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GA 88
Zu dieser Ausgabe
Meine erste Vortragstätigkeit innerhalb der Kreise die aus der theosophischen Bewegung hervorgewachsen waren, mußte sich nach den Seelenverfassungen dieser Kreise richten. Man hatte da theosophische Literatur gelesen und sich für gewisse Dinge eine gewisse Ausdrucksform angewöhnt. An diese mußte ich mich halten, wenn ich verstanden sein wollte. Erst im Laufe der Zeit ergab sich mit der vorrückenden Arbeit, daß ich immer mehr auch in der Ausdrucksform die eigenen Wege gehen konnte.
(Rudolf Steiner, «Mein Lebensgang», XXXIII. Kapitel)
Unmittelbar nachdem Rudolf Steiner im Oktober 1902 die Leitung der mit ihm als Generalsekretär begründeten Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft übernommen hatte, begann er mit einer umfassenden Lehrtätigkeit, zunächst innerhalb des Berliner Zweiges. Vom 25. Oktober 1902 an sprach er dort jeweils samstags um 18 Uhr über das gesamte Gebiet der Theosophie. Für Mitte November 1902 wurde ein «Theosophisches Konversatorium» angekündigt und ab Dezember 1902 Gesprächsabende (Konversatorium A und B) dienstags um 18 Uhr und samstags um 19.30 Uhr. Alle diese Veranstaltungen fanden zunächst in den Räumen der theosophischen Bibliothek in Charlottenburg, Kaiser Friedrich Straße 54a, statt, wo bis März 1903 auch die Wohnung von Rudolf Steiners Mitarbeiterin Marie von Sivers (später Marie Steiner) war.
Im Januar 1903 erschien in der Zeitschrift «Der Vâhan» folgende Ankündigung:
Mehrfachen Wünschen entsprechend wird künftig der Vortragszyklus «Über das Gesamtgebiet der Theosophie», den Dr. Rudolf Steiner hält, am Sonnabend um 8 Uhr abends stattfinden (Charlottenburg-Berlin, Kaiser-Friedrich-Straße 54a). Das an diesem Tage festgesetzte theosophische Konversatorium ist auf 7 Uhr abends verlegt.
Im März 1903 mußte das Domizil in der Kaiser-Friedrich-Straße 54a aufgegeben werden. Die Bücher der theosophischen Bibliothek wurden für
die folgenden Monate provisorisch in der Wohnung eines alten Mitgliedes, Clara Motzkus, untergebracht (Charlottenburg, Schlüterstraße 62), und dort fanden vom März bis Oktober 1903 auch alle Mitgliederveranstaltungen der Theosophischen Gesellschaft statt: Samstags abends Vorträge Rudolf Steiners, dienstags und samstags Konversatorien A und B.
Im August 1903 kündigte der «Vâhan» eine weitere regelmäßige Veranstaltung an:
Außerdem findet an jedem Freitag (7 Uhr abends) ein allgemein zugänglicher Vortrags- und Diskussionsabend (bei Fräulein Motzkus) auch während des Sommers statt.
Und im September 1903:
Die wöchentlichen Vortrags- und Diskussionsabende am Freitag (7 Uhr abends, Charlottenburg, Schlüterstraße 62 bei Fräulein Clara Motzkus) finden auch noch den ganzen September hindurch statt. Im Herbst beginnt Dr. Rudolf Steiner einen Zyklus von 6 bis 8 Vorträgen über die «Astrale Welt». Ort und Zeit wird später bekanntgegeben.
Rudolf Steiner sagte dazu: «Ich will diese Freitagabende zu Arbeitsstunden machen; ich will dabei dazu übergehen, mehr in Gesprächsform die Unterhaltung fortzusetzen.»
Ein Teilnehmer an diesen Veranstaltungen, Walter Vegelahn, der später als Stenograf von Rudolf Steiners Vorträgen bekannt wurde, berichtet über diese Zeit: «Im Sommer 1903, ehe die «Motzstraße» bezogen werden konnte, waren wir in der kleinen Privatwohnung eines Mitgliedes. Wer besondere Fragen etc. hatte, durfte schon um 6 Uhr kommen, und so saßen wir dann am «runden Tisch, mit Dr. Steiner. Wenn ein Zuhörer etwas nicht verstanden hatte, fing Dr. Steiner nochmal von vorne an.»
Bei diesen Veranstaltungen 1902/03 an denen zunächst nur wenige Menschen teilnahmen ist anfangs noch nicht mitgeschrieben worden. Das erste, was aus dieser Zeit, wenigstens in Form von kurzen Notizen, festgehalten wurde, verdanken wir Marie von Sivers (Marie Steiner). Sie schreibt darüber (in «Welches sind die Aufgaben des Nachlaßvereins?»): «Was aber vom Jahre 1902/1903 vorliegt, ist von mir selbst in fliegender Eile mit Hilfe von Wortabkürzungen mit Bleistift notiert und kann kaum noch entziffert werden.» Manche dieser Notizen hat sie später selbst zu zusammenhängenden Texten ausgearbeitet, in welchen, wenn auch nur in äußerster Kürze, das Inhaltliche von Vorträgen Rudolf Steiners festgehalten ist (siehe Teil III in diesem Band).
Stenografische Notizen liegen vor ab August 1903 von Franz Seiler, ab September 1903 auch von Walter Vegelahn. Seiler war schon seit längerer Zeit der offizielle Schriftführer der Theosophischen Gesellschaft und als
solcher daran gewöhnt, von wichtigen Veranstaltungen Protokolle zu erstellen; er pflegte solche Protokolle anhand seiner stenografisch aufgenommenen Kurznotizen auszuarbeiten. Walter Vegelahn, von Beruf Schauspieler mit dem Künstlernamen Walter Stauf, verfügte über ein so hervorragendes Gedächtnis, daß es ihm möglich war, anhand weniger Notizen einen Vortrag vollständig zu referieren. Ihm hauptsächlich verdanken wir die Nachschriften der frühen öffentlichen, im Architektenhaus gehaltenen Vorträgen Rudolf Steiners.
Alle Aufzeichnungen aus der damaligen Zeit wurden im wesentlichen in der Absicht gemacht, auch den abwesenden Mitgliedern und Freunden etwas von den Lehren Rudolf Steiners zugänglich zu machen. Bei den im vorliegenden Band wiedergegebenen Texten handelt es sich also nicht um wortwörtliche Wiedergaben der Vorträge; es sind vielmehr individuelle Aufzeichnungen, die die Vorträge eher inhaltlich referieren (Näheres siehe bei «Textunterlagen» auf S. 243ff).
Im September 1903 schrieb Rudolf Steiner in der Zeitschrift «Luzifer» eine Besprechung des kurz zuvor in deutscher Sprache erschienenen Büchleins von C. W. Leadbeater «Die Astral-Ebene, ihre Szenerie, ihre Bewohner und ihre Phänomene» (in GA 34). Am Schluß dieser Rezension kündigt er an:
Für meine Berliner Zuhörer darf ich vielleicht anführen, daß ich im Herbst einen Zyklus von Vorträgen über die «astrale Welt» halten werde.
Und er fügt hinzu:
Für uns Deutsche möchte ich nur noch sagen, daß wir den Ausdruck «Astral-Ebene» endlich durch einen anderen ersetzen sollten, da doch allgemein zugegeben wird, daß er so irreführend wie möglich ist.
Die Vorträge «Über die astrale Welt» fanden nunmehr jeweils mittwochs in dem neuen Domizil der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft, Motzstraße 17, statt (siehe die Einladung auf S. 242) und waren nicht nur an Mitglieder gerichtet, sondern an alle Menschen, die sich für die theosophische Arbeit interessierten.
Im Januar 1904 folgten dann sechs Vorträge mit dem Titel: ««Die Welt des Geistes oder Devachan». Von diesen können in vorliegendem Band in Teil II nur vier Vorträge wiedergegeben werden, da nur teilweise mitgeschrieben wurde (Näheres siehe bei «Textunterlagen» auf S. 245).
Die chronologisch frühesten Darstellungen in dieser Ausgabe in Teil III datieren vom Sommer 1903; sie betreffen private Lehrstunden, die Rudolf Steiner für Marie von Sivers in deren Privatwohnung in Berlin-Schlachtensee für sie selbst, ihre Schwester Olga von Sivers und ihre Freundin Maria von Strauch-Spettini gegeben hat. Marie Steiner-von Sivers berichtet über diese Zeit (in «Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht», 2. Jg.» Nr. 34 vom 23. August 1923):
«Neben der öffentlichen Vortragstätigkeit, die er, nachdem er sich auf deren Ansuchen mit der Gesellschaft verbunden hatte, für diese entfaltete, und neben seiner Tätigkeit für die Zuhörer der Arbeiterbildungsschule und der Freien Hochschule hielt er interne Vorträge für die wenigen, aber an Zahl schnell wachsenden Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft in Berlin, und in liebevollster und eingehendster Weise auch für die Menschen seiner unmittelbaren Umgebung. Er führte sie sacht heran zu dem Verständnis des Geistes in seiner Konkretheit, seinen mannigfachen Ausdrucksarten innerhalb hierarchischer Wesenhaftigkeit. So gab er mir eine Fülle von Unterricht, anknüpfend zunächst an die indische Terminologie, die ich mir durch Bücherstudium erworben hatte, bald aber mich hinüber führend zu den Formen abendländischer Begrifflichkeit. Es durfte meine mich in den Sommermonaten besuchende Freundin daran teilnehmen.»
Marie Steiner-von Sivers hat in sehr komprimierter Form einiges von diesen Stunden aufgeschrieben.
In Teil IV enthält dieser Band in chronologischer Folge die wenigen Aufzeichnungen, die aus dem Jahr 1903 noch vorliegen: Neben einem Autoreferat Rudolf Steiners über seinen Vortrag anläßlich der 1. Generalversammlung der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft und einem Bericht aus der Zeitschrift «Der Vâhan»» über denselben Vortrag sind dies fragmentarische Notizen Franz Seilers von acht Einzelvorträgen, die Rudolf Steiner im Berliner Zweig zwischen August und Dezember 1903 gehalten hat. Trotz des teilweise recht aphoristischen Charakters können diese Aufzeichnungen ein lebendiges Bild vermitteln vom Aufbau der anthroposophischen Arbeit Rudolf Steiners in Berlin.
Da Rudolf Steiner in den Vorträgen der damaligen Zeit noch vielfach die seinen Zuhörern vertraute indisch-theosophische Terminologie verwendete, ist im Anhang ein Verzeichnis der wichtigsten dieser Begriffe angefügt, und zwar mit den Bezeichnungen, durch die Rudolf Steiner in späterer Zeit diese theosophischen Ausdrücke ersetzt hat.
Die Herausgeber
I ÜBER DIE ASTRALE WELT
Sechs Vorträge, gehalten in Berlin zwischen dem 28. Oktober und 2. Dezember 1903 (Hörernotizen)
Erster Vortrag, Berlin, 28. Oktober 1903
Das Mysterium von Geburt und Tod
Wenn eine Schnecke durch einen Saal kriechen würde, in dem Beethovens Neunte Symphonie gespielt wird, so vernähme die Schnecke wohl nichts von alle dem, wovon die Menschen, die in demselben Saale sich befinden, in die schönsten Empfindungen versetzt werden. Die Töne der Symphonie drücken sich in den Luftwellen des Saales aus, diese Luftwellen verbreiten sich nach allen Seiten; sie sind der äußere Ausdruck des herrlichen Tonzusammenhanges. Dieser Tonzusammenhang geht durch den Organismus der Schnecke ebenso wie durch den Organismus des Menschen. In den Menschen ruft er Empfindungen der höchsten Art hervor, die Schnecke bleibt davon unberührt. Sie ist in demselben Medium, in demselben schwingenden Tongewoge darin wie der Mensch, sie weiß aber nichts von dem, was um sie her vorgeht. Eine Welt ist um sie herum, und sie ist in dieser Welt, sie hat aber keine Ahnung von dieser Welt. Und dennoch, diese Welt des Tongewoges ist nicht an einem anderen Ort, an dem sich die Schnecke nicht befindet, sondern an demselben Ort, an dem auch alles dasjenige ist, was die Schnecke braucht. Der Raum, in dem die Schnecke sich befindet, ist also ausgefüllt von den Tatsachen, die die Schnecke wahrnehmen kann, er ist aber auch ausgefüllt von einer Summe von Tatsachen, die die Schnecke nicht wahrnehmen kann.
Wir haben damit festgestellt, daß um ein Wesen herum Erscheinungen leben können, ohne daß das Wesen eine Ahnung davon hat, und wir können die Frage aufwerfen, ob wir Menschen nicht vielleicht auch in einer Welt leben, die angefüllt ist von Tatsachen und Erscheinungen, von denen wir zunächst nichts wahrnehmen, von solchen Tatsachen und Erscheinungen, die sich zu unserer Welt so verhalten wie das Tongewoge der Neunten Symphonie zu dem, was eine Schnecke wahrzunehmen vermag. Die Frage muß
uns also berühren, ob dasjenige, was wir in einem Raume, in dem wir sind, empfinden und wahrnehmen, alles ist, was in unserer Umgebung vorkommt. Es könnten ja Tatsachen in unserer Umgebung sein, die für uns einfach deshalb nicht da sind, weil wir die Organe für die Wahrnehmung dieser Tatsachen nicht ausgebildet haben. Es könnten ja Wesen in unserer Welt sich befinden oder wir Menschen selbst könnten durch Entwicklung uns zu Wesen ausbilden, die imstande sind, noch weitaus anderes wahrzunehmen als das, was in unserer Welt um uns ist. Es könnte vergleichsweise ein ähnliches Verhältnis bestehen zwischen mehr oder minder entwickelten Menschen, wie zwischen der Schnecke und den Menschen.
Das ist die Frage, welche in uns Vermutung über Vermutung erwecken muß über die uns umgebenden unbekannten Welten, und das ist auch die Frage, welche durch die theosophische Bewegung beantwortet werden soll. Es ist im wesentlichen die Aufgabe der theosophischen Bewegung, uns bekanntzumachen mit Welten, die uns täglich und stündlich umgeben, mit Welten, innerhalb derer wir leben, von denen wir aber unter gewöhnlichen Verhältnissen nichts wissen. Nicht mit Welten, die jenseits der unsrigen liegen, will uns die Theosophie bekanntmachen, nicht mit Welten, die an uns unzugänglichen Orten zu finden sind, sondern mit denjenigen Welten, die in unsere Welt fortwährend hereinragen, die uns immer umgeben, die uns aber unbekannt bleiben, weil unsere Organe dafür nicht aufgeschlossen sind. Zunächst können wir von diesen Welten nur sprechen. Wir können auf sie nur hindeuten und dazu auffordern, teilzunehmen an denjenigen Arbeiten, durch welche sich dem Menschen die Sinne erschließen zu diesen höheren Welten, so daß er diese höheren Welten wahrzunehmen vermag, so wie er heute nur die gewöhnliche Welt wahrzunehmen imstande ist. Von solchen Welten möchte ich Ihnen in den nächsten Vorträgen sprechen.
Zunächst möchte ich von der Welt sprechen, welche wir in der Theosophie die astrale Welt nennen. Sie wird sich uns zeigen als eine Welt, die nicht fern von uns ist, die überall ist, wo wir uns befinden. In dem Raume, in dem wir uns gegenwärtig befinden, ist
sie geradeso wirklich wie die Welt, die Sie sehen. Die astrale Welt ist eine höhere Welt, welche mit ihren Erscheinungen die Welt, in der Sie sich befinden, genauso durchwogt und durchwellt, wie das Symphonie-Tongewoge die Welt der Schnecke durchwogt, von ihr aber nicht wahrgenommen wird. Also wir sprechen nicht von etwas, was außerhalb unserer Welt zu finden ist, sondern wir sprechen von etwas, was unsere Welt in jedem Punkte ihres Daseins durchsetzt. Die theosophische Anschauung lehrt uns verschiedene solcher Welten erkennen; sie lehrt uns zunächst diejenige Welt erkennen, welche uns aus dem alltäglichen Leben bekannt ist: die physische Welt diejenige Welt also, welche jeder Mensch mit seinen Sinnesorganen zu empfinden imstande ist, die Welt, die wir sehen, hören, riechen, schmecken, greifen, die Welt, in der wir die Naturgegenstände, die Mineralien, die Pflanzen und die Tiere finden. Diese Welt wird durchsetzt, durchgeistigt, wenn ich mich so ausdrücken darf, von einer höheren Welt, von der sogenannten Astralwelt, die wir nun kennenlernen wollen. Genauso, wie sich eine Flüssigkeit mit einer anderen, feineren Flüssigkeit mischt, so daß die eine Flüssigkeit die andere in allen Teilen durchsetzt, so durchsetzt die astrale Welt unsere Welt des Physischen; und diese astrale Welt ist wiederum durchsetzt von einer noch höheren Welt, welche wir die mentale Welt nennen, das ist die eigentliche geistige Welt. So sind drei Welten ineinandergefügt, die eine immer die andere durchsetzend, von denen der Mensch mit seinen gegenwärtigen Organen aber nur die physische Welt wahrnimmt. Allmählich den Sinn aufzuschließen für die unsichtbaren und unter gewöhnlichen Umständen unhörbaren Welten, das ist die Aufgabe der Theosophie.
Was ist die astrale Welt? Wenn wir von der astralen Welt sprechen, so kommen wir am schnellsten dadurch zum Verständnis, wenn wir innerhalb an der Weltanschauungen, die außer dem Physischen noch ein Geistiges erkannt haben, diejenigen aufsuchen, in welchen von der Astralwelt und ihrer Beziehung zum Menschen gesprochen wurde. Auch die christliche Weltanschauung kennt diese Astralwelt. In den ersten Jahrhunderten des Christentums hat man
bei dem Menschen nicht bloß zwei Naturen unterschieden, wie später und oberflächlicher: Körper und Seele, sondern man unterschied drei: Körper, Seele und Geist. Seele und Geist hat man in allen tieferen Weltanschauungen seit Urzeiten immer als die Bestandteile des Menschen angesehen. Gehen Sie zurück zu jenen Völkerschaften, welche in unseren Gegenden lange vor den Germanen gelebt haben. Sehen Sie sich die Tempel jener uralten keltischen Völker an, so werden Sie finden, daß sie in der Mitte einen Altar hatten, der umgeben war von drei Säulenkreisen. Diese drei Säulenkreise bedeuteten nichts anderes als die dreifache Natur des Menschen: Körper, Seele, Geist. Die körperliche Natur ist bekannt. Unter der seelischen Natur verstand man in allen tieferen Religionen und Weltanschauungen das, was wir in der theosophischen Weltanschauung das Astrale nennen. Unter dem Ausdruck «Geist» verstand man das eigentlich Ewige der Natur des Menschen. Körper, Seele und Geist machen die dreifache Natur des Menschen aus. Den Körper hat die moderne Naturwissenschaft ziemlich genau studiert. Durch ihn stehen wir mit allem, was um uns herum ist, in Verbindung. Wir sind nicht einzelne, abgeschlossene Wesen. Wir könnten nicht körperlich leben, wenn unsere Umgebung eine andere wäre. Denken Sie sich die Temperatur der physischen Welt um zehn bis zwanzig Grad höher, als die Temperatur unseres Luftkreises ist, so könnte der Mensch darin nicht leben. Nicht allein davon hängt unser Leben ab, was innerhalb unserer Hautbegrenzung vorgeht, sondern auch von dem Leben der Erscheinungen in der Natur um uns herum. In gewisser Beziehung sind wir nur ein Ergebnis dessen, was rings um uns herum vorgeht. Wären keine Pflanzen in der Welt, wir könnten uns nicht ernähren. Nur dadurch, daß wir den physischen Stoffwechsel unterhalten können, sind wir imstande, körperlich zu leben. Ganz abhängig ist der Mensch von seiner physischen Umgebung, das heißt, er ist ein physisches Wesen innerhalb der ganzen physischen Natur, er gehört zu dieser physischen Natur. Die Materialisten des 19. Jahrhunderts haben das mit Recht so gesehen. Unser Körper ist die Wirkung der physischen Umgebung. Wir leben in der physischen Welt mit der physischen Welt.
Nun wissen Sie, daß für diesen Körper ein ganz bestimmter Augenblick eintritt, in dem er denjenigen Gesetzen nicht mehr gehorcht, denen er unter den gewöhnlichen Lebensverhältnissen gehorcht hat, das ist der Moment des Todes. Im Augenblick des Todes gehorcht der Körper, der uns angehört, nicht mehr denselben Gesetzen, denen er das ganze Leben hindurch gehorcht hat; und dennoch sind es Naturgesetze, denen er gehorcht. Wenn wir gestorben sind, kehrt unser körperlicher Organismus zu den Naturstoffen zurück, die während unseres Lebens in diesem Körper wirkten. Chemische und physikalische Kräfte wirken während unseres Lebens in unserem physischen Körper. Unsere Verdauung ist ein physischer Prozeß, unsere Atmung ist ein physischer Prozeß. Auch was beim Sehen in unserem Auge vorgeht, ist ein physischer Prozeß; es ist etwas ganz Ähnliches wie der Prozeß auf der photographischen Platte, wenn Sie sich photographieren lassen. Wir sind körperlich ein Zusammenfluß von physikalischen und chemischen Kräften, aber wir hören auf, ein Zusammenfluß von chemischen und physikalischen Kräften zu sein, wenn wir dem Tode anheimfallen. Dieser Körper hält dann nicht mehr zusammen; er fließt über in den Strom der allgemeinen physischen Erscheinungen. Der menschliche Körper als solcher ist aber unmöglich nur eine chemische und physikalische Zusammensetzung, denn in demselben Augenblick, in dem die chemischen und physikalischen Kräfte sich selbst überlassen sind, gehen sie ganz andere Bahnen, sie fügen sich in den Strom der allgemeinen chemischen und physikalischen Prozesse ein. Sie erzeugen nicht mehr die Seh-, Hör- und Denkprozesse, sondern sie gehen ganz andere Prozesse ein. Es muß also etwas dagewesen sein, was sie dazu aufgerufen hat, während unseres Lebens einen Organismus aufzustellen. Dieser Organismus ist eine Stunde vor dem Tode von keinen anderen Stoffen zusammengesetzt als eine Stunde nach dem Tode. Die physische Zusammensetzung ist genau dieselbe; es ist aber das Lebenselement nicht mehr da. Es ist das nicht mehr da, was diese physischen Stoffe aufruft zu einem mächtigen Wirken, wie sie niemals wirken würden, wenn sie sich selbst überlassen blieben.
Das führt uns dahin einzusehen, daß dieser physikalisch und chemisch aufgebaute Körper, weil er in nur physikalischer und chemischer Beziehung eine Unmöglichkeit ist, durchlebt und durchströmt sein muß von einem höheren Prinzip, welches das niedere durchorganisiert, durchseelt und durchlebt. Das nächste Prinzip, das unseren Körper durchseelt und durchlebt, ist das, was bewirkt, daß seine Teile nicht schon bei Lebzeiten auseinanderfallen; und das, was das bewirkt, nennen wir das astrale Element im Menschen.
Wir können ganz genau sagen, was das astrale Element im Menschen ist. Es ist das, was alle Menschen, die ein solches Element in sich haben, dazu veranIaßt, in sich etwas geschehen zu lassen, was wir im weitesten Sinne mit Lust und Unlust bezeichnen. Lust und Unlust ist etwas, was in unserem Körper und in den Körpern, welche in astraler Beziehung uns ähnlich sind, auftritt und was nicht bewirkt werden kann durch die chemischen und physikalischen Stoffe. Nehmen Sie einen Kristall oder irgendeine andere aus chemischen Stoffen zusammengesetzte physische Substanz. Alles kann mit ihm vorgehen, was sonst im Physischen vorgeht, nicht aber Lust und Unlust. Das ist nur im Menschen selbst zu finden und in denjenigen Wesen, die so wie der Mensch organisiert sind. Diese Wesen sind durchsetzt von einem Elemente, welches Lust und Unlust empfinden kann. Wenn Sie einen Stein stoßen, so wird er weiterfliegen oder irgendwo auffallen und einen Eindruck machen. Wenn Sie ein solches Naturobjekt in dieser oder in einer anderen Weise beeindrucken, so können Sie das von außen sehen; sie können es sogar einem Vorgang unterwerfen, der es zerstört, aber es wird nie Lust oder Unlust empfinden. Lust und Unlust reichen so weit, wie die astrale Welt reicht. Und genauso, wie ich durch die in mir sich vollziehenden Prozesse chemischer und physikalischer Art der äußeren Welt angehöre, so habe ich wirklich und real alle die verschiedenen Nuancen von Lust und Unlust in mir, und durch diese verschiedenen Nuancen und Erscheinungen von Lust und Unlust gehöre ich einer Welt an, die unsere körperliche Welt durchsetzt und durchseelt und die ebenso außer mir ist
wie in mir. Im Raume ist nicht nur Luft, die das körperliche physische Leben unterhält, sondern der Raum ist auch durchsetzt von einer astralen Welt, an der wir Menschen ebenso teilnehmen, wie wir an der äußeren physischen Welt teilnehmen. Und so, wie wir nicht leben könnten als physische Wesen, ohne daß wir die physische Kraft durch unseren Organismus fließen lassen, ebensowenig könnten wir als Lust- und Unlustwesen, als astrale Wesen leben, ohne daß wir an dem teilnehmen, was in der astralen Welt vorgeht, was in ihr lebt und webt und was uns fortwährend durchzieht und durchgeistigt. So, wie wir in der physischen Welt durch unsere Haut abgegrenzt und dadurch individualisiert sind, so sind wir auch in der allgemeinen astralen Welt abgeschlossen. Wir sind innerhalb derselben als einzelne astrale Wesenheiten individualisiert und nehmen teil an dieser astralen Welt um uns herum.
Wir haben nun auf eine Welt hingedeutet, welche unsere physische Welt durchsetzt und durchzieht und durchwogt, wie die Tonwelt der Neunten Symphonie die Welt durchwogt, in welcher auch die Schnecke lebt. Im gewöhnlichen Leben nimmt der Mensch die Welt durch seine Sinne wahr, aber er ist nicht imstande, jene Welt wahrzunehmen, die ihn selbst durchgeistigt und durchwebt und seinen eigenen Astralorganismus ausmacht. Der Umstand, daß wir eine Welt nicht wahrnehmen, ist nun aber kein Grund zu sagen, daß diese Welt nicht da ist. Warum nehmen Sie jeden anderen hier sitzenden Menschen als physisches Wesen wahr? Weil Ihre Augen darauf eingerichtet sind, die physischen Lichtstrahlen durch Ihre Augen wahrzunehmen. Ihre Augen können die physischen Körper der anderen Menschen um Sie herum wahrnehmen. Diese physischen Körper sind für Sie wirklich. Sie wären für Sie nicht da, wenn Ihre Augen nicht da wären, sie zu sehen. Ebenso ist in jedem dieser anderen Menschen Lust und Unlust in unzähligen Nuancen vorhanden. Eine ebenso reiche Welt wie die, welche Sie mit Augen sehen, ist in jedem von Ihnen; es ist eine reiche Welt von Lust und Unlust. Und ebenso wirklich wie Ihr physischer Körper, ist ein zweiter Körper, der den physischen Körper durchsetzt, von dem dieser physische Körper ganz durchdrungen ist. Sie dürfen nicht
sagen, daß nur das wirklich ist, was Sie sehen, was Sie physisch wahrnehmen können, denn jeder von Ihnen weiß, daß eine Welt von Lust und Unlust in ihm ebenso wirklich lebt, wie Muskelfleisch und Nervenfasern in ihm leben. Nur weil die geistigen Augen nicht aufgeschlossen sind, deshalb sehen Sie diese Wirklichkeiten nicht. Wären Ihre Augen dafür aufgeschlossen, dann würden Sie bei jedem anderen Menschen, ebenso wie Sie seine Hautfarbe und seine Kleider wahrnehmen, ihn auch wahrnehmen können durchströmt von Kräften und Substantialitäten, von Wesenheiten, die wirklich sind, die wir als Lust- und Unlustwesen bezeichnen können. Für denjenigen, dessen Sinn aufgeschlossen ist für diese Wirklichkeiten, ist diese Welt ebenso wirklich wie die körperliche Welt.
In jedem Menschen ist so außer dem physischen Körper noch der astrale Körper, der so genannt wird, weil er für den Seher in einem hellen Lichte erglänzt, das ein Ausdruck ist für sein ganzes Lust- und Unlustleben, für alles, was als Gefühl in ihm lebt. So wie nicht nur Sie selbst wissen, daß Sie aus Fleisch und Blut bestehen, sondern die anderen Menschen dies auch wahrnehmen können, so sind die Lust- und Unlustgefühle nur solange für Sie allein da, als nicht ein anderer sie wahrnimmt. Etwas größer als Ihr physischer Körper ist Ihr astraler Organismus, etwas herausragend über denselben. Denken Sie sich einen Saal, in dem eine Versammlung abgehalten wird und in dem die verschiedenen Redner sprechen. Wenn ein Hellseher mit seinen Seheraugen den Saal durchschaut, nimmt er nicht nur die Worte wahr, die gesprochen werden, nicht nur die funkelnden Augen und die sprechenden Physiognomien, er sieht noch etwas anderes: er sieht, wie von dem Redner zu den anderen Menschen die Leidenschaften herüberspielen, er sieht, wie die Empfindungen und Gefühle in dem Redner aufleuchten, er sieht, ob ein Redner zum Beispiel aus Rache oder aus Enthusiasmus spricht. Bei dem Enthusiasten sieht er das Feuer des Astralkörpers ausströmen, und bei der großen Menge der Menschen sieht er eine Fülle von Strahlen; diese rufen wiederum in dem Redner Lust oder Unlust hervor. Da ist eine Wechselwirkung der Temperamente,
die offen und klar vor dem Seher sich abspielt. Das ist eine ebenso wirkliche Welt, von der wir ein Teil sind, wie die äußere WeIt, in der wir leben.
Nicht umsonst, nicht zwecklos hat die theosophische Bewegung den Menschen hingewiesen auf diese unsichtbaren Welten, von denen die Menschen ein Teil sind, in die wir fortwährend unsere Wirkungen hineinsenden. Sie können kein Wort sprechen, keinen Gedanken fassen, ohne daß Gefühle in den Raum hinauswirken. Wie unsere Handlungen in den Raum hinauswirken, so wirken auch die Gefühle; sie durchsetzen den Raum und beeinflussen die Menschen und die ganze astrale Welt. Der Mensch ist unter gewöhnlichen Verhältnissen sich nicht bewußt, daß ein Strom von Wirkungen von ihm ausgeht, daß er eine Ursache ist, deren Wirkungen überall in der Welt wahrzunehmen sind. Er ist sich nicht bewußt, daß er dadurch auch Unheil anrichten kann, daß er Ströme von Lust und Unlust, von Leidenschaften und Trieben in die Welt hinaussendet, die auf andere Menschen auf die schädlichste Weise wirken können. Er ist sich nicht bewußt, was er mit seinem Gefühlsleben bewirkt.
Unser Wissen ist nicht zu einem zwecklosen Dasein bestimmt; es ist nicht dazu da, um bloß zu erkennen, nicht um seiner selbst willen ist es da. Es ist eine schöne Phrase der abendländischen Gelehrsamkeit geworden, das Wissen sei um seiner selbst willen da. Wer sich in die morgenländische Weisheit vertieft, der findet noch etwas anderes als das Wissen um seiner selbst willen. Er weiß, daß es sich beim Wissen darum handelt, sich im Sinne dieses Wissens in der Welt zu betätigen. Wir lernen die physische Welt kennen, um in der physischen Natur nicht wie in einem Chaos zu wirtschaften. Und wir lernen die höhere Natur kennen, um in dieser höheren Natur in bewußter Weise zu wirken. Wer diese höhere Natur erkennt und beherrscht, lernt, in ihr bewußt zu wirken; er lernt, seine Gedanken zu beherrschen und sie nicht zufällig wirken zu lassen, sie auch nicht zufällig loszulassen, sondern sie im Zaume zu halten; er lernt, sein Innenleben zu beherrschen, sein Innenleben zu regeln, so daß es im idealsten Sinne auf die Umwelt veredelnd wirkt.
Dadurch erlangen die höheren Welten, die lassen Sie mich das betonen ebenso wirklich sind wie unsere physische Welt, ja noch wirklicher, eine immense Bedeutung für die physische Welt. Wer weiß, daß das, was in der astralen Welt vorgeht, viel wichtiger ist für den Weltprozeß als das, was Sie in der physischen Welt zu sehen und zu tun vermögen, der wird diese Welt auch richtig in ihrer Bedeutung einschätzen.
Wenn Sie noch weiter hinaufsteigen, würden Sie Welten finden, die noch wichtiger sind als die astrale Welt. Davon spricht auch die christliche Religion. Was diese als «Seele» bezeichnet, ist die astrale Welt, was sie als «Geist» bezeichnet, ist das, was Sie in der Theosophie als «Mentalebene» kennen. Warum ist die höhere, die astrale Welt so unendlich viel wichtiger als die physische Welt? Weil die physische Welt nichts anderes ist als der Ausdruck dieser astralen Welt, als die Wirkung der astralen Welt. Ich möchte Ihnen als Erläuterung eine Erscheinung anführen, die Ihnen zeigen wird, wie unendlich viel bedeutsamer das ist, was in der astralen Welt vorgeht, als das, was in der physischen Welt sich abspielt. Was ich zu sagen habe, bezeichnet man in der Lehre der Mystik und in der Theosophie als das Mysterium von Geburt und Tod. Es ist das eines der größten Mysterien oder Weltengeheimnisse. Wir sprechen von sieben Weltengeheimnissen.
Wer trivial denkt und die heutige Welt ist nur allzu geneigt, trivial zu denken , der wird uns leicht der Schwärmerei und Unklarheit bezichtigen. Aber wir Theosophen wissen, was die drei Worte bedeuten, die in den ersten Jahrhunderten des Christentums, in welchen das Christentum noch zu den tiefsten Religionen der Welt gehörte, häufig genannt wurden: Wahrnehmen, Denken, Vermuten. Diese drei Worte wurden nebeneinander genannt. Daß das Vermuten neben dem Wahrnehmen und Denken genannt wurde, das zeigt uns, daß die Menschen in bezug auf die Erkenntnis nicht so unbescheiden waren wie heute. Ja, unbescheiden sind heute die Menschen in bezug auf die Erkenntnis, unbescheiden deshalb, weil sie ablehnend sind gegenüber allem, was ihre Sinne und ihr Verstand nicht begreifen. Denken Sie sich, wenn die Schnecke sich
unterfinge zu sagen, hier im Saal sei nichts anderes als das, was sie wahrnehme , müßten wir nicht von dieser Schnecke sagen, sie habe in bezug auf die Erkenntnis eine große Unbescheidenheit? Täuschen Sie sich nicht. Im schlimmsten Sinne des Wortes ist es ebenso mit dem Menschen, wenn er sagt: Was mein Verstand nicht wahrnehmen und nicht begreifen kann, das gibt es nicht in dieser Welt. Zwei Dinge, Wahrnehmen und Denken, sind es, die uns in der Welt Schönheit, Größe und Zahl vermitteln. Aber es gibt noch ein drittes, das uns immer bescheiden sein läßt, das uns strebend sein läßt, das uns immer tiefer hineinführt in die Welt: das ist das Vermuten, das Vermuten, daß es noch etwas anderes geben könnte als das, was wir wissen.
Die theosophische Bewegung unterscheidet sich darin von allen übrigen Erkenntnisbewegungen. Was will der gewöhnliche Wissenschaftler, der stolz ist auf seine Kultur und unbescheiden ist in bezug auf sein gewöhnliches Erkennen? Er will alles das, was er wahrnehmen und erkennen kann, weiter verfolgen, und er will seine Erkenntnisse auf unzählige Sachen verbreiten. Das ist so, wie wenn die Schnecke nach allen Seiten herumkriecht und wahrnimmt, was sie wahrnehmen kann sie würde nichts wahrnehmen als das, was ihre Schneckenorgane wahrnehmen können. So ist es auch bei den Menschen. Deshalb hat man dem Wahrnehmen und dem Denken das Vermuten hinzugefügt, das Vermuten, daß wenn wir uns weiterentwickeln uns höhere Sinnesorgane aufgehen werden, die uns das aufschließen, was uns für gewöhnlich verschlossen ist in der Welt. So unterscheidet sich die Gesinnung des Theosophen von der des gewöhnlichen Wissenschaftlers dadurch, daß er sich entwickeln will, daß er ehrlich und rechtschaffen an die Entwicklung seiner Fähigkeiten glaubt und sich bemüht, an sich selbst zu arbeiten. Das, verehrte Anwesende, ist theosophische Gesinnung: an sich zu arbeiten, damit uns höhere Organe aufgehen, damit wir in die Lage kommen, in dem, was uns umgibt, Bedeutungsvolles, Wichtiges wahrzunehmen. Das muß immer mehr und mehr abendländische Gesinnung werden, wenn die abendländische Menschheit nicht ganz in der materialistischen
Strömung aufgehen will. Wenn diese theosophische Gesinnung sich immer mehr und mehr verbreitet, dann wird man einsehen, daß alles dasjenige, was äußere physische Tatsachen und Erscheinungen sind, die Folgen, die Wirkungen tieferliegender Ursachen sind, die in der astralen Welt oder in noch höheren Welten liegen. Gewöhnlich ist die abendländische Wissenschaft damit zufrieden, den Körper in allen seinen Bestandteilen zu erforschen. Aber die theosophische Gesinnung fragt: Hat dieser Körper sich selbst zusammengefügt? Wo könnte der Grund dafür sein? Können wir glauben, daß die Kräfte draußen in der Natur das Bedürfnis fühlen, sich zum Menschen zusammenzufügen? Nein. Wer in der höheren Welt zu sehen vermag, der weiß, daß der Mensch, bevor er im physischen Organismus lebt, vor seiner Geburt in einem astralen Dasein lebte. So wahr wir vor unserem physischen Dasein, vor der Geburt, ein astrales Dasein hatten, so wahr haben wir ein astrales Dasein auch nach unserer Geburt, und dieses reicht weiter als unser physischer Körper. Alles das ist eingeschlossen in dem, was wir das Mysterium von Geburt und Tod nennen.
Die Theosophie versteht die Wichtigkeit des dritten Wortes: das Vermuten. Was ich heute vermute, wird vielleicht morgen schon zu Erkenntnis, und was ich gestern noch vermutet habe, wurde mir heute zur Gewißheit. Wer auf das Tiefere dieses Vermutens vertraut, der glaubt nicht an Erkenntnisgrenzen; er sagt sich: Ich glaube nicht daran, daß dasjenige, was ich zu irgendeiner Zeit erkenne, das Tiefste ist. Und so sind wir uns klar darüber, daß auch bei den wichtigsten Erscheinungen der Natur ihre Gesetze, ihre Wesenheiten tief verhüllt sind. «Geheimnisvoll am lichten Tag, läßt sich Natur des Schleiers nicht berauben.». Geheimnisvoll, mysteriös, ist die Natur, ist das ganze Leben, und darin einzudringen ist die Aufgabe des Menschen. Denn mit den Mysterien zu arbeiten, ist des Menschen Aufgabe.
Wir sprechen von sieben großen Geheimnissen des Lebens. Sieben große Geheimnisse gibt es, die uns die sieben großen Phasen des Lebens enthüllen. Die «unaussprechlichen» werden sie genannt. Das vierte dieser großen Geheimnisse, in die wir nach und
nach durch diese Vorträge eingeführt werden sollen, ist das Geheimnis von Geburt und Tod. Es ist nicht so, daß wir nötig haben, einen Schleier zu lüften, um das Geheimnis von Geburt und Tod zu verstehen. Der Körper, der zwischen Geburt und Tod lebt, wird aufgesucht von einem anderen Körper, der nur in der astralen Welt lebt. Unser Astralkörper ist vor unserem physischen Körper vorhanden. Er ist die Grundnote unseres Empfindungslebens, die Grundnote unseres Temperamentes und unserer Leidenschaften. Das sieht der Seher in der astralen Welt. Bevor der Mensch geboren wird, baut sich diese Grundnote, die jeder von uns in sich trägt, den physischen Körper auf. Unsere physischen Körper erbauen nicht unsere Leidenschaften, Begierden und Temperamente, sondern diese kommen aus einer anderen Welt und suchen sich die entsprechenden Körper aus. Daher ist jeder Mensch ausgestattet mit einer ganz bestimmten seelischen Wesenheit. Wer imstande ist, den Menschen wirklich zu studieren, der weiß, daß sich die Menschen voneinander unterscheiden, daß es nicht zwei Menschen gibt, die einander in bezug auf Leidenschaften, Begierden und physische Körpernatur gleich sind. In bezug auf die physische Körpernatur sind sie vielleicht nur wenig voneinander verschieden, aber ungeheuer verschieden sind die Menschen hinsichtlich ihrer astralen Wesenheit.
Bevor ein Mensch geboren wird, sieht der Seher der Stätte der Geburt zuströmen den Astralkörper des Menschen, die Summe seiner Begierden, Triebe und Leidenschaften, die sich später in dem physischen Körper entwickeln und sich mit der äußeren Welt in Wechselwirkung setzen. Und innerhalb dieses Astralkörpers, als das innerste Wesen des sich verkörpernden Menschen, ist das eigentliche höhere Geistwesen des Menschen. Aus einer noch höheren Welt herab steigt dieses höhere Geistwesen des Menschen, und innerhalb der astralen Welt umgibt sich dieses höhere Geistwesen des Menschen mit dem, was wir Begierdenstoff, Astralstoff nennen. So durcheilt er die astrale Welt mit Windeseile. Der Seher sieht es in der Astralwelt lange vor seiner Geburt. Es ist in einer leuchtenden glockenförmigen Gestalt vorhanden und senkt sich
nieder auf den menschlichen Körper, um diesen zu durchgeistigen. Das, was wir über einen solchen Astralstoff heute sagen, zieht uns leicht den Vorwurf der Schwärmerei zu, und es ist natürlich, daß, wenn wir in der heutigen Welt so sprechen, wir diesen Vorwurf erhalten können. Wir müssen daher umso vorsichtiger sein. Wir dürfen uns nicht erlauben, so davon zu sprechen, und wir sollten auch nicht davon sprechen, wenn wir nicht ebenso fest und sicher in dieser Welt zu Hause sind wie in der physischen Welt.
Ich betrachte es als eine Anforderung an einen Lehrer der Theosophie, daß er nur soviel von der Lehre vertritt, wie er nach seinem besten Gewissen verantworten kann, das heißt, ich verlange von jedem theosophischen Lehrer, daß er nur das sagt, wovon er selbst eine unmittelbare Kenntnis, ein unmittelbares Wissen hat. Nicht ein Wort sollte der theosophische Lehrer über diese höheren Welten sprechen, wenn er nicht imstande ist, selbst zu forschen; genau mit demselben Recht, wie auch niemand über Chemie sprechen kann, der sie nicht studiert hat. Deshalb werde ich in den Vorträgen nur das sagen, was ich mit absoluter Sicherheit zu sagen in der Lage bin. Niemand ist in der Lage, die astrale Welt in ihrer Ganzheit zu schildern; sie ist reichhaltiger und umfangreicher als unsere physische Welt. Ich gebe zu, daß auch der Geistesforscher im einzelnen sich irren kann, so wie man sich in der physischen Welt irren kann, wenn man zum Beispiel die Höhe eines Berges bestimmen will. Aber ebensowenig wie ein solcher Irrtum im einzelnen ein Anlaß sein kann, die physische Welt abzuleugnen, ebensowenig kann ein Mensch versucht sein, wegen eines Irrtums im einzelnen die Wirklichkeit der astralen Welt zu leugnen.
Bevor der Mensch für die physische Welt geboren wird, lebt er als Triebwesen mit seinem «Körper des Verlangens» in der astralen Welt. In der astralen Welt gibt es nicht Geburt und Tod in demselben Sinne wie in der physischen Welt. In der astralen Welt gilt das Mysterium von der sogenannten Wahlanziehung. Es geht dabei so zu wie in dieser physischen Welt mit unseren Begierden und Wünschen. Wie eine Begierde sich aus der anderen entwickelt, so geht es in der astralen Welt zu. Ein Wesen entwickelt sich
aus dem anderen durch eine ewige Fortpflanzung, ohne daß wir Geburt und Tod zu verzeichnen hätten. Die Wesen unterliegen nur der Wahlanziehung, nicht der Geburt und dem Tode. Woher kommt es, daß die physischen Wesen der Geburt und dem Tode unterliegen? Auf diese Frage wollte ich heute besonders hinweisen. Woher kommen Geburt und Tod in die physische Natur? Ich habe gesagt, bevor der Mensch auf der physischen Welt lebt, lebt er in der astralen Welt und unterliegt da der Wahlanziehung; Geburt und Tod würde es da nicht geben. Nun gibt es aber Geburt und Tod, weil das Astrale den mittleren Punkt bildet zwischen zwei anderen Welten.
Der Mensch ist ein Bürger zweier Welten. Er deutet hinunter nach der physischen Welt und hinauf nach der höchsten, der geistigen Welt. Durch seine astrale Natur verbindet der Mensch die geistige Welt in ihrer Ewigkeit mit der physischen Welt. Der Mensch war lange, lange Zeit, durch mehrere kosmische Epochen hindurch, ein bloß astrales Wesen. Wir stehen heute in der fünften «Wurzelrasse», der nachatlantischen Zeit, ihr gingen die vierte und die dritte voran. Erst in der dritten «Wurzelrasse», in der lemurischen Zeit, ist der Mensch ein physisches Wesen geworden; vorher war er der Astralwelt näher. Damals aber, als der Mensch noch Astralwesen war, hatte er noch nicht die Kraft des Geistes. Die höhere, die geistige Seele hat sich erst mit dem Astralwesen vereinigt in dem Augenblicke, in dem das Geistige mit dem Physischen sich vereinigt hat. Und dieses vereinigte Geistig-Physische fordert für das Physische Geburt und Tod. Deshalb, weil der Mensch der Schauplatz des höchsten Geistigen ist, muß er innerhalb des Physischen geboren werden und sterben. Das astrale Wesen wird weder geboren noch stirbt es. Das geistige Wesen wird dadurch seine Ewigkeit bewahren, daß es das physische Wesen von Zeit zu Zeit immer wieder zerstört, um wieder aufzusteigen in das Geistige und dann wieder herunterzusteigen in die physische Welt. Das hat Goethe angedeutet in seinem Prosahymnus «Die Natur»: Leben ist ihre schönste Erfindung, und der Tod ist ihr Kunstgriff, viel Leben zu haben.
Dieses Zusammenwirken von Geburt und Tod, das Mysterium des ganzen Lebens, soll uns weiter in diesen Vorträgen beschäftigen, und auch die Wesen der astralen Welt, von denen wir bisher wenig erwähnt haben, werden wir kennenlernen, um so einzusehen, daß es mehr Wesen gibt, als der Mensch in seiner heutigen materialistischen Gesinnung sich träumen läßt.
Zweiter Vortrag, Berlin, 4. November 1903
Die höheren Welten und der Anteil des Menschen an ihnen
Nachdenkliche Menschen könnten vielleicht ein Ereignis, das in den letzten Tagen ganz überraschend eingetreten ist, als einen Beweis dafür nehmen, daß vieles Unbekannte in dem Raume sein kann, in dem wir uns alle befinden, von dem wir plötzlich Wirkungen wahrnehmen, ohne daß wir vorher von seinem Vorhandensein eine Ahnung gehabt haben. Sie werden ja schon erraten, daß ich damit auf ein Ereignis hinweise, das letzte Woche stattgefunden hat: An einem schönen Mittag, es war letzten Sonnabend, hörten in Frankreich plötzlich alle Telegrafenleitungen auf zu funktionieren; man konnte nach keinem Orte in Frankreich telegrafieren oder telefonieren und kein Physiker konnte sich eine Vorstellung machen, wovon das kam. Abends ging der Strom wieder wie vorher. Diese Störung war auf der ganzen Erde zu spüren. Man hatte vorher keine Ahnung, daß etwas derartiges auf unserer Erde vorgehen könnte, daß plötzlich alle telegrafischen Leitungen stillestehen. Die Wissenschaft wird die Ursache schon finden. Aber man wird sich klar sein müssen, daß fortwährend in der Welt eine Kraft wirken kann, von der wir uns keine Vorstellung machen können Zusammenhänge, von denen wir nichts wissen, deren Wirkungsweise wir nicht im voraus kennen.
Wir Menschen gehören der astralen Welt ebenso an, wie wir der physischen Welt angehören. Wir gehören auch noch anderen Welten an, aber das Dasein dieser Welten verstehen wir erst, wenn wir sehen, was für Kräfte aus dem höheren Dasein hereinspielen. Demjenigen, dessen Augen für die astrale Welt geöffnet werden, geht ein neues Dasein auf: die Welt, in der wir alle Triebe und Instinkte, alle Leidenschaften und Temperamente so vor uns sehen, wie wir die Dinge um uns herum in der physischen Welt sehen. Diese
astrale Welt ist aber nicht die höchste. Sie ist diejenige, welche um eine Stufe höher liegt als unsere physische Welt, sie ist eine feinere Welt, die unsere ganze Welt durchdringt. Dann ist unsere Welt auch durchdrungen von einer noch höheren Welt, der eigentlichen geistigen Welt, die wir in der Theosophie die devachanische oder die mentale Welt nennen und die, wenn wir den Blick dafür geöffnet haben, es uns möglich macht, die Gedanken, welche nicht von Gefühlen und Wünschen durchzogen sind, die also reine Gedanken sind, wie Dinge zu sehen. Das sind die drei Welten, welchen der Mensch angehört, das sind die drei Welten, welche er durchläuft in seinen Leben von Verkörperung zu Verkörperung. Also nicht die höchste Welt ist es, mit der wir es bei der Astralwelt zu tun haben. Der geistigen Welt soll ein besonderer Vortrag gewidmet werden.
Wir betrachten nun also diese Zwischenwelt, die aber, weil sie unserer physischen Welt zunächst liegt, für uns von ganz besonderer Wichtigkeit ist. Demjenigen, dessen Auge geöffnet ist für diese Sphäre, sprechen wir ein sogenanntes psychisches Sehen zu. Es erscheinen ihm nicht nur physische Dinge, sondern es erscheint ihm auch alles, was in den Menschen als Triebe, Wünsche und Leidenschaften lebt, als Dinge. Diese astrale Welt ist abgestuft. Sie ist so großartig, daß sich unsere physische Welt nicht damit vergleichen läßt. Nur eine skizzenhafte Schilderung kann ich davon geben. Wer das Auge dafür geöffnet hat, der sieht Dinge, die der gewöhnliche Mensch zwar wahrnimmt, die er aber sich noch nicht enträtseln kann. Das ist psychisches Sehen.
Aber es gibt ein noch höheres Sehen, das spirituelle Sehen. Dieses verhält sich zum psychischen Sehen etwa so wie der Blick von der Spitze eines Berges, also von einem erhabenen Standpunkte oder doch von dem Abhange eines Berges aus auf die im Tale liegenden Orte und Gegenstände. Denken Sie sich ein Dorf, eine Stadt, ihre Umgebung, aber von unten gesehen, vom Boden aus, auf dem Sie stehen, so können Sie das vergleichen mit dem physischen Sehen des gewöhnlichen Durchschnittsmenschen. Steigen Sie den Berg hinan und bleiben etwa in der Mitte des Berges stehen, dann können Sie den Überblick, den Sie da erhalten, mit dem
psychischen Sehen vergleichen. Steigen Sie ganz auf den Berg hinauf, dann können Sie den Überblick vergleichen mit dem spirituellen Sehen. Dieses spirituelle Sehen haben nur wenige Menschen in unserem Zeitalter. Später werden es mehr Menschen sein. Diejenigen Menschen haben es, welche es sich durch frühere Verkörperungen erworben haben, indem sie ein reines, mentales Leben geführt haben, diejenigen, welche auf dem Gebiete des Denkens die Wege des reinen, kristallklaren Erkennens der Welt gesucht haben. Derjenige Mensch, für den das Verfolgen der reinen moralischen Tat so selbstverständlich war, wie für den gewöhnlichen Menschen das Verfolgen seiner alltäglichen Beschäftigungen, Vergnügungen, Leidenschaften und Triebe, derjenige, für den das Leben in reinen Gedanken selbstverständlich war, der bringt dann im nächsten Leben die Fähigkeit mit, diese Dinge, denen er sich in den früheren Leben hingegeben hat, so um sich zu sehen, wie andere Menschen die physischen Dinge sehen. Er durchschaut die Welt, er blickt gleichsam von oben her nicht nur in die physische Welt hinein, sondern auch in diejenige, welche ich als die astrale Welt beschrieben habe. Er kann diese beschreiben, in großen Zügen allerdings, so wie sie sich von oben ausnimmt, aber er kann sie klarer beschreiben als derjenige, welcher bloß das psychische Schauen hat.
Teile des psychischen Schauens sind das, was wir durch Hypnotismus und Magnetismus haben. Teil des psychischen Schauens ist auch das somnambule Schauen. Aber dennoch, wenn wir auf der psychischen Ebene stehen bleiben, stehen wir nicht auf dem Gipfel. Da wird auch noch Irrtum möglich sein. Nur der, welcher das spirituelle Schauen hat, kann die Welt nach allen Seiten hin überschauen. Nur der, welcher die Dinge von oben sieht, hat einen freien Ausblick über die Dinge der psychischen Welt. Derjenige, der in diese psychische Welt hineinzuschauen vermag, weiß als Tatsache, daß des Menschen Ursprung, sein Anfang, nicht innerhalb der physischen Welt liegt. Er weiß, daß dasjenige, was sich an dem Menschen als physischer Körper findet, auserwählt worden ist von einem höheren Körper, von etwas, das früher da war als der physische Körper.
Zweierlei Ansichten sind möglich, die materialistische und die geistige. Die materialistische Ansicht ist die, welche glaubt, daß der Mensch sich sein physisches Dasein aus physischen Stoffen bestehend schafft und daß dann, so glaubt diese Anschauung, diese materiellen Stoffe das Geistige erzeugen. Diese Anschauung verfolgt dann irgend eine materielle Erscheinung, indem sie zum Beispiel fragt: Was geht vor im Organismus, was geht vor in den feinen Funktionen, die sich im Gehirn abspielen, wenn ein Gefühl, wenn eine Vorstellung in uns ist? Derjenige, welcher das psychische Sehen hat, weiß, daß dieser Körper sich nicht selbst auferbaut hat; er weiß, daß der Körper von seinem eigenen höheren Menschen, welcher in ihm wohnt, ausgewählt worden ist. «Schaffen» bedeutet nicht das, was wir heute schaffen nennen, sondern es bedeutet Wählen. Das heißt: die Seele des Menschen, die Psyche, welche aus anderen Regionen kommt, hat sich diesen Körper erwählt, so daß er ihr ein Instrument sein kann zur Verfolgung derjenigen Ziele, die aus einer höheren Welt stammen.
Nachdem ich dies vorausgeschickt habe, lassen Sie mich in kurzen Zügen darstellen, wie der Mensch seine Erdenpilgerschaft vorbereitet. Lassen Sie mich jetzt zeigen, wie der Mensch zustandekommt, und in einer anderen Stunde wollen wir seinen kosmischen Ursprung zeigen. Heute nur das, was zum Dasein des Menschen in unserer Zeitepoche führt. Ich sage Tatsachen, denn ich sagte schon, daß derjenige, der über die astrale Welt vorträgt, jedes Wort abwägen muß, daß er es nicht einmal, sondern viele Male prüfen muß. Nehmen Sie meine Worte nicht als zufällig gesprochen an, sondern so, daß ich mich vollständig verantwortlich fühle für das, was ich sage. Was ich als Tatsachen hinstelle, können Sie ebenso nehmen wie das, was der Naturforscher als Tatsachen hinstellt, die er mit dem Teleskop, mit dem Fernrohr und so weiter sehen kann.
Der Mensch ist ein Wesen, das nicht einmal lebt, sondern das in vielen, vielen Verkörperungen immer und immer wieder lebt. Der Mensch nimmt die physische Hülle oft an. Diese physische Hülle ist die äußerste der Hüllen, in welche der eigentliche Mensch eingehüllt ist. Dieser eigentliche Mensch, der von Inkarnation zu
Inkarnation geht, der Schuld und Sühne von einer Inkarnation zur anderen hinüberträgt, wird als das höhere Selbst bezeichnet. Bei der Geburt tritt dieses höhere Selbst in unseren Körper ein. Nach dem Tode verläßt dieses höhere Selbst den Körper, um wiederum in eineinhalb bis zwei Jahrtausenden in einer neuen Verkörperung in der Welt zu erscheinen. In der Zwischenzeit hält sich dieses höhere Selbst in den höheren Welten auf, und, nachdem dieses Selbst in eine Art von Reifezustand übergegangen ist, sucht es sich wieder zu verkörpern. Es lebt in ihm gleichsam der Wunsch, wiederum innerhalb des materiellen, irdischen Daseins tätig zu sein, wiederum eine Lektion zu erlernen innerhalb des irdischen Daseins.
Nun müssen wir ein zweifaches, ein doppeltes Entstehen des Menschen betrachten. Diese Betrachtung liefert uns zwei Tatsachenreihen: die eine, welche abläuft innerhalb unserer physischen Welt, die andere, welche abläuft in der höheren Welt. Ich werde vorläufig nur diese höhere Welt skizzieren.
In der Zwischenzeit, [zwischen dem Tode und einer neuen Geburt], ist der Mensch in der rein geistigen Welt in der mentalen Welt oder dem Devachan , in einer Welt, welche zwei Regionen hat, eine rein geistige, höhere Welt und eine niedere. Die höhere geistige Welt, welche wir auch als die «Arupa-Sphäre» bezeichnen, betritt der Mensch zwischen zwei Verkörperungen immer. Der Unentwickelte hält sich kürzere, der Entwickelte längere Zeit darin auf. Jeder Mensch muß durch diese Region hindurchgehen. Wir werden später sehen, warum. Aus dieser Region muß er in die untere Region, in diejenige, in welcher für uns der subjektive Gedanke ist, der Gedankenstoff. In dieser Region nimmt das Selbst einen Gedankenkörper an. Es umgibt sich mit Gedankenstoff, so daß wir dieses Selbst verfolgen können, wie es aus der höheren Region nun in die Gedankenstoffwelt eintritt. Diese Sphären sind eigentlich nicht übereinander, sondern ineinander geschoben. Es ist wie ein lebendiger Organismus, nur ist dieser tätiger als unser physischer Organismus. Nachdem das Selbst in diese Gedankenregion eingetreten ist und dort einen Organismus aus Gedankenstoff
gebildet hat, treibt es ein Wunsch weiter herunter. Es umgibt sich mit Stoff aus der astralen oder psychischen Welt, so daß das höhere Selbst, bevor es in den physischen Organismus einzieht, bereits ein höherer Organismus ist. Jeder von uns war in den höheren Regionen ein höherer Organismus. Er war Gedankenstoff, und dieser war wiederum eingewebt in den Astralstoff. Ein solcher Organismus waren wir, bevor wir den physischen Leib betraten. Diese astrale Welt ist für den Seher, der in der psychischen Sphäre forschen kann, ebenso klar und durchsichtig, wie die physische Welt für die Augen des physischen Forschers.
