Da haben Sie Schenkungen. Und Sie können also jetzt auf der einen Seite Ihrer großen, aber die wirk­liche Volkswirtschaft umfassenden Buchführung erst sehen, daß in dem, was nun der Arzt fabriziert an Schuhen, die durch zwei

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Wochen gehen, vielleicht ein Posten steht, den Sie auf der anderen Seite unter der Rubrik der Schenkungen suchen müssen, wenn er etwa ein Stipendium gehabt hat, an einer Stiftung teilgenom­men hat.

Kurz, Sie können, von da ausgehend, die schwerwiegende Frage aufwerfen: Was sind eigentlich die produktivsten Kapitalumiage­rungen im volkswirtschaftlichen Prozeß, die allerproduktivsten? -Und wenn Sie solche Zusammenhänge weiter verfolgen, wie ich sie jetzt dargestellt habe, wenn Sie namentlich verfolgen, was von verfüg­baren Kapitalien in Stiftungen, in Stipendien, in sonstige geistige Kulturgüter hineingehen kann, die dann wiederum befruchtend wir­ken auf das ganze Unternehmertum, auf das ganze geistige Produ­zieren, dann werden Sie finden, daß das Fruchtbarste innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses gerade die Schenkungen sind, und daß man eigentlich zu einem wirklich gesunden volkswirtschaftlichen Pro­zeß nur kommen kann, wenn erstens die Möglichkeit da ist, daß Leute zum Schenken etwas haben, und zweitens den guten Willen haben, dieses zu Schenkende auch in vernünftiger Weise zu schenken. So daß wir hier kommen auf etwas, was in die Volkswirtschaft sich auf eine eigentümliche Weise eingliedert.

Und das Kuriose dabei, das ist etwas, was man nicht aus Begriffen herausschälen kann, sondern was nur eine umfangreiche Erfahrung geben kann; aber eine umfangreiche Erfahrung wird es Ihnen geben, je mehr Sie dem nachgehen - und ich würde es Ihnen sogar empfehlen, versuchen Sie recht viel Dissertationsthemen gerade nach der Frage hin zu orientieren: Was wird im volkswirtschaftlichen Prozeß aus den Schenkungen? - Sie werden dann finden, daß die Schenkungen das Allerproduktivste sind, so daß also Schenkungskapitalien das Aller­produktivste im volkswirtschaftlichen Prozesse sind. Weniger pro­duktiv im volkswirtschaftlichen Prozesse sind die Leihkapitalien, und am unproduktivsten im volkswirtschaftlichen Prozesse ist dasjenige, was unmittelbar unter dem Kauf und Verkauf steht. Was unmittelbar unter dem Kauf und Verkauf gezahlt wird, ist das Unfruchtbarste im volkswirtschaftlichen Prozeß. Dasjenige, was auf Leihen beruht, was also in den volkswirtschaftlichen Prozeß durch die Funktion des Leihkapitals

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hineinkommt, das ist, möchte man sagen, von mittlerer Pro­duktivität. Dasjenige, was hineinkommt durch Schenkungen, das ist von der allergrößten Produktivität, schon aus dem Grunde, weil die­jenige Arbeit wirklich erspart wird, das heißt die Leistungen jener Arbeit erspart werden, welche sonst aufgebracht werden muß, um das Betreffende zu erwerben, was hier geschenkt wird. Geschenkt wird, was verfügbar aus dem volkswirtschaftlichen Prozeß hervorgeht und den volkswirtschaftlichen Prozeß schädigen würde, wenn es sich auf Grund und Boden stauen würde.

So können wir sehen, daß in einem Augenblick der Entwickelung überhaupt der volkswirtschaftliche Prozeß über sich selber keinen Aufschluß gibt, sondern das Vorher und Nachher unbedingt berück­sichtigt werden muß. Aber das Vorher und Nachher kann ganz gewiß nicht berücksichtigt werden, wenn es nicht in das Urteil der Menschen gestellt wird, die sich assoziativ vereinigen, und die also auch über Vergangenheit und Zukunft eine entsprechende Einsicht haben kön­nen. Sie sehen, man muß bauen den volkswirtschaftlichen Prozeß auf die Einsicht der in der Volkswirtschaft Drinnenstehenden. Das geht auch aus diesen Dingen hervor. Es ist überhaupt schwer, so ohne wei­teres abzuwägen, wie beteiligt sind an dem ganzen Menschenleben, insofern dieses materiell ist, die einzelnen Faktoren im volkswirt­schaftlichen Prozeß.

Von einem gewissen Gesichtspunkt können wir sprechen im volks-wirtschaftlichen Prozeß von Handelskapital, von Leihkapital und von Industriekapital. Ungefähr wird das zirkulierende Kapital damit er­schöpft, daß man es gliedert in Handelskapital, Leihkapital und Indu-striekapital. Nun, in der allerverschiedensten Weise stecken im volks­wirtschaftlichen Prozeß diese drei Dinge drinnen: Handelskapital, Leihkapital und Industriekapital. Es ist nun wirklich - da überall ein­gestreut sind in den volkswirtschaftlichen Prozeß solche Binnenwirt­schaften, wie ich sie heute an einem Beispiel besprochen habe - außer­ordentlich schwer zu sagen in einem innerhalb eines größeren Ganzen sich abspielenden volkswirtschaftlichen Prozesse, welches, quantitativ ausgedrückt, an dem volkswirtschaftlichen Gedeihen der Anteil ist von Leihkapital, Industriekapital und Handelskapital. Man kann aber

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allmählich doch zu haltbaren Begriffen kommen, wenn man diese Dinge im Umfang eines größeren Horizontes betrachtet.

Sehen wir da einmal zunächst auf ganze Volkswirtschaften, Staats­wirtschaften, wie wir in Gemäßheit des neueren Wirtschaftslebens sagen müssen. Da haben wir, sagen wir zum Beispiel Frankreich. Nur als Beispiel hebe ich es heraus. Da haben wir Frankreich. An Frank­reich in seinem ganzen weitwirtschaftlichen Zusammenhang, wie es vor dem Kriege namentlich war, und wie es dann in seinen Wirkungen im Kriege sich gezeigt hat, ist zu beobachten, wie im Wirtschafts­prozeß im Großen das Leihkapital wirkt. Frankreich hat ja eigentlich immer, man möchte sagen, eine gewisse Neigung gehabt, das Leih­kapital eben wirklich anzulegen, also das Leihkapital als Leihkapital zu behandeln. Sie wissen ja, daß schließlich alles dasjenige, was dann in das politische Gebiet hinübergedrungen ist, woran man so klar hat sehen können die Schäden der Zusammenkoppelung von Wirtschafts­und Rechtsleben, also eigentlich von politischem Leben, daß das sich ja in bezug auf Frankreich abgespielt hat in der Beleihung sowohl von Rußland als auch der Türkei. Frankreich hat außerordentlich viel Leih-kapital exportiert nach Rußland und der Türkei. Sogar nach Deutsch­land, trotzdem sonst im ganzen Frankreich eigentlich nie so recht gut auf Deutschland zu sprechen war, ist schon französisches Leihkapital exportiert worden, zum Beispiel im Anfang des Baues der Bagdad-bahn, wo sich England zurückgezogen hat; aber Frankreich hat den Leuten, zum Beispiel Siemens und Gwinner) die ja da an der Spitze des Unternehmens standen, schon Leihkapital gegeben. Also Frank­reich war eigentlich im wesentlichen ein leihendes Land, so daß man sehen konnte, wie Leihkapital eigentlich verstrickt wird in den gesamten volkswirtschaftlichen Prozeß.

Ich will jetzt gar nicht für irgend etwas und gegen etwas sprechen, sondern lediglich objektiv darstellen. An einer äußeren historischen Erscheinung können Sie tatsächlich sehen, was für Interessen das Leih­kapital eigentlich hat. Wenn wir den Blick wenden, sagen wir auf private Wirtschaften, so werden wir überall durch die Bank finden: der Privatwirtschaftende wird ein friedliebender Mensch sein; denn er weiß unter allen Umständen, daß in seine Zinsverhältnisse Unordnung

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hineinkommt, wenn er sein Leihkapital vergeben hat und über die wirtschaftlichen Zusammenhänge der Krieg hinüberfegt. Damit rech­nen ja auch alle Volkswirtschafter, daß die leihenden Leute friedliche Leute sind. Das ist ja auch der Grund, warum es immer möglich ist, daß man mit Bezug auf Frankreich sagt, daß es keine Schuld am Kriege hat. Aus dem einfachen Grunde kann man es sagen, weil, wenn man beweisen will, daß in Frankreich nicht der Krieg gewollt worden ist, man nur auf die Interessen der Kleinrentner hinzuweisen braucht, nicht auf die Interessen derjenigen, die zum Krieg getrieben haben. Man hat immer in Frankreich im Hintergrunde die Leute, die durch­aus den Krieg nicht gewollt haben. Gerade diese historische Tatsache kann uns im Großen zeigen dasjenige, was aber auch im Kleinen durch­aus vorhanden ist: der Leihende, also derjenige, der sich Leihkapitals erfreut, der Leihkapital weggeben kann, ist eigentlich ein Mensch, der womöglich verhütet sehen möchte, daß die Wirtschaft gestört wird durch die Ereignisse, die nicht selber der Wirtschaft angehören, auch durch solche Ereignisse innerhalb der Wirtschaft selbst, die im wirt­schaftlichen Leben besonders starke Erschütterungen hervorbringen. Derjenige, der Leihkapital zu vergeben hat, wird um so mehr lieben einen ruhigen Gang des Erlebens, als er sich selber sein Urteil im we­sentlichen ersparen möchte und mehr darauf geben möchte, daß man ihm eben sagt: Da und dort ist eben etwas gut angelegt. - In unserer Zeit, in der das öffentliche Urteil zwar sehr eingebildet ist auf sich, aber doch im Grunde genommen sehr wenig vorhanden ist, in dieser unserer Zeit, da können wir sagen, ist zu gleicher Zeit die Möglich­keit, Leihkapital weggeben zu können, an einen außerordentlich star­ken Autoritätsglauben im wirtschaftlichen Leben und im Leben über­haupt geknüpft. Und das wiederum trübt außerordentlich stark das wirtschaftliche Urteil. Es bekommen diejenigen Leute leicht Geld ge­liehen, die in irgendeiner Weise abgestempelt sind oder dergleichen. Der Personalkredit wird gern demjenigen verliehen, der in irgendeiner Weise abgestempelt ist. Danach wird die Sache entschieden. Und nicht wahr, je nachdem überhaupt dieses autoritative Prinzip kultiviert wird oder nicht, je nachdem sehen wir auch, daß entweder die persönlich fähigeren Leute produktiv eingreifen können in das Wirtschaftsleben

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oder diejenigen, die nicht durch ihre Fähigkeiten, sondern durch andere Zusammenhänge - die soll es ja auch geben - Kommerzienräte zum Beispiel werden. Wenn die eingreifen können in das wirtschaft­liche Leben, so wird es eben anders gehen, als wenn man angewiesen ist darauf, daß nur durch das Bemerken der persöniichen Fähigkeiten im rein öffentlichen Urteil die Dinge vermittelt werden. Da greift wiederum in das wirtschaftliche Leben etwas ein, was man nicht so recht fassen kann. Es ist in einer gewissen Gemeinschaft in der letzten Zeit gar zu sehr üblich geworden, ein Wort überall dort zu gebrauchen, wo man mit den Begriffen so recht nicht mehr mitkommt, und daher ist mir in der letzten Zeit gar zu oft an den verschiedenen Orten das Wort «Imponderabilien»in die Ohren getönt. Ich möchte ausdrück­lich betonen, daß ich dieses Wort hier vermeiden und darauf hinweisen möchte, wie sich dasjenige, was mehr gradlinig ist, verzweigt in das­jenige, dem wir werden nachgehen müssen auf etwas krummeren We­gen; aber es ist nicht nötig, daß gleich überall der Terminus Impon­derabilien eintreten muß, wie es gehört werden mußte in der letzten Zeit an diesem oder jenem Ort bis zum Überdruß. Nun, das zunächst einmal ein kleiner Ausblick auf das Leihkapital.

Gehen wir zum Industriekapital über, dann werden wir ja, wenn wir das Industriekapital in seiner Wesenheit studieren wollen - wenn auch dieses Industriekapital ein recht wenig erbauliches Schicksal durch­gemacht hat -, die Funktion des Industriekapitals besonders in dem Aufschwung der Industrie in Deutschland in den Jahrzehnten vor dem Krieg außerordentlich gut studieren können. Man wird das aus dem Grunde schon besonders gut können, weil ja in der Tat das Industrie-kapital unter dem Einfluß des Unternehmungsgeistes unmittelbar her­aus sich verwandelte aus dem Leihkapital - mehr in Deutschland in den letzten Jahrzehnten vor dem Krieg als irgendwo in einem anderen Gebiete der Welt. Es ist ja eben durchaus wahr, was ich schon im aller-ersten Vortrag hier erwähnt habe, daß sich zum Beispiel in England nach und nach das Handelskapital umgewandelt hat in Industrie-kapital, weil der Industrialismus in England in einer langsameren Weise aus dem Handel heraus sich entwickelt hat als in Deutschland, wo mit einer ungeheuren Schnelligkeit der Industrialismus emporgeschossen

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ist, so daß in der Tat dasjenige, was, ich möchte sagen, Industrialismus in Reinkultur darstellt - und er ist in Reinkultur, wenn er nicht das Handelskapital umwandelt in Industriekapital, sondern das Leihkapital umwandelt in Industriekapital -, wenn man das studieren will, so kann man es insbesondere an der deutschen Volkswirtschaft studieren.

Nun, das Industriekapital, das ist ja eigentlich tatsächlich hinein­gestellt zwischen, ich möchte sagen zwei Puffer. Der eine Puffer ist das Rohprodukt, der andere sind die Märkte. Das Industriekapital ist dar­auf angewiesen, möglichst die Rohproduktequellen aufzusuchen und möglichst die Märkte zu arrangieren. Das ist nun nicht so leicht an der deutschen Industrie zu studieren. Am deutschen Industrialismus kön­nen Sie mehr rein volkswirtschaftlich studieren, wie, ich möchte sagen, in sich das Industriekapital arbeitet; aber Sie können immerhin, weil ja das Auftreten des Industrialismus in allen Ländern im Verlaufe des 19. Jahrhunderts und ins 20. Jahrhundert herüber bedeutsam ist im volkswirtschaftlichen Leben, dieses Stehen zwischen den zwei Puffern eigentlich überall studieren. Sie müssen nur eben die richtigen Tat­sachen des wirtschaftlichen Lebens aufsuchen. Da wird sich Ihnen er­geben - und wie gesagt, es ist gut, gerade die Richtung, die Orientie­rung, die man braucht für seine Begriffe, an so überschaubaren Dingen sich vorzuhalten -, wenn Sie kleinere Wirtschaftsgebiete betrachten, daß Sie für Begriffsbestimmungen, für Begriffscharakteristiken außer­ordentlich schwierige Wege aufsuchen müssen. Sie erleichtern sich diese Wege, wenn Sie die Wirtschaften im Großen anschauen, wenn Sie an den Wirtschaften im Großen sich herausbilden Anschauungen, wie in der Regel sich am stärksten die Machtbegriffe und die manch­mal in Rechtsbegriffe maskierten Machtbegriffe ganz besonders ver­wirklichen, wenn es sich darum handelt, die Rohproduktequellen zu erschließen. Wir können ja das im Großen studieren, sagen wir am Burenkrieg, wo es sich im wesentlichen darum gehandelt hat, Edel­metalle zu erschließen. Das ist ein richtiger Rohproduktekrieg ge­wesen. Er ist allerdings immer in einer gewissen Maskierung auf­getreten, aber er ist ein richtiger Rohproduktekrieg gewesen. Dann haben Sie ein Beispiel, wie sich entfaltet das wirtschaftliche Leben auf

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eine politische Weise, ins Politische, ins Machtmäßige hineinspielend, sagen wir in dem, was kriegerisch unternommen hat Belgien, um das Elfenbein und den Kautschuk vom Kongostaat zu erhalten. Da kön­nen Sie sehen, wie in der Volkswirtschaft die Erschließung der Roh­produktequellen vor sich geht. Oder nehmen Sie, wie Nordamerika die spanischen Besitzungen in Westindien sich angeeignet hat, weil es dort die Rohproduktequellen für Zucker aufsuchte. Also überall können wir sehen, wie das Aufsuchen des Rohproduktes das rein Wirtschaftliche nach der einen Seite hin ins Politische leicht hinein-treibt, zur Machtentfaltung treibt. Das ist die eine Seite, der eine Puffer, möchte ich sagen.

Anders ist es mit demAufsuchen der Märkte. Und es ist schon durch die Geschichte leicht zu erweisen, daß das Aufsuchen der Märkte nicht in derselben Weise ins politische Leben hineinführt. Es entwickelt sich einfach nicht, aus der menschlichen Natur heraus, in derselben Weise die Entfaltung der Macht. Bin krasses Beispiel, das muß man schon im 19. Jahrhundert suchen, als sich England im sogenannten Opiumkrieg den chinesischen Opiummarkt eroberte. Aber selbst da ging es nicht so leicht mit dem Krieg, sondern da hat schon auch, ich möchte sagen, die friedliche Politik ihr Wörtchen mitgeredet, indem sich, als die Geschichte sengerig wurde, einhunderteinundvierzig Ärzte gefunden haben, die ein Sachverständigenurteil dahin abgegeben haben, daß der Opiumgenuß nicht schädlicher wirke als der Tabak- und Teegenuß. Also da spielte die Politik hinein, die friedliche Politik; aber Politik ist immer schwer fernzuhalten. Sie kennen den Clausewitzschen Satz, daß der Krieg die Fortführung der Politik mit andern Mitteln sei. Nun, solche Definitionen kann man immer aufstellen: denn man kann ja mit dieser Definitionsart auch zum Beispiel den Satz rechifertigen, daß die Scheidung die Fortsetzung der Ehe ist mit andern Mitteln. Ja, man kann gar mancherlei Lebenszusammenhänge, wenn man mit dieser Logik vorgeht, in dieses oder jenes Licht stellen, und die Leute bewundern das dann. Komischerweise, da bemerkt es ein jeder, wenn ich sage: Die Scheidung ist die Fortführung der Ehe mit andern Mitteln. Da bemerkt jeder die Geschichte. Wenn aber überall dekla­miert wird: Der Krieg ist die Fortführung der Politik mit andern

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Mitteln - da bemerken die Leute nicht das Kuriose der Logik, son­dern sie bewundern das. Wenn man solche Logik, namentlich in der Volkswirtschaft, anwendet, das möchte ich methodologisch sagen, dann kommt man nämlich niemals einen Schritt weiter, wenn man solche Definitionen aufstellt. Wenn wir diesen andern Puffer betrach­ten, das Aufsuchen der Märkte, dann müssen wir uns allerdings sagen: Beim Aufsuchen der Märkte spielt eine wesentlich größere Rolle die menschliche Klugheit zwischen den Polen Schlauheit, List, und weiser volkswirtschaftlicher Führung. Es ist sehr viel von allen drei Gattun­gen in dem Arrangieren der Märkte, wie sie eingerichtet wurden namentlich von den großen volkswirtschaftlichen Gebieten, die die Staaten selber geworden sind, als sich die Politik mit der Wirtschaft verbunden hatte; es ist dabei von den Staaten selbst sehr viel getrieben worden, sowohl an weisheitsvoller Führung, wie auch an Listigkeit, Klugheit, Schlauheit und so weiter. So daß man für die Begriffe, die man sich nun für die einzelnen kleineren Wirtschaftsgebiete ausbilden will über den Zusammenhang zwischen der einzelnen Industrieunter­nehmung und ihrer Beziehung zu den Rohproduktequellen und zu dem Markte, daß man sich da doch eigentlich erst anschauliche Be­griffe bilden kann, wenn man diese Dinge im Großen betrachtet.

Wenn man die Funktion des Handelskapitals studieren will, dann ist es gut, England zu studieren, und zwar vorzugsweise in derjenigen Zeit, in welcher England seinen großen wirtschaftlichen Fortschritt gemacht hat durch den Handel, wodurch das Handelskapital immer erhöht wurde, so daß eigentlich England ganz sanft und allmählich in den neueren Industrialismus eingetreten ist. In der Zeit, als der Industrialismus alles umgestaltete, da hatte England schon sein Han­delskapital, so daß man für frühere Zeiten an England studieren kann das Handelskapital. Für neuere Zeiten hat ganz besonders Marx die volkswirtschaftliche Funktion des Industrialismus in England stu­dieren wollen; aber für ältere Zeiten, die gerade der Schöpfung des modernen Industrialismus vorangegangen sind, in den letzten Jahr­zehnten des 18. Jahrhunderts, wenn man zu diesen zurückgeht, dann findet man die Funktion des Handelskapitals ganz besonders in den wirtschaftlichen Schicksalen Englands. Und da allerdings, da muß man

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sagen, daß das Wesentliche dennoch immer ist, ob es nun mehr oder weniger offen oder versteckt hervortritt, sowohl in der großen Volks­wirtschaft, wenn sie hauptsächlich auf Handel gestellt ist, wie auch innerhalb des Handels selber, die Konkurrenz. Gewiß, diese kann da­durch, daß allerlei Anstandsbegriffe eingeführt werden, eine sehr faire sein. Aber Konkurrenz bleibt sie doch. Denn dasjenige, worauf gerade die Produktivität im Handel beruht, wodurch gerade Handelskapital so behandelt werden kann im volkswirtschaftlichen Prozeß, daß es dann wirksam wird, zum Beispiel als Industriekapital, das beruht ja doch darauf, daß Handelskapital zur Zusammenhäufung führt, und diese Zusammenhäufung ist ohne Konkurrenz nicht denkbar. So daß man die Funktion des Handelskapitals ganz besonders gut studieren wird, wenn man die Funktion der Konkurrenz im volkswirtschaft­lichen Leben ins Auge faßt.

Zu gleicher Zeit stehen aber mit diesen Dingen in Zusammenhang auch die historischen Verwandlungen. Es ist ja durchaus so, daß wir sagen können, daß bis etwa ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts hin­ein, wenn man die allmählich entstehende Weltwirtschaft als ein Gan­zes - vor dem Kriege war sie es in hohem Grade - betrachtet, daß bis dahinein die hervorragendste Rolle im wirtschaftlichen Leben die wirtschaftlichen Prozesse des Handels und der Industrie spielten.

Die Blütezeit, ich möchte sagen, das klassische Zeitalter des Leih-kapitals trat eigentlich erst im 19. Jahrhundert, und zwar erst eigent­lich gegen das zweite Drittel des 19.Jahrhunderts ein. Und damit ist dann zu verzeichnen in der geschichtlichen Entwickelung das Herauf­kommen derjenigen Institutionen, die namentlich dem Beleihen die­nen, das Heraufkommen des Bankwesens. So daß das klassische Zeit­alter des Leibkapitais und damit die Entfaltung des Bankwesens in die letzten zwei Drittel des 19. Jahrhunderts und in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts fällt. Mit der Entwickelung des Bankwesens ent­wickelt sich immer mehr und mehr die Beleihung als dasjenige, was, ich möchte sagen, nun als ein erster Faktor eintritt in den volkswirt­schaftlichen Prozeß. Aber dabei hat sich zu gleicher Zeit etwas ganz Besonderes gezeigt, gerade beim Beleihen, nämlich das, daß nun durch das Beleihen im großen Stil unter der Ausbreitung des Bankwesens

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dem Menschen die Herrschaft über die Geldzirkulation eigentlich ent­zogen worden ist, daß nach und nach der Zirkulationsprozeß des Geldes ein solcher geworden ist, der sich - ja, ich finde keinen andern Ausdruck -, der sich unpersönlich abspielt; so daß, was ich schon erwähnt habe im ersten Vortrag, tatsächlich die Zeit heraufgezogen Ist, wo das Geld nun selber wirtschaftet, und der Mensch bald droben, bald drunten ist, je nachdem er in diesen ganzen Strom der Geldwirt­schaft hineingezogen wird. Er wird es nämlich viel mehr, als er es eigentlich denkt; denn es hat sich die Geldzirkulation gerade im Laufe der letzten Jahrzehnte des 19.Jahrhunderts verobjektiviert, ist un­persönlich geworden. Damit komme ich - und weil es bei der Volks­wirtschaft darauf ankommt, daß man das ganze Leben in unbefangener Weise beurteilt, so müssen Ausblicke auf das ganze Leben gegeben werden -, damit komme ich auf eine eigentümliche Erscheinung des 19. Jahrhunderts, namentlich seines Endes, auf eine Erscheinung, die zunächst psychologisch sich ausnimmt, die dann aber eine große volks­wirtschaftliche Rolle spielt: daß Lebenserscheinungen, die sich in­augurieren aus Kräften, welche durchaus reale Kräfte im Lebens-zusammenhang sind, daß diese Lebenserscheinungen dann wie durcb eine Art von sozialer Trägheit weiterrollen, wie eine Kugel weiter-rollt, wenn ich ihr einen Schwung gegeben habe, daß das Weiterrollen sich dann abspielt, auch ohne daß die ursprünglichen Impulse noch drinnen tätig sind. So haben wir durchaus volkswirtschaftliche Im­pulse in dem Leihsystem schon drinnen gehabt bis in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts. Da fangen diese volkswirtschaftlichen Impulse an, rein finanzwirtschaftliche Impulse zu werden durch das Bank­wesen. Damit wird das Ganze nicht nur unpersönlich, sondern sogar unnatürlich; es wird alles in die sich selbst bewegende Geldströmung hineingezogen. Geldwirtschaft ohne natürliches und persönliches Sub­jekt, das ist dasjenige, wo hintendiert hat gegen das Ende des 19. Jahr hunderts das, was ursprünglich durchaus vom persönlichen und vom natürlichen Subjekt getragen war.

Und es ist eigentümlich, daß dieses subjektlose Wirtschaften, dieses subjektlose Geldzirkulieren begleitet ist von einer anderen Erschei­nung. Das ist diese: daß die Staaten allerdings angefangen haben zu

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wirtschaften aus wirtschaftlichen Impulsen heraus, aus wirtschaft­lichen Impulsen heraus zum Beispiel versucht haben zu kolonisieren. Wir werden morgen sehen, was für einen Einfluß dieses Kolonisieren auf das Wirtschaftsleben hat; auch das Entkolonisieren muß dabei be­trachtet werden. Wir können zum Beispiel sehr gut beobachten in einem realwirtschaftlichen Prozeß, welche Bedeutung das Koloni­sieren bei England hat; England ist im Grunde genommen kaum je­mals hinausgegangen über das Kolonisieren, also sagen wir über den Imperialismus mit objektiver Substanz. Ich meine das Hereinbeziehen von wirklichen wirtschaftlichen Inhalten mit Imperialisieren. Wenn Sie aber betrachten zum Beispiel das deutsche Kolonisieren - Sie brau­chen sich nur die Kolonialbilanzen einmal vorzunehmen -, da werden Sie sehen, daß das deutsche Kolonisieren zunächst ganz mit negativer Bilanz behaftet war. Es gab nur ganz kleine Flecke, die mit positiver Bilanz abschnitten. Aber auch bei anderen Staaten hat sich nach und nach wenigstens die Tendenz eingeschlichen, sich einfach durch Kolo­nien zu vergrößern. Das haben dann auch einzelne Leute wie Hilfer-ding in seinem Buch «Finanzkapital», das 1910 in Wien erschienen ist, genannt «objektlosen Imperialismus».

Sie können also von diesen zwei Erscheinungen als eben außer­ordentlich lehrreichen Erscheinungen in der neueren Zeit sprechen:

auf der einen Seite von dem sowohl in natürlicher wie in persönlicher Beziehung subjektlosen Geldzirkulieren, und auf der anderen Seite vom objektlosen Imperialismus in der großen Wirtschaft. Das sind durchaus zwei Erscheinungen, die in der neueren Zeit dastehen, wie wenn das eine das andere bedingt hätte im ganzen Zusammenhang. Man kann sagen: Rein Psychologisches ist es, wovon man ausgehen kann; aber es wird im weiteren Verlauf ein Wirtschaftliches; denn wenn man unproduktive Kolonien hat, so muß das negativ gezahlt werden. Also es greift nachher schon in das Wirtschaftsleben ein.

Nun, das sind die Dinge, die wir heute zu besprechen hatten.

