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In diesem Vortragszyklus hoffe ich Ihnen von einer gewissen Seite her einen Überblick über wichtige Tatsachen unserer Geisteswissen-schaft geben zu können. Den Faden oder die Disposition, die dabei eingehalten werden soll, werden Sie allerdings erst in den letzten Vorträgen überschauen können, weil eine ganze Reihe von Fragen berührt werden soll, welche sich dann in den letzten Tagen zu einem Gesamtbilde zusammenschließen werden. Ich habe an den letzten zwei Abenden in manchen Dingen angeknüpft an das Mysterium von Eleusis, an die griechische Mythologie; ich werde noch öfter Gelegenheit haben, an unsere Aufführungen anzuknüpfen. Daß aber in diesem Zyklus noch ein anderes Ziel angestrebt wird, werden Sie eben am Ende erkennen. An dem heutigen Abend möchte ich in Ihnen von einer anderen Seite her ein wenig die Empfindung hervorrufen, wie Geisteswissenschaft in unserer | In diesem Vortragszyklus hoffe ich Ihnen von einer gewissen Seite her einen Überblick über wichtige Tatsachen unserer Geisteswissen-schaft geben zu können. Den Faden oder die Disposition, die dabei eingehalten werden soll, werden Sie allerdings erst in den letzten Vorträgen überschauen können, weil eine ganze Reihe von Fragen berührt werden soll, welche sich dann in den letzten Tagen zu einem Gesamtbilde zusammenschließen werden. Ich habe an den letzten zwei Abenden in manchen Dingen angeknüpft an das Mysterium von Eleusis, an die griechische Mythologie; ich werde noch öfter Gelegenheit haben, an unsere Aufführungen anzuknüpfen. Daß aber in diesem Zyklus noch ein anderes Ziel angestrebt wird, werden Sie eben am Ende erkennen. An dem heutigen Abend möchte ich in Ihnen von einer anderen Seite her ein wenig die Empfindung hervorrufen, wie Geisteswissenschaft in unserer Gegenwart hinarbeitet zu jener großen, gewaltigen Urweisheit, von der wir ein klein wenig gesehen haben, wie sie jene mächtigen Gestalten und Bilder und Mysteriennachrichten durchleuchtet, die aus dem alten Griechenland heraufkommen. Man muß sich schon einmal damit bekannt machen, meine lieben Freunde, wenn man die ganze Aufgabe und Mission der Geisteswissenschaft heute empfinden will, daß manche Vorstellung, mancher Begriff, der in unserer Gegenwart herrscht, sich verändern muß. Und in dieser Beziehung ist ja der Mensch der Gegenwart oftmals recht kurzsichtig, denkt kaum über die allernächsten Zeiten hinaus. Gerade aus diesem Grunde, um ein Gefühl hervorzurufen, wie wir unser Vorstellen, unser Denken selber ändern müssen, wenn wir so recht tief die Mission der Geistes-wissenschaft überschauen wollen, wurde hingewiesen auf das ganz Andersartige der griechischen Anschauung von Welt und Leben, von dem Verhältnis des Menschen zur geistigen Welt. Denn ganz anders hat das griechische Herz, die griechische Seele gefühlt, als | ||
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Nun kann in Ihnen die Frage entstehen: Wie verhalten sich diese drei Hüllen zum eigentlichen Ich? Sie sehen, von dem eigentlichen Ich, von dem ich ausgesprochen habe, daß es das Baby ist, das am wenigsten entwickelte unter den menschlichen Wesensglie-dem, von diesem Ich weiß der Mensch heute in der normalen Ent-wickelung noch sehr wenig. Die gesamten Kräfte dieses Ich liegen aber schon in ihm. Wenn Sie die Gesamtkräfte des Ich ins Auge fassen und ihr Verhältnis untersuchen wollen zu den Kräften des physischen Leibes, Ätherleibes, Astralleibes, so brauchen Sie nur um die ganze Figur herum einen Kreis zu beschreiben. Ich will nun die Figur nicht zu sehr verschmieren. Wenn ich diesen Kreis noch schraffieren würde als ganze Fläche, so würde die Größe dieser Fläche im Vergleich zur Größe der Fläche des nach oben gerich-teten Fünfeckes, im Vergleich zur Summe der Flächen der Dreieck-zipfel, die horizontal schraffiert sind, im Vergleiche zu dem kleinen Fünfeck mit der Spitze nach unten, das ich ausgefüllt habe mit der Kreidesubstanz, das Verhältnis angeben der Kräfte des gesamten Ich - repräsentiert durch die Fläche des Kreises - zu den Kräften des Astralleibes - repräsentiert durch die Fläche des großen Fünf-eckes - zu den Kräften des Ätherleibes - repräsentiert durch die horizontal schraffierten Dreiecke, die sich ansetzen an das kleine Fünfeck - zu den Kräften des physischen Leibes - als zu der Fünf-eckfläche, die mit der Kreidesubstanz ausgefüllt ist. Wenn Sie sich in dem Meditation hingeben diesem okkulten Zeichen und sich innerlich ein gewisses Gefühl von dem Verhältnis dieser vier Flä-chen verschaffen, so bekommen Sie einen Eindruck von dem gegen-seitigen Verhältnis von physischem Leib, Äthemleib, Astralleib und Ich. Sie müssen sich also denken in der gleichen Beleuchtung den großen Kreis und ihn in der Meditation ins Auge fassen. Dann stel-len Sie daneben hin das aufwärtsstehende Fünfeck. Weil dieses | Nun kann in Ihnen die Frage entstehen: Wie verhalten sich diese drei Hüllen zum eigentlichen Ich? Sie sehen, von dem eigentlichen Ich, von dem ich ausgesprochen habe, daß es das Baby ist, das am wenigsten entwickelte unter den menschlichen Wesensglie-dem, von diesem Ich weiß der Mensch heute in der normalen Ent-wickelung noch sehr wenig. Die gesamten Kräfte dieses Ich liegen aber schon in ihm. Wenn Sie die Gesamtkräfte des Ich ins Auge fassen und ihr Verhältnis untersuchen wollen zu den Kräften des physischen Leibes, Ätherleibes, Astralleibes, so brauchen Sie nur um die ganze Figur herum einen Kreis zu beschreiben. Ich will nun die Figur nicht zu sehr verschmieren. Wenn ich diesen Kreis noch schraffieren würde als ganze Fläche, so würde die Größe dieser Fläche im Vergleich zur Größe der Fläche des nach oben gerich-teten Fünfeckes, im Vergleich zur Summe der Flächen der Dreieck-zipfel, die horizontal schraffiert sind, im Vergleiche zu dem kleinen Fünfeck mit der Spitze nach unten, das ich ausgefüllt habe mit der Kreidesubstanz, das Verhältnis angeben der Kräfte des gesamten Ich - repräsentiert durch die Fläche des Kreises - zu den Kräften des Astralleibes - repräsentiert durch die Fläche des großen Fünf-eckes - zu den Kräften des Ätherleibes - repräsentiert durch die horizontal schraffierten Dreiecke, die sich ansetzen an das kleine Fünfeck - zu den Kräften des physischen Leibes - als zu der Fünf-eckfläche, die mit der Kreidesubstanz ausgefüllt ist. Wenn Sie sich in dem Meditation hingeben diesem okkulten Zeichen und sich innerlich ein gewisses Gefühl von dem Verhältnis dieser vier Flä-chen verschaffen, so bekommen Sie einen Eindruck von dem gegen-seitigen Verhältnis von physischem Leib, Äthemleib, Astralleib und Ich. Sie müssen sich also denken in der gleichen Beleuchtung den großen Kreis und ihn in der Meditation ins Auge fassen. Dann stel-len Sie daneben hin das aufwärtsstehende Fünfeck. Weil dieses | ||
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Fünfeck etwas kleiner ist als der große Kreis, kleiner ist um diese Kreissegmente hier, wird Ihnen dieses aufwärtsstehende Fünfeck einen schwächeren Eindruck machen als der Kreis. Um was dieses schwächer ist als der Eindruck des Kreises, um das sind auch die Kräfte des Astralleibes schwächer als die Kräfte des Ich. Und wenn Sie sich als drittes hinstellen ohne das mittlere Fünfeck diese fünf Dreiecke, die horizontal schraffiert sind, so haben Sie wiederum einen schwächeren Eindruck, wenn Sie sich alles gleich beleuchtet denken. Um wieviel dieser Eindruck schwächer ist als der Eindruck von den beiden vorigen, um so viel schwächer sind die Kräfte des Ätherleibes als die Kräfte des Astralleibes und des Ich. Und wenn Sie sich das kleine Fünfeck hinstellen, so bekommen Sie bei gleicher Beleuchtung davon den schwächsten Eindruck. Wenn Sie nun sich ein Gefühl verschaffen von der gegenseitigen Stärke dieser | Fünfeck etwas kleiner ist als der große Kreis, kleiner ist um diese Kreissegmente hier, wird Ihnen dieses aufwärtsstehende Fünfeck einen schwächeren Eindruck machen als der Kreis. Um was dieses schwächer ist als der Eindruck des Kreises, um das sind auch die Kräfte des Astralleibes schwächer als die Kräfte des Ich. Und wenn Sie sich als drittes hinstellen ohne das mittlere Fünfeck diese fünf Dreiecke, die horizontal schraffiert sind, so haben Sie wiederum einen schwächeren Eindruck, wenn Sie sich alles gleich beleuchtet denken. Um wieviel dieser Eindruck schwächer ist als der Eindruck von den beiden vorigen, um so viel schwächer sind die Kräfte des Ätherleibes als die Kräfte des Astralleibes und des Ich. Und wenn Sie sich das kleine Fünfeck hinstellen, so bekommen Sie bei gleicher Beleuchtung davon den schwächsten Eindruck. Wenn Sie nun sich ein Gefühl verschaffen von der gegenseitigen Stärke dieser Eindrücke und zusammenhalten können diese vier Eindrücke, wie Sie die Töne, sagen wir einer Melodie, in eines zusammendenken - wenn Sie diese vier Eindrücke in bezug auf ihre Größe zusammendenken, so haben Sie jene Stärkeharmonie, die besteht zwischen den Kräften des Ich, des Astralleibes, des Ätherleibes und des physischen Leibes. Das ist das, was ich Ihnen als ein okkultes Zeichen, gleichsam als ein Zeichen der okkulten Schrift hinstelle. Über solche Zeichen kann man meditieren. Ich habe Ihnen ungefähr die Methode beschrieben, wie man das macht. Man verschafft sich den Eindruck der unterschiedlichen Stärken, die diese Flächen durch ihre Größenverhältnisse machen als gleichmäßig beleuchtete Flächen. Dann bekommt man eben einen Verhältniseindruck, der einem wiedergibt die gegenseitigen Maßverhältnisse der Kräfte der vier Glieder der menschlichen Wesenheit. Diese Dinge sind da als Zeichen der wirklichen, aus der Wesenheit der Dinge hervorgehenden okkulten Schrift. Meditieren diese Schrift heißt: lesen die großen Wunderzeichen der Welt, die uns hineinführen in die großen Geheimnisse der Welt. Dadurch verschaffen wir uns allmählich ein Gesamtverständnis von dem, was da draußen wirkt als Weltenwunder, die darin bestehen, daß der Geist in die Materie sich hineinergießt nach bestimmten Verhältnissen. | ||
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Ich habe zugleich dadurch hervorgerufen in Ihnen etwas, was wirklich wie das Elementarste geübt wurde in der alten | Ich habe zugleich dadurch hervorgerufen in Ihnen etwas, was wirklich wie das Elementarste geübt wurde in der alten pythagoräischen Schule. Denn dadurch fängt der Mensch an, durch sein Geistgehör die Harmonien und Melodien der Kräfte in der Welt zu vernehmen, daß er von den Zeichen der okkulten Schrift ausgeht, sie realisiert und dann schon merkt, daß er die Welt mit ihren Wundern in ihrer Wahrheit geschaut hat. Davon werden wir dann morgen weitersprechen. Ich wollte heute als den Zielpunkt der Be-trachtung dieses Zeichen der okkulten Schrift vor Ihre Seele hinstellen, das uns wiederum ein Stück hineingeführt hat in die Menschennatur. | ||
= VIERTER VORTRAG München, 21. August 1911 = | = VIERTER VORTRAG München, 21. August 1911 = |
Version vom 14. Oktober 2023, 19:04 Uhr
RUDOLF STEINER
VORTRÄGE
VORTRÄGE VOR MITGLIEDERN
DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT
Weltenwunder, Seelenprüfungen
und Geistesoffenbarungen
Ein Zyklus von zehn Vorträgen,
gehalten in München
vom 18. bis 27. August 1911,
mit einem Vortrag «Unsere Zeit und Goethe»
am 28. August 1911
GA 129
1960
Inhaltsverzeichnis
- ERSTER VORTRAG München, 18. August 1911
- ZWEITER VORTRAG München, 19. August 1911
- DRITTER VORTRAG München, 20. August 1911
- VIERTER VORTRAG München, 21. August 1911
- FÜNFTER VORTRAG München, 22. August 1911
- SECHSTER VORTRAG München, 23. August 1911
- SIEBENTER VORTRAG München, 24. August 1911
- ACHTER VORTRAG München, 25. August 1911
- NEUNTER VORTRAG München, 26. August 1911
- ZEHNTER VORTRAG München, 27. August 1911
- ELFTER VORTRAG Zum Geburtstag Goethes, München, 28. August 1911
- HINWEISE
- Literatur
ERSTER VORTRAG München, 18. August 1911
Das erste Wort dieser diesjährigen Münchener Veranstaltung wurde dem Götterboten Hermes übertragen, und wir dürfen gegenüber dem, was wir in unserer Geisteswissenschaft sehen wollen, was wir an ihr fühlen wollen, gerade diese Übertragung des Wortes an Hermes vielleicht in einer sinnbildlichen Art auffassen. Ist uns ja Geisteswissenschaft nicht allein etwas, was uns Wissen oder Erkenntnis bringt ähnlich dem anderen Wissen, der anderen Erkenntnis der Welt, sondern ist sie uns doch ein wirklicher Vermittler in jene Welten hinauf, von denen nach der Anschauung des alten Griechenlands Hermes den Menschen herabgebracht hat, was in ihnen selbst die Kräfte entzünden konnte, die hinaufführen in diese Reiche des Übersinnlichen. Und anknüpfend an diese Worte sei es mir gerade heute in diesem einleitenden Vortrage gestattet, einiges hinzuzufügen zu dem, was uns aus den Darbietungen der letzten Tage ertönen konnte, so daß es sich mit allem Folgenden, in den nächsten Tagen zu Besprechenden, zu einem Ganzen zusammenschliessen kann. Diese Darbietungen sind ja nicht nur deswegen gegeben, um etwa eine Art Verschönerung unserer Veranstaltung zu bewirken, sondern sie sollen angesehen werden als im innigsten organischen Zusammenhang stehend gerade mit dem, was in dieser seit vielen Jahren bestehenden jährlichen Mittelpunktsunternehmung unseres hiesigen geisteswissenschaftlichen Wirkens steht. Es wurde in die-sem Jahre möglich, diese Veranstaltung einzuleiten durch die Wiedererneuerung desjenigen Dramas, das geradezu am Ausgangs-punkt aller Dramatik des Abendlandes überhaupt steht, desjenigen Dramas, das wir nur dann wirklich ins Auge fassen können, wenn wir den Blick noch über alles hinauswenden, was die durch die Geschichte überlieferte Dramatik als Kunst dem Abendlande gebracht hat. Und damit hängt es ja auch zusammen, daß dieses Drama eine würdige Einleitung gerade einer Unternehmung ist, die
auf geisteswissenschaftlichem Boden steht. Denn es reicht dieses Drama hinauf in diejenigen Zeiten europäischer Kulturentwicke-lung, in welchen die einzelnen menschlichen Geistesströmungen, die uns heute als Wissenschaft, Religion und Kunst entgegentreten, noch nicht voneinander getrennt, sondern innig miteinander ver-bunden waren. Wir wenden damit unser Gefühl gewissermaßen zu Urzeiten der europäischen Kulturentwickelung hinauf, zu jenen Zei-ten, als eine Einheitskultur, die unmittelbar aus dem tiefsten Geistesleben herausgeboren war, die menschlichen Seelen durchsprühte mit religiöser Erhebung zu dem Höchsten, was der Mensch überhaupt für seine ganze Seele erreichen kann, so daß in dieser Kultur unmittelbares religiöses Leben pulste. Und es darf gesagt werden: Diese Kultur war Religion. - Religion war nicht etwas, zu dem sich der Mensch als einem besonderen Zweige der Kultur erst hinwandte, sondern selbst wenn er von denjenigen Teilen des Geisteslebens sprach, die unmittelbar in die praktischen Zweige des Alltags eindringen, so sprach er doch von Religion, denn dieses Eindringen war Erhebung zur Religion, die ihre Strahlen über alles ausdehnte, was der Mensch erleben konnte. Aber diese Religion war innerlich stark und gewaltig in ihren einzelnen Kräften, so daß sie nicht stehenblieb bei der allgemeinen Erhebung des religiösen Empfindens zu den großen Weltenmächten; diese Urreligion der Menschheit war so mächtig, daß sie die einzelnen Kräfte des menschlichen Geisteslebens inspirierte, so daß sie Formen annahmen, die unmittelbar Kunstformen waren. Es ergoß sich religiöses Leben in kühne Gestaltungen, und eins war Religion mit Kunst. Die Kunst war die unmittelbare Tochter der Religion, die im innigen Familienzusam-menhang noch lebte mit ihrer Mutter, der Religion selber. Es gibt kein Gefühl von solcher religiöser Tiefe in unserer Zeit wie das, was alle beseelte, die teilnehmen durften an den alten Mysterien und hinblickten, wie sich ergoß das religiöse Leben in das, was künstlerisch den Menschen vor Augen gestellt wurde. Aber diese Urreligion mit ihrer Tochter, der Kunst, war zu gleicher Zeit so geläutert, so sehr in die Äthersphären des Geisteslebens hinaufgeläutert, daß, indem sie auf die menschliche Seele wirkte,
