GA 233

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DIE WELTGESCHICHTE IN ANTHROPOSOPHISCHER BELEUCHTUNG UND ALS GRUNDLAGE DER ERKENNTNIS DES MENSCHENGEISTES

ERSTER VORTRAG Dornach, 24. Dezember 1923

#G233-1962-SE011 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

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DIE WELTGESCHICHTE

IN ANTHROPOSOPHISCHER BELEUCHTUNG

UND ALS GRUNDLAGE DER ERKENNTNIS

DES MENSCHENGEISTES

ERSTER VORTRAG

Dornach, 24. Dezember 1923

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In diesen Abendstunden unserer Weihnachtszusammenkunft möchte ich Ihnen einen solchen Überblick der Menschheitsentwickelung auf Erden geben, der dazu führen kann, dasjenige, was der Mensch in der Gegenwart ist, intimer und intensiver in das Bewußtsein aufzunehmen. Gerade in dieser gegenwärtigen Zeit, in der sich so außerordentlich Bedeutsames, man darf schon sagen, für die ganze Kulturmenschheit vorbereitet, müßte es eigentlich jedem tiefer denkenden Menschen nahe­liegen, die Frage aufzuwerfen: Wie ist die gegenwärtige Konfiguration, die gegenwärtige Verfassung der menschlichen Seele aus einer Ent­wickelung langer Zeiten hervorgegangen? - Denn es kann ja nicht ge­leugnet werden, daß das Gegenwärtige dadurch verständlich wird, daß man es in seinem Hervorgehen aus dem Vergangenen zu begreifen versucht.

Nun ist man aber gerade in der Gegenwart außerordentlich befangen in bezug auf die Entwickelung des Menschen und der Menschheit. Zu­nächst stellt man sich ja vor, daß der Mensch in bezug auf sein seelisch-geistiges Leben so, wie er jetzt ist, im wesentlichen während der ganzen geschichtlichen Zeit war. Gewiß, mit Bezug auf das eigentlich Wissen­schaftliche stellt man sich vor, daß in alten Zeiten die Menschen kindlich waren, an allerlei Phantastereien geglaubt haben, und daß die Men­schen eigentlich gescheit im wissenschaftlichen Sinne erst in der aller­letzten Zeit geworden sind. Aber wenn man davon absieht, was das eigentlich Wissenschaftliche ist, so denkt man sich dann, daß im all-gemeinen die Seelenverfassung, die der heutige Mensch hat, auch schon der Grieche, der Orientale, gehabt hat. Wenn man sich auch im Kleinen Modifikationen im Seelenleben denkt, im großen Ganzen denkt man sich: während der historischen Zeit ist eben eigentlich alles so gewesen wie heute. Da nimmt man an, daß das geschichtliche Leben ins Vor-geschichtliche verläuft und sagt: Da weiß man nichts Rechtes. - Dann aber geht man weiter zurück: Da war der Mensch noch in seiner tieri­schen Gestalt. - Geht man also die Geschichte zurück, so stellt man

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sich das Seelenleben so ziemlich unverändert vor, dann im Nebel ver­schwimmend das Bild, und dann der Mensch in tierischer Unvollkom­menheit, so ein besseres Affenwesen.

Das ist ja ungefähr die gebräuchliche Vorstellung von heute. Sie beruht eben auf einer außerordentlichen Befangenheit, denn man be­müht sich, indem man eine solche Vorstellung ausbildet, gar nicht zu erkennen, welch tiefgehende Unterschiede schon vorhanden sind in der Seelenverfassung zwischen dem Menschen der Gegenwart und einer verhältnismäßig gar nicht so weit zurückliegenden Zeit, sagen wir, dem elften, zehnten, neunten nachchristlichen Jahrhundert, oder wie groß der Unterschied in der Seelenverfassung ist zwischen einem heutigen Menschen und einem Zeitgenossen des Mysteriums von Golgatha, oder gar einem heutigen Menschen und einem Griechen. Und gehen wir dann in die orientalische Welt zurück, von der gewissermaßen die griechische Zivilisation eine Art Kolonie war, eine Spätkolonie, so kommen wir in Seelenverfassungen des Menschen hinein, die total verschieden sind von der Seelenverfassung des gegenwärtigen Menschen. Und ich möchte gleich an Beispielen, an wirklichen Fällen Ihnen zeigen, wie der Mensch, der vor, sagen wir, zehntausend Jahren etwa oder fünf-zehntausend Jahren im Oriente gelebt hat, ganz anders geartet war als wieder der Grieche und als wir selbst etwa.

Stellen wir uns einmal unser Seelenleben vor das Seelenauge hin. Nehmen wir irgend etwas aus unserem eigenen Seelenleben heraus. Wir haben irgendein Erlebnis. Wir bilden uns von diesem Erlebnis, an dem wir durch unsere Sinne oder sonst durch unsere Persönlichkeit beteiligt sind, eine Idee, einen Begriff, eine Vorstellung. Wir behalten diese Vorstellung in unserem Denken, und sie kann wiederum nach einiger Zeit als Erinnerung aus unserem Denken in das bewußte Seelenleben heraufkommen. Sie haben heute, sagen wir, irgendwelches Erinne­rungserlebnis, das Sie zurückführt in Ihre wahrgenommenen Erlebnisse vor vielleicht zehn Jahren. Und nun fassen Sie ganz genau, was das eigentlich ist. Etwas haben Sie vor zehn Jahren erlebt. Sagen wir, Sie haben vor zehn Jahren eine Gesellschaft von Menschen besucht, Sie haben die Vorstellung bekommen von jedem einzelnen dieser Men­schen, deren Antlitz und so weiter. Sie haben erlebt, was diese Menschen

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zu Ihnen gesagt haben, was Sie mit ihnen gemeinsam getan haben und so weiter. Das alles kann im Bilde heute vor Ihnen auftauchen. Es ist ein innerliches Seelenbild, das von dem Ereignis von vielleicht vor zehn Jahren in Ihnen vorhanden ist. Und nicht nur nach der Wissen­schaft, sondern nach einem allgemeinen Gefühl, das allerdings heute von den Menschen schon außerordentlich schwach erlebt wird, aber das vorhanden ist, lokalisiert man eine solche Erinnerungsvorstellung, die ein Erlebnis wiederum heraufbringt, im menschlichen Haupte. Man sagt sich: Im Kopfe ist dasjenige vorhanden, was als Erinnerung an ein Erlebnis da ist.

Nun, machen wir jetzt einen ziemlich großen Sprung zurück, in der Menschheitsentwickelung und sehen wir uns Bevölkerungen der orien­talischen Gegenden einmal an, von denen unsere historisch geschil­derten Chinesen, Inder und so weiter eigentlich erst die Nachkommen sind. Also gehen wir wirklich Tausende von Jahren zurück. Wenn wir da einen Menschen dieser alten Zeiten ins Auge fassen, dann lebte der nicht so, daß er sagte: Ich habe in meinem Kopfe die Erinnerung an irgend etwas, was ich im äußeren Leben erfahren habe, durch­gemacht habe. - Solch ein inneres Erlebnis hatte er gar nicht, das gab es für ihn nicht. Er hatte nicht Gedanken, Ideen, die seinen Kopf anfüllten. Die Oberflächlichkeit des gegenwärtigen Menschen meint:

Heute haben wir Ideen, Begriffe, Vorstellungen; das haben die Men­schen in der historischen Zeit immer gehabt. - So ist es aber nicht.

Wenn wir mit geistiger Einsicht weit genug zurückgehen, so treffen wir eben auf Menschen auf, die ganz und gar nicht Ideen, Begriffe, Vorstellungen im Kopfe hatten, die nämlich nicht einen solchen ab­strakten Inhalt ihres Kopfes erlebten, sondern, so grotesk es Ihnen erscheinen mag, die den ganzen Kopf erlebten, die den Kopf einfach spürten, einfach empfanden. Mit Abstraktionen in unserem Sinne haben sich diese Menschen nicht abgegeben. Im Kopfe Ideen zu erleben, das kannten sie eben nicht, aber ihren eigenen Kopf erleben, das kannten sie. Und so wie Sie, wenn Sie ein Erinnerungsbild haben an ein Er­lebnis, dieses Erinnerungsbild auf das Erlebnis beziehen, wie eine Rela­tion besteht zwischen Ihrem Erinnerungsbild und dem Erlebnis, das da draußen war, so bezogen diese Menschen das Erlebnis ihres Kopfes

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auf die Erde, auf die ganze Erde. Und sie sagten: Es gibt in der Welt die Erde, es gibt in der Welt mich und an mir meinen Kopf. Ünd mein Kopf, den ich auf meinen Schultern trage, Jer ist die kosmische Erinnerung an die Erde. Die Erde ist früher dagewesen, mein Kopf später. Aber daß ich einen Kopf habe, das ist die Erinnerung, die kosmische Erinnerung an das Erdendasein. Das Erdendasein ist noch immer da, aber dasjenige, was die ganze Konfiguration, die ganze Gestaltung des Menschenkopfes ist, das ist in Relation zu der ganzen Erde. - Und so fühlte ein solcher alter Orientale in seinem eigenen Haupte das Wesen des Erdenplaneten selber Er sagte: Die Götter haben aus dem allgemeinen kosmischen Dasein herauserschaffen, her­auserzeugt die Erde mit ihren Reichen der Natur, die Erde mit ihren Flüssen und Bergen. Aber ich selber trage auf meinen Schultern mein Haupt. Dieses Haupt ist ein getreues Abbild der Erde selber. Dieses Haupt mit seinem in ihm fließenden Blute ist ein getreues Abbild der über die Erde fließenden Land- und Meeresströmungen. Dasjenige, was auf der Erde an Gebirgskonfiguration ist, wiederholt sich in meinem eigenen Haupte in der Konfiguration meines Gehirnes. Ich trage auf meinen Schultern ein mir zugehöriges Abbild des irdischen Planeten. -Genau so, wie der moderne Mensch sein Erinnerungsbild auf sein Er­lebnis bezieht, so bezog dieser Mensch seinen ganzen Kopf auf den Erdenplaneten. Sehen Sie, das war eine beträchtlich andere Innen-anschauung des Menschen.

Und weiter. Wenn der Mensch den Umkreis der Erde empfindet und in seine Anschauung faßt, dann wird ihm dieser Umkreis, das Luftige, das die Erde umgibt, erscheinen als von der Sonne und ihrer Wärme und ihrem Lichte durchsetzt, und man kann in gewissem Sinne sagen, daß die Sonne lebt im Luftumkreise der Erde. Die Erde öffnet sich dem Weltenall, indem sie ihre Wirkungen, die sie von sich aus-sendet, dem Luftkreis übergibt und sich den Sonnenwirkungen er-schließt. Und jeder Mensch empfand in diesen alten Zeiten diejenige Gegend der Erde, auf der er gerade lebte, als ganz besonders wichtig, als ganz besonders wesentlich. Und so, sagen wir, empfand ein alter Orientale irgendeinen Teil der Erdoberfläche als seinen Teil, unten die Erde, oben den sonnenzugekehrten Umkreis. Das andere der Erde,

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links und rechts und vorne und rückwärts, das verschwamm im mehr allgemeinen (es wird gezeichnet).

Wenn also etwa ein alter Orientale, auf indischem Boden lebend, diesen indischen Boden als für ihn besonders wichtig empfunden hat, dann verschwand ihm dasjenige, was sonst auf der Erde war, ostwärts, südwärts, westwärts, im allgemeinen. Da kümmerte er sich nicht viel um die Art und Weise, wie die Erde angrenzt an die übrigen kosmi­schen Räume. Dagegen war ihm der Boden, auf dem er gerade war, besonders wichtig (siehe Zeichnung, rot). Das Hinausleben der Erde in den Weltenraum in dieser Gegend wurde ihm besonders wichtig. Wie er atmen durfte auf diesem besonderen Boden, das empfand er als ein für ihn besonders wichtiges Erlebnis. Heute fragen sich die Men­schen nicht viel: Wie atmet man auf einem bestimmten Boden? - Sie stehen allerdings unter dem Einfluß günstigerer oder ungünstigerer Atmungsbedingung, aber ins Bewußtsein wird das nicht so aufgenommen.

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Ein solcher alter Orientale hat eigentlich gerade in der Art und Weise, wie er atmen durfte, ein tiefes Erlebnis gehabt, und so in anderem, was damit zusammenhing, wie die Erde an den Weltenraum hinausgrenzt.

Dasjenige, was die ganze Erde war, das empfand der Mensch als das, was in seinem Haupte lebt. Das Haupt, es ist abgeschlossen durch feste Knochenwände nach oben, nach den Seiten, nach hinten. Aber es hat gewisse Ausgänge, ein gewisses freies Öffnen nach unten, nach dem Brustkorb (siehe Zeichnung). Das war für den alten Menschen von ganz besonderer Wichtigkeit, zu fühlen, wie das Haupt mit einer rela­tiven Freiheit sich gegen den Brustkorb hin öffnet. Denn empfand dieser Mensch die innere Konfiguration des Hauptes als ein Abbild des Irdischen, mußte er die Erde in Relation mit seinem Haupte setzen, so mußte er den Umkreis, dasjenige, was über der Erde ist, mit dem, was nun an das Untere in ihm geht, in Relation setzen. Das Sich­Öffnen nach unten, das Zugekehrtsein dem Herzen, das empfand der Mensch als zugeordnet dem Umkreis, als Bild, als Öffnung der Erde in den Kosmos hinaus. Und ein gewaltiges Erlebnis war es für den Menschen, wenn er sagte: In meinem Haupte fühle ich die ganze Erde. Aber diese ganze Erde öffnet sich in meinen Brustkorb hinein, der mein Herz trägt. Und dasjenige, was da sich abspielt zwischen meinem Haupte und meinem Brustkorb, meinem Herzen, das ist das Abbild dessen, was sich zuträgt von meinem Leben hinaus in den Kosmos, hin­aus zu dem sonnenzugekehrten Umkreis. - Und es war ein wichtiges, gründliches Erlebnis, wenn der alte Mensch sagte: Hier, in meinem Haupte, lebt in mir die Erde. Gehe ich tiefer, so kehrt sich die Erde der Sonne zu (siehe Pfeile), und das Abbild der Sonne ist mein Herz.

Da war der Mensch bei dem angekommen, was in der alten Zeit entspricht unserem Gefühlsleben. Wir haben noch das abstrakte Ge­fühlsleben, aber wir wissen ja unmittelbar nichts von unserem Herzen. Durch die Anatomie, durch die Physiologie glauben wir etwas davon zu wissen. Aber was da gewußt wird, das ist ja ungefähr ebensoviel wie dasjenige, was wir von einem in Papiermaché nachgebildeten Her­zen wissen. Das aber, was wir als Gefühlserlebnis der Welt haben, das

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hatte der alte Mensch nicht. Er hatte dafür sein Herzerlebnis. Und wie wir unser Gefühl hinausbeziehen auf die Welt, die mit uns lebt, wie wir empfinden, ob wir einen Menschen lieben, ob wir einem Men­schen antipathisch begegnen, diese oder jene Blume lieben, dieser oder jener abgeneigt sind, wie wir unser Gefühl auf die Welt beziehen, aber auf eine Welt, die, man möchte sagen, in luftiger Abstraktion her­ausgerissen ist aus dem soliden festen Kosmos, so bezog der alte Orien-tale sein Herz auf den Kosmos, das heißt auf dasjenige, was von der Erde in den Umkreis der Sonne ging.

Und wir, wir sagen zum Beispiel heute, wenn wir gehen: Wir wollen gehen. - Wir wissen, unser Wille lebt in unseren Gliedern. Der Mensch des alten Orients, der hatte ein wesentlich anderes Erlebnis. Das, was wir heute Wille nennen, kannte er ja nicht. Es ist ein bloßes Vorurteil, wenn man meint, daß dasjenige, was wir Denken, Fühlen, Wollen nennen, bei den alten orientalischen Völkern vorhanden war. Das war es gar nicht. Sie hatten Kopferlebnisse, die die Erdenerlebnisse waren, Brusterlebnisse oder Herzenserlebnisse, die die Erlebnisse des unmittel­baren Umkreises bis zur Sonne waren. Die Sonne entspricht dem Her­zenserlebnis. Aber sie hatten dann das Sich-Dehnen und Strecken in die Glieder, das Wahrnehmen der eigenen Menschlichkeit im Bewegen der Beine und Füße, im Bewegen der Arme und Hände. Sie waren da-drinnen. Aber in diesem das Innenwesen-Hineindehnen in die Glieder empfanden sie doch nicht bloß ein Bild des Umkreises der Erde, son­dern sie empfanden direkt ein Bild des Zusammenhanges des Men­schen mit den Sternenwelten (siehe Zeichnung, Seite 15). In meinem Kopfe habe ich ein Bild der Erde. In dem, was sich im Kopfe frei nach unten dehnt in die Brust hin zum Herzen, habe ich ein Bild dessen, was im Umkreise der Erde ist. In dem, was ich als die Kräfte meiner

Arme und Hände, meiner Füße und Beine empfinde, habe ich das, was abbildet das Verhältnis der Erde zu den weit im Weltenraum draußen lebenden Gestirnen.

So daß der Mensch, der in jenen alten Zeiten seine Erlebnisse aus-drückte als, wie wir es heute nennen würden, wollender Mensch, nicht gesagt hat: Ich gehe. - Schon in den Worten lag das nicht. Er hat auch nicht gesagt: Ich setze mich. - Wenn man die alten Sprachen auf diese

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feinen Inhalte prüfen würde, würde man überall finden, daß für die Tatsache, die wir bezeichnen als: ich gehe, das alte Orientalische dieses hatte: Mars impulsiert mich, Mars ist in mir tätig. - Das Vorwärts-gehen, das war das Empfinden der Mars-Impulse in den Beinen. Das Angreifen von irgend etwas, das Gefühl mit den Händen ward so ausgedrückt, daß man sagte: Venus wirkt in mir. - Das Zeigen von etwas, das Weisen, auch wenn ein grober Mensch einem anderen etwas dadurch weisen wollte, daß er ihm einen Tritt gab, alles Weisen wurde so ausgedrückt, daß man sagte, Merkur wirke in dem Menschen. Das Niedersitzen war die Jupitertätigkeit in dem Menschen. Und das Nie­derliegen, ob es nun im Ausruhen war, ob es aus Faulenzerei war, das ward ausgedrückt dadurch, daß man sagte, man gebe sich den Impulsen des Saturn hin. Also man fühlte in seinen Gliedmaßen die Weiten des Kosmos draußen. Der Mensch wußte: wenn er von der Erde aus in die Weltenweiten geht, dann kommt er von der Erde in den Umkreis, in die Gestirnsphäre. Wenn er von seinem Haupte nach abwärts geht, macht er dasselbe in seiner eigenen Wesenheit durch. rn seinem Haupte ist er in der Erde, in seinem Brustkorb und Herzen im Umkreise, in seinen Gliedmaßen im Sternenkosmos draußen.

Ich möchte sagen, und von einem gewissen Gesichtspunkte aus kann man das durchaus sagen: Ach, wir armen Menschen der Gegen­wart, wir erleben die abstrakten_Gedanken. Was sind sie viel? Wir sind ja sehr stolz darauf, aber wir vergessen über den selbst geschei-testen abstrakten Gedanken unseren Kopf. Und unser Kopf ist viel inhaltsreicher als unsere allergescheitesten Gedanken. Eine einzige Ge­hirnwindung - Anatomie und Physiologie wissen ja nicht viel von dem wunderbaren Geheimnis der Gehirnwindungen - ist etwas Großarti­geres, Gewaltigeres als die genialste abstrakte Wissenschaft irgendeines Menschen. - Und es gab eben einmal eine Zeit auf der Erde, wo der Mensch sich bewußt war nicht bloß seiner Gedanken, sondern seines Kopfes, wo er den Kopf empfand, wo er empfand, meinetwillen sagen wir, den Vierhügelkörper oder die Sehhügel, wo er sie empfand in ihrer Nachbildung einer gewissen physischen Gebirgskonfiguration der Erde; wo der Mensch nicht bloß aus irgendeiner abstrakten Lehre heraus das Herz auf die Sonne bezog, sondern wo er empfand: Wie mein Haupt

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zu meiner Brust, zu meinem Herzen, so steht die Erde im Verhältnis zur Sonne.

Es war das die Zeit, in welcher der Mensch mit seinem ganzen Leben eben mit dem Weltenall, mit dem Kosmos zusammengewachsen war Aber dieses Zusammengewachsensein, das dr ückte sich in seinem ganzen Leben aus. Wir sind ja allerdings gerade dadurch, daß wir an die Stelle unseres Kopfes das armselige Denken setzen, in die Lage versetzt, gedankliche Erinnerungen zu haben. Wir bilden uns Gedankenbilder von dem, was wir durchlebt haben, als abstrakte Erinnerungen unseres Kopfes. Das konnte derjenige, der nicht die Gedanken hatte, sondern noch seinen Kopf empfand, nicht. Der konnte sich nicht Erinnerungen bilden. Kam man daher nach jenen Gegenden des uralten Orients, in denen die Leute sich noch ihrer Köpfe bewußt waren, aber keine Ge­danken hatten, also auch keine Erinnerungen hatten, dann findet man in besonderer Ausbildung etwas, was wir wiederum gerade beginnen, nötig zu haben. Eine lange Zeit hatten es die Menschen nicht nötig, und es ist ja eigentlich auch nur eine kleine Schlamperei unseres Seelen­lebens, daß wir es wieder nötig haben. Wenn man in jener Zeit, von der ich spreche, in die Gegenden kam, wo die Menschen lebten, die sich ihres Kopfes, ihrer Brust, ihres Herzens, ihrer Gliedmaßen so bewußt waren, wie ich es geschildert habe, dann sah man überall: da ist irgend­ein kleiner Pflock in die Erde hineingesetzt und irgendein Zeichen daraufgesetzt, da ist an irgendeine Wand irgendein Zeichen gemacht. Alle Lebensgebiete, alle Lebensörtlichkeiten der Menschen waren mit lauter Merkzeichen übersät, denn man hatte noch nicht ein Gedanken-Gedächtnis. Wo irgend etwas geschah, da stellte man gewissermaßen ein kleines Denkmal auf, und wenn man wieder hinkam, dann erlebte man an dem Merkzeichen, das man machte, die Sache wieder. Der Mensch war eben zusammengewachsen in seinem Haupte mit der Erde. Und während er heute bloß eine Notiz in seinem Kopfe macht - und ich sagte ja schon, wir beginnen jetzt wiederum damit, Notizen nicht nur im Kopfe zu machen, sondern in unseren Notizbüchern und der­gleichen, aber ich sagte auch, das ist ja bloß eine Schlamperei der Seele, aber wir werden es immer mehr und mehr brauchen -, gab es dazumal nicht das, Notizen im Kopfe zu machen, weil die Gedanken, die Ideen

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eben nicht vorhanden waren; da wurde alles übersät von Merkzeichen. Und aus dieser naturgemäßen Anlage der Menschen entstand ja das Denkmalwesen.

Alles, was in der Entwickelungsgeschichte der Menschheit aufge­treten ist, ist ja aus dem Innern der menschlichen Natur heraus bedingt. Man sollte nur ehrlich sein und sich gestehen: Die eigentliche tiefere Grundlage des Denkmalwesens, die kennt ja der gegenwartige Mensch gar nicht. Er macht aus Gewohnheit Denkmäler. Aber diese Denkmäler sind die Uberreste jener alten Merkzeichen, wo der Mensch noch nicht ein solches Gedächtnis hatte wie heute, sondern wo er darauf angewie­sen war, an der Stelle, an der er etwas erlebt hatte, ein Merkzeichen anzubringen, und wenn er wieder hinkam, eben das aufleben zu lassen in seinem Kopfe, der alles das aufleben läßt, was irgendwie mit der Erde in Verbindung ist. Der Erde übergeben wir dasjenige, was der Kopf erlebt hat - das war Prinzip in alten Zeiten.

Und ich möchte sagen: Wir haben im alten Oriente eine uralte Zeit zu verzeichnen, die Zeit der lokalisierten Erinnerungen, wo eigentlich alles Erinnerungsmäßige gebunden ist daran, daß man Erinnerungs-zeichen auf die Erde hinstellte. Die Erinnerung war nicht dadrinnen, die war draußen, überall waren Denkzettel und Denksteine. Man stellte Erinnerungszeichen auf die Erde hin. Das was das lokalisierte Gedächt­nis, die lokalisierte Erinnerung.

Für eine spirituelle Entwickelung des Menschen ist es heute noch außerordentlich gut, wenn er etwas anknüpft an dieses nicht im Innern des Menschen befindliche Erinnerungsvermögen, sondern an jenes Er­innerungsvermögen, das eben eigentlich im Zusammensein des Men­schen mit der irdischen Außenwelt sich entfaltet und gestaltet; wenn er sich zum Beispiel sagt: Ich will mich nicht erinnern an dies oder jenes, sondern ich mache mir da oder dort ein Merkzeichen - oder: Ich will überhaupt über gewisse Dinge nur in Gemäßheit von Merkzeichen innere seelische Empfindungen entwickeln. Ich will in meinem Zimmer in einer Ecke ein Madonnenbild aufstellen und ich will, indem das Madonnenbild vor meine Seele tritt, dasjenige erleben, was ich eben in der Hinlenkung meiner Seele zur Madonna erleben kann. - Denn es ist eine feine Beziehung zu solchen Einrichtungen wie dem Madonnenbilde,

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das wir in den Wohnungen treffen, wenn wir nur ein wenig nach dem Osten kommen. Nicht nur in Rußland ist es, es ist ja überall schon im mittleren Osteuropa. Das alles sind im Grunde genommen Überreste aus der Zeit der lokalisierten Erinnerungen. Die Erinnerung haftet außen an dem Orte.

Aber ein zweites Stadium ist das andere, wo der Mensch übergeht von der lokalisierten Erinnerung zu der rhythmisierten Erinnerung. Wir haben also erstens die lokalisierte Erinnerung, zweitens die rhyth­misierte Erinnerung. Da hatte der Mensch nun nicht aus irgendeiner schlauen bewußten Finesse heraus, sondern aus seiner inneren Wesen­heit heräus das Bedürfnis entwickelt, im Rhythmus zu leben. Er hatte das Bedürfnis entwickelt, wenn er irgend etwas gehört hatte, das so in sich zu reproduzieren, daß ein Rhythmus herauskam. Wenn er die Kuh erlebte - Muh -, dann nannte er sie nicht Muh allein, sondern Muh-Muh, oder meinetwillen sogar in älteren Zeiten Muhmuhmuh. Das heißt, er türmte das Wahrgenommene so übereinander, daß ein Rhythmus herauskam. In manchen Wortbildungen können Sie das heute noch verfolgen, zum Beispiel der Gaugauch oder Kuckuck. Oder auch dann, wenn die Wortbildungen nicht unmittelbar hintereinander stehen, sehen Sie übrigens, wie bei Kindern das Bedürfnis noch vor­handen ist, diese Wiederholungen auszubilden. Das ist noch eine Erb-schaft aus der Zeit, wo die rhythmisierte Erinnerung Platz gegriffen hat, wo man nichts erinnerte, was man nur einfach e4ebte, wo man nur dasjenige erinnerte, was man in Rhythmisierung, also in Wieder­holungen, in rhythmischer Wiederholung erlebte. Und so mußte wenig­stens zwischen dem, was aufeinanderfolgte, eine Ahnlichkeit sein: Mann und Maus, Stock und Stein. Diese Rhythmisierung des Erlebten, das ist ein letzter Rest einer hochgradigen Sehnsucht, überall zu rhyth­misieren, denn was nicht rhythmisiert wurde in dieser zweiten Epoche, nach dem lokalisierten Gedächtnisse, das behielt der Mensch nicht. Und aus diesem rhythmisierten Gedächtnisse hat sich dann eigentlich die gesamte ältere Verskunst herausgebildet, überhaupt die versifizierte Dichtung. Und erst als dritte Stufe hat sich dasjenige gebildet, was wir heute noch kennen: die zeitliche Erinnerung, wo wir nicht mehr räum­lich in der Außenwelt den Angriffspunkt der Erinnerung haben, wo

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wir auch nicht mehr angewiesen sind auf den Rhythmus, sondern wo dasjenige, was sich in die Zeit hineinstellt, später wieder hervorgerufen werden kann. Dieses unser ganz abstraktes Gedächtnis ist erst die dritte Stufe in der Gedächtnisentwickelung.

Und nun fassen Sie den Zeitpunkt genau ins Auge, dwo in der Menschheitsentwickelung gerade übergeht die rhythmische Erinnerung in die Zeiterinnerung, wo das zuerst auftritt, was uns in unserer jäm­merlichen Abstraktheit des modernen Menschen ganz selbstverständ­lich ist: das Zeitgedächtnis, wo wir im Bilde das hervorrufen, was wir hervorrufen; wo wir i!icht mehr so erleben, daß wir in halb oder ganz unbewußter Tätigkeit etwas in rhythmischer Wiederholung wachgerufen haben müssen, wenn es wieder aufsteigen sollte. Nehmen Sie diesen Zeitpunkt des Überganges der rhythmischen Erinnerung in die zeitliche Erinnerung, dann haben Sie jenen Zeitpunkt, wo der alte Orient eben nach Griechenland herüber kolonisiert, jenen Zeit­punkt, der Ihnen in der Geschichte geschildert wird als die Entstehung der von Asien herüber nach Europa begründeten Kolonien. Was die Griechen erzählen voh jenen Heroen, die von Asien oder Ägypten gekommen sind und sich auf griechischem Boden niedergelassen haben, das ist eigentlich die Erzählung, die da heißen müßte: Es zogen aus einmal aus dem Lande, wo da war das rhythmische Gedächtnis, die großen Helden und suchten ein Klima auf, wo das rhythmische Ge­dächtnis übergehen konnte in das zeitliche Gedächtnis, in die zeitliche Erinnerung.

Damit haben wir den Zeitpunkt des Aufganges des Griechentunis streng gezeichnet. Denn was im Oriente als das Mutter- und Stamm-land des Griechentums dagestanden hat, das ist im Grunde genommen ein Menschengebiet mit ausgebildetem rhythmischem Gedächtnis. Da hat der Rhythmus gelebt. Und eigentlich ist der alte Orient nur dann richtig begriffen von dem Menschen, wenn er ihn vorstellt als das Land des Rhythmus. Und wenn das Paradies nur so weit zurückversetzt wird, als die Bibel es zurückversetzt, dann würden wir, wenn wir das Paradies nach Asien verlegen, es uns vorzustellen haben als das Gebiet, wo die reinsten Rhythmen durch den Kosmos erklangen und im Men­schen wiederum anfeuerten das, was sein rhythmisches Gedächtnis war,

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wo der Mensch als Rhythmus-Erleber in einem Kosmos als Rhythmus-Erzeuger lebte.

Fühlen Sie einmal in der Bhagavad-Gita noch etwas nach von dem, was einstmals jenes grandiose Rhythinus-Erleben war, fühlen Sie es nach in der Veden-Literatur, fühlen Sie es selbst in vielem nach, was auch westasiatische Dichtung und westasiatisches Schrifttum ist, wenn wir dieses moderne Wort gebrauchen dürfen: da leben die Nachklänge des einstmals ganz Asien mit majestätischem Inhalt durchgreifenden Rhythmus, der sich widerspiegelte als das Geheimnis des Umkreises der Erde in dem menschlichen Brustkorb, in dem menschlichen Herzen. Und dann kommen wir in noch ältere Zeiten, wo die rhythmische Er­innerung nach rückwärts zurückverläuft in das lokalisierte Gedächtnis, wo die Menschen noch nicht rhythmische Erinnerungen hatten, wo die Menschen darauf angewiesen waren, da, wo sie etwas erlebt hatten, das Merkzeichen hinzustellen. Wenn sie nicht an diesem Orte waren, brauchten sie das nicht; wenn sie an diesen Ort kamen, mußten sie sich erinnern. Aber nicht sie erinnerten sich, das Merkzeichen, die Erde erinnerte sie. Wie die Erde überhaupt dasjenige ist, was den mensch­lichen Kopf als sein Abbild hat, so hat nun das Merkzeichen in der Erde für diese Menschen der lokalisierten Erinnerungen im Kopfe sein Abbild wiederum hervorgerufen. Der Mensch lebt ganz mit der Erde, der Mensch hat sein Gedächtnis ganz in seiner Verbindung mit der Erde. Das Evangelium erinnert daran nur noch an einer Stelle, wo es mitteilt, daß der Christus etwas in die Erde hineinschreibt.

Und wir haben einen Zeitpunkt festgehalten, wo die lokalisierte Erinnerung übergeht in die rhythmische Erinnerung. Das ist der Zeit­punkt, wo während des Unterganges der alten Atlantis von westwärts nach ostwärts, nach Asien hinüber, die uralten nachatlantischen Völker wandern. Denn wir haben, wenn wir von Europa nach Asien hinüber­gehen, erst die Wanderung von der alten Atlantis, die ja heute der Boden des Atlantischen Ozeans ist, hinüber nach Asien (siehe Zeich­nung), und die Zurückwanderung der Kultur wiederum nach Europa. Beim Herüberwandern der atlantischen Völker nach Asien haben wir den Übergang der lokalisierten Erinnerung in die rhythmisierte Er­innerung, die ihre Vollendung im asiatischen Geistesleben hat. Dann

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haben wir bei der Kolonisation nach Griechenland herüber den Über­gang von der rhythmischen Erinnerung zu der Zeiterinnerung, die wir heute noch in uns tragen.

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Und in dieser Ausbildung der Erinnerung liegt die ganze Zivilisa­tion zwischen der atlantischen Kataströphe und der Entstehung der griechischen Zivilisation, liegt alles das, was mehr legendenhaft, mehr sagenhaft als historisch vom alten Asien zu uns herübertönt. Nicht dadurch lernen wir die Entwickelung der Menschen auf der Erde kennen, daß wir das Äußere vor allen Dingen ins Auge fassen, daß wir die äußeren Dokumente prüfen, sondern daß wir die Entwicke­lung dessen, was im Innern des Menschen lebt, ins Auge fassen, daß wir ins Auge fassen, wie so etwas wie die Erinnerungsfähigkeit sich von außen nach dem Innern entwickelt hat.

Sie wissen ja alle, was diese Erinnerungsfähigkeit für den heutigen Menschen bedeutet. Sie werden schon gehört haben von Menschen, die plötzlich in krankhafter Weise irgendeinen Teil ihres Lebens, an den sie sich erinnern sollten, ausgelöscht haben. Jemand, mit dem ich befreun­det war, hat vor seinem Tode ein furchtbares Schicksal dadurch er­fahren, daß es ihm passierte, daß er eines Tages sich aus seinem Heim entfernte, sich auf der Bahnstation ein Billett kaufte bis zu einem bestimmten Punkt, dann ausstieg, sich wieder eins kaufte; das alles, indem die Erinnerung an sein Leben bis zum Kaufen dieses Billetts momentan in ihm ausgelöscht war. Er tat alles klug, der Verstand

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war ganz intakt; das Gedächtnis war ausgelöscht. Und er fand sich dann wiederum, indem das Gedächtnis wieder anknüpfte an früher, in einem Obdachlosenasyl in Berlin, in welchem er sich eingefunden hatte. Man konnte nachher konstatieren, daß er in der Zwischenzeit in halb Europa herumgereist ist, ohne daß er dieses Erlebnis verbinden konnte mit seinen früheren Erlebnissen. Das Gedächtnis dämmerte erst wieder auf, nachdem er auf ihm ganz unbekannte Weise in dieses Ber­liner Asyl für Obdachlose gekommen ist. Das ist nur ein Beispiel für zahlreiche Fälle, die uns im Leben ja entgegentreten, wo wir sehen, wie das seelische Leben des modernen Menschen eben einfach nicht intakt ist, wenn nicht der Erinnerungsfaden bis zu einem gewissen Zeit­punkt nach unserer Geburt unabgerissen ist.

Das war bei denjenigen Menschen, bei denen die lokalisierte Erinne­rung ausgebildet war, nicht der Fall. Die kannten überhaupt diesen Erinnerungsfaden nicht. Aber sie wären unglücklich in ihrem Seelen-leben gewesen, sie wären so geworden, wie wir werden, wenn etwas in uns das Selbst auslöscht, wenn sie nicht überall auf ihrem Boden umgeben gewesen wären von Denkzeichen, die sie an das erinnerten, was sie selbst erlebt haben, von Denkzeichen, die sie selber überall errichtet hatten, aber auch von Denkzeichen, die ihre Väter, ihre Schwestern, Brüder und so weiter errichtet hatten, die in ihrer Konfigu­ration ähnlich schauten ihren eigenen Denkzeichen, und die sie daher zu Verwandtem hinbrachten. Aber dasjenige, was wir innerlich als die Bedingung unseres intakten Selbstes empfinden, das war für diese Men­schen ein Äußerliches.

Nur dadurch, daß wir diesen Seelenwandel in der Menschheit vor unserer Seele vorüberziehen lassen, kommen wir auf die ganze Bedeu­tung dieses Seelenwandels in der historischen Entwickelung der Mensch­heit. Dadurch, daß man so etwas betrachtet, bekommt die Geschichte erst ihr Licht. Und ich wollte zunächst einmal an einem besonderen Beispiel aufweisen, wie die Seelengeschichte der Menschheit in bezug auf das Erinnerungsvermögen ist. Wir wollen dann in den nächsten Tagen sehren, wie sich die historischen Ereignisse in ihrer wahren Gestalt erst zeigen werden, wenn wir sie beleuchten können mit dem Lichte, das so von der menschlichen Seelenkunde her genommen ist.

ZWEITER VORTRAG Dornach, 25. Dezember 1923

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ZWEITER VORTRAG

Dornach, 25. Dezember 1923

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Aus den gestrigen Darstellungen wird Ihnen hervorgegangen sein, wie man eine richtige Anschauung über den geschichtlichen Verlauf der Menschenentwickelung auf der Erde nur dadurch bekommen kann, daß man sich einläßt auf die durchaus verschiedenen Seelenzustände, die vorhanden waren in den verschiedenen Zeitaltern. Und ich versuchte ja gestern zu begrenzen die eigentliche alt-orientalische, die asiatische Entwickelung, versuchte hinzuweisen auf jenen Zeitabschnitt, in dem die Nachkommen der atlantischen Bevölkerung nach der atlantischen Katastrophe ihren Weg herübergefunden haben vom Westen nach dem Osten und nach und nach Europa, Asien bevölkert haben. Dasjenige, was dann durch diese Völkerschaften in Asien abläuft, es stand ja ganz unter dem Einflusse eines Gemütszustandes dieser Menschen, der an das Rhythmische gewöhnt war. Im Beginne haben wir noch die Nach­klänge, die deutlichen Nachklänge desjenigen, was ja in der Atlantis vollständig vorhanden war: das lokalisierte Gedächtnis. Dann geht es während der orientalischen Entwickelung in das rhythmische Gedächt­nis über. Und ich zeigte Ihnen ja, wie mit der griechischen Entwicke­lung erst der Umschwung zum Zeitgedächtnis eintritt.

So ist die eigentliche asiatische Entwickelung - denn das, was die Ge­schichte darstellt, sind ja schon Dekadenzzustände - diejenige ganz an­ders gearteter Menschen, als es die Menschen späterer Zeit sind, und die äußeren geschichtlichen Geschehnisse sind in jenen alten Zeiten viel mehr abhängig von dem, was im Menschengemüte lebte, als später. Was in jenen älteren Zeiten im Menschengemüte lebte, das lebte eben im ganzen Menschen. Man kannte nicht ein so abgesondertes Seelen- und Denkleben wie heute. Man kannte nicht dieses Denken, das gar keinen Zusammenhang mehr fühlt mit den inneren Vorgängen des mensch­lichen Hauptes. Man kannte nicht dieses abstrakte Fühlen, das gar nicht mehr sich im Zusammenhang weiß mit der Blutzirkulation, son­dern man kannte nur ein Denken, das man zu gleicher Zeit innerlich als Geschehen des Hauptes erlebte, ein Fühlen, das man erlebte im

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Atmungs- und Blutrhythmus und so weiter. Man erlebte, man empfand den ganzen Menschen in ungetrennter Einheit.

Das alles war aber damit verbunden, daß man auch das Verhältnis zur Welt, zum Weltenall, zum Kosmos, zum Geistigen und Physischen im Kosmos ganz anders erlebte als später. Der heutige Mensch erlebt sich auf Erden mehr oder weniger auf dem Lande oder in Städten. Er ist umgeben von dem, was er als Wälder anschaut, als Flüsse, als Berge, oder er ist umgeben von dem, was Gemäuer der Städte ist. Und wenn er von dem Kosmisch-Übersinnlichen spricht, ja, wo ist es denn eigent­lich? Der moderne Mensch weiß ja sozusagen keine Sphäre anzugeben, wo er das Kosmisch-Übersinnliche sich denken soll. Es ist nirgends eigentlich für ihn greifbar, faßbar, ich meine auch nicht seelisch-geistig greifbar, faßbar. Das war so nicht in jener alten orientalischen Ent­wickelung, sondern in jener alten orientalischen Entwickelung war eigentlich die Umgebung, die wir heute als physische Umgebung be­zeichnen würden, nur die unterste Partie einer geistig-physisch ein­heitlich gedachten Welt. Da war um den Menschen herum dasjenige, was in den drei Reichen der Natur enthalten ist, was in Fluß und Berrg und so weiter enthalten ist, aber das war zu gleicher Zeit geistdurch­wachsen, wenn ich so sagen darf, geistdurchströmt, geistdurchwoben. Und der Mensch sagte: Ich lebe mit Bergen, ich lebe mit Flüssen, aber ich lebe auch mit den Elementargeistern der Berge, der Flüsse. Ich lebe im physischen Reich, aber dieses physische Reich ist der Körper eines geistigen Reiches. Um mich herum ist überall die geistige Welt, die unterste geistige Welt.

Da war dieses Reich, das nun für uns das irdische geworden ist, unten. Der Mensch lebte darinnen. Aber er stellte sich eben in seinem Bilde vor (siehe Zeichnung, Seite 36), daß, wo dieses Reich (hell) nach oben hin aufhört, eben ein anderes beginnt (gelb-rot), in welches das untere übergeht, und dann wieder ein anderes (blau), und zuletzt das höchste, das noch zu erreichen ist (orange). Und wenn wir nach dem, was unter uns in der anthroposophischen Erkenntnis üblich geworden ist, ddiese Reiche benennen wollten - im alten orientalischen Leben hatten sie andere Namen, aber das kommt nicht darauf an, wir wollen sie so benennen, wie sie für uns heißen -, so würden wir da oben die

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erste Hierarchie haben: Seraphim, Cherubim, Throne, dann die zweite Hierarchie: Kyriotetes, Dynamis, Exusiai, und died dritte Hierarchie: Archai, Archangeloi, Angeloi.

Und nun kam das vierte Reich, wo die Menschen drinnen leben, wo wir heute nach unserer Erkenntnis nur die Natrirgegenstände und Naturvorgänge ansetzen, wo diese Menschen die Naturvorgänge und Naturdinge durchwoben fühlten von den Elementargeistern des Was­sers, der Erde. Und das war Asien (siehe Zeichnung, Seite 36). Asien bedeutete das unterste Geisterreich, in dem man als Mensch noch dar­innen ist. Allerdings, was heute unsere gewöhnliche Anschauung ist, die der Mensch für sein gewöhnliches Bewußtsein hat, das hatte man in jenen alten orientalischen Zeiten nicht. Es wäre ganz unsinnig zu denken, daß man in jenen alten orientalischen Zeiten die Möglichkeit gehabt hätte, geistlose Materie irgendwo zu vermuten. Wie wir heute reden von Sauerstoff, Stickstoff, es wäre ja für jene alten Zeiten zu den­ken die reine Unmöglichkeit. Sauerstoff war das Geistige, das belebend, erregend wirkte auf das schon Lebendige, das beschleunigend auf das Leben des Lebendigen wirkte. Stickstoff, den wir heute uns so vor­stellen, daß er dem Sauerstoff beigemengt in der Luft enthalten ist, Stickstoff war jenes Geistige, das die Welt durchwebt und das, indem es auf das lebendige Organische wirkt, dieses Organische bereitmacht, in sich Seelisches aufzunehmen. Nur so kannte man zum Beispiel Sauer­stoff und Stickstoff. Und so kannte man alle Naturvorgänge als im Zusammenhange mit Geistigem, weil man die Anschauung, die man heute als Mann auf der Straße hat, gar nicht hatte. Einzelne hatten sie, und das waren gerade die Eingeweihten, die Initiierten. Die an­deren Menschen hatten für das gewöhnliche Alltägliche einen Bewußt­seinszustand, der sehr ähnlich ist einem Wach-Traum, aber eben ein Traumzustand, wie er bei uns nur noch in abnormen Erlebnissen vor­handen ist. Mit diesem Träumen ging der Mensch herum. Mit diesem Träumen ging er an die Wiesen, an die Bäume, an die Flüsse heran, an die Wolken, und er sah alles in dieser Weise, wie man es sehen und hören kann in diesem Traumzustande.