ZEHNTER VORTRAG Dornach, 2. August 1922

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ZEHNTER VORTRAG

Dornach, 2. August 1922

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Nun, es ist nötig, daß heute etwas hier besprochen wird, was gestern schon einigen angedeutet worden ist. Das ist das Verhältnis zwischen der volkswirtschaftlichen Arbeit und demjenigen, was zugrunde liegt, wenn Natur durch Bearbeitung umgewandelt wird in ein volkswirt­schaftliches Wertobjekt. Dann geschieht ja im weiteren Verlauf dieses, daß die organisierte oder gegliederte Arbeit aufgefangen wird in ge­wissem Sinn von dem Kapital, das sich dann emanzipiert und voll­ständig in die, man möchte sagen, freie Geistigkeit übergeht. So daß Sie daraus entnehmen können, daß man in der Arbeit nicht etwas von einem unmittelbaren volkswirtschaftlichen Wert hat - das haben wir ja schon auseinandergesetzt -, wohl aber, daß man in der Arbeit das­jenige hat, was den volkswirtschaftlichen Wert bewegt. Das Natur-produkt als solches kommt in die volkswirtschaftliche Zirkulation da­durch hinein, daß es bearbeitet wird. Und die Bearbeitung, die ihm den Wert gibt, die ist eigentlich die Ursache, warum sich zunächst wenig­stens innerhalb eines gewissen Gebietes das volkswirtschaftliche Wert-objekt bewegt. Später ist es dann der in dem Kapital wirkende Men­schengeist, der die Bewegung fortsetzt. Zunächst haben wir es zu tun mit dem Bewegen; denn sobald wir in die Kapitalsphäre hineinkom­men, haben wir es zu tun mit der Bewegung durch das Handelskapital, dann durch das Leihkapital und dann durch das eigentliche Produk­tionskapital: durch das Industriekapital.

Wenn wir nun von dieser Bewegung sprechen, so müssen wir uns vor allen Dingen darüber klar sein, daß etwas da sein muß, das die Werte in die volkswirtschaftliche Zirkulation hineinbringt. Und um da zurechtzukommen, müssen wir uns heute schon einmal beschäftigen mit einer, ich möchte sagen, etwas kniffligen volkswirtschaftlichen Frage, die nicht ohne weiteres einzusehen ist, wenn man nicht ver­sucht, das, was darüber gesagt werden kann, in der volkswirtschaft­lichen Erfahrung immer weiter aufzusuchen und gewissermaßen die Dinge zu verifizieren.

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Es kommt zunächst das in Betracht, was man nennen kann den volkswirtschaftlichen Gewinn. Die Gewinufrage aber, sie ist eine außerordentlich schwierige Frage. Denn, nehmen wir an, daß sich ab­spielt ein Kauf. Der A kauft beim B. Nun, man wendet gewöhnlich im laienhaften Denken den Begriff des Gewinnes auf den Verkäufer allein an. Der Verkäufer soll gewinnen. Dann haben wir ja eigentlich nur den Austausch zwischen dem, was der Käufer gibt, und dem, was der Verkäufer gibt. Nun werden Sie aber keineswegs, wenn Sie die Sache genau durchdenken, zugeben können, daß bei einem Kauf oder auch bei einem Tau sch lediglich der Verkäufrr gewinnt; denn wenn lediglich der Verkäufer gewinnen würde im volkswirtschaftlichen Zu­sammenhang, so würde ja der Käufer immer der Benachteiligte sein müssen, wenn ohne weiteres ein Austausch stattfinden würde. Der Käufer müßte immer der Benachteiligte sein. Das werden Sie aber von vornherein zugeben, daß das nicht sein kann. Sonst würden wir es bei jedem Kauf zu tun haben mit einer Übervorteilung des Käufers; das ist aber doch ganz offenbar nicht der Fall. Denn wir wissen ja, daß der­jenige, der kauft, durchaus vorteilhaft kaufen will, nicht unvorteilhaft. Unbedingt. Also auch der Käufer kann so kaufen, daß auch er einen Gewinn hat. Wir haben also die merkwürdige Erscheinung, daß zwei austauschen und jeder muß - wenigstens im normalen Kaufen und Verkaufen - eigentlich gewinnen. Das ist viel wichtiger zu beachten in der praktischen Volkswirtschaft, als man gewöhnlich denkt.

Nehmen wir also an, ich verkaufe irgend etwas, bekomme dafür Geld; so muß ich dadurch gewinnen, daß ich meine Ware weggebe und Geld dafür bekomme. Ich muß das Geld mehr begehren als die Ware. Der Käufer, der muß die Ware mehr begehren als das Geld. So daß beim gegenseitigen Austausch das stattfindet, daß das Ausge­tauschte, sowohl das, was hinübergeht, wie das, was zurückgeht, mehr wert wird. Also durch den bloßen Austausch wird dasjenige, was aus­getauscht wird, mehr wert, sowohl auf der einen wie auf der anderen Seite. Nun, wie kann das eigentlich sein?

Das kann ja nur dadurch sein, daß, wenn ich etwas verkaufe und Geld dafür bekomme, das Geld mir die Möglichkeit bietet, mehr damit zu erreichen als derjenige, der mir das Geld gibt; und der andere, der

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die Ware bekommt, muß mit der Wate mehr erreichen, als ich mit der Wate erreichen kann. Es liegt also das vor, daß wir - jeder, der Käufer und der Verkäufer - in einem anderen volkswirtschaftlichen Zusam­menhang drinnenstehen müssen. Diese Höherbewertung kann erst durch das zustande kommen, was hinter dem Verkauf und Kauf liegt. Also ich muß, wenn ich verkaufe, in einem solchen volkswirtschaft-lichen Zusammenhang drinnenstehen, daß durch diesen volkswirt­schaftlichen Zusammenhang bei mir das Geld einen größeren Wert hat als bei dem anderen, und bei ihm die Ware einen größeren Wert hat als bei mir durch den volkswirtschaftlichen Zusammenhang.

Daraus wird Ihnen aber schon hervorgehen, daß es in der Volks­wirtschaft nicht allein darauf ankommen kann, ob man überhaupt kauft oder verkauft, sondern es kommt darauf an, in welchem volks­wirtschaftlichen Zusammenhang Käufer und Verkäufer stehen. Wir werden also geführt, wenn wir genau uns die Sachen anschauen, von demjenigen, was sich unmittelbar an einem Orte abspielt, wiederum, wie wir schon öfter geführt worden sind, zum ganzen volkswirtschaft­lichen Zusammenhang. Dieser volkswirtschaftliche Zusammenhang enthüllt sich uns aber noch bei einer anderen Gelegenheit.

Das kann man bemerken, wenn man ausgeht zunächst von dem Tauschhandel. Im Grunde genommen gerade eine solche Betrachtung, wie ich sie jetzt angestellt habe, kann Ihnen ja sagen: Eigentlich ist auch dadurch, daß Geld eingeführt wird in irgendeine Volkswirtschaft, der Tauschhandel nicht vollständig überwunden; denn man tauscht halt einfach Waren gegen Geld. Und gerade dadurch, daß jeder ge­winnt, werden wir sehen, daß etwas ganz anderes das Wichtige ist, als daß der eine die Ware, der andere das Geld hat. Dasjenige ist das Wichtigste, was jeder mit dem machen kann, was er bekommt, durch seinen volkswirtschaftlichen Zusammenhang.

Aber wenden wir uns, um diese Sache genauer zu verstehen, zurück zum primitivsten Tauschhandel. Er wird uns dann zunächst beleuch­ten, was in einem komplizierteren volkswirtschaftlichen Zusammen­hang ist. Nehmen Sie an, ich kaufe Erbsen. Nun, wenn ich Erbsen kaufe, dann kann ich mit diesen Erbsen das Verschiedenste anfangen. Ich kann sie essen. Nehmen wir also an, wenn ich Tauschhandel pflege,

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ich tausche mir Erbsen ein für irgend etwas anderes, das ich fabriziert habe, was also Ware ist. Also ich tausche Erbsen ein. Ich kann sie essen; aber ich kann auch recht viele Erbsen eintauschen, recht, recht viele Erbsen eintauschen, und so viele, daß ich sie dann nicht aufessen kann, selbst mit einer großen Familie nicht aufessen kann. Nun wende ich mich an jemanden, der diese Erbsen brauchen kann und tausche mir bei dem etwas ein, was ich jetzt wiederum brauchen kann. Ich gebe ihm Erbsen für das, was ich nun wiederum brauchen kann. Die Erbsen sind substantiell dasselbe geblieben; volkswirtschaftlich sind sie durch­aus nicht dasselbe geblieben. Volkswirtschaftlich haben sie sich da­durch geändert, daß ich diese Erbsen nicht selber konsumiert habe, sondern sie weiter in die Zirkulation gebracht habe und bei mir nur den Übergang im volkswirtschaftlichen Prozeß geschaffen habe. Was sind denn diese Erbsen volkswirtschaftlich jetzt bei mir geworden durch einen solchen Vorgang? Sehen Sie, es brauchte nur, sagen wir, gewisser Voraussetzungen und außerdem noch der gesetzmäßigen Festsetzung, daß man alles für Erbsen eintauschen soll - es müßten genügend Erbsen dann hervorgebracht werden und die gesetzliche Bestimmung müßte da sein, daß man alles für Erbsen eintauschen kann, dann wären die Erbsen das Geld. Es sind also im volkswirt­schaftlichen Prozeß die Erbsen Geld geworden, ganz richtig im wah­ren Sinn des Wortes sind die Erbsen Geld geworden. Also, etwas wird nicht dadurch Geld, daß es, sagen wir, etwas anderes ist, als was sonst im volkswirtschaftlichen Prozeß da ist, sondern dadurch, daß es an einer bestimmten Stelle im volkswirtschaftlichen Prozeß eben eine Umwandlung von Ware in Geld durchmacht. Und das hat alles Geld durchgemacht. Alles Geld hat sich einmal aus Ware in Geld verwandelt. Auch daraus können wir wiederum sehen, daß wir mit dem volks­wirtschaftlichen Prozeß an den Menschen herankommen, daß wir also gar nicht anders können, als den Menschen hineinstellen in den volks­wirtschaftlichen Prozeß. Nun wird ja ohnedies schon der Mensch in den volkswirtschaftlichen Prozeß hineingestellt als Konsument. Da­durch steht er ja schon von vornherein drinnen. Und gerade, wenn er volkswirtschaftlich in etwas tätig ist, was nicht innerhalb des Gebietes des Konsumierens liegt, dann stellt er sich in ein ganz anderes Verhältnis

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durch seinen volkswirtschaftlichen Zusammenhang, als er sich hineinstellt als ein bloßer Konsument. Diese Dinge müssen alle be­rücksichtigt werden, wenn man darauf hinarbeiten will, ein volks-wirtschaftliches Urteil zu bilden. Und volkswirtschaftliche Urteile müssen ja in demjenigen gebildet werden, was ich die Assoziationen nenne. Es müssen also in den Assoziationen durchaus Leute sein, die aus der Praxis heraus ihr Urteil nach solchen Gesichtspunkten bilden.

Nun handelt es sich darum, daß wir, wenn wir irgend bearbeitete Natur oder gegliederte Arbeit im volkswirtschaftlichen Prozeß drinnen haben, daß wir dann untersuchen müssen, was gewissermaßen diese volkswirtschaftlichen Elemente in Bewegung, in Zirkulation bringt. Es ist gestern an einer andern Stelle darauf aufmerksam gemacht wor­den, daß man ja in das volkswirtschaftliche Denken hineinbringen sollte die Arbeit, die im Wirtschaftsprozeß tätig ist, ebenso wie zum Beispiel der Physiker die Arbeit in sein physikalisches Denken hinein­bringt. Da muß dann gesagt werden: Ja, der Physiker bringt in sein physikalisches Denken die Arbeit dadurch hinein, daß er eine Formel sich ausbildet, in der Masse und Geschwindigkeit ist. - Nicht wahr, Masse aber ist etwas, was wir durch die Waage bestimmen. Wir haben also eine Möglichkeit, die Masse durch die Waage zu bestimmen. Ohne daß wir die Masse durch die Waage bestimmen könnten, hätten wir nichts, was da fortschreitet im physikalischen Arbeitsprozeß. Die Frage muß für uns entstehen: Ist nun etwas Ähnliches auch vorhanden im volkswirtschaftlichen Prozeß, so daß die Arbeit den Dingen Wert erteilt und auch später das geistige Eingreifen wieder den Dingen Wert erteilt? Ist im volkswirtschaftlichen Prozeß etwas drinnen, das sich vergleichen läßt gewissermaßen mit dem Gewichte, das irgendein Gegenstand hat, wenn man bei ihm reden will von physikalischer Arbeit? Nun, wenn ich einfach schematisch aufzeichne den Fortgang der volkswirtschaftlichen Einzelprozesse, so zeigt mir das, daß etwas da sein

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muß, das die ganze Sache in Bewe­gung bringt, das gewissermaßen die volkswirtschaftlichen Elemente von hier (siehe Zeichnung 6) nach hier drückt. Und die Sache würde

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noch bestimmter sein, wenn nicht nur von hier nach hier gedrückt würde, sondern wenn auch extra von der anderen Seite eine Saug­wirkung stattfinden würde, wenn also das Ganze durch eine im volks­wirtschaftlichen Prozeß befindliche Kraft weitergetrieben würde. Dann müßte in diesem volkswirtschaftlichen Prozeß etwas da sein, was weitertreibt.

Nun, was ist das, was da weitertreibt? Ich habe es Ihnen gerade vor­hin gezeigt, daß fortwährend gewisse Kräfte entstehen, sowohl beim Käufer wie beim Verkäufer; bei jedem, der mit dem anderen etwas zu tun hat im volkswirtschaftlichen Prozeß, gar nicht im moralischen Sinn, sondern im rein volkswirtschaftlichen Sinn, entsteht Vorteil und Gewinn. So daß es keine Stelle im volkswirtschaftlichen Prozeß gibt, wo nicht von Vorteil und Gewinn gesprochen werden muß. Und dieser Gewinn, der ist nicht etwas bloß Abstraktes; dieser Gewinn, an dem hängt das unmittelbare wirtschaftliche Begehren des Menschen und muß daran hängen. Ob der Betreffende Käufer oder Verkäufer ist, es hängt sein wirtschaftliches Begehren an diesem Gewinn, an diesem Vorteil. Und dieses Hängen an diesem Vorteil ist dasjenige, was eigentlich den ganzen volkswirtschaftlichen Prozeß hervorbringt, was die Kraft in ihm ist. Es ist dasjenige, was beim physikalischen Arbeits­prozeß die Masse darstellt.

Bedenken Sie, daß man damit eigentlich etwas außerordentlich Ge­wichtiges im volkswirtschaftlichen Prozeß aufgezeigt hat, man möchte sagen, etwas wirklich Gewichtiges. Nicht wahr, das Gewicht tritt ja am meisten hervor bei den rein materiellen Erzeugnissen, bei den Er-zeugnissen, die der Magen begehrt. Daher erklärt der Magen, daß allerdings für den Käufer, sagen wir, das Obst vorteilhafter ist als das Geld in dem Moment, wo er den Tausch besorgt. Da haben wir also durchaus in dem Menschen selber diesen Motor, der da treibt. Aber auch bei anderem als bei dem, das nur materielle Güter darstellt, haben wir diesen treibenden Motor. Bedenken Sie nur einmal, daß ja diese Stim­mung, in Vorteil, in Gewinn sich hineinzuleben, auch vorhanden ist, wenn ich verkaufe, Geld bekomme: ich weiß, daß ich nun durch meine Fähigkeiten mit diesem Gelde mehr machen kann als mit den Waren, die ich habe. Da schon greife ich mit meinen geistigen Fähigkeiten ein.

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Und übertragen Sie sich das jetzt einmal auf die gesamte Summe des Leihkapitals in einem volkswirtschaftlichen Körper, da werden Sie sehr bald sehen können, daß diejenigen, die irgend etwas unternehmen oder ausführen wollen und dazu Leihkapital brauchen, eben in dem Bedürfnis nach Leihkapital ganz genau denselben Motor haben, wel­cher liegt im Gewinnstreben. Nur wirkt das Leihkapital eigentlich, wenn ich den Gewinn als ein Schieben betrachte, wie aufsaugend; es wirkt saugend, aber nach derselben Richtung hin, wohin auch die Ge­winne drücken. So daß wir in den Gewinnen und im Leihkapital durchaus dasjenige haben, was im volkswirtschaftlichen Prozeß drückt und saugt.

Wir bekommen dadurch eine deutliche Anschauung davon, daß, insofern der volkswirtschaftliche Prozeß eigentlich nur in der Be­wegung besteht und durch die Bewegung im volkswirtschaftlichen Prozeß alles eigentlich bewirkt werden soll, was durch ihn bewirkt werden kann, daß wir überall in diesen volkswirtschaftlichen Prozeß den Menschen einfügen müssen, den Menschen hineinstellen müssen. Das kann ja für die objektive Volkswirtschaft etwas unbequem sein, weil der Mensch eine Art von inkommensurabler Größe ist, weil er wandelbar ist, weil man in verschiedener Weise auf ihn rechnen muß; aber das ist nun einmal da und es muß mit ihm in verschiedener Weise gerechnet werden.

Nun sehen wir aber schon, daß beim Leihen eine Art von Saug­wirkung stattfindet innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses. Sie wissen ja, daß es Zeiten gegeben hat, in denen das Zinsnehmen für Geliehenes als unmoralisch galt. Und es galt nur als moralisch, zinslos zu leihen. Da wäre kein Vorteil gewesen bei dem Leihen. Jn der Tat: das Leihen ging eigentlich ursprünglich nicht aus von dem Vorteil, den man durch das Leihen hat, von dem Zins; sondern das Leihen ging unter primitiveren Verhältnissen, als die heutigen sind, aus von der Voraussetzung, daß, wenn ich jemand etwas leihe und der kann etwas damit machen, was ich nicht machen kann - sagen wir nur: er ist in Not und er kann seiner Not abhelfen, wenn ich ihm etwas zu leihen imstande bin -, daß er mir jetzt nicht hohen Zins bezahlt, son­dern daß, wenn ich wiederum etwas brauche, er mir auch wiederum

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aushilft. Überall in der Geschichte, wo Sie zurückgehen, werden Sie sehen, daß die Voraussetzung des Leihens die ist, daß der andere wie­derum zurückleiht, wenn es nötig ist.

Das wird sogar auf die komplizierteren sozialen Verhältnisse über­tragen. Sie haben das zum Beispiel, wenn, sagen wir, jemand bei einer Leihanstalt etwas ausleiht, und er braucht dazu zwei Gutsteher, die da kommen und für ihn gutstehen müssen, daß die Leihanstalten dann immer die eigentümliche Erfahrung gemacht haben, daß selbst für diesen Dienst die Gegenseitigkeit eine außerordentlich große Rolle spielt. Denn, wenn der A kommt zu einer Leihanstalt und bringt den B und C mit, die Gutsteher sind, die also ihre Namen eintragen als Gut-stehende, so rechnen die Leihanstalten immer darauf, daß dann der B kommt und bringt den A und C mit, und wenn der B die Sache bezahlt hat, dann kommt der C und bringt den A und B mit als Gutsteher. Und es gilt das unter gewissen Menschen als etwas ganz Selbstverständ­liches. So daß Volkswirtschafter behaupten, eine solche Gesetzmäßig­keit sei mit demselben Rechte zu behaupten, wie irgend etwas, was durch mathematische Formeln festgesetzt ist. Nun sind natürlich diese Dinge mit dem bekannten Gran Salz zu verstehen; man muß da immer mit der nötigen Zutat rechnen. Aber das gehört eigentlich auch in die Beweglichkeit des volkswirtschaftlichen Prozesses hinein, daß man damit rechnen kann.

So daß man sagen kann: Ursprünglich ist das Entgelt des Leihens bloß die Voraussetzung, daß einem der Beliehene wieder leiht, be­ziehungsweise wenn er einem nicht wieder leiht, wenigstens beim eigenen Leihen hilft, wenn man ihm beim Leihen gehoffen hat. Es kommt gerade, wenn es sich um das Leihen handelt, die menschliche Gegenseitigkeit in einer ganz eklatanten Weise in den volkswirtschaft­lichen Prozeß hinein.

Was ist denn dann, wenn die Dinge so sind, der Zins? Der Zins -das ist übrigens schon von einzelnen Volkswirtschaftern bemerkt worden -, der Zins ist dasjenige, das ich bekomme, wenn ich auf die Gegenseitigkeit verzichte, wenn ich also jemand etwas leihe und aus­mache mit ihm, daß er mir niemals etwas zu leihen braucht; dann, wenn ich also auf diese Gegenseitigkeit verzichte, dann bezahlt er mir

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dafür den Zins. Der Zins ist die Ablösung geradezu für etwas, was zwi­schen Mensch und Mensch spielt, ist die Vergeltung für dasjenige, was im volkswirtschaftlichen Prozeß als menschliche Gegenseitigkeit spielt.

Nun sehen wir da etwas auftreten, was wir nur in der richtigen Weise hineinstellen müssen in den ganzen volkswirtschaftlichen Prozeß. Wir müssen dabei natürlich immer ins Auge fassen, daß es ja heute nur einen Sinn hat, solche volkswirtschaftliche Prozesse zu betrachten, die ganz im Zeichen der Arbeitsteilung stehen; denn mit solchen haben wir es ja im wesentlichen zu tun. Wenn die Arbeit auseinandergeteilt wird, dann geschieht das, daß die Menschen in einem viel höheren Grade auf die Gegenseitigkeit angewiesen sind, als wenn jeder sich nicht nur seinen eigenen Kohl baut, sondern auch seine eigenen Stiefel und Hüte fabriziert. Mit der Arbeitsteilung kommt das Angewiesen-werden auf die Gegenseitigkeit. Und so sehen wir in der Arbeits­teilung einen Prozeß, der eigentlich so verläuft, daß die einzelnen Strömungen auseinandergehen.

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Aber wir sehen im ganzen volks­wirtschaftlichen Prozeß wiederum das auftreten, daß alle diese Strö­mungen sich vereinigen wollen, nur in einer anderen Weise, durch den entsprechenden Austausch, der sich also im komplizierten volkswirt­schaftlichen Prozeß mit Hilfe des Geldes vollzieht. Die Arbeitsteilung macht also notwendig auf einer ge­wissen Stufe die Gegenseitigkeit, das heißt dasselbe im menschlichen Verkehr, was wir finden zum Beispiel beim Beleihen. Wo viel geliehen wird, da haben wir drinnen dieses Prinzip der Gegenseitigkeit, das aber nun abgelöst werden kann durch den Zins. Dann haben wir im Zins die realisierte Gegenseitigkeit. Wir haben sie nur in die abstrakte Form des Geldes verwandelt. Aber die Kräfte der Gegen­seitigkeit sind eben einfach der Zins, sind metamorphosiert, sind etwas anderes geworden. Was wir da ganz deutlich sehen beim Zinszahlen, das findet aber überall im volkswirtschaftlichen Prozeß statt.

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Darauf beruht die große Schwierigkeit, die besteht beim Bilden von volkswirtschaftlichen Vorstellungen; denn Sie können gar nicht an­ders volkswirtschaftliche Vorstellungen bilden, als lediglich indem Sie etwas bildhaft auffassen. Begriffe gestatten Ihnen gar nicht, den volkswirtschaftlichen Prozeß zu erfassen, Sie müssen ihn in Bildern erfassen. Das ist dasjenige, was heute nun von aller Gelehrtheit außer­ordentlich unbequem empfunden wird, wenn irgendwo gefordert wird, daß etwas übergehen soll aus der bloßen Abstraktheit der Be­griffe in die Bildhaftigkeit. Wir werden aber niemals eine wirkliche Volkswittschaftswissenschaft begründen können, ohne daß wir zu bildhaften Vorstellungen übergehen, ohne daß wir also in die Lage kommen, uns die einzelnen volkswirtschaftlichen Detailprozesse bild­haft vorzustellen und sie so vorzustellen, daß wir im Bilde selber etwas Dynamisches drinnen haben und wissen, wie solch ein volkswirtschaft­licher Detailprozeß wirkt, wenn er so oder so gestaltet ist.

Was da eigentlich in Betracht kommt, das werden Sie dann richtig verstehen, wenn Sie sich sagen, daß ja schließlich auch im volkswirt­schaftlichen Prozeß, wenn auch auf primitiveren Stufen, Menschen drinnen stehen, die eigentlich in dem Sinn, wie Sie es im Verlaufe Ihrer Studien gelernt haben oder wenigstens hätten lernen sollen, die in dem Sinn nicht denken können. Diese Leute können manchmal ganz aus­gezeichnete Wirtschafter sein, können manchmal ganz ausgezeichnet empfinden, ob irgend etwas gerade noch gekauft werden kann oder nicht gekauft werden kann, ob es Vorteil gibt oder nicht Vorteil gibt, wenn ich irgend etwas kaufe. So wird unter Umständen ein Bauer, der von volkswirtschaftlichen Begriffen keinen blauen Dunst hat, noch viel weniger als das hat, und der, wenn er ein gewisses Alter erreicht hat, sich eben nur angeschaut hat da oder dort in seiner Nähe die Marktverhältnisse, ganz richtig wissen - er kann sich natürlich irren, aber das kann man ja auch, wenn man volkswirtschaftliche Logik ge­trieben hat, es handelt sich ja nur darum, daß die Irrtümer nicht über­wiegen -, der wird durchaus wissen, ohne auf Begriffen zu fußen, was das Bild bedeutet, wenn er eine gewisse Summe Geldes für ein Pferd gibt oder für einen Pflug gibt. Dieses Bild, das sich ihm zusammen­stellt - eine gewisse Summe Geldes und ein Pflug -, das ruft in ihm

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unmittelbar die Empfindung hervor: er kann noch so viel Geld geben oder er kann es nicht mehr geben. Er hat es unmittelbar aus der emp­fundenen Erfahrung. Nun, auch im allerkompliziertesten volkswirt­schaftlichen Prozeß ist diese empfundene Erfahrung nicht auszuschal­ten. Das ist aber bildhaftes Vorstellen.

Abstraktes Vorstellen würde fruchtbar sein, wenn wir sagen könn­ten: Etwas ist Ware, etwas ist Geld, und wir handeln Ware für Geld und Geld für Ware. - Wenn wir das sagen könnten, da wäre die Sache einfach; aber ich habe Ihnen ja doch gerade vorhin gezeigt: selbst Erbsen könnten Geld werden. Es ist gar nicht wahr, daß wir im volks­wirtschaftlichen Prozeß etwas davon haben, wenn wir Begriffe in ihn hineinarbeiten. Wir haben erst etwas, wenn wir Anschauungen in ihn hineinarbeiten. Wenn wir also die Anschauung haben: da wandern die Erbsen von dem Markttisch nur in die Münder der Leute, dann haben wir ein bestimmtes Bild. Wenn wir die andere Anschauung haben: da werden die Erbsen als Geld verwendet, dann haben wir ein anderes Bild.

Und auf solche Bilder - Bilder aus dem unmittelbar Anschaulichen -muß hingearbeitet werden, auch in der Volkswirtschaft. Das heißt aber mit anderen Worten: Wenn wir Volkswirtschaft richtig treiben wollen, müssen wir uns bequemen, in bildhafter Weise uns einzulassen auf Produktions-, Handels- und Konsumtionsereignisse. Wir müssen uns auf den realen Prozeß durchaus einlassen, dann bekommen wir an-nähernde Vorstellungen - auch nur annähernde Vorstellungen, aber doch solche annähernde Vorstellungen, daß uns diese etwas nutzen, wenn wir im Wirtschaftsleben selbst drinnen handeln sollen, und daß sie uns vor allen Dingen etwas nutzen, wenn das, was wir nicht selber empfindend wissen, woraus wir nicht selber uns empfindend Bilder gemacht haben, wenn das uns korrigiert wird durch die anderen, die mit uns in Assoziationen verbunden sind. Es gibt keine andere Mög­lichkeit, als das wirtschaftliche Urteil nicht zu bauen auf Theorie, sondern es zu bauen auf die lebendige Assoziation, wo die empfinden­den Urteile der Menschen nun real wirksam sind, wo aus der Assozia­tion heraus fixiert werden kann aus den unmittelbaren Erfahrungen, wie der Wert von irgend etwas sein kann.

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So sonderbar das klingt, man sage nicht: Man kann theoretisch be­stimmen, worinnen der Wert eines Produktes bestehen kann - sondern man sage: Ein Produkt kommt durch die volkswirtschaftlichen Vor­gänge in den volkswirtschaftlichen Prozeß hinein und was es wert ist an einer bestimmten Stelle, das hat zu beurteilen die Assoziation.

