GA 156

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ERSTER VORTRAG Dornach, 3. Oktober 1914

#G156-1967-SE009 Okkultes Lesen und okkultes Hören

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ERSTER VORTRAG

Dornach, 3. Oktober 1914

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Erwarten Sie nicht, daß ich in diesen vier Vorträgen geradezu einen Ersatz geben kann für dasjenige, was in München beabsichtigt war. Ich werde versuchen, einiges von dem Inhalte, den die Münchner Vorträge hätten haben sollen, hier zu skizzieren. Gerade das Wichtig­ste und Wesentlichste, das in München hätte gesagt werden sollen, muß aufgespart werden, bis wir wieder weniger sturmbewegte Zeiten haben. Ich kann zwar erstaunt sein darüber, daß da oder dort geglaubt werden konnte, daß die ernste Krafr, die anzuwenden ist, um gerade ein Wichtigstes auf dem Gebiete der Geisteswissenschaft zu sagen -was ja in München hätte geschehen sollen -, auch aufgebracht werden könnte, so wurde da und dort geglaubt, in solchen Zeiten, wie die sind, in denen wir jetzt leben. Nun, man wird schon auch einmal in der Menschheit die Zeit erleben, in der man einsehen wird, daß solches eben nicht möglich ist, daß gewissermaßen höchste Wahrheiten nicht in den Sturm hinein gesagt werden können.

Dasjenige, was mein Thema ausmacht, werde ich in künftigen Zei­ten, wenn Karma es zuläßt, eben einmal in einem Vortragszyklus hal­ten, der den Münchner ersetzen soll. Aber da von einigen Seiten der Wunsch geäußert worden ist, doch etwas über dieses Thema zu hören, wollte ich diesem Wunsch, soweit es möglich ist, in diesen Tagen ent­gegenkommen.

Das, was Geisteswissenschaft als ein wirkliches echtes Gut enthält, ist im Grunde genommen durch okkultes Lesen und okkultes Hören erworben. Und man hört also etwas über die Methoden, durch welche der Geistesforscher zu seinen Erlebnissen kommt, wenn er über das Wesen des okkulten Lesens und des okkulten Hörens spricht. Über die Art und Weise, wie geisteswissenschaftliche Resultate gewonnen werden, herrscht wahrhaftig in unserer Zeit noch das Absurdeste an Meinungen, das man sich denken kann. Ich will einleitungsweise, be­vor ich zu meinem wichtigen Gegenstand übergehe, auf eine Kleinig­keit hinweisen, eine Kleinigkeit im Verhältnis zu dem, was unsere

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Geistesströmung sein will. Irgendein Professor, ein Forscher der Gegenwart hat eine Rezension geschrieben über mein Buch «Theosophie ». Diese Rezension ist schon vor einigen Jahren erschienen, und der Verfasser dieser Rezension ist offenbar am meisten geärgert ge­wesen durch dasjenige, was in diesem Buche steht über die Aura des Menschen, über Gedankenformen und dergleichen. Unter mancherlei, das ich jetzt nicht erwähnen will, findet sich in dieser Rezension auch eines, das ganz verständlich ist vom Gesichtspunkt eines Forschers, eines so rechten Denkers der Gegenwart. Da wird gesagt: Wenn man glauben sollte, daß wirklich an diesen Dingen von der Aura und von den Gedankenformen etwas daran ist, so müßten einmal einige von denen, welche Auren und Gedankenformen sehen können, ein Ex­periment anstellen lassen. Es müßte das Experiment angestellt werden können, daß eine Anzahi von denjenigen, die behaupten wollen, so etwas zu sehen, hingeführt werden vor eine Anzahi von Menschen, denen sie eben damit gegenübertreten, die also gewisse Gedanken in ihrem Inneren haben, Gefühie und Empfindungen. Dann müßte man fragen: Was seht ihr an den Menschen, die da vor euch stehen oder sitzen? - Und wenn dann - so meint der Betreffende - diese Okkultisten sämtlich das nämliche aussagen, dasjenige, wovon die Menschen, die beobachtet worden sind, später wirklich versichern, daß sie es gedacht und gefühit haben, und wenn außerdem diese Seher untereinander in ihren Angaben übereinstimmen, dann kann man ihnen glauben.

Es gibt nichts Natürlicheres, nichts Selbstverständllcheres als diese Einwände. Man möchte sogar sagen, der die Naturwissenschaft der Gegenwart gewöhnte Denker muß ja diesen Einwand machen; denn es muß als das Allervernünftigste erscheinen, was er nur sagen kann. Aber eines gilt doch! Der betreffende Mann, der das gesagt hat, hat wohl doch, bevor er diese Rezension geschrieben hat, das Buch ge­lesen. Man muß es annehmen, nicht wahr? Da die Rezension den Ein­druck der Ehrlichkeit macht, kann man es doch annehmen. Aber gelesen haben konnte er es nicht. Denn so selbstverständlich und natürlich es ist, daß der Einwand gemacht wird, solange man die in diesem Buch enthaltenen Wahrheiten nicht kennt, so selbstverständ­lich sollte es sein, daß man diese Einwände nicht mehr macht, wenn

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man das Buch mit Verständnis gelesen hat. Ich sage mit diesen Wor­ten etwas für jeden normalen naturwissenschaftlichen Denker von heute Greuliches, selbstverständiich, weil es ihm ganz unverständlich sein muß, weil er es gar nicht verstehen kann. Unter den mancherlei Dingen, die in diesem Buche stehen, ist auch das Folgende: Da steht, daß vor allen Dingen der Seher, wenn er wirklich in die geistige Welt hineinschauen will und die Wahrheit sehen will, genötigt ist, vorher eine solche Seibsterziehung zu üben, daß er gewissermaßen ganz selbsdos in die Dinge sich zu vertiefen vermag, daß er die eigenen Wünsche, die eigenen Begierden zum Schweigen zu bringen vermag und so sich der geistigen Welt gegenüberstellt. Ja, meine lieben Freunde, wenn sich fünf oder sechs Leute zusammensetzen, um ein so nach naturwissenschaftlicher Methode geformtes Experiment zu machen, wie es gefordert ist, so setzen sie sich mit dem Wunsche nie­der, eben zu irgendeinem Resultate zu kommen, und zwar zu einem ganz bestimmten, durch die Naturwissenschaft geforderten. Da wird alles so gemacht wie bei Wünschen und Begierden im gewöhnlichen Leben - was man ja gerade überwinden will. Es ist ganz selbstver­ständlich, daß jede wahre Impression von der geistigen Welt in dem Augenblick ausgelöscht würde, in dem man sich zu solchem Experi­ment zusammensetzt. Denn dieses Experiment ist ganz nach den Ge­danken des gewöhnlichen physischen Planes gemacht. Diese Gedan­ken des physischen Planes müssen aber gerade überwunden werden mit all ihren Wünschen und Begierden.

Man kann auf solche Einwände nur positiv antworten: Gewiß, sol­che Zustände dürfen nicht arrangiert werden vom physischen Plane und mit den Methoden des physischen Planes, sondern von der geisti­gen Welt aus und mit den Methoden der geistigen Welt. Das heißt:

Wie müssen sie zustande kommen? Irgendwie müßte die Absicht in der geistigen Welt liegen, nicht im Kopfe eines neugierigen Profes­sors. Aus der geistigen Welt heraus müßte die Absicht entspringen, daß Menschen, die Seher sind auf dem physischen Plan, etwas erfah­ren von den Gedanken und Empfindungen anderer Menschen, und es müßte aus dem Karma der geistigen Welt heraus wirklich ein Häuf­lein von Menschen zusarnrnengeführt werden. Nicht dadurch, daß ein

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Professor sie zusammenführt, sondern wie durch Schicksalsfügung müßten die Menschen zusammengeführt werden, und dann müßten von der andern Seite die Seher durch karmische Schicksalsfügung ge­führt werden. Dann müßte aus der geistigen Welt heraus das enthüllt werden, was in den einzelnen Menschen an Gefühien und so weiter lebt, enthüllt werden an die einzelnen Seher. Dann würde es unwei­gerlich gelingen und gelingt immer, wenn es so arrangiert wird.

Ich möchte sagen, wenn man wirklich mit Verständnis das Buch «Theosophie» verfolgt, so weiß man, was ich jetzt gesagt habe, und man kennt es als Selbstverständlichkeit der Wahrheit der geistigen Welt, daß das unserer Zeit nicht möglich ist. Dem muß man ja Rech­nung tragen. Und so habe ich nun - weil ich aus der eben angeführten Rezension ersehen habe, daß man nicht in der Lage ist, das Buch wirk­lich so zu lesen, daß man einen solchen Gedanken selber findet - in der sechsten Auflage, deren Korrekturbogen ich vorliegen habe, das, was ich eben gesagt habe, noch wortwörtlich in einer Anmerkung da­zugefügt. Zu den wesentlichen Bedingungen eben eines Buches, das aus der Geisteswissenschaft herausgewachsen ist, gehört es, daß man nicht nur den Inhalt eines solchen Buches aufnimmt, das ist das aller­wenigste. Es gehört dazu, daß man, wenn man dieses Buch in sich aufgenommen hat, in einer gewissen Weise die Art, wie man denkt und fühit und empfindet, geändert hat; daß man vorwärtsgekommen ist gegenüber den Maßstäben und Urteilsarten, die man sonst in der gewöhnlichen Welt anwendet. Das ist die Schwierigkeit, die dem Ver­ständnis geisteswissenschaftlicher Werke heute noch entgegensteht, daß die Menschen sie lesen wie andere Schriften und glauben, den Inhalt aufnehmen zu können wie bei andern Schriften; während es in der Tat so ist, daß etwas in einem verwandelt sein muß, wenn man ein okkultes Buch, ein echtes okkultes Buch wirklich durchverstan­den hat.

Daher ist es ganz begreiflich, daß gerade echte okkulte Bücher von den meisten Menschen in unserer Zeit abgelehnt werden. Denn, was muß vorgehen in einem Menschen, der solch ein Buch in der Gegen­wart liest? Nun, er geht an das Buch; gescheit ist er, das sind ja alle Menschen der Gegenwart. Er weiß, daß er den Inhalt des Buches

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beurteilen kann, daß es keinen besseren Richter über das Buch geben kann. Das weiß er von vorneherein. Nun soll er nach dem Buche anders urteilen lernen? Das kann er selbstverständlich nicht. Er ist ja gescheit und hat die beste Art des Urteilens. Er gibt sich damit nicht ab, etwas zu ändern in bezug auf sein Urteilen. Also er wird nichts von der Tendenz, der Intention des Buches erfühlen, selbstverständ­lich. Bestenfalles kommt er dann zu dem Urteil, daß er überhaupt nichts aus dem Buche gelernt hat, und daß alles bloß ein Spiel mit Worten und Begriffen ist. Ganz selbstverständlich, so muß es sein, wenn man nicht den Grundnerv aller Geisteswissenschaft ins Auge faßt, der darin besteht, daß man in irgend etwas, wenn es auch noch so gering ist, durch ein echtes geisteswissenschaftliches Buch zu ande­rer Art des Empfindens und Urteilens gegenüber der Welt kommt.

Nun gibt es eines, was man berücksichtigen muß, wenn man über­haupt irgendeine Idee verbinden will mit den Worten «Okkultes Lesen, okkultes Hören». Man muß gewissermaßen Abschied nehmen vorerst von alldem, was die gewöhnliche Denkungsart, das gewöhn­liche Urteilen ist in bezug auf den physischen Plan. Das habe ich ja mehrfach betont: Selbstverständlich muß man ein vernünftiger Mensch bleiben, muß sich also, trotzdem man für die geistige Welt eine neue Form des Urteilens, Denkens und Empfindens sich aneignet, ein gesundes Urteil für die Ereignisse und Wesenheiten des physischen Planes beibehalten. Das ist ganz selbstverständlich, das habe ich schon oft betont. Aber etwas kann man, was für die höheren Welten not­wendig ist, was für den physischen Plan nicht gilt. Ich will von einer Ihnen wohi noch geläufigen Sache ausgehen.

Auf dem physischen Plan sind wir gewohnt, durch unser Denken, Fühlen, Wollen in ein Verhältnis zu treten mit dem physischen Plan. Indem wir denken und vorstellen, verschaffen wir uns Begriffe und Vorstellungen von den Dingen und Wesenheiten des physischen Pla­nes und ihrer Vorgänge. Gleichsam dasjenige, wovon wir die Mei­nung haben, daß es im Raume da ist und in der Zeit sich abspielt, das machen wir dadurch zu unserem geistigen Eigentum. Wir lernen durch unser Vorstellen von etwas wissen. Mit dem Fühien ist es eben­so. Wir treten irgendeinem Dinge gegenüber; wir werden zum Beispiel

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erfreut durch eine Rose: die Rose versetzen wir in unsere Welt, unser Gefühl, unsere eigene Seele. Wir machen etwas, was als Ein-druck von der Rose ausgeht und auf unsere Seele wirkt, zu unserem seelischen Eigentum. Beim Wollen ist es so, daß wir irgend etwas, was in unserer Intention liegt, der Außenwelt einverleiben. Lauter Ver­hältnisse zwischen uns und der Außenwelt haben wir ins Auge zu fassen, wenn wir unser Verhalten auf dem physischen Plan betrachten. Alles, was wir da anwenden im Denken, Fühlen und Wollen, was wir da tun, indem wir für das gewöhnliche Physisch-Leibliche mit der Außenwelt in Beziehung treten, all das dient uns ganz und gar nicht -in der Form, wie es auf dem physischen Plan praktiziert wird -, um irgendwie etwas von der höheren Welt zu wissen. Sondern alles das, was uns zum Beispiel dient, um von der physischen Welt etwas zu wissen, was wir anwenden an Empfindungsarten, an Vorstellungs-arten, um von der physischen Welt zu wissen, all das kann für die geisteswissenschaftliche Forschung nur zur Vorbereitung dienen.

Also wohlgemerkt: in der physischen Welt dient uns das, was wir tun im Denken, Fühlen und Wollen dazu, direkt etwas zu wissen von der physischen Welt, oder etwas zu tun für die physische Welt; für die höheren Welten dient uns alles, was uns so direkt für die physische Welt dient, nur zur Vorbereitung. Was wir in bezug auf die physische Welt denken können, und wenn wir noch so scharf denken, gibt uns kein Wissen für die höheren Welten. Es wird nur gleichsam unsere Seele durch das Denken so vorbereitet, so selbsterzogen, daß sie sich allmählich fähig macht, in die geistige Welt einzudringen. Was wir wollen und fühlen können für die physische Welt, ist bloß anwendbar zur Selbsterziehung der Seele, für das Eindringen der Seele in die gei­stigen Welten. Also ich möchte sagen, um mich deutlich auszudrücken, ein gelehrter Forscher erfährt durch seine wissenschaftliche Methode etwas für die äußere Welt, und er ist gewöhnt, wenn er es erforscht hat, zu sagen: Ich weiß dieses und jenes von der äußeren Welt. - Diese Art des Forschens, des Denkens hilft ihm gar nichts, um in die gei­stige Welt hineinzukommen; sondern wie er da denkt und forscht, das hat nur eine Bedeutung als Übung der Seelenkraft. Wie die Seele durch Denken und Forschen mehr befähigt wird, in sich zu leben, ihre

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Kraft in Betätigung zu bringen, das ist der Effekt für das Eindringen in die höheren Welten. Nur als Kultur der eigenen Seele sind anwend­bar für die geisteswissenschaftliche Forschung die Tätigkeiten, die man sonst in der physischen Welt normalerweise ausführt.

Ich will noch einen Vergleich wählen, um die Sache deutlicher zu machen. Nehmen wir an, jemand sei ein Zimmermann, er habe Zim­mern gelernt und habe nun die Absicht, da er Zimmermann ist, dieses oder jenes Gerät zu machen. Durch die Verrichtungen als Zimmer-mann macht er nun immerfort diese und jene Geräte, Jahre hindurch. Das ist in der Weise richtig die Aufgabe des Zimmermanns. Aber es tritt etwas anderes ein: er wird geschickter, seine Handhabung wird gelenkiger; er erwirbt sich auch etwas, indem tüchtiger, gelenkiger wird sein eigener Organismus. Das ist gleichsam ein Nebenerfolg. So ist es auch bei geistigen Tätigkeiten. Wenn ich denke als Botaniker und wunderbare Anstrengungen auf dem Gebiete der Botanik Jahrzehnte hindurch mache, so ist das schön. Aber daneben ist ein Nebeneffekt das: ich werde gelenkiger. Das ist noch ein Nutzen, ich bin besser dressiert als vor Jahrzehnten. Auf diese - nehmen Sie den Ausdruck nicht im gewöhnlichen Sinne des Wortes, wo er trivial klingt -, auf diese Dressur muß der Geistesforscher vorher eingehen. Er muß sie dazu verwenden, seine Geisteskräfte gelenkiger, gefügiger zu machen.

Dann, wenn man alles, was man sonst in der Welt, ich möchte sagen, zu direktem Nutzen verwendet, in den Dienst der Selbsterziehung stellt - wie dies in der Meditation, in der Konzentration geschieht, in den Übungen, die man bekommt, um in die geistige Welt einzudrin­gen-, dann bereitet man sich vor, in diese geistige Welt einzudringen. Und nehmen Sie dieses Wort, das ich sage: Man bereitet sich vor -, als etwas außerordentlich Wichtiges, denn im Grunde genommen kann man überhaupt nichts anderes tun, als sich vorbereiten, um ein­zutreten; das übrige ist Sache der geistigen Welt, die muß uns dann entgegenkommen. Sie kommt uns nicht entgegen, wenn wir so sind, wie es Menschen auf dem physischen Plane gewöhnlich sind, sondern nur, wenn wir in der geschilderten Weise unsere Seelenkräfte um­gewandelt haben, können wir hoffen, daß uns die geistige Welt ent­gegenkommt. Es kann nicht so sein wie bei einer Forschung in der

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physischen Welt, wo man an die Dinge herangeht. Man kann nur vor­bereiten, daß, wenn die Dinge kommen, wenn einem die geistige Welt entgegentritt, sie einem dann nicht entgeht, sondern daß sie wirklich auf uns einen Eindruck macht.

Deshalb muß man sagen: Alles was wir tun können für die Geistes­forschung, ist, daß wir uns in würdiger Weise vorbereiten, damit dann, wenn Karma will, daß die geistige Welt uns entgegentrete, wir nicht blind und taub sind für diese geistige Welt. Denn wir können uns vorbereiten. Das Entgegentreten der geistigen Welt ist ein Akt der Gnade der geistigen Welt, und so muß man es auffassen. Daher kann man auf die Frage: Wie gelingt es einem, in die geistige Welt einzu­dringen? - antworten: Man bereite sich vor durch alles, was unser Wirken gefügiger, gelenkiger macht, was unser Denken gleichsam dressiert, was unser Fühlen, unser Empfinden feiner, hingebungsvol­1er macht. Und dann warten, warten, warten! Das ist das goldene Wort: in Seelenruhe warten können. Die geistige Welt läßt sich auf eine andere Weise nicht erobern, als indem man sich dafür würdig macht und dann in Seelenruhe die erwartungsvolle Stimmung ent­wickeln kann. Darauf kommt es an. Erwartungsvolle Stimmung, das ist das Wesentliche. Wir erwerben sie uns dadurch, daß wir uns in der geschilderten Weise - und in meinen Büchern ist es vielfach darge­stellt, wie es im einzelnen geschieht - bereit machen, die geistige Welt zu empfangen. Aber dann müssen wir uns auch aneignen jene abso­lute Ruhe der Seele, die einzig und allein möglich macht, daß die gei­stige Welt an uns herankommt.

Ich habe einmal in Vorträgen das folgende Bild gebraucht: In der physischen Welt ist die Sache so, daß, wenn man irgendein Ding ins Auge fassen will, man zu diesem Ding hingeht. Wer Rom sehen will, muß nach Rom fahren. Das ist in der physischen Welt ganz natürlich, denn Rom kommt nicht zu ihm. In der geistigen Welt ist es gerade umgekehrt. In der geistigen Welt können wir nichts anderes machen, als uns vorbereiten durch die Methoden, die geschildert werden, um die geistige Welt würdig zu empfangen: Seelenruhe, Verharren auf unserem Standort - dann kommt es zu uns her. Wir müssen es er­warten in Seelenruhe. Das ist das Bedeutsame der Sache. Dasjenige,

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was da an uns herankommt, wo ist es? Auch darüber habe ich schon oftmals gesprochen und will es nur einleitungsweise erwähnen, da-mit wir eine gute Grundiage haben, auf der wir aufbauen.

Sie kennen ja alle unsere anthroposophlsche Literatur: Wo sind die elementarischen Wesenheiten, die Wesenheiten der höheren Hierar­chien? Da sind sie, überall sind sie, nirgends anders sind sie, als wo der Tisch, die Stühle sind, wo Sie selbst sind, überall sind sie um uns herum. Aber sie sind zunächst in bezug auf die Verhältnisse der Dinge und Vorgänge der Außenwelt so dünn und so flüchtig, daß man sagen kann, sie entgehen eben der Aufmerksamkeit der Menschen. Die Men­schen gehen durch die ganze Geisteswelt immer durch und sehen sie nicht, weil sie notwendigerweise durch ihre Organisation, die noch unvorbereitet ist für die geistige Welt, eben unaufmerksam sind dafür. Und wenn sie Gelegenheit hätten, in die geistige Welt einzudringen, wie das zur Nacht im Schlafe der Fall ist, erweist sich das Bewußtsein so schwach, daß, trotzdem der Mensch immer vom Einschlafen bis zum Erwachen in der geistigen Welt ist, er zu dumpf ist, um die geisti­gen Wesenheiten wahrzunehmen, die um ihn herum sind. Er ist die ganze Nacht in der geistigen Welt, in dieser feinen fluktuierenden Welt, aber er nimmt sie nicht wahr, weil sein Bewußtsein zu dumpf ist dazu.

Was muß nun geschehen, damit der Mensch diese Welt, in der er eigentlich immer darinnen ist, wahrnehmen lernt? Ja, da müssen wir einiges Wichtige besprechen, um zu verstehen, was da geschehen soll. Da müssen wir vor allen Dingen etwas ins Auge fassen. Ich habe jetzt versucht, es auch noch für die Außenwelt präziser darzustellen im Schlußkapitel des Buches «Die Rätsel der Philosophie». Ich will sehen, ob es einige Menschen verstehen können, die nicht in der anthroposophlschen Strömung darinnenstehen, nämlich die Frage:

Wie kommt die Wahrnehmung zustande?

Wir müssen dabei folgendes ins Auge fassen. Wie kommt eigent­lich die äußere Wahrnehmung zustande? Nun, nicht wahr, da denken die Menschen gewöhnlich - besonders Menschen, die sich sehr ge­scheit dünken -, daß die äußere Wahrnehmung dadurch zustande kommt, daß die Dinge draußen sind, der Mensch dann in seiner Haut

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steckt, da von den Dingen Eindruck empfängt, und daß dadurch sein Gehirn Vorstellungen - wenn er materialistisch denkt -, ein inneres Bild erzeugt, das in seinem Inneren ist; ein Bild der äußeren Objekte und Formen. Nun ist es ganz und gar nicht so, sondern es verhält sich ganz anders. In Wahrheit ist der Mensch gar nicht drinnen innerhalb seiner Haut. Das ist er gar nicht. Wenn der Mensch dieses Bukettchen sieht, so ist er mit seinem Ich und Astralleib in der Tat da drinnen im Bukettchen, und sein Organismus ist ein Spiegelungsapparat und spie­gelt ihm die Dinge zurück. Sie sind in Wahrheit immer ausgebreitet über den Horizont, den Sie überschauen. Und im Wachbewußtsein stecken Sie eben mit einem wesentlichen Teil Ihres Ich und Astral­leibes auch im physischen und ätherischen Leibe drinnen. Und der Vorgang ist wirklich der - ich habe das oft in Vorträgen erwähnt -: Nehmen wir an, hier wäre eine Anzahl von Spiegeln. Solange Sie durch den Raum gehen und keinen Spiegel haben, sehen Sie sich sel­ber nicht. Sobald Sie aber an einen Spiegel kommen, sehen Sie sich; und wenn dann wieder keiner da ist, sehen Sie sich nicht, und wenn wieder ein Spiegel da ist, sehen Sie sich wieder. So ist der Organismus. Er ist nicht der Erzeuger dessen, was Sie in der Seele erleben, er ist nur der Spiegelungsapparat. Die Seele ist mit dem Bukettchen beisam­men da draußen. Daß die Seele das Bukettchen bewußt sieht, hängt davon ab, daß das Auge in Verbindung mit dem Gehirnapparat der Seele zurückspiegelt das, womit die Seele zusammenlebt. Und der Mensch nimmt in der Nacht nicht wahr, weil er, wenn er schläft, das, was sonst in ihm ist, sein Ich und seinen Astralleib, herauszieht. Da­durch hört dies auf zu spiegeln. Geradeso ist das Einschlafen, als ob Sie Spiegel vor sich haben: Sehen Sie in den Spiegel hlnein, dann haben Sie Ihr eigenes Antlitz vor sich - und nehmen Sie den Spiegel weg, flugs ist nichts da von Ihrem Antlitz.

So ist der Mensch in der Tat mit dem seelisch-geistigen Wesen in dem Teil der Welt, den er überschaut, und er sieht ihn bewußt da­durch, daß ihn sein Organismus spiegelt; und in der Nacht wird die­ser Spiegelapparat weggezogen - da sieht er nichts mehr. Der Teil der Welt, den wir sehen, der sind wir; er selber wird weggezogen in der Nacht.

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Das ist eines der schlimmsten Stücke der Maja, daß der Mensch glaubt, er stecke in seiner Haut. Das tut er nicht. In Wirklichkeit steckt er in den Dingen, die er sieht. Wenn ich einem Menschen gegen-überstehe, so stecke ich in ihm drinnen mit meinem Ich und Astral­leib. Würde ich nicht meinen Organismus ihm entgegenhalten, so würde ich ihn nicht sehen. Daß ich ihn sehe, daran ist mein Organis­mus schuld, aber mit meinem Ich und Astralleib stecke ich in ihm drinnen. Daß man das nicht so einsieht, das gehört eben zu den, ich möchte sagen, verhängnisvollsten Dingen der Maja. So verschaffen wir uns eine Art Begriff, wie das Wahrnehmen und das Erleben auf dem physischen Plan ist.

Wie ist es in der Geisteswelt? Wenn man erleben will das, wovon ich gesagt habe, daß es so flüchtig, so leicht fluktuierend und leicht beweglich ist gegenüber den Vorgängen und Dingen der physischen Welt, daß wir zwar auch drinnen leben wie in den groben Dingen der physischen Welt, aber sie nicht erleben, weil sie zu fein sind - wenn man dieses fluktuierende Feine erleben will, so kann man es zunächst nur dadurch erleben, daß man das, was unser gewöhnliches Ich ist, was der Träger unserer Individualität, unserer Egoität ist, herab-stimmt, richtig herabstimmt. In einer richtigen Meditation tun wir das. Worin besteht diese Meditation? Wir nehmen uns irgendeinen Vorstellungsinhalt und überlassen uns ganz diesem Vorstellungs-inhalt. Wir vergessen uns selber und leben, indem wir die Egoltät des gewöhnlichen Tagesbewußtseins unterdrücken. Wir schalten aus alles, was mit der Egoität des Tagesbewußtseins zusammenhängt. Und da wir als Menschen nur gewöhnt sind, für den physischen Plan die Egoität anzuwenden, haben wir zunächst überhaupt die Egoität unter­drückt. Statt daß wir im physischen und Ätherleib leben, gelingt es uns allmählich, daß wir durch Unterdrücken der Egoität nur im Astralleib leben.

Merken Sie wohl: das ist es, worauf es ankommt. Wenn wir medi­tieren, uns konzentrieren, haben wir immer zunächst das Ziel, das Bestreben, nicht in der Egoität zu leben. Die darf dann nicht physische Erfahrungen vermitteln, sondern wir haben das Bestreben, sie her­unterzudrücken in den Astralleib. Wenn sie im Astralleib ist, spiegelt

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sie sich zunächst nicht im physischen Leib. Wenn Sie das Bukettchen sehen, sind Sie in Wahrheit in dem Bukettchen drinnen. Der physische Leib ist ein Spiegelapparat, und Sie sehen das Bukettchen, weil er es Ihnen spiegelt. Wenn Sie das Ich mit der Egoität unterdrücken, dann werden Sie im Astralleib drinnen sein. Und der ist jetzt so fein, daß Sie die feinen fluktuierenden Dinge der Außenwelt bewußt wahrneh­men können, aber - die müssen nun auch erst gespiegelt werden, wenn Sie sie wirklich wahrnehmen sollen. Hier ist etwas, was Sie recht gut ins Auge fassen müssen. Es sind viele unter Ihnen, die sich treulich und wahrhaftig der Meditation hingeben. Dadurch erreichen Sie, daß die gewöhnliche Egoität unterdrückt wird, daß das Erleben im Astralleib eintritt. Aber es muß erst die Spiegelung dazukommen, damit Sie es wie bewußt im Astralleib erleben. Unter Ihnen ist wahr­haftig eine ganze Schar, die durchaus durch die Meditation schon so weit ist, daß sie im Astralleib lebt. Nun aber kommt es auf die Spie­gelung an. Und geradeso wie man im gewöhnlichen Leben durch den physischen Leib das, was man erlebt, gespiegelt erhält, so muß man, wenn man in der geistigen Welt bewußt wahrnehmen will, durch den Ätherleib die Erlebnisse des astralischen Leibes zunächst gespiegelt erhalten.

Aber was geschieht dann, wenn wirklich bei einem Menschen das eintritt, daß ihm seine Erlebnisse im Astralleib gespiegelt werden durch den Ätherleib? Da geschieht etwas, von dem man vor allen Dingen wissen muß, gründlich ins Auge fassen muß, daß es ganz, ganz anders ist als das Sehen in der physischen Welt. Ich möchte sagen: so bequem, wie man es in der physischen Welt hat, hat man es in der geistigen Welt nicht. Denn selbst ein Bukettchen, das abge­schnitten ist, ist hier ein abgeschlossener Gegenstand; das bleibt das­selbe. Nun, wenn das Bukettchen so vor einem liegt und man hat seine Freude daran, so kann man es nach Hause nehmen, kann es dort in eine Vase stellen und so weiter, es kommt auf das Bukettchen an. Man erwartet nichts anderes, wenn man es vor sich hat. So ist es aber mit dem, was man als astrale Erlebnisse, gespiegelt durch den Äther-leib, vor sich hat, ganz und gar nicht. Da lebt und webt alles. Nichts ist auch nur einen Augenblick ruhig von dem, was da ist. Aber so,

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wie es da unmittelbar gespiegelt auftritt, so ist es gar nicht das, worauf es zunächst ankommt. Wirklich nicht. Bei diesem Bukertchen kommt es auf das an, was es ist. Ich nehme das Bukettchen und habe es dann. Wenn ich etwas gespiegelt habe durch den Ätherleib, kann ich mich nicht so dazu stellen, daß ich es nehme, wie es da ist und zufrieden sein kann. Es ist gar nicht das, wonach es ausschaut!

Verstehen Sie mich wohl, meine lieben Freunde. Auch für diese Tatsache habe ich den notwendigen Vergleich schon oftmals ge­braucht: Wenn hier etwas dastünde, einige Striche - nun, ich will sagen ein B-a-u. Wenn dieses Zeichen dastünde, würde ich sagen, wenn ich nicht lesen könnte: Da sehe ich Striche, so und so und so, die zu einer eigentümlichen Figur zusammengefügt sind.

Ich kann das, was so dasteht, nicht wie das Bukettchen da mit nach Hause nehmen und in eine Vase tun. Sondern, wenn ich das, was da-steht: B-a-u, nähme, einsteckte und zu Hause in einen Rahmen täte, so habe ich nicht das, worauf es ankommt. Das, worauf es mir an­kommt, ist der Bau da draußen. Den drücke ich aus durch das Zei­chen «Bau». Wenn ich das Zeichen einstecke, habe ich nicht das, worauf es ankommt. In diesem Zeichen lese ich nur das, worauf es ankommt.

Bei den Dingen habe ich das, worauf es ankommt, vor mir. Bei dem gewöhnlichen Lesen habe ich nicht mehr das vor mir, worauf es ankommt, sondern ich habe das Zeichen dafür. So ist das, was ich zunächst bekomme, was ich im Astralleib erlebe und gespiegelt be­komme im Ätherleibe, nur richtig, wenn ich es als ein Zeichen auf-fasse, und wenn ich lerne, daß es für etwas anderes steht; daß es nicht genügt, wenn ich das, was von meinem Astralleib gespiegelt wird, anschaue und hinnehme als etwas, worauf es ankommt. Es kommt ebensowenig darauf an, wie, wenn da «Bau» steht, es auf dieses an­kommt. Auf das, was diese Zeichen bedeuten, kommt es an. Ich muß sie erst lesen. Und so muß ich zuerst lesen in dem, was ich da zu­nächst wahrnehme in der geistigen Welt. Das sind erst Zeichen für die Wahrheit. Das heißt: Ich lese in der geistigen Welt. Und nur da­durch können wir die geistige Welt erfahren, daß wir das, was sie uns zunächst darbietet, als Buchstaben und Worte zu nehmen verstehen.

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die wir lesen lernen. Das ist es. Und lernen wir das nicht, glauben wir, daß wir uns das ersparen können, das okkulte Lesenlernen, dann kämen wir in die geistige Welt so hinein, wie sie sich zunächst dar­bietet. Das heißt, wir machten etwas geradeso Gescheites, als wenn jemand ein Buch nimmt und sagt: Da gibt es solche Narren, die da sagen, daß etwas in diesem Buche ausgedrückt ist. Das kümmert mich nicht, ich blättere in dem Buch von Seite zu Seite; da sind so hübsche Buchstaben darin. - Und er nimmt nur das auf, was da ist, und küm­mert sich nicht um das, was da ausgedrückt ist.

Wenn man das, was ich gesagt habe, nicht berücksichtigt, so kommt man in ein ganz schiefes Verhältnis zur geistigen Welt. Darauf kommt es an, daß man das, was man wahrnimmt, deuten und lesen lernt. Wir werden in den nächsten Stunden schon sehen, wie dieses Deuten und Lesen gemeint ist.

Nun können wir also sagen: Wir haben uns wenigstens vorläufig andeutungsweise verständigt über den Vorbegriff: Was ist okkultes Lesen? - Es kommt zustande, wenn der Mensch gewissermaßen sich erlebt im Astralleib - wie er sich sonst im Ich erlebt in der physischen Welt - und wenn ihm nicht gespiegelt werden, wie in der physischen Welt, die Erlebnisse des Ich im physischen Leib, sondern das Erleb­nis des Astralleibes im Ätherleib.

Nun aber müssen wir da noch etwas anderes bedenken: Wir sind ja nicht nur, wie ich auch heute gesagt habe, da draußen in den Dingen, wir stecken nicht nur mit Ich und Astralleib darin, sondern im Wach-zustand schickt das Ich auch das von ihm, worauf es ankommt, in den physischen Leib hinein. Es zieht nur in der Nacht, im Schlaf, aus dem physischen Leib heraus. Das heißt, wir müssen für die physische Welt imstande sein, unterzutauchen in unseren physischen Leib. Für das Wahrnehmen der geistigen Welt, für das Lesen in der geistigen Welt, da erfahren wir zunächst, daß wir in unserem Astralleib leben können, daß wir gespiegelt erhalten können die Dinge am ätherischen Leib. Nun müssen wir auch dazu aufsteigen, im Ätherleib selber leben zu können, in den Ätherleib hinein untertauchen zu können, wie wir beim Aufwachen in den physischen Leib untertauchen. Merken Sie wohl, auch das Folgende ist notwendig: mit dem Astralleib unterzutauchen

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in den Ätherleib. Wenn wir lesen lernen, lernen wir außerhalb des physischen Leibes zu sein. Wie wir beim Aufwachen in den phy­sischen Leib untertauchen, so muß der Okkultist, ohne in den physi­schen Leib unterzutauchen, in den Ätherleib untertauchen. Ja, die Okkultisten nennen dieses Untertauchen mit Recht ein Hinabstürzen in den Abgrund. Was dabei notwendig ist, das ist, daß man sich nicht betäubt, daß man mit dem Bewußtsein hinabdringt, und daß man sich wiederfindet im Absturz. Denn dieses jetzige Untertauchen in den Ätherleib geht nicht so bequem wie das Untertauchen in den physi­schen Leib. Es ist in der Tat wie ein gewaltiger Sturz in den Abgrund. Denn man wird jetzt in drei Teile gespalten, von denen ich gesprochen habe in dem Buch «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Wel­ten?» Man wird zerspalten, aufgelöst in ein Dreifaches. Man kann nicht bewußt in seinen Ätherleib hinuntersteigen, ohne sich zu ver­vielfachen in der angegebenen Weise.

Wenn der Mensch in der physischen Welt nur ist, und er schläft, so ist er mit Ich und Astralleib außerhalb des physischen und Äther-leibes. Da ist sein Bewußtsein zu dumpf, um die geistige Welt wahr­zunehmen. Wenn er untertaucht in den physischen Leib, der ihm die physische Welt spiegelt, so daß er sie wahrnimmt, so ist das auch eine Art Hinab stürzen in den Abgrund; nur ist es uns so bequem gemacht, daß wir es nicht als Erschütterung wahrnehmen. Jeden Morgen, wenn wir aufsteigen durch unsere Übung in den Zustand, in dem wir etwas uns erleben können in der geistigen Welt, lernen wir lesen in diesem wie bewußt gewordenen Schlafzustand, lernen wir aber auch das Abstürzen, das Zersplittertwerden in drei Teile. Wenn wir da mit dem Bewußtsein hinuntertauchen, sind wir imstande, bewußt auch in die Dinge und in Vorgänge der geistigen Welt unterzutauchen, die außer uns sind.

So lernen wir im Astralleib leben und im Ätherleib spiegeln. Wir lesen, wie wenn wir in einem Buche lesen. Sobald wir untergetaucht sind in den Ätherleib, zersplittern wir uns in drei. Und die drei kön­nen wir hinaussenden. Die wandeln dann bewußt in der geistigen Welt herum. Und die drei, die da herumwandeln, die erfahren in die­sem Herumwandeln dasjenige, was wir « Okkultes Hören» nennen; es

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beginnt das okkulte Hören. Sobald wir bewußt hineingestürzt sind in unseren eigenen Ätherleib, beginnt das okkulte Hören. Jetzt tau­chen wir wirklich unter in die Dinge. Jetzt merken wir, daß dasjenige, was wir vorher gelernt haben zu lesen, von uns erlebt werden kann.

Also wiederholen wir es: Der Mensch wird durch seine okkulten Übungen in die Lage versetzt, seine Egoität so weit zu unterdrücken, daß er bewußt in seinem Astralleib leben lernt. Dann werden ihm nach und nach die Vorgänge und Wesenheiten der geistigen Welt vom Ätherleib gespiegelt. Wenn er diese gespiegelte Welt in der rich­tigen Weise, wie wir in den nächsten Stunden hören werden, zu deu­ten vermag, so hat er die Kunst des okkulten Lesens gelernt. Wenn er weiter in die Lage kommt, nicht nur von außerhalb des Ätherleibes zu lesen, sondern untertauchend gleichsam aufzuwachen im Äther-leib, dann schickt er die Drei, die aus ihm geworden sind, hinaus in die Welt und hört die Vorgänge in ihrem inneren Weben und Wesen. Dann hört er sie.

Dadurch gelangt man aber allmählich dahin, das okkulte Lesen und das okkulte Hören so zu haben, daß man damit etwas ganz Bestimm­tes verbindet. Man gelangt dadurch aber auch wirklich in die Realität der Dinge hinein. Denn das, was auf dem physischen Plan vor sich geht, ist nicht die Realität, wirklich nicht. Eine einfache Überlegung kann uns an allen Ecken und Enden der Welt zeigen, wie dasjenige, was wir in unserem Umkreis erleben, nicht die Realität ist; wie wir alles im Grunde genommen falsch deuten. Einmal sagte mir jemand an den Ufern des Rheines: Das ist der alte Rhein. - Gewiß, ein sehr schöner, tief empfundener Satz. Aber was ist denn eigentlich alt an dem Rhein? Das Wasser, das man fließen sieht, gewiß nicht; im näch­sten Augenblick ist es schon nicht mehr da. Es sorgt schon dafür, daß es nicht das ist, was alt ist. Alt ist höchstens das Loch, das in der Erde ausgewühlt ist. Das meint man aber nicht, wenn man sagt « der alte Rhein». Was ist es eigentlich, was man mit dem Wort «alter Rhein» bezeichnet? Wenn man sagt: das Loch - im Meer sind auch Löcher, sind auch Strömungen. Wenn im Meer der Golfstrom dahinfließt, so ist da jeden Augenblick nicht nur das Wasser ein anderes, sondern auch das Loch ist stets anders. Nichts ist das Bleibende im Physischen,

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gar nichts. So ist es der ganzen physischen Welt gegenüber. Ihr eige­ner Organismus ist nur ein Strom. Was Sie heute in sich haben als Fleisch und Blut, das hatten Sie vor acht Jahren noch nicht. Nichts ist real im Physischen, alles ist fließend.

Alles das, wofür wir Worte gebrauchen, haben wir gar nicht im Auge. Einen Sinn, vom «alten Rhein» zu sprechen, hat es nur, wenn wir die Elementarwesen, die wirklich mit dem Rhein leben, wenn wir den Elementarflußgott Rhein, ein geistiges Wesen, das wirklich alt ist, meinen. Dann nur haben wir überhaupt etwas Sinnvolles gemeint. Wir müssen das Wort vom « alten Rhein » geistig meinen, oder wir müßten gedankenlos reden. So stark ist es wahr, daß wir nur in wirk­liche Realitäten hineinkommen, wenn wir uns an die geistige Welt halten. Dann kommen wir in die wirklichen Realitäten hinein. Daß wir da hineinkommen, werden wir sehen, wenn wir das okkulte Lesen und Hören dann morgen in den Einzelheiten, soweit es geht, be­sprechen werden.

ZWEITER VORTRAG Dornach, 4. Oktober 1914

#G156-1967-SE026 Okkultes Lesen und okkultes Hören

#TI

ZWEITER VORTRAG

Dornach, 4. Oktober 1914

#TX

Was ich gestern sagte in Beziehung auf die eigentliche Lage der menschlichen Wesenheit im Verhältnis zu der Welt, das wollen wir uns noch einmal deutlich vor Augen stellen. Ich sagte, eigentlich sei es eine Maja, eine Täuschung, wenn wir annehmen, wir seien als seelisch-geistige Menschenwesen in unserer Haut darin, und die Dinge wären so um uns herum, und wir nähmen von den Dingen gleichsam die Abbildungen in uns herein. In Wahrheit leben wir als seelisch-geistige Menschenwesen in den Dingen drin. Und wir würden dieses In-den-Dingen-Drinnenleben nicht wahrnehmen können, wenn wir nicht unsere Erlebnisse mit den Dingen aus unserem Organismus heraus gespiegelt erhalten würden. Und zwar so, wie wir in der ge­wöhnlichen physischen Welt drinnenleben, so werden uns die Dinge von unserem physischen Organismus gespiegelt, von seinem ganzen Sinnensystem, von seinem Denksystem, von seinem Gefühis- und Willens system.

Also das ist eigentlich die Wahrheit: daß unser Organismus ein Spiegelungsapparat ist; daß dasjenige, was wir erleben, in uns nicht erzeugt wird etwa durch unseren physischen Organismus - was eine irrtümliche Vorstellung des Materialismus ist -, sondern daß es ge­spiegelt wird. Geradesowenig wie ein Spiegel das hervorbringt, was eben aus dem Spiegel sieht, ebensowenig bringt unser Organismus das hervor, was wir über die Dinge und an den Dingen seelisch er­leben. Und der Materialist, der behauptet, daß das Gehirn oder ein anderes Organ hervorbringe unsere seelischen Erlebnisse, der be­hauptet in bezug auf diese höheren Dinge etwas ganz Gleiches, wie wenn jemand behaupten will, das Gesicht, das er von sich selber im Spiegel erblickt, gehöre nicht ihm an, sondern sei vom Spiegel her­vorgebracht.

Was also die Wahrheit der Sache ist, das muß man gewissermaßen erleben in dem Augenblick, wo man in der gestern beschriebenen Weise zum okkulten Lesen aufsteigt. Wir erleben, nachdem wir uns

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in der gestern beschriebenen Weise vorbereitet haben, die flüchtigeren - nur in bezug auf das physische Wesen natürlich flüchtigeren -, fluk­tuierenden Wesenheiten und Ereignisse der geistigen Welt. Aber wir sehen sie, indem wir sie also erleben in unserem Astralleib, dann von unserem Ätherleib aus gespiegelt, und diese Spiegelungen erleben wir als Bilder. Ich sagte gestern, im allgemeinen können wir diese Bilder, die wir also erleben, nur als die Zeichen der geistigen Wirklichkeit ansehen. Und ich habe durch Vergleich klargemacht, welchem Irr­tum der sich hingeben würde, der das unmittelbar so erlebt wie Traum­bilder, nur ungeheuer viel lebendiger als gewöhnliche Traumbilder. Wer diese Traumbilder für Wirklichkeit ansehen würde, bei dem stünde es geradeso wie bei jemandem, der nicht das Wort «Bau», das aufgeschrieben ist, für das Zeichen des wirklichen Baues nimmt, son­dern es selber als Wirklichkeit betrachten würde, auf die es ankommt. Gleichsam müssen wir uns vorstellen, daß in dem Augenblick, wo wir in die Lage gekommen sind, von draußen herein durch unseren Ätherleib gespiegelt zu erhalten die in bezug auf das Physische fluk­tuierenden, leicht flüchtigen Bilder der geistigen Welt, wir die Welt wie ein aufgeschlagenes Buch vor uns haben; wie ein Buch, das für uns aufgeschlagen ist, das wir aber erst lesen lernen müssen, richtig lesen lernen. - Das ist im allgemeinen richtig, aber viel mehr, als die­ses für die Erlebnisse des physischen Planes gilt, gilt es für die Erlebnisse der höheren Welten, daß alles Richtige Ausnahmen erfährt. Und namentlich das, was ich eben gesagt habe, erfährt Ausnahmen. Das muß man eben wissen: es gilt nur im allgemeinen, und wenn man es beachtet, kann man sich zurechtfinden in der geistigen Welt, aber es erfährt Ausnahmen. Inwiefern es Ausnahmen erfährt, das möchte ich lieber etwas anschaulicher erörtern.

Ich will eingehen auf einen ganz bestimmten Fall. Nehmen wir an, jemand, der die in unserem Sinne gehaltenen hellseherischen Kräfte bis zu einem gewissen Grade in sich ausgebildet hat, der bestrebe sich - nun, sagen wir, weil ja das für viele Menschen naheliegt -, einen Toten, also einen Menschen aufzusuchen in der geistigen Welt, der vor kürzerer oder längerer Zeit durch die Pforte des Todes gegangen ist, der in der geistigen Welt lebt in jenem Leben, das wir beschrieben

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haben als das Leben zwischen Tod und neuer Geburt. Nun ist ein solches Aufsuchen davon abhängig - das können Sie schon aus dem gestrigen Vortrag ersehen -, daß man gewissermaßen von der geisti­gen Welt heraus begnadet wird, den Betreffenden auch wirklich sehen, schauen zu können. In der Regel wird bei solchem Bestreben die bloße Neugier durchaus nicht befriedigt. Wer also von vorne­herein bloß mit der Absicht, seine Neugierde zu befriedigen, an die Sache herangehen wollte, einen Toten in der geistigen Welt aufzu­suchen, der würde entweder gar nichts sehen, oder den mannigfaltig­sten Irrtümern ausgesetzt sein müssen. Aber nehmen wir an, das wäre nicht der Fall, sondern es läge auch ein wichtiger, von den Wesen der geistigen Welt anerkannter Grund vor, daß man diesem Toten begeg­net. Nehmen wir an, es sei alles - um das triviale Wort auszusprechen -in der Ordnung, man dürfte gewissermaßen dem Toten begegnen. Nun wird - ganz allgemein, sage ich wiederum - dies nicht einfach so eintreten können, daß sich der betreffende Hellseher durch irgend­welche Meditation in die geistige Welt versetzt und dann etwa seine Begierden, seine Wünsche oder seine Gedanken nach dem Toten rich­tet, um gewissermaßen mit seiner Anschauung begnadet zu werden. Wenn solches unternommen oder wenn vorausgesetzt wird, daß sol­ches kommen könnte, so würde man sich irren. In der Regel wird vielmehr etwas ganz anderes eintreten.

Sie müssen sich klar sein, meine lieben Freunde, daß man immer nur besondere Fälle schildern kann, daß man nicht allgemeine, ab­strakte Theorien gibt, wenn man ein ,solches Thema der okkulten Welt bespricht, wie es in diesem Augenblick von mir geschieht. Ich kann nur ein Exempel, ein Beispiel geben.

Nehmen wir also an, ein Seher hätte einen berechtigten Grund, mit irgendeinem Toten zusammenzukommen, und er träfe durch Medita­tion, durch Konzentration seiner Gedanken Anstalten, gerade mit diesem Toten zusammenzukommen. Welcher Art diese Anstalten sind, das zu beschreiben, würde heute zu weit führen, aber nehmen wir an, diese Anstalten seien richtig. Dann wird, wenn durch die Medi­tation, die Konzentration, der Zustand der Seele wirklich eingetreten ist, durch den der betreffende Tote von dem Seher wahrgenommen

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werden kann, der Seher vielleicht zunächst etwas sehen, was er -wenn er nicht schon Erfalrrungen hat auf diesem Gebiet - sehr leicht geneigt sein könnte, gar nicht für die Erscheinung des Toten oder für irgend etwas, was mit dem Toten zusammenhängt, zu halten. Er sieht vielleicht eine sich vor ihm ausbreitende Bilderwelt, eine leben­dige Bilderwelt, die viel lebendiger ist als die Bilder der gewöhnlichen Träume.

Ich muß das immer wieder betonen, weil das in der gewöhnlichen Welt irrtümlich dargestellt wird: es ist diese Bilderwelt eine Zeichen-welt der höheren Welt. Das lernt man ja, diese Zeichenwelt zu ver­stehen. Man erlebt in sich bewegliche Bilder, allerlei Ereignisse, die im Zusammenhang stehen mit dieser oder jener Persönlichkeit. Das erlebt man; nur kann man zunächst kaum eine Ähnlichkeit heraus­finden mit dem, was man angestrebt hat, in den Bildern, die man da erlebt. Aber eines zeigt sich darin, wenn das wirklich der Fall ist, wenn es nicht ein bloßer Irrweg ist, den man eingeschlagen hat: Inner­halb dieser beweglichen Bilderwelt wird man etwas erleben, was wie, ich möchte sagen, der wichtigste Punkt darin erscheint. Bei den andern Bildern wird man sich sagen: Sie enthalten etwas, diese Bilder, das ist dir vertraut, das erinnert dich an allerlei Dinge, die unter Umstän­den auch aus deiner Erinnerung auftauchen können. Obwohi du in deiner Erinnerung niemals gerade diese Begebenheiten hast haben können, so könnten sie unter Umständen, weil sie sich anlehnen an das, was du erlebt hast, die mit Phantasie durchwachsenen Erinnerun­gen an solche Erlebnisse zustande bringen.