Sie müssen sich nur einmal vorstellen, was da zum Beispiel geschehen kann für den heutigen Menschen. Der Mensch ist eingeschlummert.

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Plötzlich tritt vor ihm auf das Traumesbild eines feurigen Ofens. Er hört: Feurio! Draußen fährt die Feuerwehr vorbei, um irgendwo ein Feuer zu löschen. - Wie weit verschieden ist dasjenige, was trocken die menschliche Vernunft, wie man sagt, und das gewöhnliche sinnliche Anschauen von diesem Tun der Feuerwehr vernehmen, von dem, was der Traum dem Menschen vorspiegeln kann. Aber so in Traum ge­gossen war alles das, was jene alte orientalische Menschheit erlebte. Da verwandelte sich alles, was draußen in den Reichen der Natur war, in Bilder. Und in diesen Bildern erlebte man die Elementargeister des Wassers, der Erde, der Luft, des Feuers. Und jener Plumpsackschlaf, den wir haben - ich meine, jener Schlaf, wo man eben ganz daliegt wie ein Sack und gar nichts von sich weiß -, den hatten die Menschen in damaliger Zeit nicht. Nicht wahr, diesen Schlaf gibt es doch heute. Den hatten aber die Menschen in der damaligen Zeit nicht, sondern sie hatten auch während dieses Schlafes ein dumpfes Bewußtsein. Wäh­rend sie auf der einen Seite, wie wir es heute nennen, ihren Körper ausruhten, wob das Geistige in ihnen in einem Tätigsein der äußeren Welt. Und in diesem Weben nahm man wahr_dasjenige, was die dritte Hierarchie ist. Asien nahm man wahr im gewöhnlichen Wach-Traum-zustande, das heißt in dem alltäglichen Bewußtsein von damals. Die dritte Hierarchie nahm man wahr im Schlafe. Und in den Schlaf tauchte dann zuweilen ein noch dumpfes Bewußtsein ein, aber ein Bewußtsein, welches seine Erlebnisse tief in das Menschengemüt hinein-grub. So daß es also für diese orientalische Bevölkerung dieses Alltags-bewußtsein gab, wo alles sich in Imaginationen und Bilder wandelte. Sie waren nicht so real, wie jene der älteren Zeit, zum Beispiel der atlantischen oder gar der lemurischen Zeit oder der Mondenzeit, aber es waren immerhin Bilder, die da noch vorhanden waren auch während dieser orientalischen Entwickelung.

Also diese Menschen hatten diese Bilder. Dann hatten sie in den Schlafzuständen dasjenige, was sie in die Worte kleiden konnten: Ent­schlummern wir dem gewöhnlichen irdischen Dasein, dann treten wir ein in das Reich der Angeloi, Archangeloi, Archai und leben unter ihnen. Die Seele macht sich frei vom Organismus und lebt unter den Wesen der höheren Hierarchien.

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Zu gleicher Zeit war man sich klar darüber, daß, während man in Asien lebte, mit Gnomen, Undinen, Sylphen, Salamandern, das heißt mit den Elementargeistern der Erde, des Wassers, der Luft, des_Feuers lebte, daß man in dem Schlafzustand in dem der Körper sich ausruhte, erlebte die Wesenheiten der dritten Hierarchie, aber zu gleicher Zeit erlebte mit dem planetarischen Dasein, mit demjenigen, was in dem Planetensystem lebt, das zur Erde gehört. Dann aber trat manchmal herein in das Schlafbewußtsein, wo man die dritte Hierarchie wahr-nahm, ein ganz besonderer Zustand, in dem der Schlafende fühlte: Es kommt ein ganz fremdes Bereich an mich heran. Es nimmt mich etwas an sich, es holt mich etwas weg aus dem irdischen Dasein. - Das fühlte man noch nicht, indem man in die dritte Hierarchie versetzt war, aber indem dieser tiefere Schlafzustand kam, fühlte man dieses. Eigentlich war niemals ein solches Bewußtsein davon vorhanden, daß dieses während des Schlafzustandes mit der dritten Hierarchie geschah. Aber tief, tief bohrte sich ein in das ganze menschliche Sein dasjenige, was da erlebt wurde aus der zweiten Hierarchie heraus. Und der Mensch hatte es bei seinem Aufwachen in seinem Gemüte, und er sagte: Ich bin begnadet worden von höheren Geistern, die über dem planetari­schen Dasein ein Leben haben. - Und so sprachen diese Menschen dann von jener Hierarchie, welche die Exusiai, die Kyriotetes und die Dyna­mis umfaßt. Und dieses, was ich Ihnen jetzt erzähle, das war sozusagen im älteren Asien im Grunde das gewöhnliche Bewußtsein. Die zwei Bewußtseinszustände, das Wachend-Schlafen, Schlafend-Wachen, und den Schlaf, in den die dritte Hierarchie hereinragte, das hatten schon von vornherein alle. Und manche hatten durch ihre besondere Natur-anlage dann dieses Hereinragen eines tieferen Schlafes, wo die zweite Hierarchie in das menschliche Bewußtsein hereinspielte.

Und die Eingeweihten in den Mysterien, sie bekamen einen weiteren Bewußtseinszustand. Welchen? Das ist eben gerade das Überraschende. Wenn man die Antwort darauf gibt: Welchen Bewußtseinszustand be­kamen nun die Eingeweihten der damaligen Zeit? - so lautet sie: Den Bewußtseinszustand, den Sie heute am Tage immer haben. - Sie ent­wickeln ihn in Ihrem zweiten, dritten Lebensjahre auf natürliche Weise. Der alte Orientale ist auf natürliche Weise nie dazu gekommen,

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sondern er mußte ihn künstlich heranbilden. Er mußte ihn heran-bilden aus dem wachenden Träumen, träumenden Wachen. Während er, wenn er herumging mit seinem wachenden Träumen, träumenden Wachen, Bilder überall sah, die mehr oder weniger symbolisch nur das­jenige gaben, was wir heute mit scharfen Konturen sehen, kamen die Eingeweihten dazu, die Dinge dazumal so zu sehen, wie sie der Mensch heute mit dem gewöhnlichen Bewußtsein alle Tage sieht. Und die Ein­geweihten kamen dazumal dazu, durch dieses erst heranentwickelte Bewußtsein das zu lernen, was heute jeder Schulknabe und jedes Schul­mädchen in der Volksschule lernt. Und der Unterschied bestand nicht darin, daß der Inhalt etwas anderes war. Allerdings jene abstrakten Buchstabenformen, die wir heute haben, die hatte man damals nicht. Die Schrift wies Charaktere auf, welche in innigerem Zusammenhange mit den Sachen und Vorgängen der Welt standen. Aber immerhin, das Schreiben, das Lesen lernten in diesen alten Zeiten nur die Eingeweih­ten, weil man schreiben und lesen eben nur lernen kann in dem ver­standesmäßigen Bewußtseinszustand, der heute der natürliche ist.

Wenn Sie sich also vorstellen würden, daß irgendwo wiederum auf­treten würde diese altorientalische Welt mit Menschen jener Art, wie sie damals waren, und Sie unter diese Menschen treten würden mit Ihrer Seelenartung von heute, so wären Sie für jene Menschen dazu­mal alle Eingeweihte. Der Unterschied liegt eben nicht im Inhaltlichen. Sie wären Eingeweihte, aber Sie würden von den Menschen der da­maligen Zeit in dem Augenblicke, wo Sie als Eingeweihte erkannt wür­den, mit allen möglichen Mitteln aus dem Lande getrieben, weil die Leute sich darüber klar wären, daß man als Eingeweihter die Dinge nicht so wissen darf, wie die heutigen Menschen sie wissen. Man darf zum Beispiel - das war die Anschauung der damaligen Zeit, ich charak­terisiere sie durch dieses Bild - nicht schreiben können, nach der Ansicht der damaligen Leute, wie die Menschen der heutigen Zeit schreiben kön­nen. Wenn ich mich hineinversetze in ein Gemüt der damaligen Zeit, und es trate einem ein solcher Pseudo-Eingeweihter, das heißt ein gewöhn­licher Mensch, ein gewöhnlich gescheiter Mensch der Gegenwart ent­gegen, so würde dieser Mensch der damaligen Zeit sagen: Der kann schreiben, er macht Zeichen auf das Papier, die etwas bedeuten, und er

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ist sich nicht einmal bewußt, wie unendlich teuflisch es ist, so etwas zu tun und nicht das Bewußtsein in sich zu tragen, daß man dies nur im Auftrage des göttlichen Weltbewußtseins tun darf, daß man Zeichen, die etwas bedeuten, auf das Papier nur machen darf, wenn man sich bewußt ist: Der Gott wirkt in den Händen, in den Fingern, der Gott wirkt in der Seele, so daß die Seele sich ausdrückt durch diese Buch­stabenformen. - Dieses, das nicht in der Verschiedenheit des Inhaltes liegt, das in der menschlichen Auffassung der Sache liegt, das ist es, was eben die Eingeweihten der alten Zeit noch ganz anders hatten als die heutigen Menschen, welche dasselbe inhaltlich haben. Sie werden, wenn Sie in meiner Schrift «Das Christentum als mystische Tatsache», die jetzt wiederum in Neuauflage erschienen ist, nachlesen, gleich im An­fange angedeutet finden, daß darinnen eigentlich das Wesen des Ein­geweihten der alten Zeit lag. Und es ist eigentlich imiaer so in der Weltenentwickelung: Was in einer späteren Zeit auf natürliche Art in dem Menschen erwächst, das ist in einer früheren Zeit durch die Ein­weihung zu erringen.

Gerade indem ich so etwas darstelle, werden Sie den gründlichen Unterschied verspüren zwischen der Gemütslage dieser alten orientali­schen Yölker der vorhistorischen Entwickelung und den Menschen, die

später in die Zivilisation eingetreten sind. Es ist schon eine andere Menschheit, die den untersten Himmel Asien nannte und das eigene Land darunter verstand, die Natur, die einen umgab. Man wußte, wo der letzte Himmel ist. Vergleichen Sie das mit den Anschauungen von heute, wie wenig die Menschen der Gegenwart dasjenige, was sie um­gibt, als den letzten Himmel betrachten. Die meisten können ihn ja nicht als den letzten betrachten, weil sie die vorhergehenden auch nicht kennen.

Nun, wir sehen also, daß das Geistige bis tief in das Naturdasein hereinragt in dieser alten Zeit. Und dennoch, wir treffen etwas unter diesen Menschen wiederum, das uns in der gegenwärtigen Zeit unend­lich barbarisch erscheinen möchte, wenigstens vielen von uns. Den Men­schen dazumal wäre es furchtbar barbarisch erschienen, wenn jemand so hätte schreiben können, mit solcher Gesinnung, wie man heute schrei­ben kann. Es wäre ihnen überhaupt teuflisch erschienen. Einer großen

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Anzahl von Menschen der Gegenwart erscheint es aber ganz gewiß wiederum barbarisch, wie in jenem Asien drüben es etwas ganz Selbst­verständliches war, daß eine Völkerschaft, die von Westen nach dem Osten weiter hinüberzog, oftmals mit großer Grausamkeit eine andere, die schon seßhaft war, sich untertan machte, deren Land eroberte, die Bevölkerung zu Sklaven machte. Das ist überhaupt im weiteren Um­fange der Inhalt dieser orientalischen Geschichte über ganz Asien. Wäh­rend diese Menschen eine hohe spirituelle Anschauung hatten in der Art, wie ich es eben charakterisiert habe, verlief die äußere Geschichte in fortwährenden Eroberungen fremden Landes, deren Bevölkerung untertänig gemacht worden ist. Das erscheint gewiß vielen Menschen in der Gegenwart wiederum barbarisch. Und wenn heute auch noch irgendwie Eroberungskriege vorhanden sind, so hat man doch dabei, selbst diejenigen, die sie verteidigen, nicht ein ganz gutes Gewissen. Man merkt das den Verteidigungen der Eroberungskriege schon an: man hat nicht ein ganz gutes Gewissen dabei. In der damaligen Zeit hatte man gerade gegenüber den Eroberungskriegen das allerbeste Ge-wissen, und man fand, daß dieses Erobern überhaupt gottgewollt ist. Und dasjenige, was dann später als die Friedenssehnsuchten über einen großen Teil Asiens sich ausgebreitet hatte, das ist eigentlich Spätprodukt der Zivilisation Dagegen ist Frühprodukt der Zivilisation für Asien das fortwährende Erobern von Ländern und Untertänigmachen der Bevölkerungen. Je weiter man in die vorhistorischen Zeiten zurück-schaut, desto mehr findet man dieses Erobern, von dem nur ein Schat­ten noch dasjenige ist, was die Xerxes und ähnliche Leute getan haben.

Aber diesem Prinzip der Eroberungen liegt ja etwas ganz Bestimm­tes zugrunde. In der damaligen Zeit war eben durch jene Bewußtseins-zustände bei den Menschen, die ich Ihnen geschildert habe, der Mensch auch im Verhältnis zu den andern Menschen und zur Welt in einer ganz anderen Lage als heute. Gewisse Unterschiede in den Bevölke­rungsteilen der Erde haben heute ihre prinzipielle Bedeutung verloren. Dazumal waren sie in einer ganz anderen Weise vorhanden als heute. Und so wollen wir einmal etwas, was oftmals real war, als Beispiel vor -unsere Seele hinstellen.

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Nehmen wir an, wir hätten hier links das europäische Gebiet (siehe Zeichnung), hier rechts das asiatische Gebiet. Eine erobernde Bevölke­rung (rot) konnte, auch vom Norden von Asien, herüberkommen, dehnt sich über irgendein Gebiet in Asien aus, macht die Bevölkerung untertan (rot um gelb).

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Was lag da eigentlich vor? In den charakteristischen Fällen, welche die eigentliche geschichtliche Entwickelung im Fluß erhielten, war im­mer die Bevölkerung, die erobernd auftrat, als Volk oder als Rasse jung - jung, voller Jugendkraft. Nun, was heißt heute unter den Men-schen der gegenwärtigen Erdenentwickelung jung sein? Unter den Menschen der gegenwärtigen Erdenentwickelung heißt jung sein, so viel Todeskräfte in jedem Augenblick seines Lebens in sich tragen, daß man die Seelenkräfte, die die absterbenden Vorgänge des Menschen brauchen, versorgen kann. Wir haben ja sprießende, sprossende Lebens-kräfte in uns; die machen uns aber nicht besonnen, sondern die machen uns gerade ohnmächtig, bewußtlos. Die abbauenden, die Todeskräfte, die fortwährend in uns auch wirken, die nur immer von den Lebens-kräften während des Schlafes überwunden werden, so daß wir eben nur am Ende des Lebens zusammenfassen all die Todeskräfte in dem einmaligen Tode, diese Todeskräfte müssen fortwährend in uns sein.

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Die bewirken die Besonnenheit,u das Bewußtsein. Das ist aber eben ein Charakteristikon der gegenwärtigen Menschheit. Solch eine junge Rasse, ein junges Volk, das litt an seinen überstarken Lebenskräften. Was da Mensch war, hatte fortwährend das Gefühl: Ich drücke dauernd mein Blut gegen meine Körperwände. Ich kann es nicht aushalten. Mein Bewußtsein will nicht besonnen werden. Ich kann meine volle Mensch­lichkeit wegen meiner Jugendlichkeit nicht entwickeln.

So sprachen allerdings nicht die gewöhnlichen Menschen, so sprachen aber die Eingeweihuten in den Mysterien, die diese ganzen geschicht­lichen Vorgänge dazumal hoch leiteten und lenkten. Und so hatte eine solche Bevölkerung zuviel Jugend, zuviel Lebenskräfte, zu wenig von dem in sich, was Besonnenheit geben konnte. Dann zog sie aus, eroberte ein Gebiet, wo eine ältere Bevölkerung lebte, die schon in irgendeiner Weise Todeskräfte in sich aufgenommen hatte, weil sie bereits in die Dekadenz gekommen war, zog aus, machte sich diese Bevölkerung untertänig. Es brauchte nicht eine Blutsverwandtschaft einzutreten zwi­schen den Eroberern und den zu Sklaven Gemachten. Dasjenige, was sich unbewußt im Seelischen abspielte zwischen den Eroberern und den versklavten Leuten, das wirkte verjüngend, und auf die Besonnenheit hin wirkte es. Und der erobernde Mensch, der sich seinen Hof begrün­det hatte, wo er nun seine Sklaven hatte, er brauchte eben auch nur den Einfluß auf sein Bewußtsein. Er brauchte nur hinzulenken seinen Sinn auf diese Sklaven, und, ich möchte sagen, abgedämpft in der Sehn­sucht nach der Ohnmächtigkeit wurde die Seele, und Bewußtheit, Be­sonnenheit trat ein.

Dasjenige, was wir heute als individueller Mensch erreichen müssen, wurde dazumal im Zusammenleben mit den anderen Menschen erreicht. Man brauchte sozusagen um sich eine Bevölkerung, die mehr Todes-kräfte in sich hatte als eine herrisch auftretende, aber junge, nicht zu voller Besonnenheit kommende Bevölkerung. Die rang sich hinauf zu dem, was sie als Menschen brauchten, dadurch, daß sie eine andere Bevölkerung überwanden. Und so sind diese oftmals so furchtbaren, uns heute so barbarisch anmutenden altorientalischen Kämpfe nichts anderes als die Impulse der Menschheitsentwickelung überhaupt. Sie mußten da sein. Sie sind die Impulse der Menschheitsentwickelung. Die

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Menschheit hätte auf der Erde sich nicht entwickeln können, wenn nicht diese uns heute barbarisch anmutenden furchtbaren Kämpfe und Kriege vorhanden gewesen wären.

Die Eingeweihten der Mysterien, die sahen dann eben die Welt doch schon so, wie sie heute gesehen wird, nur verbanden sie damit eine an­dere Seelenverfassung, eine andere Gesinnung. Für sie war dasjenige, was sie in scharfen Konturen erlebten, so wie wir heute beim sinnlichen Wahrnehmen die äußeren Dinge in scharfen Konturen erleben, für sie war das immerhin dasjenige, was von den Göttern kam, auch für das menschliche Bewußtsein von den Göttern kam. Denn wie trat das vor einen damaligen Eingeweihten?

#Bild s. 36

Sehen Sie, da war vielleicht, sagen wir, der Blitz. Nehmen wir ein recht anschauliches Bild. Nun, ihn sieht der heutige Mensch so, wie Sie ja wissen, daß man eben den Blitz sieht (siehe Zeichnung). Das sah der alte Mensch nicht so. Der sah hier lebend-geistige Wesenheiten sich be-wegen (gelblich), und die scharfen Konturen des Blitzes verschwanden vollständig. Das war ein Heereszug oder eine Prozession von Geistwesen,

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die über dem oder im Weltenraum vorwärtsdrangen. Den Blitz als solchen sah er nicht. Er sah einen Geisterzug durch den Weltenraum schweben. Für den Eingeweihten wurde das so, daß er ja auch wie die anderen Leute diesen Heereszug sah, aber für sein Schauen, das in ihm entwickelt worden war, konnte sich, indem das Bild von dem Heereszug allmählich sich dämpfte und dann verschwand, der Blitz herausent­wickeln in der Gestalt, wie ihn heute jeder sieht. Die ganze Natur, wie sie heute jeder sieht, mußte in alten Zeiten erst durch die Initiation errungen werden. Aber wie empfand man dieses? Auch dieses empfand man durchaus nicht in der Gleichgültigkeit, mit der man heute Erkennt­nisse oder Wahrheiten empfindet. Man empfand dieses durchaus mit einem moralischen Einschlag. Und wenn wir uns das anschauen, was mit den Jüngern der Mysterien geschah, so müssen wir uns das fol­gende sagen: Sie wurden eingeführt in diejenige Naturanschauung, ,die dann später die naturgemäße, allen zugängliche war. Einzelne nur wurden durch harte innere Prüfungen und Proben zu dieser Natur-anschauung hingeführt. Dann aber hatten sie ganz naturgemäß fol­gende Empfindung: Da ist der Mensch mit seinem gewöhnlichen Be­wußtsein. Er sieht diesen Heereszug von Elementarwesen durch die Lüfte reiten. Aber er ist dadurch, daß er eine solche Anschauung hat, bar des menschlichen freien Willens. Er ist ganz hingegeben an die göttlich-geistige Welt. - Denn in diesem wachenden Träumen, träu­menden Wachen lebte der Wille nicht als freier, sondern als derjenige, der in den Menschen einströmte als der göttliche Wille. Und der Ein-geweihte, der den Blitz nun herauskommen sah aus diesen Imagina­tionen, der empfand das so, daß er sagen lernte durch seinen Initiator: Ich muß ein Mensch sein, der in der Welt sich auch bewegen darf ohne die Götter, für den die Götter auswerfen ins Unbestimmte den Wel­teninhalt. - Es war gewissermaßen für die Initiierten dasjenige, was sie in scharfen Konturen sahen, der von den Göttern ausgeworfene Welteninhalt, an den der Eingeweihte herantrat, um unabhängig zu werden von den Göttern.

Sie begreifen, es wäre ein unerträglicher Zustand gewesen, wenn er nicht irgendein ausgleichendes Moment gehabt hätte. Das hat er aber gehabt. Denn indem der Eingeweihte auf der einen Seite Asien erleben

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lernte gottverlassen, geistverlassen, lernte er auf der anderen Seite einen noch tieferen Bewußtseinszustand kennen als derjenige war, der zur zweiten Hierarchie hinreichte. Er lernte kennen zu seiner entgötter­ten Welt die Welt der Seraphim, Cherubim und Throne.

In einer bestimmten Zeit der asiatischen Entwickelung, die etwa die mittlere ist - wir werden über die Zeiten noch genauer zu sprechen haben -, war der Bewußtseinszustand dieser Eingeweihten so, daß sie über die Erde hingingen und ungefähr schon den Anblick von den Erdenreichen hatten, den der moderne Mensch hat; aber das fühlten sie eigentlich in ihren Gliedern. Sie fühlten ihre Glieder befreit von den Göttern in der entgötterten Erdenmaterie. Aber dafür begegneten sie in diesem götterlosen Lande den hohen Göttern der Seraphim, Che­rubim und Throne. Man lernte als Eingeweihter nicht mehr bloß kennen jene graugrünen Geistwesen, welche die Bilder des Waldes, die Bilder der Bäume waren, sondern man lernte als Eingeweihter kennen den Wald geistlos, aber man hatte dafür das Ausgleichende, daß man in dem Walde gerade den Angehörigen der ersten Hierarchie begeg­nete, irgendeinem Wesen aus dem Reiche der Seraphim, Cherubim oder Throne.

Das alles als soziale Konfiguration aufgefaßt, ist eben das Wesent­liche im geschichtlichen Werden des alten Orients. Und die treibenden Kräfte der Weiterentwickelung, sie sind diejenigen, die den Ausgleich suchen zwischen jungen Rassen und alten Rassen, so daß die jungen Rassen an den alten reif werden können, gerade an den unterworfenen Seelen reif werden können. Und so weit wir nach Asien hinüberblicken, überall finden wir dies, daß junge Rassen, die durch sich selber nicht besonnen werden können, die Besonnenheit im Erobern suchen. Aber wenn wir den Blick von Asien herüberlenken nach Griechenland, dann finden wir, daß da etwas anders wird. In Griechenland drüben war auch schon in den herrlichsten Zeiten der griechischen Entwickelung eine Bevölkerung, welche allerdings das Ä lterwerden verstanden hat, aber nicht verstanden hat, das Älterwerden zu durchdringen mit voller Geistigkeit. Ich habe ja öfter aufmerksam machen müssen auf jenen charakteristischen Ausspruch der Griechen: Besser ein Bettler sein in der Oberwelt als ein König im Reiche der Schatten. - Mit dem Tode draußen

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und mit dem Tode auch drinnen im Menschen kam der Grieche nicht zurecht. Aber auf der anderen Seite hatte er diesen Tod wieder in sich. Und so war bei den Griechen nicht eine Sehnsucht nach Besonnenheit, die als Impuls in ihm vorhanden gewesen wäre, sondern bei den Grie­chen war es die Angst vor dem Tode. Diese Angst vor dem Tode emp fanden die jungen orientalischen Völker_nicht, denn sie zogen auf Eroberungen aus, wenn die Menschen als Rasse den Tod nicht in der richtigen Weise erleben konnten.

Der innere Konflikt aber, den die Griechen mit dem Tode erlebt haben, der führte als ein innerer Menschheitsimpuls zu dem, wovon uns berichtet wird als dem Trojanischen Krieg. Die Griechen brauchten nicht den Tod bei einer fremden Bevölkerung zu suchen, um die Be­sonnenheit sich zu erobern, die Griechen brauchten aber gerade für dasjenige, was sie vom Tode empfanden, das innere lebensvolle Ge­heimnis vom Tode. Und das führte zu jenem Konflikte zwischen den Griechen als solchen und den Menschen, von denen die Griechen her­gekommen waren in Asien. Der Trojanische Krieg ist ein Sorgenkrieg, der Trojanische Krieg ist ein Angstkrieg. Wir sehen, wie einander gegenüberstehen im Trojanischen Kriege die Repräsentanten der klein­asiatischen Priesterkultur und die Griechen, die den Tod schon in sich fühlen, aber mit dem Tode nichts anzufangen wissen. Die übrige orien­talische Bevölkerung, die auf Eroberungen auszog, die wollte den Tod, die hatte ihn nicht; die Griechen hatten den Tod, wußten aber mit ihm nichts anzufangen. Sie brauchten einen ganz anderen Einschlag, um mit dem Tode etwas anfangen zu können. Achill, Agameranon, alle diese Leute tragen den Tod in sich, wissen aber nichts mit ihm anzu­fangen. Sie schauen hinüber nach Asien. Und Sie haben in Asien drüben eine Bevölkerung, die in der umgekehrten Lage ist, die unter dem un­mittelbaren Eindruck der entgegengesetzten Seelenlage leidet. Da drü­ben sind diejenigen Menschen, die den Tod nicht in dieser intensiven Weise fühlen wie die Griechen, die den Tod fühlen als etwas, was im Grunde doch lebenstrotzend ist.

In einer wunderbaren Weise hat das eigentlich Homer zum Aus­drucke gebracht. Überall, wo die Trojaner den Griechen gegenüber­gestellt werden - sehen Sie sich an die charakteristischen Figuren Hektor

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und Achill -, überall ist dieser Gegensatz da. Und in diesem Gegensatze drückt sich aus, was an der Grenze von Asien und Europa geschieht. Asien hatte in jener alten Zeit sozusagen einen Überschuß des Lebens über den Tod, sehnte sich nach Tod. Europa auf griechi­schem Boden hatte einen Überschuß von Tod im Menschen, mit dem man nichts anzufangen wußte. So stand sich Europa und Asien von einem zweiten Gesichtspunkte aus gegenüber: auf der einen Seite der Übergang des rhythmischen Erinnerns in das zeitliche Erinnern, auf der anderen Seite das ganz verschiedene Erleben gegenüber dem Tode in der menschlichen Organisation.

Wir werden dann morgen diesen Gegensatz, den ich Ihnen am Schlusse der heutigen Betrachtung nur andeuten konnte, beim nächsten Vortrag genauer betrachten, um so jene tief in die Menschheitsent­wickelung einschneidenden Übergänge kennenzulernen, die von Asien nach Europa herüberführen, und ohne deren Verständnis im Grunde genommen doch auch nichts in der gegenwärtigen Entwickelung der Menschheit zu verstehen ist.

DRITTER VORTRAG Dornach, 26. Dezember 1923

#G233-1962-SE041 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

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DRITTER VORTRAG

Dornach, 26. Dezember 1923

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Fast genau auf den Tag ist es, daß idi vor dreizehn Jahren in Stuttgart in einem Vortragszyklus, den idi auch gehalten habe zwischen Weih-nachten und Neujahr, über dasselbe Thema sprach, zu dem auch dieser Vortragszyklus gehört. Nur werde ich den Gesichtspunkt, der dazumal dem Thema nach gewaltet hat, etwas zu verändern haben.

Wir haben uns ja damit beschäftigt, in den zwei Einleitungsvorträgen an unsere Seele ein Verständnis dafür heranzubringen, wie gründlich sich die Gemüts-, die Seelenverfassung der Menschheit im Laufe der geschichtlichen Entwickelung und namentlich der vorgeschichtlichen Entwickelung geändert hat. Wir brauchen auch diesmal, zunächst wenig­stens, nicht weiter zurückzugehen als einige Jahrtausende. Sie wissen ja, daß wir geisteswissenschaftlich als den wichtigsten Zusammenhang, der sich ergibt für das Geschichtliche und Vorgeschichtliche seit der so-genannten atlantischen Katastrophe, von welcher die Erde befallen worden ist, denjenigen betrachten, den man gewöhnlich die Zeit der Erdenvereisung, die jüngere Eiszeit nennt. Dazumal aber ging ja auch der letzte Akt des Unterganges des atlantischen Kontinents vor sich, der heute den Boden des Atlantischen Ozeans bildet. Und nach dieser atlantischen Katastrophe haben wir dann bis zu unserer Zeit, worauf ja oftmals aufmerksam gemacht worden ist, fünf aufeinanderfolgende große Kulturzeiträume, von denen die ersten ja der geschichtlichen Überlieferung vollständig entfallen sind. Denn dasjenige, was im Oriente drüben als Schrifttum - auch in den herrlichen Veden, in der tiefgehenden Vedanta-Philosophie - enthalten ist, das sind ja nur Nachklänge dessen, was man schildern muß, wenn man jene Kultur-epoche darstellen will, von der ich immer als der urindischen, der ur-persischen auch, in meiner «Geheimwissenschaft» spreche.

Nun, auch bis dahin wollen wir heute nicht zurückgehen, sondern wir wollen jenen Zeitraum ins Auge fassen, den ich öfter bezeichnet habe als die chaldäisch-ägyptische Kulturperiode, die der griechischen vorangegangen ist. Wir haben darauf aufmerksam machen müssen,

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daß in dieser Zeit zwischen der atlantischen Katastrophe und dem griechischen Zeitalter sich mit Bezug auf die Erinnerungsfähigkeit, die Menschen-Gedächtniskraft, und mit Bezug auf das menschliche Zusam­menleben große Veränderungen vollzogen haben. Ein solches Gedächt­nis, wie wir es heute haben, so daß wir uns in der Zeit nach rückwärts etwas vergegenwärtigen können, ein solches Zeitgedächtnis war ja in dieser dritten nachatlantischen Kulturperiode noch nicht vorhanden, sondern es war ein Gedächtnis vorhanden, das gebunden war an rhyth­misches Erleben, wie ich es dargestellt habe. Und das ist ja hervor­gegangen aus dem, was besonders stark während der atlantischen Peri­ode vorhanden war: das lokalisierte Gedächtnis, wo der Mensch über­haupt nur ein Gegenwartsbewußtsein in sich trug, aber durch alles Mögliche, was er in der Außenwelt entweder vorfand oder selber hin-setzte, Merkzeichen hatte, durch die er sich mit der Vergangenheit nicht nur seiner eigenen Persönlichkeit, sondern mit der Vergangenheit der Menschheit überhaupt in eine Beziehung setzte.

Merkzeichen waren aber nicht nur diejenigen, die unmittelbar auf der Erde angebracht waren, sondern Merkzeichen waren auch gerade in den älteren Zeiten die Konstellationen am Himmel, insbesondere die Planeten-Konstellationen, aus denen man in ihrer Wiederholung oder variierten Wiederholung erkannte, wie die Dinge in Vorzeiten waren. So daß eigentlich für die Bildung des äußeren lokalisierten Gedächt­nisses einer älteren Menschheit Himmel und Erde zusammenwirkten.

Aber diese ältere Menschheit war auch in ihrer ganzen menschheit­lichen Konstitution anders beschaffen als die spätere oder gar als die Menschheit unserer Zeit. Die Menschheit unserer Zeit trägt in sich im Wachzustande das Ich und den astralischen Leib so unvermerkt im physischen Leibe, daß die meisten Menschen ja eigentlich es nicht be­merken, wie dieser physische Leib als eine viel bedeutungsvollere Orga­nisation, als er selbst ist, den astralischen Leib und die Ich-Organisation in sich trägt neben dem Atherleib. Sie kennen ja diese Zusammen­hänge. Eine ältere Menschheit aber empfand den Tatbestand des eige­nen Seins ganz anders. Und zu einer solchen Menschheit kehren wir noch zurück, wenn wir in die frühere dritte nachatlantische Kultur-periode, in die ägyptisch-chaldäische zurückkehren. Da erlebte sich der

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Mensch als Geist und Seele im hohen Maße noch außerhalb seines phy­sischen und Atherleibes, auch wenn er wach war. Er wußte zu unter­scheiden: Das habe ich an mir als meinen Geist und meine Seele - Ich und astralischen Leib nennen wir es, und das ist verbunden mit mei­nem physischen und meinem Ätherleibe. - Der Mensch ging als diese Zweiheit durch die Welt. Er nannte seinen physischen Leib und seinen Atherleib nicht Ich, sondern er nannte Ich zunächst nur seinen Geist und seine Seele, dasjenige, was geistig war, und was nach unten in einer gewissen Weise in Zusammenhang, aber in einem für ihn merkbaren Zusammenhang mit dem physischen und mit dem Ä therleib war. Und in diesem Geist-Seelischen, in diesem Ich und astralischen Leib empfand der Mensch das Hereindringen der göttlich-geistigen Hierarchien, so wie der Mensch heute das Hereindringen der Natursubstanzen in sei­nen physischen Leib empfindet.

In diesem physischen Leib empfindet ja der Mensch so, daß er weiß, er nimmt mit der Nahrung, mit der Atmung die Substanzen der äuße­ren Naturreiche auf. Die sind vorher draußen, dann in ihm. Die wirken so, daß sie durch ihn durchgehen, Bestandteile von ihm werden. Dazu­mal wußte der Mensch, der eine gewisse Trennung seines Geist-Seeli­schen von seinem Physisch-Ätherischen empfand, daß Angeloi, Archan­geloi bis hinauf zu den höchsten Hierarchien Geistig-Substantielles seien, das nun auch durch sein Geistig-Seelisches durchgeht, zu Bestand­teilen, wenn ich mich so ausdrücken darf, von ihm wird. So daß der Mensch in jedem Augenblicke seines Lebens sagen konnte: In mir leben die Götter. - Und er faßte sein Ich nicht als von unten durch physische und ätherische Substanzen aufgebaut auf, sondern er faßte sein Ich als ihm durch Gnade geschenkt, von oben, von seiten der Hierarchien kommend auf. Und gewissermaßen wie eine Last, wie ein Vehikel, wie etwas, dessen er sich wie des Lebenswagens bediente, um vorwärts zu kommen in der physischen Welt, faßte er sein Physisch-Ätherisches auf. Wenn man dies nicht in entsprechender Weise ins Seelenauge faßt, so versteht man eigentlich den historischen Hergang der Menschheits-entwickelung nicht.

Nun könnten wir an verschiedenen charakteristischen Beispielen die­sen historischen Hergang der Menschheitsentwickelung verfolgen. Wir

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wollen heute gewissermaßen einen Faden vor uns hinstellen, einen Faden, den ich eben auch schon dazumal vor dreizehn Jahren berührt habe, indem ich anknüpfte dazumal an jenes historisch-sagenhafte Do­kument, welches die älteste Phase jener Entwickelung darstellt, von der ich sprechen will, nämlich das Gilgamesch-Epos. Aber das Gilga­mesch-Epos ist eben zum Teil sagenhaft, und ich werde den Vorgang, den ich, wie gesagt, vor dreizehn Jahren dargestellt habe, heute so dar­stellen, wie er sich aus dem geistigen Anschauen heraus unmittelbar ergibt.

Da haben wir in einer Stadt Vorderasiens - Erek nennt sie das Gilga­mesch-Epos - eine von jenen Eroberernaturen, von denen ich gestern gesprochen habe, die so recht herausgewachsen waren aus jenen Seelen-und sozialen Menschheitsverfassungen, die gestern charakterisiert wor­den sind. Gilgamesch nennt ihn das Epos. Also wir haben es da mit einer Persönlichkeit zu tun, die eben in der Zeit, von der wir jetzt reden, so beschaffen war, wie ich es nun charakterisiert habe, die viele alte Menschheitseigentümlichkeiten noch bewahrt hatte aus früheren Zeiten. Aber so klar es für diese Persönlichkeit in der damaligen Zeit war, daß sie gewissermaßen dieselbe ist, die da lebt zwischen dem Geistig-Seelischen, in das die Götter hereinragen, und dem Physisch-Ätherischen, in das die Erden- und Kosmos-Substanzen, die physischen und ätherischen Substanzen hineinragen, so sehr ist auch dieses eine Tatsache, daß in der Zeit, in der diese Persönlichkeit, von der das Gilga­mesch-Epos spricht, lebte, gerade die charakteristischen Menschen, die repräsentativen Menschen bereits in einer Übergangsepoche zur späte­ren Menschheitsentwickelung standen. Und dieser Übergang bestand darinnen, daß das Ich-Bewußtsein, das verhältnismäßig kurz vorher beim Geistig-Seelischen oben war, wenn ich mich so ausdrücken darf, hintuntergesenkt sich hatte in das Leiblich-Ätherische, so daß also Gilgamesch gerade unter denen war, die anfingen, nicht zu seinem Geistig-Seelischen, in dem die Götter gefühlt wurden, Ich zu sagen, sondern zu dem, was irdisch-ätherisch an ihm war. Das war diese neue Seelenverfassung.

Aber in der Persönlichkeit mit dieser Seelenverfassung, von der wir sagen können, es ist das Ich heruntergezogen aus dem Geistig-Seelischen,

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als bewußtes Ich heruntergezogen in das Leiblich-Ätherische, in dieser Persönlichkeit waren zugleich noch jene alten Gewohnheiten: jene alte Gewohnheit, vorzugsweise dasjenige nur gedächtnismäßig zu erleben, was im Rhythmus erlebt wurde, und es war jene innere Emp­findung da, welche fühlte, man muß mit den Kräften des Todes be­kannt werden, weil eigentlich nur die Kräfte des Todes dasjenige ergeben, was den Menschen zur Besonnenheit bringt. Nun, gerade da­durch, daß man es in dieser Gilgamesch-Persönlichkeit zu tun hat mit einer Seele, die dazumal schon durch viele Erdeninkarnationen gegan­gen war, aber in die neue Form des Menschendaseins, wie ich sie jetzt geschildert habe, eingetreten war, gerade dadurch war diese Persönlich­keit, ich möchte sagen, in einem physischen Dasein, das eine gewisse Unsicherheit in sich trug. Die Berechtigung sozusagen der Eroberer-gewohnheiten und des rhythmischen Gedächtnisses fingen an, nicht mehr für die Erde zu gelten. Und so waren die Erlebnisse dieser Per­sönlichkeit durchaus die Erlebnisse einer Übergangsepoche.

Daher passierte es, daß, als diese Persönlichkeit aus der alten Ge­wohnheit heraus eben gerade jene Stadt, die im Gilgamesch-Epos Erek genannt wird, durch Eroberung sich aneignete, Konflikte kamen in die­ser Stadt. Zunächst wurde diese Persönlichkeit nicht gern in der Stadt gesehen, wurde als Fremder empfunden, wäre auch wohl allein mit all den Schwierigkeiten, die sich in der Stadt ergeben hatten, nicht zurecht­gekommen. Da fand sich, weil das Schicksal sie dahin führte, eine andere Persönlichkeit - das Gilgamesch-Epos nennt sie Eabani -, eine Persönlichkeit, die verhältnismäßig spät auf die Erde heruntergestie­gen war aus jenem planetarischen Dasein, das ja die Erdenmenschheit eine Zeitlang geführt hat in dem Sinne, wie ich das in meiner «Geheim­wissenschaft» beschrieben habe. Sie wissen ja: Nach und nach während der atlantischen Zeit sind die Seelen heruntergekommen, die einen früher, die anderen später, nachdem sie sich in sehr frühen Zeiten der Erdenentwickelung von der Erde nach dem Kosmos auf verschiedene Planeten zurückgezogen hatten.

Wir haben es in Gilgamesch zu tun mit einer Persönlichkeit, mit einer Individualität, die verhältnismäßig früh zur Erde wieder zu­rückgezogen ist, also in der Zeit, von der ich spreche, viele Erdeninkarnationen

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erlebt hatte. Bei der anderen Persönlichkeit, die nun auch nach jener Stadt hingezogen wurde, haben wir es zu tun mit einer solchen, die verhältnismäßig lange im planetarischen Dasein geblieben war und sich spät erst wiederum auf die Erde begeben hat. Das ist ja von einem etwas anderen Gesichtspunkte in meinem Vortragszyklus, der vor dreizehn Jahren in Stuttgart gehalten worden ist über Ge­schichte vom Standpunkte der Geisteswissenschaft, zu lesen.

Diese Persönlichkeit nun, die kam in innige Freundschaft mit Gilga­mesch, und zusammen konnten sie dann wirklich haltbare soziale Zu­stände in der Stadt Erek in Vorderasien herstellen. Das war nament­lich dadurch möglich, daß dieser zweiten Persönlichkeit verhältnis­mäßig viel geblieben war von jenem Wissen, das durch wenige Erden-inkarnationen noch bewahrt geblieben war aus dem kosmischen Aufent­halte außerhalb der Erde. Da war, wie ich schon damals in Stuttgart sagte, bei dieser Persönlichkeit eine Art Hellsichtigkeit, Hellhörigkeit, Hell-Erkenntnis vorhanden. Und aus dem Zusammenflusse desjenigen, was aus den alten Eroberergewohnheiten und aus dem auf Rhythmus hinzielenden Gedächtnis bei der einen Persönlichkeit vorhanden war, und aus dem Hineinschauen der anderen Persönlichkeit in die Welten-geheimnisse erwuchs, so wie das ja in älteren Zeiten zumeist der Fall war, der Aufbau der sozialen Ordnung in jener Stadt Vorderasiens. Friede zog in diese Stadt ein, Glück der Bewohner zog ein, und alles wäre zunächst in Ordnung gewesen, wenn nicht ein bestimmtes Er­eignis eingetreten wäre, das den ganzen Lauf der Tatsachen in einer anderen Weise wiederum orientiert hat.

Da war in jener Stadt eine Art Mysterium, das Mysterium einer Göttin, und dieses Mysterium bewahrte außerordentlich viele Ge­heimnisse der Welt. Aber es war im Sinne der damaligen Zeit eine Art, ich möchte sagen, synthetischen Mysteriums, das heißt, es waren gesammelt in diesem Mysterium die verschiedensten Mysterienoffen­barungen Asiens. Und zu den verschiedenen Zeiten wurden die My­steriengehalte in einer variierten, metamorphosierten Weise dort ge­pflegt und gelehrt. Das verstand zunächst diejenige Persönlichkeit, die im Epos den Namen Gilgamesch trägt, nicht, klagte an diese Mysterien-stätte, daß sie Widerspruchsvolles lehre. Und dadurch, daß von maßgebender

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Seite - denn die beiden Persönlichkeiten, von denen ich spreche, waren ja diejenigen, die eigentlich der ganzen Stadt die Ord­nung und die Verwaltung gaben -, dadurch, daß von einer so bedeu­tungsvollen Stelle das Mysterium angeklagt wurde, ergaben sich Schwierigkeiten, die zuletzt dazu führten, daß die Mysterienpriester sich an diejenigen Mächte wandten, an die man sich eben in den alten Mysterien wenden konnte. Sie werden ja heute sich nicht verwundern, daß man sich in den alten Mysterien wirklich an die geistigen Wesen­heiten der höheren Hierarchien wenden konnte, da ich Ihnen dodi gestern gesagt habe: Asien war in alten orientalischen Zeiten ja eigent­lich nur der unterste Himmel, und in diesem untersten Himmel wußte man die göttlich-geistigen Wesen gegenwärtig und verkehrte mit ihnen. - Dieser Verkehr wurde insbesondere in den Mysterien gepflegt. Und so wandte sich denn die Priesterschaft der Ischtar-Mysterien an diejenigen geistigen Mächte, an die sie sich sonst immer gewendet hatte, wenn sie Erleuchtungen wollte, und da kam denn das zustande, daß diese geistigen Mächte eine gewisse Strafe über die Stadt verhängten.