Worauf beruht es denn, daß sich solche Urteile bilden können, die nun wirklich, wenn sie in der richtigen Weise entstehen im volkswirt­schaftlichen Prozeß, auch das Richtige treffen, worauf beruht denn das? Worauf das beruht, das können Sie am besten einsehen durch Analogie mit irgendeinem menschlichen oder tierischen Organismus. Dieser menschliche oder tierische Organismus, der verarbeitet die Nahrungsmittel, die in ihn hineinkommen. Wenn ich Sie zum Beispiel dabei aufmerksam machen soll auf etwas, was auf diesem Gebiete wissenschaftlich ist, so möchte ich sagen: Der Mensch nimmt die Nahrung auf, durchsetzt sie mit Ptyalin, Pepsin, treibt sie durch seinen Magen, treibt sie durch seine Gedärme. Dasjenige, was da notwendig ist, gleichgültig, ob Fleisch oder Pflanzen die Nahrung sind, was da hineingetrieben wird, muß zunächst abgetötet, abgelähmt werden. Das Leben muß heraus sein aus dem, was wir in den Gedärmen haben. Da wird dasjenige, was wir in den Gedärmen haben, aufgesogen durch die Lymphdrüsen und in uns selber wieder neu belebt, so daß also das­jenige, was dann von den Lymphdrüsen aus durch die Lymphge£äße geht in das Blut hinein, daß das wiederbelebte abgestorbene Natur-produkte sind, tierischer oder pflanzlicher Art. Wenn Sie nur be­stimmen wollten theoretisch, wieviel da eine Lymphdrüse aufnehmen soll zur Wiederbelebung, dann würden Sie das nicht können; denn bei dem einen Menschen muß eine Lymphdrüse mehr, beim andern muß eine Lymphdrüse weniger aufnehmen. Aber nicht nur das, sondern beim selben Menschen muß eine an einem Orte gelegene Lymphdrüse mehr, eine am andern Orte gelegene Lymphdrüse weniger aufnehmen. Das ist ein außerordentlich komplizierter Prozeß, das Verdauen. Keine menschliche Wissenschaft könnte nachkommen dieser Weisheit der Lymphdrüsen, die sich alle so hübsch in die Arbeit teilen. Wir haben es da eben nicht zu tun mit den gefällten Urteilen, sondern mit real wirkenden Urteilen. Tatsächlich, zwischen unseren Gedärmen und

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unseren Blutadern spielt sich eine solche Summe von Vernunft ab, daß Sie in menschlicher Wissenschaft noch lange nicht irgend etwas finden, was sich mit dem vergleichen läßt.

So nur auch ist es möglich, wenn in dieser Weise selbsttätige Ver­nunft sich geltend macht im volkswirtschaftlichen Prozesse, daß dieser in gesunder Konstitution ist. Das kann aber nicht auf andere Weise sein, als daß die Menschen vereinigt sind, die nun wirklich in Bildern den volkswirtschaftlichen Prozeß Stück für Stück innehaben und da­durch, daß sie vereinigt sind in den Assoziationen, eben sich gegen­seitig ergänzen, gegenseitig korrigieren, so daß die richtige Zirkula­tion im volkswirtschaftlichen Prozeß vor sich gehen kann.

Nun handelt es sich natürlich darum, daß man zu einer solchen Sache Gesinnung braucht, aber daß die Gesinnung allein nicht ausreicht. Sie können meinetwillen Assoziationen begründen, die starke wirtschaft­liche Einsichten haben; wenn in diesen Assoziationen etwas nicht drinnen ist, so werden auch die Einsichten nicht viel helfen. Darinnen sein muß in solchen Assoziationen dasjenige, was man eben darinnen haben wird, wenn solche Assoziationen überhaupt nur als notwendig anerkannt werden; darinnen wird in diesen Assoziationen Gemein-sinn sein müssen, wirklicher Sinn für den ganzen Verlauf des ganzen volkswirtschaftlichen Prozesses. Denn der einzelne, der unmittelbar verbraucht, was er einkauft, der kann nur seinen egoistischen Sinn befriedigen. Er würde eigentlich auch sehr schlecht laufen, wenn er seinen egoistischen Sinn nicht befriedigen würde. Er kann ja unmög­lich, wenn er als einzelner Mensch in der Volkswirtschaft drinnensteht, sagen, wenn ihm einer einen Rock anbietet, sagen wir, für vierzig Franken: Es paßt mir nicht, ich gebe dir sechaig Franken. - Das geht nicht. Es ist etwas, wobei der einzelne im volkswirtschaftlichen Pro­zeß gar nichts machen kann. Dagegen in dem Augenblick, wo sich in den volkswirtschaftlichen Prozeß das assoziative Wesen hineinstellt, in diesem Augenblick wird ja das unmittelbar persönliche Interesse nicht da sein, sondern die Überschau wird tätig sein über den volks­wirtschaftlichen Prozeß; es wird das Interesse des anderen mit in dem volkswirtschaftlichen Urteil darinnen sein. Und ohne das kann näm­lich ein volkswirtschaftliches Urteil nicht zustande kommen, so daß

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wir heraufgetrieben werden aus den volkswirtschaftlichen Vorgängen in die Gegenseitigkeit von Mensch zu Mensch und in das hinein, was sich dann aus der Gegenseitigkeit von Mensch zu Mensch des weiteten entwickelt: das ist in Assoziationen wirkender objektiver Gemein-sinn - Gemeinsinn, der nicht hervorgeht aus irgendwelcher Moralin-säure, sondern aus der Erkenntnis der Notwendigkeiten des volks­wirtschaftlichen Prozesses.

Das ist dasjenige, was ich möchte, daß es bemerkt würde bei solchen Auseinandersetzungen, wie sie zum Beispiel in den «Kernpunkten der sozialen Frage» angeschlagen sind. Es fehlt heute nicht an Menschen, die herumgehen und sagen: Unsere Volkswirtschaft wird gut, furcht­bar gut, wenn ihr Menschen gut werdet. Ihr Menschen müßt gut werden! - Stellen Sie sich einmal vor solche Försters und dergleichen, die überall herumgehen und predigen, wenn die Menschen nur selbst­los werden, wenn sie den kategorischen Imperativ der Selbstiosigkeit erfüllen, dann wird schon die Wirtschaft gut werden! Aber solche Urteile sind eigentlich nicht viel mehr wert als auch das: Wenn meine Schwiegermutter vier Räder hätte und vorne eine Deichsel, wäre sie ein Omnibus, - denn es steht tatsächlich die Voraussetzung mit der Konsequenz in keinem besseren Zusammenhang als da, nur etwas radikaler ausgedrückt.

Dasjenige, was den «Kernpunkten der sozialen Frage» zugrunde liegt, ist nicht diese Moralinsäure, was auf anderem Felde schon seine große Rolle spielen kann; sondern es ist das, daß aus der volkswirt­schaftlichen Sache selbst heraus gezeigt werden soll, wie die Selbst-losigkeit rein in der Zirkulation der volkswirtschaftlichen Elemente drinnenstecken muß. Das ist sogar bei den Beispielen der Fall. Wenn also einer in der Lage ist, Leihkapital auf Kredit zu bekommen, da­durch eine Unternehmung herstellen kann, eine Institution herstellen kann, mit dieser Institution produzieren kann, so produziert er so lange, als seine eigenen Fähigkeiten mit dieser betreffenden Institution verbunden sind. Nachher geht durch eine nicht von Mensch zu Mensch bewirkte, sondern durch eine im volkswirtschaftlichen Gang sich vollziehende Schenkung in der vernünftigsten Weise das, was da gewirkt hat, auf den über, der die nötigen Fähigkeiten dazu hat. Und

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es ist nur nachzudenken, wie durch eine Dreigliederung des sozialen Organismus eben Vernunft in diese Schenkung hineinkommen kann. Da grenzt das Volkswirtschaftliche an das, was nun im umfassendsten Sinn überhaupt das Soziale im Menschen ist, was zu denken ist für den gesamten sozialen Organismus.

Und das können Sie sich ja auch von der anderen Seite vorhalten. Ich habe Jhnen gezeigt, wie beim einfachen Tausch, indem es sich immer mehr und mehr um Geld handelt, oder indem der Tausch über­haupt anerkannt wird, daß da die Volkswirtschaft unmittelbar hinein-kommt in das Gebiet des Rechtswesens. Jn dem Augenblick, wo Ver­nunft in die Volkswirtschaft hineinkommen soll, handelt es sich ja darum, daß man wiederum dasjenige, was im freien Geistesleben figu­riert, in die Volkswirtschaft hineinströmen lassen kann. Dazu müssen eben die drei Glieder des sozialen Organismus in dem richtigen Ver­hältnis stehen, daß sie in der richtigen Weise aufeinander wirken. Das meinte eigentlich die Dreigliederung; nicht die Auseinanderspaltung in die drei Glieder! Die Auseinanderspaltung ist eigentlich immer da; es handelt sich nur darum, daß man findet, wie die drei Glieder zu­sammengebracht werden können, so daß sie nun tatsächlich im sozia­len Organismus mit einer solchen inneren Vernunft wirken, wie, sagen wir, das Nerven-Sinnessystem, das Herz-Lungensystem und das Stoff­wechselsystem im menschlichen natürlichen Organismus wirken. Dar­um handelt es sich. Davon wollen wir dann morgen weiter reden.

ELFTER VORTRAG Dornach, 3. August 1922

#G340-1965-SE155 Nationalökonomischer Kurs

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ELFTER VORTRAG

Dornach, 3. August 1922

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Sie werden ja vielleicht wissen, daß nach der Meinung einer gewissen Anzahl von Volkswirtschaftern es unmöglich war, daß der Weltkrieg so lange gedauert hat, als er gedauert hat; denn diese Volkswirtschafter haben aus ihren Erkenntnissen der volkswirtschaftlichen Zusammen-hänge heraus erklärt, daß das Wirtschaftsleben, so wie es einmal ist, nicht gestattet, daß ein so ausgedehnter Krieg, wie dieser Weltkrieg, länger als einige Monate dauere. Die Wirklichkeit hat ja, wie Sie wissen, hier diese Sache ganz stark widerlegt, und wenn man in einer sachgemäßen Weise heute seine Überlegungen anstellen würde, so würde man aus einer solchen Tatsache heraus die Notwendigkeit ab­leiten müssen, die Volkswirtschaftslehre schon deshalb zu revidieren. Wenn Sie aber sich heute die Mühe machen würden, einzugehen auf die Gründe, welche wenigstens gewisse Volkswirtschafter gehabt haben zu dieser ihrer Behauptung, so würden Sie nicht etwa überall zu der Behauptung kommen können, daß das alles Idioten waren. Das waren sie nämlich gar nicht. Sondern Sie würden sehen, daß ihre Gründe eigentlich gar nicht schlechte waren, und daß die über­zeugende Kraft, die aus diesen Gründen hervorgegangen ist, keine allzu schwache war. Dennoch hat die Wirklichkeit die Sache wider­legt. Das Ergebnis der Wirklichkeit war, daß länger Krieg geführt werden konnte, als aus Überlegungen der Volkswirtschaft heraus möglich war. Es hat also offenbar die Volkswirtschaftslehre nicht die Wirklichkeit umspannt, sondern diese Wirklichkeit war anders, als die Volkswirtschaftslehre gemeint hat.

Man kann eine solche Sache nur verstehen, wenn man sich klar-macht, welches die Entwickelung des Wirtschaftslebens auf der Erde überhaupt ist. Denn diese Entwickelung des Wirtschaftslebens besteht eigentlich fortwährend in ihren einzelnen aufeinanderfolgenden Sta­dien, die auch nebeneinander noch fortwährend da sind. Genau eben­so, wie man sagen kann: Die heutigen niedersten organischen Formen haben eine gewisse Ähnlichkeit mit den ersten Lebewesen unserer

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Erdenentwickelung, die aber heute noch immer da sind - wenn auch etwas anders, aber ähnlich sind sie da neben den bis heute vollkom­menst entwickelten -, so sind auch die Erscheinungen primitiverer Zustände im volkswirtschaftlichen Leben heute durchaus da neben denen, die eine höhere Stufe erlangt haben. - Nur tritt da noch etwas ganz Eigentümliches ein. Während im, sagen wir Tierreich, die primi­tiveren Formen neben den entwickelteren auch räumlich leben können, greifen in der Volkswirtschaft die primitiveren Vorgänge in die ent­wickelteren fortwährend ein. Das können wir höchstens vergleichen mit den Fällen, wo, sagen wir, Bakterien in vollkommenere Organis­men eingreifen. Aber in der Volkswirtschaft ist das unendlich viel komplizierter noch; dennoch kann man sich, ich möchte sagen, ihre gewisse Grundstruktur vor Augen halten und aus ihr heraus wiederum wichtige Beiträge zu dem erhalten, in das wir dann gipfeln lassen wollen unsere ganze Betrachtung, wie ich schon öfter gesagt habe.

Die Volkswirtschaft muß ja in ihren primitiven Formen vorgestellt werden als die ländliche Privatwirtschaft von einer gewissen Größe. Diese Größe ist relativ; aber wir müssen uns schon klar sein darüber:

Wenn diese ländliche Privatwirtschaft eine gescHossene ist, dann ent­hält sie in sich auch die anderen Glieder des sozialen Organismus, dann hat sie ihre eigene Verwaltung, unter Umständen ihre eigene Wehr, ihre eigene Verteidigung, auch ihre eigene Polizei, und dann hat sie ihr eigenes Geistesleben. Eine solche Privatwirtschaft, die ziemlich ins Riesenmäßige ausgewachsen war, aber doch den Charakter einer primi­tiven ländlichen Privatwirtschaft im wesentlichen beibehalten hatte, war dasjenige, was man das Reich der Merowinger nannte. Das Reich der Merowinger ist ja nur ein Reich dann, wenn man diesen Begriff sehr äußerlich betrachtet, aber ganz gewiß ist es kein Staat gewesen. Es war eigentlich ein großer Gutsbesitz, der eben nur eine sehr große Fläche umfaßt hat. Und die ganze soziale Struktur im Merowinger-reich war eigentlich nicht anders, als daß das Wirtschaftliche ge­wissermaßen zugrunde lag, daß sich ein Verwaltungsapparat aufbaute nach den Anschauungen des damaligen Rechtes, das er auch zu ver­wirklichen hatte, und daß sich hineinstellte gerade damals ein für die damaligen Verhältnisse außerordentlich freies Geistesleben. Denn die

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große Unfreiheit des Geisteslebens haben wir ja in der neueren Zivili­sation erst heraufziehen sehen unter dem Einfluß des Liberalismus. Erst als dieser Liberalismus gekommen ist, ist eigentlich das Geistes­leben immer unfreier und unfreier geworden, und den Gipfelpunkt der Unfreiheit wird Ihnen das Geistesleben ja zeigen in der Verwirk­lichung aller staatlichen Glückseligkeiten, in der Sowjetrepublik in Rußland. Da dürfen ja nur Bücher verkauft werden, die approbiert sind von der Sowjetregierung. Der Papst verbietet wenigstens nur die Bücher; die Sowjetregierung in Rußland regelt aber nicht nur die Ver­bote, sondern die regeln sich von selber, weil gar nicht andere Bücher erscheinen können als diejenigen, die erlaubt sind.

Wenn wir nun die Entwickelung weiter verfolgen, so sehen wir, wie im Laufe der Entwickelung allmählich übergegangen ist das Privatwirt­schaftliche in das Volkswirtschaftliche, das dann eingelaufen ist zu einer bestimmten Zeit im Beginne der neueren Geschichte in die Staatswirtschaft. Das geschleht ja sehr charakteristisch, indem die Privatwirtschaft, die Initiative der Privatwirtschaft allmählich über­geht in die Verwaltungskörper, indem das Fiskalische sich zur Wirt­schaft auswächst. Und so sehen wir, wie übergeht das Wirtschaftliche in das Staatsleben, wie aufgesogen wird das Geistesleben vom Staats­leben, und wir sehen dann den neueren wirtschaftlichen und geistigen Staatsorganismus entstehen, der immer mächtiger und mächtiger ge­worden ist als Staatsorganismus, und von dem wir uns ja klar sind, daß er wiederum eine gewisse Gliederung erfahren muß, wenn das Wirtschaftsleben weitergehen soll.

Nun aber, von alledem interessiert uns Her nicht diese Dreigliede­rung, sondern die Zusammenfügung von Privatwirtschaften, wie sie ja meist geschehen ist in einem größeren Komplex, so daß tatsächlich aus Privatwirtschaften sich so etwas ergibt, wie Wirtschaft in einem größeren Komplex : Volkswirtschaft, also dasjenige, was eine neue soziale Struktur schafft, aber noch das Privatwirtschaftliche fort er­hält, also das Primitive noch als Einschluß hat. Was entsteht da im eigentlichen volkswirtschaftlichen Sinn? Da entsteht Austausch zwi­schen den einzelnen Privatwirtschaften, Austausch, der in der ver­schiedensten Weise geregelt wird. Aber diese Regelung schwebt wie

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eine Wolke über dem Ganzen. Aber es ist so, daß der Austausch, das heißt der Handel zwischen den einzelnen Privatwirtschaften, dasjenige ist, was durch dieses Zusammenlegen derPrivatwirtschaften zurVolks­wirtschaft im wesentlichen eintritt. Nun, das hat die Folge, daß, weil ja, wie wir gesehen haben gestern, beim volkswirtschaftlichen Aus­tausch jeder einen Vorteil hat, wenigstens haben kann, daß die einzel­nen Wirtschaften, die sich da zum Austausch, der ja wirtschaftlich das Wesentliche ist, zusammentun, daß sie Vorteil haben. Also wir erleben, daß die einzelnen Wirtschaften Vorteil haben durch diesen Zusammen­schluß, einfach weil sie miteinander Austausch treiben können. Und man kann das ganz bilanzmäßig berechnen, wieviel die eine Privat-wirtschaft an den anderen Privatwirtschaften, mit denen sie in einem wirtschaftlichen Verband ist, gewinnt. Jede gewinnt irgend etwas, was dann wiederum im volkswirtschaftlichen Sinn eine Bedeutung hat.

Als nun die neuere Volkswirtschaftslehre in der verschledensten Weise begründet worden ist, da war man im wesentlichen so weit,daß sich die volkswirtschaftlichen Körper aus den privatwirtschaftlichen heraus gebildet haben. Und wenn man zum Beispiel die volkswirt­schaftlichen Anschauungen von Ricardo, von Adam Smith verstehen wili, dann muß man dasjenige, was diese Leute an Gedanken über die Volkswirtschaft entwickelt haben, daraus verstehen, daß ihre An­schauung bestanden hat in diesem Zusammenwirken von Privatwirt­schaften. Bei Adam Smith können Sie überall sehen, wie er vielfach aus Privatwirtschaften heraus denkt und seine Schlüsse zieht. Und das andere Bild war der Zusammenschluß zu einer Volkswirtschaft. Aber über diesen Zusammenschluß haben sie so gedacht, daß ihnen ein gut Teil des privatwirtschaftlichen Denkens geblieben ist, und so haben sie zumeist solche Ansichten ausgebildet, welche die Volkswirtschaft ähnlich behandelt haben wie die Privatwirtschaft, daß man die Frucht­barkeit der Volkswirtschaft darin gesehen hat, daß nun wieder eine Volkswirtschaft mit der anderen in Austausch kommt, in Wechsel-wirkung kommt und dadurch Vorteil gewinnt. Das Merkantilsystem zum Beispiel hat darin bestanden, daß man es aufbaute aus den Vor-teilen, die sich daraus ergaben.

Nun wird sich aber schon beim Zusammenschluß einzelner Privatwirtschaften

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zu einer großen Volkswirtschaft etwas herausstellen wie eine Art von Führung, die einfach die mächtigste Privatwirtschaft haben würde, welche aufgegangen ist in einem solchen Komplex. Diese Tatsache, die zweifellos eingetreten wäre beim Übergang des Privatwirtschaftens in das Volkswirtschaftliche, die ist eben gerade dadurch maskiert, kaschiert worden, ist nicht voll zum Ausdruck ge­kommen, daß das Staatliche übernommen hat diese Führung. Es würde sonst eben eine, nämlich die mächtigste, Privatwirtschaft die führende geworden sein. So daß, ich möchte sagen, allmählich hinübergeströmt ist, hinübergekollert ist dasjenige, was die einzelnen Privatwirtschaften hatten, in die Staatswirtschaft.

Aber als dann wirklich im Verlauf der neueren Zeit nun wieder der Austausch, die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Volkswirt­schaften, das heißt der Weltverkehr, immer umfassender und um­fassender wurde, da zeigte sich nun allerdings, daß diese Führung ein­trat, und diese Führung, die trat ein, indem sich, wie etwas Selbstver­ständliches, in dem wirtschaftlichen Fortgang England mit seiner Volkswirtschaft als eben die dominierende Volkswirtschaft in der neueren Zeit ergeben hat. Und wenn ich Sie schon von einem anderen Gesichtspunkt aus darauf aufmerksam gemacht habe, daß ja England eine kontinuierliche Entwickelung hatte vom Handel nach der Indu­strie hln, so muß man auf der anderen Seite auch wiederum sagen, daß England während der Erwerbung seiner Kolonien das tonangebende Land geworden ist für die Festsetzung der Währung. Seine Kolonien haben sich ja, wie es sonst bei Privatwirtschaften war, zu einem größe­ren Wirtschafts komplex zusammengeschlossen. Dadurch sind zunächst die inneren Vorteile entstanden, die immer beim Austausch entstehen; aber es ist auch jene mächtige wirtschaftliche Führerschaft eingetreten, der es dann möglich war, dadurch eine dominierende Stellung aus­zuüben im Wirtschaftsleben der Welt bei sich vervollkommnendem Weltverkehr. Das tonangebende Land ist England für die Festsetzung der Währung dadurch geworden, daß nur durch England die Gold­währung erzwungen worden ist in der Welt, wo sie durchgeführt worden ist, weil, wie leicht berechnet werden kann, gegenüber einem reichen goldwährigen Land im Wechselverkehr mit diesem das andere

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Land, das nicht Goldwährung hätte, eben dadurch Nachteil haben würde. Nun, so können wir sagen : Es ist unter dem Einfluß des Welt-verkehrs England die führende Wirtschaftsmacht geworden.

Man kann eigentlich sagen : Solange das so war, konnte man seine volkswirtschaftlichen Begriffe, vielleicht immer mit einiger Änderung und Vervollkommnung, in der geradlinigen Fortsetzung desjenigen ausbilden, was da Hume, Adam Smith, Ricardo, und eigentlich im Grunde genommen in der Fortsetzung davon dann, nur ja stark auf den Kopf gestellt, Karl Marx ausgebildet haben. Denn alles das ist nur zu verstehen, wenn man von den Gedanken, die sich die Leute ge­macht haben, die Bilder hat jenes Wirtschaftslebens, das entstanden ist unter dem dominierenden Einfluß der englischen Wirtschaftsmacht.

Nun ist mit dem letzten Drittel des letzten Jahrhunderts der Welt-verkehr übergegangen in die Weltwirtschaft, und das ist ein außer-ordentlicher Übergang, dieser Übergang vom Weltverkehr zur Welt­wirtschaft. Wenn wir Deffnitionen geben, so sind sie natürlich nicht genau, weil die Dinge sukzessive ineinander übergehen wollen. Aber wir mus sen sagen : Beim Weltverkehr haben wir die Wirtschaft der Welt darinnen bestehend, daß wir einzelne Volkswirtschaften haben, die untereinander austauschen. Und der Verkehr, der steigert den Aus­tausch, fördert den Austausch und ändert dadurch im wesentlichen alle Preise, die ganze Struktur der Volkswirtschaft. Aber es ist nur dieses da : gewirtschaftet wird eigentlich, in bezug auf alles übrige, in den einzelnen Gebieten. Weltwirtschaft ist dann da, wenn die einzel­nen Wirtschaftskörper nicht nur ihre Produkte miteinander aus­tauschen, sondern wenn sie nun auch miteinander wirtschaften, das heißt, wenn zum Beispiel Halbfabrikate von dem einen Land in das andere gehen, wo sie weiterfabriziert werden. Da haben wir dann ein radikales Beispiel vom Zusammenwirtschaften. Wenn es sich nur handelt um die Rohprodukte, wird immer noch bilanzmäßig der reine Verkehr aufrechterhalten. Das kann man noch nicht ein Zusammen­wirtschaften nennen. Wenn aber wirklich alle Faktoren des mensch­lichen Lebens, insofern sie vom Wirtschaftlichen berührt werden, also alle Produktion, aller Verkehr, aller Konsum, gespeist werden aus der ganzen Welt, nicht etwa bloß die Produktion oder der Konsum, son­dern

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alles ineinandergehend gespeist wird aus der ganzen Welt, dann entsteht die Weltwirtschaft. Dann werden aber durch die Entstehung der Weltwirtschaft gewisse Vorteile, die früher vorhanden waren, bei den Volkswirtschaften ausgelöscht.

Sehen wir noch einmal zurück : wenn sich Privatwirtschaften zu Volkswirtschaften zusammenschließen, dann ist das so, daß sie im Ganzen gewinnen, Vorteile haben - jede einzelne. Was drängt aber außerdem noch dazu? Es ist ja nicht immer die Einsicht, die sie dazu drängt, diesen Zusammenschluß zu vollziehen. Es ist so, daß der Zu­sammenschluß eigentlich nicht durch die wirtschaftliche Einsicht be­wirkt wird, weil zumeist das Freiheitsgefühl ein viel zu großes ist. Es ist den Privatwirtschaftern gar nicht so sehr darum zu tun, Vorteile einzuheimsen, die entstehen. Volkswirtschaftlich betrachtet sind dann diese Vorteile da; aber die Sache ist doch noch komplizierter. Die ein­zelnen Wirtschaften haben nämlich die Eigentümlichkeit eines jeden Organismus, daß sie übergehen in ein immer schwächeres und schwä­cheres Leben. Das ist einfach allgemeines Weltgesetz, auch für das Wirtschaftsleben. Ein Wirtschaftsleben, das keine Aufbesserung er-fährt, geht herunter. Und Zusammenschlüsse entstanden im wesent­lichen nicht deshalb, weil man die ursprünglich auf einer gewissen Höhe befindlichen Privatwirtschaften zu einer noch größeren Frukti­fikation zusammenschließen wollte, sondern weil man sie behüten wollte vor dem Heruntergehen. So daß man sagen kann : Der Vorteil des Zusammenschließens ist da, wenn sie sich zusammenschließen. -Das ist ja auch für die einzelnen Zusammenschließungen verschieden. So daß man sagen kann : Was die einzelnen Wirtschaften verlieren an innerem Werte, das wird jedenfalls reichlich wettgemacht, gewöhnlich ist ein Überschuß da, durch den Zusammenschluß der Privatwirt­schaften in Volkswirtschaften. - Dasjenige, was die Volkswirtschaften allmählich an inneren Werten verlieren, das wird reichlich wettgemacht durch den Weltverkehr und den Übergang zur Weltwirtschaft. Wenn aber die Weltwirtschaft da ist, mit wem soll denn die tauschen? Und wir haben in der Tat das gesamte Wirtschaftsleben der Erde allmählich einlaufen sehen in die Weltwirtschaft. Da hört die Möglichkeit auf, noch durch Zusammenschlüsse Vorteile zu erzielen.

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Diejenigen Menschen nun, welche gesagt haben, der Weltkrieg könne nicht so lange dauern, wie er gedauert hat, die haben volkswirt­schaftlich gedacht, nicht weltwirtschaftlich; denn wäre die Welt­wirtschaft eine Volkswirtschaft gewesen, dann wäre es wahr gewesen. Aber indem tatsächlich der Weltkrieg von Anfang an die Tendenz gehabt hatte, sich immer mehr und mehr auszudehnen, so hatte er schon ein längeres Leben. Wenn volkswirtschaftlich weitergedacht wird innerhalb der Weltwirtschaft, so muß die Weltwirtschaft in einem bestimmten Punkt zusammenbrechen. Sie hätte das auch müssen, wenn man volkswirtschaftlich weitergedacht hätte, wenn nicht schon vorher aus allerlei dunklen Kräften heraus man diesen Zusammenbruch be­fördert hätte.