Gerade da muß der wirkliche Hellseher aufmerksam sein, daß er im Auge behalten soll, er habe es da und dort zu tun mit einer Bilder-welt, die sich zur Not aus seiner Erinnerung zusammensetzen könnte; aber irgendein Punkt zeigt sich darin, der keine solche Erinnerung darbietet. Man kann also genau unterscheiden dasjenige, das so ver­laufen sein könnte, daß es aus unserer Phantasie zusammengesetzt sein könnte, und das andere, was darin als Eines ist, um das sich gleichsam alles übrige gruppiert. Von dem muß man sagen: Das wäre dir niemals in die Erinnerung gekommen, das könnte niemals in einem Traum in dein Gesichtsfeld hereinkommen. - Natürlich muß man

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eine gewisse Praxis haben, Traumbilder von der Wirklichkeit zu unter­scheiden, um diesen Unterschied genau zu sehen. Aber man kommt dann dazu, zu sagen: Irgend etwas ist dadrinnen, um das sich alles andere gruppiert. In der Regel - ich versuche genau zu sprechen -ist es so, daß dieses eine, das dadrinnen ist, in gewissem Sinne sogar paradox, absurd erscheinen kann. Es ist so, daß etwas Merkwürdiges in einer solchen Bilderreihe - die sonst vielleicht so schön, so großartig, so gewaltig ist -, daß etwas sehr Sonderbares darin erscheint. Nun wird es sehr häufig dem Seher passieren, daß so etwas wiederum abflutet, wiederum hinweggeht, daß er eigentlich mehr oder weniger nichts anfangen kann damit. Dann muß er natürlich den Versuch immer wiederum von neuem unternehmen. Und es wird ihm in der Regel, wenn er eine gewisse Praxis des Sehertums hat, von neuem gelingen. Er wird immer wiederum eine solche Bilderreihe sehen, vielleicht eine Bilderreihe ganz anderer Art; aber so irgend etwas in der Mitte, das wird ganz gewiß zeigen, daß es das Gleiche ist, was man schon früher als Mittelpunkt der Bilderreihe gesehen hat. Nun muß man schon bis zu einem gewissen Punkte des Sehertums gekom­men sein, wenn es einem gleich das erste oder das folgende Mal ge­lingen soll, mit diesen Bilderreihen das Richtige zu erreichen. Man muß dazugekommen sein, sich richtig, wenn man die Bilderreihe noch hat, zu erfassen, vollständig besonnen und selbstbewußt zu werden, da drinnen wirklich mit seinem Selbstbewußtsein lebend zu sein, so daß es einem nicht entwischt wie ein Traumbild. Man muß sich so ihm gegenüberstellen, wie man sich einem Ding der Außenwelt gegen­überstellt: daß man sich in der Hand hat, daß man weiß, ich bin da, und du bist dort. - Man muß unterscheiden können sich von dem Bild; man muß nicht von dem Bilde hingenommen sein.

Um das zu erreichen, wird man gut tun, zunächst zu versuchen -wenn das Bild so dasteht -, willkürlich in dem Bild drinnen etwas zu verändern. Nehmen wir zum Beispiel an, das Bild steht da, und man hat sich wirklich so erfangen, daß man sich unterscheidet von dem Bilde, daß man da ist, und es kommt in der ganzen Bilderwelt irgend­eine Persönlichkeit vor, die einen mißmutig, unfreundlich ansieht. So fasse man jetzt einmal, in der ganzen Situation drinnenstehend, ohne

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sich gleichsam aus dem Hellsehertum herauszulösen, so fasse man ein­mal das Gefühl: Wie wäre es, wenn ich recht gut wäre zu dieser Per­sönlichkeit, damit sie mich freundlich ansieht, nachdem sie mich jetzt mißmutig angesehen hat? - Wenn sich dann so etwas ändert in der Bilderwelt, hat man es gleich leichter, sich in der Bilderwelt zu postie-ren. Man hat es dann leichter gegenüber der Bilderwelt.

Das Nächste aber muß nun sein, daß man - ja, nun ist es schwierig, einen Ausdruck zu finden, denn die Dinge der geistigen Welt sind ein­mal verschieden von der physischen Welt -, daß man tatsächlich jetzt mit dem Bilde, mit all den Bildern, die man da hat, sich identifizieren muß. Man muß in sie untertauchen, muß eins mit ihnen werden. Denn damit, daß man eins wird mit ihnen, vollzieht man, wie wir gleich sehen werden, eine wichtige Wahrheit. Ich möchte sagen, wenn ich den trivialen Ausdruck gebrauchen darf: Man muß geistig diese ganze Bilderreihe essen, sie verschlucken, in sich selber aufnehmen, sich identifizieren damit, in die Bilderreihe untertauchen. Das heißt, man muß jetzt wissen: Ich habe mich nun unterschieden von dieser Bilder-reihe, ich habe meine Position außerhalb ihrer gehabt, und willkür­lich tauche ich jetzt unter, wie wenn ich ins Wasser springe, um darin zu schwimmen.

Und nun kommt das wichtige Erlebnis, denn jetzt erleben Sie in der eigenen Seele alles das, was in dieser Bilderreihe ausgedrückt ist, wenn eine Person die andere bekämpft, verletzt, oder mit der andern liebens­würdig ist. Erlebt wird also: Ich bin der Verletzer und der, welcher verletzt wird. Alles bin ich in diesem Bilde darin. - Es ist, wie wenn Sie ein Bild vor sich hätten, wo dargestellt wird, daß jemand ent­hauptet wird, und Sie sich erleben können zu gleicher Zeit als jener, der enthauptet, und als jener, der enthauptet wird. So erleben Sie sich real in dieser ganzen fluktuierenden Bilderwelt, in diesem Weltbild darin. Sie selbst sind jedes Bild und jede Bewegung, die darin ist. Damit wird das Bild als solches, als Imagination, unsichtbar; aber die inneren Erlebnisse als solche werden um so bedeutungsvoller. Man hört jetzt auf, das Bild zu sehen, zu schauen, aber man ist in einem reichen Erleben darin. Und wenn es einem nun wirklich gelingt, in den Bildern drinnen zu sein, dann tritt, ich möchte sagen, der zweite

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Akt der ganzen Sache ein. Das muß aber gar nicht gleich darauf folgen.

Da kann es sein von diesem Punkte aus, daß recht viel Entmutigen­des das Sehertum ergreifen kann. Es kann durchaus sein, daß man bis zu diesem Moment kommt, da der Entschluß gefaßt ist, unter­zutauchen in das Bild, darin zu schwimmen, und - nun ist es fort wie ein Traum, oder wie etwas, was man vergessen hat. Es kann passieren-in den seltensten Fällen wird es so geschehen -, daß man gleich hinter­her das Erlebnis hat, von dem ich jetzt sprechen will. Meistens jedoch wird das eintreten, daß die Sache wie ein entschwundener Traum ganz untergegangen zu sein scheint.

Nun muß man als wirklicher Hellseher sich klar sein, daß es gar nicht wahr zu sein braucht, daß das untergegangen ist; sondern es kann dasjenige, was in den seltensten Fällen gleich nach dem ge­schilderten Fall eintreten kann, viel später kommen, kann mitten aus den Tag- oder Nachterlebnissen herauskommen, mitten heraus! Denn sehr häufig ist es der Fall, daß das, was man - verzeihen Sie, wenn ich noch einmal den Ausdruck gebrauche - sozusagen gegessen hat, wo-mit man sich vereinigt hat, erst mit einem ganz vereinigt werden muß, daß es erst seelisch verdaut werden muß. Es kann eine Zeitlang dauern. Aber wenn man genügend vereinigt ist, wenn es genügend verdaut ist, dann kommt es so, daß man weiß: Jetzt stehst du mit der Persönlichkeit, respektive der Individualität des Toten in Beziehung, und sie schickt in dich Gedanken hinein, die sie selber hat, diese Per­sönlichkeit oder Individualität. Jetzt denkst du das, was der Tote in seiner Seele erlebt. Das denkst du jetzt. Du stehst in Verbindung mit ihm. Er spricht jetzt mit dir, und du hörst ihn.

Es ist in Wahrheit das Bild, mit dem man sich vereinigt, oder die Bilderreihe, die man aufgenommen hat, die man in sich trägt, die jetzt mit einem eins geworden ist, welche eigentlich die Wahrheit hört und die Wahrheit aufnimmt. Und in der Regel ist es so, daß dieses Hören, eben als geistiges Hören, dann nicht mehr mit Bildern verbunden ist, sondern getragen ist von dem Bewußtsein, daß die Seele des Sehers verbunden ist mit dem betreffenden Toten und sich sagen läßt von ihm das, was nicht mehr mit dem Ohr gehört, nicht mehr mit dem

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physischen Blick aufgenommen wird, sondern was unmittelbar mit dem Gedanken aufgenommen wird, wenn man weiß: Das ist nicht dein Gedanke; das ist das, was dir der Tote zuspricht. - Es bedarf also, wie Sie da ersehen können, einer gewissen Vorbereitung, um in die Nähe einer toten Individualität zu kommen, einer Vorbereitung, die man, wie ich es eben getan habe, beschreiben kann.

Dann, wenn man einmal dahin gelangt ist, nach der Identifizierung mit dem Bilde den Toten zu hören, dann ist jede Täuschung aus­geschlossen. Denn eine Täuschung könnte dann nur in derselben Weise eintreten wie eine Täuschung auf dem physischen Plan, wenn ich einem Menschen begegne und ihn für einen andern halten könnte. Das werde ich doch in der Regel nicht tun; man erkennt den Men­schen auf dem physischen Plan durch sich selber. Ich brauche mir nicht aus theoretischen Prinzipien heraus zu beweisen, wenn ich in der physischen Welt einem Herrn Löw begegne: Das ist Herr Löw. -Das enthüllt das Wesen selber, dem man entgegentritt, daß man es er­kennt. Sobald man vor einem Wesen der geistigen Welt ist, weiß man, daß man ihm gegenüber ist, wenn es auch selbstverständlich in der geistigen Welt auf geistige Weise zu einem spricht, in geistiger Weise einem etwas mitteilt.

Was ich Ihnen eben beschrieben habe, das ist der Übergang von dem sehr vieldeutigen Zeichen, das man liest, das man nicht dadurch deutet, daß man es mit dem Verstande deutet, sondern dadurch, daß man es in sich aufnimmt, eins damit wird. Man verzehrt es gleichsam lebendig. Und durch den Prozeß, den man durch die Vereinigung mit dem Bilde in der eigenen Seele bewirkt, bereitet man sich darauf vor, den objektiven Prozeß, das objektive Wesen geistig zu hören.

Das Lesen ist ein lebendiger Prozeß, ist ein wirklich lebendiger Prozeß. Man muß wirklich seine Seele an die Sache hinwenden. Es wird etwas ganz anderes von einem verlangt, als was auf dem physi­schen Plane verlangt wird, etwas, das sich höchstens vergleichen läßt damit: Wenn auf dem physischen Plan jemand ein Buch herausgeben und verlangen würde - damit wir das Buch verstehen -, daß wir es verspeisen sollen, es essen sollen; und wenn wir dann dazu organisiert wären, ein A in anderer Weise zu verdauen als ein I, und durch den

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inneren Prozeß den Unterschied zwischen dem A und I festzustellen, wenn wir alles das durchmachen würden, wäre der Prozeß mit dem eben beschriebenen geistigen Vorgang zu vergleichen. Wir kommen nicht heran an einen geistigen Vorgang oder an eine geistige Wesen­heit, ehe wir unsere ganze Seele hingegeben haben zum Verständnis des betreffenden Wesens oder Vorganges. Wir müssen selber eins ge­worden sein mit den Zeichen oder Buchstaben der geistigen Welt. Wir müssen lesen, und dann, indem wir es lesen, geistig hören.

Im allgemeinen gilt das. Man muß eben, wenn man auf dem Felde der Geisteswissenschaft steht, ganz genau sprechen. Im allgemeinen, denn es gibt auch Ausnahmen. Es kann zum Beispiel durchaus auch eintreten, daß irgendein Seher, wenn er im Zustand des geistigen Schauens ist, nicht nur eine Bilderreihe erlebt, wie ich es eben ge­schildert habe, sondern wirklich etwas erlebt als Bild, als Imagination, was dem betreffenden Toten, so wie er war im Leben als äußere Gestalt, ähniich ist. Dann kann der Betreffende natürlich wissen, er steht diesem Toten gegenüber. Aber er kann es eigentlich niemals ganz sicher wissen. Es kann richtig, braucht aber nicht ganz richtig zu sein. In diesem Falle, um das zu erklären, möchte ich zu einem Ver­gleich greifen. Sehen Sie, unsere gewöhnliche Schrift, Druckschrift oder Schreibschrift, besteht aus Zeichen. Und wahrhaftig, wenn ich das Wort «Bau» aufschreibe, so hat dieses Wort nichts Ähnliches mit einem Bau. So war es aber nicht immer in der Entwickelung der Schrift. Wenn wir in ältere Zeiten der Schrift zurückgehen, finden wir eine Bilderschrift. Da machten die Menschen Bilder, die dem, was die Bilder darstellen sollten, noch ähnlich waren; und erst aus der Bilder-schrift entwickelte sich die Zeichen- oder Buchstabenschrift.

So ist es mit dem vorhin gemeinten entwickelten Heilsehen, das durch unsere rosenkreuzerische Methode entwickelt wird, und mit dem atavistischen, mehr oder weniger primitiven Helisehen, das bei manchen Menschen durch irgendwelche Vorbedingungen auftreten kann. Geradeso aber, wie unsere Zeichen- und Buchstabenschrift etwas Entwickeltes ist, und die Bilderschrift etwas mehr Primitives ist, so ist eben das Heilsehen, das unmittelbar das zum Ausdruck bringt, was geschaut werden soll, etwas mehr Primitives. Gerade das

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entwickelte Hellsehen wird oftmals nicht imstande sein, unmittelbar das zu schauen, was zu schauen ist. Es wird sich bei ihm so verhalten, wie ich es beschrieben habe. Aber die Ausnahme kommt auch vor:

wie bei einem Menschen, der die Kräfte ohne besondere hellseherische Entwickelung aus den Anlagen seines Organismus heraus anwendet. Dann mag der natürliche Hellseher in seinen Bildern viel mehr Ähn­lichkeit haben mit den geistigen Vorgängen als der entwickelte Hell­seher, der erst notwendig hat, all die Prozeduren durchzumachen. Aber es kann natürlich niemals das primitive Hellsehen dazukommen, in Imaginationen auszudrücken, was gemeint ist, kann nicht mit Sicherheit irgend etwas in dieser Art erfahren. Und selbst das, was mit Sicherheit in dieser Art erfahren werden kann, sind nur solche Ereig­nisse, die sich anlehnen an das irdische Leben.

Ich will zum Beispiel sagen, irgend jemand sei gestorben und habe vor seinem Tode noch, sagen wir, ein Testament da oder dort hin­gelegt, ohne daß er jemand aufmerksam machen konnte darauf, daß das Testament da oder dort liege. Er stirbt. Irgendeine primitiv hell­sehende Persönlichkeit, bei der die Vorbedingungen vorhanden sind, kommt hinzu, und es könnte sogar der Fall eintreten, daß eine solche ungeschulte helisehende Persöniichkeit in einer Art Trance-Imagina­tionszustand in Zusammenhang gebracht wird mit dem betreffenden Toten. Und sie kann dann von dem Toten geführt werden, so daß sie wahrnehmen und auch richtig auffinden kann den Ort, wo der Tote das Testament hingelegt hat. Es kann der Betreffende das Bild, den Ort, den Schrank zum Beispiel zeigen, wo das Testament ist. Das kann ein­treten. Aber es hängen diese Fälle stets mit dem äußeren physischen Plan zusammen. Es handelt sich um etwas, was auf dem physischen Plan vor­gegangen ist. Es können auch kompliziertere Dinge sein; aber sie sind doch mit dem physischen Leben irgendwie zusammenhängend.

Viel weiter wird man auf diesem Gebiet des primitiven Hellsehens nicht kommen. Um wirklich unbefangen klar und sicher in der geisti­gen Welt zu verkehren, sind eben die Vorbereitungen nötig, von denen ich gesprochen habe.

Nun muß ich Ihnen - damit wir dann in den nächsten Vorträgen auf Einzelheiten des geistigen Lesens und Hörens eintreten können -

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noch etwas Genaueres sagen über das, was ich berührt habe. Ich sagte, daß das, was hinter der Maja der äußeren Erfahrung liegt, was in den Dingen darin ist, eine Wahrheit wird in dem Augenblick, wo die geistige Welt betreten wird, wie es eine Wahrheit wird in dem Einzel­falle, den ich Ihnen beschrieben habe. Es genügt nicht, daß wir irgendein Bild durch das Heilsehen wahrnehmen, daß wir gleichsam das Heilsehen aufgenommen haben und nun das Bild so sehen, wie wir Wesen der physischen Welt sehen können. Das genügt nicht. Wir müssen dazukommen, in die Bilder unterzutauchen, uns in sie hinein-zustürzen. Wir müssen wahrmachen, daß wir draußen in der geistigen Welt sind. Das machen wir wahr dadurch, daß wir in sie untertauchen.

Wir gehen wirklich in das Bild hinein. Wir versetzen uns bewußt in einen Zustand, in dem wir sonst auch sind, aber wir wissen sonst nichts davon. Wenn ich also zunächst diese Bilderreihe habe, in deren Mittelpunkt das ist, was ich beschrieben habe, so muß ich aus mir heraus. Ich muß in diese Bilderreihe hinein, ich muß sie verzehren, muß darinnen sein.

Es kann das, was ich beschrieben habe, als eine geistige Erfahrung eintreten. Das ist nun eben die geistige Erfahrung: daß man es ver­steht. Will man es verstehen, dann ist noch das Folgende notwendig. Man muß etwas geistige Selbstbeobachtung vollziehen können. Wäh­rend des Vorganges, indem man so untertaucht in eine solche Bilder-reihe, geht zunächst einiges vor, das man an sich gleichsam spürt. Bedenken Sie einmal: wenn man zuerst sich erfaßt hat, wie ich sagte, in seiner Position - getrennt von der Imagination -, und dann dazu-kommt, in diese Bilderreihe unterzutauchen, dann ist das Gefühl, wenn man noch bewußt davor steht, anders, als wenn man schon untergetaucht ist.

Nun ist es notwendig, daß ich den Versuch mache, Ihnen zu be­schreiben, wie diese beiden Gefühle sind. Es ist so, daß in dem Augen­blicke, wo man untergetaucht ist, wo man weiß: Jetzt hast du diese Bilderreihe dadurch zum Verschwinden gebracht, daß du dich damit identifiziert hast -, in dem Augenblick erfaßt einen das Gefühl einer Ungenügendheit gegenüber sich selbst. Man wird gewahr - die Dinge sind schwer zu beschreiben -: Du bist ja eigentlich jetzt nur ein Stück

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von dem, was du warst, als du auf deinem früheren Standpunkt ge­standen hast. Du bist nur ein Stück davon.

Man muß natürlich solche Beobachtung oftmals machen, damit man ganz hineinkommt, die Dinge richtig zu deuten. Es kommt einem so vor - man charakterisiert solche Dinge am besten durch Vergleiche -, wie wenn ein Zwölf-Kilogewicht, ohne daß mit ihm weiter etwas ge­schehen ist, ganz plötzlich nur ein Ein-Kilogewicht geworden wäre; wie wenn es nicht mehr zwölf Kilogramm, sondern nur noch ein Kilo-gramm wäre. So fühlt man sich als ein Zwölftel. Man hat genau das Gefühl: Du bist nur ein Zwölftel von dir selber, und die andern elf Zwölftel, die sind draußen in der Welt. - Das kann man symbolisch zeichnen, was da mit einem vorgegangen ist. Man fühlt sich irgendwo draußen in der Welt. Da fühlt man sich, aber nicht mit seinem ganzen Wesen fühlt man sich da, sondern man fühlt: Da draußen in der Welt sind noch elf Zwölftel von dir, du bist aufgeteilt. - Symbolisch kann man das so ausdrücken, daß man sagt: Man ist an einem Punkte eines Umkreises, und die andern elf Zwölftel sind außen am Kreis verteilt: al ist man und 2, 3, 4 und so weiter ist man; da, al ist man, und da sind die andern elf Zwölftel.

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Jetzt ist es erst recht wahr, daß man da in der Welt ist: man ist zu einem Zwölftel von sich selber geworden; man hat in einem Kreise gleichsam liegengelassen die andern elf Zwölftel.

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Man kann das mit dem okkultistischen Ausdruck nennen, man habe sich selbst verwandelt in den Tierkreis. Man ist zu einem lebendigen Tierkreis geworden, man ist selbst der Tierkreis geworden. Und nun­mehr kommt dasjenige, was man, wie ich es beschrieben habe, nun hört; das kommt einem zu von innerhalb dieses Tierkreises. Also, wenn ich das frühere Beispiel beibehalte, daß der Tote mit einem spricht, so spricht er von innerhalb des Tierkreises.

# Bild s. 38

Bedenken Sie den Unterschied gegenüber dem Wahrnehmen in der physischen Welt. In der physischen Welt sind wir in unserer Haut ein­geschlossen; dadraußen sind die Dinge, die gehen scheinbar in einen hinein, indem wir hinschauen. Beim geistigen Wahrnehmen stehen wir draußen an einem Punkt, in einem Zwölftel des Horizontes. Jetzt schauen wir hinaus: Wir haben die Welt, die wir schauen, innerhalb des Umkreises; wir schauen von draußen hinein. Im gewöhnlichen Leben schauen wir von innen hinaus. Und dasjenige, was uns jetzt dadrinnen als die, ich will sagen, geistige Stimme erscheint, mit der der Tote zu uns spricht, das nehmen wir dadurch wahr, daß wir uns richtig angewöhnen, in verschiedener Weise hinzuhören, in ver­schiedener Weise achtzugeben.

Wir werden schon noch Genaueres hierüber sprechen. Zunächst will ich es durch das Symbolum andeuten. Jetzt können wir das Ge­fühl haben, was der Tote spricht, können wir so wahrnehmen: Er

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spricht innerhalb des Kreises. Wenn man dahin hört, hört man ihn nur, indem man zum Beispiel nach der geistigen Fünf hin das geistige Ohr richtet (siehe Zeichnung). Jetzt hört er da auf zu sprechen. Aber er spricht weiter; man hört ihn nur, wenn man auf einen andern Punkt (elf) hin das geistige Ohr richtet. Man lernt ihn allmählich kennen, wenn man innerhalb des Umkreises sieben Stimmen unterscheidet, die so variieren. Sieben Stimmen hat man zu lernen, die man zu unter­scheiden hat. In der verschiedensten Weise hört man sie, je nachdem sie von einem Punkte oder dem andern gehört werden. Alles, was man wahrnimmt, spricht wie aus sieben Stimmen innerhalb dieses Kreises heraus.

Man kann auch das Folgende sagen: Man ist jetzt gegangen in den Umkreis der Welt. Dasjenige, was man wahrnehmen soll, ist innerhalb dieses Umkreises. Man muß lernen, sich zu fühlen als einen Teil des Umkreises und muß, ich will sagen, in kosmischer Bescheidenheit keinen Anspruch darauf machen, etwas anderes zu sein als ein Zwölftel des Umkreises. Aber man muß die andern elf Zwölftel zu Hilfe nehmen. Man muß versuchen, sich ein Unterscheidungsvermögen an­zueignen für das, was da zu einem spricht. Man muß in der verschie­densten Weise varjieren alles, was ein Wesen in dieser Weise zu einem sprechen kann.

Und nun kann man wiederum nur durch einen Vergleich klar­machen, um was es sich handelt: Das, was da zu einem spricht inner­halb dieses Kreises, kann man wirklich nennen geistige Vokale. Und alles, was man selber ist und was im Umkreis lebt, sind geistige Kon­sonanten. Konsonanten und Vokale wirken zusammen; Konsonanten, indem sie stillstehen, wenn wir unser eigenes Wesen in zwölf Teilen hinausergos sen haben in das Weltenall; Vokale, indem sie sich drinnen bewegen und dadurch zum Aussprechen bringen, was ausgesprochen werden soll.

Nun will ich noch einmal zurückkommen zu unserem Beispiel. Ich suche einen Toten auf, suche mit ihm zusammenzukommen. Ich bringe es dahin, daß mir irgendeine Bilderreihe erscheint und mitten in dieser Bilderreihe etwas, was mir paradox, etwas, was mir absurd erscheint. Ich bin mir aber klar: Es ist etwas, was ich nicht selber hätte

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aus den Formen meines inneren Seelenwesens heraus bekommen kön­nen. Ich bringe es wirklich dazu, unterzutauchen, eins zu werden mit der Bilderreihe. In diesem Augenblick stehe ich da in diesem be­stimmten einzelnen Punkte a. Da werde ich mit meinem Wesen so untergetaucht in das, was draußen ist, daß ich ein Zwölftel von mei­nem Wesen losgelöst habe.

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Deshalb sagte ich - Sie müssen sich ja erinnern, daß man genau sprechen muß, wenn man von okkulten Dingen spricht -: Die Bilder-reihe gehört zu einem. Man hat nichts anderes in sich als die genossene Bilderreihe; die steht da in dem einen Zwölftel (siehe Zeichnung). Das andere, was nicht eins werden kann mit dieser Bilderreihe, das verteilt sich draußen im Umkreis. Und da kann es einem gelingen, über kurz oder lang, wirklich die geistige Stimme, die Mitteilung des Toten zu empfangen. Da hört man eben den Toten sprechen aus dem Umkreis, den man sich selbst um dasjenige herum gebildet hat, zu dem man in Beziehung treten will.

Was hat man also eigentlich getan? Man ist aus sich herausgegangen, ist eins geworden mit der Welt, aber nur mit einem Teil der Welt. Man muß daher selbst zum Teil der Welt werden, und man hat dasjenige mit seinem ganzen Wesen erfaßt, was man wahrnehmen will. Man hat gleichsam eine geistige Aura um einen Teil gebildet. Man kann sie aber nicht vollständig bilden, kann nur an einem Punkt stehen; man muß aus dem, was man nicht ist, die Aura bilden.

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Man kann sagen: Ich nehme eine Bilderreihe wahr. Erst stehe ich außerhalb dieser Bilderreihe, dann aber tauche ich in die Bilderreihe unter. Dadurch bilde ich um das, was ich wahrnehmen will, mit dem, was ich hingegeben, hingeopfert habe, eine Weltensphäre. Diese Weltensphäre enthält in sich - wie sieben Planeten - den Vokalismus, durch den das betreffende Wesen mit uns selbst sprechen kann, wenn wir selbst den Konsonantismus durch die Zwölfheit unseres Wesens bilden.

Man kann mit einem Wesen der geistigen Welt eben nur dadurch in Beziehung kommen, daß man es umschließt, so umschließt, daß die Umschließung bildet die kosmischen Konsonanten, und daß das Wesen selber in dem kosmischen Vokalismus sich uns ankündigen kann, so daß der kosmische Vokalismus zusammenwirken kann mit dem kos­mischen Konsonantismus, den wir von uns selbst gebildet haben. Dann wirken Lesen und Hören zusammen. Da dringen wir in irgend­ein bestimmtes Gebiet der geistigen Welt ein.

Ich bitte Sie nun, sich nicht durch das, was ich eben gesagt habe, etwa zu dem Irrtum führen zu lassen, daß das, was ich beschrieben habe, mit dem physischen Tierkreis gleichsam etwas zu tun habe oder mit den sieben physischen Planeten. Das ist nicht der Fall, das ist nicht gemeint. Sondern es ist so, daß man gleichsam eine Weltensphäre in der Zwölfheit bildet um das Wesen herum, das man wahrnehmen will. Man bildet überall eine Welt für sich.

Es ist schon so: Will man auf dem physischen Plan etwas ganz kennenlernen, so muß man es von den verschiedensten Seiten, von den verschiedensten Standpunkten aus ansehen, man muß um es herumgehen. In der geistigen Welt muß das eine Realität werden. Man muß nicht nur herumgehen mit dem ganzen Wesen, sondern man muß sein ganzes Wesen so zerteilen, daß man einen Umkreis schafft um das, was man wahrnimmt. Jedesmal, wenn eine wirkliche geistige Wahrnehmung stattfindet, so hat man einen solchen geistigen Um-kreis geschaffen. Und nur, weil die göttlichen Wesenheiten, die wir in den höheren Hierarchien kennengelernt haben, das im großen ge­macht haben, ist das eingetreten, dessen Resultat wir im Tierkreis vor uns haben.

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Denken Sie sich einmal, es würde das eintreten, was ich beschrieben habe: der Verkehr mit einem Toten. Und ein solcher Verkehr könnte im Moment, im Nu, richtig verhärtet werden - nun, so würde eben diese Verhärtung darstellen ein Menschenwesen, natürlich ein geistiges Menschenwesen, in zwölf Teile gegliedert, zwöff feststehende Sterne. Wenn dasjenige, was wahrgenommen worden ist, erstarrt festgehal­ten würde, würde ein Planetensystem entstehen. Indem die Götter das gemacht und verhärtet haben in einem besonders großen Plan, ist unser Weltensystem entstanden, während wir bei dem einzelnen Akt des Hellsehens etwas Vorübergehendes schaffen, das natürlich dann wieder vorbei ist, wenn der Akt des Hellsehens vorbei ist. Unser ganzes Weltensystem ist festgehaltenes Heilsehen der Götter, der höheren Hierarchien. Daher werden wir diese Welt nur erkennen, wenn wir sie aus geistigen Grundlagen erkennen.

Die physische Welt ist etwas, was gar nicht real ist, ebensowenig real, wie das Wasser eines Flusses real ist. Das Geistige nur ist real. So ist es auch mit einem ganzen Sonnensystem. So muß man auch das Sonnensystem in Wirklichkeit kennenlernen, indem man es im geisti­gen Lesen und Hören entziffert. In vieler Beziehung haben wir das schon getan.

Was alles innerhalb der Dinge drinnen liegt, davon werden wir morgen und übermorgen sprechen.

DRITTER VORTRAG Dornach, 5. Oktober 1914

#G156-1967-SE043 Okkultes Lesen und okkultes Hören

#TI

DRITTER VORTRAG

Dornach, 5. Oktober 1914

#TX

Aus den Auseinandersetzungen, die wir gestern und vorgestern gepflo-gen haben, werden Sie ersehen haben, daß okkultes Lesen und okkultes Hören in Erlebnissen der menschlichen Seele bestehen. Ich habe ver-schiedene Vergleiche gebraucht, um darzulegen, wie man eins werden muß erstlich schon mit den Zeichen, die sich in der Imagination dem Seher darbieten, und dann selbstverständlich des weiteren mit dem, was diese Zeichen von geistigen, von spirituellen Realitäten bedeuten.

Ich möchte Ihnen nun zunächst eine genauere Vorstellung geben -soweit das bei der Kürze, die durch die wenigen Vorträge, die gehal­ten werden können, möglich ist, und wenn das auch wegen der Kürze der Zeit nur eine annähernde Vorstellung sein muß - von alldem, was notwendig ist, um vom ungeordneten Heilsehen aufzusteigen zu geregeltem wirklichem Hellsehen, das man eben okkultes Lesen, ok­kultes Hören nennen kann. Das erste, was ich auseinandersetzen möchte, könnte man nennen den Vokalismus der geistigen Welt. Die Art, wie man gewissermaßen - es ist natürlich doch im Grunde ver­gleichsweise ausgedrückt - die Vokale der geistigen Welt hören und Lesen lernt, das ist natürlich ein viel innerlicherer Prozeß, als alle Pro­zesse des gewöhnlichen Lebens sind. Und wir werden durch mancher­lei Umschreibungen uns nur nähern können demjenigen, was man Er-Leben der Vokale, der Selbstlaute des Kosmos nennen könnte. Aus dem, was ich gestern angedeutet habe, werden Sie auch ersehen haben, daß man von sieben solchen Vokalen sprechen kann; denn wir können sie symbolisch parallelisieren mit dem planetarischen System.

Nun gehen wir noch einmal zurück auf das, was ich gestern bei­spielsweise erwähnt habe: das Aufsuchen eines Toten. Davon bin ich ja ausgegangen. Ich versuchte bei dieser Gelegenheit namentlich die Art der Erlebnisse zu erörtern, durch die man allmählich hineinwächst in das Erfahren der geistigen Welt. Wir haben gehört, daß man zu­nächst durch die verschiedenen Vorbereitungen, die der Seher durch­zumachen hat, dazukommt, eine Bilderreihe zu schauen. Dieser Bilderreihe

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steht man im Grunde genommen eigentlich so gegenüber wie den Dingen der Außenwelt. Man steht auch einem Traumbild so gegenüber wie den Dingen der Außenwelt. Erst nach und nach ge­langt man dazu, wie wir gesehen haben, sich zu identifizieren mit den Bildern, sie gleichsam aufzuzehren, eins zu werden mit diesen Bildern, ganz darin zu leben in diesen Bildern.

Nun aber muß man genau ins Auge fassen, wenn man wirklich den geistigen Realitäten gegenübersteht - das heißt, wenn diese Bilder zu­letzt dazu führen, sagen wir, den Toten zu finden oder irgendein ande­res Geschehnis oder Wesen der geistigen Welt, wie das gestern er­örtert worden ist -, daß das Zeichen sind von spirituelien Realitäten. Dann sind sie als Bilder eben selber Realitäten, die selber eine spiri­tuelle Wirklichkeit ausdrücken. Und die Spiritualitäten sind eine Wirk­lichkeit. Sie sind da, diese Bilder.

Die Frage muß nun entstehen: Sind denn diese Bilder nur dann da, wenn der Seher sich entsprechend vorbereitet und es dazu bringt, diese Bilder zu schauen? Sie sind nicht nur dann da, diese Bilder, und das ist sehr wichtig, daß man das ins Auge faßt. Nehmen Sie an, Sie stünden oder säßen irgendwo, Sie wären genügend vorbereitet, irgend etwas zu schauen. Eine Bilderreihe tritt so fluktuierend, ablaufend nun vor Ihre Seele. Wenn, statt daß ein Seher sich in dieser Lage be­findet, ein anderer Mensch dazukommt, diese Bilderreihe zu schauen, der gar nichts von Sehergabe hat und nichts von der Bilderreihe sieht, sondern nur die gewöhnlichen Bilder von der physischen Welt sieht -sind dann diese Bilder nicht da? Sie sind immer da, richtig immer da.

Anders gesprochen, wie ich es vorgestern auseinandergesetzt habe:

Wir sind in Wirklichkeit in diesem Bukettchen drinnen. Das Wahr­nehmen beruht ja auf der Spiegelung am eigenen Organismus. In dem Augenblick, wo der Seher, ausgehend von seiner Vorbereitung, da-zukommt, ein entsprechendes Geistiges imaginativ vor seiner Seele zu haben, da ist er auch darinnen. Durch die spätere Prozedur, sich zu identifizieren, vollführt er nur einen Bewußtseinsprozeß; in Wahr­heit ist er drinnen. Aber nicht nur der Seher ist darinnen, sondern auch jeder andere Mensch. Wenn man mit dem ganz gewöhnlichen physischen Auge und dem physischen Vorstellen einem Gegenstand

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gegenübersteht, ist man nicht nur in dem physischen Gegenstand dar­in - der ja, wie wir gesehen haben, überhaupt nur eine Täuschung ist-, sondern man ist auch in dem geistigen Wesen drin. Und man ist in den geistigen Wesen, die nicht physisch verkörpert sind, irnmer drin­nen. Also in den Bildern, von denen der Seher ein Stück schaut, steckt der Mensch eigentlich immer darin. Sie sind immer in der Umgebung da, der Mensch steckt immer darin. Sie bleiben unwahrnehmbar, un­sichtbar aus dem Grunde - könnte man abstrakt sagen -, weil das menschliche Wahrnehmungsvermögen zu dumpf und zu grob ist, um diese feinen, webenden Wesenheiten und Gebilde mit seinen gewöhn­lichen groben Sinnen wahrzunehmen.

Das ist abstrakt gesprochen. Wir könnten aber noch ein anderes Warum aufwerfen: Warum ist es überhaupt so in der Welt, daß wir das, was geistig in der Welt herumflutet, in dem wir doch darinnen sind, nicht wahrnehmen? Warum ist es eigentlich so? Warum das so ist, das erfährt man erst, wenn man anfängt, sich zu identifizieren mit der Imagination, wenn man den Prozeß wirklich ausführt, den ich gestern besprochen habe. Dann erfährt man wirklich, warum der Mensch nicht bewußt darin sein kann in der geistigen Welt, die rings-herum ist. Wie erfährt man es?

Noch einmal sei es gesagt: Eine Bilderreihe steht vor der Seele. Man versucht, sich zu identifizieren mit ihr. Dann weiß man durch die Erlebnisse der eigenen Seele; man verdaut gleichsam, man ver­einigt sich mit der Bilderreihe, man ist in ihr nunmehr. Das weiß man jetzt. Nun kann man sich aber auch in diesem Augenblick die Frage beantworten, warum man denn nun eigentlich aus seinem Leibe drau­ßen bleiben muß, warum man sozusagen hinausgehen muß aus seinem Leibe, draußen sich identifizieren muß mit der Bilderreihe, wenn man sie wahrnehmen will, und sie nur, wie wir gesehen haben, zurück-gespiegelt erhalten kann vom eigenen Ätherleib. Man erfährt, warum das notwendig ist, warum das so eingerichtet ist in der Welt, wenn man es wirklich erlebt.

Durch das, was man nun mit diesen Bildern erlebt, wenn man sich mit ihnen identifiziert hat, weiß man unmittelbar dieses: Würde man jetzt identisch, identifiziert mit der Bilderreihe, zurückgehen in den

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physischen Leib, würde man nicht draußenbleiben und warten, bis der Ätherleib das Wesen der Bilder spiegelt, würde man alles das, wo-mit man eins geworden ist, in seinen physischen Leib hineintragen, also in den Raum, der von der Haut umschlossen ist, so würde man sofort den physischen Leib bis zur Todesreife zerstören. Es würde sofort der Keim des Todes im physischen Leibe sein. Es ist nicht möglich, dasjenige, womit man sich da identifiziert hat, hineinr:utra­gen in den physischen Leib. Der Mensch kann sich nur damit identi­fizieren, wenn der Tod wirklich eintritt. Wenn der Tod im Erden-dasein wirklich eintritt, dann ist die Seele so weit, daß sie sich identi­fizieren kann mit dem, was draußen als Imagination lebt im natür­lichen Verlauf des Lebens. Dann tritt aber eben auch der Tod ein.

Also Sie sehen, man kann in tiefstem Ernst dasjenige nehmen, was wie ein Motto gewaltiger Art durch alle okkulten Betrachtungen hin­durchgeht. Das ist der Ausspruch, den alle Okkultisten getan haben, die wirklich im echten, wahren Sinne des Wortes Okkultisten geworden sind: Man gelangt in dem Augenblick, wo man zum wirklichen Hell-sehen kommt, zu einem Erlebnis, durch das man dem Tod gegen­übersteht. Man gelangt an die Pforte des Todes. - Ich habe das oft­mals von andern Seiten her betont: man lernt kennen, wie es mit dem Menschen steht, wenn er durch die Pforte des Todes schreitet. Man kann nicht zum Helisehen kommen, ohne diesen ernsten, gewaltigen Augenblick durchzumachen, der von den Okkultisten als das Stehen an der Pforte des Todes bezeichnet wird.

Aber man lernt noch etwas anderes. Ich habe auch von anderer Seite, in einem Münchner Vortragszyklus, hingedeutet auf dieses An­dere, aber von einer andern Seite. Man lernt nämlich nunmehr im tiefsten Ernst eine Frage aufwerfen, die eine Lebensfrage der Geistes­wissenschaft ist. Man lernt die Frage aufwerfen: Ja, wie steht es denn eigentlich mit uns Menschen, die wir doch im Grunde immerfort leben im fluktuierenden Gewebe geistiger Wesenheiten, und es nicht in unseren physischen Leib hineintragen dürfen, wie es ist, denn sonst wäre für uns immer der Todeskeim bereit? Da draußen sind wir immer umgeben von Imaginationen, wir sind gleichsam in einer Sphäre von Imaginationen drinnen; die dürfen nicht in uns herein. Was kommt

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denn von diesen Imaginationen in uns herein? Schartenbilder, Re-flexionen, Spiegelbilder: als unsere Gedanken, unsere Vorstellungen! Da draußen sind die volisaftigen realen Imaginationen. Sie spiegeln sich in uns, wir erleben sie in der abgeschwächten, schattenhaften Form unserer Gedanken und Vorstellungen. Würden wir sie in ihrer Vollsaftigkeit hereintragen in uns, würden wir sie nicht bloß zur Spie­gelung bringen, so würden wir in jedem Augenblick vor der Gefahr des Todes stehen.

Was liegt denn da eigentlich vor? Es liegt nichts Geringeres vor, als daß wir durch die Welteneinrichtung davor bewahrt werden, die geistigen Wesenheiten und Vorgänge, die uns umgeben, in ihrer Voll­saftigkeit zu erleben; daß wir geschützt sind dadurch, daß nur Schat­tenbilder dieser vollsaftigen geistigen Wesenheiten uns berühren im gewöhnlichen Alltagsbewußtsein. Und doch, eine ganze Summe von diesen Imaginationen gehört zu uns, gehört zu den Kräften, die schöp­ferisch an uns tätig sind. In dieser Welt der Imaginationen leben die Schöpferkräfte in uns selber. Wir dürfen sie nicht in der ursprüng­lichen Form erleben, nur in der abgeschatteten Form, in der sie als Gedanken in uns sind. Das kann nur dadurch in uns sein, daß uns jemand im gewöhnlichen Erleben abnimmt dieses Erleben der Ima­ginationen, die zu unseren Gedanken gehören. Erlebt müssen sie doch werden ! Wir können sie nicht erleben. Erlebt müssen sie von stärkeren Wesen werden, als wir sind; von solchen Wesen, die sie ertragen kön­nen in ihrer Geist-Seelenorganisation, ohne daß sie in die Gefahr des Todes kommen. Während wir denken, während wir mit unserer Seele leben, muß fortwährend ein Wesen über uns walten, welches uns das Erleben der unseren Gedanken und Vorstellungen zugrunde liegen­den Imaginationen abnimmt. Haben Sie irgendeinen Gedanken, irgend etwas, was Sie in Ihrer Seele erleben, so entspricht diesem Erlebnis eine Welt von Imaginationen draußen. Und ein Wesen muß über Ihnen walten, das Sie gleichsam beschützt, behütet und bewacht, das Ihnen abnimmt, was Sie nicht selber ausführen können.

Jetzt sind wir an einer Stelle, wo wir in noch realerem Sinne, als es bisher geschehen ist, von den Wesenheiten der nächsthöheren Hier­archie, von den Angeloi sprechen können. Da sind sie gleichsam zum

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Greifen geistig klar, diese Wesen. Da sind sie da. Da sehen wir, wie sie wachen und behüten müssen dasjenige, was wir nicht selber aus­führen können. Aber es kann eintreten, und muß eintreten für den Seher, daß er das, was ich gesagt habe, eben noch viel, viel deutlicher wahrnimmt. Das ist dann der Fall, wenn er eine Stufe weitergeht in seinem Sehertum.

Wir haben gestern ja nur dasjenige erwähnt, was dazu führt, sich zu identifizieren mit der Imagination, der Bilderreihe, die vor uns auf­tritt. Dieses Identifizieren wird so erlebt, daß man gleichsam die Ima­gination verdaut, sie in sich aufsaugt. Dadurch verschwindet sie als Imagination, die außer uns steht, aber wir erleben uns in ihr, wir sind eins mit ihr. Aber es kann die Sache noch weiter gehen. Ich will zu­nächst von der Schliderung des subjektiven Erlebnisses ausgehen. Ich habe gestern gesagt, man kommt zu dem, was ich wiederholt be­schrieben habe: Wenn man in seine Meditation, in seine Konzentra­tion versenkt ist, so nähert sich etwas, was man sucht, da tritt eine solche Bilderreihe auf, mit der man sich identifizieren kann. Ich habe schon gestern erwähnt, daß noch etwas anderes eintreten kann: daß, wenn man durch Meditation und Konzentration hervorgerufen hat eine solche Bilderreihe, den Versuch gemacht hat, in diese Bilder-reihe gleichsam hineinzukriechen, es gar nicht gleich auftreten muß, das okkulte Lesen und Hören, das wirkliche Wahrnehmen der geisti­gen Wesenheit des Toten, den man sucht. Es kann abbrecben, wie ein Vorgang im Traume abbricht, und später kann eintreten, was als Folge eintreten soll.

Aber wenn man immer weiter und weiter schreitet, wenn man wirk­lich die nötige Geduld und Ausdauer hat, um durch Meditation und Konzentration immer weiterzukommen in seiner okkulten Entwicke­lung, dann erfährt man den Vorgang noch in einer andern Art. Man kann ihn in folgender Weise erleben: Man stellt sich die Aufgabe, ein Wesen, einen Vorgang in der geistigen Welt zu beobachten. Man ver­setzt sich in die Meditation, in die Konzentration. Man zieht sich da­durch heraus aus dem physischen Leib, kommt dann in jenen Zu­stand, wo die Meditation, das heißt der Inhalt der Seele, den man sel­ber hervorgerufen hat, abflutet, so daß man den Übergang verspürt:

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jetzt wird es gleichsam finster. Was Ihre Seele hervorgerufen hat, das flutet ab aus dem Bilde, und gestärkt taucht die Bilderreihe auf, leben­diger, viel lebendiger als im Traume.

Jetzt nimmt man sich die Position, steht bewußt der Bilderreihe gegenüber - und nunmehr taucht man bewußt unter. Indem man untertaucht, kann wiederum der Moment eintreten, wo man weiß:

Ja, du hast dich jetzt identifiziert mit der Bilderreihe, du bist eins geworden mit ihr, du bist darinnen - aber man fühlt schon eigentlich sich selber nicht mehr. Man fühlt im allgemeinen, daß man wie unter­geht im Weltenall, im Kosmos, jedoch man fühlt sich wie im allge­meinen Nichts darin.

Man hat sich also identifiziert, hat ganz ausgelöscht die Bilderreihe, hat nichts an die Stelle gekriegt. Aber durch die Praxis des Meditie­rens hat man es nun dahin gebracht, daß man nicht verzagt ist, nicht verzweifelt zu glauben braucht, man löse sich jetzt auf in die Nichtig­keit. Man hat die Zuversicht, daß man nicht zu dem völligen Gefühl des Verlassenseins kommt, zu dem man leicht kommen könnte. Kurz, man taucht, wie in das Nichts hlneinschwimmend, in den allgemeinen Kosmos unter. Und dann ist es, wie wenn man aufwachte, aber nicht aus dem Schlaf, sondern aus etwas viel Realerem. In dem Moment, wo man aufwacht, weiß man: Das war nicht ein Schlaf, in dem du jetzt warst! Das hast du nicht so durchlebt, wie du die Leerheit des Schlafes mit dem Bewußtsein durchlebst. Das war anders jetzt. Da ist etwas geschehen in der Zwischenzeit, etwas, bei dem du dabei warst. Und jetzt bist du wieder aufgewacht. Jetzt kommen in dein Bewußt­sein herein diese Geschehnisse, die du nicht voll bewußt erleben konn­test, bei denen du nachlier aber ganz genau weißt: Du hast sie erlebt. -Es ist wie eine Erinnerung. Man erinnert sich an etwas, das man nicht mit dem gewöhnlichen Selbst durchgemacht hat, das man aber mit dem, was aus dem gewöhnlichen Selbst herausgehoben war, durch­gemacht hat. Jetzt kommt es herein ins Bewußtsein.

Und jetzt erlebt man das, worauf man ausgegangen ist, worauf man losgesteuert ist, was man zu schauen als Aufgabe sich gestellt hat. Jetzt weiß man, wenn man sich nachher auf das besinnt, was einem vorher geschehen ist: Du hast etwas durchlebt - man möchte sagen

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denkend durchlebt, «denkend » hat nun hier eine viel höhere Bedeu­tung als im Physischen -, du hast es denkend durchlebt. Aber wenn du auch noch so entwickelt bist als Mensch: was du als Mensch sein kannst, das kann nicht das erleben, was du da durchgemacht hast, während du gleichsam untergetaucht warst in das relative Bewußt­sein. Das kann ein Mensch nicht durchdenken, kann er nicht denkend durchleben. Deshalb mußte in der Zeit, die verflossen ist zwischen dem Untertauchen und dem Wiederauftauchen, ein anderes Wesen die Funktion des Denkens für dich übernehmen, in dir drinnen denken. Du kannst nicht selber denken. Du kannst dich nur nachher erinnern, was dieses Wesen in dir gedacht hat. Ein Angeloswesen hat es ge­dacht! - Man weiß, man war in der Zwischenzeit verwoben gewesen mit seinem Angeloswesen. Das hat für einen das erlebt. Dadurch, daß das Angeloswesen in einem war, hat es das erlebt. Und dadurch, daß es das erlebt hat, war das Bewußtsein herabgedrückt. Jetzt wacht man auf, und man erinnert sich mit dem gewöhnlichen Gedankenerleben an das, was der Angelos in einem erlebt hat.

Das ist der Vorgang. So erringt man sich in der Regel Erlebnisse geistiger Art, wie die sind, von denen wir öfter gesprochen haben. Man erringt sie so, daß man weiß: Man muß erst in einen Zustand kommen, wo ein Wesen der nächsthöheren Hierarchie in einen ein­tritt, sich selber mit einem identifiziert, so daß man, was man in seiner eigenen Schwäche nicht könnte, durch das in einem ruhende Wesen der nächsthöheren Hierarchie vermag, aber zunächst bei herabge­drücktem Bewußtsein. Es darf nicht erlebt werden in der Realität, sondern hinterher in der Erinnerung im vollen Ich-Bewußtsein, so daß man dann voll dabei ist.

Das macht es, daß eigentlich jene geistigen Erlebnisse, die uns ge­währt werden, zu einer gewissen Zeit erlebt und zu einer andern Zeit uns bewußt werden, könnte man sagen. Wenn ich zum Beispiel so etwas erlebt habe, wie ich es erzählt habe über unseren lieben Freund Christian Morgenstern> so haben Sie ein so]ches reales Erlebnis. Selbst­verständlich wird es aber bewußt erst nach dem Erleben, weil eine Wesenheit der nächsthöheren Hierarchie die Funktion des Wissens während des Erlebens aufnehmen mußte.

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Wiederum können Sie bedenken, warum das so sein muß: Würden wir erst das hereintragen in unseren eigenen Organismus, was in uns erlebt ein Wesen der höheren Hierarchie, dann würden wir nicht nur unseren eigenen Organismus töten, sondern wir würden ihn in seiner Organisation zersprengen in seine Atome. Wir sorgten nicht nur für seinen Tod, sondern im Moment zugleich für seine Verbrennung.