In der physischen Welt unterscheiden wir dreierlei Arten des Daseins, dreierlei Aggregatzustände: fest, flüssig und gasförmig; außerdem noch den sogenannten Äther, die ätherische Stofflichkeit, die der Grund ist, warum Licht durch den Raum geht, Wärme und so weiter. Dieses ist der feinste Zustand auf dem physischen Plan. Genau ebenso hinsichtlich der Einteilung, aber ganz anders hinsichtlich der Qualität, hinsichtlich der Eigenschaften, ist es in der astralen Welt. In der astralen Welt haben wir es mit verschiedener astraler Stofflichkeit zu tun. Etwas dringt herein in unsere Welt, die wir kennen, etwas durchdringt uns Menschen alle, und wir nennen es die astrale Welt. In der astralen Welt sehen wir, ohne daß wir es recht fassen können, die Astralstoffe. Noch im Mittelalter haben die Leute, die davon etwas wußten, von Stoffen gesprochen, durch welche das Hereinziehen des Selbstes [in das Physische] sich vollzieht, und sie haben diese Stoffe «Humores» genannt. Was in unserer physischen Welt diese verschiedenen Stoffzustände sind, fest, flüssig, gasförmig und ätherisch, das sind in der psychischen Welt die vier Humores, aber wir können diese nur benennen nach ihrem Abglanz, wie sie in uns sind, wie sie in uns leben. Den physischen Stoffzuständen fest, flüssig, gasförmig, ätherisch entspricht in der Astralwelt das, was wir die vier Temperamente nennen. Das, was in uns verursacht, daß wir dieses oder jenes Temperament haben, dem entspricht ein ganz bestimmter Stoffzustand. Wer im Astralkörper ein cholerisches Temperament hat, bei dem findet sich derjenige der Humores besonders ausgebildet, welcher
dem Stoffzustande des Cholerischen entspricht cholae. So haben wir in der astralen Welt die Temperamente als Entsprechung für die vier Stoffzustände. Wie die Alten von Erde, Wasser, Luft, Feuer sprachen, so sprachen sie auch von vier Stoffzuständen im Astralischen, und diese bestehen aus Astralstoffen. Je nachdem der eine oder der andere Astralstoff überwiegt, je nachdem trägt der Mensch das eine oder das andere Temperament.
So wie unserem physischen Dasein der Raum mit seinen drei Dimensionen eigen ist, so gibt es auch einen Astralraum, der aber anders geartet ist als unser physischer Raum. Und weil er anders geartet ist, wird es dem Anfänger schwer, sich dort zurechtzufinden. Etwas den physischen Dimensionen Entsprechendes gibt es auch im Astralen. So wie unser physischer Raum Höhe, Breite und Tiefe hat, so gibt es auch auf dem astralischen Felde bestimmte Dimensionen. Und nun besteht ein merkwürdiger Zusammenhang zwischen den Dimensionen auf astralem Felde und dem, was wir im physischen Leben «Zeit» nennen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Physischen sind nur Projektionen, schattenhafte Bilder derjenigen Dimensionen, welche die Dimensionen in der Astralwelt sind. Es gibt auch in der astralen Welt etwas wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als Dimensionen. Aber das unterscheidet die astrale Welt von unserer physischen, daß es noch eine für unser physisches Dasein unvorstellbare Dimension gibt, welche außer Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft besteht, welche oftmals als vierte Dimension gezählt wird. Es ist dies ein bildlicher, aber nicht ganz ungeeigneter Ausdruck. Es sollte niemand von der vierten Dimension sprechen, der keinen Blick dafür hat.
Die astrale Welt ist verwirrend für den, der zum erstenmal einen Blick in sie tut. Sie unterscheidet sich auch dadurch von der physischen Welt, daß die Dinge nicht fest sind, sondern durchlässig. Wir nennen sie daher auch die Region der Durchlässigkeit. Es gibt da für das astralische Auge keine Grenzen des Körpers wie in der physischen Welt; von jedem Körper ist seine Rückseite ebenso sichtbar wie die Vorderseite. Wir sehen im Grunde genommen in der Astralwelt gar nicht von außen wie im Physischen. Sie wissen, im
Physischen sehen wir die Dinge so, wie sie sich sozusagen vor uns hinstellen, zum Beispiel sehen wir in einer von uns abgehenden Allee die Bäume perspektivisch. Der Raum bietet uns ein perspektivisches Schauen. Die entfernteren Bäume scheinen einander nähergerückt zu sein, die näheren Bäume scheinen weiter voneinander entfernt. Diese Art zu schauen hört vollständig auf im Astralen. Dort schauen wir die Dinge von innen. Wenn Sie einen Würfel von außen anschauen, so erscheinen Ihnen die Seiten des Würfels perspektivisch. Das astrale Schauen ist gleichsam so, als wenn Sie in der Mitte des Würfels stehen würden und ihn nach allen Seiten von innen beschauen könnten. Das hat ja auch Leadbeater in seiner «Astralebene» gesagt. Wir können davon nur eine Art Sinnbild, eine Art Projektion geben. Unsere Worte beziehen sich nur auf die physische Ebene; wir müssen daher das, was wir astral schauen, erst in die physische Sprache übertragen. Wenn wir sagen, wir sehen im Astralen die Dinge von innen an, so ist das nur eine Übersetzung dessen, was im Astralen vorhanden ist, in die physische Projektion hinein. Für den Anfänger wird dadurch eine Art Verwirrung geschaffen, daß er die Dinge von einer anderen Seite sieht [als von der gewohnten]. Sein Gesichtspunkt ändert sich vollständig. Allen Anfängern ist diese Erfahrung gemeinsam. Wenn Sie zum Beispiel eine Zahl im Astralen schauen, zum Beispiel 265, dann sehen Sie sie nach alter Gewohnheit so, wie Sie sie im Physischen von außen sehen. Im Astralen haben Sie aber den Standpunkt, die Dinge von innen zu sehen. Die Zahl muß im Astralen 562 gelesen werden, weil der Standpunkt von innen ist, also von der anderen Seite symmetrisch umgekehrt gelesen werden muß. Das sind die Gründe für das Verwirrende, das bei Anfängern zunächst auftritt, denen das Auge geöffnet wird. Es ist jedoch ein theosophischer Grundsatz, daß niemandem das Auge geöffnet werden darf, wenn es nicht an der Hand eines Adepten geschieht, wie wir die Kenner auf diesem Gebiete nennen. Wer geführt wird von Meistern, der kann unmöglich solchen Irrtümern ausgesetzt sein.
Diese Welt ist es, in der der Mensch vor seiner physischen Verkörperung sich befindet, bevor sein physischer Körper sich gebildet hat. Wir wollen nun das betrachten, was von der physischen
Welt dem astralen Organismus entgegeneilt, des Menschen physische Körperlichkeit, die durch physische, durch physiologische Kräfte geboren wird. Ich mache Sie auf eine Tatsache aufmerksam, die zugleich das Mysterium von Geburt und Tod betrifft. Dadurch, daß der Mensch einzieht in die physische Welt, dadurch, daß er von der physischen Welt Besitz ergreift und sich physische Materie einwebt, dadurch unterliegt er den Gesetzen der Fortpflanzung, den Gesetzen derjenigen Geburt und desjenigen Todes, wie wir sie in der physischen Welt heute kennen. Zwar gibt es noch eine andere Geburt und einen anderen Tod.; aber die Geburt und der Tod, welche wir kennen, gibt es erst in unserer Menschheitsepoche innerhalb der atlantischen Zeit und eines Teiles der lemurischen Zeit. Diesen drei Menschheitsepochen [Wurzelrassen] gingen zwei andere voran, in denen die Menschen keinen so dichten Körper hatten wie wir. Sie hatten einen feinen, noch nicht grobstofflichen Körper, und mit diesem Körper war noch nicht das verbunden, was wir jetzt als physischen Fortpflanzungsvorgang kennen. Dieser tritt erst innerhalb der dritten Wurzelrasse, [in der lemurischen Zeit], ein. Vorher gab es eine Art der Fortpflanzung innerhalb der Lebewesen, an die uns heute noch die niedersten Naturwesen erinnern, die sich einfach durch Zellteilung fortpflanzen. Eine Zelle schnürt sich ein und teilt sich; das ist eine ungeschlechtliche Fortpflanzung. Die Menschen pflanzten sich während der ersten und zweiten Wurzelrasse, [in der polarischen und hyperboräischen Zeit], durch eine solche Teilung des ätherischen Körpers fort. Diese beiden Menschenrassen, welche der dritten vorangingen, pflanzten sich so fort, daß der eine Körper den anderen aus sich heraustreten ließ. Diese Art der Fortpflanzung bildet nur noch ein Erinnerungsstück an diese ältesten Zeitepochen.
Sie wissen vielleicht, daß die älteste Zeit die Verehrung des Adam Kadmon hatte. Sie wissen das aus der indischen Geheimlehre, und Sie kennen auch aus der Bibel die doppelte Schöpfungsgeschichte. In der ersten Schöpfungsgeschichte wird erzählt: Gott schuf den Menschen, und wie es dort wörtlich heißt er schuf den Menschen männlich-weiblich. Die geschlechtliche
Fortpflanzung war nicht die erste. Das, was man oftmals bei einer äußerlichen Betrachtung der Bibel als Widerspruch empfindet, die doppelte Schöpfungsgeschichte, ist kein Widerspruch, denn die erste Schöpfungsgeschichte erzählt von jenen Menschenrassen, bei denen es noch keine Geschlechtlichkeit gab, welche noch männlich-weiblich waren. Erst in der dritten Wurzelrasse, in der lemurischen Zeit, trat die Spaltung der Geschlechter auf und das, was wir im heutigen Sinne im Physischen Geburt und Tod nennen. Es trat [in dieser Zeit] aber auch etwas anderes auf, was früher noch nicht da war: Die Menschen hatten noch nicht das Vorstellungsvermögen [im heutigen Sinne]. Daß wir heute einen Gegenstand uns vorstellen können, das ist etwas, was erst in der fünften Zeitepoche so geworden ist. Ich kann mir ein Gedankenbild schaffen, zum Beispiel von einer Flasche. Das konnten die [früheren Menschen] noch nicht. Gleichzeitig mit der physischen Stofflichkeit entwickelte sich die Fähigkeit des Vorstellens.
Nun treffen wir hier merkwürdigerweise auf eine jener wichtigen historischen Tatsachen, die dann in der Gegenwart zur Gründung der theosophischen Bewegung geführt haben. Die Naturwissenschaft ist in den letzten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts dazu gekommen, über die geschlechtliche Fortpflanzung und über Geburt und Tod sich Vorstellungen zu machen, die die Theosophen schon vor Jahrhunderten gehabt haben. Die letzte Zeit, die wir alle mit erlebt haben, hat Licht hineingebracht in die physische Fortpflanzung des Menschen und damit auch der höheren Tiere. Heute steht die Naturforschung nicht mehr auf demselben Standpunkt wie vor zwanzig Jahren, daß die Zweigeschlechtlichkeit notwendig sei. Sie können das heute in naturwissenschaftlichen Werken lesen. Sichere und maßgebende Forschungen haben ergeben, daß die heutige Fortpflanzungsart einen ganz anderen Sinn hat als den, welchen man ihr bisher gegeben hat. Denn die Natur hätte ausreichen können auch mit der Eingeschlechtlichkeit. Es ist heute durchaus naturwissenschaftlich erwiesen, daß zwei Geschlechter nicht notwendig sind zur Fortpflanzung, daß etwas anderes beabsichtigt war mit der Zweigeschlechtlichkeit, denn es wäre ja zur
Fortpflanzung das eine Geschlecht genügend gewesen. Was hat die Zweigeschlechtlichkeit also für einen Sinn? Da sagt uns die Naturwissenschaft: Die Zweigeschlechtlichkeit ist eingetreten, damit eine Qualitätenmischung stattfindet. Es würde sonst eine viel geringere Mannigfaltigkeit in dem physischen Körperlichen vorhanden sein; die späteren Nachkommen würden immer denselben Typus zeigen wie die frühesten Vorfahren. Um möglichst viele Stoffe zu mischen, um die Eigenschaftsmischung herbeizuführen, hat die Natur zwei Geschlechter entstehen lassen. Eine Mannigfaltigkeit sollte hervorgebracht werden in der dritten Menschheitsrasse. Und da sind auch die ersten Tiere entstanden. Es hat die Natur den Zweck verfolgt, möglichst mannigfaltige Wesen hervorzubringen, damit die aus dem Geistigen und dem Astralischen herunterkommenden Wesenheiten möglichst mannigfaltige Körper finden. Der Mensch sollte einen neuen Körper finden, der durch die mannigfaltigste Mischung hindurchgegangen ist, um nicht der alte Typus zu bleiben. Sie sehen, von der Naturwissenschaft ist hier das erforscht worden, was auch die Theosophie seit alten Zeiten gelehrt hat.
Nachdem wir nun beides gesehen haben, das Herabsteigen des Geistigen und wie das Physische dem herabsteigenden Geistigen entgegenkommt, wollen wir nochmals den Vorgang betrachten. Was ich sage, sind Tatsachen, es ist durchaus sicher. Ich werde von beiden Seiten die Elemente darstellen, welche bei der Menschwerdung vorhanden sind. Zuerst haben wir es bei der Menschwerdung zu tun mit der Entwicklung des Keimes, der in den ersten Tagen einem kleinen Fischchen ähnlich sieht. Diesen Keim brauche ich nur skizzenhaft anzudeuten; er ist etwa so. (Es wurde an die Tafel gezeichnet; die Zeichnung ist nicht erhalten). Diesem kommt etwa am siebzehnten Tag das Astralwesen entgegen; und dieses Astralwesen kennt der psychische Forscher so gut wie der physische Forscher das Physische. Der Seher sieht im Astralen viele trichterförmige Gestalten. Das sind die werdenden Menschen; das sind die Wesenheiten, die ihre physische Verkörperung suchen. Von dem dringenden Wunsche beseelt, sich zu verkörpern, durcheilen diese Gebilde mit großer Geschwindigkeit den Astralraum und suchen
nach physischer Stofflichkeit. Wer den zweiten Teil des «Faust» gelesen hat und sich an die Szene mit dem Homunculus erinnert, der wird sie nur verstehen, wenn er weiß, daß Goethe diesen Vorgang hat darstellen wollen. Diese astralen Gebilde haben die verschiedensten Färbungen, von denen wir uns kaum eine Vorstellung machen können. Innerhalb dieses Astralkörpers befindet sich ein Streifen, der sich ins Unbestimmte verliert. Er ist von hellgelber Farbe. Dieser Astralkörper verbindet sich mit dem von ihm selbst gewählten physischen Körper, wenn der Embryo ungefähr die Gestalt eines Fischchens hat. Dann tritt eine Veränderung ein. Es spaltet sich der Lichtstrahl in zwei Teile, in zwei hell-leuchtende Strahlenstreifen. Das ist bei der Mehrzahl der Menschen der Fall, und so würde Ihnen das erscheinen, wenn Sie die Menschen bei ihrer Entstehung verfolgen könnten. Nur bei wenigen Menschen zeigt sich ein etwas anderer Vorgang. Nur wenige Menschen zeigen einen bleibenden hellen Streifen, der allerdings etwas verblaßt in dem Augenblick, wo er bei anderen Menschen ganz verschwindet, aber er bleibt doch. Das sind diejenigen Menschen, welche ein spirituelles Schauen haben.
Wir halten zunächst fest an dem gewöhnlichen Vorgang, wo das Lichtstreifchen sich teilt. Nun vereinigt sich das astrale Gebilde mit dem physischen Menschenkeim. Von dem einen Tröpfchen wird alles durchströmt, gleichsam von einer hellgelben Flüssigkeit. Dieses wächst später zu dem sogenannten sympathischen Nervengeflecht aus, welches das physische Nervensystem des Menschen versorgt. Wir haben ja außer dem Gehirn- und Rückenmarksystem ein anderes Nervensystem, das sympathische, das die niederen Funktionen dirigiert. Der eine Tropfen durchströmt das sympathische Nervensystem, der andere Gehirn-und Rückenmarksystem. So wird der Mensch beseelt. Gesetzmäßig gehen die beiden Lichtkegel in das Physische über und durchgeistigen es. Bei jedem Menschen tritt erneut dieser Lichtschein auf, der das Gehirn im besonderen durchzieht. Wenn der Moment eingetreten ist, dann ist tatsächlich das, was der Mensch mitgebracht hat aus dem früheren Leben, und das, was er aus der physischen Welt hat, miteinander
vereinigt. So kommen die beiden Wesenheiten zusammen, welche den vollen Menschen ausmachen.
Wir haben gelebt in früheren Inkarnationen; wir sind durch die geistige Welt hindurchgegangen; da waren wir Geist. Der Geist geht herunter durch die astrale Welt und umgibt sich mit dem Astralstoff. Das ist das, was der Mensch mitbringt aus dem früheren Leben und was er anzieht aus der astralen Sphäre. Diese beiden Dinge sind es, die der Mensch mitbringt, das Geistige und das Astrale. Der Lichtschein, das sind die Fähigkeiten, die wir mitbrachten aus früheren Leben. Diese ziehen ein, nachdem das Wesen den brennenden Wunsch gestillt hat, mit einem astralen Organismus verbunden zu sein. Von jetzt ab wächst der Menschenkeim nicht nur durch die physische Kraft, sondern auch von innen heraus. Was er in früheren Leben gewonnen hat, das arbeitet jetzt von innen heraus an der Herstellung des Körpers. Nicht Ihr Organismus baut Ihre Seele auf, sondern Ihre Seele baut Ihren Organismus auf. Der Menschenkeim ist erst wenige Tage alt, wenn er mit der Seele vereinigt wird. Er ist das einzige, was uns von außen gegeben wird. Er wird uns durch ganz bestimmte Gesetze gegeben. Wir werden sie noch genauer besprechen.
Tatsächlich verstehen wir des Menschen Geburt und seinen Tod nur dann, wenn wir wissen, aus welchen zwei Wesenheiten er besteht und wie diese zwei Wesenheiten zusammengeströmt sind, welche den ganzen Menschen bilden. Es ist also so, daß wir selbst an unseren äußeren Organen arbeiten; sie sind nicht ein Produkt der äußeren Welt, sie sind ein Abbild dessen, was wir mitgebracht haben.
Dritter Vortrag, Berlin, 11. November 1903
Ursprung und Wesen des Menschen
Wir müssen heute einen Blick werfen auf die wichtigen Fragen von Ursprung und Wesen des Menschen. Wenn nach diesen wichtigen Dingen gefragt wird, so kann man nicht sagen, daß die Antwort darauf eine besonders leichte ist. Die folgenden Vorträge werden uns weniger Schwierigkeiten bereiten.
Aus drei Bestandteilen im wesentlichen, so sagte ich im Beginne dieser Vorträge, haben wir uns den Menschen zusammengesetzt zu denken: aus Körper, Seele und Geist. Wie sich diese Teile des Menschen zusammensetzen, das werden wir im weiteren Verlaufe der Vorträge noch sehen. Die theosophische Einsicht zeigt uns einen dreifachen Ursprung unserer eigenen Natur, und um diesen dreifachen Ursprung, den körperlichen, den seelischen und den geistigen zu besprechen, müssen wir zu den denkbar entlegensten Gebieten des Universums gehen, wir müssen einen Blick werfen auf diejenigen Vorgänge, die wir als Theosophen auffassen als Vorgänge in dem Göttlich-Geistigen selbst und in seinem Leben. Die esoterische Philosophie aller Zeiten bezeichnet das Weltall in seinen Tiefen als ein rhythmisches Leben des Weltengeistes. Die indische Philosophie zum Beispiel spricht von dem Ein- und Ausatmen Brahmas. Brahma macht verschiedene Stadien seines göttlichen Lebens durch. Diese Stadien verlaufen so, daß sie mit einem Ein- und Ausatmen des göttlichen Urgeistes verglichen werden können. Das Ausatmen wurde ein Weltentstehen, das Einatmen ist der Übergang von einer Welt, die ihre Aufgabe erfüllt hat, in eine Art von Schlafzustand, der dann überzugehen hat in ein neues Dasein, in eine neue Ausatmung. So wechseln fortwährend die Zustände der offenbaren Welt und die Zustände der Ruhe. Manvantara und Pralaya, das sind die Zustände der Offenbarung und die Zustände der in sich selbst ruhenden Gottheit. Das ist ein Bild.
Welcher Vorgang diesem Bilde zugrundeliegt, das zu schildern würden Menschenworte in unserer Zeit nicht ausreichen.
Nach unserer menschlichen Anschauung, das heißt nach der Anschauung derjenigen, deren geistiger Blick geöffnet ist für diese geheimnisvollen Zustände des Weltenalls, haben wir dreierlei Atemzüge des göttlichen Urgeistes zu unterscheiden, und diese drei Atemzüge stellen zugleich den dreifachen Ursprung des Menschen dar. Daß der Mensch aus den drei Teilen besteht, aus Körper, Seele und Geist, das verdankt seinen Ursprung drei Wesensteilen des göttlichen Atems. Wir wollen versuchen, diesen dreifachen Ursprung der menschlichen Wesenheit zu verfolgen.
Wir denken uns zunächst einmal sieben Stufen der Entwicklung, von der ersten Stufe bis dahin, wie uns der Mensch in seinem gegenwärtigen Entwicklungsstadium entgegentritt. Auf der ersten Stufe der Entwicklung, die wir das erste Elementarreich des Universums nennen, ist noch nichts vorhanden von dem, was uns in unserer Welt jetzt entgegentritt. Es ist noch gar nichts vorhanden von der Mannigfaltigkeit der Steine, der Pflanzen- und Tierwelt, wie sie uns heute entgegentreten, auch nichts von der Mannigfaltigkeit unserer Gedankenwelt, auch nichts von der unserer Weltbildung zugrundeliegenden Gedankenbildung, auch nichts von Naturgesetzen. Wohl aber ist im ersten Elementarreich vorhanden das System der Anlagen zu allem Späteren.
Wer einen Blick hat für dieses System aller weiteren Weltenkeime, der weiß, daß diese Keime von einer unendlichen Schönheit und Erhabenheit sind. Alles, was später zum Vorschein kommt, ist nur ein schwacher Abglanz von dem, was keimartig im ersten Elementarreich vorhanden ist. In diesem sind vorhanden die großen Absichten des göttlichen Urgeistes, die Absichten, die er mit den einzelnen Welten hat. Und wie die [Entwicklungen] hinter den Absichten zurückbleiben, so bleiben sie auch in bezug auf das Weltensein zurück, nicht im Ganzen, aber in Einzelheiten. In der großen Mannigfaltigkeit der Unendlichkeit sind die Absichten wunderbar erfüllt. Deshalb nennt die Theosophie dieses erste Elementarreich die Welt des Formlosen, die später erst die Form aus sich heraus gebiert.
Erst im späteren Verlaufe nimmt diese Welt des Urgeistes Form an. Dies läßt sich nur vergleichen mit den Formen, welche unsere Gedanken in uns haben. Denken Sie sich, das, was Sie außerhalb von sich selbst haben, wäre verschwunden und nur das wäre Ihnen gegenwärtig, an was Sie sich erinnern können. Sie hätten um sich ein Meer von Gedanken. Was Sie gesehen und gehört haben, haben Sie vergessen, auch was Sie an Körperlichem gesehen haben. Solche Gedankenformen nur eben große sind der Inhalt des zweiten Elementarreiches. Das ganze Weltenall ist ein geformtes Gedanken-All gewesen. Wie einst Plato die Welt der Ideen sich vorgestellt hat, so müssen wir uns das Reich der geformten Gedanken vorstellen, das Reich der Vernunftwelt, wie es sich die Mystiker im Mittelalter vorgestellt haben.
Und weiter zeigt die Entwicklung eine dichtere Stufe. Die Weltgedanken prägen sich zum ersten Male einem Stoffe ein, den man erst in Wahrheit Stoff nennen kann. Das ist das Astralreich. Die leichten Gedanken sind zu astralen Wesen geworden, die wir nun wahrnehmen können, und zwar als den Raum durchflutende Triebe und Leidenschaften. Nur der Seher nimmt diese Strömungen wahr, er nimmt sie wahr in leuchtenden Gestalten. Diese Strömungen sind im dritten Elementarreiche vorhanden. Alte Philosophen sprechen von diesen drei Elementarreichen, aber die Leute, die dies heute verfolgen, wissen nicht, was einmal damit gemeint war. Wir brauchen nur zu Empedokles zurückzugehen, so finden wir, daß er davon wußte. Er sagte: Alles ist bewirkt durch Liebe und Haß. Auf dieser zweiten und dritten Stufe haben sich die Gedanken herunterverdichtet. Nachdem die dritte Stufe erreicht war, da konsolidierte sich die astrale Materie. Sie wurde dichter und dichter und webte sich diejenigen Stoffe und Tätigkeiten ein, die der physische Mensch jetzt erst kennt. Sie webte sich ein Gespinst von Naturgesetzen und Kräften. Die Theosophie nennt dieses Reich das Mineralreich. Sie dürfen sich nicht vorstellen, daß das Mineralreich auf dieser Stufe schon ausgebildete Mineralien, Kristalle und so weiter enthielt. Nein, alles dasjenige, was später, auf viel späteren Stufen Mineral wird, was chemische Verbindungen und Zersetzungen
durchmacht, das durchzieht noch blitz- und donnerartig dieses Reich, das vierte Reich, das wir das kosmische Mineralreich oder das vierte Elementarreich nennen.
Was heute in unserem physischen Körper lebt, was heute alle Gesetze in unserem physischen Körper regiert, alles, was gesetzmäßig in unserem Leibe vorhanden ist, das war damals aufgelöst in diesen den Weltenraum durchzuckenden Kräften, in diesen Mineralkräften. Alles, was den heutigen Körper konstituiert, war in jenem Mineralreich vorhanden. Von daher stammt der Ursprung der Kräfte und Stoffe, die in unseren Körpern sind und einen Teil unseres Wesens zusammensetzen. Aus diesen elementarischen Vorgängen heraus bildete sich das Körperliche des Menschen. Und in dem Zeitmomente, wo diese elementarischen Vorgänge so weit vorgeschritten sind, wie ich es beschrieben habe, in diesem Zeitmomente tritt etwas anderes in dieses mineralische Universum herein, und dieses andere, von dem ich jetzt sprechen werde, das ist das, was in uns als unser seelischer Bestandteil lebt. Ursprünglich waren sowohl die körperlichen als auch die seelischen Bestandteile in dem einen göttlichen Urwesen enthalten. Gleichsam der erste Teil des göttlichen Atemzuges war es, den ich jetzt beschrieben habe. Den andern Teil will ich jetzt beschreiben.
Den ersten Teil [der Entwicklung] können wir so zusammenfassen, daß wir den Menschen ein Gattungswesen nennen. In bezug auf die Gattung sind die Menschen mehr oder weniger gleich. Wir sprechen ja auch von pflanzlicher und tierischer Gattung. So gibt es auch eine Menschengattung, welche die ganze Erde bewohnt. In jedem Einzelwesen der Gattung ist die Persönlichkeit vorhanden. Dadurch, daß ich ein Wesen der Gattung Mensch bin, bin ich allen anderen Menschen physisch gleich gebildet, aber in dieser Gattung Mensch steht das darin, was ich meine Persönlichkeit nenne, und dieses macht die Seele aus. Ich bin Persönlichkeit dadurch, daß ich persönliche Interessen, persönliche Sympathien und Antipathien habe und so weiter. Trotzdem sich die Menschen als Gattungswesen gleich sind, unterscheiden sie sich in bezug auf die Persönlichkeit so, daß nicht eine Person der anderen gleicht. Dieses
Persönliche im Menschen ist nicht durch denselben Teil des göttlichen Atemzuges entstanden, das kommt von einer anderen Seite her, um sich mit der Mineralsubstanz zu vereinigen. Der Gattungscharakter entstand durch [den ersten Teil des göttlichen Atemzuges], die Persönlichkeit entsteht dadurch, daß sie bis zu dem Punkte, wo sie sich [mit dem Gattungswesen] vereinigt, einen anderen Weg gemacht hat durch das Weltenall. Auf diesem anderen Weg hat das, was später die menschliche Persönlichkeit ausmacht, schon eine Reihe von Stadien, von Lektionen im Weltenall durchlebt, das war bereits auf anderen Stufen verkörpert, das war vorhanden in Naturen, welche ähnlich sind unserer physischen Natur, ähnlich den Pflanzenwesen, ähnlich den Tierwesen, nur in anderer, verschiedener Art. Die Kräfte, welche fähig sind, uns zur Persönlichkeit zu machen, sind schon durch viele Stufen hindurchgegangen, und dies möchte ich nun beschreiben.
Die Persönlichkeit des Menschen kommt also von einer anderen Welt herüber; sie hat bereits Stufen der Entwicklung durchgemacht, um sich dann mit dem anderen Teil, dem Gattungsmäßigen, zu verbinden. Trübe Begierden sind es, welche wie von einem Nebenstrom herüberkommen zu einem Hauptstrom. Stellen Sie sich vor, daß in diesen Strom von universaler Mineral-Elementar-Substanz jetzt einfließen unzählige solcher Persönlichkeitswesen, welche bereits einmal physische Körperlichkeit hatten, die zwar als Wesen ganz anders ausgesehen haben als wir Menschen, die aber dennoch unsere Vorfahren waren. Stellen Sie sich vor, daß diese Wesen eine Körperlichkeit hatten, die viel dichter und größer war als unsere Körperlichkeit. Wir können sagen, sie haben sich abgespalten von dem göttlichen Atemzug. Ein Kraftstrom war entstanden, der durch die Stadien der Entwicklung gelernt hat, zur Persönlichkeit zu werden. Alle Seelen, welche menschliche Körper bewohnen, sind herübergekommen von diesem Strome. Nachdem sie einen schlimmen Zustand absolviert haben, lassen sie sich als Keim gleichsam einsenken in die Substanz des Universums, wie ich vorhin beschrieben habe, als trübe Begierden und Leidenschaften und haben sich als Persönlichkeit konstituiert. Sie verbanden sich
mit dem, was selbst Leidenschaft und Begierde ist. Dieser Strom hat sich herunterentwickelt, bis er zur astralen Welt geworden ist.
Diese kosmische Trieb- und Leidenschaftsnatur wird in den physischen Menschenkeim hineinversenkt mit der Anlage der Entwicklung. In diesem Augenblicke ist der Anfang der Entwicklung unseres irdischen Wesens gegeben. In dem Augenblicke der Vereinigung dieser beiden beginnt unsere irdische Laufbahn. Wir bezeichnen diesen doppelten Ursprung des Menschen auch so, daß wir sagen: Der universelle Logos, dem der Urgeist zugrundeliegt, hat einen Strom heruntergeschickt, den dritten Logos, und der dritte Logos hat verschiedene Formen angenommen, die ich beschrieben habe als das erste, zweite und dritte Elementarreich. Sie dürfen sich nicht vorstellen, daß dieser dritte Teil des Logos, dieser dritte Teil des Atems der göttlichen Weltenseele, bisher untätig war. Nein, die ganze Reihe der Elementarreiche, die ich aufgezählt habe und die ganze Hinleitung der Triebnatur bis zur Persönlichkeit, hat diese geistige Wesenheit, der dritte Teil des göttlichen Atems, von außen her geleitet. Was nötig war, um diese beiden Seiten vorzubereiten, bis sie den Entwicklungsstandpunkt erreicht haben, um sich zu vereinigen, das alles ist von dem dritten Atemzug der göttlichen Weltseele bewirkt worden. Und auch der zweite Logos hat verschiedene Stufen absolviert, bis er zur Keimanlage der Persönlichkeit geworden ist. Der dritte und der zweite Logos strömen zusammen, und aus diesem Zusammenströmen des dritten und des zweiten Logos entstehen diejenigen Gebilde, welche allmählich unsere irdische Sphäre auferbauen.
Nun beginnt die menschliche Entwicklung, wie wir sie bei uns sehen. Das, was fähig ist, einen mineralischen Körper zu bilden aus Begierde, Sinnlichkeit, Instinkt, und dasjenige, was gelernt hat, diese Eigenschaften zu entfalten als Persönlichkeit, das vereinigt sich. Und nun beginnt der Mensch seine Erdenwanderung. Nun beginnt die Vereinigung zwischen dem menschlichen Gattungswesen und der menschlichen Persönlichkeit. Sie lernen sich nach und nach ineinander zu schicken. In uns stecken diese zwei. Sie stecken so in uns, daß das Gattungswesen als Physisches in uns
wirkt, und das Persönliche, das von der anderen Welt herübergekommen ist, als unser Seelisches wirkt. Erst allmählich finden sie in sich die Harmonie, so zusammen zu wirken, daß das Seelische, das von dem zweiten Logos kommt, mit dem Physischen harmoniert. Der Körper ist zunächst ein ungefüger Träger des Psychischen. Das Psychische kann noch nicht die nötigen Organe und Kräfte im Körperlichen finden, um sich voll und ganz zum Ausdruck zu bringen. So arbeitet sich das Psychische gleichsam durch, es prägt sich dem Stoffe ein. In einer Reihe von Entwicklungszyklen nimmt sich der Geist der materiellen Natur an. Die Entwicklung geht dahin, daß der Körper immer mehr der Ausdruck, das Werkzeug des Seelischen wird, des Bewohners. Dann tritt das Stadium ein, in dem sich der eigentliche Geist, das, was wir das Spirituelle des Menschen nennen, mit diesen zwei anderen Elementen verbindet.
Jetzt strömt dieser göttliche Atemzug selbst in das ein, was sich erst aufgebaut hat, nachdem die zwei Teile sich aneinander angepaßt haben, so daß der eine der Träger und der andere die Kraft ist. Dann strömt in diese Natur das Höchste ein. Das, was bisher nur der zentrale Dirigent war, die allgemeine universale Weltenweisheit, strömt jetzt in die Weltwesen ein. Das ist der Moment, den wir als das Einströmen des ersten Logos bezeichnen. So reif ist jetzt alles geworden, daß es als Träger des ersten Logos dienen kann. Diesen Moment des Einströmens des ersten Logos will ich Ihnen so zeigen: Stellen Sie sich einen Raum vor, der durch ein zentrales Licht erleuchtet ist. An den Seiten des Raumes befinden sich spiegelnde Kugeln, die das Licht tausendfältig zurückspiegeln. Jede einzelne Kugel wirft das Bild des Lichtes zurück. So müssen wir uns den Menschen im Universum vorstellen, den der Geist von außen leitete. Nehmen wir an, daß die Kugeln sinnbildlich, symbolisch die Menschen als Gattungswesen darstellen. Das Licht, das allen Licht gibt, kommt von außen her, so daß die Kugeln von innen nur ein wesenloses Spiegelbild geben können. So war es mit der menschlichen Entwicklung bis zu dem Zeitpunkte, von dem wir jetzt sprechen. Bis dahin war der Mensch wie ein Spiegel, der beschienen wurde von dem ersten Logos, von der Geistseele der
Welt. Der Mensch warf das Licht der Weltenseele zurück, er spiegelte das, was das Geisteslicht ausstrahlte.
Nun aber denken Sie sich das Licht so verwandelt, daß das zentrale Licht ausfließt und anfängt, in die Kugeln einzudringen, um mit einem Teil seiner Wesenheit die einzelnen Kugeln zum Leuchten zu erwecken. Das Licht fließt aus, um dasjenige, was bis jetzt nur Spiegelbild sein konnte, zum lebendigen Selbstleuchten zu bringen. Aus den Kugeln strahlt jetzt eigenes Licht, das abgetrennt ist von dem zentralen Licht. So müssen wir uns vorstellen, daß in einem bestimmten Momente der Entwicklung der erste Logos, die Geistseele, einen Teil des Leuchtens hingeopfert hat, um ihn hineinzugießen in die Menschen.
Jetzt ist das Menschenwesen ausgestattet mit allen drei Teilen seiner Wesenheit. Der erste Logos hat Besitz ergriffen von der menschlichen Wesenheit. Der Mensch besteht fortan aus drei Teilen. Der Teil, der durch das Mineralreich gegangen ist, hat sich vereinigt mit der Seelenentwicklung und ist dann weiter bis zu dem Zustande der Reife gelangt, so daß der Geist, die Sonne der Welt, die Geistseele, von ihm Besitz ergreifen konnte.
In drei aufeinanderfolgenden Entwicklungsstadien haben sich diese drei Teile mit dem Menschen verbunden. Den Zeitpunkt können wir genau angeben, an dem das stattgefunden hat. Wir leben jetzt in der fünften Menschheitsepoche. Dieses Einströmen des Geistes geschah in der Mitte der dritten Menschheitsepoche, in der lemurischen Zeit. Die dritte Menschenrasse, die Lemurier, bewohnte einen Kontinent, der längst untergegangen ist, der aber vorhanden war südlich von Vorder- und Hinterindien, das sogenannte Lemurien. Damals bildete sich zuerst das aus, was wir das Vorstellungsleben der Menschen nennen. Danach kam die vierte Menschenrasse, die Atlantier, die auf einem Kontinente lebte zwischen Afrika und Amerika, von dem uns noch in Platos Schriften erzählt wird. Nach dieser entwickelte sich die fünfte Menschenrasse, der wir angehören. In der dritten Menschenrasse, in der lemurischen Zeit, fing der Mensch an, eine dreiteilige Natur zu haben. Damals entwickelten sich die ersten Wesen zu dem, was wir heute
als Menschen kennen. Wie waren nun aber jene Wesen? Das, was wir in Wahrheit sind, das, was ewig ist in uns, das war vorher rein geistiger Natur. Unsere höhere Natur lag vorher im Schoße des Weltenurgrundes beschlossen. Sie ist ewig und unvergänglich, nicht in der Gestalt, die sie angenommen hat, sondern in der innersten Wesenheit. Bevor unsere Geistnatur Besitz ergriffen hat von der menschlichen Natur, war sie ein rein geistiges Wesen und bildete einen Bestandteil dessen, was als zentrale Sonne, als Geisteslicht der Welt vorhanden ist. Das, was bis zum physischen Menschen herunterkam, war noch nicht das, was heute im Menschen ist, das war nur ein Spiegelbild seines wirklichen Wesens; es bewohnte nur spirituelle Weltensphären, die Sphären des ersten Logos. Als Geistwesen ruhten wir im Logos, als erste Funken in der Flamme des zentralen Lichtes. Dann senkte sich unsere Geistwesenheit tief in das, was für uns vorbereitet war als Träger, und das, was sich herabsenkte, das, was lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit in den verschiedensten Formen, das ist das dritte Element der menschlichen Natur. Das bezeichnen wir als die eigentliche Individualität des Menschen.
Der Mensch besteht also aus dem Gattungswesen, das für alle auf der Erde lebenden Menschen die gleiche Gestalt hat. Da unterscheiden sich die Menschen nicht voneinander. Das ist die physische Natur des Menschen. Die andere Natur, die seelische Freude und Schmerz, Begierde und Leidenschaft , das ist sein persönliches Wesen. Das entsteht und verschwindet und entsteht von neuem in der astralen Welt. Daß solche Persönlichkeiten entstehen können, dazu ist die Anlage gegeben in dem Strome, den ich als den zweiten Strom beschrieben habe. Daneben haben wir die Individualität oder auch den Kausalkörper. Warum nennen wir die Individualität auch Kausalkörper? Die Kausalkörper waren immer vorhanden. Sie sind unvergänglich. Sie haben, bevor sie diese Körper bewohnten, einen anderen Körper bewohnt in den früheren Rassen, bis zurück zur lemurischen Menschenrasse, die auf der Insel Lemuria lebte. Immer hat sich dieser Kausalkörper verkörpert, aber er ist ein erstes Mal eingezogen in ein menschliches,
psychisches Körperwesen in der lemurischen Zeit. Vorher war er noch nicht in die Materie und noch nicht in die Psyche verstrickt. Er führte ein spirituelles Dasein, das er wieder führen wird, wenn er seine verschiedenen Lektionen, die er zu machen hat, durchgemacht haben wird. Das, was wir Kausalkörper nennen, das ist das, was unser Ewiges bildet. Was wir als Seele in uns tragen, was als Seele unseren Körper bewohnt, das hat sich mit unserem physischen Körper vereinigt, so daß wir sagen können: Die Möglichkeit, daß ein Persönliches in einem physischen Körper entstand, hat sich dadurch ergeben, daß sich Seele und physischer Körper vereinigten im Beginne unserer Erden-Entwicklung. Das hat sich nicht aus Urnebeln herausgebildet, wie die Physiker und Astronomen es sich vorstellen, sondern es ging hervor aus dem, was die Alten die «Wasser» nennen, über denen der Geist schwebte. Dies bedeutet nichts anderes als den Geist, von dem ich gesprochen habe, den Geist, der aus ganz anderen universalen Welten herkam.
Damals begann das Vorbereitungsstadium des Menschen. Lange hat es gedauert, bis der physische und der astralische Körper dazu vorbereitet waren, ein Träger werden zu können der eigentlichen Geistseele. In der «Geheimlehre» von Blavatsky wird auf diesen Zeitpunkt der Vereinigung des Psychischen mit dem Körperlichen und auch auf den Zeitpunkt der Vereinigung des Spirituellen mit dem Psychisch-Körperlichen hingedeutet; und zuletzt wird hingedeutet auf die drei Teile des Atemzuges der Weltseele mit den Worten: Die Weltseele hatte wieder durch sieben Ewigkeiten geschlummert. Das war ein Pralaya. Aus diesem Weltenschlummer ging hervor jenes Dasein, wo das Menschenwesen lernte, daß es einen mineralischen Gesetzen unterworfenen Körper durchseelen konnte.
Aus drei Strömungen ist das Menschenwesen zusammengeflossen. Drei Entwicklungen mußten durchgemacht werden, bis sie im Menschen zusammenkommen konnten. Einen Ursprung hat das Gattungswesen, einen anderen Ursprung hat das Seelische und einen anderen Ursprung hat das Geistige, das spirituelle Wesen. Dasjenige, an das das ganze Sein sich kettet, das ist unser
Kausalkörper, das Ewige. Dieser kommt aus rein geistigen Sphären her und soll wiederum zurückkehren zu rein geistigen Sphären; aber er soll so zurückkehren, daß er innerhalb des Erdendaseins, das er durchmacht, gelernt hat, daß er Ergebnisse gesammelt hat, um sie zurückzutragen in das Reich des Spirituellen. Er soll, in sich bereichert, wiederum in das Spirituelle zurückkommen.
Wenn wir diese drei Ursprünge des Menschen uns bildlich veranschaulichen wollen, können wir sie mit etwas vergleichen wie mit dem Bau eines Hauses. Das Haus ist aus Bausteinen errichtet; dann haben wir die Hauseinrichtung, dasjenige, was die inneren Räume erfüllt, was die Behaglichkeit des Hauses ausmacht; das ist zu vergleichen mit der menschlichen Seele. Innerhalb des Ganzen ist der Gedanke. Der läßt sich vergleichen mit dem Kausalkörper, mit dem ideellen Geist, der den Körper bewohnt. Die Sinnesorgane sind die Fenster, durch die der Kausalkörper hinaus sieht in die Welt. Bevor wir in den Körper eingezogen sind, waren wir mit spirituellen Sinnesorganen begabt und sahen alles um uns her ungehindert. In ein «Haus» eingezogen, muß der Mensch durch die Fenster hinaus sehen, durch die Fenster der Sinnesorgane muß die Natur zu ihm hineindringen. Wie der Mensch nicht immer im Freien leben kann, sondern in ein Haus zurückkehren muß, so muß der Geist immer wieder einziehen in das für ihn präparierte Gebäude, um durch die Sinnesorgane, die Fenster, das anzusehen, was er früher von außen gesehen hat. Warum das so ist und wie die Gesetze sind, nach denen es sich gestaltet, davon das nächste Mal.
Vierter Vortrag, Berlin, 18. November 1903
Die Wesen der astralen Welt
Ein alter Schriftsteller, Olympiodoros, erzählt gelegentlich einer Besprechung eines Werkes von Plato von der Hadesfahrt des Odysseus. Wir wissen ja, daß uns in einem großen Homerischen Epos, der «Odyssee», erzählt wird, daß Odysseus auch in die Unterwelt hinabgestiegen sei. Wer die Sprache der griechischen Eingeweihten, die so etwas geschrieben haben, versteht, wird wissen, daß das Hinabsteigen in die Unterwelt immer bedeutet das Eingeweihtwerden in die Mysterien, das Überschreiten der Pforte des Todes schon während des Lebens. In unserem besonderen Fall bedeutet es auch das Kennenlernen der astralen Welt. Nichts anderes also bedeutet dieses Hinabsteigen des Odysseus in die Unterwelt, als daß Odysseus kennenlernt die Welt des Astralen. Unter anderem wird uns erzählt, daß Odysseus in der Unterwelt drei Verstorbene gesehen hat: den Tityos, den Sisyphos und den Tantalos. Er sah den ersten, Tityos, wie er auf dem Boden lag und zwei Geier ihm an seiner Leber fraßen. Den Tantalos sah er an einem See stehen und brennenden Durst leiden; wenn er sich hinab beugte, um zu trinken, versiegte das Wasser, so daß er es nicht erreichen konnte. Er litt auch an Hunger. Über ihm war ein Baum mit Äpfeln; wenn er ihn aber erreichen wollte, so entglitt er ihm. Das sind Bilder, die uns zeigen sollen, welche Formen die Begierden des Menschen in der astralen Welt nach dem Tode annehmen, wie der Mensch an Begierden hängt und wie sie sich ausleben. Der erste, Tityos, liegt auf der Erde und an seiner Leber nagt eine böse Macht, ein Geier. Das deutet darauf hin, daß er am niederen, sinnlichen Leben gehangen hat und daß dieses niedere, sinnliche Leben auf die Dauer keine Befriedigung bringen kann. Sisyphos, der Habgierige, wird dadurch gequält, daß er seine Wünsche, die immer von neuem entstehen, niemals befriedigen
kann. Tantalos hängt an den Bildern einer phantastischen Einbildungskraft und muß das ewig Unbefriedigende einer solchen Einbildungskraft auskosten.
Da sind Bilder für unser astrales Leben gegeben. Wem der Blick geöffnet wird für die astrale Welt, der kann nur in solchen Bildern sprechen. Der Seher weiß, wie wenig die Worte aus unserem täglichen Leben ausreichen, um das zu schildern, was er in der Astralwelt schaut. Unsere Sprache kann nur ein sehr spärliches Ausdrucksmittel sein, um das in Worte zu bringen, wovon zu berichten ist. Darum werde ich Ihnen heute kaum etwas anderes geben können als Bilder, als bildliche Vorstellung von den Wesen, die demjenigen bekannt werden, dessen Seherblick geöffnet ist. Es sind dies Wesen, die unseren Raum bevölkern, auch wenn wir sie im physischen Leben nicht wahrnehmen. Die Astralwelt ist voller Farben, die der Seher wie eine äußere Wirklichkeit sieht. Wer nur auf das Äußere des Menschen den Blick richtet und nur darin die ganze Wesenheit des Menschen sieht, der gleicht dem, der behaupten würde, ein Mensch sei verschwunden, wenn er zur Tür eines Hauses hineingegangen und nun nicht mehr sichtbar ist. Wir wissen, daß er noch vorhanden und nur verdeckt ist durch die Mauer des Hauses. Und so wie ihn die Mauer des Hauses verdeckt, so verdeckt die Körperlichkeit des Menschen das, wovon wir jetzt sprechen; sie verdeckt es, weil es unsichtbar ist für die gewöhnlichen Sinne. So sind auch Wesen, die keine physische Körperlichkeit haben, im astralen Raum vorhanden, obwohl sie für das physische Auge nicht sichtbar werden. Und Sie alle sind ebenso wie im physischen Raum auch im astralen Raum vorhanden.
Das erste, was der Mensch kennenlernt, wenn er den Astralraum betritt, das heißt, was er sieht, wenn ihm das astrale Auge geöffnet wird, ist: Er findet sich eingehüllt in den Astralkörper. Dieser Astralkörper ist es, in dem alle Begierden, Leidenschaften, Empfindungen und so weiter wogen. Da sehen wir das klar, was sonst verschlossen liegt in der menschlichen Natur. Alles Verborgene wird sichtbar, wenn wir diese menschliche Aura betrachten. Aus ihr strömt heraus in wellenartigen Bewegungen mit einer gewissen
Leuchtekraft das, was ich das Astrale genannt habe, des Menschen ganze Empfindungsnatur.
Ich möchte einige Einzelheiten erwähnen, die Ihnen zeigen werden, wie manches, was wir sonst unverständlich finden, sofort verständlich wird. Man kann oft sehen, daß gewisse Menschen, wenn sie an einem Abgrunde stehen, die unüberwindliche Begierde zeigen, sich in ihn hinein zu stürzen, trotzdem sie sich mit allen Kräften dagegen wehren. Oder man kann sehen, was für Gedanken durch eines Menschen Seele ziehen, wenn er ein Messer in der Hand hat. Alle diese Dinge haben ihre tiefe Begründung im menschlichen Astralleib. Sie beruhen darauf, daß wir im Astralen eine ganz andere Wesenheit haben, als sie uns im menschlichen Äußeren entgegentritt. Sie sind aber dem Schicksal, dem Karma unterworfen. Wer gewisse Begierden hat im Leben, der hat in einem früheren Leben Erlebnisse durchgemacht, die durch den gegenwärtigen Verstand tief in den Hintergrund gedrängt sein können. Sie schlummern aber im Astralkörper. Nehmen Sie an, jemand hat in einem früheren Leben an einem grausamen Krieg teilgenommen; da werden Sie in seiner Aura sehen, wie durch sein Karma alle diese Grausamkeiten in seinen Astralkörper eingebaut wurden, mit denen er nun im jetzigen physischen Leben harte Kämpfe zu führen hat. So wie die Fäden sich spinnen zwischen einem früheren und dem jetzigen Leben, so werden auch Fäden gesponnen von der Gegenwart aus zu späteren Leben. All dies sieht der Seher. Er sieht, wie das Karma eines Menschen sich gestaltet, und er sieht auch, wie zum Beispiel ein Mensch aus Klugheit einen Hang zu unterdrücken sucht oder wie er Gefühle zurückdrängt. Bis auf den Grund der Seele sieht der Seher. Diejenigen, die die Gabe des Sehens haben, halten das nicht für eine wünschenswerte Gabe, die in allen Fällen Freude bringt, hauptsächlich dann nicht, wenn die Menschen Gefühle haben, die sie besser nicht haben sollten. Und für den Anfänger, den Chela, ist es oft verhängnisvoll, denn leicht wird er angezogen von all dem, was er nun schaut.
Dann finden wir im Astralraum das Wesentliche des Wachens und Schlafens des Menschen. Was heißt das: Wachen und Schlafen?
Das ist etwas, was der gewöhnliche Mensch hinnimmt, ohne daß er einen genauen und bestimmten Begriff davon hat. Was in uns lebt, ist etwas, was der Mensch in unserer gegenwärtigen Zeitepoche nicht unmittelbar erkennt. Das höhere Selbst ruht im Menschen. Er denkt und handelt aus dem höheren Selbst heraus. Aber der Mensch der fünften Wurzelrasse [der gegenwärtigen Zeitepoche] sieht nicht dieses höhere Selbst. Alles, was das Bewußtsein uns bietet, ist nur ein Spiegelbild des höheren Selbst. Der Mensch sieht sich selbst nur als Spiegelbild, sein Gehirn ist der Spiegel. Was das Gehirn als Spiegelbild zurückwirft, ist nicht der wirkliche Mensch; dieser schlummert tief in uns und kann nicht unmittelbar gesehen werden. Der physische Körper allein ist es, der ermüden kann, er stellt während des Schlafes seine Tätigkeit als Spiegel ein. Das höhere Selbst, dessen Spiegelung der äußere Mensch ist, ermüdet nicht, es zieht sich nur von dem Physischen mehr oder weniger zurück. Während der Körper schläft, verläßt es, befreit von der äußeren Körperlichkeit, den äußeren Menschen und kann seine Tätigkeit im astralen Raum verrichten. Der Seher schaut diese Tätigkeit im astralen Raum.
Der Mensch der gegenwärtigen Entwicklungsstufe verläßt im Schlafe seinen Körper. Er wandert, manchmal in großen Entfernungen von seinem physischen Körper, in der Astralwelt und kommt dort mit anderen Wesen der Astralwelt zusammen und pflegt Austausch mit deren Gedanken. Doch wenn der Mensch aufwacht, erinnert er sich daran nicht. Das hängt mit seiner gegenwärtigen Entwicklungsstufe zusammen. Die Entwicklung kann aber eine immer höher und höhere werden. Der Schüler, der unter Anleitung eines sogenannten Meisters lernt, kann allmählich sein Bewußtsein zu einem kontinuierlichen, zu einem fortdauernden machen. Dann wird er die Erfahrungen der Nacht sich in seinem Wachzustande als Erinnerung ins Bewußtsein bringen können. Wenn der Schüler, der Chela, ein fortdauerndes Bewußtsein erreicht hat, dann erinnert er sich dessen, was er in der astralen Weit empfing. Diese Erkenntnisse des Chela sind nicht in der physischen Welt erlernt, sondern sie sind in der
astralen Welt erfahren und hineingebracht in sein physisches Leben. Das meint Plato, wenn er von Wiedererinnerung an höhere Seelenzustände spricht.
Das Bewußtsein, das beim Durchschnittsmenschen fortwährend abreißt, das ist der Chela imstande, zu einem fortdauernden zu machen, wenn er die Gabe errungen hat, sein Spiegelbild nicht bloß im physischen Körper, sondern in den höheren Wesenselementen der menschlichen Natur entstehen, erzeugen zu lassen. Aus dem festen, physischen Körper heraus entsteht für den Durchschnittsmenschen das Spiegelbild seines Selbst; man kann auch sagen: Er wird sich seiner selbst bewußt. Derjenige, welcher die höhere Stufe erreicht hat, wird sich seines Selbstes nicht bloß im Physischen bewußt, sondern im Astralischen; es leuchtet ihm aus dem Astralischen entgegen. So begegnen Sie auf dem astralen Plan vor allem den Chelas, den Schülern, die imstande sind, ihr Bewußtsein in die Astralregion hinaufzubringen. Das Bewußtsein in die Astralregion hinaufzubringen ist das, was auch den Inhalt der theosophischen Lehre bildet und den Inhalt des Unterrichtes, den ein hochentwickelter Meister seinen Schülern erteilt. Dieser Verkehr zwischen Meister und Chela spielt sich im Astralraum ab. Ein Übersetzen des Unterrichtes im Astralen in physische Worte, in physische Sätze ist dasjenige, was die Theosophie zu bieten vermag.
So haben wir bereits zweierlei Wesenheiten kennengelernt, die wir im Astralraum treffen: Meister und Schüler. Dazu kommen noch diejenigen Menschen, die auch psychisch entwickelt sind, aber keinen regelmäßigen Unterricht hatten, die Somnambulen, die ein mehrdeutiges Bewußtsein haben. Sie wissen, daß es Menschen gibt, für die es möglich ist, ohne daß sie eine Unterweisung von einem Meister erhalten haben, zu gewissen Zeiten ganz besondere Wahrnehmungen zu machen, Wahrnehmungen, die unabhängig sind von ihren Sinnen. Aber nur für denjenigen, welcher durch theosophische Schulung in die Astralregion eindringt, gibt es keinen Irrtum. Der Theosoph weiß zu unterscheiden, was von pathologischen Zuständen herrührt und was tiefere Wahrheiten sind. Wenn wir den Somnambulen verfolgen im wachen und im Trance-Zustande,
so sehen wir, daß die Seele heraustreten kann aus dem Leibe und sehend werden kann. Wir würden aber den Somnambulen nicht ein Wörtchen glauben, wenn wir nicht Beweise dafür hätten, daß dieses undisziplinierte Sehen übereinstimmen kann mit dem Sehen des Sehers. Der Schüler, der das kontinuierliche Bewußtsein entwickelt hat, der die astralen Dinge so sieht, wie er Tische und Stühle sieht, der weiß auch, daß die Somnambulen in ihren besonderen Zuständen bisweilen Wahres erblicken. Sie haben die Fähigkeit, ihr Selbst zeitweilig herauszuheben aus der Körperlichkeit und dadurch zu sehen, was mit den gewöhnlichen Sinnen nicht gesehen werden kann. Diese zeitweilig leibbefreiten Seelen sind die dritten, die Sie als Bewohner des Astralraumes antreffen können. Das vierte, was wir antreffen in der astralen Welt, ist etwas wenig Erfreuliches, es sind die Zerstörer und Verwüster im Astralen.
Ich habe öfter erwähnt, daß unserer physischen Welt eine andere vorangegangen ist, deren Früchte wir genießen. Wir können unsere Erde den Kosmos der Liebe nennen, wo der Mensch in Liebe geschult wird, bis er die höchste Stufe in unserer Runde erreicht haben wird. Wenn wir diese Entwicklung überblicken und unseren Blick richten auf das, was in der Zukunft da sein wird, so wissen wir, daß die Erde eine Schule der Liebesentfaltung ist. Doch wir müssen auch den Blick richten auf das, was schon in einem früheren Zustande dagewesen ist. Unser Weltenkörper ist aus einem anderen heraus geboren. Der Erde ist ein anderer Weltenkörper vorangegangen, der alte Mond, auf dem sich das vorbereitet hat, was wir brauchen, um unsere irdische Bahn zu durchwandeln. Aus dem, was der Mensch durchgemacht hat, haben sich seine physischen Organe gebildet. Er hat auf dem früheren planetarischen Zustande, dem Kosmos der Weisheit, aufgebaut das menschliche Empfinden, die empfindenden Organe. Der Körper der Empfindung ist damals aufgebaut worden.
Damals, als wir Menschen unsere Entwicklung begannen, wurde die Fähigkeit des Empfindens in unseren physischen Organismus hineinverwoben. Bedenken Sie, welche Weisheit hinzutritt zu der
chemischen Beschaffenheit des physischen Körpers durch das Hineinverweben der Empfindungen und Gefühle. Diese Empfindungen und Gefühle zu läutern, zu veredeln zu sittlichen Empfindungen, zu moralischen Gefühlen das ist die Aufgabe unseres irdischen Lebens. So wie wir auf der Erde die Aufgabe haben, moralische Empfindungen und Gefühle auszubilden, so war es dazumal auf dem Kosmos der Weisheit, der dem unseren vorangegangen ist, die höchste Aufgabe der Wesen, einen weisheitsvollen Aufbau des Sinnesorganismus zu schaffen. Die Wesen mußten sich hingeben daran, die Sinnlichkeit auszubilden. Durch unendliche Weisheit sind die Funktionen der Sinne entstanden.
Bedenken Sie nun, daß in den verschiedenen aufeinanderfolgenden kosmischen Zuständen die Wesen verschiedene Aufgaben haben. Um diese verschiedenen Aufgaben verständlich zu machen, denken Sie sich einen Klavierbauer und einen Klavierspieler. Der Klavierbauer muß sich mit Liebe und Hingabe dem Aufbau des Klaviers widmen, er hat also eine andere Aufgabe als derjenige, der auf dem Klavier spielen soll. Beide, der Klavierbauer und der Klavierspieler, haben ihre bestimmte Aufgabe, und beide bewirken an ihrer Stelle Gutes. Wenn aber der Erbauer des Klavieres im Konzertsaale auch sägen und hobeln und hämmern wollte, so würde er dort nur zerstörend wirken. Ja, er taugt dort nicht, so groß er auch als Meister des Klavierbaues sein mag.
So finden sich auch in der astralen Welt Wesen solcher Art, die eine hohe Fertigkeit erlangt haben im Aufbau des sinnlichen Organismus, die aber diese Neigung nicht abgelegt haben beim Übergang in eine andere Entwicklungsstufe. Sie sind Meister im Aufbauen der sinnlichen Materie, aber sie taugen in unserer jetzigen Entwicklung so wenig wie der Klavierbauer im Konzertsaal. Sie wirken zerstörend, verwüstend, sie wirken am falschen Platz als böse Geister, denn sie hängen an Kräften, welche der Mensch als «Unterbau» braucht, aber sie führen die Entwicklung des Menschen nicht weiter. Diese Wesen können eine hohe Entwicklung haben, sie haben aber eine Neigung, die nicht mehr in unsere Entwicklung paßt, deshalb können sie dem Chela, dem Anfänger, der
erst lernt, in der astralen Welt zu schauen, gefährlich werden, denn er kann durch diese Wesen angezogen werden und dadurch auf Abwege kommen.
Es gibt in der astralen Welt auch andere Wesen, solche, die nicht in eine physische Verkörperung hinuntersteigen und nur im Astralraum zur Offenbarung kommen. Sie kann derjenige nicht wahrnehmen, der nur den Blick für das Physisch-Körperliche hat. Diese Wesen sind edel, und ihr Bestreben ist nur auf das Ziel der menschlichen Entwicklung gerichtet. Sie haben nicht menschliche Begierden, sie hängen nicht am Irdischen, sie haben sich diejenige Entwicklungsstufe erarbeitet, durch die sie Helfer der Menschheit geworden sind. Sie sind nicht Genießer, dennoch finden wir sie im Astralraum, denn sie warten hier auf ihre künftige Bestimmung.