Man drückte das dazumal so aus, daß man sagte: Etwas, was eigent­lich eine höhere geistige Kraft ist, wirkt in Erek als tierische Gewalt, als gespensterhafte tierische Gewalt. - Es kam allerlei über die Bewoh­ner, physische Krankheiten, aber namentlich seelische Zerrüttungen. Und die Folge davon war, daß die eine Persönlichkeit, die sich zu Gilgamesch geschlagen hat, die im Epos Eabani genannt wird, infolge dieser Schwierigkeiten starb, aber eigentlich zur Fortsetzung der Mis­sion der anderen Persönlichkeit auf Erden auch nach dem Tode geistig bei dieser Persönlichkeit verblieb. So daß wir also die spätere Lebens­zeit, die spätere Entwickelung jener Persönlichkeit, die im Epos den Namen Gilgamesch trägt, so aufzufassen haben, daß auch weiterhin ein Zusammenwirken da war zwischen den zwei charakterisierten Per­sönlichkeiten, aber so, daß in der Folgezeit Eingebungen, Erleuchtungen des Gilgamesch von seiten des Eabani stattfanden, so daß Gilgamesch allein fortdauernd handelte nicht nur aus seinem eigenen Willen her­aus, sondern aus dem Willen der beiden, aus dem Zusammenflusse des Willens der beiden.

Damit habe ich Ihnen wieder etwas hingestellt, was in diesen alten

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Zeiten durchaus eine Möglichkeit war. So eindeutig war das mensch­liche Gemüt nicht in jener alten Zeit, wie es heute ist. Daher konnte es auch nicht in dem Sinne das Erlebnis der Freiheit geben wie heute. Es konnte durchaus entweder ein geistiges Wesen, das niemals auf Erden sich verkörpert hatte, durch den Willen einer irdischen Persönlichkeit wirken, oder es konnte, wie es ja bei Gilgamesch der Fall war, eine Per­sönlichkeit, die schon durch den Tod gegangen war, die ein Postmortem­Leben führte, durch den Willen einer Persönlichkeit auf Erden spre­chen, handeln. Und so war es bei Gilgamesch. Und aus dem, was sich auf diese Weise aus dem Zusammenflusse der zwei Willen ergab, stieg in Gilgamesch vor allen Dingen eine ziemlich klare Erkenntnis davon auf, in welcher historischen Lage er sich eigentlich befindet. Er fing an, gerade durch den Einfluß des ihn inspirierenden Geistes zu wissen, daß das Ich sich heruntergesenkt hat in den sterblichen physischen und in den Ätherleib, und es fing für Gilgamesch an, das Problem der Un­sterblichkeit eine intensiv starke Rolle zu spielen. Alle seine Sehnsucht ging darauf hin, irgendwie hinter dieses Problem der Unsterblichkeit zu kommen. Die Mysterien, die dasjenige bewahrten, was über Un­sterblichkeit auf Erden in der damaligen Zeit zu sagen war, die öffneten sich zunächst Gilgamesch nicht. Diese Mysterien hatten ja noch die Tradition, und aus den Traditionen heraus auch zum großen Teil die lebendige Erkenntnis, die vorhanden war, während auf Erden die Ur-weisheit in der alten atlantischen Zeit waltete.

Aber die Träger dieser Urweisheit, die einstmals auf der Erde wan­delten als geistige Wesenheiten, die hatten sich längst zurückgezogen und die kosmische Kolonie des Mondes gegründet. Denn es ist die reine Kinderei, zu meinen, daß der Mond der starre, erfrorene Körper sei, als den ihn die heutige Physik schildert. Der Mond ist der Weltaufent­halt vor allen Dingen derjenigen geistigen Wesenheiten, welche die ersten großen Lehrer der Erdenmenschheit waren, die der Erdenmensch­heit einstmals die Urweisheit gebracht haben, und die sich, bald nach­dem der Mond als physischer Weltenkörper die Erde verlassen und seinen eigenen Ort im Planetensystem eingenommen hat, nach diesem Monde zurückgezogen haben. Derjenige, der heute durch imaginative Erkenntnis die Möglichkeit hat, den Mond wirklich kennenzulernen,

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lernt auch noch in dieser kosmischen Kolonie jene geistigen Wesen­heiten kennen, die einstmals die Lehrer der Urweisheit der Mensch­heit auf Erden waren. Was diese einst gelehrt hatten, aber auch jene Impulse, durch die man selbst in eine gewisse Beziehung zu dieser Ur-weisheit kommen kann, bewahrten die Mysterien. Allein eine rechte Verbindung zwischen diesen Mysterien Vorderasiens zum Beispiel und der Persönlichkeit, die im Epos Gilgamesch genannt wird, gab es nicht. Aber durch den übersinnlichen Einfluß des Freundes, der im Post­mortem-Zustande mit Gilgamesch vereinigt war, kam der innere Drang in Gilgamesch, Wege in der Welt aufzusuchen, durch die er imstande sein könne, etwas über die Unsterblichkeit der Seele zu erfahren.

Im Mittelalter ist es üblich geworden, wenn man etwas über die geistige Welt erfahren wollte, sich in das Innere des Menschen zu ver­senken. In der neueren Zeit ist, ich möchte sagen, ein noch innerlicherer Vorgang üblich. Aber in jenen älteren Zeiten, von denen ich jetzt spreche, wußte man ganz genau: Die Erde ist nicht jener Gesteinsklotz, als den ihn etwa die heutige Geologie beschreibt, sondern die Erde ist ein lebendig beseeltes, geistiges Wesen. - Und so wie etwa ein kleines Tier, wenn es über den Menschen läuft, den Menschen kennenlernen kann, indem es über die Nase läuft, über die Stirne läuft, durch die Haare läuft und durch diese Reise sein Wissen erwirbt, so war es in der damaligen Zeit, daß der Mensch, indem er sich auf die Wanderung über die Erde machte, die Erde in ihren verschiedenen Konfigurationen an verschiedenen Orten kennenlernte, und daß er dadurch Einblicke gewann in die geistige Welt. Er gewann sie, ob ihm nun der Zugang zu den Mysterien gestattet war oder nicht, er gewann sie. Und es ist wirklich keine Äußerlichkeit, daß von Pythagoras und ähnlichen Leu­ten erzählt wird, daß sie zur Erwerbung ihrer Erkentnisse eben große Wanderungen machten. Man ging die Erde ab, um in der Mannigfaltig­keit ihrer Konfigurationen dasjenige aufzunehmen, was aus der ver­schiedenen Gestaltung der geistig-seelisch-physischen Erde an ver­schiedenen Orten dieser Erde zu beobachten war. Heute können die Menschen nach Afrika, nach Italien reisen, sie erleben ja doch mit Aus­nahme der Äußerlichkeiten, die sie anglotzen, nicht viel anderes, als was sie zu Hause auch erleben. Denn für die radikalen Verschiedenheiten,

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die da bestehen zwischen verschiedenen Erdenfiecken, ist eben die menschliche Empfänglichkeit erstorben. In der Zeit, von der ich jetzt spreche, war sie nicht erstorben. Und so bedeutete schon der Drang, durch eine Wanderung über die Erde hin etwas zu bekommen für die Lösung des Problemes der Unsterblichkeit, für Gilgamesch etwas sehr Bedeutsames.

Und so trat er denn diese Wanderung an. Diese Wanderung war für ihn von einem immerhin sehr, sehr bedeutenden Erfolge. Er traf in einer Gegend, die etwa in demselben Gebiete liegt, von dem in der neueren Zeit viel die Rede war, das aber in bezug auf seine sozialen Zustände natürlich sich sehr geändert hat, er traf in dem Gebiete des sogenannten Burgenlandes, über das gestritten worden ist, ob es zu Zisleithanien oder zu Ungarn gehören sollte, in einem Gebiet also des Burgenlandes, ein altes Mysterium. Der Oberpriester dieses Mysteriums wird im Gilgamesch-Epos Xisuthros genannt. Er traf ein altes Myste­rium, das eine echte Mysterien-Nachform der alten atlantischen My­sterien war, natürlich in einer Metamorphose, wie das in einer so späten Zeit der Fall sein konnte.

Und in der Tat, in dieser Mysterienstätte wußte man die Erkenntnis-fähigkeit des Gilgamesch zu beurteilen, zu würdigen. Man wollte ihm entgegenkommen. Es wurde ihm eine Prüfung auferlegt, die dazumal vielen Schülern der Mysterien auferlegt worden ist. Die Prüfung be­stand darin, gewisse Exerzitien zu machen bei vollem Wachsein durch sieben Tage und sieben Nächte. Das ging für ihn nicht. Und so unter­warf er sich denn nur dem Surrogat einer solchen Prüfung. Und dieses Surrogat bestand darinnen, daß ihm gewisse Substanzen zubereitet wurden, die er in sich aufnahm, und durch die er in der Tat eine gewisse Erleuchtung bekam, wenn auch, wie es auf diesem Felde immer der Fall ist, wenn nicht gewisse Ausnahmebedingungen garantiert sind, diese in gewissem Sinne zweifelhaft waren. Aber eine gewisse Erleuch­tung war nun bei Gilgamesch vorhanden, eine gewisse Einsicht in die Weltenzusammenhänge, in das geistige Gefüge der Welt. So daß, als Gilgamesch diese Wanderung vollendet hatte und wiederum zurückkehrte, in ihm in der Tat eine hohe geistige Einsicht vorhan­den war.

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Er wanderte etwa die Donau entlang, nordwärts der Donau ent­lang wiederum zurück in seinen Heimatsort, in seinen gewählten Hei­matsort. Aber bevor er in diesem Heimatsort ankam, unterlag er, weil er eben nicht in der anderen Weise, die ich geschildert habe, sondern in jener etwas schwierigen Weise die Einweihung in das nachatlantische Mysterium erhalten hatte, er unterlag der ersten Versuchung, einer furchtbaren Zornanwandelung über ein Ereignis, das ihn traf, eigent­lich etwas, das er hörte von dem, was in der Stadt vorging. Er hörte es, bevor er in der Stadt anlangte. Eine furchtbare Zornaufwallung über­kam ihn, und durch diese Zornaufwallung wurde fast vollständig die Erleuchtung verdunkelt, so daß er ohne diese ankam.

Dennoch aber, und das ist das Eigentümliche dieser Persönlichkeit, bestand ja die Möglichkeit fort, im Zusainmenhange mit dem ver­storbenen Freunde, mit dem Geiste des verstorbenen Freundes in die geistige Welt hineinzublicken, oder wenigstens Mitteilungen zu bekom­men von der geistigen Welt. Nun ist es aber doch ein anderes, durch eine Initiation unmittelbar hineinzuschauen in die geistige Welt, oder Mitteilungen zu bekommen von einer Persönlichkeit, die im Post-mortem-Zustande ist. Man kann aber doch sagen: Etwas von einer Einsicht in das Wesen der Unsterblichkeit ist bei Gilgamesch geblie­ben. - Und ich sehe jetzt ab von dem, was dann durchgemacht wird nach dem Tode; diese Ereignisse, die da durchgemacht werden, die spielen ja in das Bewußtsein nächster Inkarnationen, heute und damals, noch nicht sehr stark hinein: in das Bewußtsein! In das Leben, in die innere Konstitution gewiß sehr stark, aber nicht in das Bewußtsein.

Sehen Sie, da habe ich Ihnen zwei Persönlichkeiten geschildert, die miteinander zum Ausdrucke bringen die menschliche Geistesverfassung der dritten nachatlantischen Kulturperiode, ungefähr in ihrer Mitte, die durchaus noch so lebten, daß an der Art ihres Lebens stark bemerkbar war, wie der Mensch aus einer Zweiheit besteht. Denn der eine, Gilga­mesch, war sich ja dieser Zweiheit bewußt, wenn er auch einer der ersten war, die es durchgemacht hatten, daß das Ich sich heruntergesenkt hat in das Physisch-Ätherische. Der andere hat, weil er wenige Inkarnatio­nen auf der Erde mitgemacht hatte, eine Hell-Erkenntnis gehabt, wo­durch er überhaupt die Einsicht hatte, daß es Materie, Stoff, ja gar nicht

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gibt, daß alles geistig ist, daß das sogenannte Stoffliche nur eine an­dere Form des Geistigen ist.

Sie können sich ja vorstellen: alles das, was der Mensch heute denkt und empfindet, konnte er ja bei einer solchen Konstitution seines We­sens selbstverständlich nicht denken und empfinden. Sein ganzes Den­ken und Empfinden war eben anders. Und was an solche Persön­lichkeiten herankommen konnte, war natürlich nicht unser heutiges Schulmäßiges, weder etwas, das dem heutigen Volksschulmäßigen, noch dem höheren Schulmäßigen ähnlich war, sondern alles, was gei­stig, kulturell, zivilisatorisch an die Menschen herankam, floß ja aus den Mysterien heraus, kam in irgendeiner Weise zur Mitteilung durch allerlei Kanäle in die breitesten Massen der Menschen. Aber die eigent­lichen Pfleger waren die Priesterweisen in den Mysterien.

Nun war das Eigentümliche bei beiden Persönlichkeiten, von denen ich spreche, daß sie in jener Inkarnation, die ich eben geschildert habe, durch ihre besondere Seelenart den Mysterien, gerade den Mysterien ihrer Umgebung nicht nahestehen konnten. Derjenige, der im Gilga­mesch-Epos Eabani genannt wird, er stand nahe den Mysterien durch seine außerirdischen Aufenthalte; derjenige, der Gilgamesch genannt wird, hat eine Art Initiation erlebt in einem nachatlantischen Myste­rium, die aber nur halbe Früchte in ihm getragen hat. Aber all das wirkte so, daß wie im eigenen Sein dieser Persönlichkeiten etwas ge­fühlt wurde von ihnen, das sie ähnlich machte der menschlich irdischen Vorzeit. Beide konnten sich fragen: Wie sind wir denn geworden? Was haben wir denn mitgemacht mit der Erdenentwickelung? Wir sind ja so, wie wir sind, eben durch die Erdenentwickelung geworden. Was haben wir denn da mitgemacht?

Die Unsterblichkeitsfrage, an der Gilgamesch gelitten, mit der er ge­rungen hat, die hing ja dazumal gerade durch das, was in den mensch­lichen Seelen war, mit notwendigen Einsichten über die irdische vor-zeitliche Entwickelung zusammen. Und man konnte eigentlich über die Unsterblichkeit der Seele nicht im damaligen Sinne denken oder empfinden, wenn man nicht zu gleicher Zeit eine gewisse Einsicht davon hatte, wie die Seelen der Menschen, die ja auch bei den urältesten Ent­wickelungsphasen der Erde, während des Monden- und Sonnenzustandes

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und so weiter schon dabei waren, dasjenige, was dann irdisch geworden ist, an sich haben herankommen sehen. Man fühlte, man gehört zur Erde dazu; man muß, um sich selber zu erkennen, seinen Zusammenhang mit der Erde durchschauen.

Nun waren die Geheimnisse, die in allen asiatischen Mysterien ge­pflogen wurden, in erster Linie kosmische Mysterien, die gerade den Hergang der Erdenentwickelung im Zusammenhange mit dem Kosmos zu ihrem Lehr- und Weisheitsinhalte hatten. Es trat in diesen Mysterien in einer ganz lebendigen Weise, so daß es im Menschen zu Ideen werden konnte, vor die Menschen hin eine Überschau von dem, wie die Erde sich entwickelt hat und wie in dem Wellen und Wogen der Substanzen und Kräfte der Erde durch Sonnen-, Monden- und Erdenzeit der Mensch sich mit all diesen Substanzen entwickelt hat. Das wurde in aller Lebendigkeit vorgeführt.

Eines derjenigen Mysterien, in denen solche Dinge vorgeführt wur­den, hatte sich erhalten bis in sehr späte Zeiten. Es ist die Mysterien-stätte von Ephesus, die Mysterienstätte der Artemis von Ephesus. Diese Mysterienstätte von Ephesus, sie war ja so, daß sie in ihrem Mittel­punkte das Bildnis der Göttin Artemis hatte. Wenn heute einer die Nachbildungen der Göttin Artemis von Ephesus anschaut, so hat er nur die groteske Empfindung einer Frauengestalt mit lauter Brüsten, weil er keine Ahnung hat, wie solche Sachen in alten Zeiten erlebt worden sind. Auf das Erleben dieser Dinge kam es ja in alten Zeiten an. Die Schüler der Mysterien hatten Vorbereitungen durchzumachen, durch die sie dann zum eigentlichen Zentrum der Mysterien geführt wurden. Das Zentrum dieser Ephesischen Mysterien war dieses Artemis­Bildnis. Wenn sie zu diesem Zentrum geführt wurden, so wurden sie eins mit einem solchen Bildnis. Der Mensch hörte auf, indem er vor diesem Bildnis stand, das Bewußtsein zu haben, er sei irgend etwas da in seiner Haut drinnen. Er bekam das Bewußtsein, daß er das ist, was das Bild ist. Er identifizierte sich mit dem Bilde. Und dieses Sich-Iden­tifizieren im Bewußtsein mit dem Götterbilde zu Ephesus, das hatte die Wirkung, daß man nun nicht mehr hinschaute auf die Reiche der Erde, die einen umgaben, auf Steine, Bäume, Flüsse, Wolken und so weiter, sondern indem man sich hineinfühlte in das Bildnis der Artemis, bekam

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man innerlich die Anschauung seines Zusammenhanges mit den Äther­reichen. Man fühlte sich eins mit der Sternenwelt, mit den Vorgängen in der Sternenwelt. Man fühlte nicht die irdische Substantialität inner­halb der menschlichen Haut, man fühlte sein kosmisches Dasein. Man fühlte sich im Ätherischen.

Und durch dieses Sich-Fühlen im Ätherischen ging einem auf, was frühere Zustände des Erdenerlebens des Menschen waren, und des Erdenerlebens an sich. Heute schauen wir die Erde so an, daß sie, wie gesagt, eine Art Gesteinsklotz ist, der die Gewässer trägt über einen großen Teil seiner Oberfläche hin, der umgeben ist von einem Luftkreis, in dem Sauerstoff und Stickstoff und andere Stoffe sind, in dem vor allen Dingen das ist, was der Mensch zum Atmen braucht und so weiter. Und wenn die Menschen heute in dem, was gebräuchliche Naturerkennt­nisse sind, zu spekulieren anfangen, zu beobachten, zu deuten, dann kommt schon etwas Rechtes heraus! Denn dasjenige, was diesen heu­tigen Zuständen in urältesten Zeiten vorangegangen ist, das kann nur durch Geistesschau erlangt werden. Aber ein solches Geistesschauen über Urzustände der Erde und der Menschheit ging den Schülern von Ephesus auf, wenn sie sich mit dem Götterbilde identifizierten, und sie lernten erkennen, wie dasjenige, was heute Atmosphäre um die Erde ist, einst nicht so war, wie es jetzt ist, sondern wie das, was da vor­handen war in dieser Erdenumgebung an der Stelle, wo heute die Atmo­sphäre ist, außerordentlich feines, flüssig-flüchtiges Eiweiß war, Eiweiß-substanz. So daß alles, was auf der Erde lebte, zu seiner Entstehung die Kräfte dieser über die Erde hin flüchtig-flüssigen Eiweißsubstanz brauchte und auch in dieser lebte. Und man schaute an, wie dasjenige, was in dieser Eiweißsubstanz schon in einem gewissen Sinne da war, fein verteilt, aber durchaus mit der Tendenz, überall zu kristallisieren (siehe Zeichnung, rötlich), was da in fein verteiltem Zustande als Kiesel­säure war, eine Art Sinnesorgan der Erde darstellte, das die Imagina­tionen, die Einflüsse überall vom Kosmos her in sich aufnahm. So daß man in dem Kieselsäuregehalt der irdisch-eiweißartigen Atmosphäre überall reale, äußerlich vorhandene Imaginationen hatte.

Diese Imaginationen hatten die Form von riesigen pflanzlichen Organismen, und,aus dem, was sich als Imaginationen dem Irdischen

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einbildete, entwickelte sich ja später durch Aufnahme der atmosphäri­schen Substanz das Pflanzliche, zuerst in einer flüchtig-flüssigen Form im Umkreis der Erde. Später erst senkte es sich in den Boden ein und wurde das spätere Pflanzliche. Und außer dem Kieselsäurehaltigen war in diese Albuminatmosphäre eingebettet Kalkiges in feiner Verteilung. Aus dem Kalkigen heraus entstand wiederum unter dem Einfiusse der Gerinnung dieses Eiweißes das Tierische. Und der Mensch fühlte sich in alledem darinnen. Der Mensch fühlte, er war in den Urzeiten eins mit der ganzen Erde. Er lebte in dem, was sich in der Erde als Pflanzen bildete, durch Imagination, er lebte in dem, was sich im Irdischen als Tierisches bildete, so wie ich es eben jetzt geschildert habe. Jeder Mensch empfand sich im Grunde genommen als ausgedehnt über die ganze Erde, als eins mit der Erde. So daß die Menschen, wie ich es in bezug auf das menschliche Ideenvermögen in meinem Buche «Das Christen­tum als mystische Tatsache» für die Platonische Lehre noch dargestellt habe, ineinandersteckten.

Sehen Sie, das Schicksal ergab, daß jene beiden Persönlichkeiten, von denen ich in Stuttgart damals gesprochen habe, jetzt wieder spreche, wiederum verkörpert waren als Angehörige des Ephesischen Myste­riums, und alles das, was ich nunmehr skizziert habe, innig in ihre

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Seelen aufnahmen. Dadurch wurde in einer gewissen Weise ihr See­lisches innerlich konsolidiert. Sie nahmen als Erdenweisheit jetzt durch das Mysterium auf, was ihnen früher nur im Erlebnis, aber zum großen Teil im unbewußten Erlebnis zugänglich war. Dadurch war also auf zwei voneinander getrennte Inkarnationen das Erleben des Mensch­lichen bei diesen Persönlichkeiten verteilt. Dadurch aber trugen sie in sich ein starkes Bewußtsein der Zusammengehörigkeit des Menschen mit der oberen, mit der geistigen Welt, aber zugleich ein starkes, ein intensives Empfindungsvermögen für alles das, was irdisch ist.

Denn sehen Sie, wenn einem bei zwei Dingen diese zwei Dinge immer durcheinanderfließen, wenn man sie nicht auseinanderhalten kann, dann verschwimmen sie ineinander, wenn sie sich aber deutlich unterscheiden, dann kann man jedes an dem andern beurteilen. Und so konnten denn diese beiden Persönlichkeiten auf der einen Seite das aus dem Leben heraus folgende Geistige der oberen Welt, das in ihnen lebte als Nachklang der früheren Inkarnationen, beurteilen. Und jetzt, da ihnen die Sache im Mysterium überliefert wurde, im Ephesischen Mysterium unter dem Einflusse der Göttin Artemis, jetzt konnten sie beurteilen, wie die Dinge auf der Erde außer dem Menschen entstanden sind, wie allmählich das Außermenschliche auf Erden sich herausgebil­det hat aus einem ursprünglichen Substantiellen, das den Menschen mitumfaßte. Dadurch wurde das Leben gerade dieser Persönlichkeiten, das zum Teil noch in die letzte Zeit fällt, in der Heraklit in Ephesus lebte, dann aber in die spätere Zeit, es wurde das Leben dieser Persön­lichkeiten ein besonders innerlich reiches, ein innerlich von Welten-geheimnissen stark durchzucktes. Und es entstand auch ein starkes Bewußtsein davon, wie der Mensch in seinem Seelenleben zusammen­hängen kann nicht bloß mit dem, was sich horizontal auf der Erde ausbreitet, sondern mit dem, was nach oben sich breitet, wenn der Mensch seine Wesenheit nach oben dehnt. Und dieses Zusammenwirken der beiden Persönlichkeiten, die miteinander gewirkt hatten in der älteren ägyptisch-chaldäischen Periode, die dann miteinander gelebt haben zur Zeit des Heraklit also, könnte man sagen, aber noch etwas später, im Zusammenhange mit dem Ephesischen Mysterium, es konnte dieses Zusammenwirken sich nun fortsetzen. Die Seelenkonfiguration,

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die sich bei beiden ausgebildet hatte, die ging ja dann durch den Tod, ging durch die geistige Welt durch und bereitete sich zu einem Erden­leben vor, von dem aus im Grunde genommen vieles zum Problem werden mußte, auf verschiedene Art natürlich zum Problem werden mußte. Und gerade an der Art und Weise, wie sich diese beiden Per­sönlichkeiten in den historischen Gang der Erdenentwickelung hinein­stellen mußten, sieht man, wie durch die Erlebnisse der Seelen aus frü­heren Zeiten, die sich dann karmisch in die späteren Erdenleben hinein fortsetzen, die Dinge sich vorbereiten, die dann im späteren Leben in ganz anderen Metamorphosen der Einverleibung in die Erdenmensch­heitsentwickelung erscheinen.

Und ich führe dieses Beispiel aus dem Grunde an, weil diese beiden Persönlichkeiten dann auftreten in einer außerordentlich wichtigen Epoche der historischen Entwickelung, auf die ich dazumal in Stuttgart auch hingewiesen habe. Denn eigentlich habe ich diese Sachen alle schon von einem gewissen Gesichtspunkte vor dreizehn Jahren besprochen. Diese Persönlichkeiten, die also durchgegangen waren durch ein weit ausgedehntes Weltenleben in der ägyptisch-chaldäischen Epoche, die dann dieses Weltenleben innerlich vertieft haben, so daß sich ihre Seelen konsolidiert hatten in einer gewissen Weise, diese Persönlich­keiten lebten in späteren Inkarnationen auf als Aristoteles und Alex-ander der Große. Und erst dann, wenn man diese Untergründe in den Seelen von Aristoteles und Alexander dem Großen ins Auge faßt, kann man, wie ich schon in Stuttgart in jenem historischen Kapitel dargestellt habe, verstehen, worinnen eigentlich das besteht, was dazumal auf eine so problematische Weise in diesen Persönlichkeiten in der Dekadenz des Griechentums beim Ausgangspunkte der römisch-romanischen Herr­schaft gewirkt hat. Davon wollen wir dann morgen im nächsten Vor­trag weiter sprechen.

VIERTER VORTRAG Dornach, 27. Dezember 1923

#G233-1962-SE058 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

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VIERTER VORTRAG

Dornach, 27. Dezember 1923

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Es war gestern meine Aufgabe, an einzelnen Persönlichkeiten zu zeigen, wie die weltgeschichtliche Entwickelung sich abspielt. Man kann, wenn man in geisteswissenschaftlicher Richtung vorwärtsschreiten will, auch gar nicht anders darstellen als so, daß man die Folge der Ereignisse in ihrer Spiegelung in dem Menschen zeigt. Denn bedenken Sie, daß nur unser Zeitalter aus Gründen, die wir noch im Verlauf dieser Vorträge besprechen werden, so geartet ist, daß der Mensch sich abgeschlossen von der übrigen Welt als ein einzelnes Wesen fühlt. Alle vorangehen­den Zeitalter und auch alle folgenden Zeitalter, das muß ausdrücklich betont werden, sind so, daß die Menschen sich fühlten und fühlen werden als Glied der ganzen Welt, als hineingehörig in die ganze Welt. Wie ich oftmals gesagt habe: So wie ein Finger an einem Menschen kein für sich bestehendes Wesen sein kann, sondern nur am Menschen, während er vom Menschen abgetrennt eben nicht mehr der Finger ist, sondern zugrunde geht, etwas ganz anderes ist, ganz anderen Gesetzen unterliegt als am Organismus, geradeso wie der Finger nur Finger ist in Verbindung mit dem Organismus, so ist der Mensch nur Wesen in irgendeiner Form, sei es in der Form des Erdenlebens, sei es in der Form des Lebens zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, im Zu­sammenhange mit der ganzen Welt. - Aber das Bewußtsein davon war eben in früheren Zeiten vorhanden, wird später wieder vorhanden sein, ist nur heute getrübt, verdunkelt, weil, wie wir hören werden, der Mensch diese Vertrübung, Verdunkelung brauchte, um das Erlebnis der Freiheit in vollem Maße in sich ausbilden zu können. Und in je ältere Zeiten wir zurückkommen, um so mehr finden wir, wie die Menschen ein Bewußtsein ihrer Zusammengehörigkeit mit dem Kosmos haben.

Nun habe ich Ihnen zwei Persönlichkeiten dargestellt, die eine Gilga­mesch genannt in dem bekannten Epos, die andere Eabani in dem­selben Epos, und ich habe Ihnen gezeigt, wie diese Persönlichkeiten im alten chaldäisch-ägyptischen Zeitraum auf die Art leben, wie man eben damals leben konnte, wie sie dann eine Vertiefung erfahren durch die

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Ephesischen Mysterien. Und ich habe schon gestern darauf aufmerksam gemacht, wie dieselben Menschenwesen dann in die weitgeschichtliche Entwickelung hineingestellt sind in Aristoteles und Alexander. Aber damit wir völlig verstehen können, wie in jenen Zeiten, in denen sich das für diese Persönlichkeiten abspielte, was ich beschrieben habe, der Gang der Erdenentwickelung überhaupt war, müssen wir noch genauer hineinschauen in dasjenige, was solche Seelen in diesen drei aufeinan­derfolgenden Zeitpunkten in sich aufnehmen konnten.

Ich habe Sie ja darauf aufmerksam gemacht, wie die hinter dem Namen Gilgamesch sich verbergende Persönlichkeit einen Zug nach dem Westen unternimmt und immerhin eine Art westlicher nachatlantischer Initiation durchmacht. Nun wollen wir uns, um das Spätere zu ver­stehen, eine Vorstellung davon bilden, wie eine solche späte Initiation war. Wir müssen da allerdings diese Initiation aufsuchen an derjenigen Stätte, wo Nachklänge der alten atlantischen Initiation lange Zeit stehenblieben. Und das war der Fall bei den Mysterien von Hybernia, von denen ich ja zu den Freunden, die hier in Dornach sind, in der letzten Zeit schon gesprochen habe. Ich muß aber einiges von dem Besprochenen nachholen, damit wir das zum vollen Verständnis brin­gen, was hier in Betracht kommt.

Die Mysterien von Hybernia, die Irischen Mysterien, haben ja lange bestanden. Sie haben bestanden noch zur Zeit der Begründung des Christentums, und sie sind diejenigen, welche von einer gewissen Seite her die alten Weisheitslehren der atlantischen Bevölkerung am treue­sten bewahrt haben. Nun möchte ich Ihnen ein Bild geben zunächst über die Erlebnisse, die jemand hatte, der in die Irischen Mysterien in der nachatlantischen Zeit eingeweiht worden ist. Derjenige, der diese Weihe, diese Initiation empfangen sollte, mußte dazumal in einer stren­gen Art vorbereitet werden, wie überhaupt die Vorbereitungen in die Mysterien in alten Zeiten von einer außerordentlichen Strenge waren. Der Mensch mußte eigentlich innerlich in seiner Seelenverfassung, in seiner ganzen menschheitlichen Verfassung umgestaltet werden. Dann handelte es sich darum, daß bei den Mysterien von Hybernia der Mensch zunächst so vorbereitet wurde, daß er aufmerksam wurde, in starken inneren Erlebnissen aufmerksam wurde auf dasjenige, was

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trügerisch ist in dem den Menschen umgebenden Sein, in allen den Dingen, die den Menschen so umgeben, daß er ihnen zunächst der Sinneswahrnehmung nach das Sein zuschreibt. Und der Mensch wurde ferner aufmerksam gemacht auf all die Schwierigkeiten und Hemm­nisse, die sich ihm gegenüberstellen, wenn er nach der Wahrheit, nach der wirklichen Wahrheit strebt. Der Mensch wurde aufmerksam gemacht, daß im Grunde genommen alles, was uns in der Sinneswelt umgibt, eine Illusion ist, daß die Sinne ein Illusionäres geben und daß sich die Wahr­heit verbirgt hinter der Illusion, daß also eigentlich das wahre Sein vom Menschen durch die Sinneswahrnehmung nicht zu erreichen ist.

Nun werden Sie sagen, das ist eine Überzeugung, die Sie in Ihrer langen anthroposophischen Zeit ja schon immer hatten. Das wissen Sie ganz gut, werden Sie sagen. Aber jenes Wissen, das überhaupt in dem gegenwärtigen Bewußtsein ein Mensch haben kann von dem illu­sionären Charakter der sinnlichen Außenwelt, das ist eben gar nichts gegen die inneren Erschütterungen, gegen die innere Tragik, die durch­gemacht wurde von den Menschen, die damals vorbereitet wurden für die hybernische Einweihung. Denn wenn man so theoretisch sich sagt: Alles ist Maja, alles ist Illusion - so nimmt man das eigentlich sehr leicht. Aber die Vorbereitung der hybernischen Schüler wurde so weit getrie­ben, daß sie sich sagten: Es gibt keine Menschenmöglichkeit, durch die Illusion durchzudringen und zu dem wirklichen, wahrhaftigen Sein zu kommen.

Die Schüler wurden dadurch vorbereitet, daß sie sich, gewissermaßen zunächst aus Verzweiflung, innerlich seelisch zufrieden stellten mit der Illusion. Sie kamen in die verzweiflungsvolle Stimmung hinein, daß der illusionäre Charakter ein so aufdringlicher, ein so gewaltiger ist, daß man über die Illusion überhaupt nicht hinauskommen kann. Und es gab im Leben dieser Schüler immer wieder die Stimmung: Nun, dann muß man eben in der Illusion bleiben -, das heißt aber: Dann muß man den Boden unter den Füßen verlieren, denn auf der Illusion ist nicht festzustehen. - Ja, von der Strenge der Vorbereitung in den alten Mysterien, von der macht man sich heute im Grunde kaum eine Vorstellung. Die Menschen schrecken eben zurück vor demjenigen, was innere Entwickelung wirklich fordert.

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Und ebenso, wie es mit dem Sein und seinem illusionären Charakter war, so war es für diese Schüler mit dem Streben nach Wahrheit. Und alles lernten sie kennen, was den Menschen verhindert in seinen Emo­tionen, in seinen dunklen, ihn überwältigenden Empfindungen und Gefühlen, zur Wahrheit zu kommen, was trübt das klare Licht der Er­kenntnis. So daß sie auch da wiederum in einen Zeitpunkt hinein-kamen, in dem sie sich sagten: Wenn wir also nicht in der Wahrheit leben können, dann müssen wir eben im Irrtum, in der Unwahrheit leben! - Es heißt ja geradezu, seine Menschheit aus sich selber heraus­reißen, wenn man eine Zeit seines Lebens dazu kommt, zu verzweifeln an Sein und Wahrheit.

Das alles war dazu da, damit der Mensch durch das Erleben des Gegenteiles von dem, was er zuletzt als das Ziel erreichen soll, diesem Ziele die richtig tiefe menschliche Empfindung entgegenbringt. Denn wer nicht kennengelernt hat, was es heißt, mit Irrtum und Illusion zu leben, der weiß eben das Sein und die Wahrheit nicht zu schätzen. Und schätzen lernen sollten die Schüler von Hybernia die Wahrheit und das Sein.

Und dann, wenn die Schüler solches durchgemacht hatten, wenn sie gewissermaßen den Gegenpol absolviert hatten von dem, wozu sie zuletzt kommen mußten, dann wurden sie - und ich muß das, was nun geschah, in solcher Bildlichkeit darstellen, wie sie dazumal in der Tat in den hybernischen Mysterien real war - in eine Art Heiligtum geführt, in dem zwei Bildsäulen waren, Bildsäulen von einer ungeheuer starken suggestiven Gewalt. Und die eine dieser Bildsäulen von gigan­tischer Größe, sie war so, daß sie innerlich hohl war; die Außenfläche, die den Hohlraum umgab, also die Gesamtsubstanz, aus der die Bild-säule bestand, war ein durchaus elastischer Stoff, so daß überall, wo man drückte, man hineindrücken konnte in die Bildsäule. Aber in dem Augenblicke, wo man mit dem Drücken nachließ, da stellte sich die Form wieder her. Die ganze Bildsäule war so gemacht, daß vorzugs­weise das Haupt ausgebildet war, und daß man, indem man ihr ent­gegentrat, das Gefühl hatte: vom Haupte aus strahlen die Kräfte in den übrigen kolossalen Körper, denn den hohlen Innenraum sah man natürlich nicht, nahm ihn nicht wahr, merkte ihn nur, wenn man

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drückte. Und man wurde angehalten zu drücken. Man hatte das Gefühl, daß der ganze übrige Körper außer dem Kopfe von den Kräften des Kopfes ausgestrahlt wird, daß der Kopf alles tut an die­ser Bildsäule.

Ich gebe Ihnen gern zu, daß wenn ein heutiger Mensch in der gegen­wärtigen Prosa des Lebens vor die Bildsäule hingeführt würde, er ja auch kaum etwas anderes als Abstraktes empfinden würde. Gewiß, aber es ist eben etwas anderes, mit seinem ganzen Inneren, mit seinem Geist, mit seiner Seele, mit seinem Blute, mit seinen Nerven erlebt zu haben die Macht der Illusion und die Macht des Irrtums, und dann die suggestive Gewalt einer solchen gigantischen Gestalt zu erleben.

Diese Bildsäule hatte einen männlichen Charakter. Neben ihr stand eine andere, die einen weiblichen Charakter hatte. Sie war nicht hohl. Sie war aus einem nicht elastischen, aber plastischen Stoff. Wenn man an ihr drückte - und man wurde wieder angehalten, an ihr zu drücken -, zerstörte man die Form. Man grub ein Loch ein in den Körper.

Aber nachdem der Schüler an der einen Bildsäule erfahren hatte, daß durch Elastizität sich alles wieder herstellte in der Form, nachdem er an der anderen Bildsäule erfahren hatte, daß er sie deformiert hatte mit seinem Drücken, verließ er nach einigem anderen von dem ich gleich sprechen werde, den Raum, und er wurde erst wiederum in diesen Raum geführt, wenn alle die Fehler, die Deformationen, die er vollbracht hatte an der plastischen, nicht elastischen Bildsäule, die einen weiblichen Charakter hatte, wieder ausgeglichen waren. Er wurde erst wiederum hineingeführt, wenn die Bildsäule intakt war. Und durch alle diese Vorbereitungen - ich kann die Sache nur skizzenhaft schil­dern -, die der Schüler durchgemacht hatte, bekam er bei der Bild­säule, die einen weiblichen Charakter hatte, in seinem ganzen Men­schenwesen nach Geist, Seele und Leib ein inneres Erlebnis. Dieses innere Erlebnis war ja auch schon früher bei ihm vorbereitet, aber es stellte sich in vollstem Maße ein durch die suggestive Wirkung der Bildsäule selber. Er bekam in sich ein Gefühl einer inneren Erstarrung, einer inneren frostigen Erstarrung. Und diese frostige Erstarrung wirkte so in ihm, daß er seine Seele mit Imaginationen ausgefüllt sah, und diese Imaginationen waren Bilder des Erdenwinters, Bilder, die

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darstellten den Erdenwinter. Also der Schüler wurde dazu geführt, von innen heraus das Winterliche zu schauen im Geiste.

Bei der anderen Bildsäule, der männlichen, war es so, daß der Schüler etwas empfand, wie wenn all sein Leben, das er sonst in seinem ganzen Leibe hatte, in sein Blut ginge, wie wenn das Blut durchdrungen würde von Kräften und an die Haut drückte. Während er also vor der einen Bildsäule glauben mußte, zum frostigen Skelett zu werden, mußte er vor der anderen Bildsäule glauben, daß sein ganzes inneres Leben in Hitze zugrunde gehe und er lebe in seiner ausgespannten Haut. Und dieses Erleben des ganzen Menschen, an dessen Oberfläche gedrückt, das führte den Schüler dazu, die Einsicht zu bekommen, sich zu sagen: Du verspürst dich, du empfindest dich, du erlebst dich so, wie du wärest, wenn von allem im Kosmos allein die Sonne auf dich wirkte. -Und der Schüler lernte auf diese Weise die kosmische Sonnenwirkung in ihrer Verteilung erkennen. Er lernte erkennen die Beziehung des Menschen zur Sonne. Und er lernte erkennen, daß der Mensch nur des­halb in Wirklichkeit nicht so ist, wie er sich jetzt unter der suggestiven Wirkung der Sonnenstatue vorkam, weil andere Kräfte von anderen Weltenecken aus diese Wirkung modifizieren. In solcher Art lernte sich der Schüler einleben in den Kosmos. Und wenn der Schüler die sugge­stive Wirkung der Mondenstatue empfand, wenn er also innerlich das Frostige hatte der Erstarrung, die winterliche Landschaft erlebte - bei der Sonnenstatue erlebte er sommerliche Landschaft im Geiste, wie aus sich selbst erzeugt -, dann fühlte der Mensch, wie er wäre, wenn nur die Mondenwirkungen da wären.

Sehen Sie, in der Gegenwart, was weiß man denn eigentlich da von der Welt? Man weiß von der Welt, daß die Zichorie blau ist, daß die Rose rot ist, der Himmel blau ist und so weiter. Aber das sind ja keine erschütternden Eindrücke. Die berichten nur von dem Allernächsten, das in der menschlichen Umgebung ist. Der Mensch muß in einem intensiveren Maße mit seiner ganzen Wesenheit zum Sinnesorgan wer­den, wenn er die Geheimnisse des Weltenalls kennenlernen will. Und es wurde eben durch die suggestive Wirkung der Sonnenstatue sein Wesen in seinem ganzen Blutumlauf konzentriert. Der Mensch lernte sich als Sonnenwesen kennen, indem er diese suggestive Wirkung in

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sich erlebte. Und der Mensch lernte sich als Mondenwesen kennen, in­dem er die suggestive Wirkung der weiblichen Statue erlebte. Und dann konnte er aus diesen seinen inneren Erlebnissen heraus sagen, wie Sonne und Mond auf den Menschen wirken, so wie heute der Mensch nach dem Erlebnis seines Auges sagen kann, wie die Rose wirkt, nach dem Erlebnis seines Ohres, wie der Ton cis wirkt und so weiter. Und so erlebten die Schüler dieser Mysterien noch in den nachatlan­tischen Zeiten das Eingegliedertsein des Menschen in den Kosmos. Das wurde für sie eine unmittelbare Erfahrung.

Nun, dasjenige, was ich Ihnen erzählt habe, ist eine kurze Skizze dessen, was in ganz grandioser Weise bis in die ersten Jahrhunderte der christlichen Entwickelung herein an den Mysterien in Hybernia von den Schülern erlebt worden ist als kosmisches Erlebnis, indem man an das Sonnen- und an das Mondenerlebnis herangeführt wurde.

In ganz anderer Weise waren die Erlebnisse, welche die Schüler durchzumachen hatten in den Ephesischen, den kleinasiatischen Ephe­sischen Mysterien. In diesen Ephesischen Mysterien erlebte man in ganz besonders intensiver Weise mit seinem ganzen Menschen dasjenige, was dann später einen paradigmatischen Ausdruck gefunden hat in den Anfangsworten des Johannes-Evangeliums: «Im Urbeginne war das Wort. Und das Wort war bei Gott. Und ein Gott war das Wort.»

In Ephesus wurde der Schüler nicht vor zwei Statuen geführt, son­dern vor eine, vor die eine Statue, die ja bekannt ist als die Artemis von Ephesus. Und indem der Schüler sich identifizierte mit dieser Sta­tue, die voller Leben war, die überall von Leben strotzte, lebte sich der Schüler in den Weltenäther ein. Er hob sich hinaus mit seinem ganzen inneren Erleben und Empfinden vom bloßen Erdenleben, er hob sich in das Erleben des Weltenäthers hinein. Und ihm wurde das Folgende klar. Ihm wurde zunächst vermittelt, was eigentlich die menschliche Sprache ist. Und an der menschlichen Sprache, also dem menschlichen Abbild, dem menschlichen abbildlichen Logos gegenüber dem Welten-, dem kosmischen Logos, an dem wurde ihm klargemacht, wie das Wel­tenwort schöpferisch durch den Kosmos webt und wallt.