aus dieser Seele heraus auch alles das kam, wovon wir heute einen schwachen abstrakten Abglanz in Wissenschaft und Erkenntnis haben. Wenn das vertiefte Gefühl sich begeistern ließ von dem, was als Religion in die künstlerische Form sich ergoß, dann entzündete sich in der Seele das Wissen von den Göttern und den göttlichen Dingen, das Wissen von dem Geisterland. Und so war Wissen oder Erkenntnis die andere Tochter des religiösen Lebens, die ebenso noch in innigem Familienverband lebte, intim zusammen lebte mit der Urmutter aller Kultur, mit der religiösen Kultur. Fragen wir heute unser Gefühl: Bis wie weit wollen wir es denn bringeri mit dem, was wir gegenwärtig erst als einen schwachen Anfang geben können? Wozu wollen wir es denn eigentlich brin-gen? Wir wollen es dazu bringen, wieder so etwas in der Menschheit zu entzünden wie die Vereinigung, die Harmonie zwischen Kunst und Wissenschaft. Denn nur dadurch kann der Blick der Menschen-seele, befeuert von dem Gefühle, durchkraftet von dem Besten in unseren Willenskräften, jene Einheit ausgießen wollen über alle menschliche Bildung, welche ebenso den Menschen wieder in die göttlichen Höhen seines Daseins hinaufführen wird, wie sie eindringen wird in die alleralltäglichsten Handgriffe unseres Lebens. Und heilig wird alles das sein, was sonst nur profanes Leben ist und was erst dadurch zu diesem profanen Leben wurde, daß vergessen war sein Zusammenhang mit dem geistig-göttlichen Urquell alles Daseins. So soll durch eine solche Unternehmung, wie wir sie in diesem Jahre pflegten, gerade auf dieses Gefühl hingedeutet werden, das uns beleben soll und muß, wenn wir mit der Geisteswissenschaft das meinen, was in die tiefsten Tiefen der menschlichen Seelen-gründe hineingehen soll. Damit sind die Gründe dargelegt, warum es im besten Sinne des Wortes geisteswissenschaftlich empfunden werden darf, gerade das Mysterium von Eleusis als eine Art von Sonne zu betrachten, deren Strahlen, in unser Herz sich ergießend, uns von dem, was eigentlich Geisteswissenschaft ist, die rechte Empfindung hervorrufen können. Dasjenige, was man sonst als Dramatik kennt, was das Abend-land als dramatische Kunst empfindet und was in Shakespeare seine
Höhe erreicht hat, es ist ja eine Geistesströmung, die ausgegangen ist von dem alten Mysterium, eine Verweltlichung des alten Myste-riums. Wenn wir also zu den Urbeginnen der dramatischen Kunst gehen, so kommen wir eben zu dergleichen zurück, wie es das Mysterium von Eleusis ist. Habe ich damit im allgemeinen die Gedanken angedeutet, die schon vor Jahren uns beseelten, als wir beim Münchener Internationalen Theosophischen Kongreß gerade dieses Drama vorführten, so darf ich nun vielleicht auch einiges im speziellen erwähnen, das, weil ja das Alltägliche innig zusammenhängt - das Alltägliche jetzt im besten spirituellen Sinne gemeint -, mit dem, was uns als geistiges Ideal vorschwebt, das einiges Licht zu bringen geeignet ist auf unser Wollen, auf unsere Ziele. Erinnern durfte ich, als wir vor einiger Zeit darangingen, «Die Kinder des Luzifer» aufzuführen, daß mir selbst dazumal ein Gedanke vor die Seele trat, der für mich tief zusammenhängt mit unserer mittel-europäischen geisteswissenschaftlichen Entwickelung in der Gegen-wart. Als ich selber die Zeit für gekommen erachten durfte, mein geistiges Streben in Zusammenhang zu bringen mit dem, was An-throposophie oder Geisteswissenschaft genannt werden darf, da war die Türe, durch welche ich versuchte, in die Anthroposophie hineinzuleiten, eine Besprechung, welche anknüpfte an dieses Drama «Die Kinder des Luzifer». Und dann ließen wir eine siebenjährige Entwickelungsperiode der von uns gedachten geisteswissenschaftlichen Arbeit verlaufen. Der Keim aber, der dazumal in unsere Seele gelegt wurde mit jenen Worten, die über die «Kinder des Luzifer» gesprochen waren, entwickelte sich mittlerweile in einer gesetz-mäßigen siebenjährigen Epoche in unseren Herzen ganz im stillen. Und nach sieben Jahren waren wir so weit, das Drama «Die Kinder des Luzifer» als eine Einleitung unserer Münchener Unternehmungen darbieten zu können. Ich darf in dieser heutigen Stunde, die einleitenden Worten zu meinen Vorträgen der nächsten Tage gewidmet sein soll, vielleicht diesen Gedanken anknüpfen an einen anderen, denn ich spreche vor Ihnen, meine lieben Freunde, aus dem vollsten Herzen heraus und zu gleicher Zeit aus der tiefsten Überzeugung meiner Seele
heraus. Dasjenige, was als spirituelles Leben in der Zukunft immer mehr und mehr die Geister des Abendlandes ergreifen wird, das wird eine ganz besondere Form haben müssen. Man kann heute über Anthroposophie oder Geisteswissenschaft in der verschiedensten Weise denken. Die Menschen denken ja nicht immer nach den Notwendigkeiten des Daseins, nach den Kräften, die im Menschenwerden wirken, sondern sie denken aus ihrem Willen, aus ihren Empfindungen heraus, und dann kann der eine dies, der andere jenes als das richtige Ideal ansehen. So wird es viele anthroposophische Ideale geben, je nachdem die menschlichen Herzen geartet sind, je nachdem sie mit ihren Empfindungen und Gefühlen nach dieser oder jener Seite hinneigen. Wahrer Okkultismus in einer gewissen höhe-ren Ausgestaltung läßt uns aber eine solche Hinneigung zu den Idealen noch immer als etwas erscheinen, was nur an unserer Per-sönlichkeit haftet, was doch noch so charakterisiert werden darf, daß man sagt: Solche Ideale sind eigentlich doch nur, was der eine oder der andere gerne als Anthroposophie sehen möchte, wovon er nach seinen besonderen Herzensempfindungen und nach der besonderen Konfiguration seines Intellekts glaubt, daß es eben das Beste ist. Haben die Menschen doch auch über andere Dinge des Lebens nur jene Meinung, die aus solchen Herzensempfindungen, aus solchen persönlichen Motiven heraus entspringen. Geisteswissenschaft selbst muß aber dazu führen, das, was aus unseren persönlichen Herzens-empfindungen heraus entspringt, gar nicht für etwas allgemein Maßgebendes anzusehen. Als Persönlichkeiten können wir immer irren, wie sehr wir auch glauben, daß wir einem selbstlosen Ideale huldigen. Eine Meinung über dasjenige, was geschehen soll im Menschenwerden, können wir uns erst dann bilden, wenn wir unsere persönlichen Meinungen über das Ideal ganz unterdrücken und wenn wir gar nicht mehr fragen, was wir selbst als die beste Art betrachten, die Geisteswissenschaft zu vertreten. Dann erst können wir zu einer wahren Meinung gelangen, wenn wir die Notwendigkeiten des Lebens sprechen lassen, ganz gleichgültig, wozu wir selber neigen - ob zu dieser oder jener Ausprägung des spirituellen Lebens, ob uns dieses oder jenes lieber ist, wenn wir uns fragen:
Wie hat sich seit Jahrhunderten das europäische Kulturleben gestaltet und was verlangt es für die nächste Zeit? Wenn wir uns diese Frage, ohne daß wir uns persönlich für die Antwort engagieren, vorlegen, dann erhalten wir eine zwiefache Antwort. Die eine, die große, die uns aus allem, was heute geschieht im geistigen Leben, überall hervorgeht: Das europäische Kulturleben verlangt, wenn es nicht verdorren und veröden soll, Geisteswissenschaft. Die andere Antwort aber ist diese: Das europäische Kulturleben verlangt eine solche Geisteswissenschaft, welche den Grundbedingungen entspricht, die durch Jahrhunderte nicht in einem einzelnen von uns, sondern in der europäischen Menschheit geworden sind. Eine Geisteswissenschaft aber, welche diesen Grundbedingungen des europäischen Kulturlebens entgegenkommt, können wir nur bringen, wenn wir uns selbstlos fragen: Was haben die Menschen seit Jahrhunderten in Europa fühlen und denken gelernt, und wie lechzt heute der Europäer nach geistiger Vertiefung seines Lebens? Wenn wir uns diese Frage vorlegen, dann zeigen uns alle Zeichen der Zeit, daß es nicht die Fortsetzung unserer gewöhnlichen Mystik sein kann, wie wir sie seit Jahrtausenden kennen, wie sie seit Jahrtausenden so segensreich auf die verschiedenen Völker gewirkt hat. Die Fortsetzung dieser Mystik allein in dem Sinne, wie sie immer gewesen ist, wie sie von der Geschichte überliefert ist, würde nicht aufgenommen werden können von den Bedürfnissen des europäischen Kulturlebens. Wollten wir uns bloß in alte Mystik vertiefen, dann würden wir uns an diesem europäischen Kulturleben und allem, was damit zusammenhängt, versündigen, dann würden wir unsere persönlichen Neigungen über die Notwendigkeit des Daseins stellen. Unsere persönliche Neigung - möge sie auch zu irgendeiner Form alter Mystik neigen -, unterdrücken wir sie und fragen wir: Wessen bedürfen die Menschen nach den Bedingungen, wie sie sich entwickelt haben durch die Jahrhunderte? - Ebenso zeigen uns die Zeichen der Zeit, daß dasjenige, was wir gegenwärtiges wissenschaftliches Treiben nennen - in so hohem Ansehen es auch heute steht, eine so hohe Autorität es auch genießt -, in einem Zustande ist wie ein Baum, der eben abdorrt
und nurmehr spärlichste Früchte für die Zukunft zeitigen kann. Ich weiß, daß damit ein gewisses «großes Wort», aber allerdings nicht «gelassen» ausgesprochen wird, wenn gesagt wird: Das, was heute im Umkreis des europäischen Lebens die äußere Wissenschaft genannt wird, ist ein verdorrender Zweig am Geisteshimmel der Menschheit. - Sie hat ihre Dienste geleistet, sie wird dadurch nicht erniedrigt, daß man in ihre Daseinsbedingungen so hineinleuchtet, wie es jetzt mit einigen Worten gesagt worden ist. Weder alte Mystik noch neue Wissenschaft wird die Menschheit der Zukunft brauchen können, wenn sich die tiefsten Bedürfnisse geltend machen werden, die ein Band herstellen wollen zwischen menschlicher Seele und geistigen Offenbarungen. Das stand wie mit goldenen Lertern geschrieben vor dem Ideale, das damals uns vor-schwebte, als wir vor Jahren begannen, das spirituelle Leben in einem breiteren Maße zu entwickeln. Und wenn ich jetzt jenes Wort aussprechen darf, von dem ich sagte, daß es mir ebensosehr ein Herzenswort wie ein Überzeugungswort ist, so möchte ich - ganz objektiv und sachlich betrachtet im Sinne der Frage, die ich eben aufgeworfen habe - sagen: Der bedeutsamste literarische Anfang mit jener Art geistigen Lebens, das die europäische Mensch-heit der Zukunft im weitesten Umfange brauchen wird, das mitten darin steht zwischen der bloß historischen Mystik, die irgendwo aufgelesen wird aus historischen Urkunden, und der Wissenschaft, die ein verdorrender Zweig der Menschheitskultur ist -, der bedeut-samste Anfang für wahrhaft anthroposophischen, Sinn, der das un-mittelbare Leben betrachtet, wie es jetzt langsam als geistiges Le-ben rieselt, wie es sich weiter verbreiten wird, sind: «Die Großen Eingeweihten» unseres verehrten Edouard Schuré. Ich durfte schon am Beginne meines Münchener Kursus im vorigen Jahre darauf hinweisen: Wer ein wenig den Blick zu richten weiß in die Zukunft, nach dem, was diese Zukunft von uns fordern wird, der weiß, daß damit jene goldene Mittelstraße zwischen alter Mystik und moderner, aber eben verdorrender Wissenschaft für das literarische Leben eingeschlagen worden ist und daß der schöne, der bedeutungsvolle Anfang, der jetzt schon für alle europäischen Völker
mit «Les Grands Initiés», den , gemacht worden ist, sich immer weiter und weiter gestalten wird und daß damit eine Farbennuance charakterisiert ist, die nicht deshalb auf uns einen sympathischen Eindruck macht, weil wir aus unseren persönlichen Neigungen gerade dieses oder jenes wollen, sondern weil wir schauen, wie die immer mehr sich geltend machenden europäischen Kulturbedingungen vorausforderten aus ihren geistigen Bedingungen heraus, daß ein solcher literarischer Anfang gemacht werde. Wenn Sie dieses Werk kennen, meine lieben Freunde, dann wissen Sie zugleich, in welch bedeutungsvoller Weise dort hingewiesen ist auf das, was dann weiter ausgestaltet ist in den «Heiligtüniern des Orient» von Edouard Schuré, wie in bedeutungsvoller Art hingewiesen ist auf das Mysterium von Eleu-sis. Was kann uns dieser Hinweis in den «Großen Eingeweihten» in wahrhaft anthroposophischem Sinn und diese Neuschöpfung des Mysteriums von Eleusis für Gedanken in der Seele anregen? Nun, meine lieben Freunde, wenn wir hinaufschauen in die Ur-beginne des europäischen Kunst- und Geisteslebens, dann stehen zwei Figuren gleichsam am Ausgangspunkt, die eine tiefe Bedeu-tung für wahrhaft spirituelle Erfassung des ganzen neuzeitlichen Geisteslebens haben, die zunächst uns wie sinnbildliche Darstel-lungen großer geistiger Impulse erscheinen. Diese zwei Figuren, die für denjenigen, der einen tieferen Blick tut in das gegenwärtige Geistesleben, wie Lichtstrahlen hereinfallen, die Bedeutungsvollstes verkündigen, sind Persephone und Iphigenia. Wir berühren, wenn wir diese beiden Namen aussprechen, wesentlich in gewisser Be-ziehung zwei Seelen unseres modernen Menschen, jene zwei Seelen, deren Vereinigung die tiefsten Seelenprüfungen dieses Menschen herausfordert. Wir werden es noch genauer sehen in den nächsten Tagen, wie Persephone in unserem Herzen den Gedanken an jenen Impuls anregt, den wir nun in unseren geisteswissenschaftlichen Auseinandersetzungen hier schon öfter berühren durften. Es war einstmals der ganzen Menschheit beschieden, in anderer Art zu ihren Erkenntnissen zu kommen als heute. Wir wissen aus diesen geisteswissenschaftlichen Vorträgen von einem alten Hellsehen der
Menschheit, das aus der menschlichen Natur in uralten Zeiten wie selbstverständlich heraussprudelte, so daß, wie Hunger und Durst und Atembedürfnis, aus dieser menschlichen Seele sich die hell-seherischen Bilder herausgestalteten, in welche sich die Geheim-nisse der geistigen Welten hineinergossen. Das ist etwas, was der Mensch einmal als Gabe uralten Hellsehens besaß und was dem Menschen gleichsam geraubt ist von dem, was später im mensch-lichen Leben Erkenntnis wurde. Teils fühlend, daß gerade in seiner Zeit dieser Raub des alten Hellsehens durch moderne Erkenntnis sich vollzog, teils voraussehend, wie das in künftigen Zeiten, die jetzt die unsrigen sind, immer mehr und mehr geschehen sollte, wandte der alte Grieche seinen Seelenblick hinauf zu derjenigen Göttergestalt, welche die Kräfte, die zu jenem alten Hellsehen führ-ten, in der menschlichen Seele loslöste aus der unmittelbaren ele-mentarischen Natur heraus. Er sah zu jener Göttin auf, die die Regentin des alten an die menschliche Natur gebundenen Hell-sehens war, und nannte sie Persephone. Und dann sagte sich der alte Grieche: An die Stelle der alten Seherkultur wird immer mehr und mehr eine andere treten, die von Menschen dirigiert wird, von Menschen geboren wird, denen das alte Hellsehen schon verloren-gegangen ist. - In derjenigen Kultur, die der alte Grieche an-knüpfte an die Namen Agamemnon, Odysseus, Menelaos, ist das gegeben, was wir heute als unsere äußere, nicht mehr von hellseherischen Kräften berührte geistige Kultur erkennen. Heute fühlen es die Menschen im weiteren Umkreise nicht mehr, daß diese Kultur, die ein Wissen erzeugt, das ebenso benutzt werden soll, die Geheimnisse des Daseins philosophisch zu ergrün-den, wie es auf der anderen Seite Kanonen baut durch die Kennt-nisse der Naturgesetze, daß in einem tieferen Sinn diese Art der Geisteskultur Opfer fordert, die der Mensch erbringen muß den höheren geistigen Wesenheiten gegenüber, die die übersinnlichen Welten lenken. Diese Opfer werden auch gebracht, nur merken es die Menschen heute nicht, weil sie auf diese Dinge noch nicht acht haben. Der alte Grieche merkte es, daß diese moderne Kultur, die er zurückführte auf die Namen Agamemnon, Menelaos, Odysseus,
Opfer forderte, daß sie jene Tochter des menschlichen Geistes ist, die in einer gewissen Weise immer wieder und wieder geopfert werden muß. Und der alte Grieche stellte dieses immerwährende Opfer der intellektuellen Kultur in der Opferung der Tochter des Agamemnon, in Iphigenia, dar. So klingt uns eine wundersame Ant-wort auf die Frage, die uns aus den Iphigenien-Opfern gestellt wird. Wenn es nur jene äußere Kultur geben wurde, welche zurück-geführt werden kann im wahren Sinn des alten Griechen auf die Namen Agamemnon, Menelaos, Odysseus, dann wäre die Mensch-heit unter dem Einilusse dieser Kultur längst in ihren Herzen, in ihren tiefsten Seelenkräften verdorrt. Nur dadurch, daß die Menschheit sich das Gefühl bewahrte, immer wieder und wieder Opfer zu bringen und herauszuschälen aus dieser allgemeinen intellektuellen Kultur jene Kultur, die man in einem tieferen, nicht im oberflächlichen Sinne eine Priesterkultur nennen kann, ist diese Kultur vor dem Verdorren bewahrt geblieben. Gleichwie Iphigenia der Artemis als Opfer dargebracht wurde, aber durch dieses Opfer zur Priesterin ward, so mußten immerzu in den verflossenen Jahrhunderten und Jahrtausenden gewisse Elemente unserer intellektuellen Kultur geläutert und gereinigt, mit einem priesterlich-religiösen Charakter den höheren Göttern dargebracht werden, damit diese äußere intellektuelle Kultur die Menschheit in ihren Herzen, in ihren Seelen nicht verdorre. So stellt uns Persephone dar die Lenkerin und Leiterin der alten heliseherischen Kultur, so stellt uns Iphigenia dar die Repräsentantin des immerwährenden Opfers, welches unsere äußere Intellektualität an das tiefere religiöse Leben zu bringen hat. Die Dinge, die ich eben jetzt ausgesprochen habe, sind immerdar lebendig gewesen in dem ganzen Strome europäischen Kulturlebens vom alten Griechenland herauf bis in die modernsten Zeiten herein; sie haben immerzu gelebt von jenen Zeiten an, als Sokrates zuerst das reine wissenschaftliche Denken von der alten Einheitskultur loslöste, bis in die Zeit herein, da der arme Nietzsche an der Trennung der drei Zweige der gesamten Kultur, Wissenschaft, Religion und Kunst, in Schmerzen seiner Seele sich wand und an dieser Trennung zugrunde ging. Die neuere Zeit mußte, weil schon hereinwirken