Jetzt sehen Sie wiederum, daß uns das Sehertum in Zusammenhang bringt mit dem, was wir die Pforte des Todes nennen. Man kann sagen, daß man eigentlich das, was Tod ist, was Tod bedeutet, nur anschauen kann dadurch, daß man sich allmählich aufschwingt zu den Seelenstimmungen, die herauskommen durch die geschilderten Er­fahrungen. Denn dadurch ergreift man die menschliche Individualität außerhalb des physischen Leibes. Aber man weiß zugleich, wie sie außerhalb des physischen Leibes sogleich aufgenommen werden muß -damit sie nicht Zerstörerin wird, damit sie nicht todbringend ist einem Wesen des physischen Planes, zunächst dem eigenen Wesen - in den Schoß der höheren Hierarchien. Und real, unendlich real wird das Gefühl des Ruhens der menschlichen Seele im Schoße eines Wesens der höheren Hierarchien. Nun lernt man erst wissen, wie es jenseits des Todes aussieht. Man weiß: Hier auf dem Erdenrund sind wir um­geben von Mineralien, Pflanzen, vom Tier- und Menschenreich. Jen­seits des Todes treten wir ein in den Schoß der höheren Hierarchien, deren Umgebung wir ebenso angehören wie hier der Umgebung der uns umgebenden physischen Wesen. Ein gewisses Gefühl der Zu­sammengehörigkeit mit den Wesen der höheren Hierarchien greift in unserer Seele Platz. Mit diesem Gefühl können wir uns durchdringen. Und wir lernen so recht kennen, daß ein wahrhaftiges Eindringen in die geistigen Welten gar nicht möglich ist, ohne gewisse Gefühle mit sich zu bringen, die man religiös-fromme Gefühle nennen kann, Ge­fühle des Hingegebenseins an die höhere geistige Welt. Aber diese Gefühle sind in bestimmter Weise so nuanciert, wie ich es eben ge­schildert habe.

Das kann eine Seelenstimmung hervorrufen. Diese Seelenstimmung braucht man. Ich kann nicht anders sagen, als daß man die Seelen-stimmung des Ruhens in den geistigen Welten braucht, die man sich

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aneignet durch das, was ich geschildert habe. Diese Seelenstimmung braucht man für das wirkliche Erleben der geistigen Welten so, wie man in der physischen Menschenwelt, damit man sich mit den andern Menschen verständigen kann, in die Notwendigkeit versetzt ist, durch seinen Kehlkopf und die andern Sprachwerkzeuge ein I hervorzu­bringen. Was in der gewöhnlichen Menschensprache möglich macht, ein I hervorzubringen, das macht in den höheren Welten die Seelen-empfindung, die aus der Hingegebenheit fließt. Sie ist einer der Vokale der höheren Welten, diese Art des Hingegebenseins. Und man kann nichts wahrnehmen, nichts lesen und hören in den höheren Welten, wenn man nicht gleichsam diese Seelenstimmung hinhalten kann -und dann abwartet, was einem die Wesenheiten der höheren Welten mitzuteilen haben, weil man ihnen diese Seelenstimmung entgegen-hält. Aus solchen Stimmungen der Seele, aus solcher Art zu stehen gegenüber den höheren Welten, setzt sich der Vokalismus des Kos­mos zusammen.

Also, wenn man das Gefühl hat: Dich umgibt eine Welt, aber du kannst mit deinen schwachen Menschenkräften nicht leben in dieser Welt, es darf dasjenige, was dich da umgibt, indem du in deinem physischen Leibe lebst, nur im Schattenbilde deiner Gedanken und Vorstellungen wahrgenommen werden, oder, besser gesagt, aus dir sich spiegeln, du darfst nicht unmittelbar diese Imaginationen erleben, das muß dir im gewöhnlichen Leben abnehmen das dich schützende Engelwesen - wenn man das innerlich empfindet mit dem nötigen Timbre des innerlichen Frommseins, dann hat man die Fähigkeit, einen der Vokale der geistigen Welt wahrzunehmen.

Eine nächste Stufe hängt davon ab, daß man etwas entwickelt, wor­auf schon hingedeutet ist in meinem Buche «Die Schwelle der geisti­gen Welt». Man lebt sich so, wie ich es da beschrieben habe, ein in die geistige Welt. Der Vorgang zeigt ja, daß man gleichsam aus sich selber herauskommt, sich mit anderem identifiziert. Das genügt aber noch nicht, genügt keineswegs; sondern notwendig ist, daß man sich nicht nur zu identifizieren vermag, sondern daß man sich auch zu ver­wandeln vermag in andere Wesenheiten, daß man wirklich nicht nur das bleibt, was man ist, wenn man aus sich herausgegangen ist, sondern

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daß man sich in andere Wesenheiten zu verwandein vermag, daß man wirklich das werden kann, in das man hineingeht.

Eine gute Vorbereitung, um das zu können, ist das immer und immer wieder Üben des liebevollen Interesses für alles, was uns in der Welt umgibt. Man kann gar nicht sagen, wie unendlich bedeutungs­voll es für den werdenden Okkultisten ist, immer mehr und mehr zu sehen, daß das liebevolle Interesse für alles, was uns in der Welt um­gibt, erwacht. Es ist dies ein Wort, das man leider gewöhnlich nicht tief genug nimmt. Daher kommen die geringen Erfolge, die oftmals im Okkultismus gemacht werden. Es ist ja im Grunde nur zu natür­lich, daß der Mensch in der Regel sich doch mit der nötigen Kraft des Interesses nur für sich selbst interessiert. Wirklich - wenn man es auch gar nicht recht glauben will -, man interessiert sich doch eigent­lich mit der nötigen Kraft nur für sich selber. Wenn man auch dem Ding einen andern Namen gibt, so interessiert man sich eigentlich doch wirklich im allergeringsten Maße für etwas anderes und am allermeisten für sich selber.

Nun muß man allerdings sagen, daß durch die Einrichtung des Weltenalls dafür gesorgt ist, daß man für sich selber Interesse haben muß, daß man wirklich schon sich anstrengen muß, um sich nicht fortwährend für sich selber zu interessieren. Denn, nicht wahr, das Leben auf dem physischen Plane bringt es ja mit sich, daß man sich für sich selber interessiert. Ich will absehen davon, daß selbstverständ­lich, wenn einen eine Krankheit befällt, einem dies oder jenes weh tut, nicht in Ordnung ist, man sich natürlich für sich interessiert. Da ist es in der Ordnung, da kann man nicht anders, als sich für sich sel­ber interessieren. Es könnte selbst in einem solchen Falle durch An­strengung errungen werden die Möglichkeit, sich nicht für sich selbst zu interessieren; das ist aber außerordentlich schwierig. Es könnte sein, daß man von einer Krankheit befallen wird und sich eigentlich nicht besonders interessiert dafür, daß man diese Krankheit selber hat, daß es vielmehr im höchsten Grade gleichgültig ist, daß man diese Krankheit hat, aber daß man sich interessierte, wie aus dem ganzen Kosmos heraus so etwas entstehen konnte, wie es dieser Prozeß ist -das kann einen interessieren, daß da an einem Punkte des Kosmos

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etwas auftritt, das innerhalb der eignen Haut liegt -, also daß man sich so interessierte auch für eine schwere Krankheit, wie man sich interessiert für etwas, was außerhalb von einem selber ist!

Sie werden zugeben, daß das, was ich geschildert habe, recht schwie­rig ist. Und so ist es auch, wenn auch nicht so schwierig, mit den aller­meisten Dingen, die man auf dem physischen Plan erlebt. Es wird schon sehr schwierig, das Allergewöhnlichste, das unsere Sinne er­fahren und unser Denken erfährt, so zu nehmen, wie wenn man außer­halb seiner Haut steht, und es zu betrachten als ein Objekt. Aber gerade das ist es, was man versuchen muß. Und weil es so ungeheuer schwierig ist, so wird es eigentlich direkt in der Regel gar nicht an­gestrebt. Aber jeder hat die Gewißheit: Wenn er mit ungeheurem Eifer die Übungen macht, die in dem Buche «Wie erlangt man Er­kenntnisse der höheren Welten? » beschrieben sind, so kommt er nach und nach dazu, diese Erkenntnisse zu erlangen. Aber dazu muß man -das wird lange nicht genug gemacht - einen solchen Standpunkt ein­nehmen, wie er eben geschildert worden ist. Man wird ihn nur auf Umwegen erreichen, weil er unendlich schwierig ist. Man wird ihn aber bis zu einem gewissen Grade erreichen auf einem Umweg, näm­lich in demselben Maße, in dem das Interesse für einen selber abnimmt, so daß man sich nicht mehr ein interessantes Subjekt ist, sondern ein interessantes Objekt. Das kann man sein, das schadet nichts, das ist sogar sehr nützlich, weil man da die beste Gelegenheit hat, sich dafür zu interessieren, wenn man schon Objekt geworden ist; weil man es schon immer in der Hand gehabt hat, das Objekt. Aber man ver­wechsle es nur nicht mit dem Subjekt!

In demselben Maße, in dem man so anfängt, sich Objekt zu wer­den, beginnt man sich zu interessieren für alles, was außer einem ist, was um einen herum ist. Dann gewinnt man wirklich die liebevolle, interessevolle Hingabe an die Welt und ihre Erscheinungen. Und wenn man dieses liebevolle Sich-Hingeben an die Welt und ihre Er­scheinungen immer mehr und mehr ausbildet, dann kann in der Seele jene Stimmung den Grad erreichen, der notwendig ist, der dazu führt, daß man nicht nur aus sich herausgeht, sondern, indem man außer sich ist, auch sich in andere Wesenheiten verwandeln kann, metamorphosieren

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kann. Man gelangt allmählich dazu, solches zu können. Aber man muß, damit dieses liebevolle Sich-Hingeben doch möglich ist - der menschlichen Seele sind wirklich solche Dinge schwierig -, man muß versuchen, allerlei Unterstützungen zu finden.

Ich will heute eine solche angeben, die einem helfen kann. Man kann nämlich damit beginnen, die physische Welt, die einem zunächst gegeben ist, zum Anlaß einer Art von okkultem Lesen zu benützen. Ich habe oftmals ein Bild gebraucht, und es ist gut, von diesem Bild auszugehen. Wenn wir einem Menschen gegenüberstehen und sein Antlitz anschauen, dann sind wir uns klar: was das Auge sieht, diese Grenze der Haut, diese Linien, das ist nicht das, worauf es ankommt, sondern das ist der physiognomische Ausdruck für die Seele, die dar­in lebt. Und wenn man nun ein physiognomisches Nachbild in Papier­maché hätte: die Linien würden das nicht sein, worauf es ankommt, sondern darauf kommt es an, daß die Seele sich als ihre Form diese Linien gibt. Dann kann man das, was in der äußeren Natur uns um­gibt, so ansehen, wie wenn es auch eine äußere Physiognomie wäre. Die materialistischen Forscher und der gewöhnliche Mensch treten den Dingen in der äußeren Natur so gegenüber, wie wenn man einem Menschen gegenüber sagen würde Was als Seele darinnen ist, das ist un­real, das ist so ein vertrackter Aberglaube von Phantasten. Mich geht nur all das an, was die Formen sind, die man genau messen und unter­suchen kann. So untersuchen die gewöhnlichen Menschen die äußere Natur. Aber man kann sich sagen: Wie es naheliegt, das menschliche Antlitz als Ausdruck, als Physiognomie seiner Seele zu sehen, so kann man auch die ganze äußere Natur nicht nur so ansehen, wie sie sich gewöhnlich zeigt, sondern man kann sie als Physiognomie ansehen für das, was dahinter als geistige Wesenheiten steht. Und da ist es gut, als Physiognomie der Natur anzuschauen die ganze Tierwelt.

Nun bedarf es allerdings eines weiteren Gemütstudiums, um in den Tieren nicht dasjenige zu sehen, was man gewöhnlich sieht, sondern etwas zu sehen, was man so schildern kann: Da fliegt der Adler in der Richtung zur Sonne hin; das ist die Richtung nach aufwärts, in die geistigen Welten. Ich will dich, Adler, betrachten als das Sym­bolum des sich Erhebens in die geistigen Welten. Ich schaue in die

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menschliche Hirnschale und sehe darin ahnungsvoll etwas Adler­artiges, etwas, was geistig emporstrebt, was in die geistigen Welten emporgeht. Ich sehe, wie das, was in der menschlichen Seele ausge­drückt ist, ihm die Physiognomle gibt. Der Adler gehört zur Phy­siognomie der äußeren Natur. Ich empfinde etwas in dem aufwärts ifiegenden Adler, was so anmutet, physiognomisch, wie die Stirne, die emporstrebt im menschlichen Antlitz. - Ich schaue mir an den Stier, wie er wiederkäuend an die irdische Materie gebunden ist, wie er sozusagen in seinem Element nur dann in Wirklichkeit lebt, wenn er ganz aufgeht im Verdauen; wie er verbunden bleibt in seinem gan­zen Lebensprozeß mit dem, was er der Erde entnimmt. Erdenschwer erscheint er mir. Ich blicke hinweg auf den Menschen, und fühle gei­stig: da ist auch etwas Erdenschweres, aber es wird gehalten; es wird durch das Adierhafte wie im Gleichgewicht gehalten. Ich empfinde, wie das Stierhafte dem Menschen innewohnt; aber es kommt nicht so auf, wie mir draußen das ganz Stierhafte entgegentritt. Physiogno­misch wird das äußere Stierhafte für den Menschen. - Ebenso ist es beim Löwenhaften, wenn ich das Herzhafte des Menschen betrachte und es vergleiche mit dem, was der Löwe in der äußeren Natur ist. Und so kann es für die ganze höhere und niedere Tierwelt werden.

Einen Abriß haben diejenigen gegeben, die auf das menschliche Seelenwesen bezogen haben Adler, Stier und Löwe. Sie haben ver­sucht, so wie man es liest, das zu lesen, was für uns aufgeschrieben ist in der äußeren Tierwelt, und zu vernehmen aus ihr, in einzelne Let­tern, einzelne Buchstaben getrennt, dasjenige, was im Menschen zu­sammen erlebt wird. Kurz, man könnte sagen: Die Physiognomie der Natur ist die Tierwelt.

Aber uns interessiert am Menschen nicht nur die Physiognomie. Uns interessiert, wenn wir noch intimer auf die Seelen einzugehen versuchen, das, was wir das Mienenspiel nennen, die Miene. Wenn in Bewegung kommt die Physiognomie, dann stehen wir gleichsam der Seele, die wir durch das Mienenspiel, durch Mienen wahrnehmen, noch näher als der Seele, die wir nur durch die Physiognomie wahr­nehmen. Und wiederum können wir auch in der äußeren Natur das­jenige aufsuchen, was Mienenspiel ist der dahinterstehenden geistigen

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Welt, wenn wir in ähnlicher Weise, wie wir das für die Tierwelt ge­sehen haben, die Pflanzenwelt betrachten. Wenn wir sie in ihren Nuancen betrachten, in ihrem Aufblühen im Frühling, in alidem, was sie tut den Sommer hindurch: wie auf einer Seite die Erde sie heraus­schickt, wie auf der andern Seite die Kräfte der Sphären in sie ein­dringen und herauslocken lebendige Bewegungen, wie sie dann er­scheinen in den unendlichen Pflanzenblühungen, -wachsungen und - grünungen mit ihrem Wimmeln und Weben, und wenn wir sie so betrachten und auf ein dahinterstehendes geistiges Wesen des Kosmos beziehen, wie wir das Mienenspiel des Menschen auf seine Seele be­ziehen - dann haben wir wiederum etwas getan, was wir üben sollen. So daß wir sagen können: Die Miene der Natur ist die Pflanzenwelt. Was wir weiter in der Seele erblicken, was über die Mienen hinaus­geht, das sind Gesten, die aus der Seele fließenden Bewegungen. Eben­so, wie wir bezeichnen können die Tierwelt als die Physiognomie der Natur, wie wir bezeichnen können die Pflanzenwelt als die Miene der Natur, so können wir als die Geste der Natur, als die Gebärde der Natur die Formen der Mineralwelt ansehen. Und es gehört für den­jenigen, der in Einzelheiten okkultes Lesen und okkultes Hören üben will, zum Schönsten, was er erleben kann, die mineralische Welt so zu erleben, daß er in der Form der Begrenzungsflächen und ihres eigentümlichen Verhältnisses zum äußeren Kosmos, in dem Durch­scheinenden, in der Durchsichtigkeit, in der Kristallhelligkek des Quarzes, des Kalkspates, des Smaragds, Chrysopras, die unendlich verschiedenen Gesten der geistigen Wesen der Natur sich allmählich aneignet.

Wenn man solche Übungen macht, wenn man dahin kommt, daß man wirklich miterleben kann in dem sonst toten Steinreich das, was durch dieses tote Steinreich zum Ausdruck kommt, und was so ist, wie wenn eine Seele in lebendiger Gebärde dasjenige zum Ausdruck bringt, was in ihr lebt, wenn man in solcher Weise übt, dann kommt man sich zu Hilfe in dem Gewinnen von liebevollem Interesse für alle Wesen, die außer einem sind. Dann steigt man allmählich wirklich zu einem solchen Zustand seiner Entwickelung auf, in dem man - wenn eben das Sehertum zu erwerben möglich ist -, sich auch zu verwandeln

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vermag in die Wesenheiten draußen. Man merkt, man hat in sich die Kraft, sich in die Wesenheiten draußen zu verwandein. Man kann sich in alle andern Menschen verwandein, aber es muß in der geschilderten Weise geübt werden. Der Mensch ist unendlicher Metamorphosen fähig in dieser Beziehung.

Wiederum können wir jetzt eine Frage aufwerfen. Aber bevor ich diese Frage aufwerfe, möchte ich das Gefühiselement dessen, was ich auseinandergesetzt habe, betonen. Bringt uns das erste, was ich er­wähnt habe wie eine Stimmung gegenüber den Hierarchien, das Be­wußtsein «du bist beschützt» zu einem gewissen Gefühl, das von Frömmigkeit durchschauert ist, so bringt uns dieses Gefühl, daß man sich verwandeln kann in die verschiedensten Wesenheiten, dazu, die Menschlichkeit des menschlichen Wesens hochzuachten, sie erst wahr­haftig zu schätzen in ihrer vollen Würde, aber die Menschlichkeit, die man nicht in der physischen Welt hat, die man wirklich nicht in sich Eindet, sondern die man erst findet, wenn man ein anderer wird. Er­[angt man das Gefühl, das man bei der Verwandiungsfähigkeit haben muß, wirklich, so kann es einen nicht zum Hochmut bringen; denn jede einzelne Verwandlung sagt einem, daß man nicht so viel wert ist wie das Wesen, in das man sich erst verwandeln muß. Daß man das Gefühl der Verwandlungsfähigkeit hat, sorgt schon dafür, daß man demütig werden kann. Ein Gefühl tiefster religiöser Demut ist ver­bunden mit dem Gefühl der Verwandlungsfähigkeit.

Aber eine andere Frage können wir aufwerfen: Wir rufen aus unse­rem Inneren diese Kräfte der Verwandlungsfähigkeit heraus; sind sie also nicht fortwährend in uns? Geradeso wie die Imaginationen, die wir auf die gestern und heute geschilderte Weise rufen, immer um uns sind, so sind die Kräfte des «In-ein-anderes-Verwandelns » immerfort in uns. Nur, um sie bewußt zu haben, müssen wir die geschilderte Weise entwickeln. Wir sind in jedem Augenblick nicht nur wir selber, sondern jedes andere Wesen auch. Nur entwickeln wir uns nicht dazu, indem wir unser Bewußtsein nicht zu dem andern erheben. Warum ist das so? Warum das so ist, das wird uns am besten klar, wenn man die Fälle im Leben betrachtet, wo der Mensch auf dem gewöhnlichen physischen Plan sich in ein anderes Wesen verwandelt.

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Es kommt allerdings vor auf dem physischen Plan, daß man die Kräfte braucht, die sonst die Verwandlungskräfte sind. Man gebraucht sie, ohne daß man davon etwas weiß. Man gebraucht sie jedesmal, wenn man seine Mitmenschen dadurch beherrscht, daß man seinen eigenen Willen in ungerechtfertigter Weise zum Herrn über andere macht, daß man seinem Mitmenschen etwas Unrechtes zufügt. Es iängt das schon damit an, wenn man ihn anlügt. Durch die Lüge fügt man ihm ungerechtfertigterweise ein Stück ein. Man gewinnt eine ge­wisse Macht, weil die Lüge in dem andern weiterlebt.

So ist es jedesmal, wenn man etwas Böses tut. Die Kräfte, mit denen man etwas Böses tut in der Welt, das sind diese Verwandlungskräfte, nur am unrechten Orte. Alles Böse in der Welt ist die unrechtmäßige Anwendung dieser Verwandlungskräfte. Es gestattet wahrhaftig, tiefe Blicke hineinzutun in das Geheimnis des Daseins, wenn man weiß, woher das Unrecht, das Böse, das Verbrechen und das Unheil komnit, das in der Welt geschieht. Dadurch geschieht es, daß die besten, heilig­sten Kräfte, die vorhanden sind, nämlich die Verwandlungskräfte, in verkehrter Weise angewendet werden. Es gäbe kein Böses in der Welt, wenn es nicht die heiligsten Verwandlungskräfte gäbe. Ich habe so­gar einmal in einem öffentlichen Vortrag hingedeutet auf dieses Ge­heimnis der Kraft des Bösen: wie es eine verkehrte Anwendung der Kraft ist, die, an ihrem Ort angewendet, zu einem höchsten Guten führen würde. Diese Stimmung in der Seele, die auf einer Seite da­durch da ist, daß ich weiß: Hier in der menschlichen Seele ist etwas darin, was sich einerseits in alle andern Menschen und Wesen ver­wandeln kann, was sich auf der andern Seite verwandeln kann in den Egoismus, diese Stimmung muß man entgegenhalten kön­nen dem Kosmos, wenn man geistig hören will. Das ist ein zweiter Vokal.

Die Stimmung, die man haben kann gegenüber dem Geheimnis des Bösen, wie ich es jetzt dargelegt habe, das ist der dritte Vokal, also das, was man erlebt, wenn man weiß, wodurch der Mensch böse werden kann. Wenn man dieses Geheimnis kennt: daß es höchste Kräfte sind, die im Bösen in verkehrter Weise angewendet werden, dann hat man die Stimmung eines dritten kosmischen Vokals. Man

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muß eben solche Seelenstimmungen erleben; das ist es, worauf es ankommt. So haben wir von drei kosmischen Vokalen gesprochen.

Es hat heute etwas länger gedauert. Von den andern Vokalen wer­den wir morgen sprechen. Ich mußte heute erst das Prinzip erörtern, worauf es ankommt, wenn wir im inneren Erleben jene innere Ver­wandtschaft zum Kosmos herstellen, wodurch wir in Hingabe unserer eigenen Seelenkräfte zu Hörern und Lesern dessen werden, was drau­ßen in der geistigen Welt vorgeht.

VIERTER VORTRAG Dornach, 6. Oktober 1914

#G156-1967-SE061 Okkultes Lesen und okkultes Hören

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VIERTER VORTRAG

Dornach, 6. Oktober 1914

#TX

Gestern versuchte ich von einigen inneren Erlebnissen zu sprechen, die man nennen könnte «Vokalismus der geistigen Welt». Wir haben ja gerade dabei sehen können, wie dasjenige, was man okkultes Lesen, okkultes Hören nennen kann, etwas Lebendiges ist, wie es verläuft in inneren Erlebnissen, bei denen man seine ganze Persönlichkeit, seine ganze seelische Wesenheit eben einsetzen muß. Ich habe drei solcher Erlebnisse, die man sorgfältig vorbereiten muß, erwähnt: dasjenige, das entsteht, wenn man allmählich lernt, in die übersinnliche Welt, in der man ja unbewußt immer darinnen ist, sich bewußt zu versetzen, und dadurch an die Pforte des Todes gelangt. Ich habe ferner das­jenige Erlebnis angeführt, zu dem man kommt, wenn man sich die sogenannte Verwandlungsfähigkeit in andere Wesen aneignet. Und ich habe dann versucht zu zeigen, wie einem das Böse in der Welt so vor Augen stehen kann, daß man seinen Ursprung erkennt in einem Mißbrauch von höheren geistigen Kräften, die an ihrem Orte in ihrer Weise ganz berechtigt sind.

Ein anderes solches Erlebnis stellt sich ein, wenn man etwas, wo­von schon öfters gesprochen worden ist, ganz im Ernste nimmt, et­was, das sich im Grunde genommen anschließt an das zuletzt Be­sprochene: Man muß sich in ein anderes verwandeln, aber es ist not­wendig bei diesem Verwandeln, daß man den Faden der inneren seeli­schen Erlebnisse festhalten kann. Könnte man diesen Faden nicht fest­halten, so erginge es einem geradeso wie auf dem physischen Plan einem Menschen, der sich nicht erinnert an das, was gestern, vor­gestern oder vor Jahren im physischen Leben verlaufen ist. Wie diese Kontinuität der Lebenserfahrungen festgehalten sein muß im nor­malen physischen Leben, so muß der Mensch den Faden der Verbin­dung durch die Verwandlungen in der geistigen Welt festhalten. Das heißt, er darf in dem Augenblick, wo er sich in ein bestimmtes Wesen oder in einen bestimmten Vorgang verwandelt hat, sich nicht aus der Seele heraus verlieren; er muß gleichsam etwas wie eine höhere, rein

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geistige Erinnerung behalten an andere Gestaltungen, Vorgänge und Wesenheiten der geistigen Welt. Mit andern Worten, der Mensch muß ein Vielfaches sein, muß sich in der geistigen Welt zersplittern, zer­teilen können, muß in die Zahl aufgehen können. Dieses ruft, ganz innerlich erlebt, ein eigenartiges Gefühl hervor, das Gefühl: Du bist da, du bist dieses Wesen, du bist aber auch ein anderes Wesen. Du bist in getrennten Wesenheiten im Grunde genommen darin.

Ohne dieses entwickelte Gefühl von der Vielfältigkeit würde man gar nicht in der Lage sein, eine wirkliche geistige Vorstellung zum Beispiel von den Wesen der höheren Hierarchien zu erringen. Man kann noch auf dem Wege, den wir gestern eingeschlagen haben, oder auf den Wegen, die wir in andern Fällen gegangen sind, von den Wesen der ersten über uns stehenden Hierarchie, den Wesenheiten der Angeloi, eine Vorstellung gewinnen. Aber schon wenn man auf­steigen will zu einer genauer zutreffenden, ich möchte sagen geist-gemäßen Vorstellung der Wesenheiten der Archangeloi, muß man etwas verstehen, durch innerliches Fühlen verstehen von der Verviel­fältigung. Denn wie es sich eigentlich mit diesen Wesenheiten der höheren Hierarchien verhält, das lernt man nur ganz allmählich er­kennen. Man lernt es deswegen nur allmählich erkennen, weil von der physischen Welt her alles menschliche Vorstellen, alles mensch. liche Denken an die gewöhnlichen Verhältnisse des Raumes und der Zeit gebunden ist. Aber es sind ganz andere Raum- und Zeitverhält­nisse vorhanden, wenn man zum Beispiel zu den Wesenheiten der Hierarchie der Archangeloi hinaufsteigt.

Wenn wir vom gewöhnlichen physischen Bewußtsein ausgehen, dann haben wir immer ein gewisses Grundgefühi, ein Gefühl, das ganz natürlich ist für dieses physische Bewußtsein. Ich will es durch das Folgende charakterisieren. Wenn ich zum Beispiel durch das Sehertum zu einem Menschen kommen will, der zwischen Tod und neuer Geburt lebt, so habe ich - ich meine mit dem «ich» nicht mich selbst, sondern im allgemeinen einen Menschen, der durch Seherkraft einen Toten aufsucht - zunächst das Gefühl: Nun ja, der Tote ist da, zugleich mit dir selber eben da, und in bezug auf die Zeit kannst du ihn aufsuchen, wie du auf dem physischen Plan einen andern Menschen

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aufsuchen kannst, von dem du auch dir klar bist, er lebt mit dir in derselben Zeit, und du brauchst nur die Wege zu finden zu ihm. -Man hat, wenn man einen Toten aufsucht, mit dieser Vorstellung auch vollkommen recht. Man hat sogar in gewissem Sinne noch recht, wenn man eme Wesenheit aus der Hierarchie der Angeloi finden will. Aber man hat nicht mehr eine richtige Vorstellung von dem, um was es sich handelt, wenn man von demselben Gefühl ausgehend eine Wesenheit aus der Hierarchie der Archangeloi aufsuchen will, weil eine Wesenheit aus der Hierarchie der Archangeloi ihr Bewußtsein in einer ganz bestimmten Zeit, die nicht die jetzige ist, konzentriert hat.

Nehmen wir einmal an, diese Linie stellt den Lauf der Zeit vor, und der Seher lebte hier in einem Zeitpunkte, 1914, so setzt er voraus,

# Bild s. 63

daß er einen Toten oder eine Wesenheit aus der Reihenfolge der Angeloi irgendwo in der geistigen Welt in derselben Zeit findet (siehe Zeichnung, x x x). Das geht aber nicht, wenn man zum Beispiel eine bestimmte Wesenheit aus der Hierarchie der Erzengel, der Arch­angeloi aufsuchen will. Da muß man aus der Zeit hinausgehen, da muß man die Gleichzeitigkeit überwinden. Beispielsweise muß man, sagen wir, um einen bestimmten Erzengel zu finden, zurückgehen ins 15. Jahrhundert.

Also man kann nicht sagen: Ich bleibe in meiner eigenen Zeit -, wenn da 1914 wäre, sondern man muß zurückgehen, meinetwillen in das Jahr 1465 oder so etwas, und muß dann hier (siehe Zeichnung S.64) die betreffende Wesenheit des Erzengels suchen. Deshalb strahlt doch ihre Wirkung bis in unsere Zeit aus, aber man findet in unserer

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Zeit eben nur ihre Wirkung, man findet nicht sie selbst in ihrer eige­nen Selbstigkeit. Andere Erzengel muß man wiederum in einem andern Zeitpunkt suchen (Kreise). Man muß aus der Zeit hinausgehen.

# Bild s. 64

Das ist eine schwierige Vorstellung, meine lieben Freunde. Aber man muß zu dieser Vorstellung kommen. Man muß sich klar sein, daß Erzengel immer in gewissem Sinne ihren Namen mit Recht tra­gen. Man weiß eigentlich erst, warum sie diesen Namen tragen, wenn man in dem eben charakterisierten Sinn auf ihre Wesenheit kommt. Sie heißen «Engel des Anfangs». Sie sind immer an den Anfängen von Zeiträumen, sagen wir, wo Völker entstehen, wo Völker zum ersten Mal in die Weltgeschichte eintreten. Da sind sie mit ihrem vol­len Bewußtsein, mit ihrem eigenen Selbst vorhanden. Das bleibt in der übrigen Zeit vorhanden in den Wirkungen, die in die Zeit hineinfließen. Und will man sie finden, so darf man nicht bloß in der Gleich­zeitigkeit bleiben, sondern man muß aus ihr herausgehen, muß die Zeitanfänge aufsuchen. Niemand also, der als Seele nur leben kann, sagen wir, im Oktober 1914, ist imstande, etwa alle Erzengel zu fin­den - vielleicht nicht einmal einen -, wohl aber derjenige, der im­stande ist, sich mit seiner Seelenwesenheit zurückzuversetzen in andere Zeiträume so, daß diese andern Zeiträume für ihn unmittelbar erleb­bar werden, so daß er selber lebt in andern Zeiträumen.

Da muß man dann aber, wenn man sich hineinversetzt in andere Zeiträume, notwendig haben, nicht zu vergessen, wie man da hinein-gekommen ist, so wenig man das gestern Getane heute vergessen darf in der physischen Welt. Das ist so etwas wie ein Gesetz der Verviel­fältigung, des Ausgießens in die Zahl.

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Und die Urbeginne, die Geister der Persönlichkeit, die Archal, man findet sie überhaupt nur, wenn man sich zurückversetzt in die Mitte der lemurischen Zeit, wo die Erde an einem Anfange des physischen Werdens ist, wo die Erde einen Anfang durchmacht. Da findet man sie in ihrer eigenen Selbstigkeit. Wenn man in der Gleichzeitigkeit bleibt, kann man sie nicht finden.

Sie sehen also, wie das ganze Verhältnis der Seele zu der Zeit ein anderes werden muß, wenn man in die geistige Welt wirklich erken­nend eindringen will. Dasjenige, was man so erlebt - oder auch nur, wenn man sich eine Vorstellung von diesen Dingen macht, immer weiter geht in dem inneren Erleben einer Vorstellung -, das gibt wie­derum der Seele etwas wie eine Stimmung, etwas wie ein Hinein­gegossensein in die reale geistige Wirklichkeit. Das ist wiederum ein solcher Vokal in der geistigen Welt.

Sie können einsehen, daß so der Mensch in diesem beschriebenen weiteren Erleben immer unabhängiger wird vom Raumesstandpunkt, vom Zeitstandpunkt, auf dem er in der physischen Welt ist. Daß er nicht nur aus sich herausgeht, sondern bei diesem Herausgehen auch in etwas hineingeht, nämlich in das lebendige Weben und Wesen des Kosmos; hineingeht nicht nur einseitig, indem man sich gleichsam in den räumlichen Sphären auslebt, sondern vielseitig, indem man sich auch erlebt in der Zeit als ein Lebewesen, das in sich selbst die Be­wußtseinspunkte der Wesenheiten der höheren Hierarchien hat. Wenn man also nicht mehr bei sich lebt, auch nicht mehr lebt in dem Raum und der Zeit, die einem angewiesen sind als physisches Wesen, wenn man gleichsam den Raum zu seinem Leib, die Zeit zu seiner Seele an-genommen hat - merken Sie wohl das Wort: man lernt es erst all­mählich in seiner vollen Bedeutung kennen -, wenn man gleichsam den Raum zu seinem Leib, die Zeit zu seiner Seele angenommen hat, dann hat man sich geeint mit dem, was nicht ein abstraktes Fühlen in einer geistigen Allgemeinheit ist, sondern ein lebendiges Weben und Wesen in sinnvollem Weltensein. Überall, wohin man sich ver­setzt, ist Sinn. Und überall, wohin man sich versetzt, sprießt in die eigene Seele Sinn herein. Und aus Einzelsinn setzt sich ein Allgemein-sinn zusammen und webt und west in der Welt. Aus vielen ihrer

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Punkte sprießt vielfach wie fruchtend der Sinn der Dinge auf. Und das Geistige, was in den Einzelsinnen aufsprießt, aus den Einzelwesen, das webt sich zusammen zu einem all-sinnvollen Weltenwort.

Man webt und lebt im Weltenwort darinnen. Und dieses Drinnen-weben, Drinnenleben im Weltenworte, das ist wiederum ein anderer Vokal der geistigen Welt. Das ist selber, ich möchte sagen, der Ur­urvokal der geistigen Welt. Mit diesem Erleben des Weltenwortes, das man sich in einer Viellebendigkeit, nicht bloß in einem geistigen Hören vorzustellen hat, ist alles das gegeben, was man im höheren Sinne Inspiration nennen kann. Mit ihm ist all das gegeben, wovon man so sprechen kann, daß man sagt: Was ich in diesem Weltenworte weiß, das weiß die Welt in mir. Und ich bin im Grunde genommen ganz unschuldig an alldem, was ich so weiß, denn es weiß die Welt es in mir. Ich kann schuldig werden an dem Wissen des Weltenwortes nur dadurch, daß ich ein unvollkommenes Instrument bin, das nur in gebrochenen Strahlen dieses Weltenwort in mich hereintönen läßt. Aber es ist das Weltenwort, das in mir selber ertönt. - Und um so bescheidener wird man, je weiter man es dahin gebracht hat, selbstlos hingegeben zu sein, ohne noch irgendwie eigene Prätentionen zu haben in bezug auf das eigene Schaffen, Denken, Fühlen und Wollen. Je mehr man dazukommt, das Weltenwort walten zu lassen im Weben des eigenen Wesens, desto objektiver gibt man wieder durch das Wel­tenwort, was als Geheimnisse die Welt durchflutet.

So haben wir wiederum von einem solchen Vokale gesprochen. Ich wollte, da ich in diesen vier Vorträgen nur das Prinzipielle und Wesentliche geben kann, Ihnen nur einen Begriff, wenn auch nur einen ganz primitiven, erwecken von dem, was der Vokalismus des Welten-wesens ist.

Nun, wenn man es dazu gebracht hat, innerlich geübt zu sein in solchen Gefühlen, wie ich sie in diesen fünf Weltenvokalen geschildert habe, wenn man erleben kann das, was gleichsam in der Seele wie ein Niederschlag solcher Gefühle in dem Seelischen erlebt werden kann, dann kann die Seele hinhören auf das, was in der Welt vorgeht, was in der geistigen Welt ist; und dann kann die geistige Welt zu ihr sprechen.

Und wie ist es denn nun, wenn wirklich Umgang gepflogen wird

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mit der geistigen Welt auf dem Wege, der sich durch das Geschilderte eröffnet? So ist es, daß wir mit unserem Ich und Astralleib - aber das Ich ist auf eine höhere Stufe dadurch gebracht, daß es in der vorher geschilderten Weise selbstlos herabgedämpft und im Astralleib unter­gegangen ist - außerhalb unseres physischen und Ätherleibes sind. Man ist mit seinem Ich und Astralleib außerhalb seines physischen und Ätherleibes, wenn man hier im Leben zwischen Geburt und Tod steht und geistig wahrnimmt; aber man blickt doch auf den Äther-leib zurück, und der Ätherleib spiegelt einem gerade den Vokalismus. Er hat die Möglichkeit, siebenfältig zu spiegeln. Fünf von den Spie­gelungen habe ich angeführt. Es kommen noch zwei andere Gefühle dazu, wenn die Dinge ausführlicher besprochen werden können. Aber das eigentümliche Wallen und Wogen des ätherischen Leibes, das, was er in seinen Lebensprozessen spiegelt, wenn er außerhalb seiner selbst steht, das kündet sich als solche Vokale an. Das heißt, im äthe­rischen Leib geschieht etwas, wenn man ein solches Gefühl entwickelt wie das, was man erleben kann, wenn man durch die Vorbereitung an der Pforte des Todes steht, oder das andere, wenn man dem Bösen verständnisvoll gegenübersteht, oder wenn man im lebendigen Wel­tenwort lebend und webend darinnensteht. Je nachdem man das eine oder das andere der geistigen Welt entgegenhält, spiegelt sich etwas im Ätherleib, auf das man dann gleichsam zurückschaut. Und das kann man schwer schildern. Ich möchte sagen, siebenfältig spiegeln sich die Weltenwesen im Ätherleib.

Ich möchte das schematisch so darstellen (siehe Zeichnung S.68):

Wenn dieses des Menschen Ätherleib darstellt - ganz schematisch -, dann würde,wenn zum Beispiel das Gefühl entgegengehalten wird dem, was man in der geistigen Welt erlebt, das Gefühl, das entsteht durch die Vorbereitung des An-der-Pforte-des-Todes-Stehens, dann würde der Ätherleib wie zusammengeschrumpft hier in der obersten Gegend, (siehe Zeichnung, a), er bekommt ein gewisses Leuchten und Tönen. Und aus diesem Leuchten und Tönen geht hervor etwas, was man einen Vokal der geistigen Welt nennen kann.

Wenn man nun ein anderes Gefühl entwickelt, zieht sich gleichsam der Ätherleib nach einer andern Gegend, sagen wir nach der Herzgegend,

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b, zusammen. Dann sieht man ein anderes Leuchten und ver­nimmt ein anderes Tönen, wie von der Wesenheit, in die man sich versetzt hat mit dem Ich und dem Astralleib.

# Bild s. 68

Was ich nun bisher gesagt habe, bezieht sich auf die Vokale der geistigen Welt. Es gibt nun aber auch Konsonanten der geistigen Welt, zwölf Konsonanten. Diese zwölf Konsonanten, auf die kommt man am leichtesten dadurch, daß man so, wie man den Ätherleib in seiner, ich möchte sagen, vokalischen Wesenheit also begriffen hat, wie wir es getan haben, nun ebenso den physischen Leib begreift. Der physische Leib zeigt sich dann in seiner Zwölfgliedrigkeit.

Es reicht die Zeit natürlich hier nicht aus, um auch nur einiger­maßen anzudeuten, wie man in derselben Weise zu der Zwölfgliedrig­keit des physischen Leibes kommt, wie zu der Siebenglledrigkeit des Ätherleibes. Aber das muß ich sagen: Für den außerhalb seines phy­sischen und Ätherleibes Stehenden wird eben dieser Ätherleib und dieser physische Leib gleichsam etwas ganz anderes, als sie sind, wenn wir in ihnen leben. Denn da ist dieser Ätherleib das, was den Lebens-prozeß erhält, was uns zu lebenden Wesen macht. Und der physische Leib ist das, was vorzugsweise unseren Sinnesorganismus aufbaut. Da stecken wir darinnen und gebrauchen unseren Äther- und physi­schen Leib dazu, daß wir solche Menschen auf dem physischen Plan sind, wie wir eben sind. Sobald wir aber in dem jetzt in dieser Stunde angedeuteten Sinn außerhalb des physischen und des Ätherleibes sind, verhalten wir uns zu ihnen wie zu Zeichen. Wirklich, der Ätherleib

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ist dann zwar ein lebendiges Wesen, aber die Aufgabe, die er hat, als Lebensprinzip zugrunde zu liegen unserem physischen Organismus, das zeigt er dann gar nicht. Er zeigt sich uns als Zeichen der sieben Vokale. Er wird etwas Objektives, das wir anschauen und das in sei­ner Variabilität, in seiner Veränderlichkeit der Vokalismus des Wel­tenganzen ist. Wir werden gleichsam so fremd diesem Ätherleib, wie wir es den Vokalen der äußeren physischen derben Schrift gegenüber sind. Und wir werden unserem physischen Leib so fremd - er wird eine Summe von zwölf Zeichen, die in ihm zusammengefügt sind -, wie wir den Konsonanten der gewöhnlichen derben Schrift gegen­über fremd sind. Und so, wie sich Konsonanten und Vokale in den Worten der gewöhnlichen Schrift durchdringen, so daß dann diese in jenen verknüpft sind so, daß wir das eine oder andere lesen oder hören, so lesen oder hören wir in der geistigen Welt den Ätherleib, der sie­benfach sich offenbaren kann, indem er mit einem oder dem andern oder mit zwei oder drei Konsonanten des physischen Leibes zusam­mengefügt oder verbunden ist. Wie wir, wenn wir einem Menschen auf dem physischen Plane entgegentreten, uns mit ihm verständigen dadurch, daß er zu uns spricht, daß vielleicht seine Geste zu uns spricht, seine Miene zu uns spricht, wir aber Augen haben müssen, um zu beobachten, Ohren haben müssen, um das Wort in die Seele eintreten zu lassen, wie alles das, was ein Verhältnis zu andern Men­schen bildet, durch unsere Sinne vermittelt wird, so geschieht ein Ähnliches in der geistigen Welt.

Man macht sich bereit, sagen wir, eine Menschenseele zu finden, die lebt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Man weiß durch inneres Erleben, daß man jetzt mit dieser Seele vereint ist; man weiß, man erlebt mit ihr zu gleicher Zeit, an derselben Stelle der geistigen Welt. Nun braucht man aber, wie man in der physischen Welt Sinnes­organe hat, um sich mit andern Menschen zu verständigen, so braucht man in der geistigen Welt das Zurückschauen auf den Ätherleib und den physischen Leib. Und die spiegeln in ihrem Wechselspiel, wie sich die einzelnen Vorgänge des Ätherleibes zusammenfügen mit jenen des physischen Leibes, also Vokalvorgänge mit Konsonanten-vorgängen. Wie diese ineinanderspielen, das drückt einem aus, was

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man mit dem Toten spricht, mit dem man vereint ist, was also zur Verständigung mit dem Toten notwendig ist.

Also stellen Sie sich vor, Sie sind in der geistigen Welt mit einem Toten vereint, mit einer Seele, die da lebt zwischen Tod und neuer Geburt. Sie betrachten die menschliche physische Gestalt - die Sie betrachten können, weil Sie selber auf dem physischen Plan in ihr gelebt haben oder leben -, und Sie betrachten die menschliche äthe­rische Gestalt. Auf diese schauen Sie zurück, und durch diese spiegelt sich zurück alles das, was Sie mit dem Toten zu sprechen haben, was er Ihnen mitzuteilen hat, was er denkt, fühlt und will. Zu einem Ge­samtsinnesorgan zugleich sind der menschliche physische Leib und der menschliche Ätherleib geworden. Und wir können sagen: Wir haben innerhalb unseres physischen Lebens den physischen und den Ätherleib bekommen, damit wir für die geistige Welt Sinnesorgane haben. Wir werden nun wiederum in einer neuen Weise aufmerksam gemacht darauf, daß das Leben in der physischen Welt nicht bloß das Leben in einem Jammertal ist, aus dem man sich hinauszusehnen hat, wie es eine falsche Askese will, sondern wir werden darauf aufmerksam gemacht, daß das Leben in der physischen Welt seine volle, erhabene, seine göttliche Mission hat. Innerhalb der physischen Welt eignen wir uns an das, was zu Sinnesorganen für die geistige Welt wird.

Noch genauer werden Sie das verstehen, wenn ich Sie aufmerksam mache auf die Art, wie die Wahrnehmung der geistigen Wesenheiten und Vorgänge dann stattfindet, wenn wir selber in der Zeit zwischen Tod und neuer Geburt sind, wenn wir also nicht vom physischen Plan aus die geistige Welt hellseherisch wahrnehmen, sondern in der geistigen Welt vereint sind mit geistigen Wesenheiten. Solange wir eben einen physischen und einen Ätherleib als unser Kleid tragen, so lange haben wir etwas zum Spiegeln, so lange dienen uns diese als Sinnesorgane. Wenn wir diese mit dem Tod ablegen, so haben wir natürlich als äußere Realität diese Sinnesorgane nicht mehr. Sie könn­ten nun leicht fragen: Dann können wir in der geistigen Welt zwi­schen Tod und neuer Geburt nicht wahrnehmen, was wir im Zusam­menhang mit den andern Wesenheiten und Vorgängen der geistigen Welt erleben? - Ja, dann ist es eben anders, dann nehmen wir es anders

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wahr. Auch der Seher muß hier in der physischen Welt gespiegelt haben mit physischem und Ätherleib dasjenige, was er in der geistigen Welt erlebt. Das ist recht, solange sie vorhanden sind in der physi­schen Welt, solange nicht der physische Leib in der physischen Welt durch Verwesung, der Ätherleib durch Auflösung, durch Ergießen in die geistige Welt verloren ist.

Wenn wir nun in der geistigen Welt sind und keinen physischen und Ätherleib mehr haben, dann sind wir imstande, aus dem, was die Substanz der geistigen Welt ist, uns die Zeichenwelt, aus welcher der physische Leib zusammengesetzt war, entsprechend hinzuzeichnen, und auch die Zeichenwelt, aus welcher der Ätherleib zusammen­gestellt ist. Nehmen Sie an, Sie sollen als Seele zwischen Tod und neuer Geburt da leben mit einem andern Menschen zusammen. Das Zusammenleben erfühlen Sie. Dasjenige, was er Ihnen sagt, oder was Sie ihm sagen, das drückt sich geistig so aus, daß Sie hinzeichnen in die geistige Welt das, was sich sonst gespiegelt hätte: das Spiegelbild zeichnen Sie jetzt wirklich aus eigner Machtvollkommenheit hinein. Das, was Sie sonst im Zeichen des physischen oder Ätherleibes aus­drücken, vokalisch oder konsonantisch, das zeichnen Sie jetzt hinein. Da schreiben Sie wirklich das aus eigner Macht in die geistige Welt, in die Akasha-Chronik hinein, was Sie mit dem andern reden, um es dann, wenn es nicht mehr nötig ist, wieder auszulöschen, bildlich ge­sprochen. Es entsteht wirklich in der geistigen Welt durch die gegen­seitige Tätigkeit mit andern Wesen das zum Lesen, zum Hören, was da mitgeteilt wird, was da erlebt wird.

Die erste Andeutung von diesen Sachen habe ich gegeben im Be­ginn jenes Kapitels, das in meiner «Theosophie» steht, wo das so­genannte Geisterland beschrieben ist. Im Anfang wird da gesprochen, daß der Mensch in einer bestimmten Entwickelungsstufe im De­vachan, im Geisterland, seine vorhergehende Inkarnation daliegen sieht im Kontinentalgebiet des Geisterlandes. Das ist so eine Einzeich­nung einer geistigen Schrift.

Ja, das Idealste wäre, wenn das Studium eines solchen Buches, wie die «Theosophie» es ist, so eifrig betrieben würde, daß gar mancher Leser selber aus solchen Andeutungen, wie sie dort gegeben sind, auf

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so etwas kommen würde, wie es jetzt auseinandergesetzt worden ist. Es liegt vieles in diesen Büchern drin, und man könnte schon durch­aus nur durch eigenes Lesen - wenn man mit dem Herzen liest, wenn man mit irmerer Seele erlebt -, man könnte schon darauf kommen! Aber Bücher, die auf dem Gebiet der Geisteswissenschaft geschrieben sind, die werden in der Regel ja nicht mit der für sie nötigen Auf­merksamkeit gelesen. Das werden sie wirklich nicht, denn sonst, nach­dem «Theosophie» und «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und vielleicht auch noch die «Geheimwissenschaft im Um­riß» geschrieben worden sind, hätten alle Zyklen von irgend jemand anderem geschrieben oder gehalten werden können als von mir selber. Es steht im Grunde genommen alles in diesen Büchern drin. Man glaubt es nur gewöhnlich nicht. Und wie vieles könnte erst geschrie­ben werden, wenn alles herausgeholt würde, was in den vier Dramen enthalten ist! Ich sage das nicht, um zu renommaeren - ich habe schon genugsam über die Demut des Okkultisten, des Geistesforschers ge­sprochen -, sondern um anzueifern zum wirklichen Lesen der Schrif­ten, die gerade in unserer Zeit gegeben werden mußten, und an denen man persönlich eigentlich so wenig wie nur möglich Verdienst hat.

Sie sehen also, daß der Mensch, so wie er auf dem physischen Plan lebt, mit Bezug auf die geistigen Welten etwas entwickelt, was Keim ist für die Erlebnisse der höheren Welten. So, wie der Mensch seinen ätherischen Leib hier in der physischen Welt hat, so ist dieser äthe­rische Leib nicht nur das Lebensprinzip des Menschen, sondern er ist zugleich Vorbereitungsmittel, um den Sinn für den Vokalismus der geistigen Welt zu erleben. Und der physische Leib ist Vorbereitungs­mittel, um den Konsonantismus für die geistige Welt zu erleben.

Man kann viel tun, wenn man allmählich versucht, im ernsten Sinn loszukommen von der rein materialistischen Auffassung des mensch­lichen physischen Leibes. Man kann dadurch viel tun, um sich vorzu­bereiten, damit die Gefühle - die man nennen kann Gefühle für den Vokalismus und den Konsonantismus des Kosmos -, diese inneren Erlebnisse und Impulse in der Seele erwachen. Nur muß man zu die­ser Vorbereitung eine Empfindung in sich hervorrufen, die wirklich in bezug auf die Entwickelung in die höheren Welten hinein etwas

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Ähnliches ist wie das, was das Kind mit sich tun muß, damit es lesen lernt in der physischen Welt, ja, was es tun muß, damit es verstehen lernt die Worte, die in unserer physischen Menschensprache gespro­chen werden.