Ich kann wiederum die Sache nur skizzieren. Sie ging so vor sich. Der Schüler wurde besonders aufmerksam darauf gemacht, wirklich

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zu erleben, was da geschieht, wenn der Mensch spricht, wenn er dem Atmungsaushauch das Wort einprägt. Der Schüler wurde zum Erleben dessen geführt, wie dasjenige, was er da durch seine eigene innere Tat in Leben überführt, in dem luftigen Elemente geschieht, daß aber mit dem, was im luftigen Elemente geschieht, zwei andere Vorgänge ver­bunden sind.

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Stellen wir uns vor, dies sei der Aushauch (siehe Zeichnung, hellblau>, dem eingeprägt würden gewisse Wortgebilde, die der Mensch spricht. Während dieser Aushauch, zu Worten geformt, aus unserer Brust nach außen strömt, geht nach unten die rhythmische Schwingung über in das ganze wäßrige, in das flüssige Element, das den menschlichen Organismus durchzieht (tiefblau). So daß der Mensch beim Sprechen in der Höhe seines Kehlkopfes, seiner Sprachorgane, die Luftrhythmen hat; parallel aber geht mit diesem Sprechen ein Durchwellen und Durchwogen des Flüssigkeitsleibes in ihm. Die Flüssigkeit, die unter­halb der Sprachregion ist, kommt in Schwingungen, schwingt mit im Menschen. Und das ist es ja im wesentlichen, daß wir das, was wir sprechen, begleiten vom Fühlen. Und würde nicht mitschwingen das

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wäßrige Element im Menschen, die Sprache ginge neutral nach außen, gleichgültig nach außen; der Mensch würde nicht mitfühlen mit dem Gesprochenen. Nach oben aber, nach dem Kopf, geht das Wärme-Ele­ment (rot>, und es begleiten die Worte, die wir dem Aushauche einprägen, die nach oben strömenden Wärmewellen, die unser Haupt durchdringen, und die da bewirken, daß wir die Worte mit Gedanken begleiten.

So daß, wenn wir sprechen, wir es zu tun haben mit dreierlei: mit Luft, Wärme, Wasser oder Flüssigkeit. Dieser Vorgang, der erst ein Gesamtbild dessen gibt, was im menschlichen Sprechen webt und lebt, dieser Vorgang wurde zum Ausgangspunkt genommen bei dem Schüler von Ephesus. Und dann wurde ihm klargemacht, wie dieses, was da im Menschen sich abspielt, ein vermenschlichter Weltenvorgang ist, wie in einer gewissen älteren Zeit die Erde selber so gewirkt hat, daß in ihr nun nicht das luftförmige, aber das wäßrige, das flüssige Element, jenes flüssige Element, von dem ich gestern gesprochen habe als flüch­tig-flüssiges Eiweiß, in einer solchen Wellenbewegung war. So wie dann im Menschen im Kleinen die Luft beim Aushauche ist, wenn er spricht, so war dereinst das die Erde als Atmosphäre umgebende flüchtig-flüs­sige Eiweiß. Und das ging dann über, so wie hier (hell) das luftförmige in das Wärme-Element, in eine Art Luftelement, und unten in eine Art erdigen Elementes. So daß, wie bei uns in unserem Körper durch das flüssige Element die Gefühle entstehen, so entstanden in der Erde die Erdenbildungen, die Erdenkräfte, alles dasjenige, was in der Erde wirkt und wellt an Kräften. Und es entstand darüber im luftigen Element dasjenige, was webende kosmische Gedanken sind, die da schaffend wirken im Irdischen.

Das war ein majestätischer, gewaltiger Eindruck, den der Mensch in Ephesus bekam, wenn er aufmerksam darauf gemacht wurde, daß in seiner Sprache der mikrokosmische Nachklang dessen lebt, was ein­mal makrokosmisch war. Und der Schüler von Ephesus fühlte, indem er sprach, in dem Erlebnis des Sprechens eine Einsicht in das Wirken des Weltenwortes, wie es einstmals sinnvoll das flüssig-flüchtige Ele­ment bewegte, wie es oben grenzte an die schaffenden Weltengedanken, unten an die entstehenden Erdenkräfte.

So lebte sich der Schüler ein in das Kosmische, indem er in richtiger

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Weise sein eigenes Sprechen verstehen lernte: In dir ist der menschliche Logos. Der menschliche Logos wirkt aus dir während deiner Erdenzeit, und du bist als Mensch der menschliche Logos. - Denn in der Tat, durch dasjenige, was nach unten strömt im flüssigen Elemente, werden wir als Mensch geformt aus der Sprache heraus; durch dasjenige, was nach oben strömt, haben wir unsere menschlichen Gedanken während un­serer Erdenzeit. - Aber ebenso, wie in dir das Menschlichste der mikro-kosmische Logos ist, so war einstmals der Logos im Urbeginn, und war bei Gott, und war selber ein Gott.

Das wurde in Ephesus gründlich, weil durch den Menschen und am am Menschen selber, verstanden.

Sehen Sie, wenn Sie sich nun solch eine Persönlichkeit anschauen wie diejenige, die sich hinter dem Namen Gilgamesch verbirgt, dann müssen Sie das Gefühl bekommen, daß diese ja lebte in dem ganzen Milieu, in der ganzen Umgebung, die ausstrahlte von den Mysterien. Denn alle Kultur, alle Zivilisation war in früheren Zeiten Ausstrah­lung der Mysterien. Und wenn ich Ihnen Gilgamesch nenne, so war er, als er noch in seiner Heimat Erek war, zwar nicht in die Mysterien von Erek selber eingeweiht, wohl aber in einer Zivilisation drinnen, die substantiell durchsetzt war von dem, was man empfinden konnte durch diese Beziehung zum Kosmos. Und dann wurde von ihm etwas erlebt bei dem Zug nach dem Westen, was ihn direkt bekannt machte allerdings nicht mit den hybernischen Mysterien, so weit kam er nicht, aber gewissermaßen mit dem, was gepflegt wurde in einer Kolonie der hybernischen Mysterien, ich sagte Ihnen, im heutigen Burgenlande war diese Kolonie. Das lebte in der Seele dieses Gilgamesch. Das bildete sich weiter aus in dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt, das nun folgte, und für das dann beim nächsten Erdenleben in Ephesus selber die Vertiefung der Seele stattfand.

Nun, für beide Persönlichkeiten, von denen ich gesprochen habe, fand eine solche Vertiefung der Seele statt. Da brandete gewisser­maßen aus der allgemeinen Zivilisation an die Menschenseelen dieser Persönlichkeiten etwas in Realität heran, in starker, intensiver Realität noch, was seit der homerischen Zeit in Griechenland im wesentlichen schon nur noch schöner Schein war.

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Gerade in Ephesus drüben, an jener Stätte, an der ja auch Heraklit lebte und an der noch so viel von alter Realität empfunden wurde bis in die spätere griechische Zeit herein, bis ins sechste, fünfte Jahrhundert der vorchristlichen Zeit, gerade in Ephesus konnte man noch nach­empfinden die ganze Realität, in der einstmals die Menschheit gelebt hat, als sie noch in unmittelbarer Beziehung zu dem Göttlich-Geistigen stand, als noch Asia nur der unterste der Himmel war, in dem man noch in Verbindung stand mit den oberen Himmeln, die daran grenz­ten, weil in Asia die Naturgeister erlebt wurden, darüber die Angeloi, Archangeloi und so weiter, darüber die Exusiai und so weiter. Und so kann man sagen: Während schon in Griechenland selbst die Nach­klänge nur sich herausbildeten an dasjenige, was einstmals Realität war, während dasjenige, was Wirklichkeit war, sich umwandelte in die Bilder der Heroensagen, an denen noch deutlich zu merken ist, daß sie hinweisen auf ursprüngliche Realitäten, während in Griechenland das dramatische Element, ursprüngliche Realitäten, in Aischylos Leben ge­wann, war es eigentlich in Ephesus noch immer so, daß man, in das tiefe Dunkel der Mysterien getaucht, Nachklänge jener alten Reali­täten empfand, in denen der Mensch in unmittelbarem Zusammen-hange mit der göttlich-geistigen Welt lebte. Und das ist ja das Wesent­liche des Griechentums, daß der Grieche in die dem Menschen näher­liegenden Mythen und in die dem Menschen näherliegende Schönheit und Kunst getaucht hat, also ins Abbild getaucht hat dasjenige, was einstmals im Zusammenhange mit dem Kosmos eben vom Menschen erlebt werden konnte.

Und nun müssen wir uns vorstellen, wie, als nun schon auf der einen Seite diese griechische Zivilisation auf ihrem Höhepunkte angelangt war, als sie stolz zurückgewiesen hatte sogar dasjenige, was, wie in den Perserkriegen, noch nachstoßen wollte von alter asiatischer Reali­tät, als sie auf der einen Seite auf ihrem Höhepunkte angelangt war, aber auf der anderen Seite schon im Sturze war, wie das Persönlich­keiten erlebten, die in ihren Seelen deutlich die Nachklänge desjenigen trugen, was einstmals göttlich-geistige irdische Realität in Geist, Seele und Leib des Menschen war.

Und so müssen wir uns vorstellen, daß eigentlich Alexander der

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Große und Aristoteles in einer Welt lebten, die ihnen doch nicht ganz konform war, die eigentlich tragisch für sie war. Das Eigentümliche ist, daß in Alexander und in Aristoteles Menschen lebten, die eine andere Beziehung zum Geistigen hatten als ihre Umgebung, die, trotzdem sie sich nicht viel kümmerten um die Samothrakischen Mysterien, dennoch in ihrer Seele eine große Verwandtschaft hatten mit dem, was in den Samothrakischen Mysterien mit den Kabiren vorging. Das hat man lange Zeit gefühlt, im Mittelalter noch nachgefühlt. Und man muß schon sagen - darüber machen sich die Menschen heute ganz falsche Vor­stellungen - ,wie noch im Mittelalter, bis herein ins dreizehnte, vierzehnte Jahrhundert, bei einzelnen Menschen aller Stände ein deutliches geisti­ges Anschauen wenigstens auf dem Gebiete war, das man einstmals im alten Oriente drüben Asia genannt hat. Und das im frühen Mittelalter von einem Priester gedichtete Sie brauchen nur das Folgende sich vor die Seele zu stellen. Wir haben im Alexanderlied des Pfaffen Lamprecht ja eine wunderbare Schilderung, eine wunderbare Schilderung etwa der folgenden Art:

Jedes Jahr, wenn der Frühling kommt, und man geht nach einem Wald hinaus und kommt an den Waldesrand, da wo an diesem Waldesrand Blumen wachsen, und wo zu gleicher Zeit die Sonne so steht, daß von den Waldesbäumen der Schatten fällt auf die am Waldesrande wach­senden Blumen, da sieht man, wie im Schatten der Waldesbäume im Frühling aus den Blumenkelchen hervorkommen die geistigen Blumen-kinder, die an den Waldesrändern Tänze und Reigen führen. - Und man erkennt ganz deutlich, daß in dieser Schilderung des Pfaffen Lamprecht durchschimmert etwas von einer wirklichen Erfahrung, von einer Erfahrung, die Menschen der damaligen Zeit noch machen konn­ten; daß sie nicht in die Wälder hinausgingen, um in prosaischer Weise zu sagen: Da ist Gras, da sind Blumen, da fangen die Bäume an -

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sondern wenn sie sich dem Walde näherten, dann trat ihnen, wenn die Sonne hinter dem Walde stand und der Schatten über die Blumen her fiel, im Schatten der Waldesbäume von den Blumen aus entgegen die ganze Welt von Blumengeschöpfen, die da waren für sie, bevor sie den Wald betraten, wo sie ja dann im Walde die anderen Elemen­targeister wahrnahmen. Aber dieser Blumenreigen, der erschien dem Pfaffen Lamprecht als das, was er besonders gern schildern wollte. Und es ist immerhin bedeutsam, daß, als der Pfaffe Lamprecht die Alexanderzüge schildern wollte, er diese Schilderung durchsetzte und durchströmte - noch im zwölften Jahrhundert, Anfang des zwölf­ten Jahrhunderts -, durchsetzte und durchströmte mit Schilderungen der Natur, die überall das Sich-Offenbaren der Elementarreiche in sich schließen. Das Ganze ist getragen von dem Bewußtsein: Wenn man schildern will, was da vorging einstmals in Makedonien, als die Alex­anderzüge nach Asien begannen und als Alexander von Aristoteles unterrichtet wurde, wenn man das schildern will, so kann man es nicht schildern, indem man die prosaische Erde ringsherum beschreibt, son­dern man kann es allein schildern, wenn man hinzunimmt zu der prosaischen Erde die Reiche der elementarischen Wesenheiten.

Aber sehen Sie, wenn Sie heute ein Geschichtswerk lesen - es ist ja ganz berechtigt für die gegenwartige Zeit -, nun ja, dann lesen Sie eben: Alexander hat gegen den Rat seines Lehrers Aristoteles, dem er ungehorsam war, die Mission sich eingebildet, er müsse die Barbaren mit den zivilisierten Menschen versöhnen und müsse eine Durchschnitts­kultur etwa hervorrufen, die bestehen sollte aus den zivilisierten Grie­chen, aus den Hellenen, aus den Makedoniern und den Barbaren. Das ist zwar für die heutige Zeit richtig, aber dennoch, gegenüber der Wahr­heit, der wirklichen Wahrheit ist es eben läppisch. Und man empfängt den Eindruck des Großartigen, wenn man sieht, wie der Pfaffe Lamp-recht, indem er die Alexanderzüge schildert, diesen Alexanderzügen ein ganz anderes Ziel setzt. Und es kommt einem vor, als ob dasjenige, was ich eben geschildert habe als das Hereinragen der Natur-Elementar-reiche, des Geistigen der Natur in das Physische der Natur, als ob dies eben bloß die Introduktion sein sollte. Denn was ist das Ziel der Alex­anderzüge im Alexanderlied des Pfaffen Lamprecht?

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Alexander kommt bis an die Pforte des Paradieses! Das ist zwar ins Christliche der damaligen Zeit umgesetzt, aber es entspricht eigent­lich in einem hohen Maße, wie ich weiter ausführen werde, der Wahr­heit. Denn die Alexanderzüge waren nicht bloß gemacht, um Erobe­rungen zu vollziehen, oder gar gegen den Rat des Aristoteles, um die Barbaren mit den Hellenen zu versöhnen, sondern die Alexanderzüge waren durchsetzt von einem wirklichen hohen geistigen Ziel, und sie waren impulsiert aus dem Geiste heraus. Und wir lesen dann beim Pfaffen Lamprecht' der also, man kann sagen, fünfzehn Jahrhunderte, nachdem Alexander gelebt hat, in seiner Art mit großer Hingebung diese Alexanderzüge schildert, wir lesen, daß Alexander bis an die Pforte des Paradieses kommt, aber in das Paradies selber nicht hineinkommt, weil, wie der Pfaffe Lamprecht meint, nur derjenige in das Paradies hineinkommt, der die rechte Demut hat. Aber Alexander konnte in der vorchristlichen Zeit noch nicht die rechte Demut haben, denn die rechte Demut konnte erst das Christentum in die Menschheit hineinbringen. Immerhin, wenn man nicht in engherzigem' sondern in weitherzigem Sinn so etwas auffaßt, so sehen wir, wie der christliche Pfaffe Lamp-recht etwas von dem Tragischen der Alexanderzüge empfindet.

Nun, ich wollte Sie mit dieser Schilderung des Alexanderliedes nur aufmerksam darauf machen, daß es nicht überraschend zu sein braucht, wenn man gerade an diesem Beispiel der Alexanderzüge einsetzt, um das Vorhergehende und Nachherige der Menschheitsgeschichte des Abendlandes in seiner Angliederung an das Morgenland zu schildern. Denn dasjenige, was dabei als Empfindung zugrunde liegt, war noch, wie Sie sehen, bis zu einer verhältnismäßig späten Zeit des Mittelalters nicht nur als eine allgemeine Empfindung vorhanden, sondern in so konkreter Weise vorhanden, daß dieses Alexanderlied entstehen konnte, das nun eigentlich wirklich in einer großartig dramatischen Weise schildert, was nun durch die beiden Seelen, die ich Ihnen charak­terisiert habe, sich abgespielt hat. Durchaus weist dieser Punkt der makedonischen Geschichte auf der einen Seite weit in die Vergangen­heit zurück, auf der anderen Seite weit in die Zukunft hinein. Und man muß vor allen Dingen dabei berücksichtigen, daß über all dem, was bei Aristoteles und Alexander vorhanden ist, weltgeschichtliche Tragik

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schwebt. Schon äußerlich verrät sich diese weitgeschichtliche Tragik. Sie verrät sich dadurch, daß ja durch die besonderen Verhältnisse, durch die besonderen weitgeschichtlichen Schicksalsverhältnisse von Aristo­teles nur der kleinste Teil der Schriften in das europäische Abendland gekommen sind und dann von der Kirche weiter gepflegt worden sind. Es sind eigentlich im wesentlichen nur die logischen und die ins Logische gekleideten Schriften. Wer aber heute noch sich vertieft in das Wenige, was von den naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles erhalten ist, der wird bei Aristoteles sehen, wie gewaltig seine Einsicht noch war in den Zusammenhang des Kosmos mit dem Menschen. Ich möchte Sie da nur auf eines aufmerksam machen.

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Wir sprechen heute ja auch vom irdischen Elemente, vom wäßrigen Elemente, vom luftigen Elemente, vom feurigen oder Wärme-Elemente, und dann von dem anderen, dem Äther. Wie stellt Aristoteles die Sache dar? Er stellt die Erde dar, die feste Erde (siehe Zeichnung, weiß), die flüssige Erde, Wasser (hellrot), die Luft (blau), das Ganze mit dem

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Feuer durchdrungen und vom Feuer umgeben (tiefrot). Aber so reicht für Aristoteles die Erde bis zum Monde hinauf. Und vom Kosmos herein, von den Sternen herein bis zum Monde - also nicht mehr in den irdischen Bereich, aber bis zum Monde, bis hierher -, vom Tier­kreis, von den Sternen herein reicht räumlich-kosmisch der übrige Äther (weiß). Der Äther reicht bis zum Monde herunter.

Das lesen ja auch heute noch die Gelehrten in den Büchern, die über Aristoteles geschrieben werden. Aristoteles selber aber sagte seinem Schüler Alexander immer wieder und wiederum: Jener Äther, der da außerhalb des Irdisch-Wärmehaften ist, also der Lichtäther, chemische Äther, Lebensäther, war auch einstmals mit der Erde verbunden. Das alles ging bis zur Erde herein. Als aber der Mond sich zurückzog in der alten Entwickelung, da zog sich der Äther von der Erde zurück. Und - so meinte Aristoteles zu seinem Schüler Alexander - so ist das­jenige, was äußerlich räumlich tote Welt ist, auf der Erde zunächst nicht vom Äther durchzogen. Aber wenn zum Beispiel der Frühling naht, dann bringen die Elementargeister von dem Monde für die­jenigen Wesen, die entstehen - die Pflanzen, die Tiere, die Menschen -den Äther aus dem Mondenbereiche gerade wiederum in diese Wesen hinein, so daß der Mond das Gestaltende ist.

Stand man vor der einen, der weiblichen Gestalt in Hybernia, so empfand man das ganz lebhaft, wie der Äther eigentlich nicht der Erde angehört, sondern von den Elementargeistern alljährlich, so weit er notwendig ist zur Enstehung der Wesen, auf die Erde heruntergebracht wird.

Es gab auch für Aristoteles tiefe Einsichten in den Zusammenhang des Menschen mit dem Kosmos. Die Schriften, die davon handelten, hat der Schüler Theophrast nicht nach dem Westen kommen lassen. Nach dem Orient ging einiges von diesen Schriften zurück, wo noch Ver­ständnis für solche Dinge war. Und da kam es dann durch Nordafrika und Spanien, durch Juden und Araber kam es nach dem Westen von Europa und stieß in der Weise, wie ich das noch schildern will, mit den Ausstrahlungen, mit den Zivilisationsausstrahlungen der Mysterien von Hybernia zusammen.

Aber das, was ich Ihnen bis jetzt charakterisiert habe, war ja nur der

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Ausgangspunkt für die Lehren, die Aristoteles dem Alexander gab. Die bezogen sich durchaus auf inneres Erleben. Und wenn ich, ich möchte sagen, in etwas kohlezeichnender Darstellung die Sache gebe, so muß ich folgendes sagen: Alexander lernte durch Aristoteles gut kennen, daß dasjenige, was draußen in der Welt lebt als das irdische, das wäßrige' das luftige, das feurige Element, auch im Menschen drinnen lebt, daß der Mensch in dieser Beziehung ein wirklicher Mikrokosmos ist, daß in ihm, in seinen Knochen, das irdische Element lebt, daß in seiner Blutzirku­lation und in alle dem, was Säfte in ihm sind, Lebenssäfte sind, das wäßrige Element lebt; daß in ihm das luftige Element in der Atmung und Atmungserregung wirkt, in der Sprache wirkt, daß das feurige Element in den Gedanken lebt. Alexander wußte sich noch in den Ele­menten der Welt lebend. Aber indem man sich in den Elementen der Welt lebend fühlte, fühlte man auch noch seine innige Verwandtschaft mit der Erde. Heute reist der Mensch nach Ost, nach West, nach Nord, nach Süd: er empfindet nicht, was da eigentlich alles auf ihn einströmt, denn er sieht ja nur dasjenige, was seine äußeren Sinne wahrnehmen, und er sieht ja nur, was die irdischen Substanzen in ihm wahrnehmen, nicht was die Elemente in ihm wahrnehmen. Aber Aristoteles konnte den Alexander lehren: Wenn du auf der Erde nach dem Osten ziehst, ziehst du immer mehr und mehr hinein in ein dich austrocknendes Element. Du ziehst in das Trockene hinein (siehe Zeichnung).

Sie müssen sich das nicht so vorstellen, daß, wenn man nach Asien hinüberzieht, man ganz austrocknet. Es ist natürlich das so, daß es feine Wirkungen sind, aber Wirkungen, die durchaus nach den Anlei­tungen des Aristoteles Alexander in sich empfand. Er konnte sich in Makedonien sagen: Ich habe einen gewissen Grad von Feuchtigkeit in mir; der vermindert seine Feuchtigkeit, indem ich nach Osten hin-überziehe. - So fühlte er mit der Wanderung auf der Erde die Konfi­guration der Erde, wie man fühlt, sagen wir, wenn man einen Men­schen berührt, über irgendeinen Teil seines Körpers streichelnd fährt, wie der Unterschied ist zwischen Nase und Augen und Mund. So nahm eine solche Persönlichkeit, wie die geschilderte, noch wahr, wie der Unterschied ist, wenn man sich erlebt, indem man immer mehr und mehr in das Trockene hineinkommt, und wie man sich erlebt, wenn

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man nach der anderen Seite, nach dem Westen, in das Feuchte hinein­kommt.

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Die anderen Differenzierungen, die erleben die Menschen, wenn auch grob, noch heute. Gegen Norden erleben sie ja das Kalte, gegen Süden das Warme, das Feurige. Aber jenes Zusammenspiel von feucht-kalt, wenn man nach dem Nordwesten hinüberkam, das fühlen die Menschen nicht mehr. Aristoteles machte rege in Alexander, was Gilgamesch er­lebt hat, als er den Zug nach dem Westen hinüber unternommen hatte. Und die Folge davon war, daß im unmittelbaren inneren Erleben der Schüler das wahrnehmen konnte, was nun eben erlebt wird in der Zwischenzone zwischen feucht und kalt nach Nordwesten hin: Wasser. Und es ist durchaus nicht nur eine mögliche, sondern eine sehr wirkliche Redensart für einen solchen Menschen wie Alexander, daß er nicht sagte: Dahin geht der Zug, nach Nordwesten - sondern: Dahin geht der Zug, wo das Element des Wassers die Oberherrschaft führt. - In der Zwischenzone zwischen feucht und warm liegt das Element, wo die Luft die Oberherrschaft führt. So war es in den alten griechisch­chthonischen Mysterien gelehrt, so war es in den alten Samothraki­schen Mysterien gelehrt, so war es von Aristoteles seinem unmittelbaren

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Schüler gelehrt. Und in der Zwischenzone zwischen kalt und trocken, also gegen Sibiren zu von Makedonien aus, wurde die Region der Erde erlebt, wo die Erde selbst, das Irdische die Oberherrschaft führte, das Element Erde, das Feste. In der Zwischenzone zwischen warm und trocken, also gegen Indien hin, wurde jene Region der Erde erlebt, wo vorherrschte das Feuerelement. Und so war es, daß der Schüler des Aristoteles nach Nordwesten zeigte und sagte: Da empfinde ich herwirkend auf der Erde die Wassergeister. - Daß er nach Süd­westen zeigte und sagte: Da her empfinde ich die Lufigeister. - Daß er nach Nordwesten zeigte, und da die Geister der Erde vorzugsweise heranschweben sah. Daß er nach Südosten zeigte, gegen Indien zu, und die Geister des Feuers heranschweben oder in ihrem Elemente sah. Und Sie empfinden jene tiefe Verwandtschaft gegenüber dem Natür­lichen und gegenüber dem Moralischen, wenn ich jetzt am Schlusse sage, es entstand in Alexander die Redensart: Ich muß aus dem kalt-feuchten Elemente heraus mich ins Feuer stürzen, den Zug nach Indien unternehmen! - Das war eine Redensart, die ebenso an Natürliches anknüpfte' wie sie anknüpfte an Moralisches, wovon wir dann morgen sprechen wollen. Aber ich wollte Sie hineinführen anschaulich in das­jenige, was da lebte. Denn in dem, was da verhandelt wurde zwischen Alexander und Aristoteles, sehen Sie zu gleicher Zeit sich spiegeln den ganzen Umschwung in der weltgeschichtlichen Entwickelung. Man konnte noch im intimen Unterricht in der damaligen Zeit sprechen von den großen Mysterien der vergangenen Zeit. Dann nahm die Mensch­heit nur mehr das Logische, das Abstrakte, die Kategorien auf, wäh­rend sie das andere zurückstieß. Daher deuten wir damit zugleich auf einen ungeheuren Umschwung in der weltgeschichtlichen Entwickelung der Menschheit, auf einen allerwichtigsten Punkt in dem ganzen Her­gang der europäischen Zivilisation in ihrem Zusammenhange mit dem Orient. Davon dann morgen weiter.

FÜNFTER VORTRAG Dornach, 28. Dezember 1923

#G233-1962-SE077 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

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FÜNFTER VORTRAG

Dornach, 28. Dezember 1923

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Unter den alten Mysterien nimmt dasjenige von Ephesus eine ganz besondere Stellung ein. Ich habe ja mit jenem Entwickelungselemente in der Geschichte des Abendlandes, das sich anknüpft an den Namen des Alexander, auch dieses Mysteriums von Ephesus gedenken müssen. Man begreift den Sinn der neueren und älteren Geschichte nur, wenn man eingeht auf den Umschwung, den das Mysterienwesen, von wel­chem ja alle älteren Zivilisationen ausgegangen sind, erfahren hat vom Orient herüber nach dem Okzident, nach Griechenland also zunächst. Und dieser Umschwung besteht in dem Folgenden.

Sehen Sie, wenn man in alle älteren Mysterien des Morgenlandes hineinschaut, überall bekommt man den Eindruck: Da sind die Myste­rienpriester in der Lage, große bedeutsame Wahrheiten aus ihren Schauungen an ihre Schüler zu offenbaren. Ja, in je ältere Zeiten man zurückgeht, desto mehr sind diese Priesterweisen imstande, in den Mysterien die unmittelbare Gegenwart der Götter selber, der geistigen Wesenheiten, welche die planetarischen Welten, welche die Erden-erscheinungen lenken, hervorzurufen, so daß die Götter wirklich da waren.

Der Zusammenhang des Menschen mit dem Makrokosmos, er ent­hüllte sich ja in verschiedenen Mysterien auf eine ähnlich großartige Weise, wie ich sie Ihnen gestern für die Mysterien vön Hybernia dar­gestellt habe, und auch für dasjenige, was noch Aristoteles Alexander dem Großen zu sagen hatte. Vor allen Dingen lag aber das vor in allen altorientalischen Mysterien, daß das Moralische, die moralischen Impulse nicht streng geschieden waren von den natürlichen Impulsen. Indem Aristoteles den Alexander nach Nordwesten wies, wo die Gei­ster des Wasserelementes die herrschenden waren, kam von dort nicht bloß ein physischer Impuls, wie heute vom Nordwesten der Wind oder andere rein physische Dinge kommen, sondern es kamen auch morali­sche Impulse mit den physischen Impulsen. Das Physische und das Moralische war eines. Das konnte es sein, weil überhaupt durch jene

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Erkenntnisse, welche in diesen Mysterien gegeben wurden, der Mensch sich mit der ganzen Natur - er nahm ja den Geist der Natur wahr -als eine Einheit fühlte. Da ist zum Beispiel eines in dem Verhältnis des Menschen zur Natur, das etwa gerade in der Zeit liegt, die verflos-sen ist zwischen der Lebenszeit des Gilgamesch und der Lebenszeit jener Individualität, zu der er in seiner nächsten Inkarnation wurde in der Nähe des Mysteriums von Ephesus. Gerade in der Zeit finden wir noch ganz lebendig eine Anschauung über den Zusammenhang des Menschen mit der Geistnatur. Dieser Zusammenhang ist der folgende. Durch alles das, was da der Mensch kennenlernte über die Wirkung der Elementargeister in der Natur, über die Wirkung der intelligenten Wesenheiten in den planetarischen Vorgängen, kam der Mensch zu der Überzeugung: Da draußen sehe ich überall ausgebreitet die Pflanzen­welt, die grünende, die sprießende, die sprossende, die fruchtende Pflanzenwelt. Da sehe ich die einjährigen Pflanzen auf der Wiese, auf dem Felde, die im Frühling heranwachsen, die im Herbste wieder ver­gehen; da sehe ich jahrhundertelang wachsende Bäume, welche Rinde und Holz außen bekommen und mit ihren Wurzeln weit in die Erde hineinreichen. Das alles, was da draußen wurzelt in den einjährigen Kräutern und Blumen, was da wächst mit festen Impulsen hinein in die Erde, das habe ich als Mensch einmal in mir getragen.

Sehen Sie, heute fühlt der Mensch, wenn irgendwo in einem Raume Kohlensäure ist, die durch die Atmung der Menschen entstanden ist:

Diese Kohlensäure habe ich mit ausgeatmet. - Das fühlt der Mensch, daß er in den Raum die Kohlensäure hineingeatmet hat. Der Mensch ist ja heute, ich möchte sagen, nur noch in einem geringen Zusammen-hange mit dem Kosmos. In dem luftigen Teile seines Wesens, in der Luft, die der Atmung und den sonstigen Luftprozessen' die im Organismus vor sich gehen, zugrunde liegt, da ist der Mensch ganz im lebendigen Zusammenhange mit der großen Welt, mit dem Makrokosmos. Er kann hinschauen auf die ausgeatmete Atemluft, auf die Kohlensäure, die in ihm war und die jetzt draußen isti Aber so, wie der Mensch heute -er tut es ja nicht, aber er könnte es - hinschaut auf die ausgeatmete Kohlensäure, so schaute der Mensch, der in den orientalischen Myste­rien entweder eingeweiht war oder aufgenommen hatte die Weisheit,

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die aus den orientalischen Mysterien nach außen geströmt ist, die ganze Pflanzenwelt an. Er sagte sich: Ich schaue zurück in der Weltenent­wickelung auf eine alte Sonnenzeit. Da habe ich die Pflanzen noch in mir getragen. Und dann habe ich sie herausströmen lassen in die weiten Kreise des Erdenseins. Aber als ich die Pflanzen noch in mir trug, als ich noch jener Adam Kadmon war, der die ganze Erde umfaßte und die Pflanzenwelt mit, da war diese ganze Pflanzenwelt noch etwas Wässerig-Luftiges. 1

Der Mensch sonderte von sich ab diese Pflanzenwelt. Wenn Sie sich vorstellen, Sie würden die Größe erlangen der ganzen Erde und dann nach innen absondern Pflanzliches, das nun im wäßrigen Elemente sich metamorphosierend entsteht, vergeht, heranwächst, anders wird, verschiedene Gestalten eben annimmt, dann würden Sie in Ihr Gemüt heraufrufen, wie es einmal war. Und daß es einmal so war, das sagten sich diejenigen, die etwa in der Gilgamesch-Zeit im Oriente drüben ihre Bildung aufgenommen hatten. Und schauten sie dann auf das Pflanzenwachstum auf den Wiesen hin, dann sagten sie sich: Wir haben die Pflanzen abgesondert in einem früheren Stadium unserer Entwicke­lung, aber die Erde hat die Pflanzen aufgenommen. Das Wurzelhafte ist ihnen erst von der Erde verliehen worden, ebenso alles dasjenige, was das Holzige ist, was die Baumesnatur des Pflanzenhaften ist. -Aber das allgemein Pflanzenhafte, das hat der Mensch von sich ab­gesondert, und das ist von der Erde aufgenommen worden. Eine innige Verwandtschaft fühlte der Mensch mit allem Pflanzlichen.

Nicht eine gleiche Verwandtschaft fühlte der Mensch mit dem hö­heren Tierischen, denn er wußte, er konnte sich nur dadurch an die Erde heranarbeiten, daß er überwunden hat die tierische Bildung, daß er zurückgelassen hat auf seinem Entwickelungswege die Tiere. Die Pflanzen hat er bis zur Erde mitgenommen, sie dann der Erde über­geben, so daß die Erde sie in ihren Schoß aufnahm. Er wurde für die Pflanzen auf der Erde der Vermittler der Götter, der Vermittler zwi­schen den Göttern und der Erde.

Daher fühlten solche Menschen, die nun wirklich jenes große Er­lebnis hatten, das man skizzenhaft ganz einfach darstellen kann (siehe Zeichnung): Der Mensch kommt an die Erde heran aus dem Weltenall

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(gelb). Die Zahl kommt ja nicht in Betracht, da, wie ich schon gestern sagte, die Menschen ineinanderstaken. Er sondert alles Pflanz-liche ab, und die Erde nimmt das Pflanzliche auf und gibt ihm das Wurzelhafte. - So fühlte der Mensch, wie wenn er mit dem Pflanzen-wachstum gewissermaßen die Erde umschlungen hätte (grün), und wie wenn die Erde dankbar gewesen wäre für dieses Umschlungenwerden und aufgenommen hat dasjenige, was ihr der Mensch an wäßrig­luftigen Pflanzenelementen zuhauchen konnte. Und diejenigen, die solches fühlten, die fühlten sich in bezug auf dieses Pflanzenbringen zur Erde als innig verwandt mit dem Gotte, mit dem Hauptgotte des Merkur. Durch diese Empfindung, man habe selber die Pflanzen auf die Erde gebracht, kam man in eine besondere Beziehung zu dem Gotte Merkur.

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Dagegen fühlte man gegenüber den Tieren: man konnte sie nicht mit auf die Erde bringen, man mußte sie absondern, man mußte sich frei­machen von ihnen, sonst hätte man die menschliche Gestalt nicht in der richtigen Weise entwickeln können. Man schob gewissermaßen die Tiere von sich ab, so daß die Tiere eben weggeschoben wurden vom Menschen

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(rot) und dann für sich eine Entwickelung durchmachen mußten auf einer niedrigeren Stufe, als der Mensch selber steht. So fühlte sich auf der einen Seite der alte Mensch gerade der Gilgamesch-Zeit und der folgenden Zeit hineingestellt zwischen das Tierreich und das Pflan­zenreich. Dem Pflanzenreich gegenüber fühlte er sich als der Träger, der die Erde sozusagen besamt hat in Vertretung der Götter. Dem Tierreich gegenüber fühlte er sich so, also ob er es von sich abgestoßen hätte, um Mensch zu werden ohne die Belastung mit den Tieren, die dadurch verkümmert sind. Der ganze ägyptische Tierdienst hängt übri­gens mit dieser Anschauung zusammen. Vieles in Asien drüben von jenem tiefen Mitleid, das man da findet gegenüber den Tieren, hängt damit zusammen. Und es war eben eine großartige Naturanschauung, die so fühlte die Verwandtschaft des Menschen mit der Pflanzenwelt auf der einen Seite, mit der tierischen Welt auf der anderen Seite. Der Tierwelt gegenüber fühlte man die Befreiung, der pflanzlichen Welt gegenüber fühlte man die innige Verwandtschaft mit ihr. Man fühlte als Mensch die Pflanzenwelt als ein Stück von sich selber, und man fühlte die Erde in inniger Liebe, weil die Erde dieses Stück Menschen­tum, das die Pflanzen sind, in sich aufgenommen hat, in sich einwur­zeln ließ, ja sogar aus ihrem Material sie mit Rinde überzog in den Bäumen. Überall war Moralisches in der Beurteilung der physischen Umwelt vorhanden. Man ging an die Pflanzen der Wiese heran und empfand in dieser Weise nicht nur das natürliche Wachstum, sondern eine moralische Beziehung des Menschen zu diesem Wachstum. Man empfand den Tieren gegenüber wieder eine moralische Beziehung: man hat sich über sie hinausgerungen.

Also eine großartige Geistnatur-Anschauung strömte aus von diesen Mysterien drüben im Oriente. Mysterien waren dann auch, aber mit einer weit weniger realen Geistnatur-Anschauung, in Griechenland. Die griechischen Mysterien sind grandios, gewiß, aber sie unterscheiden sich ganz wesentlich von den orientalischen Mysterien. Es ist eben alles so in den orientalischen Mysterien, daß der Mensch sich eigentlich nicht auf der Erde fühlt durch sie, sondern sich angegliedert fühlt an den Kosmos, an das Weltenall. In Griechenland war auch das Mysterien-wesen zuerst auf der Stufe angekommen, wo der Mensch sich mit der

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Erde in Verbindung fühlte. Daher war dasjenige, was im Oriente ent­weder erschien oder empfunden wurde in den Mysterien, die wesen­haft geistige Welt selber. Man schildert eben die absolute Wahrheit, wenn man sagt: In den altorientalischen Mysterien erschienen die Götter selber unter den Priestern, die da opferten und die Gebete verrichteten. -Die Mysterientempel waren zu gleicher Zeit die irdischen Gaststätten der Götter, wo die Götter eben das den Menschen schenkten durch die Priesterweisen, was sie ihnen an Himmelsgütern zu schenken hatten. In den griechischen Mysterien erschienen nur mehr die Bilder der Götter, die Abbilder, etwas wie die Schattenbilder; wahrhafte, echte Bilder, aber wie Schattenbilder, nicht mehr die göttlichen Wesenheiten, nicht mehr die Realitäten, sondern die Schattenbilder. So daß der Grieche eine ganz andere Empfindung hatte als derjenige, welcher der alten orien­talischen Kultur angehörte. Der Grieche hatte die Empfindung: Es gibt Götter, aber den Menschen ist nur möglich, Bilder von diesen Göt­tern zu haben, so wie man in der Erinnerung die Bilder der Erlebnisse hat, nicht mehr die Erlebnisse selber.

Das war die tiefe Grundempfindung, die aus den griechischen My­sterien heraus kam, daß die Griechen die Empfindung hatten, sie haben etwas wie Erinnerungen an den Kosmos, nicht die Erscheinungen des Kosmos selber, Bilder vom Kosmos, Bilder der Götter, nicht die Götter selber, Bilder von den Vorgängen auf Saturn, Sonne, Mond, nicht mehr die lebendige Verbindung mit dem, was real war auf Saturn, Sonne, Mond, wie der Mensch etwa die reale Verbindung mit seiner Kindheit hat. Und diese reale Verbindung mit Sonne, Mond, Saturn hatten eben die Menschen der orientalischen Zivilisation aus ihren Mysterien her­aus. So hatte das Mysterienwesen der Griechen etwas Bildhaftes. Es erschienen eben die Schattengeister der göttlich-geistigen Wirklichkeit. Aber das hatte etwas bedeutsames anderes gebracht. Denn sehen Sie, es gab noch einen Unterschied zwischen den orientalischen Mysterien und den griechischen.

Bei den orientalischen Mysterien war es doch immer so, daß wenn man irgend etwas von dem Großartigen, Gigantischen, das man da erfahren konnte, wissen wollte, man erst die rechte Zeit abzuwarten hatte. Da war es so, daß man irgend etwas nur erfahren konnte, wenn

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man den Opferdienst' der dazu gehörte, also gewissermaßen die über­sinnlichen Experimente, im Herbste machte, andere im Frühling, an­dere zur Hochsommerszeit, andere im tiefen Winter. Und wiederum, es war möglich, daß zu irgendeiner Zeit, die man dadurch als die rich­tige erkannte, daß die Mondkonstellation eine bestimmte war, irgend­welchen Göttern geopfert wurde. Dann erschienen sie in den Myste­rien. Man kam zu ihren Offenbarungen. Dann mußte man wiederum, sagen wir, dreißig Jahre warten, bis wiederum dieselbe Gelegenheit war, daß irgendeine Götterwesenheit sich in den Mysterien zeigte. Zum Beispiel alles dasjenige, was sich auf Saturn bezog, konnte nur alle drei­ßig Jahre irgendwie in den Bereich der Mysterien treten, alles, was sich auf den Mond bezog, ungefähr immer in achtzehn Jahren, und so weiter. So daß die Priesterweisen der orientalischen Mysterien die grandiosen, gigantischen Erkenntnisse und Anschauungen, die sie ge­wannen, eben nur in Abhängigkeit von Zeit und Raum und allem möglichen bekamen. Man bekam zum Beispiel ganz andere Offen­barungen tief in Berghöhlen drinnen, andere Offenbarungen auf den Gipfeln der Berge. Man bekam andere Offenbarungen, wenn man irgendwie tiefer in Asien drüben war, oder an der Küste war, und dergleichen. Also eine gewisse Abhängigkeit von Raum und Zeit auf der Erde, das war das Charakteristische gerade der Mysterien des Orients.

In Griechenland waren die großen gigantischen Realitäten dahin-geschwunden. Bilder waren noch da. Aber die Bilder konnte man jetzt haben nicht in Abhängigkeit von Jahreszeit oder Jahrhundertlauf oder dem Orte, sondern die Bilder konnte man haben, wenn man diese oder jene Exerzitien machte, diese oder jene persönlichen Opfer brachte. Wenn man dann auf einer gewissen Stufe der Opfer und der persön­lichen Reife angekommen war, dann konnte man deshalb, weil man das als Mensch erreicht hatte, die Wahrnehmungen der Schatten der großen Weltereignisse und Weltwesenheiten haben.

Das ist der große Umschwung im Mysterienwesen vom alten Orient nach Griechenland herüber, daß die alten orientalischen Mysterien untergeordnet waren den Bedingungen von Erdenort und Erdenraum, daß die griechischen Mysterien diejenigen waren, wo der Mensch in

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Betracht kam mit dem, was er den Göttern entgegenbrachte. Der Gott kam sozusagen in seinem Schattenbilde, in seinem Spektrum, wenn der Mensch gewürdigt werden konnte durch die Vorbereitungen, die er dazu gemacht hatte, daß der Gott im Spektrum zu ihm kam. Da­durch sind die griechischen Mysterien wirklich die Vorbereitung der neueren Menschheit geworden.