Um zu verstehen, wie dies geschieht und welche Bedeutung es hat, müssen wir uns mit ein paar Worten klarmachen, was dann Gegenstand des sechsten Vortrages sein wird: den Zustand im Kamaloka. Wenn der Mensch den physischen Körper verläßt, so wird derselbe der Erde übergeben; auch die Lebenskraft wird abgelegt. Dann kommt er in die astrale Welt, in das Gebiet der Begierden. Der Mensch macht in dieser astralen Welt eine Periode durch, geht dann in das Devachan über, um darauf wieder zur Verkörperung hinabzusteigen. Das ist die normale [nachtodliche] Entwicklung des Menschen, daß er zwei Welten durchschreitet, die Welt des Astralen und die Welt des rein Geistigen, um danach wieder reif zu werden für die nächste Verkörperung. In dieser nächsten Verkörperung genießt er dann die Früchte des früheren Lebens. «Gott läßt seiner nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er auch ernten.»
Bedenken Sie, daß der Höherentwickelte eine reiche Ernte in der geistigen Welt haben könnte. Aber es steht ihm frei, nach kurzer Zeit wieder zur Erde zurückzukehren und denjenigen zu helfen, welche zurückgeblieben sind in ihrer geistigen Entwicklung. So kann er auf den geistigen Aufenthalt im Devachan verzichten und warten, bis ihm ein Meister eine neue Verkörperung anweist. Diese Gestalten treffen wir unter den sogenannten Entkörperten.
Sichtbar nur für die Höchstentwickelten unserer Zeit sind noch höhere Wesen, die sich nur noch selten in der Astralwelt aufhalten, weil sie ihre Heimat in noch höheren Gebieten, auf noch höheren Stufen der geistigen Welt haben. Wenn der Chela sich weiterentwickelt, dann erlangt er die Fähigkeit, das Bewußtsein nicht nur im Astralen zu haben, sondern das Bewußtsein auch zu haben in der noch höheren Welt, in der geistigen oder devachanischen Welt, die höher ist als die astrale Welt. In dieser höheren Welt wird ihm das Selbst gespiegelt. Der Mensch erlebt sich in den höheren geistigen Regionen als das Spiegelbild, das er in der physischen Welt sieht. Die Wesen, welche hierher gehören, sind nur für Hochentwickelte sichtbar. Auch diese Wesen können auf das verzichten, was als höchste Aufgabe unseres irdischen Daseins zu verstehen ist, sie können verzichten auf das «Nirwana». Eine solche Wesenheit kann verzichten auf das Nirwana, sie kann zurückkehren in die irdische Welt, in die sie selbst gar nicht zurückzukehren brauchte, um den Menschen zu helfen. Solche Wesen nennt man Nirmanakayas. Sie sind in der Lage, aus der geistigen Welt herabzusteigen in die astrale und in die physische Welt, und um da einen «Angriffspunkt» zu haben, nehmen sie einen Astralkörper an. Sie tun das, um den Menschen zu helfen. Das sind die Nirmanakayas, welche wir in der astralen Welt antreffen können, wenn auch selten. Ich spreche hier von solchen Wesenheiten, welche für physische Augen nicht erblickbar sind, sondern nur für solche Augen, die vom astralen Raum Eindrücke empfangen können. Wenn die Augen Eindrücke in der astralen Welt wahrnehmen können, dann können sie dort Nirmanakayas wahrnehmen und auch solche Menschenwesenheiten, die zwischen dem Tode und der nächsten Verkörperung sich befinden. Hierüber will ich im nächsten Vortrage noch sprechen.
Wir treffen in der Astralwelt auch noch Wesenheiten, welche namentlich dem Anfänger unverständlich sind. Das sind Wesenheiten, welche von höchster innerlicher Beweglichkeit sind und verschiedene Formen und Gestalten annehmen und in ganz anderer Art ihren Zusammenhang mit der Welt zeigen als der menschliche Astralleib. Der menschliche Astralleib hat eine in Grenzen
eingeschlossene Gestalt, er hat bestimmte Konturen. Solche bestimmten Umrisse hat der Astralkörper der Tiere nicht. Die Astralkörper der Tiere sehen ganz anders aus. Sie gehören nicht zu einem einzelnen Wesen, sondern für ganze Gruppen von Tieren sind Gruppenseelen vorhanden. Gleichsam an einem gemeinsamen Stamm hängen die einzelnen physischen Tiere, und von diesen einzelnen Tieren führen dann eine Art Stränge zu den Gruppenseelen, welche die Tiere bewegen. Sie können auch gewisse Tiergestalten, welche nicht im Physischen angetroffen werden können, im Astralraum entdecken. Diese Astralkörper sind werdende Menschen, die ihre Astralkörper ausbilden und weiter entwickeln, um für solche, die aus der geistigen Welt herabkommen, ein geeignetes Vehikel zu bilden.
Das sind aber noch nicht alle Wesenheiten der astralen Welt. Wir treffen in der astralen Welt auch Wesen von schwer zu beschreibender Natur, Wesenheiten, deren Größe wir nicht überschauen können, Wesenheiten von einer Größe, als wenn sie sich über unser ganzes Planetensystem ausdehnten. Diese Wesenheiten, die die ganze Erde umspannen, zeigen deutlich, daß sie mit unserer irdischen Entwicklung etwas zu tun haben, aber der irdische Mensch kann sich von ihnen nur schwer eine Vorstellung machen. Diese Wesenheiten, welche in den verschiedensten Variationen vorhanden sind, hängen mit dem Ganzen unserer Entwicklung zusammen. Sie machten eine Entwicklung durch in den früheren Runden der Erdenentwicklung. Drei Runden gingen unserer Erde voran und drei Runden werden folgen. Diese Wesenheiten, die in den ältesten und noch geistigeren Religionen «Devas» genannt wurden, werden eine höhere Entwicklung erreicht haben, wenn unsere Erde ihr Ziel erreicht haben wird. Sie werden menschenähnlich gedacht, weil die Menschen sich keine rechte Vorstellung von ihnen machen können. Die Menschen aber, die davon etwas wissen, finden damit angedeutet, wie die kosmologische Entwicklung vor sich geht.
Wenn ein «Kosmos» beginnt sich zu entwickeln in der ersten, zweiten und dritten Runde, dann ist es so, wie ein Kind sich
entwickelt in den ersten drei Lebensjahren. Es wird damit gleichsam der Weg angezeigt, den es im Leben nehmen wird. Erst dann kommt das, was die eigentliche Aufgabe des Kosmos ist; wir nennen das die «Wahrheit» des Kosmos. Auf unserer gegenwärtigen Erde ist die Wahrheit zum Vorschein gekommen; die drei vorangegangenen Runden des Entwicklungsweges stellen den «Weg» dar. Die «Wahrheit» ist die äußere Ausgestaltung dieses «Weges» in unserer gegenwärtigen Erdenentwicklung. Den dritten Teil der Entwicklung, das «Leben», werden wir durchmachen, wenn wir unsere Seelen immer mehr durchdrungen haben werden von der Wahrheit. Wir lernen die Wahrheit erkennen, die Wahrheit aber wird unser Leben werden; dann werden wir die Wahrheit nicht mehr zu erringen brauchen. Jetzt ist das noch nötig, um uns zu einem moralischen und sittlichen Leben zu führen. Diese Wahrheit wird uns aber künftig durchziehen, sie wird unser Lebensblut sein. Deshalb hat derjenige, der ein Repräsentant der den Kosmos durchströmenden Wahrheit ist, aufgenommen dieses Dreifache in sein Bewußtsein und hat es ausgedrückt in den Worten: «Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben».
Fünfter Vortrag, Berlin, 25. November 1903
Charakter der astralen Vorgänge
In dem vorhergehenden Vortrag sprach ich von den Wesen, die in der astralen Welt anzutreffen sind. Ich charakterisierte die Bewohner dieser Welt, indem ich sie unterschied in solche, die gegenwärtig verkörpert sind, und solche, die gegenwärtig nicht verkörpert sind. Heute möchte ich über die Vorgänge im Astralraum sprechen, und ich möchte im allgemeinen charakterisieren, wie wir uns die Ereignisse dort vorzustellen haben. Natürlich können wir nur ganz allgemein eine Skizze geben, denn die Welt, der wir hier begegnen, ist so überwältigend groß, daß jeder, der diese Welt einmal betritt, überwältigt wird von der Fülle der Erscheinungen, so daß niemand etwa aus eigener Erfahrung die ganze astrale Welt beschreiben könnte. Ebensowenig wie jemand die ganze physische Erde gesehen hat, ebensowenig hat jemand die ganze astrale Welt gesehen. Da die Mannigfaltigkeit der astralen Welt weitaus größer ist als die der physischen Erde, so werden Sie sich vorstellen können, daß es manches im Astralen gibt, wovon der einzelne keinen Bericht erstatten kann. Jedoch kann der einzelne ein kleines Stück beschreiben.
Ich rechne zu den Vorgängen im astralen Raum auch die Begegnungen mit Wesenheiten, welchen wir in der physischen Welt nicht begegnen können oder nur ganz ausnahmsweise. Der Astralraum ist sozusagen ein Ort, an dem Wesen verschiedener Welten sich treffen können. Es ist genauso, wie Menschen in der irdischen Laufbahn sich begegnen können, wie ein Mensch einmal mit einem anderen zusammentreffen kann, der an einem ganz anderen Orte wohnt, vielleicht eine kurze Wegstrecke mit ihm zusammen zurücklegt, ihn wieder verliert und ihm dann nicht mehr begegnet. Wie dies im kleinen ist, so kann es auch in großem Maßstabe eintreten, und so können wir uns manches aus der astralischen Welt erklären.
Wir sind als Menschen nicht von Anfang an so gewesen, daß wir uns in der Welt in einem physischen Körper zwischen Geburt und Tod verkörpert haben, sondern wir haben es in einer Art kosmischer Entwicklung dazu gebracht, daß wir durch drei Stationen hindurchzugehen haben: durch das physische Leben zwischen Geburt und Tod, durch das Leben im Kamaloka und durch das Leben im Devachan. Nicht alle Wesen durchlaufen diese Stationen, und auch wir Menschen haben eine Zeit gehabt, die der unsrigen vorangegangen ist, in welcher wir mit unserer Wesenheit der astralen Welt viel näherstanden. Wir waren, bevor wir uns die Fähigkeit erarbeitet hatten, uns physisch zu verkörpern, Wesen, welche rein in der astralen Welt lebten und welche astralische Sinne hatten. Aus den astralischen Sinnen heraus entwickelten sich im Laufe von Jahrmillionen erst unsere Augen und Ohren zu der physischen Gestalt, die sie heute haben. Wir waren astrale Wesen, und wir werden im Laufe unserer Entwicklung wieder astrale Wesen sein.
Wir stehen jetzt in der fünften Wurzelrasse der vierten Runde, das ist die fünfte Menschheitsepoche der vierten Runde der Erdenentwicklung. Wir haben uns durch vier vorhergehende Epochen entwickelt und werden uns in drei folgenden wiederverkörpern. Dann wird diese Gestalt unseres Planeten, die er jetzt hat, abgelöst sein durch eine andere Gestalt, und auch wir Menschen werden anstelle unserer irdischen Gestalt eine andere Gestalt haben. Wir werden uns dann nicht mehr in der gleichen Weise wiederverkörpern, wie wir das heute tun. Wir werden wiederum astrale Wesen sein, Wesenheiten, welche sich nicht der Sinne bedienen, die wir jetzt haben, sondern wir werden Wesenheiten sein, die astral handeln. Seelenwesen waren wir, Seelenwesen werden wir wieder sein, wenn der physische Erdball seine Aufgabe erfüllt haben wird. Durch sieben sogenannte «Rassen» gehen wir hindurch, oft durch schlimme Zustände, und in der Zukunft werden wir dann wiederum in einem astralen Zustand sein und ein ganz anderes Dasein führen. Wir waren früher rein passive Wesen, hingegeben den Eindrücken der Außenwelt, bevor unser physischer Körper sich
verdichtet hatte zu dem physischen Kern, durch den erst möglich wurde, physische Muskeln in Bewegung zu setzen, um irdische Handlungen auszuführen. Wir werden uns wiederum verwandeln, aus passiven zu aktiven Wesenheiten. Alles, was wir irdisch in uns aufgenommen haben, was wir verarbeitet haben, das wird als Frucht in uns gereift sein; wir werden aktive Wesen sein, Tätigkeitswesen.
Weil wir noch etwas von unserer früheren astralen Gestalt mit uns herumtragen, weil etwas davon zu unserem astralen Körper gehört, und weil Vergangenheit und Zukunft in uns sich durchdringen, deshalb leben wir auch heute in der astralen Welt. Und wir können unser Geistesauge so entwickeln, daß wir in der astralen Welt ebenso sehend werden, wie der Durchschnittsmensch sehend ist in der physischen Welt. Die Menschen sind sich dessen nicht bewußt, weil ihr geistiges Auge nicht geöffnet ist. Das Auge des Schülers aber wird allmählich geöffnet. Wer die Schulung durchgemacht hat, der kann erwarten, daß das geistige Auge ihm geöffnet wird, so daß er das sehen kann, was in der theosophischen Lehre beschrieben wird.
Wir sind Bürger der physischen Welt und der astralen Welt. In der astralen Welt begegnet der Schüler auch Wesen, welche nicht unserer Erde angehören, niemals ihr angehört haben und niemals ihr angehören werden. Diese Wesen haben andere Entwicklungen durchgemacht, sie kommen von einer ganz anderen Seite der Welt, sie durchkreuzen unsere Astralebene. Sie haben nur eine Wegstrecke durch den astralen Raum mit uns gemeinsam zu machen. Sie sind gleichsam wie die Kometen, die durch unser Planetensystem gehen. Solche Wesenheiten sind Fremdlinge für unsere menschlichirdische Entwicklung; ihre Entwicklung in der Astralwelt wird eine von der unsrigen ganz verschiedene sein. Nur ein Stück treffen sie mit uns zusammen, um dann ihre Entwicklung in einer Weise weiterzuführen, die nichts mit der unsrigen weiter zu tun hat.
Das sind Tatsachen, von denen die mystischen Schriften aller Zeiten sprechen. In diesen Wesenheiten, denen die mystischen Schriften verschiedene Namen gegeben haben, ist nichts anderes
dargestellt als diejenigen Bewohner der Erde, welche ihre Entwicklung abseits von unserer Entwicklung durchmachen, sogenannte Elementarwesen, Elementargeister. Für diese Wesenheiten ist das, was sie durch die Menschen erfahren, ebenso fremd, wie einem Menschen das fremd ist, was er beim Betreten des Astralraumes erfährt. Sie verhalten sich zumeist ablehnend gegen das, was von der physischen Welt an sie herantritt. Der Chela wird durch diese Wesen die mannigfaltigsten Anfechtungen erfahren, er kann durch diese Elementargeister angezogen werden und dadurch leicht von der ihm vorgezeichneten Bahn abgelenkt werden. Diese Wesenheiten zeigen Sympathien oder Antipathien mit dem, was ihnen von unserer menschlichen Sphäre entgegentritt. Das war nicht immer so. In einer früheren Epoche waren sie nicht so ablehnend gegenüber den physischen Menschen. Jetzt aber haben diese Wesen eine große Antipathie gegen alles, was von der physischen Welt kommt.
Diese Erscheinungen der Astralwelt sind ja oft bildlich beschrieben worden. Man hält heute manches nur für Volksaberglauben und weiß nicht, daß den Ausdrücken in den alten Schriften Wahrheiten zugrundeliegen. Gnomen, Undinen, Sylphen und Salamander wurden im Mittelalter diese Wesen genannt, die niemals ein physisches Dasein haben. Es ist natürlich leicht, etwas zu sagen von diesen Dingen, aber nur derjenige spricht mit vollem Verantwortungsgefühl darüber, der zu unterscheiden weiß, was Aberglaube und was Wirklichkeit ist. Aberglaube tritt auf verschiedenen Stufe auf. Es gibt nicht bloß den Aberglauben, der uns anhaftet, wenn wir an irgendwelche Erscheinungen glauben, die nicht wirklich vorhanden sind. Nein, ein Aberglaube kann auch vorhanden sein bei den größten Gelehrten, auch bei denjenigen, die die Natur nach allen Seiten durchforscht zu haben glauben. Der Glaube an die Materie kann auch ein Aberglaube sein. Die zweite Stufe des Sehens, das spirituelle Sehen, muß der Schüler erreicht haben, um unterscheiden zu können, was physische Wirklichkeit und was Täuschung ist. Dann lernt er auch erkennen, was in der Literatur [über Elementarwesen] auf Wirklichkeit zurückzuführen ist und was nur phantastische Sachen sind.
Die Elementarwesen brauchen Sie sich nicht als besonders hochentwickelt vorzustellen; sie machen nicht Geburt und Tod durch wie der Mensch. Die wenigsten haben etwas durchgemacht, was einer Menschheitsentwicklung auch nur ähnlich wäre. Den meisten stehen derartige Entwicklungen auch nicht bevor. Manche kommen wie Kometen von anderen Planeten, verschwinden wieder und setzen ihr Dasein woanders fort. Was diese Wesenheiten vollbringen, ist nicht ohne Einfluß auf die Menschen. Manches geht da im menschlichen Astralkörper vor, was auf Wirkungen dieser Wesen zurückgeht. Nur dem, der im Astralraum sehen kann, sind solche Vorgänge, die im menschlichen Astralkörper sich abspielen können, erklärlich.
Es gibt auf dem Astralplan auch solche Wesenheiten, die höher stehen als die Menschen. Religionen, die etwas wissen von Esoterik, sprechen von solchen höheren Wesenheiten; die indische Religion zum Beispiel spricht von Devas. Auch in der christlichen Religion hat man von solchen Wesen gesprochen. Nach und nach hat man im Christentum diese Kenntnis verloren, aber es gibt noch Kreise, die diese Wesen kennen. Die Devas nehmen eine bestimmte «Körperlichkeit» an. So wie der Mensch seinen physischen Körper aus den Naturelementen nimmt und so wie unser physischer Körper das niedrigste für uns mögliche Element ist, so ist der niedrigste Körper der Kama-Devas der astrale; er ist aus Astralstoff zusammengesetzt gemäß ihrer Entwicklungsstufe. Andere Devas nennen wir Rupa-Devas. Die leben im Devachan, durch welches wir zwischen dem Tod und einer neuen Geburt hindurchgehen. Die Stofflichkeit der Rupa-Devas ist der Mentalkörper, die der Arupa-Devas der Kausalkörper. Der Kausalkörper hat mit dem zu tun, was uns von Verkörperung zu Verkörperung hinzieht. Das, was physische Stofflichkeit ist, vergeht, verfliegt; der Leichnam wird der Erde, den chemischen und physischen Kräften wiedergegeben. Auch der Astralkörper und der niedere Mentalkörper lösen sich nach dem Tode auf. Es bleibt nur die eine Seele in uns, welche immer wieder in einer neuen Verkörperung wiederkehrt, wenn die eine Entwicklung am Ziele angelangt ist, um dann einzutreten in
eine neue Entwicklung. Diese eine Seele ist aus dem Stoff des Kausalkörpers gewoben, in welchem wir die Rückerinnerung an frühere Leben haben können und darin die ganze Entwicklung erkennen. Wer diese Tatsachen kennt, der weiß, daß Buddha nicht ein Bild gab, als er sprach: Ich erinnere mich an frühere Leben, ich erinnere mich, wie ich da und dort geboren wurde, wie ich da geholfen habe, da und dort Kinder gehabt habe, ich erinnere mich an Weltenstehen, an Weltvergehen, durch die ich hindurchgegangen bin, und so weiter. Das sprach diese hochentwickelte Individualität, welche die Entwicklung vorausgenommen hat, zu der die Menschen erst in der sechsten Runde kommen werden, in welcher der Mensch ein rein geistiges Dasein haben wird. Das hat Buddha schon jetzt entwickelt; er erlangte die Fähigkeit, die höheren Zustände zu sehen. Die gewöhnlichen Menschen werden dies erst später erlangen. Jeder wird einst alle seine verflossenen Zustände der Entwicklung an sich vorüberziehen sehen. Das kommt daher, weil etwas immer bleibt, nämlich die feinste Stofflichkeit des Kausalkörpers. Und aus dieser Stofflichkeit sind die höheren Arten von Devas, die Arupa-Devas, gebildet. Das sind die drei Arten von Devas, denen wir im Astralen begegnen können: Kama-Devas, Rupa-Devas, Arupa-Devas. Zuerst begegnen wir denjenigen, welche aus Astralmaterie sind; aber auch die anderen Devas haben die Fähigkeit, sich mit Astralmaterie zu umspinnen, so daß sie von Astralsehern gesehen werden können.
Dadurch, daß sich ein solcher Mensch frei bewegen kann im Astralraum, dadurch kann er mit den Devas in Verbindung treten; ein Gedankenaustausch findet statt. Die Entwicklung zu höherem Wissen, die Entwicklung zum Adepten, zum Meister, besteht darin, das zu erreichen, was in einzelnen okkulten Schriften genannt wird: «Der Adept macht sich die Götter dienstbar.» Der Adept gelangt allmählich dahin, in diesen höheren Welten Taten zu tun, und unter den Helfern seiner Taten sind nicht bloß Menschen, sondern auch solche Wesen, welche niemals unsere irdischen Sphären betreten. Die Intelligenz mancher Devas ist aber niedriger als die Weisheit des Budhi, der aufopferungsvollen Liebe und der
weisheitsvollen Schöpferkraft. Der Mensch kann in den Besitz eines solchen Grades dieser Kraft kommen, daß er hinaus ragt über die meisten der Devas, denen wir begegnen. Dann macht er sie sich dienstbar. Manches, was geschieht, geschieht dadurch, daß die Adepten ihre Helfer haben in diesen Deva-Wesenheiten, die niemals in unsere physischen Sphären kommen.
Bis zum 15. Jahrhundert besaßen die Menschen Kenntnis davon; im 14., im Anfang des 15. Jahrhunderts verlieren sich aber jegliche Spuren von Mitteilungen über die Devas; nicht mehr wurde von diesen Dingen geredet im 15., 16., 17., 18. und 19. Jahrhundert; niemand hat von diesen Dingen ein Wissen gehabt außer in ganz intimen Kreisen. Es war die Zeit, in der die Kraft des Verstandes ausgebildet wurde. Heute ist es möglich wenigstens zum Teil , wieder vorzutragen über diese Wahrheiten, die sich auf die Devas beziehen und über die ganze Jahrhunderte lang absolutes Stillschweigen geherrscht hat; es ist möglich, weil die Menschheitsentwicklung gegenwärtig Ereignissen entgegengeht auf geistigem Gebiete, die groß und bedeutungsvoll sind und weil die Menschen den Dingen so gegenüberstehen müssen, daß sie gewappnet sind. Das nächste, was sehr bald eintreten wird, kann ich damit charakterisieren, daß ich sage: Die Menschen werden in einem ganz anderen Maße die Hintergrunde von Gut und Böse übersehen als heute. Tief hinein werden Sie schauen in diejenigen Fäden, welche die Mächte spinnen, sie werden schauen das Weltgewebe, das den Menschen der Gegenwart erscheinen wird wie ein Netz von Gut und Böse. Diese Wahrheit wird eine Erkenntnis von unendlicher Bedeutung sein. Und jetzt gibt es schon die Möglichkeit, diese Erkenntnis von Gut und Böse zu erwerben.
Das sind große Dinge, von denen jetzt gesprochen worden ist; es gibt nun noch andere Dinge, die sich im Astralen abspielen. Davon will ich Ihnen jetzt etwas erzählen. Der Mensch muß sich bewußt sein, daß er in jedem Moment seines Lebens auch im Astralraum lebt. Wie die physischen Tatsachen mit physischen Augen gesehen werden können, so kann im Astralraum gesehen werden, daß zum Beispiel ein Wunsch, der sich bei Ihnen erhebt,
ausströmt wie eine Wolke. Jeder Wunschgedanke geht wie eine Kraft von Ihnen aus und strömt in den Astralraum aus. Solche Gedanken sind wie blitzartige Gebilde, andere wie feine Wolkengebilde. Es bildet sich das, was an Kraft in den Gedanken ist, zu Pfeilen oder zu wohltuenden Wolkengebilden; es bilden sich auch Strahlen und Sterngebilde. Alles nimmt Gestalt und Form an, je weiter es von uns hinweggeht. Alles ist von proteus-artiger Natur; alles verändert seine Gestalt und Farbe. An Farbe und Form kann man genau erkennen, welche Gedanken der Mensch hinaus in den Raum sendet. Senden Sie einen zornerfüllten Gedanken, so geht er von Ihnen aus wie ein Blitzstrahl durch die Luft, bis zu dem Astralkörper eines anderen Menschen; das kann beobachtet werden. Es hängt von der Intensität des Wunsches ab, ob der Gedanke schnell durch den Astralraum schießt, und es hängt von dem Charakter der Wünsche ab, in welchen Farben sie erscheinen. Jähzornige Gedanken erscheinen braunrot bis blutigrot; Gedanken mit still-ruhigem, kontemplativem, wohlwollendem Charakter erscheinen in intensiv bläulicher bis violetter Färbung. Scharfsinnige, logische Gedanken können Sie sehen als gelbe Sterngebilde, die sich ineinander verspinnen. Solche Gedankenformen im Astralraum bewußt hervorzurufen, das lernt der Chela, indem er die Gesetze der astralen und der mentalen Welt kennenlernt. Wer Chela ist, weiß ganz genau, wie seine Gedanken, die er hinaus sendet, im Astralraum wirken. Das ist Chela-Entwicklung: sich dieser Tatsachen immer bewußter und bewußter zu werden und nur Gedanken zum Heile der Menschheit hinauszusenden. Das ist eine der tiefen Wahrheiten, zu der die Theosophie die Menschen hinführt.
Die Vorgänge im Astralraum sind Vorgänge, die uns immer umgeben, die in unserer Umwelt sich abspielen. Sie sind höhere Tatsachen als die unserer physischen Welt. In der Zeit zwischen Tod und neuer Geburt geht der Mensch durch diese höheren Welten hindurch. Der Chela kann diese Regionen bewußt betreten, noch bevor er den Tod erleidet. Die Entwicklung des Menschen im Kamaloka, also das, was den Menschen erwartet, wenn er die Schwelle des Todes überschreitet, das soll Gegenstand einer
gesonderten Betrachtung sein. Ich wollte heute nur diejenigen Dinge berühren, welche nicht mit diesem speziellen Kapitel zusammenhängen. Ich habe alles das ausgelassen, was im Zusammenhang mit Kamaloka und Devachan besprochen werden kann. Das nächste Mal werden wir den sechsten, den letzten Vortrag in dieser Reihe hören.
Ich habe gezeigt, daß der Mensch herabgekommen ist aus höheren Welten und daß er wiederum in höhere Welten geht. Manches geschieht hier, wozu die Ursachen in den höheren Welten liegen. Der Unterricht eines Chela vollzieht sich auch in einer höheren Welt. Es mag der Chela in der physischen Welt Unterricht erhalten; das ist aber nicht der wichtigste, wichtiger ist der Unterricht, welcher bewirkt wird in den höheren Sphären. Es gehen mit den Menschen Dinge vor in den höheren Sphären, deren sich die Menschen im gewöhnlichen Leben nicht bewußt sind. Von diesen Welten kann der Verstandesmensch nur dadurch etwas wissen, daß ihm zuerst Kunde davon gebracht wird. Mitteilung davon zu bekommen, ist ein Weg, in die höheren Welten hineinzuschauen. Es ist nicht unnötig, von diesen höheren Welten erst etwas erzählt zu bekommen. Das, was erzählt wird, senkt sich in das Geistige der Menschen hinein und wird jedenfalls im zukünftigen Leben lebendig werden. Das, was als Saat heute gesät wird, wird künftig als Frucht aufgehen. Das war ein Ausspruch des Paulus, des christlichen Initiierten: Gott läßt seiner nicht spotten. Denn, was der Mensch sät, das wird er auch ernten.
Sechster Vortrag, Berlin, 2. Dezember 1903
Kamaloka
An dieser astralen Welt, die wir nun kennengelernt haben, hat der Mensch auch während seines physischen Lebens Anteil. Täglich und stündlich nehmen wir teil an den Vorgängen der astralen Welt. Wir haben die Vorgänge und Wesenheiten kennengelernt, welche in der Astralwelt von denjenigen angetroffen werden können, deren Blick für diese Astralwelt geöffnet ist. Heute soll wiederum ein besonderer Gegenstand herausgehoben werden; wir wollen heute dasjenige näher betrachten, was die Theosophie «Kamaloka» nennt.
Wenn wir verstehen wollen, was Kamaloka ist, so müssen wir uns vor allen Dingen darüber klar sein, daß wir innerhalb unserer Entwicklung schon durch viele Inkarnationen hindurchgegangen sind, daß unserer gegenwärtigen Inkarnation im Fleische viele andere vorangegangen sind und viele andere nachfolgen werden. Das Wesentliche ist, daß wir in dieser Inkarnation, in diesem irdischen Leben unsere Aufgaben zu erfüllen haben.
Es ist ganz falsch, wenn behauptet wird, die Theosophie lenke vom Leben ab oder sie wolle den Menschen in eine Art von Wolkenkuckucksheim führen, sie predige eine vom tatsächlichen Leben sich abkehrende Askese. Das wäre eine ganz falsche Auffassung von dem, was die theosophische Bewegung will. Die Theosophie betrachtet vielmehr gerade dieses Leben als das Instrument, als das Werkzeug, dessen wir uns bedienen müssen, um unsere höchsten geistigen Aufgaben in der Entwicklung zu erfüllen. Wer sich vom Leben zurückzieht, wer nicht die geistigen Kräfte auch im Physischen anwendet, der erfüllt die Aufgaben nicht, die er auf der Erde hat. Deshalb gehört es zu den Idealen der Theosophie, daß wir aus unserem physischen Dasein für das höchste geistige Leben den größtmöglichen Nutzen ziehen.
Wir wissen, verehrte Anwesende und wir müssen das heute voraussetzen , daß dasjenige, was der menschliche Geist ist, was das eigentliche wahre Selbst in uns ist, daß das nicht einmal, sondern unzählige Male innerhalb des irdischen Daseins verkörpert wird. Wir wissen, daß unser gegenwärtiges irdisches Dasein sich angeschlossen hat an unzählige frühere und daß an dieses jetzige Leben weitere Verkörperungen sich anschließen werden. Die Frage müssen wir nun stellen: Was vollbringt das menschliche Selbst in der Zeit zwischen zwei Verkörperungen? Wie hat das menschliche Selbst Anteil an den anderen Welten, die nicht wie unsere physische Welt sind? Allein dadurch, daß es in der entsprechenden Weise durch die anderen Welten pilgert, ist es imstande, aus dem physischen Dasein den größtmöglichen Nutzen für seine Entwicklung zu ziehen. Die Welten, durch die das menschliche Selbst in der Zwischenzeit zwischen zwei Verkörperungen pilgert, sind zunächst das Kamaloka und dann das Devachan. Wenn die physischen Hüllen [nach dem Tode] von dem Menschen abgefallen sind, dann tritt er ein in die Welt, welche wir in der Theosophie «Kamaloka», den «Ort des Verlangens» nennen. Und hat er sich da eine Weile aufgehalten, dann durchpilgert er die höhere geistige Welt, das Devachan, das wir auch die «Welt des Geistigen» nennen. Durch diese Welten also pilgert die menschliche Seele nach ihrer irdischen Pilgerschaft. Will man nun verstehen, welchen Anteil an der ganzen menschlichen Seelenpilgerschaft diese beiden anderen Welten, Kamaloka und Devachan, haben, dann muß man vor allem an die Aufgaben denken, die der Mensch in seinem irdischen Dasein zu vollbringen hat. Diese sind immer in den Geheimwissenschaften gelehrt worden und werden uns heute auch durch die Theosophie gelehrt.
Es sind ganz bestimmte Aufgaben, welche das menschliche Selbst zu übernehmen und durchzuführen hat innerhalb seiner Erdenpilgerschaft. Der Mensch hat bestimmte Tugenden auszubilden, die er nicht außerhalb der Erdenpilgerschaft ausbilden kann. Sieben solcher Tugenden sind es. Mit den Anlagen zu diesen Tugenden kam der Mensch auf die Erde, und am Ende seiner Erdenpilgerschaft soll er diese sieben Tugenden voll entwickelt haben.
Wenn ich einen Vergleich gebrauchen darf, so möchte ich sagen: Stellen wir uns einen Menschen vor, der der Anlage nach mit dem größten Wohlwollen für die Mitmenschen ausgestattet ist, einen ganz freigebigen Menschen, der aber ganz arm ist und deshalb nicht in der Lage ist, von dieser seiner mildtätigen Anlage Gebrauch zu machen. So ist auch der menschliche Charakter seiner Anlage nach ein im höchsten Grade vollendeter; der Mensch kann aber noch keinen wirklichen Gebrauch davon machen. Nun stellen wir uns vor, dieser Mensch zieht in ein noch unbebautes, fernes Land und versucht, es produktiv zu machen; er erzeugt durch harte Arbeit dort so viel, daß er sich nun die Mittel erwirbt, die er, wenn er zurückkommt in sein ursprüngliches Land, nun seinen Mitmenschen zugutekommen lassen kann. Nun kann er das ausführen, was als Anlage der Freigebigkeit in ihm enthalten war.
Die Anlagen zu sieben solcher Tugenden liegen im Menschen bei seiner ersten Verkörperung. Nach Millionen von Jahren wird er wieder hinausziehen aus seiner Erdenpilgerschaft, und diese Anlagen werden dann zu Tugenden ausgebildet sein. Er wird dann diese Fähigkeiten verwenden können in einer zukünftigen planetarischen Entwicklung. Diese sieben Tugenden sind:
1. Gerechtigkeit
2. Urteilsenthaltsamkeit
3. Starkmut
4. Klugheit
Das sind die vier niederen Tugenden. Die Klugheit faßt alles das zusammen, was uns befähigt, über unsere irdischen Verhältnisse ein Urteil zu fällen und dadurch selbst einzugreifen in den Gang der irdischen Verhältnisse. Durch das Sich-Erarbeiten dieser Fähigkeiten gewinnt der Mensch die Kraft, durch die er kraftvoll und führend in die Welt eingreifen kann.
Die drei höheren Tugenden sind:
Glaube
Hoffnung
Liebe.
Goethe hat es ausgedrückt mit den Worten: «Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis». Wenn der Mensch in allem, was er sehen und hören kann, nur ein Sinnbild sieht für ein Ewiges, das es ausdrückt, dann hat er den «Glauben». Das ist die erste der drei höheren Tugenden. Die zweite ist, ein Gefühl dafür zu entwickeln, daß der Mensch nie auf dem Punkte stehenbleiben soll, auf dem er steht, ein Gefühl dafür, daß wir heute Menschen der fünften Rasse sind, später aber uns höherentwickeln werden. Das ist die Hoffnung. Wir haben also den Glauben an das Ewige, und dann das Vertrauen, die Hoffnung auf die höhere Entwicklung. Die letzte Tugend ist die, welche als letztes Ziel unseres Kosmos auszubilden ist, es ist die Liebe. Deshalb nennen wir auch unsere Erde den «Kosmos der Liebe». Was wir in uns entwickeln müssen, indem wir der Erde angehören, das ist die Liebe, und wenn wir unsere Erdenpilgerschaft vollendet haben werden, dann wird die Erde ein Kosmos der Liebe sein. Die Liebe wird dann eine selbstverständliche Kraft aller menschlichen Wesen sein. Sie wird mit einer solchen Selbstverständlichkeit auftreten, wie beim Magneten die magnetische Kraft der Anziehung und Abstoßung selbstverständlich ist.
Nach und nach, durch verschiedene Verkörperungen hindurch, muß der Mensch diese Tugenden entwickeln. Ungefähr auf der Mitte dieses Weges ist er jetzt angelangt. Was diese Tugenden einmal sein werden, ist von der christlichen Theologie richtig so bezeichnet worden: «Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehöret hat und keinem Menschen ins Herz gekommen ist»; das soll bedeuten, daß niemand sich eine Vorstellung machen kann, in welch vollendeter Weise diese Tugenden einmal in dem Vollendeten vorhanden sein werden. Von Stufe zu Stufe arbeiten wir uns in den verschiedenen Verkörperungen. Wir steigen gleichsam mit der Anlage zu diesen sieben Tugenden aus der geistigen Welt herunter und müssen diese Tugenden im Leben ausbilden, um sie dann wirklich zu haben. So ist das irdische Leben nichts anderes als das Hindurchziehen durch ein Land, um daran zu arbeiten, die Anlagen in wahre Fähigkeiten umzusetzen. Wer hineinzieht in dieses
Land, der muß sich zunächst hingeben an die Arbeit, und während der Arbeit wird er vielleicht nicht hinblicken können auf jenes hohe Ziel. Er entwickelt die Tugenden, indem er mit den anderen Menschen in Verbindung tritt, um so Starkmut, Gerechtigkeit, Hoffnung, Liebe und so weiter auszubilden. Er kommt mit anderen Menschen zusammen, und er muß diese Begegnungen benützen zur Ausbildung der Tugenden. Um die Tugenden auszubilden, muß der Mensch heruntersteigen aus der geistigen Welt in die physische Welt. Er wird verstrickt in dasjenige, was die physische Welt enthält, und immer enthält diese auch das Astrale, die Welt der Begierden, der Lüste: Kamaloka.
Wir können nicht unsere Klugheit so [umfassend] ausbilden, daß sie die ganze Welt erschüttert. Nein, wir müssen zufrieden sein, daß wir an dem Ort und zu der Zeit, in die wir hineingeboren sind, in entsprechender Weise wirken können. Galilei, Giordano Bruno haben in ihrem Volk und in ihrer Zeit ihre höheren Seelenkräfte, ihr Kama-manas ausgebildet. Giordano Brunos Verstand taugte für sein Volk und für seine Zeit. Würde er in ein anderes Volk gesetzt worden sein und zu einer anderen Zeit geboren worden sein, so hätte er andere Fähigkeiten haben müssen. Der Mensch ist durch seine Aufgaben mit der physischen Umwelt verstrickt, und so ist es auch mit unseren höheren Fähigkeiten; wir sind in jeder Inkarnation auf ein enges Gebiet beschränkt. Auch unser Verstand und unsere höheren Seelenkräfte sind auf ein gewisses eng begrenztes Gebiet beschränkt, und erst recht unsere Wünsche, Begierden, unsere Leidenschaften und Instinkte.
Wir müssen das, was wir mitgebracht haben aus dem Geistigen, in die Wünsche hineingießen. Wenn ich das Höchste will, so muß ich das Höchste mit dem Wunsche umgeben. Um seine Aufgaben in der physischen Welt zu erfüllen, muß der Mensch zusammenwachsen mit der physischen Welt, und er bildet eine Art von Schale um sich, durch die er zusammenhängt mit der Welt der Wünsche und Begierden. Wie Sie mit den Gegenständen der physischen Welt so zusammenhängen, daß Sie sich an ihnen stoßen, so hängen Sie durch Ihre Wünsche, Begierden und Leidenschaften mit der Welt
des Astralischen zusammen. Und wie Sie unmittelbar mit dem Tode sich aus der Welt des Physischen loslösen, so müssen Sie nach dem Tode auch von der astralen Welt nach und nach sich losreißen. Mit denjenigen Menschen, mit denen der Mensch zusammenwirkte, ist er zusammengewachsen. Er muß diese Schale erst abstreifen. Das geschieht im Kamaloka. Hat der Mensch die Erdenhülle unmittelbar mit dem Tode verloren, so ist er noch verbunden mit der Welt seiner Wünsche, Begierden und Leidenschaften. Durch eine Leidenschaft, durch die er noch innig verbunden ist mit diesem irdischen Dasein, hat er eine Zeit der Auseinandersetzung mit diesem irdischen Dasein durchzumachen. Dieses nennen wir den Aufenthalt im Kamaloka.
Wie die irdisch-physische Welt aus verschiedenen Gebieten besteht, so besteht auch die astrale Welt aus verschiedenen Gebieten, und diese können wir gliedern nach den sieben Tugenden, die ich genannt habe. Dadurch, daß wir diese Tugenden ausbilden, sind wir in einer ganz bestimmten Weise mit der Welt des Astralischen verstrickt und verkettet.
Der Mensch muß lernen, Gerechtigkeit bewußt zu üben. Das kann er nur durch Überwinden der astralen Kräfte. Gerechtigkeit kann es nur geben in einer Welt, wo die Einzelnen Sonderwesen sind; nur von Einzelwesen zu Einzelwesen ist Gerechtigkeit möglich. Bewußt muß ich mich zu anderen Einzelwesen [gerecht] verhalten. Ich muß mich also zuerst als Sonderwesen fühlen, um gegenüber den Mitmenschen Gerechtigkeit üben zu können. Vorbedingung dazu ist das Abgesondertsein des einen von dem anderen. Erst sondert sich der Mensch als Einzelwesen ab, und dieses Sondersein führt es zu einem Kampf ums Dasein. Der Kampf ums Dasein ist der Gegensatz, der entgegengesetzte Pol zur Gerechtigkeit, er muß überwunden werden durch die Tugend der Gerechtigkeit. Abstreifen muß der Mensch alles, was gegen den anderen Menschen sich stellt, abstreifen alle Untugenden, welche aus dem Kampf ums Dasein entspringen. Die Region, in der die Kräfte des Kampfs ums Dasein walten, ist die dunkelste Region des Kamaloka. In ägyptischen Urkunden wird uns erzählt von dieser Region,
die schwarz ist wie die Nacht, in der die Wesen hilflos herumirren. «Hier ist keine Luft, kein Wasser, hier vermag kein Mensch mit Ruhe im Herzen zu leben.»
Die Enthaltsamkeit des Urteils, die Urteilsenthaltsamkeit gegenüber der Umgebung, das ist die zweite Tugend, die geübt werden muß. Gewöhnlich urteilt der Mensch nach Sympathie und Antipathie, mit der er anderen gegenübersteht. Nach und nach lernt er erkennen, daß, wenn man einen Menschen begreifen will, man über Sympathie und Antipathie hinauskommen muß, sie überwinden muß. Und wie die Gerechtigkeit als Gegenpol den Kampf ums Dasein hat, so hat die Enthaltsamkeit des Urteils als entgegengesetzte Untugend das Sich-Hingeben an alle Reize der Außenwelt. Antipathie und Sympathie müssen abgestreift werden in der zweiten Region von Kamaloka.
Die Tugend des Starkmutes kann nur der entwickeln, der nicht bewahrt ist vor Versuchung. Wir können diese Tugend nur dadurch entwickeln, daß die ihr entgegensetzten Pole da sind und wir in sie hineinverstrickt sind. Tag für Tag, Stunde für Stunde sind wir den Versuchungen ausgesetzt. Das müssen wir auf der dritten Stufe ablegen, indem wir in dieser Region die Tugend des Starkmutes entwickeln.
Klugheit kann nur dadurch ausgebildet werden, daß der Mensch durch unzählige Irrtümer hindurchgeht. Goethe sagt: «Es irrt der Mensch, solang er strebt.» So wie das Kind dadurch lernt, daß es sich beim Fallen verletzt, so haben alle großen Menschen aus Erfahrungen gelernt, die sie durch Irrtümer gemacht haben. Das geschieht in der vierten Region des Kamaloka.
Nun die höheren Tugenden. Die erste ist der Glaube; das ist das Erkennen des Ewigen im Zeitlichen und Irdischen, die Anschauung, daß alles Vergängliche nur ein Gleichnis ist. Die verschiedenen Weltanschauungen sind fortlaufende Versuche, die Menschen da oder dort, dieser oder jener Nation, auf den verschiedensten Wegen zur Erkenntnis des Ewigen zu führen. Der Mensch muß durch den Buchstaben zum Geist vordringen, vom Dogma zur wahren, inneren Erkenntnis. Der Mensch wird immer in Versuchung
kommen, in ein umgrenztes Buchstabenfeld verstrickt zu sein. Weil wir im Leben notwendigerweise ein Glied eines bestimmten Zeitalters sind, so müssen wir erst das ablegen, was unserer Zeit zum Dogma geworden ist, um zu der Wahrheit zu kommen, welche sich in allen Weltanschauungen und Religionen ausspricht. In der fünften Region treffen wir die Frommen, die Buchstabengläubigen aller religiösen Bekenntnisse, aller Weltanschauungen: buchstabengläubige Hindus, buchstabengläubige Mohammedaner, buchstabengläubige Christen und auch Theosophen, die an den Buchstaben glauben.
Die nächste Tugend ist diejenige, die das Christentum «Hoffnung» genannt hat. Hoffnung kann der Mensch nur ausbilden, wenn er an eine Fortentwicklung glaubt. Nach und nach können wir das begreifen lernen durch die theosophische Lehre, die uns hinführt zu dem Gedanken der Fortentwicklung. Gewaltig war schon die menschliche Entwicklung vor unserer Zeit. Noch größer ist der Ausblick in eine zukünftige höhere Entwicklung für den Chela. Er entwickelt ein Gefühl dafür, daß der Mensch nicht stehenbleiben darf bei den endlichen, den begrenzten Idealen, bei den Idealen, die nur seiner Zeit angehören. Sehen Sie sich Sokrates an oder Robespierre oder die Idealisten unserer Zeit. Versuchen Sie, ob deren Ideale für irgend ein anderes Volk, für irgendein anderes Zeitalter gepaßt hätten. Versuchen Sie, ob die Ideale und Hoffnungen eines Kolumbus in einer anderen Zeit und in einem anderen Volke in die Wirklichkeit hätten umgesetzt werden können. Diese Beschränkung auf eine Zeit oder auf ein Volk, das muß der Mensch in dieser lichtvollen sechsten Region des Kamaloka abstreifen.
Damit der Mensch die «Liebe» lernt, muß er im Endlichen anfangen. Um einen höheren Begriff der Liebe zu lernen, muß er mit dem Kleinen anfangen, mit dem Vergänglichen und dem Endlichen und sich weiterentwickeln. Die Liebe muß eine Selbstverständlichkeit, eine selbstverständliche Kraft werden. Sie muß das Ziel sein und das Streben der Menschen. Wenn der Mensch die Liebe entwickelt, dann erlebt er sich in der siebenten und höchsten Region des Kamaloka.
Sieben Läuterungsfeuer gibt es im Kamaloka, durch die die Seele hindurchziehen muß. Dann steigt sie auf in das Devachan, wo es wiederum sieben Regionen gibt. Nur das, was Frucht eines hohen Ideals ist, das kann mit hinübergenommen werden in ein neues Dasein, in eine neue Verkörperung. Was an Ort und Zeit gebunden ist, das muß abfallen im Kamaloka.
So hat der Mensch, je nachdem, ob er die eine oder die andere Läuterung durchzumachen hat, die sieben Regionen des Kamaloka, zu durchlaufen. Wenn ein Mensch zum Beispiel Starkmut ausbilden und deshalb gestärkt werden muß gegenüber Wünschen und Verlangen, so wird er in der Region, in der er das Negative läutern kann, erwachen. Die übrigen Regionen wird er mehr schlafend durchgehen. Das ist dasjenige, was die Theosophie den Aufenthalt im Kamaloka nennt. Was wir auf der Pilgerfahrt unseres irdischen Lebens durchzumachen haben, ermöglicht uns, daß wir von Entwicklungsstufe zu Entwicklungsstufe gehen und daß wir in den Zwischenzuständen [zwischen dem Tod und einer neuen Geburt] durch Seelenläuterungsorte hindurchgehen müssen und die Schlacken in Kamaloka abstreifen.
Erst dem Sehenden erscheinen die verschiedenen Orte in Kamaloka verständlich. Für den Chela kommt die Stufe, wo er die Helle verstehen lernt, der Augenblick, in welchem unser Auge für die astrale Welt geöffnet wird. Was in der physischen Welt ist, ist dann nicht mehr da. Er sieht die Sonne um Mitternacht glänzen. Die anderen Menschen können die Sonne nicht um Mitternacht glänzen sehen. Es ist dies kein Symbol, es ist so wörtlich wie nur möglich zu verstehen: Für das astrale Auge wird die Sonne um Mitternacht sichtbar. Der Chela kann diese Schwelle überschreiten, er erkennt das, was der Mensch normalerweise nur sieht, wenn er die Pforte des Todes überschreitet. Das ist nicht Theorie, sondern es ist wirkliche Erfahrung, von der so erzählt werden kann, wie zum Beispiel jemand Ihnen seine Erlebnisse erzählen kann, der eine Reise nach Amerika gemacht hat. Daß es solche höheren Welten gibt, davon hatten die materialistischen Weltanschauungen und Gesinnungen der letzten Jahrhunderte wenig Ahnung. Wieder ein
Bewußtsein davon zu erwecken, daß es solche höheren Welten gibt, das hat sich die Theosophie zur Aufgabe gemacht. Daß eine solche Kunde notwendig ist, besonders in unserer gegenwärtigen Kultur, das hat der Theosophischen Gesellschaft ihren Ursprung gegeben. Es ist notwendig, daß wiederum die Stimme einer höheren Welt in diese unsere Welt hineintönt. Wir müssen hingeführt werden zu dem, was die sieben Tugenden uns lehren und was durch sie gelernt werden kann. Wir müssen erkennen, wie diese Tugenden ausgebildet werden können.
Die letzte Aufgabe ist: «Weisheit in der Liebe» und «Liebe in der Weisheit». Liebe in der Weisheit ist es, was der Mensch nach der Ausbildung der sieben Tugenden erlangen wird und was er mit hinaustragen kann aus dieser Weltentwicklung. Dies finden Sie schon ausgesprochen in der Salomonischen Weisheit in den Worten: «Und weil ich gebetet habe um Klugheit, ward sie mir gegeben, und weil ich gefleht habe um Weisheit, ist der Geist der Weisheit zu mir gekommen. Und ich habe gelernt, diesen Geist der Weisheit höher zu achten als Fürstentümer und Königreiche».
Das ist dasjenige, worauf es ankommt: Nicht asketisch uns von dem physischen Dasein zurückzuziehen, sondern es zu einem höheren zu erheben; die «Reiche der Welt» zu hegen und zu pflegen und dasjenige zu entwickeln, was das Mittelalter «Spiritus sapientiae» nannte Geist der Weisheit. Und mit dem Geist der Weisheit werden die Menschen hinausziehen zu einem neuen planetarischen Dasein.
Das alles können wir in der astralen Welt erfahren. Einen kleinen Blick zu geben in diese astrale Welt, die unserer physischen Welt am nächsten steht, das war der Zweck dieser Vorträge. Das nächste Mal wollen wir über die geistige Welt sprechen, die Welt des Devachan.
II Die Welt des Geistes oder Devachan
Vier Vorträge, gehalten in Berlin zwischen dem 28. Januar und 5. Februar 1904 (Hörernotizen)
Erster Vortrag, Berlin, 28. Januar 1904
Verehrte Anwesende! Vor acht Tagen habe ich mir gestattet, das Gefüge desjenigen Gebietes zu schildern, das jeder zu durchschreiten hat, der in den Zustand zwischen zwei- Verkörperungen eingeht, das sogenannte Mentalreich oder die Welt des Devachan. Ich habe Ihnen geschildert, daß wir da zunächst dreierlei Gebiete zu unterscheiden haben, und ich habe auch bemerkt, daß die Worte, welche wir in unserer gewöhnlichen Sprache zur Verfügung haben, zur Übermittlung der Wahrnehmungen im Mentalreich nicht ausreichen, so daß wir oft nur andeutungsweise und manchmal nur sinnbildlich auszudrücken imstande sind, was in diesem Lande, das der Mensch zwischen zwei Verkörperungen durchschreitet, wahrzunehmen ist. Diejenigen, welche als Eingeweihte von diesem Lande wissen, schildern es in Worten, die mehr andeutend als der Wirklichkeit entsprechend zu nehmen sind. Deshalb müssen Sie auch die Schilderungen, welche ich letztes Mal gegeben habe, mehr andeutend hinnehmen, denn es ist fast unaussprechlich, was derjenige wahrnimmt, dessen Sinn für die devachanische Welt geöffnet ist.
Ich habe Ihnen drei Gebiete des Devachan dargestellt und bemerkte, daß diese entsprechen würden den drei Gebieten auf unserer Erde: dem festen, gebirgigen das ist das kontinentale Gebiet des Devachan , dem flüssigen das ist das Ozeangebiet des Devachan , und dem Gebiet des Luftmeeres.
Einer derjenigen deutschen Dichter, die etwas von diesem Lande wußten, war, wie ich auch das letzte Mal gesagt habe, Goethe. Goethe hat dieses Land mehr äußerlich durch seinen Mephistopheles beschreiben lassen. Aber schon an dieser Beschreibung können Sie sehen, daß Goethe gewußt hat, wie schwer es ist, von diesem Lande zu sprechen. Er schildert es, indem er Mephistopheles den Faust darauf aufmerksam machen läßt, was er dort finden wird. Mephistopheles sagt das folgende:
Und hättest du den Ozean durchschwommen,
Das Grenzenlose dort geschaut,
So sähst du dort doch Well auf Welle kommen,
Selbst wenn es dir vorm Untergange graut.
Du sähst doch etwas! sähst wohl in der Grüne
Gestillter Meere streichende Delphine,
Sähst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne
Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne,
Den Schritt nicht hören, den du tust,
Nichts Festes finden, wo du ruhst!
Wir können dies für denjenigen, der es verstandesmäßig betrachtet als eine annähernde Schilderung dieses Reiches ansehen. An einer anderen Stelle sagt Mephistopheles zu Faust:
Hier diesen Schlüssel nimm!
Der Schlüssel wird die rechte Stelle wittern;
Folg ihm hinab: er führt dich zu den Müttern.
Auch zur Zeit des Plutarch wurde von dem Reich der Mütter gesprochen; für Goethe ist es das Reich des Unentstandenen. Deshalb läßt er Mephisto zu Faust sagen:
Also nicht oben und nicht unten, sondern überall ist Devachan.
Entfliehe dem Entstandnen
In der Gebilde losgebundne Reiche!
Ergötze dich am längst nicht mehr Vorhandnen!
Das ist die Schilderung eines Europäers. Ich will Ihnen nun noch die Schilderung eines Hindu-Weisen geben; sie ist in orientalischer Weise gefärbt, gleichwohl aber desselben Inhalts; sie besagt: Viele tausend Weltsysteme gibt es. Dieser Welt liegt ein Reich der Seligkeit zugrunde. Durch sieben Zaunreihen sind die Reiche begrenzt, durch den Tathagata werden sie regiert, und sie gehören den Bodhisattvas. Die Wasser fließen durch diese Reiche und sieben Eigenschaften haben sie.
Drei Reiche des Devachan habe ich Ihnen geschildert, welche unserem festen Land, unserem Ozean und dem Luftmeer entsprechen. Ich habe gesagt, daß im Devachan das Land anders aussieht als unser heutiges Land, und ich habe gesagt, daß wir Gestalten da wiederfinden, die wir auch hier sehen, aber eingegraben wie ein Siegelabdruck. Diese Kontinentalmasse bildet den Grundstock des Devachan. Innerhalb derselben bewegt sich die lebendige Meeresmasse; rosafarben durchdringt sie alles Sein und bildet den Lebensquell aller Formen, aller Gebilde, die als Pflanzen, Menschen und Tiere erstehen sollen. Der Luftkreis ist von ganz besonderer Art im Devachan. Unseren physischen Luftkreis sehen wir blau; der Luftkreis im Devachan ist rötlich strahlend. Er ist von einer außerordentlichen Empfindungsfähigkeit, die in jedem seiner Atome ruht, die jedes einzelne Atom beseelt. Alles, was in dem Luftkreis sich geltend macht, ist Empfindungsleben. Alles, was ich in den unteren Reichen an Schmerz und Lust erlebe, drückt sich in dem Luftkreis des Devachan aus. Derjenige, welcher auf dieser Ebene wahrnimmt, der versteht, was ein Eingeweihter der christlichen Religion, Paulus, sage: Alle Kreatur seufzet unter Schmerzen, der Annahme an Kindesstatt harrend. Der Luftkreis ist außerdem durchdrungen von einem Sphärenklingen, von einer Musik, welche die alten Pythagoräer die Sphärenharmonie genannt haben. Derjenige, der diese Harmonie schon gehört hat, welche der Ausdruck der Harmonie des Kosmos ist, der hört sie überall, trotzdem sie übertönt ist von dem Geräusch des Alltagslebens. Dies ist in der Beschreibung des Hinduweisen als Zäune ausgedrückt.
Nun kommen wir in die vierte Region des Geistesreiches. Dies ist ein ganz besonderes Reich; die Schöpfer und Beseeler aller Dinge sind dort am Werke. Der sogenannte Akashastoff ist die Substanz, der Ton, aus dem alles geformt wird. Das ist ein Bild, von dem alle Magier sprechen. Goethe spricht auch davon, an der Stelle, wo er von Feuerluft spricht. Es ist derjenige Stoff, der die größte Plastizität hat, der Stoff, in den man von einer Seite die materiellen Gebilde, auf der anderen Seite den Geist eindrücken kann. Es ist der Stoff, den man nicht mehr kannte seit dem Anfang
des Christentums, nicht mehr kannte, bis die Theosophische Gesellschaft auftrat. Als die erste Aufforderung an Sinnett erging, der abendländischen Welt von diesen Dingen Kenntnis zu geben, da hören wir in seinem Buch «Die okkulte Welt» eine Beschreibung dieses Stoffes, der Zauberkräfte enthalten soll. Und wir lesen da, wie der Meister selbst es ausdrückt, daß die abendländischen Kulturmenschen nur schwer und langsam dazu kommen werden, die Bedeutung des Stoffes Akasha zu verstehen.
Wie ich vor acht Tagen geschildert habe, kann die devachanische Welt in drei niedere Reiche und drei höhere Reiche eingeteilt werden. Die drei höheren Reiche klingen und leuchten in die drei unteren Reiche hinein. Wenn wir die unteren Devachanreiche in der theosophischen Sprache «Rupa-Reiche» bezeichnet haben als Festland, als Ozean, als Luftraum, so dehnen sich jenseits des vierten Reiches [Akasha] die drei höchsten Reiche des Devachan aus, die in der theosophischen Sprache «Arupa-Reiche,» genannt werden. Zu alle dem, was diesseits von Devachan ist also Astralreich und physisches Reich , sind die Urzustände im höheren Devachan vorhanden. Diese Arupa-Reiche sind bewohnt von Wesenheiten erhabenster Art. Die Meister der ursprünglichen christlichen Weisheit haben diese Reiche noch beschrieben; man hat sie gekannt in der christlichen Weisheit bis zum 13. Jahrhundert; dann ging die Kenntnis davon verloren. Niemand versteht die christliche Weisheit der früheren Jahrhunderte, wenn er nicht erkennt, daß in manchen Schriften von den drei obersten Reichen des Devachan die Rede ist. Diese drei Reiche werden, wie gesagt, von erhabenen Wesenheiten bewohnt, die alle Vorgänge in den unteren Reichen lenken und leiten.