Fassen wir nur ins Auge, daß man in der materialistischen Auffas­sung den physischen Menschenleib so hinnimmt, wie er sich eben physisch darbietet. Wirklich, man nimmt ihn so hin, wie man hin­nehmen würde, wenn jemand aufschreiben würde diese Zeichen: T-i-n-t-e, und ein anderer würde kommen und sagen: Ich will das jetzt untersuchen. - So geht man anatomisch, physiologisch an den physischen Leib heran. Man sagt: Das ist ein Schnörkel, hier geht es hinauf, hier geht es hinunter -, und man beschreibt das, was da auf der Tafel steht, wie es aussieht. So macht man es mit dem physischen Leib. Man beschreibt Herz, Lunge und so weiter so, wie sie sich äußerlich darbieten. Man macht es wirklich so. Aber derjenige hat doch erst etwas davon, der gelernt hat, aus diesen Strichen das Wort (So muß man schon auf dem physischen Plan aufrücken in die höhe­ren geistigen Welten innerhalb der Erlebnisse, von denen heute ge­sprochen worden ist. Da ist es wirklich eine individuelle seelische Er­fahrung, was man so hören und lesen lernt. Aber man bereitet sich dazu vor, wenn man schon in der physischen Welt versucht, den menschlichen physischen Leib in einer gewissen Beziehung in seiner Zeichenartigkeit zu erfassen, wenn man versucht, sich über ihn her-zumachen und ihn in seiner Zeichenartigkeit zu erfassen. Was meint man damit? Ich will Ihnen in einem Punkte kurz ein Beispiel geben von dieser Erfassung der Zeichenartigkeit. Ich kann es allerdings nur kurz geben, dieses Beispiel, und muß es Ihrem eigenen meditierenden ernsten Nachsinnen überlassen, was eigentlich damit gemeint ist. Denn die Sprache reicht wirklich in manchen Fällen nicht aus, um sich über diese Dinge zu verständigen. Sie wird erst ausreichen, wenn die Geisteswissenschaft eine Weile in der Welt gewirkt hat und die Worte so geprägt sind, daß sie sich anschmiegen an das geistig Wirk­liche und Wesentliche. Die Sprache muß dazu noch biegsamer wer­den. Das ist nur möglich, wenn durch einige Jahrhunderte Umgang

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mit der Geisteswissenschaft gepflogen worden ist, wenn man aus die­sem Umgang gewöhnt ist, die Worte anders zu nehmen als heute, wo sie nur angewendet und gefühlt werden für Dinge und Vorgänge des physischen Planes.

Also ein Beispiel! Wir finden dasjenige, was im menschlichen phy­sischen Kopfe heute verläuft, eingeschlossen in den Knochenbildun­gen des Schädels. Da steckt das alles drin. Da ist es gleichsam, mit geringen Ausnahmen, nach allen Seiten hin physisch umschlossen. Schematisch könnten wir das so aufzeichnen:

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Dieser Kopf, wenn man anfängt ihn zu deuten, nicht einfach ihn so zu beschreiben, wie er sich sinnlich darbietet, so ist er etwas ungeheuer Bedeutungsvolles, da in seinem Inneren komplizierte Vorgänge sich abspielen, die von einer Knochenschale fast allseitig umschlossen sind. Dadurch gliedert sich von der gesamten physischen menschlichen Wesenheit ein Teil ab, der durch die härteste menschliche Substanz, nämlich die Knochensubstanz, allseitig umschlossen ist. Das ist aber ein Teil der menschlichen Wesenheit, des menschlichen Organismus. Der Mensch ist wirklich kein so einfaches Wesen, daß man von ihm eben nur als von dem Menschen sprechen kann. Welche primitiven Vorstellungen man über die Sache, die hier gemeint ist, in der Gegen­wart hat, das zeigte sich besonders, als meinen Büchern gegenüber getadelt worden ist, daß da jemand kommt, der von der menschlichen Seele als von einer Empfindungs-, Verstandes- oder Gemütsseele und Bewußtseinsseele spricht, während man es so herrlich dahin gebracht hat, die Seele als ein einheitliches Organ zu erfassen! Man kann aus unserer materialistischen Kultur heraus verstehen diese Bevorzugung des allgemeinen seelischen Mischmasches und des seelischen Wischi­waschi - dessen Beschreibung man heute Psychologie nennt - gegen­über den wirklichen realen Wesensgliedern, die man in ihr finden muß, weil sie verschiedenen Welten angehören, nicht weil man sie

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zufälligerweise so gliedern kann. Man kann begreifen, daß die gegen­wärtige Geisteskultur so etwas töricht finden kann. Aber es charakte­risiert sich diese Gegenwartsgeisteskultur damit nur selber, nicht das, was sie tadelt.

So ist des Menschen physischer Organismus schon ein recht kom­pliziertes Wesen, und man kann, indem man eingeht auf diese phy­sische Organisation, zum Beispiel folgende Gedanken daraus entwik­keln, die natürlich für den, der sich heute Wissenschafter nennt, dumm erscheinen können. Gewiß! Aber der heilige Paulus sagt schon: Gar manches ist Weisheit vor Gott, was Torheit vor den Menschen ist. -So kann doch solche «Torheit vor den Menschen», die «Weisheit vor Gott» sein kann, vielleicht auch unsere Seelen beschäftigen.

Man könnte zu der Vorstellung kommen: Mit unseren Händen, was ist es denn da? Unsere Hände sind ganz entschieden mit unserem Seelenwesen in irgendeinem Zusammenhang. Und wenn jemand ein lebendiges Gefühl hat für das, was in seinen Händen vorgeht, so ist es nicht gleichgültig, wenn er dem oder jenem Menschen gegenüber­steht und ihm etwas sagt, wie das, was er so selber sagt, ihm erscheint in der Geste seiner Hand. Das hat etwas für sich! Nun will ich viele Zwischenglieder auslassen, die zu erleben ich Ihrem eignen Ermessen überlasse. Denken Sie sich einmal, es würde, nicht durch einen Vor­gang von seiten des menschlichen Leibes aus, sondern durch einen Vorgang, der im Weltenwesen begründet wäre, so sein, daß unsere Hände nicht so an uns gebildet wären, daß wir sie völlig bewegen können, daß sie ohne weiteres unserem Willen folgen können, son­dern sie würden mit uns verbunden bleiben, sie wurden ganz still­halten müssen, sie wären uns angebunden, angewachsen von der Natur aus, unsere Hände. Was wäre denn dann? Wir hätten dann Hände, aber wir könnten sie nicht bewegen. Allein, wenn wir Hände hätten und sie nicht bewegen könnten, weil sie uns angewachsen wären, so würden wir auch den Trieb entwickeln, sie zu bewegen! Aber wir könnten sie physisch nicht bewegen. Wir würden aber in jedem Augenblick, wo wir sie bewegen wollten, die Ätherhände her­ausreißen und die bewegen; die physischen Hände würden still liegen, die Ätherhände würden sich bewegen. So machen wir es mit unserem

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Gehirn in Wirklichkeit. Gewisse Lappen unseres Gehirnes, die heute innerhalb unserer Schädeldecke eingeschlossen liegen, waren während der Mondenentwickelung noch frei beweglich. Heute sind sie festgebunden, können sich nicht physisch bewegen. Aber ätherisch be­wegen sie sich, wenn wir denken. Das ätherische Gehirn bewegen wir, wenn wir denken. Wenn wir nicht diese feste Hirnschale bekom­men hätten, die diese Gehirnlappen zusammenhält, dann würden wir mit unseren Gehirnlappen greifen und würden Gesten machen, Gesten machen wie jetzt mit unseren Händen, aber wir würden nicht denken. Da mußten erst unsere Gehirnlappen physisch festgehalten werden, und das Ätherhirn mußte die Möglichkeit bekommen, herausgerissen zu werden.

Das, was wir sagen, ist kein Phantasiespiel. Es wird eine Zeit kom­men, wo unsere Hände fest sein werden, wo noch manches andere fest sein wird. Das wird in der Jupiterzeit sein. Dann wird dasjenige, was jetzt so frei an uns erscheint, gleichsam an unserem mittleren, an unserem Herzkörper hängt, das wird dann umschlossen sein von einer Hülle, wie jetzt das Gehirn umschlossen ist von einer Hirnschale. Das, was da an uns ist, wovon die Hände der sichtbarste Ausdruck sind, ist etwas, was in Vorbereitung ist, einmal ein Denkorgan zu werden. Und wir haben vorläufig nur rudimentäre Organe, die gegenwärtig kleine Gebilde sind, weil sie nicht ganz ausgewachsen sind; wie wenn wir hier vorne nur irgendwelche Stücke hätten von der Hirnschale, so haben wir hinten - unsere Schulterblätter. Diese liegen in der Fläche darin, die später einmal unser Zukunftsgehirn umschließen wird. Und Sie deuten die Schulterblätter im menschlichen Leibe rich­tig, wenn Sie sie ansehen als kleine Knochenstücke, die eigentlich ge­hören - nur ist das andere nicht ausgebildet - zu einem Schädel, der sich darüberschließt. Da haben Sie gleichsam einen zweiten Menschen an den ersten angegliedert.

Und es gibt - jetzt werde ich etwas ganz Paradoxes sagen - noch andere Organe im menschlichen Organismus, die auch solche Stücke sind von einer weiteren Hirnschale, die in noch späterer Zeit ausgebil­det wird, Organe, die jetzt ganz winzig sind gegenüber dem mensch­lichen Organismus: das sind die Kniescheiben. Die Kniescheiben

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haben es nur zu diesen kleinen, kleinen Flächen gebracht. Sie sind jetzt solche Andeutungen, die später den Menschen in anderer Rich­tung zu einem Geistesorgan machen werden. Und wir lernen den menschlichen Organismus deuten, wenn wir zum Beispiel - es ist nur ein herausgerissenes Beispiel - uns sagen lernen: Du hast eigentlich drei Schädeldecken. Die eine ist leidlich ausgebildet, ist nach allen Seiten abgeschlossen; die zweite hat nur Stücke in den Schulterblät­tern; die dritte gar nur in den Kniescheiben. Die beiden letzteren, Schulterblätter und Kniescheiben, lassen sich denkend ergänzen, ab­rundend das, was sie zum Teil sind, kugelig abrundend. Dann be­kommt man drei Gehirne. - Wenig nur ausgebildet ist als Äußeres, was wir als innere Menschen sind, in dem zweiten Gehirn. Jetzt zeigt es sich äußerlich, nachher wird es innerliches Gehirn sein. Wenn Sie heute Gesten machen mit den Händen, bereiten Sie spätere Gedanken vor, Gedanken, die dann ganz so viel auffassen werden die Vorgänge der elementarischen Welt, wie Sie jetzt mit Ihrem Haupt auffassen die Vorgänge der physischen Welt. So kurios und paradox es klingt:

alles, was außerhalb der Kniescheiben liegt, also die Unterschenkel, die Füße, sie sind ganz unvollkommene Organe, die zusammenhängen mit der Schwerkraft der Erde. Diese Organe bereiten sich im Zu­sammenhang mit dem, was sie heute geistig aus der Erde aufnehmen, vor, nicht nur physische, sondern geistige Organe zu werden, um in die geistigen Welten hineinzuführen, wenn die Erde verwandelt sein wird durch die spätere Venusentwickelung. So muß die heutige phy­sische Gestalt erst abfallen und etwas anderes an deren Stelle treten.

Es steckt viel, kann man sagen, in der okkultistischen Betrachtung der Welt. Denn das Wichtigste, was man sich aneignet, ist nicht das, was man dadurch weiß, daß man weiß: Das und das Buch gibt es, und das und das ist darin über die höheren Welten gesagt. - Das ist nicht das Wichtigste. Das muß man sich natürlich aneignen, weil man nur dadurch auf das Richtige kommt. Das Richtige aber ist eine gewisse Stimmungsart der Seelenverfassung, wodurch man sich in neuer Weise zur Welt stellt, wodurch man lernt, die Dinge der Welt in anderer Weise zu nehmen, als man sie vorher genommen hat. Das ist das Wich­tige, daß man sich vorbereiten läßt durch alles, was man da liest - für

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das innerlich Bewegliche und Bewegende des Gedankenwesens und Gedankenwebens und Gedanken in sich Erlebens -, auch das, was physisch in der Welt gegeben ist, anders anzuschauen. Denn die Dinge sind zum Beispiel auch in ihrer äußeren Form gar nicht so, wie sie sind. So paradox es klingt: das Schulterblatt ist nicht das, was Sie sehen. Daß es so begrenzt ist, das ist eine Maja, ist falsch. Das Schul­terblatt ergänzt sich einem erst, wenn man sich daran macht, es wirk­lich zu erfassen zu einem ausführlicheren Organ. Und wenn man einen knienden Menschen sieht, so sollte man allmählich die Impression be­kommen: dieser kniende Mensch ist falsch! Diese Kniescheiben, wie sie da liegen, diese kleinen Teile, sind ganz falsch. Daß sie so klein sind, ist ganz falsch; dieser kniende Mensch ist eingeschlossen von einer mächtigen Kugeloberfläche; in der lebt er darin. Es verbreitet sich die Fläche zur Kugel, und indem der Mensch betet, bereitet er sich in dem Gehirn vor, in der Sphäre zu leben, in der er leben wird, wenn diese Sphäre ihn umschließen wird, von der die Kniescheiben nur kleine Teile sind.

So lernt man schon in der physischen Welt allmählich lesen. Man sieht nicht bloß hin auf den knienden Menschen oder den Menschen in einer andern Geste. Man lernt, wie das, was man in jenem Menschen sieht, was sich einem unmittelbar darbietet, trotzdem es Realität ist, falsch und unwahr ist. Man lernt in den Buchstaben, was der Kosmos nicht nur in seinem gegenwärtigen Sein, sondern was er in seinem Werden ausdrücken will. Der betende Mensch wird schon in seiner Form zu dem, was einstmals der Venusmensch werden soll. So lernt man allmählich entziffern, erdeuten, wesenhaft lesen und ergreifen dasjenige, was die Welt wirklich ist, und von dem die physische Welt nicht mehr ist als ein beschriebenes Blatt, das vor uns liegt. Wenn wir es nur angaffen, können wir es betrachten, ohne daß wir es lesen kön­nen. Und wenn wir nur das (das an die Tafel geschriebene Wort «Tinte») von ihm wissen, so wissen wir nichts von dem, was uns die­ses beschriebene Blatt sein soll. Ebensowenig wissen wir von der Welt, wenn wir sie nur anschauen mit dem, was die physische Wahr­nehmung gibt. Da werden wir nicht gewahr werden, daß wir sie ent­ziffern sollen und eindringen sollen in diese Welt, geradeso wie wir

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ein Blatt nicht nur anstarren, sondern es lesen sollen, um den Sinn zu lernen.

Wenn wir immer mehr und mehr so das Bewußtsein davon auf-nehmen, daß die Welt ein Buch ist, welches die Hierarchien für uns geschrieben haben, damit wir darin lesen, dann werden wir im vollsten Sinn des Wortes erst ganz Mensch werden. Und im Grunde genom­men soll unser Bau, den wir aufgeführt haben, in seiner Form und Konfiguration nichts anderes sein als eines von den Dingen, die, in­dem sie uns umschließen, solche Gefühle, solche intime Seelenstim­mungen und Seelenverfassungen von unserem Inneren herausfördern können, welche uns fähig machen, die Welt zu lesen, die Geheimnisse der Welt zu hören. Deshalb mußte der Bau so sein, wie er ist, damit er das, was in unserem Inneren liegt, herausfördere, wenigstens ein gewisses Stück hin.

Es ist gut, meine lieben Freunde, wenn man manchmal so meditie-rend sich eine Vorstellung davon macht, was für eine Aufgabe Geistes­wissenschaft in der Welt haben kann gegenüber dem, was jetzt schon in der Welt darinnen ist, was sich aus ihr entwickeln muß, wie sie sich einleben soll in das, was geschichtlich sich weiterentwickeln soll. Könnte sich nur in der Anthroposophischen Gesellschaft eben der­jenige Kreis finden, der von dem lebendigen Bewußtsein getragen wird, daß so etwas der Entwickelung der Menschheit eingewirkt und eingewebt werden muß!

Nicht um Wahrheiten bloß mitzuteilen, sondern um solch ein Ge­fühl in den Seelen anzuregen, dazu möchte ich eigentlich solche Vor­träge gehalten haben, wie diese es wiederum waren.

FÜNFTER VORTRAG Dornach, 12. Dezember 1914

#G156-1967-SE080 Okkultes Lesen und okkultes Hören

#TI

FÜNFTER VORTRAG

Dornach, 12. Dezember 1914

#TX

Wir haben hier vor einiger Zeit wenigstens in manchen Andeutungen von dem gesprochen, was man nennt okkultes Lesen und okkultes Hören, und ich werde heute und morgen in diesen Betrachtungen an jene Auseinandersetzungen über okkultes Lesen und okkultes Hören anknüpfen, weil es mir dann gelingen wird, im Zusammenhange da­mit auch einige wichtige Ideen unseres Baues zu entwickeln.

Wenn man sich die äußere wissenschaftliche Betrachtung, insofern diese auf das seelische Leben geht, heute ansieht, so findet man in dieser äußeren wissenschaftlichen Betrachtung viele Schwierigkeiten, sobald man nur irgendwie zu einer einigermaßen befriedigenden Über­schau über die einschlägigen Begriffe kommen will. Unter den vielen Schwierigkeiten ist diejenige wahrhaftig keine kleine, welche sich er­gibt, wenn man die Betrachtung der äußeren Wissenschaft über das menschliche Gedächtnis ins Auge faßt.

Nun müßte ich vieles hier anführen, wenn ich sprechen wollte über dieses oder jenes, was die äußere Psychologie oder Seelenlehre über das Gedächtnis des Menschen zu sagen weiß. Es würde uns aber nicht sehr weit führen, wenn ich das alles ausführen wollte. Ich möchte Sie nur aufmerksam machen darauf, worinnen die Schwierigkeit für diese äußere Wissenschaft liegt, wenn es sich darum handelt, das Gedächt­nis und seine Eigentümlichkeiten zu verstehen.

Nicht wahr, das menschliche Gedächtnis stellt sich uns so dar, daß wir durch ein solches Vorstellungen, Begriffe, Ideen, die wir zu irgend­einer Zeit aufgenommen haben, in einer späteren Zeit uns wiederum ins Bewußtsein zurückrufen können. Es liegt also die seelische Tat­sache vor, daß wir zum Beispiel heute irgendeine Wahrnehmung machen, irgendein Erlebnis haben und daß wir nach einiger Zeit, ohne daß wir vor derselben Tatsache stehen, welche die Wahrnehmung oder das Erlebnis hervorgerufen hat, uns, wie man sagt, aus dem Inneren heraus die Vorstellung von der Tatsache, von dem Erlebnis wiederum lebendig machen können.

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Das scheint nun so, als ob die menschliche Seele alles dasjenige, was sie von außen aufnimmt, gewissermaßen in sich auf bewahrte. Also, wenn wir etwa einen Menschen kennenlernen, so haben wir einen Eindruck von ihm. Diesen Eindruck bilden wir uns zu einer Vorstellung um, und dann bewahren wir im Unterbewußten dieses Vorstellungsbild auf; wenn man es braucht, ruft man es wieder herauf.

Nicht wahr, es würde dann vorliegen, daß unsere Seele, insofern sie die Kraft unseres Gedächtnisses entwickelt, sagen wir, ein Kasten wäre, in den man alle Vorstellungen und Erlebnisse hineinlegen und in dem man sie aufbewahren kann, und aus dem man sie, wenn man sie braucht, herausnehmen kann, um sie ins Bewußtsein heraufzu­rufen. Da unten in diesem Seelenschrank würden also alle möglichen Seelenerlebnisse aufbewahrt sein, und sie würden da wiederum her­vorgerufen werden können.

Wenn man heute Bücher liest, die über das Gedächtnis handeln, so hat man allerdings den Eindruck, daß oftmals die Autoren glauben, die Seele sei wirklich ein solcher Aufbewahrungsschrank für alle mög­lichen Erlebnisse. Nun denken Sie sich, Sie würden herumgehen mit Ihrer Seele und würden in dieser Seele einen Schrank für die Eindrücke Ihrer Erlebnisse mit sich herumtragen. Es liegt hier, das muß man ohne weiteres zugeben, eine Schwierigkeit vor. Diese Schwierig­keit hat man durch mancherlei wissenschaftliche Begriffe zu überbrücken versucht, aber etwas sonderlich Befriedigendes ist dabei nicht herausgekommen. Über diese Schwierigkeit wird man erst hinweg­kommen, wenn man eine tiefere Einsicht sich aneignen wird in die Gliederung des Menschen in den physischen Leib, in den Ätherleib, in den astralischen Leib und in das Ich. Denn dieser Äthetleib des Menschen muß in der Tat studiert werden, wenn man sich eine wirk­liche Erkenntnis der menschlichen Wesenheit verschaffen will, und auch der astralische Leib muß zu diesem Zwecke nicht weniger stu­diert werden.

Gehen wir einmal davon aus, uns wenigstens vergleichsweise eine Art von Vorstellung zu bilden, was denn dieser astralische Leib des Menschen eigentlich ist. Nicht wahr, im alltäglichen Wachieben er­lebt sich der Mensch nicht in seinem astralischen Leibe, ebensowenig

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wie er sich im Ätherleibe erlebt. Der Mensch erlebt sich in seinem Ich vom Aufwachen bis zum Einschiafen, und alle Erlebnisse sind Ich­Erlebnisse. Im astralischen Leibe erlebt sich der Mensch nicht. Dieser astralische Leib ist nämlich - ich habe das schon anderswo betont -im Grunde genommen unendlich viel weiser als der Ich-Mensch. Er kann viel mehr, als der Ich-Mensch kann. Dieser astralische Leib kann tatsächlich dasjenige lesen, wa, ich Ihnen andeutungsweise geschildert habe als okkulte Schrift. Der kann diese okkulte Schrift lesen, wirk­lich lesen!

Man kann neben vielen andern Vorstellungen, durch die man ein Verständnis des astralischen Leibes hervorrufen kann, auch die haben, daß er ein Leser der okkulten Schrift ist, und der ätherische Leib ist dagegen - wiederum unter mancherlei andern Eigenschaften, die er hat - etwas wie eine Schrifttaiel, in welche durch die Vorgänge der Welt fortwährend die okkulte Schrift eingetragen wird.

Während wir leben - und wir leben ja immer im Wachen und Schlafen zwischen Geburt und Tod, und vom Tod bis zu einer neuen Geburt -, gehen im Universum, im Kosmos, fortwährend Vorgänge vor, spielen sich Ereignisse ab. Wesenhaftes lebt im Kosmos. Das alles bildet sich ab, schreibt sich ein in den Ätherleib. Der ätherische Leib des Menschen ist in der Tat ein richtiger Abbildner des gesam­ten Kosmos. Es gibt nichts im Kosmos, was sich nicht im ätherischen Leibe des Menschen bildhaft imaginativ abdrückt und, wenn man den Ausdruck gebrauchen will, sich spiegelt. Und der astralische Men­schenleib liest fortwährend das, was die Welt in den ätherischen Men­schenleib einschreibt. Das geht in der Tat im Unterbewußtsein des Menschen vor sich, daß der astralische Menschenleib dasjenige liest, was die Welt in den ätherischen Menschenleib einschrieb.

Wenn wir nun selbst in unserem bewußten, wachen Tagesleben einem Ereignis oder auch nur einem Gegenstande gegenübertreten, der auf uns einen Eindruck macht, dann bilden wir uns eine Vorstel­lung dieses Gegenstandes. Bei dem Bilden dieser Vorstellung des Gegenstandes ist zunächst der astralische Leib beschäftigt. Er ist in einer vehementen Bewegung, während wir uns eine Vorstellung von einem Gegenstande bilden, oder uns die Vorstellung des Eindruckes

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eines äußeren Ereignisses bilden. Was wir so als Vorstellung bilden, was wir als seelisches Erlebnis haben, das schreibt sich auch ein in den Ätherleib des Menschen, bleibt im Ätherleibe des Menschen ein-geschrieben. Geradeso wie die Welt mit ihren Ereignissen fortwäh­rend in unseren Ä therleib sich einschreibt, so schreiben wir auch das­jenige, was wir selbst erleben, seelisch in unseren ätherischen Leib ein. Darinnen bleibt es eingeschrieben, und wenn wir uns an etwas erinnern, so geschieht in der Tat ein komplizierter Vorgang: unser Astralleib liest dasjenige, was in unseren Ätherleib eingeschrieben worden ist, und das Ergebnis dieses Lesens ist das Heraufdringen einer Vorstellung, für die vielleicht zunächst die Erinnerung sogar fehlte.

Nun, so wäre das Gedächtnis zurückgeführt auf eine Art Lesen unseres Astralleibes im Ätherleibe. Und in der Tat, sobald wir dieses wissen, werden wir nicht mehr zu der einfältigen Vorstellung kom­men, daß die Seele so ein Aufbewahrungsschrank ist für das, was wir erlebt haben, sondern einsehen: es sind in der Tat wenige Gewohn­heiten - ich sage ausdrücklich Gewohnheiten, wir werden das Wort morgen noch besser verstehen -, in die der Astralleib sich immer wie­der versetzt, wenn er etwas erlebt hat, und die er dann eindrückt in den Ätherleib. Wie unsere Schrift wenige Buchstaben hat, so hat unser astralischer Leib wenige, recht wenige Gewohnheiten. Und wie wir uns mit unseren Buchstaben, durch Gruppierungen in der Schrift, mitteilen die ganze unendliche Fülle dessen, was sich Menschen über­haupt zu sagen haben über sich und die Welt, so formt sich aus weni­gen Gewohnheiten heraus, durch ihre Kombinationen, dasjenige, was das Gedächtnis aufbewahrt.

Wenn wir wissen, daß es sich um ein Lesen handelt, dann werden wir nicht mehr glauben, daß jedes einzelne eingeschrieben werden muß, sondern es wird mit den wenigen Gewohnheiten das andere kombiniert, und das wird dann im Ätherleibe fixiert. So wie wir, wenn wir ein neues Wort hören, mit den alten Buchstaben dieses neue Wort fixieren können, so können wir mit wenigen Gewohnheiten des astra­lischen Leibes jedes neue Erlebnis im Ätherleibe fixieren. Das kommt davon her, weil sowohi unser Ätherleib als auch namentlich unser Astralleib verknüpft sind mit dem gesamten Kosmos. Wir müssen

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dasjenige, was eine ältere Weisheitslehre herausgehoben hat aus dem Kosmos, in der Tat nicht so einfach nehmen, nicht wie zufällig her­ausgehoben, denn das hat eine tiefe Bedeutung und seine Wichtigkeit.

Wenn wir die zwölf Sternbilder des gesamten Tierkreises nehmen, so können wir sagen, daß in der Tat unser astralischer Leib in leben­diger Verknüpfung ist mit diesen zwölf Sternbildern. Diese zwölf Sternbilder bedeuten für ihn wirklich zwölf bestimmte Gewohnhei­ten, zwölf bestimmte Arten, sich zu bewegen. Und dann ist unser astralischer Leib auch in Verbindung mit den sieben Planeten, so wie wir das ja öfter auseinandergesetzt haben. Diese bedingen wiederum in ihm gewisse Gewohnheiten. Durch diese Gewohnheiten - ich sage ausdrücklich Gewohnheiten -, die entzündet werden in unserem astralischen Leibe durch die Planeten unseres Sonnensystems, entsteht etwas Ähnliches in dem Astralleibe wie die Selbstlaute. Und durch die Gewohnheiten, die erregt sind in ihm durch den Einfluß des Tier­kreises, entsteht etwas Ähnliches wie die Mitlaute.

Ich will also sagen: Nehmen wir an, unser Astralleib steht in irgend­einem Momente seines Lebens - und solche Momente gibt es ja immer, weil wir mit der Welt immer in Verbindung stehen - in Ver­bindung mit den Kräften, die aus dem Sternbilde des Widders uns zuströmen. Dadurch, daß unser astralischer Leib in Verbindung oder unter dem besonderen Einflusse steht desjenigen, was aus dem Stern-bilde des Widders herausstrahit, entwickelt sich in diesem Astralleibe die Möglichkeit, sich in seiner besonderen Gestalt abzuschließen, sich eine schöne Grenze zu geben; während, wenn der Astralleib mehr unter dem Einiluß der Waage steht, sich in ihm eine Bewegung ent­wickelt, die ihn mehr offen sein läßt gegen die ganze übrige Welt.

So entwickelt sich eine bestimmte Bewegungstendenz unter dem Einflusse eines jeden Sternbildes. Unter dem Einflusse dieses oder jenes Sternbildes streckt der Astralleib seinen oberen Teil besonders in die Höhe, unter dem Einflusse eines der andern Sternbilder streckt er besonders seinen unteren Teil. Aber zwölf besondere Bewegungs­arten gibt es, und wieder sieben besondere Gewohnheiten unter dem Einflusse der Planeten. Das sind mehr innere Bewegungen unter dem Einflusse der Planeten, wo die inneren Teile sich mehr bewegen oder

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sich in ein Verhältnis zueinander bringen. So hat im Grunde genom­men unser astralischer Leib eingepflanzt durch den Kosmos 12 + 7= 19 Gewohnheiten.

Geradeso wie wir mit unseren Schriftzeichen, mit den Zeichen für die Vokale und Konsonanten durch Kombinierungen alles das zum Ausdruck bringen, was wir mit unserer Weisheit zutage fördern, so formt unser Astralleib durch die Kombinationen dieser seiner neun­zehn Gewohnheiten alles, was er zu formen hat. Wenn wir einem Menschen gegenübertreten mit einem bestimmten Gesicht, das uns gut oder böse anschaut, so macht also unser astralischer Leib be­stimmte Bewegungen, die kombiniert sind aus diesen neunzehn Be­wegungen. Das wird dann in den Ätherleib eingeschrieben, und in einer folgenden Zeit kann dasjenige, was da in den Ätherleib ein-geschrieben ist, der astralische Leib wieder lesen. Und darauf beruht die Erinnerung! Sobald man nämlich über dasjenige hinausgeht, was die Sinne und der an die Sinne gebundene Verstand ergeben, kommt man sogleich zu der Beziehung des Menschen zum Kosmos. Der phy­sische Leib verbirgt nur diese Beziehung des Menschen zum Kosmos.

Wir haben also ein fortwährendes inneres Lesen, und wenn wir zu­rückgehen könnten, auch geschichtlich, in die Entstehung der Schrift, so würden wir finden, daß in der Tat in den ältesten Bilderschriften von den Menschen nachgeahmt worden ist dieses innere Lesen des Menschen. Es ist nicht so, daß irgendwie zufällig Schriftzeichen ent­standen sind, sondern die ursprünglichen Konsonantenzeichen waren Nachahmungen der Tierkreisbilder und die ursprünglichen Vokal-zeichen waren Nachahmungen der Planetenbilder. Das äußere Lesen war nichts anderes als ein in der äußeren Welt Nachbilden dessen, was der Mensch als inneres Lesen hatte.

Damit hängt zusammen die Gesinnung, welche man in älterer Zeit gehabt hat gegenüber dem, was die Schreibkunst ist. Sie galt als etwas ungeheuer Heiliges, weil sie entnommen war den kosmischen Ge­heimnissen. Und noch aus der ägyptischen Kultur ist es bekannt, daß die Abschreiber, wenn sie Fehler machten, sich unter den dortigen strengen Gesetzen, je nach der Größe des Fehlers, den sie machten, den empfindlichsten Strafen aussetzten, ja sogar der Todesstrafe, wenn

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der Fehler groß genug war. Es galt als etwas unendlich Hohes und Heiliges, das niederzuschreiben, was der Mensch wissen konnte von den heiligen Geheimnissen, weil man noch ein Gefühl hatte von dem Zusammenhang dieser Schriftzeichen und aller heiligen Geheimnisse der Menschennatur und ihres Zusammenhanges mit dem Göttlichen.

Das ist das Wichtige, indem wir nach und nach die Geisteswissen­schaft in uns aufnehmen, wieder die Empfindung zu bekommen von dem Heiligen der verborgenen Seiten in der Menschennatur. Dieses Empfinden ist viel wichtiger als das bloße theoretische Aufnehmen der Dinge. Damit hängt aber auch zusammen, daß in dem Augen­blicke, wo man in dem Verlaufe der Menschheitsentwickelung allen Zusammenhang aufzugeben hatte mit dem Heiligen der Schrift, man da auch fühlte, daß im Grunde genommen, ich möchte sagen, etwas Gruseliges in der Menschheitsgeschichte sich abspielte. Nehmen Sie aus einer Bibliothek ein Buch noch aus dem frühen Mittelalter in die Hand und versuchen Sie, sich in die Lage zu versetzen, wie ein sol­ches Buch entstanden ist, wie da, ich möchte sagen, ein Mönch jahre-, ja jahrzehntelang geschrieben hat an diesem Buche, wie er an einem einzelnen Buchstaben gemalt hat lange, lange Zeit. Da wußte man, daß die Schrift als etwas gilt, das man heilig zu halten hatte. Man wußte, durch die Schrift steht man im Zusammenhang mit den guten Göttern, und es ist gewissermaßen das, was man der Schrift anver­traute, ein in die äußere Welt Heraustragen dessen, was von den guten Göttern kommt.

Aber Sie wissen ja, es ist ein Zeichen der Entwickelung, daß all dasjenige, was von den guten Göttern kommt, in der Welt ahrima­nisch oder luziferisch verschoben sein kann. In dem Augenblick, als die ganz gewöhnliche Buchdruckerkunst entstand - die sich dann entwickelt hat zu dem, woraus der Mensch hauptsächlich seine Weis­heit heute holt, dadurch daß er sein Haupt über das Papier neigt, auf dem greuliche Zeichen sind, die nur noch die Affen der alten Schrift­zeichen sind und ihm verraten, was der Mensch gedacht oder auch nicht gedacht hat über die Welt und ihre Geheimnisse -, ist die Schreibkunst verschoben worden. Dadurch ist in der Tat das Schrift­Mitteilungswesen in ein neues Stadium getreten, in das Stadium, wo

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es verloren hat allen Nimbus des Heiligen, wo eingetreten ist - wie man sagen kann - das ahrimanische Stadium der schriftlichen Mit­teilung. Und so, wie die alten Schriftzeichen das Heraustragen der verborgenen Geheimnisse sind, wenn auch in Nachbildung, in Sinn­bildlichkeit, wie diese das Heraustragen der verborgenen Geheim­nisse in die Außenwelt sind und wie diese Geheimnisse entsprechen dem Wesen der im guten Sinne fortschreitenden Wesenheiten der gei­stigen Welt, so ist das, was wir heute besonders als Druckschrift haben - aber im weiteren Sinne gilt es auch von der Schreibschrift -, von entschieden ahrimanischem Charakter. Und das empfand das Volk, als es die Buchdruckerkunst den schwarzen Mächten zuschrieb, sie eine « schwarze Kunst» nannte, ja, ihre Erfindung sogar dem Teufel zuschrieb.

Es hat doch einen tieferen Zusammenhang, wenn man die Erfin­dung der Buchdruckerkunst in Verbindung bringt mit Faust, wie Goethe in Zusammenhang bringt mit der Buchdruckerkunst eben das­jenige, was Faust als eine gewisse Phase seines Lebens durchmacht. Die ahrimanische Epoche des Mitteilungswesens ist eingetreten, als die Buchdruckerkunst kam. Wir wissen ja, daß wir mit Recht ver­lernen müssen, uns geradezu vor allem, was ahrimanisch genannt wird, zu bekreuzigen; aber wir wissen auch, daß wir die Dinge beim rechten Namen nennen und verstehen müssen. Wir dürfen als Geistes-wissenschafter nicht zu denjenigen gehören, die sagen: Die Buch­druckerkunst ist ahrimanisch, wir müssen sie also ausrotten. - Das werden wir nicht tun, das wird uns selbstverständlich nicht einfallen, weil wir begreifen, daß das Ahrimanische in der Weltentwickelung notwendig ist, daß es zum Fortschritt der Welt gehört; aber wir müs­sen auch die Dinge sehen, wie sie sind. Wir werden nicht umdeuten die Dinge, um sie damit in der Welt so zu versetzen, daß wir uns doch gestatten dürfen, in der Welt ohne Luzifer und Ahriman zu leben. Es ist angenehmer, so etwas nicht zu wissen, daß uns eigentlich aus jedem heutigen Buche der Ahriman anstarrt; aber notwendig ist es für diejenigen, die die Welt in ihrem wahren Lichte sehen, daß sie diesen Zustand aushalten und ihn nicht in etwas anderes umüber­setzen. Die Welt verstehenlernen, das ist die Aufgabe derjenigen, die

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sich immer mehr und mehr zur Geisteswissenschaft werden hinge­zogen fühlen.

In unserer Zeit sehen wir eine äußere Naturwissenschaft, welche am liebsten alles in eine Art mechanische Bewegung kleinster Massen­teilchen umwandeln möchte. Ich habe öfter über dieses Weltbild ge­sprochen, das die äußere Naturwissenschaft aus unserer Welt macht. Da wird uns gesagt: Ach was Farben - rot, gelb, grün, violett, blau -, nichts als Schwingungen sind das in Wirklichkeit! Die Farbe ist nur etwas, was das Auge hervorruft. Aus so und so viel Millionen Schwin­gungen des Äthers ergibt sich rot, aus so und so viel Schwingungen gelb, aus so und so vielen blau, aus so und so viel Schwingungen vio­lett. - Und man möchte sagen, der moderne Weltbetrachter hat die Tendenz, dasjenige, was er mit seinen Sinnen wahrnimmt in der Welt, aus dem Weltbilde auszutilgen und sich einen materiellen Wirbel an seine Stelle zu setzen.

Einer der letzten großen Geister, die sich aufgelehnt haben gerade auf dem Gebiete der Farbenlehre gegen dieses, was man einen Wirbel-tanz der materiellen Teilchen nennen kann, das ist Goethe. Und weil die moderne Welt immer mehr und mehr zugeschritten ist dieser mate­rialistischen Auffassung, diesem Auslöschen desjenigen, was als man­nigfaltige Welt um uns herum ist, deshalb hat man nicht verstehen können, was Goethe eigentlich in seiner Farbenlehre hat sagen wollen.

Die Geisteswissenschaft wird an dieser Stelle wieder einige Ord­nung schaffen, und die Farbenlehre Goethes wird in demselben Maße, in dem die Geisteswissenschaft die Menschen durchdringt, zur rech­ten Geltung kommen können. Denn Goethe erschien es zweifellos doch wie eine Art kleinen Wahnsinns - ich sage kleinen Wahnsinns, bei seinen besonderen Ausdrücken würde er vielleicht auch «großen Wahnsinns» gesagt haben -, an Stelle der die Welt durchflutenden Farben sich zu denken, daß diese Farben nichts weiter seien als das­jenige, was das Auge hervorruft aus einem Schwingungswirbel, aus einem schwingenden Kosmos.

Dieser schwingende Kosmos - ich habe ihn öfter als eine Phan­tastik der neueren Naturwissenschaft bezeichnet -, er war für Goethe einfach nicht vorhanden, er gehörte für Goethe zu einer der Verführungen

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des Mephistopheles. Denn Goethe war mit seinen wachen Sinnen der ganzen Fülle des Farbigen und Farbenflutenden in der Welt auch wirklich wach hingegeben und lebte in den Farbenfluten. Es wäre ihm als die wüsteste graue Theorie erschienen, wenn er an die Stelle dieses flutenden Farbenmeeres die greulichen Schwingungen der modernen Physik hätte setzen sollen.

Warum war das? Weil Goethe - man darf sagen, das Wort im tief­sten Sinne genommen - eine allseitig ausgebildete, gesunde Menschen-natur hatte und sich durch diese gesunde menschliche Natur immer in das richtige Verhältnis zur Welt zu stellen bemüht war. Eine solche gesunde Natur - ich werde jetzt etwas scheinbar sehr Triviales sagen, was aber nicht trivial ist, sondern eine bedeutsame Weisheit enthält -, eine solche Natur wie Goethe schläft auch gesund. Ja, eine triviale Wahrheit! Aber gesund schlafen bedeutet für den Geistesforscher eigentlich sehr viel. Im Schlafe ist der Mensch außerhalb seines phy­sischen und Ätherleibes, in seinem Ich und seinem astralischen Leibe anwesend. Da ist er wirklich in den Erlebnissen darinnen, die seinen astralischen Leib in Zusammenhang bringen zum Beispiel mit dem ganzen Sternenkosmos. Das leuchtet alles auf im astralischen Leibe, was an Einflüssen der Tierkreisbilder und Planeten sich geltendmachen kann. So wie der Mensch im Wachzustande lebt mit der Außenwelt, so lebt der Mensch mit der Sternenwelt im Schlafzustande. Aber Sie wissen es ja alle: Der Mensch weiß nicht sonderlich viel von diesem Leben mit der Sternenwelt, und das ist wichtig zu verstehen, warum der Mensch nicht viel weiß von diesem Zusammenleben mit der Ster­nenwelt. Warum eigentlich?

Nicht wahr, man übersieht eine Landschaft nicht, wenn diese Land­schaft mit Nebel bedeckt ist. Der Nebel zieht über die Landschaft hin und die Teile der Landschaft, die Flüsse, Gebirge, Ebenen und so weiter erscheinen uns nicht, wenn sie vom Nebel durchsetzt sind. So ist der Mensch durchsetzt von einem Nebel, einem seelischen Nebel, wenn er schläft. Worin besteht dieser seelische Nebel? Er ist ein Be­gierdennebel, besteht aus Begierden, und diese Begierden werden ge­bildet durch die Sehnsucht nach dem physischen Leibe. Wenn der Mensch heraußen ist aus dem physischen Leibe und Ätherleibe, also

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in der Zeit vom Einschlafen bis zum Aufwachen, hat er fortwährend die Begierde nach dem physischen Leibe; er möchte zurück nach sei­nem physischen Leib. Er wird durch die Kräfte des Kosmos heraus­geholt aus dem physischen Leibe, und erst, wenn diese Kräfte ihn wieder entlassen, schiüpft er wieder hinein in den physischen Leib beim Aufwachen. Da wird seine Begierde nach dem physischen Leib wieder befriedigt.

Bei einem Menschen wie Goethe ist der gesunde Schlaf dadurch vorhanden, daß die Begierde nach dem physischen Leibe geringer ist als bei manchem andern Menschen, und daher die Einflüsse aus dem Kosmos größer sind als bei andern Menschen während des Schlafes. Sie können sich ganz gut einen Menschen wie Goethe so vorstellen, daß er empfänglicher ist für die Einflüsse des Kosmos während des Schlafes, und das ist sein gesunder Schlaf. Die Begierde nach dem physischen Leibe ist zwar da, aber gesünder als bei andern Menschen. Und warum ist sie gesünder? Weil Goethe in so gesunder Weise hin-gegeben ist den Eindrücken der Außenwelt während des Wachens, weil er zum Beispiel sich nicht darauf eingelassen hat, etwas an die Stelle der Farben zu setzen, sondern weil er die Farben selbst in ihrer Wirklichkeit, in ihrer volisaftigen Realität betrachtet hat. Es ist ein Unterschied, ob ein Mensch wie Goethe, obwohl er aller Weisheit voll ist, durch die Natur geht und das Grüne als Grünes sieht, das Violette als Violettes und das Verhältnis vom Grün zum Violett oder zum Gelb und so weiter, der also das Inhaltliche unmittelbar als Farbe an-sieht, oder ob ein trockener Theoretiker durch das Feld geht und nicht die Farben sieht, sondern darüber spekuliert, was für eine Billion oder Million Schwingungen dem Grün oder dem Rot oder dem Gelb entspreche.

Warum geht denn der als so ein vertrockneter Theoretiker durch die Welt? Weil er nicht hingegeben ist an die Welt der Farben, son­dern weil er zu stark hingegeben ist an seinen physischen Leib, wenn es auch zunächst sein physisches Gehirn ist. Alle graue Theorie ent­springt einem zu starken Hingegebensein an den physischen Leib während des Tagwachens. Wir hätten alle die materialistischen Theo­rien heute nicht, wenn die Menschen nicht so stark hingegeben wären

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an den physischen Leib. Je mehr der Mensch nämlich während des Wachiebens selbstlos dem Inhalte der Welt sich hingibt, desto mehr hat er die Möglichkeit, wiederum hingegeben zu sein den Einflüssen des außerirdischen Kosmos während des Schlafes, und dann wieder zurückzubringen die gesunde Nachwirkung dieses Eindruckes ins Tagesleben. Dann wird er nicht wie derjenige, der als vertrockneter Physiker geschildert worden ist, hinter den flutenden Farben Atom-wirbel vermuten, sondern Geist, die elementarische Geistigkeit, wirk­liche Geisterwirksamkeit.

Zu wissen also, daß hinter den Eindrücken der Sinne die lebendige geistige Welt ist, das ist eine Nachwirkung des gesunden Schlafes. Denn wenn man während des Tagwachens nicht selbstlos hingegeben sein kann dem, was draußen in der Welt flutet, sondern sich greuliche Theorien davon bildet, die eigentlich Phantasmen sind, dann bekommt man in den Schlaf hinein einen stärkeren, übermächtigen Trieb nach dem physischen Leibe und verdüstert sich nicht nur das Bewußtsein gegenüber den Eindrücken während des Schlafes, sondern vermindert neben dem Bewußtsein auch die Intensität, die Stärke dieser Ein­drücke selber. Damit hängt es zusammen, daß in der Tat, je mehr die Geisteswissenschaft lebendig ergreifen wird das menschliche Seelen-leben, desto mehr werden auch gerade solche Weistümer wie die der Goetheschen Physik die Menschen wieder ergreifen gegenüber den grauen Theorien, die jetzt ihr Unwesen treiben in der wissenschaft­lichen Menschheitsentwickelung.

Mit vielem hängt also das Aufnehmen der Geisteswissenschaft in der Menschheit zusammen. Es wird wirklich ein Ungeheures bedeu­ten, wenn das allgemeine Bewußtsein einmal wird durchdrungen sein von der Wahrheit: In der Nacht bist du als Mensch im außerirdischen Universum auf geistige Art darinnen und im Tagesleben tauchst du unter in deinen physischen und deinen Ätherleib. Vieles wird man in Gemeinsamkeit mit diesem Wissen erfühlen und empfinden lernen.

So zum Beispiel - indem ich jetzt übergehe zu etwas, ich möchte sagen, mehr Seelischem - werden wir lernen müssen, daß dasjenige, was wir als das Leben mit dem Volksgeiste bezeichnen, mit der Volks­seele, zu der wir uns im engeren Sinne rechnen, vorhanden ist mit

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dem Untertauchen in den physischen und den ätherischen Leib des Menschen. Vorhanden also ist das Zusammenleben mit der Volks-seele vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Und dasjenige, was die Volksseele ist, was sie entwickelt an Kräften und Betätigungen, das wird hineingegossen in den physischen Leib mehr als das Rassen mäßige, in den Ätherleib mehr als das Volksmäßige; das wird hinein-gegossen in jene Umhüllung, in die wir eintreten, wenn wir auf­wachen. Da sind wir mit unserer eigenen Volksseele eigentlich fort­während im Austausch der Kräfte. Diejenige Wissenschaft, welche allgemein-menschlich ist, welche nichts zu tun hat mit den Konfigu­rationen und Differenzierungen, die innerhalb der Menschheit hervor­gerufen werden durch die Volksseelen, diese Wissenschaft muß ja gewonnen werden von demjenigen Teil der Menschennatur, der sich frei machen kann, unabhängig machen kann vom Leiblichen, wie der Mensch im Schlafe davon unabhängig ist. Diese Wissenschaft ist not­wendigerweise, weil sie gewonnen wird mit denjenigen Gliedern der Menschennatur, die unabhängig sind vom physischen Leibe, ganz notwendigerweise allgemein-menschlich.

Wenn man voraussetzen würde, daß derjenige, der wirklich in die geistige Welt hineinschauen und ein Wissen von der geistigen Welt gewinnen kann, durch volksmäßige Vorurteile gebunden sein könnte, so würde man einfach auf die Geheimnisse der Initiation nicht in ge­bührender Weise Rücksicht nehmen. Denn geradeso wie das Leben im Schlafe in den vorhin angeführten Fällen ganz anders ist als im Wachen, wie sie aber doch beide aufeinander Bezug haben, so ist es auch mit Bezug auf das Verhältnis des Menschen zu der Volksseele, zu der Natur und der Volksart. Der Mensch ist vom Einschlafen bis zum Aufwachen nicht zusammen mit den Kräften, die unmittelbar aus seiner Volksseele herauskommen, denn die können nur hinein-geschickt werden in den physischen und Ätherleib allein. Derjenige also, der es zum bewußten inneren Erleben seines Ich und seines astralischen Leibes gebracht hat, der ist, während er erfährt, erlebt das­jenige, was er dann zur Geisteswissenschaft zu formen hat, ja außer­halb des physischen und Ätherleibes. Er erlebt außerhalb des phy­sischen und Ätherleibes.

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Man ist aber trotzdem nicht außerhalb der Welt. Während man nämlich, sobald man hineinschlüpft in seinen physischen Leib und damit auch in seinen Ätherleib, mit seinem Volksgeiste zusammen ist, so ist man, wenn man herausschlüpft aus dem physischen und Äther-leibe, wie es beim Schlafen oder in der Initiation ist, außerhalb der eigenen Volksseele; aber man ist nicht außerhalb des Reigens, möchte ich sagen, der Volksseelen überhaupt, denn das sind ja geistige Wesen. Und wenn man in der geistigen Welt ist, ist man eigentlich nur außer­halb einer einzigen Volksseele, die für die Gegenwart eine bestimmte Bedeutung für einen hat, nämlich außerhalb seiner eigenen Volks­seele, derjenigen, die in den physischen und den Ätherleib hinein-wirkt. Dadurch, daß man mit ihr in Gemeinschaft steht oder in Ge­meinschaft kommt beim Wachen, verliert sich das Interesse für sie beim Schlafen und während der Initiation; und die eigentümliche Tatsache stellt sich heraus, daß man im Schlafe wesentlich mit allen andern Volksseelen zusammen ist, nur nicht mit seiner eigenen.

Wenn Sie sich also den Reigen der zeitgenössischen Volksseelen vorstellen, so ist man als Mensch, wenn man im physischen Leibe ist und während des Wachens diesen wahrnimmt, mit der eigenen Volksseele zusammen; wenn man dagegen im Schlafzustande oder im Initiationszustande ist, so ist man mit allen andern Volks-seelen, nur nicht mit der eigenen, zusammen. Das ist eine objektive Wahrheit.

Nun können Sie sich eine Vorstellung machen, wie unsinnig es wäre, wenn derjenige, der bewußt mit andern Volksseelen zusammen sein kann, verkennen würde die andern Volksseelen, wenn er sie mit Sympathie oder Antipathie belegen würde. Es ist, wie wenn man sie nicht anerkennen wollte, die Volksseelen. Nur für denjenigen, der nicht in der Initiation vorschreitet, hat es auch einen Sinn, Sympathie und Antipathie für die Volksseelen zu entwickeln, weil er ja nicht weiß, daß er für die Schlafhäffte seines Lebens wirklich mit den andern Volksseelen zusammen ist. Doch ist jetzt ein Unterschied. Während man im Wachleben sozusagen mit einer Volksseele verbun­den ist, ist man im Schlafleben mit den andern verbunden, aber nicht mit der Wirkung, die von einer ausgeht, sondern mit dem

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Zusammenwirken der andern, gleichsam mit dem, was sie als Rei­gentanz in dem Zusammenwirken ausführen, in Harmonie mit den andern.

Also Sie können sich geradezu vorstellen das Leben mit der einen Volksseele und das Leben mit den andern Volksseelen. Jenes ist das Leben im Wachen, das andere ist das Leben im Schlafe. Während des Schlafes oder während der Initiation ist man mit dem Zusammenwir­ken der andern Volksseelen zusammen. Mit seiner eigenen Volksseele allein zusammen sein kann der Mensch nicht, wenn er nicht immerfort wachen will. Es ist ihm ganz unmöglich, denn da müßte er immer­fort wachen. Der Unterschied ist eben der, daß man im Wachzustande mit seiner eigenen Volksseele die Kräfte austauscht, im Schlafzustande nicht mit seiner eigenen, sondern mit der Gesamtheit, mit dem Reigen der andern Volksseelen.