Nun, mitten drinnen zwischen den alten orientalischen und den griechischen Mysterien stand das von Ephesus. Es hatte eben seine be­sondere Stellung. Denn in Ephesus konnten jene, die dort die Einwei­hung gewannen, durchaus noch etwas von den gigantischen, majestäti­schen Wahrheiten des alten Orients erfahren. Sie wurden noch berührt von dem inneren Empfinden und Fühlen des Zusammenhanges des Menschen mit dem Makrokosmos und dem göttlich-geistigen Wesen des Makrokosmos. Oh, in Ephesus war noch viel von dem wahrzu­nehmen, was überirdisch war. Und die Identifizierung mit der Artemis, mit der Göttin des Mysteriums von Ephesus, die brachte eben noch jenen lebendigen Zusammenhang: Die Pflanzenwelt ist die deine, die Erde hat sie nur aufgenommen. Die Tierwelt hast du überwunden, du hast sie zurücklassen müssen. Du mußt möglichst mit Mitleid schauen auf die Tiere, die auf dem Wege zurückbleiben mußten, damit du Mensch werden konntest. - Dieses Sich-eins-Fühlen mit dem Makro-kosmos, das wurde noch aus den unmittelbaren Erlebnissen, noch aus den Realitäten dem Eingeweihten von Ephesus überliefert.

Aber es war in Ephesus schon als dem ersten Mysterium, das gegen das Abendland zugekehrt war, die Unabhängigkeit von den Jahres­zeiten oder von dem Jahrhundertlauf, kurz, von Ort und Zeit auf Erden. In Ephesus kam es schon an auf die Exerzitien, die der Mensch machte, auf die Art und Weise, wie er sich durch Opferung und Hin­gabe an die Götter reif gemacht hatte. So daß in der Tat das Myste­rium von Ephesus auf der einen Seite durch den Inhalt der Mysterien-wahrheiten noch hinweist nach dem alten Oriente, und dadurch, daß es schon herangerückt war an die menschliche Entwickelung, an das Men­schentum, war das Mysterium von Ephesus wiederum dem Griechen-tun schon zugeneigt. Es war sozusagen das letzte Mysterium der Grie­chen im Osten, wo noch die alten gigantischen Wahrheiten an die Menschen

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herantraten, herantreten konnten. Denn im Osten waren sonst die Mysterien schon in die Dekadenz gekommen.

Wo die alten Wahrheiten sich am längsten erhalten haben, das ist in den Mysterien des Westens. Von Hybernia kann man noch erzählen Jahrhunderte nach der Entstehung des Christentums. Aber ich möchte sagen: Die Geheimnisse von Hybernia' sie sind im Grunde genommen doppelt geheimnisvoll. - Denn sehen Sie, das, was ich Ihnen gestern erzählt habe von diesen zwei Statuen, wovon die eine eine Sonnen-, die andere eine Mondesstatue ist, eine männliche und eine weibliche Statue ist, diese Geheimnisse von den Statuen sind heute so, daß sie selbst aus der sogenannten Akasha-Chronik noch schwer zu erforschen sind. Es ist verhältnismäßig gar nicht schwierig für denjenigen, der in diesen Dingen geschult ist, heranzukommen an die Bilder der orien­talischen Mysterien und aus dem Astrallichte heraus diese Bilder zu holen. Aber kommt man oder will man an die Mysterien von Hybernia herankommen, will man sich ihnen nähern im Astrallichte, so bekommt man zunächst etwas wie eine Betäubung. Es schlägt einen zurück. Sie wollen selbst in den Akasha-Nachbildungen sich heute nicht mehr sehen lassen, trotzdem sie am längsten bestanden haben in ursprüng­licher Echtheit, diese irischen, diese hybernischen Mysterien.

Nun bedenken Sie: Berührt von den hybernischen Mysterien war ja die Individualität, die in Alexander dem Großen steckte, während der Gilgamesch-Zeit, während des Zuges nach dem Westen bis in die Ge­gend des heutigen Burgenlandes. Es lebte in dieser Menschenindividua­lität, und lebte auf eine sehr alte Art, in der Zeit, in der eben durch­aus noch starke Anklänge in diesem Westen waren an die atlantische Zeit. Das war nun durch den seelischen Zustand, der zwischen dem Tode und einer neuen Geburt verfließt' hindurchgetragen. Dann waren die beiden Freunde, Eabani und Gilgamesch, wiederum eben gerade in Ephesus, um dort mit einer großen Bewußtheit dasjenige zu erleben, was mehr oder weniger noch unbewußt, unterbewußt im Zusammen-hange mit der göttlich-geistigen Welt vorher während der Gilgamesch­Zeit erlebt worden war. Aber es war während der ephesischen Zeit ein verhältnismäßig ruhiges Leben, ein Verdauen, Verarbeiten desjenigen, was in früheren bewegteren Zeiten in die Seelen hineingezogen war.

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Nun muß man bedenken: Bevor diese Individualitäten wiederum erschienen in der Dekadenz der Griechenzeit, in dem Aufblühen der makedonischen Zeit, was war da über Griechenland hinweggegangen! Dieses Griechenland der alten Zeit, das im Grunde genommen sich über das Meer hinüber ausdehnte und auch Ephesus umfaßte, bis tief nach Kleinasien hineinging, dieses Griechenland, das hatte eben in den Schattenbildern durchaus noch den Nachklang der alten Götterzeit. Im Schatten wurde der Zusammenhang des Menschen mit der geistigen Welt wohl erlebt. Aber aus dem Schatten arbeitete sich das Griechen­tum allmählich heraus, und wir sehen ja stufenweise, wie sich die grie­chische Zivilisation aus einer sozusagen göttlichen Zivilisation in eine rein irdische hineinarbeitet.

Oh, die wichtigsten Dinge des geschichtlichen Werdens werden ja gar nicht berührt in dem, was heute ganz materialistisch äußere Ge­schichte ist! Wichtig für die ganze Auffassung des Griechentums ist das allerdings, weil nur mehr ein Schattenbild da war in der griechischen Zivilisation von der alten Göttlichkeit, in der der Mensch zusammen-hing mit den übersinnlichen Welten, dann allmählich herauskam aus der Göttlichkeit und zu dem Gebrauche seiner eigenen, ganz individuell persönlichen geistigen Fähigkeiten kam. Das ging stufenweise vor sich. Wir können es den Dramen des Aeschylos noch ansehen, wie da das­jenige, was noch gefühlt wird von der alten Götterzeit, wie das nun noch auftritt in künstlerischem Bilde. Aber kaum kommt Sophokles, so reißt schon sozusagen der Mensch sich ab von diesem Sich-zusammen-Fühlen mit dem göttlich-geistigen Dasein. Und dann, dann tritt etwas ein, was an einen Namen geknüpft ist, der ganz gewiß nicht hoch genug zu schätzen ist von einem gewissen Gesichtspunkte aus; aber es gibt ja verschiedene Gesichtspunkte in der Welt.

Sehen Sie, in älteren griechischen Zeiten hatte man wahrhaftig nicht notwendig, Geschichte aufzuzeichnen. Wozu denn? Es war ja die leben­dige Abschattung da des wichtigen Vergangenen. Die Geschichte las man ab in demjenigen, was sich in den Mysterien zeigte. Da waren die Schattenbilder, die lebendigen Schattenbilder. Was sollte man denn aufschreiben als Geschichte? Da kam die Zeit, wo diese Schattenhilder hinuntergingen in die untere Welt, wo das menschliche Bewußtsein sie

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nicht mehr aufnehmen konnte. Da entstand zuerst der Drang, nun Ge­schichte aufzuschreiben. Da kam der erste Prosaiker der Geschichte, Herodot, herauf. Und man könnte von da an viele Namen nennen, immer zielt das daraufhin, sozusagen herauszureißen die Menschheit aus dem Göttlich-Geistigen, sie hinzustellen in das rein Irdische. Aber immerhin war über diesem ganzen Irdischwerden während des Grie­chentums ein Glanz, ein Glanz, von dem wir morgen hören werden, daß er eben nicht auf das Römertum und nicht auf das Mittelalter übergegangen ist. Ein Glanz war da. Den Schattenbildern, auch den in der Abenddämmerung der griechischen Zivilisation verglimmenden Schattenbildern spürte man es noch an, empfand man es an, daß sie göttlichen Ursprungs waren.

Und inmitten von all dem, wie die Zufluchtsstätte' wo man Auf­klärung fand über all das, was da in Griechenland, ich möchte sagen, in Fragmenten der Kultur vorhanden war, inmitten von all dem stand Ephesus. Heraklit, viele der größten Philosophen, auch Platon, Pytha­goras, sie alle haben noch von Ephesus gelernt. Ephesus war wirklich dasjenige, was bis zu einem gewissen Punkte bewahrt hatte die alten orientalischen Weistümer. Und auch diejenigen Individualitäten, die in Aristoteles und Alexander dem Großen waren, in Ephesus konnten sie erfahren, etwas später als Heraklit, was dann noch an altem Wissen in den orientalischen Mysterien war, das als Erbstück geblieben ist dem Mysterium von Ephesus. Innnig verbunden insbesondere mit der Alex­anderseele war dasjenige, was in Ephesus an Mysterienwesen lebte. Und nun geschah eines jener historischen Ereignisse, von denen die Triviallinge annehmen, daß sie ein äußerer Zufall sind, die aber gerade tief, tief begründet sind in den inneren Zusammenhängen der Mensch­heitsentwickelung.

Um die Bedeutung dieses historischen Ereignisses einsehen zu können, rufen wir uns das Folgende einmal vor die Seele. Denken Sie daran, daß ja in den beiden Seelen, in der Seele desjenigen, der dann Aristo­teles wurde, und desjenigen, der Alexander der Große wurde, zunächst das lebte, was innerlich verarbeitet war aus uralter Zeit heraus, dann das lebte, was in Ephesus ihnen ungeheuer wertvoll geworden war. Ich möchte sagen, ganz Asien, aber in der Form, in der es griechisch

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geworden war in Ephesus, lebte in den beiden, insbesondere in der Seele desjenigen, der später Alexander der Große geworden ist. Nun stelle man sich auch den Charakter vor - ich habe ihn geschildert aus der Gilgamesch-Zeit - und man denke sich, daß sich ja nun im leben­digen Verkehr zwischen Alexander und Aristoteles das Wissen, das an den alten Orient und an Ephesus gebunden war, wiederholte, aber in der neuen Form des Wissens wiederholte. Man stelle sich das nur vor. Man stelle sich vor, was hätte werden müssen, wenn das gigantische Dokument, das eigentlich in diesen Seelen mit einer ungeheuren Inten­sität gelebt hat, wenn dieses gigantische Dokument, das Mysterium von Ephesus, dagewesen wäre, wenn also auch in der Alexander-Inkar­nation Alexander das Mysterium von Ephesus noch angetroffen hätte! Man stelle sich das vor, und man würdige dann die Tatsache, daß an dem Tage, an dem Alexander geboren wurde, Herostrat die Brand-fackel in das Heiligtum von Ephesus geworfen hat, so daß der Dianen­tempel von Ephesus an dem Tage, an dem Alexander geboren wurde, durch Frevlerhand abgebrannt ist. Es ward nicht mehr befunden auf Erden dasjenige, was gerade geknüpft war an seine Denkmal-Doku­mente. Das war nun nicht da, das war im Grunde genommen allein jetzt als historische Mission in der Seele des Alexander und in seinem Lehrer Aristoteles.

Und nun verbinden Sie dasjenige, was da in ihnen als Seelisches lebte, mit dem, was ich gestern, als wie aus der Konfiguration der Erde heraus folgend, in der Mission Alexanders des Großen zeigte. Und nun werden Sie verstehen können, daß ja mit Ephesus wie ausgelöscht war dasjenige, was im Orient real, reale Offenbarung des Göttlich-Geistigen war. Die anderen Mysterien waren im Grunde genommen nur noch Dekadenz-Mysterien, in denen Traditionen aufbewahrt wurden, wenn auch manchmal sehr lebhafte Traditionen, und Traditionen, die in be­sonders veranlagten Naturen allerdings hellseherische Kräfte hervor­riefen. Aber die Großartigkeit, das Gigantische der alten Zeit war nicht da. Mit Ephesus war ausgelöscht dasjenige, was aus Asien lebendig her­übergekommen war. Nun würdigen Sie den Entschluß in der Seele Alexanders des Großen: Diesem Orient, der verloren hat dasjenige; was er einst hatte, muß es wenigstens gebracht werden in der Form,

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in der es in Griechenland im Schattenbilde sich bewahrt hat! - Damit entstand der Gedanke Alexanders des Großen, hinüberzuziehen nach Asien, so weit als nur gezogen werden konnte, um das, was der Orient verloren hatte, ihm im Schattenbilde in der griechischen Kultur wieder­um zu bringen.

Und nun sehen wir, wie mit diesem Zug Alexanders des Großen tat­sächlich in einer ganz wunderbaren Weise nicht eine Kultureroberung gemacht wird, wie man nicht versucht, irgendwie Hellenentum in einer äußeren Weise dem Orientalen zu bringen, sondern Alexander der Große nimmt überall nicht nur die Sitten des Landes an, sondern er ist überall imstande, aus dem Herzen, aus den Gemütern der Menschen heraus zu denken. Als er nach Ägypten, nach Memphis kommt, wird er als ein Befreier von all dem geistigen Sklavenzeug angesehen, das bis dahin geherrscht hat. Das Perserreich durchdringt er mit einer Kul­tur, mit einer Zivilisation, zu der die Perser niemals imstande gewesen sind. Bis nach Indien dringt er vor. Den Plan faßt er, den Ausgleich, die Harmonisierung zu bewirken zwischen hellenischer und orientali­scher Zivilisation. Überall gründet er Akademien. Die bedeutsamsten für die Nachwelt sind ja dann die Akademien, die er in Alexandria, in Nordägypten, gründete. Aber das Allerwichtigste ist, daß er überall in Asien drüben große und kleine Akademien gründet, in denen dann in der folgenden Zeit die Werke des Aristoteles, auch die Traditionen des Aristoteles gepflegt werden. Und das hat durch Jahrhunderte in Vorderasien weitergewirkt, so weitergewirkt, daß, ich möchte sagen, immerfort noch wie im schwachen Nachbilde sich das wiederholt hat, was Alexander inaugurierte. Alexander hat zunächst in einem mäch­tigen Stoß das Naturwissen drüben in Asien gepflanzt bis nach Indien hinein - durch seinen frühen Tod war er noch nicht imstande, bis nach Arabien zu kommen -, das war sein Hauptziel; bis nach Indien hinein, bis nach Ägypten hinein, überallhin verpflanzte er das, was er als Naturgeist-Wissen von Aristoteles aufgenommen hatte. Und er hat es überall so hingestellt, daß es fruchtbar werden konnte dadurch, daß die Menschen, die es aufnehmen sollten, es als ihr Eigenes empfanden, nicht als ein fremdes Hellenisches, das ihnen aufgetragen werden sollte. Es konnte tatsächlich nur eine so feuersprühende Natur wie

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Alexander der Große dies bewirken, was da bewirkt worden ist. Denn immerdar kamen Nachschübe. Viele Gelehrten der späteren Zeit gin­gen wiederum von Griechenland hinüber, und insbesondere war es eine der Akademien - außer Edessa war es die Akademie von Gondi­shapur -, welche durch Jahrhunderte hindurch immer wieder und wiederum Nachzüge aus Griechenland erfahren hat.

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Da wurde das Ungeheure vollzogen, daß dasjenige, was vom Oriente herübergekommen war (hell und rote Flammen), was in Ephesus ge­stoppt worden ist durch die Brandfackel des Herostrat (rot>, daß das von seinem Schattenbilde, das in Griechenland war, zurück beleuchtet wurde bis zum letzten Akt, als durch oströmische Tyrannei die grie­chischen Philosophenschulen geschlossen wurden im sechsten nachchrist­lichen Jahrhunderte, und die letzten der griechischen Philosophen sich hinüberflüchteten nach der Akademie von Gondishapur.

Es war dieses Ineinanderarbeiten dasjenige, was vorangegangen war, dasjenige, was zurückgeblieben war (siehe Zeichnung, grünlich, rot). Dadurch war in der Tat in dieser Mission, wenn auch mehr oder weniger unbewußt, aber es war darinnen, daß ja in einer gewissen

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Weise in Griechenland die Welle des Zivilisationslebens angekommen war auf eine luziferische Art, in Asien drüben sie zurückgeblieben war auf eine ahrimanische Art; in Ephesus war der Ausgleich. Und Alex­ander wollte, da Ephesus physisch an seinem Geburtstage zugrunde gegangen war, ein geistiges Ephesus, das seine Sonnenstrahlen über Orient und Okzident ausstrahlen sollte, begründen. In tieferem Sinne lag dem Wollen Alexanders zugrunde, ein geistiges Ephesus zu begrün­den über Vorderasien bis nach Indien hinein, über das ägyptische Afrika, über den Osten von Europa.

Man kann nicht die geschichtliche Entwickelung der abendländischen Menschheit verstehen, wenn man diesen Hintergrund nicht hat. Denn bald nachdem dies geschehen war, nachdem hier versucht worden war, das uralt-ehrwürdige Ephesus auf breitem Raum auszubreiten, wurde im Grunde genommen in Alexandrien in Ägypten, wenn auch in mat­ten Schriftzeichen, dasjenige bewahrt, was in leuchtenden weiten Lettern einmal vorhanden war in Ephesus. Und nachdem geblüht hat diese Nachblüte von Ephesus, machte sich ja geltend weiter im Westen drü­ben das Römertum, das nun eine ganz andere Welt ist, das nichts mehr zu tun hat mit den griechischen Schattenbildern, sondern das im mensch­lichen Wesen eben nur die Erinnerungen an diese alten Zeiten zurück-behält. Daher ist der wichtigste Einschnitt, der in der Geschichte stu­diert werden kann, der, als nach dem Brande von Ephesus begründet werden soll durch Alexander ein geistiges Ephesus, das dann zurück­geschoben wird von denjenigen, was sich weiter im Westen geltend macht, zuerst als Römertum, dann als Christentum und so weiter. Und man versteht die Entwickelung der Menschheit nur, wenn man sich sagt: So wie wir sind mit unserer Art, den Verstand aufzufassen, mit unserer Art, aus dem Willen heraus zu wirken, mit unserer Gemüts­stimmung, so können wir zurückschauen in das alte Rom. Da versteht man alles. Aber man kann nicht zurückschauen nach Griechenland, nicht nach dem Oriente. Da muß man in Imaginationen schauen, dazu ist geistiges Schauen notwendig.

Ja, nach Süden dürfen wir schauen auch im geschichtlichen Werden mit dem gewöhnlichen, nüchtern prosaischen Verstande, nicht aber nach dem Osten. Denn wenn wir nach dem Osten schauen, müssen wir in

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Imaginationen schauen: hinten auf dem Hintergrunde die mächtigen Mysterientempel des uralten Asiens der nachatlantischen Zeit, wo die Priesterweisen jedem ihrer Schüler seinen Zusammenhang mit dem Göttlich-Geistigen des Kosmos klarlegten, wo eine Zivilisation war, wie sie, wie ich Ihnen geschildert habe, in der Gilgamesch-Zeit aufge­nommen werden konnte. Dann müssen wir sehen, indem wir über Asien zerstreut diese wunderbaren Tempel schauen, wie im Vorder-grunde Ephesus steht, bewahrend noch vieles von dem, was schon ab­geblaßt war in den über Asien zerstreuten Tempeln, vieles von dem noch bewahrend, aber schon ins Griechentum übergegangen. Schon braucht der Mensch nicht mehr auf die Sternkonstellationen und Jah­reszeiten zu warten und auf seine eigenen Lebensalter, um die Offen­barungen der Götter zu empfangen in Ephesus, sondern schon kann er durch dasjenige, was er, wenn er reif ist, opfert, an Exerzitien macht, sich den Göttern nahen, so daß sie gnadevoll zu ihm kommen. Und nun sehen wir in einer Welt, die durch dieses Bild wiedergegeben wird, in der Heraklit-Zeit, vorbereitet die Persönlichkeiten, von denen ich Ihnen gesprochen habe, nun sehen wir 356, am Geburtstage Alexanders des Großen, die Feuerflammen auflodern aus dem Tempel von Ephe­sus. Alexander der Große wird geboren, findet seinen Lehrer Aristoteles. Und es ist, wie wenn aus diesen zum Himmel aufsteigenden Feuer-flammen von Ephesus heraus ertönen würde für diejenigen, die ver­stehen konnten: Begründet ein geistiges Ephesus, wo in den Weiten das alte physische Ephesus wie sein Mittelpunkt, wie sein Zentrum in der Erinnerung dastehen kann.

Und so sehen wir dieses Bild des alten Asiens mit seinen Mysterien-stätten, im Vordergrunde Ephesus, brennend, seine Schüler, und gleich­zeitig fast, in etwas späterer Zeit, die Alexanderzüge, die das, was Griechenland im Fortschritte der Menschheit geben konnte, hinüber-trugen, so daß im Bilde nach Asien kam, was Asien an Realität ver­loren hatte.

Und indem wir da hinüberschauen, unsere Imagination beflügelt sein lassen von dem, was sich da als Ungeheures ergibt, sehen wir zurück auf den wahrhaften alten Abschnitt der Geschichte, den man imagina­tiv fassen muß. Und dann sehen wir erst im Vordergrunde sich erheben

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die römische Welt, die Welt des Mittelalters, die Welt, die bis zu uns herein geht. Und alle anderen Einteilungen - Altertum, Mittelalter und Neuzeit, oder wie sonst die Gliederungen heißen -, die rufen im Grunde genommen nur falsche Vorstellungen hervor. Dieses Bild allein, das ich jetzt vor Sie hingestellt habe, kann Ihnen, wenn Sie es tiefer und immer tiefer verfolgen, einen wirklichen Einblick geben auch in die Geheimnisse, die sich bis zum heutigen Tage in dem Werden der europäischen Geschichte ergeben haben. Davon dann morgen weiter.

SECHSTER VORTRAG Dornach, 29. Dezember 1923

#G233-1962-SE094 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

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SECHSTER VORTRAG

Dornach, 29. Dezember 1923

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Die Zeit drei bis vier Jahrhunderte vor dem Mysterium von Golgatha, drei bis vier Jahrhunderte nachher, was einen Zeitraum von sedis bis acht Jahrhunderten gibt, diese Zeit ist für das Verständnis der Ge-schichte des Abendlandes in ihrem Anschlusse an das Morgenland ganz besonders wichtig. Das Wesentliche der Ereignisse> von denen ich in den vergangenen Tagen gesprochen habe, und die da gipfelten im Auf­treten des Aristotelismus und in den Alexanderzügen von Makedonien nach Asien hinüber, das Wesentliche dieser Ereignisse ist, daß sie eine Art von Abschluß bilden für jene Zivilisation des Orients, die noch ganz und gar getaucht war in die Impulse des Mysterienwesens.

Der letzte Abschluß sozusagen dieser noch echten, reinen Mysterien-Impulse des Orienst war ja der frevlerische Brand von Ephesus. Und wir haben es dann zu tun mit demjenigen, was sozusagen für Europa, für Griechenland, dann übrig bleibt an Mysterientradition, an Schat­tenbildern, möchte ich sagen, der alten gottdurchdrungenen Zivilisa­tion. Und vier Jahrhunderte nach dem Mysterium von Golgatha können wir sozusagen sehen durch ein anderes Ereignis, was noch vor­handen war von den Trümmern des Mysterienwesens. Wir können es sehen an Julianus Apostata. Julianus Apostata, der römische Kaiser, wird im vierten Jahrhunderte in dasjenige eingeweiht, in das man eben eingeweiht werden konnte, von einem der letzten Hierophanten der Eleusinischen Mysterien. Das heißt, Julianus Apostata erfuhr eben so viel von dem, was die älteren Göttergeheimnisse des Orienst waren, als im vierten nachchristlichen Jahrhunderte in den Eleusinien noch zu erfahren war. Damit haben wir den andern Punkt eines gewissen Zeit­alters, an dessen Ausgangspunkt wir den Brand von Ephesus sehen. An dem Tage des Brandes von Ephesus ist der Geburtstag Alexanders des Großen. Wir haben am Ende dieser Epoche stehend, 363, den Todestag, den gewaltsamen Tod Julianus Apostatas drüben in Asien. Man möchte sagen: Mitten drinnen in diesem Zeitraume steht das Mysterium von Golgatha. Und nun sehen wir uns einmal an, wie sich

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dieser Zeitraum, den ich eben begrenzt habe, eigentlich ausnimmt in der ganzen Entwickelungsgeschichte der Menschheit. Wir haben ja jetzt die merkwürdige Tatsache vor uns liegen, daß, wenn wir zurück­schauen wollen jenseits dieses Zeitraumes in die Entwickelung der Menschheit hinein, wir etwas tun müssen in unserem Anschauen, das sehr ähnlich ist einem anderen. Nur bringen wir die beiden Dinge oft­maIs nicht zusammen.

Erinnern Sie sich, wie ich genötigt war, darzustellen in meiner «Theo­sophie» die Welten, die für uns in Betracht kommen: die physische Welt, daran grenzend eine Übergangswelt, die Seelenwelt, und dann als die Welt, in die nur Eintritt gewinnen kann der höchste Teil des Menschen, das Geisterland. Und wenn man absieht von den besondern Eigentümlichkeiten dieses Geisterlandes, das gegenwärtig der Mensch durdimacht zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, wenn man so auf die allgemeinen Eigentümlichkeiten dieses Geisterlandes sieht, dann ist es so, daß wir in ganz ähnlicher Weise, wie wir umorientieren müs­sen unsere Seelenverfassung, um dieses Geisterland zu begreifen, um-orientieren müssen unsere Seelenverfassung, um dasjenige zu begreifen, was jenseits dieses Zeitpunktes liegt. Mit den Begriffen und Vorstellun­gen, die auf die heutige Welt anwendbar sind, sollen wir nur ja nicht glauben, dasjenige verstehen zu können, was hinter dem Brande von Ephesus liegt. Da muß man andere Ideen und Begriffe ausbilden, die einem eben gestatten, hinzuschauen auf Menschen, die noch wußten, daß sie, so wie der Mensch im Atmungsprozesse mit der äußeren Luft, so durch seine Seele fortdauernd mit den Göttern zusammenhängt.

Und nun, sehen wir uns an diese Welt, die gewissermaßen ein irdi­sches Devachan, ein irdisches Geisterland ist, denn die physische Welt nutzt nichts für diese Welt. Dann haben wir jene Zwischenzeit von meinetwillen 356 vor Christus bis 363 nach Christus. Und was liegt nun jenseits davon? Jenseits davon, gegen Asien hin, jenseits gegen Europa zu liegt die Welt, aus der die gegenwärtige Menschheit eben im Be­griffe ist herauszukommen, so wie die alte Menschheit aus der orien-talischen Welt über die griechische ins Römerreich hineingekommen ist (siehe Zeichnung). Denn dasjenige, was durch die Jahrhunderte des Mittelalters bis in unsere Zeiten herein sich als Zivilisation entwickelt

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hat, das ist eine Zivilisation, welche sich gebildet, entfaltet hat abge­sehen von dem eigentlichen Innern des Mysterienwesens, welche sich entwickelt hat auf der Grundlage dessen, was der Mensch mit seinen Begriffen und Vorstellungen ausbilden kann. In Griechenland hatte es sich schon vorbereitet seit Herodot, der in äußerlicher Weise die Tat­sachen der Geschichte beschrieben hat und nicht mehr an das Geistige oder wenigstens nur höchst mangelhaft an das Geistige herangetreten ist. Dann bildet sich das immer mehr und mehr aus. Aber in Griechen-land bleibt immer noch etwas von dem Hauche jener Schattenbilder, die an das geistige Leben erinnern sollten. In Rom dagegen beginnt jenes Zeitalter, dem die Menschheit der Gegenwart noch verwandt ist, jenes Zeitalter, das in einer ganz anderen Weise eine Seelenverfassung hat, als selbst diejenige Griechenlands noch war. Nur solch eine Per­sönlichkeit wie Julianus Apostata empfindet etwas wie eine unbesieg­liche Sehnsucht nach der alten Welt, und er läßt sich mit einer gewissen Ehrlichkeit in die Eleusischen Mysterien einweihen. Aber es hat keine Erkenntniskraft mehr, was er da bekommt. Und vor allen Dingen, er entstammt einer Welt, die mit dem Inneren der Seele nicht mehr er­greifen kann, was da an Traditionen aus dem Mysterienwesen des Orients vorhanden war.

Die heutige Menschheit wäre nimmermehr entstanden, wenn eben nicht auf Asien Griechenland, Rom gefolgt wäre. Die heutige Menschheit

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ist jene Menschheit, die auf Persönlichkeit, auf die individuelle Persönlichkeit des Einzelnen gebaut ist. Die orientalische Persönlich­keit, die orientalische Menschheit war nicht auf die individuelle Per­sönlichkeit des Einzelnen gebaut. Der Einzelne fühlte sich als ein Glied des fortlaufenden göttlichen Prozesses. Die Götter hatten ihre Absich­ten mit der Erdenentwickelung, die Götter wollten dies oder jenes; daher geschah dies oder jenes hier unten auf der Erde. Im Willen der Menschen wirkten inspirierend die Götter. Alles dasjenige, was die machtvollen Persönlichkeiten, auf die ich Ihnen Ilingedeutet habe, im Orient getan haben, war Götter-Inspiration. Die Götter wollten und die Menschen taten. Und die Mysterien waren geradezu da in den älteren Zeiten, dieses Götterwollen und Menschentum in die richtigen Geleise zu bringen.

Erst in Ephesus war das anders geworden. Da waren, wie ich Ihnen sagte, die Mysterienschüler auf ihre eigene Reife, nicht mehr aufjahres­zeitenlauf angewiesen. Da war zuerst die erste Spur von Persönlichkeit aufgetreten. Da hatten auch Aristoteles und Alexander der Große in früheren Inkarnationen den Impuls der Persönlichkeit empfangen. Aber nun kam die Zeit, die ihre Morgendämmerung da hat, wo Julia­nus Apostata die letzte Sehnsucht bekommt, ein Mensch des Mysterien-wesens des Orients zu sein. Nun kommt die Zeit, in der es in der menschlichen Seele ganz anders wird, als es selbst in Griechenland war.

Stellen Sie sich noch solch einen Menschen vor, der in den Ephesi­schen Mysterien etwa seine Schulung erlangt hat. Nicht durch die Ephe­sischen Mysterien, sondern dadurch, daß er in jener Zeit lebte, war es so in seiner Seele. Sehen Sie, wenn heute ein Mensch sich besinnt, wie man sagt, auf was kann er sich besinnen? Er kann sich besinnen auf irgend etwas, was er persönlich seit seiner Geburt erlebt hat. Da ist ein Mensch von einem bestimmten Alter; er besinnt sich auf dasjenige, was er vor zwanzig, dreißig Jahren erlebt hat. Die innere Gedankenbesin­nung führt nicht weiter als in das persönliche Leben. So war es nicht bei den Menschen, die zum Beispiel noch die ephesische Zivilisation mitmachten. Wenn diese nur eine Spur jener Schulung hatten, die in Ephesus zu erlangen war, dann kam es, indem sie sich besannen, daß auftauchten in ihrer Seele, wie heute die Erinnerungen an das persönliche

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Leben auftauchen, die Ereignisse des vorirdischen Daseins und auch die Ereignisse, die der Erdenentwickelung in den einzelnen Rei­chen der Natur vorangegangen sind: Mondenentwickelung, Sonnen-entwickelung. Da konnte man in sich hineinschauen, und man schaute Kosmisches, Verbindung des Menschen mit Kosmischem, gleichsam das Hängen des Menschen an dem Kosmischen. Das, was in der mensch­lichen Seele lebte, war Selbsterinnerung.

Wir können also sagen: Wir haben da ein Zeitalter, jenes Zeitalter, in dem man in Ephesus erleben konnte die Weltgeheimnisse. Da war ein Erinnern der Menschenseele an die Vorzeit im Kosmos. Diesem Er­innern ging voran ein wirkliches Drinnenleben in der Vorzeit. Es blieb davon einfach ein Hineinschauen in die Vorzeit. In der Zeit, von der das Gilgamesch-Epos erzählt, da können wir nicht sagen: Erinnerung der Menschenseele an die Vorzeit im Kosmos; da müssen wir sagen: ein Erleben der Vorzeit in der Gegenwart. - Nun kommt jener Zeitraum von Alexander bis Julianus Apostata. Wir wollen ihn zunächst aus­lassen. Und dann kommen wir zu dem Zeitalter, aus dem die abend­ländische Zivilisation des Mittelalters und der Neuzeit herausgewach-sen ist. Da gab es nicht mehr ein Erinnern der Menschenseele an die Vorzeit im Kosmos, nicht mehr ein Erleben der Vorzeit in der Gegen­wart, sondern da gab es nur noch Tradition.

1. Erleben der Vorzeit in der Gegenwart

2. Erinnern der Menschenseele an die Vorzeit im Kosmos

3. Tradition

Man konnte dasjenige aufschreiben, was geschehen ist. Geschichte entstand. Diese Geschichte beginnt mit dem römischen Zeitalter. Den­ken Sie sich den gewaltigen Unterschied! Denken Sie sich die Zeit, die mitgemacht wurde von den älteren ephesischen Schülern. Die brauch­ten keine Geschichtsbücher. Aufschreiben dasjenige, was geschehen ist, wäre ihnen lächerlich erschienen. Denn man mußte nachdenken, ge­nügend tief nachdenken, dann kam herauf aus dem Untergrunde des Bewußtseins dasjenige, was geschehen ist. Und kein moderner Medikus war da, der das als Psychoanalyse darstellte, sondern es war gerade das Entzücken der Menschenseele, in dieser Weise heraufzuholen aus einem lebendigen Erinnern dasjenige, was einstmals da war.

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Dann kam die Zeit, in der die Menschheit als solche vergessen hatte und notdürftig aufschreiben mußte dasjenige, was geschehen ist. Aber während die Menschheit das verkümmern lassen mußte, was früher in der Menschenseele kosmische Erinnerungskraft war, während die Menschheit stümperhaft anfangen mußte aufzuschreiben die Welt-ereignisse, Geschichte zu schreiben und so weiter, während der Zeit entwickelte sich im menschlichen Inneren das persönliche Gedächtnis, die persönliche Erinnerung. Jedes Zeitalter hat seine besondere Mis­sion, seine besondere Aufgabe. Sie haben hier die andere Seite des­jenigen, was ich schon in den allerersten Vorträgen so dargelegt habe, daß das Zeitengedächtnis auftrat. Dieses Zeitengedächtnis hatte seine erste Wiege in Griechenland, entwickelte sich aber dann eben durch die römisch-romanische Kultur in das Mittelalter herein bis in die Neu­zeit herauf. Und daß zur Zeit des Julianus Apostata schon durchaus die Keime gelegt waren zu dieser Persönlichkeitskultur, dafür ist eben ein Beweis, daß es Julianus Apostata im Grunde genommen nichts mehr genützt hat, daß er sich in die Eleusinischen Mysterien einweihen ließ.

Nun kommt also die Zeit, in der der Mensch im Abendlande vom dritten, vierten nachchristlichen Jahrhundert an bis in unsere Zeit her­ein während seines Erdenlebens ganz außerhalb der geistigen Welt lebt, die Zeit, in der er in bloßen Begriffen und Ideen, in Abstraktionen lebt. In Rom werden selbst die Götter zu Abstraktionen. Es kommt die Zeit, in der die Menschheit nichts mehr weiß von dem lebendigen Zusam­menleben mit der geistigen Welt. Die Erde ist nicht mehr Asia, das unterste Gebiet der Himmel, die Erde ist eine Welt für sich, und die Himmel sind ferne, sind abgedämpft im menschlichen Anschauen. So daß man sagen kann: Die Persönlichkeit entwickelt der Mensch unter dem Einflusse desjenigen, was als römische Kultur über das Abendland gekommen ist.

Geradeso wie an die Geisteswelt, das Geisterland, das oben ist, unten eine Seelenwelt angrenzt, so grenzt nun auch der Zeit nach das­jenige an diese geistige orientalische Welt an, was die Zivilisation des Abendlandes ist: eine Art Seelenwelt. Und diese Seelenwelt zeigt sich eigentlich direkt bis in unsere Tage herein. Aber die Menschheit merkt heute in ihren meisten Exemplaren noch nicht, daß tatsächlich ein

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mächtiger Umschwung im Gange ist. Einzelne der Freunde, die mich öfter hören, werden wissen, daß ich nicht gern davon spreche, daß ein Zeitalter ein Übergangszeitalter ist, denn es ist eben jedes Zeitalter ein Übergangszeitalter, nämlich vom Früheren zum Späteren. Es kommt nur darauf an, von was zu was der Übergang stattfindet. Aber gerade mit dem, was ich Ihnen gesagt habe, ist hingedeutet darauf, daß dieser Übergang so ist, wie wenn man vom Geisterland in die Seelenwelt und von da erst in die physische Welt kommt. Oh, es gab noch immer in der Zivilisation, die bisher sich entwickelt hat, gewisse geistige Anklänge! Selbst im Materialismus verrieten sich gewisse geistige An­klänge. Der eigentliche Materialismus auf allen Gebieten, er ist erst seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts da, und er wird noch von den wenigsten Menschen in seiner ganzen Bedeutung verstanden. Aber er ist da mit einer riesigen Kraft, und es ist heute eine Übergangs-zeit zu einer dritten Welt, die wirklich von der vorhergehenden so verschieden ist, wie diese vorhergehende römische von der orientali­schen verschieden ist.

Nun, ich möchte sagen, es ist gewissermaßen ein Zeitraum ausgespart worden zwischen Alexander und Julianus, und in die Mitte dieses Zeitraumes hinein fällt das Mysterium von Golgatha. Dieses Myste­rium von Golgatha wird von der Menschheit nicht mehr so empfangen wie zur Zeit, da die Menschen die Mysterien begriffen haben, sonst würde man ja ganz andere Vorstellungen von dem Christus gehabt haben, der in dem Menschen Jesus von Nazareth gelebt hat. Aber nur wenige Menschen, die in die Mysterien eingeweihten Zeitgenossen des Mysteriums von Golgatha, hatten noch solche Vorstellungen. Die weit­aus größte Zahl der abendländischen Menschheit hatte keine Vorstel­lungen, um spirituell das Mysterium von Golgatha zu begreifen. Daher war die erste Art, wie das Mysterium von Golgatha auf Erden Platz gegriffen hat, die durch äußere Tradition, durch die äußere Überlie-ferung. Nur in Eingeweihtenkreisen in den allerersten Jahrhunderten war es so, daß man auch spirituell begreifen konnte, was mit dem Mysterium von Golgatha geschehen war.

Aber etwas anderes war noch da, wovon ich schon zu einigen von Ihnen in kurz vorangegangenen Vorträgen gesprochen habe. Drüben

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in Hybernia, in Irland, waren die Nadiklänge der alten atlantischen Weisheit. In den Mysterien von Hybernia, die ich Ihnen vorgestern skizziert habe, waren für den Schüler in den zwei suggestiven Gestal­ten die Möglichkeiten vorhanden, scharf so die Welt zu sehen, wie sie die alten Atlantier gesehen haben. Und streng in sich abgeschlossen, in eine Atmosphäre von ungeheurem Ernst gehüllt, waren diese My­sterien von Hybernia. Sie waren da in den Jahrhunderten vor dem Mysterium von Golgatha, sie waren auch da zur Zeit des Mysteriums von Golgatha. Drüben in Asien ging vor sich das Mysterium von Gol­gatha, in Jerusalem spielte sich dasjenige ab, was dann traditionell historisch mitgeteilt wird in den Evangelien. Aber ohne daß irgend­ein menschlicher Mund eine Nachricht überbracht hätte, ohne daß irgendeine andere Verbindung dagewesen wäre, wußte man hellsichtig in den Mysterien von Hybernia in dem Momente, als das Mysterium von Golgatha sich tragisch vollzog, daß in Palästina das reale Myste­rium von Golgatha vor sich ging. In den Mysterienstätten von Hyber­nia vollzog sich das symbolische Bild gleichzeitig. Man lernte dort nicht durch Tradition, man lernte dort kennen das Mysterium von Golgatha auf spirituelle Art. Und während sich das großartigste, majestätischeste Ereignis in Palästina in äußerer physischer Tatsächlichkeit zugetragen hat, hatten sich in den Mysterien von Hybernia jene Kulthandlungen vollzogen, durch die dort im Astrallichte ein lebendes Bild des Myste-riums von Golgatha da war.

Sie sehen, wie die Dinge verkettet sind, wie tatsächlich, ich möchte sagen, eine Art Wellentales da ist, in dem der alte Zusammenhang mit den Göttern schwindet.

Im Morgenlande korrumpiert sich diese alte Götteranschauung nach dem Brande von Ephesus. In Hybernia ist sie vorhanden, bleibt sie vorhanden, bis sie, aber da erst in der nachchristlichen Zeit, auch da verschwindet. Und es entwickelt sich alles dasjenige, was vom Myste­rium von Golgatha ausstrahlt, durch Tradition, durch mündliche Über-lieferung. Es entwickelt sich überhaupt im Abendlande eine Zivilisa­tion, die nur auf mündliche Überlieferung rechnet, oder aber später auf eine äußere Naturforschung, auf eine rein sinnliche Naturforschung, was ja auf dem Gebiete der Natur entspricht der bloßen Überlieferung,

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der schriftlichen oder mündlichen Überlieferung auf geschichtlichem Gebiete.

So daß man sagen kann: Hier ist die Zivilisation der Persönlichkeit. Das Spiritualistische, das Mysterium von Golgatha wird noch historisch überliefert, nicht mehr geschaut (siehe Zeichnung, Seite 104). Man stelle sich das nur lebhaft vor, stelle sich vor, wie in der Zeit nach Julianus Apostata sich da eine Kultur mit Ausschluß des Spirituellen ausbreitet. Erst am Ende des neunzehnten Jahrhunderts, vom Ende der siebziger Jahre an, kam sozusagen ein neuer Ruf aus geistigen Höhen an die Menschheit heran. Es begann jenes Zeitalter, das ich oftmals als das Michael-Zeitalter charakterisiert habe. Heute will ich es von dem Ge­sichtspunkte aus charakterisieren, daß ich sage: Es kam jenes Zeitalter, wo der Mensch, wenn er bleiben will beim alten Materialismus - und ein großer Teil der Menschheit will zunächst dabei bleiben -, dann aber in furchtbare Abgründe hineinkommen wird. Es wird der Mensch, wenn er zunächst bleibt beim alten Materialismus, unbedingt ins Unter-menschliche hinunterkommen. Er kann sich nicht auf der menschlichen Höhe erhalten. Um sich aber auf der menschlichen Höhe zu erhalten, muß der Mensch seine Sinne eröffnen - das ist unbedingte Notwendig­keit vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts ab - den spirituellen Offenbarungen, die seither wiederum zu haben sind.

Es waren gewisse geistige Mächte am Werke, die in der Persönlich­keit des Herostrat, ich möchte sagen, nur ihren äußeren Ausdruck gefunden haben. Herostrat war sozusagen der letzte Degen, den vor-streckten gewisse geistige Mächte von Asien. Und als Herostrat die Brandfackel in den Tempel von Ephesus hineinschleuderte, waren hinter ihm, gewissermaßen ihn nur haltend als das Schwert oder als die Fort­setzung der Brandfackel, dämonische Wesenheiten, welche im Grunde genommen vorhatten, kein Spirituelles hinüberzulassen in diese euro­päische Zivilisation.

Dem, sehen Sie, widersetzten sich Aristoteles und Alexander der Große. Denn was geschah denn nun eigentlich? Durch die Alexander-züge wurde nach Asien hinübergetragen dasjenige, was Naturwissen des Aristoteles war, und überall breitete sich aus dieses Naturwissen. Alexander hatte überall drüben in Asien, nicht nur in Alexandria in

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Aigypten, Akademien gegründet, in denen er die alte Weisheit fest­setzte, so daß diese alte Weisheit da war und lange Zeit gepflegt wurde. Immerzu konnten die griechischen Weisen kommen und fanden dort ihre Zufluchtsstätte. Naturwissen wurde durch Alexander nach Asien getragen.