Auf die erste Stufe des höheren Devachan deutet auch Goethe hin an einer Stelle des Märchens von der grünen Schlange und der schönen Lilie. Sie können dort lesen: Was ist herrlicher als das Licht? Das Gespräch, Das ist eines der tiefsten Worte, die Goethe gesprochen hat. Aus dem Lichtreich im Devachan entspringt das sogenannte Gesprächsreich, jenes Reich, in dem nicht nur Licht, sondern Erkenntnisstrom als Licht dahinströmt, und
durch diesen Strom sprechen die höheren Wesenheiten im Menschen die ewigen Wahrheiten aus, durch ihn tönt das Gespräch des Kosmos. Damit kommen wir zu dem höheren Reiche hinauf, in dem gleichsam die Worte gezeugt werden zu diesem Gespräch, in dem die Stimme ertönt, in der der Ursprung der Welt liegt, von dem die Menschen sprechen als von dem «Wort», aus dem die Welten hervorgegangen sind. In dem Reiche des Gesprächs, des Erkenntnislichtes, leben eine Reihe erhabenster Wesenheiten, welche man in der christlichen Weisheit bezeichnet hat als die Exusiai. Das sind Wesenheiten, die schwer zu bezeichnen sind mit einem Ausdruck des Abendlandes. Diese Wesenheiten, werden sichtbar im Kleide des Erkenntnislichtes. Ich habe ja schon darauf hingedeutet, daß Moses ein solches Wesen im brennenden Dornbusch erschienen ist. Da wird hingedeutet auf ein Wesen der Exusiai. Aus dem Stoffe dieses Reiches webt sich das Kleid dieser Wesenheiten; sie werden sichtbar und verkündigen die Wahrheit denjenigen, die reif sind, sie zu hören.
Wir steigen nun hinauf in noch höhere Regionen. Da treffen wir Wesen, die nicht mehr sichtbar werden können, die aber zu dem Menschen sprechen können, wenn er reif dafür wird. Die ersten Lehrer christlicher Weisheit bezeichneten sie als Dynamis. Das sind Wesen, die weithin strahlen als schaffende Kräfte. Im nächsten Reiche finden wir die Herrschaften, die Kyriotetes. Damit haben wir die Hierarchie dieser erhabenen Wesenheiten, die tönend in den drei höchsten Reichen des Devachan sind. In der christlichen Esoterik deutet manches darauf hin, daß diese Erkenntnisse noch lebendig waren in den ersten Jahrhunderten des Christentums, daß sie aber verloren gegangen sind, weil es immer weniger und weniger christliche Eingeweihte gegeben hat.
Auch in dem Reiche, das ich vorhin beschrieben habe, in dem Luftkreise des Devachan, finden sich Wesenheiten, deren Kleid aus dem Luftkreise des Devachan gewoben ist, die aber ganz entgegengesetzte Eigenschaften haben, wie wir Menschen sie besitzen. Es ist schwer zu beschreiben, welche Eigenschaften diese Wesenheiten besitzen, die im Luftkreise des Devachan leben. Wenn wir Menschen
uns Empfindungen zuschreiben, so müssen wir diesen Wesen zuschreiben, daß sie Empfindungen nicht empfangen, nicht entgegennehmen, sondern daß sie Empfindungen hinaustragen durch den Luftkreis. Es sind also Wesenheiten ganz anderer Art. Da, wo sie hinkommen, strahlen sie Kräfte der Empfindung aus, während bei uns Menschen die Empfindungen einströmen. Nur in dieser Weise kann ich beschreiben, was diese Wesenheiten charakterisiert. In der christlichen Esoterik wurde dies dadurch ausgedruckt, daß man diese Wesenheiten Erzengel nannte. Heute wird dieser Ausdruck nicht mehr verstanden. Er darf nicht auf physische Mächte bezogen werden, das wäre ein Aberglaube. Er muß auf devachanische Wesen bezogen werden, welche die Botschaft der Empfindung durch den Luftkreis des Devachan tragen und überall dasjenige verbreiten, was reinste Empfindung ist.
Der Ozean des Devachan ist vergleichbar einem rosenfarbenen Strom, der sich über alles ergießt. Er wird belebt von einer Reihe von Wesenheiten, welche man als Boten, als Angeloi bezeichnet. Diese tragen nicht die Empfindung, sie tragen das Leben durch die Reiche des Devachan, sie sind Lebensträger.
Und das feste Reich, das Kontinentalreich des Devachan wird belebt und beseelt von den Wesenheiten, welche in der christlichen Esoterik Archai auf deutsch Urkräfte genannt werden. Das untere Reich des Devachan, das feste Reich, das Kontinentalreich, wird belebt von diesen Archai. Sie sind es, die das Leben in alles einhauchen.
Dies sind die Wesenheiten, die in der christlichen Esoterik die Hierarchien der Archai, der Archangeloi und der Angeloi genannt werden. Diese Wesenheiten trifft der Mensch an, dessen devachanische Sinne geöffnet sind, aber es trifft sie auch jeder Mensch an, der gestorben ist und die Zustände der Zwischenzeit zwischen zwei Verkörperungen durchmacht. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß der Mensch, wenn er seinen Körper abgelegt hat, eine Zeitlang in der astralen Welt zuzubringen hat. Ich werde noch darauf zurückkommen. Ich möchte jetzt nur sagen, was in diesem Lande sich vollzieht, wo der Mensch reif gemacht wird, das Devachan
zu betreten. Alles, was der Mensch mitgebracht hat von der physischen Natur, das wird in der astralen Welt gereinigt von den Kamakräften. Auch das sogenannte Selbstgefühl löst sich in der astralen Welt langsam auf; es lösen sich alle die chaotischen Kräfte auf, wenn der Mensch das Devachan betreten soll.
Ich nenne nun noch einmal die vier höheren Reiche des Astralreiches, die auch Sympathieschichten genannt werden. Sie sind erfüllt von feinem Astralstoff, von dem Stoff der Sympathie im Gegensatz zu dem Stoff des Egoismus der unteren drei Stufen. Im vierten Reiche löst sich der Egoismus, das Selbstgefühl, im fünften Reiche löst sich der Sinnengenuß auf. Der Mensch lernt in diesem fünften Teile des Astralreiches, die Schönheit der Welt nicht deshalb zu bewundern, weil sie angenehm ist, sondern weil alles Ewige und Reine schön sein soll. Und im sechsten Astralreich lernt der Mensch kennen die tieferen Kräfte des Mitleids, des Wohlwollens, der Hingabe an die Welt. Im siebenten Reiche schmilzt alles Leben, das der Mensch aus den unteren Reichen mitgenommen hat, wie Schnee im Sonnenlicht. Und dann hat der Mensch die vier unteren Stufen des Devachan zu durchschreiten, die ich vorhin beschrieben habe. Eine große Bedeutung hat das Leben auf diesen vier Stufen.
Ich habe gesagt, die Urkräfte, die Archai, sind in diesem ersten Reiche des Devachan zu finden. Mit diesen setzt sich der Mensch in Verbindung. Wir finden dort die entkörperten Seelen, neue Kräfte sammelnd für ihr späteres Leben. Was die Menschen zusammengehalten hat in Familienbanden, in Stammeszugehörigkeiten, in Volksverbänden, in Staatsverbänden, kurz alles, was mehr oder weniger auf Blutsverwandschaft des menschlichen Geschlechtes hindeutet, alles das wird in diesem Reiche der Urkräfte vergeistigt, damit der Mensch durch das, was er gelernt hat, geläutert wird und mit höheren Fähigkeiten begabt werden kann. Das Reich des Devachan hat für den Menschen den Sinn, daß das, was er während des Erdenlebens gelernt hat, als höhere Fähigkeit ausgebildet werden kann. Der Mensch soll in der physischen Welt Erfahrungen sammeln und diese sollen in Fähigkeiten umgewandelt werden. Wir sollen gebessert und gestärkt aus der Schule des Lebens hervorgehen.
Nun rückt der Mensch in die zweite Region des Devachan. Der Ozean des Devachan ist das Reich, welches das Verbindende ausmacht. Wie das Wasser die Länder verbindet, so verbindet im Devachan das fließende, rosenfarbene Wasser alles dasjenige, was im unteren Reiche Grenzen hat. Grenzen werden überall aufgerichtet, wo Familien-, Stammes-, Volks-, Staatsverbände vorhanden sind. Diese Abgrenzungen müssen sein, aber gleichzeitig muß die Zusammengehörigkeit, die Harmonie aller Wesen begründet werden. Die Wesen müssen sich zusammenfinden in dem Strom, der alles durchfließt. Wenn der Mensch eintritt in diesen Strom, der alles durchfließt, dann genießt er die Fruchte dessen, was er gesät hat. Da wird jeder das finden, was ihn erhebt über die Schranken des Daseins; der Mensch wird gereinigt von dem, was dem Menschen innerhalb des irdischen Reiches an Grenzen anhaften muß. Er wird dahingeführt, sich neue Fähigkeiten zu erwerben. Es sind zwar nur Keime, aber die Blumen, welche daraus aufgehen, sind die Fähigkeiten, welche er sich bildet und in das neue Leben wieder mitbringt.
Das dritte ist das, was ich als Luftkreis des Devachan beschrieben habe. Auch diesen Luftkreis betritt der Mensch zwischen zwei Verkörperungen. Da, wo innerhalb des Luftkreises das tiefe Seufzen der Natur wahrzunehmen ist, wo jeder Donner ein Evozieren von Schmerzen bedeutet, wo das Sonnenlicht dem entspricht, was wir ewige Wonne und Seligkeit nennen, da bildet sich dasjenige aus, was später bei der Wiederverkörperung als Sinn für Philanthropie, für edle Menschlichkeit entsteht. Hier entsteht tätige und verständige Hingabe, werktätige Liebe, und dies ist die Pflanze, welche hier vor allen Dingen gedeiht, die der Mensch in sich ausbildet. Hier wird der Mensch das, was er in der egoistischen Welt erlebt hat, in seinen Fruchten anschauen. Hier wird er zum werktätigen Menschen, zu dem Menschen, der erst die Worte Humanität und Philanthropie im vollen Sinne des Wortes kennt.
Dann kommt das vierte Reich [Akasha], das Reich des Tönens des ganzen Weltendaseins. Hier lernt der Mensch dasjenige erkennen, was im ganzen Welten dasein den Wesen und Dingen Form
und Gestalt gibt. Hier lernt der Mensch erkennen, wie sich Ton zu Ton fügt zu einer Symphonie, wie Naturkraft zu Naturkraft sich fügt und sich verwandelt in «Werkzeuge». Hier lernt der Mensch die Wesen kennen, die entdecken und erfinden. Hier lernt er nicht nur erkennen, was die Kräfte als solche sind, sondern er lernt sie als lebendige Wesenheiten kennen. Hier durchdringt sich der Mensch mit der lebendigen, produktiven Schöpferkraft. Dasjenige, was hier an Äußerungen des menschlichen Daseins geschaffen wird, was geschaffen wird an menschlichen Einrichtungen, die den Menschenerdkreis lebendig machen und geeignet machen für das menschliche Leben, das lernt er erkennen, aber auch dasjenige, was in das Gebiet der höheren Künste gehört. In alldem leben Gesetze, welche im Akasha als lebende Wesen erfahren werden. Indem der Mensch in deren Glanz sich vertieft, vertieft er sich im vierten Reiche des Devachan in die Art und Weise, wie gewoben wird «am sausenden Webstuhl der Zeit». Das lernt er erkennen.
Das sind die vier Stufen, in denen der Mensch das, was er im irdischen Dasein vorbereitet hat, auslebt und zu neuen Fähigkeiten entfaltet. Damit ist ein wichtiger Moment für den Menschen eingetreten. Wenn er dieses vierte Reich durchlaufen hat, dann ist der Moment gekommen, wo er auf die andere Seite unseres Weltsystems versetzt wird, in das eigentliche Reich des Geistigen, in das Reich, wo von der anderen Seite her die Eindrücke geformt werden. Nur kurze Zeit kann das Menschenwesen dort zubringen; längere Zeit bleiben nur diejenigen, welche schon eine höhere Entwicklung erreicht haben. Die noch unentwickelten Menschenwesen haben nur einen Augenblick des Aufblitzens in diesem höheren Reiche, um dann wieder hinabzusteigen in die tieferen Gebiete und dort Erfahrungen zu sammeln, um, wenn sie wiederkehren, dann immer länger und länger dort zu verweilen. Wenn der Mensch dieses Reich wieder betritt, dann entwickeln sich die Fähigkeiten, die früher eingeschränkt waren durch die stoffliche Welt. Ich nenne es einen wichtigen Augenblick, weil das, was früher durch die Materie zusammengehalten war, vollständig abgelegt, entfernt wird. Was früher eng war, wird jetzt weit, was früher aneinander-
und ineinanderhaftend war, wird jetzt sich entfalten; es wird flüssig, der Mensch wird frei. Nicht mehr eingeengt sind die Fähigkeiten durch die Stofflichkeit. Man kann das nur vergleichen etwa mit einer Pflanze, welche nicht frei wachsen kann, sondern die wachsen muß zwischen Felsspalten und sich in der Form den Felsspalten anpassen muß; sie wächst empor, aber eingeengt von der Felsspalte. So ist es auch für die menschliche Seele. Nehmen Sie an, die Felsspalte wird weicher und weicher, so daß die Pflanze sich etwas mehr entfalten kann. Ist die Menschenseele eingetreten in das Akashareich: da ist absolute Gleichheit. Für denjenigen, dessen devachanisches Auge geöffnet ist, ist es wunderbar anzusehen, wie sich die Seele entfaltet beim Übergang aus dem Akashareich in die höheren Reiche des Devachan. Wir sehen sie als eine feine, ätherische Substanz inmitten einer ei- oder kugelförmigen, schwebenden Substanz. Hülle um Hülle legt sie ab. Die feine Hüllenfarbe des Akasha wird beseitigt, und die reine Wesenheit entfaltet sich, strahlend im neuen Licht, in einem Lichte, das mit irdischen Worten nicht zu beschreiben ist. Sie bekommt eine völlig freie Form. Jede Fähigkeit, die im irdischen Leben eingezwängt war und die selbst im unteren Devachanreiche nicht vollständig frei war, wird nun frei. Der Mensch wird frei nach allen Seiten. Er kann all seine Fähigkeiten zum vollen Wachstum bringen. Je mehr der Mensch an Fähigkeiten entwickelt, desto mehr «quillt er auf» und desto mehr nimmt er in die neue Verkörperung mit. Solange er da verweilen darf, macht er auch die Bekanntschaft mit den Meistern der Weisheit und des Mitleids. Das ist das Reich, wo er von den noch erhabeneren Wesenheiten entgegennehmen darf aus Gnade die Absichten, die dem Kosmos zugrundeliegen. Von hier aus weben sie das Kleid der Welt, das aus den Stoffen der unteren Devachanreiche, aus dem Astralreiche und dem Reiche der irdischen Substanzen gewoben wird. Dort oben sind die Absichten, die Grundlinien der kosmischen Entwicklung vorgezeichnet, und dort kann auch derjenige, der im Laufe der Entwicklung seine Fähigkeiten mehr ausgebildet hat, die Bekanntschaft machen mit der dreifachen Stufenfolge der Wesenheiten, die ich aufgezählt habe.
Er lernt in der ersten Sphäre des oberen Devachan von den Wesenheiten, die zu Exusiai aufgestiegen sind, die Wunderblume kennen, die hervorquillt aus den Keimen des Weltalls. Er lernt, wie sie wächst; er lernt die ewigen Kräfte des Universums kennen. Er trifft in dieser Sphäre die Wesen, welche die Kraft des Gedankens haben; er sieht, wie der Gedanke durch sie wirkt.
Die nächsthöhere Sphäre beherbergt die Wesenheiten der Dynamis. Sie haben nicht nur die Gedankenkraft, sondern auch die Quellkraft; sie sind die Wesen, welche gleichsam die Keime der Gedanken haben. Vergleichen Sie die Exusiai mit der Blume. Gehen Sie dann zu dem Samen, der jetzt durchsichtig, hell und klar ist, der aber außerdem die Kraft hat, zur Blume zu werden. Die geistige, spirituelle Kraft des ganzen Weltalls ist in den Händen der Dynamis. Kraftstrahlen heißen sie deshalb. So kann durch diese Wesenheiten der Gedankenkeim gebildet werden, und dann von der anderen Seite das ganze eingebildet werden in das Akasha, das der Ton des ganzen Weltgefüges ist. So wird dort geformt, wie Goethe es seinen Faust beschreiben läßt, dort, wo die Mütter sitzen, in Einsamkeit thronen und am glühenden Dreifuß arbeiten. Ich sagte schon, zu Plutarchs Zeiten nannte man dieses Reich ebenfalls das Reich der Mütter. Wenn Sie da über das Reich der Mütter bei Plutarch nachlesen, dann wird Ihnen über diese Erzählung ein ganz neuer Sinn aufgehen.
Im höchsten Reiche tönen die Wesenheiten, die wir Kyriotetes nennen. Nur die Höchstentwickelten können einen kurzen Einblick in dieses Reich gewinnen. Dort ist alles in Harmonie und Einheit; alles Sondersein ist verschwunden.
Die Exusiai, die Dynamis, die Kyriotetes, das sind die drei obersten Reiche, in denen des Menschen Fähigkeiten völlig frei werden, die Reiche, die wir in der Zwischenzeit zwischen zwei Verkörperungen betreten, um von dem, was auf der jenseitigen Seite liegt, Kräfte zu schöpfen für das Wirken in der diesseitigen Welt des Daseins. Was im diesseitigen Dasein vorgeht, was wir selbst tun und. wirken, das ist die Welt der Ergebnisse, die Welt der Wirkungen. Die Welt der Ursachen liegt jenseits des Irdischen. Wenn wir
zu einer neuen Verkörperung zurückkehren, dann strömt uns neue Kraft zum Dasein aus der Welt der Ursachen zu, und alles, was der Mensch in dieser Welt vollbringt, was in ihm aufleuchtet als sittliche Ideale, als Fähigkeiten zu schöpferischer Arbeit, als werktätige Menschenliebe, als Mitleid mit allen Wesen, was aufleuchtet zur Beherrschung der Naturkräfte in der Technik, das ruht im Verborgenen der menschlichen Seele; sie hat es sich mitgebracht aus dem Reiche des höheren Devachan, wo die Ursachen zu den diesseitigen Wirkungen sind.
Wunderbar deutet das Goethe an in dem Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie, wo er von dem Flusse spricht den wir vergleichen können mit dem Akashastrom und das jenseitige Ufer den Garten der Blume, den Garten der schönen Lilie nennt. Von einer solchen Blume ist auch in den Mitteilungen des Hinduweisen die Rede. Sie ist die Kraft, die das ganze Devachan durchströmt. Aus dieser Blume wachsen Früchte, und die Früchte sind die Urbilder für diese Welt. Will der Mensch wirken, so muß er sich Kraft dazu holen, indem er in diesen Früchten Nahrung findet. Dann kommt der Mensch zur Entwicklung; er wird wirksam und kraftvoll.
Wie ich gesagt habe, soll die Theosophie den Menschen nicht abziehen von der Welt. Sie will ihn nicht versetzen in ein Reich, in dem er schwach und matt wird für das irdische Dasein; das will sie nicht. Sie will etwas ganz anderes. Sie will ihn hinweisen auf ein Reich, in dem er sich Kraft und Fähigkeiten holt, um im irdischen Dasein kraftvoll und zu seinen Arbeiten fähig zu sein. Ein Mensch, der nicht weiß, was hinter und vor ihm liegt in der Entwicklung, der gleicht einem Blinden, der nur so dahintappt und nicht weiß, wohin er tappt und woran er stößt. Und einem Sehenden gleicht der Mensch, der seinen Weg vor- und rückwärts kennt.
Die besonderen Wesenheiten, die wir noch antreffen, sollen der Gegenstand der nächsten Vorträge sein. Wir werden über das ganze Leben im Devachan, auch über einzelne Erlebnisse und über das Hereinwirken der devachanischen Welt in unsere Welt noch weiteres hören. Aus diesen einleitenden Vorträgen sollte
hervorgehen, daß die Theosophie keine wirklichkeitsfremde, sondern eine wirklichkeitsfreundliche, eine schaffensfreudige Lehre ist, weil sie den Menschen nicht hinwegführt vom irdischen Dasein, sondern ihn ausstattet mit Kräften, die im irdischen Dasein zwar leben, aber im irdischen Dasein nicht sichtbar sind. Diese muß der Mensch erkennen, wenn er hinaufstrebt in die Reiche, die nicht zu betreten sind für denjenigen Menschen, der nur an der sinnlichen Welt hängt. Und allen dem geistigen Reiche feindlichen Naturen, all denen, die sagen, es sei nichts jenseits der sinnlichen Welt, denen wollen wir das Goethesche Wort entgegenrufen:
Nur immer zu! Wir wollen es ergründen:
In deinem Nichts hoff ich das All zu finden.
II Zweiter Vortrag, Berlin 4. Februar 1904
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Zweiter Vortrag
Berlin, 4. Februar 1904
Wenn, verehrte Anwesende, die Vorstellungen, die die Theosophie zu erwecken sucht von der eigentlichen Geisteswelt, der sogenannten Devachanwelt, für etwas ganz Unwahrscheinliches gehalten werden, so darf demgegenüber erwidert werden, daß es durchaus nichts Neues und durchaus nichts Fremdes ist, wenn der Theosoph auf diese höhere Welt hindeutet, die außerhalb unserer Sinneswelt vorhanden ist. Ich möchte heute, um die Gedanken etwas weiter hineinzuführen in diese Devachanwelt, meine Ausführungen beginnen mit den Worten eines deutschen Denkers, der Ihnen allen wohlbekannt ist, der einen großen Einfluß gehabt hat auf seine Zeit, der es verstanden hat, von höheren Welten nicht etwa nur in träumerischer Weise zu sprechen, sondern der durch die Kraft und das Feuer seines Wortes in die Ereignisse seiner damaligen Gegenwart einzugreifen verstand: von Johann Gottlieb Fichte. Wir wissen alle, welche Kraft er aus der übersinnlichen Welt gesaugt hat, die seinen Mund in zündender Rede überfließen machte, mit der er die Jugend seiner Zeit begeisterte zu der Teilnahme an den damals notwendigen Ereignissen. Wir kennen die «Reden an die deutsche Nation», die eine Tat sind, die nicht einer traumhaften Welt angehört, sondern die der unmittelbaren Wirklichkeit angehört. Johann Gottlieb Fichte hat, als er in Berlin die Einleitungsvorlesungen in die Wissenschaftslehre hielt, diese reifste Frucht seines Forschens und Sinnens, vor seinen Studenten begonnen mit folgendem Satz:
«Diese Lehre setzt voraus ein ganz neues inneres Sinnenwerkzeug, durch welches eine neue Welt gegeben wird, die für den gewöhnlichen Menschen gar nicht vorhanden ist. Dies ist nicht zu verstehen als etwa eine Übertreibung, rednerische Phrase, die nur gesagt wird, um viel zu fordern, mit dem stillen Bescheiden, daß weniger gewährt werden möge , sondern es ist zu verstehen wörtlich, wie es heißt.»
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Diese Anschauung über die übersinnliche Welt leitet Fichte also in der Zeit, als man noch nicht an irgend eine theosophische Gesellschaft gedacht hat mit den Worten ein, daß man es zu tun hat mit Kundgebungen eines Sinnenwerkzeuges, das bei dem gewöhnlichen Menschen nicht da ist. Nun führt er weiter aus:
«Denke man eine Welt von Blindgeborenen, denen darum allein die Dinge und ihre Verhältnisse bekannt sind, die durch den Sinn der Betastung existieren. Tretet unter diese und redet ihnen von Farben und den anderen Verhältnissen, die nur durch das Licht für das Sehen vorhanden sind. Entweder ihr redet ihnen von Nichts, oder sie wollen aus irgendeinem Grunde eurer Lehre doch einen Verstand geben: so können sie dieselbe nur verstehen von dem, was ihnen durch die Betastung bekannt ist.»
Ganz neue Zustände würden aber eintreten, wenn ein Blindgeborener durch Operation sehend würde. Der Vergleich ist richtig in bezug auf höheres Schauen. Was bei Fichte nicht zum Ausdruck kommt, ist, daß eigentlich jeder Mensch dieses Werkzeug hat und es nur zu entwickeln braucht. Nur guten Willens bedarf es, um die geistige Welt geoffenbart zu erhalten. Jeder geistig Blinde kann sehend gemacht werden. Das muß betont werden, damit es klar wird, daß die Geisteswelt jedem zugänglich ist, der sie aufsuchen will. Die Mitteilungen, welche darüber gemacht werden, sollen nur hindeuten auf dasjenige, was später gegeben werden soll.
Die erste Stufe ist, zunächst eine Beschreibung der geistigen Welt zu erhalten. Es ist, wie Theosophen wissen, ein Weg, zunächst durch Beschreibung einen Einblick in diese Welt zu erhalten. Wir haben es nicht zu tun mit einer Welt, die an irgendeinem anderen Ort des Kosmos liegt, sondern mit einer Welt, welche uns überall umgibt, welche überall um uns vorhanden ist. An jedem Punkte unserer Welt ist zugleich diese geistige Welt vorhanden. Es ist kein Wandern in eine andere Welt, wenn wir von der geistigen Welt oder von Devachan sprechen, sondern es ist ein Aufschließen der Organe, ein Erreichen eines anderen Zustandes. Man könnte einwenden, daß ein solcher Zustand beim Menschen etwas
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Außerordentliches sei, daß man sich keine Vorstellung davon machen könne und daß nichts Ähnliches aufgewiesen werden könne im Leben des Menschen. Das ist nicht richtig; das übrige Leben fließt ruhig dahin, ohne daß ein so radikaler Umschwung eintritt. Tatsächlich aber findet ein solcher Übergang wie derjenige, welcher den mit den Sinnen wahrnehmenden Menschen zum Seher macht, für jeden Menschen einmal während seines Lebens statt, nur weiß man es nicht. Jeder, der hier sitzt, hat bereits eine ähnliche radikale Revolution seines Bewußtseins einmal durchgemacht während seines Lebens. Wir müssen nur das Leben nicht rechnen vom Erblicken der äußeren Welt an, sondern von dem ersten Zustande des Keimes im Leibe der Mutter an. Wenn wir den Menschen betrachten vom ersten Zustande im Leibe der Mutter an, dann hat für jeden ein solcher Umschwung stattgefunden. Der Bewußtseinszustand des Menschenkeimes, sein Wahrnehmungsvermögen ist ganz anders als dasjenige des späteren Menschen. Wer das zu beobachten versteht, der weiß, was Wichtiges geschieht mit dem Menschen in den ersten Monaten des Daseins vor seiner Geburt, der weiß, daß sich das Anschauungsvermögen des Menschen schon [mit der Geburt] radikal geändert hat. Der Keim hat ein Wahrnehmungsvermögen, das sich wesentlich unterscheidet von dem Wahrnehmungsvermögen des Menschen, der das Licht der Welt erblickt und ein Wachbewußtsein hat. Der Menschenkeim nimmt nämlich in einer Art wahr, die wir als astrales Wahrnehmungsvermögen bezeichnen. Der Menschenkeim hat also eine astrale Wahrnehmung. Erst später bildet sich das äußere, wache Bewußtsein heraus. Vom astralen Leben zum wachen Bewußtseinsleben entwickelt sich der Mensch. Ein ähnlicher Umschwung, etwas wie eine neue Geburt, ist das Eröffnen des sogenannten devachanischen Sinnes, der dem Seher beschert wird, damit er eine neue Welt wahrnehme. Der Menschenkeim nimmt in der Tat die dunklen Strömungen in der astralen Welt wahr. Er nimmt wahr die in seiner Umwelt waltenden Gefühle. Das können Sie sehen an den Einflüssen der vorhandenen Verhältnisse auf den Embryo im Mutterleib. Dieser Umschwung, diese Umwandlung des astralen Bewußtseins des
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Keimes zum wachen, sinnlichen Bewußtsein tritt bei jedem Menschen einmal ein.
Es ist also diejenige Welt, in der wir leben, die uns erschlossen wird in dem neuen Bewußtseinszustande. Was wir wahrnehmen in dieser Welt, ist uns zunächst unverständlich; ganz stufenweise werden wir hingeführt zu dem Wahrnehmen in dieser Devachan- oder Geisteswelt. Ebenso wie beim Kinde, wenn in den ersten Lebenstagen die Sinne sich eröffnen, so ist es mit dem Wahrnehmen im Devachan. Es eröffnet sich uns eine Welt, welche sich in uns zunächst unverständlichen Farbtönen glitzernd und in Folgen von verschiedensten Töne kundgibt. Zunächst weiß man diese Farben und Töne, die nicht unserer physischen Welt angehören, die sich wesentlich von den Farben und Tönen unserer physischen Welt unterscheiden, nicht zu deuten, bis man ihren Sinn und Zusammenhang kennengelernt hat in dieser geistigen Welt. Derjenige, der, sich selbst überlassen, in diese Welt eintritt, weiß sich dann oft nicht zu helfen. Es kommt manchmal vor, daß der devachanische Sinn bei einem Menschen plötzlich eröffnet wird; ein solcher Mensch treibt dann hilflos in dieser Welt des geistigen Daseins herum. Nur derjenige lernt den Sinn dieser Erscheinungen verstehen, der in diese Welt geführt wird von einem Menschen, der schon früher Seher war und der ihn methodisch einführen kann in diese geistige Welt. Er lernt dann, die Aufeinanderfolge der Töne und die Farben zu gliedern und sie zusammenzusetzen, so wie wir Konsonanten und Vokale zu einem sinnvollen Wort zusammensetzen. Wie Vokale und Konsonanten erscheinen uns die Töne und Farben der geistigen Welt, und wenn wir lernen, was die Vokale und was die Konsonanten bedeuten, erlangen wir die Möglichkeit, buchstabieren und lesen zu lernen. Wir lernen, daß sich eine bestimmte Art von Wesenheiten, welche hier in der geistigen Welt leben, mitteilt durch diese Farben- und Tonsprache. Das ist der Lehrgang, der dem Chela, dem Schüler, geboten wird, der diese höheren Welten zu betreten hat, um dieser höheren Wahrheiten teilhaftig zu werden. Wir lernen dann zu wissen, daß es nicht eine zufällige Kombination, eine zufällige Zusammenstellung der Erscheinung von
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Farben, Tönen und Formen ist, sondern das, was uns da erscheint, ist der Ausdruck geistiger Wesenheiten, deren Sprache dies ist. Wenn wir die Buchstaben kennen und lesen gelernt haben, dann eröffnet sich uns eine ganz neue Welt.
Ich habe angedeutet, daß eine niederere Welt als die Devachanwelt unserer physischen Welt eingegliedert ist, die uns zuerst bekannt wird, das ist die astrale Welt. Sie verschmilzt dem Schüler zuweilen mit der Devachanwelt. In der ersten Zeit kann man nicht genau unterscheiden, was der Astral- und was der Devachanwelt angehört. Erst allmählich lernt man, sie zu unterscheiden. Heute möchte ich an einem Beispiel zeigen, wie man lernen kann, zu unterscheiden zwischen dem, was astral ist, und dem, was der Devachanwelt, der geistigen Welt, angehört, die unsere eigentliche Heimat ist.
Der Mensch, wie er uns in der physischen Welt entgegentritt, ist nur ein Teil des Menschen. In Wahrheit ist der Mensch für den Sehenden ein Wesen, das noch ganz andere Seiten seines Daseins hat als die, welche dem physischen Auge erscheinen. Ich spreche von dem, was man als menschliche Aura bezeichnet. Die menschliche Aura ist etwas, was wesentlich zu dem ganzen Menschen gehört. Ich habe im achten Heft des «Lucifer» einleitend einen Teil dieser menschlichen Aura beschrieben. Sie ist etwas, was dem Seher ebenso erscheint, wie dem sinnlichen Auge des Menschen die gewöhnliche, physische Gestalt erscheint. Die physische Gestalt ist nur der mittlere Teil des Menschen, welcher sozusagen in einer Nebelwolke von ovaler Form ruht. Diese Nebelwolke, die Aura, gehört zum menschlichen Geistkörper geradeso wie zum physischen Menschen. Sie ist viel größer als der physische Mensch, im Durchschnitt vielleicht doppelt so lang und drei- bis viermal so breit. Was dem Seherauge als Fortsetzung des physischen Leibes erscheint, das sind Lichtbildungen und Farbenbildungen von der verschiedensten Art. Nicht in unbestimmten, mehr oder weniger in Farben gegliederten Wolken erscheint diese Aura des Menschen, dieser Lichtkörper, sondern er erscheint als eine Art Spiegelbild, als ein Abdruck dessen, was im Menschen vorgeht. Leidenschaften,
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Instinkte, Triebe des Menschen prägen sich in dieser Aura aus; alles, was wir inneres Leben nennen, prägt sich darin aus. Die Physik der Gegenwart müßte es eigentlich am allerbegreiflichsten finden, daß wir davon sprechen, denn was sagt der Physiker? Es gibt schwingende Bewegungen des Äthers; diese schwingende Bewegung verwandelt das, was draußen ist, in Farbe. Ebenso ist es mit unserer inneren Welt. In uns sind vorhanden Triebe, Instinkte und Leidenschaften, die von jedem Menschen ausgehen, der vor uns steht, und wie das als Farbe vor uns erscheint, so erscheinen uns auch Vorstellung, Empfindung und Gefühl durch das geistige Auge umgesetzt als farbige Aura.
Wie die physische Welt dem physischen Auge als Farbe erscheint, so erscheint die geistige Welt dem geistigen Auge in einer wunderbaren Farbenpracht, nur auf höherem Gebiete. Dieses zeigt eine ungeheure Beweglichkeit der Farbe. Den Menschen sehen wir umgeben von einem ovalen Lichtkörper, in dem er schwimmt, und der sich nicht ruhend ausnimmt, sondern wie fließend, strömend, der ausstrahlt und in einer gewissen Entfernung vom Menschen sich verliert. Im Devachanraum, der fortwährend in Bewegung erscheint, hat der Mensch in sich eine Grundfarbe. Bleibende Stimmung des Menschen, auch bleibende Charaktereigentümlichkeiten verraten sich in der Aura durch eine bleibende Farbentönung, gebildet von Wolken, welche sie wellenförmig durchströmen. Wir sehen, wie wellenförmige Ströme von unten nach oben die Aura durchziehen, sie wie Blitze durchzucken, wie die Aura blaurote, braunrote und schöne bläuliche Farben durchziehen. Wir sehen die mannigfaltigsten und verschiedensten Farben, die sich ändern nach den verschiedenen Anlässen. Gehen Sie in die Kirche und beobachten Sie die Auren der Andächtigen. Sie werden da ganz andere Farbentöne finden als in einer Versammlung, in welcher politische Leidenschaften oder menschlicher Egoismus sich geltend machen. Die Seelenstimmungen, welche die täglichen Bedürfnisse bringen, werden Sie ausströmen sehen in Gebilden von ziegelroter und karminroter Farbe, manchmal werden Sie eine dunklere Farbennuance haben. Und wenn Sie in eine Kirche gehen und die Andächtigen
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beobachten, dann werden Sie die blaue, indigofarbene, violette und rosenrote Farbe spielen sehen. Und untersuchen Sie die Aura eines Menschen, der in der Gedankenwelt lebt, kontemplativ über wissenschaftliche Probleme nachdenkt, dann werden Sie innerhalb seiner Aura aufglänzen sehen die Gedankengebilde, die den von keiner Leidenschaft durchzuckten Gedanken in der Aura widerspiegeln.
Wenn wir lernen, was sich in der Aura zeigt, so lesen wir auf der einen Seite, was an Stimmungen und Temperament im Menschen lebt und was sich in seinem Bewußtsein abspielt; auf der anderen Seite sehen wir alle Vorstellungen, von den alleralltäglichsten bis zu den höchsten, geistigsten, bis zu den Gefühlen der Gottesverehrung und des erhabensten Mitleides sich in der Aura abspiegeln. Anfangs können wir nichts sondieren, aber wir lernen dies allmählich und bemerken, daß in der Aura zwei streng voneinander verschiedene Gebilde sind. Da sind zunächst wolkenartige Gebilde mit unbestimmten Umrissen, die mehr von der Hautperipherie einströmen. Diese wolkenartigen Gebilde lernen wir sondern von den Erscheinungen, die mehr von Herz, Brust, Kopf ausgehen und die einen strahlenden Charakter haben. Diese Ausstrahlungen gehen immer von einem inneren Mittelpunkt aus. Wir lernen also zu unterscheiden die wolkenartigen Gebilde von denen, die einen strahlenden Charakter haben. Das Wolkenartige, das von Braun ins Dunkelorange herüberspielt, das kommt aus der Körperlichkeit, aus der niederen Natur des Menschen, aus den Leidenschaften und Trieben. So unterscheiden wir in der Aura den geistigen Teil von dem niederen, dem astralen Teil. Wir lernen verstehen die häufigsten Farben. Die Aura der heutigen Europäer hat meist grüne Farben, die oft ins Gelbe übergehen. Dieses Grün stellt den eigentlichen Verstandesteil, den Bewußtseinsteil dar; es bringt also die Grundstimmung des Seelenlebens der heutigen Europäer zum Ausdruck. Bei einem Menschen, der in Trance ist, machen Sie die merkwürdige Wahrnehmung, daß alle grünen Töne aus der Aura verschwinden. Wer also die Aura wahrzunehmen versteht, der wird es nicht schwer haben, zu unterscheiden einen Simulanten
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von einem wirklich in Trance Befindlichen. Ebenso könnte ein Arzt, der in einer Klinik mit Hypnose experimentiert wir betrachten das als etwas Nicht-Statthaftes, aber es geschieht doch manchmal , ganz genau unterscheiden, ob ihn die Versuchsperson betrügt oder ob sie wirklich im Zustande der Trance oder der Hypnose ist, wenn er das Verschwinden der grünen Farbe in der Aura beobachten kann. Es verschwinden die Grüntöne in der Aura auch bei einem Menschen, der in Ohnmacht ist, und ebenso verschwinden sie immer in der Aura eines Schlafenden.
Die Fähigkeit, die astrale Aura zu sehen, ist dasjenige, was sich beim Seher zuerst entwickelt. Verhältnismäßig sehr bald nimmt der Seher diese Kundgebung des Menschen wahr, und er lernt, die astrale Aura von der mentalen Aura zu unterscheiden. Die strahlende Aura ist aus der Devachanwelt; sie ist Geist und gehört zu dem, was über den Tod hinaus mit dem Menschen geht. Es ist das, was aus der wahren geistigen Heimat stammt. Was aus Bräunlichem ins Grünliche, in grünliche Töne herüberspielt, das gehört dem Vergänglichen an; der Mensch streift es ab mit der physischen Hülle oder im Kamaloka, um dann in die eigentliche geistige Welt einzugehen. Das ist eine höhere Art der Wahrnehmung, eine höhere Art von geistigem Sinn, wenn sich uns der Devachan-Sinn erschließt. Die devachanische Welt unterscheidet sich ganz wesentlich von der physischen Welt. Die physische Welt ist unbeweglich und tot, während die devachanische Welt von einer Vielgliedrigkeit und einer Leichtbeweglichkeit ohnegleichen ist. Es ist eine immer und immer in sich bewegliche Welt, die in einer fortwährenden Aktivität ist.
Nun muß der Schüler, der einer höheren Entwicklung zustrebt, lernen, sich innerhalb dieser Devachanwelt zurechtzufinden. Wenn wir in der physischen Welt wahrnehmen, so bleiben die Dinge, wie sie sind, und unsere Vorstellung richtet sich nach den Dingen. Der Tisch, der Stuhl, sie bleiben ruhig, sie richten sich nicht nach meinen Vorstellungen, sondern meine Vorstellung hat sich nach dem Tisch und dem Stuhl zu richten. So ist es nicht in der geistigen Welt. Im Devachan gibt es so ruhige Dinge nicht; und deshalb liegt
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eine ungeheure Verantwortung auf dem, der das Devachan bewußt betritt. Wir müssen uns klar darüber sein, daß jeder Gedanke, der unser Gehirn durchzuckt, ein wirklicher, realer Vorgang in der Devachanwelt ist. Der Gedanke in der äußeren, physischen Welt ist nur ein Schattenbild der Wirklichkeit gegenüber dem Gedanken im Devachan. Der wirkliche Gedanke lebt nicht in unserem Gehirn. Er ist nicht ein Schattenbild, ein Reflexbild, das in unserem Bewußtsein auftritt, sondern er ist eine Wesenheit, die im Devachan lebt. In Wahrheit sind unsere Gedanken Wesenheiten, die der geistigen Welt angehören. Fassen Sie einen Gedanken, so bewirken Sie eine Veränderung in der Devachanwelt. Um dies deutlich zu machen, möchte ich Ihnen an einem Beispiel zeigen, was in der Devachanwelt geschieht, wenn Sie einen Gedanken fassen. Derjenige, welchem der devachanische Sinn erschlossen ist, sieht nicht nur Schattenbilder der Gedanken, sondern er sieht das Wesen derselben als einen wirklichen Gegenstand. Denken Sie sich, Sie hegen irgendeinen Gedanken, einen Gedanken, der sich auf einen anderen Menschen bezieht. Der Gedanke wird für den Seher sichtbar, der Gedanke strahlt aus wie eine Lichtwelle, die von einer Lichtquelle ausgeht; und wie die Flamme das Licht nach allen Seiten ausstrahlt, so strahlt die denkende Wesenheit des Menschen nach allen Seiten aus. Und wie Licht in der physischen Welt sich verbreitet, so verbreiten sich die Gedankenstrahlen in der Devachanwelt, so daß wir in der Tat sehen können, wie von jedem Menschen die Gedanken ausstrahlen. Daher werden Sie auch verstehen, daß der Christus mit einer Strahlenkrone dargestellt wird. Das ist nicht irgend etwas Phantastisches, sondern es entspricht in bezug auf das höhere Schauen einer Wahrnehmung.
Wenn die Gedanken ausstrahlen, so sind sie zunächst im Raume, und sie verbreiten sich im Raume, so wie das Licht ausstrahlt und sich im Raume verbreitet. Nehmen wir einen bestimmten Gedanken; wenn dieser in der Weise gefaßt wird, daß er nur auf Sie eingestellt ist, daß er nur Sie angeht, dann strahlt er das auch so aus. Bezieht er sich aber auf einen anderen Menschen, dann nimmt er sich im Devachan so aus, wie wenn das Licht auf einen Gegenstand
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trifft und von ihm zurückgeworfen wird; und wie ein Gegenstand beleuchtet erscheint vom Licht, so erscheint der Betreffende von der Gedankenwelt beleuchtet. Wenn jemand einen Gedanken ausstrahlt, der sich auf einen anderen Menschen bezieht nehmen wir an, zum Beispiel den Wunsch, daß der andere Mensch gesund werde , dann können wir diesen Gedanken ausstrahlen sehen, so wie wir das Licht nach allen Seiten sich verbreiten sehen. Aber dieser Gedanke, der sich auf einen bestimmten Menschen bezieht, strömt nicht einfach so durch den Devachanraum, sondern er sucht sich im nächsten Umfeld des Menschen zu realisieren, zu verwirklichen. Dieser Gedanke strömt dann zu dem Menschen hin, auf den er sich bezieht. Das sind Vorgänge, wie Sie sie in der Devachanwelt wahrnehmen können. Sie können wahrnehmen, wie erhabene Gedanken des Menschen aufgefangen werden im Devachanraum und sich zu einer Art Blumengebilde formen, zu schönen geometrischen Figuren, wie sie im Irdischen nicht vorhanden sind. Obgleich es phantastisch erscheint, ist das alles wahre Wirklichkeit für die, welche im Devachan beobachten können. Wer lernt, sich im Devachan zu bewegen, der lernt, in bewußter Weise seine Gedanken auszusenden und sich bewußt zu werden der Ernte, die er haben wird durch diese Gedanken. Er lernt, daß jeder Gedanke im Devachan eine Tatsache ist, und er bemüht sich, mit seinen Gedanken nur günstige Wirkungen hervorzubringen. Der Uneingeweihte sendet seine Gedanken blindlings in das Devachan hinein, während der Eingeweihte lernt, den Gedanken Form zu geben. Das ist es, was sich dem Schüler nach und nach ergibt.
Ich möchte noch auf etwas besonders aufmerksam machen. Ich habe das letzte Mal davon gesprochen, daß im Devachan gleichsam zwei Abteilungen zu beobachten sind. Zunächst eine untere Abteilung, das Rupa-Devachan, das ist die Welt des devachanischen Kontinents, das devachanische Meer und die devachanische Atmosphäre; diese sind im Grunde genommen durch und durch von Empfindung durchdrungen. Dann beschrieb ich den Akashastoff, den reinen Ätherstoff des Devachan. Das alles sind die niederen Gebiete
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des Devachan. Dann kommen die drei höheren Gebiete des Arupa-Devachan. In diesen höheren Gebieten halten sich höchste geistige Wesenheiten auf: die Dhyani-Chohans, die Planetengeister, und so weiter. Zu diesen hohen geistigen Wesenheiten gehören auch diejenigen, die wir als Mahatmas, als die geistigen Führer der Menschheit kennen. Diese haben eine so hohe Stufe der Entwicklung erreicht, daß sie die übrige Menschheit belehren und ihr die großen Wahrheiten des Daseins überliefern können. Dem Menschen, welchem der devachanische Sinn erschlossen ist, der imstande ist, im Devachan zu beobachten, dem erschließt sich auch der Verkehr mit diesen vorgeschrittenen Menschenbrüdern. Er lernt die Sprache verstehen, in der diese miteinander verkehren, und er lernt auch, mit ihnen zu sprechen. Ihm obliegt dann, diese so empfangenen Mitteilungen umzusetzen in die alltägliche Sprache. Eine solche in alltägliche Sprache umgesetzte Lehre ist das, was wir als theosophische Wahrheiten verkündigen. Ursprünglich von hochentwickelten Menschenbrüdern ausgehend, herunterströmend aus höchsten geistigen Welten, wurden uns diese von einzelnen geeigneten Persönlichkeiten übermittelt. Nachdem wir aber «lesen« gelernt haben, verstehen wir die urewigen Geheimnisse des Weltendaseins. Um sie umsetzen zu können in die gewöhnliche Sprache des alltäglichen Lebens, müssen wir lernen, aufzuschauen zu diesen hohen Geistern, zu den Meistern, die wir in der Theosophie Mahatmas nennen.
Es ist von besonderem Interesse zu beobachten, wie sich der Chela zu diesen Meistern in der Devachanwelt verhält. Ich habe bereits beschrieben, wie der Gedanke im Devachan wirkt, wie er ausströmt, um seiner Bestimmung zuzueilen. Das ist nicht oder nicht in gleicher Weise der Fall bei den Gedanken, die der Chela verehrungsvoll zu den Meistern oder Mahatmas hinaufsendet, um sie um Aufschlüsse zu fragen über tiefere Wahrheiten. Derjenige Gedanke, den der Chela zu den geistigen Führern hinaufsendet, macht noch einen ganz besonderen, von den übrigen Gedanken sich unterscheidenden Weg. Es ist so, als ob dieser Gedanke nicht voll hinaufströmte zu dem Ziel, an das er sich wendet. Dieser Gedanke, dieser Ruf um Aufschluß über die höheren Welten,
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strömt zunächst bis in das Gebiet, das ich als Akashagebiet bezeichnet habe. Dann kehrt der Gedanke wieder zu dem Schüler zurück, aber nicht so, wie er hinaufgestiegen ist, sondern bereichert, durchströmt und durchglüht von dem, was von dem Meister ausgeht. So ist es zu verstehen, wenn immer betont wird, daß der Meister das höhere Selbst des Menschen ist. In gewisser Beziehung sprechen unsere eigenen Gedanken wieder zu uns, wenn wir mit diesen höherentwickelten Menschengeistern in Verkehr treten. Nichts Fremdartiges soll in uns hineingetragen werden; nicht. zu Sklaven wollen die Meister uns machen, nicht einmal zu Sklaven im Geiste. Die Meister schicken uns daher nicht ihre, sondern unsere eigenen Gedanken, auf daß wir erkennen, daß es die Substanz ist, die wir selbst ausgeströmt haben. Das sind einzelne Vorgänge, die derjenige erfährt, der in der Lage ist, sich als Verkörperter zwischen Geburt und Tod innerhalb des Devachan zu bewegen, dessen Sinn für das Devachan schon hier in der Körperlichkeit erschlossen ist, der den Geist herausheben kann aus der Schale der Körperlichkeit.
In der Devachanwelt finden wir auch niederere Wesenheiten in großer Anzahl, die dort als reguläre Bewohner vorhanden sind: das sind die zeitweilig Entkörperten, diejenigen also, welche zwischen zwei Verkörperungen stehen. Zwischen zwei Verkörperungen bringen die Menschen eine lange Zeit im Devachan zu.
Habe ich Ihnen heute die Erlebnisse geschildert, welche derjenige im Devachan durchmachen kann, der im Körper ist, so möchte ich Ihnen das nächste Mal schildern, was derjenige durchmacht, der entkörpert im Devachan ist, also den Verlauf des Aufenthaltes im Devachan zwischen zwei Leben. Das wird uns das Bild wesentlich ergänzen; und wenn Sie dieses Bild dann dem heutigen hinzufügen, so werden Sie die Möglichkeit haben, diese Welt des Devachan in einer klareren Vorstellung zu erfassen. Sie werden manches verstehen, was Eingeweihte sagen, ohne daß es im gewöhnlichen Tagesgebrauch oder in unserer Literatur als das ausgesprochen wird, was es eigentlich ist. Eingeweihte haben bis ins 19. Jahrhundert hinein immer nur in Andeutungen gesprochen. Die Andeutungen
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sind immer verständlich gewesen für diejenigen, deren Sinn erschlossen war. Für denjenigen, der die Welt der Ursachen kennt, für den wird das Wort eines Eingeweihten, der gewöhnlich nicht als ein solcher genommen wird Goethe , richtig verstehen. Goethe hat selbst gesagt, daß er in den zweiten Teil seines «Faust» manches hineingeheimnißt hat, das nur der Eingeweihte verstehen kann. Und er hat in mystisch-klarer Sprache darauf hingedeutet, was für ihn das Irdische, das Sinnlich-Wahrnehmbare ist: daß es hindeutet auf eine höhere Welt, deren Ausdruck es ist. Wenn wir das richtig verstehen, dann werden wir wissen, daß Goethe als Eingeweihter höheres Wissen aus übersinnlicher Welt sog, und dann verstehen wir, was er sagen wollte mit den Worten:
Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichnis;
Das Unzulängliche,
Hier wird's Ereignis;
Das Unbeschreibliche,
Hier ist's getan.
Die theosophische Bewegung will das, was viele für «unbeschreiblich» gehalten haben, nach und nach beschreiben.
II Dritter Vortrag, Berlin, 11. Februar 1904
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Dritter Vortrag
Berlin, 11. Februar 1904
In den Vorträgen über die astrale Welt habe ich darzustellen versucht, welchen Weg die menschliche Seele zu durchwandeln hat, nachdem sie die Pforte des Todes durchschritten hat. Dieser Weg durch die Seelenwelt oder die astrale Welt, wie sie in der theosophischen Literatur genannt wird , ist verhältnismäßig kurz. Den längsten Teil der Zeit, welche die menschliche Seele braucht, um von einer Verkörperung zur nächsten zu kommen, verbringt sie in der geistigen Welt , in dem, was man in der Theosophie Devachan, das Land der Götter nennt. Ich werde, um einen deutschen Ausdruck zu gebrauchen, mich des Ausdrucks «Geisterland» oder «Geisteswelt» für «Devachan» bedienen. Wir müssen darauf sehen, daß wir allmählich deutsche Ausdrücke einführen. Und wenn wir wissen, daß wir mit dem sogenannten Geisterlande nichts anderes meinen als das, was in der Theosophie «Devachan» ist, so werden wir uns verständigen können.
In der Welt des Astralen wird sich die Seele zu reinigen haben von dem, was sie ans Irdische kettet, von den Trieben, Leidenschaften und Instinkten, welche notwendig sind zum irdischen Leben, aber unmöglich der menschlichen Seele auf der weiteren Wanderung anhaften können. Nachdem sie sich von alledem befreit hat, durchwandert sie das eigentliche Geistesland. Will man verstehen, was es heißt, durch das Geistesland zu gehen, so muß man sich das einmal klarmachen. Ich habe schon öfters betont, daß die Theosophie keineswegs sich abkehrt von irdischer Wirksamkeit, keineswegs verweist auf irgendein Jenseits, im Gegenteil: sie legt klar, daß die hauptsächliche Aufgabe des Menschen während des Verlaufes seiner Verkörperung hier im Irdischen liegt, daß es Aufgabe des Menschen ist, dieses irdische Dasein zu immer größerer und größerer Vollkommenheit zu bringen. Der Mensch hat das, was er in der höheren Welt erleben kann, als Frucht in die irdische Sphäre hineinzutragen, er hat das, was er in der Zwischenzeit zwischen
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zwei Verkörperungen beobachtet, anzuwenden in der physischen Verkörperung. Für diese physische Verkörperung ist es die Aufgabe der Erde und des Menschen, so vervollkommnet zu werden, daß das Vervollkommnete hinaufgetragen werden kann in höhere Reiche. Es ist unsere Aufgabe, mitzuarbeiten an der irdischen Vervollkommnung, denn diese Erde soll nach dem kosmischen Erdenplan nicht bleiben, wie sie ist, sondern sie soll eine höhere Welt werden. Und das, was sie befähigen wird, aufgenommen zu werden in eine höhere Welt, das sollen die Menschen in ihr bewirken; deshalb müssen sie von Zeit zu Zeit in das Geistesland zurückkehren. Der Mensch soll auf der Erde wirken, um sie ihrem Ziele zuzuführen, das geistig ist. Dafür muß er sich befähigen, geistig zu wirken. Er muß immer wieder und wieder in diesen Zustand zurückkehren, rein geistig in der Geisteswelt zu leben, um von da aus sich zu beschäftigen mit den Absichten und Zielen für das irdische Leben. Was wir erfahren in der geistigen Welt, das tragen wir hinein in das irdische Leben. Geradeso, wie beim Bau eines Hauses das erste und Wichtigste nicht auf dem Bauplatz geschieht, wo die Ziegel zusammengemauert werden, sondern in der Kammer des Architekten, wo der Bauplan ausgearbeitet wird, und geradeso, wie die Arbeiter nur das, was der Architekt ausgearbeitet hat, in die Wirklichkeit umsetzen, so ist das erste und das Wichtigste das, was wir aus der übersinnlichen Welt holen: die Ziele, die Absichten, die Pläne, um sie innerhalb der Körperwelt anzuwenden.
Das Wichtigste wird während der irdischen Verkörperung getan. Der Geist zieht sich von Zeit zu Zeit zurück, um die eigentliche Grundlage des irdischen Daseins kennenzulernen. Das ist der Sinn des Aufenthaltes im Devachan oder im Geistesland. Wenn der Mensch beim Tode seinen Körper verläßt, dann macht er zunächst einen Zustand der Bewußtlosigkeit durch; er durchschreitet die astrale Welt und erwacht endlich im Geisteslande. Da hat er dann alles dasjenige auszubilden, worin er sich in der irdischen Welt geübt hat. Wir haben uns vorzustellen um bei demselben Bilde zu bleiben , der Mensch arbeitet wie ein Architekt, der den Plan zu einem Haus entwirft. Hat der Architekt einen Plan gemacht, so
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lernt er bei der materiellen Realisation des Planes auch die Unvollkommenheiten, die Fehler desselben kennen; er ist ein Lernender, und genauso lernt auch der Mensch während seiner Verkörperung. Genauso, wie der Architekt die Erfahrungen und Beobachtungen, die er bei einem ersten Bau gemacht hat, erkennt, benützt und für einen späteren ausnützt, so verwandelt auch der Mensch seine Erfahrungen und Beobachtungen in vollkommenere Erkenntnisse und tritt danach, mit diesen Erkenntnissen bereichert, in die neue Verkörperung ein. Das ist der Sinn.
Aus einer Art von Bewußtlosigkeit wacht der Mensch [zwischen Tod und neuer Geburt] im Devachan auf. Er hat dann die verschiedenen Stufen zu durchwandern. In jeder dieser Stufen bildet sich eine ganz bestimmte Art von Fähigkeiten aus. Sieben Stufen haben wir kennengelernt. Ich werde dieselben nochmals vor unserem Geiste vorüberziehen lassen und gleichzeitig angeben, was der Geist auf jeder Stufe zu vollbringen hat. Ich habe auseinandergesetzt, daß die unterste Region das Reich der Urbilder ist. Aber das ist bildlich zu verstehen; es ist ein Zustand. Da haben wir innerhalb dieser Welt anzutreffen die Urbilder für alles, was in der sinnlichen Welt uns entgegentritt. Ich habe gesagt, daß wir in der Geisteswelt geradeso innerhalb des Geistigen leben, wie wir innerhalb der Sinneswelt mit den Sinnen leben, und wir fühlen die geistige Welt so, wie wir die Sinneswelt mit den Sinnen fühlen, wie wir diese Sinneswelt hören und sehen und so weiter. Was in dieser irdischen Welt ein Gedanke ist, das ist in der geistigen Welt eine lebendige Wesenheit. Was als Gedanke durch unseren Kopf zieht, ist nur der Schatten einer geistigen Wesenheit. Diese geistige Wesenheit erscheint uns als Gedanke, weil sie durch den Schleier der physischen Körperlichkeit hindurchdringen muß. Der Mensch prägt seine Gedanken und Vorstellungen der Welt ein, und durch sie macht er die Erde vollkommener. In der geistigen Welt sind diese Gedanken Dinge, zwischen denen der Mensch wandelt. Und so, wie wir hier zwischen physischen Dingen wandeln, wie wir an sie stoßen und sie berühren, so wandeln wir im Geisteslande zwischen den Gedanken. Die Urbilder zu der Sinneswelt sind in der untersten
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Region des Geisteslandes zu finden. Da sind wir in der« Werkstätte», in welcher die sinnlichen Gegenstände «gemacht» werden. Wir sehen da die Urbilder der physischen Pflanzen-, Tier- und Menschenformen. Wir müssen uns Gedanken über das Gesehene machen. Diese Gedanken halten sich wie ein schattenhafter Schemen im Hintergrunde, und der Mensch glaubt nicht an die Realität der Gedanken, weil sie ein so schattenhaftes Dasein haben. Wie die Uhr so geschaffen ist, wie ihr Erfinder sie zuerst im Kopfe getragen hat, so ist jedes Ding geschaffen nach dem Gedanken, und das Gedankenwesen erscheint uns im Geisteslande.
So also erscheint uns im Geisteslande die ganze sinnliche Welt, die wir hier sehen, in ihren Urbildern. Wir sehen dort alles, wie es gemacht wird, wir sehen, wie die Pflanze, das Tier hervorsprießt aus der tier- und pflanzenschaffenden Kraft. Wir lernen das, was hier ist, von einer anderen Seite zu sehen; wir sehen gleichsam das geistige Negativ gegenüber dem physischen Positiv. Wir treten in die Welt ein, deren Schilderung demjenigen, der kein Gefühl dafür hat, phantastisch erscheinen muß, die aber dem, dessen Sinne geweckt sind für diese Welt, unendlich viel wirklicher ist als die physische Welt. Sie ist die Urbilderwelt, die Welt der Ursachen. Da tritt mit uns eine geistige Wandlung ein, die sich immer mehr und mehr verstärkt, je mehr wir heimisch in dieser Welt werden.
Die Wanderung durch diese Welt möchte ich Ihnen charakterisieren. Sie ist bedeutungsvoll, weil sie ein Licht wirft in diese Welt, ein Licht von unsagbarer Bedeutung. Unsere eigene Leiblichkeit, der Körper, den wir den unsrigen nennen, erscheint uns als ein Ding unter Dingen; er erscheint uns als der äußeren Wirklichkeit angehörig. Wir sehen, wie er entsteht und vergeht. So erscheint uns das Urbild unseres Leibes als ein Glied innerhalb der äußeren Wirklichkeit; wir fühlen uns ihm gegenüberstehend. Wir sagen nicht mehr zu dem Leibe «Das bin ich», sondern wir wissen, daß er der objektiven Wirklichkeit angehört. Und man lernt einen Satz der höchsten indischen Vedanta- Weisheit kennen, den Satz: Du mußt erkennen, daß du selbst ein Glied des ganzen Großen bist «Das bist du.»