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Aber es gibt ein Mittel, um gleichsam gebannt zu sein an eine Volks­seele im Schlafe und mehr beeinflußt zu werden von der Kraft, die von einer Volksseele ausgeht und nicht von der Gesamtheit der Volks­seelen. Dann ist man im Schlafe gleichsam gebannt an die eine Volks­seele - und das Mittel ist dieses, daß man im Wachzustande diese Volksseele besonders haßt. Eine Volksseele, die man besonders haßt während des Wachzustandes, reißt einen heraus aus dem Reigen der andern Volksseelen, und sie bannt einen an ihre besonderen Eigen­tümlichkeiten.

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Wenn ich mich trivial ausdrücken darf, so muß gesagt werden -Sie werden mir in diesem Falle den trivialen Ausdruck nicht übel­nehmen -, eine Volksseele richtig hassen im Wachzustande heißt:

sich verurteilen, mit dieser Volksseele schlafen zu müssen! Das ist wirklich eine okkulte Wahrheit, wenn auch eine erschütternde, eine Wahrheit, über die es wirklich nichts zu lachen gibt. Dies muß man ins Auge fassen, wenn man von einer gewissen Seite her auch ein Verständnis dafür gewinnen will, wie die Geisteswissenschaft influen­zieren muß, indem sie sich über die Welt verbreitet, die Gesinnung der Menschen, wie sie durchdringen muß das ganze Empfinden und Fühlen.

Ich habe absichtlich dasjenige, was ich zu sagen habe in bezug auf das Verhältnis des Menschen zur Volksseele, in eine Formel gefaßt, über die Sie lachen. Das mußte ich, weil man sehr häufig als Okkultist das Bestreben hat, über das, was das Erschütterndste, das Tragischste ist, dadurch hinwegzuhelfen, daß man das nicht in seiner ganzen tra­gischen Schwere sagt, da es den Menschen erdrücken würde, sondern daß man ihm so hinweghilft darüber, daß er es nicht als das Erschüt­ternde, das Tragische auffaßt, sondern daß es so wie jede andere wis­senschaftliche Vorstellung aufgenommen werden kann. Deshalb darf aber doch nicht außer acht gelassen werden, daß die Geisteswissen­schaft uns in recht gründlicher Weise zeigt, inwieweit wir die Welt als Maja hinnehmen wollen. Denn sobald wir mit dem tiefsten Ernste in die Geisteswissenschaft eindringen, wird es, ich möchte sagen, ernst, wird es wirklich tief ernst mit ihr und mit alledem, was sie für den Menschen sein soll.

Man kann sagen, heute haben die meisten Menschen noch etwas gegen die Geisteswissenschaft, weil sie mit ihrem Verstande nicht ein­sehen können, was die Geisteswissenschaft eigentlich aus dem Men­schen machen soll. Die Menschen verstehen nicht den Grundnerv der Geisteswissenschaft. Aber nicht nur, daß sie ihn mit dem Verstande nicht verstehen können, es liegt noch etwas viel Tieferes vor. Wenn wir tiefer in die Weistümer eindringen, dann sind sie so, daß sie auch an unser Gemüt und an unseren Willen Anforderungen stellen, daß sie uns den Menschen in einem Lichte zeigen, wie wir uns selber gewöhnlich

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nicht haben wollen. Nicht nur unser Verstand wendet sich lieber an die Maja als an die Wirklichkeit, sondern auch der Wille.

Es ist unbequem, wenn ich wiederum trivial sprechen darf, im hohen Maße unbequem, mit den tieferen Weistümern der Geistes­wissenschaft zu leben, weil das Leben ein anderes Gesicht bekommen muß unter dem Einflusse der Geisteswissenschaft. In dem Augen­blicke, wo man weiß, was es bedeutet, wenn da einander gegenüber­stehen auf der Bühne des Lebens Capesius und Strader in ihren geisti­gen Gestalten und Worte wechseln, in Wahrheit aber diese Worte in den elementarsten Kräften der Welt Tumult und Rumoren bewirken, in dem Augenblicke, wo man das weiß, was vorgeht in der Welt, im Kosmos, wenn der Mensch in seiner Seele dieses oder jenes erlebt, da zeigt sich der ganze volle Ernst der Geisteswissenschaft, und da sieht man erst ein, wie die Menschen nicht nur mit dem Verstande in der Maja leben wollen, sondern auch mit dem Willen eigentlich bloß in der Maja leben wollen. Wir brauchen nur diese oder jene Sympathie zu entwickeln oder diese oder jene Antipathie, und das, was wir da tun, wird dann die Ursache davon, daß wir als schlafendes oder totes Menschenwesen getrieben werden in den Bereich dieses oder jenes Wesens des Kosmos und dort dieses oder jenes bewirken. Denn durch unser Zusammensein mit dem oder jenem Wesen des Kosmos ge­schehen wieder kosmische Ereignisse.

Mit solchen Worten möchte man ein Gefühl davon hervorrufen, wie die Geisteswissenschaft wirklich nicht nur zum Verständnisse der Menschen sprechen will, sondern den ganzen Menschen, die ganze Seele ergreifen möchte, weil das Leben der Menschen heute in einem Stadium ist, von dem uns die Zeichen der Zeit deutlich weisen, wie dieses Leben erfaßt werden muß, wenn es weitergehen soll, mit jener Welle, welche die geistigen Geheimnisse in sich schließt und den Men­schen nicht bloß in der Maja läßt, sondern ihn hineinführt in die wahre Wirklichkeit. Das sind Dinge, die wir betrachten müssen, wenn wir zu einem tieferen Verständnisse unseres geisteswissenschaftlichen Wollens kommen wollen. Und von solchen Dingen werden wir mor­gen weiter sprechen und wohl ausmünden in etwas, was mit einem Grundgedanken unseres Baues zusammenhängt.

SECHSTER VORTRAG Dornach, 13. Dezember 1914

#G156-1967-SE097 Okkultes Lesen und okkultes Hören

#TI

SECHSTER VORTRAG

Dornach, 13. Dezember 1914

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Ich habe gestern aufmerksam darauf gemacht, daß viel davon ab­hängen wird, wie sich wenigstens die Hauptbegriffe, die Hauptvor­stellungen der geisteswissenschaftlichen Erkenntnis der allgemeinen Geisteskultur einverleiben. Ich habe versucht gestern, einige Beispiele davon anzuführen, wie etwa zu denken wäre, daß die Denkweise der Menschen aufnehme, wirklich richtig aufnehme die hauptsächlichsten Vorstellungen vom physischen Leib, vom Ätherleib, vom Astralleib und vom Ich und diese Vorstellungen für die verschiedensten Gebiete des Lebens und der Wissenschaft wirklich fruchtbar macht.

Heute will ich auf ein anderes Beispiel hinweisen. Dasjenige, was wir unterscheiden als physischen Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich, das sind Glieder der menschlichen Seele, wir könnten auch sagen des menschlichen seelischen Lebens, welche, natürlich auf einem viel höhe­ren Gebiete, sich etwa so zueinander verhalten wie, ich möchte sagen, auf einem niedrigeren Gebiete die einzelnen Farbennuancen unserer Farbenskala. Und ebensowenig wie es eine wirkliche Erkenntnis des inneren Wesens des Lichtes und seiner inneren Beziehungen zur übri­gen Welt geben kann, ohne diese Gliederung in Farbennuancen sich vorzustellen, ebensowenig kann es eine wirkliche Seelenetkenntnis geben ohne Vorstellungen darüber zu haben, wie sich verhalten zu­einander solche Seelenglieder, wie Ich, Astralleib, Ätherleib und phy­sischer Leib. Aber wie die einzelnen Farben nicht so einfach neben­einander stehen, sondern ineinander übergehen, so daß man nicht immer genau in der Farbenskala angeben kann, wo die eine Nuance aufhört und wo die andere Nuance anfängt, so ist es auch mit diesen Seelengliedern: sie gehen ineinander über, und nur unser Verstand trennt sie eigentlich so, wie wir das gewöhnlich tun.

Nun ist es wichtig, zum Beispiel einmal den Übergang des Ich und des Astralleibes ins Auge zu fassen. Was wir das Ich des Menschen nennen, geht wirklich über in den Astralleib, wie etwa die Rot-Nuance des Farbenspektrums in die Orange-Nuance übergeht. Wir müssen

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uns dabei nur einmal vergegenwärtigen, von was wir eigentlich reden, wenn wir von dem Ich des Menschen reden. Wir reden vom Ich des Menschen und wir müssen uns dabei natürlich ganz klar sein, daß das eigentliche Wesen des Ich außerhalb alles dessen ist, was man als physischen Menschenleib beobachten kann. Das Ich erlebt sich eben nur in inneren Erlebnissen. Bekanntlich werden ja der Ätherleib und der Astralleib überhaupt nicht unmittelbar erlebt, sondern erlebt wird der physische Leib durch äußere Anschauung, durch äußere Wahr­nehmung, und das Ich in seinen mannigfaltigen Erlebnissen in inne-rer Weise. Für das Erleben auf dem physischen Plan ist es durchaus so. Zwischen physischem Leib und Ich drinnen stehen der Astralleib und der Ätherleib; beide gehören solchen Tatsachen des Geschehens an, können wir sagen, die von dem Menschen nicht unmittelbar erlebt werden auf dem physischen Plan. Weder kann der Ätherleib unmittel­bar äußerlich angeschaut werden ohne vorhergehende esoterische Schulung, noch kann der Astralleib erlebt werden. Er enthält alles dasjenige, was man oftmals als Summe des unterbewußten oder un­bewußten seelischen Erlebens nennt.

Das Ich gliedert sich in die mannigfaltigsten Bewußtseinserlebnisse. Und nun wollen wir einmal ein solches Bewußtseinserlebnis heraus­heben, besser gesagt, eine Bewußtseinsart wollen wir herausheben. Das bewußte Leben ist ja ein sehr mannigfaltiges, aber wir wollen, wie gesagt, eine sehr einfache, elementare Erlebensart herausheben, die Art und Weise des Geschmackserlebnisses. So, wie das Ich erlebt die Gesichts-, Gehörs-, Geruchs-, die Vorstellungserlehnisse, so erlebt es auch die Geschmackserlehnisse; Geschmackserlebnisse vor allen Dingen in jenem Wechselverkehr mit der äußeren physischen Welt -ich meine nun die ganz gewöhnlichen Geschmackserlebnisse, nicht diejenigen, die man künstlerische nennt -, die mit der Ernährung im Zusammenhang stehen. Was wir erleben, wenn wir eine Geschmacks-empfindung haben, das ist ein Erlebnis des Ich, insofern dieses Ge­schmackserlebnis eben bewußt für uns abläuft. Also, wenn wir eine Speise in unseren Mund bringen und ein Geschmackserlebnis haben, so ist dieses Geschmackserlebnis ein Erlebnis unseres Ich. Die mannigfal­tigen Geschmackserlebnisse sind eben mannigfaltige Erlebnisse des Ich.

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Nun können wir gerade an den Geschmackseriebnissen in interes­santer Weise einen Übergang gleichsam vom Ich in den Astralleib studieren, von den bewußten Erlebnissen in die unterbewußten Er­lebnisse. Es ist ja nicht schwierig zu konstatieren, daß die Geschmacks-erlebnisse gewissermaßen ersterben, wenn der Nahrungsstoff einen gewissen Weg durchgemacht hat. Für das bewußte Leben ersterben dann die Geschmackserlebnisse, aber das ist nur scheinbar. In Wirk­lichkeit geht, im groben Sinn gesprochen, das Geschmackserlebnls des Mundes über in das Geschmackserlebnis des ganzen Organismus, und der ganze Organismus ist im Grunde genommen durchsetzt von Geschmackserlehnissen im Laufe des Eindringens der Nahrungsmit­tel in unseren Leib, im Laufe der Verdauung und so weiter, und das, was wir bewußt schmecken, ist nur ein kleiner Teil jenes allgemeinen Schmeckens, das unser ganzer Leib erlebt.

Nicht nur die Nervenapparate unseres Mundes schmecken, sondern unser ganzer Verdauungskanal schmeckt, und beim Übergang der Nahrungsstoffe in den Organismus, in das Blut und so weiter, schmeckt der ganze Organismus wieder dasjenige, was die Verdauungsorgane für ihn zubereitet haben. Man könnte sagen, der ganze Organismus ist von Geschmacksempfindungen durchdrungen. Und dieser Orga­nismus ist so von Geschmacksempfindungen durchdrungen und durch-lebt, daß man von differenzierten Geschmäcken sprechen kann. Man kann sprechen von Organgeschmäcken. Jedes Organ hat sein be­stimmtes, spezifisches Geschmackserlebnis; der Magen hat sein be­stimmtes Geschmackserlebnis, Leber, Lunge, das Herz haben ihre besonderen Geschmackserlebnisse. Es differenziert sich das allgemeine Schmecken in das Organschmecken.

Da sehen wir, wie die Sphäre der Ich-Erlebnisse untertaucht in die Sphäre der astralischen Erlebnisse. Denn diese differenzierten Organ­geschmäcke sind unterbewußt; sie kommen dem Menschen nicht zum Bewußtsein, und dennoch sind sie unendlich bedeutsam. Denn es be­ruht auf der normalen Entwickelung dieser Organgeschmäcke über­haupt die normale Entwickelung des Menschenlebens, und das Altern besteht zum Teil darin, daß der Astralleib allmählich gegenüber der Gewohnheit des Schmeckens sich abstumpft.

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Verstehen Sie mich wohl! Der Astralleib stumpft sich in bezug auf die Gewohiiheit des Schmeckens ab, das Wort « Gewohnheit» aber in dem Sinne gebraucht, wie ich es gestern gebraucht habe; nach und nach stumpft er sich ab. Wenn aber nicht mehr der Reiz auf den Äther-leib und damit auch auf den physischen Leib ausgeübt wird, der den Ausdruck darin findet, daß geschmeckt wird, dann findet überhaupt nicht mehr die Möglichkeit statt, daß der Astralleib mit Geschmacks-erlebnissen den Ätherleib und mit Lebensgeschehnissen den physi­schen Leib durchdringt. Darauf, daß der Astralleib sich abstumpft gegenüber dem Schmecken, beruht ein gutes Stück dessen, was wir das Altern nennen, und darauf, daß ein einzelnes menschliches Organ die frische Fähigkeit des Schmeckens verliert, das heißt, von seinem Astralleib nicht in der entsprechenden Weise durchzogen ist, entste­hen die Organerkrankungen.

Und verstehen Sie, daß unter dieser Voraussetzung bestimmte Per­spektiven sich ergeben. Die Perspektive erstens, die in pädagogisch-hygienischer Weise wirklich wichtig ist: nicht allzugering anzuschla-gen, einen gut entwickelten Geschmacksinstinkt zu haben. Ich habe das bei einer Angelegenheit, wo ich über die Erziehung des Kindes gesprochen habe, schon einmal für unsere Freunde auseinandergesetzt. Es ist wichtig einzusehen, daß man im Essen eine lebendige Bezie­hung entwickeln soll zu den verschiedenen Nahrungsmitteln, daß es einem gewissermaßen nicht einerlei ist, ob man Salat oder Spinat ißt, sondern daß man ein lebendiges Verhältnis haben soll zu den Diffe­renzierungen der Pflanzenwelt in Salat und Spinat. Denn das, was man erlebt im Schmecken von Salat und Spinat, sind lebendige Be­ziehungen des Makrokosmos zum Mikrokosmos, und diese lebendi­gen Beziehungen setzen sich im Unterbewußtsein im Astralleib fort, der durch alle Organe geht. Und diejenigen, die Vegetarier werden zum Beispiel, sollten durchaus damit nicht eine falsche Askese ver­binden, indem sie ihr Vegetarierwerden etwa dazu verwenden, um sich möglichst abzustumpfen gegen das freundschaftliche Verhältnis zu dem Wesen der Natur, sondern sie sollten das gerade ausbilden, feine Unterschiede zu erschmecken gegenüber den einzelnen Nah­rungsgattungen; was man besonders kann als Vegetarier, weil man

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da in die Lage kommt - wenn das Wort nicht mißverstanden wird, möchte ich sagen -, jene feinen raffinierten Unterschiede zu schmek­ken zwischen den einzelnen Pflanzen und dem, was man als Speise von ihnen bereitet, während man ja natürlich, wenn man nicht Vegetarier ist, bei den Fleischspeisen brutalere Unterschiede hat. Denn wenn wir uns in dieser Beziehung abstumpfen, droht es uns wirklich, fortzu­setzen diese Abstumpfung von dem bewußten Teil der Geschmacks-erlebnisse in den astralischen, den unterbewußten Teil der Ge­schmackserlebnisse. Damit aber unterbinden wir die lebendigen Ein­wirkungen., die von dem Astralleib ausgehen auf die unteren Glieder unseres Organismus. Und es ist ein unbehaglicher Anblick, in man­ches vegetarische Restaurant zu kommen und zu sehen, wie sich die Leute auf den Teller ein Gebirge von allen möglichen durcheinander-gemischten Nahrungsmitteln häufen und das in den Mund hinein-stopfen ohne Verständnis, und dabei noch besonders erhaben zu sein vorgeben, erhaben über dasjenige, was der gewöhnliche Mensch als ein freundschaftliches Verhältnis zu seiner Naturumgebung auch in bezug auf die Geschmackserlebnisse hat.

Das ist das eine. Es wird sich wirklich ergeben, wenn einmal durch­drungen werden wird das Verständnis des äußeren Erlebens in bezug auf das Essen von dem Verständnis des Astralleibes und seiner Wir­kungsweise, eine gesunde Hygiene des Essens, und die werden wir brauchen, weil jenes unbewußte, instinktmäßige Dahinleben dem Menschengeschlecht allmählich verlorengehen wird und ersetzt wer­den muß durch ein bewußtes Verhältnis zu der kosmischen Um­gebung.

Aber andrerseits ergibt sich auch noch eine Perspektive, und die besteht darin, daß wirklich ein bestimmtes Verhältnis besteht zwi­schen der ganzen Pflanzenwelt, die draußen über die Erde ausgebrei­tet ist, und dem menschlichen Organismus, dem Mikrokosmos. Und dieses Verhältnis drückt sich aus in dem spezifischen Schmecken eines Organes. Es ist wirklich wahr und kein bloßes Symbol, das ich aus­spreche, wenn ich sage, irgendeine Pflanze, die draußen wächst, schmeckt nur einem ganz bestimmten Organ des Menschen, andern Organen schmeckt sie nicht; ein bestimmtes Organ läßt sich anregen

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durch die Kräfte dieser Pflanze. Wird man einmal diese Beziehungen studieren, dann wird man etwas sehr Gewichtiges haben.

Ich habe Ihnen bei verschiedenen Gelegenheiten gesagt: Die Pflanze besteht zwar, wenn wir ihre Form nehmen, aus dem physischen Leib und dem dazugehörigen Ätherleib; aber sie streckt gleichsam, indem sie sich nach aufwärts entwickelt, ihr Blühen hinein in die umliegende Astralltät, und wenn wir ein Pflanzenbeet überschauen, so finden wir Astralität ausgebreitet über die Pflanzen hin, Astralität, die zu den Pflanzen gehört. Nicht jede Pflanze hat ihren besonderen Astralleib, aber doch ist es so, daß die allgemeine Astralität - die über die Ober­fläche der Erde ausgebreitet ist, wie die Luft physisch ausgebreitet ist - sich spezifiziert. Das, was sich gleichsam aus dem Astralleib der Erde heruntersenkt zu einer, sagen wir, besonderen Lilienblüte, hat ein anderes Äußere als dasjenige, was sich heruntersenkt zu einer Kleeblüte. Da spezifiziert sich die allgemeine Astralität.

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Diese Verwandtschaft, die da besteht zwischen der ganzen irdi­schen Astralität und dem ganzen ausgebreiteten Pflanzenteppich der Erde, diese Beziehung besteht auch innerlich zwischen dem mensch­lichen Astralleib und seinen Organen. Auch in dieser Beziehung ist der Mensch durchaus ein Mikrokosmos, nur daß ein ungesundes Ver­hältnis eintreten kann zwischen dem menschlichen Astralleib und seinen

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einzelnen Organen, indem einzelne Organe ihre lebendige Ge­schmacksempfindung verlieren, sich abstumpfen. Dasjenige Verhält­nis, das zwischen der allgemeinen Astralität der Erde und der ge­samten Pflanzendecke besteht, ist im wesentlichen - ich sage im we­sentlichen - ein gesundes, und wenn man die Beziehungen heraus-findet zwischen den einzelnen Pflanzen und den menschlichen Orga­nen, dann findet man auch die Möglichkeit, durch Zuführung der Stoffe der einzelnen Pflanzen die Organe wiederum anzuregen und sie von innen heraus gesund zu machen. Denn wenn man die Stoffe einer bestimmten Pflanze in den menschlichen Organismus hinein-bringt, so bringt man damit die Verwandtschaft, welche die Pflanze zur allgemeinen Astralität der Erde hat, mit hinein. Wenn nun diese Verwandtschaft für den menschlichen Organismus abgestumpft ist, so wird sie wiederum angeregt, auch im menschlichen Astralleib, in­dem man die betreffenden Kräfte der Pflanze in den menschlichen Organismus hineinbringt.

Sie sehen daraus die Möglichkeit, daß man ein Pflanzensystem auf­stellt, welches in gewisser Weise entspricht der menschlichen Organi­sation, und welches darstellt ein rationelles System gewisser Heilmittel für bestimmte Organerkrankungen. Man wird da über das empirische, rein probierende Suchen hinauskommen, und man würde wirklich ganz rationell, durch Parallelisieren der menschlichen Organkräfte mit den Kräften der Pflanzenwelt, aufsteigen können zu einer Rationali­sierung zunächst der Pflanzentherapie.

Alle diese Gesichtspunkte ergeben sich in ungemein fruchtbarer Weise, wenn man wirklich sich einlassen will darauf, Anthroposophie oder Geisteswissenschaft fruchtbar zu machen für das Leben. Und stellen Sie sich nur einmal vor nach den paar Proben, die gegeben werden können und zum Teil gegeben wurden gestern und heute, was einem im Grunde genommen für wunderbar anregende Aufga­ben für das Leben der Gegenwart aus der geistigen Erkenntnis her­aus erwachsen! Man möchte nur würischen, daß die Menschheit in der nächsten Zukunft nicht zu faul wäre, sich im größeren Umfange zu widmen der Durchdringung der Wissenschaft mit demjenigen, was die Geisteswissenschaft im einzelnen also geben kann.

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Gewiß ist es unendlich wichtig, daß man gleichsam die zentralen Erkenntnisse der Geisteswissenschaft der Menschheit mitteilt, denn wurde man diese zentralen Erkenntnisse nicht mitteilen, so würde ja die Grundlage für einen weiteren Ausbau fehlen. Aber statt daß diese zentralen Erkenntnisse so aufgenommen werden von vielen, daß sie immer wieder und wiederum sich versucht fühlen, in allerlei neuen, literarisch schlechten Wiederholungen dessen, was nun einmal vor­liegt, doch immer wieder dasselbe zu sagen, sollte einmal das Augen­merk darauf gewendet werden, die einzelnen Kapitel dieser zentralen Erkenntnisse auszubauen, diese geisteswissenschaftlichen Erkennt­nisse in Wissenschaft und Leben wirklich einzuführen. Ich erwähne dies aus dem Grunde, weil es wirklich innerhalb unserer Bewegung viele Leute gibt und darunter einzelne besonders hervorragen, welche es bequemer finden, immer wieder und wiederum dasjenige, was schon einmal vorliegt in der Literatur, wiederzugeben, statt sich dar­auf einzulassen, in die Gebiete, die ihnen besonders naheliegen, das geisteswissenschaftliche Erkennen einzuführen.

Wenn man dieses bedenkt, dann nuanciert sich einem gleichsam das, was immer wieder und wieder betont wird: Geisteswissenschaft muß durchdringende Gesinnung des Menschenlebens werden. Wenn man in unserer Zeit in so schmerzlicher Weise erlebt, wie gewisser­maßen menschliches Denken und menschliches Urteilen und auch menschliches Tun zu einem Punkte geführt hat, der unendliche Opfer fordert, aber auf der andern Seite wieder zeigt, wie menschliches Ur­teilen und menschliches Empfinden in eine Sackgasse geraten ist, so sollte das hingenommen werden als ein Zeichen der Zeit, daß eine Neubelebung der Seelenkräfte für die Menschheit notwendig ist. Das sollte man als die Hauptsache ansehen, daß eine Neubelebung des Seelenwesens jetzt notwendig ist.

Weniger die Aufstellung dieser oder jener Programmpunkte, wie es beliebt war in der unserer traurigen Epoche unmittelbar voran­gehenden Zeit, als vielmehr das Lebendig-sich-Erfassenlassen von geisteswissenschaftlicher Erkenntnis, das wird eine würdigere Epoche herbeiführen können aus den chaotischen Ereignissen unserer Gegen­wart heraus. Je weniger man glauben wird, daß auf irgendeinem realen

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Gebiete der europälschen Menschheit etwa schon das vorhanden sei, was man jetzt zu verteidigen habe, je weniger man das glauben wird und je mehr man glauben wird, daß man eine neue Zukunft zu er­warten, zu erhoffen habe, eine geistigere Zukunft, eine Zukunft geisti­gerer Anschauungen, desto mehr wird man das Richtige treffen.

Daß, ich möchte sagen, immer ein ahnendes Bewußtsein vorhanden war von dem, was Geisteswissenschaft heute zu klarem Bewußtsein bringen muß, das wurde oft, gerade auch an diesem Orte hier berührt und auch sogar mit äußeren Belegen versehen. Immer wieder und wieder muß man daran erinnert werden, wie Geisteswissenschaft zwar in einem gewissen Sinne etwas radikal Neues ist in unserer Zeit, aber doch gut vorbereitet war im gesamten neuen Geistesleben, so daß überall, wo reges geistiges Leben vorhanden ist, aufgetreten sind Ahnungen nicht nur von geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern Ahnungen von der durchgreifenden Bedeutung geisteswis­senschaftlicher Erkenntnisse. Sehen Sie, ein interessantes Beispiel:

Ein europäischer Geist versuchte einmal nachzudenken darüber, welche Einflüsse auf sein inneres Leben ganz besonders bedeutsam geworden sind. Dieser europäische Geist, der also nachdachte, welche Einflüsse auf sein inneres Leben ganz besonders bedeutsam geworden sind, erwähnte dann drei verhältnismäßig neuere Geister, die auf sein Leben großen Einfluß gehabt haben. Er erwähnt den Ihnen ja auch in diesen Vorträgen hier von einem gewissen Gesichtspunkte aus charakterisierten Emerson, er erwähnt Ruysbroek und den deutschen Mystiker Novalis. Diese drei Geister haben einen besonderen Einfluß auf diesen europäischen Geist gehabt - so setzt er selber auseinander. Nun sucht er einen gewissen Maßstab zu gewinnen, dieser euro­päische Geist, für das, was in das Geistesleben der Menschen wird ein­ziehen müssen, wenn dieses Geistesleben die notwendige neue Be­fruchtung wird wirklich erfahren sollen, und da sagt denn dieser Geist etwas höchst Merkwürdiges. Er sagt: Wenn man so einen Blick zum Beispiel auf Shakespeare oder Virgil oder Sophokles lenkt, so findet man, daß da menschliche Konffikte zur Darstellung gebracht werden, aber schließlich, so meint der Betreffende, was sind denn das für Kon­flikte, die im Hamlet oder der Ophelia oder in der Antigone und

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Ismene sich abspielen? Gewiß, meint er, für diejenigen Wesen, die man Menschen nennt, höchst bedeutungsvolle Konflikte, aber, so meint der Betreffende, wenn ein Geist von einem andern Planeten her-unterkommen würde, also aus ganz andern Erlebnissen heraus von einem andern Planeten, wo ganz andersgeartete Erlebnisse sind, er würde sich nicht sonderlich interessieren können für das, was sich um die Ophelia herum abspielt oder um Wallenstein oder um Maria Stuart. Das kann Erdenmenschen interessieren; wenn aber ein Geist von einem andern Planeten käme, würde er verlangen, daß die Men­schen ihm etwas zu erzählen haben, was nicht bloß Erdenwesen inter­essiert, sondern was Wesen interessiert, die eben im weiteren Umfang dem Kosmos angehören. Und derartige Seelen, meint der Betreffende, gibt es noch recht wenige, welche so etwas zu sagen haben, daß auch ein Geist, der sich auf die Erde niedersenkt, etwas davon haben könnte. Und zu diesen Seelen zählt der betreffende Denker und Dich­ter Novalis. Novalis' Seelenerlebnisse findet er so fein, so intim, so herausgeholt aus dem, was sonst nur Menschen interessieren kann für das Zeitliche, so hineingestellt in dasjenige, was im Ewigen webt und lebt auch für die Erdenentwickelung, daß sich für einen Geist wie Novalis auch ein Wesen interessieren könnte, welches von einem andern Planeten sich niedersenkte. Ich will Ihnen Worte lesen, die er schrieb, als er Novalis kennenlernte, oder dasjenige kennenlernte, was Novalis als seine Seelenerlebnisse zu geben hat. Es sind sehr schöne Worte, so schön, daß ich vorlesen möchte, was der betreffende Den­ker gerade in dieser Beziehung mit Bezug auf seine Novalis-Erleb­nisse zu sagen hat:

«Wenn es aber anderer Beweise bedürfte», sagt der betreffende Denker in Anknüpfung an das, was er selber an Novalis erlebt hat und von dem er also meint, daß es auch die Geister anderer Planeten interessieren würde: «Wenn es aber anderer Beweise bedürfte, würde sie» - nämlich die Menschenseele - «ihn unter die führen, deren Werke fast ans Schweigen rühren. Sie würde das Tor öffnen zu Ge­bieten, wo einige sie um ihrer selbst willen lieben, ohne sich um die kleinen Gebärden ihres Leibes zu kümmern. Zusammen würden sie auf die einsamen Hochflächen steigen, wo das Bewußtsein um einen

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Grad gesteigert ist und wo alle diejenigen, die sich selber zur Unruhe werden, andächtig herumwandeln um den Riesenring, der die Schein-welt mit unsern höheren Welten verbindet. Sie ginge mit ihm bis zu der äußersten Grenze des Menschen, denn der Mensch fängt eben da an, wo er im Begriff zu sein scheint, aufzuhören, und seine wesent­lichen und unerschöpflichen Glieder werden nur gefunden im Un­sichtbaren, wo es nötig ist, daß er sich unaufhörlich belausche. Nur auf diesen Höhen gibt es Gedanken, welche die Seele sich gestehen kann, und Ideen, die ihr verwandt sind und die ebenso gebieterisch sind wie sie selbst.» - Zu alledem führt Novalis. - «Dort hat die Menschheit einen Augenblick geherrscht und diese schwach beleuch­teten Spitzen sind vielleicht die einzigen Leuchten, welche die Erde bekunden in den geistigen Weiten des Weltalls. Ihre Widerspiegelun­gen tragen wahrlich die Färbung unserer Seele. Wir fühlen, daß die Leidenschaften des Geistes und des Gemütes in den Augen einer fremden Intelligenz den kleinen Dorfzwistigkeiten gleichen müßten, aber in ihren Werken haben diese Menschen, von denen ich rede, das kleine Dorf der Leidenschaften verlassen, und sie haben Dinge gesagt, welche diejenigen interessieren können, die nicht von der irdischen Gemeinde sind...»

Das sind wahrhaft schöne, herrliche Worte! Der Betreffende glaubt sie an Novalis erlebt zu haben, schöne, herrliche Worte, die charakte­risieren, wie die Menschheit wirklich zu etwas kommen muß, was un­mittelbar sich angliedert an das Ewige, was uns hinausführt über die bloß irdischen Erlebnisse in die Erlebnisse des Kosmos. Die Worte, die ich Ihnen vorgelesen habe, hat Maurice Maeterlinvk über Novalis gespro­chen, allerdings schon vor einiger Zeit, nicht in den letzten Monaten! Aber Sie sehen daraus, daß überall bei denjenigen, die nachdenken kön­nen - in den Zeiten, in denen sie nachdenken können-, ein wahres, ein echtes Bewußtsein vorhanden ist von dem Gang in die geistige Welt hinein, den die Menschheitsentwickelung wirklich nehmen muß.

Ein anderes Beispiel möchte ich Ihnen noch anführen. Wir reden in der Geisteswissenschaft heute ganz bewußt davon, wie durch die Initiation erreicht werden kann ein Sich-Erleben im Ich und Astral­leib, getrennt vom physischen Leib und Ätherleib, ein bewußtes Sich-Erleben,

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wie das unbewußte Sich-Erleben im Schlafe geschieht. Da-mit aber ist zu gleicher Zeit die Geisteswissenschaft in der Lage, über das Erlebnis des Todes die nötigen Aufschlüsse zu geben; denn was der Geisteswissenschafter erlebt außerhalb des Leibes im Hinblicke auf den physischen Leib und Ätherleib, das ist ja dasselbe, was die Seele nach dem Tode erlebt, indem sie zurückblickt auf ihren physi­schen Leib und auf die Schicksale des Ätherleibes. So daß der Geistes-wissenschafter in besonderer Weise spricht von einem Anschauen des in den Weltprozeß aufgehenden physischen Leibes, des in den Welt-prozeß aufgehenden Ätherleibes von jenem Standpunkte her, den die Seele gewinnt, wenn sie durch die Pforte des Todes gegangen ist. Nicht wahr, es bedeutet Unendliches für die Fortentwickelung des ganzen menschlichen Bewußtseins, des ganzen menschlichen Geistes­kulturlebens, daß solche Vorstellungen in dieses Geisteskulturleben übergehen können, daß die Menschen immer mehr und mehr dazu­kommen werden, zu wissen, daß wenn die Seele gegangen sein wird durch die Pforte des Todes, sie im Rückblick das vergangene Lehen anschaut und das, was mit dem Leibe vorgeht, wie sie jetzt zurück-blickt auf ihre früheren Erlebnisse in dem gewöhnlichen Leben zwi­schen Geburt und Tod in ihren Ereignissen.

Wenn es einmal in Fleisch und Blut übergegangen sein wird - um den trivialen Ausdruck zu gebrauchen -, daß man zurückschaut nach dem Tode auf die Erlebnisse im Leibe, wie man jetzt zurückschaut auf das Erleben früherer Zeiten zwischen Geburt und Tod, wenn es selbstverständlich geworden sein wird, daß man so zurückschaut, dann wird etwas Ungeheures erreicht sein. Und aus Verschiedenem, das ich mit Ihnen besprochen habe, werden Sie einsehen, wie nötig es ist, daß möglichst schnell ein solches Bewußtsein für die allgemeine Menschheit erreicht wird. Und nun schauen wir einmal, ob diese Vor­stellungen, die jetzt so vollbewußt, ich möchte sagen, in so klaren Umrissen schon in der elementaren «Theosophle» gegeben werden, ob solche Vorstellungen, wenn wir auf ein ahnungsvolles Verständ­nis sehen, dem Menschengeschlecht immer ganz fremd waren, bevor die Geisteswissenschaft aufkam. Als Fichte eine Anzahl von Reden hielt, in denen er die Erziebungsweise seines Volkes umzugestalten

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gedachte - eine solche Umgestaltung, wie Pestalozzi sie hervorgerufen hat, nur universeller -, da sagte Fichte, es seien gewiß viele Menschen, welche nicht mitkönnen mit der Vorstellung, daß man durch solche Gedanken gewissermaßen das Menschengeschlecht neugestalten und neubeleben könne. Solche Menschen haften an dem Alten, das sie sich vorstellen können, meinte Fichte. Und nun suchte er nach einem Vergleich, um das, was sie gelernt haben und an dem sie haften, so recht klar auszudrücken. Nach einem Vergleich suchte Fichte, und sehr merkwürdig ist dieser Vergleich. Ich will ihn Ihnen vorlesen.

«Die Zeit», sagt Fichte - er meint alle die Menschen in der Zeit, die sich nicht vorstellen können, daß ein Neues aus dem Alten hervor­gehen könne - «die Zeit erscheint mir wie ein leerer Schatten, der über seinem Leichnam, aus dem soeben ein Heer von Krankheiten ihn herausgetrieben, steht und jammert und seinen Blick nicht loszu­reißen vermag von der ehedem so geliebten Hülle und verzweifelt alle Mittel versucht, um wieder hineinzukommen in die Behausung der Seuchen. Zwar haben schon die belebenden Lüfte der anderen Welt, in die die Abgeschiedene eingetreten, sie aufgenommen in sich und umgeben sie mit warmem Liebeshauche, zwar begrüßen sie schon freudig heimliche Stimmen der Schwestern» - damit meint er die andern Geistwesen, von denen wir umgeben sind -, « und heißen sie willkommen, zwar regt es sich schon und dehnt sich in ihrem Inneren nach allen Richtungen hin, um die herrlichere Gestalt, zu der sie er­wachsen soll, zu entwickeln; aber noch hat sie kein Gefühl für diese Lüfte oder Gehör für diese Stimmen oder, wenn sie es hätte, so ist sie aufgegangen in Schmerz über ihren Verlust, mit welchem sie zu­gleich sich selbst verloren zu haben glaubt.»

Ja, ist es nicht so, als wenri einer, der eben aus der Geisteswissen­schaft kommt, einen Vergleich aus der Geisteswissenschaft hernimmt von dem Anschauen des Leichnames nach dem Tode? So sprach Fichte 1808! Wir sehen daraus, wie alles hintendiert nach Geistes­wissenschaft, und wie in den besten Geistern diese Geisteswissen­schaft als Ahnung aufsteigt, aber, wie dieses Beispiel zeigt, als eine solche Ahnung, die in ganz bestimmten Formen sich ausdrückt.

Sie werden verstehen nach dem, was Sie von mir zu hören gewohnt

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sind, und namentlich, wie Sie es zu hören gewohnt sind, wie solche Worte gemeint sind. Aber könnte nicht eine ganz bestimmte Empfin­dung, ein ganz bestimmtes Gefühl in den Seelen der Menschen auf­tauchen, wenn sie so etwas lesen als gesprochen 1808 in den Seelen, welche es mit der Menschheitskultur ernst nehmen? Könnte da nicht ein ganz bestimmtes Gefühl auftauchen? Könnten nicht diese Seelen sich sagen: Hätten wir eigentlich nicht, nachdem solche Ahnungen vorhanden waren, uns an solchen Ahnungen halten und eigentlich längst schon etwas weiterkommen müssen in der geisteswissenschaft­lichen Erkenntnis der Welt? - Und dann könnten solche Seelen viel­leicht zu der Empfindung kommen: Schämen wir uns! - Wenn nur in recht vielen Seelen solche Empfindungen auftauchen würden, dann wäre es ein großes Glück für die Entwickelung des Geisteslebens der Menschheit. Aber ich denke, es werden viele Seelen noch lange den bequemen Weg wählen, und dasjenige, was ihnen gefällt zum Beispiel in solchen Reden, wie sie Fichte gehalten hat, hinnehmen und über solche Dinge hinweglesen. Und wenn man sie aufmerksam macht dar­auf, werden sie sagen: Nun ja, großen Geistern ist es schon erlaubt, auch einmal in gewisser Beziehung Querköpfe zu sein; und dann machen sie solche Vergleiche, die gar keiner Realität entnommen sind.

Es wird das ganze Leben durchdrungen werden können von dem, was die Geisteswissenschaft durch ihre Vorstellungen an Empfindun­gen in den Menschenseelen anregt. Und wirklich zu keinem andern Ziele, als um möglichst eindringlich hinzuweisen, wie das Leben von geisteswissenschaftlichen Vorstellungen durchdrungen sein kann, ist eigentlich unser Bau entstanden und wird alle die Einzelheiten auf­weisen, die er enthalten wird.

Bei diesem Bau soll nicht eine Sünde begangen werden gegen das naive Leben und Empfinden der Menschen. Diese Sünde glauben ja alle diejenigen an sich oder an den andern nicht zu begehen, die immer wieder und wieder betonen: Das künstlerische Schaffen, das muß mög­lichst unbewußt verlaufen. - In Wahrheit ist es nur bequemer, wenn das künstlerische Schaffen unbewußt verläuft, als wenn es zum Wissen erhoben wird. Denn das Wissen, wenn es ein Wissen vom Kosmos

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wird, ist ebenso naiv wie das primitive Unbewußte, das so häufig im Leben aus der Bequemlichkeit der Menschen heraus als das in der Kunst Notwendige hingestellt wird in Redensarten, wie ich sie eben angeführt habe.

Vergegenwärtigen Sie sich einmal folgendes, das Sie sich wie eine Konsequenz ziehen können aus mancherlei Besprechungen heraus, so werden Sie auch den Eindruck empfangen, daß aus der Geisteswissen­schaft heraus wichtige Impulse auch für künstlerische Einzelheiten gegeben werden können und gegeben werden müssen. Wenn wir einen Menschen anschauen im Lichte der heutigen Geisteswissenschaft, wis­sen wir ja, daß dieser Mensch nicht auf die Weise sich gebildet hat, wie die heutige Naturwissenschaft einseitig darlegt, sondern daß die­ser Mensch eine Saturn-, Sonnen-, Mondenentwickelung brauchte und dann die bisherige Erdenentwickelung, um zu dem zu werden, was er dann geworden ist. Und wir wissen, wenn wir die einzelnen Teile auch der äußeren physischen menschlichen Gestalt ins Auge fassen, daß an ihr ganze Generationen der Wesen der höheren Hierarchien gearbeitet haben durch lange Zeiten, daß ihre Tätigkeit so spezifiziert war, wie wir es geschildert haben in der Saturn-, Sonnen-, Monden­und Erdenentwickelung.

Wir wissen, daß das, was heute als fertiger Teil im Menschen er­scheint, zum Beispiel das Haupt, erst durchgehen mußte durch die Sonnen-, Monden- und die ganze bisherige Erdenentwickelung hin-durch, um das zu werden, was es heute ist, daß es umgewandelt und umgeformt werden mußte, daß es zuerst vorhanden war während der Sonnenentwickelung, daß es während der Mondenentwickelung wie­der auftrat und umgeformt wurde, und daß es während der Erden-entwickelung wiederum umgeformt wurde. Und wenn man dann sich überlegt, wie eigentlich der Mensch studiert werden müßte, dann wird man dazukommen, die ganze Kompliziertheit dieser menschlichen Organisation und ihren Zusammenhang mit dem Makrokosmos zunächst zu empfinden und dann allmählich auch erkennenzu­lernen.

Ich will heute nur einiges andeuten, das in den nächsten Zeiten ge­nauer zur Ausführung kommen wird; ich will es andeuten aus dem

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Grunde, weil es uns zu einem Schlußgedanken führen wird. Wie ge­sagt, ich werde es später weiter ausführen. Wir haben zum Beispiel an unserem Organismus Glieder, welche in ihrer Konfiguration sehr deutlich die ursprünglichen Impulse der alten Saturnentwickelung

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heute noch an sich tragen, aber die vielfach umgestaltet sind, so daß man sie in ihrer heutigen Gestalt ohne das Studium der Akasha­Chronik nicht ohne weiteres erkennen kann. Es sind also die das Rückenmark umschließenden Knochen zuerst veranlagt worden wäh­rend der alten Saturnentwickelung, noch im Elemente der Wärme, und sind bei den nächsten Entwickelungen immer umgestaltet wor­den. Diejenigen Knochen, die sich als Rippenknochen ansetzen, sind dann angegliedert worden zur Zeit der Mondenentwickelung; sie sind weniger umgestaltet, weil ihre ersten Ansätze weniger weit zurück-liegen. Andere Organe sind während der Sonnenentwickelung zuerst nach oben gerichtet angesetzt und dann umgestaltet worden. Das, was wir heute als den menschlichen Schädel, das menschliche Haupt bezeichnen, ist während der Sonnenentwickelung angelegt und dann vielfach umgestaltet worden. Wenn aber nur das vor sich gegangen wäre, was die Sonnenentwickelung dem Menschen gegeben hat in bezug auf seinen Schädel, dann würde der Mensch sein Haupt tragen müssen, wie er es nicht tragen kann, nämlich so, daß es immer nach oben gerichtet wäre. Daher ist während der Erdenentwickelung durch den Sonneneinfluß eine Wendung eingetreten um neunzig Grad, so daß dasjenige, was nach oben gerichtet sein müßte, jetzt so gerichtet ist -. Statt daß wir also den Sonnenpfeil für die Erdenentwickelung

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so zeichnen müssen wir ihn jetzt für die Erdenentwickelung so zeichnen -. Es gehört zur normalen Entwickelung, die die mensch­liche Gestalt durchgemacht hat unter dem Einfluß des Kosmos, daß die Gestalt des Hauptes, aus ihrem Gerichtetsein nach oben, nach vorne gerichtet worden ist, so gedreht worden ist nach vorne.

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Diejenigen Geister nun, welche zurückgeblieben sind in der Mon­denentwickelung, die haben das Bestreben für den Menschen mit­gebracht, indem sie den Menschen durchdringen und durchsetzen, das Haupt nach oben zu richten. Menschen, welche die Neigung haben, in unsympathischer Weise die Nase hoch zu tragen, wie man so sagt, die sind verführt von solchen luziferischen Geistern. Das hat seinen realen Hintergrund, das ist eine wirkliche physiognomisch-kosmische Wahrheit, und man trifft durchaus das Richtige, indem man sagt, wenn einer die Nase hoch trägt: Na, dem sitzt der Luzifer im Genick! - Das ist durchaus wahr. Daher wird es für das Leben unendlich wichtig sein, diese kosmischen Beziehungen wirklich zu kennen.

Wenn wir die menschlichen Außengliedmaßen nehmen - Arme, Beine -, so haben wir es bei den Beinen zu tun mit Gliedmaßen, die direkt der Erde angehören, ganz hingeordnet sind zur Erdenentwicke­lung. Die Arme aber sind in ihrer normalen Entwickelung so, daß der Mensch, wenn er bloß der Erdenentwickelung gefolgt wäre, die

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Arme nur nach unten senken könnte. Indem er sie auch nach oben lenken kann, lenkt er sie wilikürlich zur Mondenentwickelung hin, das heißt, er gibt ihnen mit jeder Erhebung einen luziferischen Cha­rakter. Derjenige, der kosmisch empfinden kann, empfindet daher jede

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Armbewegung, die so ausgeführt wird: Arme nach vorne und auf­wärtsgehoben, als etwas mit einem luziferischen Charakter. Fassen wir das ins Auge und denken wir jetzt, daß ein Mensch zugleich das Haupt neigt und die Hand hebt, aber so, daß diese beiden Bewegungen festgehalten werden in einer menschlichen Geste: der Mensch senkt das Haupt, hebt den Arm, und dieses Senken des Hauptes ist ein Ent­gegenwirken gegen die luziferische Tätigkeit des Kopfes, des Haup­tes. Das Heben des Armes ist: ein Luziferisches in die Arme hinein­bringen. Aber nun ist es so: Indem man in den Arm hinein Luzifer fahren läßt, und das gesenkte Haupt mit der Stirne auf den Arm stützt, erlöst man die Luziferkraft, die durch den Arm fließt, mit der Christus-Kraft, die entgegenwirkt im Haupte. Man erlöst gleichsam Luzifer im Arme durch Christus im Haupte.

Malen Sie hin in der richtigen Geste die menschliche Gestalt, das Haupt auf den Arm gestützt, dann haben Sie es in der Geste aus­gedrückt. Es erbildet der Mensch eine Geste, die da ausdrückt: Luzi­fer wird durch Christus erlöst! Und fügen Sie dazu etwa noch ein Beugen der Knie, so haben Sie diesen Gestus verschärft. Heben Sie beide Arme nach oben und unterdrücken Sie die Kraft des Hebens, wie das beim Falten der Hände geschieht, also die Arme mit gefalte­ten Händen gehoben, und nun versuchen Sie, mit den gefalteten Händen

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der luziferisch nach oben strömenden Kraft, indem Sie sie gleich­sam erlahmen lassen - Sie falten die Hände -, die Christus-Kraft ent­gegenzuführen!

Die menschlichen Gesten werden Ausdruck für das ganze Leben der Welt, für das Geistleben der Welt. Wie vertieft werden kann die Anordnung der menschlichen Gestalt in der Kunst durch ein solches Wissen von den Geheimnissen des Kosmos, das muß man empfinden! Auch das aber können Sie sich sagen: Was ist denn geschehen, indem das gleichsam luziferisch Nach-oben-Geordnetsein des Hauptes -durch den Sonneneinfluß auf der Erde - nach vorne hingewendet wor­den ist, und der Mensch mit dem nach vorne gewendeten Haupte auf der Erde steht? Er ist dadurch ein Erdenwesen geworden! Dasjenige, was nicht ein Erdenwesen ist, das kann also nicht Beine und Füße im menschlichen Sinne haben. Sein Haupt, und damit auch das Antlitz, hat der Mensch nicht von der Erde, sondern vom Kosmos; aber es entsteht in seiner Form dadurch, daß es sich der Erde zuwendet. Neh­men wir also andere Genien, andere Geister, so können wir sie un­möglich mit menschlichen Beinen machen. Genien, die nicht zum Erdensein gehören, mit menschlichen Beinen zu machen, ist einfach falsch, ist tatsächlich falsch. Das kann man aber wirklich einsehen aus geisteswissenschaftlicher Erkenntnis heraus. Und diesen Empfindun­gen, die aus der geisteswissenschaftlichen Erkenntnis kommen, soll unsere Kunst bei unserem Bau allseitig Rechnung tragen.

Sie sehen also, daß damit wirklich ein neuer Impuls in bezug auf künstlerisches Gestalten gegeben werden kann. Wenn Geisteswissen­schaft nicht mehr als eine graue Theorie aufgefaßt werden wird, son­dern als etwas, was als Empfindung und Fühlen in den Menschen ein­gehen wird, dann wird man einsehen, daß sie befruchtend wirken kann auf alle Bestrebungen der menschlichen Kulturentwickelung. Ein kleiner Anfang soll damit gemacht werden in unserem Bau.

SIEBENTER VORTRAG Dornach, 19. Dezember 1914

#G156-1967-SE116 Okkultes Lesen und okkultes Hören

#TI

SIEBENTER VORTRAG

Dornach, 19. Dezember 1914

#TX

Heute wollen wir eine Betrachtung anstellen, die vielleicht scheinbar herausfällt aus der Folge von Betrachtungen, die wir hier gepflogen haben, die uns aber doch zum Verständnisse des Ganzen nützlich sein wird.

Es ist eine uralte Frage, wie der Mensch dasjenige, was in der Welt draußen wirklich ist, hereinbekommen kann in sein Wissen, in seine Jdeenwelt. Für uns ist die Frage nicht so brennend, als sie für die außerhalb unserer geisteswissenschaftlichen Strömung stehenden Menschen sein müßte, weil wir ja wissen, daß die Möglichkeit besteht, sich hinaufzuleben in die geistigen Welten und durch das Eindringen in die geistigen Welten Sicherheit zu gewinnen über ein wahres Sein, über eine wahre Wirklichkeit hinter der äußeren Wirklichkeit, die uns auf dem physischen Plane vorliegt. Allein, die allgemeine Menschheit wird sich erst von der Gegenwart an in die Zukunft hinein zu einem solchen Gesichtspunkte des gleichsam außerleiblichen Erkennens auf­schwingen können, und es wird noch lange die Frage eine unendlich große Bedeutung haben, wie man in das Wissen, in die Ideenwelt das Sein, die Wirklichkeit hereinbekommen kann.