die Kräfte, die die Vereinigung dessen wieder bewirken sollen, was durch Jahrtausende getrennt gehen mußte, und weil aus der Zukunft schon die Forderungen für die Gegenwart hereinleuchten, wieder anknüpfen in ihren Repräsentanten, die von den Zeiten-geistern inspiriert sind, an jene beiden Impulse, die soeben charak-terisiert worden sind: an die Namen Iphigenia und Persephone. Und derjenige, der solches überblickt, fühlt noch in einem viel tie-feren Grunde, was es für eine Tat war, als, sich voll versenkend in altes Griechenleben, Goethe das, was er selbst als den Gipfel seiner Kunst empfand, in dem Symbelurn der Iphigenia darstellte. Oh, mit dieser Tat Goethes, in der in einer gewissen Weise sinnbildlich alles Wirken Goethes zum Ausdruck kommt, mit der «Iphigenie», ist die erste Anknüpfung gegeben an uraltes europäisches Geistes-gut. Und im Geheimsten klingt uns aus jener Tat Goethes heute entgegen: Wir müssen uns wiederum erinnern an das immerwäh-rende Opfer, welches die intellektuelle Kultur der religiösen Kultur bringen muß, wenn die Intellektualität die europäische Menschheit nicht veröden soll. Rauh für höheres Geistesleben wie der König Thoas in der Eine zweite Erinnerung ward notwendig, auf die etwas länger gewartet werden mußte, jene Erinnerung, die hinzielt auf jene Zeiten, in denen noch rege war die alte hellseherische Kultur, die an-knüpfte an den Namen Persephone. Und man fühlt an derjenigen Stelle, wo sich zu einem gewissen Höhepunkt die
erheben, in dem Hinweis auf das Mysterium von Eleusis, wie europäisches Geistesleben mit seinen Inspiratoren da arbeitet, um hervorzuzaubern aus dem Dämmerdunkel der Zeiten, was immer mehr und mehr führen muß zu der Erkenntnis, daß in einer neuen Form die alte, in dem Namen Persephone repräsentierte, hellsehe-rische Kultur wieder aufleuchten muß. Ein Pol im europäischen Geistesleben der Neuzeit war gegeben mit der Wiedererneuerung der alten griechischen Iphigeniengestalt, der andere Pol ist gegeben mit der Neuschöpfung des Mysteriums von Eleusis durch Edouard Schuré. Und wir müssen es als einen der besten Sterne, die da wal-ten über unserem Streben, betrachten, daß wir diese Inauguration leuchten lassen konnten gerade auf unser anthroposophisches Leben in Gegenwart des Neuschöpfers des Mysteriums von Eleusis, der uns mit seiner Gegenwart jetzt schon durch mehrere Jahre unseres mitteleuropäischen Geisteslebens beglückt hat. Ich sagte: Das, was ich eben gesprochen habe, ist nur nach der einen Seite hin ein Herzensgedauke; nach der anderen Seite hin ist es ein Gedanke, der der ganz objektivsten, nüchternsten Überzeu-gung entspringt. Und daß ich ihn heute ausgesprochen habe, rührt daher, daß ich es halten muß mit dem Goetheschen Worte, das wie eine wundersame Weisheitsperle hereinklingt in unser Erkenntnis-leben: Nur das ist wahr, was fruchtbar sich erweist. Und wenn in dem, was wir treiben durften seit Jahren, einiges von Fruchtbarkeit bemerkt wird, so darf auch anerkannt werden, daß der Gedanke, der dieses unser Wirken seit vielen Jahren beseelte, der immer wie ein geheimer Gast, wie ein geheimer Mitkämpfer vorhanden war, sich eben durch seine Fruchtbarkeit als wahr erwiesen hat. Auf alles das, was sich nun an dieser Stelle anschließen würde an die Gedanken, die eben geäußert worden sind über die Namen Iphigenia und Persephone, werden wir ja bei der Besprechung der Natur-wunder, der Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen - wie illustrierend - in der mannigfaltigsten Weise in den nächsten Tagen zurückkommen. Nur sei noch erwähnt, daß ebenso wie Iphigenia die Tochter Agamemnons ist, der zu denjenigen Heroen gehört, auf welche das alte Griechenland die Pflege der Intellektualität im
weitesten Umfang mit all seiner praktischen und auch kriegerischen Gestaltung zurückführt, daß ebenso Persephone die Tochter der Demeter ist. Nun, wir werden sehen, wie die Demeter die Regentin ist der größten Naturwunder, eine Urgestalt des menschlichen Fühlens, Denkens und Wollens, deren wahrhaftiges Kind Perse-phone ist. Jene Urgestalt, die auf Zeiten hinweist, in denen das menschliche Gehirnleben noch nicht getrennt war von dem all-gemeinen Leibesleben, in denen sozusagen Ernährung durch die äußeren Stoffe und Denken durch das Instrument des Gehirns nicht getrennte menschliche Verrichtungen waren. Da fühlte man noch, wie der Gedanke da draußen lebt, wenn die Saat auf den Feldern gedeiht, wie die Hoffnung wirklich da draußen sich ausbreitet über die Felder und durchdringt das Naturwunderwirken gleich dem Gesang der Lerche. Man fühlte noch, daß hereinzieht mit dem materiellen das geistige Leben, untertaucht in den menschlichen Leib, sich läutert, zum Geist wird als die Urmutter, aus welcher elementar herausgeboren wird Persephone in der menschlichen Wesenheit selber. In jene Urzeiten der Menschheitsentwickelung, in denen die menschliche Natur noch so einheitlich wirkte, daß alles leibliche Leben zugleich ein geistiges war, daß alles leibliche Verarbeiten innig vereint war mit dem geistigen Verarbeiten des Gedankens, weist uns der Name Demeter hinauf. Und wie es da ausgeschaut hat, das kann uns heute nur der Blick in die Akasha-Chronik lehren. Daß die Persephone die wirkliche Tochter der Demeter war, das lehrt uns eben dieser Einblick in die Akasha-Chronik. Und ebenso wird sich ergeben, daß in jener Gestalt, die sogleich in der Neuschöpfung des Mysteriums von Eleusis auftritt, in Eros, in der Tat nach alter griechischer Empfindung dasjenige gegeben ist, wo-durch die Kräfte der Demeter in der sich allmählich entwickelnden Menschheit zu dem geworden sind, was sie heute sind. So ist aber das ganze Wunder der menschlichen Natur sogleich vor unsere Seele hingezaubert, wenn Demeter vor uns steht mit der ernsten Mahnung einer Urgewalt, die zauberhaft hindurchzieht urewig durch alles menschliche Fühlen. Wenn Demeter vor uns steht, da steht etwas vor uns, was durch die Ewigkeiten der Zeiten als ein Impuls der menschlichen
Natur spricht. Das fühlen wir herunterströmen von der Bühne, wenn Demeter vor uns steht, der größte Repräsentant jener Urgewalt, die wir heute nur mit dem abstrakten Namen der menschlichen Keuschheit bezeichnen, mit all ihrer fruchtbaren Wirklichkeit, wo sie nicht Askese ist, wo sie einschließt die Urliebe der Menschheit zugleich. Auf der anderen Seite, was spricht uns aus Eros? Die knospenhafte unschuldige Liebe. Ihr Regent ist Eros, so empfanden die Griechen. Nun entwickelt sich das Drama. Und welche Kräfte wirken mit belebender tragischer Kraft von Anfang durch das ganze Drama hindurch? Das Wechselspiel der Keuschheit, die zugleich Urliebe mit ihrer Fruchtbarkeit ist, und die unschuldige, noch knospenhafte Liebe, das waltet in dem Drama, wie draußen in den trivialen Naturwundern positive und negative Elektrizität waltet. So kann durch den Raum, in den hineingegossen wird dieses bedeutsame menschliche Urdrama, etwas von mehr oder weniger unbewußter oder bewußter Empfindung fließen gegenüber Kräften, die aus den Urzeiten der Menschheit heraufwirken und sich durch unser modernes Leben hindurchziehen. Nur daß - und hier deute ich wiederum auf etwas hin, was in den folgenden Tagen weiter ausgeführt wird - in gewisser Weise jene Urströmungen, die Demeterströmung und die Erosströmung, immer mehr und mehr aufgenommen werden in der menschlichen Zukunft von jenen Strömungen, die angedeutet werden sollten in den drei Gestalten Luna, Astrid, Philia. Ein lebendiger Zusammenhang soll sich vor unsere Seele hinstellen zwischen den Strömungen, die jene des Menschenursprungs sind: Demeter, Eros, und dem, was dazwischensteht, Persephone einerseits - und auf der anderen Seite dem, was heute hereindämmert in einer noch nicht persönlich gestalteten Form. Es ist wie ein geistiges Gewissen, das noch aus dem Unbestimmten hereintönt und heute noch nicht auf die Bühne darf. Es ist nur eine Stimme von außen, und es sind die drei Gestalten, als wirkliche Töchter der Demeter: Luna, Philia, Astrid. Ich habe Ihnen die Empfindungen zu charakterisieren versucht, aus denen heraus das Mysterium von Eleusis in seiner Neuschöpfung
von Edouard Schuré an den Ausgangspunkt unserer geisteswissen-schaftlichen Betrachtungen gestellt worden ist. Sie, meine lieben Freunde, werden ja wohl durch alles das, was in diesen Jahren vorangegangen ist, mit jenem Blick unsere heutigen Ausführungen über dies so bedeutende Werk betrachten, der so natürlich sein sollte für alle, die innerhalb unserer anthroposophischen Strömung stehen. Was fordert denn dieser Blick von uns? Nun, es ist heure ungeheuer leicht, wahrhaft kinderleicht in Anknüpfung an das, was dramatische Kunst draußen in der Welt bietet, uns die Fehler und vielleicht auch die Dilettantismen vorzurechnen, die wir alle machen, wenn wir mit unseren schwachen Kräften an ein so bedeutungsvolles Werk, wie es das Mysterium von Eleusis ist, gehen. Es kommt uns aber gar nicht darauf an, oder besser gesagt, es darf uns nicht darauf ankommen, in derselben Weise zu charakterisieren, wie draußen auf unseren gegenwärtigen Bühnen charakterisiert, dargestellt wird. Diejenigen aber, die heute schon etwas empfinden von dem, was wir durch die Einprägung der Eigenart der Geist-Erkenntnis in die Kunst bewirken sollen, die werden wissen, daß es uns eben auf etwas ganz anderes ankommt. Sie werden auch wissen, daß alles das, was eine gewisse Vollkommenheit erst in der Zukunft erreichen kann, unvollkommen in der Gegenwart auftreten muß. Unser Beruf ist es nicht, zu konkurrieren mit äußeren Bühnenleistungen. Wir denken gar nicht daran, in irgendeiner Weise ein gleiches zu tun, und schon der bloße Vergleich mit äußeren sonstigen Bühnenleistungen ist ein Irrtum. Mag ein Kunsturteil in bezug auf das, was heute in äußeren Bühnendarstellungen gefordert wird, sagen, was immer es will, es ist ein Dilettantismus in bezug auf das, was Geisteswissenschaft wirklich will, wollen muß, auch in bezug auf die Kunst. Und diejenigen von Ihnen, welche so fühlen mit mir, die so teilen können jenes tiefe Dankbarkeitsgefühl, das ich jedesmal am Aus-gangspunkt unserer Münchener Unternehmungen gegenüber all denen empfinde, die hilfreich sind bei diesen Unternehmungen, jene Freunde unter Ihnen, die das fühlen, werden es nicht als unsachlich betrachten, nicht als irgend etwas Persönliches, wenn ich auch in
diesem Jahre wieder dieses tiefsten Dankgefühles am Schlusse dieser meiner einleitenden Betrachtung gedenke. Es gehören nicht nur viele Hände dazu, diese Unternehmungen möglich zu machen, sondern es gehören dazu Seelen, welche wirklich sich schon durch. drungen haben mit dem, was die schönste Frucht des geistig-streben. den Lebens sein kann und was ich nennen möchte die geistige Wärme. Und es bleibt ja diese geistige Wärme wirklich niemals ohne ihre Folgen, niemals ohne ein sich allmählich entwickelndes Können für das, was man will auf dem entsprechenden Felde. Und so stehen wir jedesmal da, wenn wir darangehen, zunächst als das kleine Häuflein derer, die hier in München Vorläufer sind der größeren Gemeinschaft, die sich dann zusammenfindet, durchdrungen von spiritueller Wärme, und wir haben den Glauben in unserem Wirken, auch wenn es anfangs recht holperig mit allem geht: es muß gehen. Und es geht bis zu dem Grade, den wir eben erreichen können. Wir finden immer bei dieser Unternehmung den Realitätenbeweis, daß geistige Kräfte durch die Welt walten, daß sie uns helfen, daß wir uns ihnen über-lassen können. Und wenn es uns manchmal scheinen wollte, als ob es nicht ginge, dann sagen wir uns, daß, wenn es nicht gehen würde, es im Sinne der Kräfte läge, die hinter unserem Wirken stehen. Und dann wäre es recht, daß es nicht ginge. Und so handeln wir und so denken wir gar nicht an das, was zuletzt als Vorstellung herauskommen soll. Wir denken an die geistigen Kräfte, denen wir im Sinne unserer Zeit auch ein schwaches, kleines Opfer bringen wollen, das Opfer der gegenwärtigen Intellektualität an die religiöse Vertiefung des Menschenherzens. Und es ist schön, zu sehen, wie tatsächlich diese spirituelle Wärme bei jenem kleinen Häuflein in wunderbarer Weise vorhanden ist, wie jeder einzelne tatsächlich Geistiges erlebt, indem er die keineswegs leichte Opferarbeit unter-nimmt. Es ist eine Bruderarbeit, die uns die anderen, die da mit-wirken, leisten; und wer mich in diesen Worten versteht, wird mit mir die Dankgefühle empfinden, denen ich eben in diesem Augen-blick Ausdruck verleihen will. Es geht natürlich unser erster Dank an den Neuschöpfer des Mysteriums von Eleusis, es gehen aber dann die mannigfaltigsten
Dankgefühle an meine Mitarbeiter in dieser Münchener Zeit. Da darf ich vor allen Dingen gedenken derer, die sich durch ihre von solch liebevoller spiritueller Wärme im Dienste der Geisteswissen-schaft durchzogenen Leistungen durch viele Jahre hindurch berufen gemacht haben, heute ihr schönes, ihr warmes Können mit dem, was wir hier wollen, zu vereinen. Da lassen Sie mich zunächst den tiefen Herzenswunsch befriedigen, hinzuweisen auf jene beiden Persönlichkeiten, die da in einer ganz besonderen Weise mitwirkten, so daß heute schon die schönste Einheit ihres spirituellen Denkens und ihrer rein technischen Arbeit bei unserer Münchener Unternehmung uns überall entgegenstrahlt: auf Fräulein Stinde und Gräfin Kalckreuth. Lassen Sie mich hinweisen auf unseren lieben Freund Adolf Arenson, welcher den musikalischen Teil wie in den vorigen Jahren so auch in diesem Jahre für alle drei Vormittage geleistet hat. Zu beurteilen diese Leistungen überlasse ich Ihren eigenen Herzen, Ihren eigenen Seelen. Ich selbst empfinde es als ein besonders gutes Geschick, daß gerade in dieser Weise der musikalische Teil unserer Leistungen von unserem lieben Freund Arenson zu unserer Gesamtarbeit beigesteuert wird. Und ich empfinde es weiter als ein besonders günstiges Geschick, daß das, was mir vorschwebte als ein von wirklich religiösem Geiste durchhauchtes Bühnenbild, daß das von unserem lieben Fräulein von Eckardtstein in einer so ausgezeichneten Weise geleistet werden kann. Mir, meine lieben Freunde, ist jeder rote und blaue Fleck, ist jeder Glanz und jeder matte Ton in dem Bühnenbilde wichtig und bedeutungsvoll, und daß das von der bezeichneten Persönlichkeit gefühlt wird, gehört zu dem, was wir als wirklich geistgetragene Arbeit empfinden müssen. Und ich brauche Sie ja nur hinzuweisen auf alles das, was Ihnen entgegengetreten ist im weiteren Umkreis in den Bühnen-bildern, die unsere Maler Herr Linde, Herr Volckert und Herr FIaaß beisteuern zu unseren dramatischen Inaugurationen; und ich darf dann durch diesen Hinweis in Ihnen den Gedanken anregen, wie in den Seelen dieser Persönlichkeiten sich der spirituelle Gedanke so ergossen hat, daß er wirklich bis in den Pinsel hinein seine Kraft behält. Es ist Spiritualität, was Sie in dem Bühnenbild sehen,
wie es die drei Genannten beisteuern. In alledem, was hier erwähnt wird, erblicken wir natürlich nicht ein Vollendetes, sondern etwas, was der Anfang eines Wollens ist, und wir möchten nun gerne, daß man durch alles das, was gewollt wird, was nicht jetzt schon ge-leistet werden kann, ersieht, wie man sich die Fortgestaltung der Kunst denken kann. Deshalb ist es uns von so unendlicher Wichtig-keit, daß auch die innere dramatische Gestaltung nur in den Händen von Darstellern liegt, die nach geistiger Erkenntnis streben, denn ich möchte - nicht aus persönlicher Neigung, sondern deshalb, weil ich muß - nicht ein einziges Wort in diesen unseren dramati-schen Unternehmungen auf der Bühne gesprochen wissen von einem Andersgesinnten, und wenn dieses Wort auch mit der höchsten künstlerischen Vollendung und mit dem äußersten künstlerischen Raffinement der gegenwärtigen sprachlichen Bühnentechnik gesprochen würde. Denn etwas ganz anderes wird gewollt als diese äußere Bühnentechnik. Das, was heute Kunst genannt wird, wird nicht gewollt. Gewollt aber wird, daß in jeder Seele, die da oben steht und mitwirkt, das Herz aus spiritueller Wärme heraus spricht, daß ein solcher Hauch durch die ganze mehr oder weniger gute Dar-stellung geht, daß wir Geisteswärme als Kunst, Kunst als Geistes-wärme erleben. Deshalb müßte jeder, der teilnimmt an diesen unseren Inaugurationsunternehmungen des Münchener Zyklus, die Empfindung haben: es gibt da kein Wort, das nicht, indem es gesprochen wird, zugleich in tiefster Seele von dem Darsteller mit-empfunden wird. Das bewirkt in mancher Hinsicht jene künstlerische Keuschheit, die derjenige, der nicht spirituell fühlen will, als Dilettantismus empfinden mag, die aber der Anfang ist von etwas, was da kommen soll, der Anfang von etwas, was man einstmals als künstlerische Wahrheit in tiefstem, in geistigstem Sinne des Wortes empfinden wird, so unvollkommen und anfänglich es Ihnen auch heute entgegentreten mag. Deshalb wird niemals daran gedacht werden, ineine lieben Freunde, Ihnen, die Sie ja das Verständnis haben, etwa mit dramatischen Strichen zu kommen. Sie werden ruhig aushalten alle Längen, die einmal die Sache notwendig macht. Uns ist nichts zu lang, uns ist nichts zu undramatisch in dem gewöhnlichen