Europa konnte dieses tiefere Naturwissen zunächst in aller Ehrlich­keit nicht vertragen. Es wollte nur äußeres Wissen, äußere Kultur, äußere Zivilisation. Daher nahm von dem, was im Aristotelismus war, sein Schüler Theophrast dasjenige, was man dem Abendlande über­geben konnte. Aber in dem steckte noch immer außerordentlich viel. Die mehr logischen Schriften des Aristoteles bekam das Abendland. Aber das ist nun eben das Eigentümliche des Aristoteles, daß er sich doch anders liest, selbst da, wo er abstrakt und logisch ist, als andere Schriftsteller. Man versuche es nur einmal mit innerer, spiritueller, auf Meditation gegründeter Erfahrung, den Unterschied herauszufinden zwischen dem Lesen des Plato und dem Lesen des Aristoteles. Wenn ein moderner Mensch mit einer wirklichen, richtigen geistigen Empfin­dung auf Grundlage einer gewissen Meditation Plato liest, dann fühlt er nach einiger Zeit so, wie wenn sein Kopf etwas höher als der phy­sische Kopf wäre, wie wenn er etwas herausgekommen wäre aus sei­nem physischen Organismus. Es ist das unbedingt der Fall bei dem­jenigen, der nicht nur ganz trocken Plato liest.

Bei Aristoteles ist das anders. Bei Aristoteles wird man niemals die Empfindung gewinnen können, daß man durch die Lektüre außer dem Körper kommt. Aber wenn man den Aristoteles auf Grundlage einer gewissen meditativen Vorbereitung liest, dann wird man das Gefühl haben: er arbeitet gerade in dem physischen Menschen. Der physische Mensch kommt gerade durch Aristoteles vorwärts. Es arbeitet. Es ist nicht eine Logik, die man bloß betrachtet, sondern es ist eine Logik, die innerlich arbeitet. Aristoteles ist doch noch um ein Stück höher als alle die Pedanten, die hinterher gekommen sind und Logik aus dem Aristoteles gebildet haben. Aristoteles' logische Werke sind in einer gewissen Beziehung nur dann richtig aufgefaßt, wenn sie als Medita­tionsbücher aufgefaßt werden. So daß ein Merkwürdiges vorliegt. Denken Sie sich einmal: Wenn auf das Abendland einfach übergegangen

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wären von Makedonien nach dem Westen, nach Mitteleuropa und Südeuropa, die naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles, sie würden in einer Weise aufgenommen worden sein, die unheilvoll ge­wesen wäre. Gewiß, die Menschen hätten manches aufgenommen, aber es wäre unheilvoll geworden. Denn dasjenige, was naturwissenschaft­lich - ich habe eine Probe davon gegeben - Aristoteles dem Alexander zu überliefern hatte, das mußte aufgefaßt werden mit Seelen, die doch noch berührt worden waren von dem Wesen der ephesischen Zeit, der vor dem Brande von Ephesus liegenden Zeit. Die konnte man nur drüben in Asien finden oder im ägyptischen Afrika. So daß durch die Alexanderzüge hinübergegangen war nach Asien die Naturwesenheits­Erkenntnis und -Einsicht (rot, orange), und in abgeschwächter Gestalt kam sie später durch alle möglichen Züge über Spanien herüber nach Europa, aber in einem sehr durchgesiebten, abgeschwächten Zustande (gelb, siehe Zeichnung Seite 108).

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Dasjenige aber, was direkt herübergekommen war, das waren die logischen Schriften des Aristoteles, war das Denkerische des Aristoteles. Und das lebte fort, lebte fort in der mittelalterlichen Scholastik.

Ja, und jetzt haben wir diese zwei Strömungen. Immer haben wir

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auf dem Grunde der mitteleuropäischen Einsichten dasjenige, was, ich möchte sagen, unansehnlich in weiten Kreisen von sogar etwas primi­tiven Menschen sich weiter fortpflanzt. Sehen Sie nur einmal, wie die Saat, die Alexander einstmals nach Asien hinübergetragen hat, die auf allen möglichen Wegen erst über Arabien und so weiter, dann aber auch auf dem Landwege durch die Kreuzfahrer nach Europa gekom­men war, wie das überall lebt, aber unansehnlich, an verborgenen Stätten. Dahin kommen Leute wie Jakob Böhme, wie Paracelsus, wie zahlreiche andere, die das aufnehmen, was auf solchen Umwegen in die breiten primitiven Kreise Europas gekommen ist. Wir haben eine volkstümliche Weisheit hier übermittelt, viel mehr, als man gewöhnlich glaubt. Die lebt. Und sie rinnt manchmal in solche Reservoirs wie Valentin Weigel, wie Paracelsus, wie Jakob Böhme, wie viele andere, deren Namen viel weniger genannt werden; reichlich hingedrängt auf dasjenige, was da in Europa spät erst angekommener Aristotelismus war oder ist, lebt es in Basilius Valentinus und so weiter. In Klöstern lebte eine wirkliche alchemistische Weisheit, die aber nicht bloß auf-klärte über einige Verwandlungen der Stoffe, die aufklärte über innerste Eigentümlichkeiten der menschlichenVerwandlungen selber imWelten­all. Und die anerkannten Gelehrten beschäftigen sich mit einem aller­dings entstellten, durchgesiebten, verlogisierten Aristoteles; aber dieser Aristoteles, mit dem sich die Scholastik und später die Wissenschaft beschäftigen als Philosophie, dieser Aristoteles wird doch dem Abend-lande zum Segen. Denn erst im neunzehnten Jahrhundert, als man nichts mehr versteht von Aristoteles, als man den Aristoteles nur noch studiert, als ob man ihn lesen sollte, als ob man nicht ihn üben sollte, als ob er nicht ein Meditationsbuch wäre, erst im neunzehnten Jahr­hundert kommt es dahin, daß die Menschen nichts mehr haben von Aristoteles, weil er nicht mehr in ihnen wirkt und lebt, sondern weil sie ihn bloß noch studieren, weil er nicht ein Übungsbuch ist, sondern ein Studienobjekt. Bis ins neunzehnte Jahrhundert herein war er ein Übungsbuch. Aber sehen Sie, im neunzehnten Jahrhundert geht ja alles so, daß dasjenige, was früher Übung war, was Können war, nun sich umwandelt in abstraktes Wissen.

In Griechenland - nehmen wir diese andere Linie, durch die sich die

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Sache auch charakterisiert -, in Griechenland hat man Vertrauen dazu, daß aus dem ganzen Menschen heraus noch das kommt, was der Mensch als Einsicht hat. Der Lehrer ist der Gymnast. Aus dem ganzen Menschen in seiner körperlichen Bewegung, in der die Götter wirken, kommt das zustande, was dann gewissermaßen heraufkommt und zu menschlicher Einsicht wird. Der Gymnast ist der Lehrer. In Rom tritt später an die Stelle des Gymnasten der Rhetor. Da ist schon etwas abstrahiert vom ganzen Menschen, aber es ist wenigstens noch etwas da, was zusammenhängt mit einem Tun des Menschen in einem Teil des Organismus. Was wird alles bewegt, wenn wir reden! Wie lebt das Reden in unserem Herzen, in unserer Lunge, bis in unser Zwerch-fell und weiter hinunter! Es lebt nicht mehr so intensiv im ganzen Menschen, wie dasjenige, was der Gymnast getrieben hat, aber es lebt immerhin in einem großen Teil des Menschen. Und die Gedanken sind dann nur ein Extrakt aus dem, was im Reden lebt. Der Rhetor tritt an die Stelle des Gymnasten. Der Gymnast hat es mit dem ganzen Menschen zu tun. Der Rhetor hat es nur noch zu tun mit dem, was gewissermaßen die Gliedmaßen schon ausschließt und also aus einem Teil des Menschen herauf in den Kopf dasjenige schickt, was Einsicht ist. Und die dritte Stufe, die kommt erst in der Neuzeit herauf: das ist der Doktor, der nichts mehr abrichtet als den Kopf, der nur mehr auf die Gedanken sieht. Es ist ja so geworden, daß sozusagen noch im neunzehnten Jahrhundert an einzelnen Hochschulen Professoren der Eloquenz ernannt worden sind, aber sie haben diese Professur nicht mehr ausüben können, weil es nicht mehr üblich war, etwas zu geben auf das Reden, weil alles nur noch denken wollte. Die Rhetoren star­ben aus. Diejenigen, die nur noch das Geringste am Menschen ver-traten, die Doktoren, die nur noch den Kopf vertraten, die wurden die Führer der Bildung.

Und so war es wirklich, als der echte Aristoteles lebte, Übung, Askesis, Exerzitium, was aus dem Aristoteles folgte. Und diese zwei Strömungen verblieben sogar. Derjenige, der nicht ganz jung ist und der bewußt mitgemacht hat, was sich abspielte bis in die letzten Jahr­zehnte des neunzehnten Jahrhunderts, der weiß schon, wenn er so etwas herumgekommen ist in der Art, wie etwa der Paracelsus unter

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dem Landvolke herumgegangen ist, der weiß schon, daß schließlich die letzten Überreste mittelalterlichen Volkswissens, aus denen Jakob Böhme, aus denen Paracelsus geschöpft hat, da waren bis in die sieb­ziger, achtziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts hinein. Und schließlich, auch das ist wahr: Namentlich innerhalb gewisser Orden und im Leben gewisser enger Kreise hat sich ein gewisser Aristotelismus der Praxis, der inneren Seelenpraxis auch noch erhalten bis in die letz­ten Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts herein. Und man darf schon sagen: Man konnte noch kennenlernen auf der einen Seite die letzten Ausläufer desjenigen, was von Alexander vom Aristotelismus hinüber nach Asien getragen worden war, was auf der anderen Seite durch Vorderasien, Afrika, über Spanien herübergekommen ist und dann in solchen Leuten wie Basilius Valentinus und in Späteren auf-lebte als volkstümliche Weisheit, aus der ja auch Jakob Böhme, Para-celsus und zahlreiche andere geschöpft haben. Es ist auf anderem Wege auch wiederum zurückgekommen durch die Kreuzfahrer. Aber es war da in den breiten Massen des Volkes, und man konnte es noch finden. Man konnte noch in den letzten Jahrzehnten des neunzehnten Jahr­hunderts sagen: Gott sei Dank, daß da noch, wenn auch kaum erkenn­bar, wenn auch korrumpiert, die letzten Ausläufer desjenigen lebten, was als alte Naturwissenschaft durch die Alexanderzüge nach Asien hinübergetragen worden ist. Was da noch von alter Alchemie, von alter Erkenntnis und den Zusammenhängen der Natursubstanzen und Na­turkräfte auf ganz merkwürdige Weise im primitiven Volkstume lebte, das waren die letzten Nachklänge. Heute sind sie erstorben, heute sind sie nicht mehr da, sind nicht mehr zu finden, ist in ihnen nichts mehr zu erkennen.

Ebenso war da bei gewissen einzelnen Leuten, die man kennen­lernen konnte, aristotelische Geistesschulung. Heute ist sie nicht mehr da. Es war bewahrt dasjenige, was dazumal nach dem Osten hinüber-getragen war (rot), und dasjenige, was auf dem Umwege von Aristo­teles' Schüler Theophrastus nach dem Westen hinübergetragen war (blau). Dasjenige aber, was nach dem Osten hinübergetragen war, das war wiederum zurückgekommen. Und man kann sagen: In den sieb­ziger, achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts konnte angeknüpft

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werden mit neuem, unmittelbarem spirituellem Erkennen an dasjenige, was in den letzten Ausläufern anknüpfte an jene Ereignisse, die ich Ihnen geschildert habe. Das ist ein wunderbarer Zusammen­hang, denn man sieht daraus, daß die Alexanderzüge und der Aristote­lismus da waren, um den Faden mit dem alten Spirituellen aufrecht zu erhalten, um Einschläge zu haben in dasjenige, was materielle Kultur werden sollte, Einschläge zu haben, die gerade reichen, bis neue spiri­tuelle Offenbarungen kommen sollen.

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Sehen Sie, unter solchen Gesichtspunkten nimmt es sich ja wirklich so aus, und es ist dies wahr, daß scheinbare Unfruchtbarkeiten sich gerade als außerordentlich bedeutungsvoll im geschichtlichen Werden der Menschheit erweisen. Man kann leicht davon sprechen, daß die ganze Alexander-Expedition nach Asien und Ägypten hinüber dennoch verflutet wäre. Sie ist nicht verflutet. Man kann sagen, daß der Aristo­telismus im neunzehnten Jahrhundert aufgehört hat. Er hat nicht auf­gehört. Beide Strömungen haben gereicht bis dahin, wo es möglich ist, ein neues spirituelles Leben zu beginnen.

Ich habe Ihnen ja an verschiedenen Orten öfter gesagt, daß dieses neue spirituelle Leben gerade am Ende der siebziger Jahre des neunzehnten

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Jahrhunderts begonnen werden konnte in den ersten Andeu­tungen, und dann mit dem Ende des Jahrhunderts immer mehr und mehr. Heute haben wir die Aufgabe, den vollen Strom des geistigen Lebens, der, ich möchte sagen, von den Höhen zu uns kommt, aufzu­fangen. Und so stehen wir heute drinnen in einem wirklichen Übergang der geistigen Menschheitsentfaltung. Und werden wir uns nicht bewußt dieser merkwürdigen Zusammenhänge und dieser Anknüpfung an Früheres, dann schlafen wir eigentlich gegenüber den wichtigsten Er­eignissen, die sich um uns herum im geistigen Leben abspielen. Und wieviel wird eigentlich heute wirklich geschlafen gegenüber den aller-wesentlichsten Ereignissen! Anthroposophie sollte aber da sein, um den Menschen zu erwecken.

Und ich glaube, für alle diejenigen, die jetzt hier bei dieser Weih­nachtstagung versammelt sind, gibt es einen Impuls einer möglichen Er­weckung. Sehen Sie, wir stehen ja unmittelbar vor dem Tage und wer­den uns in dieser Tagung eben bis zu dem Jähren dieses traurigen Er­eignisses hindurdifinden müssen, wir stehen vor jenem Tage, da die furchtbaren Feuergarben aufloderten, die das Goetheanum verzehrten. Und mag nun die Welt denken wie sie will über dieses Feuer-Verzehren des Goetheanum, in der Entwickelung der anthroposophischen Bewe­gung bedeutet dieser Brand etwas Ungeheures. Aber man beurteilt ihn doch nicht in seiner vollen Tiefe, wenn man nicht hinschaut auf der einen Seite, wie diese physischen Feuerflammen dazumal aufschlugen, als in merkwürdiger Art - ich werde davon noch sprechen in den näch­sten Tagen - von den Orgelpfeifen, von anderem Metallischem das sengende Metallische in die Flammen hineinloderte, so daß diese merk­würdigen Färbungen der Flammen entstanden. Dann mußte man die Erinnerung mit hinübernehmen in das verflossene Jahr. Aber in dieser Erinnerung muß leben die Tatsache, daß Physisches Maja ist, daß wir die Wahrheit aus den Feuerflammen in dem geistigen Feuer zu suchen haben, das wir nunmehr anzufachen haben in unseren Herzen, in unse­ren Seelen. Aufgehen sollte uns in dem physisch brennenden Goethe­anum das geistig wirksame Goetheanum.

Ich glaube nicht, daß das in vollem weltgeschichtlichen Sinne ge­schehen kann, wenn man nicht sieht auf der einen Seite das uns teuer

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gewordene Goetheanum in der furchtbaren gigantischen Flamme auf-lodern, und im Hintergrunde den anderen frevelhaften Brand von Ephesus, wo Herostrat die Brandfackel hineinwarf, geleitet von dämo­nischen Mächten. In dem Zusammenempfinden desjenigen, was da im Vordergrunde und desjenigen, was im Hintergrunde steht, wird man vielleicht doch ein Bild gewinnen können, das tief genug in unser Herz hineinschreiben kann, was wir vor einem Jahre verloren haben, und was wir mit allen Kräften wieder erbauen müssen.

SIEBENTER VORTRAG Dornach, 30. Dezember 1923

#G233-1962-SE111 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

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SIEBENTER VORTRAG

Dornach, 30. Dezember 1923

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Der letzte große Einschnitt in der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit ist der ja oftmals erwähnte im ersten Drittel des fünfzehn­ten Jahrhunderts etwa, wo der Übergang stattfindet von dem, was man nennt die Entwickelung der Verstandes- oder Gemütsseele in die Be­wußtseinsseele hinein. Wir leben ja in einem Zeitalter, in dem in der Menschheit vorzugsweise die Entwickelung der Bewußtseinsseele statt­findet, und in diesem Zeitalter ist verlorengegangen eine wirkliche Ein­sicht in den Zusammenhang des Menschen mit den tieferen Impulsen und Kräften der Natur, das heißt des Geistes in der Natur. Wir reden heute sogar, wenn wir vom Menschen und seiner physischen Konstitu­tion reden, zum Beispiel von den chemischen Stoffen, wie sie der Che­miker heute feststellt als sogenannte Elemente. Aber es hat für die Erkenntnis des Menschen ungefähr nicht mehr Wert, zu wissen, daß irgendein Nahrungsmittel Kohlenstoff, Stickstoff und so weiter ent­hält, als für die Mechanik der Uhr, zu wissen, daß diese Uhr aus Glas und meinetwillen Silber und einigen anderen Stoffen noch besteht. All dieses, was das Substantielle zurückführt auf diese äußerste stoffliche Abstraktion, Wasserstoff, Sauerstoff und so weiter, liefert im Grunde genommen keine wirkliche Erkenntnis des Menschen. Geradeso wie der Mechanismus der Uhr erkannt werden muß aus einem Kräfte­system-Zusammenhange, so muß die Wesenheit des Menschen erkannt werden aus der Art und Weise, wie die verschiedenen Impulse der Welt, die in den Reichen der Natur verteilt sind, die in anderer Weise in der Welt wirken, nun im Menschen gerade zur Geltung kommen. Aber dasjenige, was verhältnismäßig noch, wenn auch schon degene­riert, doch so vorhanden war, daß instinktiv gut angelegte Naturen bis ins vierzehnte, fünfzehnte Jahrhundert etwas damit machen konn­ten, das ist, mit Ausnahme einiger Menschen wie Paracelsus, Jakob Böhme und so weiter, nach und nach völlig verlorengegangen: ein wirkliches Hineinblicken in den Zusammenhang des Menschen mit der Welt.

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Was weiß zum Beispiel die neuere Wissenschaft, die sich allmählich seit dem fünfzehnten Jahrhundert herausgebildet hat, über die Bezie­hung, sagen wir, der pflanzlichen, der tierischen Welt zum Menschen! Sie untersucht eben die Pflanzen auf ihre chemischen Bestandteile, und versucht dann irgendwie die Bedeutung dieser chemischen Bestandteile auf den Menschen zu studieren; versucht dann eventuell, sich Vorstel­lungen zu bilden - meistens unterläßt sie es auch - über die Wirkung der Substanzen auf den gesunden und kranken Menschen. Aber all dies liefert im Grunde nur Erkenntnis-Finsternis um den Menschen. Es handelt sich heute durchaus darum, wenn man auf Grundlage ge­schichtlicher Einsicht in Menschenerkenntnis vorzurücken geneigt ist, die Beziehungen des Menschen zur außermenschlichen Natur wiederum kennenzulernen.

Bis zu dem letzten großen Umschwung, bis ins fünfzehnte Jahrhun­dert herein, haben die Menschen ein deutliches Gefühl davon gehabt, welch großer Unterschied besteht zwischen Metallen in der äußeren Natur und Metallen, die in irgendeiner Weise zum Vorschein kommen, wenn man das Substantielle des Menschen, das Stoffliche des Menschen ins Auge faßt, sagen wir zum Beispiel das Eisen in seinen verschiedenen Bindungen im menschlichen Organismus, oder die Magnesia oder der­gleichen. Für dieses, daß es solche Metalle gibt, die sich auch zeigen, wenn man den menschlichen Organismus selber untersucht, und solche Metalle, die in der äußeren Natur vorhanden sind, die sich nicht fin­den zunächst, wenn man den menschlichen Organismus untersucht, für diesen Unterschied in der Metallität der Erde hatte man bis ins fünf-zehnte Jahrhundert eine tiefe, gründliche Empfindung. Denn man sagte sich: Der Mensch ist ein Mikrokosmos. In irgendeiner Weise findet sich in ihm alles, was sich draußen in der Welt im Makrokosmos findet. -Dies ist ja nicht irgendein allgemeines abstraktes Prinzip, sondern es folgt für den, der irgendwie jemals der Initiationswissenschaft nahe-getreten ist, als mit dem Wesen des Menschen und dem Wesen der Welt notwendig verbunden. Denn man kommt nur zu einer wirklichen Er­kenntnis des Menschen, wenn man die ganze Natur mit allen ihren Impulsen und substantiellen Inhalten zusammenträgt; dann bekommt man ein Bild, eine Imagination vom Wesen des Menschen. Und in diesem

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Bilde, in dieser Imagination störte es, wenn man irgend etwas draußen in der Natur hätte, das im Menschen selber sich nicht finden könnte. - So dachte eine Persönlichkeit, die im Beginne, sagen wir, noch des neunten, zehnten, elften nachchristlichen Jahrhunderts Natur-forscher war. Aber man wußte ja damals auch, daß dasjenige, was der Mensch aufnimmt durch seine physische Ernährung, nur ein Teil dessen ist, wodurch der Mensch seine physische Organisation und überhaupt seine Organisation unterhält, vielleicht gar nicht einmal der wichtigste.

Nun, nahe liegt es ja, aufzusteigen von der physischen Ernährung zu der Atmung, die ja auch ein Stoffwechsel ist. Aber weiter aufzu-steigen fällt dem heutigen Menschen nicht ein. Dem Naturforscher vor dem fünfzehnten Jahrhundert war es klar, daß der Mensch, wenn er sein Auge anwendet zum Wahrnehmen, nicht bloß sieht mit dem Auge, sondern daß durch das Auge während des Wahrnehmepro­zesses in unendlich feiner Verteilung Substantielles aus dem Weltenall aufgenommen wird. Und so durch das Auge, so durch das Ohr, so aber auch durch andere Organisationsbestandteile des Menschen. Und als etwas Allerwichtigstes sah man an, daß der Mensch dasjenige, was er nicht in grober Weise in sich enthält, sagen wir zum Beispiel Blei, daß er das aufnimmt aus der unendlich feinen Verteilung, in der es vor­handen ist da, wo man es zunächst nicht vermutet. Blei ist ein Metall, das der Mensch zunächst nachweisbar nicht in sich hat. Aber Blei ist ein Metall, das ausgebreitet ist, in sehr großer Verdünnung ausgebreitet ist im ganzen, für den physischen Menschen in Betracht kommenden Kosmos. Und das Blei nimmt der Mensch auf aus dem Kosmos durch viel feinere Prozesse, als es der Atmungsprozeß ist. Der Mensch son­dert fortwährend in peripherischer Richtung von sich Substanz ab. Sie schneiden sich nicht nur die Nägel, sondern Sie sondern von der Haut fortwährend Substanz ab. Aber das ist nicht nur ein Fortgehen, son­dern während die Substanz fortgeht, wird andere Substanz aufge­nommen.

Sehen Sie, in diesen Gedankengängen lebte so ein Naturforscher des neunten, zehnten, elften, zwölften Jahrhunderts noch im Mittelalter. Für ihn war es ja noch nicht die Waage, waren es noch nicht die groben Meßinstrumente, durch die er bestimmte, wie die Substanzen, wie die

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Kräfte wirken, sondern es war ein Eingehen auf die inneren Qualitäten der Natur, auf die inneren Impulse der Natur und den Zusammen­hang der Natur mit dem Menschen. Dadurch wußte man viele Dinge bis zu diesem fünfzehnten Jahrhundert, die man anfangen wird müs­sen, wiederum zu wissen, denn im Grunde genommen weiß man heute über den Menschen gar nichts.

Wir sagen ja zunächst, indem wir die Konstitution des Menschen aufsuchen, um, ich möchte sagen, eine Art Klassifizierung, eine Art allgemeinen Plan zu geben: Der Mensch ist zusammengesetzt aus dem physischen Leib, dem ätherischen Leib, dem astralischen Leib, dem Ich oder der Ich-Organisation. - Gut, das sind ja zunächst Worte. Es ist gut, wenn man bei diesen Worten anfängt; ein bißchen etwas kann jeder sich darunter vorstellen. Aber will man diese Dinge gebrauchen in der Lebenspraxis, will man sie namentlich gebrauchen in der Heil-kunde, die ja die wichtigste Lebenspraxis ist, die aus der Erkenntnis des Menschen folgen kann, dann kann man bei den Worten nicht stehenbleiben, dann muß man eingehen auf dasjenige, was die Worte mit einem wirklichen Inhalte ausfüllt. Da fragen wir zunächst: Phy­sischer Leib - wie kommen wir zu einer Vorstellung des physischen Leibes? - Sie werden gleich nachher sehen, warum ich diesen Begriff entwickle. Wie kommen wir zu einer Vorstellung des physischen Lei­bes? Nun, wenn wir irgendeinen Gegenstand auf der Erde haben außer dem Menschen, sagen wir einen Stein: er fällt auf die Erde. Wir sagen, er ist schwer, er wird von der Erde angezogen, er hat ein Gewicht. Wir finden noch andere Kräfte, die wirken. Wenn der Stein sich zum Kristall bildet, wirken in ihm formbildende Kräfte. Die sind aber ver­wandt den irdischen Kräften. Kurz, wir haben, indem wir um uns blicken in der Welt, Stoffe, die dem irdischen Wesen unterworfen sind. Halten wir das fest: Wir haben Stoffe, die dem irdischen Wesen unter­worfen sind.

Wer solche Dinge nicht ordentlich ins Auge faßt, der wird kommen und wird einem ein Stück Kohle zeigen, schwarze Kohle. Was ist das in Wirklichkeit? Es ist dies schwarze Kohle nur in der Nähe der Erde, denn in dem Augenblicke, wo man diese Kohle auch nur eine verhält­nismäßig kurze Strecke von der Erde weg hätte, ware sie nicht mehr

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so. Alles, was an ihr die Kohle zur Kohle macht, sind die Kräfte der Erde. Sie können also sagen: Wenn ich hier die Erde habe, dann sind die Kräfte der Erde hier im Irdischen, aber auch in jedem Gegenstande, den ich hier auf Erden habe. Und der physische Leib des Menschen ist zwar sehr zusammengesetzt, aber im Grunde genommen auch ein Gegenstand, der diesen physischen Kräften der Erde unterworfen ist, den Kräften, die vom Erdenmittelpunkte kommen (siehe Zeichnung, Seite 124). Das ist physischer Leib des Menschen, was unterworfen ist den Kräften, die vom Erdenmittelpunkte kommen (Pfeile nach auswärts). - Nun sind auf der Erde aber auch andere Kräfte. Diese Kräfte kommen vom Umkreis (Pfeile einwärts). Denken Sie sich einmal, ich gehe in ganz unbestimmte Weiten hinaus. Dann wirken von den unbestimmten Weiten her Kräfte gerade umgekehrt den Kräften der Erde. Die wirken von überall herein. Ja, es gibt solche Kräfte, die von überall herein-wirken, die von allen Richtungen der Welt überall hereinwirken gegen den Mittelpunkt der Erde zu. Man kann eine ganz bestimmte konkrete Vorstellung von diesen Kräften bekommen, und zwar auf folgende Art.

Die wichtigste Substanz, die dem Organismus zugrunde liegt, dem pflanzlichen, dem tierischen, dem menschlichen Organismus, ist das Ei­weiß. Das Eiweiß liegt aber auch zugrunde dem Keim eines neuen pflanzlichen, tierischen, menschlichen Organismus. Von einer Keimzelle geht das aus, von einer befruchteten Keimzelle, was sich als pflanzlicher, tierischer, menschlicher Organismus entwickelt. Die Substanz ist das Eiweiß. Man stellt sich heute vor, weil man überall phantasiert, statt wirkliche Wissenschaft zu treiben: Das Eiweiß, das ist halt eine kom­pliziert zusammengesetzte Substanz aus, wie man sagt, Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Schwefel, etwas Phosphor - recht kompliziert zusammengesetzt. - So daß man eigentlich schon das Ideal einer Zusammbnsetzung, wie der Atomist denkt, im Eiweiß hat. Man müßte ganz kompliziert da die Atome und Moleküle hineinzeichnen. Und dann, dann bildet sich im Muttertier oder in der Mutterpflanze dieses komplizierte Eiweißmolekül, oder wie man es nennen will; das entwickelt sich dann weiter, und es entsteht das neue Tier daraus durch reine Vererbung.

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Aber das ist ja alles vor dem geistigen Blicke der reine Unsinn. In Wirklichkeit ist es so, daß das Eiweiß des Muttertieres nicht kompli­ziert zusammengesetzt ist, sondern völlig korrumpiert wird und chao­tisch wird. Das Eiweiß, das der Körper in sich sonst enthält, das ist noch einigermaßen geordnet, aber ein Eiweiß, das der Fortpflanzung zugrunde liegt, das ist gerade dadurch ausgezeichnet, daß es innerlich völlig chaotisch durcheinandergerüttelt ist, daß die Materie vollständig zurückgeführt wird ins Chaos, gar keine Struktur mehr hat, sondern eben ein Haufen von Substanz ist, die dadurch, daß sie ganz in sich zerschlissen, zerfetzt, zerstört ist, nicht mehr der Erde unterworfen ist. Solange das Eiweiß noch irgendwie innerlich zusammenhält, so lange ist es den zentralen Kräften der Erde unterworfen. In dem Augenblick, wo das Eiweiß innerlich zerklüftet wird, kommt es unter den Einfluß der ganzen Weltensphäre. Die Kräfte wirken von überaliher herein, und es entsteht das kleine Eiweißklümpchen, das der Fortpflanzung zugrunde liegt, als ein Abbild des ganzen, zunächst uns überschaubaren Weltenalls. Jedes einzelne Eiweißklümpchen ist ein Abbild des ganzen Weltenalls, weil die Eiweißsubstanz zerklüftet, zerstört, ins Chaos übergeführt wird und dadurch gerade als Weltenstaub geeignet ge-macht wird, dem ganzen Kosmos unterworfen zu werden. Davon weiß man heute nichts mehr.

Heute glaubt man: Nun ja, das alte Huhn, das hat eben das kom­plizierte Eiweiß. Es wird in das Ei hineingebracht. Dann entsteht das neue Huhn, das ist das fortgesetzte, weiterentwickelte Eiweiß. Dann wird wiederum Keimsubstanz, und so geht das weiter von Huhn zu Huhn. - Aber so ist es eben nicht. Jedes Mal, wenn der Übergang von einer Generation zu der nächsten ist, wird das Eiweiß ausgesetzt dem

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ganzen Kosmos. So daß wir sagen müssen: Wir haben auf der einen Seite die irdischen Substanzen, die unterworfen sind den irdischen zen­tralen Kräften, aber wir können sie in gewissen Verhältnissen auch unterworfen denken den Kräften, die von den Grenzen des Weltenalls her überall hereinwirken. Diese Kräfte, die letzteren, das sind nun die­jenigen, die im menschlichen Ätherleib wirken; der ist unterworfen den Kräften des Kosmos. - Sehen Sie, jetzt haben wir reale Vorstellungen vom physischen Leib und Ätherleib. Stellen Sie sich jetzt aufrecht, und fragen Sie: Was ist Ihr physischer Leib? - Er ist derjenige, der den Kräften unterworfen ist, die vom Mittelpunkt der Erde ausgehen.

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Was ist Ihr Ätherleib? - Es ist dasjenige an Ihnen, was den Kräften unterworfen ist, die von überall her aus der Peripherie hereinkommen. Sie können es auch zeichnen (siehe Zeichnung>. Denken Sie einmal:

Wir haben hier den Menschen. Sein physischer Leib ist derjenige, der,

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wenn es da dem Mittelpunkt der Erde zugeht (rot), den Kräften unter­worfen ist, die nach dem Mittelpunkte der Erde gehen. Sein Ätherleib ist der (grün), welcher den Kräften unterworfen ist, die überall von dem Ende des Weltenalls hereinkommen. Jetzt haben wir ein Kräfte-system im Menschen: die Kräfte, die hinunterziehen, die eigentlich in allen Organen sind, welche senkrecht stehen, und diejenigen Kräfte, die von außen hereinkommen, die eigentlich in dieser Weise tendieren (siehe Pfeile). Das können Sie aus der Form des Menschen förmlich ablesen, wo die eine Art und die andere Art mehr vertreten ist. Wenn Sie die Beine studieren, so werden Sie sagen: Die Beine haben ihre Form selbstverständlich aus dem Grunde, weil sie den Erdenkräften mehr angepaßt sind. Der Kopf ist mehr den Kräften der Peripherie angepaßt

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(gelb). - Ebenso können Sie die Arme studieren. Das ist ganz interessant. Halten Sie die Arme an den Körper angedrückt: sie sind unterworfen den Kräften, die nach dem Mittelpunkte der Erde hingehen.

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Haben Sie die Arme in lebendiger Bewegung, dann unterwerfen Sie selber Ihre Arme den Kräften, die von überallher aus der Peri­pherie hereinkommen.

Sehen Sie, das ist der Unterschied zwischen Beinen und Armen. Die Beine sind eindeutig unterworfen den zentralen Kräften der Erde, die Arme sind nur bedingungsweise in einer gewissen Haltung unterwor­fen den zentralen Kräften der Erde. Der Mensch kann sie herausheben aus den zentralen Kräften der Erde und hineinfügen in die Kräfte, die wir die ätherischen nennen, die von der Peripherie überall herkommen. So kann man aber auch für die einzelnen Organe wirklich überall sehen, wie diese Organe eingefügt sind dem Weltenall.

Nun haben Sie physischen Leib, Ätherleib. Was ist es aber mit dem astralischen Leib? Im Raume gibt es ja keine dritte Art von Kräften mehr. Die gibt es nicht mehr. Der astralische Leib, der hat seine Kräfte von außerhalb des Raumes. Der ätherische Leib hat sie von der Peri­pherie überall herein, der astralische Leib, der empfängt sie von außer­halb des Raumes.

Man kann geradezu an gewissen Stellen der Natur aufsuchen, wie sich die physischen Kräfte der Erde hineinfügen in die ätherischen Kräfte, die von allen Seiten herankommen. Denken Sie einmal: Eiweiß, das ist zunächst in der physischen Erde vorhanden. Solange im Eiweiß chemisch irgendwie konstatierbar sind Schwefel, Kohlenstoff, Sauer­stoff, Stickstoff, Wasserstoff, so lange ist das Eiweiß eben den physi­schen Erdenkräften unterworfen. Kommt das Eiweiß in die Sphäre der Fortpflanzung, dann wird es herausgehoben aus den physischen Kräften. Die Kräfte des Umfanges des Weltenalls beginnen auf das zerklüftete Eiweiß zu wirken, und es entsteht neues Eiweiß als Abbild des ganzen Weltenalls.

Aber sehen Sie, manchmal stellt sich folgendes heraus: Die Zerklüf-tung kann nitht weit genug gehen. Es kann Eiweiß-Substanz da sein, die müßte, damit zum Beispiel bei irgendeinem Tiere Fortpflanzung geschehen kann, im abgelegten Ei zerklüftet werden können, damit sie sich fügen kann den Kräften des ganzen Weltenalls. Aber das Tier ist in irgendeiner Weise verhindert, solche Eiweiß-Substanz zur Fortpflan­zung zu liefern, die einfach sich einfügen kann in den ganzen Makrokosmos.

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Fortpflanzungsfähige Eiweiß-Substanz muß sich in den ganzen Makrokosmos einfügen. Das Tier, sagen wir, ist verhindert, fortpflan-zungsfähige Eiweiß-Substanz ohne weiteres zu bilden, zum Beispiel die Gallwespe. Was tut daher die Gallwespe? Die Gallwespe legt ihr Ei in irgendeinen Pflanzenteil hinein. Sie haben überall diese Gallen an den Eichen, an anderen Bäumen, wo die Gallwespen ihre Eier ab­legen. Dann sehen Sie an dem Blatt zum Beispiel diese merkwürdigen Gallen: da drinnen ist ein Gallwespen-Ei. Warum geschieht das so?

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Warum wird da das Ei der Gallwespe, sagen wir, in das Eichenblatt hineingelegt, so daß dieser Gallapfel entsteht, in welchem aber das Ei drinnen ist, das sich jetzt entwickeln kann? Frei könnte es sich nicht ent­wickeln. Das ist aus dem Grunde, weil das Pflanzenblatt in sich einen ätherischen Leib hat. Der ist angepaßt dem ganzen Weltenäther, und der kommt zu Hilfe dem Ei der Gallwespe. Das Ei der Galiwespe kann allein sich nicht helfen. Daher legt es die Gallwespe in einen Pflanzen-teil hinein, wo schon Ätherleib drinnen ist, der sich fügt dem ganzen Weltenäther. Also die Gallwespe kommt an die Eiche heran, um ihre Eiweiß-Substanz zur Zerklüftung zu bringen, damit die Weltenperi­pherie auf dem Umwege durch das Eichenblatt, durch die Eiche, wirken kann, während das bloße Gallwespen-Ei zugrunde gehen müßte, denn es kann nicht zerklüftet werden, es hält zu fest zusammen.

Sehen Sie, das gibt eine Möglichkeit, sogar hineinzusehen, wie merk­würdig in der Natur gearbeitet wird. Aber diese Arbeit, die ist auch sonst in der Natur vorhanden. Denn nehmen Sie an, das Tier sei nicht nur nicht fähig, Keimsubstanz zu liefern, die dem Weltenäther ausge­setzt werden kann zur Fortpflanzung, sondern das Tier sei nicht imstande,

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in sich selbst beliebige Stoffe in innere Nahrungsmittel zu ver­wandeln, zur inneren Ernährung zu verwenden. Naheliegend ist ja gleich das Beispiel der Biene. Die Biene kann nicht alles fressen. Die Biene kann nur dasjenige fressen, was ihr von der Pflanze schon zu-erteilt wird. Nun aber sehen Sie sich etwas sehr Merkwürdiges an. Die Biene geht an die Pflanze heran, sucht sich den Honigsaft, nimmt ihn auf, verarbeitet ihn in sich, baut dasjenige auf, was wir so bewundern müssen bei der Biene, baut auf den ganzen Wabenbau, den Zellenbau im Bienenstock. Wir schauen auf diese zwei ganz merkwürdigen, wun­derbaren Vorgänge hin, auf die Biene, die draußen auf der Blume sitzt, den Blumensaft saugt, dann hineingeht in den Bienenstock und aus sich heraus im Zusammenhange mit anderen Bienen die Wachszellen auf-erbaut, um sie mit Honig zu füllen. Was geschieht denn da? Sehen Sie, diese Zellen müssen Sie der Form nach ansehen. Sie sind so geformt (siehe Zeichnung), da ist die eine, die zweite daran und so weiter.

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Es sind kleine Zellen, deren Hohlräume so geformt sind, wie, aus­gefüllt allerdings mit Substanz, etwas anders geformt, wie geformt sind die Quarzkristalle, die Kieselsäurekristalle. Wenn Sie ins Gebirge gehen und die Quarzkristalle ansehen, so können Sie sie auch sozeich­nen. Sie kriegen zwar eine etwas unregelmäßige, aber eine ähnliche Zeichnung wie bei den Bienenzellen, die nebeneinander sind. Nur sind die Bienenzellen aus Wachs, der Quarz ist aus Kieselsäure.

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Geht man der Sache nach, so findet man: Unter dem Einflusse des allgemeinen Ätherischen, Astralischen wurde in einer bestimmten Zeit der Erdenentwickelung mit Hilfe der Kieselsäure der Quarzkristall in den Gebirgen gebildet. Da sehen Sie einmal Kräfte, die aus dem Umkreis der Erde herankommen, die wirken als ätherisch-astralische Kräfte, die Quarzkristalle im Kiesel aufbauend. Sie finden sie überall draußen in den Gebirgen, finden ganz wunderbare Quarzkristalle, diese sechseckigen Gebilde. Das, was da diese Quarzkristalle sind, das sind als Hohlräume die Bienenzellen in den Bienenstöcken. Die Biene holt nämlich aus der Blume dasjenige heraus, was einstmals da war, um die sechseckigen Quarzkristalle zu machen. Das holt die Biene aus der Blume heraus und macht durch ihren eigenen Körper Nachbil­dungen der Quarzkristalle. Da geht zwischen der Biene und der Blume etwas Ähnliches vor wie das, was einstmals draußen im Makrokosmos vorgegangen ist.

Ich erwähne diese Dinge, damit Sie sehen, wie notwendig es ist, nicht bloß hinzuschauen auf dieses ganz jämmerlich Abstrakte, das in Kohlenstoff, Stickstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und so weiter vorhan­den ist, sondern daß es notwendig ist, hinzuschauen auf die wunder­baren Gestaltungsprozesse, auf die inneren intimen Beziehungen in der Natur und in den Naturvorgängen. Und solches lag wirklich einmal instinktiv der Wissenschaft zugrunde. Das ist verlorengegangen im Laufe der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit gegen das fünf­zehnte Jahrhundert hin. Das muß wiedererobert werden. Wieder müs­sen wir in die intimen Beziehungen des natürlichen Daseins und seines Verhältnisses zum Menschen hineingelangen. Nur dann, wenn wieder­um solche Beziehungen erkannt werden, wird eine wirkliche Einsicht in den gesunden und kranken Menschen wiederum da sein können. Sonst bleibt es bei aller Heilmittellehre lediglich beim Probieren, ohne daß man den inneren Zusammenhang einsieht.

Es ist eine Art unfruchtbarer Periode von dem fünfzehnten Jahr­hundert bis heute in der Entwickelung des menschlichen Geistes dage­wesen. Diese unfruchtbare Periode hat auf die Menschheit gedrückt. Denn diese unfruchtbare Periode, wo man Pflanzen anschaute, Tiere anschaute, Menschen anschaute, Mineralien anschaute und eigentlich

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von allem nichts mehr wußte, diese Periode hat den Menschen über­haupt herausgebracht aus allem Weltzusammenhang. Und schließlich ist er eingetreten in jenes Chaos, in dem er heute gegenüber der Welt lebt, wo er sich nicht mehr in irgendeinem Zusammenhang weiß mit der Welt. In der Zeit, in der solche Dinge überlegt wurden, wußte ja der Mensch: Jedes Mal, wenn Fortpflanzung geschieht, spricht der ganze Makrokosmos. In dem fortpflanzungsfähigen Keim oder Samen entsteht ein Abbild des ganzen Makrokosmos. Da ist die große Welt draußen, aber im kleinsten Keim ist ein Ergebnis der Wirkungen, die von überallher von der großen Welt kommen.

Im Menschen wirken nun zusammen zunächst diejenigen Kräfte, die die physisch-zentralen Kräfte der Erde sind. Sie wirken in allen Men-schenorganen. Aber es wirken ihnen überall entgegen die Kräfte, die von überallher kommen, die ätherischen Kräfte. Sehen Sie sich irgend­wie die Leber an, die Lunge, Sie begreifen sie zunächst nur, wenn Sie wissen: Da wirken die Kräfte zusammen, die aus dem Mittelpunkt der Erde kommen, und jene, die überall aus dem Umkreis der Welt her­kommen. - Dann aber werden gewisse Organe durchsetzt vom Astral­leib, von der Ich-Organisation noch, während andere Organe weniger von diesen höheren Gliedern durchsetzt werden, der Mensch im schla­fenden Zustande überhaupt in sich nicht seinen astralischen Leib und seine Ich-Organisation hat. Nehmen Sie einmal an, irgendein Organ, die Lunge (siehe folgende Zeichnung, rechts oben): Durch irgend etwas ist das eingetreten, daß die Kräfte, die überall aus dem Weltenall her-einkommen (Pfeile), zu stark auf die menschliche Lunge wirken. Sie werden die Lunge krank machen, weil ein gewisser harmonischer Gleichgewichtszustand bestehen muß zwischen dem, was in der Lunge wirkt vom Mittelpunkt der Erde aus, und dem, was von allen Seiten des Unkreises kommt. Gelingt es Ihnen nun, zu wissen, wie Sie mine­ralische Substanzen finden können, welche den zu stark wirkenden Ätherkräften ein Gegengewicht in der Lunge geben, dann haben Sie das Heilmittel, wodurch Sie die zu stark wirkenden ätherischen Kräfte eliminieren. Und so kann auch das Umgekehrte vorliegen: Die ätheri­schen Kräfte können zu schwach werden, die physischen Kräfte, die vom Mittelpunkte der Erde aus wirken, würden zu stark. Sie werden

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im Umkreise des Pflanzenreiches suchen, was auf den Menschen so wirken kann, daß es verstärkt die ätherischen Kräfte durch irgendein Organ, und Sie bekommen das entsprechende Heilmittel.