Für uns ist es wichtig, über diese Frage etwas Bescheid zu wissen, weil wir versuchen müssen, eine Verständigung anzubahnen mit den­jenigen, die noch etwas außerhalb oder auch stark außerhalb unserer geistigen Bewegung stehen. Wir müssen Auskunft geben können über die Rätsel und Fragen, welche die noch nicht dieser geistigen Be­wegung Nähergetretenen empfinden, wenn sie das eine oder das andere von den Ergebnissen der Geistesforschung hören. Die Frage, die ich meine, ist geradezu die tiefste, die tragischste Frage, die sich die Menschheit bisher gestellt hat. Denn so viel auch philosophische und andere wissenschaftliche Untersuchungen gepflogen worden sind, zu­letzt geht doch die Frage, die ich angedeutet habe, aus einer Gemüts­verfassung des Menschen hervor und wirkt auf die ganze Gemüts­verfassung und die Gemütsstimmung des Menschen wieder zurück.

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Der Mensch - fassen wir die Sache einmal von diesem Gesichts­punkte an - wacht des Morgens auf aus einer Welt heraus, die ihm unbekannt und rätselhaft bleiben muß, wenn er nicht in die Geistes­wissenschaft eindringt, und er macht sich über die Welt, in die er ein­tritt mit dem Aufwachen, seine Gedanken. In diesen Gedanken will er sich dasjenige dann verschaffen, was man eine Weltanschauung nen­nen kann. Da empfindet der Mensch, der wirklich empfindend an diese Dinge mit seiner ganzen Seele herantritt, etwas von Schwäche des Gedankenlebens, des Vorstellungslebens. Er empfindet, man könnte sagen, dieses: daß er ja in seinem Inneren dazu verurteilt ist, in Vorstellungen über das Wesen der Vorgänge der Außenwelt zu leben, sich solche Vorstellungen zu machen; und er findet wiederum, daß diese Vorstellungen gewissermaßen doch nur Vorstellungen sind, daß sie nicht stark genug sind, das wahre Sein in sich hineinzunehmen.

Besonders dann empfindet der Mensch diese Schwäche, könnte man sagen, des Vorstellungslebens, wenn er sich besinnt auf die Erinne­rungsvorstellungen. Aus vergangenen Lebensepochen holen wir das­jenige herauf, was wir an Tatsachen, an Erlebnissen durchgemacht haben. Wir holen es herauf, indem wir es uns hinterher, vielleicht nach langer Zeit, vorstellen. Wir müssen uns dabei irnrner wieder und wieder sagen: Ja, wir haben das Erlebnis nur in der Vorstellung, und die Vorstellung hat nicht die innerliche Macht, die Wirklichkeit neu heraufzuzaubern.

Das ist das eine, wo wir so recht fühlen, wie ohnmächtig der Mensch gewissermaßen gegenüber der volisaftigen, vollinhaltlichen Wirklich­keit mit seinem Vorstellungsleben ist. Das andere ist, wenn wir ein­treten in die Welt der schaffenden Phantasie. Wir können in dieser Welt der schaffenden Phantasie uns vor die Seele rufen Gebilde des Schönen, Gebilde des Befriedigenden, und wir können fühlen, wie wir nicht imstande sind, mit dem, was wir da in unserer Phantasie gewisserma­ßen uns vorzaubern, irgendwie hineinzudringen in das wirkliche Sein.

Von den Empfindungen, die man gegenüber dieser Welt von Phan­tasiebildern haben kann, gehen die mehr materialistisch gesinnten Menschen aus. Sie sagen: Wenn ihr euch Vorstellungen macht über eine höhere geistige Welt, über Gott und die Geisteswelt, was verbürgt

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euch denn, daß diese Vorstellungen, die ihr euch da macht, etwas anderes sind als Gebilde der Phantasie? Was verbürgt euch denn, daß ihr mit diesen Vorstellungen, wenn sie euch eine noch so tiefe Beseligung verschaffen, eindringt in eine Welt richtiger Wirk­lichkeit? - Was den Empfindungen zugrunde liegt gegenüber dieser Ohnmacht des Vorstellens, des Ideenbildens, das hat geführt zu dem, man kann sagen, jahrtausendealten philosophischen Ringen in bezug auf die Frage: Wie kann der Mensch mit seinen Begriffen, seinen Vor­stellungen, in eine Wirklichkeit hineindringen?

Es wird genügend philosophische Richtungen geben, selbst wenn wir von dem äußersten Skeptizismus absehen, welche des Glaubens sind, daß eine befriedigende Antwort auf diese Frage, eine befriedi­gende Lösung dieses Rätsels des menschlichen Gemütsiebens bis heute nicht gefunden ist. Gewiß, die Menschen können vorbeigehen in einer gewissen Gedankenbequemlichkeit an diesen Weltenrätseln, an dieser Frage. Aber auch wer ohne Bewußtsein vorbeigehen wird und so daraufhin leben wird, wird dennoch fühlen, daß dieses Unbefriedi­gende in seinem Astralleibe Wellen schlägt und gewisse Stimmungen gegenüber der Welt hervorruft: melancholische Stimmungen, Stim­mungen, über die man sich gewöhnlich durch Zynismus hinweg hilft, können sich einfinden. Zu wirklicher Befriedigung im innern Seelen-leben, zur Harmonie der Seele kann aber ein solches Vorbeigehen an einem solchen Weltenrätsel gewiß nicht führen.

Für uns liegt die Notwendigkeit vor, uns diesen Weltenrätseln auch so zu nähern, wie wir uns gar vielem nähern müssen. Es liegt für uns die Notwendigkeit vor, einmal in das Wesen der menschlichen Natur hineinzuschauen und zu fragen, woher dieses Rätsel kommt, warum es vorhanden ist. Daß es unendlich tragisch empfunden werden kann, haben gewisse Philosophen gezeigt, die, geradezu verzweifelnd an der Lösung dieser Rätsel, von einer Gottheit gesprochen haben, welche die Menschheit gleichsam irreführt in dem Chaos der Welterscheinun-gen und die menschliche Natur so angelegt hat, daß sie zu einer be­friedigenden Weltauffassung nicht kommen könne.

Nun erinnern wir uns an etwas, was öfter besprochen worden ist in diesem oder jenem Zusammenhange, was uns aber, wenn wir uns

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diesen Weltenrätsein gegenüberstellen, nützlich sein kann. Es ist oft davon gesprochen worden, was eigentlich unser Gedanken-, Sinnes-und Vorstellungsleben ist. Ich habe gesagt, es ist im Grunde genom­men eine Art Spiegelung. Ich habe dies hier besonders deutlich ein­mal auseinandergesetzt, daß wir es zu tun haben mit dem, was ich jetzt hier so schematisch andeuten will.

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Außerhalb dieses physischen Menschen lebt gleichsam in dem un­endlichen Weltenall ergossen dasjenige, was das eigentlich seelisch-geistige Wesen des Menschen ist, und im wachen Tagesleben scheint dieses geistig-seelische Wesen in das leiblich-seelische Wesen hinein. Dadurch entsteht eine Spiegelung, und diese Spiegelung ist eigentlich das, was wir als den Inhalt unseres wachen Tageslebens empfinden. Wirklich, unser Leib ist wie ein Spiegel, und wie wir den Spiegel nicht sehen, sondern das, was sich im Spiegel abspiegelt, so sehen wir im Grunde genommen nicht das, was in dem Leibe vorgeht, wenn der Mensch wach in diesem Leibe ist, sondern wir sehen das, was sich in ihm von der äußeren physischen Welt spiegelt.

Aber insofern wir in diesem wachen Tagesbewußtsein darinnen sind, ist im Grunde genommen auch unser Ich, dasjenige, was wir als seelisches Wesen sind, in dieser Welt der Spiegelbilder. Denn die Welt ringsherum ist Maja, eine Summe von Spiegelbildern. Es ist unser wachendes Ich in dieser Summe von Spiegelbildern darinnen, und wir sind im Grunde genommen als Wesen auf dem physischen Plane auch nichts anderes als ein Spiegelbild unter Spiegelbildern.

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Machen wir uns das nur einmal klar! Machen wir uns klar: was bleibt denn, insofern wir auf dem physischen Plane sind, wenn wir das ganze Vorstellungsleben auslöschen? Dann löscht sich das Ich mit aus. Wenn sich nichts spiegelt - wie es im tiefen traumlosen Schlafe der Fall ist -, dann ist auch das Ich ausgelöscht. Und wenn wir auf­wachen und die Welt der Spiegelbilder vor uns haben, so ist in dieser Spiegelbildwelt auch unser Ich darinnen; so daß, insofern wir auf dem physischen Plane leben, wir auch von uns selber nichts anderes haben können als ein Spiegelbild.

Wir gehen durch die Welt als Wesen des physischen Planes und haben niemals vor uns etwas anderes als ein Spiegelbild von uns. Wir leben in der Welt; aber insofern wir uns bewußt sind, haben wir nicht lebendige Tatsächlichkeit, sondern die Abspiegelung dieser lebendi­gen Tatsächlichkeit vor uns. Wir leben als Spiegelbild unter Spiegel­bildern und das, was wir so erkennenlernen durch die Geisteswissen­schaft - daß wir als Spiegelbild unter Spiegelbildern leben, als Maja unter den Bestandteilen der großen Maja -, das empfindet der Mensch, wenn er die Ohnmacht alles seelischen Erlebens gegenüber der voll-saftigen Wirklichkeit empfindet. Der Mensch sagt sich im gewöhn­lichen Leben nicht: Ich bin ein Spiegelbild unter Spiegelbildern -, aber er empfindet es, und er empfindet es eben dann, wenn er so recht fühlt: Wie kann ich mit diesem Spiegelbild das reale volisaftige Sein erreichen?

Machen wir uns einmal klar, was da vorliegt. Denken Sie sich, Sie haben eine spiegelnde Wand, und Sie sehen nicht, daß sich das, was in dem Raume ausgebreitet ist, an der Wand spiegelt; Sie wollten da­her in den Spiegel hineingehen und das darin vorhandene Spiegelbild herausnehmen als wirklichen Tisch. Sie würden es nicht können, denn auf den gespiegelten Tisch, den Sie darin sehen, können Sie keine Teller und keine Suppenschüssel stellen! So unmöglich es ist, auf den gespiegelten Tisch Teller und Suppenschüssein zu stellen, so unmög­lich ist es, aus dem, was der Mensch erlebt zwischen Geburt und Tod im wachen Zustande auf dem physischen Plan, sagen wir, das Wesen der Unsterblichkeit der Seele abzuleiten; denn unsterblich ist die wirkliche Seele, nicht das Spiegelbild. Bedenken Sie das nur ganz klar:

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Der Mensch ersehnt, das zu erkennen, was sich ihm fortwährend ver­birgt und was, indem er auf dem physischen Plane lebt, ihm nur fort­während ein Spiegelbild vorzeigt. Die Philosophien aller Zeiten haben sich bemüht, aus den Spiegelbildern die Wirklichkeit abzuleiten, die Unsterblichkeit zu beweisen. Sie haben sich der Aufgabe unterzogen, aus dem Spiegel herauszuholen den Tisch, ihn ins Zimmer zu tun, um Teller und Schüsseln daraufzustellen.

Wenn man die Philosophien durchgeht, die nicht befruchtet sind von der Geisteswissenschaft, so erscheinen sie einem als ein solches vergebliches Bemühen. Im Grunde genommen, wenn Sie mein Buch «Die Rätsel der Philosophie» durchzunehmen versuchen, so werden Sie darinnen erzählt finden das Ringen, das seit dem Beginne eines philosophischen Ringens der Menschheit gleichsam sich bemüht hat, aus dem Spiegel heraus den Tisch zu bekommen, um Teller und Schüsseln daraufzustellen.

Deshalb auch mußte jetzt, wo wir schon eine solche geisteswissen­schaftliche Bewegung haben, dem Buche durch das, was die Geistes­wissenschaft zu geben hat, ein Schlußkapitel eingefügt werden, wel­ches zeigt, daß das, was vorher da war, ergänzt werden muß durch die Geisteswissenschaft, die es nicht mit Spiegelbildern, sondern mit Realitäten zu tun hat. Nun könnten Sie sagen: Dann ist das Buch ge­wiß ein solches, das wir nicht zu lesen brauchen. Wozu sollen wir uns mit dem vergeblichen Ringen der Menschheit befassen? Warum soll­ten wir überhaupt auf die Philosophie Rücksicht nehmen, da sie sich doch nur mit einem vergeblichen Mühen der Menschheit befaßt? -Ja, so ist die Sache denn doch nicht, so ist sie wirklich nicht! Das­jenige, was wir treiben, indem wir uns in dieses von einem gewissen Gesichtspunkte allerdings vergebliche Ringen vertiefen, ist dennoch etwas unendlich Bedeutungsvolles, etwas, was durch nichts anderes ersetzt werden kann. Für die Erkenntnis der unsterblichen Seelen-natur, für die Erkenntnis der geistigen Welt und auch des göttlichen Wesens wird die Philosophie gewiß immer unfruchtbar bleiben, aber sie wird nicht unfruchtbar bleiben für die Entfaltung gewisser mensch­licher Kräfte, für die Heranentwickelung gewisser menschlicher Fä­higkeiten.

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Gerade weil die Philosophie als solche sich nicht als tauglich er­weist, die genannten Dinge zu erreichen, weil sie gewissermaßen stumpf bleibt gegenüber diesen Dingen, stärkt sie um so mehr die Kräfte der menschlichen Seele. Und wenn sie auch nicht Erkenntnisse überliefern kann, so bereitet sie doch vor dadurch, daß sie ein kon­zentriertes Gedankenleben hat, die Seele geeignet zu machen, in die geistige Welt hinaufzudringen.

Was wir erarbeiten, was wir in der Philosophie gewinnen, das hebt uns in die geistige Welt hinein, und es hebt uns noch mehr hinein als irgend etwas anderes. Gerade weil keine Kräfte verlorengehen zur Er­werbung von realen Erkenntnissen, deshalb werden alle Kräfte an­gewendet für die Erhöhung der menschlichen Fähigkeiten. Das aber müssen wir gerade aus dieser Betrachtung hinnehmen, daß das Er­leben auf dem physischen Plane, weil es ein Erleben in Bildern ist, etwas Unreales, etwas Unwirkliches hat, und daß wir im Grunde ge­nommen, in dem wir uns in die philosophische Welt einleben, seelisch-geistig ein Unwirkliches durchleben. Aber hat es denn einen Sinn, hat es eine Bedeutung, daß wir Seelisch-Geistiges auf dem physischen Plane als ein Unwirkliches erleben? Können wir darin eine Weisheit der Weltenordnung finden? Eine solche Frage müssen wir uns stellen, und um diese Frage zu beantworten, müssen wir einige Erkenntnisse der Geisteswissenschaft uns vor die Seele rücken.

Wenn die Menschen durch Meditation, durch Konzentration, kurz, durch eine Verstärkung ihres seelisch-geistigen Erlebens ein wenig weitergekommen sein werden, so geht es über in ein seelisches Erleben, das ein waches Schlafen ist, in ein Darinnenleben in der gei­stigen Welt. Und die erste Erfahrung, die der Mensch macht, wenn er am Ausgangspunkt der Initiation ist, wird eine solche Erfahrung sein, die von den Schülern gewöhnlich zu wenig berücksichtigt wird, näm­lich daß der Mensch Augenblicke erlebt, wo wie glitzernd-glimmernd, wie traumhaft, die geistige Welt in sein Bewußtsein hereindringt -das weiß er eigentlich erst hinterher, wo er sich sagen muß: Jetzt hast du etwas von der geistigen Welt erlebt.

Würde der Mensch nicht im Schlafe sein Bewußtsein verlieren, so würde er während der ganzen Zeit, vom Einschlafen bis zum Aufwachen,

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in dieser geistigen Welt sein. Er ist wirklich die ganze Zeit im Erleben und Weben des objektiven Gedankenlebens darinnen. Wer die Anweisungen in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» sorgfältig befolgt, der kommt verhältnismäßig bald darauf, daß er beim Aufwachen weiß: Du tauchst auf, wie wenn du unter dem Meere geschwommen hättest und jetzt in die Luft herauftauchen würdest; du tauchst auf, wie wenn du mit deinem seelischen Erleben gewoben hättest in einer Welt von lauter Gedanken. Da ist es so, wie wenn du noch die letzten Fetzen dieses Erfahrens erhaschen würdest beim Aufwachen.

Das kann einen großen Eindruck machen, trotzdem es sich sofort verliert und zumeist selbst schwierig ist, im Gedächtnisse festgehalten zu werden. Aber wichtig wäre es für den, der vorwärtskommen will, gerade solche Momente des Aufwachens zu erhaschen, denn da ent­steht das Bewußtsein: Du warst, bevor du aufgewacht bist, in deinem astralischen Leibe in einer webenden objektiven Gedankenwelt dar­innen, und indem du in deinen physischen Leib untergetaucht bist, da steigst du herauf, da glitzert es in der Seele, da stößt du an deine physische Leiblichkeit an, die dir zurückspiegelt das, was du die ganze Nacht durchlebt hast. - Dieses Bewußtsein kann entstehen und sollte beachtet werden, und es ist wichtig, daß es entsteht. Wenn man ein solches Bewußtsein hat, dann fängt man an zu wissen, warum es schwierig ist, sozusagen, die Gedanken, die man durchlebt während des Schlafes und auch während der Initiation, wirklich in die physische Welt, in das physische Denken hereinzubekommen; denn man lebt mit seinen Gedanken ganz anders außer dem Leibe als im Leibe.

Um das sich klarzumachen, wollen wir einmal den Moment des Auf­wachens und das Aufgewachtsein ins Auge fassen. Wenn man auf­wacht, taucht man also unter mit seinem geistig-seelischen Wesen in seine physische Leiblichkeit. Daß man da in Gedanken weiterlebt, das ist nicht weiter wunderbar, denn man hat die ganze Nacht während des Schlafes im Gedankenweben darinnen gelebt. Dasjenige, was vorgeht, ist also das Folgende. Denken Sie sich also - ich will es schematisch zeichnen -, Sie tauchen von außerhalb unter in den physischen Leib -ich will es nur in bezug auf das Haupt zeichnen. Wenn Sie noch nicht

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darinnen sind, sondern noch da draußen, da sind Sie in einer wunder­baren Welt lebender Gedanken, dort, wo die Geister der nächsthöheren Hierarchie ihre Tätigkeit entwickeln. Bevor Sie aufgewacht sind, sind Sie mit Ihrem seelisch-geistigen Erleben in der Welt der Angeloi, Archangeloi, Archai und so weiter darinnen. Geradeso wie Sie in der physischen Welt unter Tieren, Pflanzen und Mineralien sind, sind Sie während des Schlafes in der Welt der höheren Hierarchien darinnen. Nun, dieses Drinnensein, dieses Arbeiten der höheren Hierarchien an Ihrem seelischen Wesen, das geschieht eben mit den Gedankenkräften, die da walten. Und jetzt tauchen Sie unter in den physischen Leib. Indem Sie untertauchen in den physischen Leib, konzentrieren Sie die Gedan­ken dadurch, daß sie gebannt sind an den kleinen Raumesteil, den Ihr Haupt umschließt. Da müssen Sie das, was draußen ausgebreitet ist, ganz konzentriert zusammenziehen. Das, was so entsteht, ist, daß das Gedankenleben, das System der Gedanken hineinzieht, untertaucht in das Nervensystem. Durch die Sinne schiebt es sich hinein. Was ge­schieht denn da? Da geschieht es in der Tat, daß durch das Gedanken-erleben fortwährend die physische Substanz ergriffen wird, zuerst die Substanzen des Ätherleibes, dann auch die physische Substanz. Und in der Tat, wenn Sie einen Gedanken hineinstopfen in das Leibliche, wirkt dies in gewissem Sinne ertötend; indem Sie einen Gedanken fassen in Ihrem physischen Leben, ertöten Sie eigentlich etwas in Ihrem Nervensystem. «Ertöten» ist sogar das rechte Wort dafür.

Wir denken jetzt etwas - und nach einiger Zeit besinnen wir uns darüber. Wir haben etwas gedacht; was ist denn da in uns vorgegan­gen? So viele Nervenleichen als wir Gedanken gehegt haben, sind

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jetzt da! Das, was zurückbleibt, sind in Wirklichkeit lauter Leichen, so daß wir, wenn wir abends einschlafen, unseren physischen Leib aus dem Grunde sich selbst überlassen müssen, damit er die Gedan­kenleichen wieder fortschaffen kann, die wir während des Tages ge­schaffen haben.

Müssen denn diese Gedankenleichen da sein? Ja, die müssen da sein, denn diese Gedankenleichen sind eigentlich die Abdrücke des Denkens, und wenn wir nicht diese Gedankenleichen bilden könnten, so würden wir bei Tage geradesowenig bewußt einen Gedanken fassen können wie in der Nacht. In der Nacht stehen wir im Gedankenweben in der geistigen Welt darinnen. Da steht uns kein physischer Leib zur Verfügung, in den wir Gedankenleichen eindrücken könnten. Der Gedanke geht gleich fort und löst sich auf in dem Allgedankenleben. Das ist der Unterschied, daß wir bei Tage den Gedanken im physi­schen Leibe festhalten können: da verhärtet sich das Gedankenleben, und dieses Verhärten bewirkt, daß wir das Gedankenleben bewußt haben können.

Das ist der genauere Prozeß. Aber er ist von der Art, daß man daran zeigen kann, wie der Materialismus eigentlich danebenhaut. Der Mate­rialismus glaubt, daß er in dem, was dadrinnen als Leichenprozeß vor sich geht, die Ursache des Denkens suchen müsse. Aber was da sich vollzieht als Leichenprozeß, das ist in Wirklichkeit ein Absonderungs-prozeß des Denkens, und die Nerven sind dazu da, damit die Tätigkeit des Denkens in ihnen den Absonderungsprozeß erzeugen kann. Was das Denken übrig läßt, was es nicht brauchen kann, was es ausstößt, das untersucht die physische Physiologie. Dadurch aber bildet sich wieder mit dem wachen Tagesleben etwas, was man nennen kann das Ersterben des Denkens im physischen Leibe darinnen. Die Gedanken-kräfte, die man entwickelt, werden verwendet, um gleichsam Ab-klatsche, Abdrücke von sich zu erzeugen. Da gehen die Kräfte hinein in diese Abklatsche. Während der Nacht gehen sie nicht in solche Ab-klatsche hinein, da leben wir gleichsam im allgemeinen Meere des geistigen Seins. Aber weil wir davon keine Abklatsche bilden können im normalen Leben ohne Initiation, lösen sich auch die Gedanken gleich in diesem allgemeinen Meere auf. Wenn wir sie fassen wollen

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am Morgen, dann sind sie eben aufgelöst; da kann sie nicht einmal die Erinnerung festhalten.

Wenn wir also den Prozeß ganz genau fassen, so können wir sagen:

Irgendein Gedankenprozeß entwickelt sich. Indem er in unseren Leib hineindringt, erzeugt er jene Absonderungsprodukte in den Nerven. Aber bevor er diese Absonderungsprodukte erzeugt, spiegelt er sich. Indem er übergeht in den Leib und die leibliche Tätigkeit, spiegelt er sich zunächst; das Hervorrufen dieser Tätigkeit ist ein Spiegeln.

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Denken Sie sich einmal, Sie schauen durch das Auge einen Gegen­stand an, oder hören durch das Ohr ein Geräusch oder Töne zu­sammenklingen. Draußen ist der Tonzusammenklang. Dieser Ton­zusammenklang geht in das Ohr hinein. In den Gehörnerven entsteht ein Prozeß, eben diese Leichenabsonderung. Und das, was Sie hören, ist daher der zurückgeworfene Ton, eigentlich ein inneres Echo.

Auf diese Art sind wir in unserem alltäglichen Erleben ganz in einer Spiegelbilderwelt, und unser eigenes Sein ist in diese Spiegelbilderwelt hineinverwoben. Denn unser wahres Sein würden wir erfassen, wenn wir außerhalb unseres Leibes uns schwimmend fühlten in dem geisti­gen Sein, wenn wir fühlen würden: Jetzt ergreift dich einer der Angeloi; in dem webst du jetzt, du gehst auf in dem Reiche der Ange­loi, gehst über in das Reich der Erzengel, in das Reich der Urkräfte und so weiter. - Da würden wir uns getragen fühlen in die Reiche der höheren Wesenheiten. Wir würden fühlen: so wahr als durch die Er­kenntnis dieser Wesen das Geschehen in der Welt von Weltalter zu

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Weltalter getragen wird, so tragen sie uns mit von Weltalter zu Welt-alter. Aber dieses nimmt der Mensch im gewöhnlichen Leben nicht wahr. Er taucht unter in den physischen Leib, und das Erleben des eigenen Selbst im wahren Sein erstirbt während des Lebens im physi­schen Leibe, und es bleibt nur die Welt der Spiegelbilder.

Wir können also tief in den Erkenntnisprozeß hineinleuchten, und man möchte wünschen, daß ein Bewußtsein von der Natur dieses Erkenntnisprozesses wirklich das Zeitalter ergreifen würde. Denn dieses Erkennen der Welt als einer Summe von Spiegelbildern, und das Erkennen dessen, daß das eigentliche Sein dahinterliegt, das ist schon ein Aufstieg zu dem, wozu die Menschheit durch die Geistes­wissenschaft wirklich geführt werden soll. Wir können also nicht mehr und nicht weniger sagen als: Der Mensch betritt den physischen Plan, und indem er den physischen Plan betritt, wird er aus der Welt der Realität tatsächlich in eine Welt der Irrealität versetzt, in eine bloße Bilderwelt. - Und diese ganze Schwere der Erkenntnis müssen wir empfinden, daß wir innerhalb einer Bilderwelt stehen, wenn wir auf dem physischen Plane erkennen mit dem Denken und Vorstellen.

So können wir sagen, die geistigen Wesenheiten, indem sie uns dem physischen Plan überlieferten, haben uns herausgeholt aus der Welt wirklicher Realität und in eine Welt der Irrealität versetzt. Und wir erkennen das geradezu zunächst als eine Tatsache des geistigen Wel­tenzusammenhangs, wenn auch noch nicht des Weltenplanes. Als eine Tatsache des Weltenplanes erkennen wir es erst, wenn wir die Frage aufwerfen: Warum sind wir, da wir Wesen der realen Welt sind, als Wesen des physischen Planes in eine Welt der irrealen Bilder hinein-versetzt? Warum? - Nehmen wir an, wir wären es nicht, nehmen wir an, wir wären so auf den physischen Plan versetzt, daß wir nicht Bil­der, sondern Realitäten hätten. Was heißt das denn eigentlich? Das würde heißen: Wir stehen hier wahrnehmend der physischen Welt gegenüber. Wir hören zum Beispiel einen Tonzusammenhang. Die Wirkung dieses Tonzusammenhangs geht in unser Ohr, in unsere Gehörnerven hinein und bewirkt in unserem Gehirn eine Verände­rung. Genössen wir bloß die Vorgänge in den Gehörnerven, hätten wir nicht die Vorstellung; dann würden wir die Realität haben, nicht

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bloß die Bilder. Das ist aber nicht der Fall. Wir sind wirklich heraus­geworfen aus der Welt der Realität und versetzt in eine Bilderwelt, in erne Welt der Irrealität. Wären wir in einer Welt der Realität, in einer Welt der Wirklichkeit, dann könnten wir niemals in die Möglichkeit kommen, selber einer Welt Realität zu geben, denn dem, was wir als Realität erleben, können wir nicht erst Realität geben. Ein Gegen­stand, den ich von außen in die Hand nehme, ist irgend etwas. Er ist nicht nur ein Bild, der Gegenstand ist irgend etwas. Ebensowenig wie ich den Tisch schieben kann, den ich im Spiegel sehe, ebensowenig kann ich irgend etwas Reales anfangen mit der Welt, die mir nur in Bildern gegeben ist. Aber wenn es sich darum handelt, daß wir selber Realitäten schaffen, dann ist es gerade richtig, daß wir in einer Welt von Bildern leben, denn dann haben zwar die Bilder keine Realität, wir können ihnen aber Realität verleihen. Tun wir das?

Ja, das tun wir, auf einem Gebiete unseres Lebens tun wir das. Das tun wir, wenn wir moralisch handeln. In dem Augenblicke, wo mora­lische Impulse unser Seelenieben durchzucken, in dem Augenblicke schaffen wir etwas in die Welt hinein, das ohne uns nicht da wäre. Indem wir die Welt vorstellen, haben wir nur Bilder; indem wir mora­lisch handeln, stellen wir Realitäten in die Welt hinein. Wir würden mit unserer Moral niemals auskommen können in einer Welt, die schon an sich uns als wirklich entgegenträte. Denn da würden wir mit dem, was wir moralisch tun wollen, überall anstoßen an die Welt.

Nehmen wir die Tiere; sie erleben die Welt ganz anders als der Mensch, nicht als eine Bilderwelt, sondern als Welt wirklicher Reali­täten. Deshalb können die Tiere auch keine Moral entwickeln. Der Mensch kann Moral entwickeln aus dem Grunde, weil er die mora­lischen Impulse selbst hineinstellen kann in die Welt, die sonst nur eine Spiegelbilderwelt ist. Was der Mensch als moralische Impulse hineinströmen läßt in die Welt, das strömt als eine von ihm aus­gehende Wirklichkeit in die Welt hinein. Die Götter haben uns her­ausgestellt auf den physischen Plan und unser seelisches Erleben zu einer Welt der Irrealität gemacht, damit wir in die Lage kommen, die moralischen Impulse als Realität in die Irrealität hineinzustellen. Da haben Sie das Schaffen aus dem Nichts heraus, das Schaffen in das

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Nichts hinein, insofern die Vorstellungen eben nur Bilder sind, ein Nichts sind.

Wenn wir nochmals den schlafenden Menschen betrachten, so kön­nen wir sagen: Insofern dieser schlafende Mensch außerhalb seines physischen Leibes und seines Ätherleibes ist, erlebt er aus seiner Ge­dankenwelt heraus, in die hineinverwoben sind die Wesenheiten der höheren Hierarchien. Aber noch etwas anderes durchsetzt und durch­strömt diese Welt. Was ist das? Die Wesen der höheren Hierarchien sind nicht bloß Gedankenwesen, sie sind reale Wesen, sie haben Sub­stanz, und dasjenige, was sie an Substanz haben, das erleben wir nicht in unseren Gedanken, sondern in unserem Willen, namentlich in dem von der Liebe durchwalteten Willen. In unserem Willen! Und indem wir hineinstellen die moralischen Impulse in die Welt, die sonst für uns nur eine Bilderwelt ist, holen wir herunter die Substanz der höheren Wesen in unsere Welt. Was wir wirklich aus moralischen Impulsen heraus tun, heißt nichts anderes, als die Substanz der Wesen der höheren Hierarchien in unsere Welt herunterholen.

Unsere Gedanken, wenn wir mit unserem geistig-seelischen Wesen im physischen Leibe leben nach dem Aufwachen, werden gespiegelt in einem Teile unseres Leibes: es werden die Ablagerungsprodukte des Gedankenlebens im Nervensystem gebildet. Das Wesen der mora­lischen Impulse - die im Grunde genommen also aus dem Wesen der höheren Hierarchien kommen - geht in unseren ganzen Leib hinein, durchdringt unser ganzes Wesen, unsere ganze Organisation, und nicht bloß das Nervensystem. So daß der Mensch gewissermaßen als ein Zweifaches vorgestellt werden kann: als sein Nervensystem - und daran anschließend der ganze übrige physische Mensch, in den hinein-strömt dasjenige, was in seinen moralischen Impulsen sich darlebt.

Aber wir kommen aus der Welt der geistigen Wirklichkeiten, indem wir untertauchen in unseren Leib. Wenn wir so aus den Gedanken-welten herauskommen, flimmert es zurückspiegelnd dadrinnen im Nervensystem; die Gedankenleichen ffimmern zurück. Wir nehmen dieses Flimmern nicht wahr in unserem gewöhnlichen Leben. In uns leben die Gedanken, die in uns nicht geistige Wesen sind, sondern was wir wahrnehmen, ist eine Art Lesen der Gedankenleichen. Aber

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daß diese Gedanken sich spiegeln als ein Lebendiges, das hat seine große Bedeutung in der Weltenordnung. Indem ein Mensch vor einem steht und man hinblickt auf diesen Menschen und sich bewußt ist:

Der nimmt wahr, der denkt - da geht dasjenige, was als Gedanken-weben in seinem Inneren ist, hinein in sein Nervensystem, spiegelt sich in allen Wahrnehmungen, in Tönen und Farben.

Was geschieht nun mit diesem Geisteslicht, das da in ihn hinein-geht? Da kommen die Cherubim, sammeln dieses Licht und ver­wenden es zur weiteren Weltenordnung. Wir alle sind die Leuchter, die aufgestellt sind in der Weltenordnung. Und indem wir denken, wahrnehmen und vorstellen, sind wir die Leuchter der Cherubim in der Weltenordnung; indem wir hier leben, sehen wir, wie diese Lich­ter der physischen Welt leuchten. So sind wir die Leuchter der geisti­gen Welten für die Cherubim. Indem wir denken, strahlt Gedanken-licht aus uns heraus, und das erleuchtet die Welt, in der die Cherubim leben.

Indem wir hineindringen in unseren Leib aus der Welt der Sub­stanzen der höheren Hierarchien, derjenigen Substanzen, aus denen geboren werden die moralischen Impulse, die in unsere ganze Organi­sation hereindringen, geschehen unsere Willensimpulse, unsere Hand-lungen. Alles was wir tun, geschieht dadurch, daß diese Willens-impulse in uns tätig sind. Da geschieht nicht nur dasjenige, was äußerlich in der Welt durch uns vor sich geht, sondern, insofern es moralisches Handeln ist, sammeln dieses moralische Handeln die Seraphim. Dieses moralische Handeln ist die Wärmequelle für die ganze Weltenordnung. Unter dem Einflusse von Menschen die un­moralisch handeln, erfrieren die Seraphim, das heißt sie bekommen keine Wärme, mit der sie heizen könnten die ganze kosmische Welt. Unter dem Einflusse des moralischen Handelns erlangen die Sera­phim jene Kräfte, durch welche die kosmische Weltenordnung so unterhalten wird, wie durch die physische Wärme die physische Weltenordnung.

Sie sehen, sehr real wird die Weltanschauung, die uns die Geistes­wissenschaft gibt. Sie bringt uns zum Bewußtsein: Wenn du denkst, vorstellst, bist du das angezündete Licht der Cherubim. Wenn du

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handelst, wenn du etwas tust, den Willen enifaltest, dann bist du die Wärmequelle, die Feuerquelle der Seraphim. Wir schreiten durch die Welt, indem wir uns bewußt sind, daß wir darin nicht nur als nutzlose Taugenichtse sind, sondern darinnenstehen in der Weltenordnung zum Nutzen der ganzen Weltenordnung, wie wir es auch in der Hand haben, in der Welt zu sein eine Quelle von Finsternis. Denn wollen wir dumpf und dumm sein und nicht denken, dann vermehren wir die Finsternis, und die Folge davon ist, daß die Cherubim kein Licht haben. Sind wir unmoralisch, so vermehren wir die Kälte in der ganzen Weltenordnung, und die Seraphim haben keine Wärme.

Nicht solche bloße Theorien gibt uns die Geisteswissenschaft, wie das die äußere Wissenschaft tun kann, wenn sie nicht praktische Wissenschaft ist und zur richtigen Anwendung führt. Die Geistes­wissenschaft gibt uns etwas, durch das wir erst wissen lernen, was wir als Mensch in der ganzen Weltenordnung darinnen sind. Dasjenige, was dann aus der Geisteswissenschaft folgt, ist ein Wesentliches, ein Wichtiges: Es ist ein erhöhtes Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber dem Menschensein. Man fühlt, welche Aufgaben man gegenüber dem Kosmos hat, indem man Mensch ist. Man fühlt, daß man Mensch im richtigen Sinne sein kann und Mensch im nicht richtigen Sinne sein kann, daß man zu Finsternis und Kälte oder zu Licht und Wärme in der Weltenordnung das Seinige geben kann.

Man möchte gerade mit diesem lebenspraktischen Ziele die Geistes­wissenschaft in die Welt hineintragen, auf daß sie die Herzen ergreife. Denn man kann sicher sein, daß dann die Geisteswissenschaft wirk­lich imstande sein wird, eine neue menschliche Seelenverfassung und damit überhaupt eine ganz neue Form des menschlichen Erlebens auf der Erde und weiterhin im Weltenail zu erzeugen, weil sie nicht nur ein Wissen überliefert, diese Geisteswissenschaft, sondern eine Quelle von wahren, echten Lebenskräften ist. Man möchte so gern, daß dieses erfaßt werde, so recht tief erfaßt werde von denen, die heute den Drang fühlen zu dieser Geisteswissenschaft! Denn allzusehr wird noch diese Geisteswissenschaft als etwas Äußerliches genommen, allzusehr noch so, daß sie auch wie anderes Wissen die Neugierde oder sagen

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wir die Wißbegierde befriedigen soll. Aber der Ernst muß wachsen, mit dem die Geisteswissenschaft ins Leben hineingestellt wird. Das ist es, was unsere Zeit so nötig hat: nicht bloß den Glauben an die geistige Welt, sondern die Möglichkeit, sich der geistigen Welt gegen­überzustellen so, daß sich die menschliche Seele wirklich hinneigt zu der geistigen Welt. Und wie das Kind aus der Mutterbrust die Nah­rung saugt, so saugt diese Menschenseele aus dem, was ihr die Gei­steswissenschaft zu eröffnen vermag: Lebenssubstanz fur eine neue Form des Erdenerlebens, des Erdentums, des Sich-darinnen-Wissens in der geistigen Welt.

Erst wenn von diesem Zauberhauch des Fühlens und Empfindens das Verhältnis der Menschen zur Geisteswissenschaft durchdrungen sein wird, wird man die Geisteswissenschaft in ihrem wahren, inner­sten Lebenskern verstehen. Das aber wird notwendig sein, daß sie insbesondere erst Wurzel fasse unter denen, die teilnehmen an einem gemeinsamen Werke geisteswissenschaftlicher Bestrebungen.

Was soll denn dieser unser Bau anderes sein, als dasjenige, an dem wir teilnehmen - insbesondere jene, die daran arbeiten -, teilnehmen als an einem Gemeinsamen, an einem Zusammenfließen der Gesin­nungen, welche die Geisteswissenschaft erweckt! Das ist das ungeheuer Wichtige und Bedeutungsvolle. Wird in dieser Gesinnung der Bau aufgerichtet, dann wird er nicht nur dieser trockene Bau sein mit sei­nen Formen, sondern wird sein etwas, was weit in die Welt hinaus-strahlt; wird das sein, was in. liebevollem Schaffen, in echtem zu­sammenwirkendem Schaffen diejenigen hineingestellt haben, die daran gewirkt haben. Was diese haben hineinströmen lassen in den Bau, was sie gleichsam zurückgelassen haben in diesem Bau, mag es selbst die kleinste Tätigkeit sein, mag diese Tätigkeit noch so lose zusammen­hängen mit diesem Bau - ist sie gerichtet in Liebe nach dem, was der Bau sein soll, nach dem, was einströmt als diejenige menschliche Gesinnung, die aufgehen will in der kosmischen Ordnung, dann wird dieser Bau etwas sein, was nicht bloß ein Totes ist, sondern ein Leben­diges, ein wirklich Lebendiges.

Das ist das Geheimnis unserer Gedankenleichen: daß wir sie wäh­rend einer gewissen Zeit immer wieder beleben können. Und die

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andere Seite, die des Erinnerns, habe ich das letzte Mal auseinander­gesetzt: dasjenige, was die Gedanken als Gedankenleichen in uns er­zeugt haben und was in seiner Form zurückbleibt, wie die mensch­lichen Leichen auf der Erde zurückbleiben, das kann durch spätere Seelenkräfte wieder belebt werden. Und wenn eine Erinnerung auf­taucht, so wird das, was nur Gedankenleiche ist, für eine Weile wieder lebendig erstrahlen in uns.

Arbeiten wir daran, daß unser Bau in der menschlichen Ordnung etwas Ähnliches ist, daß diejenigen, die kommen, um ihn anzuschauen, unbewußt versetzt werden in jene Sphäre der Liebe, mit der er auf­gebaut ist! Denn dann wird er sein nicht bloß ein Zusammenhang von toten Formen, sondern etwas, das im Anschauen belebt wird wie die Gedankenleichen der Erinnerung. Und es ist für alle Zukunft dann so, daß durch die Art, wie wir daran arbeiten, dieser Bau etwas sein wird, was immer wieder und wieder belebt werden kann von denen, die ihm gegenübertreten.

Indem wir diesen Gedanken auf unsere Seele wirken lassen, ge­winnen wir ein lebendiges Verhältnis zu diesem unserem Bau, das­jenige lebendige Verhältnis, das wirklich die Menschheit braucht, in­dem sie von der Gegenwart in die Zukunft hineinlebt. Denn vieles wird nicht Leiche bleiben dürfen, sondern wird leben müssen, aber wird nur leben können dadurch, daß jene neuartige Gesinnung auf-kommt, die ein Ergebnis der Geisteswissenschaft und der geistigen Erkenntnis sein muß.

ACHTER VORTRAG Dornach, 20. Dezember 1914

#G156-1967-SE134 Okkultes Lesen und okkultes Hören

#TI

ACHTER VORTRAG

Dornach, 20. Dezember 1914

#TX

Ich versuchte mit den verschiedenen Betrachtungen der letzten Zeit, die hier angestellt worden sind, weniger einzelne Begriffe und Vor­stellungen Ihnen zu übermitteln, als vielmehr eine bestimmte Art, sich zur Welt zu stellen, zu charakterisieren. Denn das muß immer wieder und wieder ins Auge gefaßt werden, daß das Allerwichtigste in bezug auf die Errungenschaft, die durch die Geisteswissenschaft kommen soll, nicht das Begriffliche, das Vorstellungsmäßige ist, sondern die ganze Seelenverfassung, die ganze Seelenstimmung, die sich der Mensch der Zukunft aus unserer Erdenentwickelung durch die Geisteswissenschaft wird aneignen können.

Heute haftet fast allen, die sich in die Geisteswissenschaft hinein­stellen, noch etwas an von Überbleibseln alter Gesinnungen, alter Seelenstimmungen. Und dies ist insbesondere dadurch noch in ver­stärktem Maße der Fall, als ja eine gewisse Seelenstimmung in der modernen Seele erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit hervorgerufen worden ist, seit drei, vier bis fünf Jahrhunderten.

Hervorgerufen worden ist im Suchen nach der Enträtselung von Naturerscheinungen diese Seelenstimmung, die ich bezeichnen möchte als ausgehend von der sogenannten wissenschaftlichen Weltbetrach­tung, die man in weitesten Kreisen noch als die einzige wissenschaft­lich gültige ansieht. Wissen wir doch, daß das Durchdrungensein von wissenschaftlichen Begriffen und Vorstellungen als die Grundlage einer Weltanschauung ja nur bei einem kleinen Teile der Erdenmenschheit heute erst Platz gegriffen hat. Aber im Grunde genommen sorgt die moderne Schulerziehung dafür, daß viel weniger die Wissenschaft als diese wissenschaftliche Gesinnung sich rasend ausbreitet, und da diese wissenschaftliche Art der Seelenstimmung erst so kurze Zeit Platz ge­griffen hat, so ist es natürlich auch der geisteswissenschaftlichen Welt-stimmung schwierig, sich hineinzustellen in dasjenige, was erst seit kur­zer Zeit Platz gegriffen hat und was bei der Mehrzahl der Menschen sich erst als ein Übergangsstadium in der Evolution ausbilden muß.

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Diese wissenschaftliche Weltanschauungsstimmung führt ganz not­wendigerweise allmählich zu einer Art Materialismus, denn sie kann gar nicht anders sein als einseitig. Sie ist in einseitiger Weise erworben durch das, was man nennen kann die Kopferlebnisse des Menschen, und sie strebt ja auch dahin, möglichst alles aus den erwähnten Welt­anschauungsvorstellungen auszuscheiden, was nicht dieser Kopf­stimmung des Menschen entspricht, was nicht erdacht, nicht ersonnen, nicht durch Experiment oder durch die Beobachtung mit Hilfe des Ersinnens und Erdenkens gewonnen ist. Diese Weltanschauungs­stimmung hat auch, könnte man sagen, in bezug auf die Anschauung vom Menschen ihre Einseitigkeit wirklich bewahrt, und in Anbetracht des vielen, was da an Impulsen in die menschliche Seele eingezogen ist, können wir fühlen, wie schwierig es sein wird, die umfassendere, von dem ganzen Menschen wieder ausgehende Seelenstimmung der Welt gegenüber, durch die Geisteswissenschaft zu entfalten.

Wenn heute jemand, der so recht darinnensteht in der wissenschaft­lichen Weltanschauung, ein Buch in die Hand bekommt wie die «Geheimwissenschaft im Umriß», da sieht er den Inhalt dieses Buches wie eine Art hirnverbrannten Unsinns an, weil diesem Buch seine einseitige Hirn- und Kopfstimmung natürlich keine besonderen Töne abgewinnen kann. Nun zeigt sich gerade an einer Erscheinung -natürlich an vielen Erscheinungen, aber an einer Erscheinung ganz eklatant - etwas von einem radikalen Gegensatz der geisteswissen­schaftlichen Weltanschauungsstimmung gegenüber der im begrenzten Sinne naturwissenschaftlichen Weltanschauungsstimmung. Diesen einen Punkt möchte ich zunächst hervorheben.

Wenn wir geisteswissenschaftlich den Menschen studieren, so zeigt sich uns bei dem weiteren Zurückgehen in urferne, vergangene Zei­ten - wie wir sagen in die Mondenentwickelung unseres planetari­schen Daseins -, daß, wenn wir so den Menschen zurückverfolgen, allmählich dasjenige, was gerade für des Menschen Erdenentwickelung diesem Menschen so bedeutungsvoll erscheint, eigentlich in der alten Mondenentwickelung noch nicht vorhanden war. In dieser alten Mondenentwickelung war von dem heutigen Menschen im wesent­lichen - ich sage im wesentlichen - dasjenige vorhanden, was mehr

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oder weniger zusammenhängt gerade mit der heutigen Gehirnent­wickelung des Menschen. Und das, was der Mensch außer seinem Haupte hat, außer demjenigen, was hauptsächlich zum Schädel, zum Kopfe gehört, das, was er als seine übrige Leiblichkeit hat, ist im wesentlichen Erdenprodukt, Erdenorganisation.

Im wesentlichen, sage ich wieder; man könnte nämlich auch so sagen: Wenn man zurückverfolgt den Menschen bis zur alten Mon­denentwickelung, dann sieht man allmählich, je weiter man zurück­geht, seine äußeren Gliedmaßen, durch die er heute ein Erdenmensch ist, einschrumpfen, und das, was bleibt, ist sein Haupt, das umgestaltet worden ist durch die Erdenentwickelung, das aber im wesentlichen bleibt, wenn man zurückgeht zur Mondenentwickelung. Das andere hat sich anorganisiert, angegliedert. Ich habe das einmal genauer aus­geführt in den Vorträgen über « Okkulte Physiologie», von denen ich hoffe, daß sie einmal erscheinen werden, in dem Prager Zyklus, den ich im Jahre 1911 gehalten habe. Also, im wesentlichen kommen wir

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darauf, daß der Mensch ausgegangen ist von dem, was heute zusammengedrängt, konzentriert in seiner Schädel-organisation vorhanden ist; das andere hat sich angeglie­dert. Wir müssen also sagen, schematisch gezeichnet würden wir den Menschen in seiner Mondenentwickelung so haben (Zeichnung) und in seiner Erdenentwickelung würden wir ihn so haben, daß sich die übrige Organisation daran angliedert.

Nehmen Sie dieses und vergleichen Sie damit das, wozu es die ein-seitige naturwissenschaftliche Weltanschauung bis heute allmählich gebracht hat. In einseitiger Weise - selbstverständlich liegt all diesen Dingen Berechtigtes zugrunde - geht sie davon aus, zu sagen: Der Mensch hat sich aus den niederen Tierstufen allmählich heraufent­wickelt zu seiner heutigen Vollkommenheit. - Was sehen wir denn bei den niederen Tierstufen? Wir sehen bei ihnen gerade dasjenige aus­gebildet, was für den Menschen bei der Erdenentwickelung zu der Gehirn- und Kopfentwickelung hinzugekommen ist - und gerade das sehen wir bei den Tieren verkümmert, was des Menschen Haupt ent­hält. Wir sehen bei den Tieren gerade die Gliedmaßen, das, was als

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Anhängsel bei dem Menschen hinzugekommen ist, besonders aus­gebildet, und das, was als Haupt beim Menschen sich schon bei der alten Mondenentwickelung besonders herausgebildet hat, was sich dann konzentriert hat, das sehen wir bei den Tieren noch zusammen­geschrumpfr, verkümmert. Aber nur das gerade sieht die natur­wissenschaftliche Weltanschauung. Wir können sagen, sie zäumt eigentlich das Pferd beim Schwanze auf, denn sie macht dasjenige, was sich bei dem Menschen erst angegliedert hat, zum Ausgangspunkt, und das, was beim Menschen vorhanden war, bevor er überhaupt solche Organe besaß, wie sie die jetzigen Tiere haben, zu etwas, was sich aus diesen Formen selber entwickelt haben soll.

Logisch angesehen, heißt das nichts Geringeres, als so schließen:

Man betrachtet ein Kind und dann den Vater und findet, daß der Vater größer ist als das Kind. Da man nun infolge eines logischen Schlusses annimmt, daß das Größere, sich entwickelnd, nur aus dem Kleinen hat entstehen können, so müßte sich der Vater aus dem Kinde entwickelt haben, und nicht umgekehrt. So ist es tatsächlich! So grotesk wird sich einstmals die Einseitigkeit der modernen naturwissenschaftlichen Denkweise vor einem neueren Bewußtsein der Menschheit ausnehmen. Man wird wissen, daß die einseitig aufgefaßte Darwinsche Theorie logisch nichts anderes ist als die Behauptung, daß das Kind seinen Vater geboren habe.

Nun können Sie sich denken, welche Anstrengungen noch not­wendig sein werden, bis die Menschheit umlernt in bezug auf solche Sachen, wie sie jetzt angedeutet worden sind. Was da alies dazugehört, um wirklich umzulernen! Man hat es glücklich dahin gebracht, eine Weltanschauung zu begründen, die die Welt auf den Kopf stellt, und nun wird die Notwendigkeit an die Menschheit heranrücken, die Welt wieder auf die Beine zu stellen. Aber man hat sich - seit kaum drei bis vier Jahrhunderten - recht daran gewöhnt, die Kopfstellung als die richtige anzusehen.

Es gehört wirklich zu unseren Aufgaben, nicht bloß theoretische Vorstellungen uns anzueignen über dieses oder jenes in der Welt, sondern Gefühle und Empfindungen uns anzueignen für dieAufgaben, die uns innerhalb der geisteswissenschaftlichen Bewegung obliegen.