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Dasjenige, was unseren Leib aufbaut, sehen wir so, als wenn wir auf einen Felsen treten. Es ist etwas völlig Fremdes. Wir lernen aus der Erfahrung den Satz verstehen: «Das bist du». Und wenn wir diesen Satz üben, dann ist das nichts als die Erinnerung daran, was wir früher im Geisteslande erfahren haben. Wir bringen diese Erinnerung ins Bewußtsein herein und erleben einen schwachen Abglanz der Geisteswelt in der Körperwelt. Das entrückt uns aber der Sinnenwelt, das erhebt uns in höhere Sphären. Wir fühlen uns als geistiges Wesen; wir wissen, daß wir ein Glied des Urgeistes sind, gleichsam ein Strahl, der von ihm ausströmt. Das wissen wir aus unmittelbarer Erkenntnis.
Der zweite Hauptsatz der Vedanta-Weisheit erfüllt sich ebenfalls unmittelbar in der ersten Region des Devachan: «Ich bin Brahman». Mit «Brahman» wird der Urgeist bezeichnet. Wenn der Mensch dahin gekommen ist, sich als ein Glied dieses Urgeistes zu fühlen, dann sagt er: In mir lebt der Urgeist, er selbst ist meine Wesenheit. «Ich bin der Urgeist» ist eine unmittelbare Erfahrung, welche die Seele schon in der untersten Region des Geisteslandes macht. Das ist der Sinn des Lebens in der ersten Region des Devachan.
Die zweite Region habe ich geschildert als diejenige, wo die Urbilder des gesamten Lebens auf unserer Erde sind. Wenn wir das Leben in unserer irdischen Welt betrachten, so finden wir dasselbe in einzelne Wesen gebaut, in Pflanzen, in Tiere und in Menschen. Das Leben dieser Pflanzen, Tiere und Menschen ist aber eine große, lebendige Einheit. Es stammt aus dem gemeinsamen Born des Lebens. Das Urbild desjenigen Lebens, das hier auf der Erde in seinem Abglanz lebt, das strömt dort wie ein Ozean durch alle Wesen des Geisterreiches. Der Okkultist weiß, daß dieses strömende Leben eine rosenrote Farbe hat, gleichsam wie ein rosenroter Ozean; als flüssiges Element durchströmt es alle Wesen des Geisteslandes. Dieses strömende, rosenrote, flüssige Leben durchzieht und durchpulst alles Leben des Geisteslandes. Wenn der Mensch die erste Region des Geisteslandes durchschritten hat, dann identifiziert er sich auf der zweiten Stufe mit diesem fließenden Leben. Dann lernt er das fließende Leben als seine Wesenheit kennen.
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Machen wir uns, um dies völlig zu verstehen, nochmals klar, was es für einen Sinn hat, [in der Zeit zwischen Tod und neuer Geburt] in diesen Regionen zu leben. Man lebt besonders lange in der ersten Region des Devachan. In der physischen Welt werden wir in ganz bestimmte, durch die physische Natur des Erdenkreises bestimmte Verhältnisse geboren. Wir werden geboren in einem Lande, in einer Familie, damit wir durch physische Verkettung diesen oder jenen Freund erwerben. Wir knüpfen, durch physische Verhältnisse veranlaßt, an etwas an, was den Inhalt des Alltagslebens ausmacht: das Leben in der Familie, das Leben im Stamm, in der Nation das ist Karma. Alles, was aus physischen Verhältnissen stammt, das lernen wir in seinen Urbildern in der ersten Region des Geisteslandes kennen und beurteilen. Und die Fähigkeiten, die wir uns erwerben durch Üben im Familienleben, im Freundesleben und so weiter, die erfahren ihre völlige Durchbildung in der ersten Region des Devachan. Sie werden gesteigert und ausgebildet, so daß wir mit diesen gesteigerten und ausgebildeten Fähigkeiten zu einer neuen Verkörperung auf diese Erde zurückkehren können. Daher machen wir die Erfahrung, daß Menschen, die ihre ganze Aufgabe in den Verhältnissen des täglichen Lebens sehen, die nicht über die nächste Umgebung, über ihr Geschäft und so weiter hinauskommen, ein langes Leben in dieser ersten Region des Devachan haben.
In der zweiten Region des Devachan halten sich diejenigen auf, welche schon eine gewisse Vorbereitung mitbringen. Diese wird geschaffen durch eine höhere Ausbildung innerhalb des irdischen Lebens selbst. Der Mensch lernt erkennen, daß die Dinge des irdischen Lebens vergänglich und nur Äußerungen ewiger Urgründe sind. Er lernt, die Einheit in allem Leben zu erkennen und zur Einheit verehrungsvoll aufzublicken. Wenn der einfache Wilde in den Gegenständen göttliche Eigenschaften sieht und sie als ein Sinnbild des Göttlichen betrachtet, so geht das schon über die alltäglichen Verhältnisse hinaus. In dieser Region lernt der Mensch erkennen das Schaffen und Wirken der Gottheit. Da sehen wir die Bekenner der verschiedenen Religionen ausbilden die devotionellen
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Gefühle, indem sie sich demütig, verehrend ihren Göttern nähern. Mit einem höheren Grade der Frömmigkeit erreicht der Mensch seine Verkörperung, nachdem er durch diese zweite Region hindurchgegangen ist. Menschen, die einen Sinn für die allem zugrundeliegende Einheit haben, sehen wir lange Zeit verweilen in dieser zweiten Region. Wir sehen sie sich einleben in die Einheit alles Seins, und wir sehen, wie diese Geister, wenn sie zurückkehren auf die Erde, führende religiöse Persönlichkeiten werden. Diese Menschen sehen, daß die Interessen des einzelnen nicht mehr getrennt werden können von den Interessen der Gemeinschaft. Dieser Sinn für das Gemeinschaftsleben wird in der zweiten Region des Devachan ausgebildet.
Steigen wir auf in die dritte Region. Hier finden wir nicht mehr die Urbilder für das, was in dem irdischen Dasein lebt, sondern wir finden die Urbilder des seelischen Daseins selbst. Hier sind die Urbilder aller Begierden und Instinkte, aller Empfindungen und Gefühle und aller Leidenschaften, von der niedersten Leidenschaft bis hinauf zu dem höchsten Pathos. Für alles das gibt es rein geistige Urbilder, und die sind in der dritten Region des Devachan. Ebenso wie alles Leben in der zweiten Region, bildet in der dritten Region alles Empfinden, Fühlen, alles Leiden und so weiter eine große Einheit. Da sind die Instinkte des einen Wesens nicht getrennt von den Instinkten, die ein anderes Wesen hat. Da ist das «Das bist du» schon durchgeführt. Wir können nicht mehr wie in den beschränkten Verhältnissen des Sinnendaseins zwischen meinem Gefühl und deinem Gefühl unterscheiden. Das fremde Weh ist ebenso wie das unsrige. Wir vernehmen das «Seufzen der Kreatur». Wir nehmen wahr jede Lust und Unlust, ob es unsere ist oder ob es fremde ist. Wir sagen zu allem: Das bist du. Wir fühlen mit allem mit. Ich habe diese Region beschrieben als die Atmosphäre, als den Luftkreis des Geisteslandes. So, wie unsere Erde umhüllt ist vom physischen Luftkreis, so ist der Geistkontinent umhüllt von diesem Luftkreis, von den Sphären des Wehes und des Unglücks, von den Urbildern der menschlichen Leidenschaften, wie von Stürmen und von sich
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entladenden, donnernden Gewittern. Leben wir in der dritten Region des Devachan, so lernen wir verstehen den Satz eines Inspirierten und erkennen, was es heißt, man vereinigt sich mit dem «Seufzen der Kreaturen, die da harren der Annahme an Kindesstatt». Das bildet in uns eine andere Seite des Empfindens aus, wir lernen das irdische Empfinden von einer anderen Seite kennen, nicht als egoistische Einzelempfindung, sondern so, daß wir den Sinn, das Mitgefühl für alle Wesenheiten ausgebildet haben in dieser dritten Region. Was wir in unserer Verkörperung an Selbstlosigkeit entfalten, an Wohlwollen gegenüber unseren Mitmenschen, das ist die Erinnerung an diese dritte Region des Devachan; das bringen wir mit aus dieser dritten Region. Philanthropen, die Genies der menschlichen Wohltätigkeit, bilden ihre Fähigkeiten dort aus; sie machen ein langes Leben in der dritten Region des Devachan durch.
Wie verhalten sich diese drei Regionen des Devachan zu unserer irdischen Welt? In der ersten Region finden wir die Urbilder der körperlichen Dinge, in der zweiten die Urbilder des Lebens, in der dritten die Urbilder der seelischen Welt, der Triebe, Instinkte und Leidenschaften. Wir finden das, was wir brauchen, um innerhalb des irdischen Lebens zu wirken, im Geistesland.
Die vierte Region ist eine Art reines Geistesland, aber nicht im vollen Sinne des Wortes. Wenn wir den Unterschied zwischen der vierten Region und den unteren drei Regionen verstehen wollen, so müssen wir uns klar sein, daß bei allem, was der Mensch an Schöpferkraft mitbringt in die physische Welt, er abhängig ist von dem, was schon auf der Erde vorhanden ist. Wir sind wie ein Töpfer, der seine Gedanken dem Ton einprägt. Indem wir Botschaften aus dem Geisterlande hier verwirklichen wollen, sind wir von dem Tone der irdischen Welt abhängig. Wir müssen uns demjenigen fügen, was schon geschaffen ist. Wir müssen studieren, was als physische Kraft und als physischer Stoff schon in der Welt existiert. Wir müssen uns an dasjenige halten, was unsere Mitgeschöpfe empfinden an Leid, an Lust- und Unlustempfindungen. Wir müssen uns mit dem, was wir mitbringen aus dem Geisteslande, richten nach dem, was
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wir hier antreffen. Wir schaffen da nur ein Abbild dessen, was im Geisteslande ist.
In der vierten Region sind die Urbilder für das, was der Mensch als eine Art originale Werke innerhalb der Welt schafft, was er schafft über das Bestehende hinaus. Alles, was Kunst und Wissenschaft hervorgebracht haben, alles, was wir als technische Erfindungen kennen, alles das, was niemals da sein würde ohne den Einfluß des Menschengeistes, das ist als Urbild in der vierten Region des Devachan anzutreffen. Wer an den Kulturfortschritten seiner Zeit teilnimmt, an dem wissenschaftlichen Streben, an dem Ausbau staatlicher Einrichtungen, an der Vervollkommnung dessen, was frei aus dem Geiste geboren wird, was nicht an die Seele gebunden ist: sie alle sind befruchtet von dem, was sie in der vierten Region des Devachan erlebten. Dasjenige, was wir dort erfahren, prägen wir in die sinnliche Wirklichkeit ein und schaffen es dadurch um. Wenn wir uns fragen, ob diese vierte Region unabhängig ist von der irdischen Region, so müssen wir sagen: in gewisser Weise , denn der Mensch, der aus ihr kommt, bringt etwas mit, was noch nicht da ist. Aber doch ist sie wieder abhängig, denn der Mensch kann immer nur auf einer gewissen Stufe der Vervollkommnung stehen, und er kann nur das ausgestalten, wofür die Menschheit reif ist. Die vierte Region des Devachan hängt mit dem irdischen Dasein so zusammen, daß sie auf der einen Seite frei, auf der anderen Seite aber doch wieder abhängig ist von einem gewissen [Stand des irdischen] Daseins.
Wenn wir aufsteigen zur fünften Region des Geisteslandes, so sind wir völlig frei von den Fesseln des irdischen Daseins. Dann sind wir nach allen Seiten frei und entwicklungsfähig. Dann haben wir das Element zu unserer Umgebung, in dem unsere eigentliche, wahre, wirkliche Heimat ist. In dieser höheren Region erfahren wir die eigentlichen Absichten, die der Weltengeist mit der irdischen Entwicklung hat. Wir nehmen teil an den Absichten des Weltengeistes. Alle Dinge werden dann sprechend. Wir lernen, was der göttliche Weltengeist für ein Ziel für die Pflanzen, für die Tiere und für die Menschen hat; wir lernen kennen in vollkommener Gestalt
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dasjenige, wovon das Geschaffene nur ein unvollkommenes Abbild ist. Was wir erleben, sind die Absichten, die Intentionen, die Ziele die Ziele, die aus dem Ewigen herausströmen, die lernen wir hier kennen. Und wenn wir, davon gestärkt und gekräftigt, zurückkehren in die physische Welt, dann sind wir Sendboten der göttlichen Absichten, dann vollziehen wir dasjenige, was als wahrhaft Geistiges, als unabhängiges Geistiges dieser Welt eingefügt werden soll.
Nun können Sie sich leicht vorstellen, daß dasjenige, was aus dieser Region geschöpft werden kann, davon abhängen wird, wieviel das Selbst während seiner Verkörperung im physischen Leben schon entwickelt hat. Wenn der Mensch keine Anlage zeigt, sich zu den höheren Absichten aufzuschwingen, wenn er am Alltäglichen haftet und nicht erfassen kann das, was ewig ist, dann wird er nur ein kurzes Aufblitzen haben in der fünften Region des Devachan. Und derjenige, der innerhalb des irdischen Lebens wenig, am Irdischen hängt, der nachsinnt in freiem Denken über das irdische Dasein, wer ohne egoistisches Interesse Werke des Mitleids und der Wohltätigkeit übt, der hat in diesem Dasein sich die Anwartschaft erworben, längere Zeit zu verweilen in den höheren Regionen des Devachan. Das befähigt ihn, in höherem Sinne dasjenige auszubilden, was freie Geistestätigkeit ist. Hier strömt ihm dasjenige zu, was aus dem Ewigen, dem Göttlichen fließt. Hier nimmt das Selbst die Gedankenwelt, unbegrenzt durch die irdische Unvollkommenheit, in sich auf.
Jede Inkarnation ist nur ein unvollkommenes Abbild dessen, was der Mensch eigentlich ist. Das geistige Selbst ist im Geisteslande, und indem es in den menschlichen Leib, in die menschliche Seele einzieht, kann es nur ein schwaches Abbild dessen verwirklichen, was es im Grunde genommen eigentlich ist. Wenn der Mensch heimkehrt in das eigentliche Selbst, in seine ursprüngliche Eigenheit, wenn er die fünfte Region kennenlernt, da weitet sich der Blick über seine eigenen Inkarnationen, da ist er imstande, seine Vergangenheit und seine Zukunft zu überschauen. Er erlebt ein Aufblitzen des Gedächtnisses über seine vergangenen Inkarnationen und kann sie in Zusammenhang bringen mit dem, was er in der
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Zukunft vollbringen kann. Er überschaut die Vergangenheit und die Zukunft mit prophetischem Blick. Alles, was er vollbringt, erscheint ihm wie aus dem ewigen Selbst herausfließend. Das ist das, was das Selbst sich erwirbt in der fünften Region des Geisteslandes. Deshalb nennen wir dieses Selbst, insofern es sich in der fünften Region auslebt und sich seiner eigenen Wesenheit bewußt wird, den Ursachenträger der menschlichen Wesenheit, der alle Ergebnisse des vergangenen Lebens in die Zukunft hinüberträgt. Das, was wiedererscheint in den verschiedenen Verkörperungen, das ist der Ursachenkörper, und zwar so lange, bis der Mensch übergeht zu höheren Zuständen, wo höhere Gesetze als die der Wiederverkörperung gelten. Seit dem Anfang des Planetenlebens unterliegen wir dem Gesetz der Wiederverkörperung. Der Kausalkörper ist dasjenige, was das Ergebnis eines früheren Lebens hinüberträgt in die kommenden Leben, was als Früchte genießt dasjenige, was in den vorhergehenden Leben erarbeitet wurde.
Wenn durch eine Reihe von solchen irdischen Pilgerfahrten das eigentliche geistige Selbst oder der Ursachenträger im physischen Leibe sich verkörpert hat und nun im Geisteslande so lebt, daß er imstande ist, sich im Geisteslande so frei zu bewegen, wie der sinnliche Mensch sich zwischen den sinnlichen Dingen bewegt denn das ist eine Erfahrung, die wir da machen: uns bewegen zu lernen in einer Weise, die viel initiativer und höher erscheint als innerhalb der sinnlichen Wirklichkeit , dann rücken wir auf in die sechste Region des Devachan, dann erwerben wir uns die Anwartschaft, gewisse Zeiten zwischen zwei Leben in der sechsten Region zu verbringen. In der sechsten Region lebt das menschliche Selbst bereits seine tiefere Wesenheit des eigenen Innern aus; da lebt es das aus, was wir das Leben im Geistigen, im ewigen Selbst nennen.
Da lebt es aus, was unmittelbar aus dem Borne des göttlichen Selbst schöpft. Da lernt der Mensch, so heimisch zu werden im Geisteslande, wie der physische Mensch heimisch ist in der physischen Welt . Die Gesetze der geistigen Welt werden ihm so vertraut, daß er sich als zu ihnen gehörig betrachtet. In dieser sechsten Region lernt der Mensch, daß er in diese physische Welt als ein
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Sendbote des rein Göttlichen kommt; er nimmt die Absichten für das, was er braucht, um in der physischen Welt zu wirken, nicht mehr aus der physischen Welt selbst; er vollführt die Pläne der göttlichen Weltenordnung selbst: er schafft aus dem Geistigen, er wirkt aus dem Geistigen. Er ist aber deshalb kein Fremdling auf der Erde, und er wirkt auch nicht wie ein Fremdling; er hat sich die freie Unbefangenheit in dieser sechsten Region erworben. Wenn er in der physischen Welt als Sendbote der geistigen Welt erscheint, so ist sein Werk umso fruchtbarer, weil er nicht an den Dingen dieser Welt hängt; und weil er sie vollkommen objektiv beurteilt, so wird er das Richtige tun. Seine Tat wird eine Tat der göttlichen Weltenordnung selbst sein, ein Ausdruck, eine Offenbarung der göttlichen Weltenordnung selbst.
In dieser sechsten Region des Geisteslandes genießt der Mensch nun auch den Umgang mit jenen erhabenen Wesenheiten, von denen ich das letzte Mal gesprochen habe, welche mitwirken an dem Plane der göttlichen Weltordnung. Ausgebreitet ist ihr Blick über die göttliche Weisheit, offen und unverschleiert. Der Mensch, der sich bis zur sechsten Region entwickelt hat, kann da verstehen, was sie zu ihm sagen über den göttlichen Weltenplan. Kehrt er zurück auf den irdischen Plan, dann ist er befähigt, selbst die Richtung und die Ziele seines Lebens zu bestimmen. Dann handelt er aus sich heraus, er kann bewußt in die Zukunft wirken; dann ist er fähig, hier auf dieser Erde ein Eingeweihter zu werden. Derjenige, welcher befähigt ist, ein Eingeweihter zu werden, der hat sich erst durch die Taten, die nicht durch Egoismus mit dem Irdischen verbunden sind, sondern die er in selbstloser Aufopferung getan hat, die Anwartschaft errungen, um im Zwischenzustand zwischen zwei Verkörperungen in der Gegenwart der Geister zu leben und vertraut zu werden mit den Kräften und Schätzen des Geisteslandes. Kehrt er dann zurück in die Verkörperung, dann ist sein Gedächtnis offen für die früheren Verkörperungen, dann sieht er, daß er da und dort schon gelebt hat, und er bestimmt die Zukunft seiner nächsten Verkörperung wenn auch nicht in allen Einzelheiten, denn das ist nicht zu bestimmen. Diejenigen, welche in dem
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Zwischenzustande zwischen ihren Verkörperungen im Geisteslande solches erlebt haben, die sind die Aspiranten für die Einweihung in die Mysterien; es sind die, welche aufgenommen werden in die Geheimschulen und dort die Weisheiten erfahren, welche sie der Welt zu verkündigen haben, damit sie den Weg des Fortschrittes gehe.
Das sind diejenigen, die aus persönlicher Erfahrung bekräftigen können, daß die Lehren der Theosophie Wahrheiten und Tatsachen sind. Sie sind es aber auch, die die Pflicht haben, so oft und so gut sie es können, das, was sich ihnen als unumstößliche Wahrheiten ergeben hat, den anderen zu verkündigen und in ihnen anzufachen das hohe Gefühl und die Kraft, die den Menschen weiter hinaufleitet auf der Stufenleiter der Erkenntnis. Derjenige, welcher an die Wiederverkörperung zu glauben vermag, der weiß, daß sie etwas Mögliches ist, der hat schon die erste Stufe erreicht. Wer glaubt wenn auch nur dumpf , daß die Wiederverkörperung möglich ist, der kann erwarten, daß dieser Gedanke in ihm zur Erkenntnis der Wirklichkeit wird, denn der Glaube, der als lebendige Kraft in der menschlichen Seele wirkt, erzeugt Wunder in der Menschenseele. Wer nicht weiß, wie dasjenige wirkt, das aus geistigen Tiefen herauskommt, der nennt solche Menschen Schwärmer und Träumer, weil er sich nicht bewußt ist, daß sie aus einem viel tieferen Bewußtsein heraus schaffen als er selbst. Aber der Weltengang ist eine fortwährende Verkörperung dessen, was die Träumer und Idealisten gedacht haben.
Die siebente Stufe kann nur derjenige erreichen, der in diesem Leben ein Eingeweihter gewesen ist, der den Sinn der Mysterien erfaßt hat, der mitwirken kann an dem Bau und an dem Plan der göttlichen Weltenordnung. Er tritt, nachdem er seine Aufgabe in den niederen Regionen verrichtet hat, unmittelbar in die höchste Region ein, woraus der Quell des Daseins kommt, wo alle Lebensimpulse und Daseinsströme fließen. Der Eingeweihte allein hat die Anwartschaft auf die siebente Stufe des Devachan oder Geisteslandes.
Wir haben gesehen, daß die Aufgabe des Menschen in dieser irdischen Welt liegt, daß wir uns nicht von ihr zurückziehen dürfen. Aber was in dieser Welt liegt, das muß befruchtet werden von den Erfahrungen, die wir im Lande des Geistes machen und die wir als Botschaften erkennen, die wir im irdischen Leben auszuführen haben. Damit wir umso sicherer wirken können, müssen wir das Leben als eine Schule betrachten; wir müssen das Leben uns zu einer Lektion machen. Wir müssen erkennend betrachten, wie gleichsam die Strahlen des höheren Lebens hineinfließen in die irdische Welt. Darüber werden wir das nächste Mal weitersprechen.
II Vierter Vortrag, Berlin, 25. Februar 1904
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Vierter Vortrag
Berlin, 25. Februar 1904
Verehrte Anwesende! Es obliegt mir heute, die Vorträge über den sogenannten Devachanplan oder, wie wir es deutsch nennen müssen, das Geistesland, zu Ende zu führen. Wenn Sie in theosophischen Büchern über Devachan oder das Land der geistigen Wesenheiten lesen, so werden Sie die Schilderung finden, daß dieses Gebiet der Geistwelt ein Gebiet der Zufriedenheit, ein Gebiet der Glückseligkeit ist. Es wird Ihnen gesagt, das Devachan sei das «Land der Wonnen», das «Land des Glückes». Nun, verehrte Anwesende, es ist sehr leicht, eine solche Schilderung mißzuverstehen und sich etwas ganz Falsches unter diesen Worten vorzustellen. Wir müssen uns klar sein darüber, daß sehr viele Menschen dasjenige, was das Glück des Geisteslandes ist, gar nicht kennen, daß die überwiegende Mehrzahl der Menschen das Glück und die Zufriedenheit in Dingen suchen, von denen allerdings im Devachan nichts mehr anzutreffen ist. Selbst das, was sich zumeist die Menschen in religiösen Vorstellungen als Paradies ausmalen, als Land des Glückes und der Wonne, selbst das knüpft noch so sehr an Vorstellungen der unmittelbaren sinnlichen Wirklichkeit an, an Vorstellungen, die aus unserer körperlichen Umgebung genommen sind, daß wir diese Vorstellungen nicht auf das Land der geistigen Wesenheiten anwenden dürfen. Was die Menschen sich erhoffen an paradiesischen Freuden, was sie, anknüpfend an sinnliche Vorstellungen, als Paradies bezeichnen, das finden Sie bereits vor dem Eintreten ins Devachan, das finden Sie im fünften Gebiete des Kamaloka, im fünften Gebiete des Läuterungsfeuers, und zwar gerade zu dem Ziele und zu dem Zweck, um diesen Hang zu sinnlichen Freuden und sinnlichen Begierden abzustreifen. Was zum Beispiel der Indianer sich vorstellt als paradiesische Jagdgründe, wo er allen Jagdbegierden wird frönen können, das findet er bereits im fünften Gebiet des Kamaloka. Aber gerade davon muß der Mensch gereinigt werden, bevor er eintreten kann in die Geisteswelt. Auf
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der anderen Seite sagen viele, wenn Sie hören, daß von alle dem, was sie hier auf unserer Erde als sinnliche Wirklichkeit erleben, nichts mehr vorhanden ist im Geistesland, daß dann das Geistesland nichts anderes sei als eine Illusion, eine Art von Traum, den wir zwischen zwei Inkarnationen durchträumen. Beides bedarf einer Richtigstellung. Es bedarf der Hinführung der Vorstellungen, die der Mensch aus seiner unmittelbar erlebten Wirklichkeit nimmt, zu ganz anderen und höheren Vorstellungen. Man kann eine entsprechende Vorstellung davon gewinnen, was eigentlich gemeint ist mit dem Land der Wonnen, dem Land der Glückseligkeit, was gemeint ist mit jener tiefen Innigkeit und geistigen Befriedigung, die wir erleben zwischen zwei Inkarnationen, wenn man hinhört auf das, was Schüler der großen Meister durch ihre Erfahrung schon in diesem Leben zu erzählen wissen.
Derjenige, der in diesem Leben zur Einweihung, zur Initiation gelangt, der erfährt in sich schon in diesem Leben durch den Einblick in das Geistesland etwas von dieser himmlischen Wonne, von dieser wahren geistigen Befriedigung. Sie werden fragen: Gibt es denn oder hat es in unseren Ländern etwas gegeben, was man Einweihung nennt? Gab es wirklich in unserer abendländischen Kultur Schüler, welche teilhaftig wurden jenes höchsten Schauens, das uns das Geistesland eröffnet? Immer hat es die Möglichkeit gegeben, in Geheimschulen, in okkulten Schulen die Einweihung zu empfangen. Eine Strömung okkulter Weisheit kam im 14. Jahrhundert nach Europa. Diese Strömung, die man die rosenkreuzerische nennt, wurde von vielen verkannt; sie muß verkannt werden von allen denen, die sie nur von außen kennenlernen. Nur der sollte sie von innen kennenlernen, dem durch okkulte Schulung der Einblick gestattet wurde. Als Christian Rosenkreutz die Weisheit des Orients nach Europa brachte, da gründete er in Europa Schulen, in denen Schüler hinaufgebracht wurden zu den Stufen, wo das Sehen im Devachan, das Sehen der höheren Geheimnisse möglich wurde. Nur diejenigen, welche selbst eine Schulung erlangt haben, wissen etwas davon zu erzählen. Alle äußere Forschung, alles, was in Büchern verzeichnet ist, kann Ihnen keinen Aufschluß geben. Bis
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zum Jahre 1875, dem Jahre der Gründung der Theosophischen Gesellschaft, ist überhaupt, außer in den geheimsten Lehrstätten, über diese Dinge niemals gesprochen worden. Erst seit 1875 fühlten die Meister der Weisheit die Pflicht, der Menschheit einiges von diesen tiefsten geistigen Wahrheiten zu übermitteln.
Noch heute finden Initiationen oder Einweihungen statt. Sie können indessen nur stattfinden innerhalb des Geisteslandes, desjenigen Gebietes, das ich Ihnen beschrieben habe. Heute muß jeder Einzuweihende zur eigenen Anschauung dieser höheren Geheimnisse auf dem Devachanplan kommen. Dies zwingt dazu, wenigstens eine kleine Vorstellung davon zu geben, wie derjenige empfindet und wie er umgewandelt wird, der auf dem Devachanplan die Einweihung empfängt. Was ich Ihnen geschildert habe von jenen höchsten Wesenheiten, die aus ganz anderen Welten kommen, um im Devachan zuerst ihre Verkörperung zu genießen, um dann herunterzusteigen in die tieferen Regionen, in die drei Welten, diese Wesenheiten zu schauen ist derjenige in der Lage, der in diesem Gebiete zur Initiation, zur Einweihung kommt. Wenn der Mensch die Initiation erlangt hat, dann fängt er an, einen ganz neuen Glauben, ein ganz neues Schauen zu gewinnen. Er ist wirklich ein anderer Mensch geworden. Und was für viele Menschen, die in seiner Umgebung leben, gar nicht vorhanden ist, wovon sie niemals eine Ahnung haben, das schaut er mit dem geistigen Auge.
Lassen Sie mich einen kurzen Abriß des Glaubensbekenntnisses geben, welches derjenige, der eingeweiht wird, zu dem seinigen macht. Dieses Glaubensbekenntnis wird Ihnen in einigen Wendungen bekannt erscheinen. Von allen tieferen Wahrheiten ist immer etwas in die Öffentlichkeit gekommen und in der Öffentlichkeit exoterisch fortgepflanzt worden.
Derjenige, der eingeweiht wird, bekommt einen höheren Überblick über das, was hier in unserer physischen Wirklichkeit geschieht. Er bekommt diesen höheren Überblick dadurch, daß er sich außerhalb dieser physischen Wirklichkeit stellt. Wir sind ja, während wir in der Sinnenwelt leben, eingeschlossen in die körperliche Organisation und können nur durch unsere Augen sehen,
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durch unsere Ohren hören, durch unsere übrigen Sinneswerkzeuge wahrnehmen. Wir sind abhängig von dem, was uns unsere Sinne vermitteln. Das hört auf durch jene höhere Schulung, die der Einzuweihende empfängt. Vor dem Einzuweihenden liegt zunächst ich kann das nur schildern seine eigene physische Wirklichkeit völlig ausgebreitet. Er sieht sich objektiv neben sich, und so, wie wir irgendeinen anderen Gegenstand der Umgebung unserer sinnlichen Wirklichkeit anschauen, so schauen wir unsere eigene physische Körperlichkeit an, wenn wir eingeweiht werden. Unser Organismus liegt vor uns wie unser eigener Leichnam. Aber auch unser Astralkörper, unsere Begierden, Instinkte, unser ganzes sinnliches Triebleben, liegt vor uns da, und wir sprechen im Sinne der angeführten Vedantaweisheit: «Das bist du». Wir sehen uns völlig objektiv, mit allen Fehlern, mit dem, was wir im Leben erreicht haben durch die verschiedenen Inkarnationen hindurch. Es ist dasjenige, was Ihnen beschrieben wird als der Durchgang durch die Pforte des Todes, den jeder Einzuweihende durchzumachen hat. Er sieht dann dasjenige nicht mehr durch die Sinne, was er sonst in der Sinnenwelt um sich hat; er sieht in die Außenwelt vom Geisteslande her, und zwar nicht sinnlich. Er sieht aber auch in die Instinktwelt, in die Welt des Kama, der Leidenschaften, in die Welt, wo die menschlichen Triebe sind, in dasjenige, was die Menschen in Streit und Hader bringt, was sie erfreut und was ihnen Lust bereitet in dieser physischen Wirklichkeit; da sieht er hinein so, wie ein Fußgänger, der auf einem hohen Berge steht und in eine Gebirgslandschaft hineinsieht.
Und weil er sich erhoben hat über die Sinnlichkeit, weil er um sich nur eine Welt des reinen Geistes hat, deshalb sieht er auf der anderen Seite diejenigen Wesenheiten, die geistiger Natur sind, und er vernimmt etwas von dem, was man göttliche Weisheit nennt. Die göttliche Wesenheit selbst ist der Vatergeist aller Religionen; ihn kann niemand in seiner ureigensten Gestalt sehen. Das Höchste bleibt unoffenbar, selbst für die geöffneten geistigen Augen. Aber eine Vorstellung von dem, was schafft und wirkt in der Welt, die erhält der Eingeweihte. Er wird geführt vor die schaffenden,
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göttlichen Kräfte. Dann spricht er zum ersten Male das Wort aus Überzeugung, aus unmittelbarer Anschauung heraus, das Wort, das ihm vorher als Glaube beigebracht worden ist: [«Ich bin Brahman»]. Wird der Einzuweihende nunmehr durch die enge Pforte geführt, wo ihm das physische und das astrale Leben objektiv gezeigt wird, dann ertönt das Wort des einweihenden Priesters: Denjenigen, welche schon haben, denen wird viel gegeben werden, und denjenigen, welche noch nicht haben, denen wird auch das genommen, was sie schon haben. Das ist der Initiationsspruch, der bei der ersten Pforte der Einweihung ertönt. Sie finden ihn auch in der Bibel, wie manchen Spruch, der aus der ägyptischen Priesterweisheit genommen ist. Diejenigen, welche haben, das sind die, denen bereits der Geist aufgegangen ist, um geistig zu fühlen, geistig zu empfinden. Diejenigen aber, die an diese Pforte kommen und keinen Glauben und keine Empfindung vom Geistigen haben, denen wird auch das Verlangen nach geistiger Erkenntnis genommen. Wehe dem, der unwürdig an diese Stätte kommt, der neugierig sich zugedrängt hat; ihm gegenüber ertönt eine andere Stimme, die wieder eine symbolische Bedeutung hat.
Der Mensch erfährt nunmehr, was universeller Geist ist, universelle Seele. Wir Menschen denken über die sinnlichen Dinge nach, aber der Geist, der in uns lebt, den wir als Gedanken in uns erfahren, der den Gegenstand unseres Nachdenkens bildet, das ist derselbe wie die Weisheit, aus der die Welt aufgebaut ist. Wir könnten nicht die Welt mit ihren Gesetzen erkennen, wenn sie nicht aus diesen geistigen Gesetzen aufgebaut wäre. Die Theosophie lehrt, daß das, was im Menschen als Geist, als Manas lebt, wesensgleich ist mit dem, was im großen Universum lebt, mit Mahat. Der Manas des Menschen saugt die Weisheit aus dem Manas des Universums, aus Mahat. Oder sollte ein Mensch glauben, daß die Gesetze, die wir am Himmel wirksam sehen, nach denen sich die Sterne bewegen, nur in seinem Verstande eine Bedeutung haben? Der Mahat des gestirnten Himmels ist das Verstandes- und Vernunftelement draußen in der großen Welt, und was Sie davon erfahren, ist Manas, das Verstandes- und Vernunftelement der kleinen Welt.
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Nun steigt der Allgeist, der Universalgeist, auf den Einzuweihenden herab. Der Einweihungspriester spricht die Worte: Dies ist mein vielgeliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe. Der Betreffende, nunmehr Eingeweihte, weiß, was Weltengeist ist. Dann kann er den Glauben an den schöpferischen Weltengeist aus eigener Überzeugung aussprechen und sagen: Ich glaube an den göttlichen Vatergeist, der das Geistige, das auch das Himmlische genannt wird, und das Körperliche, das Irdische, gemacht hat. Im christlichen Glaubensbekenntnis heißt es: Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, der Himmel und Erde geschaffen hat. Und dann ist dem Menschen eines klar geworden: daß er selbst in Wahrheit und Wirklichkeit seinen Ursprung aus demselben universellen Weltengeist genommen hat, der ihm hier im Geisteslande entgegentritt. Er weiß, daß er zur Tiefe heruntergestiegen ist in die sinnlich-physische Materie; er weiß aber auch, daß er heruntergestiegen ist aus göttlichen Welten und aus dem Geist stammt. Er weiß, daß er die geistige Wesenheit, die er in sich trägt, aus dem Borne des göttlichen Vatergeistes selbst erhalten hat, daß er ein Strahl ist aus der Sonne des göttlichen Vatergeistes. Das wird er gewahr als eine wirkliche göttliche Kraft, als etwas, das er erfährt und von dem er unmittelbare Gewißheit hat. Er fängt an, einen neuen Glauben an die Menschheit zu gewinnen. Die Menschheit wird ihm zum eingeborenen Sohne Gottes, zu dem Sohne, von dem er in seinem Glaubensbekenntnis spricht: Ich glaube an den göttlichen Ursprung der Menschheit an den Gott im Menschen selbst, wie die ägyptische Priesterweisheit das ausgedrückt hat oder an den Christus im Menschen, der heruntergestiegen ist aus himmlischen Welten. Und dann wird ihm klar, daß der Mensch, bevor diese Zeiten in der Erdenentwickelung herangekommen waren, diese Zeiten, in denen wir jetzt leben, diese Zeiten, in denen die Menschen durch ihre Sinne wahrnehmen, in der ihre sinnlichen Triebe sie zu ihren Handlungen veranlassen , es wird ihm klar, daß der Mensch, bevor er herabgestiegen ist in diese Sinnessphäre, in einer anderen, in einer rein geistigen Sphäre war.
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Der Schüler hat jetzt das Geistesland kennengelernt, und er weiß, daß dieses Land das Land war, in dem der Mensch seinerzeit war als eingeborener Sohn Gottes, er weiß, daß der Mensch geboren ist aus jungfräulicher Geistmaterie Maria oder Maja , und er weiß, daß der Geistmensch Christus herabgestiegen ist in die sinnliche Materie, er weiß, daß dieser Geistmensch in jedem von uns enthalten ist und sich nach und nach durch die verschiedenen Inkarnationen entwickelt, er weiß, daß dieser Geistmensch von sinnlicher Körperlichkeit umgeben lebt, im physischen Körper lebt. Die Dinge der äußeren Welt wirken sinnlich auf unseren Körper ein und bauen uns unsere Augen, unsere Ohren und die anderen Sinnesorgane auf. Innerhalb dieser körperlichen Sinnlichkeit leben wir und lassen die Welt in uns eindringen. Durch die Sinnesorgane schauen wir wie durch Fenster auf die äußere Welt; wir sind eingeschlossen in die sinnliche Materie und deshalb durch sie beschränkt.
Rein und geistig ist der Christus, der in die Menschen einzieht; jungfräuliche Geistmaterie ist er. Nun ist er herabgestiegen in die zusammengezogene, sinnliche Materie. Diejenigen, die esoterisch sprechen, nennen das das Wasser oder das Meer. So heißt es zum Beispiel in der Genesis: Der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Das bedeutet, der Geist schwebt über der Materie. Man nennt diese Materie griechisch auch «Póntos Pyletós», wörtlich zusammengezogenes Meer. Der Mensch ist eingezogen in diese zusammengezogene Materie, die seine Organe gebildet hat. Dadurch ist aus dem tätigen Wesen im Geisteslande ein Wesen geworden, welches passiv die Eindrücke durch die Sinnesorgane von außen empfängt: Passiv ist der Mensch geworden, ein Póntos Pyletós. Das unterscheidet das Anschauen in der geistigen Welt von dem Anschauen in der Sinnenwelt. Wenn wir in der geistigen Welt einen Gegenstand vor uns haben wollen, dann haben wir zuerst den Gedanken, und diesen Gedanken bildet der Geist im Geisteslande, das heißt, die Abbilder zu allem Schaffen findet der Mensch im Geisteslande. In der sinnlichen Welt nimmt der Mensch leidend auf, passiv geworden ist der Mensch. Wir alle sind passiv
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geworden, gleichsam leidend in der zusammengezogenen Materie. Das war das ursprüngliche Bekenntnis des ägyptischen Priesterglaubens. Das ist das Symbolum, daß der Christus zu der Menschheit herabgestiegen ist, daß er Materie angenommen hat und passiv leidend wurde in dem zusammengezogenen Meer, in dem Póntos Pyletós. Im Laufe der Zeit ging dies in das Christentum über, und dadurch, daß das Wort Póntos Pyletós gründlich mißverstanden wurde, ist die mißverständliche Stelle im christlichen Glaubensbekenntnis entstanden, die heißt: «gelitten unter Pontius Pilatus», die nichts anderes ist als die angeführte Stelle des Glaubensbekenntnisses der ägyptischen Priester. Leidend ist der Mensch geworden; er ist nicht mehr aktiv, sondern passiv. Das ist derjenige Glaubensartikel, der im okkulten Symbolum die sogenannte Menschwerdung bedeutet.
Hat nun der Einzuweihende erkannt, was in diesen tiefen Wahrheiten gesagt ist, dann sieht er sich solange um in der objektiven, sinnlichen Wirklichkeit, bis er in sich selber klar geworden ist, daß er nunmehr heruntersteigen kann in diese Sinnlichkeit, um aus Pflicht und in hingebender Selbstaufopferung innerhalb der sinnlichen Wirklichkeit zu wirken. Wenn er so weit ist, daß er nicht mehr die sinnlichen Triebe zu befriedigen sucht, sondern diese nur benutzt, um innerhalb der sinnlichen Welt zu wirken, dann ist er selbst ein Eingeweihter, dann ist er initiiert, dann hat er die feste Sicherheit, daß er durchschauen kann die allgemeine Weltengerechtigkeit. Früher lebte er in der Sinneswelt eingeschlossen, und unklar war ihm das Rätsel von Geburt und Tod, das Rätsel des ewigen Werdens. Jetzt ist ihm klar, daß er ewig ist und erhaben über Geburt und Tod. Er sieht dasjenige, was veränderlich ist und gleichzeitig die urewige Weltengerechtigkeit, die wir in der theosophischen Sprache Karma nennen. Er ist zu einem Weisen geworden in Weltengerechtigkeit, er kann richten über Leben und Tod, oder, wie es bei den ägyptischen Eingeweihten heißt, über Geburt und Tod. Und jetzt glaubt er an die erhabene Gemeinschaft der leibbefreiten Geister. Nur in der sinnlichen Welt sind wir getrennt, im Devachan sind wir eine Gemeinschaft der leibbefreiten Geister.
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Das christliche Glaubensbekenntnis drückt das so aus, daß es sagt: Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen. Aus dem esoterischen Bekenntnis der ägyptischen Eingeweihten ist das christliche Glaubensbekenntnis erwachsen, das eine ganz esoterische Sprache spricht. Es ist zum Teil aus mißverstandenen Symbolen, zum Teil aus esoterischen Sprüchen übersetzt, die die Einzuweihenden als unmittelbares Wissen im Devachanlande empfangen haben.
Nun wird Ihnen aus dieser Auseinandersetzung etwas klarer geworden sein, was man meint mit dem Lande der Wonnen und der Glückseligkeit. Es ist die Wonne der Unbegrenztheit, der ewigen Tätigkeit, des ewigen Wirkens. Warum kann uns alles das, was uns in der physischen Welt bedruckt, im Devachan nicht mehr bedrucken? Nicht deshalb ist Devachan ein Land der Glückseligkeit, weil uns dort Wonnen zuteil werden, wie sie der Mensch in seiner Sinnenwelt verlangt und begehrt, sondern deshalb, weil er frei ist von Körperlichkeit, frei ist von dem, was nach sinnlichen Gelüsten verlangt, frei ist aber auch von dem, was ihn begrenzt, und weil es ihm möglich macht, auf das, was sonst von außen auf ihn wirkt, zurückzuwirken. Was uns begrenzt in der sinnlichen Welt, ist entfernt, was uns Schmerz machen kann, ist nicht mehr da. Denn wodurch entsteht der Schmerz? Dadurch, daß auf unseren Astralkörper oder auf unseren physischen Körper Eindrücke gemacht werden. Diese Körper haben wir abgelegt, wenn wir im Devachan sind; es ist der Grund weggefallen zu den Schmerzen und zu den Unlustgefühlen, die wir in der physischen Welt erleben. Weil niemand mehr egoistisch sein kann, kann auch niemand mehr egoistische Freuden verlangen; weil niemand mehr einen Astralkörper hat, ist man frei von allem, was seine eigene Persönlichkeit bedrücken kann. Deshalb erkennt man das Devachan als das «Land der Wonne», das «Land der Glückseligkeit».
Ich habe gesagt, daß gerade im dritten Gebiete des Devachan uns offenbar wird jeglicher Schmerz, jeglicher Seufzer der Kreatur, daß wir alles das wahrnehmen können, was hier auf der Erde vorgeht an Schmerzen und Leiden, was sich abspielt an Leidenschaften und Begierden. Aber wir nehmen es so wahr, wie wir die Objekte
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hier in der Sinnenwelt wahrnehmen eine Wahrnehmung, welche nicht so stark und nicht so grell ist, daß sie uns Schmerz verursacht. Es ist auch nicht so, wie wenn wir einen Gegenstand betasten, befühlen, der einen hohen Temperaturgrad hat, daß wir uns verbrennen kurz, wir nehmen wahr, ohne daß wir egoistische Schmerzen oder persönliche Lust empfinden. Wir sehen die Gesamtheit aller Schmerzen, aller Leiden an, und wir stehen als geistige Wesenheiten darüber und fühlen, daß wir mitzuarbeiten haben daran, diese Schmerzen zu lindern oder zu mindern. Es ist uns ganz gleich, ob dieser Schmerz oder diese Lust uns angehört oder anderen. Unsere Persönlichkeit ist abgestreift; die Schmerzen sind nicht mehr persönlich. Es ist die Ursache weggefallen, aus der für uns persönliches Leid entstehen konnte. Weil wir entkörpert gleichsam frei sind von allem, was uns bedrücken konnte, deshalb nennt man das Devachan das Land der Wonne, deshalb muß die Glückseligkeit im Devachan als eine solche beschrieben werden, die sich mit nichts vergleichen läßt, was hier in der sinnlichen Wirklichkeit vor sich geht. Nur derjenige weiß, was diese «Wonnen» des Devachan bedeuten, der als ein Eingeweihter selbst schon hier in dieser physisch-sinnlichen Verkörperung Erfahrungen gemacht und Kunde und Weisheit von diesem Devachan erhalten hat.
Alles dasjenige, was uns vom Devachanlande erzählt wird, stammt aus den Erfahrungen und den unmittelbaren Beobachtungen und aus den Einblicken solcher Eingeweihter, die gelernt haben, selbst aktiv tätig zu sein innerhalb des geistigen Daseins. Diese haben auch gelernt, daß es die größte Illusion wäre, davon zu sprechen, daß das Leben im Devachan zwischen zwei Verkörperungen eine Illusion sei. Das ist gerade die Illusion, daß wir das Leben im Devachan als eine Illusion, als einen Traum betrachten. Und in der Tat: alles wirkliche Leben stammt aus dem Devachan. Und nur deshalb, weil es die Aufgabe des irdischen Daseins ist, die Menschen in ihrer geistigen Tätigkeit herunterzuführen bis in die irdische Welt, muß der Christus im Menschen, in sinnlicher Verkörperung erscheinen. Deshalb ist nach dem Ausspruch Platos, des großen griechischen Philosophen, die Weltseele in Kreuzesform
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durch das Universum gelegt und über den irdischen Weltleib ausgespannt. Das hat Plato gesagt. Es ist ein Symbolum, das der Eingeweihte kennt in seiner tiefsten Bedeutung.
So, wie das Instrument, das Werkzeug, den Werkmeister braucht, so braucht unser physisches Dasein die geistige Welt, damit die geistige Welt der Baumeister am physischen Leib sein kann. Wie niemals zum Beispiel ein Hammer ohne Einfluß geistigen Nachdenkens entstanden wäre und niemals gebraucht werden könnte von einem Wesen, das nur physische Kräfte hätte und nicht nachdenken könnte, so könnte auch der Mensch seine Aufgabe nicht erfüllen, wenn er nicht immer wieder aufsteigen würde in das Geistesland und sich dort immer wieder die Kräfte holen würde, um in der sinnlichen Wirklichkeit zu wirken. In dasjenige Land steigt er, wo er Kunde der reinen Geistigkeit erhält, wo er lernt, wie die geistigen Kräfte wirken, ohne daß sie passiv werden innerhalb der Sinne, wo er lernt, frei die Flügel zu entfalten und zu wirken. Dann kann er wiederum verkörpert, leidend werden in der zusammengezogenen Materie des irdischen Daseins, im Póntos Pyletós. Von Inkarnation zu Inkarnation wandert der Mensch; immer wieder zieht er ein in den Póntos Pyletós; immer wieder wird der Geist gekreuzigt in der Materie.
Niemals kann der Theosoph materialistisch sein auch nicht in kleinstem Anfluge und in der physischen Welt das Ganze des Daseins erblicken. Und namentlich, wenn er in der Lage ist, eigene Beobachtungen im Lande des Geistes zu machen, wird er zu der Erkenntnis kommen, daß Askese wirklichkeitsfeindlich wäre. Was der Mensch als geistiges Wesen für eine Aufgabe hat, das wird uns klar im Geisteslande. Die irdische Welt, in der wir leben, ist der uns zugewiesene Aufenthaltsort während unserer gegenwärtigen Evolution. Und was wir aus dem Geisteslande holen, das sollen wir zum Segen dieser irdischen Welt anwenden. Damit wir auf dieser Erde wirken können, deshalb werden wir immer wieder zwischen zwei Inkarnationen mit neuen Aufträgen aus dem Geisteslande versehen.
Verehrte Anwesende, wir haben nun die Gebiete der drei Welten durchwandert. Drei Welten sind es, in denen der Mensch lebt:
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die irdische Welt, die seelische oder astrale Welt und die geistige Welt oder Devachan. Hier in diesem Dasein lebt der Mensch in allen drei Welten. In jedem sinnlichen Menschen ist auch ein seelischer Mensch und ein geistiger Mensch enthalten. Bewußtsein hat allerdings der Mensch nur innerhalb des Sinnlichen, aber wirken tut in ihm der astrale und der geistige Mensch ebenso; in jedem Menschen ist auch die Seele und der Geist wirksam. Das Bewußtsein des Menschen erwacht zwischen zwei Inkarnationen im Kamaloka, im Seelenlande; dann wird der Mensch sehend, er wird erweckt zwischen zwei Inkarnationen je nach der Entwicklungsstufe, je nachdem, was er mitbringt aus dieser irdischen Inkarnation im Devachan, im Geisteslande, um wiederum zurückzukehren in die astrale Welt, um sich mit Astralmaterie zu umkleiden und wiederum inkarniert zu werden in der physischen Wirklichkeit. Das ist der Gang, die Pilgerschaft des menschlichen Geistes.
Aus dem Geisteslande stammt die menschliche Wesenheit. Jungfräuliche Materie war es ursprünglich, aus welcher der Mensch, als er noch im reinen Geisteslande lebte, sich selbst einen Leib bildete. Diesem unserem irdischen Zustande ist vor langer Zeit ein anderes Leben auf unserer Erde vorangegangen. Da waren die Menschen noch reine Geister, da war nur geistige Wirklichkeit vorhanden. Dann stieg der Mensch zunächst herab in das astrale Dasein, noch nicht bis zur physischen Wirklichkeit. Er war damals noch der Adam-Kadmon, jene «reine» Wesenheit, in der noch nicht die physische Triebwelt vorhanden war.
Dann kam dasjenige, was in der Genesis so wunderbar symbolisch ausgedrückt wird, wo es heißt: Jehova formte den Menschen aus einem Erdenkloß und blies ihm ein den lebendigen Odem. Der Geist bekam sinnlich-dichte Materie und damit zugleich das ganze Dasein der physisch-sinnlichen
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Wirklichkeit. Der Mensch war bis dahin in einer Art von Unterbewußtsein. Das wache Bewußtsein, das wir heute haben, dieser Verstand, durch den wir die Dinge erwägen und mit dem wir uns orientieren in der physischen Welt, ist dem Menschen erst geworden mit dem Heruntersteigen in die sinnliche Welt; zugleich mit der niederen sinnlichen Wirklichkeit hat der Mensch die Vernunft bekommen. Dies ist wiederum in der Genesis in symbolischer Weise dargestellt als die Schlange; sie beschenkt die Menschheit mit dem irdischen Verstande.
Der tiefste Punkt in der Menschheitsentwicklung ist derjenige, wo Geburt und Tod stattfinden, wo das Unsterbliche des Menschen immer hindurchschreiten muß durch die Pforte des Todes. Dies wird in der nächsten Epoche abgelöst werden, dann wird der Mensch, ähnlich wie in der vorhergehenden Epoche, nur noch Astralwesen sein; und dann wird die letzte Epoche kommen, wo der Mensch nur ein geistiges Dasein haben wird.
So lehrt uns gerade die Betrachtung des Devachan, wie alles in der Welt, im großen und im kleinen, in einer Entwicklung steht, wie alles Dasein aus dem Geiste kommt, durch die sinnliche Wirklichkeit hindurchgeht, um wieder zum Geistigen aufzusteigen. Die Betrachtung dieses höheren, geistigen Gebietes zeigt uns, daß dasjenige, was wir Tod nennen, was wir Vergehen nennen, nichts weiter ist als ein vorübergehender, fast ein illusionärer Zustand einer Weltepoche, daß es nicht etwas ist, was Dauer haben kann. Die Überzeugung, die Klarheit, das Wissen darüber, daß der Mensch aus höheren Gebieten gekommen ist und daß er zu höheren Gebieten wieder gehen wird, das ist es, was uns die Kraft gibt, daß wir nach und nach, wenn wir in der Theosophie vorschreiten, alles nachempfinden können, was ein Initiierter des frühen Christentums Paulus empfunden und mit den Worten ausgedrückt hat: Tod, wo ist dein Stachel?
Andererseits soll man aber auch niemals das irdische Dasein verachten. So, wie die Biene den Honig in den Bienenstock hineinträgt, so haben wir aus der irdischen Welt den Honig zu saugen und ihn hinaufzutragen in die geistige Welt. Wir finden uns aber nur zurecht, wenn wir wissen, welches die Grundkräfte unseres Daseins sind. Aus diesem Grunde habe ich die Vorträge über das Devachangebiet gehalten. Nur eines konnte mich bewegen, diese Vorträge zu halten, von denen ich weiß, daß sie leicht mißverstanden werden können, das ist ein Satz, den die Verfasserin des theosophischen Grundbuches «Licht auf den Weg» geschrieben
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hat: Und so du die Wahrheit erkannt hast, so darfst du sie nicht für dich behalten. Wer die Wahrheit erkannt hat, darf sie nicht für sich behalten. Und wer sich berufen fühlt, sie zu sagen, der muß sie sagen, gleichgültig, wie sie aufgenommen wird. Höher als alles andere ist der Ruf aus der geistigen Welt, wenn wir ihn einmal vernommen haben. Dieser Ruf erweckt in uns ein Bewußtsein, das ganz anders ist als alles Bewußtsein, das wir uns aus dem sinnlichen Dasein kennen. Und dann können wir aus der Anschauung des Geisteslandes heraus einen Spruch Salomons zu unserer Devise machen:
Deshalb flehte ich um Einsicht, und sie ward mir gegeben, ich rief den Höchsten an, und Weisheit ward meinem Geiste. Ich schätze die Wahrheit höher als alles dasjenige, was im Sinnenreiche um mich herum lebt.
Der Weise schätzt die Weisheit höher als alle sinnlichen Reiche, die um ihn herum sind. Deshalb versucht er es, diese Weisheit zu verkündigen. Das soll eine Rechtfertigung dessen sein, was mich bewogen hat, über dieses subtile Gebiet des Daseins zu sprechen, obgleich ich weiß, wie diese Dinge mißverstanden werden können und wie schwierig es ist, darüber in einer einigermaßen verständlichen Sprache zu sprechen. Aber wenn wir diesen Ruf empfunden haben, dann lassen wir im Sinne der salomonischen Weisheit ihn austönen in die Worte:
Propter hoc optavi et datus est mihi sensus
et invocavi et venit in me spiritus sapientiae
et praeposui illam regnis et sedibus et divitias nihil esse duxi
in comparatione illius.
III 1, Der Sonnenlogos. Die zehn Avatare
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III
Vier private Lehrstunden
für Marie von Sivers, Olga von Sivers
und Maria von Strauch-Spettini
Berlin-Schlachtensee, Sommer 1903
Aufzeichnungen von
Marie von Sivers (Marie Steiner)
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Erste Stunde
Berlin-Schlachtensee, Sommer 1903
Der Sonnenlogos. Die zehn Avatare
Die äußeren Gestalten der Erscheinungswelt haben neben ihrer äußeren noch eine innere Bedeutung, sie sind gleichsam Symbole einer früheren Entwicklungsphase. «Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis», dem, der tiefer schaut. Dem Psychographen, der mit astralem Vermögen in das innere Werden, in die Seele der Welt schaut, entschleiern die Dinge der Erscheinungswelt ihre innere Geschichte. Das Auge des Dangma sieht in einer Entwicklungsreihe die Verwandlungen des Logos. Die heiligen Bücher der Veden und die Rosenkreuzer-Chronik sprechen von zehn solchen Avataras oder Metamorphosen unseres gegenwärtigen Sonnenlogos. Für das Hellseherorgan ist das heutige Lanzettfischchen (Amphioxus lanceolatus) das Erinnerungszeichen einer Inkarnation des Sonnenlogos und ein Gleichnis für den Vorahn der Wirbeltiere. Man kann sich das vorstellen, wenn man an die Zeichen Sichel, Skorpion, Fisch und so weiter im Kalender denkt, die Symbole für Vorgänge in der Gestirnwelt bedeuten. Die Wirbelknochen, aus denen sich nacheinander die Fische, Amphibien, Vögel und Säugetiere entwickelt haben, waren im Vorahn nur in der ersten Anlage vorhanden, wie in dem heutigen Lanzettfischchen das Fühlorgan durch einen einzigen Nervenstrang angedeutet ist, aus dem sich in späteren Entwicklungen das Gehirn der Wassertiere, der Fische, herausorganisierte.
Die erste Metamorphose des Sonnenlogos drückt die Rosenkreuzer-Chronik mit folgenden Worten aus:
Die einige Muttersubstanz des Geisteslichtes dämmerte in sich selbst. Und der dämmernden Stoff-Dichte entwand sich geistige Sonderheit, sich einfühlend in die Stoff-Dämmerung. Der Weltengeist lebt in diesem Fühlen als die Seele, deren Leib die Wasser sind.
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Indisch: Matsya = Fisch
Erster Avatar.
Der Sonnenlogos inkarniert sich als Vorbild und Führer inmitten einer neuen Entwicklungsphase. Ursprünglich dämmerte der Geist in sich selbst, Geist und Materie sind noch undifferenziert ineinander. So zeigen heute die Mollusken und Würmer noch kein gesondertes Nervenleben, die Empfindung durchdringt ihren ganzen einheitlichen Stoff, aus dem sie bestehen. Bei dem ersten Avatar trennte sich der Geist von der eiförmigen astralen, feinen Stoffhülle und bildete einen leuchtenden Punkt in ihr, mit seinen Strahlen sie durchdringend. Alle Entwicklung ist polarisch.
Und das Geistlicht erzeugt in sich noch eine höhere Geistigkeit, es bringt aus sich eine noch feinere mentale Materie hervor darin sich später das Gehirn hineinbaut , die fühlende, astrale Materie [wird] zurückgedrängt, umhüllt sich schützend an ihrem äußersten Pol mit einer noch festeren Materie, aus der sich die physische später entwickelt. Das wäre der zweite Avatar, die zweite Metamorphose der Gottheit, die die Rosenkreuzer-Chronik mit folgenden Worten ausdrückt:
Und dem Wasserleibe entwand sich das Fühlen, an sich ziehend Festigkeit, die in den Wassern schlummert. Zum Kleide des Fühlens wurde die stoffliche Festigkeit. Bebend ward das Kleid dem Leben der Weltenseele angepaßt, Harmonie schuf die Seele in dem bebenden Kleide.
Das Erinnerungszeichen an den zweiten Avatar ist Kurma, die Schildkröte (Amphibien). Darum hat Paracelsus in den Amphibien Tiere gesehen, die der Gottheit in ihrer Natur noch näherstehen.
Zweites Drittel der zweiten Runde.
In der dritten Metamorphose des Logos zieht sich die Geistigkeit noch mehr in sich zurück, die astrale Materie dehnt sich aus, wird stärker und fester und der sich entwickelnde Mensch lebt ganz
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in seiner gewaltigen Kraft und Stärke, während der Geist sich in einem Schlummerzustand befindet. Der astrale Stoff mußte erst in voller Selbstheit sich widerstandstüchtig machen, um später wieder überwunden zu werden.
Das Erinnerungszeichen für den dritten Avatar, im Beginn der dritten Runde, nennt man Varaha, der Eber. Die RosenkreuzerChronik sagt:
Dem Kleide soll sein Festigkeit gegen des Stoffes Stürme: es soll eine starke Hülle sein seines geistigen Herrn, und in Selbstheit leben muß daher die Hülle. Also kleidete sich die Weltenseele in das Gewand der starken Tierheit.