So spielen deutlich erschaubare, aber natürlich weniger deutlich mit Zahlen erfaßbare Verhältnisse ins Wirtschaftsleben herein. Und das wird Ihnen bedeuten, daß es einfach unmöglich ist, in geradliniger Weise fortzusetzen die früheren volkswirtschaftlichen Begriffe, daß wir einfach vor der Notwendigkeit stehen, zu sagen : Wir brauchen heute eine Volkswirtschaftslehre, die aus der unmittelbaren Gegen­wart heraus redet, und die auch einsieht, daß alle diejenigen volks­wirtschaftlichen Kategorien, die man etwa vor einem Jahrhundert ge­bildet hat, heute nicht mehr gelten können. Wir brauchen heute wirk­lich eine Wirtschaftswissenschaft - müssen wir jetzt sagen -, die welt-wirtschaftlich denken kann. Und hier sehen Sie eines unserer aller­größten historischen Probleme.

Wenn die heutigen führenden Persönlichkeiten in Versailles, in Genua, im Haag zusammenkommen, dann hat ihnen die Wissenschaft zunächst nur volkswirtschaftliches Denken gegeben. Sie können also nichts anderes tun als dasjenige, was, bevor man es durchsetzt mit weltwirtschaftlichem Denken, notwendigerweise in den Untergang hineingeht. Können sie etwa leugnen, daß sie die Wirtschaft weiter zerpflücken, daß sie weitere Schranken aufbauen, so daß man ver­zögert diesen Übergang in die reineWeltwirtschaft? Daher die Tendenz der allerletzten Zeit, die Welt möglichst auch wirtschaftlich zu zer­klüften, indem man dieses Zerklüften in politische und nationale Masken steckt. Aber man muß übergehen zu einer Weltwirtschaft,

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Weltwirtschaftswissenschaft, oder aber ein unmögliches Erdengebilde in wirtschaftlicher Beziehung herstellen, das nur leben kann, wenn der eine Teil auf Kosten des anderen sich durch Valutadifferenzen wirt­schaftliche Vorteile verschafft. Da sehen Sie in der Tat gerade auf dern Wirtschaftswege intensiv hinein in dasjenige, was unmittelbar in der Gegenwart eigentlich geschieht.

Nun handelt es sich ja darum, daß, wenn wir uns das Weltwirtschaft­liche vorstellen, wir uns klar darüber sein müssen, daß gewissermaßen an den Grenzen des Weltwirtschaftsgebietes andere Verhältnisse ein­treten als im Wirtschaftsgebiete, das an andere angrenzt. Und das Weltwirtschaftsgebiet, es ist ja heute relativ da, aber so, daß auch die Weltwirtschaftswissenschaft relativ folgen muß. Das Weltwirtschafts­gebiet grenzt an nichts anderes an, und das macht notwendig, daß man noch genauer auf gewisse wirtschaftliche Vorgänge hinschaut, die sich unabhängig von den Grenzen innerhalb des geschlossenenWirtschafts­gebietes nun herausstellen. Es ist heute als das Kardinalproblem für die Wirtschaftswissenschaft das des geschlossenen Wirtschaftsgebietes, Riesenwirtschaftsgebietes, zu lösen. Denn die kleinste Frage, auch die Frage des Preises zum Beispiel unseres Frühstückskaffees, ist etwas, was heute unter dem gesamten Einfluß des Wirtschaftslebens der Erde steht. Und wenn es das noch nicht ist, so bedeutet das, daß die Dinge relativ fortschreiten; aber es ist auf dem Weg und unser Denken muß da nachlaufen.

Um aber im geschlossenen Wirtschaftsgebiet die wirtschaftlichen Verhältnisse zu studieren, müssen wir uns klar sein, daß wir innerhalb des Wirtschaftsgebietes in der Wechselwirkung von Produktion, Kon­sumtion und Verkehr - eigentlich Zirkulation - dasjenige haben, was nun konsumfähige Ware ist, verbrauchbare Ware ist, vielleicht auch im relativen Sinn Dauerware ist, und dasjenige, was Geld ist. Es ist ja ein wesentlicher Unterschied mit Bezug auf die Wirtschaftsform, der die Dinge unterliegen, ob wir ins Auge fassen das Gebiet der Lebens­mittel zum Beispiel : das sind kurzlebige Produkte, oder das Gebiet der Kleidung : das sind schon längerlebige Produkte, oder, sagen wir das­jenige, was in Zimmereinrichtungen, in Häusern liegt : das ist noch längerlebig. Also in bezug auf den Gebrauch bekommen wir wichtige

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Zeitunterschiede der wirtschaftlichen Ergebnisse. Ein Dauerprodukt des wirtschaftlichen Lebens wäre zum Beispiel, sagen wir, der ja von anderem Gesichtspunkte Ihnen schon vorgeführte Stein in der Krone von England oder in anderen Kronen, oder auch die Sixtinische Ma­donna und so weiter; da drinnen würden wir in gewissem Sinne eine Art von Dauerergebnis sen sehen müssen; namentlich im Künstle­rischen würden wir vielfach eine Art von Dauerergebnissen sehen müssen. Nun muß aber in dem sozialen Organismus, der der Arbeits­teilung unterliegt, der daher auch eine ausgebreitetere Zirkulation hat, für jedes Erzeugnis ein Äquivalent bestehen. Der Geldeswert, der der Preis ist, der muß bestehen. Aber Sie können ja durch ein ganz ein­faches Überblicken des Wirtschaftsgebietes sehen, daß diese Äquiva­lenz zwischen dem Warenwert und dem Geldeswert schwankend ist, veränderlich ist. Ein Produkt ist da das wert, an einem anderen Ort etwas anderes wert. Ein Produkt kann mehr wert sein, wenn es so verarbeitet ist, oder mehr, wenn es anders verarbeitet ist. Aber jeden­falls kann Ihnen daraus hervorgehen, daß wir es im gesamten wirt­schaftlichen Leben, abgesehen von einigen relativ sehr lang anhalten­den Dauergütern, zu tun haben mit Gütern, die durchaus auch ver­gehen, entwertet werden, nach einiger Zeit jedenfalls nicht mehr da sind.

Just dasjenige, was Geld ist, das ist etwas, was merkwürdigerweise im volkswirtschaftlichen Leben, trotzdem es ganz in Äquivalenz steht mit den anderen volkswirtschaftlichen Elementen, sich nicht abnutzt. Radikal können Sie sich das dadurch vorstellen, daß Sie sich zum Bei­spiel denken : Ich habe für, sagen wir, fünfhundert Franken Kartoffeln. Wenn ich für diese fünfhundert Franken Kartoffeln habe, so muß ich dafür sorgen, daß ich sie losbringe, das heißt ich muß etwas tun, damit ich sie losbringe. Und nach einiger Zeit sind sie eben nicht mehr da, sind sie verbraucht, sind sie weg. Wenn das Geld in Äquivalenz steht mit den Gütern, mit den bearbeiteten Gütern, so müßte es sich ab­nützen. Das Geld müßte, genauso wie die anderen Güter, sich ab­nützen. Das heißt, wenn wir nicht abnutzbares Geld im volkswirt­schaftlichen Körper drinnen haben, dann verschaffen wir unter Um­ständen dem Geld einen Vorteil gegenüber den abnützbaren Gütern.

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Das ist außerordentlich wichtig. Und es wird erst ganz wichtig, wenn man folgendes bedenkt : Wenn man bedenkt, was ich anwenden muß, wenn ich, sagen wir, nach fünfzehn Jahren durch meine ganze Betäti­gung so weit gekommen sein soll, daß ich dadurch, daß ich heute eine Menge Kartoffeln habe, dann die doppelte Menge Kartoffeln habe, von den Kartoffeln, die es dann geben wird; und wenn man nun be­denkt, wie wenig jemand als einzelne Persönlichkeit zu tun braucht, wenn er heute in Geld fünfhundert Franken hat, um das Doppelte zu haben in fünfzehn Jahren! Es genügt, wenn er gar nichts tut, wenn er seine gesamte Arbeitskraft dem sozialen Organismus entzieht und die anderen arbeiten läßt, daß er beleiht und die anderen arbeiten läßt. Wenn er mittlerweile nicht selber für den Verbrauch sorgt : das Geld hat es nicht nötig, sich abzunutzen.

Dadurch wird aber sehr viel von dem, was dann empfunden wird als eine soziale, sagen wir Unrichtigkeit, erst in den sozialen Körper hineingebracht. Im wesentlichen werden durch jene Umschichtungen und Umlagerungen, nicht etwa der Besitzverhältnisse - von denen will ich gar nicht reden-, aber der Arbeitsverhältnisse und derBetätigungs­verhältnisse überhaupt, ungeheure Veränderungen auch in volkswirt­schaftlicher Beziehung im sozialen Körper bewirkt, so daß man fragen kann : Diese Umwandlungen, diese Umschichtungen, die da bewirkt werden, in welchem Verhältnisse stehen sie zu einem anderen, an dem man sie in einer noch etwas besseren Weise fassen kann? Es hat noch etwas Unbestimmtes, wenn ich es Ihnen so empirisch, nich möchte sagen, schildere, was da als Unterschied des Geldes mit den Reallen im volkswirtschaftlichen Organismus besteht. Wie kann man das im einzelnen im Bild nun fassen?

Im Bild können Sie das dann fassen, wenn Sie sich zunächst vor­stellen, wie grundlegend sein muß für die gesamte Volkswirtschaft eines geschlossenen Gebietes der Konsum aller Menschen, die da drinnen sind in diesem Gebiete. Das ist dasjenige, was einmal als die erste Voraussetzung da ist, der Konsum aller derjenigen Menschen, die in diesem Gebiete drinnen sind.

Nun, etwas anderes hat auch noch eine gewisse grundlegende Be­deutung. Man hat diese grundlegende Bedeutung zum Beispiel bei den

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Physiokraten sehr mißverstanden. Etwas ist aber doch daran, daß die­ses andere, nämlich der Grund und Boden, nun doch - wenn es sich auch an sich so herausgestellt hat, daß er fortwährend entwertet wer­den muß - eine grundlegende Bedeutung hat. Er muß gerade deshalb entwertet werden, weil er eine grundiegende Bedeutung hat. Die Physiokraten haben folgenden Fehler gemacht : Sie haben in einer Zeit gelebt, in der, wie es ja heute auch noch der Fall ist, eben der Grund und Boden Kapitalwert hatte. Unter dem Einfluß dieser Tatsache haben sie gedacht, haben sie die volkswirtschaftlichen Zusammen­hänge nun auch verfolgt, sogar in einer recht anschaulichen Weise ver­folgt - sie waren nämlich von allen Volkswirtschaftern noch die ratio­nellsten -, und sind dazu gekommen, zu sagen von ihrem Standpunkt aus : Der volkswirtschaftliche innere Wert eines Wirtschaftsgebietes ruht eigentlich in der Kultur des Grund und Bodens, wenn wir unter Kultur des Grund und Bodens alles dasjenige zusammenfassen, was wir als Produktion solcher Güter aufzufassen haben, die im wesent­lichen der Ernährung der Menschheit dienen. Solange wir innerhalb des Feldes der Ernährung stehenbleiben, haben wir in der Tat in Grund und Boden die Grundlage zu sehen, die mehr oder weniger feste Grundlage zu sehen für dasjenige, was den inneren Wert eines volks­wirtschaftlichen Gebietes ausmacht. Denn denken Sie sich nur, daß ja diejenigen, die den Grund und Boden bearbeiten, also unmittelbar jene Naturprodukte mit Arbeit verbinden, die dann der Ernährung der Menschheit dienen, daß diese Arbeiter mit Bezug auf die Ernäh­rung alle anderen miternähren; die anderen sind angewiesen auf sie; alle anderen werden miternährt von ihnen. Gewiß, die anderen können sich Mittel verschaffen, um das teuer zu bezahlen, aber im wesentlichen können wir ganz primitiv diese Sache auffassen. Wir können uns ein­fach vorstellen : Es ist da eine gewisse Anzahl, A, von Essern. In dieser Anzahl A sind alle landwirtschaftlichen Arbeiter, Industriearbeiter, Geldleiher, Handelsleute, geistigen Arbeiter bis in das freieste Geistes­leben hinauf enthalten : das sind diejenigen, die Ernährung suchen. Und es sind da diejenigen, die Ernährung bieten, B, die also wirklich etwas bieten mit ihrer Arbeit, was in die unmittelbare Ernährung, das heißt in denjenigen Teil des Konsums übergeht, der der Ernährungs­konsum

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ist. Wenn Al größer als A ist und B gleich bleibt, so muß ein­fach mehr geteilt werden, muß einfach dasjenige, was die B produ­zieren, mehr aufgeteilt werden. Und wenn tatsächlich B sich nicht durch irgend etwas auch in seinem Wert erhöhen läßt, dann müssen Leute einwandern und die Kulturfähigkeit des Grund und Bodens muß erhöht werden.

Sie können also nicht in einer beliebigen Art innerhalb eines Wirt­schaftsgebietes zum Beispiel die Geistesarbeiter vermehren, ohne daß Sie dasjenige, was auf der anderen Seite liegt, diejenigen, die im wesentlichen die Produktion der Ernährung besorgen, auch vermeh­ren. Oder es muß der andere Fall eintreten, daß die Kulturfähigkeit des Bodens erhöht wird. Das kann dann ausgehen von den geistigen Arbeitern. Da müssen aber die geistigen Arbeiter des Zeitalters, in dem die Kulturfähigkeit höher ist, gescheiter sein als die früheren, höhere Fähigkeiten haben als die früheren. Also in dieser Beziehung ist die Erhöhung der ländlichen Arbeit in gewissem Sinn äquivalent mit der Steigerung der Einsichten in die Bearbeitung desjenigen, was aus der Natur stammt. Das kann ja in der verschiedensten Weise sein. Dadurch, daß einer eine rationelle Vogelzucht einrichtet, dadurch kann er unter Umständen die Forstwirtschaft erhöhen. Das kann in der ver­schiedensten Weise geschehen; wir beschäftigen uns damit nur in prinzipieller Weise.

Solange man bloß volkswirtschaftlich denkt, ist es klar, daß diese Verhältnisse eintreten können. Es können in ein Land von geringeren Einsichten einwandern diejenigen, die schon gescheiter sind in einem anderen Land. Die können dann die Kultur des Grund und Bodens weiter fördern. Oder aber es können, wenn mehr Menschen in die Stände hinaufrücken, die nicht zu dem Nährstand gehören, Leute ins Land gerufen werden, Arbeiter ins Land gerufen werden. Alle diese Dinge spielen sich ja ab in den Volkswirtschaften der Gebiete, die an andere angrenzen oder auch darüber hinaus.

Das alles, was man über solche Dinge denken kann, kann man aus­drücken in der Frage : Wie hilft man ab, wenn auf der einen Seite, A, ein größerer Verbrauch entsteht, als B erzeugen kann? - Was man darüber volkswirtschaftlich denken kann, hört auf, gedacht werden zu

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können, wenn Weltwirtschaft eintritt und die Verhältnisse sich für die Weltwirtschaft in gewissem Sinne schon eingerichtet haben. Und wir müssen uns einfach Vorstellungen darüber machen, was da anders sein muß, wenn ein geschlossenes Wirtschaftsgebiet da ist.

Das kann man eigentlich zunächst empirisch studieren, wenn man die Kleinwirtschaft nimmt, bei der man ziemlich absehen kann - es hat ja solches immerhin gegeben - von dem Export und Import. Man kann das empirisch studieren, was in einem geschlossenen Wirtschafts­kreis eigentlich für Verhältnisse vorliegen. Beim geschlossenen Wirt­schaftskreis ist es schon so: Wir nehmen die Grundlage, den Grund und Boden. Dann wird dasjenige, was von Grund und Boden kommt, der Arbeit unterzogen, wird bearbeitet und erhält dadurch einen Wert. Die Arbeit wird dann organisiert : da kommen wir schon in das Menschengebiet hinein, das nun nicht mehr Nährstand ist, sondern das wohl in bezug auf die Nahrungsmittel konsumiert, aber nicht mehr produziert. Und insbesondere, wenn wir heraufkommen zu den geisti­gen Arbeitern, dann haben wir da Konsumenten, nicht Produzenten in bezug auf Nahrungsmittel. So daß wir unterscheiden müssen im geschlossenen Wirtschaftsgebiet in bezug auf die Ernährung ein pro­duzierendes Feld, das auch sehr stark, ich möchte sagen, sich daraufver­steift, ein bloß produzierendes Feld zu sein und ein konsumierendes Feld. Natürlich sind diese Dinge ganz relativ. Es geht allmählich über.

Aber wenn Sie sich nun das gesamte menschliche Leben denken in einem solchen geschlossenen Wirtschaftsgebiet, so muß eben strikte das da sein, was ich Ihnen vor einigen Tagen auseinandergesetzt habe :

Es müssen, damit das Kapital nicht stockt, nicht eine Stauung erleidet, an derjenigen Stelle - natürlich ist das im ganzen Wirtschaftsgebiet ausgebreitet - wo am entwickeltsten ist das geistige Leben in der Kapitalbildung, die erworbenen, erarbeiteten Überschüsse eben nicht hineinfließen in den Grund und Boden - sie würden sich da stauen -, sondern es muß dafür gesorgt werden, daß da Überschüsse nicht mehr vorhanden sind, daß da nichts an Kapital sich staut in Grund und Boden, das heißt, daß schon früher - durch Schenkungen desjenigen, das erarbeitet worden ist, an die geistigen Institutionen - verhindert worden ist, daß eine solche Stauung entstand, mit Ausnahme desjenigen,

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was ich da als Samen bezeichnet habe. Ja, da tritt uns also der Begriff der Schenkung in seiner vollen Notwendigkeit entgegen. Diese Schenkung muß da sein.

Studieren Sie solche geschlossenen Wirtschaftsgebiete, die in der Geschichte aufgetreten sind, so werden Sie auch sehen : diese Schen­kungen sind schon überall da. Im wesentlichen sind es Schenkungen, auf die das geistige Leben angewiesen ist - im wirtschaftlichen Sinn Schenkungen. Sie sind da von dem Einfachen, daß sich Karl der Kahle aus dem, was er verschenken kann, seinen Hofphilosophen sogar hält, was sogar unter Umständen als ein sehr überflüssiges Möbel angesehen werden könnte - Scotus Erigena -, bis hinab zu dem Peterspfennig, wo die Katholiken aller Welt der Kirche ihre Schenkungen in ganz kleinen Dosen verabreichen. Sie haben überall, wo die Wirtschaft, wenn sie auch über gewisse Gebiete hin eine Riesenwirtschaft wird, ein geschlossenes Wirtschaftsgebiet darstellt, das Verwandeln des Ka­pitals, das erarbeitet worden ist, in Schenkungskapital da, wo es sich handelt um den Unterhalt der geistigen Institutionen.

Mit anderen Worten : Es müßte daran gedacht werden, wenn zwangsmäßig ein geschlossenes Wirtschaftsgebiet da ist, wie es die Weltwirtschaft ist, daß gar nichts anderes geschehen könnte im volks­wirtschaftlichen Sinn, als daß alles dasjenige, was sonst sich staut in Grund und Boden, in den geistigen Institutionen verschwindet. Es müßte in den geistigen Institutionen verschwinden, es müßte wirken gleich einer Schenkung. Das heißt wir haben nötig, für die heutige wirkliche Wirtschaftswissenschaft aufzusuchen die Beantwortung der Frage : Wie mussen wir im wirtschaftlichen Sinn kaufen und verkaufen, damit innerhalb des geistigen Gebietes dasjenige an Werten ver­schwinde, was innerhalb des rein materiellen Gebietes an Ernährungs­werten geschaffen wird? - Das ist die große Frage. Ich formuliere sie noch einmal : Welche Art von Zahlung im wirtschaftlichen Verkehr muß erstrebt werden, damit immer innerhalb der geistigen Institu­tionen dasjenige verschwindet, was geschaffen wird durch die ver­arbeitete Natur da, wo eben die Produktion arbeitet für die Ernährung der Menschheit? - Das ist die große volkswirtschaftliche Frage, an deren Beantwortung wir dann morgen gehen wollen.

ZWÖLFTER VORTRAG Dornach, 4. August 1922

#G340-1965-SE170 Nationalökonomischer Kurs

#TI

ZWÖLFTER VORTRAG

Dornach, 4. August 1922

#TX

Ich habe Ihnen ja gestern eine sehr wichtige Frage formuliert, die auf­getreten ist, als die Volkswirtschaft sich anschickte, immer mehr und mehr überzugehen in die Weltwirtschaft. Nun, gerade dadurch be­kommt aber die Preisfrage eine wesentlich andere Bedeutung, als sie vorher im Wirtschaftsleben hatte. Und wir müssen noch einiges uns ansehen, bevor wir uns eine Vorstellung machen können von den Faktoren, die eigentlich den Preis bestimmen; denn dasjenige, was zuletzt auftritt auf dem Markt oder überhaupt in der Zirkulation der Güter als Preis - als offenbarer Preis, möchte ich sagen -, das ist ja eigentlich von einer viel geringeren volkswirtschaftlichen Bedeutung als dasjenige, was hinter der Preisbildung liegt, was erst zuletzt zu der Preisbildung führt und was auch zugrunde liegt den Schwankungen des Preises.

Nun ist es ja so, daß diese Dinge, die vor der Preisbildung liegen, sowohl auf der Seite des Kaufenden wie auf der Seite des Verkaufen-den, daß die sich hineinstellen in soziale Zusammenhänge, von denen es abhängt, in welcher Lage überhaupt der Käufer ist, ob der Käufer einer bestimmten Geldsumme einen größeren oder geringeren Wert beilegen muß - Wert nicht nur etwa im subjektiven Sinne. Volkswirt­schaftlich kommt ja das Subjektive nur insofern in Betracht, als es richtig in objektiven Vorgängen begründet ist, als es auf einer rich­tigen Beurteilung der objektiven Vorgänge beruht. Aber es kommt der Wert des Geldes vor allen Dingen auch in objektiver Beziehung in Betracht. Denn es läßt sich heute nicht die wirtschaftliche Frage ganz abgesondert von der sozialen Frage betrachten. Nur wenn man das Ineinanderspielen der beiden wirklich ins Auge faßt, kann man zu einem gültigen Urteil kommen. Und so muß man schon berücksich­tigen, daß die Unzufriedenheit, die soziale Unzufriedenheit, die dann den sozialen Unruhen zugrunde liegt, zusammenhängt vor allen Dingen mit demjenigen, was vor der Preisbildung liegt und sich zu­letzt in der Preisbildung auslebt. Indem ich Ihnen gezeigt habe, daß ja

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auch in dem Entlohnen, also in derjenigen Preisbildung, die zuletzt in der Lohnhöhe sich innerhalb der heutigen Wirtschaft ausdrückt, eigentlich ein Kauf und Verkauf vorliegt, werden Sie verstehen, daß alles, was zu den Lohnkämpfen führt, im Grunde genommen auf den sozialen Zusammenhängen beruht, in denen sowohl der Arbeiter wie der Unternehmer drinnenstehen, und deren Abschluß in derjenigen Preisbildung eben vorliegt, die die Entlohnung bildet. So daß wir also vor allen Dingen wissen müssen : In welcher Weise wirkt dasjenige, was ja sowohl bei Kauf und Verkauf, wie bei der Entlohnung, wie auch im übrigen der Volkswirtschaft, eben heute schon einmal die große Rolle spielt, inwiefern wirkt das Geld als solches innerhalb des wirtschaftlichen Prozesses ein auf die Preisbildung? - Wir müssen unterscheiden zwischen dem, was zuletzt als Geldpreis zustande kommt, und dem, was eigentlich den Wert des Geldes in einer Hand, möchte ich sagen - sowohl in der Hand des Verkäufers wie in der des Käufers -, ausmacht. Wir müssen daher heute etwas das Geld betrach­ten.

Nun finden Sie ja allerlei schöne Dinge in volkswirtschaftlichen Auseinandersetzungen über das Wesen des Geldes. So zum Beispiel finden Sie über das Wesen des Geldes erzählt in volkswirtschaftlichen Darstellungen eben die Eigenschaften, die Geld, wenn es überhaupt brauchbar sein soll als Geld, haben soll. Nun, diese Eigenschaften, die da angeführt werden, die müssen wir uns doch kritisch einmal ein klein wenig vor Augen stellen, damit Sie sehen, wie man heraus arbei­ten muß aus mancherlei, was gegenwärtig volkswirtschaftswissen­schaftliche Vorstellungen sind, in etwas Gesondertes hinein. Da wird angeführt, das Geld müsse erstens einen allgemein anerkannten Wert besitzen. Nun handelt es sich darum, wer der Anerkennende in diesem Falle ist, der richtig Anerkennende. Denn damit, daß man sagt, das Geld müsse einen allgemein anerkannten Wert besitzen, hat man noch gar nichts gesagt, sondern damit hat man nur darauf hingewiesen, daß es eine Eigenschaft haben soll; man hat aber nicht gesagt, wie es diese Eigenschaft erhalten kann. Die zweite Eigenschaft ist noch merk­würdiger. Da wird zum Beispiel gesagt : Das Geld soll einen kleinen Umfang haben können und dann doch, weil es sehr selten ist, bei

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kleinem Umfang einen hohen Wert haben können. Nun ist das das beste Mittel - das hat schon Lykurg eingesehen, der etwas umfang­reicheres Geld eingeführt hat als Mittel gegen die unrechtmäßige Be­reicherung -, nun ist diese Eigenschaft des Geldes ganz besonders dazu geeignet, daß man es leicht aufbewahren kann, und daß es schon aus diesem Grunde einen verhältnismäßigen Anreiz zur Bereicherung bil­det; denn wenn die Zwanzigmarkstücke so groß wären wie ein Tisch, so würde man es schwerer haben, sie aufzubewahren. Es würde die Sache nicht so bequem gehen mit dem Reichwerden wie jetzt; man würde das Reichwerden leichter bemerken und dergleichen. Also es handelt sich schon darum, daß dieses schließlich ja nur aus recht äußer­lichen Gründen heraus gesagt werden kann. Dann wird gesagt, das Geld müsse beliebig teilbar sein. Das ist auch etwas, was ich in einem nationalökonomischen Handbuch gefunden habe. Aber das kann man ja auch nicht anders vollziehen als durch irgendeine Anerkennung, durch irgend etwas, was erst geleistet wird. Das ist also etwas, was ziemlich nebulos ist. Dann wird gesagt, es muß leicht aufzubewahren sein. Nun, diese Eigenschaft des Leichtaufbewahrens, das ist es gerade, was uns erst in seiner ganzen Bedeutung entgegentreten wird, wenn wir unsere heutige Betrachtung eben anstellen.

Wir müssen uns nämlich nicht nur darüber klar werden, daß das­jenige, was Natur ist, eigentlich erst einen volkswirtschaftlichen Wert bekommt, wenn es in die Zirkulation der Volkswirtschaft hinein-kommt, von der Arbeit in Anspruch genommen wird, wir müssen uns nicht nur klar darüber sein, daß auch die Arbeit einen volkswirtschaft­lichen Wert erhält durch die Art und Weise, wie sie organisiert ist, ge­gliedert ist, und daß auch das Kapital nur einen Wert bekommt da­durch, daß es vom Geist des Menschen erfaßt und in den volkswirt­schaftlichen Prozeß hineingearbeitet wird, sondern wir mussen uns auch klar sein darüber, daß auch Geld als solches einen Wert durch die Zirkulation selber erhält. Nun müssen wir uns überlegen, wie Geld im Laufe der Zirkulation sich verändert. Dazu liegen schon die Vor­aussetzungen in dem, was ich Ihnen vorgebracht habe.