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Wir müssen uns klar sein, wie sehr dasjenige, was für uns folgen muß aus der geisteswissenschaftlichen Auffassung der Welt, sich wirklich unterscheiden muß von dem, was uns draußen heute überall umgibt. Sonst werden wir immer wieder und wieder in den Fehler verfallen, den radikalen Unterschied nicht zu bemerken und leichtfertig Kom­promisse schließen zu wollen, während wir uns bewußt sein müssen, daß wir nicht anders können, als nicht auf frühere Weltanschauungen etwas darauf zu pfropfen, sondern aus einer neuen Urzelle des Welt­anschauungslebens zu entwickeln dasjenige, was uns als das Richtige aus der Geisteswissenschaft heraus immer mehr und mehr vor-schweben kann. Nur aus diesem Bewußtsein heraus wird es uns ge-lingen, unsere Seele in unsere Aufgabe hineinzustellen, und wir müs­sen uns daran gewöhnen, daß viele Fragen, die draußen außerhalb des Kreises geisteswissenschaftllcher Anschauung auftauchen, erst an-gefaßt werden können, wie ich das mit Bezug auf eine Frage gestern gezeigt habe, wenn wir uns auf das einlassen, was die Geisteswissen­schaft in unserer Seele auslösen kann.

Lassen Sie uns noch etwas anderes betrachten, das uns naheliegen kann gegenüber dem Orte, wo wir gerade jetzt stehen, dem Orte, wo wir unseren Bau aufgeführt haben. Ich habe es früher öfter betont, wie Kunst, Wissenschaft und Religion drei Zweige des menschlichen Geisteslebens sind, die aus einer Wurzel entsprangen. Wenn wir zu­rückgehen - so sagte ich oftmals - in die Zeit der Urmysterien, da finden wir noch nicht die Verrichtungen der Urmysterien so, daß wir sagen könnten, sie wären Kunst oder Religion oder Wissenschaft, son­dern sie sind das alles zusammen. Eine Einheit, organisch miteinander verbunden, ist in den Urmysterien Wissenschaft, Religion und Kunst.

Was die Menschen heute mit den ohnmächtigen Begriffen und Vor­stellungen, von denen ich gestern gesprochen habe, sich zu vergegen­wärtigen versuchen, das erblickte der Mensch in lebendiger Dar­stellung, in lebendiger Anschauung in den Urmysterien. Er nahm wahr das, was er heute nur denken kann. So wie wir heute ein Kunst­werk anschauen, werden wir künftig nicht an das Kunstwerk heran­gehen. Wir werden nicht an das Kunstwerk so herangehen, daß wir es erst anschauen und dann glauben, daß wir es in den Gedanken erst

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verstehen, sondern wir wissen, daß wir es in unmittelbarem Anschauen in der Seele erlebend verstehen. So verstand - erlebend in dem, was er anschaute - der Mensch in den Mysterien, in die er eingeweiht wurde, dasjenige, was er wissenschaftlich begreifen sollte. Was er so wissen­schaftlich begreifen sollte, was er anschauend verstehen, verstehend anschauen sollte, das war zugleich ein Schönes als in äußeren Formen und Farben auftretend, in Tönen und Worten redend: es war zugleich Kunst. Sie waren eins, Wissenschaft und Kunst.

Heute gibt uns nur die Kunst, die sich abgetrennt hat von dem, was uns Wissenschaft geben soli, noch eine Vorstellung von dem, wie man im unmittelbaren äußeren Vereintsein zugleich innerlich vereint ist mit dem Objekte, und nur diejenigen, welche die Barbarei des Sym­bolismus, des Symbolisierens in die Kunst hineintragen wollen, ver­sündigen sich gegen dieses unmittelbare erlebende Verstehen des Kunstwerkes. Denn in dem Augenblicke, wo man anfängt, ein Kunst­werk zu deuten, verläßt man dasjenige, was man das erlebende Ver­stehen des Kunstwerkes nennen kann. Es ist im Grunde genommen eine wirkliche Barbarei, sagen wir, dem «Hamlet» gegenüber so zu verfahren, daß die einzelnen Personen als die Prinzipien der theoso­phischen Anschauung gedeutet werden. Möchte ich es doch nicht er­leben, daß man die einzelnen Formen unseres Baues in dieser Weise symbolisch deutet, denn das unmittelbare verstehende Erleben ist es, um was es sich dabei handelt!

So war in den Urmysterien wissenschaftliches Erleben der Welt zu­gleich künstlerisches Erleben der Welt, und so war zugleich dieses wissenschaftliche und künstlerische Erleben der Welt religiöses Er­fühlen der Welt. Denn, was so erlebt wurde im unmittelbaren leben­digen Anschauen, im erlebenden Verstehen und verstehenden Er­leben, das war dasjenige, das man zugleich verehren konnte, zu dem man mit religiöser Inbrunst seine ganze Seele erheben konnte. Reli­gion, Kunst und Wissenschaft, sie waren eins, und es mußte - ich möchte das religiöse Wort gebrauchen - um der menschlichen erb­sündlichen Schwachheit willen die Trennung eintreten in Wissen­schaft, Kunst und Religion. Dasjenige, was ursprünglich eins war, mußte sich spalten so, daß eine religiöse Strömung, eine künstlerische

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Strömung und eine wissenschaftliche Strömung entstand. Was ur­sprünglich die ganze Menschenseele erfaßt hat als Organismus, ge­woben von wissenschaftlichem, religiösem und künstlerischem Inhalt, das mußte verteilt werden auf die einzelnen Seelenkräfte. Für den Ver­stand, für das Denken, wurde dem Menschen die Wissenschaft ge­reicht, damit, wenn er in der Wissenschaft denkend die Welt erlebt , sein Wollen und Fühlen schlafen, sich ausruhen können.

Der Mensch wurde schwach. Einseitig, im Denken, suchte er wis­senschaftlich die Welt zu erleben, und wieder einseitig suchte er sie künstlerisch zu erleben, damit die andern Kräfte schlafen können, und wieder einseitig religiös suchte er die Welt zu erleben aus demselben Grunde. Der Mensch würde nicht dasjenige, was er gedanklich er­arbeiten kann, in solcher Vollkommenheit herausgestalten können, wie es heute geschieht, wenn sich nicht eine einseitig wissenschaft­liche Strömung herausgebildet hätte; er würde nicht das, was künst­lerisch erreicht worden ist, haben erlangen können, wenn sich nicht die Kunst abgesondert hätte; und die religiöse Inbrunst würde nicht jene Höhe erreicht haben, die sie erreichen mußte, wenn sie sich nicht abgesondert hätte von den andern Seelenkräften, die der Wissenschaft und der Kunst gewidmet sind.

Aber in bezug auf diese Absonderung sind wir tatsächlich bei einer Krisis angelangt, und diese Krisis spricht sich deutlich aus; sehr, sehr deutlich spricht sie sich aus. Worin? Ich möchte sagen, gerade in den letzten Jahrhunderten hat die Menschheit es immer mehr erfahren müssen, wie diese Krisis sich ausspricht. Es haben sich so weit ge­trennt Wissenschaft, Kunst und Religion, daß sie sich gegenseitig nicht mehr verstehen, daß sie gegenseitig keine Beziehungen mehr zueinander haben können. Langsam sehen wir « die diplomatischen Beziehungen» abgebrochen werden zwischen Religion, Wissenschaft und Kunst. Wir sehen, wie noch solche Beziehungen vorhanden sind , sagen wir, in der Hoch-Zeit der italienischen Renaissance, wo noch ein inniges Band gewoben ist zwischen Religion und Kunst in den Schöpfungen Raffaels, Michelangelos und Leonardo da Vincis. Aber je mehr wir hineingehen in die neuere Zeit, desto mehr finden wir, wie sich allmählich ein gegenseitiges Nichtverstehen herausbildet zwischen

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Wissenschaft, Kunst und Religion. Wir sehen da - und müssen es leider bekennen -, wie vielfach in den letzten Jahrhunderten die Religion sogar kunstfeindlich geworden ist, wie sie die Kunst heraus­geworfen hat, wie es religiöse Strömungen gibt, welche die Höhe des religiösen Fühlens dadurch zu erreichen suchen, daß sie die Bildwerke herauswarfen und die Kirchen möglichst nüchtern und kunstleer machten. Wir sehen ferner, wie eine andere religiöse Strömung dahin gekommen ist, Bildwerke zwar noch zu haben, aber meistenteils solche, die keine Kunstwerke mehr sind, denn das, was wir vielfach an Bildwerken aus den letzten Jahrhunderten in den Kirchen noch finden, ist jedenfalls nicht dazu berufen, den Kunstsinn, den ästhe­tischen Sinn zu wecken, sondern ihn gründlich auszurotten. Und wir sehen auf der andern Seite, wie die Kunst sich immer mehr und mehr entschlagen hat ihres Zusammenhanges mit der Auffassung des gött­lich-geistigen Seins, wie alles in Naturalismus übergegangen ist, wie man immer mehr und mehr nur dasjenige darstellen will, was ein Vor­bild hat in der äußeren Natur.

Selbstverständlich muß dann die Kunst ihre, wenn ich so sagen darf, «diplomatischen Beziehungen» zur Religion abbrechen, wenn sie nur naturalistische Kunst sein will, denn dasjenige, was die Reli­gion verehren muß, kann kein Vorbild in der äußeren Natur haben. Das ist ja ganz selbstverständlich. Und wie wenig die Wissenschaft ihre Beziehungen aufrechterhalten hat, sehen wir an dem langsamen Heranrücken dieses Abbrechens der Beziehungen. Ja, langsam heran-rücken sieht man das schon!

Wir haben einen ausgezeichneten Künstler in früheren Jahrhunder­ten, der zugleich als Anatom und Techniker auf den verschiedenen Gebieten tätig gewesen ist: Leonardo da Vinci. Wer seine wissenschaft­lichen Werke durchnimmt, fühlt noch überall, wie diese wissenschaft­lichen Werke durchdrungen sind von künstlerischem Sinn. Man sieht aber, wie mehr und mehr verdunstet dieser Sinn in der neueren Zeit, und wie unkünstlerisch er geworden ist, und wie man heute zu glau­ben scheint, daß gerade die Größe der Wissenschaft darin bestehe, unkünstlerisch zu sein. Es ist geradezu für eine gewisse Richtung der neueren Zeit zum Dogma geworden, daß Goethe deshalb ein so

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schauervoller Physiker sei, weil der künstlerische Sinn ihn nicht einen ordentlichen Physiker habe werden lassen.

Kurz, es ist zum Nichtverstehen gekommen zwischen den drei Strö­mungen. Das aber bezeichnet die Krisis. Denn wenn sich dasjenige, was aus einer Wurzel stammt, so sondert, daß die gegenseitigen Be­ziehungen, die gemeinsamen Lebenssäfte nicht mehr da sind, so ist die Krisis eingetreten, so muß die einseitige Entwickelung diese Lebenssäfte zum Verdorren führen. In bezug auf das Nichtverstehen dessen, was mehr Organismus, mehr zusammenhängender Organis­mus in der Menschennatur ist und in der äußeren Entwickelung sich trennt, haben wir es in neuerer Zeit überhaupt zum Krisenhaften ge­bracht. Wir stecken darinnen in den Krisen. Solche Krisen können so bezeichnet werden, daß wir sagen, die menschliche Natur fordert organische Vereinheitlichung dessen, was eine Zeitlang getrennte Wege in der äußeren Welt gehen mußte. Auf vielen Gebieten des Lebens kann der Mensch, der nicht stumpf durch die Weltenentwicke­lung geht, solches Krisenhafte wahrnehmen, und ein solcher Mensch wird vieles von dem, was nicht bleiben kann in der heutigen Entwicke­lung, in seinen Ursachen in diesen Krisen beobachten, und er wird Aufschluß gewinnen über dasjenige, was zu geschehen hat, wenn er sich Vorstellungen zu machen versteht, wie die Krisen zu überwinden sind.

Eine Krisis sozusagen ist uns angedeutet in dem Nichtverstehen von Wissenschafr, Kunst und Religion. Eine andere Krisis geht durch die Welt, von wenigen bemerkt, aber furchtbar in ihrer Wirkung, eine Krisis, die herrührt von dem Nichtverstehen zweier Strömungen. Die eine Strömung, welche einstmals durch die Welt gehaucht wurde in den so unendlich tiefen, in das Menschenherz eingegrabenen Sprü­chen: «Mein Reich ist nicht von dieser Welt.» «Ihr seid von unten , ich aber bin von oben her.»

Des Menschen Wurzel ist in der geistigen Welt. Das andere aber , das sich immer mehr und mehr entwickeln muß zu einem krisenhaften Gegenüberstehen dem, was zum Ausdruck kommt in den Worten:

«Mein Reich ist nicht von dieser Welt», «Ich bin von oben, Ihr aber seid von unten her», das ist das: «L'e'tat c'est moi! Der Staat bin ich!»,

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mein Reich, das Reich meines Ichs ist eine ganz an diese Welt gebun­dene Wesenheit. Das Richtige liegt in der Synthesis der beiden Sätze. Es liegt in dem universell aufgefaßten Christenturn ausgesprochen:

«Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist. » Im richtig verstandenen Christentum liegt kein falsches Abkehren von der Welt. Es liegt aber auch nicht darin ein Sich-Anhängen an jene Einseitigkeit des Weltendaseins, die bloß in den materiellen Einrich­tungen des Weltendaseins sich ausleben kann.

Wir berühren, indem wir solches aussprechen, die tiefsten Aufgaben wahrhaft anthroposophischer Entwickelung, die allertiefsten Auf­gaben. Denn die Anthroposophie, im wahren Sinne des Wortes, muß nicht einseitig einer Kopfstimmung entsprungen sein, sondern der ganzen Seele des Menschen. Und dann erst wird diese Seele den Über­gang finden in das anthroposophische Leben, wenn sie ganz, nicht bloß in ihrem Vorstellungsleben, ergriffen wird von dem, was die Geisteswissenschaft gegeben hat; wenn ganz, ganz ergriffen wird die Tatsache, daß das, was des Menschen Haupt geworden ist im Mon­dendaseins, während des Erdendaseins auf dem Weg ist, der ganze Mensch zu werden.

Während der alten Mondenentwickelung war ein Wesen da, der Vorfahr des gegenwärtigen Menschen. Was dazumal ein äußerer Orga­nismus war, ist heute zum Haupte geworden; die Glieder haben sich angesetzt. Wenn die kommende Jupiterentwickelung da sein wird, wird diese ganze Organisation des Menschen Haupt geworden sein. Was Sie heute als ganzer Mensch sind, wird Gehirn, Haupt des Jupi­termenschen sein, so wie der ganze Mondmensch zum Haupt des Erdenmenschen geworden ist.

Aber darin besteht die Aufgabe wahrer geistiger Entwickelung, daß die Zukunft wirklich vorausgenommen wird, und deshalb müs­sen wir uns bewußt werden, daß um uns herum eine Kopfkultur ist und daß es uns obliegt, eine Menschheitskultur zu schaffen. Unser Kopf könnte nicht denken, könnte keine Vorstellungen, keine Be­griffe spiegeln, wenn er sich so verhielte, wie unser ganzer übriger Organismus; niemals könnte er wirklich seine Aufgabe erfüllen. Unser Kopf spiegelt die Welt, die unsere Wahrnehmungswelt wird, nur deshalb,

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weil er sich in seinem Wahrnehmen vergessen kann, richtig vergessen kann.

In seinem Fühlen ist der Mensch - Gott sei Dank - ja immer kopf-los! Wenn Sie versuchen, sich durchzuspüren, durchzufühlen und sich zu fragen: Was fühle ich am wenigsten in meinem Organismus?, so ist es wirklich der Kopf, der sich im normalen Leben am meisten vergißt. Und wenn er sich wirklich einmal nicht vergißt, wenn er wehe tut, dann ist es ihm auch am liebsten, wenn er gar nichts wahrnimmt, sondern hübsch im Finstern und ohne Wahrnehmung gehalten wird. Da macht er seinen Egoismus geltend, sonst aber löscht er sich aus , und weil er sich auslöscht, können wir die ganze umliegende Welt wahrnehmen. Er ist organisiert dazu, sich auszulöschen.

Würden Sie nur ein klein wenig die äußere Peripherie des Kopfes nicht vergessen, sondern ins Auge fassen, dann könnten Sie schon nicht mehr die Umgebung wahrnehmen. Denken Sie sich: statt daß Sie hier wahrnehmen können die äußere Welt, Sie Ihr Auge sehen würden; wenn Sie einen Schritt nur zurücktreten würden mit Ihrer Wahrnehmung, dann würden Sie die Schädelhöhle sehen, aber mit der Außenwahrnehmung wäre es nichts. In demselben Maße und in dem Augenblicke, indem es dem Menschen gelingt, auch seinen Orga­nismus ganz auszuschalten - was man bekanntlich durch Meditation und in der Initiation erreicht -, in demselben Maße und Augenblicke wird dieser Organismus ein wirklicher Spiegel der Welt. Nur, daß wir dann nicht den Organismus sehen, sondern den Kosmos. So wie der Kopf auch nicht sich selber sieht, sondern dasjenige, was um ihn herum ist, so sieht der ganze Mensch, als Wahrnehmungsorgan, den Kosmos. Das ist das Ideal, das uns vorschweben muß: Vergessen des Organismus, so wie er uns auf dem physischen Plane erscheint, und dafür ihn benützen können als Spiegelungsapparat für die Geheim­nisse des Kosmos.

So erweitern wir allmählich unsere Kopfauffassung zu erner Ganz-mensch-Auffassung der Welt, und wir müssen lernen, etwas davon zu verspüren, zu empfinden, zu fühlen, wie uns wirklich Anthropo­sophle als ganzen Menschen ergreifen muß, überwindend diese Kopf-stimmung. Ich nenne sie im Gegensatz zur anthroposophlschen Stimmung

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Kopfstimmung, da sie von der modernen Wissenschaft aus­geht und so ganz nur den Kopf erfaßt.

Wenn Sie etwas von dem real nehmen, was ich gestern gesagt habe, als ich schilderte, wie sich der Mensch bewußt werden kann, daß er ein Leuchter ist für die Cherubim, ein Wärmeapparat für die Seraphlm, wie er sich also im Denken und Wollen hineinstellt in die Welt, wie er etwas bedeutet für die Welt, wie sein Selbst nicht nur für sich ist, sondern daß es in einem lebendigen Verhältnis zu dem Weben und Leben der geistigen Hierarchlen steht - wenn Sie das zu einer Ge­sinnung machen, dann werden Sie etwas verspüren von dem, wie der ganze Mensch richtig Gehirn werden kann, wie er als ganzer Mensch so in Kommunikation kommen kann mit seiner Umgebung, wie sonst nur das Haupt. Dann werden Sie fühlen, was eigentlich gemeint ist mit diesem: als ganzer Mensch auffassen die Welt.

Wenn man aber wieder als ganzer Mensch auffaßt die Welt, dann kann man nicht einseitig denken, fühlen und wollen, sondern man lebt sich ein in das ganze Erdensein. In das ganze Erleben der Welt lebt man sich ein, und es entsteht von selbst, ich möchte sagen, das innere Angewiesensein darauf die Dinge nicht nur in Gedanken zu haben, sondern auch in Formen, die Dinge nicht nur in den form­losen Gedanken, sondern in den schönen, ausdrucksvollen Formen zu haben. Es entsteht der Trieb, das Bedürfnis, künstlerisch auszu­drücken dasjenige, was verstandesmäßig gewußt wird.

Und wiederum: wenn der Mensch also eintaucht in das ganze gei­stige Weltenleben, so wird sein Leben im Grunde genommen Gebet, und er hat dann nicht mehr so unbedingt nötig, hübsch auszusondern seine Minütchen, in denen er betet. Sondern indem er weiß: Wenn ich denke, bin ich Leuchter der Cherubim, wenn ich handle, wenn ich wollend handle, bin ich Wärmeapparat für die Seraphim -, dann weiß er: er lebt darinnen in dem ganzen geistigen Weltgefüge. Denken wird ihm selbst zur religiösen Gesinnung; Handeln wird ihm zum moralischen Gebet.

Wir sehen, wie diese drei Gebiete, die eine Weile getrennt gehen mußten in der Welt, sich wiederum suchen aus dem ganzen Menschen heraus. Der Mensch hat sich im Beginne der Erdenentwickelung so

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viel mitgebracht als außerirdische Entwickelung, daß er noch das lebendige, einheitliche Gefühl, das Einheitsstreben hatte, wie es sich in der alten Vereinigung von Kunst, Religion und Wissenschaft zum Ausdruck brachte. Man könnte sagen, in dem Menschen strebte da­mals noch sein Engel, sein Angelos. Aber der Mensch wäre niemals frei geworden, wenn es so fortgegangen wäre. Der Mensch mußte emanzipiert werden von diesem alten Erbgut. Aber er muß wieder-finden in der aufsteigenden Entwickelung, was er in der absteigenden Entwickelung verloren hat.

Es ist öfter ein schönes Wort gesprochen worden von der Bau­kunst. Man hat die Baukunst eine gefrorene Musik genannt. Bleiben wir bei dieser einen Kunst stehen. Man kann wirklich die Baukunst in ihrer bisherigen Entwickelung eine Art gefrorene Musik nennen. Die Formen der Baukunst sind wie erstarrte Melodien, wie fest-gewordene Harmonien. Aber wir haben die Aufgabe, da wir unmittel­bar darinnenstehen in der angedeuteten Krisis, das Erstarrte wieder in Bewegung, in Lebendigkeit zu bringen, gewissermaßen die erstarr­ten Formen wiederum musikalisch zu machen. Und schließlich, wenn Sie unseren Bau sehen, werden Sie ihm das Bestreben ansehen, die alten erstarrten Bauformen in Bewegung zu bringen, in Leben um­zuformen, sie wieder musikalisch zu machen. Dem liegt zugrunde, daß wir nur eine einzige Symmetrieachse haben, keinen Rundbau, sondern eine einzige Symmetrieachse, längs welcher sich die Motive fortbewegen. So sehen wir, wie das, was geisteswissenschaftllche Welt­anschauung auch als Kunst will, in innigem Zusammenhang steht mit allen Aufgaben, mit allen notwendigen Impulsen unserer Zeit, die wir in den Krisen unserer Zeit erkennen. Dieses zu verstehen, zu durch­schauen, ist unsere Aufgabe, ist ungeheuer notwendig zu unserer Auf­gabe. Alle Einzelheiten unserer Aufgabe müssen wir von diesem Ge­sichtspunkte aus allmählich zusammenschauen.

Der Mensch verlernt heute früh, seinen ganzen Organismus wie eine Art Gehirn zu gebrauchen. Die Anlage hat er schon, aber kaum hat er sich vom kriechenden Kinde zum aufrechtgehenden Menschen entwickelt in den ersten Lebensjahren, so verlernt er, eine Beziehung zu seinem ganzen Organismus zu haben, wie er sie sein ganzes Leben

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hindurch zu seinem Gehlrn hat; denn dieses Sich-Aufrichten, dieses Sich-in-die-Vertikale-Bringen ist in der Tat ein Arbeiten des Geistes an dem ganzen Menschen. Das ist der letzte Rest dessen, was wir aus dem geistigen, vorgeburtlichen Leben mitbringen, denn im Erden-leben verlernen wir es rasch. Und dann schleppen wir den ganzen Organismus, der ißt und trinkt und verdaut, wie eine Last durch das Leben; wir schleppen ihn durchs Leben und bringen ihn nicht mehr in eine respektable Beziehung zur geistigen Welt, sondern weitab von der Welt.

Das Kind hat noch die große Weisheit, sich zu richten danach, daß des Menschen Aufgabe in weltenfernen Höhen liegt und mit seinem Organismus die Richtung der weltfernen Höhen zu suchen. Wenn das vorüber ist, wird - ich wili nicht gleich so unhöflich sein wie die mittelalterlichen Mystiker, die da sagten, es werde der Organismus zum eklen Madensack -, sondern ich will sagen, der Organismus wird zum Verdauungs- und Magensack und wird abgesondert von der Be­ziehung zur Außenwelt.

Nicht einmal jene Beziehung zur Außenwelt wird noch aufrecht­erhalten, von der ich gestern gesprochen habe. Wenn wir zum Bei­spiel das Haupt in die Hand stützen, um dadurch etwas Gewichtiges in dem äußeren Organismus zum Ausdruck zu bringen, wir beachten es kaum. Und wenn jemand in seinem Unbewußten die Gewohnheit sich bewahrt hat, den ganzen Organismus mitzubenutzen und nicht nur mit dem Gehirn zu denken, sondern auch die Hand oder den Zeigefinger an die Stirn oder die Nase zu legen, damit andeutend, daß er jetzt wirklich unterscheidet und urteilt - wir beachten nicht, daß es ein instinktives Bestreben ist, den ganzen Organismus wie ein Ge­hirn zu betrachten. Es braucht ja nicht in dieser äußeren Weise zu geschehen. Selbstverständlich denkt die Geisteswissenschaft nicht dar­an, den Menschen zu einem Zappelfritzen zu machen, der mit dem ganzen Leibe denkt. Aber geistig muß selbstverständlich das Bewußt­sein sich dazu erweitern, mit dem ganzen Menschen darinnenzustehen in dem Kosmos, zu wissen, daß sich der Kosmos durch seinen ganzen Körper spiegeln kann, wie sich jetzt der Kosmos nur durch das Ge­hirnerleben spiegelt.

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Wenn so das Bewußtsein erweitert wird, wenn wirklich der Mensch darüber hinauskommt, sozusagen seinen Organismus nur mitzu­schleppen durch das Leben, wenn er ihn gebrauchen, handhaben lernt, dann wird dasjenige vorbereitet, was in unserer Zeit vorbereitet wer­den muß. Eine menschliche, eine totalmenschliche Weltanschauung, gegenüber der bloßen Gehirnanschauung, muß dasjenige werden, was die Anthroposophie anzustreben hat.

Versuchen wir das, und versuchen wir so zur Gesinnung zu er-heben, was sonst doch nur Vorstellung bleibt, dann werden wir errei­chen, was intendiert wird mit dieser unserer geisteswissenschaftlichen Bewegung. Denn wir werden allmählich als Menschen finden, hinauf­steigend in der Entwickelung, die wirkliche Christus-Gestalt, wenn wir uns immer mehr und mehr eingelebt haben in die ganzmensch­liche Auffassung der Welt. Daß diese Christus-Gestalt nicht gefunden werden kann, daran ist nur die Gehirnanschauung schuld! In dem Augenblicke, wo sie überwunden wird, wo die Geisteswissenschaft so stark geworden sein wird, daß sie den Menschen in der charakteri­sierten Weise umorganisiert in bezug auf sein Bewußtsein, wird das, was schon öfter gesagt worden ist von der Christus-Anschauung, wirklich eintreten. Dann aber wird unsere Menschenwelt dasjenige erreichen können, was sie doch nur von innen heraus erreichen kann und was sie über manches hinwegführen wird, das jetzt nicht nur innerlich, in bezug auf die Weltanschauungen, sondern auch äußer­lich in bezug auf die Menschen und Nationen geradezu zu einer Krisis unter der gebildeten Erdenmenschheit geführt hat.

Man möchte, daß die Menschen allmählich einsehen, wenigstens ein kleiner Teil der Menschen einsähe, daß wirklich Hilfe nötig ist! Dann wird man auch einsehen, daß die Hilfe, welche die Menschheit braucht, nur geleistet werden kann von den Seelen aus, daß alles andere nicht einmal Surrogate sein können, weil gegenüber den großen Kri­sen unserer Zeit nicht mehr Surrogate helfen können, sondern nur das Echte und Wahre. Und das Echte und Wahre muß im Geiste von der Menschheit erobert werden.

NEUNTER VORTRAG Dornach, 26. Dezember 1914

#G156-1967-SE149 Okkultes Lesen und okkultes Hören

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NEUNTER VORTRAG

Dornach, 26. Dezember 1914

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Mit scharfen Zügen wird sich vielen Seelen die Erinnerung gerade an dieses Weihnachtsfest einprägen, denn es ist wohl kaum ein schärfe­rer Gemütskontrast zu denken als der, welcher sich ergibt, wenn wir unsere Seele erheben zu der Stimme, die den Hirten ertönte, darstel­lend einen ewigen Wahrspruch für alle menschliche Erhebung der nachchristlichen Zeit:

Göttliche Offenbarung in den Höhen

Und Friede den Menschen auf Erden,

Die eines guten Willens sind,

wenn wir unsere Seelen erheben zu dem «Friede den Menschen auf Er­den» und die heutige Tatsache betrachten, dasjenige, was wir ausgebrei­tet finden über den Horizont eines großen Teiles der gebildeten Welt.

Gerade um dieses Kontrastes willen wird ein lange in der Erinne­rung bleibendes Wahrzeichen für die Menschenherzen der Erde das nun erlebte Weihnachtsfest sein. Können wir doch gewiß, wenn wir dasjenige wahren, was wir unaufhörlich zu wahren haben auf dem Felde unseres geisteswissenschaftlichen Denkens - innere Herzens-aufrichtigkeit und innere Seelenwahrhaftigkeit -, können wir doch wahrlich dieses Weihnachtsfest nicht mit denselben Gefühlen begehen, wie wir andere Weihnachtsfeste begangen haben. Denn anregen muß es uns zu tiefem Nachdenken, anregen muß es uns ganz besonders zu dem, was sich uns aus unserer geisteswissenschaftlichen Vertiefung heraus als Idee für die Menschenzukunft ergibt, zu dem, was Men­schenherzen zurückführen kann zu Zeiten, die der unsrigen nicht ähnlich sind.

Wir haben im Laufe der Jahre gar manches in unsere Seele ein­geschrieben, das uns hlnweisen kann auf die Art von Seelenverfas­sung, welche solche Zeiten herbeiführte. Was ist es denn, wovon wir fühlen müssen, daß es auch noch der Gegenwart so sehr fehlt? Wenn

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wir dasjenige, was oftmals das Herz unserer Betrachtungen gebildet hat, uns vor das Seelenauge rufen, dann werden wir sehen: es fehlt in den Tiefen der menschlichen Seele doch noch die Wahrheitserkennt­nis davon, was in die Welt gezogen ist an dem Tage, dessen Erinne­rung wir in dieser Winterweihenacht jedes Jahr begehen.

Das ganz Bedeutungsvolle, das ganz Tiefe, das geschehen ist in der Zeit, an die uns diese Winterweihenacht erinnert, es ist wahrhaft nicht umsonst tief bedeutsam ausgedrückt in dem Spruche, den die Erdenmenschheit ja auch, man möchte sagen, aus Anhänglichkeit an­genommen hat, in dem Spruche:

Göttliche Offenbarung in den Höhen

Und Friede den Menschen auf Erden,

Die eines guten Wiliens sind.

Das Einfachste, es ist oftmals für die Menschenherzen das am schwersten Verständliche, und so einfach dieser Spruch uns erklingt, so tun wir doch recht, wenn wir uns immer klarer und klarer machen, daß alle kommenden Zeiten des Erdendaseins fählg sein werden, die­sen Spruch gerade immer tiefer und tiefer zu verstehen, sich immer mehr und mehr in seine bedeutsamen Worte hineinzuleben.

Nicht umsonst ist am populärsten geworden aus der geheimnis­vollen Geschlchte des Erscheinens Jesu auf Erden die Erscheinung der Weihnachtsweihenacht; nichts ist populärer geworden als das in das Erdenleben eintretende Jesuskind. Üaben wir doch damit die Möglichkeit, etwas vor die Menschenseele hlnzustellen, das liebevoll aufgenommen wird auch von dem Herzen des noch kleinen Kindes, sofern dieses Kind die äußeren Sinneseindrücke, wenn auch vielleicht noch nicht einmal mit Worten, empfangen kann - und das doch zu­gleich etwas ist, was so tief sich hineinsenkt in diejenigen Seelen-gründe, wo die Liebe am sanftesten und zugleich am stärksten wär­mend den Menschen durchwallt.

Wahrhaftig, die Erdenmenschheit ist noch nicht viel weiter als bei der kindlichen Auffassung des Christus Jesus-Geheimnisses, und Epoche über Epoche wird noch vergehen müssen, bis die Menschenseele

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wiederum jene Stärke gewinnt, durch welche sie die ganze Größe des beginnenden Mysteriums von Golgatha in sich aufzunehmen ver­mag. So sei denn dieses Mal nicht eine Weihnachtsbetrachtung wie in andern Jahren angestellt, sondern einiges vor Ihre Seelen gebracht, das uns hinweisen darf, wie manches uns noch fehlt von jener Tiefe, die notwendig ist, um das Mysterium von Golgatha so recht in unse­ren Seelen aufleuchten zu lassen.

Wir haben gerade im Laufe des letzten Jahres öfter gesprochen da­von, wie wir eigentlich auf unserem geisteswissenschaftlichen Boden nicht den Eintritt nur eines Jesuskindes, sondern zweier Jesuskinder zu feiern haben, und es darf gesagt werden, daß damit, daß sich uns durch die geisteswissenschaftliche Betrachtung dieses Geheimnis von den zwei Jesusknaben geoffenbart hat, der schwache Anfang gemacht worden ist zu einem neuen Verständnisse des Mysteriums von Gol­gatha. Langsam und allmählich nur konnte dieses Mysterium von Golgatha die Menschengemüter ergreifen. Wie es eingezogen ist in diese Menschengemüter, das kann sich vor unsere Seelen hinstellen, wenn wir zum Beispiel den Blick darauf werfen, daß gewissermaßen dasjenige, was sich die heutige Christenmenschheit erkämpft hat in der Anschauung des Weihnachtskindes, sich durchringen mußte, von Osten nach Westen gehend, durch andere Auffassungen von einem göttlichen Mittler zwischen den höchsten göttlich-geistigen Wesen­heiten und der menschlichen Seele.

Auch darauf haben wir schon öfter den Blick geworfen, daß paral­lelgehend mit dem Strome christlichen Lebens von Osten nach Westen ein anderer Offenbarungsstrom ging, mehr im Norden, über das Schwarze Meer herüber, der Donau entlang aufwärts bis zum Rhein herüber, bis nach Westeuropa hinein. Jener Dienst, den wir kennen als den Mithrasdienst, ist verschwunden nach den ersten Jahrhunder­ten der christlichen Zeitrechnung. Aber in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechung hatte er in Europa ebenso viele Herzen ergriffen wie das Christentum selber, hatte sich tief eingeprägt und sich verbreitet in den Gegenden Mittel- und Osteuropas. Mithras er­schien denen, die sich zu ihm bekannten, ebenso hehr und groß als der göttliche Mittler, der heruntergestiegen ist aus geistigen Höhen

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in das Erdendasein herein, wie den Christen der Christus erschien. Ebenso hören wir, wie das Hereintreten des Mithras in das Erden-dasein in der Winterweihenacht des kürzesten Tages gefeiert worden ist; ebenso hören wir, daß er verborgen in einer Höhle geboren wor­den ist, daß Hirten zuerst seinen Lobgesang vernahmen. Der Sonn­tag wurde ihm, ebenso wie andere christliche Festtage, geweiht.

Und wenn wir fragen: Was ist das Charakteristische an dem Herab­steigen dieser Mithrasgestalt?, so müssen wir sagen: So wie der Chri­stus vorgestellt wurde in dem Jesus, so wurde der Mithras nicht vor­gestellt. Wenn man sich ein Abbild, eine bildliche Vorstellung von ihm machte, so wußte man, daß man damit nur eine symbolische Vor­stellung hatte. Der wahre Mithras war nur zu schauen von denen, die hellseherisches Schauen hatten. Zwar wurde er vorgestellt als Mittler zwischen den Menschen und den geistigen Hierarchien; aber nicht so wurde er vorgestellt, daß er sich in einem Menschen verkörpert habe. Er wurde so vorgestellt, daß er, als er herabstieg auf die Erde, in sei­ner wahren Wesenheit nur sichtbar war für die Initiierten, nur für die­jenigen, die heilseherisches Schauen hatten. Daß diejenige göttlich-geistige Wesenheit, die als Mittler vorzustellen ist zwischen den gei­stigen Hierarchien und der Menschenseele, in einem Erdenleibe als Kind verkörpert ist, diese Vorstellung war im Mithrasdienste noch nicht vorhanden. Denn das, was Mithrasdienst ist, fußte darauf, daß altes primitives Hellsehen bei einer großen Anzahl von Menschen noch vorhanden war.

Wenn wir den Weg des Mithrasdienstes von Osten nach Westen untersuchen, so finden wir unter den Menschen, die Mithrasdiener wurden, eine große Anzahl von solchen, die sehen konnten in jenen Zwischenzuständen zwischen Wachen und Schlafen, wo die Seele nicht in Träumen, sondern in geistiger Wirklichkeit lebt, das Herab­steigen des Mithras von Äon zu Äon, von Etappe zu Etappe, von der geistigen Welt bis zur Erde hin. Und die andern wurden mitgerissen von diesen Sehern. Zeugnis ablegen konnten viele, daß den Menschen ein solcher Mittler, ein Mittler in den geistigen Welten erstanden ist.

Was man als Mithraskultus hatte, war eben eine äußere, mehr oder weniger bildliche Darstellung dessen, was die Seher schauten. Was

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ist es eigentlich, was uns in diesem Mithrasdienst entgegentritt? Wir dürfen nicht glauben - das geht aus unserer ganzen Weltanschauung hervor -, daß von dem Christus erst etwas gewußt wird seit dem Mysterium von Golgatha. Als denjenigen Geist, der kommen wird, haben ihn die Eingeweihten und deren Schüler auch in den vorchrist­lichen Zeiten wohlgekannt. Die Eingeweihten haben immer wieder auf denjenigen hingewiesen, den sie als Sonnengeist von den Höhen herabkommend schauten, der sich der Erde nahte, um in der Erde seine Wohnung aufzuschlagen. Als den Künftigen, den Kommenden haben sie ihn bezeichnet. Sie haben ihn gewußt im Geiste und haben ihn herabsteigend geschaut.

Dann trat ein das Mysterium von Golgatha. Wir wissen, was es bedeutet. Wir wissen, daß durch dieses Mysterium von Golgatha der Geist, durch den die Erde ihren Sinn bekommen hat, in einen Men­schenleib gezogen ist. Wir wissen, wie seither dieser Geist mit der Erde verbunden ist, und wir wissen auch, wie die Menschheit sich entwickeln soll, um in gar nicht so ferner Zukunft auch wieder im Geiste zu schauen den Christus, der durch das Mysterium von Gol­gatha sein eigenes Leben mit dem Leben der Erdenmenschheit ver­einigt hat. Wir sprechen nichts Uneigentliches aus, wenn wir sagen:

Dasjenige, was die alten Eingeweihten an den verschiedenen Orten oder Pflegestätten des Geistigen geschaut haben, das ist seither zu erkennen als durchdringend, durchwallend, durchpulsend, durch-webend das Erdenleben.

Aber so war es, daß sich immer mehr und mehr verlieren mußte für das hellseherische Erkennen, mit diesem hellseherischen Erken­nen selber, das Hinaufschauen in die geistigen Sphären, um den Chri­stus zu schauen, nachdem er heruntergestiegen war auf die Erde zu denjenigen, die da auf der Erde erkennen sollten, daß die Erde nicht nur menschliche Liebe birgt, sondern durchpulst ist von göttlicher Liebe, die sich immer mehr als höchster Schatz der Erdenmenschen offenbaren will. So recht sollten die Menschen empfinden, daß sie in ihrem Erdenhause das große Geschenk der kosmischen Liebe, den Christus, von dem Gotte, den man den Vatergott nennt, empfangen haben; so recht sollten sie ihn kenneniernen als das Wesen, das fortan

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mit den Taten, mit dem ganzen Sinn der Erdenevolution verbunden sein soll; so recht sollten sie ihn kennenlernen in seinem Leben, von dem ersten Atemzuge als Kind bis zu der größten Tat durch das My­sterium von Golgatha, die Menschenherzen offenbart werden kann.

Noch war es uns möglich, im Laufe der letzten Zeit jene Lücke durch das Fünfte Evangelium auszufüllen, welche in den vier anderen Evangelien geblieben ist. Ja, es ist unserer Zeit beschieden worden, noch genauer, möchte man sagen, jeden Schritt dieses Gotteslebens auf Erden zu erkennen. Und weil die Menschen also gleichsam ganz vertraut werden sollten mit dem Christus Jesus als einem ihrer Brü­der, als einem solchen, der aus den weiten geistigen Reichen in das enge Erdental gezogen ist aus Liebe zu den Menschen, weil die Men­schen ihn so kenneniernen sollten in vertrautester, intimster Erkennt­nis, deshalb mußten die Erkenntnis- und Liebekräfte des menschlichen Gemütes gesammelt werden, um in rein menschlich-göttlicher Ge­drungenheit, möchte ich sagen, anzuschauen dasjenige, was sich ab­spielte unter den Menschen als der Anfang einer neuen, der christ­lichen Zeit. Dazu aber mußte die Kraft im Menschen gleichsam hin­konzentriert werden auf das Leben des Christus Jesus: sie mußte ab­gelenkt werden eine Zeitlang von dem Hinaufblicken zu den geistigen Sphären auf dasjenige, was eingezogen ist in das Kind von Bethiehem, was heruntergestiegen ist aus den kosmischen Höhen.

Heute aber leben wir in der Zeit, in welcher der Blick sich wieder weiten muß, wenn Menschenfortschritt und Menschenheil wirklich die Evolution beherrschen sollen. Weiten muß sich dasjenige, was der Christus in dem Leibe des Jesus von Nazareth war, zu dem, was er ist: herabgestiegen aus göttlich-geistigen Höhen.

Der Mithrasdienst war wie eine letzte, starke Erinnerung an den noch nicht zur Erde gekommenen, aber herabsteigenden Christus. Dann aber war es der Menschheit beschieden, den Christus immer inniger in das Gemüt aufzunehmen, so daß das Aufnehmen bis in das kleinste Kind hinein möglich war, aber in der Weise, daß neben die­sem zusammenlief ein Abfluten der alten Art, hinaufzuschauen mit heliseherischem Blick zu den Höhen, aus denen Christus herabgestie­gen ist, durch deren Anschauung wir erkennen, daß der Christus ein

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kosmisches Wesen ist, aus dessen Anschauen wir auch wissen, wel­chen Wert er für das enge Erdental bat. Langsam und allmählich flutete ab, dieses hellseherische Hinaufschauen in kosmische Weiten, in denen Christus als kosmisches Wesen den Menschen erscheinen kann. Ein Anklingen an das alte hellseherische Wissen war der Mithrasdienst.

Dann sehen wir, wie gleichsam mit dem allmählichen Abfluten ab­nimmt die hellseherische Erkenntnis, wie selbst für diejenigen, die noch hellseherische Erkenntnis im alten Stile haben, ein Abfluten der hellseherischen Fähigkeiten eintritt, und wie mit diesem Abfluten auch die Möglichkeit aufhört, den Christus ganz in seiner wahren Wesenheit zu erkennen. Man erkennt ihn in seiner wahren Wesenheit, wenn man ihn nicht nur in seinem irdischen Wirken, sondern in sei­ner ganzen himmlischen Glorie erkennt.

Immer mehr schwand aber die Möglichkeit, Christus neben dem irdischen Dasein in seiner Himmelsglorie zu sehen. Wir sehen, daß sie schon abgeschwächt erscheint, trotz der hehren Größe der Lehre, in dem Begründer des Manichäismus. Mani weist auf den Jesus hin, aber es ist nicht ein solcher Hinweis, wie er beim naiven, primitiven, gläubigen Gemüte angebracht ist. Weil in diesem Geiste, der das Manichäertum begründete, noch altes Heilsehen war, ist das aber auch noch nicht darinnen, was wie ein Gegensatz werden kann in bezug auf die Auffassung des Christentums. Der Christus Jesus ist für den Mani ein Wesen, das nicht irdische Leiblichkeit angenommen hat, sondern das in einem Scheinleibe, gleichsam in einem ätherischen Leibe auf der Erde gelebt hat. Es findet ein Ringen mit dem Begreifen der Christus-Erscheinung statt. Warum findet dieses statt? Man findet das Ringen, hinaufzuschauen, gleichsam zu sehen, wie das Wesen des Christus herunterstieg, man hatte aber noch nicht die Möglichkeit, einzusehen, wie das herabsteigende Wesen wirklich im menschlichen Leibe Wohnung nimmt. Ein Ringen der Seele war erst notwendig, bevor dieses volle Verständnis möglich war.

Wir sehen auch die Lehre der Manichäer sich ausbreiten von Osten nach Westen, eine Lehre, welche auf der einen Seite noch hinblickt zu dem göttlichen Geiste, der herniedersteigt, hinblickt auf alles dasjenige,

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was die alte Weltanschauung hatte: das Durchdrungensein der Welt nicht nur mit dem physischen Wesen, das sich dem menschlichen Sinnesdasein bietet, sondern auch mit dem Wesen, das mit dem Ster­nenweben durch das Weltenall zieht. Andererseits durchdrang das Zusammenketten des menschlichen Schicksals, des menschlichen Le­bens mit diesem kosmischen Leben die Seele des Manichäers. Tief wurzelte sich in ihm ein die Frage: Wie ist vereinbar das Böse, das im Menschenleben waltet, mit der Wirkung des guten Gottes? Tief, tief hineingeschaut in das Rätsel des Bösen hat das Manichäertum. Aber dieses Rätsel des Bösen kann uns doch nur in seiner Tiefe vor das Seelenauge treten, wenn wir es im Zusammenhange mit dem Mysterium von Golgatha aufzufassen in der Lage sind, wenn wir das Mysterium von Golgatha durchdringen mit dem Rätsel des Bösen, wie es auch der Manichäismus erstrebte.

Und wahrhaftig, gerade diejenigen, welche am tiefsten und inten­sivsten berufen waren, ihre Seelen hinzugeben an das Verständnis des Mysteriums von Golgatha, sie haben gerungen mit dem, was noch hereinleuchtet in die neueren Zeiten von den Überresten der alten hellseherischen Erkenntnis. Wir brauchen nur zu denken an einen großen Lehrer des Abendlandes, den heiligen Augustinus. Bevor er sich durchgerungen hatte zu der Erkenntnis des paulinischen Christen­tums, war er hingegeben an die Lehre der Manichäer. Einen größeren Eindruck machte es ihm noch, wenn er vernehmen konnte, daß her­untergestiegen war das göttliche Mittlerwesen aus göttlich-geistigen Sphären von Äon zu Äon. Dieses geistige Schauen überleuchtet auch für Augustinus in den ersten Zeiten seines Ringens noch die Erkennt­nis, wie in einem fleischlichen Leibe der Christus auf der Erde Woh­nung genommen hat, und wie sich mit ihm das Rätsel des Bösen löst. Ergreifend ist es, zu schauen, wie Augustinus mit Faustus, dem be­rühmten Bischof der Manichäer, Zwiesprache hält und nur dadurch, daß dieser Bischof nicht den nötigen Eindruck auf ihn machen kann, sich wegwendet von dem Manichäertum und sich dann zu dem pauli­nischen Christentum hinwendet.

Dann sehen wir immer mehr abfluten dasjenige, was wir nennen können die Erkenntnis des überirdischen Christus, wie er war vor

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dem Mysterium von Golgatha; und im Grunde genommen schwindet erst mit dem Heraufkommen der neuen Zeit, des fünften nachatlan-tischen Zeitraums, vollständig dahin das, was die Überreste des alten hellseherischen Erkennens waren. Diese alte hellseherische Erkennt­nis kannte noch den himmlischen Christus neben dem irdischen Chri­stus. Fühlen konnte man ihn auch noch in den Anfängen des Christen­tums, aber sehen, wie er heruntersteigt, das war nur dem alten, hell­seherischen Erkennen möglich. Uns muß es tief berühren, wenn wir vernehmen, wie in den ersten Zeiten der Ausbreitung des Christen­tums diejenigen, die ihre Erkenntnis noch aus dem alten Hellseher­tum genommen haben, den Christus sich vergegenwärtigen wollten:

wie sie, um den Christus zu erkennen, nicht bloß nach Bethiehem hin-blickten, sondern in die Himmelssphären schauten, um zu sehen, wie er von da heruntersteigt, den Menschen das Heil zu bringen.

Wir wissen, daß neben dem Mithrasdienst, neben dem Manichäer­tum im Abendlande die Gnosis vorhanden war, welche verbinden wollte, wenigstens soweit sie christliche Gnosis war, das alte hell­seherische Erkennen des großen Sonnengeistes, der von den gött­lichen Sphären heruntersteigt, mit dem Erkennen des irdischen Le­benslaufes des Christus Jesus. Und dann ist es ergreifend, wie das menschliche Gemüt sich immer mehr konzentrieren will bloß auf das Anschauen des irdischen Lebens des Christus Jesus. Ergreifend ist es, zu sehen, wie dieses einfache menschliche Gemüt, das nicht das alte Hellse­hen hat, sich fürchtet vor dem überwältigenden Gefühl, das man haben mußte bei der grandiosen Vorstellung der alten Gnosis. Die ersten Christen fürchteten sich vor diesen grandiosen Vorstellungen.

Bis in unsere Zeit geht bei denen, die zwar berührt sind im tiefsten Gemüt vom Mysterium von Golgatha, aber sich nicht aufschwingen können zu jenem Geist-Erkennen, die Furcht, das Gemüt könne in ein Chaos kommen, wenn es sich erhebt in die Zeiten, in denen man sehen kann, was an geistiger Erkenntnis in den Lehren der Gnostiker wohnt. Uns aber berührt das, was noch die Gnostiker sagen konnten über den Himmels-Christus neben dem irdischen Christus, gar sehr. Ich möchte sagen, es wird unser Seelenblick keineswegs stumpfer für das irdische Leben des Christus Jesus, wenn schon ihm gezeigt wird durch

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die Geisteswissenschaft der Weg zu dem neuen Hellsehen, um zu fin-den den Christus, wie er heruntergestiegen ist aus Himmelshöhen.

Da finden wir einen anschaulichen Spruch der Gnostiker, und es berührt uns tief, wenn die Gnosis erzählt, Jesus sprach:

Sieh hin, o Vater,

Wie dies Wesen auf der Erde,

Aller Übel Ziel und Opfer,

Fern von deinem Hauche irrt.

Sieh, das bitt're Chaos flieht es,

Ratlos, wie's hindurch soll finden.

Darum sende mich, 0 Vater!

Siegeltragend steig ich abwärts,

Der Äonen Zahl durchschreit ich,

Jede heilge Kunde deut ich,

Zeige dann der Götter Bildnis.

Und so schenk ich euch

Des heiligen Weges

Tief verborgne Kunde:

«Gnosis» heißt sie nun für euch.

Wir fühlen, daß die neue Geisteswissenschaft uns wiederum hin­einführen muß in diese Dinge, damit wir um das Christus-Ereignis herumweben können in unserer Anschauung die geistige Aura, die aus Gründen, die wir schon oftmals erörtert haben und auf welche wir auch heute wieder hindeuten mußten, für die Menschheit eine Zeit­lang verlorengegangen ist. Wir müssen es langsam und allmählich tun. Wir müssen gewissermaßen das, was uns die Geisteswissenschaft zu offenbaren vermag, so zu fassen suchen, daß das menschliche Gemüt, das heute noch weit von der Geisteswissenschaft entfernt ist, es zu fassen vermag.

Darum wurde versucht, im Grunde genommen die ganze anthro­posophische Weisheit von dem Christus-Ereignis, namentlich von der Weihenacht und ihrer Verbindung mit dem menschlichen Gemüt, in einfache Worte zu fassen, die Ihnen auch hier vorgeführt worden sind:

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Im Seelenaug' sich spiegelt

Der Welten Hoffnungslicht,

Dem Geist ergebne Weisheit

Im Menschenherzen spricht:

Des Vaters ew'ge Liebe

Den Sohn der Erde sendet,

Der gnadevoll dem Menschenpfade

Die Himmelshelle spendet.