heutigen Sinne, weil wir uns nicht nach äußeren drama-tischen Forderungen, weil wir uns nach den inneren Notwendigkeiten der Sache richten, und wir werden niemals unsere dramatischen Überzeugungen verleugnen. Nehmen wir zum Beispiel das Mär-chen, das Felicia im fünften Bilde der « Prüfung der Seele» Capesius erzählt, so würde der gewöhnliche Theaterbesucher sagen: Das ist zum Sterben langweilig. - Diese Langweiligkeit auf die Bühne zu bringen, werden wir uns niemals scheuen, wenn es die dramatische Wahrheit im spirituellen Sinne von uns fordert. Und die dramati-sche Freiheit fordert, daß eine jede Individualität, die uns die Liebe erweist, mitzuwirken, an ihrem Ort in freier Weise walten kann, so daß jeder das, was er tut und spricht auf der Bühne, als sein eige-nes von ihm ausgehendes Wort und Gefühl empfinden kann. Eine ryrannische Regie, wie sie neuerlich vielfach geliebt wird, werden Sie nicht walten sehen in unserer Unternehmung, Sie werden dafür, wenn auch nur anfänglich und unvollkommen, jenen Geist walten sehen, der sich unsichtbar wie ein Hauch ausbreitet über die Unter-nehmung als Einheit, dafür aber als Vielheit in jeder einzelnen Seele wirken kann. Deshalb empfindet man vor allen Dingen, wenn man mittendrinnen steht in einer solchen Unternehmung, jene tiefe Dankbarkeit gegenüber dem, was alle einzelnen Darsteller als Opfer brachten. Ihnen allen gegenüber, von Fräulein von Sivers an bis zu denen, die auch kleinere Rollen hatten, muß dieses Dank-gefühl hier erwähnt werden. Sie einzeln aufzuzählen ist ja nicht möglich, weil so viele ihre Hilfe geboten haben. Aber alle haben viel geleistet. Ich brauche nur hinzuweisen auf denjenigen, welcher in hingebungsvoller Art sich einer diesjährigen Hauptrolle gewidmet hat, einer Rolle, die mir besonders ans Herz gewachsen ist und die sehr schwierig ist, weil sie innere große &hwierigkeiten bietet: ich meine die Capesius-Rolle, die von unserem lieben Herrn Doser dargestellt wurde. Ich brauche nur hinzuweisen, in welch opferwilliger Weise unser lieber Herr Seiling sich jetzt schon beide Jahre der Darstellung jener Wesenheit gewidmet hat, die ich nennen möchte das dramatische Gewissen, das heute noch nicht auf die Bühne darf, das seine Lebendigkeit erweisen kann dadurch, daß es
nicht in Person auf der Bühne auftritt, und wie derselbe Herr Seiling im vorigen und in diesem Jahre die Strader-Rolle mit großer Meisterschaft vor uns hingestellt hat. Solche Leistungen wie das, was das vierte Bild am dritten Tag geboten hat in jenem dramatischen Dialog zwischen Capesius und Strader, geben schon unserer Seele etwas von dem, was werden wird, wenn Kunst von Geist-Erkenntnis wie von ihrem Lebensblut durchpulst und Geist-Erkenntnis von Kunst wie von ihrer Körperlichkeit einmal gestaltet werden wird. Daher mußte ich so tiefen Dank empfinden, als dieser schöne Punkt dramatischer Leistung im vierten Bilde vor unsere Augen trat. Und jetzt könnte ich diese Dankesbetrachtung vielfach fortsetzen. Ich könnte zuletzt Ihnen selber danken, allen, die Sie Verständnis erwiesen haben in Ihrer Seele für das, was einmal notwendig wird in einer künftigen Dramatik, daß das Unsichtbare neben dem Sicht-baren waltet, daß die Andeutung einhergehen darf neben der gröberen äußeren Darstellung, daß Gestalten hinausgestellt werden müssen, ich möchte sagen, in günstigere Rampenbeleuchtung, und anderes, was mehr hineingeheimnißt werden muß in das Tiefste des Menschenwortes. Was gemeint ist und was man mehr und mehr empfinden wird als wahre Meinung in den drei Gestalten Philia, Astrid, Luna, das kann nur von einer Seite aus in der Beleuchtung gegeben werden, in der es uns eben entgegentritt, in den drei Gestalten, wenn sie leibhaftig auf die Bühne treten. Aber mit diesen drei Gestalten, in denen wichtige Impulse der Menschheitsentwickelung gemeint sind, sind auch intime Seelengeheitunisse angeschlagen, mit denen man nur zurechtkommt, wenn man verbindet, was auf der einen Seite in scharfe aufdringliche Rampenbeleuchtung gedrängt wird und auf der anderen Seite angedeutet ist in den drei Frauengestalten durch die Intimität des Wortes. Diese drei Frauen-gestalten, die im Mondensilberlichte wirken und aus den vergänglichen Gestaltungen des Wassertropfenwesens jenes Kelchgefäß formen, das ein intimer Repräsentant ist für das, was sie in ihrer offenbareren und in ihrer intimeren Beleuchtung wollen - diese Gestalten, die uns im Mondensilberlicht des Märchens entgegen-treten und uns zeigen, wie sie die Menschenseelen begleiten als die
intimen Freunde unserer Seele, wie sie sich gestalten in den Kinder-tagen und wie sie sich gestalten, wenn dreimal dreihundertsechzig Wochen verlaufen sind, sind nur zu verstehen, wenn man auf beides eingeht: auf das, was den Sinn gefangennimmt und äußerlich offenbar in gröberer Art auf die Bühne gestellt ist, und das, was den modernen Theaterbesuchern so langweilig sein würde, die Erzählung eines intimen Märchens, was aber einzig und allein jene Intimität geben kann, die in solchen drei Gestalten liegt wie Luna, Astrid, Philia. Und wenn man sieht, daß es heute schon eine Anzahl von Seelen gibt, die unbefangen und rein fühlen können gegenüber dem, was sonst nicht leicht auf der Bühne vergeben wird, dann kann man sagen, den Tiefen dieser Seelen, Ihnen allen, ist die Geisteswissenschaft dankbar, daß Sie lenken und leiten wollten Ihre Seelen, um mitzuempfinden, aufzunehmen, was im Dienste der Geist-Erkenntnis hiermit gewollt wird. Aus alledem heraus werden Sie es als etwas Objektives betrachten, wenn am Ende dieser Einleitung zu unseren kommenden Betrachtungen gerade eben diesen Dank-gefühlen Ausdruck gegeben wird. Und eine dankbare Freude empfinde ich immer wieder, wenn ich nicht nur unsere lieben Mitarbeiter zusammenwirken und in das Neue sich hineinfügen sehe, wie sich zum Beispiel unser lieber Herr Mercklein hineinfand in die Rolle des Ahriman, sondern wenn ich auch sehe, wie diejenigen, die heute dem geisteswissenschaftlichen Leben noch ferne stehen, wie die Bühnenarbeiter für uns gerne arbeiten. Man sieht das, und ich empfinde es eigentlich immer als eine gewisse Dankbarkeit, wenn dieser oder jener Arbeiter kommt und verlangt, er möchte auch ein Buch haben. Es ist alles das - ich weiß es wohl, meine lieben Freunde - etwas Anfängliches und Unvollkommenes, aber etwas, von dem wir sagen können, es ist etwas Fruchtbares, etwas, was wirken wird. Und wenn von dem, was wir da tun durften im Beginne unserer Münchener Mittelpunktsunternehmung, das eine in unsere Seele zieht: daß Geisteswissenschaft nicht sein soll etwas Abstraktes, was man so nebenher auch im Leben betreibt, sondern daß sie zusammenhängt mit unseren gesamten Lebensbedingungen, dann hat die schwache Leistung, die damit vollbracht werden soll,
für den Anfang zunächst ihre Wirkung getan. Dann ist etwas von dem erreicht, was wir wollten. Aus diesem Geiste heraus begrühe ich Sie heute für diesen Zyklus, der gewidmet sein soll einigen Be-trachtungen über mancherlei, was uns entgegentritt, wenn wir den Blick in die große Welt richten und das empfinden, wovon in der alten Griechenzeit gesagt worden ist, daß von ihm alle Theosophie, alle Philosophie ausgeht; wenn wir das empfinden, was man Ver-wunderung nennt und wovon das Wort Wunder doch kommt, wenn wir etwas erleben von einem Vorgefühl dessen, was man Seelen-prüfung nennt, und etwas empfinden von dem, was als Erlösung von aller Verwunderung, als Befreiung von aller Prüfung erscheint: den Geistesoffenbarungen. Das, was man von allen diesen dreien: von den Naturwundern, den Seelenprüfungen, von den erlösenden Geistesoffenbarungen, empfinden kann, das soll der Gegenstand unserer nächsten Betrachtungen werden.
ZWEITER VORTRAG München, 19. August 1911
Es wurde von mir gestern versucht, eine Vorstellung davon zu geben, wie im alten Griechenland gedacht worden ist über den Zusammenhang der menschlichen Seele mit unserer Erdenentwickelung, und zwei Gesichtspunkte wurden besonders hervorgehoben. Hervorgehoben wurde, daß man im griechischen Bewußtsein eine Empfindung davon hatte, daß die Menschenseele in uralten Zeiten mit hellseherischen Fähigkeiten begabt war. Als die Regentin, so sagte ich, jener Kräfte, welche da aus dem Kosmos in die Menschenseele hereinspielten, wurde angesehen Persephone, die Tochter der Demeter; dagegen wurde zum Ausdrucke gebracht alles das, was man die intellektuelle Kultur der Menschheit nennen kann, in jener Strömung, die angeknüpft wurde an die Namen Odysseus, Menelaos, Agamemnon. Es wurde die Empfindung erregt, daß für diese Kultur das fortwährende Opfer notwendig ist, so daß die besten Gefühle, die besten Empfindungen, welche die Menschenseele entwickeln kann, wenn auf sie die intellektuelle Kultur wirkt, sozusagen einem gewissen religiösen Priesternirn geopfert werden. Dieser Gedanke ist uns repräsentiert in der Opferung der Iphigenia. Aus solchem Gesichtspunkte können wir eine Empfindung davon erhalten, wie im alten Griechentum noch durchaus die Überlieferung rege war und teilweise das unmittelbare Wissen von dem, was wir jetzt wiederum anstreben durch unsere Geisteswissenschaft. Wir weisen darauf hin, daß in uralten Zeiten die Menschenseele hellseherisches Vermögen hatte. In der «Geheimwissenschaft» können Sie es lesen, wie in der alten Atlantis die Menschenseelen hineinsahen in die geistige Welt und ihnen die Weltenkräfte wirklich erschienen in Form von Gestalten, so daß man dazumal nicht bloß von abstrakten Kräften sprach, sondern von wesenhaften Gestalten. Und ein Bewußtsein von solchem Wesenhaften ist eben zurückgeblieben in einer Gestalt wie Persephone. Langsam ringen wir uns durch die
Geisteswissenschaft wiederum dazu hinauf, von unseren neueren Gesichtspunkten aus dieselbe lebende Wesenhaftigkeit in der geistigen Welt zu erkennen, die in uralten Zeiten den Menschen wohlbekannt war und die im alten Griechentum hineingeheimnißt worden ist in die Mythologie, in die Ausgestaltung der göttlichen Wesenheiten. Und je tiefer man sich einläßt auf so etwas, wie es zum Beispiel die griechische Götterlehre ist, eine desto größere Verehrung, Bewunderung erhält man für die tiefe Weltenweisheit, die in dieser Görterlehre verborgen ist. Ich möchte Sie, um gewissermaßen eine Vorstellung davon hervorzurufen, wie tief weisheitsvoll diese ganze Götterlehre der Griechen im Zusammenhange uns erscheinen kann, nur auf eines aufmerksam machen. Ich habe gestern erwähnt, daß auf zwei Strömungen hingewiesen wird durch die griechische Mythologie, auf jene Strömung, die anknüpft als intellektuelle Kultur an Menelaos, Agamemnon und Odysseus und die sich so schön repräsentiert in der Opferung der Iphigenia, und ich habe gezeigt, wie die andere Strömung an die Namen Persephone und Demeter, die Mutter der Persephone, anknüpft. Nun muß jeder, der über die Welt nachdenkt, sich selbstverständlich sagen: Solche Strömungen verlaufen nicht unabhängig voneinander, sie müssen, trotzdem sie uns als getrennte Strömungen erscheinen, einen inneren Zusammenhang haben, sie müssen irgendwo sich berühren. - Wie drückt diese tiefe Weisheit von der Berührung der Demeterströmung und der Agametunonströmung die griechische Götterlehre aus? Nun, wir wissen heute über einen solchen Zusammenhang kaum mehr zu sagen in Gemäßheit unserer modernen Wissenschaft als irgendwelche abstrakte Ideen. Die griechische Götterlehre und Heroenlehre drückt sich aber so aus: sie führt das Geschlecht des Agamemnon auf einen Repräsentanten menschlicher Seelenkräfte zurück, den wir etwa bezeichnen können mit Tantalos. Wir wissen, daß dieser Tantalos der griechischen Sage gemäß seinen eigenen Sohn in frevelhafter Weise den Göttern zur Speise dargereicht hat. Wir wissen, daß die Götter das auch erkannt haben, daß nur eine der Göttinnen ein Schulterblatt genossen hat, und diese Göttin war
Demeter. So daß also hier durch diesen merkwürdigen symbolisti-schen Zug des Genießens des Schulterblattes vom Sohne des Tanta-los durch Demeter angedeutet werden diese beiden Strömungen. Diese beiden Strömungen haben etwas miteinander zu tun. Und Demeterkräfte fließen in die ganze moderne Kultur ein, die an-knüpft an die Namen Agamemnon, Menelaos, Odysseus. So gibt es für jeden Zug in der griechischen Mythologie ein Äquivalent in dem, was wir als neuere Geistesweisheit wieder entdecken, und es ist nicht unnötig, auch ab und zu auf solche tiefen bedeutsamen Züge hinzuweisen, denn daran erkennt man, wie die Art, in der der Mensch die äußeren Naturwunder anschaut, sich wandelt im Laufe der Zeit. Unsere Naturwissenschaft ist stolz auf ihre Auslegung der Natur. 0 wie wenig hat sie Grund, stolz zu sein in Anbetracht des Umstandes, daß die Griechen zwar in den Gestaltungen ihrer Götter die tiefe Naturmacht als Regentin der Naturwunder ausgedrückt haben, aber in diesen Gestaltungen eine viel tiefere Naturweisheit verraten haben, als heute irgendeine Wissenschaft auch nur ahnt, und die erst wieder geahnt werden wird, wenn man die Geistes-wissenschaft eindringen wird lassen in unsere Kultur. So gibt es bedeutsame Anregungen auch für unsere Erkenntnisse, wie wir sie uns im Laufe der Jahre angeeignet haben, wenn wir sie gewisser-maßen zum Vergleiche stellen mit der tiefsinnigen griechischen Götterlehre. Ein Zug des Mysteriums von Eleusis weist uns auf ein bedeutsames Naturwunder hin. Was geschieht denn eigentlich als die Grundtatsache des Mysteriums von Eleusis? Persephone, die Repräsentantin der alten hellseherischen Kräfte der Menschenseele, wird von Pluto, dem Gotte der Unterwelt, geraubt. Und lebendig wird Ihnen die ganze wunderbare Handlung, wie sie in der Neuschöpfung des Mysteriums von Eleusis in der Plutoszene vor uns steht, noch vor Augen sein, insbesondere dadurch, daß unser lieber Herr Jürgas, der schon mehrere Jahre sich hingebungsvoll unserem Unternehmen gewidmet hat, diesen Pluto vor Sie in einer so ausgezeichneten Weise hingestellt hat. Was bedeutet es nun, wenn wir das, was die
griechische Mythologie und das Mysterium von Eleusis zum Aus-drucke bringt, auf die Natur des Menschen selber anwenden? Was ist denn geschehen im Sinne unserer Geisteswissenschaft mit der alten heilseherischen Fähigkeit der Menschenseele? Ja, wir können sagen, dieser Raub der Persephone hat sich eben vollzogen seit den ältesten Zeiten bis in unsere Zeiten herein; die alte hellseherische Kultur ist verschwunden. Aber in Wahrheit verschwindet nichts in der Welt, in Wahrheit verwandeln sich die Dinge nur. Wohin ist denn Persephone gekommen? Was macht sie als die Regentin der alten hellseherischen Kräfte heute in der mensch-lichen Natur? Sie werden aus den ersten Ausführungen eines Buches, das in einigen Tagen hier zu haben sein wird und das im wesentlichen meine letzten Kopenhagener Vorträge wiedergibt, entnehmen können, daß der ganze Umfang der menschlichen Seele weit größer ist als das, was die menschliche Seele durch ihren Intellekt, durch ihren Verstand weiß. Es gibt etwas, was man ein weiteres, ein umfänglicheres Seelenleben nennen könnte, ein unterbewußtes Seelenleben, das in uns wirkt, das aber bei der Mehrzahl der heutigen Menschen eben nicht ins Bewußtsein herauftritt. Es ist besser, es unterbewußtes als unbewußtes Seelenleben zu nennen. In dieses unterbewußte Seelenleben, in das, was in dem Menschen wirkt heute, ohne daß er mit seinem Bewußtsein sich verständige, intellektuelle Rechenschaft gäbe, da ist Persephone, da sind die alten hellseherischen Kräfte hinuntergezogen, Während sie in den uralten Zeiten in der Menschenseele so wirkten, daß diese Seele hellseherisch in geistige Welten hineinschauen konnte, wirken diese Kräfte heute in den Untergründen der menschlichen Seele, in den Seelentiefen, wirken mit bei der Ausbildung und Formung unseres Ich, machen dieses Ich immer fester und fester. Haben sie sich also in uralten Zeiten der Tätigkeit gewidmet, dem Menschen hellseherische Kräfte zu geben, so widmen sie sich heute der Festigung, der Konsolidierung unseres Ich, sie sind also wirklich in eine menschliche Seelenunterwelt hinuntergezogen, diese Persephonekräfte, sie sind umschlungen von dem, was in den Tiefen der menschlichen Seele ruht; sie sind geraubt in einer gewissen Beziehung von