Wir haben es beim Geld zunächst zu tun mit gewöhnlichem Kauf-geld, mit demjenigen Geld also, das wir verwenden, um uns etwas zu

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kaufen, was uns zum Verbrauch dient. Wir haben es aber dann auch zu tun mit Leihgeld - das haben wir ja auch schon gesehen. Nun fragt es sich, ob denn das Leihgeld durch seinen volkswirtschaftlichen Zu­sammenhang ganz dasselbe ist wie das Kaufgeld. Wenn Sie das Kauf-geld in Betracht ziehen, so werden Sie sich fragen müssen : Wie kommt denn das Kaufgeld unter den übrigen Elementen des Kaufens und Verkaufens zustande? Nun, es kommt dadurch zustande, daß der­jenige, welcher sich des Geldes bedient, daß der nicht nur damit, mit dem Geld, etwas gegeben hat, was einen unmittelbaren Austausch be­wirkt, sondern was einen Austausch vermittelt, was sich in den Aus­tausch hineinstellt. So daß alles dasjenige - wie ich schon auseinander­gesetzt habe in diesen Tagen - Geld ist, was sich vermittelnd in den Austausch hineinstellt. Ich habe Ihnen gesagt, es könnten von diesem Gesichtspunkt aus Erbsen Geld sein. Wenn ich nicht bloß so viel Erbsen erwerbe, als ich selber aufessen kann, sondern Erbsen erwerbe, um sie dazu zu verwenden, wiederum einen Gebrauchsgegenstand für mich einzuhandeln, so verwandle ich einfach durch die Tätigkeit des Vermittelns dasjenige, was sonst durchaus ein Gebrauchsgegenstand sein kann, in Geld. Es ist sehr geistreich, was in dieser Beziehung &peugler sagt, der ja alle Dinge in einer unbrauchbaren Ideenrichtung verwertet, aber manches vollkommen richtige Apercu hat, daß na­mentlich in einer gewissen Zeit der römischen Entwickelung, volks­wirtschaftlich aufgefaßt, Menschen zu Geld geworden sind, nämlich die Sklaven. Solange ich den Sklaven selber brauche, das heißt nur so viele Sklaven erwerbe als alter Römer, als ich in meiner Wirtschaft verwende, solange ist der Sklave natürlich Produktionsmittel; in dem Augenblick aber, wo der Sklave auch ausgeliehen wird, wo man, wie es in einer gewissen Zeit der Römerherrschaft der Fall war, ein solches Heer von Sklaven hatte, daß man sie ausleihen konnte, daß man sie zu alierlei nutzbringenden Dingen verwenden konnte, welche man also einhandeln konnte durch Sklaven, da wurde der Sklave zu Geld, so daß man sagen kann für jene Zeiten : Menschen wurden Geld. Das ist ein durchaus richtiges Aperçu bei Spengler. Daraus aber können wir entnehmen, wie das, was als Kaufgeld wirkt, sich herausbildet aus demjenigen, was sonst nur dem Tausch unterliegt. Und es wird sich

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darum handeln, daß dasjenige, was man dann als Geld verwendet, als Geld am brauchbarsten sein wird, wenn es nicht, ich möchte sagen, hin und her schillert zwischen Aufgegessenwerden und Weitergege­benwerden, wie es die Erbsen wären, wodurch im Zirkulationsprozeß der Wert ja auch wesentlich schwanken würde, sondern wenn es - und dazu bedarf es eben dann einer gewissen, wenn auch stillschweigenden Übereinkunft derer, die sich des Geldes bedienen - etwas ist, was zu sonst nichts verbraucht wird als zum Tausch, zum Vermitteln. Das ist das Wesentliche, daß man es nur gebraucht zum Vermitteln, zum Tausch, also nicht zum Aufessen.

Nun sehen Sie aber, von diesem Kaufgeld unterscheidet sich ganz wesentlich dasjenige, was Leihgeld ist; denn bei dem Kaufgeld haben Sie keine anderen Gründe für seinen Wert, für seine Schätzung, also für seine Bewertung, keine andere Bewertungsnotwendigkeit als diese, wieviel Sie dafür bekommen. Und das ändert auch die Zeit nicht im wesentlichen; denn Sie müssen, ob Sie heute sich ein Pfund Fleisch kaufen oder ob Sie sich in einiger Zeit ein Pfund Fleisch kaufen, das Pfund Fleisch nach seinem Konsumwert beurteilen; und es kann in bezug auf das Pfund Fleisch wohl das Geld einen anderen Wert be­kommen haben, aber für den essenden Menschen kann das Pfund Fleisch eigentlich einen anderen Wert im Verlauf der Zeit nicht be­kommen. Nur ist es wesentlich, daß das Pfund Fleisch nur eine gewisse Zeitlang gegessen werden kann, daß es also nur innerhalb einer ge­wissen Zeit einen Wert haben kann, weil es verdirbt. Das gehört auch in das Volkswirtschaftliche hinein, daß alle Dinge, die nun wirkliche Gebrauchsgegenstände sind, eben verderben.

Wenn wir nun das Geld verwenden als ein Äquivalent im reinen Tausch, dann haben wir allerdings in dem Gelde gegenüber den ver­derblichen Gegenständen einen unreellen Konkurrenten, einen rich­tigen unreellen Konkurrenten, weil das Geld eben unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht zu verderben scheint - ich sage das ausdrücklich :

nicht zu verderben scheint. Ja, da sehen wir, was in das Volkswirt­schaftliche etwas Ungesundes hineinbringt, wenn man andere Ver­hältnisse in der Volkswirtschaft spielen läßt, als diejenigen sind, die in der Wirklichkeit spielen. Wir haben es auf der einen Seite mit solchen

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Einrichtungen zu tun, daß Geld unter allen Umständen seinen Zahlen­wert hat, gleichgültig, wie es sonst in der sozialen Position drinnen steht - Geld hat seinen Zahlenwert und behält diesen Zahlenwert scheinbar. In Wirklichkeit behält es ihn aber nicht. Alle anderen Dinge sind ehrlich. Fleisch beginnt zu riechen in der Zeit, in der es eben nach seinen Qualitäten beginnen kann zu riechen; Geld tut das nicht, in welcher Qualität es auch auftritt. Geld tut es nicht offenbar. Und dennoch, wir müssen uns sagen : Wenn nun irgendein Artikel durch irgendwelche Umstände in einer bestimmten Zeit teurer geworden ist oder billiger geworden ist, da der Artikel in sich selber durch seine Qualitäten im Menschenleben denselben Wert behalten muß - er muß ihn durch die Konstellation behalten, indem er zur rechten Zeit ver­braucht werden muß und Neues auftreten muß -, das Geld das aber nicht tut, so ist das Geld als solches, rein als Tauschmittel, dadurch ein unreeller Konkurrent, weil es nicht in irgendeiner Weise zur Erschei­nung bringt, daß es eigentlich auch Veränderungen unterliegt. Wenn ich mir heute ein Pfund Fleisch für eine Summe Geldes kaufen muß und in vierzehn Tagen dasselbe Pfund Fleisch für eine andere Summe Geldes kaufen muß, so liegt es nicht an dem Pfund Fleisch, daß ich zum Beispiel das nächste Mal mehr Geld ausgeben muß, sondern es liegt am Geld. Es liegt lediglich am Geld. Und wenn das Geld dann noch dieselbe Zahl an sich trägt, so beginnt das Geld eigentlich zu lügen; denn es ist weniger wert geworden. Wenn ich mehr hergeben muß im Austausch für ein Pfund Fleisch, ist es weniger wert ge­worden. Das ist ja ganz selbstverständlich. Also ich bringe dadurch etwas in den Prozeß hinein durch die Zirkulation des Geldes, das eigentlich volkswirtschaftlich gar nicht da ist. Volkswirtschaftlich ver­hält sich die Sache ganz anders. Volkswirtschaftlich verhält sie sich so, daß das Geld einfach durch den wirtschaftlichen Prozeß selbst Ver­änderungen durchmacht.

Und wir müssen nun die Gelegenheiten aufsuchen, wo das Geld Veränderungen durchmacht. Außer dem gewöhnlichen Kaufgeld haben wir das Leihgeld, das Leihgeld, das also jemand bekommt, um irgendeine Unternehmung zu entrieren, das für ihn kein Kaufgeld ist, sondern für ihn eben Unternehmergeld wird. Dieses Unternehmergeld,

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dieses Leihgeld hat einen wesentlich anderen Wert, eine wesent­lich andere Eigenschaft. Es ist eigentlich im Grunde genommen dieses Leihgeld etwas ganz anderes als das Kaufgeld. Es bleibt nicht viel übrig, wenn Kaufgeld Leihgeld wird, als, sagen wir, daß Gold oder Silber oder Papier hineingetragen wird in das andere Lebensgebiet. Wert wird die Sache durch ganz andere Dinge. Denn es handelt sich ja jetzt, wenn das Leihgeld in Zirkulation kommt, darum, daß der Geist des Menschen eingreift, daß menschliches Denken eingreift, und durch dieses Eingreifen des menschlichen Denkens bekommt nun das Leihgeld seinen eigentlichen Wert. Es wäre viel wichtiger, auf die Banknote, die geliehen wird dem Mann, der etwas unternimmt, in dem Momente, wo er diese Banknote in Gebrauch überführt, darauf zu schreiben, ob der Mann ein Genie ist in wirtschaftlichen Dingen, oder ob er ein Idiot ist; denn von der Art und Weise, wie er sich damit ver­hält, hängt nun der Wert dieses Leihgeldes in der volkswirtschaftlichen Situation ab.

Und wenn wir nun von dem Leihgeld zu demjenigen übergehen, was ich Ihnen als eine dritte Art genannt habe, was heute gewöhnlich gar nicht besprochen wird, aber die denkbar größte Rolle spielt im volkswirtschaftlichen Prozeß, wenn wir übergehen von dem Leihgeld zu dem Schenkungsgeld - Schenkungsgeld ist im Grunde genommen alles, was für die Erziehung ausgegeben wird, das spielt eben eine un­geheure Rolle im volkswirtschaftlichen Leben; Schenkungsgeld ist auch alles dasjenige, was für Stiftungen ausgegeben wird, und alles dasjenige, was bewirkt, daß sich nicht in einer störenden Weise Kapital staut auf Grund und Boden durch die Kapitalisierung von Grund und Boden, wodurch die Volkswirtschaft eben ruiniert wird -, wenn wir uns dieses Schenkungsgeld anschauen, so müssen wir sagen : Dieses Schenkungsgeld, das wird für denjenigen, der angewiesen ist für sein Leben auf Kaufgeld, einfach wertlos. Es verliert seinen Wert. Schen­kungsgeld in bezug auf Kaufgeld ist das Entgegengesetzte nämlich, was ja auch schon daraus hervorgeht, daß derjenige kaufen kann, der Schenkung kriegt, während derjenige, der nicht Schenkung kriegt, nicht kaufen kann mit diesem Geld.

Sie haben also drei Arten von Geld, die qualitativ ganz voneinander

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verschieden sind, Kaufgeld, Leihgeld, Schenkungsgeld. Nun, wie es sich aber verhält zwischen Kaufgeld, Leihgeld und Schenkungsgeld, das ist nur dann zu beurteilen, wenn wir volkswirtschaftliche Zu­sammenhänge, sagen wir, so privatwirtschaftlicher Natur, wie wir es gestern hypothetisch angenommen haben, daß sie in gewisser Weise eine Art abgeschlossenen Gebietes darstellen, wenn wir solche be­trachten. Da werden wir nämiich finden, daß nach einer bestimmten Zeit alles dasjenige, was Leihgeld ist, in Schenkungsgeld übergeht. Anders kann es auch nicht sein bei dem geschlossenen Wirtschafts-gebiet, das die Weltwirtschaft ist. Leihgeld muß nach und nach ganz in Schenkungsgeld übergehen. Leihgeld darf sich gewissermaßen nicht zurückstauen in das Kaufgeld hinein, um das zu stören. Leihgeld geht in das Schenkungsgeld hinein. So muß es sich im geschlossenen Wirt­schaftskreislauf darstellen. Was tut es auf dem Gebiet, wo das Schen­kungsgeld arbeitet? Da entwertet es sich. So daß wir sagen können :

Indem wir das Gebiet des Kaufgeldes haben, wird das Geld einen ge­wissen Wert darstellen. Auf dem Gebiet des Schenkens hat das Geld für alles dasjenige, was auf dem Gebiet des Kaufens besteht, einen negativen Wert, läßt diesen Kaufwert verschwinden. Und dazwischen drinnen wird der Übergang bewirkt beim Leihgeld. Das Leihgeld ver­schwindet allmählich hinein ins Schenkungsgeld.

Sie werden vielleicht sagen : Das ist schwer einzusehen. - Das ist es ja auch; aber es ist ja schade, daß wir hier nicht monatelang können Angaben machen über die einzelnen Fälle, an denen man beobachten kann, wie tatsächlich sich das so verhält, wie ich das jetzt gesagt habe, mit dem Bewerten und Entwerten des Geldes. Das aber würde gerade die Aufgabe sein, daß Sie gewissermaßen dasjenige, was hier in diesem ganz kurzen Kurs gesagt werden kann, als eine Unterlage betrachten würden für weitere volkswirtschaftliche Arbeiten. Nur Anregungen kann man natürlich geben im Verlaufe von vierzehn Tagen. Sie werden aber finden, daß diese hier vorgebrachten volkswirtschaftlichen Be­hauptungen überall durch die einzelnen Untersuchungen sich um­wandeln in volkswirtschaftliche Wahrheiten, die dann wissenschaft­lich und auch praktisch verwertet werden können.

Das geschieht nun in Wirklichkeit, daß einfach im volkswirtschaftlichen

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Prozeß das Geld sich metamorphosiert, daß es verschiedene Qualitäten bekommt, indem es Leihgeld oder Schenkungsgeld wird. Das aber kaschieren wir, wenn wir einfach das Geld Geld sein lassen und nach seiner ihm aufgeschriebenen Zahl uns richten für die Einheit und dergleichen - das kaschieren wir, dem setzen wir eine Maske auf. Die Wirklichkeit rächt sich, indem sie diese Rache in den Schwankun­gen der Preise zeigt, die einfach da sind im volkswirtschaftlichen Pro­zeß, denen wir mit unserer Vernunft gar nicht nachkommen, die wir aber mit der Vernunft eben erreichen sollen. Man soll, möchte ich sagen, das Geld nicht einfach so in die Zirkulation hineinströmen lassen und ihm nun volle Freiheit geben, zu tun,was es tun will; denn dadurch machen wir eigentlich in der Volkswirtschaft etwas ganz Eigentümliches. Nicht wahr, wenn wir, sagen wir, zu irgendeinem Arbeitszusammenhang Tiere brauchen, so zähmen wir sie uns, und wir verwenden sie dann als gezähmte Tiere. Denken Sie, wie lange man ein Reitpferd einreiten muß, bis man es benutzen kann und so weiter. Denken Sie nur, was wäre, wenn wir Tiere nicht zähmen wür­den, sondern als wilde verwenden würden, wenn wir gar keine Mühe auf das Zähmen verwenden würden! Das Geld lassen wir so ganz wild im volkswirtschaftlichen Prozeß zirkulieren. Wenn es ihm einfällt, möchte ich sagen, lassen wir ihm jenen Wert beikommen, den es hat als Leihgeld, den es hat als Schenkungsgeld, und warten dann ab, wenn von irgendwoher irgendein Mensch, der ein Industrieller ist, ein Geld hat, das unrichtig sich verwandelt hat aus seinem Leihgeld in Schenkungsgeld, wenn der dann seine Arbeiter bezahlt, daß das anders sich ausnimmt, als wenn er seine Arbeiter, sagen wir, aus dem reinen Kaufgeld bezahlen würde. Je mehr man darauf angewiesen ist, seine Arbeiter aus dem reinen Kaufgeld zu bezahlen, desto weniger kann man ihnen geben, das heißt desto billiger müssen sie einem ihre Pro­dukte geben; je mehr man in der Lage ist, aus schon verwandeltem Geld, aus einem Geld, das bereits in die Sphäre des Leihgeldes oder Schenkungsgeldes übergegangen ist, zu bezahlen, desto mehr Lohn kann man ihnen geben, desto teurer können sie ihre Erzeugnisse auf den Markt bringen. Es handelt sich also darum, daß wir diese Sache einmal vernunftgemäß erfassen.

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So, wie die Dinge nun einmal liegen, mußte ja die Funktion des Geldes fortwährend korrigiert werden. Nehmen Sie einmal an, eine Volkswirtschaft, die an eine andere angrenzt, die kann sehr leicht da­durch, daß sie das Geld als einen solchen Wildling funktionieren läßt, ohne daß Vernunft hinein verwendet wird, in Kalamitäten kommen mit dem Preis für irgendein Gut, für irgend etwas, was man braucht. Solange die Volkswirtschaft unter anderen Volkswirtschaften ist und nicht Repressalien dagegen ergriffen werden, importiert man einfach den Artikel, es vergrößert sich der Import. Dadurch werden die Dinge korrigiert. In der Weltwirtschaft gibt es keine Korrektur, weil man vom Mond keine Artikel einführen kann. Sonst würde die Weltwirt­schaft auch nur eine Volkswirtschaft sein, wenn man vom Mond oder der Venus und so weiter importieren und dahin exportieren könnte; aber darinnen besteht gerade die große Frage, was da wird aus der Volkswirtschaftslehre dadurch, daß die Erde eben ein geschlossenes Wirtschaftsgebiet wird.

Nun, nehmen Sie einmal an, Sie nehmen es in die Hand, das Geld alt werden zu lassen. Sie haben also irgendein Geldstück, was es auch immer hat für einen Stoff oder für eine Zahl, sagen wir 1910, und nehmen Sie ein anderes Geldstück mit der Jahreszahl 1915; nehmen Sie an, das Geldstück, das die Jahreszahl 1915 trägt, also damals als volks-wirtschaftliches Geld entstanden ist, würde durch vernünftige Be­handlung dasjenige werden, was sonst auch Austauschprodukte wer­den : dieses Geld würde entwertet sein nach einiger Zeit. Sagen wir, es würde dieses Geld - nicht wahr, die Zahlen, die ich jetzt angebe, sind nebensächlich, können nur verdeutlichend sein, was in der Wirk­lichkeit hervortreten muß, ist erst Gegenstand unendlich vieler, aber erreichbarer Kalkulationen, wie wir noch sehen werden -, aber neh­men wir an, dieses Geldstück würde 1940 entwertet sein für den volkswirtschaftlichen Verkehr. Dieses Geldstück würde also nur zwischen 1915 und 1940 einen bestimmten Wert haben. Da würde es einen Wert haben, der, wie wir gleich sehen werden, bestimmbar ist. Wenn also Geld nach fünfundzwanzig Jahren seinen Wert verliert im volkswirtschaftlichen Prozeß, dann hat das Geldstück, das die Jahres­zahl 1910 trägt, seinen Wert verloren im Jahre 1935. Es ist so, daß nun,

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wenn ich Geld bei mir trage, ich dadurch eine gewisse Eigenschaft meinem Gelde beilege, eine Art Alter lege ich meinem Gelde bei. Dieses Geld hier, von 1910, das ist älter, das wird früher sterben als das andere Geld hier, das 1915er Geld. Sie können nun sagen : Das ist ein Programm. - Nein, das ist gar kein Programm, sondern was ich Ihnen hier jetzt auseinandergesetzt habe, das ist die Wirklichkeit. So will es auch der volkswirtschaftliche Prozeß. Er macht es selbst, daß das Geld alt wird. Und daß es scheinbar nicht alt wird, daß man schein­bar mit einem Geld von 1910 im Jahre 1940 noch kaufen kann, das ist nur eine Maske. Man kauft nämlich dann nicht in Wirklichkeit mit diesem Gelde, sondern nur mit einem eingebildeten Geldwert.

Wenn das Geld in dieser Weise, daß die Jahreszahl seiner Entstehung etwas bedeutet, in meinem Portemonnaie alt wird - Altwerden nenne ich Immer-näher-Kommen seinem Sterben -, dann wird ja gerade da­durch dem Geld ein Wert aufgedrückt durch sein Altwerden, wie dem Menschen durch sein Altwerden ein Wert aufgedrückt wird. Jedem lebenden Wesen wird ein Wert aufgedrückt; das Geld wird plötzlich lebendig, es wird ihm ein Wert aufgedrückt. Warum? Nehmen Sie einmal an : Junges Geld, also für das heurige Jahr heuriges Geld, also richtig 1922er Geld, dieses 1922er Geld, das wird ja selbstverständlich ein gutes Kaufgeld sein; aber wenn nun jemand Unternehmer ist, und er frägt sich : Bei meiner Unternehmung, wie werde ich mich mit Geld versorgen? Werde ich mich bei meiner Unternehmung, die vielleicht nach meiner Kalkulation, sagen wir, auf zwanzig Jahre veranlagt wer­den muß, werde ich mich da mit altem oder jungem Geld versorgen? Wenn ich altes Geld nehmen werde, so wird es eventuell in fünf oder zwei Jahren entwertet sein; also ich kann mich nicht einlassen darauf, altes Geld zu verwenden, sondern ich brauche, wenn ich mit einer Kalkulation auf lange Zeit zu rechnen habe, junges Geld. - Das junge Geld also bekommt unter dem Einfluß langfristiger Unternehmungen einen besonderen volkswirtschaftlichen Wert, einen viel größeren volkswirtschaftlichen Wert als das alte Geld. Dieser volkswirtschaft­liche Wert ist dann da, das ist sein Wert jetzt. Nehmen wir aber an, ich habe eine Unternehmung zu machen, die voraussichtlich das, was ich zu kalkulieren habe, nur auf eine Frist von drei Jahren kalkulieren

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will. Da wäre ich doch ein schlechter Volkswirtschafter, wenn ich jetzt ganz junges Geld nehmen würde; denn das junge Geld ist da­durch am wertvollsten und am teuersten. Also ich werde mir billigeres Geld verschaffen, wenn ich es kürzere Zeit brauche. Und so sehen Sie, daß auf diese Weise das Alter des Geldes für denjenigen, der den Geist anzuwenden hat auf das Geld, eine Rolle zu spielen anfangen wird, die ihm bewußt wird.

Bitte, bedenken Sie aber nun, daß das nicht etwas ist, was nicht sonst auch ist. Nur ist es sonst in der Wildheit vorhanden, und es stören sich die Dinge gegenseitig nur und dadurch werden ungesunde volks­wirtschaftliche Zustände hervorgerufen. Dagegen, wenn Sie das Geld nun zähmen, wenn Sie wirklich das hineinfügen, daß Sie dem Geld ein Alter geben und junges Geld als Leihgeld wertvoller sein lassen als altes Geld, dann prägen Sie dem Geld denjenigen realen Wert auf, den es geltend macht, den es durch seine Position im volkswirtschaft­lichen Prozeß hat. Dieser Wert ist wesentlich nur da, indem das Geld Leihgeld ist; denn, auch wenn das Geld Leihgeld ist, als Kaufgeld behält es ja seinen früheren Wert. Sie brauchen sich auch gar nicht so ungeheuer stark zu überlegen, ob Sie nun für das, was Sie als Unter­nehmer konsumieren, sich noch anderes Geld verschaffen sollen und dergleichen, das korrigiert sich schon von selbst.

Nun aber denken Sie, es kommen jene Schenkungen zustande, die ja im volkswirtschaftlichen Prozeß auch durchaus ihre Bedeutung haben, jene Schenkungen, von denen ich ja schon in vielfacher Be­ziehung gesprochen habe. Schenkung ist alles das, was man in das Erziehungswesen zum Beispiel hineinsteckt, namentlich wenn es sich um freies Geistesleben handelt. Aber es ist das jetzt auch schon so, nur daß es die Leute nicht merken. Wenn Sie direkt schenken, dann ist Ihre Vernunft drinnen. Jetzt schenken Sie auch, nur wird es in die Steuer und so weiter hinein gemacht, da verschwindet es im allge­meinen Nebel des Wirtschaftens und man bemerkt die Geschichte nicht. Dadurch aber eben geht die Sache wild, sonst würde Vernunft hineinkommen. Aber überlegen Sie sich einmal, was für Geld Sie ver­wenden werden, wenn es sich um Schenkungen handelt, wenn Sie nun wirklich volkswirtschaftlich denken werden? Wenn es sich um Schenkungen

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handelt, werden Sie altes Geld verwenden, das möglichst bald nach der Schenkung seinen Wert verliert, so daß gerade noch der­jenige kaufen kann, der die Sache geschenkt bekommt.

Dann handelt es sich darum, daß im volkswirtschaftlichen Prozeß selbstverständlich die Verjüngung eintreten muß, daß das Geld Nach­kommenschaft haben muß. Aber Sie werden leicht einsehen, daß das­jenige, um was es sich nun hier handelt, eben das ist, daß einfach nicht in beliebiger Weise oder durch das allgemeine wirtschaftliche Chaos, das der Wirtschaftsstaat über alles ausbreitet - der eben alles dadurch in die Wertkonfusion hineinbringt, daß er durcheinanderwirft Leih­geld, Kaufgeld und so weiter, während es sich in der Wirklichkeit doch auseinandersondert -, Sie werden leicht begreifen, daß, wenn man die Sache nicht der Willkür überläßt, sondern Vernunft in die Sache bringt, daß Sie bloß die nötigen assoziativen Vereinigungen zu stellen brauchen zwischen Kaufgeld, Leihgeld, Schenkungsgeld und Geld-erneuerung. Sie müssen einfach, sagen wir, denjenigen, der Geld ver­leiht, nicht in sinnloser Weise das Geld verleihen lassen, sondern der steht in Verbindung mit seiner Assoziation. Die vermittelt ihm die vernünftigste Art und Weise, wie er leihen kann, und vermittelt ihm die vernünftigste Art, wie er schenken kann. Wenn geschenkt wird -wobei es jedem selbst freistehen kann, zu schenken -, dann macht aber das Geld gerade, wenn es einen Jahreswert hat, denselben Prozeß durch. Nur handelt es sich darum, daß im volkswirtschaftlichen Pro­zeß zuletzt dasjenige vernunftgemäß herbeigeführt werden muß, was ohnedies geschieht, was nur maskiert wird, nämlich daß einfach das Geld, wenn es ausgedient hat, gesammelt wird. Und es bekommt jetzt wiederum im Beginne des Kauf- und Verkaufsprozesses seinen ur­sprünglichen Wert, das heißt es bekommt seine neue Jahreszahl; aber es geht über an denjenigen, der nun wiederum ein Naturprodukt, ein nun eben in die Arbeit übergehendes Naturprodukt zu behandeln hat -wo es sich um Kauf und Verkauf allein handelt. Das ist die Vermitt­lung auf assoziativem Weg.

Die drei Geldarten müssen in verschiedener Weise behandelt wer­den. Sie müssen so behandelt werden : Vom Schenkungsgeld, das das älteste Geld sein wird, von dem aus müssen Sie es einer Assoziation

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übergeben, das wertlose Geld wiederum in den Prozeß hineinzubrin­gen, und zwar da, wo das Naturprodukt beginnt, sich mit der Arbeit zu vereinigen, was ja eine volkswirtschaftliche Schwierigkeit gar nicht bieten kann. Also worin besteht denn nun eigentlich dasjenige, was da anders sein würde als jetzt? Ja, es besteht darinnen, daß in diesem geschlossenen Wirtschaftsgebiet, das nicht eine Volkswirtschaft ist, die an eine andere angrenzt, wo man Export und Import treiben kann, daß darin drei Gebiete entstehen in bezug auf Geld : Leihgeldgebiet, Kaufgeldgebiet, Schenkungsgeldgebiet. Und wenn irgendwo das­jenige eintritt, was sonst korrigiert werden muß von der Nachbar­schaft her durch Export und Import, so wird das jetzt korrigiert von den drei Gebieten. Richtet das Kaufgeld eine Störung an, dann fließt Geld in der entsprechenden Weise zu oder ab in die Kaufgeldsphäre, die Leihgeldsphäre - so wie sonst aus anderen Ländern - oder die Schenkungsgeldsphäre. Das regelt sich aber aus dem Grunde selber, weil, wenn Unregelmäßigkeiten auftreten - sie treten auf, sie müssen sich korrigieren : Leben kann nicht darin bestehen, daß keine Unregel­mäßigkeiten auftreten, es ist einfach eine Unregelmäßigkeit, wenn Sie den Magen vollgefüllt haben, Sie müssen es wiederum verdauen -, so müssen fortwährend Zustände entstehen, unter denen für gewisse Waren Kaufgeld zu teuer oder zu billig ist, dann fließt das billige Geld in das andere Gebiet hinein, so daß es nach der anderen Seite wiederum teurer wird als Kaufgeld. Was sonst nur durch Export und Import fortwährend korrigiert wird, korrigiert sich innerhalb des Gebietes von selber. Was man nötig hat, ist nur wirklich menschliche Vernunft. Die bringt man dadurch hinein, daß die Assoziationen dasitzen, die aus ihren Erfahrungen heraus beobachten können und nach den Be­obachtungen die entsprechenden Dinge in Wirklichkeit überführen können.

