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GA 1
RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE SCHRIFTEN GA 1
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Der frühere Titel «Goethes Naturwissenschaftliche Schriften» ist in der Ausgabe von 1987 erweitert worden in «Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftliche Schriften» und durch den Untertitel «zugleich eine Grundlegung der Geisteswissenschaft (Anthroposophie)». Dazu sei folgendes bemerkt: Das tiefe Verständnis der Goetheschen Natur- und Weltauffassung, das in diesen Einleitungen auseinandergesetzt wird, ist nur möglich geworden, weil im jungen Rudolf Steiner ein kongenialer Ausgangspunkt schon in Entwicklung begriffen war, als er mit der Goetheschen Naturwissenschaft bekannt wurde. Dadurch führte die Durchdringung der Goetheschen Schriften zugleich auch zur Entfaltung des eigenen Ausgangspunktes und fand dabei ihren ersten schriftstellerischen Ausdruck. Die in den Einleitungen vorgebrachten Grundanschauungen wurden so «zugleich zu einer Grundlegung der Geisteswissenschaft (Anthroposophie)». Daneben muß aber betont werden, daß das z.B. in «Wahrheit und Wissenschaft» und in der «Philosophie der Freiheit» sowie in den späteren Schriften und Vorträgen vorliegende «Gedankengebäude eine in sich selbst begründete Ganzheit ist, die nicht aus der Goetheschen Weltanschauung abgeleitet zu werden braucht».
RUDOLF STEINER
EINLEITUNGEN
ZU GOETHES
NATURWISSENSCHAFTLICHEN
SCHRIFTEN
ZUGLEICH EINE GRUNDLEGUNG DER
GEISTESWISSENSCHAFT (ANTHROPOSOPHIE)
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ZUR EINFÜHRUNG
Aus Rudolf Steiners Selbstbiographie «Mein Lebensgang», Kap. VI
Auf Schröers Empfehlung hin lud mich 1883 Joseph Kürschner ein, innerhalb der von ihm veranstalteten «Deutschen Nationalliteratur» Goethes Naturwissenschaftliche Schriften mit Einleitungen und fortlaufenden Erklärungen herauszugeben. Schröer, der selbst für dieses große Sammelwerk die Dramen Goethes übernommen hatte, sollte den ersten der von mir zu besorgenden Bände mit einem einführenden Vorworte versehen. Er setzte in diesem auseinander, wie Goethe als Dichter und Denker innerhalb des neuzeitlichen Geisteslebens steht. Er sah in der Weltanschauung, die das auf Goethe folgende naturwissenschaftliche Zeitalter gebracht hatte, einen Abfall von der geistigen Höhe, auf der Goethe gestanden hatte. Die Aufgabe, die mir durch die Herausgabe von Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften zugefallen war, wurde in umfassender Art in dieser Vorrede charakterisiert.
Für mich schloß diese Aufgabe eine Auseinandersetzung mit der Naturwissenschaft auf der einen, mit Goethes ganzer Weltanschauung auf der andern Seite ein. Ich mußte, da ich nun mit einer solchen Auseinandersetzung vor die Öffentlichkeit zu treten hatte, alles, was ich bis dahin als Weltanschauung mir errungen hatte, zu einem gewissen Abschluß bringen ...
Die Denkungsart, von der die Naturwissenschaft seit dem Beginn ihres großen Einflusses auf die Zivilisation des neunzehnten Jahrhunderts beherrscht war, schien mir un-
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geeignet, zu einem Verständnisse dessen zu gelangen, was Goethe für die Naturerkenntnis erstrebt und bis zu einem hohen Grade auch erreicht hatte.
Ich sah in Goethe eine Persönlichkeit, welche durch das besondere geistgemäße Verhältnis, in das sie den Menschen zur Welt gesetzt hatte, auch in der Lage war, die Naturerkenntnis in der rechten Art in das Gesamtgebiet des menschlichen Schaffens hineinzustellen. Die Denkungsart des Zeitalters, in das ich hineingewachsen war, schien mir nur geeignet, Ideen über die leblose Natur auszubilden. Ich hielt sie für ohnmächtig, mit den Erkenntniskräften an die belebte Natur heranzutreten. Ich sagte mir, um Ideen zu erlangen, welche die Erkenntnis des Organischen vermitteln können, ist es notwendig, die für die unorganische Natur tauglichen Verstandesbegriffe erst selbst zu beleben. Denn sie erschienen mir tot und deshalb auch nur geeignet, das Tote zu erfassen.
Wie sich in Goethes Geist die Ideen belebt haben, wie sie Ideengestaltungen geworden sind, das versuchte ich für eine Erklärung der Goetheschen Naturanschauung darzustellen.
Was Goethe im einzelnen über dieses oder jenes Gebiet der Naturerkenntnis gedacht und erarbeitet hatte, schien mir von geringerer Bedeutung neben der zentralen Entdeckung, die ich ihm zuschreiben mußte. Diese sah ich darin, daß er gefunden hat, wie man über das Organische denken müsse, um ihm erkennend beizukommen.