den Tiefen der menschlichen Seele. Und so hat sich im Laufe des geschichtlichen Werdens der Menschheit dieser Raub der Persephone vollzogen durch jene Kräfte der Menschenseele, die tief in ihren Untergründen sitzen und äußerlich in der Natur repräsentiert werden durch Pluto. Dieser Pluto beherrscht im Sinne der griechischen Götterlehre das Unterirdische der Erde. Aber der Grieche war sich bewußt, daß dieselben Kräfte, die in den Tiefen der Erde wirken, auch in den Tiefen der menschlichen Seele wirken. Wie Persephone von Pluto geraubt wird, so wurde im Laufe des Menschenwerdens das alte hellseherische Vermögen durch den Pluto im eigenen Seeleninnern geraubt. Nun ist Persephone die Tochter der Demeter, und wir werden dadurch auf die Anschauung geführt, daß wir in Demeter eine noch ältere Regentin sowohl der äußeren Naturkräfte wie auch der Kräfte der menschlichen Seele zu sehen haben. Ich habe schon gestern darauf aufmerksam gemacht, daß Demeter eine Gestalt der griechischen Götterlehre ist, die uns hinweist auf jene hellsichtige Anschauung der alten Atlantis - denn da ist sie wirklich zu finden -, die zu dem ältesten Weisheitsgut der atlantischen Menschheit gehört. Wenn der atlantische Mensch hineinschaute in die geistige Welt, sah er diese Demeter, sie begegnete ihm wirklich. Und was sagte sich der atlantische Mensch, wenn ihm aus der wirbelnden, sich gestaltenden, formenden geistigen Welt heraus diese Urmutter der menschlichen Seele und der fruchtbaren Natur-kräfte erschien? Nicht mit Bewußtsein, aber gleichsam im Unbewußten sagte er sich: Ich habe nichts dazu getan, nicht irgendeine innere Entwickelung durchgemacht - wie die späteren Zeiten es tun werden -, um hineinzuschauen in die geistige Welt. Dieselben natärlichen Kräfte, die mir meine Augen, mein Gehirn, meinen Organismus geben, die in mir wirken, geben mir auch die hellseherische Kraft. Wie ich arme, so habe ich ein Hellsehen. - Und wie der Mensch nicht durch besondere Entwickelung sein Atmen ausbildet, so bildete er damals nicht die hellseherischen Kräfte aus, sondern sie wurden ihm durch Naturgewalten, durch göttliche Wesenheiten gegeben. Der Mensch war sich bewußt, wenn er sein Auge da draußen in der Welt, in den Umkreis des Daseins ergehen
ließ und zugleich mit dem Sinnlichen das Geistige sah: Ich nehme in mich die Stoffe der Umwelt auf aus dem Pflanzenreich, das damals noch anders war, ich nehme alles auf, was draußen wächst, ich nehme damit aber auch die Kräfte auf, welche da draußen wirken. - Oh, der Mensch der damaligen Zeit war nicht so beschränkt, zu glauben, daß das, was er als seine Nahrung gleichsam aufnahm, nur äußerliche Stoffe, nur Dinge seien, die man mit der Chemie unter-sucht, sondern er wußte, daß er die innere Konfiguration der Kräfte, die da in all den Stoffen wirken, aufnahm, und daß in diesen Kräften das steckte, was ihn zusammensetzte, was seinen Leib wiederum aufbaute. So sagte sich ein solcher Mensch: Da draußen in der Natur wirken Kräfte; sie ziehen durch die Nahrung, durch die Atmung in mich ein. Was sie draußen sind, wird regiert von der großen Demeter. - Aber die große Demeter schickt die Kräfte in die menschliche Seele hinein. Da werden sie verarbeitet - sagen wir es mit einem groben Ausdruck - mit der Verdauung, die geistig war, und werden umgestaltet zum hellsichtigen Vermögen. In dem Menschen, in der menschlichen Organisation, wird durch die Kräfte, die Demeter als fruchtende Göttin in aller Umgebung wirkt, das hellseherische Vermögen geboren, das repräsentiert ist durch Persephone. So fühlte sich der Mensch hineingestellt in die Naturwunder; er fühlte in sich das hellseherische Vermögen geboren werden als die Geburt der Persephone und fühlte, daß er diese Geburt der Demeter verdankt, die dieselben Kräfte ausgebreitet draußen im weiten All entwickelt, die dann im Menschen zur hellseherischen Kraft sich entfalten. So blickte der alte Mensch hinauf zur großen Demeter, und so hatte man im alten Griechenland noch ein Bewußtsein des Hinaufblickens zu dieser großen Demeter. Sie haben aber daraus schon gesehen, daß sich der menschliche Organismus, die ganze Leibes-Organisation seit jenen alten Zeiten geändert hat. Unser heutiger Leib, wie er in seinen Muskeln und Knochen organisiert ist, ist wesentlich dichter, in sich konsolidierter, als es der Leib jener Menschen war, die noch Persephone in sich gebären konnten, die noch das alte hellseherische Vermögen hatten. Und weil dieser Leib, weil unsere Organisation dichter geworden ist, kann sie auch sozusagen
die hellseherischen Kräfte im Unterirdischen der Seele festhalten. Von dem Dichterwerden des menschlichen Leibes rührt das Gefangennehmen der hellseherischen Kräfte im Innern der Men-schennatur her. Und indem man noch im alten Griechenlande fühlt, daß der alte - sagen wir symbolisch - weiche menschliche Leib in sich selber dichter wird, nimmt er die Kräfte auf, die im Innern der Erde wirksam sind, während er früher mehr von den Kräften beherrscht war, die den Luftkreis in Anspruch nahmen und dadurch ihn weicher machten. Und immer wirksamer und wirksamer auf den menschlichen Leib wird das, was im Unter-irdischen der Erde wirkt, was von Pluto regiert wird, so daß wir sagen können: Im Innern des Menschen wurde Pluto immer wirk-samer, verdichtete den menschlichen Leib und raubte dadurch Persephone. - Diese Verdichtung der menschlichen Organisation ging bis in den physischen Leib, denn ganz anders schaute selbst in den ersten nachatlantischen Zeiten die menschliche Organisation aus als die heutige. Nur ein kurzsichtiger Blick kann glauben, daß die Menschen immer so gestaltet waren wie heute. Das habe ich öfter erwähnt. So sehen wir wirklich unter den Naturwundern des Menschen selber diesen Raub der Persephone und dieses Verhältnis des Men-schen zur Demeter ausgedrückt. Auch darin sehen wir in der grie-chischen Mythologie das Bewußtsein herrschen, daß der Mensch ein Mikrokosmos, ein Ausdruck des Makrokosmos, der großen Welt ist. Wie Demeter draußen wirkt in den gewaltigen Kräften alles dessen, was aus der Erde heraus fruchtet, so wirkt im Innern das, was von Demeter kommt. Wie im Innern der Erde und nicht an der Oberfläche die Kräfte wirksam sind, die der Grieche repräsentiert sein läßt durch Pluto, so wirkt in der eigenen menschlichen Organisation der Pluto. Man muß recht sehr von dem, was heute üblich ist, von dem, was heute zu unseren Lebensgewohnheiten und Sitten gehört, den Blick abwenden können, wenn man ein Verständnis haben will für die ganz anders geartete Denkweise selbst noch der Griechen. Sehen Sie, der heutige Mensch - das ist selbstverständlich nicht eine Kritik der Sitten der Gegenwart, sondern ein Hinweis,
wie es eben ist - sieht, wenn er Gesetze haben will, auf seine Regie-rungen, auf seine Parlamente. Davon kommen ihm die Gesetze her, und er wurde sich heute zunächst wahrscheinlich für einen Toren halten, wenn er die Anschauung entwickeln sollte, daß durch die Köpfe derjenigen Menschen, die in den Parlamenten wirken, Weltenkräfte aus dem Kosmos durchgehen, daß da auch göttliche Kräfte walten. Wir wollen diese Frage nicht weiter berühren, sie würde grotesk für den heutigen Menschen klingen. So war es in denjenigen Zeiten nicht, welche den geschichtlichen, das heißt von der Geschichte beschriebenen Zeiten vorangingen, auch nicht im alten Griechenland. In jenen Urzeiten gab es eine Vorstellung - so wunderbar, so grandios zugleich, daß der heutige Mensch sie kaum mehr recht für richtig halten kann. Nehmen Sie alles das, was ich Ihnen gesagt habe über die grie-chische Götterentwickelung, da haben wir den Hinweis darauf, wie Demeter in alten Zeiten wirkte, wie sie ihre in den Pflanzen wir-kenden Kräfte hereinschickte in die menschliche Natur und ihr Kind geboren werden ließ in der menschlichen Natur. Das hat sie in alten Zeiten getan. In ähnlicher Weise haben in alten Zeiten andere Götter gewirkt. Mit den Naturkräften und Naturwundern zugleich wirkten sie. Wie wirkten sie denn? Nun, der Mensch aß, atmete, und er wußte: es ist die große Demeter, die in die Luft hinein, die in die Pflanzen die Kräfte gibt, die er in sich aufnimmt. Es ist Demeter, die ihm sein hellseherisches Bewußtsein gibt, die ihm aber auch das gibt, wodurch er weiß, wie er sich zu verhalten hat in der Welt. Es gab damals nicht Gesetze im späteren Sinne, es gab nicht äußerlich ausgedrückte Gebote, sondern indem der Mensch hellseherisch war, ging ihm auch hellseherisch auf, was er zu tun hatte, was das Richtige, was das Gute ist. So erblickte er in ältesten Zeiten in der Demeter, die ihm seine Nahrung reichte, auch die Weltenmacht, die Naturmacht, die, indem die Nahrungsmittel in ihn einzogen, ihm die Kräfte so umgestaltete, daß sie ihm seine Sitten, seine Handelnsregeln gab. Und es sagte sich der ältere Mensch: Ich blicke hinauf zur großen Demeter. Wenn ich dieses oder jenes vollbringe in der Welt, so vollbringe ich es dadurch, daß
in mein Gehirn hineingeschickt werden die Kräfte, die draußen in der Pflanzenwelt sind. - Sie war eine selbstverständliche, nicht ins Bewußtsein heraufleuchtende, aber die Seele antreibende Gesetz-geberin, die Demeter der alten Zeit. Und so war es auch mit anderen Göttern. Indem sie den Menschen ernährten, ihn atmen ließen, die Impulse zum Gehen und Stehen anregten, gaben sie ihm zugleich die Impulse für Moral und alles äußere Verhalten. Indem die Götter jene Formen annahmen, von denen wir für die späteren Zeiten gesprochen haben, sagen wir, daß Demeter den Verlust ihres Kin-des Persephone in der menschlichen Natur sah, den Raub durch die dichtete Körperlichkeit, so daß jetzt diese hellseherischen Kräfte nur mehr verwendet werden zur groben Ernährung der Körperlichkeit - indem Demeter sozusagen sich zurückzog von jener unmittelbaren moralischen Gesetzgebung der alten Zeit, was tat sie da? Sie stiftete ein Mysterium und gab von da aus in der neuen Gesetzgebung den Ersatz für die alte Gesetzgebung, die durch die Naturkräfte wirkte. So zogen sich die Götter von den Naturkräften zurück und in die Mysterien hinein und gaben den Menschen, die nicht mehr durch eine in ihnen wirkende Natur die Moral hatten, die moralischen Anweisungen. So dachte das alte Griechentum: In alten Zeiten haben zugleich mit den Naturkräften die Götter dem Menschen die Moral gegeben. Dann haben sich die Naturkräfte mehr zurückgezogen. Dafür gaben später die Götter durch ihre Boten in den Mysterien in abstrakterer Form die Moralgesetze. - Indem der Mensch der Natut entfremdet wurde, brauchte er eine abstraktere, intellektuellere Moral, deshalb sahen die alten Griechen auf ihre Mysterien hin, aus denen ihnen die Anweisungen kamen für ihr moralisches Leben, und sie sahen in diesen Mysterien die Wirksamkeit der Götter in ihren Moral-anweisungen, wie sie früher sie gesehen hatten in den Naturkräften. Deshalb schrieben die ältesten Zeiten des Griechentums die Moral-gesetze denselben Göttern zu, die auch den Naturkräften in den ältesten Zeiten zugrunde gelegen haben. Und nicht auf ein Parlament wiesen die Griechen hin, wenn sie auf den Ursprung ihrer ältesten Gesetze hinweisen wollten, sondern auf die Götter, die zu
den Menschen heruntergestiegen sind und in den Mysterien den Menschen die Gesetze gegeben haben, die in der menschlichen Moral weiterleben. Aber was ist mit jener ursprünglichen Demeterkraft selber ge-schehen, als der Menschenleib dichter geworden ist, sich verändert hat? Nun, wenn ich einen groben Vergleich gebrauchen darf: Sie wissen alle, daß man mit dem Eis nicht dasselbe machen kann wie mit dem Wasser, weil das Eis eine andere Form des Wassers ist. So kann man auch mit dem dichteren Menschenleib nicht dasselbe machen, was man einstmals aus den Naturkräften heraus mit dem feineren Leibe hat machen können. Mit diesem hat die Demeter bewirken können, daß sie ihm die geistigen Kräfte, die in den Naturmitteln lagen, einflößte und dadurch die hellseherischen Kräfte entwickelte. Was ist mit den Demeterkräften geschehen da-durch, daß der menschliche Leib dichter geworden ist oder - mythologisch im Sinne der Griechen gesprochen - daß Persephone von Pluto geraubt worden ist? Diese Demeterkräfte mußten sich auch von der menschlichen Leibesorganisation zurückziehen, muß-ten weniger wirksam werden; der Mensch mußte sozusagen entfernt werden von der unmittelbaren Einwirkung der Demeter, er wurde anderen Kräften unterworfen, Kräften, auf welche ich auch schon gestern hingewiesen habe. Was macht den dichteren menschlichen Leib sozusagen frisch und gesund? So wie den alten menschlichen Leib in uralten Zeiten frisch und gesund gemacht hat die Demeter, so macht den neuen Leib frisch und gesund Eros, das heißt das, was in den Naturkräften durch Eros repräsentiert wird. Und wenn nicht Eros auf ihn wirkte, sondern wenn Demeter fortgewirkt hätte, würde dieser menschliche Leib durch das ganze Leben hindurch welk und runzelig sein. Die Demeterkräfte liegen nicht in den frischen, pausbackigen und rotwangigen Menschenleibern heute, sondern liegen dann im Menschenleib, wenn er die Eroskräfte aus sich ausmerzt. Das tut er, wenn er älter wird, wenn er welk und runzelig wird. Denken Sie, dieser tiefe Zug ist im Mysterium von Eleusis vorhanden. Demeter erscheint Ihnen nach dem Raub der Persephone entblößt der ursprünglichen Kräfte: sie ist verwandelt durch Hekate,
verwandelt so, daß sie nun die Welkheit bewirkenden Kräfte trägt. Und mit dem Raub der Persephone sehen wir in der Tat das Zurückziehen der Demeter von der unmittelbaren menschlichen Leibesorganisation auch im geschichtlichen Werden der Mensch-heit sich vollziehen. Oh, diese alten Naturwunder, sie drücken sich in den alten Görtergestalten in herrlicher Weise aus. Wenn mit dem Altern des Menschen sich Eros von ihm zurückzieht, dann beginnt wieder der Einfluß der Demeter auf die menschliche Leibes-organisation. Dann kann Demeter in gewisser Beziehung wieder-um in die menschliche Leibesorganisation hinein, dann tritt, was Repräsentant der fruchtenden Keuschheit ist, gegenüber der Eros-Organisation in den Vordergrund. Und auf ein tiefes Mysterium, auf ein ganz gewaltiges Mysterium im Werden des Menschen werden wir hingewiesen, wenn wir das Altern des Menschen - die Um-wandlung der Eroskräfte in die Demeterkräfte - in diesem Sinne verfolgen. Solche tiefen Dinge wurden hineingeheimnißt in das eleusinische Drama. So tief ist dieses eleusinische Drama, daß ganz gewiß jemand mit der gewöhnlichen heutigen äußeren Bildung alles das, was ich eben gesagt habe, als Phantasterei ansehen würde. Aber nicht dasjenige, was jetzt gesagt worden ist, ist Phantasterei, sondern was die materialistische Kultur über diese Dinge sagt: das ist die richtige Träumerei, ist der wahre Aberglaube. Was hat sich denn in der menschlichen Natur eigentlich geändert im Laufe der Zeiten seit der alten Atlantis bis in unsere Zeiten herein? Das, worin eingehüllt ist die eigentliche Wesenheit des Menschen, hat sich geändert. Sie ist eingehüllt in seine drei Leibes-hüllen, in den physischen Leib, Ätherleib und astralischen Leib, so daß unsere innerste Ich-Wesenheit eben in diesen drei Leibeshüllen steckt. Diese drei Leibeshüllen sind sämtlich anders geworden im Laufe der Entwickelung von der alten atlantischen Zeit bis heute. Und wir fragen jetzt: Was ist denn eigentlich der treibende Faktor, der da gewirkt, der diese Leibeshüllen anders gemacht hat? Wir müssen diesen treibenden, diesen impulsiven Faktor, das, was da gewirkt hat zum Anderswerden der Hüllen, vorzugsweise im menschlichen Ätherleib suchen. Der menschliche Ätherleib ist das Kraftende,
das eigentlich Wirksame. Er hat den physischen Leib dichter gemacht, hat auch den astralischen Leib umgeändert. Denn diese drei Leiber sind nicht so, daß sie wie, sagen wir, Fruchtschalen, wie Zwiebeischalen äußerlich nebeneinander liegen, sondern ihre Kräfte durchdringen sich gegenseitig, sind in lebendiger Wechselwirkung. Und die wichtigste wirkende Hülle ist in dieser Umwandlung, in diesem geschichtlichen Werden des Menschen, der Ätherleib Wir wollen uns symbolisch, schematisch einmal die drei Leiber des Menschen aufzeichnen. Ich zeichne einfach als drei untereinander-liegende Schichten den physischen, den ätherischen und den astralischen Leib.