So daß man sagen kann : Es handelt sich heute wirklich darum, das Wesen des Geldes vor allen Dingen richtig zu erfassen. Dieses Wesen des Geldes, das erfaßt man einfach aus dem Grunde nicht, weil man das Geld eigentlich immer als etwas vor sich hat, dem man gar nicht ansieht, was es eigentlich ist; denn es gibt nicht Geld als solches, son­dern nur diese drei Sorten von Geld im sozialen Organismus, und noch

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dazu wird jede Sorte das, was es da ist, erst im Moment, wo es eben eintritt in den volkswirtschaftlichen Prozeß oder von einer Art des volkswirtschaftlichen Prozesses in eine andere übertritt. Es wird auch im Prozeß fortwährend verändert. Es handelt sich darum, daß man erst einmal das Geld ordentlich kennenlernt, bevor man etwas sagen kann darüber, was es für eine Rolle spielt, wenn es zum Ausdruck des Preises für etwas anderes wird. Denn es ist einfach nur dann der volkswirtschaftliche Prozeß zu durchschauen, wenn man nicht an seiner Oberfläche stehenbleibt und sich bloß anschaut, wie die Dinge an der Oberfläche ausschauen. An der Oberfläche angeschaut, ist natürlich ein Zehnfrankenstück heute ein Zehafrankenstück, ob dar-aufsteht 1910 oder 1915 oder 1920, es ist immer dasselbe Zehnfranken­stück, äußerlich angesehen, und im gewöhnlichen Kauf nimmt es sich auch so aus. Das merke ich nur, wenn ich weniger habe, da merke ich, daß der Unterschied aufgetreten ist, oder wenn die Dinge teurer ge­worden sind. Aber in diesem Wenigerhaben oder Teurergeworden­sein liegt eben das, was ich Ihnen hier gezeigt habe in dem Ältersein und Jüngersein des Geldes. Man wird also eben nicht zu sprechen haben, wenn man den volkswirtschaftlichen Prozeß durchschauen will, von teurem oder billigem Geld, oder teuren oder billigen Waren, sondern vor allen Dingen, weil das Geld das ist, womit wir den volks­wirtschaftlichen Prozeß heute bewältigen - daß die Geldsurrogate in ähnlicher Weise zu behandeln sind, davon werden wir morgen noch sprechen -, wird das Geld erst in seiner Wesenheit erkannt werden müssen. Das ist das Allerwichtigste. Da müssen wir uns schon nicht davor scheuen, unter die Oberfläche in die Tiefe hineinzudringen, um zu sehen, was da eigentlich zugrunde liegt. Und wir müssen verzichten darauf, in der Volkswirtschaft von billigem und teurem Gelde zu sprechen im Verhältnis zu den Waren, sondern wir werden uns klar sein mussen, daß im Lebensprozeß der Volkswirtschaft wir zu spre­chen haben von altem und von jungem Geld.

DREIZEHNTER VORTRAG Dornach, 5. August 1922

#G340-1965-SE185 Nationalökonomischer Kurs

#TI

DREIZEHNTER VORTRAG

Dornach, 5. August 1922

#TX

Es wird gerade, um zu verstehen, wie solche Dinge gemeint sein können, wie sie gestern besprochen worden sind, nötig sein, heute einiges einzusehen über die volkswirtschaftlichen Prozesse, welche doch auch eingreifen in volkswirtschaftliche Bewertungen, und die zeigen können, wie schwer dasjenige, was von der Seite des mensch­lichen Geistes aus geschieht, eigentlich in volkswirtschaftlichem Sinne zu bewerten ist. Ich will ein Beispiel nicht ganz fingieren, sondern es nur so gestalten, daß die Wirklichkeit, die dahinterliegt, nichts bei­trägt zu dem Werte, den für unsere Betrachtung dieses Beispiel haben kann.

Sehen Sie, es kann folgendes vorkommen: daß in einer bestimmten Zeit ein großer Dichter lebt, der nach und nach, eben schon zu seinen Lebzeiten und nach seinem Tode immer mehr, als ein großer Dichter anerkannt wird. Es kann dann einer derjenigen, die sich irgendwie rait diesem Dichter beschäftigen, sei es auch nur, sagen wir als Liebhaber dieses Dichters, auf den Gedanken kommen, sich zu sagen: In der nächsten Zeit wird von diesem Dichter noch mehr Aufhebens ge­macht werden als jetzt. Ich weiß ganz bestimmt - mindestens riskiere ich den Gedanken -, daß in einiger Zeit, sagen wir in zwanzig Jahren, von diesem Dichter noch viel mehr Aufhebens gemacht werden wird als jetzt. Ich kann sogar wissen, daß nach zwanzig Jahren für diesen Dichter, nach den Denkgewohnheiten der Zeit in der wir leben, ein Archiv gebaut werden wird, und daß in diesem Archiv die Hand­schriften dieses Dichters gesammelt werden. - Durch verschiedene Dinge, die er erfahren hat, und die er in seinem schlauen Kopf wälzt, sagt er sich: Ja, das wird geschehen. Ich beginne jetzt Autogramme, Autographen von diesem Dichter zu kaufen. Die sind außerordentlich billig, jetzt noch. - Da sitzt einmal dieser Mann zusammen mit ande­ren. Da sagt der eine: Ja, ich bin nicht besonders auf Spekulation in Werten angelegt; ich will einfach die gewöhnlichen Zinsen von mei­nen Ersparnissen haben. - Ein zweiter sagt: Na, mit den gewöhnlichen

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Zinsen will ich mich doch nicht begnügen, ich kaufe mir Papiere von diesem oder jenem Bergwerke. - Er ist schon ein spekulativerer Kopf, kauft sich also Papiere. Der dritte aber, das ist unser Mann, der sagt :

Ich kaufe mir die besten Papiere, die es jetzt gibt; ich kaufe mir ganz billige Papiere, aber ich sage euch nicht, was für Papiere ich mir kaufe - das ist nämlich noch etwas, was dazu kommt, er verrät diese Geschichte nicht -, ich kaufe mir Papiere, die aber in der nächsten Zeit am meisten steigen werden. Und er kauft sich lauter Auto­gramme des betreffenden Dichters. Und nach zwanzig Jahren verkauft er an das Archiv oder an solche, die weiter an dieses Archiv ver­kaufen, diese Papiere um das Vielfache von dem, was er ausgegeben hat. So daß er der allerspekulativste Kopf von den dreien war.

Es ist das ein durchaus realer Fall; ich will ja nur nicht die Reali­täten hier erwähnen; aber der Fall ist vorgekommen. Nun, dadurch geschah doch eine sehr bedeutsame Umlagerung auch von volkswirt­schaftlichen Werten. Und es handelt sich darum: Welches sind die Faktoren, die zu dieser Umlagerung beigetragen haben? Da ist es zunächst lediglich die denkerische Ausnützung des Umstandes, daß der betreffende Dichter in aufsteigender Schätzung war, einer Schät­zung, die sich sogar real ausgedrückt hat darinnen, daß ihm ein Archiv errichtet worden ist. Aber dazu kommt noch das - wenigstens für die Umlagerung, so daß alles in eine Hand zusammengegangen ist -, daß er die Geschichte verschwiegen hat, daß er die anderen nicht darauf aufmerksam gemacht hat und sie von selbst nicht darauf gekommen sind. Und er hat so den Riesengewinn eingesteckt.

Ich erwähne den Fall nur aus dem Grunde, weil ich Sie nun darauf aufmerksam machen möchte, wie kompliziert die Frage wird, welche Faktoren im Wertewesen ineinanderfiießen - wie schwer diese Fak­toren alle zu erfassen sind. Und vor uns muß ja die Frage nun auf­tauchen: Ist es nun ganz unmöglich, diese Faktoren in irgendeiner Weise zu fassen? - Nun, Sie werden sich sagen: Für einen großen Teil, für ein großes Stück des Lebens wird es ganz gewiß Menschen mit einem gesunden Menschenverstand in Assoziationen möglich sein, die Faktoren soweit abzuschätzen, daß sie einen gewissen zahlen­mäßigen Ausdruck finden können. Aber es wird immerhin sehr vieles,

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und zwar in der Bewertung der Dinge Ausschlaggebendes sein, das nicht in gewöhnlicher Weise mit dem gesunden Menschenverstand zu erfassen ist, wenn wir nicht nach anderen Hilfsmitteln suchen.

Wir haben gesehen, wie die Natur umgewandelt werden muß durch menschliche Arbeit, also gewissermaßen in Verbindung treten muß mit menschlicher Arbeit, wenn sie einen volkswirtschaftlichen Wert bekommen soll. Das Naturprodukt hat zunächst in einer wirtschaft­lichen Organisation, die auf Arbeitsteilung beruht, ja noch keinen eigentlichen Wert. Wenn wir uns hineindenken in das Bild, daß nun die Werte durch ein Ineinanderfügen von, sagen wir, Naturstofflich­keit und Arbeit entstehen, dann werden wir, wenn auch zunächst vielleicht nur in einer Art algebraischer Formulierung, die Möglich­keit haben, heranzukommen an das Funktionelle der Wertbildung. Wir werden uns ja leicht eine Vorstellung davon machen können, wie diese Wertbildung nicht einfach so vor sich geht, daß etwa Arbeit mit dem Naturelement zusammengefügt werden kann, daß die Arbeit verändert das Naturelement; es wird also schon eine kompliziertere Funktion da sein, als etwa eine bloße Addition sein könnte. Aber immerhin, wir werden festhalten können an dem, was wir ja schon ausgesprochen haben : Wir sehen den wirtschaftlichen Wert entstehen, wenn das Naturprodukt zunächst von der menschlichen Arbeit über­nommen wird.

Die allererste Stufe nun dieses Übernehmens des Naturproduktes von der menschlichen Arbeit ist ja die, wo unmittelbar, ich möchte sagen, auf dem Grund und Boden gearbeitet wird. Das ist ja dasjenige, was uns dazu führt, als den Ausgangspunkt für alles Wirtschaften dennoch die Bewirtschaftung des Grund und Bodens anzusehen. Diese Bewirtschaftung des Grund und Bodens ist ja die Voraussetzung für alles übrige Wirtschaften. Nun aber, wenn wir an die andere Seite des Wirtschaftens gehen - ich brauche Ihnen ja heute nicht mehr aus­einanderzusetzen, das geht aus den vorhergehenden Vorträgen ganz gewiß hervor, daß auch solche Dinge, wo jemand eine Wertumiage­rung zustande bringt, daß auch das in die wirtschaftliche Werte-bewegung hineingreift -, wie werden wir uns da verhalten müssen, wenn wir aufsuchen wollen, was sich eigentlich an so etwas ver­gleichen

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läßt mit dem anderen? Wenn wir also meinetwillen «Natur mal Arbeit» als den Wert ansehen würden, der von der einen Seite sich herbewegt, oder irgend eben eine Funktion, wie ich gleich an­fangs gesagt habe, ja, da müßten wir dazukommen, doch irgend etwas Vergleichbares dadrinnen zu finden. Den Geist mit der Natur zu vergleichen, das wird ganz ohne Zweifel nicht gehen; denn da werden Sie kaum irgendeinen Vergleichungspunkt, und ganz be­sonders nicht durch volkswirtschaftliche Erwägungen, finden, schon aus dem Grunde, weil da ja etwas außerordentlich Subjektives ein­fließt.

Denken Sie sich eine einfache Dorfwirtschaft, die meinetwillen ab­geschlossen in sich ist. Solche konnte man ja, wenigstens zum Teil, durchaus erleben. Eine solche wird bestehen in demjenigen, was er­zeugt wird - sagen wir, wir denken uns weg selbst den Markt und die Stadt - von den Bauern, von den Bodenbearbeitern, von einzelnen Gewerbetreibenden, die die Leute kleiden und so weiter, von einigen anderen Gewerbetreibenden, im wesentlichen gar nicht eigentlich von besonderen Proletariern - die werden noch gar nicht da sein, aber darauf brauchen wir ja bei dieser Art von Denkungsweise zunächst nicht unsere Aufmerksamkeit zu verwenden, denn dasjenige, was für sie in Betracht kommt, wird uns ja bei der weiteren Verfolgung auf­fallen können. Dann wird in dieser Dorfwirtschaft da sein der Lehrer, der Pfarrer, oder ein paar Lehrer, ein paar Pfarrer; die werden, wenn wir eine reine Dorfwirtschaft haben, leben müssen aus dem, was die anderen ihnen von dem Ihrigen abgeben. Und was sich an freiem Geistesleben entwickelt, wird sich im wesentlichen abspielen müssen zwischen den Pfarrern und Lehrern - eventuell wird noch dazu­kommen der Gemeindeverwalter -, aber da, zwischen diesen Leuten wird sich im wesentlichen das freie Geistesleben abspielen. Und wir werden uns fragen müssen : Wie kommen wir denn nun eigentlich zu einer Bewertung in diesem einfachen wirtschaftlichen Kreislauf?

Viel anderes freies Geistesleben wird nicht da sein. Man kann sich nicht gut vorstellen, daß da ein Romanschriftsteller entsteht im Lehrer oder Pfarrer; denn wenn die Dorfwirtschaft in sich geschlossen ist, dann wird er kaum viel verkaufen können. Wir würden ja nur darauf

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rechnen können, daß ein Romanschriftsteller irgend etwas wird ver­dienen können, wenn er in gleicher Zeit imstande wäre, den Bauern und Schneidern und Schustern eine besondere Neugierde auf seine Romane beizubringen. Da würde er ja in der Tat sogleich eine kleine Industrie ins Leben rufen können, nicht wahr? Das würde zwar außer­ordentlich teuer zu stehen kommen. Aber jedenfalls können wir uns nicht vorstellen, daß das ohne weiteres in dieser kleinen Dorfwirt­schaft da sein würde. Wir sehen also, daß das freie Geistesleben erst auf gewisse Bedingungen warten muß. Aber wir können uns vielleicht vorstellen, wie eigentlich nun dadurch, daß überhaupt Pfarrer und Lehrer und ein Gemeindeverwalter da sind, die Bewertung desjenigen zustande kommt, was diese Geistesarbeiter - denn im volkswirtschaft­lichen Sinne sind sie ja Geistesarbeiter - leisten.

Was ist die Voraussetzung, daß diese Geistesarbeiter überhaupt in dem Dorfe leben können? Die Voraussetzung ist, daß die Leute ihre Kinder in die Schule schicken und daß sie ein religiöses Bedürfnis haben. Geistige Bedürfnisse sind die Grundvoraussetzung. Ohne diese wären überhaupt selbst diese Geistesarbeiter nicht da. Und nun werden wir uns zu fragen haben : Wie werden denn diese Geistesarbeiter nun ihrerseits ihre Produkte, sagen wir, die Kanzelrede - denn im volks­wirtschaftlichen Sinne sind auch die volkswirtschaftlich zu begreifen -und den Schulunterricht, wie werden sie denn diese volkswirtschaft­lich bewerten? Wie wird sich das volkswirtschaftlich bewerten in der ganzen Zirkulation? Das ist eine Fundamentalfrage.

Ja, wie sich das bewertet, darauf kommen wir nur, wenn wir uns zunächst recht anschaulich machen : Was müssen denn die anderen Leute tun? Sie müssen körperliche Arbeit leisten. Dadurch rufen sie volkswirtschaftliche Werte hervor, daß sie körperliche Arbeit leisten. Wenn kein Bedürfnis vorhanden wäre nach Kanzelreden und nach Schulunterricht, so würden auch die Pfarrer und die Lehrer eben körperlich arbeiten müssen, dann würden alle körperlich arbeiten, und es würde das Geistesleben überhaupt wegfallen. Da hätten wir natür­lich nicht zu sprechen von einer Bewertung der geistigen Leistungen. Zu dieser Bewertung kommen wir, wenn wir darauf hinschauen, daß ja eben gerade dieses körperliche Arbeiten den Pfarrern und den

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Lehrern erspart werden muß; denn wollen die ihre nun immerhin auch begehrte Arbeit leisten, so muß ihnen die körperliche Arbeit abgenommen werden. So daß da wirklich etwas, was nun wenigstens wiederum im allgemeinen Sinn zu erfassen ist, in den Gedankengang eingeführt werden kann. Denn nehmen wir an, es ist nur Bedürfnis vorhanden für halbe Predigten und halben Schulunterricht - also für eine halbe Predigt eines Pfarrers und den halben Unterricht eines Lehrers -, was würde da eintreten müssen? Da man nicht einen halben Pfarrer und einen halben Lehrer anstellen kann, so werden Pfarrer und Lehrer eine gewisse Zeit anwenden müssen, um nun auch körperlich zu arbeiten. Und die Bewertung, die wird eintreten müssen für diese beiden, wird sich also danach ergeben, wieviel sie körperliche Arbeit ersparen können. Das gibt den Maßstab für die Bewertung ihrer Arbeit. Der eine gibt körperliche Arbeit hin, der andere erspart sie, und er bewertet seine geistige Leistung danach, wieviel er mit dieser Geistesleistung körperliche Arbeit erspart. Da haben Sie auf den zwei verschiedenen Feldern des wirtschaftlichen Lebens, wenn wir eben volkswirtschaftlich die Sache durchdenken, daß für uns eine Kanzel-rede auch volkswirtschaftlichen Wert haben muß, da haben Sie das, was uns darauf hinweist, wie die den volkswirtschaftlichen Wert be­kommt. Sie bekommt ihn dadurch, daß Arbeit erspart wird, während auf der anderen Seite Arbeit aufgewendet werden muß.

Das geht aber durch das ganze Geistesleben hindurch. Was bedeutet es im volkswirtschaftlichen Sinn, wenn einer ein Bild malt, an dem er meinetwillen auch zehn Jahre lang malt? Das bedeutet, daß das Bild für ihn dadurch einen Wert bekommt, daß er nun wieder zehn Jahre lang an einem Bilde malen kann. Das kann er aber nicht anders, als daß er für zehn Jahre die körperliche Arbeit erspart. Das Bild wird so vie] wert werden müssen, als körperliche Arbeit an anderen Produkten in zehn Jahren leistet. Und wenn Sie selbst solche komplizierten Fälle nehmen, wie der, den ich heute am Anfang der Stunde auseinander­gesetzt habe, so bekommen Sie dennoch dasselbe heraus. Da, wo es sich um geistige Leistungen handelt, bekommen wir überall, wenn wir den Wertbegriff finden wollen, den anderen Begriff, den Begriff der ersparten Arbeit, der Arbeit, die man erspart.

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Das war der große Fehler der Marxisten, daß sie die ganze Sache nur von der körperlichen Seite her angeschaut haben und davon ge­redet haben, daß man im Kapital zu sehen habe kristallisierte Arbeit, ein Produkt, mit dem Arbeit verbunden ist. Wenn einer ein Bild malt :

der Geist, den er hineinmalt durch zehn Jahre, der ist allerdings ver­bunden damit; aber das können höchstens die berechnen, die da glau­ben, der Geist sei umgesetzte innerliche menschliche Arbeit. Das ist Unsinn. Das Geistige läßt sich nicht ohne weiteres vergleichen mit dem Natürlichen. Aber hier handelt es sich nicht darum, wenn ich eine geistige Leistung vollziehe, daß darinnen irgendwie Arbeit auf-gespeichert ist. Die Arbeit, die aufgespeichert ist, ist volkswirtschaft­lich nicht zu erfassen. Die kann als körperliche Arbeit sehr gering sein. Und was als körperliche Arbeit in Betracht kommt, fällt unter den anderen Begriff der körperlichen Arbeit. Was der Leistung Wert erteilt, ist die Arbeit, die ich nunmehr mit ihr ersparen kann.

So also bekommt man auf der einen Seite des volkswirtschaftlichen Prozesses die wertebildende Kraft dadurch, daß Arbeit herbeigeschafft wird, an das Produkt gebracht wird, an das Produkt gewendet wird -das Produkt zieht die Arbeit an. Auf der anderen Seite strahlt das Produkt die Arbeit aus, bewirkt die Arbeit; der Wert ist ursprünglich da, der bewirkt die Arbeit.

Dadurch aber sind wir in der Lage - weil wir ein Vergleichbares nun darinnen haben, nämlich Arbeit in einem Fall und Arbeit im andern Fall -, sind wir in der Lage, überhaupt die Dinge miteinander in der Realität in Beziehung zu bringen. Wenn wir sagen können das eine Mal : der Wert ist gleich «Natur mal Arbeit», w = n * a, so müssen wir im anderen Falle sagen : «Geist minus Arbeit», w = g - a. Es ist genau entgegengesetzt gerichtet. Körperliche Arbeit hat nur einen Sinn, wenn derjenige, der sie in die Volkswirtschaft einfügen will, sie von sich aus aufwendet. Was im Geistigen mit der Leistung in Be­ziehung tritt, ist eine Arbeit, die dem einen von dem andern getan wird - ist also tatsächlich das, was im negativen Sinn in den volks­wirtschaftlichen Prozeß hineingefügt werden muß.

Es ist sehr merkwürdig : Wenn man die Geschichte der Volkswirt­schaftslehre verfolgt, dann findet man überall eigentlich die Dinge, die

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richtig sind, aber im Grunde genommen nur auf einem Partialgebiet. Sie haben gewisse Volkswirtschaftslehrer, die eben durchaus der Mei­nung sind : Arbeit verleiht den Dingen einen Wert - Smithsche Schule, Marxistische Schule und so weiter. Aber Sie haben auch andere Schulen, die die andere Definition haben, die nun wiederum für ein gewisses Gebiet richtig ist, daß etwas zum Kapital wird, zum Wert-ausgangspunkt dadurch, daß es Arbeit erspart. Beides ist richtig. Nur gilt das eine für alles dasjenige, was mit der Natur, mit Grund und Boden irgendwie zusammenhängt; das andere gilt für dasjenige, was mit dem Geist irgendwie zusammenhängt. Zwischen beiden Extremen liegt nun ein Drittes dazwischen drinnen. Wir können sagen : Ganz reinlich ist eigentlich keines dieser Extreme vorhanden, sondern nur annähernd; denn schließlich ist schon geistige Arbeit darinnen, wenn von zwei Brombeerensammlern - nicht wahr, Brombeersammeln be­kommt auch nur wirtschaftlichen Wert dadurch, daß die Sammler hingehen und Arbeit leisten -, wenn von zwei Brombeerpflückern der eine unschlau ist und sich an Stellen, wo wenig Brombeeren wachsen, Arbeit macht; dann haben seine Brombeeren einen geringeren Wert, weil das gleiche Quantum nur ebenso teuer bezahlt wird wie beim andern, der sich ein gut mit Brombeeren bewachsenes Gebiet aus-sucht und der daher mehr erzielt. Also es ist nirgends die Sache in Reinkultur vorhanden. Schon beim Brombeerpflücken ist geistige Arbeit - man sollte sie nicht so nennen -, denn die Kombinations­arbeit ist wertebildend ebenso wie bei Autographensammiern, um­lagernd wertebildend wenigstens.

So daß wir also sagen können : Es ist schon so, daß wir in der einen Richtung die Arbeit haben und in der andern Richtung auch die Arbeit haben. Dadurch aber bekommen wir die Möglichkeit, über­haupt die volkswirtschaftlichen Werte irgend zu vergleichen. Dieses Vergleichen, das macht aber nun der volkswirtschaftliche Prozeß eben selber. Man kann ihn nur in einer gewissen Weise in die Vernunft heraufheben. Wie ja alles, was ich sage in diesen Tagen, darin besteht, daß gewisse instinktive Prozesse in die Vernunft heraufgehoben werden.

Also wie gesagt, in Reinkultur haben wir nichts von diesem. Auf

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der anderen Seite haben wir immer, auch wenn der Maler noch so viel kombiniert und durch sein Kombinieren und meinetwillen durch hell­seherische Kraft, die sich überhaupt nun gar nicht irgendwie fassen läßt auf volkswirtschaftlichem Feld, wenn er nun überhaupt nur irgend etwas, was in der Volkswirtschaft in Betracht kommt, schaffen will, so muß er auch ein Stückchen Arbeit darauf verwenden. Es kann sein großes Genie gestatten, daß er ein furchtbarer Faulpelz ist, aber ab und zu wird er doch den Pinsel in die Hand nehmen müssen. Also, etwas Arbeit wird auch bei ihm aufgewendet werden müssen, wie etwas kombinatorische Kraft selbst beim Brombeerenpflücken. Wir können die Dinge, die in der Wirklichkeit spielen, quantitativ nicht reinlich erfassen, sondern wir müssen sie im Geschehen erfassen. Und dadurch können wir sie eigentlich nur festhalten mit unseren Begriffen, wenn wir uns bewußt werden, daß diese Begriffe in fortwährender Be­wegung sind.

Zwischen diesen beiden drinnen liegt aber das, wo deutlicher wahr­zunehmen ist, wie in der Tat unmittelbar im Betriebe ineinander-wirken körperliche Arbeit und geistige Arbeit, wo es hin- und her-geht. Ich möchte sagen : Wie in irgendeiner Maschme eine Steuerung meinetwillen hin- und hergeht, so geht hin und her im Betriebe :

körperliche Arbeit hin und geistige Arbeit zurück. Und dann wird es sich eben darum handeln, daß wir in dem gegenseitigen realen Sich-Entgegenarbeiten von beiden Seiten dasjenige haben, was nun als Drittes zwischen diesen beiden im volkswirtschaftlichen Prozeß drin­nen spielt, das heißt mit anderen Worten : Wenn einer körperlich eben arbeiten muß und ihm durch seine geistige Kombinationsfähigkeit die körperliche Arbeit zum Teil erspart wird, also wenn er beides zu­sammen tut, was ja eigentlich der reale Fall immer ist. Aber dieser reale Fall, der nähert sich eben einmal mehr der ersten Formel :

w = n * a, und einmal mehr der zweiten Formel : w = g- a. Es wäre das, was in der zweiten Formel ist, eigentlich im Grunde genommen ja nur erfüllt, wenn irgend jemand unter die Konsumenten gehen würde, der bloß durch Geistiges sich Arbeit ersparen würde. Das könnte aber nur sein jemand, der in erwachsenem Zustand auf der Erde geboren würde.

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Nun sehen Sie daraus, daß es schon möglich ist, auch von diesem Gesichtspunkt der Bewertung des Naturhaften auf der einen Seite und des Geisthaften auf der anderen Seite in den volkswirtschaftlichen Prozeß hineinzuschauen. Und wir bekommen dann daraus die Mög­lichkeit, uns zu sagen : Da, wo Positives und Negatives ineinander-wirken, da muß irgendein mittlerer Zustand herauskommen. Es kann das Positive überwiegen und es kann das Negative überwiegen. Nun nehmen wir einmal das Überwiegen des Positiven an. In dem Fall bei der Dorfwirtschaft wird nun ganz gewiß das Positive überwiegen; denn es wird ganz gewiß für mehr als für die allernotdürftigste Geistesarbeit in dieser Wirtschaft ja nicht ein ausgiebiges Interesse sein; aber je weiter sich das Leben kompliziert, oder - wie man auch auf sentimentale Art sich ausdrückt - je weiter die Kultur fort­schreitet, desto höher wird ja im allgemeinen, wie Sie empirisch wissen, das geistige Leisten bewertet. Das heißt, um so mehr wird Arbeit erspart, um so mehr also wirkt ein Negatives entgegen dem Positiven. Bedenken Sie, daß man damit, indem man die Sachen so charakterisiert, in der Tat einen realen Prozeß ergreift. Hier handelt es sich ja nicht darum, daß körperliche Arbeit auf der einen Seite auf­gewendet und auf der andern etwa vernichtet wird - das würde ja keinen realen Prozeß im volkswirtschaftlichen Sinne bedeuten, son­dern höchstens einen Naturprozeß bedeuten können -, sondern hier handelt es sich darum, daß alle körperliche Arbeit, die verrichtet wird, eben durchaus wertebildend auftritt, daß von ihr nichts vernichtet wird, daß dasjenige, was entgegenwirkt, die Arbeitsersparung, daß diese nur zahlenmäßig entgegenwirkt, also den Wert der körperlichen Arbeit lediglich zahlenmäßig beeinflußt. Aber indem es zahlenmäßig beeinflußt, kommen wir überhaupt dazu, eine Möglichkeit zu haben, dasjenige, was da eigentlich geschieht, irgendwie auch real aus­zudrücken. Es sind also tätig die körperlichen Arbeiter, sind tätig die geistigen Menschen, und in demjenigen, was geleistet wird, handelt es sich einmal um positiv aufgewendete Arbeit, das andere Mal um eine solche Arbeit, die eigentlich eine Arbeitsersparnis bedeutet. Da­durch wird erst die endgültige Bewertung hervorgerufen.