Es ist unmöglich, durch die bloße Betrachtung des physischen Leibes allein irgendwie auch nur das geringste Heilmittel zu finden, denn der physische Menschenleib hat an sich gar keinen Grund, etwas zu sagen über seine Konstitution. Denn der sogenannte normale Prozeß, der in ihm vorgeht, ist ein Naturprozeß, aber der Krankheitsprozeß ist auch ein Naturprozeß. Wenn Sie eine sogenannte normale Leber haben, haben Sie eine Leber, in der Naturprozesse vor sich gehen. Wenn Sie aber eine Leber haben, in der ein Geschwür ist, haben Sie auch eine Leber, in der Naturprozesse vor sich gehen. Der Unterschied kann nie­mals aus dem physischen Leib gefunden werden. Aus dem physischen Leib kann man nur die Tatsache konstatieren, daß es das eine Mal anders ausschaut als das andere Mal, aber über die Ursache kann man nichts wissen. Haben Sie ein Geschwür in der Leber, so werden Sie

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nur dann die Ursache der Geschwürbildung finden, wenn Sie wissen, daß in einem solchen Fall zum Beispiel der astralische Leib viel mäch­tiger in die Leber eingreift, als er eingreifen sollte. Sie müssen den astralischen Leib, der bei einer Geschwürbildung der Leber stark ein­greift in die Leber, wiederum aus ihr austreiben. Und so gibt es über­haupt keine Möglichkeit, real zu sprechen über den gesunden und kranken Menschen, wenn man nicht über den physischen Leib hinaus in die höheren Glieder der Menschennatur geht. So daß man eigentlich sagen kann: Eine Heilmittellehre wird es überhaupt wiederum erst geben, wenn man über den physischen Leib des Menschen hinausgehen wird, denn das Wesen der Krankheit ist einfach nicht einzusehen aus dem physischen Menschenleib heraus.

Ich habe diesmal nur die Absicht, die Dinge in historischer Beziehung darzustellen. Aber es ist eben so, daß, als immer mehr und mehr ver­glommen ist, was aus alten Zeiten in die neue heraufgetragen worden ist, überhaupt jegliche Menschenkenntnis verlorenging. Und heute ste­hen wir vor der Notwendigkeit, wiederum Menschenkenntnis zu er­werben. Diese Menschenkenntnis wird sich nur erwerben lassen, wenn wir wiederum die Beziehung des Menschen zu den umliegenden Natur-reichen zu fassen vermögen.

Gehen wir einmal von der Ich-Organisation des Menschen aus. Hat man zunächst, sagen wir, durch imaginative Erkenntnis aus der Initia­tionswissenschaft eine Anschauung von der menschlichen Ich-Organisa­tion, dann kann man sich fragen: Zu was im heutigen menschlichßn Organismus steht denn diese Ich-Organisation in besonderer Bezie­hung? - Diese Ich-Organisation steht in besonderer Beziehung zu dem­jenigen, was im Menschen mineralisch ist. Wenn Sie daher ein Minera­lisches, ein wesentlich Mineralisches aufnehmen, zum Beispiel Salz auf die Zunge bringen, sogleich ist es die Ich-Organisation, die sich über dieses Mineralische hermacht. Dann wird das Mineralische weiterbeför­dert, kommt in den Magen, kommt in die Ich-Organisation, bleibt dabei, auch wenn die Salzsubstanz im Magen ist; die Ich-Organisation bleibt dabei. Das Salz geht weiter, macht ja allerdings Veränderungen durch, geht durch den Darm, geht weiter: niemals wird Ihr Salz von der Ich-Organisation verlassen. Die benehmen sich wie recht zusam­mengehörige

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Dinge, die Ich-Organisation und das Salz, das in den Menschen hineinkommt.

Sehen Sie, so ist es nicht, wenn Sie zum Beispiel ein Spiegelei essen, überhaupt etwas von Zusammenhalt mit der Eiweiß-Substanz. Da kümmert sich nur ein wenig die Ich-Organisation, wenn Sie die Spiegelei-Substanz auf der Zunge haben. Dann kümmert sich schon sehr wenig der astralische Leib noch darum, während es hinunter-schlüpft in den Magen. Dann geht es weiter; dann wirkt intensiv der Ätherleib, dann der physische Leib. Diese zerklüften in Ihnen selber die Eiweiß-Substanz, die Sie mit dem Spiegelei in Ihren Organismus hineinbekommen. Und jetzt wird das Spiegelei in Ihnen selber ganz mineralisch gemacht. Es wird zerklüftet. Alles Lebendige wird aus ihm ausgetrieben. Es wird in Ihnen zerklüftet. An den Darmwänden hört diese äußerlich aufgenommene Eiweiß-Substanz auf, irgendwie noch Eiweiß zu sein, wird ganz mineralisch. Da geht es nun über, jetzt wieder in die Ich-Organisation, und von da aus wird das mineralisierte Eiweiß von der Ich-Organisation aufgenommen.

Und so können wir immer sagen: Die Ich-Organisation gibt sich nur mit Mineralischem ab. Aber jedes Mineralische wird durch die Ich-Organisation im menschlichen Organismus etwas anderes, als es außer­halb ist. Es darf nichts im menschlichen Organismus so bleiben, wie es außerhalb dieses menschlichen Organismus ist. Dafür muß die Ich-Organisation in radikaler Weise sorgen. Nicht nur, daß solche Sub­stanzen wie, sagen wir, Kochsalz und dergleichen, von der Ich-Organi­sation erfaßt und innerlich zu etwas ganz anderem gemacht werden, als sie äußerlich sind, sondern es darf nicht einmal, wenn der Mensch von einem gewissen Wärmezustande umgeben ist, der äußere Wärme-zustand den Menschen irgendwie durchdringen. Sie dürfen nicht Ihre Finger ausgefüllt haben von dem, was sich als äußere Wärme aus­breitet. Die Wärme darf auf Sie nur als Reiz wirken, und Sie müssen die Wärme, die Sie in sich haben, selber erzeugen. In dem Augenblick, wo Sie bloß Gegenstand sind, sich nicht Ihre Wärme oder Kälte selber erzeugen, sondern wo irgendwo in Ihnen die Wärme so weiterwirkt, wie zum Beispiel bei irgendeinem äußeren Gegenstande, da werden Sie krank von der äußeren Wärme selbst, nicht einmal bloß von der

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Substanz, sondern von der äußeren Wärme. Denken Sie sich einmal, da wäre irgendein Tuch oder ein Schwamm, und da wäre ein Ofen. Die Ofenwärme, die darf ganz ruhig sich ausbreiten, durch das Tuch oder den Schwamm durchgehen. Das Tuch oder der Schwamm setzt nur fort, was da als Ofenwärme sich ausbreitet. Das darf die Ofenwärme nicht tun, wenn sie bis zur Haut kommt. Wenn die Ofenwärme den Sinnenreiz ausübt, dann muß die Reaktion kommen: die Innenwärme muß von innen aus erzeugt werden. Erkältungszustände beruhen ge­rade darauf, daß man nicht sich bloß reizen läßt, um seine innere Eigen-wärme zu erzeugen, sondern daß man die äußere Kälte etwas unter die Haüt kommen läßt, so daß man sich selber nicht in die Welt stellt als der voll tätige Mensch, der sich mit seinem Wirken, seinen Impulsen selbst ausfüllt, sondern der sich wie einen Gegenstand hinstellt und durch sich die Wirkungen der Außenwelt durchziehen läßt. Das ist das Wesen der Ich-Organisation, daß es in sich aufnimmt das Mineralische, aber es innerlich ganz und gar ändert, in etwas anderes verwandelt.

Erst wenn wir gestorben sind, ist das Mineralische wiederum Mine­ralisches der äußeren Natur. Während wir auf der Erde leben, das Mineralische innerhalb unserer Haut haben, verändert die Ich-Organi­sation das Mineralische fortwährend. Das Pflanzliche, das wir aufneh­men, wird durch die astralische Organisation, durch den astralischen Leib fortwährend verändert. So daß wir sagen können: Die Ich-Organi­sation des Menschen metamorphosiert gründlich um alles Mineralische, nicht nur das fest Mineralische, auch das Wäßrige, auch das Luftför­mige, auch das Wärmeartige. - Man kann ja natürlich, wenn man grob spricht, sagen: Hier irgendwo ist Wasser. Ich trinke. Ich habe das Wasser jetzt in mir. - Aber in dem Augenblicke, wo mein Organismus das Wasser aufnimmt, ist das, was ich in mir habe, durch meine Ich-Organisation nicht mehr dasselbe, was das äußere Wasser ist. Das ist es erst wiederüm, wenn ich es ausschwitze oder auf eine andere Art zu Wasser mache. Innerhalb meiner Haut ist Wasser nicht Wasser, sondern ist etwas, was lebendige Flüssigkeit ist.

In dieser Weise muß immer unendlich vieles umgedacht werden. Ich konnte Ihnen heute nur kleine Andeutungen geben. Aber wenn Sie das durchdenken, wenn Sie wissen, wie das Eiweiß zerklüftet werden

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muß, um in die Wirkung des ganzen Makrokosmos zu kommen, wie das Wasser, das ich trinke, innerlich lebendige Flüssigkeit ist, nicht mehr das unorganische Wasser, sondern von Ich-Organisation durch-drungenes Wasser ist, wenn Sie bedenken, indem Sie Kohl essen:

Draußen ist es Kohl, innerlich nimmt der astralische Leib sogleich den Kohl in sich auf - wenigstens den wirklichen, den physischen Kohl -und verändert ihn in etwas ganz anderes - so kommen wir hier an die Betrachtung außerordentlich bedeutsamer Vorgänge, dringen vor bis zu der Anschauung, daß wir in unserem Stoffwechsel Vorgänge haben, die nur um eine gewisse Stufe der Entwickelung verschieden sind von den Stoffwechselprozessen, die wir im Gehirn haben, die das Ner­vensystem da ausmachen und so weiter. Darüber werde ich dann mor­gen weiterreden, um an diesen Vorgängen nun den ganz radikalen Unterschied der Menschheit noch des zwölften nachchristlichen Jahr­hunderts und des zwanzigsten Jahrhunderts hervorzuheben, um davon her dann die Notwendigkeit zur Einsicht zu bringen, wie im weiteren Fortschritt für den gesunden und kranken Menschen neue Impulse kommen müssen, damit nicht alle Menschenkenntnis überhaupt ver­loren gehe und man nichts mehr wisse über den gesunden wie über den kranken Menschen. Davon also morgen dann weiter.

ACHTER VORTRAG Dornach, 31. Dezember 1923

#G233-1962-SE129 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

#TI

ACHTER VORTRAG

Dornach, 31. Dezember 1923

#TX

Wir stehen heute in dem Zeichen einer schmerzlichen Erinnerung, und wir wollen dasjenige, was wir gerade heute zum Inhalte dieses Vor-trags zu nehmen haben, durchaus in das Zeichen dieser schmerzlichen Erinnerung stellen. Der Vortrag, den ich in unserem alten Bau gerade vor einem Jahre halten durfte: diejenigen von Ihnen, die anwesend waren, werden sich daran erinnern, wie er den Weg genommen hat, von der Schilderung irdischer natürlicher Verhältnisse ausgehend, hin­auf in die geistigen Welten und die Offenbarungen dieser geistigen Welten aus der Schrift der Sterne; wie dann die Möglichkeit vorhan­den war, das menschliche Herz, die Menschenseele, den menschlichen Geist in Zusammenhang zu bringen ihrem ganzen Wesen nach mit dem, was gefunden werden kann, wenn man den Weg hinaus nimmt aus dem Irdischen nicht nur in die Sternenweiten, sondern in dasjenige, was durch die Sternenweiten wie eine Weltenschrift das Geistige ab-bildet. Und das Letzte, was ich hinschreiben durfte auf die Tafel in jenem Raum, der uns dann bald darauf genommen ward, ging durch­aus darauf hinaus, die menschliche Seele hinaufzuheben in geistige Höhen. Damit war eigentlich gerade an jenem Abend unmittelbar an-geknüpft an dasjenige, dem ja unser Goetheanun-Bau durch seine ganze Wesenheit gewidmet sein sollte. Und von dem, woran damals ange­knüpft worden ist, lassen Sie mich zunächst heute wie in einer Fort­setzung gerade des Vortrages, der vor einem Jahre hier gehalten wor­den ist, sprechen.

Wenn in der Zeit, die dem Brande von Ephesus vorangegangen ist, die Rede war von den Mysterien, dann sprachen alle diejenigen, welche in ihrem Gemüte etwas verstanden von dem Mysterienwesen, so, daß ihre Rede ungefähr klang: Menschliches Wissen, menschliche Weisheit hat eine Stätte, eine Heimstätte in den Mysterien. - Und wenn in jenen alten Zeiten unter den geistigen Lenkern der Welt die Rede von den Mysterien war, wenn also in übersinnlichen Welten von den Mysterien gesprochen wurde - ich darf mich dieser Ausdrücke bedienen, obwohl

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sie natürlich nur in figürlicher Weise die Art bezeichnen, wie von den übersinnlichen Welten herunter gedacht und wie gewirkt wird in die sinnlichen -, wenn also in den übersinnlichen Welten gesprochen wurde von den Mysterien, da klang ungefähr die Rede so: In den Mysterien errichten die Menschen Stätten, wo wir Götter die opfernden Menschen finden können, die uns verstehen im Opfer. Denn in der Tat, das war allgemeines Bewußtsein der alten Welt, derer, die da wußten in der alten Welt, daß sich in den Mysterienstätten Götter und Menschen begegneten, und daß alles dasjenige, was die Welt trägt und hält, ab­hängt von dem, was sich abspielt in den Mysterien zwischen den Göt­tern und zwischen den Menschen.

Aber es gibt ein Wort, das ja auch äußerlich historisch überliefert ist, das aus dieser historischen Überlieferung ja ergreifend sprechen kann zum Menschenherzen, das aber besonders ergreifend spricht, wenn man es sieht aus ganz besonderen Ereignissen heraus sich formen, wie mit ehernen, aber nur für den Augenblick im Geiste sichtbaren Lettern hineingeschrieben in die Geschichte der Menschheit. Und ich meine, ein solches Wort ist immer zu sehen, wenn der geistige Blick hinzielt auf die Herostratos-Tat, den Brand von Ephesus. Man kann in diesen Feuerflammen das alte Wort finden: der Neid der Götter.

Ich glaube allerdings, daß unter den mancherlei Worten, die aus alten Zeiten überliefert sind, die im Leben alter Zeiten auf die Weise zu sehen sind, wie ich sie eben geschildert habe, in dieser physischen Welt die­ses eines der furchtbarsten ist: der Neid der Götter. In jenen alten Zeiten wurde alles mit dem Worte Gott bezeichnet, was in übersinnlichen Welten so lebte, daß es niemals nötig hat, in einem physischen Leib auf Erden zu erscheinen, und man unterschied in jenen alten Zeiten die mannigfaltigsten Göttergeschlechter. Und ganz gewiß, diejenigen gött­lich-geistigen Wesenheiten, welche so verbunden sind mit der Mensch­heit, daß der Mensch seinem innersten Wesen nach durch sie entstanden und durch den Zeitenlauf geschickt ist, diese göttlich-geistigen Wesen­heiten, die wir verspüren durch die Majestät und durch die kleinsten Erscheinungen der äußeren Natur, die wir verspüren durch dasjenige, was in unserem Innern lebt, diese göttlich-geistigen Wesenheiten kön­nen nicht neidisch werden. Aber in der alten Zeit meinte man mit dem

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Neid der Götter dennoch etwas sehr Reales. Wenn wir die Zeit verfol­gen, in der sich das Menschengeschlecht bis gegen Ephesus hin entwickelt hat, da finden wir, daß allerdings die fortgeschritteneren mensch­lichen Individuen vieles von dem, was ihnen die guten Götter gern in den Mysterien gegeben haben, an sich genommen haben. Denn wir treffen durchaus das Richtige, wenn wir sagen: Es besteht zwischen den guten Menschenherzen und den guten Göttern ein inniges Verhält­nis, das immer fester und fester gebunden wurde in den Mysterien, so daß es gewissen anderen, luziferisch-ahrimanischen Götterwesenheiten vor die Seele getreten ist, daß der Mensch immer näher und näher herangezogen wurde an die guten Gottheiten. Und es entstand der Neid der Götter auf den Menschen. - Und wir müssen es immer wieder und wiederum in der Geschichte hören, wie der nach dem Geist stre­bende Mensch, wenn er einem tragischen Geschick verfällt, in den alten Zeiten so bezeichnet wird, daß man sein tragisches Geschick zusammen-bringt mit dem Neid der Götter.

Die Griechen wußten, daß dieser Neid der Götter besteht, und sie leiteten manches von dem, was äußerlich vorging in der Menschheits-entwickelung, von diesem Neid der Götter her. Mit dem Brande von Ephesus ist eigentlich offenbar geworden, daß eine gewisse geistige Weiterentwickelung der Menschheit nur möglich ist, wenn die Men­schen sich bewußt wurden: Es gibt Götter, das heißt übersinnliche Wesenheiten, die auf den weiteren Fortschritt der Menschen neidisch sind. - Das gibt schließlich aller Geschichte, die da folgte auf den Brand von Ephesus - ich kann auch sagen, auf die Geburt des Alexander -, das besondere Kolorit. Und zu der rechten Auffassung des Mysteriums von Golgatha gehört auch dieses: Man schaue hin auf eine Welt, die erfüllt ist von dem Neide gewisser Göttergeschlechter. - Ja, die see­lische Atmosphäre, sie war eigentlich in Griechenland schon seit einer Zeit, die bald hach dem Perserkriege liegt, erfüllt von den Auswirkun­gen dieses Neides der Götter. Und dasjenige, was in der makedonischen Zeit dann getan worden ist, mußte im vollen Bewußtsein davon getan werden, daß der Neid der Götter über die Erdoberfläche hin in gei­stiger Atmosphäre waltet. Aber es wurde getan mutvoll, kühn, den Mißverständnissen der Götter und Menschen trotzend.

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Und es senkte sich hinein in diese Atmosphäre, die erfüllt war von dem Neide der Götter, die Tat desjenigen Gottes, der fähig war der größten Liebe, die in der Welt existieren kann. Man sieht das Myste­rium von Golgatha nur im rechten Lichte, wenn man zu allem übrigen auch noch das hinzufügen kann: das Bild der Wolken in der alten Welt, in Hellas, Makedonien, Vorderasien, Nordafrika, Südeuropa das Bild der Wolken, die da der Ausdruck sind des Neides der Götter. Und wunderbar wärmend, mild strahlend fällt hinein in diese wolken-erfüllte Atmosphäre die Liebe, die da strömt durch das Mysterium von Golgatha.

Das, was dazumal, wenn ich so sagen darf, eine Angelegenheit war, die sich zwischen Göttern und Menschen abspielte, sie muß sich ja in unserer Zeit, in der Zeitepoche der menschlichen Freiheit, mehr unten im physischen Menschenleben abspielen. Und man kann schon schil­dern, wie sie sich abspielt. In alten Zeiten, wenn man an die Mysterien dachte, sprach man davon auf Erden: Menschliche Erkenntnis, mensch­liche Weisheit hat in den Mysterien eine Heimstätte. - Wenn man unter den Göttern sprach, so sagte man: Wenn wir in die Mysterien hinuntersteigen, dann finden wir die Opfer der Menschen, und im opfernden Menschen werden wir verstanden.

Im Grunde genommen war der Brand von Ephesus der Beginn der­jenigen Epoche, in der das Mysterienwesen allmählich in seiner alten Form verschwand. Ich habe erzählt, wie es fortbestanden hat da und dort, grandios zum Beispiel in den Mysterien von Hybernia, wo im Kultus das Mysterium von Golgatha gleichzeitig gefeiert worden ist, während es physisch drüben in Palästina vor sich ging. Man hatte Kenntnis davon nur aus der geistigen Vermittelung zwischen Palästina und Hybernia, nicht durch physische Vermittelung. Aber dennoch, das Mysterienwesen in der physischen Welt ging immer mehr und mehr zurück. Die äußeren Heimstätten, die Begegnungsstätten waren zwi­schen Göttern und Menschen, verloren immer mehr und mehr ihre Bedeutung. Sie hatten sie fast vollständig verloren im dreizehnten, vierzehnten nachchristlichen Jahrhundert. Denn wer den Weg finden wollte zum Beispiel zum heiligen Gral, der mußte geistige Wege zu gehen verstehen. Physische Wege war man gegangen in der alten Zeit,

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vor dem Brande von Ephesus. Geistige Wege mußte man gehen im Mittelalter.

Insbesondere aber mußte man geistige Wege gehen, wenn es sich darum handelte, vom dreizehnten, vierzehnten Jahrhundert, nament­lich aber vom fünfzehnten Jahrhundert ab eine wirkliche Rosenkreu­zer-Unterweisung zu erlangen. Denn die Tempel der Rosenkreuzer waren tief verborgen für das äußere physische Erleben. Viele wirkliche Rosenkreuzer waren Besucher der Tempel, aber kein äußeres physisches Menschenauge konnte die Tempel finden. Schüler aber konnte es geben, die kamen zu diesen alten Rosenkreuzern, die da und dort wie Eremi­ten des Wissens und der heiligen Menschentat zu finden waren, zu finden waren für denjenigen, der aus mildem Augenglanz Götter-sprache vernehmen kann. Ich sage damit nichts Uneigentliches. Ich will kein Bild aussprechen, ich will durchaus eine Wirklichkeit aus­sprechen, die in der Zeit, auf die ich deute, wirklich eine recht bedeut­same Wirklichkeit war. Den Rosenkreuzer-Meister fand man, wenn man sich erst die Fähigkeit erworben hatte, im physischen milden Augenglanz die Himmelssprache vernehmen zu können. Dann fand man in anspruchslosester Umgebung, in ansprudislosesten menschlichen Verhältnissen, gerade im vierzehnten, fünfzehnten Jahrhundert in Mitteleuropa diese merkwürdigen Persönlichkeiten, die in ihrem In­nern gotterfüllt waren, die in ihrem Innern zusammenhingen mit den geistigen Tempeln, die vorhanden waren, zu welchen aber der Zugang wirklich so schwierig war wie derjenige, der als Zugang zum heiligen Gral in der bekannten Legende geschildert wird.

Dann, wenn man hinschaut auf dasjenige, was sich abspielte zwi­schen einem solchen Rosenkreuzer-Meister und seinem Schüler, dann kann man manches Gespräch belauschen, welches auch in der Form der neueren Zeit Götterweisheit auf Erden wandelnd darstellt. Die Unterweisunge'n waren durchaus tief konkret. Da wurde in seiner Einsamkeit ein Rosenkreuzer-Meister gefunden von einem Schüler, der es sich hat heiß werden lassen, ihn zu suchen und zu finden. Da schaute einer der Schüler in die mild blickenden Augen, aus denen Götter-sprache spricht, und da bekam er anspruchslos etwa die folgende Unterweisung.

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Schaue hin, mein Sohn, auf deine eigene Wesenheit. Du trägst an dir jenen Körper, den deine äußeren physischen Augen sehen. Der Mittelpunkt der Erde schickt diesem Körper die Kräfte, die ihn sicht­bar machen. Das ist dein physischer Leib. Aber schaue dich um in der Umgebung deiner selbst auf der Erde. Du siehst die Steine, sie dürfen für sich auf der Erde sein, sie sind heimatlich auf der Erde. Sie können, wenn sie eine Gestalt angenommen haben, diese Gestalt behalten durch die Erdenkräfte. Sieh den Kristall: er trägt seine Form in sich, er behält diese Form seiner eigenen Wesenheit durch die Erde. Das kann dein physischer Leib nicht. Verläßt ihn deine Seele, dann zerstört ihn die Erde, dann löst sie ihn in Staub auf. Die Erde hat keine Macht über deinen physischen Leib. Sie hat die Macht, die durchsichtigen, wunder­bar gestalteten Kristallgebilde zu bilden und zu erhalten; sie hat keine Macht, die Gestalt deines physischen Leibes zu erhalten, sie muß ihn in Staub auflösen. Nicht von der Erde ist dein physischer Leib. Dein physischer Leib ist von hoher Geistigkeit. Seraphim, Cherubim, Throne, ihnen gehört dasjenige, was Form und Gestalt deines physi­schen Leibes ist. Nicht der Erde gehört dieser physische Leib, den höchsten dir zunächst zugänglichen geistigen Mächten gehört dieser physische Leib. Die Erde kann ihn zerstören, niemals kann sie ihn aufbauen.

Und innerhalb dieses deines physischen Leibes wohnt dein ätheri­scher Leib. Es wird der Tag kommen, da dein physischer Leib von der Erde zur Zerstörung angenommen wird. Dann wird dein ätherischer Leib in den Weiten des Kosmos sich auflösen. Die Weiten des Kosmos können diesen ätherischen Leib zwar auflösen, aber nicht aufbauen. Aufbauen können ihn nur jene göttlich-geistigen Wesenheiten, die der Hierarchie der Dynamis, Exusiai, Kyriotetes angehören. Ihnen ver-dankst du deinen ätherischen Leib. Du vereinigst mit deinem physi­schen Leib die physischen Stoffe der Erde. Was aber in dir ist, wandelt die physischen Stoffe der Erde so um, daß es in ihnen ungleich wird allem, was physisch in der Umgebung des physischen Leibes ist. Dein ätherischer Leib bewegt alles dasjenige in dir, was in dir Flüssigkeit, was in dir Wasser ist. Die Säfte, die da kreisen, die da zirkulieren, sie stehen unter dem Einflusse deines ätherischen Leibes. Aber sieh dein

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Blut: Exusiai, Dynamis, Kyriotetes, sie sind es, die dieses Blut als Flüs­sigkeit durch deine Adern kreisen lassen. Du bist nur als physischer Körper Mensch. In deinem Ätherleib bist du noch Tier, aber ein Tier, das durchgeistigt wird von der zweiten Hierarchie.

Dasjenige, was ich Ihnen hier, allerdings jetzt in wenigen Worten zusammenfasse, es war der Gegenstand eines langen Unterrichtes jenes Meisters, in dessen mildem Augen-Blick der Schüler die Sprache des Himmels vernahm. Dann wurde der Schüler hingewiesen auf das dritte Glied der menschlichen Wesenheit, das wir den astralischen Leib nennen. Dem Schüler wurde klargemacht, daß dieser astralische Leib die Impulse enthält zum Atmen, zu alledem, was Luft im mensch­lichen Organismus ist, zu alledem, was als Luft pulsiert im mensch­lichen Organismus. Aber obwohl das Irdische sich bemüht, durch eine lange Zeit, nachdem der Mensch durch die Pforte des Todes gegangen ist, gewissermaßen zu rumoren im Luftartigen und für einen hellsich­tigen Blick in den atmosphärischen Erscheinungen der Erde jahrelang wahrzunehmen ist das Poltern der astralischen Leiber der Verstor­benen, so kann auch die Erde mit ihrem Umkreis doch nichts anderes tun gegenüber den Impulsen des astralischen Leibes, als sie auflösen. Denn bilden können sie nur die Wesenheiten der dritten Hierarchie, Archai, Archangeloi, Angeloi.

Und so sagte, damit den Schüler tief ins Herz treffend, der Meister:

Du gehörst deinem physischen Leibe nach, insofern du das Mineral-reich in dir aufnimmst und es veränderst, insofern du das Menschen-reich in dir aufnimmst und es verarbeitest, du gehörst den Seraphim, Cherubim, Thronen an. Insofern du ein ätherischer Leib bist, bist du im Ätherischen tierähnlich, aber du gehörst da den Geistern an, die da bezeichnet werden als die der zweiten Hierarchie: Kyriotetes, Dynamis, Exusiai, und insofern du im flüssigen Elemente waltest, ge-hörst du nidir der Erde an, sondern dieser Hierarchie. Und indem du im luftförmigen Elemente waltest, gehörst du nicht der Erde an, son­dern der Hierarchie der Angeloi. Archangeloi, Archai.

Und nachdem in genügender Weise der Schüler diese Unterweisung erhalten hatte, fühlte er sich nicht mehr als einen Angehörigen der Erde. Er fühlte gewissermaßen von seinem physischen, ätherischen,

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astralischen Leib ausgehend die Kräfte, die ihn durch die Mineraiwelt verbinden mit der ersten Hierarchie, durch die wässerige Erde verbin­den mit der zweiten Hierarchie, durch den Luftkreis verbinden mit der dritten Hierarchie. Und klar war ihm: er lebt auf der Erde lediglich durch dasjenige, was er als Wärmeelement in sich trägt. Damit aber empfand der Rosenkreuzer-Schüler die Wärme, die er in sich trägt, die physische Wärme, die er in sich trägt, als das eigentliche Irdisch-Menschliche. Und immer mehr lernte er verwandt fühlen mit dieser physischen Wärme die Seelenwärme und die Geisteswärme. Und wäh­rend der spätere Mensch immer mehr und mehr verkannt hat, wie mit dem Göttlichen zusammenhängen sein physischer Inhalt, sein ätheri­scher Inhalt, sein astralischer Inhalt durch Festes, Flüssiges, Luftförmi-ges, hat der Rosenkreuzer-Schüler dies recht gut gewußt und hat ge­wußt: das wahrhaft Irdisch-Menschliche ist das Wärmeelement. In dem Augenblicke, wo dem Schüler des Rosenkreuzer-Meisters dieses Geheim­nis vom Zusammenhange des Wärmeelementes mit dem Menschlich-Irdischen aufgegangen war, in diesem Momente wußte er sein Mensch­liches an das Geistige anzuknüpfen.

Und in jenen oftmals recht ansprudislosen Heimen, in denen solche Rosenkreuzer-Meister wohnten, da war es, daß vor dem Eintritt auf eine oftmals ungesuchte, ja wunderbar erscheinende Weise die Schüler vorbereitet wurden, indem sie aufmerksam gemacht wurden - der eine auf diese, der andere auf jene Art, es schien oftmals äußerlich ein Zufall zu sein -, indem sie aufmerksam darauf gemacht wurden: Du mußt suchen, wo sich dein Geistiges an das Kosmisch-Geistige anschlie­ßen kann. - Und wenn der Schüler jene Unterweisung, von der ich Ihnen eben gesprochen habe, erhalten hatte, dann, ja dann konnte er seinem Meister sagen: Ich gehe jetzt von dir mit dem größten Troste, der mir auf Erden hat werden können. Denn dadurch, daß du mir gezeigt hast, daß der irdische Mensch sein Element wahrhaftig in der Wärme hat, dadurch hast du mir die Möglichkeit gegeben, mit mei­nem Physischen anzuknüpfen an das Seelische und Geistige. In die festen Knochen, in das flüssige Blut, in die luftförnige Atmung bringe ich nicht hinein das Seelische. In das Wärmeelement bringe ich es hinein.

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Und eine ungeheure Ruhe war es, mit der die also Unterwiesenen in jenen Zeiten von ihren Meistern hinweggingen. Und aus der Ruhe des Antlitzes, die ausdrückte das Ergebnis des großen Trostes, aus der Ruhe des Antlitzes entwickelte sich allmählich jener milde Blick, aus dem die Sprache des Himmels sprechen kann. Und so war eine tief seelische Unterweisung im Grunde vorhanden bis in das erste Drittel des fünfzehnten Jahrhunderts herein, verborgen gegenüber jenen Vor­gängen, von denen die äußere Geschichte berichtet. Aber eine Unter­weisung fand da statt, welche den ganzen Menschen ergriffen hat, eine Unterweisung, welche die menschliche Seele an die Sphäre des Kos-misch-Geistigen hat anknüpfen lassen ihr eigenes Wesen.

Diese ganze geistige Stimmung, sie ist im Laufe der letzten Jahr­hunderte dahingegangen. Sie ist nicht mehr in unserer Zivilisation ent­halten. Und eine äußerliche, gottfremde Zivilisation hat sich über die Stätten ausgebreitet, die einstmals solches gesehen haben, wie ich es Ihnen jetzt eben geschildert habe. Man steht heute da mit der Erinne­rung, die ja nur im Geiste, im Astrallichte herauferschaffen werden kann, an so manche Szene, die ähnlich derjenigen ist, die ich Ihnen eben ge­schildert habe. Das gibt die Grundstinmung, die man heute hat, wenn man zurückblickt in jene Zeiten, die oftmals als so finster geschildert werden, und dann blickt in unsere Zeit. Aber bei diesem Blick geht im Herzen auf aus den geistigen Offenbarungen, die seit dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts dem Menschen werden können, die tiefe Sehnsucht, in geistiger Art wiederum zu den Menschen zu sprechen. Und die geistige Art läßt sich nicht bloß sprechen durch ab­strakte Worte, die geistige Art fordert mancherlei Zeichen, um in der umfassenden Weise zu sprechen. Und eine solche Sprache, die gefunden werden sollte für jene geistigen Wesenheiten, die zu der modernen Menschheit sprechen sollen, eine solche Sprachform waren die Formen unseres vor einem Jahre verbrannten Goetheanums. Wahrhaftig, in diesen Formen sollte weiter sprechen dasjenige, was vom Podium aus in Ideen zu den Zuhörern gesprochen worden ist. Und damit war in einer gewissen Weise mit dem Goetheanum etwas vorhanden, was wirklich an Altes in ganz neuer Form wieder erinnern konnte.

Wenn der Einzuweihende den Tempel von Ephesus betrat, dann

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wurde sein Blick gelenkt auf jene Statue, von der ich in diesen Tagen gesprochen habe, auf jene Statue, die ihm eigentlich die Worte in Herzenssprache zurief: Vereinige dich mit dem Weltenäther, und du schaust das Irdische aus Ätherhöhen. - So hat mancher Schüler von Ephesus das Irdische aus Ätherhöhen geschaut. Und ein gewisses Göt-tergeschlecht wurde neidisch. Aber gegen den Neid der Götter haben Jahrhunderte vor dem Mysterium von Golgatha dennoch mutvolle Menschen die Möglichkeit gefunden, fortzupflanzen - wenn auch in Abschwächung, so doch nur in der Abschwächung, in der es fort-wirken konnte - dasjenige, was aus uralt-heiligen Menschheits-Ent­wickelungsjahren bis zum Brande von Ephesus gewirkt hat. Und wäre unser Goetheanum ganz fertig geworden, dann wäre auch vom Ein­tritte im Westen der Blick gefallen auf jene Statue, in der der Mensch die Aufforderung gefunden hätte, sich selber als kosmisches Wesen zu wissen, hineingestellt zwischen die Mächte des Luziferischen und die Mächte des Ahrimanischen, in innerer, gottgetragener Wesensausglei-chung. Und blickte man auf die Formen der Säulen, der Architrave, so sprach das eine Sprache, eine Sprache, welche die Fortsetzung der vom Podium aus in Ideen Geistiges wie interpretierenden Sprache war. Die Worte klangen weiter entlang den Formen, die plastisch ausgestal­tet waren. Und oben in der Kuppel waren zu sehen jene Szenen, welche die Menschheitsentwickelung dem geistigen Blicke nahebringen konn­ten. Es war schon in diesem Goetheanum für den, der empfinden konnte, eine Erinnerung an den Tempel von Ephesus zu sehen.

Aber die Erinnerung wurde furchtbar schmerzlich, als auf eine gar nicht unähnliche, der alten nicht unähnlichen Weise gerade in dem Punkte der Entwickelung, in dem das Goetheanum hätte übergehen sollen durch es selbst, der Träger der Erneuerung des spirituellen Le­bens zu werden, in dem Zeitpunkte nun auch die Brandfackel in dieses Goetheanum geworfen wurde.

Meine lieben Freunde, unser Schmerz war tief. Unser Schmerz war unbeschreiblich. Aber wir faßten den Entschluß, unge hindert um das Traurigste, Tragischste, das uns hat passieren können, unsere Arbeit für die geistige Welt fortzusetzen. Denn man konnte sich in seinem Herzen sagen: Schaut man hin auf die Flammen, die aus Ephesus aufsteigen,

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so erscheint in die Flammen hineingeschrieben der Neid der Götter in einer Zeit, in der die Meiischen noch unfrei mehr dem Willen guter und böser Götter folgen mußten.

In unserer Zeit sind die Menschen organisiert zur Freiheit hin. Und vor einem Jahre, in der Silvesternacht, schauten wir hin auf die ver­zehrenden Flammen. Die rote Lohe ging gegen den Himmel. Dunkel-bläuliche, rötlich-gelbe Flammenlinien züngelten durch das allgemeine Feuermeer, von den metallischen Instrumenten herrührend, die das Goetheanum barg, ein Riesenfeuermeer mit den mannigfaltigsten far­bigen Inhalten. Und man mußte, wenn man in dieses Flammenmeer sah mit den farbigen Linien darinnen, sprechend zum Schmerze der Seele, lesen: der Neid der Menschen.

So gliedert sich dasjenige, was von Epoche zu Epoche in der Mensch­heitsentwickelung spricht, zusammen selbst im größten Unglücke. Es geht ein Faden von dem Worte, das da ausdrückt ein größtes Unglück aus der Zeit, wo die Menschen noch in Unfreiheit zu den Göttern aufsahen, aber sich freimachen sollten von der Unfreiheit, es geht ein Faden der geistigen Entwickelung von jenem Unglücke, da man ein­geschrieben sah in die Flammen: der Neid der Götter - herüber zu unserem Unglücke, wo der Mensch in sich selber die Kraft der Freiheit finden soll, und wo in die Flammen eingeschrieben war: der Neid der Menschen. In Ephesus die Götterstatue; hier im Goetheanum die Menschenstatue, die Statue des Menschheits-Repräsentanten, des Christus-Jesus, in dem wir gedachten, uns mit ihm identifizierend, in aller Demut so in der Erkenntnis aufzugehen, wie einstmals in ihrer Art auf eine heute der Menschheit nicht mehr völlig verständliche Art die Schüler von Ephesus in der Diana von Ephesus aufgingen.

Der Schmerz wird nicht geringer, wenn man im historischen Lichte schaut dasjenige, was uns der Silvesterabend im vorigen Jahre brachte. Es hat ja sollen, als ich zum letzten Mal auf dem Podium stehen durfte, das im Einklange mit dem ganzen Bau dort aufgerichtet war, es hat ja sollen der Blick der damaligen Zuhörer, der Seelenblick, hingelenkt werden auf den Aufstieg aus irdischen Gebieten in Stemengebiete, die ausdrücken den Willen und die Weisheit, das Licht des geistigen Kosmos. Ich weiß, Pate standen dazumal manche von den Geistern,

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die im Mittelalter also ihre Schüler lehrten, wie ich es Ihnen beschrieben habe. Und eine Stunde, nachdem das letzte Wort ge­sprochen war, wurde ich geholt zum Brande des Goetheanums. Und am Brande des Goetheanums verbrachten wir die Silvesternacht des vorigen Jahres.

Man braucht ja diese Worte nur auszusprechen, und Unsägliches geht vor in allen unseren Herzen, in allen unseren Seelen. Aber wenn so etwas über ein Heiliges in der Menschheitsentwickelung hinweg-gezogen ist, dann gab es immer einige, die gelobten, nach der Auf­lösung des Physischen weiterzuwirken in dem Geiste, dem das Physi­sche gewidmet war. Und ich denke, da wir versammelt sind in dem Augenblicke, da sich jährt unser Goetheanum-Unglück, so dürfen wir gedenken, daß unsere Seelen die rechte Stimmung für dieses unser Zu­sammensein haben, wenn wir uns alle geloben, das im Geiste weiter durch die Fortschrittswelle der Menschheit zu tragen, was durch physi­sche Form, physisches Bild, physische Gestaltung mit dem Goethe-anum hingestellt war, und das dem physischen Auge durch eine Hero­stratos-Tat entzogen worden ist. Am alten Goetheanum haftet unser Schmerz. Würdig werden wir nur durch dasjenige, das uns immerhin auf­erlegt ist dadurch, daß wir dieses Goetheanum bauen durften, wenn wir uns heute in der Erinnerung das Gelöbnis ablegen, jeder vor dem gött­lich Besten, das er in der Seele trägt, treu zu bleiben den geistigen Impul­sen, die ihre äußere Form in jenem Goetheanum gehabt haben. Dieses Goetheanum konnte uns genommen werden. Der Geist dieses Goethe­anums kann uns, wenn wir wirklich ehrlich und aufrichtig wollen, nicht genommen werden. Und er wird uns am wenigsten genommen, wenn wir in dieser ernst-feierlichen Stunde, die uns nur noch kurze Zeit trennt von dem Zeitpunkte, da vor einem Jahre herausloderten die Flammen aus unserem geliebten Goetheanum, wenn wir in diesem Augenblicke nicht nur den Schmerz erneut empfinden, sondern aus diesem Schmerze heraus uns geloben, jenem Geiste treu zu bleiben, dem wir diese Stätte durch zehn Jahre hindurch aufbauen durften. Dann, meine lieben Freunde, wenn dieses innere Gelöbnis uns ehrlich, aufrichtig heute aus dem Herzen quillt, wenn wir den Schmerz, das Leiden verwandeln können in den Impuls der Tat, dann werden wir

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auch das traurige Ereignis verwandeln in Segen. Der Schmerz kann dadurch nicht geringer werden, aber es obliegt uns gerade, aus dem Schmerze heraus den Antrieb zur Tat, zur Tat im Geiste zu finden.

Und so, meine lieben Freunde, schauen wir zurück auf die furcht­bare Feuerflamme, die uns mit so unsäglicher Trauer erfüllte. Fühlen wir aber heute, den besten göttlichen Kräften in uns selbst uns ange-lobend, die heilige Flamme in unseren Herzen, die geistig erleuchten und wärmen soll dasjenige, was mit dem Goetheanum gewollt war, indem wir diesen Willen forttragen durch die Fortschrittswellen der Menschheit. So wiederholen wir in diesem Augenblicke vertieft die Worte, die ich vor einem Jahre drüben ungefähr in diesem selben Zeit­punkte sprechen durfte. Damals sprach ich ungefähr: Wir leben in einem Silvester, wir müssen entgegenleben einem neuen Weltenjahr. -Oh, stünde das Goetheanum noch unter uns, diese Aufforderung könnte in diesem Momente erneut werden! Es steht nicht mehr unter uns. Sie darf gerade, weil es nicht mehr unter uns steht, wie ich glaube, mit vielfach vermehrter Kraft am heutigen Silvesterabend ausgespro­chen werden. Tragen wir die Seele des Goetheanums in das neue Weltenjahr hinüber, und versuchen wir, zu errichten in dem neuen Goetheanum dem Leibe des alten ein würdiges Dokument, ein wür­diges Denkmal.

Das, meine lieben Freunde, knüpfe unsere Herzen an das alte Goetheanum, das wir den Elementen übergeben mußten. Das knüpfe aber unsere Herzen an den Geist, an die Seele dieses Goetheanums. Und mit diesem Angelöbnis an unser bestes Wesen in uns selber wollen wir hinüberleben nicht bloß in das neue Jahr, wollen hinüberleben, tatkräftig, geisttragend, seelenführend in das neue Weltenjahr.

Meine lieben Freunde, Sie haben mich empfangen, indem Sie sich in der Erinnerung an das alte Goetheanum erhoben haben. Sie leben in der Erinnerung an dieses alte Goetheanum. Erheben wir uns jetzt zum Zeichen, daß wir uns angeloben, in dem Geiste des Goetheanum weiterzuwirken mit den besten Kräften, die wir im Bilde unseres Menschenwesens finden können. Ja, so sei es. Amen.

Und so wollen wir es halten, meine lieben Freunde, so lange wir es können, nach dem Willen, der unsere Menschenseelen verbindet mit

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den Götterseelen, denen wir treu bleiben wollen in dem Geiste, aus dem heraus wir diese Treue suchten in einem bestimmten Zeitpunkte unseres Lebens, da wir die Geisteswissenschaft des Goetheanums such­ten. Und verstehen wir, diese Treue zu halten.

NEUNTER VORTRAG Dornach, 1. Januar 1924

#G233-1962-SE143 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

#TI

NEUNTER VORTRAG

Dornach, 1. Januar 1924

#TX

Da wir nun zum letzten Mal in dieser Tagung, von der Kraftvolles, Wichtiges für die anthroposophische Bewegung ausgehen soll, zusam­men sind, lassen Sie mich wohl den letzten Vortrag so gestalten, daß er sich innerlich, dem Impulse nach, anschließt an die mancherlei Aus-blicke, die uns diese Vortragsreihe gegeben hat, daß aber auch auf der anderen Seite in einer gewissen Weise, ich möchte sagen empfindungs-gemäß; auf die Zukunft, namentlich die Zukunft des anthroposophi­schen Strebens dadurch hingewiesen werde.