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Wir müssen nun die eigentlichen Kräfte, die da wirksam sind, vor allen Dingen die Eros- und Demeterkräfte, in dem Ätherleibe suchen. Sie werden vom Ätherleib hinaufgeschickt in den astralischen Leib und hinuntergeschickt in den physischen Leib, so daß der Ätherleib sowohl den Astralleib wie auch den physischen Leib beeinflußt. Den physischen Leib macht der Ätherleib in dieser Zeit vorzugsweise dichter, in sich konsolidierter, den astralischen Leib gestaltet er so um, daß er nicht mehr hellseherische Kräfte entwickelt, sondern nur die intellektualistischen Kräfte der Menschen-natur. Dadurch, daß der Mensch in dieser Weise umgestaltet wurde, daß er von seinem Ätherleibe aus alle drei Leiber umgestaltet erhielt, dadurch wurde in diesen drei Leibern im Laufe der Zeiten selbst Wichtigstes und Wesentlichstes verändert. Ganz umgestaltet wurden diese drei Leiber. Es war eben ein atlantischer Leib, selbst noch ein nachatlantischer Leib der ersten Perioden anders, als ein
Leib heute ist. Es waren alle Verhältnisse und Lebensbedingungen anders. Das alles hat sich umgestaltet. Wenn wir zunächst den physischen Leib betrachten in seinem lebendigen Werden von den ältesten Zeiten bis heute, so müssen wir sagen: Dadurch, daß der physische Leib dichter geworden ist, ist er mehr unterworfen worden den äußeren Einflüssen der physi-schen Umgebung. Während der alte, weiche physische Leib mehr den geistigen Bedingungen des Daseins in alten Zeiten unterworfen war, ist er in den neueren Zeiten durch seine Dichtigkeit den äußeren physischen Bedingungen des physischen Planes unterworfen worden. Dadurch sind gewisse Eigenschaften dieses physischen Leibes, die früher in solcher Form gar nicht vorhanden waren, erhöht worden, namentlich ist im physischen Leib anders geworden, was man die Krankheitsbedingungen nennt. Das, was man Erkrankung, was man die Gesundheit des physischen Leibes des Menschen nennt, unterlag in alten Zeiten ganz anderen Ursachen. Da war alles das, was menschliche Gesundheit ist, mit den geistigen Verhältnissen der geistigen Welt in einem unmittelbaren Zusammenhang. Heute ist der physische Leib des Menschen mit den äußeren physischen Verhältnissen und Bedingungen im Zusammenhang und dadurch von den physischen Verhältnissen und Bedingungen abhängig. Und wir haben heute die Gesundheitsbedingungen mehr in den äußeren physischen Verhältnissen zu suchen. Der Mensch ist also mit seiner mnersten Wesensnatur dadurch, daß Pluto - im Sinne der griechischen Mythologie gesprochen - die Persephone geraubt hat, in die Untergründe der menschlichen Natur hinuntergeholt hat, den äußeren Bedingungen in bezug auf die Krankheits- und Gesundheitsverhältnisse unterworfen worden. Das ist das eine, was mit der Menschheitsorganisation vor sich gegangen ist. Das zweite bezieht sich auf den menschlichen Ätherleib selber. In ihm liegen zwar die Kräfte der Umgestaltung, aber er hat sich selber auch verändert. Dieser Ätherleib war in uralten Zeiten so organisiert, daß der Mensch nicht in derselben Weise die Welt erkannt hat, wie er sie heute erkennt, sondern wenn er hinein-schaute in die geistige Welt durch das alte Persephone-Hellsehen
dann sah er in dieser geistigen Welt Bilder der geistigen Wesen-heiten selber. Eine Bilderwelt sah der Mensch um sich. Diese Bilder werden zwar hervorgerufen durch die Kräfte des astralischen Lei-bes, aber der astralische Leib könnte sie, wenn er auf sich angewie-sen wäre, nicht sehen. Der astralische Leib nimmt nicht Bilder wahr, wenn er allein auf sich angewiesen ist. Geradesowenig wie ein Mensch sich selber sieht, wenn er, von keinem Spiegel gehindert, vorwärts geht, ebensowenig wurde der astralische Leib die von ihm erzeugten Bilder wahrnehmen, wenn nicht die Tätigkeit des astralischen Leibes in der menschlichen Natur gleichsam zurückgeworfen würde durch den Ätherleib So bringt der Ätherleib die vom astralischen Leib hervorgerufenen Bilder zum Anschauen, zum Wahrnehmen. Das, was der Mensch wahrnimmt von dem, was in seinem eigenen astralischen Leib vorgeht, ist das, was ihm sein Ätherleib spiegelt. Würden wir diese Spiegelung aller unserer astralischen inneren Vorgänge durch den Ätherleib nicht haben, so wurde zwar alles das in uns sein, was der astralische Leib bewirkt, aber der Mensch würde es nicht anschauen, nicht wahrnehmen können. Daher ist das gesamte Weltbild, das sich der Mensch machen kann, der gesamte Inhalt seines Bewußtseins eine Spiegelung aus dem Ätherleibe. Und vom Ätherleibe hängt es ab, ob der Mensch überhaupt etwas weiß von der Welt. Es hing dieses ab vom Ätherleib in der alten hellseherischen Zeit, und auch heute hängt alles Wissen von der Welt von der Spiegelung der astralen Tätigkeit im menschlichen Ätherleibe ab. Was liegt also in den Kräften dieses Ätherleibes? In den Kräften dieses Ätherleibes liegt die Tatsache, daß wir durch sie den Schlüssel haben zur Erkenntnis der Welt. Sonst würde alles das, was die Welt in unserem astralischen Leib bewirkt, nicht die Pforte aufschließen zur Erkenntnis der Welt. Der Schlüssel zur Welt-Erkenntnis liegt im Ätherleib Und auch alles das liegt in unserem Ätherleib, von dem wir so sprechen können, wie an einigen wich-tigen Stellen der beiden Rosenkreuzerdramen gesprochen ist. Da ist gesprochen von den Gedankenlabyrinthen, von den Fäden, die unsere Welt-Erkenntnis spinnen muß. Wir lernen ja die Welt nicht
dadurch erkennen, daß wir einfach auf sie hinschauen, sondern in-dem wir entweder wie im alten Helisehen von Bild zu Bild gehen oder indem wir in der neueren intellektuellen Kultur von Gedanke zu Gedanke gehen eben wie durch das Gedankenlabyrinth. Auch dieser Zusammenhang wird durch die Kräfte des Ätherleibes bewirkt. Das hat sich also geändert, was wir den Schlüssel und was wir die Fäden nennen können, die zwischen den einzelnen Gebilden unseres Bewußtseins sich ausbreiten, wenn wir zur Welt-Erkenntnis gelangen. So sehen wir, was an den Kräften des Ätherleibes baut und was sich ändern muß an diesen Kräften des Ä therleibes. Betrachten wir das dritte, den Astralleib selber. Der Astralleib ist ja, wie gesagt, das Element in uns, in welches die Welt hereinwirkt und in welchem gestaltet werden die Kräfte und Fähigkeiten, die dann durch den Ätherleib gespiegelt werden. Im Astralleib wird die Erkenntnis entzündet, zum Bewußtsein gebracht wird sie durch den Ätherleib Entzündet wird ein Gedanke, ein Bild im Astralleib; sie sind dadurch in uns, daß wir einen Astralleib haben. Es wird uns dieses Bild, dieser Gedanke bewußt dadurch, daß wir einen Ätherleib haben. Sie wären in uns, auch wenn wir keinen Ätherleib hätten, aber wir wüßten nichts davon. Die Fackel der Erkenntnis wird entzündet im Astralleib, gespiegelt als bewußte Erkenntnis des Menschen wird diese Fackel der Erkenntnis im menschlichen Ätherleib So können wir sagen: im menschlichen Astralleib wird die Fackel der Erkenntnis entzündet, und diese Fackel der Erkenntnis ändert sich wiederum im Laufe des geschichtlichen Werdens der Menschheit, so daß in alten Zeiten der Mensch die hellseherische Bilder-Erkenntnis hatte und heute die intellektuelle Verstandes-Erkenntnis. So haben sich die Kräfte des Astralleibes geändert. Während also der Mensch dieses geschichtliche Werden durch-machte, waren Kräfte in der menschlichen Natur, welche das ganze Verhältnis der Demeter zu den Menschen änderten. Aus dem alten, dünnen menschlichen Leib, aus dem alten, hellseherische Fähig-keiten entwickelnden Astralleib wurde sozusagen die Demeter aus-getrieben. Eros wirkte ein. Dafür wurden die - wie ich Ihnen heute
gezeigt habe - andersgearteten erosfreien Kräfte der menschlichen Natur mehr der Demeter unterstellt. Es wirkte also eine Kraft des Werdens in drei Arten auf die menschliche Natur während dieser Zeit von der alten atlantischen Zeit bis heute; eine dreifache Natur des Werdens, des Umgestaltens, des Umformens, eine dreifache Art der Metamorphose, vom Ätherleibe ausgehend auf den physischen Leib, auf den Ätherleib selber, auf den Astralleib gehend. Diese Kraft des Werdens und der Umgestaltung, sie war in der mensch-lichen Natur und ist in uns. Sie ändert uns von der Jugend ins Alter um, indem sie die Eroskräfte in die Demeterkräfte überführt. Es ist in unserer Organisation dieses dreifache Werden, das im phy-sischen Leibe die anderen Krankheits- und Gesundheitsbedingun-gen bewirkt, das im Ätherleibe die andere Spiegelung der Erkennt-nis veranlaßt und das umändert die Fackel der Erkenntnis im Astral leibe. Wie wunderbar ist es, daß uns aus der alten griechischen Götter-lehre entgegenleuchtet der Repräsentant dieser Werdekräfte der menschlichen Natur, die in uns allen wirken, die unseren Astralleib umgestalten, die deshalb auch die Natur der Demeter umgestalten, jene Kräfte, die im menschlichen Ätherleibe sind und auf den phy-sischen Leib und auf sich selber und auf den Astralleib wirken. Sie sind repräsentiert in der dreifachen Hekate. Was wir also heute aus-drücken dadurch, daß wir sagen: vom Ätherleibe gehen umgestaltende Kräfte in dreifacher Art aus, das drückte der Grieche aus, indem er von der dreifachen Hekate sprach. Ein Naturwunder der menschlichen Organisation in ihrem Werden ist in dieser drei-fachen Hekate ausgesprochen. In ungeheure Weisheit blicken wir da hinein. Und Sie können noch heute in Rom dieses Bild der drei-fachen Hekate sehen. Diese dreifach geteilte Hekate wird so dar-gestellt: die eine Organisation der Hekate, die sich bezieht auf die Krankheits- und Gesundheitsbedingungen, wird mit dem Symbolum des Dolches und der Schlange ausgestattet, welch letztere ja auch dem Äskulap beigegeben wird als dem Repräsentanten der Gesundheitskunde. Der Dolch repräsentiert die äußeren Einflüsse, die äußeren zerstörenden Einflüsse auf den menschlichen Organismus.
Indem man der dreifachen Hekate in der einen ihrer Gestaltungen den Dolch und die Schlange beigegeben hat, wies man darauf hin, daß man jene Kräfte meinte, die den Ätherleib in bezug auf sein Werden beeinflußten. Das zweite Bild der Hekate mußte dann hinweisen darauf, daß sich im Ätherleibe geändert hat der Schlüssel zur Erkenntnis der Welt. Und welches Symbol hat das zweite Bild der dreifachen Hekate? Den Schlüssel und einen Bund Stricke als Symbolum für das Gedankenlabyrinth. Und die dritte Hekate hat die Fackel als die Fackel der Erkenntnis, wie sie sich im Astralleibe bildet. Und nun fühlen wir, mit welcher ungeheueren materialistischen Aberglaubensform man heute in unserem materialistischen Zeitalter vor dieser tiefsinnigen Gestalt der alten Zeit steht und wie sich diese Dinge beleben werden, wenn der Mensch wiederum wissen wird, was eigentlich gemeint wird mit solch einer grandiosen tiefsinnigen Symbolik wie die der dreifachen Hekate. Das alte Griechenland wird neu erstehen in seinen Gedanken, wenn die mit Geisteswissenschaft gesättigte Menschenseele sich vor ein solches Bildwerk stellen wird und in dieser Menschenseele auf-strömen wird all das Wissen von der geistigen Natur des Menschen, das hineingeheimnißt ist in eine solche Gestalt. Diese Dinge braucht man nicht in einem abstrakten Sinne zu nehmen. Wir können sie natürlich nur aussprechen, indem wir sie sozusagen in abstrakte Gedanken kleiden. Das alles kann aber für uns lebendige Empfindung und lebendiges Gefühl werden, wenn wir uns durch-dringen mit dem Bewußtsein, daß auch die Hekate nur die Art und Weise ihrer Wirksamkeit geändert hat, daß sie aber auch heute in uns ist und in jedem einzelnen von uns wirkt. Der alte Grieche sagte: Nicht nur die ganze Menschheit in ihrem Werden, sondern auch der einzelne Mensch untersteht, indem seine Leibesform umgestaltet wird, indem er seinem physischen Leibe, Ätherleibe und Astralleibe nach umgeändert wird, den Kräften der Hekate. Hekate wirkt in ihm in dreifacher Art. Aber das, was dazumal im Bilde der Hekate der menschlichen Seele vermittelt worden ist, kann auch heute wieder vermittelt werden. Der moderne Bekenner der Geisteswissenschaft, der nicht mehr in solcher bildlichen
Form spricht, wie drückt er sich aus? Er sagt: Im Laufe der mensch-lichen Einzelentwickelung von der Geburt bis zur Reife werden im menschlichen Werden die drei Glieder der menschlichen Leibes-hülle umgeändert: in den ersten sieben Jahren die physische, in den zweiten sieben Jahren die ätherische, in den dritten sieben Jahren die astralische. - Die Kräfte, die Sie beschrieben finden, ohne daß dies Bild gebraucht ist, in meiner kleinen Schrift über «Die Erziehung des Kindes», die Kräfte, die da wirken in der mensch-lichen Organisation in dreifacher Weise, es sind die Hekate-Kräfte. Und indem Ihnen beschrieben wird heute von der Geisteswissen-schaft, daß der Mensch bis zum Zahnwechsel vorzugsweise seinen physischen Leib ausbildet, wird darauf hingewiesen, daß die eine Form der Hekate in ihm wirkt. Da wird in moderner Form gesagt, was der Grieche meint, wenn er den einen Teil der Hekate mit Dolch und Schlange hinstellt. Und mit Schlüssel und Strickbund wird der zweite Teil der Umwandlung hingestellt, wo der Ätherleib aus sich selbst wirkt in den zweiten sieben Jahren. Und die dritten sieben Jahre werden hingestellt, als im Astralleib selber ganz vor sich gehend, mit dem Symbol der Fackel. So habe ich Ihnen im Grunde genommen in moderner Form längst das gesagt, was die Hekate-Weisheit der alten Griechen war, was im Bilde der Hekate in den alten Mysterien der Griechen ausgedrückt worden ist. Das aber ist auch der Sinn unseres Werdens der europäischen Kultur. Schauen wir zurück in die alten Zeiten des Griechentums, dann treten uns in den Überlieferungen der griechischen Mystik, der griechischen Mythologie auch die gewaltigen Bilder entgegen, die hingestellt wurden vor die zu Unterrichtenden, um in der Seele zu erwecken die Erkenntnis, die damals notwendig für den Men-schen war. Das Bild der dreifachen Hekate weckte - nicht in der heutigen Form - die Wissenschaft auf, die wir aufnehmen, wenn wir die Lehre von der dreifachen Umwandlung von der Geburt bis etwa zum zwanzigsten Jahre ins Auge fassen. Und wenn wir solche Lehren ins Auge fassen, dann folgen wir getreulich dem Gange, den die menschliche Kultur nehmen muß. Die alte hellseherische Form mußte untertauchen in das Reich des Pluto in der menschlichen
Seele, und eine Weile, von der alten sokratischen Zeit bis in unsere Gegenwart herein, mußte gewissermaßen eine Epoche des Nichtwissens herrschen in bezug auf alle diese Verhältnisse. Die Menschen mußten ihr Ich konsolidieren, ihre Egoität ausbilden. Da blieb unter der Oberfläche der menschlichen Seele das alte, durch die grandiosen Bilder angeregte Wissen der Griechen. Da war es gleichsam unter dem Schutte der intellektuellen Kultur begraben. Jetzt taucht es wieder auf aus einer dunklen Geistestiefe. In der Geisteswissenschaft taucht aus dem modernen Leben wiederum das herauf, was da untergetaucht ist in tiefere Gründe der menschlichen Seele. Wir fangen heute wiederum an auf die Art, die ich beschrieben habe in der «Erziehung des Kindes», die dreifache Hekate in einer mehr abstrakten Form zu erkennen. Dadurch aber wird die menschliche Seele wiederum vorbereitet zu einem künftigen, trotz der Intellektualität uns in Aussicht stehenden Hellsehen. Und die Vorbereitung für dieses künftige Heilsehen der Menschheit, das ist unsere Geisteswissenschaft. Oh, jene dreifache Hekate, von der die Griechen gesprochen haben, jene Demeter und Persephone und die andern Gestalten alle, die damals nicht solche Abstraktionen waren, wie die abergläubischen Gelehrten heute träumen, sondern lebendige Gestalten des griechischen Sehertums, alle diese Gestalten werden wieder erscheinen vor dem hellseherischen Blick, der in der Zukunft für die Menschheit immer mehr und mehr herunter-dringen wird aus den geistigen Welten. Und die Kraft, welche in die Menschenseelen eindringt, um sie wieder hinaufzuführen, oder ich könnte auch sagen, um zu ihr herunterzuführen die hellseherischen Kräfte, ist diejenige, welche zunächst für die Erkenntnis der Menschen als bewußter Gedanke vorbereitet worden ist in der alten Jahve-Kultur und dann ihre volle Ausgestaltung gewonnen hat durch das Erscheinen der Christus-Wesenheit, die von den Menschen immer mehr und mehr erkannt werden wird. Und indem gesagt wird innerhalb unserer wahren Geisteswissenschaft, daß schon in diesem zwanzigsten Jahrhundert beginnt jenes hellseherische Hinaufschauen der Menschen zu dem seit dem Mysterium von Golgatha mit der Erde vereinten Christus, wird zu gleicher
Zeit gesagt, daß dies Ereignis des wiederkommenden Christus selbstverständlich nicht in einem physischen Leibe, sondern für das ätherische Anschauen wie bei Paulus vor Damaskus eintreten wird. In dieser Christas-Kraft sind alle Impulse der menschlichen Natur gegeben, diese wiederum hinaufzuführen und sie zugleich anschauen zu lassen alles das, was zum Beispiel auch von griechischen Göttergestalten hinuntergetaucht ist in die unterbewußten Seelengründe. Das wird in die Zukunft hinein das größte Ereignis der mensch-lichen Seelenentwickelung sein, jenes Ereignis, auf das die Geisteswissenschaft vorbereiten muß, damit die menschlichen Seelen fähig werden, jenes ätherische Anschauen zu gewinnen. Und in den nächsten dreitausend Jahren wird das immer mehr und mehr menschliche Seelen ergreifen, und die nächsten dreitausend Jahre werden im wesentlichen gewidmet sein dem Auffiammen der Kräfte der menschlichen Seele, die die Ätherwunder der Natur um sich herum gewahr werden kann. In unserem Jahrhundert wird es beginnen, daß einzelne aus ihrer Ätherseele heraus den wiederkommenden Christus erblicken, und immer mehr und mehr Menschen werden es sein durch die nächsten drei Jahrtausende. Und dann wird sich erfüllen, was die wahre orientalische Tradition ist, die mit allem wahren Okkultismus übereinstimmt, daß mit Ablauf dieser dreitausend Jahre in einer ebenso verständlichen Form für die menschliche Seele spricht der zu der Menschheit herabsteigende Maitreya Buddha, der dann diese Christusnatur dem Menschen vermitteln wird. Das ist das, was die orientalische Mystik bewahrt, daß dreitausend Jahre etwa nach unserer Zeit der Maitreya Buddha erscheinen wird. Was die abendländische Kultur beizutragen hat, ist, daß jene Welt-individualität, wie Sie es in dem Mysterium «Die Prüfung der Seele» wieder betont finden, nur einmal im physischen Leibe erschienen ist, daß diese immer sichtbarer für das ätherische Anschauen der Menschen sein wird. Dadurch wird sie der Menschenseele etwas Vertrautes werden. Und mit so hinreißenden Worten, wie vor zwei Jahrtausenden der Buddha gesprochen hat von dem, was damals den besten Menschenseelen seiner Zeit das Natürliche war, so wird der Maitreya Buddha überall verkündigen können das, was heute noch
nicht möglich ist öffentlich auszusprechen, was sich aber vollziehen wird in dem ätherischen Anschauen des Christus. Das ist das größte Ereignis des zwanzigsten Jahrhunderts, dieses Hinaufentwickeln der menschlichen Natur zu dem, was wir die Wiederbringung des Paulus-Ereignisses nennen können. Dazumal kam es nur über den einzelnen, über Paulus, in der Schauung von Damaskus. Es wird in der Zukunft für die gesamte Menschheit kommen nach und nach, von unserem Jahrhundert angefangen. Derjenige, der da glaubt an den Fortschritt der menschlichen Natur, der da glaubt, daß die menschliche Seele immer höhere und höhere Kräfte entwickeln wird, der weiß, daß es notwendig für die in die tiefsten Tiefen des physischen Planes herantergestiegene Men-schenseele war, daß der Christus auch in einem physischen Leibe einmal erschien. Das war notwendig, weil damals die menschliche Seele nur die Gottheit in einem Leibe sehen konnte, der für physische Augen, für physische Organe sichtbar war. Dadurch aber, daß dieses Ereignis eintrat, daß die alte Jahve-Kultur dieses Ereignis vorbereitet hat und es dann eingetreten ist, dadurch wird die menschliche Seele zu immer höheren Fähigkeiten geführt, und die Erhöhung dieser Fähigkeiten drückt sich dadurch aus, daß nun die Menschen lernen werden, auch dann den Christus zu schauen, wenn er nicht mehr in einem physischen Leibe unter ihnen wandelt, sondern wenn er so sich zeigt, wie er jetzt auch unter uns ist seit dem Mysterium von Golgatha, allerdings nur für hellsichtige Augen sichtbar. Der Christus ist da, ist mit dem Ätherleibe der Erde vereinigt. Das, worauf es ankommt, ist, daß die menschliche Seele sich heraufentwickelt, um ihn zu schauen. Darin liegt der große Fortschritt der Entwickelung der menschlichen Seele, und wer da an den Fortschritt der menschlichen Seele glaubt, wer glaubt, daß Geisteswissenschaft einen Zweck hat und eine Mission in bezug auf den Fortschritt der menschlichen Seele, der wird verstehen, daß die Kräfte der menschlichen Seele immer höhere werden müssen und daß es ein Stehenbleiben bedeuten würde, wenn die menschliche Seele in unserer Zeit den Christus in derselben physischen Form sehen müßte, in der sie ihn einstmals sah. Wer also glaubt an den
Fortschritt und wer an Zweck und Mission der Geisteswissenschaft glaubt, der weiß: eine grandiose Bedeutung liegt in dieser alten Rosenkreuzerformel von dem Göttes-Sohnes-Wesen, das nur einmal in einem physischen Leibe sich verkörpert hat, das schon von unserem Jahrhundert ab - nach den Prophezeiungen und nach unseren Erkenntnissen - wiederum den menschlichen Seelen als ätherisches Wesen mehr und mehr sichtbar sein wird. Wer an den Fortschritt des menschlichen Werdens glaubt, der glaubt an dieses Wiederkehren des Christus, der da schaubar wird für die ätherischen Fähigkeiten des Menschen. Wer da nicht glauben will an den Fortschritt, der möge glauben daran, daß die menschlichen Seelenkräfte stehen-bleiben und auch in unserer Zeit nötig haben, den Christus in derselben Gestalt zu sehen wie damals, als die Menschheit heruntergestiegen war in tiefste Gründe der Materie, der möge glauben an eine Wiederkehr eines Christus in einem physischen Leibe.