Also ich möchte sagen : Es wird dadurch die Benanntheit der

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Sachen gewonnen und das Erfassen im Zalilennaäßigen eben erst mög­lich gemacht, dadurch, daß dieselbe Sache von zwei Seiten herkommt und nur die Bewertung verändert wird. Wenn also, wie gesagt, die Kultur fortschreitet, dann gewinnt die geistige Betätigung immer mehr und mehr an Bedeutung. Das aber bewirkt, daß die körperliche Arbeit von da ab mit einer geringeren Kraft in die Bewertung hinein-wirkt. Also körperliche Kraft wird aufgewendet, muß sogar auch im Fortschreiten immer mehr aufgewendet werden. Es muß ja mit fort­schreitender Kultur auch die Bodenkultur fruchtbarer gemacht wer­den. Es muß da mehr gearbeitet werden im positiven Sinn. Aber die Kraft des Bewertens, die wird eigentlich der körperlichen Arbeit ge­nommen, kann ihr aber nur genommen werden, wenn von dem Ver­richter dieser körperlichen Arbeit immer mehr und mehr das Be­dürfnis aufgebracht wird nach demjenigen, was geistig zu leisten ist. So daß hier wiederum durchaus ein Menschliches hineinspielt in die Volkswirtschaft. Sie können das Menschliche, das da hineinspielt, gar nicht umgehen; aber dieses Menschliche, das da hineinspielt, das ist etwas, was mit dem fortschreitenden Geistesleben auch wiederum als eine objektive Notwendigkeit heraufkommt.

Es ist ja richtig, daß zunächst, wenn im Dorfe nur der Pfarrer und der Lehrer sein werden, daß dann nicht viel Geistesleben sein wird; aber nehmen wir an, es sind zwei Dörfer : in dem einen Dorf, da sind Pfarrer und Lehrer recht mäßige Menschen. Nun, da wird es so fort­gehen, wie es ist. In dem anderen Dorfe ist der Pfarrer oder der Lehrer oder sind beide ausgezeichnete Leute. Die werden allerlei geistige Interessen erregen können in der nächsten Generation, und es liegt vielleicht sogar in ihrer Hand, für die nächste Generation irgendeine geistig produzierende Persönlichkeit noch als dritte in ihrem Bund im Dorfe ansässig zu machen. Das Geistige hat durchaus in dieser Be­ziehung eine sich auswirkende Kraft, die nun wiederum in die Volks­wirtschaft hineinwirkt. Aber was bedeutet denn der ganze Prozeß? Der ganze Prozeß bedeutet ja im Grunde genommen eben nichts anderes als : Es wird dasjenige, was im rein materiellen volkswirt­schaftlichen Wirken als Arbeit, also als wertebildende Kraft in der Arbeit, geradezu einen unendlich großen Wert hat, das wird immer

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mehr und mehr von demjenigen, was ihm entgegenkommt - ent-wertet kann ich nicht sagen, aber es wird immer mehr und mehr zahlenmäßig auf ein Geringeres heruntergeführt, so daß in dem Zu­sammenwirken zwischen alldem, was Bearbeitung des Bodenmäßigen ist, und demjenigen, was von der geistigen Seite her geschieht, daß in diesem Zusammenwirken etwas liegt, was sich in einem gewissen Sinne volkswirtschaftlich gegenseitig kompensiert. Und eine gewisse Kompensation wird einzig und allein das Richtige sein.

Nun treten ja auch da wiederum recht komplizierte Verhältnisse auf; denn es kann sich durchaus herausstellen, daß irgendwo zu viele geistig Produzierende sind, das heißt, daß eben eine zu starke arbeit­ersparende Kraft entgegenwirkt. Dann bekommen wir einen nega­tiven Wert heraus, dann können die Leute alle zusammen nicht leben, wenn sie sich nicht gegenseitig aufzehren. So daß wir darin, in dieser Kompensation, die da vorhanden ist, eine gewisse Grenze haben. Diese Grenze ist aber darinnen gegeben, daß für ein jedes volkswirt­schaftliche Gebiet einfach ein durch die Natur der Sache gegebenes Bilanzverhältnis besteht zwischen der Bodenproduktior auf der einen Seite und der geistigen Produktion auf der anderen Seite.

Und ehe nicht dies in der Volkswirtschaftslehre berücksichtigt wird, wie sich verhält die Bodenproduktion, im weitesten Sinn natürlich, zu der geistigen Produktion, ehe nicht dieses Problem, das ja fast gar nicht in Angriff genommen ist, ganz ernsthaft in Angriff genommen wird, eher können wir eine den heutigen Notwendigkeiten ent­sprechende Volkswirtschaftslehre überhaupt nicht bekommen.

Da ist schon notwendig, daß nun vor allen Dingen solche Arbeiten gemacht werden, welche aus Daten heraus arbeiten, aus denen man sich überzeugen kann, in welcher Weise, ohne daß Unredlichkeit und Agitation dabei wirkt, sagen wir, irgendein Gebiet dadurch in volks­wirtschaftliche Ungesundheit hineinkommt, daß zu viele geistig Tätige vorhanden sind. Und welche Kraft des sich Weiterkultivierens ein solches Gebiet hat, in dem diese Grenze, von der ich eben gesprochen habe, noch nicht erreicht ist. Denn nur so lange ist Fortschritt möglich auf einem bestimmten Gebiete, als diese Grenze, die durch die Kom­pensation gegeben ist, noch nicht erreicht ist. Da wird es sich darum

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handeln, daß zunächst aufgesucht werden die Elemente, die heute noch vorhanden sind von geschlossenen Wirtschaften - Teile sind ja überall vorhanden, wir gehen langsam in die Weltwirtschaft hinein -, daß die Elemente aufgesucht werden, wo noch geschlossene Wirtschaften für irgendein Gebiet da sind, und daß gewissermaßen der gesamte Wohl­stand untersucht werde für die Gebiete, wo verhältnismäßig wenig Dichter und Maler und schlaue Industrielle und so weiter leben und sehr viel Landwirtschaft oder anderes mit dem Boden Zusammen­hängendes noch ist, und daß andere Gebiete untersucht werden, in denen das Umgekehrte der Fall ist. So müssen wir da empirisch heraus-arbeiten aus dem, was uns erreichbar ist, gewisse Gesetzmäßigkeiten, die sich ergeben für eine theoretische Herausarbeitung einer Bilanz zwischen Landwirtschaft, Landbearbeitung im weiteren Sinn und geistiger Wirksamkeit im anderen Sinn. Das wird tatsächlich not­wendig sein, daß man einmal einfach für irgendein Gebiet sich so die mittleren Geistesarbeiter herausnimmt, die nicht gerade die ganze Bilanz fälschen, und auf der anderen Seite auch die mittleren physi­schen Arbeiter herausnimmt, und daß man die Dinge bilanziert, um herauszubekommen, wie das eine kompensierend auf das andere wirkt.

Hier liegt nämlich ein Punkt, der von einer ganz großen Wichtig­keit ist für denjenigen, der heute irgendwie etwas beitragen will zu einer Weiterführung der Volkswirtschaftslehre; denn es ist schon tat­sächlich so, daß dieses Problem, das allem Nachdenken über Preis und Wert zugrunde liegen muß, kaum heute irgendwie richtig gesehen wird.

Zu einigen von Ihnen habe ich schon gestern gesagt : Die Leute im volkswirtschaftlichen Denken lassen sich immer dazu verführen, par­tiell zu denken, nicht total zu denken. - Spengler hat ganz gewiß im zweiten Band seines «Untergangs des Abendlandes» ganz aus­gezeichnete volkswirtschaftliche Aperçus am Schlusse; aber der Mann verdirbt sich seine glänzenden Aperçus dadurch, daß er nicht dazu kommen kann, dasjenige, was er geschichtlich bis zu einem gewissen Grade überblickt, ins gegenwärtige Volkswirtschaftliche umzudenken. Er weist in außerordentlich gutem Sinne hin darauf, wie in der antiken Wirtschaft noch überwiegend war jenes Wirtschaften, das aus dem

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Boden heraus kommt, und wie heute überwiegend ist das Wirtschaften, das in einem Denken in Geld besteht, das also eigentlich geistige Arbeit ist; aber er sieht nicht, daß das, was er geschichtlich feststellt, zwei Stadien des Wirtschaftens sind, die auch heute noch neben­einander stehen, die nicht geschichtlich einander, das eine das andere, abgelöst haben, die noch heute nebeneinander stehen, so wie heute im Fortgeschrittensten das Primitive drinnen ist. Wir finden draußen frei, nicht wahr, die Amöben, die einfach herumkriechen, und wir finden diese selben in unserem eigenen Blut in den weißen Blutkörperchen. Dasjenige, was geschichtlich auch in der Natur vorhanden ist, steht heute nebeneinander - so auch in der Volkswirtschaft. Die verschieden­sten Verhältnisse stehen nebeneinander. Manchmal ist es sogar so, daß in bezug auf dasjenige, was in einer, sagen wir, kultivierten Wirtschaft ist, gerade das Höchstkultivierte zurückkehrt zum Primitivsten, so daß man tatsächlich sagen kann : Werte, die dadurch geschaffen werden, daß man in einer Hochkultur lebt, die kehren in einer gewissen Weise zum Tauschhandel zurück, indem gewissermaßen diejenigen, die da sich ihre Arbeitsersparnisse schaffen, sich diese Arbeitsersparnisse tat­sächlich gegenseitig unter Umständen austauschen, um untereinander einem gewissen Bedürfnis zu entsprechen. - Das kommt durchaus vor, so daß wir oftmals auf der höchstentwickelten Stufe gerade für das Höchste die primitivsten Verrichtungen wiederum finden.

Das wollte ich heute einfügen, damit ich Ihnen morgen noch wenig­stens einen notdürftigen Abschluß geben kann.

VIERZEHNTER VORTRAG Dornach, 6. August 1922

#G340-1965-SE199 Nationalökonomischer Kurs

#TI

VIERZEHNTER VORTRAG

Dornach, 6. August 1922

#TX

Sie werden aus den Betrachtungen, die wir in dieser Zeit angestellt haben, gesehen haben, daß es sich hier wirklich darum handelt, Be­griffe zu finden, Bilder, besser gesagt, über das wirtschaftliche Leben, durch die man nun tatsächlich in dieses wirtschaftliche Leben unter-tauchen kann. Es ist ja durchaus auf keinem der Gebiete, die innerhalb der anthroposophischen Bewegung heute getrieben werden und an deren Betreibung ich mich beteilige, etwa meine Überzeugung, daß alles kurz und klein geschlagen werden sollte, was an wissenschaft­lichen Ergebnissen da ist; sondern es ist meine Überzeugung, daß wir innerhalb unserer Wissenschaften selbst vieles weitausgedehntes Brauchbare haben, daß nur die Handhabung dieses Brauchbaren, so­wohl in der Naturwissenschaft wie auch in den Kulturwissenschaften, eine wesentliche Weiterentwickelung erfordert. Und so wollte ich Ihnen denn hauptsächlich solche Begriffsbilder geben, welche Ihnen Anhaltspunkte bieten können, dasjenige, was ja auch in der Wirt­schaftswissenschaft immerhin Brauchbares, in weitem UmfangBrauch­bares da ist, das in der richtigen Weise zu gebrauchen. Deshalb gab ich solche Bilder, welche unmittelbar lebendig sein sollten. Das Lebendige aber - machen Sie sich das nur ganz klar! - ist immer ein Vieldeutiges. Daher wird mancher von Ihnen aus diesen Betrach­tungen vielleicht weggehen können mit dem Gefühl, gegen das eine oder das andere sei dieses oder jenes einzuwenden. Ich bin in einem gewissen Sinne, wenn das mit einem wirklichen Forscherernst und Forschergeist geschieht, froh, wenn dieses Gefühl vorhanden ist; denn dieses Gefühl muß dem Lebendigen gegenüber immer vorhanden sein. Das Lebendige duldet keine dogmatische Theorie. Und so müssen Sie auch die Begriffsbilder, die ich gegeben habe, auffassen.

Ein, ich möchte sagen, außerordentlich vieldeutiges Begriffsbild ist ja das des altwerdenden oder sich abnützenden Geldes. Aber mit solchen Begriffsbildern verhält es sich so, daß man ihnen gegenüber so zu stehen hat, wie man etwa, sagen wir, einem werdenden Menschen

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gegenübersteht. Man hat das allgemeine Gefühi : der wird dieses oder jenes Tüchtige leisten können. Man kann dann vielleicht sich Vorstellungen darüber machen, wie er das leistet. Diese Vorstellungen aber, wie er es leistet, die brauchen ja nicht immer zutreffend zu sein. Der Betreffende kann das auf andere Weise leisten. Und so können Sie auch unter Umständen für den Begriff des sich abnützenden Geldes verschiedene Modalitäten finden, wie diese Abnützung des Geldes geschehen kann. Ich versuchte denjenigen Modus vor Sie hinzu-stellen, der sozusagen am wenigsten aus dem Bürokratischen heraus gedacht ist, der mehr so gedacht ist, daß er sich aus dem Wirtschafts­leben selbst heraus ergibt.

Einwendungen über Einwendungen mögen da kommen. Ich will Sie aufmerksam darauf machen, wie man ja sehr leicht einwenden kann : Ja, wodurch sollte es denn bestimmt werden, daß zum Beispiel irgendein Unternehmer gerade junges Geld in seine Unternehmungen hineinstecken sollte, da man ja vielleicht in kurzer Zeit nicht mehr wissen kann, ob das junges Geld war oder nicht; denn der Betrieb geht eben fort. Ja, da müssen Sie aber wiederum bedenken, daß der das Geld ja nicht aus der Luft nimmt, sondern von jemand leiht, borgt. Und da Sie aus meinen «Kernpunkten der sozialen Frage» sehen, daß ich nicht der Überzeugung bin, daß der Zins als solcher wegfallen muß von dem Geld, das Wert hat, sondern bis zu einem gewissen Grade eben notwendig ist im wirtschaftlichen Leben, so werden Sie sich sagen : Ja, wie soll ich als Unternehmer von den Leu­ten, die mir Geld leihen sollen, Geld bekommen, wenn ich ihnen nur für eine ungeheuer kurze Zeit Zins bezahlen würde? Die Leute werden mir Geld geben so, daß der Modus bestehen kann, daß sie mögllchst lange aus meinem Unternehmen heraus ihre Zinsen bekommen. - Sie werden dann vielleicht finden, daß das noch gar nicht genügt, in der Weise das Geld alt werden zu lassen. Ja, dann können Sie über den Modus weiter nachdenken, daß man vielleicht für Geld, das heute aus­gegeben worden ist, nicht die heutige Jahreszahi darauf schreibt, son­dern eine künftige, so daß es bis dahin einen zunehmenden und dann erst einen abnehmenden Wert hat.

Kurz, dasjenige, was lebt, kann in der verschiedensten Weise sich

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verwirklichen. Daher ist in dem Momente, wo man lebendig selber hinstellt die Möglichkeit, sofort gegeben, daß diese in der verschieden­sten Weise sich verwirklicht; wie ja auch ein Mensch in der ver­schiedensten Weise seine Tüchtigkeit anwenden kann. Das ist das Wesenhafte des nicht dogmatischen Begriffs. Aber wenn Sie solche Begriffe zu den Ihrigen machen, insbesondere in der Volkswirtschafts­wissenschaft, dann werden Sie erst sehen, wie die Dinge ins Leben hineingreifen und wie Sie erst auf einer solchen Grundlage das brau­chen können, was ja immerhin aus partiellen Beobachtungen in der sogenannten Nationalökonomie heute da ist.

Nehmen Sie zum Beispiel die Auseinandersetzungen über den Preis, so werden Sie finden, daß da Ihnen gesagt wird, die Bedingungen der Preishöhe auf der Seite des Verkäufers seien diese : welches sein Geld-bedarf ist, welchen Wert das Geld hat, welche Produktionskosten aufgebracht werden sollen und welche Konkurrenz von Seite der Käufer eben da ist. Wenn Sie aber dann diese Begriffe analysieren, so werden Sie überall finden, daß Sie zwar ganz richtig über diese Begriffe nachdenken können, daß Sie aber mit diesen Begriffen nicht in die wirtschaftliche Wirklichkeit hineinkommen können, aus dem ein­fachen Grunde, weil Sie sich ja erst fragen müssen : Ja, ist es denn auch ein wirtschaftlich gesunder Zustand, wenn gerade ein bestimmter Unternehmer zu einer bestimmten Zeit Geldbedarf hat und dadurch nach einer bestimmten Strömung hin, nach seinem Geldbedarf, die Preise sinken oder steigen, ist auch das, was man den Gebrauchswert des Geldes nennen kann, etwas, was in gesunder Weise wirken kann? -Beides kann in gesunder und krankhafter Weise wirken. Und wieder­um, wenn Sie an die Produktionskosten denken, so kann es wün­schenswert sein, zur Herstellung eines gesunden Preises nicht nach­zudenken, wie sich die Preise stellen, wenn man die Produktions­kosten als etwas Absolutes ansieht, sondern nachzudenken, wie die Produktionskosten für einen Anikel vermindert werden müßten, wenn er auf dem Markt einen gesunden Preis haben soll. Also es handelt sich darum, daß Sie solche Begriffe haben, die nun wirklich an ihrem Anfang anfangen können. Geradesowenig wie Sie einen lebendigen Menschen anfangen lassen zu leben in seinem fünfundzwanzigsten

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Lebensjahre, ebensowenig sollte man Begriffe, die ins Leben hinein­spielen, beliebig wo anfangen lassen. Man sollte nicht volkswirtschaft­liche Begriffe bloß, sagen wir, bei der Konkurrenz der Käufer oder Verkäufer anfangen lassen; denn es handelt sich darum, ob unter gewissen Voraussetzungen nicht gerade das der prinzipielle wirtschaft­liche Fehler ist, daß eine übertriebene Konkurrenz der Verkäufer oder auch der Käufer da ist. Das sind die Dinge, die man gerade bei dem Prinzipiellen ungeheuer stark berücksichtigen muß.

Und ganz abgesehen davon, ob der eine das eine oder andere für richtig findet in den Auseinandersetzungen, die wir gepflogen haben :

das ist angestrebt durch die ganze Folge der Betrachtungen hindurch, daß die Begriffe lebendige sind. Die zeigen dann schon selbst im ge­gebenen Falle, wo man sie modifizieren muß. Es handelt sich darum, daß wir auf den Pfad dieser lebendigen Begriffe gebracht werden. Und so können wir uns sagen : Wenn wir auf der einen Seite haben das sich abnützende Geld, das heißt das altwerdende Geld, so versuchte ich eben gerade dadurch, daß das Geld in Zirkulation kommt und als Kaufgeld, Leihgeld und Schenkungsgeld figuriert, gerade durch diese besonderen Eigentümlichkeiten des Geldes versuchte ich zu zeigen, wie, wenn es in ungehinderter, rein wirtschaftlicher Weise funktio­niert, dadurch von selber, einfach durch die dann entstehenden Be­dürfnisse, an der einen Stelle das Bedürfnis nach jungem Geld und an der anderen Stelle das Bedürfnis nach altem Geld entstehen wird.

Das alles müßte ich natürlich nun wochenlang ausbauen können, so würden Sie sehen, daß es sich restlos in eine gesunde National­ökonomie einfügt, und wenn irgendwo eine Krankheit im wirtschaft­lichen Körper auftritt, würde man sehen, daß gerade durch die Be­obachtung dieser Dinge die Sache geheilt werden kann.

Nun, was entsteht dann aber eigentlich, wenn wir uns in dieser Weise denken, daß wir in dem zirkulierenden Geld wirklich eine Art Abbild haben von dem, was in den verschiedensten Gebrauchswaren -denn geistige Leistungen sind ja auch Gebrauchswaren im wirtschaft­lichen Sinn - nun eben auch abnützbar ist? In dem sich abnützenden Geld haben wir die Parallelströmung zu den sich abnützenden Waren, Gütern, Werten, also Sachwerten. Was haben wir also eigentlich, wenn

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wir - wir können es gleich auf die ganze Weltwirtschaft ausdehnen -nun diesen Parallelismus von Zeichenwert und Sachwert überschauen? Wir haben eigentlich im Grunde genommen dasjenige, was man die über die ganze Weltwirtschaft ausgedehnte Buchführung, Buchhaltung nennen könnte. Es ist die Weltbuchhaltung; denn die Handlung, die ausgeführt wird, wenn irgendein Posten hinüber- oder herübergeht, bedeutet eben nichts anderes als das Hinschreiben eines Postens an einen anderen Ort. Das aber wird im Realen vollzogen dadurch, daß eben Geld und Ware von einer Hand in die andere übergeht. Es ist im Grunde genommen völlig einerlei, ob die Möglichkeit herbeigeführt wird, in einer Riesenbuchhaltung, die über die ganze Weltwirtschaft geht, die Posten an die richtige Stelle zu stellen und das Ganze dann zu dirigieren, so daß nur die Guthaben umgeschrieben werden, oder die betreffende Einzeichnung herauszuschreiben und dem Betreffenden zu geben, so daß die Sache realiter ausgeführt wird. Wir haben also als Geldumsatz die Weltbuchhaltung. Und das wäre dasjenige, was ja im Grunde genommen jeder einsehen kann, das eigentlich angestrebt werden muß. Denn dadurch haben wir dem Gelde wiederum zurück­gegeben dasjenige, was es doch nur sein kann : das äußere Mittel für den Austausch. Denn sonst ist das Geld dennoch nichts anderes, wenn wir bis in die Tiefen der Volkswirtschaft hineinschauen, als das Mittel des gegenseitigen Austauschs der Leistungen. Denn die Menschen leben von Leistungen, und nicht von den Zeichen dieser Leistungen, in Wirklichkeit.

Es kann ja allerdings gerade dadurch, daß das Geld in gewissem Sinne fälscht die Leistungen, das eintreten, daß dann auch durch eine Art von Zwischenhandel mit Geld eine Fälschung der ganzen Wirt­schaft eintreten kann. Aber das ist eben dann Fälschung, die möglich ist, wenn man dem Geld nicht seinen wahren Charakter beilegt.

Nun handelt es sich darum aber, daß wir ja sehen müssen - und ich habe das insbesondere gestern gezeigt -, daß die Leistungen in der verschiedensten Weise beurteilt werden müssen in bezug auf das, was als Werte im wirtschaftlichen Leben zirkuliert. Wir haben aufmerksam darauf machen können gestern, wie dasjenige, was zunächst aus der Natur gewonnen wird und worauf menschliche Arbeit verwendet

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wird, in der Tat entspricht dem Bilde, daß da Arbeit zusammengefaßt wird mit dem Naturobjekt, so daß man den wirtschaftlichen Prozeß sozusagen an einer Stelle damit beginnen kann, daß man sagen kann :

Der Wert wird erzeugt durch die Arbeit, die ich einem Naturprodukt hinzufüge. Aber im volkswirtschaftlichen Prozeß ist auch die ent­gegenlaufende Strömung, die dann eintritt, wenn eben geistige Lei­stungen auftreten. Dadurch, daß geistige Leistungen auftreten, ist es notwendig, eine andere Bewertungsformel, wenn ich so sagen darf, einzuführen. Das ist diese, daß eine geistige Leistung so viel wert ist, als sie dem Hervorbringer Arbeit erspart. Derjenige also, der ein Bild hervorbringt und damit einen Wert liefert, einen Wert, für den eben Interesse vorhanden ist, sonst wäre es kein Wert, der muß es - wenn es überhaupt ein gesunder Zustand in der Volkswirtschaft sein soll, daß dieses Bild hervorgebracht wird, daß der Maler da ist - so be­werten, daß ihm soviel Arbeit erspart wird, 4s er für sich braucht, bis er wiederum ein neues Bild in derselben Weise hervorgebracht haben kann. So daß man also sehen kann : Dadurch, daß im volkswirtschaft­lichen Prozeß geistige Leistungen entgegentreten den Leistungen, die lediglich auf Bearbeitung der Natur, also auf Handarbeit beruhen be­ziehungsweise auf Bearbeitung durch Produktionsmittel - dadurch, daß auf der einen Seite an die Produktionsmittel sich bindende Arbeit notwendig ist, auf der anderen Seite Arbeit erspart werden muß -, dadurch entsteht dieser wirtschaftliche Kreislauf mit zwei einander entgegengesetzten Strömungen, die sich in gesunder Weise kompen­sieren müssen.

Nun fragt es sich allerdings : Wie sollen sie sich kompensieren? Nicht wahr, zunächst brauchen wir wirklich nur zu denken an die Generalbuchhaltung der ganzen Weltwirtschaft; denn innerhalb dieser Generalbuchhaltung würde sich ergeben dasjenige, was sich gegen­seitig aufheben muß. Und da würde der Preis entstehen. Aber es handelt sich darum, daß ja die Posten in dieser Generalbuchhaltung etwas bedeuten müßten. Die Posten müßten etwas bedeuten. Es muß ein Posten, den ich einsetze in meine Generalbuchhaltung : A, entweder entsprechen dem, was ich nennen kann «mit Natur verbundene Arbeit», oder ein anderer Posten : B, muß entsprechen dem «so viel

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wird durch diese Leistung Arbeit erspart». Also jeder solcher Posten muß eben etwas bedeuten. Er kann nur etwas bedeuten, wenn er etwas darstellt, was vergleichbar ist oder wenigstens durch die Volkswirt­schaft vergleichbar gemacht wird; denn man kann nicht ohne weiteres fragen : Wieviel Nüsse ist eine Kartoffel wert? - Man kann das nicht ohne weiteres fragen. Es handelt sich darum, daß man fragen muß :

Die Nuß bedeutet Naturprodukt, verbunden mit menschlicher Arbeit; die Kartoffel bedeutet Naturprodukt, verbunden mit menschlicher Arbeit; wie vergleichen sich beide Werte?

Da wird es sich darum handeln, etwas aufzufinden, was nun wirklich die Möglichkeit, die volkswirtschaftlichen Werte gegenseitig an­einander abzuschätzen, ergibt. Noch schwieriger wird die Sache, wenn zum Beispiel ein Aufsatz geschrieben wird, der ja im volkswirtschaft­lichen Sinn ebensoviel wert sein muß, als damit physische Arbeit an irgendeinem Produktionsmittel erspart wird, abzüglich der ganz klei­nen Arbeit, die auf das Schreiben verwendet wird. Jedenfalls aber können Sie sich vorstellen, daß das nicht gerade eine einfache Sache ist, nun herauszurechnen, wie diese Dinge zu vergleichen sind, gegen­seitig abzuschätzen sind. Und dennoch, wenn man den wirtschaftlichen Prozeß nun an einem andern Ende anfaßt, kommt man dazu, die Mög­lichkeit einer solchen Schätzung herbeizuführen. Wir haben ja auf der einen Seite die auf die Produktionsmittel - wozu also auch die Natur gehört - angewendete physische Arbeit, die für einen bestimmten Zeitpunkt eben eine ganz bestimmte Arbeit ist; das heißt mit anderen Worten : Für einen bestimmten Zeitpunkt ist eine bestimmte mensch­liche Arbeit notwendig, sagen wir, um auf einem a Quadratmeter großen Flächenstück Weizen zu produzieren, soweit bis der Weizen beim Kaufmann oder sonst irgendwo ist - also um Weizen zu produ­zieren. Das ist durchaus etwas, was eine gegebene Größe ist, eine Größe, die in einer gewissen Beziehung sogar herauszubringen ist; denn alle menschliche wirtschaftliche Leistung, wenn man sie über­blickt, geht dennoch auf die Natur zurück. Es ist gar nicht anders mög­lich, als daß sie irgendwo auf sie zurückgeht. Der Landmann arbeitet direkt an der Natur; derjenige, der, sagen wir, für die Bekleidungen sorgt, arbeitet nicht direkt an der Natur, aber seine Arbeit geht auf die

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Natur zurück. Seine Arbeit wird schon etwas von dem in sich ent­halten, was ersparte Arbeit ist, insofern er auf seine Sache Geist an­wendet. Aber jedenfalls geht seine Arbeit auf die Natur zurück. Bis zu den kompliziertesten geistigen Leistungen geht schließlich alles auf die Natur, beziehungsweise auf das Arbeiten mit Produktionsmitteln zurück. Sie können eine Überlegung anstellen, so unbefangen Sie nur wollen, Sie werden immer darauf kommen, daß alles Volkswirtschaft­liche doch zuletzt zurückgeht auf das körperliche Arbeiten an der Natur, und daß dasjenige, was beginnt an der Natur wertebildend zu sein - die Aufwendung der Arbeit bis zu einem bestimmten, möglichst nahe der Natur liegenden Punkt -, daß das die Werte sind, die nun auf das gesamte Gebiet der in sich geschlossenen Volkswirtschaft verteilt werden müssen.