Hoffentlich werden Zeiten kommen für die irdische Evolution, in denen mehr, viel mehr und mit deutlicheren Worten gesprochen wer­den kann über das Geheimnis von Golgatha, mit einfachen Worten für die ganze Welt, in denen ausgesprochen werden kann dasjenige, was die Geisteswissenschaft der Menschheit auch über das Mysterium von Golgatha zu sagen hat.

Wir sehen ja, wie gerade bis zum Ende des vierten sogar bis zum Beginn des fünften nachatlantischen Zeitraumes, das alte hellseheri­sche Erkennen so abflutet, daß die letzten Reste, die dem Menschen noch gegeben sind, der Verachtung anheimfallen. Wir sehen dieses Erschütternde verkörpert in derjenigen Gestalt, welche in Europa viel weiter verbreitet, als man denkt, gerade bei dem Abfluten des vierten nachatlantischen Zeitraumes, auftritt in der Gestalt des volks­tümlichen Abenteurers - denn ein Abenteurer ist er geworden -, der noch tragen kann die letzten Zeichen der heliseherischen Erkenntnis:

«Magister Georgius Sabellicus, Faustus junior, fons necromanti­corum, astrologus, magus secundus, chiromanticus, aeromanticus, pyromanticus, in arte hydra secundus. » So lautet der vollständige Titel jenes Faustus, der dann im 16. Jahrhundert als Repräsentant des völlig abklingenden alten Hellsehens dasteht, desjenigen Faust, der noch einen Blick in die geistigen Welten hinein hatte, wenn er auch schon chaotisch war, dieser Blick.

Dann kommt das herauf in der neueren Zeit, daß es der Menschen-seele nicht mehr gegeben ist, wenn sie sich wie in den alten Zeiten passiv in gewisse Zustände versetzt, geistig zu schauen, sondern daß sie nur noch Sinnliches schauen und gewinnen kann das, was der

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Verstand aus dem Sinnlichen kombinieren kann. Die ganze Tragik des letzten geistigen Schauens ist in den einfachen Mitteilungen über den Faustus junior zum Ausdruck gekommen. Im Grunde genommen nennt er sich schon in seinen Titeln so, daß wir erkennen können, er ist gleichsam der letzte Ausläufer derjenigen, die hineinschauen konn­ten in die Sphären, aus denen der Christus heruntergestiegen ist. Er nannte sich Faustus junior mit Anspielung auf den Manichäer Bischof Faustus. Wir wissen, daß er den Bischof Faustus gekannt hat, nach dem Augustinus sich gesehnt hatte, denn die Schriften des Augustinus waren niemals so sehr verbreitet in Europa als in den Zeiten, in denen die Schriften von Faustus junior entstanden sind. Und er nannte sich Magus secundus, anspielend auf den Magus primus, der für solche, die noch schauen konnten, einen derjenigen darstellte, deren Blick hinaufragte zu den Himmelssphären, vor dem sich aber fürchteten die­jenigen, die nur sich konzentrieren wollten auf das irdische Leben des Christus Jesus. Auf den alten Simon Magus, den Magus primus, weist Faustus damit hin. Aber noch auf einen andern weist er uns hin, von dem wir aus unseren geisteswissenschaftlichen Betrachtungen wissen, wie sein Blick aufgegangen war, um zu schauen in den geistigen Sphären. Er nannte sich «in hydra arte secundus» als Nachfolger des­jenigen, der in dieser Kunst der Primus genannt worden ist.

Wir sehen das letzte verglimmende Abendrot dessen, was altes Hell-sehen war, und wir sehen, wie den Menschen schon unverständlich wird dieses alte Hellsehen. Ja, es hat sich wirklich erfüllt das, was uns so ergreifend in der Faust-Sage dargestellt worden ist: daß sich Augu­stinus sehnte nach dem Faustus senior, und wie er dann mit der Lehre des Faustus senior bekannt wird durch einen alten Mann und Arzt. Ebenso tritt uns, übertragen auf andere Verhältnisse, Faustus junior entgegen in der Volkssage. Der alte Mann erscheint da wieder, der ihn ermahnt, aber Faustus hat seinen Pakt schon geschlossen; seine Erbschaft übergibt er dem Doktor Wagner.

Wenn wir die Zeiten überblicken und das, was hereingekommen ist als Anschauung von einer geistigen Welt, wenn wir die Zeiten des fünften nachatlantischen Zeitraumes herankommen sehen, so müssen wir sagen: Es ist das dem Doktor Wagner übergebene Erbe, denn es

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kommt darauf an, wie man ein solches Erbgut verwalten kann. Bei Faust ist es noch ein Hineinschauen in die geistigen Welten; bei Wag­ner ist es dasjenige, was man bezeichnen kann mit den Worten: daß man gierig nach Schätzen gräbt und froh ist, wenn man Regenwürmer findet. Das ist die materialistische Weltanschauung unserer neueren Zeit.

Es ist kein Wunder, daß in dieser materialistischen Weltanschauung alle Anschauung von dem Himmels-Christus verlorengegangen ist, ja, daß heute noch immer Furcht vorhanden ist vor der Erweiterung des Bildes, auf das sich die Erdenkräfte konzentrieren sollten bis heute. Aber wir wissen auch: die Erdenmenschheit müßte alles Verständnis für dieses Bild wahrhaft verlieren, wenn sie nicht zu weben vermag, durch eine neue, geistige Anschauung, eine neue Aura um das so er­greifende Bild von dem Weihnachtsliiade und von seinem Werden durch dreißig und drei Erdenjahre. Die Geisteswissenschaft wird be­rufen sein - die Seelen, welche sich ernstlich mit Geisteswissenschaft beschäftigen, werden es verspüren, daß sie dazu berufen ist -, den Blick der Menschengemüter wieder zu schärfen, neben dem irdischen Christus für den Himmels-Christus. Denn dann wird der Christus er­kannt werden für alle künftigen Erdenzeiten so, daß er niemals wie­der verlorengehen kann dem Menschenfortschritt und dem Menschen-heil.

Wenn die Weisheit wieder hinaufdringen wird in die Höhen, wo in göttlichen Sphären auch das Feuer der Liebe brennt, dann wird die Menschenseele wahrhaftig nicht verlieren all das Wunderbare, all das in tiefste Liebeskräfte Hineindringende, was Menschen gewinnen kön­nen durch den Christus Jesus. Aber Unendliches wird dazugewonnen werden. Es wird dazugewonnen werden, was dazugewonnen werden muß, wenn die Menschheitsentwickelung in der entsprechenden Weise vorwärtsgehen soll.

Das aber, was wir heute zu sagen vermögen, es ist wahrhaft so -trotzdem sich schon eröffnet haben die neuzeitlichen Quellen einer neuen Geisteserkenntnis -, daß man es gut im Symbolum des Weih­nachtsfestes begeht. Wer sich so recht einlebt in das, was heute noch unser geisteswissenschaftliches Erkennen ist, den überkommt tiefe

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Demut. Denn nur ahnen dürfen wir, was die Geisteswissenschaft einst­mals in der Zukunft für die Menschheit werden soll, denn was wir heute von ihr zu erkennen vermögen, es kann sich, wenn viele Zeit­räume verflossen sein werden, nur verhalten zu dem, was einstmals der Menschheit geschenkt werden wird, wie das junge Weihnachts-kind zu dem erwachsenen Christus Jesus.

Wir haben wirklich heute in unserer neubeginnenden Geisteswis­senschaft noch das Kind. Daher ist das Weihnachtsfest so recht unser Fest, und wir verspüren, daß wir gegenüber dem, was als Menschen-licht walten kann in der Erdenentwickelung, heute leben in tiefer, fin­sterer Winternacht, und daß wir wirklich stehen mit unserem heutigen Wissen vor dem, was sich uns in tiefer Winterfinsternis der Erden-entwickelung offenbart, wie einstmals die Hirten gestanden haben vor dem Christuskinde, das sich ihnen zuerst offenbarte. Gegenüber dem Verständnis von dem Christus Jesus können wir uns heute so recht fühlen wie die damaligen Hirten und so recht bitten die Quellen des geistigen Lebens, die immer mehr und mehr fließen mögen den Men­schen, so recht sie bitten, sie mögen immer mehr und mehr wahr-machen göttliche Offenbarung in den geistigen Höhen, und jenen Frieden geben, den diese Offenbarung den Menschengemütern geben kann, die wirklich guten Willens sind. Wie ein Wahrzeichen erscheint uns dann wohl gerade dieses Weihnachtsfest. Wir wissen noch wenig von dem, was die Welt einstmals als Geisteswissenschaft haben wird. Wir ahnen, was noch kommen wird, wir ahnen es in tiefer Demut. Aber das Wenige, wenn wir es so recht in unser Herz eintreten lassen wollen, ach, wie kommt es uns dann vor!

Ein Blick über das heutige europäische Erdenrund, meine lieben Freunde: Wie denken die Völker übereinander? Wie suchen die Völ­ker jedes bei dem andern die Schuld für dasjenige, was geschieht! Schreibt sich uns die Geist-Erkenntnis wahrhaft ins Gemüt ein, oh, dann werden wir die Schuld verstehen, die nun gesucht wird von dem einen Volke bei dem andern, von der einen Nation bei der andern. Wahrhaftig, diese Schuld hat jemand, der recht, recht international ist, der seine Schritte von Nation zu Nation lenkt. Aber man redet von ihm nur in den Kreisen derer, in deren Herzen ein wenig Geisteswissenschaft

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eingezogen ist. Da reden wir von Ahriman, dem so recht internationalen Wesen, das im Bunde mit Luzifer die wahre Schuld hat. Aber man findet ihn nicht, wenn man immer den Blick hinwendet zu den andern, sondern nur, wenn man die Wege zur Erkenntnis sucht durch Selbsterkenntnis. Da hinunter in die chaotischen Tiefen geht es. Dann fühlen wir ihn, diesen Ahriman, ja, dann werden wir ihn recht erkennen und im Zusammenhange erkenneniernen mit dem, was uns das Mysterium von Golgatha sein kann: die Verkündigung der Offenbarung der Weisheit in den Höhen und des Friedens in den Tiefen des Erdentales. Dann erst verspüren wir, was das ganze Feuer der Liebe ist, die von dem Mysterium von Golgatha ausstrahlen kann, und die nicht kennt Grenzen, die aufgerichtet sind zwischen den Na­tionen der Erde.

Manches steht bereits in dem, was als Geisteswissenschaft vor unsere Seelen getreten ist. Aber blicken wir hin auf dasjenige, was sich vor dieser unserer chaotischen Gegenwart schon geoffenbart hat und was jetzt einen so erschütternd traurig-schmerzlichen Ausdruck gefunden hat, dann finden wir, wie so sehr klein jene Seelenwohnung ist, in der heute wohnen muß das neue Verständnis von dem Weihnachtskinde, das zur Erde kommen soll. War es mit diesem Weihnachtskinde so, daß es den armen Hirten erscheinen mußte, daß es im Stalle geboren werden mußte, verborgen vor dem, was damals die Welt beherrschte -ist es nicht mit dem neuen Verständnis dessen, was mit dem Myste­rium von Golgatha zusammenhängt, auch jetzt wieder so? Ist nicht so unendlich weit von diesem Verständnisse dasjenige entfernt, was draußen in der Welt uns heute erscheint, wie entfernt war die Welt im Beginne unserer Zeitrechnung von dem, was sich enthüllte den Hirten, als sie hörten:

Göttliche Offenbarung in den Höhen

Und Friede den Menschen auf Erden,

Die eines guten Willens sind.

Feiern wir, meine lieben Freunde, dieses Weihnachtsfest des er­neuten Christus-Verständnisses in unseren Herzen und in unseren

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Seelen; fühlen wir uns, wenn wir ein rechtes Weihnachtsfest feiern wollen, gleich jenen Hirten, weit weg von dem, was jetzt die Welt er­faßt hat. Aber erkennen wir durch das, was uns als solchen Hirten sich offenbart, dasjenige, was damals erkannt werden mußte, erken­nen wir die Verheißung einer sicheren Zukunft. Und bauen wir auf in unseren Seelen das Vertrauen zur Erfüllung dieser Verheißung: das Vertrauen dazu, daß dasjenige, was wir heute empfinden für das Kind, das wir anbeten wollen - das neue Christus-Verständnis ist dieses Kind -, werde wachsen, es werde leben und es werde in nicht zu langer Zeit so heranwachsen, daß sich in ihm verkörpern kann der ätherisch erscheinende Christus, wie sich der Christus verkörpern konnte im fleischlichen Leibe zur Zeit des Mysteriums von Golgatha. Erfüllen wir uns mit dem Lichte, das uns durch das Vertrauen in diese Verheißung bis ins tiefste Seeleninnere erleuchten kann, durchwärmen wir uns mit der Wärme, welche unser Gemüt durchpulsen kann! Wenn wir uns also gegenüber der Höhe fühlen, in welcher das Licht von der Geisteswissenschaft vor unsere ahnende Seele tritt, dann allein können wir sicher sein, daß es einmal die Welt erfüllen werde.

Wenn wir also denken, begehen wir - gerade in dieser schweren, schmerzlichen Zeit - ein echtes Weihnachtsfest. Denn nicht nur ist die tiefe, finstere Winternacht der Jahreszeit da; es ist über den Völ­kerhorizont hin das Ergebnis ahrimanischer Finsternis da, wie sie all­mählich heraufgezogen ist seit dem Beginne des fünften nachatianti­schen Zeitalters. Wie aber die Christus-Verkündigung zuerst nur den Hirten zukommen konnte und dann die Welt immer mehr und mehr erfüllte, so wird immer mehr und mehr die Welt erfüllen auch das neue Verständnis des Mysteriums von Golgatha. Und Zeiten werden kommen, die als Lichtzeiten auch für die Menschheit ablösen werden die Zeit der Winterfinsternis, in der wir heute leben.

Fühlen wir uns also als Hirten gegenüber dem, was auch noch ein Kind ist: gegenüber dem neuen Christus-Verständnis, und fühlen wir, daß wir durchpulsen können, in aller Demut durchpulsen können mit einem neuen Sinn den Spruch, der nicht nur ewig währen soll inner­halb des Fortschrittes der Erdenentwickelung, sondern auch immer bedeutungsvoller werden soll. Vereinigen wir uns mit dem Gemüte,

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aber mit erhöhtem Bewußtsein, in dieser Weihnachtszeit in dem so verheißungsvollen Wahrspruch:

Göttliche Offenbarung in geistigen Höhen,

Friede, Friede immer mehr und mehr

Allen Menschenseelen auf Erden,

Die eines guten Willens sind.

ZEHNTER VORTRAG Basel, 27. Dezember 1914

#G156-1967-SE166 Okkultes Lesen und okkultes Hören

#TI

ZEHNTER VORTRAG

Basel, 27. Dezember 1914

Der große neuere Mystiker Angelus Silesius hat das schöne Wort ge­sprochen:

Wird Christus tausendmal zu Bethiehem geboren

Und nicht in dir. du bleibst noch ewiglich verloren.

Zwei Seiten hat dieser Ausspruch. Die eine besteht darin, daß mit ihm gleichsam das Bekenntnis abgelegt wird: die rechte, die wahre Weihnachtszeit muß gefeiert werden in dem inneren Herzen des Men­schen, und Anregung muß alles äußere Weihnachtsfeiern sein zum Erstreben der inneren Tatsache, die da in der Winterweihenacht aus den Tiefen unserer Seele, aus dem Dunkel, das im Inneren der Seele so waltet, wie das Winterdunkel draußen, die tiefsten Kräfte herauf-holt, die die Seele in sich finden kann. Und diese tiefsten Kräfte füh­len sich verbunden mit derjenigen Wesenheit, von der der Mensch ahnen kann, wie sie alles Erdenwerden durchwallt und durchwelit und ihm den Sinn gibt. Wir finden in den Tiefen unserer Seele etwas, mit dem der Christus ist, wenn wir nur tief genug heruntergehen in die Untergründe unseres Seeleniebens, dahin, wo wir noch mit unse­rem den geistigen Mächten der Welt ergebenem Sinn Bewußtsein ent­falten.

Und die andere Seite des Spruches von Angelus Silesius besteht darin, daß der Mensch, der heute im Erdenwerden sich so recht als Mensch erfühlt, sich zum Bewußtsein bringen kann, wie wahres Men­schensein, Nichtverlorensein als wahrer Mensch, daran geknüpft ist, daß die Seele im Innersten sich verbunden fühle mit der wesenhaften Substantialität des Christus Jesus. Aber uns ist durch mannigfaltige Betrachtungen im Laufe der Jahre klargeworden, daß im Fortschritt der Erdenentwickelung das Christus-Bewußtsein selbst sich immer vertiefen müsse, daß, mit andern Worten, die Menschen, wie sie von Inkarnation zu Inkarnation gehen, immer tiefer und tiefer zum Ver­ständnis desjenigen kommen, was eigentlich der Christus ist. Und wir

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haben versucht in den letzten Zeiten, diese Christus-Erkenntnis da­durch zu vertiefen, daß wir gerade einen Quell geschaffen haben, durch den wir die Weihnachtsweihenacht, die Winterweiheracht, das Fest der Jesu-Geburt, in einem tieferen Sinne feiern können. Wie das gemeint ist, gehe aus unserer heutigen Betrachtung einmal hervor.

Ein großer Historiker der neueren Zeit wurde von einer an den Weltereignissen interessierten Persönlichkeit gefragt, warum denn in seinen Büchern die Ereignisse ausgeschaltet werden, die sich abspie­len im Anschluß an das Mysterium von Golgatha, warum denn da nirgends die Rede ist von dem Eingreifen der Kräfte und Mächte des Christus Jesus in den Fortgang des menschlichen Geschehens. Gefragt wurde der große Historiker, warum er erklärt, wie die Päpste in die Geschichte eingegriffen haben, die Könige, die Heere, die verschiede­nen Verwaltungsinstanzen, selbst Naturereignisse in die Geschichte eingegriffen haben, aber nichts könne man in seinen Schriften finden darüber, wie sich hlndurchrieht durch das menschliche Geschehen seit dem Mysterium von Golgatha, was an Kräften in die Menschheit übergegangen ist durch dieses Mysterium von Golgatha. Der Histo­riker wurde nachdenklich. Dann sagte er nach einiger Zeit, nachdem er in der Sache mit sich gründlich zu Rate gegangen war: Für die Geschlchtsbetrachtung muß es doch bei der Art bleiben, die ich bis­her gepflogen habe; denn dasjenige, was an Christus-Kräften das Weltengeschehen durchwellt und durchströmt, das gehört einer Art Urwelt an, in die die Menschenseele nicht hineinzuschauen vermag. Man kann wohl betrachten, welche Wirkungen ausgegangen sind von dem Mysterium von Golgatha und von den Christus-Taten, aber man kann nicht die Eigenheit dieser Christus-Taten in der Geschichte selbst schildern.

Nun, dies ist nur eine der Illustrationen, die gegeben werden kön­nen für die Tatsache, daß selbst für so etwas wie die Geschlchts­betrachtung die illustresten Persönlichkeiten der neuesten Zeit nicht von sich sagen können, daß ihre Seele bereits das Weihnachtsfest ge­Feiert hat; denn noch nicht war aufgegangen in der Seele dieses Histo­rikers die lebendige Gestalt, die lebendige Wesenheit des Christus Jesus, so daß er sie hätte schauen können, wie sie von Jahr zu Jahr,

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von Woche zu Woche, ja von Stunde zu Stunde durch alles das geht, was im Menschenwerden geschieht. Man kann hineinschauen heute noch als ein gründlicher Historiker in das geschichtliche Werden und nichts vernehmen davon, daß überall die Kraft des Christus in diesem geschichtlichen Werden seit dem Mysterium von Golgatha vorhanden ist. Verschiedene Ursachen können wir suchen dafür - und auch fin-den -, daß gewissermaßen in der Seele vieler, vieler Menschen noch nicht das Winterweihefest, das dem Weihnachtsmysterium gewidniet ist, gefeiert wird.

Einen gewissen Aufschluß kann uns geben derjenige, der uns diese Tatsache gewissermaßen aus den Tiefen seines Wesens heraus, wo er so recht das christliche Mysterium empfand, dargestellt hat: Goethe. Den «Wilhelm Meister», den Goethe so liebevoll geschildert hat in seinem ganzen menschlichen Werdegang, läßt er in ein Schloß kom­men. Wilhelm Meister wird von dem Schloßherrn herumgeführt, und dann wird ihm gezeigt die Bildergalerie des Schlosses. Diese Galerie ist eine eigentümliche Galerie; sie enthält närrilich hintereinander die hauptsächlichsten Szenen des geschichtlichen Werdens: wie verflos-sen ist die Weltgeschichte bei den verschiedenen Völkern des Alter­tums, und auch beim althebräischen Volk, von Paradieseszeiten, vom Sündenfalle an, bis hindurch in die weiteten Epochen des geschicht­lichen Lebens. In bedeutungsvollen Szenen ist das geschichtliche Wer­den dargestellt, und dann endet die Sache bei der Zerstörung Jerusa­lems - und nicht findet sich irgendein Bild, welches enthielte irgend­eine Szene aus dem Leben des Christus Jesus, trotzdem die Geschichte über das Mysterium von Golgatha hinausgeführt wird bis zur Zer­störung Jerusalems. Da fragt Wilhelm: Warum hast du in deiner Bil­dergalerie nicht irgend etwas über den göttlichen Mann, der so viel Heil in die Menschheitsentwickelung gebracht hat? Ich finde in die­sem Geschichtsgang eine Lücke; ich sehe den Tempel Jerusalems zer­stört, ohne daß der Mann aufgeführt wird, dem sie kurz vorher noch kein Gehör geben wollten. - Und geantwortet wird Wilhelm: Dies zu tun, wie Ihr verlangt, wäre ein Fehler gewesen. Das Leben dieses göttlichen Mannes steht mit der Weltgeschichte seiner Zeit in keiner Verbindung. Es war ein Privatleben, seine Lehre eine Lehre für die

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einzelnen. Was Völkermassen und ihren Gliedern öffentlich begegnet, gehört der Weltgeschichte, der Weltreligion an, welche wir für die erste halten. Was dem einzelnen innerlich begegnet, gehört zur zwei­ten Religion, derjenigen der Weisen. Eine solche war die, welche Christus lehrte und übte, so lange er auf der Erde umherging.

Wahrhaftig, ein tief zu unserem Herzen sprechendes Wort! In be­zug auf die Christus-Tatsache steht jeder Mensch als einzelner da, und steht in bezug auf die Christus-Tatsache allen Menschen, die auf der Erde wohnen, als unmittelbare Individualltät gegenüber. Dasjenige, was man darstellen kann als Volksgeschichte, schleicht sich in die Angelegenheiten der einzelnen Völker; denn es betrifft dasjenige, was, wenn ich mich so ausdrücken darf, im Umkreis des menschlichen Schicksals vorgeht, mit dem Menschlichen vorgeht. Das, was der Christus Jesus in die Welt gebracht hat, es geht tief, tief innerlich hin­ein in dasjenige, was - welchem Teile der Erdenentwickelung er auch angehört - jedes Herz, jede Menschenseele insofern erfühlt und erlebt, als sie sich im wahren Sinne des Wortes als Mensch und als bloßer Mensch fühlt. Man muß es wieder empfinden, daß dieses Sich-als-Mensch-Fühlen erst mit dem, was durch das Mysterium von Golgatha gezogen ist, in die Menschheitsentwickelung der Erde eingetreten ist.

Und gehen wir weiter: Derjenige, dem das Schloß gehört, führt nun Wilhelm Meister weiter und zeigt ihm eine andere Galerie, die er verborgen gehalten hat. Nun treten sie in das Innere eines andern Raumes, wo die Ereignisse des Neuen Testamentes dargestellt sind. Also nicht da, wo die weltlichen Ereignisse von Etappe zu Etappe dargestellt sind, wo man das Exoterische zeigt, sollte Wilhelm sehen die Ereignisse des Neuen Testamentes, sondern in einem esoterischen Raum, für dessen Anschauung die Seele sich erst bereitet, herauszieht aus demjenigen, was weltgeschichtlich ist und den einzelnen Völkern angehört. Und nur auf die esoterische Basis des einzelnen, individuel­len Menschen soll sich die Seele stellen. Dann wird sie die Schwelle übertreten, wo die Bilder des Neuen Testamentes aufgestellt sind. Auch in diesem Raum findet sich nicht das ganze Neue Testament, sondern nur die Szenen bis zum Abendmahl. Wilhelm fragt: «Habt ihr denn auch, so wie ihr das Leben dieses göttlichen Mannes als Lehr- und Musterbild

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aufstellt, sein Leiden, seinen Tod, gleichfalls als ein Vorbild erhabener Duldung herausgehoben?» Darauf erhält er eine bedeutungsvolle Antwort, eine Antwort, aus der zu entnehmen ist, mit welchen Schauern man empfinden kann das Allerheiligste, das vorgegangen ist auf Erden mit dem Wesen, das Wohnung genommen hat in einem Leibe, dessen Geburt wir in der Winterweihenacht feiern. Gleichsam in das nächste Esoterische soll Wilhelm geführt werden, um die Bilder bis zum Abendmahl zu sehen. Aber dann kommt das Esoterischste, und das wird mit heiligen Schauern also ausgesprochen: «Wir ziehen einen Schleier über diese Leiden, eben weil wir sie so hoch verehren. Wir halten es für eine verdammungs­würdige Frechheit, jenes Martergerüst und den daran leidenden Heili­gen dem Anblick der Sonne auszusetzen...»

So konnte man esoterisch fühlen im 18. Jahrhundert. Es war gut, so esoterisch zu fühlen, denn wir können durchaus gerade von unse­rem Gesichtspunkt aus zugeben, daß in einer gewissen Weise die bild­lichen Darstellungen gerade des Leidens, wenn sie nicht von den höchsten, von den wirklich bedeutendsten Künstlern gegeben sind, das heilige Mysterium von Golgatha zu den Menschen herabgezogen haben. Und wir können die Empfindung verstehen, daß ein tiefer Erfühler des Mysteriums von Golgatha in der damaligen Zeit nicht schauen wollte alle die Zerrbilder, die man vieffach gemacht hat von diesem heiligen Mysterium, sondern einen Schleier über all das ge­zogen haben wollte, weil er fühlte, daß nur der Seele innigste, heilig­ste Kräfte übersinnlich verbunden sein wollen mit demjenigen, was sich anschließt an die Geheirunisse des heiligen Abendmahls.

Aber welche Empfindung ist denn im Grunde genommen in allem darinnen? Was dürfen wir dann gerade empfinden, wenn wir ein sol­ches Gefühl beim esoterischen Seelenerleben begreifen wollen? Das müssen wir begreifen, daß Sehnsucht in den Menschenherzen war, als so etwas geschaut wurde: Sehnsucht war in dem menschlichen Herzen nach einer Auffassung, einer Anschauung des Christus-Myste­riums, die größer ist als diejenige, die man damals haben konnte. In aller Demut, in einer noch viel größeren Demut als den andern Din­gen der Geisteswissenschaft gegenüber, dürfen wir uns heute gestehen,

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ja, wahrhaftig gestehen: nach demjenigen, was als Christus­Erkenntnis uns werden soll durch die Gehelmwissenschaft, lechaen sehnsüchtig die besten Seelen seit langer, langer Zeit.

Heute dürfen wir uns sagen: Was man vorher nur in anderer Form wissen konnte, es wird geschaut werden von den Seelen, wenn bald die Zeit erfüllt wird sein! Das Bewußtsein davon, daß einstmals solche Erkenntnis das menschliche Herz wird durchaucken können, und die Sehnsucht darnach, sie lebte als Lebensrätsel in den besten der Seelen. Eine Christus-Erkenntnis ist es, nach der die Menschen trachteten, die dem Großen, das geschehen ist auf Golgatha, angemessen ist und die man ins Auge fassen darf, ins Seelenauge auch dann, wenn die Schleier hinweggezogen werden. Für einige Freunde habe ich es gestern ausgeführt, wie in einer gewissen Weise die Christus-Erkennt­nis zurückgehen mußte, wie in den ersten Zeiten der Entwickelung des Christentums diese Christus-Erkenntnis, noch befruchtet von dem alten Hellsehen, aufgenommen worden ist, und wie dieses später nach und nach abgeflaut ist. Und ein altes gnostisches Gedichtchen las ich gestern unseren Freunden vor, das ich auch hier vorbringen möchte, um so recht darauf hinzuweisen, wie gegenüber der alten atavisti­schen, hellseherischen Erkenntnis ein Bewußtsein hier vorhanden war:

Der Christus, den wir anschauen, wenn wir ihn durch das Weihnachts-kind in die Welt kommen sehen, der Christus ist ein Weltenwesen, das immer mehr wächst, in je höhere geistige Sphären wir den Seelen-blick wenden - denn durch diese Sphären steigt er herunter. Deshalb mußte eine abgelebte Menschheit einen Schleier ziehen vor dieses Ereignis, weil sie noch nicht imstande war, darauf hinzuweisen, wie in dem Geheimnis des Kindes, das jedes Kind im Gefühl versteht, zu­gleich die höchste Weisheit liegt. In diesem Kind war geboren ein Wesen, das durch die Welten ging, bevor es auf der Erde erschien. Jesus sprach:

Sieh hin, o Vater,

Wie dies Wesen auf der Erde,

- gemeint ist die menschliche Seele -

Aller Übel Ziel und Opfer,

Fern von deinem Hauche irrt.

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Sieh, das bittre Chaos flieht es,

Ratlos, wie's hindurch soll finden.

Im Zwiegespräch mit dem göttlichen Vaterwesen wird Jesus vor-geführt, wie er durch die Weltensphären den Weg herunter nimmt, wie er hinschaut auf die im Chaos irrende, aber zu ihm sich sehnende Menschenseele, der er das Heil bringen will. Und also spricht Christus weiter zum Vater:

Darum sende mich, o Vater!

Siegeitragend steig ich abwärts,

- die Himmeissiegel tragend -

Der Äonen Zahl durchschreit ich...

In den geistigen Sphären sind übereinander geschichtet die geistigen Welten, und je höher wir hinaufsteigen, desto mehr finden wir, daß die älteren Welten gegenwartig noch leben; das, was das Älteste war, ist zu gleicher Zeit heute in den höchsten Sphären zu finden. Was einst mit der Saturnentwickelung verbunden war, finden wir heute in den höchsten geistigen Sphären, und insofern man mit der Zeit-entwickelung zusammenbringt diese Aufeinanderfolge der geistigen Sphären, werden sie Äonen genannt.

Der Äonen Zahl durchschreit' ich,

Jede heilge Kunde deut ich,

Zeige dann der Götter Bildnis.

Und so schenk ich euch

Des heiligen Weges

Tief verborgne Kunde:

« Gnosis» heißt sie nun für euch.

Verlorengegangen bis zu einem gewissen Grad ist der Menschheit das Bewußtsein dieses kosmischen Christus. Es mußte verlorengehen, weil das alte Hellsehen hinschwinden mußte, eine Zwischenzeit kom­men mußte, gleichsam ein geistloser Äon, damit wieder entstehen kann eine neue Art des heliseherischen Blickes. Der muß sich aber

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wieder hinaufwenden in die geistigen Welten, muß nicht bloß mit dem, was äußeres Menschenschauen ist, das Wesen charakterisieren, das durch die Winterweihenacht hereintritt in die Menschheitsentwik­kelung, sondern verfolgen, wie dieses Wesen von Himmelssphäre zu Himmelssphäre steigt, heruntersteigt auf die Erde und der Erde Sinn gibt, ja, der Erde Sinn gibt.

Sieh hin, o Vater,

Wie dies Wesen auf der Erde,

Aller Übel Ziel und Opfer,

Fern von deinem Hauche irrt.

Sieh, das bittre Chaos flieht es,

Ratlos, wie's hindurch soll finden.

Darum sende mich, 0 Vater!

Siegeltragend steig ich abwärts,

Der Äonen Zahl durchschreit ich,

Jede heilge Kunde deut ich,

Zeige dann der Götter Bildnis.

Und so schenk ich euch

Des heiligen Weges

Tief verborgne Kunde:

« Gnosis» heißt sie nun für euch.

Als was erscheint uns denn eigentlich diese Erde, insofern sie um uns herum ist, wenn wir sie in ihrem wahren Sein betrachten? Werdet Ihr jemals sagen: Dies ist ein Mensch -, wenn man euch einen solchen Leichnam heranbringt, dessen Seele in geistigen Welten außerhalb des Leichnams bereits wohnt? Werdet Ihr jemals sagen: Dies ist im vollen Sinne des Wortes noch ein Mensch? - Gerade die höheren Glieder der Menschennatur sind nicht mehr in dem entseelten Leich­nam. In dem Falle aber, in dem ein entseelter Leichnam ist, ist nach und nach die Erde seit der Mitte der atlantischen Zeit in der Entwik­kelung. Die Erde um uns herum, trotz aller ihrer Schönheiten, ist seit Mitte der atlantischen Zeit Leichnam werdend, und sie wird immer mehr und mehr Leichnam. Und indem man hinausgeht und vor den

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gigantischen Felsen steht, sagt man sich am besten: Das ist das Ske­lett, das die Erde herangestaltet von der Mitte der atlantischen Zeit an! - Und indem Ihr, was die Felsen bedeckt, als Erde ins Auge faßt, seht Ihr die absterbenden Teile des eigentlichen Erdenorganismus, der nur bis zur Mitte der atlantischen Zeit lebend war. Sogar die Geo­logie ist sich schon klar darüber, daß, indem wir über die Erde schrei­ten oder den Pflug durch die Erdscholle führen, wir über den Erden-leichnam schreiten oder den Pflug durch den Leichnam führen. Sogar unsere Geologen haben es schon ausgesprochen, und die äußere Wis­senschaft selbst, wenn sie anfängt zu denken, kann nicht anders, als solche Dinge anzuerkennen. So stehen wir im Grunde genommen, indem wir von der Erde umgeben sind, dem Tode gegenüber, und wir schauen zu, wie unser Erdenball nach und nach abstirbt.

Und nun denken wir uns, das Mysterium von Golgatha hätte sich nicht vollzogen, diejenige kosmische Wesenheit, die wir die Christus­Wesenheit nennen, wäre niemals durch die Jesusknaben in die Erden-entwickelung hereingekommen - dann wäre es nichts mit der Erden-entwickelung; sie wäre ein Sterben heute schon. So aber ist die Christus-Wesenheit durch die beiden Jesuskinder gegangen und dann durch den einen Jesusknaben, in dreijähriger Erdenzeit, durch das Mysterium von Golgatha gegangen, und die Erde bekam einen neuen Keim der Lebendigkeit. Und nicht wird die Erde, wenn die Zeit einst erfüllt ist, verbleiben im Weltenraum, und die Seele - Ahriman und Luzifer verfallen! Nein, das würde geschehen, wenn der Christus nicht als lebendiger Keim in die Erde hineingekommen wäre. Aber da er hineingekommen ist, wird die Erde nicht in Erdenstaub verfallen, die Seele nicht bloß dem Luzifer und Ahriman verfallen, denn ein neues Leben ist mit dem Christus-Keim in die Erdenentwickelung hinein-gekommen. So wie die Erde sich einstmals abgespalten hat von der Sonne und ein Sohn der Sonne geworden ist, so wird dadurch, daß der Christus der Erdenentwickelung einen Sinn gegeben hat, die Erde durchdrungen von diesem sinnvollen Wesen zu neuer Entwickelung.

So sehen wir hinein durch die Geisteswissenschaft in das Mysterium von Golgatha, so stehen wir erschauernd in der heutigen Zeit und fühlen uns berufen, erst dadurch, daß wir aufweisen diejenigen Gebiete,

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in die das sinnliche Schauen nicht mehr reicht, den Schleier heben zu dürfen, weil wir nicht wollen hinter diesem Schleier nur das­jenige schauen, was ja schauen mußte eine Zeit, die ihrer Aufgabe nach sich nach dem Materialismus hin entwickelt hat.

Daher beginnt in unserer Zeit wiederum die Möglichkeit, daß die­jenigen, die ihre Seele erfüllt wissen von geisteswissenschaftlichen Impulsen, zum Christus hinaufschauen als zu einem kosmischen Wesen. Dadurch wird wahrhaftig nicht - es muß das immer wiederum gesagt werden - verkleinert die unendliche Hingabe, die wir haben können für das Kind der Weihnachtsweihezeit. Das einfache christ­liche Empfinden wird dadurch nicht vermindert. Es wird vertieft, wenn wir also den Christus empfinden können, wie unser lieber Freund Christian Morgenstern ihn empfand, als ein Gedicht aus seiner Seele erblühte, das uns erscheinen kann wie ein Wiederauferstehen uralt heiliger gnostischer Ideen, in denen zu gleicher Zeit die Christus-Liebe waltete und die kosmische Weisheit tätig war. Und so feiern wir ein neues Weihnachten, indem in der finsteren Nacht des Materia­lismus wieder Stimmen ertönen, die nicht die der alten Gnostiker sind, aber die befruchtet sind von demjenigen Sinn, der hingerichtet ist nach der lebendigen kosmischen Christus-Wesenheit.

Licht ist Liebe... Sonnen-Weben

Liebes-Strahlung einer Welt

schöpferischer Wesenheiten -

die durch unerhörte Zeiten

uns an ihrem Herzen hält,

und die uns zuletzt gegeben

ihren höchsten Geist in eines

Menschen Hülle während dreier

Jahre: da Er kam in seines

Vaters Erbteil - nun der Erde

innerlichstes Himmelsfeuer:

daß auch sie einst Sonne werde.

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Wird Christus tausendmal zu Bethiehem geboren,

Und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.

Lassen wir in unsere Seele einziehen das innerliche Winterweih­nachtsfest, lassen wir unsere Seelen erfühlen, wie geboren werden muß in unserer Zeit eine neue Christus-Erkenntnis. Diese Christus­Erkenntnis, welcher Art ist sie denn? Sie knüpft dasjenige, was des Menschen Intimstes ist und gleichsam sein ganzes Wesen zusammen­zieht, an das Allereinfachste: sie knüpft das Kindesleben, noch nicht das voll entwickelte Menschenieben, an das höchste kosmische Sein und Werden. Wir fühlen, indem wir hinschauen zum Christus-Kind, dessen wir in der Winterweihenacht gedenken, die mächtigste Winter-weihe vor unserem Seelenblick stehen, die durch alle Aonen reicht, und wir verbinden alles Weltenwerden, wohin wir auch schauen, mit allem Menschlichen, mit dem tiefsten Menschlichen.

So fühlt derjenige, der sein Gefühl entnimmt aus unserer Geistes­wissenschaft, wie der Sieg über allen Tod erworben wird durch die Vereinigung der Seele mit der Christus-Wesenheit in unserer Zeit -worauf ich heute bei einer uns tief erschütternden Gelegenheit an dem Grabe des durch den Krieg uns entrissenen Freundes hindeutete. Aber so lange konnte man nicht erfühlen, wie das höchste Kosmische mit dem intimsten Menschlichen zusammenhängt, als man nicht die Ge­schichte in ihrem innersten Extrakte schauen konnte in dem Geheim­nis von Bethlehem. Das aber wird dem Menschen, wenn er sich das Mysterium von den beiden Jesusknaben vor Augen führt. Da haben wir die Kraft des in der vorchristllchen Zeit weisesten Menschen, des Zarathustra, in dem einen Jesusknaben. Das, was von der einen Seite herabströmt an menschlicher Entwickelung, wir haben es in dem einen Jesusknaben. Wir haben des andern Aura durchhellt und durch­leuchtet von dem, was von Buddha ausgegangen ist. Und wir haben das äußere leibliche Leben, abstammend aus den edelsten Säften des althebräischen Volkes, und wir haben das, was des Lukas-Jesusknaben Seelisches ausmacht, hinaufgeleitet bis zum Erdenursprung. Denn wir wissen, daß das, was das tiefste Seelische des Lukas-Jesusknaben war, zurückgeblieben ist, als der Mensch in der alten lemurischen Zeit die

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Erde betreten hat, und daß es durch die heiligen Mysterien aufbewahrt worden ist und dann hingeleitet wurde, als der Lukas-Jesusknabe ge­boren wurde, zu dem Leib, der da geboren wurde. Daher jenes eigen­tümliche Sprechen des Lukas-Jesusknaben unmittelbar nach der Ge­burt, das nur die Mutter verstehen konnte, das keiner Sprache glich, das auch der Knabe sogleich verlernte, als Erdenbewußtsein in ihm auftauchte. Aber es war ein Aussprechen eines Geheimni sses unmittel­bar nach der Geburt. Im Grunde genommen ist vieles von dem, was wir über das Christus-Mysterium zu enthüllen haben, eine Auslegung dessen, was der Lukas-Jesusknabe unmittelbar nach seiner Geburt gesprochen hat.

So haben wir durch unsere Geisteswissenschaft den Christus-Impuls ganz heraus aus dem tieferen Menschenwerden begriffen, jenem Men­schenwerden der alten vorchristlichen Zeiten, wo gewissermaßen auch die Unterschiede wieder aufhören, die Eingeweihten wiedet sprechen. Wenn man einmal begriffen haben wird, was alles in die Menschheits-entwickelung eingetreten ist mit dem Mysterium von Golgatha, dann wird man auch die Möglichkeit finden, überall, wo Menschenwerden ist, auch in der Geschichte, die Kräfte weiter zu fördern. Aber erst muß man wissen, wer der Christus wirklich war, bevor man zum Bei­spiel auch in der Geschichte von ihm sprechen kann.

Dann aber, wenn sich innerhalb unserer geistigen Strömung Seelen finden, immer mehr und mehr Seelen, die da suchen den Impuls, inner­lich zu entzünden das Licht, das entzündet werden kann, wenn wir hinuntersteigen in die tiefsten Seelenkräfte, die heute der Mensch nach dem Mysterium von Golgatha haben kann, dann wird sich zeigen, daß durch solches Hinuntersteigen wirklich das Christus-Licht in jeder einzelnen Seele angezündet wird. Dieses Christus-Licht, das wird zum Baume, zum Weihnachtsbaume, der da leuchten wird in allem menschlichen Zukunftswerden so, daß erreicht werden muß das, wo­hin die Seele schaut in der wiederbelebten Erde, so daß sie im Leben dieser wiederbelebten Erde allüberall den Christus findet. Das wird sie. Und so ernst genommen kann die Christus-Botschaft der Geistes­wissenschaft werden, daß bei den Bekennern dieser Geisteswissen­schaft wirklich in jeder einzelnen Seele einmal jenes Weihnachtsfest

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gefeiert wird, welches darstellt die Geburt jener Christus-Erkenntnis, die von dem Christus selbst kommt, die also eine wahre Christus-Geburt, eine Geburt des Christus in uns ist. Sie muß aber eintreten, diese Christus-Geburt in uns.

Wahr, wahr ist das Wort:

Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren

Und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.

Und fügen wir hinzu zu diesem wunderschönen Ausspruch des Mystikers Angelus Silesius: Darum wollen wir uns ewiglich finden, indem wir ewig suchen nach dem Erlebnis der Winterweihenacht, nach der Geburt des Christus in den Tiefen unserer Seele!

HINWEISE

#G156-1967-SE179 Okkultes Lesen und okkultes Hören

#TI

HINWEISE

#TX

Zu Seite

9 Was in München beabsichtigt war: Nach der Darstellung eines neuen Mysteriendramas für den August 1914 war ein Vortragszyklus über «Okkultes Lesen und okkultes Hören» beabsichtigt. Es brach der Erste Weltkrieg aus.

12 in einer Anmerkung: In der 28. Auflage der «Theosophie» auf Seite 204 zu Seite

157 ff., Gesamtausgabe Dornach 1961, Bibl.-Nr. 9.

46 in einem Munehner Vortragszyklus: «Von der Initiation. Von Ewigkeit und Augen­blick. Von Geisteslicht und Lebensdunkel», Zyklus 23, Gesamtausgabe Dornach 1959, Bibl.-Nr. 138.

50 wie ich es erzählt habe über Christian Morgenstern: Im Vortrag vom 9. Mai 1914 in Kassel in: Rudolf Steiner, «Unsere Toten», Seite 24 f., Gesamtausgabe Domach 1963, Bibl.-Nr. 261.

51 die geschilderten Erfahr"'gen: Siehe auch «Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt», Zyklus 32. Kassel, 9. Mai 1914. Gesamtausgabe Dornach 1959, Bibl.-Nr. 153.

55 ah Physiognomie der Nator anzuschauen die ganze Tierwelt: Siehe über die «Lockrufe der Tiere» den zweiten Vortrag im Zyklus «Der Mensch als Zusammenkiang des schaffenden, bildenden und gestaltenden Weltenwortes», Gesamtausgabe Domach 1958, Bibl.-Nr. 230.

59 in einem öffentlichen Vortrag hingedeutet: In « Geisteswissenschaft als Lebensgut»,

12 Vorrrage 1913-1914, ich Vortrag vom 15. Januar 1914, Gesamtausgabe Dorn-ach 1959, Bibl.-Nr. 63.

65 die Bewußtseinspunkte der Wesenheiten: Nach anderen Nachschriften steht «BewuBt­seinspole».

75 Aber der heilige Paulus sagt schon: 1. Kor. 3, 19.

79 unser Bau: Vgl. Rudolf Steiner: «Wege zu einem neuen Baustil» 5 Vorträge, Juni/Juli 1914, Gesamtausgabe Stuttgart 1957, Bibl.-Nr. 286.

Deshalb mußte der Bau so sein: Am Schluß dieses Vortrags wies Dr. Steiner darauf hin, daß er am nächsten Tag eine Reibe von Lichtbildem von dem Bau zeigen werde, verbunden mit einer Einleitung zur Rezitation von Gedichten Christian Morgensterns.

80 einige wichtige Ideen unseres Baues: Siehe Hinweis zu Seite 79.

96 Capesius und Strader: Siehe Rudolf Steiner « Vier Mysteriendramen», Die Pforte der Einweihung, viertes Bild, Gesamtausgabe Dornach 1962, Bibl.-Nr. 14.

100 über die Erziehung des Kindes: «Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft» in « Luzifer-Gnosis 1903-1908», Gesamtausgabe Dornach 1960, Seite 309 f., Bibl.-Nr. 34.

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Zu Seite

105 den Ihnen auch in diesen Vorträgen... charakterisierten Emerson: Ini Vortrag vom 15. November 1914, wird erscheinen in der Gessmtausgsbe in Bibl.-Nr. 158.

Ralph Waldo Emerson, 1803-1882, nordamerikanischer Dichter und Philosoph, «Essays» 1841.

Jan van Ruysbroek, 1293-1381, flä mischer Mystiker.

106 f. Zitat aus Maurice Maeterlinck : «Der Schatz der Armen», deutsch von Friedrich von Oppeln-Bronikowski, mit einlgen Abweichungen nach der Ausgabe Diede­richs, Jens 1898.

107 Ma,rice Maeterlinck, 1862-1949, französisch-belgischer Dichter.

109 Zitat aus Johann Gottlieb Fichte: «Reden an die deutsche Nation», 1807/08, Aus­gabe Reclssn (Leipzig o. J.).

110 unser Bau: Vgl. Rudolf Steiner: «Der Dornacher Bau als Wahrzeichen geschicht­lichen Werdens und künstlerischer Umwandlungsimpulse», 5 Vorträge vom 10.-25. Oktober 1914, Dornach 1937.

121 ein Schiußkapitel eingefügt: «Skitzenluft dargestellter Ausblick auf eine Anthropo­sophie» zu Rudolf Steiner, «Die Ratsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt», 7. Auflage, Stuttgart 1955.

136 im Prager Zyklus: Rudolf Steiner, «Eine okkulte Physiologie», Gesamtausgabe Dornach 1957, Bibl.-Nr. 128.

142 Bihelzitate: Joh. 18, 36; Joh. 8, 23.

146 die Baukunst, eine gefrorene Musik: Goethe spricht von einer «erstarrten Musik» in «Mazimen und Reflexionen», (Nachlaß. Über Kunst), auch in Eckernunns Ge­sprächen mit Goethe (23. März 1829).

149 zu diesem Vortrag konnte eine inzwischen verfügbare weitere Nachschrlft be­rücksichtigt werden.

151 zwei Jesuskinder: Vgl. Rudolf Steiner «Aus der Akasha-Forschung. Das Fünfte Evangelium», Gesamtausgabe Dornach 1963, Bibl.-Nr. 148.

155 Mani: Mani lebte von 216-277. Im Jahre 1930 wurden in Mittelagypten mani­chäische Origunischriften gefunden.

was wie ein Gegensatz werden kann : Nach anderer Nachschrift so: «was der Gegenwart werden kann».

156 Faustus: Im Jahre 383 Begegnung zwischen Augustinus und Faustus von Mileve, Confessiones V, 6f.

158 einen anschaulkhen Spruch der Gnostiker: Der Originaltext steht im 10. Kapitel des

V. Buchs der «Philosophumens» des Gnosisgegners Hippolytos; erst Mitte des

19. Jahrhunderts in einem Athoskloster aufgefunden. Ausgabe von P. Wendland

S.102. Die sinngetreue Übertragung des griechischen Texts stammt von Rudolf

Steiner. Vgl. Th. Maurer in «Das Goetheanum». 15. Jg., Nr.7.

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159 «Im Seelenaug' sich spiegelt...»: VgL Rudolf Steiner «Wahrapruchworte», Gesamt-ausgabe Dornach 1961, Bibl-Nr. 40. Fakaimile bei Gümbel-Seiling «Mit Rudolf Steiner in München», De Nieuwe Boekerij, Den Haag 1946.

Titel dis Faust im 16. Jahrhsesdert: Abt Johannes Trithemius erzahlt, wie Faust, als er 1506 in Gelnhausen ein Zusamtnentreffen mit ihm vermeiden wollte, eine Be­suchskarte mit der genannten Aufschrift hinterließ (Quelle der Totenbeschwörer, Sterndeuter, heilverkündender Magier, Handleser, Luftdeuter, Feuerdeuter, heil-kundiger Harnbeschauer).

160 Simen Mag,,s: Siehe Apostelgesch. 8, 9 ff.

164 gegenüber der Höhe: Nach anderer Nachsehrift «Höhle».

166 Angelus Siiesius Uohannes Scheffler); 1624-1677. «Chetubmischer Wandersmann».

167 Ein großer Historiker: Leopold von Ranke, 1795-1886. Vgl. Herman Grimm «Fragmente» aweiter und letzter Teil, Berlin 1902, Seite 174 f.

168 Wilhelm Meister: In «Wilhelm Meisters Wanderjahre», Zweites Buch, zweites Kapitel

171 ein altes gnostisches Gedichtchen: Siche Hinweis zu Seite 158.

174 unsere Geologen: zum Beispiel Eduard Sueß, 1831-1914, in «Das Antlitz der Erde».

die Jesusknaben: siehe Rudolf Steiner «Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit», Gesamtausgabe Dornach 1963, Bibl.-Nr. 15.

175 Christian Morg,'tstern, 1871-1914. Gedicht in «Wir fanden einen Pfad».

176 bei einer uns tief erschütternden Gelegenheit: siche Rudolf Steiners Ansprache am Grabe von Albert Faiß, in «Unsere Toten», Ansprachen, Gedenkworte und Medi­tationssprüche 1912-1924, Gesamtausgahe Dornach 1963, Bibl-Nr. 261.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.