DRITTER VORTRAG München, 20. August 1911
In diesem Vortragszyklus hoffe ich Ihnen von einer gewissen Seite her einen Überblick über wichtige Tatsachen unserer Geisteswissen-schaft geben zu können. Den Faden oder die Disposition, die dabei eingehalten werden soll, werden Sie allerdings erst in den letzten Vorträgen überschauen können, weil eine ganze Reihe von Fragen berührt werden soll, welche sich dann in den letzten Tagen zu einem Gesamtbilde zusammenschließen werden. Ich habe an den letzten zwei Abenden in manchen Dingen angeknüpft an das Mysterium von Eleusis, an die griechische Mythologie; ich werde noch öfter Gelegenheit haben, an unsere Aufführungen anzuknüpfen. Daß aber in diesem Zyklus noch ein anderes Ziel angestrebt wird, werden Sie eben am Ende erkennen. An dem heutigen Abend möchte ich in Ihnen von einer anderen Seite her ein wenig die Empfindung hervorrufen, wie Geisteswissenschaft in unserer Gegenwart hinarbeitet zu jener großen, gewaltigen Urweisheit, von der wir ein klein wenig gesehen haben, wie sie jene mächtigen Gestalten und Bilder und Mysteriennachrichten durchleuchtet, die aus dem alten Griechenland heraufkommen. Man muß sich schon einmal damit bekannt machen, meine lieben Freunde, wenn man die ganze Aufgabe und Mission der Geisteswissenschaft heute empfinden will, daß manche Vorstellung, mancher Begriff, der in unserer Gegenwart herrscht, sich verändern muß. Und in dieser Beziehung ist ja der Mensch der Gegenwart oftmals recht kurzsichtig, denkt kaum über die allernächsten Zeiten hinaus. Gerade aus diesem Grunde, um ein Gefühl hervorzurufen, wie wir unser Vorstellen, unser Denken selber ändern müssen, wenn wir so recht tief die Mission der Geistes-wissenschaft überschauen wollen, wurde hingewiesen auf das ganz Andersartige der griechischen Anschauung von Welt und Leben, von dem Verhältnis des Menschen zur geistigen Welt. Denn ganz anders hat das griechische Herz, die griechische Seele gefühlt, als
der moderne Mensch in dieser Beziehung fühlt. Und da möchte ich heute eines gleich im Beginn erwähnen. Ihnen allen ist ein Begriff sehr geläufig, eine Idee, die heute ja nicht nur in unserem Wortschatz in allen Sprachen geläufig ist, sondern die auch in die Bezeichnungen einer gewissen Wissen-schaftsrichtung eingefiossen ist. Es ist das Wort Natur. Und indem das Wort Natur ausgesprochen wird, entsteht gleich eine ganze Menge von Vorstellungen, welche die heutige Seele empfindet über irgend etwas, was eben als Natur bezeichnet wird. Und wir stellen Natur dann der Seele oder dem Geiste gegenüber. Nun sehen Sie, meine lieben Freunde, alles das, was der gegenwärtige Mensch meint, wenn er den Ausdruck Natur gebraucht, alles das, was wir heute als Natur bezeichnen, gab es einfach für ein altes griechisches Denken nicht. Sie müssen das ganz ausstreichen, was Sie heute mit dem Ausdruck Natur bezeichnen, wenn Sie eindringen wollen in das alte griechische Denken. Jenen Gegensatz, jene Zweiheit zwi-schen Natur und Geist, wie wir sie heute empfinden, das kannte der alte Grieche nicht. Wenn er sein Auge hinlenkte auf die äußeren Vorgänge, wie sie sich abspielen in Wald und Feld, in Sonne und Mond, in der Sternenwelt, dann empfand der alte Grieche noch nicht ein geistentblößtes Naturdasein, sondern ihm war alles das, was da geschah in der Welt, ebenso die Tat von geistigen Wesenheiten, wie uns die Tat, die etwa in einer Handbewegung besteht, Ausdruck ist unserer Seelentätigkeit. Wenn wir unsere Hand von links nach rechts bewegen, so wissen wir, dieser Handbewegung liegt zugrunde eine Seelentätigkeit, und wir sprechen nicht von einem Gegensatz der bloßen Bewegung der Hand und unseres Willens, sondern wir wissen, daß das eine Einheit ist, was da sich als Hand bewegt und was unser Wille als Bewegungsimpuls darstellt. Da fühlen wir noch die Einheit, wenn wir einen Gestus machen, den unsere Seele aus-führt. Wenn wir unseren Blick hinauswenden zum Gang von Sonne und Mond, wenn wir die sich bewegenden Wolken sehen, wenn wir die sich bewegende Luft im Winde wahrnehmen, dann sehen wir nicht mehr so etwas, wie der alte Grieche gesehen hat, was gleichsam Handbewegungen, äußere Gesten von göttlich-geistigen Wesenheiten
sind, sondern wir sehen etwas, was wir nach äußeren, abstrakten, rein mathematisch-mechanischen Gesetzen betrachten. Solch eine Natur, die nach rein äußeren, mathematisch-mechanischen Gesetzen betrachtet wird, die nicht bloß die äußere Physiognomie des göttlich-geistigen Handelns darstellt, kannte der alte Grieche nicht. Wir werden hören, wie der Begriff Natur, so wie ihn der heutige moderne Mensch hat, erst entstanden ist. Geist und Natur war in jenen alten Zeiten also in völligem Einklang miteinander. Daher gab es für den alten Griechen auch das noch nicht mit denselben Empfindungswerten wie heute aus-gestattet, was in der heutigen Zeit ein Wunder genannt wird. Wenn wir jetzt absehen von allen feineren Unterscheidungen, so können wir heute sagen, ein Wunder würde gesehen, wenn ein Vorgang in der Außenwelt wahrgenommen würde, der nicht nach den bereits bekannten oder mit ihnen verwandten Naturgesetzen erklärbar ist, sondern der voraussetzt, daß der Geist unmittelbar eingreift. Da wo der Mensch wahrnehmen würde ein unmittelbar Geistiges, was er nicht bloß nach rein äußerlichen, mathematisch-mechanischen Gesetzen begreifen und erklären kann, würde er von etwas Wunderbarem sprechen. In diesem Sinne konnte der alte Grieche nicht von etwas Wunderbarem sprechen. Denn ihm war klar, daß der Geist alles macht, was in der Natur geschieht, ob es nun die alltäglichen, in unsere Naturordnung sich einfügenden Ereignisse waren oder seltenere Naturzusammenhänge, das machte keinen Unterschied. Das eine war nur seltener, das andere war das Gewöhnliche, aber der Geist, das göttlich-geistige Schaffen und göttlich-geistige Wirken, griff ihm in alles Naturgeschehen ein. So sehen Sie, wie sich diese Begriffe geändert haben. Daher ist es auch etwas wesentlich unserer Gegenwart Angehöriges, daß das geistige Eingreifen in die äußeren Ereignisse des physischen Planes wie etwas Wunderbares empfunden wird, wie etwas, was herausfällt aus dem gewöhnlichen Gang der Ereignisse. Es ist nur unserer modernen Empfindung eigen, eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen dem, was man von Naturgesetzen beherrscht glaubt, und dem, wo man ein unmittelbares Eingreifen der geistigen Welten anerkennen muß.
Ich habe Ihnen von dem Zusammenklingen zweier Strömungen gesprochen, der Demeter-Persephone-Strömung und der, wenn ich so sagen darf, Agamemnon-Iphigenie-Strömung Sie sollen ver-bunden werden durch die Mission der Geisteswissenschaft. Wir könnten auch noch, anknüpfend an diese Vereinigung der beiden Strömungen, von der Notwendigkeit sprechen, daß die Menschheit wiederum empfinden lernt, daß überall bei den alltäglichen und bei den selteneren Vorkommnissen das Geistige wirksam ist. Dazu aber ist notwendig, daß das, was der moderne Mensch als zwei Strömun-gen empfindet, auch vor seine Soele tritt, daß er sich klarmacht: Hier habe ich auf der einen Seite diejenigen Dinge, die sich einfügen als ein Natursystem in die Gesetze, die heute der Physiker, der Chemiker, der Physiologe, der Biologe anerkennt, und hier habe ich auf der anderen Seite Vorkommnisse, die einfach als Tatsachen ebenso verfolgt werden können wie andere Tatsachen, die sich eben in die physischen, mathematisch-chemischen Gesetze einfügen, die aber nicht erklärt werden können, wenn man nicht ein geistiges Weben und Leben hinter dem physischen Plan als eine Realität anerkennt. Den ganzen Konflikt, der durch diesen Zwiespalt und zu gleicher Zeit durch die Sehnsucht nach Vereinigung der beiden Gegensätze Natur und Geist in der menschlichen Seele hervorgeruten wird, sehen Sie im Rosenkreuzerdrama abgeladen in der Seele des Strader. Und wie ein aus dem gewöhnlichen Naturgange herausfallendes Ereignis, wie die Offenbarung der Theodora, auf denjenigen wirkt, der gewohnt ist, nur gelten zu lassen, was unter die physikalischen und chemischen Gesetze fallen kann, wie das auf das Gemüt wie eine Prüfung der Seele wirkt, sehen Sie auch am Charakter und an den Geschehnissen der Seele des Strader dargestellt in dem Rosen-kreuzermysterium «Die Pforte der Einweihung>. Damit haben Sie aber nur gleichsam herauskristallisiert etwas, was als die Empfindung dieses Gegensatzes in zahlreichen modernen Seelen sich ausdrückt. Diese Straderseelen sind sehr häufig in der heutigen Zeit. Für solche Straderseelen ist es notwendig, daß sie auf der einen Seite das Eigentumliche des regulären, des normalen Ganges der Naturtatsachen,
die durch die physikalischen, chemischen, biologischen Gesetze er-klärt werden können, einsehen. Auf der anderen Seite ist es aber auch notwendig, daß solche Seelen hingeführt werden zur An-erkennung jener Tatsachen, die auch auf dem physischen Plane auftreten, aber von dem rein materialistischen Sinn als Wunder und daher als etwas Unmögliches einfach liegengelassen und nicht an-erkannt werden. Ich habe ja schon in anderen Zusammenhängen erwähnt, daß sich das Verdienst, äuf solche Tatsachen in schönem Zusammenhang hingewiesen zu haben in einer Weise, wie es eben gerade für die gegenwärtige theosophische Bewegung notwendig ist, unser Freund Ludwig Deinhard erworben hat. Sie werden in dem ersten Teile seines Buches «Das Mysterium des Menschen» gerade diese Seite des modernen Lebens und den richtigen Hinweis auf die Tatsachen innerhalb des physischen Planes und ihren Hintergrund in der geistigen Welt sehen, Sie werden sehen, wie der moderne Geist diese durchaus absolut für unsere Bewegung notwendige Seite in Erwägung und Berücksichtigung ziehen kann. Insofern ist es von ganz besonderer Wichtigkeit, daß wir dieses Buch jetzt haben, das namentlich auch in den Händen aller Freunde nützlich und zielvoll wirken kann, weil diese Gelegenheit finden können, den außenstehenden Seelen, die noch einen anderen Zugang brauchen als diejenigen, die schon die esoterische Sehnsucht fühlen, einen Weg zu eröffnen herein in das spirituelle Leben. Und da in diesem Buche ein richtiger Einklang versucht wird zwischen diesem einen Weg des modernen wissenschaftlichen Denkens und unserer Esoterik, so ist dieses Buch in den Händen der Freunde ein vorzügliches Mittel, der Geisteswissenschaft gerade in unserer Gegenwart zu dienen. So können wir also sagen, Sehnsucht ist heute vorhanden, jenen Gegensatz, den es im alten griechischen Lande noch nicht gab zwi-schen Natur und Geist, auszugleichen. Und daß Versuche gemacht werden - Sie finden ja diese Versuche auch in dem genannten Buche dargestellt -, daß Gesellschaften gegründet werden, die das Weben und Wesen anderer Gesetze in der physischen Welt verfolgen als der rein chemischen, physiologischen, biologischen, das ist ein Beweis
dafür, daß in weitesten Kreisen die Sehnsucht empfunden wird, diesen Gegensatz zu überbrücken. Es liegt also die Überbrückung, die Harmonisierung des Gegensatzes zwischen Geist und Natur innerhalb der Mission unserer geisteswissenschaftlichen Wirksam-keit. Wir müssen sozusagen herausarbeiten aus neuen Quellen geisteswissenschaftiicher Anschauung, müssen wiederum in die Lage kommen, in demjenigen, was uns umgibt, mehr zu sehen als das, was das Auge des Physikers oder Chemikers oder des Anatomen oder des Physiologen oder des Biologen sieht. Dazu müssen wir in der Tat ausgehen von dem Menschen selber, der ja so sehr heraus-fordert, nicht nur die im physischen Leibe wirksamen chemischen und physikalischen Gesetze zu studieren, sondern das Zusammen-wirken aufzusuchen von Physischem, Seelischem und Geistigem, das gerade beim Menschen in einer unauffälligen Weise für jeden, der ein wenig zusehen will, auch vor die äußeren Augen treten kann. Der moderne Mensch empfindet nun nicht mehr das, was ich Ihnen bisher nur andeuten konnte als das Hereinwirken der Demeterkraft oder Persephonekraft in den menschlichen Organis-mus. Er empfindet nicht mehr die große Tatsache, daß wir in uns alles das tragen, was draußen im Weltenall ausgegossen ist. Der Grieche empfand das. Er empfand, wenn er es auch nicht in unserem modernen Sinn hätte aussprechen können, zum Beispiel eine Wahrheit, von welcher sich die moderne Geisteswissenschaft langsam erst wiederum überzeugen wird - eine Wahrheit, die ich Ihnen etwa in folgender Art nahebringen möchte. Sie wenden heute den Blick hinauf zum Regenbogen. Solange man ihn nicht erklären kann, ist er ebenso ein Naturwunder, ein Weltenwunder wie etwas anderes. Da tritt uns aus der Alltäglichkeit heraus der wunderbare Bogen mit seinen sieben Farben vor Augen. Wir sehen jetzt ab von aller physikalischen Erklärung, denn die Physik der Zukunft wird noch ganz andere Dinge auch über den Regenbogen zu sagen haben als die heutige. Wir sagen, da draußen fällt unser Blick auf den Regenbogen, der wie aus dem Schoß des uns umgebenden Universums auftritt. Da schauen wir in den Makrokosmos, in die große Welt hinein. Aus ihr heraus gebiert sich der Regenbogen. Jetzt wenden
wir den Blick ein wenig nach innen. In unserm Innern können wir die Bemerkung machen - sie ist eine ganz alltägliche Bemerkung, wir müssen sie nur in das richtige Licht setzen -, daß sich zum Bei-spiel aus dem gedankenlosen Brüten bestimmte Gedanken, die zu irgend etwas Bezug haben, herausbilden, daß mit anderen Worten der Gedanke aufblitzt in unserer Seele. Nehmen wir diese beiden Sachen: die Tatsache des Makrokosmos, daß der Regenbogen aus dem Schoße des Universums sich heraus gebiert, und die andere, daß sich in uns selber der Gedanke heraus gebiert aus unserem anderen Seelenleben. Das sind zwei Tatsachen, von denen die Weisen des alten Griechenlandes schon etwas gewußt haben, was durch die Geisteswissenschaft die Menschen wiederum lernen wer-den. Dieselben Kräfte, die in unserem Mikrokosmischen den Ge-danken aufblitzen lassen, sind die Kräfte, die da draußen im Schoße des Universums den Regenbogen hervorrufen. Wie die Demeter-kräfte von draußen in den Menschen hineinziehen und darinnen wirksam werden, so sind es die Kräfte, die draußen den Regen-bogen formen aus den Ingredienzien der Natur - da würden sie ausgebreitet im Raume wirken -, die in uns drinnen mikrokosmisch, in der kleinen Welt des Menschen wirken, da lassen sie auffilitzen aus dem Unbestimmten den Gedanken. An solche Wahrheiten streift allerdings heute noch nicht eine äußere Physik, dennoch ist das in der Tat eine Wahrheit. Alles, was da draußen im Raum ist, ist in uns selber. Der Mensch erkennt heute noch nicht den völligen Einklang der in ihm selber geheimnisvoll wirkenden Kräfte und der draußen im Makrokosmos wirksamen Kräfte, ja, er sieht das vielleicht als eine Träumerei, als eine Phantasterei an. Der alte Grieche konnte das nicht sagen, was ich jetzt gesagt habe über diese Dinge, weil er nicht mit intellek-tueller Kultur diese Dinge durchdrang, aber es lebte in seinem unterbewußten Seelenleben, er sah oder fühlte das hellseherisch. Und wenn wir dieses Gefühl jetzt in unseren gegenwärtigen moder-nen Worten ausdrücken wollen, so müssen wir sagen: Der alte Grieche fühlte, daß da in seinem Innern zum Beispiel die Kräfte wirkten die den Gedanken aufblitzen ließen, und daß das dieselben