Nehmen Sie noch einmal das Hypothetische, was ich gestern an­geführt habe : Eine geschlossene Dorfwirtschaft! In dieser geschlosse­nen Dorfwirtschaft haben Sie also das, was die körperlichen Arbeiter sind, und von geistigen Arbeitern habe ich nur angeführt den Lehrer und den Pfarrer, vielleicht noch den Gemeindeverwalter. Nun, das ist eine sehr einfache Wirtschaft. Da werden die meisten Leute körperlich arbeiten, körperlich arbeiten am Boden; nur müssen sie das an körper­licher Arbeit mitleisten, was der Lehrer und der Pfarrer und der Ge­meindeverwalter brauchen zum Essen, Kleiden und so weiter. Das müs sen sie mitleisten; denn Lehrer und Pfarrer und der Gemeinde-verwalter verrichten ihre Arbeit an der Natur nicht selber. Nun denken Sie sich, diese geschlossene Dorfwirtschaft hätte dreißig Bauern und die drei - na, wie soll man sie nennen? - Honoratioren, die drei wären da. Diese drei liefern ihre geistigen Leistungen. Sie brauchen die ersparte Arbeit der andern. Nehmen Sie an : Jeder von diesen dreißig Bauern gibt den drei Personen, oder jedem einzelnen, ein Zeichen, einen Zettel, auf dem steht, sagen wir, so und so viel a = Weizen, womit gemeint ist der Weizen, der schon in bestimmter Weise be­arbeitet ist. Ein anderer gibt einen Zettel, worauf etwas anderes steht, was sich mit Weizen vergleichen läßt in bezug auf den Konsum. Diese Dinge lassen sich finden. Nun, das heimsen der Pfarrer, der Lehrer und Gemeindeschreiber ein. Statt daß sie sich nun selber auf das Feld

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begeben, den Weizen, das Korn, das Rindfleisch sich zu verschaffen, statt dessen geben sie dann die Zettel an die Leute ab. Die arbeiten es mit und geben ihnen dafür das Produkt. Das ist der Vorgang, der sich von selbst herausbilden muß. Der Vorgang kann gar nicht anders sein, selbst wenn es einem pfiffigen Kopf einfallen würde, statt der Zettel Metallgeld einzuführen. Der Vorgang ist einmal dieser, daß man die Möglichkeit schaffen muß, Anweisungen zu bilden aufGrund-lage der aufgespeicherten materiellen Arbeit, der an den Produktions­mitteln geleisteten Arbeit, also der in den volkswirtschaftlichen Wer­ten investierten Arbeit, die man übergibt, damit mit diesen Zetteln diejenigen, die es brauchen, Arbeit ersparen können.

Daraus werden Sie sehen, daß keinerlei Art von Geld etwas anderes sein kann als lediglich ein Ausdruck für die Summe der brauchbaren Produktionsmittel, die in irgendeinem Gebiete sind - worin natür­lich vorzugsweise, in erster Linie der Grund und Boden bestehen wird -, die brauchbaren Produktionsmittel, die in einem Gebiete sind, reduziert auf dasjenige, worin sie sich am leichtesten ausdrücken lassen. Und das wird dann zurückführen den ganzen volkswirtschaftlichen Prozeß auf etwas, was eben dennoch erfaßbar ist.

Das, was darüber gesagt werden muß, hängt damit zusammen, daß man ja nirgends auf der Erde ein volkswirtschaftliches Paradies herbei­führen kann. Das mögen diejenigen glauben, die Utopien aufstellen, welche nicht mit der Wirklichkeit zusammenhängen. Man kann sehr leicht aus dem Handgelenk sagen, so und so müsse die Wirtschaft be­schaffen sein; aber eine Wirtschaft, und auch die ganze Erdenwirt­schaft, also dasjenige, was man Weltwirtschaft nennen kann, kann nicht in absoluter Weise irgendwie beschaffen sein, sondern nur in relativer Weise irgendwie beschaffen sein. Denn denken Sie sich, wir haben in irgendeinem geschlossenen Wirtschaftsgebiet eine Boden-fläche : Fl. Wenn nun alle Leute auf dieser Bodenfläche die den Men­schen möglichen Verrichtungen wirklich vornehmen, so entsteht etwas anderes zum Konsum, wenn auf dieser Bodenfläche, sagen wir, eine Bevölkerung von B Millionen ist, oder wenn auf dieser selben Fläche eine Bevölkerung von B1 Millionen ist.

Dasjenige, um was es sich handelt, hängt durchaus von dem Verhälmis

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der Bevölkerungsmenge zu der Bodenfläche ab, also auch davon, wieviel aus der Bodenfläche - aus der Bodenfläche kommt zuletzt alles - eine gewisse Bevölkerungszahl herausarbeiten kann. Setzen Sie jetzt den hypothetischen Fall, irgendein Wirtschaftsgebiet habe, sagen wir, fünfunddreißig Millionen Einwohner - es ist ja ganz gleichgültig, wieviel. Das, was hier von einem geschlossenen Wirt­schaftsgebiet gilt, gilt auch von der Weltwirtschaft. Ein Wirtschafts­gebiet habe fünfunddreißig Millionen Einwohner in irgendeinem Zeit­punkt. Und setzen Sie die Hypothese, das sei so, daß diese fünfund­dreißig Millionen Einwohner nun gebracht werden sollen in einen Zustand, der möglichst volkswirtschaftlich gerecht ist. Es ist das nicht ganz genau und deutlich ausgesprochen, aber Sie werden gleich sehen, was ich darunter verstehe. Was müßte man denn da tun, wenn man überhaupt wollte, daß auf diesem Gebiet unter den fünfunddreißig Millionen dasjenige herrscht, was mögliche Preise herbeiführt? Dann müßten Sie in dem Zeitpunkt, in dem Sie anfangen, das Wirtschafts­leben in ein gesundes überzuführen, jedem einzelnen Menschen so viel geben von der Bodenfläche - aber jetzt auf ein Durchschmttsmaß der Fruchtbarkeit und Bearbeitbarkeit berechnet -, als die gesamte, die Produktion möglich machende Bodenfläche durch fünfunddreißig Millionen dividiert, bedeutet. Denken Sie sich, jedes Kind würde ein-fach so viel Bodenfläche bei seiner Geburt mitbekommen zur fort­währenden Bearbeitung : wenn jeder Mensch bei seiner Geburt so und so viel mitbekäme, dann würden die Preise entstehen, die überhaupt auf einer solchen Fläche entstehen können; denn die Dinge haben dann ihren selbstverständlichen Austauschwert.

Aber was ich Ihnen da als eine Sie kurios berührende Hypothese anführe, das ist ja nämlich die Wirklichkeit. Der von dem Menschen unabhängige volkswirtschaftliche Prozeß, der tut das nämlich in der Tat. Er tut es - nun, Sie werden ja nicht glauben, daß ich das, was ich jetzt sage, anders als bildhaft meine -, indem dieser volkswirtschaft­liche Prozeß tatsächlich, da ja die Bedingungen da sind, die ganze Bodenfläche auf so und so viel Menschen verteilt, wo dann die Men­schen alles das, was sich vom Boden abhebt, entsprechend weiter bearbeiten müssen; Sie können sich denken die ganze Bodenfläche auf

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die Einwohnerzahl verteilt, und das als reale Tatsache gibt jedem ernr:elnen Ding seinen Tauschwert, und Sie können irgendwo die Tauschwerte aufschreiben und die Erfahrung kann sehr starke An­naherung an diese Werte geben. Aber wenn Sie das dann vergleichen mit unserer heutigen Wirklichkeit, so werden Sie finden, daß das eine einen Preis hat weit darunter, das andere weit darüber. Nun, Sie können ja, wenn Sie sich vorstellen, daß irgendwo irgendeine Utopia entsteht, in die Sie versetzen können lauter neugeborne Kinder, die von Engeln zunächst besorgt werden - aber Sie geben ihnen jedem sein Stück Land mit -, dann können Sie es dahinbringen, daß, wenn sie zu arbeiten anfangen können, die selbstverständlichen Tausch­werte entstehen. Wenn dann nach einiger Zeit andere Preise da sind, dann muß der eine dem anderen die Sache weggenommen haben. Und das ist dasjenige, was die verschiedenen Unzufriedenheiten eben gibt, daß das dunkel gefühlt wird, daß hier in den volkswirtschaftlichen Prozeß etwas hmeinspielen kann, was den realen Preisen gar nicht entspricht.

Aber gerade durch ein Durchdringen des volkswirtschaftlichen Organismus mit einer Denkweise, die in dem Stile gehalten ist, den wir hier in diesen Betrachtungen angeschlagen haben, wird durch die Maßnahmen selber das herbeigeführt, was ich angeführt habe. Das ist es, worauf es ankommt. Und so werden wir finden, daß auf diesem, ich möchte sagen, die fliegende Buchhaltung der Weltwirtschaft dar­stellenden Geld, so etwas Ähnliches wird stehen müssen wie auf einer so und so viel Quadratmeter großen Bodenfläche herstellbarer Weizen, der dann mit den anderen Dingen verglichen wird. Es lassen sich am leichtesten Bodenprodukte miteinander vergleichen. Und Sie sehen also, wovon man ausgehen muß. Man muß von etwas ausgehen, die Zahlen müssen etwas bedeuten. Es führt schlechterdings eben weg von der Wirklichkeit, wenn wir auf unserem Geld stehen haben so und so viel Goldgehalt; aber es führt zur Wirklichkeit hin, wenn wir darauf stehen haben : Das bedeutet so und so viel Arbeit an einem bestimmten Naturprodukt. Dann würden wir sagen können : Nehmen wir also zum Beispiel an, dadrauf steht X-Weizen, auf allem Geld steht X-Weizen, Y-Weizen, Z-Weizen - und es würde klar sein, worauf

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die ganze Volkswirtschaft zurückführt. Damit haben Sie zurück­geführt die Währung auf die brauchbaren Produktionsmittel, an denen körperliche Arbeit geleistet wird - Produktionsmittel irgendeines Wirtschaftsgebietes -, und das ist die einzige gesunde Währung : die Summe der brauchbaren Produktionsmittel.

Für den, der unbefangen in die Wirklichkeit hineinschauen kann, für den ergibt sich diese Sache so aus der Anschauung, obgleich viel­leicht jemand sagen kann : Ganz genau läßt sich auch nicht mit so etwas vergleichen irgendein anderer Wert. Bis zu einem hohen Grad genau wird es sich vergleichen lassen. Denn im allgemeinen unter­scheiden sich, weil bei dieser Bewertung zum Schluß alles durch den Konsum bewertet ist, die Werte der Leistungen nicht allzusehr. - Sei ich ein noch so geistiger Arbeiter, ich brauche so viel ersparte Arbeit in jedem Jahr, als ich eben brauche, um mich als Mensch zu erhalten. Und es wird ohne weiteres durch so etwas klarwerden dann, auf welche Weise ein Geistesarbeiter eben noch etwas hinzu braucht zu dem, was ein Handarbeiter braucht. Und wenn die Sache so durch­sichtig ist, wird das dann auch überall anerkannt werden, weil es durchsichtig ist. Es gibt immerhin in geschlossenen Wirtschaften Zu­stände, die ja immer seltener und seltener werden, die aber doch immerhin heute noch da sind, wo die Geistesarbeiter eigentlich reich­lich das bekommen, was sie brauchen, wo die Leute es ihnen gerne geben, ohne daß sie es erst auf Zettel schreiben. Das sage ich nicht, weil ich zurückführen möchte ein Volkswirtschaftliches auf ein Senti­mentales, sondern ich sage das, weil das auch in die Realitäten der Volkswirtschaft hineingehört und weil man überall dennoch innerhalb der Volkswirtschaft auf den Menschen stößt.

Vor allen Dingen wird dadurch erreicht ein wirklich überschaubares Verhältnis innerhalb der einzelnen Glieder eines wirtschaftlichen Gan­zen. Es wird erreicht die Möglichkeit, daß jeder in jedem Augenblick seinen Zusammenhang mit der Natur auch im Gelde noch hat. Und das ist ja dasjenige, was alle unsere Verhältnisse so ungesund macht, daß sie sich so viel abheben von der Natur, der Zusammenhang mit der Natur gar nicht mehr da ist. Wenn wir es dazu bringen - und die Beantwortung der Frage ist ja nur eine Sache der Technik, die man

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eben im assoziativen Leben sich bilden kann -, tatsächlich statt des undefinierbaren Goldwertes den Naturwert zu haben auf unserem Papier, dann werden wir unmittelbar einsehen, im gewöhnlichen Ver­kehr einsehen, wieviel auch irgendeine geistige Leistung wert ist; denn ich weiß dann : Wenn ich ein Bild male, so müssen, weil ich das Bild gemalt habe, so und so viel, sagen wir, Landarbeiter so und so viel Monate oder Jahre arbeiten an Weizen, an Hafer und so weiter. Denken Sie sich, wie übersichtlich dadurch der wirtschaftliche Prozeß würde. Man würde ja nach dem heutigen Sprachgebrauch eben dann sagen : Es ist dann eben eine Naturwährung statt einer Goldwährung da. Das würde auch gerade das Richtige sein. Das würde dasjenige sein, was einen wirtschaftlichen Zustand wirklich gibt.

Nun haben Sie wiederum ein solches Bild hingestellt. Ich muß eben in solchen Bildern sprechen, weil diese Bilder die Wirklichkeit geben; denn das, was gewöhnlich die Leute im Kopfe haben im wirtschaft­lichen Verkehr, das ist keine Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit hat erst der, der weiß : wenn er für irgendeine Sache ein so und so großes Geldstück kriegt, so bedeutet das so und so viel Bodenbearbeitung beziehungsweise es muß dazu auch verrechnet werden die Arbeit mit anderen Produktionsmitteln, die aber gleichwertig werden mit der Natur, indem sie in dem Augenblick, wo sie verfertigt sind, wo sie also dem Warengebiet entfallen, übergehen in einen Zustand der Ent­wertung, der Unmöglichkeit, sie zu kaufrn oder zu verkaufen; da­durch werden sie gleich den Produktionsmitteln, die wir in der Natur haben. Es ist nur eine Fortsetzung des Prozesses, den wir in der Natur haben, wenn wir sagen, die Produktionsmittel müssen in dieser Weise behandelt werden. Dadurch wird erst ein klarer Begriff ge­schaffen auch für die Natur selber als Produktionsmittel; denn gegen­über den Begriffen, die Sie sonst an Grund und Boden finden, kann immer noch einiges eingewendet werden, wenn Sie nicht den Begriff des Produktionsmittels so einführen, wie ich das versucht habe in den «Kernpunkten der sozialen Frage». Denn Sie brauchen sich nur zu überlegen, daß auch ein Gebiet der Natur unter Umständen erst be­arbeitet werden muß, bevor es ein brauchbarer Grund und Boden ist, so daß bis zu dem Moment, wo die Natur, wo irgendein Gebiet der

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Natur ausgerodet ist, wo es dem Gebrauch übergeben werden kann -bis dahin muß ja auch Arbeit darauf verwendet werden -, so daß also am Ende dieser Arbeit, bis diese Arbeit fertig ist, bis dahin ja auch ein Stück Grund und Boden in berechtigter Weise eine Ware ist, ein wirt­schaftlicher Wert in dem Sinn, daß Gut verbunden ist mit Arbeit.

Also nur dadurch, daß Sie wirklich in dieser Weise, wie wir es getan haben, sich die Begriffe formulieren, kommen Sie dazu, den Begriff des Produktionsmittels in reiner Anschauung zu haben; dann werden Sie ihn in die verschiedensten Gebiete durchführen können; dann wird Ihnen durchaus im rechten Moment klar aufgehen, daß, wenn einer einen Aufsatz liefert, eben die Hauptsache des Wertes besteht in der ersparten Arbeit, daß man nur das kleine bißchen abzurechnen hat, was die direkte körperliche Arbeit des Schreibens ausmacht. Es differenzieren sich Ihnen nach den verschiedensten Richtungen hin sogleich die Begriffe so, daß sie richtig im Leben drinnenstehen, wenn Sie sie richtig aus dem Leben heraus bilden. Sie können also gar nicht anders, als, wenn Sie irgendwie die Preisfrage behandeln wollen, diese Preisfrage zurückzuverfolgen eben nicht bloß bis zu den Produktions­kosten, sondern Sie müssen sie zurückverfolgen bis zu der Urproduk­tion und müssen sehen, wie die Bedingungen sind der Preisbildung von der Urproduktion an. Dann können Sie erst die Preisbildung bis auf irgendeinen Punkt innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses verfolgen.

Damit habe ich Ihnen wenigstens vielleicht eine auf den Weg leitende Vorstellung geben können von dem, was für die Hauptfrage der Wirtschaft, die Preisbildung, eigentlich in Betracht kommt. Denn wirtschaften heißt eben : dasjenige, was Erzeugnisse sind, zum Aus­tausch unter Menschen zu bringen; und der Austausch unter Men­schen, der lebt sich aus in der Preisbildung. Diese Preisbildung, die muß zunächst das sein, worauf es ankommt. Und daß wir da nicht zu etwas zurückzugehen brauchen, was ein ganz Unbestimmtes ist, das werden Sie einsehen, wenn Sie eben zurückverfolgen alles bis zu dem­jenigen Wertverhältnisse, das für die Bodenarbeit herbeigeführt wird durch das Verhältnis der Bevölkerungszahl zu der brauchbaren Boden-fläche. In diesem Verhältnis finden Sie, was ursprünglich eben der

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Werthildung zugrunde liegt, weil alle Arbeit, die verrichtet werden kann, nur von der Bevölkerungszahl kommen kann, und alles, womit sich diese Arbeit verbinden kann, aus dem Boden kommen muß; denn das ist das, was jeder braucht, und diejenigen, die es ersparen wegen ihrer geistigen Leistung, für die müssen es eben die anderen mit-leisten; daher kommen wir hier zu dem, was der Volkswirtschaft zu­grunde liegt.

Nun, wenn wir die Sache so betrachten, so müssen wir sagen : Es geht in unsere gegenwärtige, ganz komplizierte Wirtschaft auch noch dasjenige herein, was in den primitivsten Wirtschaftsverhältnissen durchaus da war, wo es sich nur meinetwillen um Warenaustausch im wesentlichen gehandelt hat. Nur daß wir nicht mehr in der Lage sind, diesen Zusammenhang überall zu durchschauen. Wir werden ihn immer sofort vor uns haben, wenn auf unseren Geldscheinen dieser Zusammenhang mit der Natur ausgedrückt ist. Denn in Wirklichkeit ist er eben doch da. Vergessen Sie das nie! Die Realität ist es. Ich möchte sagen - es ist wieder bildlich gesprochen : Während ich ganz gedankenlos meinen Franken für irgend etwas hingebe, ist immer ein kleiner Dämon da, der immer darauf schreibt, wieviel an der Natur vollbrachte Arbeit das Entsprechende da immer ist. Das ist die Rea­lität. Man muß auch da, um auf die Wirklichkeit zu kommen, nicht an die äußere Oberfläche sich halten.

Nun, es war wirklich nicht möglich, in diesen vierzehn Tagen etwas anderes zu geben als einige Anregungen, die auf den Weg leiten sollten, Anregungen, bei denen ich ja weiß, daß sie überall weiter aus­geführt werden müßten, und daß das Wichtigste vielleicht dabei ist, wenn Sie darauf kommen, wie die Bildbegriffe, die hier entwickelt worden sind, eben im Verhältnis zu dem, was sonst entwickelt wird, ein Lebendiges darstellen. Wenn Sie das in sich aufgenommen haben, was lebendig ist an diesen Bildbegriffen, dann werden Sie doch nicht umsonst diese vierzehn Tage hier zugebracht haben.

Und das ist ja dasjenige, was einem heute so schwer auf der Seele liegt, daß Ungeheures entgegensteht, wenn es sich darum handelt, daß die Menschen einen freien Ausblick gewinnen sollen in das, was zur Heilung mancher Kulturschäden notwendig ist. Es wird eben furchtbar

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viel herumgeredet, was geschehen soll. Aber es ist wenig Wille vorhanden, in die Wirklichkeit unterzutauchen, und das Wort über das, was geschehen soll, auch aus der Wirklichkeit hervorzuholen. Es ist schon tatsächlich so, daß wir heute aus der Sphäre von Wahrheit, von wirklichem, aus der Natur des Menschen kommendem Recht und aus demjenigen, was im Menschen sich entwickeln muß, wenn er für seine Mitmenschen Wert haben soll, aus der Lebenspraxis, allmählich herausgekommen sind, und zwar aus dem Wahrheitswort in die Phrase, aus dem Rechtsempfinden in das Konventionelle und aus der Lebenspraxis in die bloße Lebensroutine hinein. Und wir kommen aus dieser dreifachen Unwahrhaftigkeit, aus Phrase, Konvention und Routine nicht heraus, wenn wir nicht den Willen entwickeln, unter­zutauchen in die Dinge, hinzuschauen, wie sie sich eigentlich in ihrer Wirklichkeit gestalten. Dann werden wir die Möglichkeit finden, gerade als diejenigen, die solche Dinge von der Studienseite her an­sehen wollen, dann werden wir die Möglichkeit finden, verstanden zu werden. Es ist in der Welt heute vieles, was als Agitationsphrase einen furchtbaren Schaden anrichtet, weil so wenig Menschen da sind, die ernsthaft den Willen haben, auf die Wirklichkeiten einzu­gehen.

Deshalb war es mir eine tiefe Befriedigung, daß Sie hierher ge­kommen sind und sich mit mir haben vierzehn Tage lang beschäftigen wollen, durchzudenken das Gebiet der Volkswirtschaft. Ich danke Ihnen herzlich dafür; denn ich darf diesen Dank aussprechen, weil ich zu wissen glaube, was es für eine Bedeutung hat, daß gerade die, die heute im Leben als Akademiker stehen auf dem Gebiet der Volks­wirtschaft, werden ungeheuer viel mitarbeiten können an der Ge­sundung unseres Kulturlebens, an dem Wiederaufbau des Mensch­heitslebens.

Und wir müssen schon anstreben, daß Volkswirtschaft nicht bloß eine Theorie ist, sondern daß Volkswirtschaft tatsächlich auch sich erweist selber als ein volkswirtschaftlicher Wert, damit dasjenige, was wir an Arbeit ersparen, tatsächlich von denjenigen, die es uns ersparen, in fruchtbarer Weise für die Fortentwickelung der Menschheit an­gewendet werden kann. Ich glaube, Sie waren sich, indem Sie den

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Entschluß gefaßt haben, hierherzukommen, dieser wichtigen Aufgabe des Wirtschaftswissenschafters bewußt, und es wäre mir lieb, wenn Sie befestigt würden durch das, was, allerdings in unzulänglicher Weise, hat unter uns erarbeitet werden können.

Hoffentlich haben wir Gelegenheit, die Dinge einmal weiter zu arbeiten.

HINWEISE

#G340-1965-SE217 - Nationalökonomischer Kurs

#TI

HINWEISE

#TX

Diesen Studienkurs hat Rudolf Steiner auf Wunsch einer Anzahl Studenten der National-ökonomie im Sommer 1922 bald nach dem Wiener Kongreß über «Westliche und östliche Weltgegensätzlichkeit» im Glasatelier am Goetheanum in Dornach abgehalten. Die steno-graphischen Nachsehriften sind leider teilweise ungenau. Die in Frage kommenden Stellen mußten aber - wie auch in den früheren Ausgaben - belassen werden, um der Gefahr zu entgehen, den von Rudolf Steiner gemeinten Sinn zu ändern.

Rudolf Steiner hatte seine Ausführungen damals nur für einen kleinen Kreis anthropo­sophischer Studenten bestimmt, denen er, wie er selbst sagte, «nur einige Anregungen geben wollte». Er äußerte aber die Absicht, später einen Vortragskursus für praktische Wirtschafter folgen zu lassen. Dazu ist es leider nicht mehr gekommen. Dieser Kursus enthält aber schon in seiner damaligen Form so zahlreiche Hinweise auf bahnbrechende sozialökononische und weltwirtschaftliche Erkenntnisse, wie zum Beispiel auf die Geld­entwertung, daß sein Neudruck gerade im Zeitpunkt der gegenwärtigen Anbahnung neuer Weltwirtschaftsverhältnisse dringend geboten erscheint.

Zu Seite :

12 Gustav v. Schmoller, 18381917, Volkswirtsehafter. Wilhelm Roscher, 1817-1894, Nationalökonom.

Bet

Eugen Richter, 1838-1906, liberaler Politiker.

Eduard Lasker, 1829-1884, liberaler Politiker.

Lujo Brentano, 1844-1931, Volkswirtsehafter.

22 Adam Smith, 1723-1790, einflußreicher klassischer Nationalökonom, Hauptwerk «Inquiry into Nature and Causes of the Wealth of Nations», 1776.

114 Zu den Zeilen 12 und 13 von oben: In der Auflage 1933 stand «..., daß wir jetzt hei ihm zu sehen haben auf das Wechselspiel zwischen Nachfrage und Preis im Geld.» Bei der Produzentengleichung, um die es sich handelt und die als n = f (ap) an die Tafel geschrieben wurde, gibt es kein Wechselspiel zwischen Nachfrage und Preis. Nur die beiden unabhängigen Veränderlichen a (Angebot) und p (Preis) können in ein Wechselspiel treten. Ein Übergriff in eine andere Gleichung ist mathematisch nicht möglich, und in der Wirtschaft wäre ein Übergrelfen des Pro­duzenten in den Konsumentenbereich Pfuseherei oder Vergewaltigung, denn, was der Konsument wirklich braucht, kaun er nur selber wissen und empfinden. Des­halb wurde an dieser Stelle die notwendige Berichtigung von «Nachfrage und Preis im Geld» in «Angebot und Preis» vorgenommen.

Zu Zeile 3 von unten: Hier stand 1933: .... bei Produzenten ist es eine Nach-frage nach Waren.» Die Worte «Nachfrage nach Waren» passen an dieser Stelle weder in den Sinn des vollständigen Satzes noch entsprechen sie den wirtschaftlichen

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Zu Seite:

114 Tatsachen. Der später zitierte Satz bekommt erst einen Sinn und die realen Tatsachen werden nur dann sichtbar, wenn es heißt : «...bei Produzenten ist es ein Angebot in Waren.» Dies zeigt sich deutlich, wenn man den Satz im Kurs einer Notiz gegenüberstellt, die Rudolf Steiner drei Tage nach dem Vortrag in ein Tage­buch eintrug. Der Satz und die Notiz hehandein dasselbe Problem und zeigen in allen Einzelheiten eine völlige Übereinstimmung. Der korrigierte Satz heißt :

«Noch immer haben wir diese Gleichungen dadurch qualitativ verschieden ge­macht, daß hier das a beim Konsumenten ein Angebot in Geld ist, beim Pro­duzenten ist es ein Angebot in Waren, und beim Händler haben wir es zu tun mit etwas, was eigentlich zwischen Geld und Ware drinnen liegt.»

Kurz gefaßt skizziert die Notiz vom 3. August 1922 das qualitativ verschiedene An­bieten.

#Bild s. 218

Der Händler fragt sowohl nach Ware und bietet Geld, fragt aber auch nach Geld und bietet Ware. Also muß es auch für den Konsumenten und Produzenten je zwei Gleichungen gehen. Die Händlergleiehung enthält ja immer beide.

Nun findet sich tatsächlich neben den Gleichungen, die Rudolf Steiner im Kurs an die Tafel schrieb, eine zweite Aufzeichnung in den Notizbucheintragungen vom 3. August 1922, die wie folgt lautet:

#Bild s. 218

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Zu Seite:

114 Stellt man die Gleichungen der Tafel und des Notizbuches nebeneinander, so ergibt sich folgendes Bild :

#Bild s. 219

Rudolf Steiner hat im Kurs nur die eine Aufstellung - an der Tafel - zur Darstellung gebracht. Die Herausgeber wollen aber den Lesern die Gleichungen des Notiz­buches nicht vorenthalten, weil sie das Bild der komplizierten Preisbildungs­vorgänge vervollständigen.

125 Hans Viktor v. Unruh, 1806-1886, Politiker und Schriftsteller.

131 Georg v. Siemens, 1839-1901, Bankfachmann. Arthur v. Gwinner, 1856-1931, Bankier.

139 Rudolf Hilferding, 1877-1943, Finanetheoretiker und Staatsmann.

158 David Ricardo, 1772-1823, englischer Nationalökonom.

160 David Hume, 1711-1776, englischer Philosoph und Staatsmann.

197 Zu einigen von Ihnen habe ich schon gestern gesagt :

Im Nationalökonomischen Seminar. Gesamtausgabe, Bibliographie-Nr. 341.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.