Wenn man heute in die Welt hinaussieht, so bietet sich, zwar seit Jahren schon, außerordentlich viel Zerstörungsstoff. Kräfte sind am Werk, die ahnen lassen, in welche Abgründe die westliche Zivilisation noch hineinsteuern wird. Aber man möchte sagen: Wenn man gerade nach denjenigen Menschen sieht, welche gewissermaßen äußerlich die geistige Führerschaft auf den verschiedensten Gebieten des Lebens inne-haben, dann wird man bemerken, wie diese Menschen in einem furcht­baren Weltenschlafe befangen sind. - Sie denken ja ungefähr so, noch vor kurzer Zeit dachten die meisten vielleicht so: Bis ins neunzehnte Jahrhundert herein war die Menschheit in bezug auf ihre Einsichten und Anschauungen kindlich, primitiv. Dann ist die neuere Wissenschaft auf den verschiedensten Gebieten gekommen, und nun sei etwas da, was wohl in alle Ewigkeit als die Wahrheit weitergepflegt werden müsse.

Die Menschen, die so denken, leben eigentlich in einem ungeheuren Hochmut, wissen es nur nicht. Demgegenüber erscheint manchmal doch innerhalb der heutigen Menschen diese oder jene Ahnung, daß die Dinge doch nicht so sind, wie ich sie eben als in der Meinung der meisten liegend dargestellt habe.

Während ich vor einiger Zeit jene Vorträge halten konnte in Deutsch­land, die vom Wolffschen Büro organisiert waren und die eine außer­ordentlich reiche Zuhörerschaft gebracht haben, so daß schon mancher aufmerkte, wie Anthroposophie eigentlich begehrt wird, da zeigte sich unter so vielen albernen gegnerischen Stimmen eine, die ja inhaltlich

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nicht viel gescheiter als die anderen war, die aber dennoch eine merk­würdige Ahnung verriet. Sie bestand in einer Zeitungsnotiz, die an-knüpfte an einen der Vorträge, die ich in Berlin zu halten hatte. Da sagte eine Zeitungsstimme: Wenn man sich so etwas anhört - wie ich es dazumal in jenem Berliner Vortrage vorgebracht habe -, dann wird man doch aufmerksam darauf, daß nicht nur auf der Erde - ich zitiere ungefähr, wie die Notiz war -, sondern im ganzen Kosmos etwas vor­geht, was die Menschen zu einer anderen Geistigkeit aufruft, als sie vorher da war. Man sehe, daß jetzt sozusagen die Kräfte des Kosmos, nicht bloß die irdischen Impulse, von den Menschen etwas fordern; eine Art Revolution im Kosmos, deren Ergebnis eben das Streben nach neuer Geistigkeit sein müsse.

Solch eine Stimme war immerhin da, und sie war eigentlich recht bemerkenswert. Denn wahr ist es ja: Was in richtiger Art impulsieren muß dasjenige, was nunmehr von Dornach ausgehen soll, das muß, wie ich in diesen Tagen von den verschiedensten Gesichtspunkten aus be­tonte, ein Impuls sein, nicht auf der Erde entsprossen, sondern ein Im­puls, entsprossen in der geistigen Welt. Wir wollen hier die Kraft ent­wickeln, Impulsen aus der geistigen Welt zu folgen. Deshalb habe ich in diesen Abendvorträgen während dieser Weihnachtstagung von mannigfaltigen Impulsen, die in der geschichtlichen Entwickelung da waren, gesprochen, damit die Herzen aufgehen können für das Auf­nehmen geistiger Impulse, die erst einströmen sollen in die irdische Welt, die nicht von der irdischen Welt selber genommen sein sollen. Denn alles, was bisher die irdische Welt in richtigem Sinne getragen hat, war aus der geistigen Welt entsprungen. Und sollen wir etwas für die irdische Welt Fruchtbares leisten, so müssen die Impulse dazu aus der geistigen Welt geholt werden.

Das, meine lieben Freunde, regt an, hinzuweisen darauf, wie die Antriebe, die wir mitnehmen sollen aus dieser Tagung in unser ferne­res Wirken, verbunden sein müssen mit einer großen Verantwortung.

Lassen Sie uns einmal einige Minuten verweilen bei dem, was uns auferlegt ist durch diese Tagung als eine große Verantwortung. Man konnte in den letzten Jahrzehnten mit einem Sinn für die geistige Welt an mancherlei Persönlichkeiten vorbeigehen, geistig beobachtend und

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bittere Gefühle empfangend aus dieser geistigen Beobachtung für das kommende Schicksal der Erdenmenschheit. Man konnte vorbeigehen an den Mitmenschen der Erde auf jene Art, wie man es eben im Geiste kann, und diese Menschen beobachten, wenn sie schlafend ihren physi­schen und Ätherleib verlassen haben und mit ihrem Ich und mit ihrem astralischen Leib in der geistigen Welt weilen. Ja, Wanderungen anzu­stellen über die Schicksale der Iche und astralischen Leiber in den letzten Jahrzehnten, während die Menschen schliefen, das war schon die Veranlassung zu Erfahrungen, die auf schwere Verantwortlich­keiten für den, der diese Dinge wissen kann, hinweisen. Diese Seelen, die vom Einschlafen bis zum Aufwachen ihren physischen Leib und ihren Ätherleib verlassen hatten, diese Seelen sah man dann öfter herankommen an den Hüter der Schwelle.

Dieser Hüter der Schwelle in die geistige Welt ist ja im Laufe der Menschheitsentwickelung den Menschen in der mannigfaltigsten Weise vor das Bewußtsein getreten. Manche Legende, manche Sage - denn in solcher Form erhalten sich ja die wichtigsten Dinge, nicht in der Form der geschichtlichen Überlieferung -, manche Legende, manche Sage weist eben darauf hin, wie in älteren Zeiten diese oder jene Persönlich­keit dem Hüter der Schwelle begegnet ist und von ihm die Unter­weisung bekommen hat, wie sie hineinkommen soll in die geistige Welt und wiederum zurück in die physische Welt. Denn alles richtige Hinein­kommen in die geistige Welt muß begleitet sein von der Möglichkeit, in jedem Augenblicke wiederum zurückkehren zu können in die physi­sche Welt und in ihr wirklich auf beiden Beinen zu stehen als ein durch­aus praktischer, besonnener Mensch, nicht als ein Schwärmer, nicht als ein schwärmerischer Mystiker.

Das wurde im Grunde genommen gegenüber dem Hüter der Schwelle durch all die Jahrtausende des Menschenstrebens in die geistige Welt hinein verlangt. Aber insbesondere im letzten Drittel des neunzehn­ten Jahrhunderts, da sah man kaum Menschen, die im wachen Zustande an den Hüter der Schwelle herangelangten. Um so mehr aber in unserer Zeit, wo es der ganzen Menschheit historisch auferlegt ist, in irgend­einer Form am Hüter der Schwelle vorbeizukommen, um so mehr findet man, wie gesagt, bei entsprechenden Wanderungen in der geistigen

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Welt, wie die schlafenden Seelen als Iche und astralische Leiber an den Hüter der Schwelle herankommen. Das sind die bedeutungsvollen Bilder, die man heute bekommen kann: der ernste Hüter der Schwelle, um ihn herum Gruppen von schlafenden Menschenseelen, die im wa­chenden Zustande nicht die Kraft haben, an diesen Hüter der Schwelle heranzukommen, die an ihn herankommen, während sie schlafen.

Dann, wenn man die Szene sieht, die sich da abspielt, dann bekommt man einen Gedanken, der gerade verbunden ist mit dem, was ich das Aufkeimen einer notwendigen großen Verantwortung nennen möchte. Die Seelen, die so im schlafenden Zustande an den Hüter der Schwelle herankommen, sie fordern mit demjenigen Bewußtsein - für das wache bleibt es unbewußt oder unterbewußt -, das der Mensch im Schlafe hat, den Einlaß in die geistige Welt, das Hinüberwandern über die Schwelle. Und in zahllosen Fällen hört man dann die Stimme des ern­sten Hüters der Schwelle: Du darfst zu deinem eigenen Heile nicht hinüber über die Schwelle. Du darfst nicht den Einlaß gewinnen in die geistige Welt. Du mußt zurück. - Denn würde der Hüter der Schwelle solchen Seelen ohne weiteres den Einlaß in die geistige Welt gewähren, sie würden über die Schwelle hinübergehen, sie würden in die geistige Welt hineinkommen mit den Begriffen, die ihnen die heutige Schule, die heutige Bildung, die heutige Zivilisation überliefert, mit den Be­griffen und Ideen, mit denen der Mensch heute aufwachsen muß zwi­schen dem sechsten Jahre und im Grunde genommen dem Ende seines Erdenlebens.

Diese Begriffe und Ideen, sie haben die Eigentümlichkeit: wenn man mit ihnen, so wie man mit ihnen geworden ist durch die gegen­wärtige Zivilisation und Schule, in die geistige Welt eintritt, wird man seelisch paralysiert. Und man würde zurückgelangen in die physische Welt in Gedanken- und Ideenleerheit. Würde der Hüter der Schwelle nicht erst diese Seelen zurückstoßen, viele Seelen der gegenwärtigen Menschen zurückstoßen, würde er sie hinüberlassen in die geistige Welt, dann würden sie, wenn sie wiederum aufwachend zurückkommen, beim entscheidenden Aufwachen zurückkommen, das Gefühl haben:

Ich kann ja nicht denken, meine Gedanken ergreifen mein Gehirn nicht, ich muß gedankenlos durch die Welt gehen. - Denn so ist die

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Welt der abstrakten Ideen, die der Mensch heute anknüpft an alles:

man kann mit ihnen hinein in die geistige Welt, aber nicht wieder mit ihnen heraus. Und wenn man diese Szene sieht, die wirklich heute im Schlafe mehr Seelen erleben, als man gewöhnlich glaubt, dann sagt man sich: Oh, wenn es nur gelänge, diese Seelen davor zu behüten, daß, was sie im Schlafe erleben, sie nicht auch im Tode erleben müs­sen. - Denn wenn der Zustand, der so erlebt wird vor dem Hüter der Schwelle, lange genug fortdauern würde, das heißt, wenn die mensch­liche Zivilisation lange unter demjenigen bliebe, was man heute in den Schulen aufnehmen, durch die Zivilisation überliefert erhalten kann, dann würde aus dem Schlafe Leben werden. Die Menschenseelen wür­den hinübergehen durch die Pforte des Todes in die geistige Welt, aber nicht wieder eine Kraft der Ideen in das nächste Erdenleben bringen können. Denn man kann hinein mit den heutigen Gedanken in die geistige Welt, nicht aber mit ihnen wieder heraus. Man kann nur see­lisch paralysiert wieder herauskommen.

Sehen Sie, die Zivilisation der Gegenwart läßt sich begründen mit dieser Form des geistigen Lebens, die eben seit so langer Zeit gepflegt worden ist, aber das Leben läßt sich damit nicht begründen. Diese Zivilisation könnte eine Zeitlang fortgehen. Die Seelen würden eben während des Wachens nichts ahnen von dem Hüter der Schwelle, wäh­rend des Schlafens von ihm zurückgewiesen werden, damit sie nicht paralysiert würden, und zuletzt würde das bewirken, daß ein Men­schengeschlecht in der Zukunft geboren würde, welches keinen Ver­stand, keine Möglichkeit, Ideen im Leben anzuwenden, in diesem künf­tigen Erdenleben zeigte, und das Denken, das Leben in Ideen würde von der Erde verschwinden. Ein krankhaftes, bloß instinktives Men­schengeschlecht würde die Erde bevölkern müssen. Schlimme Gefühle und Emotionen allein, ohne die orientierende Kraft der Ideen, würden Platz greifen in der Menschheitsentwickelung. Ja, es ist so, daß nicht nur in der schon geschilderten Weise sich durch die Beobachtung der vor dem Hüter der Schwelle stehenden Seele, die keinen Einlaß gewinnen kann in die geistige Welt, daß nicht nur dadurch ein trauriges Bild sich darbietet dem geistig Schauenden, sondern auch noch in einer an­deren Beziehung.

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Nimmt man eine Menschenwesenheit, die nun nicht aus westlicher Zivilisation, sondern aus östlicher Zivilisation entsprungen ist, mit auf jener Wanderung, die ich charakterisiert habe, auf der man beobachten kann die schlafenden Menschenseelen vor dem Hüter der Schwelle, nimmt man eine solche östliche Menschenwesenheit mit, dann kann man von ihr die Geist-Worte wie einen furchtbaren Vorwurf gegen­über der gesamten westlichen Zivilisation erheben hören: Seht ihr, wenn das so fortgeht, wird schon, wenn die Menschen, die heute leben, neuerdings in einer Inkarnation auf Erden erscheinen, die Erde bar-barisiert sein. Die Menschen werden ohne Ideen, nur noch in Instinkten leben. So weit habt ihr es gebracht, weil ihr abgefallen seid von der alten Spiritualität des Morgenlandes.

In der Tat, für dasjenige, was Aufgabe des Menschen ist, kann ge­rade ein solcher Blick in die geistige Welt hinein, wie ich ihn geschildert habe, eine starke Verantwortlichkeit erzeugen. Und hier in Dornach muß eine Stätte sein, wo für diejenigen Menschen, die es hören wollen, gesprochen werden kann von allen wichtigen, unmittelbaren Erleb­nissen in der geistigen Welt. Hier muß eine Stätte sein, wo die Kraft gefunden wird, nicht bloß in ausspintisierender, dialektisch-empiri­scher Wissenschaftlichkeit der Gegenwart hinzudeuten darauf, daß es da oder dort solche kleinen Spuren des Geistigen gibt, sondern wenn Dornach seine Aufgabe erfüllen will, dann muß hier offen von dem, was in der geistigen Welt vorgeht geschichtlich, was in der geistigen Welt vorgeht als Impulse, die dann in das natürliche Dasein hinein­gehen und die Natur beherrschen, es muß in Dornach von wirklichen Erlebnissen, von wirklichen Kräften, von wirklichen Wesenheiten der geistigen Welt der Mensch hören können. Hier muß die Hochschule der wirklichen Geisteswissenschaft sein. Und wir dürfen fortan nicht zu­rückweichen vor den Anforderungen heutiger Wissenschaftlichkeit, die den Menschen so, wie ich es geschildert habe, schlafend vor den ern­sten Hüter der Schwelle führt. Man muß sozusagen in Dornach Kraft gewinnen können, sich - geistig sei es gemeint - Auge in Auge der gei­stigen Welt wirklich gegenüberzustehen, von der geistigen Welt zu erfahren.

Daher soll auch hier nicht in dialektischen Tiraden von dem Ungegenügenden

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der heutigen Wissenschaftstheorie gesprochen werden, sondern ich mußte darauf aufmerksam machen, in welche Lage der Mensch gegenüber dem Hüter der Schwelle durch diese Wissenschaftstheorien mit ihren Ausläufern in die gewöhnliche Schule kommt. Wenn man sich jetzt bei dieser Tagung hier einmal dies ernsthaftig gegenüber der eigenen Seele gestanden hat, dann wird diese Weihnachtstagung einen kräftigen Impuls in die Seele hineinsenden, der dann diese Seele hin-austragen kann zu kräftigem Wirken, wie es die Menschheit heute braucht, damit die nächste Inkarnation die Menschen so finde, daß sie wirklich dem Hüter der Schwelle begegnen können, das heißt, daß die Zivilisätion so werde, daß sie selbst als Zivilisation vor dem Hüter der Schwelle bestehen kann.

Vergleichen Sie die heutige Zivilisation mit früheren Zivilisationen. In allen früheren Zivilisationen gab es Ideen, Begriffe, die zuerst hin-aufgingen nach der übersinnlichen Welt, nach den Göttern, nach der Welt, wo gezeugt, geschaffen wird, hervorgebracht wird; dann konnte man mit den Begriffen, die vor allem den Göttern gehörten im Auf-blicke, herabblicken auf die irdische Welt, um diese irdische Welt nun mit den götterwürdigen Begriffen und Ideen auch zu verstehen. Kam man mit diesen Ideen, die götterwürdig und götterwert ausgebildet waren, vor den Hüter der Schwelle, dann sagte einem der Hüter der Schwelle: Du kannst passieren, denn du bringst hinüber in die über-sinnliche Welt dasjenige, was schon während deines Erdenlebens im physischen Leibe nach der übersinnlichen Welt gerichtet ist. Dann bleibt dir bei der Rückkehr in die physisch-sinnliche Welt noch genug der Kraft übrig, um nicht gelähmt zu werden durch den Anblick der übersinnlichen Welt. - Heute entwickelt der Mensch Begriffe und Ideen, die er nach dem Genius der Zeit nur anwenden will auf die physisch-sinnliche Welt. Diese Begriffe und Ideen handeln von allem möglichen Wägbaren, Meßbaren und so weiter, nur nicht von den Göttern. Sie sind nicht götterwürdig, sie sind nicht götterwert. Deshalb donnert es den Seelen, die nun schon ganz verfallen sind dem Materialismus der götterunwerten und götterunwürdigen Ideen, deshalb donnert es ihnen, wenn sie schlafend den Hüter der Schwelle passieren, entgegen: Tritt nicht über die Schwelle! Du hast deine Ideen mißbraucht für die Sinneswelt.

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Du mußt mit ihnen deshalb in der Sinneswelt bleiben, kannst mit ihnen nicht, wenn du nicht seelisch paralysiert werden willst, in die Götterwelt eintreten.

Sehen Sie, solche Dinge müssen gesagt werden, nicht, damit man über sie spintisiert, sondern sie müssen gesagt werden, damit man sein Gemüt von ihnen durchströmen und durchdringen läßt und in die rechte Stimmung kommt, die man mitnehmen soll von dieser so ernsten Weihnachtstagung der Anthroposophischen Gesellschaft. Denn wich­tiger als alles übrige, was wir mitnehmen, wird sein die Stimmung, die wir mitnehmen, die Stimmung für die geistige Welt, die Gewißheit gibt: In Dornach wird ein Mittelpunkt geistiger Erkenntnis geschaffen werden.

Deshalb klang es heute vormittag wirklich schön, als gesprochen worden ist für ein Gebiet, das hier in Dornach gepflegt werden soll, für das Gebiet der Medizin, von Dr. Zeylmans, daß heute nicht mehr Brücken gebaut werden können von der gewöhnlichen Wissenschaft aus in dasjenige, was hier in Dornach begründet werden soll. Wenn wir das­jenige, was auf unserem Boden medizinisch erwächst, so beschreiben, daß wir den Ehrgeiz haben: Unsere Abhandlungen können bestehen vor den gegenwärtigen klinischen Anforderungen - dann, dann werden wir niemals mit den Dingen, die wir eigentlich als Aufgabe haben, zu einem bestimmten Ziele kommen, denn dann werden die anderen Men­schen sagen: Nun ja, das ist ein neues Mittel; wir haben auch schon neue Mittel gemacht.

Dasjenige, um was es sich handelt, ist, daß tatsächlich hereingenom­men werde in das anthroposophische Leben solch ein Zweig der Lebens­praxis, wie es die Medizin ist. Das habe ich wohl als eine Sehnsucht von Dr. Zeylmans heute vormittag richtig verstanden. Denn zu diesem Ziele sagte er doch: Derjenige, der heute Arzt geworden ist, sagt: Ich bin eben Arzt geworden - aber er sehnt sich nach etwas, was aus einer neuen Weltenecke heraus Impulse gibt. - Und sehen Sie, auf dem Ge­biete der Medizin soll das in eindeutiger Weise in der Zukunft von Dornach aus hier so gemacht werden, wie mancher andere Zweig des anthroposophischen Wirkens, der im Schoße des Anthroposophischen geblieben ist, eben gewirkt hat, und wie jetzt mit Frau Dr. Wegman

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als meiner Helferin ausgearbeitet wird gerade jenes ganz aus der An­throposophie herauskommende medizinische System, das die Mensch­heit braucht und das demnächst vor die Menschheit treten wird. Ebenso wird es meine Absicht sein, eine engste Beziehung zu dem ja so segens­reich wirkenden Klinisch-Therapeutischen Institut in Arlesheim, eine möglichst intime Verbindung des Goetheanum mit diesem Institute in möglichster Bälde, in kurzer Zukunft herzustellen, so daß tatsächlich dasjenige, was da gedeiht, in der wirklichen Orientierungslinie der Anthroposophie liegen wird. Das ist auch dasjenige, was Frau Dr. Weg­mans Absicht ist.

Nun, damit aber hat ja Dr. Zeylmans hingewiesen für ein Gebiet auf dasjenige, was sich der Vorstand von Dornach nun auf allen Ge­bieten des anthroposophischen Wirkens zu seiner Aufgabe machen wird. Man wird daher in der Zukunft wissen, wie die Dinge stehen. Man wird nicht sagen: Bringen wir dorthin Eurythmie; wenn die Leute zuerst Eurythmie sehen und nichts hören von Anthroposophie, da gefällt ihnen die Eurythmie. Dann vielleicht kommen sie später, und weil ihnen die Eurythmie gefallen hat und sie erfahren, daß hinter der Eurythmie die Anthroposophie steht, dann gefällt ihnen die Anthropo­sophie auch. - Oder: Man muß den Leuten zuerst die Praxis der Heil­mittel zeigen, man muß ihnen zeigen, daß das richtige Heilmittel sind; dann werden die Leute das kaufen. Dann werden sie später einmal er­fahren, da stecke die Anthroposophie dahinter, und dann werden sie auch da an die Anthroposophie herankommen.

Wir müssen den Mut haben, solch ein Vorgehen verlogen zu finden. Erst wenn wir den Mut haben, solch ein Vorgehen verlogen zu finden, es innerlich verabscheuen, dann wird Anthroposophie ihren Weg durch die Welt finden. Und in dieser Beziehung wird schon gerade das Wahr­heitsstreben dasjenige sein, was in der Zukunft von Dornach hier ohne Fanatismus, sbndern in ehrlicher, gerader Wahrheitsliebe verfochten werden soll. Vielleicht können wir gerade dadurch eben manches gut­machen, was in den letzten Jahren in so schwerer Weise gesündigt worden ist.

Mit nicht leichten, sondern ernsten Gedanken müssen wir diese Ta­gung, die zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Geselischaft

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geführt hat, verlassen. Aber ich denke, daß es für niemanden nötig geworden ist, aus dem, was sich hier abgespielt hat an Weih­nachten, Pessimismus mitzunehmen. Zwar gingen wir jeden Tag vorbei vor der traurigen Goetheanum-Ruine, aber ich denke, in jeder Seele, die hier zu der Tagung auf diesen Hügel heraufsteigend an dieser Ruine vorbeiging, ging zu gleicher Zeit durch dasjenige, was hier ver­handelt worden ist, was hier, wie man sichtlich hat bemerken können, von unseren Freunden wohl in ihren Herzen verstanden worden ist, aus alledem ging doch der Gedanke hervor: Es wird geistige Feuer-flammen geben können, die gerade als wahres Geistesleben aus dem wiedererstehenden Goetheanum zum Segen der Menschheit in der Zu­kunft hervorgehen sollen, hervorgehen sollen durch unseren Fleiß, her­vorgehen sollen durch unsere Hingabe. Und je mehr wir mit Mut zur Führung der anthroposophischen Angelegenheiten von hier weggehen, desto besser haben wir vernommen, was immerhin wie ein hoffnungs­voller Geisteszug in diesen Tagen durch unsere Versammlung gegan­gen ist. Denn gerade die Szene, die ich Ihnen geschildert habe, die so oftmals zu sehen ist: Der heutige Mensch mit der dekadenten Zivili­sation und Schule, schlafend vor dem Hüter der Schwelle - der ist eigentlich in den Kreisen der empfindenden Anthroposophen doch nicht vorhanden. Da ist doch dasjenige vorhanden, das unter Umständen nur die eine Ermahnung braucht, die eine Ermahnung, die da lautet:

Du mußt zu dem Vernehmen der Stimme aus dem Geisterland den starken Mut, dich zu dieser Stimme zu bekennen, entwickeln, denn du hast begonnen zu wachen. Der Mut wird dich wach erhalten; die Mut­losigkeit allein könnte dich zum Einschlafen führen.

Die mahnende Stimme zum Mut, die mahnende Stimme durch den Mut zum Wachsein, das ist die andere Variante, die Variante für An­throposophen im gegenwärtigen Zivilisationsleben. Die Nicht-An­throposophen hören: Bleibe draußen aus dem Geisterland, du hast mißbraucht die Ideen für die bloß irdischen Gegenstände, du hast keine Ideen gesammelt, die götterwert und götterwürdig wären. Daher wür­dest du paralysiert werden beim Wieder-Zurückkommen in die phy­sisch-sinnlische Welt. - Denjenigen Seelen, die Anthroposophenseelen sind, denen aber wird gesagt: Ihr sollt nur noch erprobt werden in

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eurem Mute zum Bekenntnis dessen, was ihr als Stimme ja durch die Neigung eures Gemütes, durch die Neigung eures Herzens wohl ver­nehmen könnt.

Meine lieben Freunde, wie es gestern Jahresfrist war, daß wir hin-schauten auf die züngelnden Flammen, die uns das alte Goetheanum verzehrten, so dürfen wir schon heute - da wir, selbst als die Flammen draußen brannten, uns hier nicht stören ließen in der Fortsetzung der Arbeit vor einem Jahre -, so dürfen wir schon heute wohl darauf hoffen, daß wir, wenn das physische Goetheanum dastehen wird, so gearbeitet haben werden, daß das physische Goetheanum bloß das äußere Symbolum ist für unser geistiges Goetheanum, das wir mit als Idee nehmen wollen, wenn wir jetzt in die Welt hinausgehen.

Den Grundstein haben wir hier gelegt. Auf diesem Grundstein soll das Gebäude errichtet werden, dessen einzelne Steine sein werden die Arbeiten, die in allen unseren Gruppen nun von den einzelnen drau­ßen in der weiten Welt geleistet werden. Auf diese Arbeiten wollen wir hinschauen jetzt und uns bewußt werden der Verantwortung, von der heute gesprochen worden ist gegenüber dem vor dem Hüter der Schwelle stehenden Menschen der Gegenwart, dem der Einlaß in die geistige Welt verwehrt werden muß.

Ganz gewiß darf es uns niemals einfallen, anders als den tiefsten Schmerz und die tiefste Trauer zu empfinden über dasjenige, was uns vor Jahresfrist passiert ist. Aber alles in der Welt - dessen dürfen wir auch eingedenk sein -, alles in der Welt, was eine gewisse Größe er-reicht hat, ist aus dem Schmerz heraus geboren. Und so möge denn unser Schmerz so gewendet werden, daß aus ihm eine kräftige, leuch­tende Anthroposophische Gesellschaft durch Ihre Arbeit, meine lieben Freunde, entstehe.

Zu diesem Zwecke haben wir uns vertieft in jene Worte, mit denen ich begonnen habe, in jene Worte, mit denen ich schließen möchte diese Weihnachtstagung, diese Weihnachtstagung, die eine Weihenacht, ein Weihefest für uns sein soll für nicht nur einen Jahresanfang, son­dern für einen Welten-Zeitenwende-Anfang, dem wir uns widmen wollen zu hingebungsvoller Pflege des geistigen Lebens:

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Menschenseele!

Du lebest in den Gliedern,

Die dich durch die Raumeswelt

In das Geistesmeereswesen tragen:

Übe Geist-Erinnern

In Seelentiefen,

Wo in waltendem

Weltenschöpfer-Sein

Das eigne Ich

Im Gottes-Ich

Erweset;

Und du wirst wahrhaft leben

Im Menschen-Welten-Wesen.

Denn es waltet der Vater-Geist der Höhen

In den Weltentiefen Sein-erzeugend:

Seraphim, Cherubim, Throne,

Lasset aus den Höhen erklingen,

Was in den Tiefen das Echo findet;

Dieses spricht:

Ex deo nascimur.

Das hören die Elementargeister

Im Osten, Westen, Norden, Süden:

Menschen mögen es hören.

Menschenseele!

Du lebest in dem Herzens-Lungen-Schlage,

Der dich durch den Zeitenrhythmus

Ins eigne Seelenwesensfühlen leitet:

Übe Geist-Besinnen

Im Seelengleichgewichte,

Wo die wogenden

Welten-Werde-Taten

Das eigne Ich

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Dem Welten-Ich

Vereinen;

Und du wirst wahrhaft lühlen

Im Menschen-Seelen-Wirken.

Denn es waltet der Christus-Wille im Umkreis

In den Weltenrhythmen Seelen-begnadend:

Kyriotetes, Dynameis, Exusiai,

Lasset vom Osten befeuern,

Was durch den Westen sich gestaltet;

Dieses spricht:

In Christo morimur.

Das hören die Elementargeister

Im Osten, Westen, Norden, Süden:

Menschen mögen es hören.

Menschenseele!

Du lebest im ruhenden Haupte,

Das dir aus Ewigkeitsgründen

Die Weltgedanken erschließet:

Übe Geist-Erschauen

In Gedanken-Ruhe,

Wo die ew'gen Götterziele

Welten-Wesens-Licht

Dem eignen Ich

Zu freiem Wollen

Schenken;

Und du wirst wahrhaft denken

In Menschen-Geistes-Gründen.

Denn es walten des Geistes Weitgedanken

Im Weltenwesen Licht-erflehend:

Archai, Archangeloi, Angeloi,

0 lasset aus den Tiefen erbitten,

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Was in den Höhen erhöret wird;

Dieses spricht:

Per spiritum sanctum reviviscimus.

Das hören die Elementargeister

Im Osten, Westen, Norden, Süden:

Menschen mögen es hören.


In der Zeiten Wende

Trat das Welten-Geistes-Licht

In den irdischen Wesensstrom;

Nacht-Dunkel

Hatte ausgewaltet;

Taghelles Licht

Erstrahlte in Menschenseelen;

Licht,

Das erwärmet

Die armen Hirtenherzen;

Licht,

Das erleuchtet

Die weisen Königshäupter.

Göttliches Licht,

Christus-Sonne,

Erwärme

Unsere Herzen;

Erleuchte

Unsere Häupter;

Daß gut werde,

Was wir

Aus Herzen gründen,

Aus Häuptern

Zielvoll führen wollen.

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So, meine lieben Freunde, traget hinaus eure warmen Herzen, in denen ihr hier eingegründet habt den Grundstein für die Anthropo­sophische Gesellschaft, traget hinaus diese warmen Herzen zu kräf­tigem, heilkräftigem Wirken in die Welt. Und Hilfe wird euch werden, daß erleuchtet eure Häupter dasjenige, was ihr jetzt alle wollt zielvoll führen können. Das wollen wir uns heute in aller Kraft vornehmen. Wir werden doch sehen: Wenn wir uns dessen würdig erzeigen, wird ein guter Stern walten über demjenigen, was von hier aus gewollt wird. Folget, meine lieben Freunde, diesem guten Stern. Wir wollen sehen, wohin uns die Götter durch das Licht dieses Sternes führen werden.

Göttliches Licht,

Christus-Sonne,

Erwärme

Unsere Herzen,

Erleuchte

Unsere Häupter.

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HINWEISE

Zu dieser Ausgabe

Zu den Vorträgen: Die Vorträge über «Die Weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung» wurden jeweils am Abend während der «Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft» gehalten. Die mit der Begründung verbundenen Vorträge, Ansprachen, die Statutenberatung und Grundsteinlegung sind veröffentlicht in GA 260.

Textunterlagen: Die Vorträge wurden von der Berufsstenographin Helene Finckh mitstenographiert, deren erste Übertragung in maschinenschriftlichen Klartext den bisherigen Ausgaben zugrunde lag. Für die 4. Auflage von 1980 wurde ein neuer Vergleich mit dem Originalstenogramm durchgeführt, der verschiedene Korrek- turen nötig machte. Wesentliche Änderungen werden am Schluß der Hinweise angeführt. Im übrigen basiert auch diese Auflage auf der Erstausgabe von Marie Steiner. Die Herausgabe der 2. und 3. Auflage besorgte Johann Waeger. Textdurch- sicht für die 5. Auflage 1991: U. Trapp.

Der Titel des Bandes entspricht dem Titel des Vortragszyklus' und stammt von Rudolf Steiner.

Die Zeichnungen im Text wurden für die erste Ausgabe von Assja Turgenieff nach den Tafelzeichnungen Rudolf Steiners in die von ihr entwickelte Strichtechnik übertragen. Für die 4. Auflage wurden die Zeichnungen auf den Seiten 24, 69, 84, 95, 100, 109 und 113 von Leonore Uhlig neu ausgeführt.

Zu den Tafelzeichnungen: Die Original-Wandtafelzeichnungen und -anschriften Rudolf Steiners bei diesen Vorträgen sind erhalten geblieben, da die Tafeln damals mit schwarzem Papier bespannt wurden. Sie werden als Ergänzung zu den Vor- trägen in einem separaten Band der Reihe «Rudolf Steiner, Wandtafelzeichnungen zum Vortragswerk» verkleinert wiedergegeben. Die in den früheren Auflagen in den Text eingefügten zeichnerischen Übertragungen sind auch für diese Auflage beibehalten worden. Auf die entsprechenden Originaltafeln wird jeweils an den betreffenden Textstellen durch Randvermerke aufmerksam gemacht.

Veröffentlichungen in Zeitschriften: Nachrichtenblatt 1926, 3. Jahrg. Nrn. 44-52; 4. Jahrg. 1927 Nrn. 1-14.

Hinweise zum Text

Werke Rudolf Steiners innerhalb der Gesamtausgabe (GA) werden in den Hinweisen mit Bibliographie-Nummer angegeben. Siehe auch die Übersicht am Schluß des Bandes.

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24 Das Evangelium erinnert daran: Siehe Joh. 8, 6.

33 Rudolf Steiner, «Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Alter tums», GA 8.

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40 Besser ein Bettler sein in der Oberwelt...: Siehe Homer, «Odyssee», 11. Gesang, Vers 489-491; es spricht Achill in der Unterwelt.

41 In einer wunderbaren Weise hat das eigentlich Homer zum Ausdrucke gebracht: Siehe z. B. in der Ilias, 20. Gesang, Vers 424ff.

43 in Stuttgart in einem Vortragszyklus: «Okkulte Geschichte. Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge von Persönlichkeiten und Ereignissen der Weltgeschichte.» (Sechs Vorträge 1910/11). GA 126.

fünf aufeinanderfolgende große Kulturzeiträume: Siehe Rudolf Steiner «Die Geheim- wissenschaft im Umriß», GA 13. - Aus den zahlreichen Darstellungen im Vortragswerk siehe z.B.: «Der Orient im Lichte des Okzidents. Die Kinder des Luzifer und die Brüder Christi», (Neun Vorträge, München 1909) GA 113.

46 jenes historisch-sagenhafte Dokument: Das Gilgamesch-Epos wurde auf zwölf Keil- schrittafeln im Hügel von Kujundschik in den Überresten eines Palastes Assurbanipals gefunden. Es geht auf ältere sumerische Vorlagen zurück, von denen Bruchstücke gefunden worden sind.

46 Erek: Die Stadt wird in der Bibel, 1. Mos. 10, 10, Erek genannt. Der Keilschrifttext nennt sie Uruk.

47 Eabani: Im Keilschrifttext Enkidu oder Engidu genannt.

52 ... daß von Pythagoras ... erzählt wird: Siehe Diogenes Laertius, «Berühmte Philoso- phen», Band II, 8. Buch, Pythagoras; siehe auch Plato u.a.

Xisuthros: So gräzisierte Berossos, Priester des Bei in Babylon, der um 280 v. Chr. in griechischer Sprache eine babylonisch-chaldäische Geschichte schrieb, die aus den Tempelarchiven von Babylon geschöpft war, den sumerischen Namen Ziusudra. Im Keil- schrifttext: Utnapischtim.

56 die Mysterienstätte von Ephesus: Darüber sprach Rudolf Steiner ausführlich am 2. De- zember 1923; siehe: «Mysteriengestaltungen», (Vierzehn Vorträge, Dornach 1923), GA 232.

57 Urzustände der Erde: Siehe Rudolf Steiner «Die Geheimwissenschaft im Umriß», sowie: «Die Evolution vom Gesichtspunkte des Wahrhaftigen» (Fünf Vorträge, Berlin 1911), GA 132; und den Vortrag vom 1. Dezember 1923 in «Mysteriengestaltungen».

59 Heraklit: Herakleitos von Ephesus, um 535-475 v. Chr., vorsokratischer Philosoph. Siehe Rudolf Steiner «Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums» (Register).

60 Aristoteles, 384-322 v. Chr.; siehe Rudolf Steiner «Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt», GA 18.

Alexander der Große, 556-323 v. Chr., seit 336 makedonischer König, starb in Babylon.

62 Mysterien von Hybernia: Rudolf Steiner hatte schon kurz vorher, am 7., 8. und 9. Dezember 1923 (in «Mysteriengestaltungen», GA 232) ausführlich darüber gesprochen. Der Vergleich beider Schilderungen kann zu der Frage führen, ob es sich dabei um zwei einander ausschließende Darstellungen desselben Sachverhaltes handele: Der

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Vorgang, der in den Vorträgen über «Mysteriengestaltungen» beschrieben wird - Erlebnisse von Winterimaginationen durch die Wirkung der Sonnensäule, Erlebnisse von Sommerimaginationen durch die Wirkung der Mondensäule - wird scheinbar aufge- hoben durch die Darstellung vom 27. Dezember, wo sich die Winterbilder gerade vor der Mondensäule, die Sommerbilder hingegen vor der Sonnensäule einstellen. Einem genaueren Vergleich der beiden Schilderungen ergibt sich jedoch, daß es sich um zwei verschiedene Erlebnisaspekte handelt: im vorliegenden Vortrag um Erlebnisse unmittelbar vor den beiden Bildsäulen, durch die der Schüler sich selbst als Sonnen-, bzw. als Mondenwesen kennenlernte; dagegen im Vortrag vom 8. Dezember um den allmählich sich erst einstellenden Nachklang bestimmter vor den Säulen gehabter Er- lebnisse, die dem Schüler die von außen an ihn herantretende Weltenwirkung von Sonne und Mond offenbarte. - Näheres hierzu wird in den «Beiträgen zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe», Nr. 69, ausgeführt.

73 das «Alexanderlied»: Von Lamprecht dem Pfaffen, einem fränkischen Geistlichen, um 1125 verfaßt; das erste deutsche weltliche Epos. - Die Blumenepisode: siehe innerhalb des Briefes von Alexander an die Mutter und Aristoteles, Vers 5004-5205.

77 Theophrast, 390-305 v. Chr., Schüler des Aristoteles, welcher ihn zu seinem Nachfolger als Leiter der peripatetischen Schule in Athen ernannte.

79/80 griechisch-chtonische Mysterien, samothrakische Mysterien: Vgl. die Vorträge vom 14. und 21. Dezember 1923, in «Mysteriengestaltungen», GA 232.

91 Herodotos von Halikarnassos, 5. Jahrhundert v. Chr., ältester griechischer Historiker; Geschichtsschreiber der Perserkriege.

94 durch oströmische Tyrannei: Justinian, oströmischer Kaiser von 527 bis 565, Sohn eines Bauern, sandte im Jahre 529 ein Edikt nach Athen, daß niemand mehr dort Philoso- phie lehren noch die Rechte erklären solle, worauf die sieben letzten athenischen Philo- sophen das Römische Reich verließen und nach Persien auswanderten. - Siehe Ernst von Lasaulx «Der Untergang des Hellenismus und die Einziehung seiner Tempelgüter durch die christliche Kirche», 1854; wiedererschienen in Ernst von Lasaulx, «Verschüttetes deutsches Schrifttum», hg. von H. E. Lauer, Stuttgart 1925, bes. S. 196ff. 98 Julianus Apostata: Flavius Claudius Julianus, von den Christen Apostata, der Ab- trünnige, genannt, von 361 bis 363 römischer Kaiser. - Siehe den Vortrag Berlin, 19. April 1917 in «Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha», GA 175.

99 in meiner «Theosophie»: «Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung» (1904), GA 9- - Siehe das Kapitel: Die drei Welten.

105 in kurz vorangegangenen Vorträgen: Siehe Hinweis zu S.62.

109 Jakob Böhme, 1575-1624; Theophrastus Paracelsus, 14931541; Valentin Weigel, 1533-1588. Siehe Rudolf Steiner «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geistes- lebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung», GA 7.

110 Basilius Valentinus: Alchimist des 15. Jahrhunderts, wohl Benediktinermönch in Erfurt. Unter seinem Namen wurden um 1600 eine Reihe von alchimistischen Werken ver- öffentlicht. - Siehe Rudolf Steiners Vortrag vom 26. April 1924, in «Esoterische Betrach- tungen karmischer Zusammenhänge» Band II, (Siebzehn Vorträge, Dornach 1924), GA 236.

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11Of. Gymnast ... Rhetor ... Doktor: Ausführlich sprach Rudolf Steiner darüber z.B. am 6. August 1923, in «Gegenwärtiges Geistesleben und Erziehung», (Vierzehn Vorträge, Ilkley 1923), GA 307; sowie am 24. Juli 1924 in «Der pädagogische Wert der Menschener- kenntnis in der Kulturwelt der Pädagogik» (Neun Vorträge, Arnheim 1924), GA 310.

125 das Beispie/ der Biene: Vgl. den Vortrag Dornach 1. Dezember 1923, in «Mensch und Welt. Das Wirken des Geistes in der Natur - Über das Wesen der Bienen» (Fünfzehn Vorträge für die Arbeiter am Goetheanumbau 1923, Band V), GA 351.

134 Der Vortrag ... vor einem Jahr. Dornach, 31. Dezember 1922, in «Das Verhältnis der Sternenwelt zum Menschen und des Menschen zur Sternenwelt. Die geistige Kommu- nion der Menschheit». (Zwölf Vorträge, Dornach 1922), GA 219.

143 in diesen Formen: Siehe Rudolf Steiner «Der Baugedanke des Goetheanum», Vortrag in Bern am 29. Juni 1921, GA 290, Stuttgart 1958.

148 jene Vorträge ... die vom Wolffschen Büro organisiert waren: Im Herbst, Winter und Frühjahr 1921/22 hatte die damals größte deutsche Konzertdirektion, Hermann Wolff und Jules Sachs, Berlin, Vortragsreisen mit Rudolf Steiner organisiert. In Berlin, Stutt- gart, Frankfurt, München, Köln und anderen Großstädten sprach er über die Themen: Das Wesen der Anthroposophie; Anthroposophie und Wissenschaft; Anthroposophie und Geist-Erkenntnis (Veröffentlichung vorgesehen für GA 80). Nach einem mißglück- ten Attentat in München im Mai 1922 erwies sich, daß der Schutz für den Redner nicht mehr gewährleistet war. Rudolf Steiner ging daraufhin auf keine weitere öffentliche Vortragsverpflichtung mehr ein.

155 Dr. Zeylmans: F. W. Zeylmans van Emmichoven, 1893-1961, Dr. med., holländischer Arzt und Schriftsteller, Generalsekretär der holländischen Landesgesellschaft; schrieb u.a.: «Rudolf Steiner, eine Biographie», Stuttgart 1961.

156 Ita Wegman, 1876-1943, Dr. med., studierte und praktizierte in Zürich, bevor sie 1921 das Klinisch-Therapeutische Institut (jetzt Ita Wegman-Klinik) in Ariesheim gründete. Weihnachten 1923 bis 1935 Schriftführerin des Vorstandes der Allgemeinen Anthro- posophischen Gesellschaft und Leiterin der medizinischen Sektion der Freien Hoch- schule. 1924/1925 behandelnder Arzt Dr. Steiners und Mitautorin von «Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlicher Erkenntnissen», GA 27.

159ff. Der Spruch ist hier so wiedergegeben, wie er laut Stenogramm von Rudolf Steiner gesprochen wurde. In früheren Auflagen war der Spruch nach der ersten handschrift- lichen Fassung Rudolf Steiners gedruckt. Siehe hierzu den Sonderhinweis im Band «Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft 1923/1924», GA 260, Auflage 1985, Seite 300.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.