Im vierten Avatar (erstes Drittel der vierten Runde) wurde dieser Tiermensch Herrscher. Riese in seiner Stoffkraft, zog er die Geistigkeit ganz in sich hinein und machte sich zum Herrn derselben, sie schützend mit seiner gewaltigen Kraft. Ein kleiner Teil blieb als Warn er zurück, und verbunden mit der Allseele wurde die Seele als Zwerg symbolisiert des Nara-simha, des Menschenlöwen Kraft
Und zum Selbst wurde die starke Tierheit, Selbst-Kraft strömend durch des Stoffes Lenden, abwehrend die FeindesKraft von dem zarten Geistselbst, das als Warn er schlummert in der starken Tierheit des Menschenlöwen.
Doch der Zwerg des Geistes, Vamana, strömt seine belebende Kraft durch die Glieder des Riesen, lenkt ihn und macht sich zum Beherrscher des Menschenlöwen, wie der Riese Goliath vom Zwerg David beherrscht wurde. Und auch der Warner wird nun ganz in den Stoff hineingezogen und verliert den letzten Zusammenhang mit der Allseele. Der Mensch ist jetzt ganz auf sich selbst gestellt und hat den äußersten Grad der Absonderung erreicht. Zunächst kämpft nun dieser im Stoff abgesonderte Geist in Selbstsucht und Willkür gegen die anderen abgesonderten Geister; er wird schrankenlos, weil der Warner fehlt und die Führung.
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Es ist der physische Mensch, und der fünfte Avatar lautet:
Und der Warner wurde zum Herrscher der starken Tierheit des Menschenlöwen. Der Zwerg besiegte des Riesen gewaltige Kraft: und Geistleben erweckte er in der Tierheit wuchtigen Gliedern.
Jetzt tritt der sechste Avatar auf als erster Gesetzgeber und streng straft das Gesetz nun den Mißbrauch der Kraft des Kriegers. Es ist die Epoche des Parashu-Rama (Vater des Rama). Er führt die Krieger und beugt sie unter das harte, aber gute Gesetz.
Sechster Avatar:
Nicht ohne des Geistlebens Richtkraft dürften fortan des Körpers Lenden sich strecken. Denn böse würde solches geistfremde Strecken. Das Geistleben trat in die Mitte der lendenbegabten Krieger, und das gute Gesetz wollte strafen die geistfremden Kräfte.
Jetzt als siebente Metamorphose des Logos erschien Rama, der Sohn des Parashu-Rama, und er milderte in Liebe die Härte und Strenge der Gebote und die Krieger liebten das Gesetz in willigem Gehorsam. Es war der erste noch sagenhafte Idealkönig der Inder und aller anderen Völker.
Siebenter Avatar:
Ernst und streng war der Zwang des Geistwesens. Da gebar es in sich die Milde. In Liebe löste sich hartes Gesetzesgebot.
Jetzt trat Krishna auf als achte Inkarnation des Gottes, er lehrte die Menschen die Liebe als Seligkeit empfinden und lebte als Vorbild ihnen in Seligkeit:
Und der Liebessame erblühte und trieb Liebesfrucht, die da heißet die Seligkeit. Und die Seligkeit war selbst Mensch.
Bis hier war des Menschen Leben ein Aufstieg bis zur Budhihöhe
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der Seligkeit, aber jetzt mußte der Weg wieder abwärts des Bogens zurückgelegt werden, um Weisheit zu lernen und Manas durch das Werk, durch Karma hindurch wieder freizumachen und mit Budhi zu verbinden. Und so erschien Buddha als Führer und Urbild, der Menschheitsentwicklung so weit voraus, um ihnen den Weg zu weisen. So heißt der neunte Avatar: Buddha.
Und die Seligkeit sandte ihren Sohn zur Erde: der da heißet die verkörperte Weisheit. Und sie wohnte in dem sterblichen Leibe des Königsohnes. Buddha.
Der zehnte Avatar: Das ist der, der da kommen wird; Kalki, sagt das Indische. Die Rosenkreuzer-Chronik lautet:
Wenn aber die Zeiten erfüllt sind, das Auge öffnet sich, und Menschenschicksal wird leuchtend im Innern, die leuchtende Gestalt wähle zum Führer: dann wird dir Schicksal selbst Gesetz und liebesvolles Wollen. Wes Auge sich öffnet, der sieht lebende Rosen dem Kreuze erwachsen.
Christus war für die Rosenkreuzer dieser Kommende, Christus als die sich immer fortentwickelnde Kristallisation zum leuchtenden Vorbild der sich hinaufentwickelnden Menschheit, der als Jesus menschliches Karma auf sich nahm und durch immer neue Inkarnation mit dem Karma der Christenheit verbunden bleibt, sie führend und leitend bis ans Ende dieser Rasse.
Alle Lebenslegenden der Nirmanakayas, der Lehrer der Menschheit, glichen sich, sie sind nach einem bestimmten Schema: Leben, Versuchung, Opfertod und Verklärung, zu dem gemeinsamen Zweck bei dem Niederstieg in die Materie ausgewählt: Zarathustra, Hermes, die Druidenlehrer, Buddha, Christus. Bis zur Verklärung ist das Leben Jesu und Buddhas gleich, von hier [ab] tritt eine Änderung ein, und Christus steigt am tiefsten in die Materie hinab, denn ihm ist eine besondere Aufgabe gegeben. Als die Individualität des Mahaguru sich als Buddha inkarnierte, hatten die Lehren desselben zu Mißverständnissen und Spaltungen geführt, er hatte zuviel gegeben.
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Noch einmal mußte Buddha als Shankaracharya sich inkarnieren und von ihm sind dann die tibetanischen Lehrer, die Mahatmas, ausgebildet worden, welche die Lehre der Theosophie zum Teil der Öffentlichkeit übergeben haben, um durch sie den verschiedenen Religionen den esoterischen Inhalt, der allen gleich zugrundeliegt, wiederzugeben und um das gesunkene geistige Niveau der Menschheit zu heben. Als sich die Individualität des Mahaguru in Christo inkarnierte, wählte er nicht wie sonst eine jungfräuliche embryonale Materie, die rein und frei von Karma war, sondern stieg tiefer hinab, um so karmabeladen in voller Brüderlichkeit mit der Menschheit als Fleisch von ihrem Fleische auch die dichteste Materie zu geistiger Verklärung zu bringen. So kam das Mysterium Christo zustande: Daß der Mahaguru von dem Leib eines niederen Mahatmas, eines Chelas der dritten Initiation, des dreißigjährigen Jesu Besitz ergriff, dessen Körper schon durch das Leben hindurchgegangen war und Karma gebildet hatte. Als Christus trat von nun an der große Lehrer der Menschheit auf. Bis zur Verklärung gleicht das Leben Jesu dem Buddhas, von hier aber beginnt die Tragödie des Christus. Er hatte die Bestimmung, Kreuzestod und Wiederauferstehung, die sonst nur sinnbildlich in der Verborgenheit vollzogen wurden, nun vorbildlich und öffentlich am eigenen Körper zu erleben, um durch dieses Opfer auch die große Masse der Menschheit emporzuheben und sie der Erlösung aus der niederen Materie entgegenzuführen. So steht Buddha einerseits auf einer höheren Stufe, weil er erhabener, von der niederen Materie unberührt blieb und nur lehrte, und andererseits steht Christus höher, weil er das größere Opfer vollzogen und durch seinen Abstieg in die dichteste physische Materie sie vergeistigt wieder zurückbrachte.
Christus hat keine Aufzeichnungen hinterlassen wie andere große Lehrer der Menschheit. Seine Aufgabe war es, diese Lehren, die schon vorhanden waren, zu leben, vorbildlich für die Menschheit zu leben und so die Mysterienlehre freizumachen, um eine möglichst große Menschheitsmasse zur schnelleren geistigen Evolution zu bringen. So brachte er der Menschheit das größte Opfer: Sein lichter Geist stieg in die dunkelste Materie hinab.
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Notzibucheintragungen zur ersten Lehrstunde Sommer 1903
(Archiv-Nr. NB 427)
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III 2, Die Bhagavad Gita
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Zweite Stunde
Berlin-Schlachtensee, Sommer 1903
Die Bhagavad Gita
Die Bhagavad Gita, welche in poetischem Gewande die erhabenste Tugendlehre der indischen Weltanschauung enthält, bildet eine in sich abgeschlossene Episode aus einem der berühmtesten und ältesten der beiden großen Heldenepen der Inder, dem Mahabharata, das heißt der große Krieg.
Was den Griechen die homerischen Gesänge, den germanischen Völkern die Nibelungensage, das ist dem Sanskritvolke das Mahabharata. Ihren Kern bilden die uralten Kriegsgesänge und Heldensagen aus der Zeit der großen Wanderung und der Eroberungskämpfe am Ganges. Die Anfänge dieser Dichtung reichen hinauf bis ins 10. und 11. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung und geben ein treu es Sittengemälde dieser ältesten indischen Heldenzeit. Historische Tatsachen und Persönlichkeiten in poetischer Umhüllung liegen diesen Schilderungen gewiß ebenso zugrunde wie den anderen Volksgesängen.
Im Mittelpunkt stehen die Kämpfe der beiden verwandten Geschlechter der Kurus und Pandus, die mit dem Untergange des Heldengeschlechtes der Kurus enden. Die Bhagavad Gita hat zum Inhalt ein wundervolles religionsphilosophisches Gespräch zwischen dem Helden Arjuna und Krishna, dem fleischgewordenen, inkarnierten Gotte. Die lichtvollen und erhabenen Weisheitslehren und das überaus fein differenzierte Empfindungs- und Unterscheidungsvermögen in den subtilsten ethischen Fragen lassen nicht nur auf eine noch unerreichte Kultur unserer Stammeseltern auf diesem Gebiete schließen, nein, sie wirken auch wie unmittelbare Offenbarungen des göttlichen Geistes. Wilhelm von Humboldt war so erschüttert von der unvergleichlichen Schönheit und Tiefe dieser Dichtung, daß er begeistert ausrief: Es lohnt, so lange zu leben, um ein solches Gedicht kennenzulernen.
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Im Beginn stehen sich die beiden feindlichen Heere kampfbereit gegenüber. Arjuna der Held läßt seinen goldenen, mit weißen Rossen bespannten Wagen in die Mitte des Kriegsfeldes lenken, um sich die kampfbegierigen Feinde näher zu betrachten. Als er aber in ihren Reihen Blutsverwandte entdeckt, Väter, Söhne, Enkel, Vettern und Brüder, die wutentbrannt sich gegenseitig morden wollen, da erbebt sein edles Herz in wildem Weh, und von Mitleid überwältigt, entfällt ihm der schon gespannte Bogen. Er schaudert vor dem Gedanken einer Blutschuld zurück, lieber will er auf Ruhm und Herrschertum verzichten, als diese Sünde auf sich laden; lieber möchte er von ihrer Hand sterben, als den Tod eines seiner Verwandten verschulden. Doch Krishna naht sich dem Verzagten und schlichtet den Kampf in seinem Innern, indem er ihn über seine Pflichten als Krieger, über sein Dharma aufklärt. Arjuna der Held ist der Mensch, und sein Inneres ist das Schlachtfeld, auf, dem die harten Kämpfe der Seele ausgefochten werden. Schwankend zwischen dem irdischen und dem himmlischen Teile unseres Gemütslebens, im Widerstreit der Gefühle, von bangen Zweifeln geplagt, wissen wir oft nicht, wohin wir uns wenden sollen, was unsere Pflicht ist. Denn jedes Sonderwesen hat seine eigene besondere Pflicht, sein Dharma, das er erkennen muß.
Was versteht der Inder unter «Dharma»? Dharma hat viele Bedeutungen, die sich aber gegenseitig ergänzen und alle zueinander in Beziehung stehen. Dharma ist mit Karma eng verknüpft; sie verhalten sich zueinander wie Frucht und Samen. Dharma ist das Gewordene, das Resultat des vergangenen Karmas, der vergangenen Tätigkeit, und Dharma ist das gegenwärtige schaffende Prinzip in uns und erzeugt wieder das Karma der Zukunft. Dharma ist die Richtkraft unseres eigenen Denkens und Handelns, unsere eigene, persönliche Wahrheit. Es bezeichnet unsere innere Natur, charakterisiert durch den erreichten Grad der Entwicklung; es ist das Gesetz, welches das Wachstum für die zukünftige Entwicklungsperiode bestimmt, der fortlaufende Lebensfaden. Wie Ring an Ring reiht sich Inkarnation an Inkarnation, eine kontinuierliche Kette. Dharma ist unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
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zugleich und wirkt in uns als Vater, Mutter und Sohn. Der Vater als Übersein, als höheres Selbst, als seine Wahrheit und sein Gesetz; die Mutter als das sich entwickelnde Wesen und der Sohn als das Künftige. Eine Inkarnation ist wertlos und verloren, die nicht durch Tätigkeit eine Übergangs stufe zur höheren Entwicklung wird; ebenso zwecklos ist das Streben, der Wunsch nach einer Vervollkommnung, die nicht durch vorangegangene Tätigkeit erworben ist. Es gibt in der Entwicklung keinen Sprung; geduldig weben wir uns Kleid auf Kleid auf dem Webstuhl der Zeit. Was auf einer vergangenen Stufe geübt wurde, wird Anlage auf einer künftigen, und Tätigkeit in einer früheren Periode wird Fertigkeit in einer späteren.
Schwer ist es für uns immer, unser eigenes Dharma, das Gesetz unseres persönlichen Daseins zu finden, das Gebot «Erkenne dich selbst» zu erfüllen. Man muß sich lange gewöhnen, um unbeeinflußt von den Dingen der Sinnenwelt, von unseren eigenen Wünschen und bewunderten Vorbildern, sich still in sich selbst versenken zu können und auf die innere Stimme zu horchen, die uns den Weg unserer Pflicht weist, die unsere Stellung, unsere Beziehungen, der Kreis, in den wir hineingeboren sind, uns auferlegen. Wenn wir die Stufe unseres Seins, unseren Unvollkommenheitsgrad richtig erkennen, wenn wir uns über das, was Wahrheit und Pflicht auf unserer Entwicklungstufe ist, recht klarwerden, dann dient Selbsterkenntnis nicht dem Egoismus, sondern das ist Dharma, denn Dharma ist die Befolgung des Gesetzes im Sinne wahrer Selbsterkenntnis. Wir finden dann unsere persönliche Note und können sie in der ewigen Weltharmonie zum kräftigen Mittönen bringen. Wir müssen unseren innigen Zusammenhang mit dem Kosmos, als einen Teil desselben, begreifen lernen; unsere Schwingungen müssen harmonisch zu der rhythmischen Bewegung des Kosmos stimmen. Unrecht und Sünde ist ja nichts anderes als Disharmonie, wenn unsere unregelmäßigen Schwingungen Stockungen und Störungen in dem gesetzmäßigen Gang des kosmischen Geschehens verursachen. Je mehr wir uns eins mit dem Kosmos fühlen, je mehr wird er uns offenbaren. Nur der Geist spricht zu uns, den zu
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verstehen wir gelernt haben. Nach dem Maße unserer Erkenntnis wird uns göttliche Inspiration zuteil, offenbart sich uns das höhere Selbst, das göttlicher Natur ist.
Wir können ja nur einen Teil jener großen, ewigen Wahrheit erkennen, in dem Umfange und der Größe, als wir durch unsere eigene Tätigkeit, durch unser Karma, in uns zur Offenbarung gebracht haben. Leben für Leben steigert sich in unserem Entwicklungsgang dieser Umfang, wir schreiten in Wissen und Erkenntnis fort, denn unsere Bestimmung ist es, den ganzen Ideeninhalt unserer Welt, unseres Kosmos, nach und nach in uns aufzunehmen. Wir können das nie, ohne stufenweise in uns den ganzen Reichtum der Erscheinungswelt als Erfahrung zu durchleben. Die Natur lebt in uns, wenn wir sie ganz erfassen. Ruhe, Friede und Zufriedenheit mit seinem Lebenslose muß jeden überkommen, der klar erkennt, daß er in den Kreis hineingeboren ist, für den er sich durch sein vergangenes Karma selbst vorbereitet hatte und den er nun mit der ganzen Treue auszufüllen und dessen ganzen Umfang er durch seine Tätigkeit zu erschöpfen hat. Damit hat er durch eigenes Erleben ein Wissensgebiet sich errungen und arbeitet nun in seiner eigenen Linie an der Erweiterung desselben, um sich höhere und bessere Daseinsbedingungen für künftig zu schaffen. So wird er auch dem Bruder, der unter ihm auf der Stufenleiter der Wesen emporzuklimmen versucht, in liebevollem Verständnis die Hand reichen, um ihm zu helfen, denn er selbst stand ja vor kurzem noch auf derselben Sprosse und rang sich mühsam empor, die Hände ausstreckend nach den Brüdern, die ihm voraus emporgeschritten waren.
So sehen wir, wie jeder verschieden von dem anderen seine eigenen Pflichten hat, wie klar wir unterscheiden lernen müssen, um nicht uns aus unserer Bahn lenken zu lassen, um unser Gleichgewicht zu bewahren, unser Gesetz zu befolgen. Mit weiser Voraussicht hatten die hohen Führer und erleuchteten Könige das indische Volk in Kasten geteilt. So grausam das uns an Freiheit und uneingeschränkte Wahl gewöhnte Abendländer auch erscheinen mag, so liegt doch diesem strengen Zwange ein tiefer Sinn zugrunde.
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Die Kasteneinteilung der alten Inder entspricht ganz der natürlichen Einteilung des Menschengeschlechts. Jeder wird durch sein eigenes Karma in die ihm gemäße Kaste hineingeboren, er hat erst den ganzen Umkreis der Pflichten innerhalb derselben zu erfüllen, ehe er für eine neue Inkarnation in die nächsthöhere Kaste reif wird. Solange auf einer niederen Stufe das eigene Urteil noch unentwickelt ist, muß der Mensch Gehorsam lernen, er muß im Dienen die Tugenden der Treue und Ergebenheit erwerben, und so bildet die Kaste der Sudra die Schule für unbedingten Gehorsam und Unterordnung diese geübten Tugenden, die erst für Selbstbezwingung, Selbstbestimmung und eine liebevolle und milde Herrschaft befähigt machen.
In der zweiten Kaste, den Vaisya, wird der Mensch, Ackerbau und Viehzucht treibend, in innigsten Zusammenhang mit der umgebenden Natur treten. Er wird im Schweiße seines Angesichts den Mutterboden bearbeiten lernen, er wird säen und ernten und so die Nahrung für seine Mitbrüder erzeugen; er wird alle Tugenden eines Ackerbauers üben. Sodann wird er als Kaufmann Handel und Gewerbe treiben, Reichtümer sammeln und viele Untugenden seines Standes durchmachen müssen. Durch Selbstsucht und Geiz wird er oft erst weise Ökonomie erlernen und die richtige Verwendung seines Reichtums zum Nutzen und Frommen seiner Mitbürger. Hat er bis zur Vollkommenheit seine Lektion auf dieser Stufe erlernt, so wird er in der folgenden Inkarnation ein Kshatriya und in die Kriegerkaste hineingeboren. Hier muß er seine Kräfte zum Schutze und zur Verteidigung seines Vaterlandes einsetzen; durch Mut und Tapferkeit und Selbstverleugnung Stärke gewinnen, um jeder Gefahr gewachsen zu sein. Das kann er nur, wenn er jeden Augenblick bereit ist, sein Leben der Pflicht zum Opfer zu bringen. Der Krieger muß das physische Leben hingeben, dann erwirkt seine Seele den Geist der Selbstentäußerung und ist Schöpfer eines Ideals. Der Körper ist einzig dazu bestimmt, der Entwicklung des inneren Lebens zu helfen; er muß verschwinden, wenn die Seele einen neuen Körper braucht, das heißt ein passenderes Kleid für ihre fortgeschrittene Entwicklung. Der Krieg ist die Schule,
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die durchgemacht werden muß, um in jene höchste Kaste der Brahmanen zu gelangen, für die auf ihrer Stufe der Entwicklung und Erkenntnis Kampf und Tötung eine Todsünde ist. «Töte deinen Feind» ist dem Kshatriya geboten, er weiß aber, daß er niemals in Wahrheit einen seiner Brüder töten noch von ihm getötet werden kann, wie Krishna tröstend zu Arjuna sagt.
Nur die Erreichung der höchsten Vollkommenheit in allen Pflichten der anderen Kasten gibt die Befähigung, in den Brahmanen- oder Priesterstand zu kommen. Der Brahmane hat sich von Kampf und Streit fernzuhalten, er sammelt und bewacht die höchsten Güter der Menschheit, er ist ihr geistiger Führer und Lehrer. Friede und Weisheit und Erkenntnis teilt er seinen schwachen Brüdern mit, in ihm ruhen alle die Erfahrungen der vergangenen Jahrhunderte als Befähigung, die Menschheit zu ihrer ewigen Bestimmung hinzuleiten.
So sehen wir, wie jede Entwicklungsstufe ihr eigenes Dharma erfüllen muß. Was auf der einen Stufe als gut gilt, hat die andere als böse zu meiden. Gut und Böse hat in der ewigen Weltordnung seinen Platz; in ihr verlieren sie jene Bedeutung, welche wir ihnen beilegen. Sie sind notwendig, denn sie sind die Pole der Entwicklung, sie sind aus einem Ursprung hervorgegangen. Gut und Böse, Wirkung und Gegenwirkung, bedingen und ergänzen sich wie Schlaf und Wachen, wie Ruhe und Tätigkeit, wie Licht und Schatten, wie Hell und Dunkel, und sie gehören zueinander wie Geist und Materie. Es ist Atma als reinstes Licht, Urquell alles Seins, und Atma als Spiegelbild, dunkelster Punkt und Keimkraft in der dichtesten Materie, welches den Anstoß zur Entwicklung und Verfeinerung der Materie in ewigem Wechsel der Formengebilde gibt, bis sich die Gegensätzlichkeit zur Lichtquelle des Geistes emporgerungen hat und in Nirwana sich mit seinem Ausgangspunkt wieder vereinigt. Aus der ursprünglichen Einheit der Weltharmonie, des ewigen Grundes aller Dinge, des Seins, löst sich die Gegensätzlichkeit los das ewige Werden der Materie, die sich in zahllosen wechselnden Formen aus sich heraus und hinauf entwickelt zur Erfüllung, um aus der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, dem
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Vielen, wieder zu einer Einheit zu verschmelzen, bereichert mit den unzähligen Erfahrungen der getrennten Einheiten. Mit Nirwana schließt sich der Kreis: Ausgang und Rückkehr zum ewigen Urgeist.
Für die abendländische Weltanschauung, welche in der Entwicklung des gegenwärtigen Seins ihr höchstes Ziel sieht, bedeutet Nirwana das Nichts. Von dem, was ihr als vollkommenes Sein gilt, ist in Nirwana allerdings nichts vorhanden. Nirwana ist das Nichts von Karma; es kann kein Karma mehr entstehen, weil Dharma offenbar geworden ist.
Vergangene Weltanschauungen sahen auf das, was noch nicht ist, und das gegenwärtige Sein war ihnen ein unvollkommener Übergang zu Höherem. Jeden Tätigkeitszustand sahen sie als Zwischenglied zwischen der Unvollkommenheit und der absoluten Vollkommenheit in Nirwana an. Das Ziel und das Ideal für sie war der Zustand einer Wesenheit, die ihr ganzes Dharma offenbart und damit ihr Karma verbrannt hat und in Nirwana eingeht.
III 3, Der erste, zweite und dritte Logos
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Dritte Stunde
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Der erste, zweite und dritte Logos
[Der Anfang der Ausführungen fehlt.]
Wenn nun der selbstlose Strom in zwei zyklischen Ausströmungen wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt und die Materie sich wieder auflöst, so ist nichts geschehen, als daß sie bereichert zu ihrem Ursprung zurückkehrt. Nur durch die Aufnahme und Überwindung der selbstischen Strömung wird die selbstlose Strömung eine solche starkschwingende Kraftentwicklung entfalten, daß sie über sich selbst, das heißt über den kosmischen Kreis, der das erste Treffen der beiden Strömungen bildet, hinaus schwingen muß. Es wird im Auseinanderfließen der Selbstlosigkeit ein Neues geboren werden, aus ihr hervorgerufen, eine neue Region: Paranirwana, die negative Materie, weil sie im Gegensatz zur Materie, die innerhalb des kosmischen Kreises durch Anziehung festgehalten wird, außerhalb sich ausbreitet. Man kann sich den Vorgang klarmachen, wenn man sich die Pendelschwingung vorstellt. Das vorwärtsschwingende Pendel wird sogleich rückwärts zurückschwingen und muß, wenn es nicht auf seinem Wege durch Hindernisse aufgehalten wird, in so starke Schwingung geraten, daß es über seinen Ausgangspunkt hinausgeht so wie auch ein vorwärtsrollender Wagen nicht plötzlich anhalten kann, sondern noch eine Strecke weiterrollen muß.
Mit dieser Vorbereitung und stufenweisen Entwicklung der Materie wären nun die stofflichen Bestandteile zu einer Planetenbildung geschaffen, aber das Planetenleben selbst kann noch nicht entstehen. So konnte der Logos nicht in Paranirwana verweilen, er mußte zurück, und auf diesem Rückweg bildete er die Maha-Paranirwana-Region. Von hier aus mußte der Logos das Opfer bringen und wieder den Kreislauf durch die Materie beginnen, damit noch anderes Leben, außer ihm, aber aus ihm heraus entstehen konnte.
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Alles Leben in mannigfaltigen Formen ist aus der Einheit, dem einen Logos hervorgegangen. In ihm ruht alle Mannigfaltigkeit noch ungeschieden, undifferenziert verborgen. So wie er erkennbar wird, sich als Selbst wahrnimmt, tritt er aus dem Absoluten, aus dem Unterschiedslosen heraus und schafft das Nicht-Selbst, sein Spiegelbild, den zweiten Logos. Dieses Spiegelbild beseelt und belebt er, es ist sein dritter Aspekt, der dritte Logos.
So wäre der erste Logos das Undifferenzierte, in dem Leben und Form ungeschieden ruhen, als der Vater zu betrachten. Mit seinem Dasein beginnt die Zeit; er trennt sein Spiegelbild von sich ab, die Form, das Weibliche, das er mit seinem Leben erfüllt, der zweite Logos; und aus dieser Beseelung geht der dritte Logos als Sohn, als belebte Form hervor. So haben sich alle Religionen ihren Gott in dreifacher Gestalt gedacht, als Vater, Mutter und Sohn. So Uranos und Gäa, die mütterliche Erde; und Kronos, die Zeit, ist als Sohn aus ihrem Schoße hervorgegangen; Osiris, Isis und Horus und so weiter.
Das Opfer des Logos ist: Der Geist steigt hernieder in die Materie, beseelt sein Spiegelbild, und damit ist auch der Welt belebter Formen ihr Dasein gegeben, die alle ihr Sonderdasein führen und den Zyklus der Evolution durchmachen, um als höchstentwickelte Individualitäten wieder eins mit dem Logos zu werden, der durch sie den Erfahrungsreichtum empfängt. Hätte er sich nicht ausgegossen, um alle diese Formen zu beleben, so würde es kein selbständiges Wachsen und Werden geben. Alle Bewegung, alles Entstehen würde kein Eigenleben haben, es würde sich nur regen und bewegen nach der Direktion des Gottes.
So, wie den Menschen nur das Unbekannte, das Individuelle an dem Menschen interessiert und ihn alles, was er berechnen und verstehen kann, gleichgültig läßt, so kann auch der Logos nur an selbständig sich entwickelndem Leben seine Freude haben, das aus ihm hervorgeht, für das er sich opfert und hingibt.
Es beginnt der Entwicklungsprozeß der Materie, in welcher sich die Qualitäten des Wesens abspiegeln und wirksam sind, bis diese Spiegelbilder als abgetrennte Formen selbst ihre Tätigkeit beginnen
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und so die Materie immer mehr vergeistigen und beseelen, bis sie wieder eins wird dem Wesen Atma, Budhi, Manas [Lücke]
Zuerst war die kosmische Grundlage durch das Zusammentreffen der beiden Eigenschaften Selbstigkeit und Selbstlosigkeit des ersten Logos geschaffen. Durch die zweite Strömung derselben, durch Harmonie geleitet, bildete sich die atomistische Essenz. Diese umhüllte sich mit der schon vorhandenen Muttersubstanz, und es kam die Atombildung zustande. Diese Atome, mit ihren Hüllen von verschiedenen Dichtigkeitsgraden, bildeten nun stufenweise die Materie, welche dem zweiten Logos, der das Spiegelbild des ersten ist, als Medium dienen konnte, um sein Spiegelbild derselben abzugeben. Der zweite Logos strömt nun in diese Materie, die auf ihrer ersten, der Nirwana-Stufe, von so feinster Beschaffenheit ist, daß er ungehindert und unverändert durch sie hindurchströmen kann. Er gelangt nun in die Budhi-Region; hier wird er aufgehalten, und wenn auch die Selbstlosigkeit in dieser Region so stark ist, daß sie den Logos nicht für ihr Reich festhalten will, so beansprucht sie ihn doch für ihren ganzen Kosmos. Hier beginnt nun das Opfer des Logos, die Stimme, der Ton geht aus ihm hervor: er will mit seinem Geiste die Materie beleben, daß seine Gedanken als selbständige Formen ihr Dasein haben sollen. Hier, wo der göttliche Gedanke Ton und Stimme wird, in der Budhi-Sphäre, ist für das Mittelalter das göttliche Reich. Mit Budhi umhüllt, strömt nun der Logos in die mentale Region, die sich in die Arupa- und Rupastufe teilt; hier hinein ergießt sich nun die göttliche Gedankenwelt, die vorbildlichen Ideen wogen durcheinander. Was später Sonderwesenheit wird und in der Budhi-Sphäre noch im Logos eingeschlossen ruht, wird hier als vorbildliche Idee ins Dasein gerufen. Diese Arupastufe der mentalen Sphäre ist die Ideenwelt Platos, die Vernunftwelt des Mittelalters. Auf der Arupastufe nehmen diese Ideen ihre ersten Gestalten an. Als göttliche Genien beginnen sie ihr Sonderdasein und schweben durcheinander, sie durchdringen einander noch als gleichartige Geistwesen. Es ist das himmlische Reich des Mittelalters.
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Diese Geistwesen kommen nun in die astrale Sphäre; hier, mit einem dichteren Stoffe umhüllt, erwacht durch die Berührung die Empfindung; sie empfinden sich jetzt erst als Sonderwesen, sie fühlen die Trennung. Es ist das elementare Reich, die Welt des Elementalen. Hinabgestiegen in die Äthersphäre wird diese Empfindung von innen nach außen gedrängt, sie quillt auf, dehnt sich und wächst durch die ätherische vegetabilische Kraft, um dann von der physischen Materie eingeschlossen und kristallisiert zu werden, weil hier das Selbstische noch in voller Kraft nach Begrenzung strebt. So ist die Empfindung im Mineralreich eingeschlossen und die göttlichen Ideen schlafen in erhabener Ruhe im keuschen Gestein. Der Stein ein eingefrorener Gottesgedanke: «Die Steine sind stumm. Ich habe das ewige Schöpferwort in sie gelegt und verborgen; keusch und schamvoll halten sie es in sich beschlossen.» So lautet ein alter Druidenspruch, eine Gebetsformel. Äther- und physisches Reich oder Mineralreich werden im Mittelalter Mikrokosmos oder das kleine Reich genannt.
Beim Einströmen hat der Logos sich mit immer dichteren Hüllen umgeben, bis er im Gestein gelernt hat, sich fest zu begrenzen. Die Steine sind jedoch stumm, sie können das ewige Schöpferwort nicht offenbaren. Die starre physische Hülle muß wieder abgeworfen werden; sie bleibt in ihrem Reich zurück, während nun die kristallischen Formen in ihrer weichen Ätherhülle sich ausdehnen, von innen heraus wachsen, das heißt leben können, denn Leben ist Wachstum; der Stein wird zur Pflanze. Und weiter aufsteigend streift der Logos auch diese Ätherhülle ab und kommt an die astrale Empfindungssphäre. Hier entfaltet sich durch Wechselwirkung der Berührung und Wahrnehmung die Tätigkeit; lebendig gestaltet sich aus Empfindung und Wollen das empfindende Tierdasein. So baut es sich, indem der Anstoß von außen als Empfindung nach innen wirkt, nach und nach seine Wahrnehmungsorgane aus. Es formen sich die Typen. Übergehend in das mentale Reich nimmt diese Empfindung sich selbst wahr, und mit dem Ich-Bewußtsein ist die Menschheitsstufe erreicht.
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Vom kosmischen Standpunkt wäre mit dem Einströmen des Logos ins mineralische Reich sein tiefster Niederstieg in die Materie erreicht und mit dem Abwerfen der ersten Hülle das Aufwärtssteigen des Logos begonnen. Vom Standpunkt des Menschen aber gesehen, im anthropozentrischen Sinn, wie ihn unter anderem auch die alten Druidenpriester annahmen, wäre das Ruhen des Geistes im keuschen Gestein eine erhabene Daseinsstufe. Unberührt von selbstischem Wollen gehorcht der Stein einzig dem Kausalitätsgesetze. Für den Menschen auf der unteren mentalen Stufe, auf der wir jetzt stehen, wäre das Gestein ein Symbol zu höherer Entwicklung. Durch niedere karmische Leidenschaften und Irrungen hindurch entwickeln wir uns zu ätherischem Pflanzendasein, leben und wachsen von innen heraus in selbstloser Selbstverständlichkeit, um später in unserem Kausalkörper zu leben, unberührt von allem Außen, als reiner Geist in uns selbst beruhend, wie der kristallisierte Geist eingeschlossen im Gestein ruht.
Der zweite Logos, als Beweger und Beleber der Materie, in der er einschlossen ist, ist nur bis zur unteren mentalen Sphäre gelangt. Das empfindende Tier hat durch das Ich-Bewußtsein die menschliche Daseinsstufe erreicht. Es vermag die äußere Welt in Beziehung zu seiner Persönlichkeit zu bringen, es nimmt sich selbst wahr. So weit hat ihn die Natur geführt und geleitet, hier läßt sie ihn allein und in Freiheit. Die weitere Entwicklung des Menschen hängt nun einzig von seinem Willen ab. Er muß sich selbst zu dem Gefäß machen, die äußere Hülle der niederen mentalen Sphäre abstreifen, damit er nun die Einströmung des ersten Logos empfangen kann, wie das Samenkorn sich öffnet und der Befruchtung harrt, ohne die es nicht wachsen und Frucht tragen kann.
Der erste Logos ist das Ewige in dem All, das unveränderliche Gesetz, nach dem sich die Gestirne in ihren Bahnen bewegen, das allen Dingen zugrundeliegt. Die einzelnen Formen sind der Vernichtung und Veränderung unterworfen. Wir nehmen mit unserem sinnlichen Sehvermögen Farben wahr, die einem anderen Sehvermögen anders erscheinen können. Der äußerliche, feste Gegenstand, der durch seine Teile in der bestimmten Form zusammengehalten
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wird, kann bei einer gewissen Wärmetemperatur verschwinden, seine Teile können sich auflösen, aber das Gesetz, nach dem er geworden, bleibt und ist ewig. So bewegt sich das ganze Weltall nach ewigen Gesetzen, der erste Logos strömt ausgebreitet in ihm. Zu ihm muß der Mensch sich mit seinem Willen erheben. Er muß die selbstlose niedere Seelenerkenntnis (Antahkarana) in sich entwickeln. Er muß durch reine Betrachtung dieses ewige unwandelbare Gesetz in dem Vergänglichen wahrnehmen, er muß unterscheiden lernen, was nur vorübergehende Erscheinung in einer bestimmten Form und was sein Wesenskern ist, er muß das Geschaute als Gedanke in sich aufnehmen und bewahren. So lernt er allmählich das Unreale der Erscheinungswelt kennen, der Gedanke wird ihm das Reale, er steigt allmählich empor zu der Arupastufe, er lebt in der reinen Gedankenwelt. Das Viele löst sich ihm auf und geht ihm unter in der Einheit, er fühlt sich Eins mit dem All. So hat er sich denn so hoch erhoben, daß er die Einströmung vom ersten Logos unmittelbar als Intuition empfangen kann. Aber nicht jedem einzelnen strömt so eine Einzelseele ein, nein, es ist die All-Seele, es ist die Seele Platos und anderer, an der er teilhat, mit denen er eins in Gedanken wird. Stufenweise entwickelt sich aus dem karmischen der höhere Mensch.
An diesem Wendepunkt, wo er in Freiheit durch seinen Willen sich emporringen soll, bedarf er des Lehrers, und darum waren in der dritten Rasse der vierten Runde, der lemurischen Zeit, die Söhne des Manas heruntergestiegen und ließen sich inkarnieren, um als Führer zu dienen. Mit dem einfachen Zählen schon, mit dem Verständnis für die Zahl begann die mentale Entwicklung und schied den denkenden Menschen von dem nur sinnlich empfindenden Tier.
III 4, Die höhere Entwicklung des Menschen
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Vierte Stunde
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Die höhere Entwicklung des Menschen
In den Weisheitsschulen von Plato und Pythagoras war es den Schülern nur nach dem Studium der Mathematik gestattet, zu den höheren Erkenntnisquellen vorzudringen. Nur reiner Selbstlosigkeit erschloß sich die ewige Weisheit, und die Mathematik war die einzige Wissenschaft, die dazu erziehen konnte, weil sie keinem Zweck, keiner selbstischen Befriedigung dient und nur die reinen Verhältnisse, die reine Gesetzmäßigkeit der Grundformen lehrt.
Des Menschen Entwicklung ist ein Niederwärtssteigen aus der All- Einheit zur Sonderheit und ein stufenweises Aufsteigen in bewußter Freiheit zur Erkenntnis seines Zusammenhanges mit dem All und Rückkehr ins Allgemeine. Darum ist dem Menschen, vom Mentalen gesehen, der tote Stein ein Vorbild des Höheren. In ihm ist noch der große Zusammenhang bewahrt, in ihm wirkt allein das Kausalgesetz; was ihn in Bewegung setzt, gibt er der Außenwelt ab. Er reicht vom Mentalen ins Physische hinein, denn der reine Gedanke ruht in ihm eingeschlossen. Sein Leben ist nur Form. So ist die Sonne, die als physisches Abbild des Logos im Mentalen zu Hause ist, und das ganze Mineralreich wie ein großes Laboratorium physischer und chemischer Kräfte zu betrachten.
Mit der Pflanze, die eine Stufe niedriger, im Astralen, ihren Ursprung hat, beginnt das Leben und damit die Absonderung. Sie zieht Nahrung von außen in sich hinein, um sich zu vergrößern, sie will wachsen und sich ausbreiten. Es ist der Anfang des Egoismus. Die Pflanze kann aber eine Stufe höher sich entwickeln; sie entwickelt sich aus dem Astralen durch das physische Reich hinauf zur Äthersphäre. Das Tier, das in der Äthersphäre entsteht, empfindet bereits, es will nicht nur Nahrung zu seinem Wachstum, es will aus der Außenwelt das an sich reißen und sich zueignen, was ihm Genuß schafft. Es empfindet das Leben
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als Lust und Leiden; es steigt auf und entwickelt sich bis zum Astralen.
Und der Mensch als solcher, der im Physischen seinen Ursprung hat und als Naturwesen bis zur Vorstellung der Außenwelt gelangt und sich als Einzelwesen wahrnimmt, steht in seinem Egoismus am tiefsten, doch kann er im Gedanken zur mentalen Sphäre sich emporheben, obgleich er nur im Physischen wahrnehmen kann, denn er lebt mit seinem Gehirn und seinem sichtbaren Körper im Mineralreich. Aber alle Elemente des Alls trägt er in sich, er ist durch alle Reiche hindurchgegangen, und die Kräfte aller ruhen als Prinzipien in ihm; er kann sie bewußt aus sich entwickeln. Was wir sehen, ist der physische Körper, er gehört dem Mineralreich an, aber durch Prana, das Lebensprinzip, lebt er auch in der Äthersphäre der Pflanzenwelt, er hat seinen Ätherkörper; und weiter lebt er auch durch die Empfindung in der Astralwelt, in seinem Astralkörper, und durch vernünftige Vorstellung in der mentalen Welt, durch das Kama-Manas-Prinzip. Der Mensch besitzt in der niederen Welt vier Körper mit den Prinzipien. Aber er hängt auch mit der höheren Welt zusammen, da er dort seinen Ursprung hat. Er kann seinen Mentalkörper ausbilden und von der Vorstellung des Einzelnen und Vielen zur Idee des Typus vordringen, er kann den Kausalkörper entwickeln und zur höheren Welt der Dreiheit Manas-Budhi-Atma emporsteigen. In der Budhi-Sphäre wird er seine Gedanken aus astralem Stoff formen, den Mayavi-rupa-Körper schaffen können, wird leben und wirken aus seiner Kausalseele, selbst Schöpfer sein und wieder eins werden mit der Gesamtheit.
Diese obere Dreiheit, zu der der Mensch sich emporentwickeln muß, ist aber in Wahrheit tief in ihm verborgen vorhanden, sie liegt seinem Wesen zugrunde, er muß sie nacheinander befreien «Wie oben, so unten». Die Vielheit, die wir sehen, ist nichts anderes als das Prinzip der Einheit, der Logos, der sich in die Vielheit aufgelöst, zerteilt hat. Nur in der Vielheit kann Disharmonie entstehen, weil die vielen Abgesondertheiten, die alle Teile des Geistes sind, miteinander in Widerstreit geraten können. Schließt diese Vielheit sich wieder zur Gesamtheit zusammen, wird unser Kosmos wieder
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ein Ganzes, so wird er wieder der Logos, die Harmonie. «Wie oben, so unten!» Atma, das höchste Prinzip in unserem Kosmos, in unserem Mineralreich, wozu wir die Sterne mit ihren Bahnen und alles Gestirn und alle Kräfte in der Natur rechnen, ist zugleich am tiefsten in die Materie hinabgedrungen; unsere physischen Organe sind wesentlich von Atma belebt und zusammengehalten. Atma als höchstes Prinzip hat sein Gegenbild im physischen Reich.
Das Budhi-Prinzip ist nur bis in die Äther- und Astralsphäre gedrungen und bildet da die Wesenheit der Pflanzen- und Tierwelt, ihren Äther- und Astralkörper. Als der Mensch, ursprünglich noch in Zusammenhang mit den göttlichen Genien, mit ihnen ein Ganzes bildend, in der Astralsphäre sich zu einem Einzelwesen absonderte und durch die Vorstellung zu einem Ich-Bewußtsein gelangte, da stieg Manas, das dritte Prinzip, in die Astralsphäre hinab: Mit Kama verbunden, eingeschlossen in das Gehirn des Menschen, bildete er seinen Kama-Manas-Körper. Der Mensch hat auf dem niedersteigenden Bogen seiner Entwicklung alle Reiche durchschritten. Wir tragen Atma als mineralischen Kosmos in uns, er ist unser physischer Körper; Budhi als lebendig empfindenden Kosmos in unserem Prana und Kamakörper; und Manas, in seiner Verbindung mit Kama, bildet unseren Kama-Manas-Körper. Er ist das vierte Prinzip in der niederen Welt und bildet zugleich den Übergang zur höheren mentalen Welt. Er ist die Verbindungsbrücke zu derselben. Von allen niederen Hüllen befreit, vereinigt sich Manas wieder mit Budhi in selbstloser Ausstrahlung ins Allgemeine.
Am tiefsten von allen Wesenheiten steckt der Mensch im Egoismus und im Sonderdasein. Er hat alles in sich hineingezogen und trägt die ganze Dreiheit Atma-Budhi-Manas in sich. Im Mineralreich ist Atma ausgebreitet, es ruht in seiner ganzen Einheit im Gestein, das noch in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Kosmos steht. In der Pflanzen- und Tierwelt ist schon der Dualismus vorhanden; Budhi dringt in die Äther- und Astralwelt, und aus Leben und Empfindung baut sich die Pflanzen- und Tierwelt auf. Manas, die Weisheit, schwebt über ihnen und bewirkt die Weisheit, die in der Natur zum Ausdruck kommt, in der wunderbaren
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Gesetzmäßigkeit des Baues wie aller Vernunfthandlungen der Tiere. Der Mensch aber zieht Manas in sich hinein. Die Weisheit kann nun nicht mehr von außen auf ihn wirken. Mit Kama verbunden, in seinem Mentalkörper eingeschlossen, ist ihm die Weisheit getrübt. Der Mensch ist eine Zusammenziehung von chemischphysikalischen Prozessen zur Einzelform, die sich in dem mineralischen Kosmos abspielen. Der Mensch ist durch seine Gefühle, Wünsche und Leidenschaften in der astralen Welt auch tätig. Unaufhörlich schafft er selbst astrale Wesenheiten in jener Sphäre, die dort wirklich lebendige, materielle Existenz haben, denn die Materie der astralen Welt besteht aus durcheinanderwogenden Empfindungen wie Neid, Haß, Wohlwollen, Zorn und so weiter. Dort führen die von den Empfindungen der Menschen geschaffenen Wesen als Elementarwesen ihre Sonderexistenz, dort befinden sich auch Wesen aus anderen Welten, die zu ihrer Entwicklung der astralen Sphäre bedürfen, und dann die astralen Körper der auf ihr Menschwerden harrenden Seelen. Ferner [befinden sich dort] die Devas, die auch aus anderen Welten kommen und oft die Menschen zu beeinflussen suchen. Dort sind die vier Deva-Rajas, die aus den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde die physischen Körper nach dem astralen Schema bilden, den die Lipikas, die Herren des Karma, aus dem Mentalstoff der Individualität gebildet haben.
Die höhere Entwicklung des Menschen hängt von der bewußten Konzentration und Meditation ab, die täglich geübt und nach bestimmten Regeln ausgeführt werden muß. Indem der Mensch täglich, in den Morgenstunden, sei es auch nur fünf Minuten, sich von allen Eindrücken der Außenwelt loslöst und die ganze Konzentration auf einen geoffenbarten Ewigkeitsgedanken richtet, wird er sich nach und nach mit dem Kosmos in Verbindung setzen und seine rhythmische Bewegung mitmachen. Durch diese konsequente tägliche Abschließung von der vorübergehenden Erscheinungswelt, für die kurze Zeit seiner Meditation, steigt der Mensch allmählich zur Arupasphäre hinauf. Indem er einen Satz, der eine ewige allgemeine Wahrheit enthält, durchdenkt, so daß er Leben bekommt,
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schöpft der Mensch seinen ganzen Inhalt aus und nimmt ihn in sich auf. Die Gedankenkontrolle und täglich streng durchgeführte Meditation darf der eigenen Ausbildung und Erweiterung des Verstandes nicht dienen, sie muß mit dem Bewußtsein geschehen, daß wir dadurch mithelfen und -arbeiten an der Entwicklung unseres Kosmos. All unser unkontrolliertes, «wirkliches» Denken stört unaufhörlich diesen regelmäßigen Gang. Der Mensch, der seine astralen Sinne entwickeln will, muß [auch] seine Empfindungen beherrschen lernen und das Gefühl der Ehrfurcht vor der Weisheit der hochentwickelten Wesen in sich erwecken; und er muß eine devotionelle Hingabe, in richtiger Abschätzung der Distanz zu jener höheren Weisheit, pflegen. Jeden Abend sollte derjenige, der die Meditation übt, eine Rückschau über den verflossenen Tag halten, ohne Reue und Bedauern auf Verfehltes schauen, einzig nur, um daraus zu lernen, um aus seinen Erfahrungen den Nutzen für das Bessermachen zu ziehen. Die Meditation darf kein Zwang sein, sie darf nicht von der Umgebung trennen, nicht das gewohnte Dasein verändern; im Gegenteil, sorglos überlasse sich der Mensch seiner Wesensart. Mehr wird er bei der Sammlung und Überschau am Ende des Tages lernen, als wenn er sich gewaltsam zu einem besseren Menschen hochschrauben wollte.
Wenn der Mensch zur höheren Entwicklung aufsteigen will, wo der erste Logos in den zweiten einströmt, so muß er ein Chela werden und die Eigenschaften eines Chela in sich ausbilden. Er muß vier Haupteigenschaften stufenweise in sich zur Entwicklung bringen:
Erstens: Das Unterscheidungsvermögen, die Unterscheidung zwischen Dauerndem und Vergänglichem; das heißt, der Mensch muß lernen, in dem Vorübergehenden, in dem, was er wahrnimmt, die gestaltende Kraft zu erkennen, die bleibend ist. Allen Dingen, die unsere Sinne wahrnehmen, ist eine nach Kristallisation drängende Kraft innewohnend, so wie das Salz, das in warmem Wasser [gelöst ist, beim Abkühlen des Wassers] sich zu Kristallen zusammenschließt. Die Ackererde ist zerriebener Kristall, im Samenkorn steckt die Kraft, Pflanze und Frucht zu werden, und den Wirbelknochen
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ist die Möglichkeit gegeben, sich zur Schädeldecke auszugestalten. So ist das Lanzettfischchen, das nur aus der Wirbelsäule besteht, ein Abbild im Kleinen der ersten lebendig empfindenden Form, in der der Logos sich manifestierte. Der ungeheure, erste Fisch, der nur aus gallertartiger Masse bestand, ist der Urahn, welcher in seinen Wirbelknochen die Möglichkeit zur Entwicklung der Amphibien, der Fische, der Säugetiere und des Menschen trug. So ist der physische Mensch nur als eine vorübergehende Erscheinung aufzufassen, der seine mineralischen Stoffe täglich wechselt und dessen Sinnesorgane nicht bleiben werden, wie sie heute sind, sondern die sich höheren menschlichen Entwicklungsstadien anpassen werden und die Kraft der Umbildung in sich tragen.
Die zweite Eigenschaft, die entwickelt werden muß, ist die Schätzung des Dauernden. Die Erkenntnis wird zur Empfindung. Wir lernen, das Dauernde höher zu schätzen als das Vorübergehende, das seinen Wert in unserer Schätzung mehr und mehr verliert. Und so wird der angehende Chela durch die Entwicklung der beiden ersten Eigenschaften von selbst zur dritten geführt, zur Ausbildung gewisser seelischer Fähigkeiten.
a) Gedankenkontrolle.
Der Chela darf sich nicht gestatten, die Dinge nur von einem Gesichtspunkt aus anzusehen. Wir fassen einen Gedanken, halten ihn für wahr, während er doch nur von dem einen Aspekt oder Gesichtspunkt aus wahr ist; wir müssen ihn später auch von dem entgegengesetzten Gesichtspunkt aus betrachten und jedem Avers auch zugleich den Revers entgegenhalten. Nur so lernen wir einen Gedanken durch den anderen zu kontrollieren.
b) Kontrolle der Handlungen.
Der Mensch lebt und handelt im Materiellen und ist ins Zeitliche gestellt. Er kann bei der Fülle der Erscheinungswelt nur einen kleinen Teil umfassen und ist durch seine Tätigkeit an einen bestimmten Kreis des Vergänglichen gebunden. Die tägliche Meditation dient dem Chela zur Sammlung und Kontrolle seiner Handlungen. Er wird in ihnen nur das Dauernde betrachten und den Wert nur
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auf das Tun legen, mit dem er helfend der höheren Entwicklung seiner Mitmenschen dienen kann. Er wird die Fülle der Erscheinungswelt wieder auf die höchste Einheit zurückführen.
c) Toleranz.
Der Chela wird sich nicht von Gefühlen der Anziehung und des Abgestoßenwerdens beherrschen lassen. Er wird alle Verbrecher und Heilige zu verstehen suchen, und obgleich er emotionell erfährt, wird er intellektuell urteilen. Was von dem einen Gesichtspunkt richtig als böse erkannt wird, kann von einem höheren Aspekt als notwendig und folgerichtig beurteilt werden.
d) Duldsamkeit.
Glück oder Unglück mit Gleichmut hinnehmen, sie nicht zu bestimmenden Mächten werden lassen, die uns beeinflussen können. Uns nicht durch Freude und Schmerz aus unserer Richtung drängen lassen. Sich von allen äußeren Einflüssen und Einströmungen freihalten und die eigene Richtung behaupten.
e) Glaube.
Der Chela soll das freie, offene, unbefangene Herz für das höhere Geistige haben. Auch wo er eine höhere Wahrheit nicht gleich erkennt, soll er den Glauben haben, bis er diese sich durch Erkenntnis zu eigen machen kann. Wenn er nach dem Grundsatz «Alles prüfen und das Beste behalten» verfahren wollte, so würde er sein Urteil als Maßstab anlegen und sich über das höhere Geistige stellen und dem Eindringen desselben sich verschließen.
f) Gleichgewicht.
Die letzte seelische Fähigkeit würde als Resultat aller anderen sich als Gleichgewicht, als Richtungssicherheit, Seelenbilanz ergeben. Der Chela gibt sich selbst die Richtung.
Und so hätte er nun die vierte Eigenschaft in sich zu entwickeln: Den Willen zur Freiheit, zum Ideal. Solange wir noch im Physischen leben, können wir nicht zur vollen Freiheit gelangen, aber wir können den Willen zur Freiheit in uns entwickeln, hinstreben zu dem Ideal. Wir können uns freimachen von den äußeren
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Umständen und nicht mehr auf die Anstöße von außen reagieren, sondern das Gesetz in uns, das Dauernde, zur Richtschnur unseres Denkens und Handelns machen, nicht in der vorübergehenden Persönlichkeit, sondern in unserer Individualität leben, die dauernd ist, die zur Einheit strebt.
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IV Neun Einzelvorträge, Aug. Dez. 1903
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IV
Neun Einzelvorträge
gehalten im Berliner Zweig
von August bis Dezember 1903
Ein Autoreferat, ein Bericht
sowie fragmentarische Hörernotizen
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WiederverkÖrperungsfragen
Berlin, 24. August 1903
Ich muß zunächst etwas vorausschicken, was wichtig ist zum Verständnis der Evolution und der Wiederverkörperung. Jede Persönlichkeit, jede Individualität muß das Devachan bis zur Arupa- Sphäre durchleben, um dadurch den durchgehenden einheitlichen Faden [durch mehrere Erdenleben] zu erhalten.
Eine so hohe Persönlichkeit wie Nikolaus Cusanus wirkte schon im gewöhnlichen Leben aus der Arupa-Sphäre heraus. Zwar handelt jeder Mensch aus der Arupa-Sphäre heraus, aber nur wenige wissen etwas davon. Je höher sich ein Mensch in der Zeit zwischen zwei Erdenleben in die Arupa-Sphäre erhoben hat, desto mehr kommt das Göttliche bei ihm zum Durchbruch. Cusanus hat ein Werk geschrieben über das Nicht-Wissen aus dem höheren Wissen heraus: «De docta ignorantia». Ignorantia heißt Nicht-Wissen, und Nicht-Wissen ist hier gleichbedeutend mit höherem Anschauen. In seinen Büchern hat er das folgende ausgesprochen: Es gibt einen Wahrheitskern in allen Religionen, wir brauchen nur tief genug in dieselben hineinzuschauen. Er hat auch schon ausgesprochen, daß die Erde sich um die Sonne bewegt. Er hat das aus einer Intuition heraus gesagt. Kopernikus hatte diese Erkenntnis erst im 16. Jahrhundert, Cusanus bereits im 15. Jahrhundert. Eine solche Inkarnation wie die des Cusanus ist im Zusammenhang zu betrachten mit seiner späteren Verkörperung. Cusanus weist schon hin einerseits auf die zukünftige Theosophie und andererseits auf die zukünftige moderne Naturwissenschaft. Das hatte Einfluß auf seine folgende Inkarnation. Nikolaus Cusanus war es, der in Kopernikus wiedererschienen ist.
Es ist möglich, daß die Rückerinnerung an frühere Verkörperungen, die in einer Inkarnation verlorengeht, später wieder erwacht, vielleicht nach einer oder auch nach mehreren Inkarnationen. Die Mittel des Kausalkörpers kann man erst benutzen, wenn man [im Devachan] in der Ebene über der Kausalsphäre erwacht.
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Jedes menschliche Wesen muß durch eine Kraft vom Devachan wieder in die physische Sphäre herabgezogen werden, um dort Fähigkeiten zu erlernen, die es noch nicht entwickelt hat. In der obersten Arupastufe lernt der Mensch diese Kräfte kennen und bekommt dadurch Einfluß auf seine spätere Inkarnation. Er nimmt dann auch sein Leben bis zu einem gewissen Grade in die Hand. Er ist ein Beispiel regelmäßiger Entwicklung.
Eine Inkarnation hängt aber nicht allein von der eigenen Entwicklung ab, sondern auch von dem Nutzen und von der Bedeutung für die ganze Evolution. Die Aufeinanderfolge der Persönlichkeiten höherer Individualitäten ist nicht mehr unregelmäßig. Bei den weniger Entwickelten ist die Verkörperung noch unregelmäßig. Bei hoch entwickelten Individualitäten werden hervorstechende Eigenschaften hervortreten. Dazu gehören
1. ein ehrfürchtiges Aufschauen zu dem Höheren,
2. eine ruhige Liebe zu Gott,
3. das Werden in Gott.
Als Beispiel für eine regelmäßige Entwicklung einer Individualität können wir betrachten einen Zeitgenossen von Jesus, Philo von Alexandrien. Seine Individualität kam wieder als Spinoza und dann als Johann Gottlieb Fichte. Wir haben hier also eine durchgehende Individualität in drei Persönlichkeiten. Liest man Fichte ohne Kenntnis dieser Vorgänge, so versteht man ihn nur wenig. Mit dieser Kenntnis aber findet man, daß seine Worte mit Feuerschrift geschrieben sind. Alle diese großen Geister haben eine regelmäßige Entwicklung durchgemacht.
Nachbemerkung der Herausgeber:
H. P. Blavatsky schreibt in Band III der «Geheimlehre», Abt. XLI:
«Als ein Beispiel eines Adepten zitieren einige mittelalterliche Kabbalisten eine wohlbekannte Persönlichkeit des 15. Jahrhunderts den Kardinal de Cusa; infolge seiner wunderbaren Hingabe an esoterisches Studium und die Kabbala führte das Karma den leidenden Adepten dahin, intellektuelle Erholung und Ruhe vor kirchlicher Tyrannei in dem Körper des Kopernikus zu suchen.»
Rudolf Steiner stellt dies genauer dar in den Vorträgen vom 21. Januar, 15. Februar und 7. März 1909 (in «Das Prinzip der spirituellen Ökonomie», GA 109/111,
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S. 16, 52/53 und 290), in welchen er sagt, daß der Astralleib des Nikolaus von Kues übertragen worden ist auf Nikolaus Kopernikus, ob wohl das Ich des Kopernikus ein ganz anderes war als das des Cusanus. Über Spinoza und Fichte spricht Rudolf Steiner auch im Vortrag vom 5. Juni 1913 in Helsingfors (GA 158).
Geheimnisse und Geheimhaltung
Berlin, 1. September 1903
Ich möchte heute einige Andeutungen machen über Vorgänge, die in der Astralsphäre wahrzunehmen sind.
Die theosophische Bewegung ist eine Notwendigkeit für unsere Zeit. Man macht uns zwar den Vorwurf, daß wir Geheimnisse ausplaudern, die sonst nur wenige hatten zum Beispiel in Blavatskys Büchern «Isis unveiled» und «Secret Doctrine» , aber von anderen Menschen wird es wieder als zeitgemäß betrachtet, diese Dinge mitzuteilen. Es gibt Okkultisten:, die sagen, es sei schädlich, dieses Wissen mitzuteilen. So sehen wir also zwei Richtungen, von denen die eine sagt, es sei schädlich, ein Unglück, das okkulte Wissen mitzuteilen; die andere Richtung aber behauptet, daß es notwendig sei, dieses Wissen der Welt mitzuteilen.
Die Astralsphäre bleibt sich nicht immer gleich, sie erleidet kleine Veränderungen. Diese sind nicht erheblich, aber dennoch sind sie deutlich wahrzunehmen. Die allgemeine Szenerie der Astralebene war anders in der Zeit der Atlantier als in unserer Zeit; sie veränderte sich von Jahr zu Jahr. Gewisse Veränderungen in der astralen Welt haben dazu geführt einzusehen, daß es notwendig ist, einen Teil des okkulten Wissens den Menschen mitzuteilen, und zwar öffentlich und populär und nicht bloß einzelnen Eingeweihten. Es handelt sich dabei um tiefstes okkultes Wissen, und es kann immer nur ein Teil davon gesagt werden.
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Im 19. Jahrhundert sind ganz besondere Zeichen aufgetreten in der astralen Welt, die mit absoluter Sicherheit beweisen, daß das große Geheimnis, das in unserer Rasse zum Ausdruck kommen muß, einen etwas anderen Charakter zeigt als die früheren Geheimnisse. Jede Rasse erhält eines der sieben großen Geheimnisse ausgeliefert. Vier von diesen Geheimnissen sind bereits ausgeliefert. Das vierte wurde der vierten Wurzelrasse ausgeliefert. Das fünfte Geheimnis ist das, in welches wir hineinwachsen; das sechste und siebente Geheimnis werden der sechsten und siebenten Wurzelrasse ausgeliefert werden.
In solche Geheimnisse werden zunächst nicht alle Menschen einer Wurzelrasse eingeweiht. Das Grundgeheimnis war bisher immer nur im Besitze der Adepten. Durch den Besitz des Geheimnisses waren sie die Führer der betreffenden Rasse. Für unsere fünfte Rasse war das bis jetzt ebenso. In der September-Nummer des «Luzifer» finden Sie darüber einiges angedeutet. Erst am Ende der fünften Wurzelrasse wird es einer größeren Anzahl von Menschen kund werden und von ihr verstanden werden. Bei den früheren Wurzelrassen war es so, daß diese Geheimnisse nur wenige erhalten haben. In unserer Wurzelrasse ist die Fähigkeit des Intellektes, des Verstandes ausgebildet worden. Die tiefsten Tiefen sind aber dem Verstande verschlossen, doch einiges Außen-Seitige des Geheimnisses kann mit dem Verstande erraten werden. Vor dem Jahre 1875 hat man nichts von diesen Dingen gewußt oder sie doch nicht beachtet.
Das Geheimnis der fünften Wurzelrasse kann jetzt von dem Verstande dem Verstand überliefert werden, ohne daß er spekuliert. Welcher Art die Zeichen im Astralen sind, kann ich nicht auseinandersetzen; einiges ist tatsächlich von Persönlichkeiten, die fern von jeder okkulten Strömung stehen, erraten worden. Es liegt im Charakter der menschlichen Anlagen innerhalb der fünften Rasse, daß es bald viele Menschen sein werden, die einiges erraten werden.
Es gibt Okkultisten, die sagen, das Erraten des Geheimnisses sei etwas sehr Gefährliches; es sei sowohl für den Betreffenden selbst
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als auch für die ganze Menschheit nachteilig. Es sei gefährlich aus dem Grunde, weil die Mitteilung des Geheimnisses der fünften Wurzelrasse die Menschen spalten könnte in einige wenige sehr gute Menschen und viele andere radikal unmoralische Menschen. Das ist zunächst eine paradoxe und gewagte Behauptung. Aber diese Okkultisten glauben wirklich, man könne das Zentralgeheimnis der fünften Wurzelrasse nicht mitteilen, denn, wenn jemand dieses Geheimnis mitteilen würde, so würde er der Gewalt der anderen hingegeben sein, er würde die Möglichkeit verlieren, eine wohltätige Wirkung auf die Menschheit auszuüben. Außerdem sei es zwecklos, das Geheimnis mitzuteilen, weil es nur zu schädlichen Wirkungen führen würde. Deshalb gäbe es keinen Eingeweihten, der dieses Geheimnis mitgeteilt hätte. Und es gäbe kein Mittel, einem eingeweihten Menschen das Geheimnis zu entreißen, selbst Foltern würde nichts nützen, der Betreffende würde irrsinnig werden oder durch Qualen ums Leben kommen.
Durch die Theosophie soll nun die Menschheit vorbereitet werden, damit dann, wenn das Geheimnis teilweise enthüllt wird, die schlechten Wirkungen paralysiert werden. Ein Grundunterschied zwischen dem Geheimnis der fünften Wurzelrasse und den Geheimnissen der früheren Wurzelrassen ist der, daß das Geheimnis unserer fünften Wurzelrasse teilweise durch den Verstand erraten werden kann. Früher waren die Geheimnisse streng in der Hand von Adepten, die die Menschheit führten. Es könnte aber in unserer Zeit Menschen geben, die den Adepten über den Kopf wachsen in gewisser Beziehung. Deshalb müssen einige Menschen gewappnet sein, wenn von außen ihnen das Geheimnis entgegentritt. Es wird der Zeitpunkt kommen, in dem Einzelne mit Teilen der Wahrheit, welche sie erraten können, hervortreten werden. Ohne die Vorbereitung durch die Theosophie würde das aber furchtbar sein und von verheerender Wirkung für die Menschen. Es könnte dann so sein, daß einige wenige Gute da wären, und die große Masse der Menschen wäre dann für das Gute verloren. Die Grundlehren der Theosophie sind die Voraussetzung dafür, daß den Menschen diese Wahrheiten übergeben werden können. Ohne diese
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würden die Menschen in drei Teile gespalten: in erstens die gedankenlose Masse, zweitens die zerstörenden Verstandesmenschen mit dem erratenen Geheimnis und drittens die Okkultisten. Die Menschen würden einen Kampf um Leben und Tod gegeneinander führen. Diejenigen aber, welche das Geheimnis erraten haben, erkennen nicht, warum das Geheimnis nicht ausgesagt werden darf. Die Theosophische Gesellschaft strebt an, daß nicht diese Dreiteilung der Menschheit entsteht, sondern daß ein Kern einer allgemeinen Bruderschaft geschaffen werde. Man kann nun einwenden, eine allgemeine Bruderschaft der Menschheit könne es nie geben. Wir erwidern darauf: Was ihr sagt, ist zwar richtig, aber wir kennen die Grundlagen der Theosophie und wissen, daß ein solcher Kern die Menschheit schützen wird. Dies ist eine Art Prophetie, die aber auf der Grundlage objektiver Wahrnehmung in der astralen Welt beruht. Das Geheimnis unserer Wurzelrasse ist also ein solches, welches bis zu einem gewissen Grade erraten werden kann. Deshalb müssen die Menschen für den Zeitpunkt des Erratens vorbereitet werden. Die Menschen müssen lernen, sich gegenseitig zu stützen, sie müssen zusammenwirken. Schädlich würde es wirken, wenn alle Gedanken der Menschen nur auf die unmittelbare Gegenwart gerichtet wären, wenn die Gedanken sich nur auf das Zeitliche und nicht auf das Ewige richten würden. Wir kennen nun also einen noch tieferen Grund als den der astralen Gesetze, der uns zwingt, unsere Kräfte für die theosophische Bewegung einzusetzen, weil wir wissen, wohin die Menschheit steuert.
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Okkulte Geschichtsforschung
Berlin, 18. Oktober 1903
I.
Autoreferat Rudolf Steiners
Über dieses Thema sprach Dr. Rudolf Steiner am 18. Oktober 1903 auf der Jahresversammlung der deutschen Sektion der «Theosophischen Gesellschaft». Es soll hier eine ganz kurze Inhaltsangabe der Ausführungen gegeben werden.
Durch die Begründerin der «Theosophischen Gesellschaft» ist uns die «Geheimlehre» geschenkt worden, in welcher nach zwei Seiten hin die Grundlage gelegt wird für eine Lösung der großen Rätselfragen des Daseins. In einer umfassenden Weltentstehungslehre (Kosmogenesis) wird der Plan gezeigt, nach dem sich aus den geistigen Urmächten des Universums heraus der Schauplatz entwickelt hat, auf dem der Mensch seinem irdischen Wandel obliegt. Aus einem zweiten Bande (Anthropogenesis) ersehen wir, welche Stufen der Mensch selbst durchgemacht hat, bis er zu einem Gliede der gegenwärtigen Rasse geworden ist. Es wird von der Entwicklung der theosophischen Bewegung abhängen, davon, wann sie einen gewissen Zustand der Reife erlangt haben wird, in welcher Zeit uns dieselben geistigen Kräfte, die uns die großen Wahrheiten der beiden ersten Bände beschert haben, uns auch den dritten geben werden. Dieser wird die tieferen Gesetze für das enthalten, was uns, der Außenseite nach, die sogenannte «Weltgeschichte» bietet. Er wird sich mit der «okkulten Geschichtsforschung» beschäftigen. Er wird zeigen, wie sich im wahren Sinne die Geschicke der Völker erfüllen, wie im großen Menschheitsleben sich Schuld und Sühne verketten, wie die führenden Persönlichkeiten der Geschichte zu ihrer Mission gelangen, und wie sie dieselbe erfüllen.
Nur derjenige, welcher weiß, wie die große Dreiheit: Körper, Seele und Geist eingreift in das Rad des Werdens, der kann die Entwicklung der Menschheit durchschauen. Da hat man, vor allem,
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einzusehen, wie das körperliche Dasein im weitesten Sinne bedingt wird von den großen kosmischen Naturkräften, die in Rassen- und Völkercharakteren und in dem, was man den «Geist» eines Zeitalters nennt, eine bestimmte Gestalt annehmen. Man wird einsehen, wie die materielle Grundlage zustande kommt, welche sich dadurch ausdrückt, daß die Menschen bestimmte Typen (Völker, Zeitalter) darstellen, in denen sie sich gleichen. Es werden hier die Gattungscharaktere ihre hellere Beleuchtung erfahren, die sie nicht erhalten können durch die auf das bloß Äußerliche gerichtete Kulturgeschichte. Man wird begreifen, wie die Einwirkung des Bodens, des Klimas, der wirtschaftlichen Verhältnisse und so weiter in Wirklichkeit auf die Menschen stattfindet.
Dann wird auseinandergesetzt werden, welche Rolle das im eigentlichen Sinne persönliche Element in der Geschichte spielt. Die Triebe, Instinkte, die Gefühle, die Leidenschaften kommen aus diesem persönlichen Element. Und sie kann man wieder nur verstehen, wenn man das Hereinwirken derjenigen Welt, die man astral oder psychisch (seelisch) nennt, in diejenige kennt, die sich vor unseren physischen Sinnen und unserem Verstande abspielt. Ein Verständnis wird durch diesen Teil der okkulten Geschichte darüber aufgehen, was man gewöhnlich der Willkür der einzelnen Persönlichkeiten zuschreibt. Und man wird das Zusammenwirken verstehen von Einzelpersönlichkeit, Volk und Zeitalter. In die Weltgeschichte wird von dem astralen Felde herein das aufklärende Licht geworfen werden.
Zum dritten wird man erfahren, wie der Gesamtgeist des Universums eingreift in die Menschengeschicke, wie in das höhere Selbst eines großen Menschheitsführers sich das Leben dieses Gesamtgeistes ergießt und auf diese Weise durch Kanäle dieses höhere Leben sich der ganzen Menschheit mitteilt. Denn das ist der Weg, den dieses höhere Leben nimmt: es fließt in die höheren Selbste der führenden Geister, und diese teilen es ihren Brüdern mit. Von Verkörperung zu Verkörperung entwickeln sich die höheren Selbste der Menschen und da lernen sie immer mehr und mehr, ihr eigenes Selbst zum Missionar des göttlichen Weltplanes zu machen. Durch
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die okkulte Geschichtsforschung wird man erkennen, wie sich ein Menschheitsführer zu der Höhe entwickelt, auf der er eine göttliche Mission übernehmen kann. Man wird einsehen, wie Buddha, Zarathustra, Christus zu ihren Missionen gekommen sind. Diese allgemeinen Sätze erläuterte der Vortragende durch Andeutungen über einige Beispiele, wie man sich die Entwickelung großer Führer der Menschheit durch ihre Wiederverkörperung hindurch zu denken hat.
II
Bericht (vermutlich von Richard Bresch)
Um halb sechs Uhr hielt Herr Dr. Steiner den angekündigten Vortrag über okkulte Geschichtsforschung, zu dem sich eine Zuhörerschaft von 4050 Personen eingefunden hatte. Redner führte ungefähr folgendes aus:
Nachdem im Jahre 1875 die Gründung der Theosophischen Gesellschaft erfolgt war, begann H. P. Blavatsky mit Hilfe ihrer Lehrer an dem mächtigen Werke zu arbeiten, das wir unter dem Titel «Die Geheimlehre» kennen und in welchem uns ein Schatz von tiefstem Wissen hinterlassen ist. Dieses Werk besteht aus zwei Teilen, dem kosmologischen und dem anthropologischen, von denen der erste die Entwicklung des Weltalls, der zweite die des Menschen behandelt. Im Laufe der Zeit nun wird diese Arbeit eine Ergänzung erfahren, und zwar in einem dritten Teile, der sich mit dem beschäftigen wird, was die profane Wissenschaft «Geschichte» nennt. Die Geschichtsforschung muß sich wohl oder übel mit den Tatsachen begnügen, die sich auf der physischen Ebene abspielen; die Theosophie dahingegen, die direkt auf die Ursachen zurückgeht, findet die Antwort auf alle jene Fragen, mit deren Lösung sich die profane Wissenschaft so oft und so vergeblich geplagt hat.
Wenn wir die geschichtlichen
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Tatsachen verfolgen, tritt uns dreierlei entgegen: Geradeso wie der handelnde Mensch in ein dreiteiliges System eingehüllt ist die physische, die seelische und die geistige Wesenheit , so unterliegen auch die geschichtlichen Tatsachen einer solchen Dreiteilung. Die äußeren Handlungen, die sich vor unseren Sinnen abspielen, sind im Physischen; im Seelischen liegt das Zentrum, wo Lust und Unlust, Sympathie und Antipathie herrschen, und im Geistigen finden wir das Gebiet, wo die Ereignisse der Geschichte entstehen. Hier haben wir die wahren Ursachen für alles Geschehen auf Erden zu suchen, hier beraten sich die leitenden Personen der Geschichte Aug in Auge mit den großen und unsichtbaren Führern der Menschheit. Erst wenn wir die Absicht erforschen, die jene zum Handeln trieb, begreifen wir die oft unerklärlichen Tatsachen der Geschichte.
So zum Beispiel lebte im 15. Jahrhundert ein Kardinal Nikolaus von Cusa (Cusanus), der tiefe wissenschaftliche Einsichten hatte. Lange vor Kopernikus hatte er die doppelte Bewegung der Erde erkannt und gelehrt, ohne daß er von seinen Zeitgenossen verstanden wurde. Es war eine Art der Vorbereitung zu dem, was Kopernikus (geb. 1473) einer einsichtsvolleren Generation (16. Jahrhundert) mitteilen konnte. Die okkulten Forscher lehren nun übereinstimmend (und auch H. P. Blavatsky hat es offen ausgesprochen und im III. Band der «Geheimlehre» angedeutet), daß Kopernikus niemand anders war als der wiederinkarnierte Kardinal Cusa, der auf diese Weise sein Werk zur Vollendung brachte. So werden Aufgaben gestellt und gelöst; die Seele, die etwas Großes vorbereitet, kommt später wieder, um ihre Mission zu erfüllen und zu beenden.
Noch zwei andere Beispiele führte der Redner aus, um darzutun, auf welche Art die okkulte Geschichtsforschung auf ihrem schwierigen Gebiete arbeitet, wie sie uns die scheinbar zusammenhanglosen Tatsachen erklärend verbindet; und mit diesen Beispielen gab er gleichzeitig ein Bild von dem einst zu erwartenden Ergänzungswerke der Geheimlehre: Runden und Rassen waren die Gegenstände der bis jetzt erschienenen Teile; der dritte Teil, die okkulte Geschichtsforschung, wird sich mit der Reinkarnation beschäftigen.
Zum Schluß kam Dr. Steiner eingehend auf die theosophische Bewegung zu sprechen. Dieselbe, betonte er, sei auch im okkulten
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Sinne eine gewaltige Notwendigkeit; dafür ließen sich vielfache Gründe anführen, von denen einer der wichtigsten folgender sei:
Jeder Menschenrasse wird ein Geheimnis ausgehändigt; wir sind in der fünften Rasse und bei dem fünften Geheimnis, und zwar kann letzteres heute noch nicht ausgesprochen werden, wir sind aber dabei, uns allmählich in dasselbe hineinzuleben. Welcher Art es ist, deutet schon Paulus, der ein Initiierter war, an kundgegeben wird es erst im Laufe der Entwicklung unserer Rasse. Ein vorzeitiges Erraten dieses Geheimnisses durch rein intellektuelle Fähigkeiten würde eine unbeschreibliche Gefahr für die Menschheit bedeuten. Da nun schon zweimal ein solches Erraten beinahe erfolgt ist und in absehbarer Zeit wieder bevorsteht, haben die großen Lehrer der Menschheit die theosophische Bewegung herbeigeführt. Die Menschheit soll vorbereitet werden auf die große Wahrheit. Die Theosophie arbeitet auf einen gewissen Zeitpunkt hin; ein Kern soll gebildet werden, der diese Wahrheit versteht, wenn sie dereinst unverhüllt hervortritt ein Kern, der sie richtig erfaßt und nicht zum Fluche, sondern zum Segen der Menschheit verwendet. Die früheren Rassen wurden aus einer schon bestehenden, durch Auswahl geeigneter Individuen oder Familien und Fortführung derselben durch den Manu in geeignete menschenleere Landschaften gebildet. Dies Verfahren sei bei dem heute über den ganzen Erdball gehenden Verkehr nicht mehr tunlich, aber auch nicht mehr notwendig; an seine Stelle trete heute die Erziehung durch die kosmopolitische internationale Theosophische Gesellschaft, welche diesen Kern bilde.
Nachbemerkung der Herausgeber:
Am 14. November 1903 schrieb Günther Wagner aus Lugano, der diesen Vortrag gehört hatte, an Rudolf Steiner folgendes:
« Lieb wäre es mir, wenn Sie mir eine spezielle Auskunft geben möchten: Die Andeutung über ein Rätsel, das jede Rasse zu lösen habe, war mir vollständig neu; in der Secret Doctrine habe ich nichts darüber gefunden. Würden Sie mir die vier Rätsel nennen können, die die vier ersten Rassen (anscheinend doch) gelöst haben? Auch H.P.B.s Andeutung darüber würde ich gern lesen, vielleicht geben Sie mir die genaue Stelle an.»
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Rudolf Steiner antwortete ihm am 24. Dezember 1903:
Verehrter lieber Herr Wagner! Seite 73 der (deutschen Ausgabe) «Geheimlehre» steht mit Bezug auf Strophe 1,6 (Dzyan): «Von den sieben Wahrheiten oder Offenbarungen sind uns bloß vier ausgehändigt, da wir noch in der vierten Runde sind.» Ich habe nun als Sie in Berlin waren im Sinne einer gewissen okkulten Tradition darauf hingedeutet, daß die vierte der oben gemeinten sieben Wahrheiten zurückgeht auf sieben esoterische Wurzelwahrheiten, und daß von diesen sieben Teilwahrheiten (die vierte als das Ganze betrachtet) jeder Rasse eine in der Regel ausgeliefert wird. Die fünfte wird ganz offenbart werden, wenn die fünfte Rasse ihr Entwickelungsziel erreicht haben wird. Nun möchte ich Ihrer Frage entsprechen, so gut ich es kann. Gegenwärtig liegt die Sache so, daß die vier ersten Teilwahrheiten Meditationssätze für die Aspiranten der Mysterien bilden und daß nichts weiter gegeben werden kann als diese (symbolischen) Meditationssätze. Aus ihnen geht dann für den Meditierenden auf okkultem Wege manches Höhere hervor. Ich setze also die vier Meditationssätze in deutsche Sprache aus der symbolischen Zeichensprache übertragen hierher:
I. | Sinne nach: wie der Punkt zur Sphäre wird und doch er selbst bleibt. Hast du erfaßt, wie die unendliche Sphäre doch nur Punkt ist, dann komme wieder, denn dann wird dir Unendliches in Endliches scheinen. |
II. | Sinne nach: wie das Samenkorn zur Ähre wird, und dann komme wieder, denn dann hast du erfaßt, wie das Lebendige in der Zahl lebt. |
III. | Sinne nach: wie das Licht sich nach der Dunkelheit, die Hitze nach der Kälte, wie das Männliche nach dem Weiblichen sich sehnt, dann komme wieder, denn dann hast du erfaßt, welches Antlitz dir der große Drache an der Schwelle weisen wird. |
IV. | Sinne nach: wie man in fremdem Hause die Gastfreundschaft genießt, dann komme wieder, denn dann hast du erfaßt, was dem bevorsteht, der die Sonne um Mitternacht sieht. |
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Nun ergibt sich, wenn die Meditation fruchtbar war, aus den vier Geheimnissen das fünfte. Lassen Sie mich vorläufig nur so viel sagen, daß die Theosophie die Teil-Theosophie, die etwa in der «Geheimlehre» und ihrer Esoterik liegt eine Summe von Teilwahrheiten des fünften ist. Eine Andeutung, wie man darüber hinauskommt, finden Sie in dem von Sinnett angeführten Briefe des Meisters K. H. [Kuthumi], der mit folgenden Worten beginnt: «Ich habe jedes Wort zu lesen ». In der ersten (deutschen) Ausgabe der «Okkulten Welt» steht er auf Seite 126 und 127.
Ich kann Ihnen nur die Versicherung geben, in dem Satze K. H.s (Seite 127) «Wenn die Wissenschaft gelernt haben wird, wie Eindrücke von Blättern ursprünglich auf Steinen zustande kommen», in diesem Satze liegt fast das ganze fünfte Geheimnis auf okkulte Weise verborgen.
Das ist alles, was ich zunächst über Ihre Fragen zu sagen vermag. Weiteres vielleicht auf weitere Fragen.
Die vier obigen Sätze sind das, was man lebendige Sätze nennt, d.h. sie keimen während der Meditation und es wachsen aus ihnen Sprossen der Erkenntnis.
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Physische Krankheiten
und kosmologische Gesetzmäßigkeiten
Berlin, 27. Oktober 1903
Es wurden die Fragen gestellt: Warum gibt es im karmischen Zusammenhang das Unvollkommene, das Übel, den Schmerz und die Krankheit? Wird nicht auch durch den Gedanken eines wohlwollenden Menschengeistes der karmische Ausgleich bewirkt? Der
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Gedanke an einen verzeihenden Gott liegt doch näher als der an einen streng-gerechten.
Auf diese Fragen kann folgendes geantwortet werden: Unsere Gottes-Idee, [so wie sie sich vom theosophischen Gesichtspunkt darstellt], schließt die Vorstellung ein, daß die einzelnen Individualitäten im Laufe der Zeit zu ihrer höchsten Vollkommenheit geführt werden, und zwar nicht auf irgendeine unbestimmte Weise, sondern so, daß sie auf einem bestimmten Entwicklungswege das göttliche Endziel erreichen.
In unserem Kosmos haben wir es mit sieben planetarischen Entwicklungszuständen zu tun: Saturn, Sonne, Mond, dann kommt die Erde, später wird diese in den nächsten Entwicklungszustand übergehen, in den fünften, dann in den sechsten und schließlich in den siebenten. Von drei dieser sieben planetarischen Zustände, das heißt von dem Mond, von der Erde und dem künftigen Planeten Jupiter, können wir eine gewisse Vorstellung gewinnen. Unseren Planeten, die Erde, nennen wir den Kosmos der Liebe, und den nächstfolgenden, den Jupiter, den Kosmos des Feuers. In dem vorangegangenen planetarischen Zustand, dem Mondenzustand, haben wir den Kosmos der Weisheit zu sehen.
Die höchstentwickelten Wesen des gegenwärtigen Erdenzustandes nennen wir die «Meister der Liebe und des Mitleids». Die «Meister der Weisheit» waren die höchstentwickelten Wesen der Mondentwicklung; sie haben den weisen Aufbau der menschlichen Organe aus den kosmischen Karmakräften so geleitet, daß zum Beispiel zur richtigen Zeit Hunger und Durst auftreten. Treten nun diese «Meister der Weisheit» in unserer Zeit auf, so kommen sie mit zuviel Weisheit herüber. Nicht wahr, ein Klavierbauer muß seine Tätigkeit in der Werkstatt ausführen; im Konzertsaal würde seine Tätigkeit nur Unheil anrichten. So kann ein und dieselbe Tätigkeit an einem Orte gut, am anderen Orte schlecht sein. Dies gilt eben auch für diese «Meister der Weisheit»; da sie zuviel Weisheit haben, würden sie infolgedessen hier auf der Erde Unheil anrichten, so wie der Klavierbauer im Musiksaal Unheil anrichten würde. Wenn die «Meister der Liebe und des Mitleids» zuviel von
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unserer Erde mit herübernehmen in den nächsten planetarischen Entwicklungszustand, so würden sie eine Art «Brüder des Schattens» werden, denn diese nächste Epoche wird die Aufgabe haben, das Manas-Element auf die Ebene von Budhi herauf zu läutern. Alle diese gereinigten Karmagefühle werden dann zusammenfließen zu einer einzigen Macht, die zustreben wird dem Urgeist, der unseren Planeten durchströmt und durchflutet. Alles, was der heutige Mensch fühlt, wird im nächsten Zustand in geläuterter Form wie Flammen zusammenströmen, und diese vielen einzelnen Flammen werden sich verbinden zu einem Gesamtfeuer. Und so nennt man diesen Planeten den Kosmos des Feuers, der gebildet wird aus den geläuterten Gefühlen der menschlichen Herzen, indem sie harmonisch ineinanderklingen.
Dieser Kosmos des Feuers verhält sich zu unserem irdischen Kosmos so wie dieser zu seinem Vorgänger. Das Wesenhafte muß erst durch die Weisheit hindurchgegangen sein, dann durch die Liebe, und endlich muß es im Feuer aufgehen. Das ist das Ziel, welches der Urgeist, der den Kosmos durchströmt, anstrebt. Er will die Menschheit alle Zwischenstadien durchleben lassen. Der Mensch soll nicht nur einfach zur Vollkommenheit gelangen, sondern es gilt auch, ihn alle einzelnen Stadien durchlaufen zu lassen, um ihn den Reichtum des Daseins erleben zu lassen. Diese Zwischenziele könnten nicht erreicht werden, wenn nicht Mannigfaltigkeit in der Zeit und im Raum vorhanden wäre. Im Raume sind verschiedene Daseinsstufen nebeneinander. Aber auch hintereinander in der Zeit leben die Wesen und machen verschiedene Epochen, verschiedene Stufen durch. So erstrebt der Urgeist die Mannigfaltigkeit in der Zeit und im Raume. Er läßt die Wesen durch sich selbst zur Vollkommenheit schreiten. Er läßt die Wesen die einzelnen Lektionen wirklich durchmachen.
Karma kann also nur so wirken, daß das eine, das Vollkommene, dem anderen, dem Unvollkommenen, entspricht. Denken Sie sich, ein Kind soll sich entwickeln, um sich im Hinblick auf sein späteres Erwachsensein zu vervollkommnen. Da muß es alles erst lernen. Es muß stehen und gehen lernen, es muß lernen, sich selbst im Gleichgewicht
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zu halten; dabei wird es auch öfters hinfallen. Wenn mit dem Hinfallen kein Schmerz verknüpft wäre, so würde das Hinfallen keine Wirkung in der Richtung der Vervollkommnung der Fähigkeiten haben. Um sich zu vervollkommnen, muß eben Unvollkommenes im Leben vorhanden sein. Mit jeder Tatsache muß eine andere so verbunden sein, daß diese erste Tatsache uns zu einer Lektion wird, daß sie uns etwas lehrt. Das zeigt uns die Theosophie. Alle Zwischenstadien unseres Planeten sind ein Lernen, durch das wir aufsteigen bis zu dem höchsten Grade. Wir haben deshalb das Leben aufzufassen als ein Lernen. Der göttliche Urgeist gibt uns die Gelegenheit, daß wir aus dem Leben so viel wie möglich lernen. Ein nur verzeihender Gott würde uns verhindern zu lernen.
Jede Tat wird zum Quell einer Erkenntnis. Das würde sie nicht, wenn nicht mit dem Pendeln nach der einen Seite das Ausschlagen des Pendels nach der anderen Seite verknüpft wäre. Es ist notwendig, daß das Pendel nach zwei Seiten ausschlagen kann, damit wir nicht an der Hand eines Schöpfers wie Marionetten gelenkt werden. Weil in bestimmten Stadien unserer Entwicklung nicht die ganze Mannigfaltigkeit des menschlichen Lebens auftritt, muß in anderen Stadien etwas auftreten, was sich ausnimmt wie das Ausschlagen des Pendels nach der anderen Seite.
Nun gibt es physische Krankheiten. Den Ursprung der physischen Krankheiten können wir im Grunde genommen nicht begreifen. Begreifen können wir nur, daß uns Unfälle passieren; daß aber unser Körper einfach aus sich selbst heraus krank wird, ohne daß ihm ein Unfall geschieht, das ist etwas, was wir nicht so ohne weiteres begreifen können. Im Okkultismus werden die «Brüder des Schattens» auch als die Träger von bösen, von innen heraus wirkenden Krankheiten angesehen; und wir können den kosmisch- karmischen Ursprung der ohne äußere Veranlassung auftretenden physischen Erkrankungen in der gleichen Richtung suchen. Durch das Zuviel an Weisheit am falschen Platz geschieht das Abirren ins Böse. Das bedeutet im Physischen ein zu starkes Eingreifen in die Organe durch die Meister der Weisheit. Diese sollen sich aber
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nur mit Weisheit beschäftigen und sich im jetzigen Erdenzustand nicht in die physische Sphäre der Organe vertiefen. Genau so werden die Meister der Weisheit, wenn sie hier dasselbe tun, was sie in einer früheren Stufe mit Recht getan haben, zu Erzeugern von physischen Krankheiten. Dieses sich gleichsam selbst überschlagende Weisheitsprinzip ist der Ursprung des physischen Übels.
Unserem Kosmos der Liebe, des Mitleids und des Wohlwollens ging der Kosmos der Weisheit voran, in welchem die Wesen ihre Tätigkeit dem Ausbau des physischen Leibes gewidmet haben. Daß sie ihre Tätigkeit noch in unseren Kosmos hineinerstrecken, das bewirkt die Krankheiten. Die Krankheiten, die physischen und die moralischen Übel, sind auf diesen gemeinsamen Ursprung zurückzuführen. Dies ist eine Tatsache, die sich uns aus der okkulten Geschichtsforschung ergibt.
Ich habe gezeigt, wie unsere Zeit durch die äußere Forschung dahin gekommen ist, daß eine Vergeistigung durch die Theosophie notwendig wird. Bis vor das Tor der Theosophie kommt die abendländische Wissenschaft und klopft nun an, denn aus sich selbst heraus kann sie befriedigende Lösungen nicht finden.
Lombrosos Forschungen zum Beispiel sind an sich berechtigt; bei ihm erscheinen das Physische und das Seelische nahe aneinander gerückt. Wie nahe rückt er beim Verbrecher Krankheit und physische Abnormität zueinander. Rein physische Abnormitäten und Unregelmäßigkeiten der Physis hat Lombroso bei Verbrechern gefunden; er mißt die Schädel, sucht Asymmetrien und Abnormitäten auf und sagt, daß da, wo eine moralische Verfehlung vorliegt, auch eine physische Disharmonie zu finden sei. Auf diese Weise rückt er moralisches und physisches Kranksein sehr nahe aneinander. So kommt die physische Wissenschaft zu Überzeugungen, zu denen auch der Okkultismus führt. Aber die Theosophie weiß, daß es sich im Falle von moralischen und physischen Krankheiten um ein karmisches Hereinragen der lunarischen Epoche in unsere irdische handelt; es sind kosmisch-karmische Wirkungen, die in diesem zu tiefen Vordringen in die Physis zum Vorschein kommen.
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Nun werden Sie sehen, warum diejenigen, welche die Fähigkeit zum astralen Schauen haben, ganz andere Ärzte sein können als die, welche dieses Schauen nicht haben. Während der lunarischen Epoche war alles, was damals geschehen ist, viel näher dem Astralen als heute; die astralen Kräfte waren viel reger, viel flüssiger, sie waren viel mächtiger. Der astrale Seher kann daher den Zusammenhang verfolgen, der zwischen unserer Welt und der lunarischen besteht. Er muß von den physischen Wirkungen in die astralen Ursachen hineinschauen. Man muß versuchen, sich dies in einem Bilde vorzustellen. Stellen wir uns vor, das Astrale wäre Wasser gewesen und wäre nun gefroren, so daß man in dem Eis alles sehen kann, was früher da war. Ein Arzt wie Paracelsus, der dieses Schauen hatte, war imstande, eine ganze Menge von Heilensprozessen zu finden, die dem gewöhnlichen Arzte nicht verständlich sind. Er war imstande, die Ursachen für die Krankheiten im Physischen durch sein Schauen zu ermitteln, das heißt die Ursachen der Krankheiten in den vorhergegangenen Entwicklungsepochen zu sehen. Er sagte, man müsse nicht bloß den irdischen, sondern auch den siderischen Menschen kurieren; das heißt in unseren Worten: man muß auch das Astralische des Menschen kurieren. Paracelsus sieht das Verhältnis zwischen der Wirkung des von ihm benutzten physischen Heilmittels und der Ursache der Krankheit, und er sieht auch die Wirkung dieses Heilmittels. Der gewöhnliche Arzt findet die Wirkung nur durch das Experiment.
Sie sehen also, wie dasjenige, was auf der Erde als Unvollkommenheit erscheint, für uns nicht mehr unvollkommen ist, wenn wir es auffassen als verschuldet durch das Hereinwirken der früher berechtigten Weisheit in unsere Epoche. Was in unserer Epoche vollkommen ist, kann in einer früheren oder späteren unvollkommen sein. Jesus sagt: Warum nennt ihr mich vollkommen? Nur der Vater im Himmel ist vollkommen. Kein einzelnes Wesen ist vollkommen; es ist nur unvollkommen an dem Ort und zu der Zeit, wo es sich befindet.
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Über frühere Gottesvorstellungen
Berlin, 2. November 1903
Ich möchte heute von gewissen Erscheinungen sprechen, die zusammenhängen mit dem Zustand, der etwa in der Mitte der dritten Runde, der dritten Zeitepoche der Erdenentwicklung, eintritt und in dem die bisher ätherischen, feineren Menschenrassen dichter, stofflicher werden. Es entwickelt sich das Vorstellungsvermögen. In der ersten Wurzelrasse war erst das Empfindungsvermögen ausgebildet; die Menschen konnten empfinden, sie konnten den Unterschied wahrnehmen zwischen kalt und warm, zwischen hell und dunkel, zwischen naß und trocken, aber sie konnten noch nicht sich Dinge vorstellen, sie hatten noch nicht die Möglichkeit, die Gegenstände, die draußen sind, in sich zu wiederholen, das heißt in sich geistige Gegenbilder zu den Gegenständen draußen zu schaffen. Das tritt erst bei der dritten Wurzelrasse ein. Auf der einen Seite sehen wir da heraufkommen das Vorstellungsvermögen und auf der anderen Seite das Grob-Stoffliche, das sich ausdrückt in dem Fortpflanzungsvermögen und in dem Auftreten der Gegensätze des Männlichen und Weiblichen.
Diese Entwicklung ist mit noch etwas anderem verknüpft, und zwar mit etwas, das uns ein tieferes Verständnis der Gottesvorstellung geben kann. Es hat in jener Zeit eine Gottesvorstellung noch nicht gegeben; erst von der dritten Wurzelrasse an konnte eine Gottesvorstellung aufdämmern, erst dann konnte ein Gottesbewußtsein entstehen. Wir verstehen das nur, wenn wir den Prozeß, [wie sich die Gottesvorstellung entwickelte,] als einen realen fassen. Wenn wir versuchen zu verstehen, wie die Gottesvorstellungen in der Menschheit begannen Platz zu fassen, so finden wir, daß man zunächst überall eine Religionsform konstatieren kann, die sich unterscheidet von dem Polytheismus und von den anderen Religionsformen. Deshalb wurde dafür ein besonderes Wort geprägt: Henotheismus. Henotheismus war die ursprüngliche Religionsform, die wir in dieser Zeit überall finden. Die Vielgötterei ist erst
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etwas Späteres. Die ursprüngliche Form der Gottesvorstellung ist die Anbetung und Verehrung einer Urgottheit. Diese Vorstellung unterscheidet sich aber von der späteren Vorstellung eines Einheitsgottes, dem Monotheismus, da sie nicht so bestimmt ausgebildet ist, da sie schwankend ist und verschwimmende Gestalt hat. Es ist eine unbestimmte Gottesvorstellung, die überall auftritt. Klar ausgedrückt müßte ich sagen: Ursprünglich stellten sich die Völker nicht einen Gott vor, sondern ein Göttliches, sie stellten sich vor, daß ein Unbestimmtes dem Weltenall zugrundeliegt, und daß dieses Unbestimmte göttlich ist. Woher und wie kamen die Menschen zu dieser Vorstellung, daß der Urgrund der Welt göttlich ist? Man hat verschiedene Hypothesen aufgestellt und nicht finden können, woher dieser Gedanke kommt. Der Henotheismus, so wie man ihn heute findet bei den sogenannten wilden Völkern, ist nicht die ursprüngliche Form dieser Gottesvorstellung, denn bei diesen Völkern haben wir es nicht mit direkten Nachfahren dieser alten Kulturen zu tun.
Gehen wir zu den Lemuriern, so treffen wir auf einen Zeitpunkt, wo der Übergang stattfindet von dem allgemeinen Wirken der kosmischen Weisheit zu dem Wirken von Kama-Manas in der einzelnen Menschenseele. Vorher ist die Weisheit ein universelles Wesen, ein Wesen, das gleichsam über dem Ganzen schwebt als Geist. Es ist noch nicht sehr verschieden von dem Universalgeist, der während der Mondepoche gewirkt hat. Gerade in der lemurischen Zeit geschieht das Einträufeln des Allgeistes in die menschlichen Seelen. Stellen Sie sich das so vor: Vorher sahen die Lemurier den einheitlichen Geist, den sie sich noch nicht vorstellen konnten, außer sich; er schwebte über ihnen. Und in ihrer weiteren Entwicklung finden sie dasselbe in sich, was sie früher außer sich haben wahrnehmen können; sie finden es in sich selbst, in ihrer eigenen Seele widergespiegelt. Vor ihrer Entwicklung zu vorstellenden Wesen war das Schauen der Lemurier ein halb-astrales Schauen; die Einheits-Gottheit sahen sie über sich schwebend. Indem sie jetzt in sich sehen, spiegelt sich das, was sie früher außer sich sahen, in ihrer eigenen Seele. Es ist der Inhalt, der früher
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draußen war, derselbe, der jetzt in der eigenen Seele aufleuchtet. Die erste Gottesvorstellung ist nichts anderes als eine Wiederholung dieses Prozesses. Die Überreste einer solchen Religion können Sie in der ältesten indischen Religion finden.
Nun gehen wir herüber zu der atlantischen Rasse. Der Lemurier konnte nicht nur sehen, sondern sich auch ein geistiges Gegenbild des Gesehenen schaffen. Es ist etwas anderes, sich ein Bild zu schaffen und dieses Bild dann mit sich herumzutragen. Das Gedächtnis ist erst ausgebildet worden bei der atlantischen Rasse. In der ersten Wurzelrasse wurde das Empfindungsvermögen, in der zweiten das Anschauungsvermögen, in der dritten das Vorstellungsvermögen ausgebildet, und erst die vierte Wurzelrasse konnte die Vorstellungen behalten und hat dadurch das Gedächtnis ausgebildet. Wenn Sie sich das vorhalten, daß bei den Atlantiern vorzugsweise das Gedächtnis ausgebildet wurde, so können Sie sich denken, daß bei ihnen auch die Religion ganz bestimmte Formen annehmen mußte.
Die lemurische Menschenrasse ging zugrunde, sie ging über in die atlantische Rasse, welche das Gedächtnis entwickelt hat. Mit ihrem vorzüglichen Gedächtnis erinnerten die Atlantier sich an die Bilder, welche sich ihre Vorfahren, die Lemurier, gemacht hatten. Das ist ungefähr so [vorzustellen], wie wenn Sie zum Beispiel im Wassertropfen die Sonne sich spiegeln sehen, aber nicht die Sonne selbst sehen. Daher entwickelten die Atlantier ein zweifaches Bewußtsein: In unseren Vorfahren ergriff das Göttliche Platz; sie waren unsere Ahnen, in deren Seelen Göttliches lebte. Das war die Zeit, in der man begann, die Ahnen zu verehren; der Ahnenkult trat da auf. Die Ahnen wurden verehrt, weil man das Göttliche in deren Seelen aufblitzen sah. Eine Abart der Ahnenverehrung ist die spätere Heroenverehrung: Theseus, Iason und so weiter; auch das gehört zur Verehrung der Vorfahren. Damit wird aber auch die Vielheit der Götter eingeführt. Wir finden da das Einfließen der wirklichen Geistigkeit in die Menschenseele Erinnerung, Ausbildung des Gedächtnisses innerhalb der vierten Menschenrasse, innerhalb der Zeit der Atlantier.
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Nun kommen wir zur fünften Menschenrasse. Bei ihr entwickelt sich die Denkkraft. Die Atlantier haben nicht in dem Sinne gerechnet wie wir, denn dazu ist die Denkkraft nötig, die Logizität. Sie wissen, daß 2 x 2 = 4 ist; das wissen Sie, das haben Sie sich durch das Denken erworben. Der Atlantier hatte das noch nicht. Wenn er Zwei hatte und dann noch einmal Zwei, so rechnete er nicht: 2 x 2 = 4, sondern er sagte: Wieviele waren es in früheren Fällen, wenn die Dinge so nebeneinander gelegen haben? Die Vorstellungen des Atlantiers waren also an das Gedächtnis gebunden. Vor dem Gedächtnis des Atlantiers lag das ganze Leben und auch das seiner Vorfahren. Das ist nicht zu verwechseln mit der Akasha-Chronik, sondern es war menschliches Gedächtnis. Früher empfanden die Menschen mit ihrer ganzen Natur; es war nicht wie bei uns heute, wo man zuerst etwas berühren muß. Heute haben wir Denkregeln, zum Beispiel 2 x 2 = 4, und wir richten uns danach.
Das religiöse Bewußtsein in der fünften Wurzelrasse muß sich herausbilden unter dem Einfluß des Denkens. Der Mensch der fünften Rasse sucht nicht nur, das wahrzunehmen, was um ihn herum ist, er sucht nicht nur zu einem Empfinden zu kommen, sondern er sucht es [gedanklich] zu ergreifen. Ihm wird das Denken ein wichtiges Mittel, um zur Weisheit zu dringen. Damit löst er sich, weil das Gedächtnis übertönt wird, von der Vergangenheit immer mehr und mehr ab. Die Verehrung des Alten verschwindet, und nur das, was tief innerlich in der Seele als Manas lebt und als Manas sich ankündigt, wird dasjenige, an das die Verehrung sich heftet. Daher kommt die fünfte Menschenrasse dahin, das Manas als das Göttliche zu erkennen.
Die fünfte Menschenrasse treibt daher auch nicht mehr Polytheismus, sondern sie strebt danach, die Meisterschaft des Innern zu gewinnen und den göttlichen Mittelpunkt des Menschen zu erkennen. Daher haben wir in der fünften Menschenrasse die großen Meister: Laotse, Konfuzius, Buddha, Moses, Zarathustra und so weiter. Dadurch wurde die Menschheit losgelöst von dem Vergangenen und von der Verehrung ihrer Ahnen, [und es beginnt die Verehrung] der in der Zeit sich verwirklichenden göttlichen Weisheit.
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Wenn Sie nun die mythologischen Vorstellungen der Griechen in ihrem tieferen Sinne auffassen, so werden Sie sehen, wie in der Stufenfolge der griechischen Gottheiten merkwürdigerweise ein volles Bewußtsein von der Aufeinanderfolge dieser religiösen Vorstellungen lebt. Wir müssen uns vorstellen, daß die Kraft, die bei den Lemuriern über allem schwebt, die als einheitliche Weisheit im Raume lebt, [von den Griechen] Uranos genannt wird. Uranos wird abgelöst von Kronos, dem Gotte der Zeit, von dem Gotte, der im Gedächtnis lebt; er verschlingt fortwährend seine Kinder. Er repräsentiert die ganze Ahnen-Göttlichkeit. Dann folgt Zeus, der vermenschlichte Gott, der Gott des Heroentums; er ist eine Abart desselben Prinzips. Dann kommt der Kult des Dionysos. Dionysos ist der Strebende, Leidende, Empfindende, der denkende Mensch selbst. Er ist so dargestellt, daß er ursprünglich getötet, zerstückelt wird, dann wieder auferstanden ist und nun wieder in der Welt emporstrebt. Er ist der Repräsentant der Meisterschaft, der Mahatmaschaft, der Repräsentant der Gottesvorstellung der fünften Rasse. So haben sich in der griechischen Vorstellung diese drei Stufen erhalten: Uranos Henotheismus; Kronos und Zeus Polytheismus; Dionysos Mahatmaschaft. Das wird Ihnen eine Aufklärung darüber sein, warum die Dionysos-Religion in Griechenland eine Geheimreligion war.
Die Griechen verbargen diesen Kult in den Mysterien. Aischylos wurde vor Gericht gefordert, weil er Geheimnisse der Mysterien verraten habe, indem er sie auf die Bühne gebracht hat. Er konnte aber nachweisen, daß er gar nicht in die Mysterien eingeweiht war. Sokrates mußte sterben, weil man glaubte, daß seine Lehren aus den Mysterien heraus gegeben waren. Es wurde immer für den Verrat der Mysterien die Todesstrafe verhängt. Wo in der griechischen Mythe von dem Herabsteigen in die Unterwelt gesprochen wird, bedeutet dies immer eine Einweihung; es bedeutet, daß die Betreffenden Mysten waren. Dionysos steigt hinunter in die Unterwelt. Das bedeutet: er war Myste; ebenso Herakles. Jeder Mythos bedeutet etwas ganz Bestimmtes, nicht etwas Willkürliches. Man brauchte nicht zu glauben, sondern man wußte es;
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man wußte es durch die Einweihung. Die Einweihung brachte den Betreffenden dazu, die Bedeutung des Mythos wirklich anerkennen zu können. Der Eingeweihte der fünften Wurzelrasse ist voll ausgefüllt von der Anschauung, daß in ihm das fünfte Menschheitsprinzip sich zum Dasein ringt, daß er Träger des Menschentums der fünften Wurzelrasse ist. Dadurch kommt er auch zur Anerkennung des Mahatmatums.
Je tiefer man die Dinge betrachtet, desto mehr kommt man auf den inneren Fortgang der geistigen Menschheitsentwicklung. Jetzt wird es nicht mehr so unbegreiflich erscheinen, wenn ich oft von Geheimnissen gesprochen habe. Sie sehen ja, die Theosophie ist nichts anderes als ein fortwährendes Enthüllen geheimer Weltenzusammenhänge. Diejenigen Geheimnisse, welche die Theosophie heute enthüllen kann, sind noch ganz elementar. Sie sind aber etwas, was den Menschen schon tief hineinstellt in einen großen Zusammenhang, der ihm das Dasein auf der einen Seite klein erscheinen läßt wie eine kleine Perle in einer großen Muschel, aber auf der anderen Seite groß, wenn er auf das höhere Selbst reflektiert und sich seine Inkarnationen wie die Gesamtheit der Perlen vorstellt. Die Theosophie macht uns nicht klein, wie die moderne Naturwissenschaft uns klein machen will, die da sagt: Im ganzen Universum sind Millionen von Erden, die alle bewohnt sind, und von diesen ist unsere Erde ein Staubkorn. Auch die Theosophie sagt, der Mensch ist ein solches Staubkorn, aber in dem Menschen lebt auch das Göttliche. Dieser göttliche Funke, den wir im Mittelpunkt unseres Bewußtseins finden, ist nicht in uns entstanden, sondern er ist von außen in uns hereingezogen; er ist dasselbe, was draußen im Makrokosmos lebt.
Es ist keine besondere Weisheit, zu der Feuerbach gekommen ist, [wenn er meint]: Die Alten hatten unrecht, wenn sie sagten, die Gottheit habe den Menschen nach ihrem Ebenbilde geschaffen, denn der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde. Ganz richtig, der Mensch schafft die Gottheit wieder aus sich heraus. Aber: das ist die Gottheit, die das schafft. So dürfen wir sagen: Feuerbach hat recht, nur daß er sich nicht selbst recht gibt. Was ich Ihnen immer
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wieder sagte: Gedankenkontrolle ist das, was nötig ist. Und Gedankenkontrolle besteht nicht nur darin, daß ein Gedanke klar ist, sondern daß jeder Gedanke einen Kontrollgedanken hat. Man sollte nie einen Gedanken denken oder aussprechen, ohne den dazugehörigen Kontrollgedanken anzuwenden. Der Mensch wirkt Wunder, wenn er sich nicht gestattet, nur einseitige Gedanken zu fassen.
ÜBER DEN SÜNDENFALL
Berlin, 24. November 1903
Wir werden heute von der Entwicklung des Kausalkörpers sprechen. Wir halten dabei daran fest, daß die Reinkarnationen durchschnittlich so geschehen, daß Jahrhunderte zwischen zwei Inkarnationen verfließen. Der Kausalkörper ist zunächst auf einer niederen Stufe, dann [nach weiteren Inkarnationen] auf einer höheren und immer wieder höheren. Die erste Inkarnation der Menschenwesenheit und damit die Veranlagung des Kausalkörpers geschah in der dritten Wurzelrasse unserer Erdenrunde. Vorher waren die unsterblichen Menschengeister noch nicht in den Leibern inkarniert, die wir jetzt tragen, auch nicht in ähnlichen Leibern. Wir werden über die vorhergehenden Zustände noch sprechen.
Ich möchte nun zeigen, wie die Entwicklung geschieht. Sie können sich einen Begriff machen von der regelmäßigen Stufenfolge der Entwicklung, wenn Sie die indische und die europäische Kulturepoche betrachten. Die europäische Unterrasse ist nicht auf einer höheren und auch nicht auf einer tieferen Stufe als die indische die indische Unterrasse ist spiritueller, die europäische ist intellektueller. Denselben Inhalt, welchen die indische Unterrasse durch Spiritualität bekommt, erhalten wir durch Intellektualität. Wir können heute Spirituelles erfassen, wenn wir vorher in einer spirituellen Rasse inkarniert waren. Das, was wir damals, in den
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Zeiten, in denen die Genesis des Alten Testamentes entstanden ist, auf spirituelle Weise gesehen haben, können wir heute verstandesmäßig leichter begreifen. Daß wir dasjenige, was der Kausalkörper in früheren Jahrhunderten geschaffen hat, heute zu verstehen vermögen, das liegt daran, daß wir damals als Menschen noch spiritueller waren; wir konnten damals höhere Wahrheiten noch unmittelbar einsehen. Wenn wir die Inder und auch die Juden der alten Zeiten betrachten, so sehen wir, daß sie die Wahrheiten spirituell erfaßt haben; heute haben auch die Juden das Spirituelle verloren, und auch die Inder sind materialistischer geworden. Früher war es nicht üblich, die Wahrheiten in einer verstandesmäßigen Form zu geben, wie wir es heute tun, sondern es wurde alles bildlich gegeben; und das, was ursprünglich in bildhafter Weise gegeben wurde, das ist die spirituelle Wahrheit. Wer die Symbole kennt, der kann das Spirituelle verstehen.
Die Gelehrten streiten sich über die biblische Darstellung der sieben Schöpfungstage und über den Mythos vom Sündenfall. Der Mythos vom Sündenfall schildert aber nichts anderes als das, was in der dritten Wurzelrasse, während der lemurischen Zeit, geschah: Da war der Übergang vom Ungeschlechtlichen zum Zweigeschlechtlichen. Kama-Manas und die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen gehören zusammen; Kama-Manas tritt auf als der werktätige Verstand, das ist der eine Pol, der andere Pol ist die Zweigeschlechtlichkeit. Die Trennung in zwei Geschlechter und das Eintreten des Verstandes in Kama Manas, das stellt der Sündenfall-Mythos der Bibel dar. Jede einzelne der Tatsachen muß lebendig gewesen sein bei denjenigen, welche diesen Mythos geschaffen haben. In hoher mythischer Sprache wurden die Tatsachen erzählt. In der Bibel sind sie etwas verzerrt wiedergegeben; für den Kenner ist es deutlich, wo der Inhalt dieses Mythos verzerrt ist und wie er ursprünglich gelautet haben muß.
Wir wollen sehen, wie damals, als die Menschheit noch spiritueller war, der Mythos gegeben worden ist. Schritt für Schritt können wir uns den Mythos vom Sündenfall vornehmen, und wir werden erkennen, welch tiefe Weisheit in diesem Mythos liegt.
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Die Schlange war listiger denn alle Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe:
Das Schlangensymbol steht überall für den Initiierten. Derjenige, der in einer gewissen Weise eingeweiht ist und aus seiner Einweihung heraus einen Inhalt an die Menschheit heranbringt, der wurde «Schlange» genannt. Die Schlange ist das Symbol desjenigen, der in der Lage ist, die Menschheit durch Kama-Manas zu führen. Alles Manasische innerhalb der dichten Erde war weniger «listig», deshalb sagte die Schlange zum Weibe:
Ja, sollte Gott gesagt haben:
Ihr sollt nicht essen von allerlei Bäumen im Garten? (Genesis 3, 1)
Die Bäume bedeuten das, was die Menschen bearbeiten sollten mit Kama-Manas, wodurch sie sich voranbringen sollten innerhalb der Erde, innerhalb der physischen Materie. Die Verstandeskultur ist gemeint, die das bearbeiten soll, was innerhalb der Erde wächst und gedeiht.
Da sprach das Weib zur der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten. Aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret es auch nicht an, daß ihr nicht sterbet. (Genesis 3, 2-3)
Solange der Menschengeist sich nicht verkörpert hat, solange gab es keinen Tod und auch nicht die heutige Fortpflanzung. Die Fortpflanzung bei den früheren Menschenrassen geschah auf eine andere Weise: Der eine Körper entließ den anderen. Es war eine Differenzierung ohne Befruchtung. Nicht Geburt und Tod gab es; es fand nur ein Anziehen und Abstoßen in Wahlverwandtschaft statt. Die Schlange, der Meister von Kama-Manas, konnte sagen: Erwerbt ihr euch Kama-Manas, eßt ihr von dem Baum, dann macht ihr eine Entwicklung durch. Jener Planetengeist, der Jehova heißt und der die Menschheit früher allein geführt hat, der wußte, was geschah, wenn sich durch die Schlange Manas mit Kama vermischt. Wenn das geschah, dann mußten die Menschen auch sterben.
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Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet mitnichten des Todes sterben, sondern Gott weiß, daß, welches Tags ihr davon esset, so werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. (Genesis 3, 4-5)
Ihr werdet mitnichten sterben, aber eure Augen werden euch aufgehen : das heißt, ihr werdet durch Kama das Manas entwickeln müssen. Ihr werdet durch die Augen alles besehen müssen und dann Erkenntnis erwerben. Vorher hatten die Menschen nicht gewußt, was gut und böse ist, denn sie wurden von oben geleitet.
Und das Weib schaute an, daß von dem Baum gut zu essen wäre, und lieblich anzusehen, daß es ein reizender Baum wäre, weil er klug machte; und nahm von der Frucht und aß, und gab ihrem Mann auch davon; und er aß.
Da wurden ihrer beider Augen aufgetan,
Da zogen die Menschen in die Leiber ein und konnten durch die Sinnesorgane beobachten.
und sie wurden gewahr, daß sie nackt waren; und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze. (Genesis 3, 6-7)
Früher konnten sie das nicht wahrnehmen, jetzt erst wurden sie «nackt». Die physische Materie zeigt die Natur, die mit Kama-Manas verbunden ist, und die physische Materie «Kleidung» ist das Ergebnis von Kama-Manas. Früher hatte der Mensch eine höhere, feinere Materie gehabt, da hatte er sich nicht zu schämen brauchen. Die physische Materie mußte er erst seiner höheren Natur angemessen machen. Gott hat nicht Kama gemacht, sondern Manas. Aber der Mensch schämte sich und machte sich Kleidung.
Und sie hörten die Stimme Gottes des Herrn, der im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. (Genesis 3, 8)
Bis dahin hat der Planetengeist die Menschen geführt. Jehova ist der Gott der physischen Natur, in der «Geheimlehre» der Gott der
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Zeugung, ein Mondgott. Man hat es Frau Blavatsky übelgenommen, daß sie Jehova richtig charakterisiert hat. Der Mensch bekommt vom Kosmos durch Jehova die Sexualität.
Und Adam verbarg sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des Herrn unter die Bäume im Garten.
Und Gott der Herr rief Adam, und sprach zu ihm: Wo bist du? Und er sprach: Ich hörte deine Stimme im Garten und fürchtete mich, denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich. (Genesis 3, 8-10)
Früher hatten sich die Menschen überhaupt nicht verstecken können, weil Jehova sie führte. Die Kabbala sagt dies viel deutlicher. In den ursprünglichen Zeiten hat man die Geheimlehre nur bildlich gegeben. «Adam-Kadmon» heißt der geschlechtslose Adam. Jetzt ist die Verstandesnatur im Menschen, früher war sie draußen. Jetzt versteckt der Mensch sie in der inneren Natur, er versteckt sie vor der äußeren Weisheit.
Und er sprach: Wer hat dir gesagt, daß du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?
Da sprach Adam: Das Weib, das du mir zugesellet hast, gab mir von dem Baum, und ich aß. (Genesis 3, 11-12)
Aus dem eingeschlechtlichen Wesen ist ein zweigeschlechtliches Wesen geworden. Das hatte es der Schlange erst möglich gemacht, daß sie die Menschen auf die Bahn von Kama-Manas führen konnte.
Da sprach Gott der Herr zum Weibe: Warum hast du das getan?
Das Weib sprach: Die Schlange verführte mich, daß ich aß. Da sprach Gott der Herr zu der Schlange: Weil du solches getan hast, seist du verflucht vor allem Vieh und vor allen Tieren auf dem Felde. (Genesis 3, 13-14)
«Verflucht vor allem Vieh und vor allen Tieren auf dem Felde» das heißt nichts anderes als: Die Tiere haben sich bis zu einer
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gewissen Grenze entwickelt, so wie es ihrem ganzen Kama noch angemessen ist; sie folgen dem, was ihnen vorgezeichnet ist. Das menschliche Kama ist losgelassen aus den Banden; der Mensch hat sich selbst zu entscheiden. Der Löwe ist grausam, weil es in seinem Kama liegt. Der Mensch aber muß den Trieb zum Moralischen läutern, sein Trieb ist freigegeben. Du bist mit deinem Kama-Manas ausgestoßen und dir selbst überlassen. Du bist nicht so wie die Tiere das liegt in diesen Worten. Diejenigen, welche die «Geheimlehre» kennen, werden wissen, wie auch in der einen Dzyan-Strophe von den höchsten Planetengeistern gesprochen wird, deren es acht sind eigentlich, aber es sind nur sieben, von denen gesprochen wird, denn der eine ist ausgestoßen, der das Licht gebracht hat. So ist Kama-Manas auch ausgestoßen.
Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde essen dein Leben lang. (Genesis 3, 14)
Auf dem Bauche kriechen und Erde essen heißt nichts anderes als: alles, was durch Kama-Manas erreicht werden soll, kann der Mensch innerhalb der irdischen Entwicklung erreichen.
Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, und zwischen deinem Samen und ihrem Samen. (Genesis 3, 15)
Von der Mitte der zweiten bis zur Mitte der sechsten Rasse wird die Polarität zwischen Samen und Verstand übernommen von der tierischen Sexualität. Niemals kann der Verstand das wollen, was die Sexualität will.
Derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen. (Genesis 3, 15)
Es sollen feindliche Kräfte von da und von dort kommen. Der eine Pol sind die kama-manasischen Kräfte, der andere Pol sind die kamischen Kräfte. Eine neue Unlust kam herein, die früher nicht da war, und die ist kamisch.
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Und zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; mit Schmerzen sollst du Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein; und er soll dein Herr sein. (Genesis 3, 16)
Das heißt also, eine neue kamische Strömung tritt auf. Lust und Unlust ist im wesentlichen die Natur des Kamischen. Mann und Weib bedeutet immer in der esoterischen Sprache die zwei Kräfte: Der Mann bedeutet die äußere Kraft, das Weib die innere Seele. Mann und Weib bedeuten also äußere Tatkraft und innere, seelische Gemütskraft. Solange der Mensch auf diesem physischen Weg begriffen ist, muß der seelische Mensch dem physischen Menschen sich fügen. Das Bewußtsein muß sich den Gesetzen der physischen Entwicklung fügen, das heißt «er soll dein Herr sein».
Und zu Adam sprach er: Dieweilen du hast gehorcht der Stimme deines Weibes und gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot und sprach: du sollst nicht davon essen , verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang. (Genesis 3, 17)
Mit Kummer sollst du dein Brot essen : Jehova ist der Planetengeist, dessen Herrschaft nur bis zu Kama-Manas geht. Da tritt ein neues Regiment ein. Deshalb kann Jehova es nicht mit ansehen, daß Kama-Manas mit in die Entwicklung eintritt. Er sagt daher, ich muß einen kosmischen Gegenpol schaffen, weil du der Stimme deines Weibes, des Bewußtseins, das mit Kama-Manas sich erfüllt hat, gehorcht und gegessen hast von der Erkenntnis des Kama-Manas, von dem Baume, von dem ich dir gebot, du sollst nicht von ihm essen. So sei der Acker verflucht um deinetwillen : Also die physische Erde. Damals war es dem Menschen gegeben als eine selbstverständliche Gabe, und jetzt muß er es Stück für Stück erobern. Früher war das, was den Menschen belebt, mehr aufgelöst. «Verflucht» heißt: selbständig gemacht, herabgedrückt. Er konnte jetzt die feinere Materie nicht mehr sehen. Kummer: das ist eine neue Unlust.
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Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen.
Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis daß du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden. (Genesis 3,18-19)
Er muß aber zu Geist werden. Er muß solange im Physischen arbeiten, bis er wieder sich vergeistigt hat.
Und Adam hieß sein Weib Eva, darum daß sie eine Mutter ist aller Lebendigen. (Genesis 3, 20)
Und Adam hieß von dieser Stunde an sein Bewußtsein Eva, die Mutter alles dessen, was der Mensch schafft auf der Erde, die Mutter alles dessen, was der Mensch auf dieser Entwicklungsbahn entwickelt hat. Und das wird die Eva sein, die kama-manasische.
Und Gott der Herr machte Adam und seinem Weibe Röcke von Fellen, und kleidete sie. (Genesis 3, 21)
Den physisch-geistigen Menschen gab er von außen das hinzu, was sie brauchten, um vorwärtszukommen.
Und Gott der Herr sprach: Siehe, Adam ist geworden als unser einer, und weiß, was gut und böse ist. (Genesis 3, 22)
Erinnern Sie sich an das Bild, das ich gebraucht habe, wo die Lichtquelle in der Mitte ist, und die Kugeln im Umkreis das Licht widerspiegeln. Jetzt werden die Kugeln selbst leuchtend, und Gott sagt: Vorher wart ihr nur ein Reflex von mir; ihr wart nur der Gedanke, den ich aussandte, jetzt seid ihr selbständige Wesenheiten geworden, lebendige, losgelöste, selbständige Wesenheiten.
Nun aber, daß er nicht ausstrecke seine Hand, und breche auch von dem Baum des Lebens und esse, und lebe ewiglich! Da vertrieb ihn Gott der Herr aus dem Garten Eden, daß er das Feld baute, davon er genommen ist. (Genesis 3, 22-23)
Adam wurde aus dem Garten Eden hinausgejagt. Er durfte nicht mehr darin bleiben; er durfte nicht mehr von dem Baume der
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Unsterblichkeit essen, wie er es früher konnte; er mußte sich eine andere Nahrung erwerben. Das Manasische geht nicht durch die Pforte von Geburt und Tod hindurch. Die entkörperte Weisheit stellt dar den Baum des Lebens. Jetzt wurde der Mensch kama-manasisch, und jetzt muß er durch Geburt und Tod hindurchgehen. Es sind zwei verschiedene Bäume im Paradiese, von dem einen durfte er essen. Jetzt nach dem Sündenfall sollte er dies nicht mehr. Er hat mit Kama-Manas die Möglichkeit verloren, von dieser Unsterblichkeit zu essen.
Da trieb Gott der Herr Adam aus, und lagerte vor den Garten Eden die Cherubim mit einem flammenden, zuckenden Schwerte, zu bewahren den Weg zu dem Baum des Lebens. (Genesis 3, 24)
Der Cherub ist der Planetengeist, der Manas, das unsterbliche Leben, bedeutet; er bedeutet nicht Erkenntnis durch Kama-Manas. Der Cherub, welcher Jehova zur Seite steht, wurde hingestellt vor den Garten Eden, damit der Mensch nicht eindringe in diesen Garten, wo die Wahrheit in ihrer urewigen Gestalt zu erreichen ist.
Nun denken Sie sich die Entwicklung der Menschheit vor der Zeit der dritten Wurzelrasse. Der Dzyan-Chohan war es, der sie leitete. Dadurch, daß die Menschen von ihm gelenkt wurden, hatten sie Zugang zur Weisheit. Der Mensch war spirituell unmittelbar geleitet, nicht durch Augen, Ohren oder inneres Organ. Jetzt aber, als er Kama-Manas geworden war, stellte sich der Cherub vor den Menschen hin und ließ ihn nicht zum Baum des Lebens kommen. Der Mensch muß erst durch allerlei Geburten hindurchgegangen sein. Das wird solange der Fall sein, bis er wieder die ursprüngliche Unsterblichkeit erworben haben wird.
Die Menschen der dritten, vierten und auch noch der fünften Rasse hatten noch ein gewisses spirituelles Leben; heute sind wir hauptsächlich kama-manasische Menschen, die nur mit einem geringen spirituellen Einschlag begabt sind. Aber wir haben den tiefsten Punkt schon erreicht, und die Theosophie, die theosophische Bewegung, soll den Einschlag der Spiritualität wieder bringen. Man
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konnte früher Wahrheiten nicht in der Verstandesform lehren, sondern es wurde alles in Bildern gegeben; dann ging den Menschen die höhere Erkenntnis auf. Diejenigen, die noch etwas von der früheren Spiritualität haben, werden heute nur schwer verstanden; sie drücken manches in schwerverständlichen Sentenzen aus. Man muß erraten, was der Führende sagen will, denn alles wird nur bildlich ausgedrückt. Es ist aber dasselbe, was heute in der Theosophie Ausdruck finden soll. Wir könnten den Sündenfall nicht so spirituell deuten, wenn wir die Weisheit nicht von anderswoher hätten. Früher wurde sie mythisch erworben, heute geht sie uns durch die fortgeschrittenere Entwicklung unseres Kausalkörpers auf. In späteren Entwicklungsstadien wird sie Ihnen als eine manasische Weisheit aufgehen.
Kosmologie nach der Genesis
Berlin, 8. Dezember 1903
Die zwei ersten Kapitel der Genesis kann man besser verstehen, wenn man die verschiedenen Dinge kennt, die wir schon durchgenommen haben. Das erste Kapitel stellt dar die Entwicklung unseres Planeten durch die drei ersten Erdenrunden bis herein in die vierte Runde, bis zu dem Momente, in dem der Mensch erschaffen wird. Es schließt also mit der Erschaffung des Menschen, da, wo der Mensch der vierten Runde in der dritten Wurzelrasse in die erste Inkarnation eintritt. In ganz ähnlicher Weise stellt das die mosaische Genesis dar wie die griechische Mythologie. Es ist nur deutlicher ausgedrückt in der griechischen Mythologie, die hervorgehen läßt drei Ströme aus den drei Logoi: Uranos, Kronos und Zeus. Im Anfang unserer irdischen Entwicklung stellt Uranos den ersten Logos dar, welcher überhaupt erst die Spaltung hervorbringt aus dem undifferenzierten Zustande, der in dem vorangehenden
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Pralaya vorhanden war. Das treibende Wesen war Uranos; sein Gegensatz war Gaia. In ihnen wurzelt die Entstehung des irdischen Planeten. Uranos ist also in Verbindung mit der Gaia das Schöpferische. Man könnte daher auch sagen: Im Anfang waren Uranos und Gaia. Die zweite Strömung ist die Seelenströmung, Kronos, der das rein psychische Moment der Seele darstellt. Dann tritt das ein, was als die Pilgerfahrt der Seele bezeichnet wird, die Verbindung mit Zeus, dem Gott des Kama-Manas.
Und wie heißt es nun in der Genesis?
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Und die Erde war wüst und leer,
und es war finster auf der Tiefe;
Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern. (Genesis 1, 1-2)
Das ist der Arupa-Zustand; er hat noch keine Form.
Und Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht.
Und Gott sah, daß das Licht gut war.
Da schied Gott das Licht von der Finsternis,
und nannte das Licht Tag, und die Finsternis Nacht.
Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag. (Genesis 1, 3-5)
Das ist die erste Form, der beginnende Rupa-Zustand. Der zweite Globus ist da.
Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern,
und die sei ein Unterschied zwischen den Wassern.
Da machte Gott die Feste, und schied das Wasser unter der
Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah also.
Und Gott nannte die Feste Himmel.
Da ward aus Abend und Morgen der andere Tag. (Genesis 1, 6-8)
Wenn in der Genesis von Wasser gesprochen wird, bedeutet das immer die astrale Materie.
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Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Örter, daß man das Trockene sähe.
Und es geschah also.
Und Gott nannte das Trockene Erde,
und die Sammlung der Wasser nannte er Meer.
Und Gott sah, daß es gut war.
Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das sich besame, und fruchtbare Bäume, da ein jeglicher nach seiner Art Frucht trage, und habe seinen eigenen Samen bei ihm selbst auf Erden. Und es geschah also.
Und die Erde ließ aufgehen Gras und Kraut, das sich besamte, ein jegliches nach seiner Art, und Bäume, die da Frucht trugen, und ihren eigenen Samen bei sich selbst hatten, ein jeglicher nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war.
Da ward aus Abend und Morgen der dritte Tag. (Genesis 1, 9-13)
Das war die Zeit, wo das Pflanzenreich entstand. Früher war das Pflanzenreich ein durcheinanderwogendes Pflanzenreich; es gab noch nicht gesonderte Pflanzen. Deshalb soll jetzt jede ihren Samen haben nach ihrer Art. Jetzt entstehen erst die besonderen Pflanzen.
Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht, und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre, und seien Lichter an der Feste des Himmels, daß sie scheinen auf Erden. Und es geschah also. Und Gott machte zwei große Lichter; ein groß Licht, das den Tag regiere, und ein klein Licht, das die Nacht regiere, dazu auch Sterne.
Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, daß sie schienen auf die Erde, und den Tag und die Nacht regierten, und schieden Licht und Finsternis. Und Gott sah, daß es gut war. Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag. (Genesis 1, 14-19)
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Das ist die astrale Welt, der dritte Globus das Sternenmeer, das Symbol für das astrale Dasein.
Nun kommen wir zum eigentlichen Erdenglobus. Hier bildete sich nach und nach die Materie. Zuerst die Äthermaterie. Während der ersten zwei Zeitalter haben wir es zunächst mit Äthermaterie zu tun. Die verdichtet sich während der dritten Wurzelrasse, während der lemurischen Zeit. Zugleich findet eine Verdichtung der Materialität statt, so daß wir in der lemurischen Zeit ein Immer dichter-Werden der physischen Materialität haben.
Und Gott sprach: Es errege sich das Wasser mit webenden und lebendigen Tieren, und Gevögel fliege auf Erden unter der Feste des Himmels.
Und Gott schuf große Walfische und allerlei Tier, das da lebt und webt, davon das Wasser sich erregte, ein jegliches nach seiner Art, und allerlei gefiedertes Gevögel, ein jegliches nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war.
Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar, und mehret euch, und erfüllet das Wasser im Meer; und das Gefieder mehre sich auf Erden.
Da ward aus Abend und Morgen der fünfte Tag. (Genesis 1, 20-23)
Das ist nicht das Tierreich, von dem uns die Naturgeschichte erzählt, sondern das, was im zweiten Teile der «Geheimlehre» von Blavatsky in den Dzyan-Strophen steht.
Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendige Tiere, ein jegliches nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere auf Erden, ein jegliches nach seiner Art. Und es geschah also.
Und Gott machte die Tiere auf Erden, ein jegliches nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art, und allerlei Gewürm auf Erden nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war. (Genesis 1,24-25)
Er machte die Gesondertheit der Tiere, während sie früher durcheinanderwogten.
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Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kreucht.
Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde
Gottes schuf er ihn; (Genesis 1, 26-27)
und er schuf ihn männlich-weiblich, das heißt ungeschlechtlich.
Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch, und füllet die Erde und macht sie euch untertan, und herrschet über Fische im Meer, und über Vögel unter dem Himmel, und über alles Tier, das auf Erden kreucht. (Genesis 1, 28)
Mehret euch in nicht-geschlechtlicher Art, nicht durch Fortpflanzung, sondern einfach durch das Auseinanderhervorgehen, wie im Astralen.
Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag. (Genesis 1, 31)
Wir stehen jetzt in dem Zeitpunkt, wo die dritte Wurzelrasse der vierten Runde beginnt, das dritte Hauptzeitalter der Erde.
Also ward vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer.
Und also vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhete am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er machte.
Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, (Genesis 2, 1-3)
Er ruhete heißt, er hat jetzt die Aufgabe den Menschen übertragen. Vorher hatte er alles, was zu erregen war, von innen angeregt. Jetzt geschah das kosmische Pfingstfest: Die Geister senkten sich herab und setzten das Werk fort.
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darum daß er an demselben geruhet hatte von allen seinen Werken, die Gott schuf und machte.
Also ist Himmel und Erde geworden, da sie geschaffen sind zu der Zeit, da Gott der Herr Erde und Himmel machte.
Und allerlei Bäume auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und allerlei Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der Herr hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und war kein Mensch, der das Land bauete.
Aber ein Nebel ging auf von der Erde und feuchtete alles Land.
Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele. (Genesis 2, 3-7)
Jetzt war der Mensch da.
Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden gegen Morgen, und setzte den Menschen drein, den er gemacht hatte.
Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, lustig anzusehen, und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. (Genesis 2, 8-9)
Da wird geschildert der Übergang von den ätherischen Rassen zu den physischen Rassen. Diese werden zusammengefügt von den vier Seiten, von Ost, West, Süd, Nord, und von den vier Elementen, die den Fähigkeiten der Geist-Seele entsprechen. Der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen ist das Sinnbild für das Höhere, das sich mit dem Menschen verbunden hat.
Und es ging aus von Eden ein Strom, zu wässern den Garten, und teilte sich von dannen in vier Hauptwasser.
Das erste heißt Pison, das fließet um das ganze Land Hevila; und daselbst findet man Gold.
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Und das Gold des Landes ist köstlich; und da findet man
Bedellion und den Edelstein Onyx. (Genesis 2, 10-12)
Die anderen Wasser heißen Gehon, Hiddekel und Euphrat. Die vier Gewässer sind die Symbole für die vier Astralformen der Materie, die zusammenfließen. Das Wasser bedeutet immer das Astrale in der esoterischen Sprache. In der esoterischen Sprache ist Gold das Symbol des Geistigen; der Onyx ist das Symbol der Materie, die am tiefsten heruntergeht. Der Onyx ist das Symbol dafür, wie sich das Lebendige verwandeln muß, bevor es in das höhere Prinzip aufgenommen werden kann. Das Lebendige, das Prana, muß durchgehen durch einen Läuterungszustand; diesen bezeichnet man als den Onyx-Zustand. Auch in Goethes «Märchen» findet man die Verwandlung des Mopses in einen Onyx.
Und Gott der Herr nahm den Menschen, und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn bebaute und bewahrte.
Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach: Du sollst essen von allerlei Bäumen im Garten;
aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben.
Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei. (Genesis 2, 15-18)
Jetzt beginnt die vierte Runde; vorher war ein kleines Pralaya. Wenn die vierte Runde beginnt, enden erst die ätherischen Menschenrassen. Der Erstling der vierten Runde ist der Mensch. Und was jetzt entsteht, entsteht durch den Menschen; es wird Dekadenzprodukt, es fällt ab.
Denn als Gott der Herr gemacht hatte von der Erde allerlei Tiere auf dem Felde, und allerlei Vögel unter dem Himmel, brachte er sie zu dem Menschen, daß er sähe, wie er sie nennte; .denn wie der Mensch allerlei lebendige Tiere nennen würde, so sollten sie heißen.
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Und der Mensch gab einem jeglichen Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen; aber für den Menschen ward keine Gehilfin gefunden, die um ihn wäre.
Da ließ Gott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er entschlief. (Genesis 2, 19-21)
Der Schlaf bedeutet jenen Übergang, den man ganz genau verstehen muß. Wir denken uns in der Mitte [des Raumes] ein Licht, das ringsherum in der mannigfaltigsten Weise gespiegelt wird. Denken wir uns, daß das Licht in der Mitte verlöscht, und die äußeren Lichter leuchten weiter. So ist das Hineinsenken von Manas in die Körper, die nun von innen zu leuchten beginnen, wenn Manas aufhört, die Menschen von außen zu bestrahlen. Das Traumbewußtsein bildet den Übergang zwischen dem Erstrahlen im Innern und dem Verschwinden des Lichtes im Äußeren. Die Geschlechtlichkeit ist der Gegenpol für Kama-Manas, so wie der Südpol der Gegenpol des Nordpols ist.
Und er nahm seiner Rippen eine, und schloß die Stätte zu mit Fleisch.
Und Gott der Herr baute ein Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm.
Da sprach der Mensch: Das ist doch Bein von meinem Beine und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin heißen, darum daß sie vom Manne genommen ist.
Darum wird ein Mann seinen Vater und Mutter verlassen, und an seinem Weibe hangen, und sie werden sein ein Fleisch. (Genesis 2,21-24)
Ein jeglicher Mensch wird seinen Vater und seine Mutter verlassen, das heißt: er wird dasjenige verlassen, was ihn früher ausgemacht hat.
In den zwei ersten Kapiteln der Genesis ist die ägyptische Geheimlehre enthalten. Moses wurde in Ägypten initiiert; er hat die Geheimlehre dann mitgebracht und sie seinem Volke gegeben.
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Weltengesetz und Menschenschicksal
Weihnachtsvortrag
Berlin, 21. Dezember 1903
Folgen Sie mir einige Augenblicke in Gedanken in die uralten ägyptischen Tempelstätten zu einer Zeremonie, welche um die Mitternachtsstunde desjenigen Tages gefeiert wurde, der unserem Weihnachtstag entspricht. An diesem Tage oder vielmehr um Mitternacht wurde eines derjenigen Bildnisse, welche nur viermal des Jahres gezeigt werden, in dem Tempel enthüllt und vor eine kleine Menge getragen, die zu diesem Tempeldienst vorbereitet war. Dieses Bild war im innersten Heiligtum des Tempels das ganze Jahr hindurch eingeschlossen und wurde streng geheimgehalten. An diesem Tage wurde es von dem ältesten der Opferpriester herausgetragen, und es wurde vor ihm eine Zeremonie verrichtet, die ich Ihnen ganz kurz beschreiben will.
Nachdem der älteste der Opferpriester das strahlende Bildnis des Horus, des Sohnes der Isis und des Osiris, herausgetragen hatte, traten vier Priesterweise in weißen Gewändern vor dieses Bild. Der erste der Priesterweisen sprach vor dem Bilde das folgende: «Horus, der du die Sonne im geistigen Reiche bist und der du uns das Licht deiner Weisheit schenkst, wie uns die Sonne das Licht der Welt schenkt, führe uns, auf daß wir am Ende nicht mehr das sein werden, was wir heute sind.» Dieser Tempelpriester war von Osten hereingetreten. Der zweite der Tempelpriester trat von Norden herein und sprach etwa die folgenden Worte: «Horus, du Sonne im geistigen Reiche, der du uns der Spender der Liebe bist, wie die Sonne der Spender der wärmenden Kraft ist, die die Kräfte der Pflanzen und Früchte das ganze Jahr hindurch herauslockt, führe uns zu einem Ziele, damit wir sein werden, was wir heute noch nicht sind.» Und der dritte der Tempelpriester kam von Süden und sprach: «Horus, du Sonne im geistigen Reiche, spende uns deine Kraft, wie die Sonne der physischen Welt ihre Kraft
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spendet, durch die sie die dunkelste Wolke zerteilen und überall Licht verbreiten wird.» Nachdem dieser dritte Opferpriester gesprochen hatte, trat ein vierter hervor und sagte etwa folgendes: «Die drei Weisesten von uns haben gesprochen. Sie sind meine Brüder, aber sie sind hinaus über die Sphäre, in der ich selbst noch bin. Ich bin der Vertreter von euch» und er meinte: der Vertreter der Menge. Und er sagte: «Ich will eure Stimme führen. Ich will sprechen für euch, die ihr noch als Unmündige dasteht. Ich will meinen älteren Brüdern sagen, daß ihr das große Ziel der Welt ersehnt, wo Menschenschicksal und urewiges Weltengesetz versöhnt sein werden.» Das sollte in dieser Stunde begriffen werden von denen, die genügend dazu vorbereitet waren, wie einst unwandelbares Weltengesetz und Menschenschicksal eins waren.
Wenn wir die Zeremonien verstehen, die sich am Weihnachtsfest in Asien, Indien und selbst in China abgespielt haben, dann verstehen wir, was uns eigentlich in den Weihnachtsglocken erklingt. Einen Makrokosmos hat man von jeher die Welt genannt und einen Mikrokosmos den Menschen. Andeuten wollte man damit, daß der Mensch die Kräfte in sich enthält, welche draußen im Großen vorhanden sind. Aber nicht nur der berechnende Verstand hat den Menschen die Welt im Kleinen genannt, sondern auch das Gemüt, das uns sagt, daß man aufblicken muß zu den Gestirnen. Hier trifft ein Wort des Philosophen Kant zu: «Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.»
Wie verschieden sind Makrokosmos und Mikrokosmos, wenn wir sie von einem anderen Gesichtspunkte aus betrachten. Gerade gegenüber dem Makrokosmos mit seinen unwandelbaren ewigen Gesetzen sind diejenigen von tiefster Bewunderung und Ehrfurcht erfüllt, welche zu den tiefsten Wissenden gehören. Es hat keine Wissenden gegeben, welche die Weltenweisheit durchschaut und nicht zugleich voll Bewunderung vor dem schaffenden Weltengeist gestanden haben. Und einer derjenigen Menschen [der Neuzeit], die zum ersten Mal in vertraulichem Umgang mit diesem
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unwandelbaren Gesetzesschaffen gestanden haben, Kepler, hat die Worte gesprochen: Wer sollte hineinschauen in den wunderbaren Bau des Weltenganzen und nicht den Schöpfer bewundern, der diese Gesetze der Welt eingepflanzt hat. Die Wissenden bewundern die urewigen Gesetze des Sternenhimmels am allermeisten.
Anders scheint es gegenüber dem Menschenschicksal zu sein. Goethe sagt, daß er sich gerne von der Wandelbarkeit des Menschen zu den festen Regeln der ewigen Natur flüchte, und das moralische Gesetz [Kants] mit seinem kategorischen Imperativ schien ihm in Irrgängen befangen zu sein. Noch in einer anderen Weise empfinden wir den Unterschied zwischen dem menschlichen Herzen und dem Weltengeist, dem Makrokosmos; wir empfinden diesen Unterschied, wenn wir auf den Zusammenhang des Menschenschicksals mit dem Charakter des Menschen sehen. Wer würde einem Vulkan eine Verantwortung auflasten? Wohl niemand. Dem Menschen aber, der Unheil anrichtet, müssen wir sehr wohl eine Verantwortung auflasten. Wer würde der Natur gegenüber von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit sprechen? Und woher kommt es denn, daß der Gute leidet und der Böse glücklich sein kann?
Wir sehen eine Harmonie innerhalb des Makrokosmos. Welche Stellung haben wir ihr gegenüber einzunehmen? Klar und deutlich ist in jener Zeremonie, die ich beschrieben habe, das vorgezeichnet, was in dem Fest, das heute so wenig verstanden wird, in einigen Tagen an uns vorüberzieht. Der Sternenhimmel mit seinen unwandelbaren Gesetzen, er war nicht immer der Kosmos, der uns jetzt erscheint. Dieser Kosmos ist aus dem Chaos hervorgegangen. Aus ineinanderwogenden Kräften hat sich das erst entwickelt, was wir heute haben. Nicht immer galten die Kopernikanisch- Keplerschen Gesetze, die uns die Weisheit des Weltengeistes bewundern lassen. Sie scheint heute ausgegossen, erhaben über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit; nicht nach Gut und Böse können wir da fragen. Dem Menschen gegenüber aber können wir das wohl fragen. Wir legen uns heute die tiefere Frage vor: Warum fragen wir dem Menschen gegenüber nach Gut und Böse, nach Gerechtigkeit und
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Ungerechtigkeit? Warum dürfen wir dem Makrokosmos gegenüber diese Frage nicht aufwerfen? Damals, als die Welt noch ein wogendes Meer darstellte, gab es mitten zwischen dem, was die Augen sehen, die Ohren hören, die Sinne wahrnehmen, zwischen dem, was uns heute in den Gesetzen der Harmonie erscheint, noch ein wogendes Meer von raumdurchwogenden Gefühlen, von Wünschen und Leidenschaften draußen im Weltenall. Diese Weltenleidenschaften, welche mitten darinnen waren zwischen den Gesetzen und dem Chaos, mußten erst überwunden werden. Wer heute sich diese Welt der Weltenwünsche und Weltenleidenschaften einer Urvergangenheit vor Augen zu führen versucht, der kann den Körper der Leidenschaften kaum mehr wahrnehmen. Glänzend und durchsichtig, sternenhell, kaum wahrnehmbar mit den feinsten Werkzeugen des Sehers, leuchtet es in jedem Atom, nachdem das Chaos überwunden ist.
Was den Astralkörper des Kosmos zur Ruhe gebracht hat, das ist in dem Menschen noch nicht zu demselben Ziele gelangt. Im Menschen ist der Astralleib noch wogend. Was sich im Laufe der Jahrmillionen im Kosmos bereits vollzogen hat, was am Ziele angelangt ist, das ist in dem Menschen noch im Werden. Und wenn wir den Menschen von Wiederkunft zu Wiederkunft, von Wiederverkörperung zu Wiederverkörperung verfolgen, wenn wir ihn in seinen verschiedenen Leibern sehen und ihn dann in seinen Astralkörpern verfolgen, dann sehen wir, daß von Verkörperung zu Verkörperung der Astralkörper heller und reiner wird. Im Anfange sehen wir ihn durchzogen von dumpfen Leidenschaften. Diese erinnern an die Leidenschaften jener Zeit, als die Welt noch ein Chaos war. Aber nach und nach entwickelte sich jene Helle und Klarheit, wie sie der Astralkörper des großen Weltenalls jetzt hat.
Weil die Weisen der uralten Zeiten den Zusammenhang zwischen dem Werden des Menschen und dem Sein der Welt gekannt haben, deshalb haben sie die Welt Makrokosmos und den Menschen Mikrokosmos genannt. Hinblicken muß der Mensch auf das Ziel, das er sich vorsetzen kann: zu werden wie der Makrokosmos, sich zu durchdringen mit derselben Seligkeit und Ruhe, die als Weltengesetz heute den Kosmos durchflutet. So wenig, wie wir heute den Gesetzen des Kosmos gegenüber fragen können nach Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, so wenig wird einst der Mensch fragen können, ob sein Schicksal übereinstimmt mit seinem Gesetz. Reines Gesetz ist das Kosmosgesetz, und reines Menschengesetz, reiner Menschengeist soll einst des Menschen Schicksal werden. Das ist der Weg des Schicksals, welches der Menschengeist in seinen verschiedenen Verkörperungen durchmacht. Immer sternenglänzender und immer ähnlicher dem Schicksal des Kosmos werden wir.
Karma ist ein Gesetz, unter dem wir alle leiden. Was wir in einer Verkörperung vollbracht haben, trägt uns seine Früchte in den späteren Verkörperungen. Was uns heute zuteil wird, haben wir verursacht in den früheren Verkörperungen. Aber Karma ist ein Gesetz, das nicht nur Schuld und Sühne, Disharmonie und Harmonie in richtiger Weise verteilt, sondern ein Gesetz, das uns hinaufleitet zum höchsten Gipfel des Menschengeistes. Das große Weltenbuch von Karma wird auf der linken und auf der rechten Seite seinen Ausgleich gefunden haben. Alles, was wir dem Leben schuldig geworden sind, werden wir wieder verwandelt haben in die helle Lichtglut des Astralkörpers. Alles, was wir als Mängel empfunden haben, wird ausgeglichen sein. Karma ist verbrannt. Wenn die Schuldpunkte des Daseins nicht mehr vorhanden sein werden, wenn wir selbst unseren Weg gehen wie die Sonne, die nicht vermag, auch nur ein wenig aus der Bahn herauszutreten, dann werden wir auch den uns eingepflanzten Gesetzen folgen wie die Sonne am Sternenhimmel. Das ist unser Weg, das ist unser Ziel. Das wird einstmals die Harmonie sein zwischen dem Menschenschicksal und den Weltengesetzen.
Nicht bei allen Menschen verläuft dieser Gang durch die Lebenspilgerschaft in der gleichen Weise. Genau ebenso wie in der äußeren Natur das Vollkommene neben dem Unvollkommenen ist, wie neben dem Wurm das höhere Tier heute schon vorhanden ist, so ist auch in der geistigen Welt der unvollkommene Menschengeist neben demjenigen, der schon eine höhere Stufe erreicht hat.
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Wer ehrlich und aufrecht an die Entwicklung glaubt, muß auch den Glauben an die Geisteswissenschaft und deren Lehren von den Menschen-Erstlingen haben. Das sind solche, welche auf der Bahn, die wir alle zu durchlaufen haben, schon ein weiteres Stück zurückgelegt haben als wir heute. Einzelne sind vorausgeeilt. Sie haben uns von den Zeiten ab, von denen uns die Geschichte berichtet, überholt, sie haben eine höhere Stufe der Menschheitsentwicklung erreicht. Dadurch sind sie Führer, Leiter der Menschheit geworden. So wie das höherentwickelte Tier über den Wurm emporragt, so ragen die Rishis, die Meister, über die Menschheit empor. Sie haben dies in den früheren Zeiten erreicht, weil sie einen anderen Weg der Erkenntnis eingeschlagen haben, einen steileren, einen gefährlicheren Weg, der mit unendlicher Gefahr verbunden ist. Niemand darf ihn um seiner selbst willen betreten. Wer dies tut, kann straucheln und in tiefe Abgründe fallen oder sein Dasein für eine Zeit verlieren oder zum Quälgeist der Menschen werden. Kurz, niemand darf aus Selbstsucht, aus Egoismus diesen Pfad der schnelleren Erkenntnis aufsuchen. Nur derjenige, der das gelobt, den Mächten gelobt, von denen der gewöhnliche Mensch keine Ahnung hat mit einem Schwur, der niemals gebrochen werden darf , nur derjenige, der dieses Gelübde abgelegt hat, kann den Pfad betreten, um ein Führer der Menschheit, ein Erstling der Menschheit, zu sein. Solche Führer der Menschen haben ihre Erkenntnis niemals für sich selber gebraucht.
Dasjenige, was man im Abendlande so hoch schätzt, das Wissen um des Wissens willen, ist nicht dasjenige, was die Adepten, die großen Meister des Wissens, anstreben. Sie streben das Wissen an, um der Menschheit zu helfen, um sie hinaufzuziehen dahin, wo Menschenschicksal und Weltenharmonie in Einklang miteinander stehen. Diese Menschen-Erstlinge sind es, die in unserer Mitte leben und schon zu allen Zeiten gelebt haben, die sich einen von Begierden und Leidenschaften gereinigten Astralleib erworben haben. So hat ihn schon Buddha gehabt, den sternenglänzenden Astralleib. Als er mit seinem Schüler Ananda einmal hinausging,
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löste sich Buddha in eine lichte Wolke auf, in eine Lichtwolke, in strahlendes Licht. Das war der zur Ruhe gekommene Astralkörper.
Die Strahlenkrone ist nichts anderes als das Symbol des strahlenden Astralkörpers des Gründers des Christentums. Die Menschen-Erstlinge sind als wandelnde Menschenbrüder ein unmittelbares Abbild des Makrokosmos. Es sollte gezeigt werden, daß sie ihr Karma verbrannt hatten, daß nichts mehr zu tilgen ist, daß die urewige Weisheit nicht mehr abirren kann, daß sie sicher die Menschheit leiten, so sicher, wie die Sonne ihre Bahn geht über das Himmelsgewölbe und nicht abirren kann von dieser am Firmament vorgezeichneten Bahn. Das ist das Symbol für die Menschen-Erstlinge. Es bringt zum Ausdruck, daß sie nicht abirren können von der Bahn, die den Menschen vorgezeichnet ist. Sicher, wie die Sonne über das Himmelsgewölbe wandelt, wandeln sie ihren Weg. Und so wie die Sonne ihr Licht und ihre Wärme über die Erde hin sendet, so senden sie die Liebe ihres Herzens in die Herzen der Menschen, Liebe erweckend in den Herzen ihrer Mitbrüder. Diese Erstlinge sind aus ihren Kräften heraus fest gegenüber allen Versuchungen. Man kann ihnen zeigen, man kann ihnen anbieten alle Reiche der Herrlichkeit dieser Welt sie nehmen sie nicht hin, sie wollen einzig und allein eins sein mit dem Urgeist, von dem sie ausgegangen sind. So wollen diese Menschen in diesem Leben ein Makrokosmos selbst sein. Das war ihr Bewußtsein. Es ist dies auch in allen Religionen vorhanden. Diejenigen, welche die Quellen der Religionen kennen, wissen, daß es in all diesen Religionen liegt, zu den Stiftern der Religionen aufzuschauen wie zu den Sternen des Makrokosmos, wie zu dem urewigen Weltengesetz, das den Sternenhimmel beherrscht. Sonnen waren diese Erstlinge der Menschheit für die Eingeweihten und die weiter Vorgeschrittenen.
Wenn der Menschheit gezeigt werden sollte, wie das Karma verläuft, dann wurde ihnen das Abbild der Sonne im Tempel gezeigt. Dieselbe bedeutet dem Menschen das Schicksal, wie der Gang der Sonne im Weltenlauf. [A-mi-to] war dasselbe für die Chinesen, als sie den Buddha als den «Sohn» unter ihren Himmelsgöttern verehrten. Und es war dasselbe für die Hindus, wenn sie den Krishna
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ruhend in den Armen der Deva-Mutter zeigten. Das Weihnachtsfest geht durch alle Religionen hindurch. Es ist das Fest, das dem Menschen zum Bewußtsein bringen sollte, daß sein Schicksal einst ein Abbild des Schicksals des Makrokosmos sein soll.
Im Christentum lebt ebenso die Geistessonne wie in den alten Religionen. Auch im Leben des Christus sollte sich unmittelbar ein Abbild der über das Firmament hineilenden Sonne darleben. Sein Geburtsfest wurde daher in das Weihnachtsfest verlegt. Fragen wir uns, warum. Was geschieht mit der Sonne zur Zeit der Wintersonnenwende, zur Zeit des Weihnachtsfestes? Da werden die Tage wieder länger, nachdem der kürzeste Tag vorüber ist. Das Licht ringt sich wieder heraus aus dem Dunkel. Die Sonne, welche den größten Teil des Tages in Dunkelheit gewesen ist, wird neu geboren, und als solche neu geborene Sonne sendet sie jetzt ihr Licht. Die Geburt des Lichtes wurde um Mitternacht gefeiert, weil aus der Dunkelheit heraus das Licht geboren wurde. So soll symbolisch das Licht der Weisheit geboren werden, das dargestellt wird durch die Menschen-Erstlinge. Die Sonne erscheint wieder von neuem sie, die hinzieht über das Firmament. Mit ihrer Geburt ist sie ein Symbol für den geborenwerdenden Menschen-Erstling, der ebenso sicher auf seiner Bahn hinwandelt, wie das Weltenall die Harmonie in sich trägt.
Verschiedene christliche Sekten hat es anfangs gegeben, und von ihnen wurde das Fest des Heilandes zu verschiedenen Zeiten gefeiert. 135 solcher Tage gab es in den ersten christlichen Zeiten. Erst im Anfang des 5. Jahrhunderts setzte man ein einheitliches Datum fest, nämlich unser heutiges Weihnachtsfest. Man hat es mit Bewußtsein auf diesen Tag gelegt, um dieselbe Symbolik, welche die ganze alte Welt durchtönt hat, auch für dieses christliche Fest festzulegen. Ein Kirchenvater selbst, der von der Kirche heilig gesprochen worden ist, hat es als berechtigt und im Sinne des Christentums betrachtet. Er erzählt uns, daß die Christen recht getan haben, daß sie in der Zeit, in der die Römer die Geburt des Mithras, die Griechen die Geburt des Dionysos feierten, das Christfest, also die Geburt des Christus, begehen. Es sollte dem Feste der gleiche Sinn
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unterlegt werden wie für das Mithras-Fest und das Dionysos-Fest, denn auch in ihnen wurde die Geburt der Erstlinge gefeiert. So hat das Christentum in dem Weihnachtsfest ein Symbol aufgerichtet, welches den Menschen immer wieder zum Bewußtsein bringen soll, daß das Karma verbrannt werden muß, damit Harmonie zwischen dem Makrokosmos und dem Mikrokosmos, die heute noch nicht vorhanden ist, einst vorhanden sein wird, damit auch der Mensch einst den unwandelbaren Gesetzen folgt, von denen er nicht abirren darf.
So, wie Horus, der Sohn der Isis und des Osiris, das Symbol des Menschendaseins und des Menschenzieles, in der Mitternacht der versammelten Menge gezeigt wurde, und so, wie hingewiesen wurde von den Priestern, daß er die Sonne im geistigen Reiche sei, daß er gleich sei der Kraft der Wärme und des Lichtes der Sonne, so, wie sich die drei weisen Opferpriester freudig geneigt haben, so stellt uns auch die christliche Legende dar, wie sich die drei Weisen neigen vor dem Christuskinde. Dem Stern, dem Lichte folgen sie. Ein tiefer Sinn liegt in dem Besuche der drei Weisen aus dem Morgenlande. Es sind dieselben drei Weisen, die beim Horusdienste tätig gewesen sind und die nun sagen: Uns ist einer geboren, der so unwandelbar seinen Weg gehen wird wie der Stern, der uns jetzt führt. Weit ist noch der Stern von uns. Wenn aber einst dieses Gesetz unser eigen sein wird, dann werden wir gleich dem sein, der das unwandelbare Gesetz in sich trägt. Wie der Stern unser Ideal ist, so ist der, welcher darin geboren ist, unser Vorbild. Was die Ägypter da gefeiert hatten, das wurde zur Weltentatsache, zum Weltereignis. Deshalb durfte der, welcher das Christentum gegründet hat, seine Jünger zusammenrufen zu der Bergpredigt. Es heißt deshalb: Er führte sie hinweg von dem Volke, auf den Berg. «Berg» bedeutet die Geheimstätte, wo die engeren Vertrauten belehrt wurden. Die deutsche Bibelübersetzung enthält an dieser Stelle einen ungeheuren Irrtum: [«Selig sind, die da geistig arm sind»]. In Wahrheit heißt es: «Selig sind, die da Bettler sind um Geist, denn sie finden in sich selbst die Reiche der Himmel». Zu was wollte sie Jesus machen? Er wollte sie selig machen, die Bettler
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um Geist. Nur diejenigen, welche hineingeführt wurden in die Tempelgeheimnisse, waren der Weisheit teilhaftig geworden. Hinaustragen wollte der Stifter des Christentums diese Weisheit in alle Welt; nicht nur die Reichen des Geistes sollten die Gnade der Weisheit empfangen -, nein, alle, die da draußen stehen und auch Bettler sind um Geist, sie sollen in sich finden die Reiche der Himmel. Die Menschen haben das früher in den Tempelgeheimnissen gefunden. Nicht nur drinnen in den Tempelstätten sollten sie jetzt die Seligkeit finden, sondern sie sollten die Reiche der Himmel, die ihnen als das harmonische Vorbild des Menschenschicksals hingestellt wurden, in sich selbst finden, sie sollten hinaufschreiten zu dem Gipfel, wo ein Ausgleich zwischen dem wandelbaren, irrenden Menschenherzen und dem unwandelbaren Gesetze des Makrokosmos stattfinden kann. Das sollen die Weihnachtsglocken, nach dem ursprünglichen Willen der Eingeweihten, den Menschen zum Bewußtsein bringen; sie sind ein Hinweis auf das, was uns zeigt, wie Karma zum Ziele führt, wie Weltengesetz und Menschenschicksal zusammenhängen.
Und das auch wieder zu hören, das soll uns durch die theosophische Vertiefung gebracht werden. Manche Feste, die wir heute gedankenlos feiern, deren tiefere Bedeutung wir nicht kennen, haben einer tieferen Weisheit ihren Ursprung zu danken. Weil der alte Mensch verbunden war mit der makrokosmischen Welt, deshalb waren ihm die Festesereignisse Zeichen. Das Mysterium des Herzens und des unwandelbaren Gesetzes ertönt uns aus den Klängen der Weihnachtsglocken. Die Theosophie wird in das unmittelbarste Leben die tiefere Weisheit, den Kern der Religionsbekenntnisse wieder bringen; sie wird zeigen, inwiefern diese Wahrheit enthalten. Und wenn wir diese Wahrheit wiedererkennen, dann wird im höchsten Sinne das allmählich in Erfüllung gehen, was ausgedrückt ist an Harmonie zwischen Weltengesetz und Menschenschicksal durch das schöne Wort: Friede sei mit allen Wesen!
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Entwicklungsstufen der Menschheit
Berlin, 29. Dezember 1903
Wenn wir den Menschen betrachten, so wie wir ihn kennen, so ist sein physischer Körper gleichsam nur eine kristallisierte feste Masse. Den physischen Körper umgibt in einer Art Eiform die sogenannte Aura. Diese ist im ganzen immer größer als der physische Körper selbst. Sie ist am kleinsten bei dem unentwickelten Menschen, und sie ist umso größer, je entwickelter der Mensch ist, so daß die Aura eines hochentwickelten Menschen seine Länge um das Sechsfache überragen kann. Sie müssen sich vorstellen, daß Sie erst den ganzen Menschen bekommen, wenn Sie seine Höhe dreimal nach oben und dreimal nach unten auftragen würden.
In dieser Aura haben wir dreierlei zu unterscheiden: Erstens den sogenannten Astralkörper. Das ist derjenige Körper, welcher objektiv für das Seherauge das enthält, was der Mensch sonst nur in sich spürt: seine Triebe, Begierden und Leidenschaften. Der Seher kann in dieser astralen Aura genau unterscheiden, ob der Mensch reine oder häßliche Leidenschaften hat wie Habsucht, Mitleid, Wohlwollen und dergleichen mehr. Dann, etwas größer, die mentale Aura. Sie enthält dasjenige, was wir subjektiv empfinden als unseren Intellekt, als unsere Verstandes kraft, die niedere Geisteskraft. Diese beiden Auren lösen sich nach dem Tode auf, ebenso wie der physische Körper sich auflöst. Die astrale Aura löst sich auf im Kamaloka, und die mentale Aura im unteren Devachan. Sie sind noch zu den vergänglichen Teilen des Menschen zu zählen. Die bleibende Wesenheit des Menschen ist objektiv sichtbar in der dritten Aura. Diese ist die Aura des Kausalkörpers, desjenigen Körpers also, der durch alle Inkarnationen hindurchgeht. Der Kausalkörper ist bei unentwickelten Menschen, die nur wenig von dem Bleibenden verstehen, nur angedeutet. Wenn man die Auren eines unentwickelten Menschen betrachtet, so findet man nur wenig von dem Kausalkörper. Diejenigen Menschen, welche tieferen Wahrheiten nachgehen, entwickeln diese kausale Aura. Je mehr sich der
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Mensch entwickelt, desto mehr entwickelt sich diese kausale Aura. Es gliedert sich dann eine Art von Strahlensystem ein, so daß der höherentwickelte Mensch Strahlen aussendet, die in seiner kausalen Aura zu bemerken sind. Wenn wir die Aura eines Adepten haben, so ist sie viel größer als ein Haus, so daß der ganze Mensch unendlich viel größer erscheint als der physische Mensch für das physische Auge. Die kausale Aura, die wir beim Hochentwickelten sehen können, ist auch angedeutet bei Unentwickelten, und nicht etwa als ein kleines Körperchen, sondern auch groß, aber sie leuchtet noch nicht. Sie ist beim Unentwickelten ein schwach glimmendes Licht und wird immer leuchtender, je mehr sich der Mensch entwickelt. Strahlen kommen dadurch hinein, daß der Mensch immer mehr Inhalt bekommt. Je mehr der Mensch in sich das entwickelt, was bleibend ist, was wiedererscheinen wird, desto mehr hat er Leuchtkraft in sich. Es ist das objektiv Sichtbare dessen, was der Mensch von einer Inkarnation in die andere hinüberträgt.
Zunächst werde ich den Menschen mit seiner astralen Aura betrachten; wir können ihn in drei aufeinanderfolgenden Zuständen beobachten. Der erste Zustand wäre der, in welchem die eigentliche Vorstellungskraft noch sehr wenig entwickelt ist. Das ist der Fall bei der dritten Wurzelrasse und im Anfang der vierten, also von der Mitte der lemurischen bis zur ersten Hälfte der atlantischen Zeit. Die Lemurier und die ersten Atlantier haben nicht aus der Vorstellung, sondern rein aus dem Gedächtnis heraus gedacht. Erst in der vierten Wurzelrasse wurde nach und nach die Vorstellungskraft entwickelt; da änderte sich auch die Aura. In der dritten Wurzelrasse und in der ersten Hälfte der vierten entwickelte sich die astrale Aura so, daß sie den Körper des Menschen umgab. Sie war etwas größer als seine Haut, und sie war viel nebliger als nachher, sie war wie von dunklen Nebelmassen durchzogen, und durch die Leidenschaften der Menschen war sie viel heftiger und stürmischer. Nur die ersten Ansätze der mentalen Aura waren damals vorhanden. Die Entwicklung schritt fort bis in unsere jetzige Wurzelrasse, so daß heute ein gewisser Höhepunkt erreicht ist. Dies ist das zweite Stadium, in dem die mentale Aura bis zu einem gewissen Grade ausgebildet wird.
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Das dritte Stadium ist das eines vorgeschrittenen Menschen, der das sogenannte astrale Sehvermögen entwickelt. Er ist imstande, diese Aura auch zu sehen. Er kann nicht nur dasjenige sehen, was in der physischen Welt vorhanden ist, sondern auch das, was in der astralen Welt vorhanden ist. Bei solchen Menschen sieht die astrale Aura etwas anders aus. Bei den atlantischen und nachatlantischen Menschen treten innerhalb der astralen Aura räderförmige Figuren auf. Solche Figuren sind in der Aura jedes heutigen Menschen; bei den Lemuriern waren sie noch kaum zu merken. Wenn beim heutigen Menschen diese "Räder" in Bewegung sind, so tritt das Sehen ein. Wenn sie ruhen, so ist das astrale Sehen aufgehoben. Das sind die drei Zustände.
Der physische Körper ist durchzogen vom Nervensystem. Jedes Nervenzentrum steht in Verbindung mit einem astralen Zentrum, so daß also zum Beispiel der Sehnerv umgeben, eingehüllt ist von einem astralen Sehnerv, von einer astralen Substanz, die zum Sehnerv dazugehört. Nun, wie kommt das Sehen zustande? Licht kommt in das Auge, geht durch den Nerv ins Gehirn. Aber da sieht man noch nichts; es ist immer noch ein Bewegungsvorgang nur physischer Art. Nun kommt der astrale Sehnerv in Schwingungen. Diese bewirken, daß das Bild erscheint, das man sieht. Ohne daß der Astralkörper in Tätigkeit versetzt wird, ist es unmöglich zu sehen. Ebenso ist es beim Denken. Der Astralkörper ist das eigentlich Tätige. Wenn Sie sich nun vorstellen, wie es beim Seher ist, dann sind es nicht Eindrücke, die durch das Ohr, durch das Auge kommen, sondern es sind Eindrücke, die durch seine astrale Organisation selbst, ohne Vermittlung des physischen Gehirns und des Nervenzentrums kommen. Das tritt auf, wenn die Chakrams, die Lotusblumen, in Bewegung kommen. Das bedeutet, daß der Astralkörper ein Organismus ist, der Sinnesorgane hat.
Wenn der Mensch im gewöhnlichen Zustand des Schlafens ist, so ist in der Regel der Astralkörper außerhalb des physischen Körpers. Je höher der Mensch entwickelt ist, desto weiter kann sich der Astralkörper entfernen. Die vollständige psychische Entwicklung besteht darin, daß man den Körper zurückläßt und im Astralen frei
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herumspaziert. Es gibt noch weitere Stadien. Der Astralkörper kann, während man schläft, die sonderbarsten Wanderungen machen, nur erinnern Sie sich nicht an diese nächtlichen Wanderungen. Sie können während der Nacht ein Bewußtsein davon haben, es aber nicht mitbringen in den Tag. Das höchste Stadium ist, wenn Sie sowohl im Schlafe als auch im physischen Leibe sich des astralen Bewußtseins bewußt sind. Sie können während der Nacht bekannte Menschen aufsuchen; sie werden aber nicht Erfahrungen von ähnlicher Art wie im Physischen machen können. Sie werden zum Beispiel nicht erfahren, was jetzt eine Person in Asien tut das können Sie nicht erfahren. Wenn Sie aber von ihr etwas lernen wollen, so können Sie das, wenn Sie das in Ihr Tagesbewußtsein vollständig herübernehmen. Der Chela könnte nicht erfahren, ob ein Meister in Asien schreibt oder nicht schreibt oder ob und was er ißt und trinkt. Aber er kann unterrichtet werden im astralen Raum und das bewußt mitherübernehmen in das Tagesbewußtsein.
Wenn Sie einen solchen Astralleib ansehen, so haben Sie an einem Ort den physischen Körper mit seinen Nervenzentren, der für das physische Auge so aussieht, wie er bei Tage aussieht, und Sie haben irgendwo den Astralkörper mit seinen Sinnesorganen, so daß Sie sehen können: zu diesem Zentrum [des Astralkörpers] gehört der Sehnerv und zu diesem der Hörnerv.
Nun entsteht die Frage: Was besteht für eine Verbindung zwischen dem Astralleib und dem physischen Leib, was kettet das astrale Ohr an das physische Ohr? Und warum kehrt der Astralkörper, [der während des Schlafens vom physischen Körper getrennt ist], wieder zurück? Es könnten interessante Fragen aufgeworfen werden. Nehmen wir zum Beispiel an, ein Mensch fühlte sich furchtbar unglücklich. Nun ist er während der Nacht in seinem Astralleib. Das Leid hat seinen Ursprung im Physischen. Er könnte nun den Entschluß fassen, [mit seinem Astralleib] nicht mehr zurückzukehren, dann wäre das ausgeführt, was man einen astralen Selbstmord nennen würde.
Also, was verbindet den astralischen Leib mit dem physischen Leib und seinen Organen, und was führt ihn wieder zurück? Da
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besteht eine Art von Band, eine Verbindung, die eine Zwischenmaterie ist zwischen physischer und astraler Materie. Und das nennt man das Kundalinifeuer. Wenn Sie einen schlafenden Menschen haben, so können Sie im Astralen immer den Astralkörper verfolgen. Sie haben einen leuchtenden Streifen bis dahin, wo der Astralkörper ist. Es ist immer der Ort aufzufinden. Wenn sich der Astralkörper entfernt, dann wird in demselben Maße das Kundalinifeuer dünner und dünner. Eine immer dünnere und dünnere Spur ist es; es wird immer mehr wie ein dünner Nebel. Wenn Sie nun dieses Kundalinifeuer genau ansehen, dann ist es nicht gleichförmig. Es werden in demselben gewisse Stellen leuchtender und dichter sein, und das sind die Stellen, welche das Astrale wieder zu dem Physischen hinführen. Der Sehnerv ist also durch ein dichteres Kundalinifeuer verbunden mit einem astralen Nerven.
Leadbeater wollte [in seinem Buch «Die Astral-Ebene»] nicht darauf eingehen zu sagen, ob ein solcher astraler Selbstmord möglich ist. Es kann das Kundalinifeuer mit dem Astralkörper nicht ganz aus dem physischen Leib herausgehoben werden. Würde es nun eintreten, daß ein Mensch den Entschluß faßt, nicht mehr zurückzukommen, so würde das Kundalinifeuer ihn fortwährend hinabziehen; es ist so, als ob er noch zum physischen Leib gehörte. Es ist die Spur des Kundalinifeuers, die er verfolgt. Wenn die Lebenskraft noch nicht erschöpft ist, so ist es sehr schwer, den Astralkörper aus dem physischen Körper herauszuheben. Es ist sehr schwer, wenn jemand an dem physischen Körper hängt, den er nicht mehr gebrauchen kann. In dieser Beziehung ist das Schicksal des Selbstmörders und das des Verunglückten nicht in erheblichem Maße voneinander verschieden.
Nun, bei dem höherentwickelten Menschen, an dem sich die Chakrams bewegen, da findet noch ein anderer Vorgang statt.* Er hat die Möglichkeit, das Kundalinifeuer willkürlich zurückzuziehen aus dem Organismus; gleichzeitig eröffnen sich von innen heraus entgegengesetzte Strömungen: Das, was früher bloß von
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* Siehe dazu Hinweis auf S. 250
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außen hereingeströmt ist, das kann der Mensch jetzt willkürlich von innen heraus regeln; der ganze Vorgang kann jetzt willkürlich herbeigeführt werden.
Nun hat der Mensch eine vollkommene Verfügungsmöglichkeit über den Astralkörper erlangt. Nun bitte ich zu beachten, daß dieser Zustand immer mehr und mehr in der menschlichen Entwicklung eintritt. Heute sind es die psychisch Entwickelten, die einen solchen Astralkörper haben, aber der Mensch eilt allgemein einem solchen Zustand entgegen. Er wird die Möglichkeit zur Benützung seines Astralkörpers in der sechsten Rasse haben. Er wird einen physischen Körper und innerhalb desselben einen Astralkörper haben, den er auf diese Weise benützen kann. In der nächsten Runde aber werden die Menschen keinen physischen Körper, sondern nur noch einen Astralkörper haben, den sie dann frei benützen können, so wie wir Menschen heute den physischen Körper benutzen. Der physische Körper wird dann nicht mehr da sein; der unterste Körper wird dann der Astralkörper sein.
Etwas Ähnliches wie bei den astralen Zentren findet man im mentalen Körper. Der Astralkörper hat einzelne Sinneszentren: Es entspricht dem Sehnerv ein astrales Zentrum, ebenso dem Hörnerv, dem Geruchsnerv und so weiter. Der Mentalkörper hat solche einzelnen Sinne nicht mehr. Er hat nur einen einzigen Sinn, er ist durchdrungen von dem mentalen Auffassungsvermögen, so daß er mit seinem einzigen Sinn mental wahrzunehmen vermag. Daher ist er imstande, alles aufeinander zu beziehen.
Der Schatten des mentalen Sinnes ist der Verstand. Wenn Sie eine Glocke anschlagen hören, so drehen Sie sich um, um auch durch das Gesicht wahrzunehmen. Die astralen Sinne sind mit dem mentalen Sinn auch durch eine Art von Kundalinifeuer verbunden. Das Kundalinifeuer ist also der Zwischenstoff, welcher die einzelnen Zustände miteinander verbindet.
Jetzt möchte ich noch einige Vorstellungen über die Rundenentwicklung vorbereiten. Wenn man die Rundenentwicklung verfolgen will, so muß man sich klarmachen, daß der Mensch im wesentlichen aus drei Gliedern besteht: aus Körper, Seele und Geist. Zum
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Verständnis der Runden ist es wichtig, diese Glieder anders zu nennen. Wir können nennen den Körper: menschliche Gattung; die Seele: menschliche Persönlichkeit; den Geist: menschliche Individualität. Wenn Sie sich das klarmachen, werden Sie einsehen, daß die Menschen hinsichtlich des Gattungsmäßigen sich nur wenig voneinander unterscheiden; es ist da eine durchgängige Gleichheit vorhanden. Die Menschen sind aber hinsichtlich der Persönlichkeit sehr voneinander verschieden. Das Persönliche wird als das Unterscheidende betrachtet. Das Individuelle aber wird als das Allgemeine betrachtet, als der allgemeine Menschengeist. Gattung: im wesentlichen das Körperliche; Persönlichkeit: im wesentlichen das Seelische; Individualität: im wesentlichen der Geist.
Wir wollen zuerst die zwei ersten verfolgen, also Gattung und Persönlichkeit. Die Persönlichkeit wurde vorbereitet in der lunarischen Epoche. Das, was herüberkommt von der lunarischen Epoche, das ist Persönlichkeit. Das, was wir als Gattung in uns tragen, so wie wir jetzt aussehen, die körperliche Gestalt, die ist im wesentlichen eine irdische Prägung, eine irdische Gestaltung. Die ganze Erdenentwicklung seit dem Pralaya ist da, um allmählich die menschliche Körperform soweit zu bringen, daß sich auf der einen Seite die Persönlichkeit mit dieser Form verbinden kann, und diese beiden zusammen der Sitz des Geistes, der Individualität werden können.
Es ist nun besonders nützlich, jedes für sich zu verfolgen, und man tut daher gut, Gattung, Persönlichkeit und Individualität für sich zu verfolgen.
Das erste nun: die Gattung. Denken Sie sich ein Pralaya, einen Dämmerungszustand. Aus diesem gliedert sich heraus zuerst eine Kugel, die aber eigentlich noch nicht eine richtige Kugel ist, sondern die nur die Kraft enthält, eine Kugel zu sein. Innerhalb dieser sind die Kräfte der Formen enthalten Urbilder, noch nicht Gestalten, Nebel. Aus diesem hebt sich ab die erste Kugel. Innerhalb dieser Kugel leben die menschlichen Gattungen in Urbildern Arupa-Zustand. Diese Kugel wird jetzt dichter; und nun werden in dieser Kugel der Menschengattung Gedanken gestaltet. Jetzt
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wandeln die Gedanken in dieser Kugel herum. Das ist der zweite Zustand, [der Rupa-Zustand]. Der dritte Zustand ist der, daß sich dieselbe in eine Astralkugel verwandelt.
Was früher nur Gedankengattungen in Urbildern waren, das wird zu astralen Gattungen. So leben auf der dritten Kugel die astralen Menschengattungen. Die vierte Kugel ist schon physisch. Zum ersten Mal haben wir die Menschengattungen, [zwar noch] ohne die Fähigkeit des Wachstums, aber mit physischer Dichte, Härte, wenn man sie antippen würde. Während dies geschehen ist, haben sich andere Naturreiche in derselben Weise als Gattungen entwickelt: Tiergattungen, Pflanzengattungen, Mineralgattungen sind als Formen vorhanden; sie können aber noch nicht leben. Denken Sie sich von sich selbst einen Gipsabdruck genommen und ausgefüllt; so etwa war es. Auf der fünften Kugel wird alles wiederum in verwandelter Form astral werden, auf der sechsten wird alles wieder Gedanke und auf der siebenten Kugel wird alles wieder in einen formlosen, monadischen Zustand umgewandelt. Und dann kommt ein Pralaya.
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Literatur
- Rudolf Steiner: Über die astrale Welt und das Devachan, GA 88 (1999), ISBN 3-7274-0880-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
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