Kräfte waren, die da draußen den Regenbogen organisieren. - Das empfand er. Er fragte sich nun: Wenn da drinnen die Seelenkräfte sind, die den Gedanken aufblitzen lassen, was ist es denn draußen, was ist in den Raumesweiten Geistiges verbreitet: oben und unten, rechts und links, vorne und hinten? Was ist da ausgebreitet im gan-zen Raum? So wie die Seelenkräfte im Innern sind, wie sie drinnen den Gedanken aufblitzen lassen, wie sie draußen den Regenbogen aufblitzen lassen, die Morgen- und die Abendröte, den Glanz und Schein der Wolken, - was ist es da draußen im Raum? - Oh, da war es für den alten Griechen ein geistiges Wesen, das herausgebar aus dem gesamten universellen Äther alle diese Erscheinungen, die Morgen- und Abendröte, den Regenbogen, den Glanz und Schein der Wolken, den Blitz und Donner. Und aus diesem Gefühl, das, wie gesagt, nicht intellektuelle Erkenntnis geworden ist, sondern elementarisches Gefühl war, da entstand die Anschauung: Das ist Zeus. - Und man bekommt keine Vorstellung und noch weniger eine Empfindung von dem, was die griechische Seele als Zeus empfand, wenn man sich nicht auf dem Wege unserer geisteswissenschaft-lichen Anschauungsweise dieser Empfindung und diesem Gefühle nähert. Zeus war ein unmittelbar fest gestaltetes Wesen, aber man konnte es sich nicht vorstellen, wenn man nicht ein Gefühl hatte, daß die Kräfte, die in uns den Gedanken aufblitzen lassen, auch im äußeren Blitze wie im Regenbogen und so weiter wirken. Wir aber sagen heute auf anthroposophischem Boden, wenn wir in den Menschen hineinschauen und uns von den Kräften unterrichten wollen, welche in uns so etwas hervorrufen wie den Gedanken, wie die Vorstellung, wie alles das, was da aufleuchtet und aufblitzt innerhalb unseres Bewußtseins: Alles das umfaßt, was wir den menschlichen Astralleib nennen. - Und da haben wir das Mikro-kosmisch-Substantielle, den Astralleib, und können nun die Frage, die wir eben aufgeworfen haben in bildlicher Form, in einer mehr geisteswissenschaftlichen Form aufwerfen und können sagen: Mikrokosmisch ist der astralische Leib in uns. Was entspricht dem astralischen Leib in den Raumesweiten draußen, was erfüllt alle Räume, rechts und links, vorne und hinten, oben und unten? - Gerade so
wie der astralische Leib in unserem Mikrokosmos ausgebreitet ist, so sind die Raumesweiten, so ist der universelle Äther durchzogen vom makrokosmischen Gegenbilde unseres astralischen Leibes. Und wir können auch sagen: Das, was der alte Grieche unter Zeus sich vorstellte, ist das makrokosmische Gegenbild unseres astralischen Leibes. In uns ist der astralische Leib, er bewirkt das Aufleuchten der Erscheinungen des Bewußtseins. Außer uns ist die Astralität ausgebreitet, die aus sich heraus wie aus dem Weltenschoß gebiert den Regenbogen, die Morgen- und die Abendröte, den Blitz und Donner, Wolken, Schnee und so weiter. Der heutige Mensch hat nicht einmal eine Wortbezeichnung für das, was der alte Grieche sich unter Zeus dachte und was das makrokosmische Gegenbild unseres astralischen Leibes ist. Nun fragen wir weiter. Wir haben außer dem, daß in uns auf-leuchtet im Innern der Gedanke, die Vorstellung, das Gefühl, in-sofern es einen Augenblick oder kurze Zeit andauert, unser fort-laufendes Seelenleben mit seinen Leidenschaften, Affekten, mit dem auf- und abwogenden Gefühlsleben, die uns bleibend sind, die gewohnheits- und gedächtnismäßig werden. Wir haben dieses unser Seelenleben so, daß wir nach diesem Seelenleben die einzelnen Menschencharaktere unterscheiden. Da steht ein Mensch vor uns mit stürmischen Leidenschaften, die feurig ergreifen alles, was ihnen entgegentritt; ein anderer Mensch, der apathisch der Welt gegenübersteht. Das ist etwas anderes als der augenblicklich auftauchende Gedanke, das ist etwas, was die bleibende Konfiguration unseres Seelenlebens ausmacht, was ausmacht die Grundlagen unseres Glückes, unseres Schicksals. Der Mensch, der ein feuriges Temperament, der lebendige Leidenschaften, Sympathien und Antipathien hat, kann unter Umständen durch die auf- und abwogenden Bewegungen dieser Sympathien und Antipathien dieses oder jenes bewirken zu seinem Glück oder Unglück. Die Kräfte, die da in uns selber sind, die dieses mehr Bleibende, Durchgängige, zu Gedächtnis und Gewohnheit Werdende bedeuten, sind etwas anderes als die Kräfte des astralischen Leibes. Diese Kräfte sind in uns schon an den Äther- oder Lebensleib gebunden; Sie wissen
das aus anderen Vorträgen. Wenn wir nun aber griechisch empfin-den würden, so würden wir jetzt wiederum fragen: Gibt es da draußen im Universum irgend etwas, was dieselben Kräfte sind wie das in unseren Gewohnheiten, Leidenschaften, bleibenden Affekten Wirkende? - Und der Grieche fühlte das wiederum, ohne daß er es sich intellektualisiert, exemplifiziert zum Bewußtsein brachte. Der Grieche fühlte, daß in dem auf- und abwogenden Meere und im Sturme, Orkane, der über die Erde braust, dieselben Kräfte wirk-sam sind wie in uns, wenn der bleibende Affekt, die Leidenschaft, die Gewohnheit, das Gedächtnis pulsieren. Mikrokosmisch sind es die Seelenkräfte in uns, die wir unter den Begriff des Ätherleibes zusammenfassen, der unsere bleibenden Affekte und so weiter bewirkt. Makrokosmisch sind es die Kräfte, die enger an unsere Erde gebunden sind als die durch die Raumesweiten gehenden Zeuskräfte, sind es die Kräfte, welche Wind und Wetter, Sturm und Windstille, stilles und aufbrausendes Meer bewirken. In allen diesen Erscheinungen, die ich eben genannt habe, Sturm und Wetter, aufbrausendes Meer und Meeresstille, Orkan und Windstille und so weiter, sieht der heutige Mensch eben nur Natur, und die heutige Meteorologie ist eine rein äußere physikalische Wissenschaft. Solch eine rein physikalische Wissenschaft, wie wir sie heute in der Meteorologie haben, gab es noch nicht für den alten Griechen. Für den Griechen wäre es ebenso widersinnig gewesen, von einer solchen Meteorologie zu sprechen, wie es für uns widersinnig wäre, wenn wir bloß untersuchen würden, welche physischen Kräfte unsere Muskeln bewegen, wenn wir lachen, und wenn wir nicht wüßten, daß sich in diese Muskelbewegungen ergießen die seelensubstantiellen Kräfte. Das waren Gesten, geistige Wirksamkeit. Sturm und Orkan, Wind und Wetter waren Gesten, die nur draußen ausgebreitet sind, aber derselben geistigen Wirkung entsprechend, die sich in uns im Mikrokosmos als dauernde Affekte, Leidenschaften, Gedächtnis zeigte. Und der alte Grieche, der wesenhaft noch ein Bewußtsein hatte von der durch das Hellsehen erreichbaren Gestalt, von dem Regenten der Zentralgewalt dieser Kräfte im Makrokosmos, sprach das an unter dem Namen des Poseidon.
Und wir sprechen ferner heute von dem physischen Menschen-leib als dem dichtesten Glied der menschlichen Wesenheit. Wir haben wiederum mikrokosmisch in dem physischen Menschenleib alles das in uns zu sehen; was der Sphäre angehört, die eben unter den beiden anderen Dingen nicht angeführt worden ist. An den astralischen Leib ist gebunden alles das, was an vorübergehenden Gedanken und Vorstellungen in uns liegt, wie sie auftauchen und verschwinden; an den Ätherleib alles das, was an gewohnheits-mäßigen, bleibenden Affekten auftritt in der menschlichen Natur, das, was nicht nur Gedanke ist, das, was also nicht in der Seele ein abgeschlossenes gedankenhaftes Dasein führt. Für das, was auch nicht bloß Affekt ist, sondern was übergeht zum Willensimpuls, zu dem Impuls, etwas auszuführen, dazu ist notwendig für den Menschen dieses Erdendaseins innerhalb von Geburt und Tod der physische Leib. Der physische Leib ist alles das, was erhebt den bloßen Gedanken oder auch den bloßen Affekt zum Willensimpuls, der der Tat in der physischen Welt zunächst zugrunde liegt. Spre-chen wir also von Willensimpulsen, von den Seelenkräften in uns, die den Willensimpulsen zugrunde liegen, und fragen wir: Was drückt äußerlich aus diese Seelenkräfte, die als Wille angesprochen werden? so haben wir das in der ganzen Physiognomie des physi-schen Leibes vor uns. Der physische Leib ist der Ausdruck der Wil-lensimpulse, wie der Astralleib der Ausdruck der bloßen Gedanken und der Ätherleib der Ausdruck der bleibenden Affekte und Ge-wohnheiten ist. Damit der Wille durch den Menschen wirken kann hier in der physischen Welt, muß der Mensch den physischen Leib haben. In den höheren Welten ist Willenswirkung etwas ganz anderes als hier in der physischen Welt. So haben wir mikrokos-misch wieder in uns die Seelenkräfte, welche vorzugsweise die Wil-lensimpulse bewirken, die notwendig sind für den Menschen, damit er das Ich überhaupt als die Zentralgewalt seiner Seelenkräfte an-sprechen kann. Denn ohne daß der Mensch einen Willen hätte, würde er niemals zu einem Ich-Bewußtsein kommen. Wir können nun wiederum fragen - jetzt von einem anderen Gesichtspunkte als gestern -, was fühlte der Grieche, wenn er sich fragte: Was liegt
da draußen ausgebreitet im Makrokosmos als dieselben Kräfte, die in uns den Willensimpuls, die ganze Willenswelt hervorrufen? Was liegt da draußen? Da antwortete er mit dem Namen Pluto. Pluto als diejenige Zentralgewalt draußen im makrokosmischen Raum, eng gebunden an den festgeballten Planeten, das war für den Griechen das makrokosmische Gegenbild der Willensimpulse, die hinunterdrängten das Persephoneleben in die Untergründe auch des Seelenlebens. Für ein heliseherisches Bewußtsein, für ein Hineinschauen in die wirkliche geistige Welt spezifiziert sich die Selbsterkenntnis des Menschen so, daß er wohl unterscheiden kann diese dreifache Natur seiner Wesenheit nach astralischem Leib, nach Ätherleib, nach physischem Leib. Der alte Grieche war überhaupt nicht in derselben Art darauf aus, genau den Mikrokosmos ins Auge zu fassen, wie wir das heute tun. Der Blick wurde auf den Mikrokosmos im Grunde genommen erst im Beginne unserer fünften nachatlantischen Kulturepoche gerichtet. Der alte Grieche hatte vielmehr im Auge die Pluto-, die Poseidon-, die Zeuskräfte draußen und fand es selbstverständlich, daß die in ihn hineinwirkten. Er lebte viel mehr im Makrokosmos als im Mikrokosmos. Dadurch unterscheidet sich die alte Zeit von der neueren, daß der Grieche mehr das Makrokosmische empfand und daher die Welt mit seinen Görtergestalten besetzte, die ihm die Zentralgewalten der entsprechenden makro-kosmischen Kräfte waren, daß aber der moderne Mensch mehr auf den Mikrokosmos, auf das Mittelpunktswesen unserer Welt, auf den Menschen, bedacht ist und daher mehr in seinem eigenen Wesen die Eigentümlichkeiten der dreifach gestalteten Welt sucht. So erleben wir denn die eigentümliche Tatsache, daß aus der abendländischen Esoterik heraus in der mannigfaltigsten Art gerade am Beginne unserer fünften nachatlantischen Kulturepoche das Bewußtsein auftritt von der inneren Wirksamkeit der Seelenkräfte, so daß sie die menschliche Wesenheit nach physischem Leib, Äther-leib und astralischem Leib spezifiziert. Und vieles von dem, was bei den einzelnen Geistern der neueren Zeit in dieser Hinsicht aufgetreten ist, kann heute, wo die okkulten
Forschungen nach dieser mikrokosmischen Seite wiederum vertieft werden, neuerdings bestätigt werden. So kann namendich voll bestätigt werden, was auftaucht im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert über das Hellschmecken der eigenen Wesenheit. Ge-rade so, wie man von einem Hellsehen, von einem Hellhören reden kann, so kann man auch von einem Hellschmecken reden. Und dieses Hellschmecken kann sich auf die dreifache menschliche Wesenheit beziehen, und ich kann Ihnen einen Vergleich bilden zwischen äußeren Geschmacksempfindungen und den verschiedenen Geschmacksempfindungen, die der Mensch haben kann gegenüber seiner dreifachen eigenen Wesenheit. Stellen Sie sich einmal lebendig, ganz lebendig vor jenen Ge-schmack, den Sie bei einer recht herb schmeckenden Frucht empfinden, etwa bei der Schlehe, die zusammenzieht im Mund. Denken Sie sich diese Empfindung gesteigert, und denken Sie sich jetzt einmal diese Empfindung des Herben, des Zusammenziehenden, des sich förmlich Zusammenquälenden ganz im Innern durchdrungen davon, denken Sie, Sie würden in sich selber von oben bis unten durch die Finger und alle Glieder Ihres ganzen Organismus hindurch so empfinden, durchsetzt von einem zusammenziehenden Geschmack, dann hätten Sie jene Selbsterkenntnis, die der Okkultist nennen muß die Selbsterkenntnis des physischen Menschenleibes durch den okkulten Geschmackssinn, den geistigen Geschmacks-sinn. Wo die Selbsterkenntnis so wirkt, daß man sich selber ganz durchzogen fühlt von diesem zusammenziehenden Geschmack, da weiß der Okkultist, daß er vor der Selbsterkenntnis des physischen Leibes steht, denn er weiß, daß der Ätherleib und der astralische Leib anders schmecken müssen, wenn man so sagen darf. Man schmeckt sich anders als astralischer und als Äthermensch denn als physischer Mensch. Diese Dinge sind nicht aus dem Blauen heraus gesprochen, sondern aus konkreten Erkenntnissen heraus, die ebenso unter denen verbreitet sind, die die okkulte Wissenschaft kennen, wie die äußeren Gesetze unter den Physikern und Chemikern verbreitet sind. Nehmen Sie jetzt jenen Geschmack, den Ihnen nicht gerade der Zucker gibt oder ein Bonbon, sondern nehmen Sie jene feine ätherische
Geschmacksempfindung, die die meisten Menschen nicht emp-finden, die aber doch im physischen Leben empfunden werden kann, wenn Sie etwa in eine solche Atmosphäre eintreten, in der Sie recht gerne sind, sagen wir, in eine Baumallee oder in einen Wald, wo Sie sich so fühlen, daß Sie sagen: Ach, hier bin ich eigentlich gerne, denn ich möchte, daß mein ganzes Wesen eins wäre mit all dem, was die Bäume ausduften. - Denken Sie sich jene Art von Empfindung, die wirklich bis zu einer Art von Geschmacksempfin-dung sich steigern kann, die Sie haben können, wenn Sie sich selbst vergessen in Ihrer Innerlichkeit und sich so eins fühlen mit Ihrer Umgebung, daß Sie sich hineinschmecken wollten in Ihre Umge-bung. Denken Sie sich diese Empfindung ins Geistige umgesetzt, dann haben Sie jene Hellempfindung, jenes Helischmecken, das der Okkultist kennt, wenn er die Selbsterkenntnis sucht, die für den Ätherleib des Menschen möglich ist. Sie entsteht, wenn man sagt: Ich schalte jetzt meinen physischen Leib aus, alles das, was mit Willensimpulsen zusammenhängt, schalte aus auch das, was an Ge-danken aufblitzt, und gebe mich nur dem hin, was die bleibenden Gewohnheiten, Affekte, Leidenschaften sind, was meine Sympathie- und Antipathienatur ist. Wenn der Okkultist das als Hellgeschmack aufnimmt, wenn er sich fühlt als praktischer Okl:ultist in diesem seinem Ätherleibe, dann tritt der Hellgeschmack in der Form auf, nur vergeistigt, wie ich es Ihnen eben jetzt für die physische Welt beschrieben habe. So daß genau zu unterscheiden ist die Selbsterkenntnis des physischen und die des Ätherleibes. Der astralische Leib kann auch in dieser Weise von dem prakti-schen Okkultisten, das heißt von dem hellempfindenden, hell-wahrnehmenden Okkultisten, erkannt werden. Aber man kann da nicht eigentlich mehr von einer Geschmacksempfindung sprechen. Sie versagt, wie ja die physische Geschmacksempfindung gegenüber gewissen Substanzen auch versagt. Wir müssen das schon anders charakterisieren, was Selbsterkenntnis des astralischen Leibes ist. Aber auch das ist möglich, daß der praktische Okkultist ausschaltet seinen physischen Leib, ausschaltet seinen Ätherleib und daß er die Selbsterkenntnis lediglich auf seinen Astralleib bezieht, das heißt,
daß er nur das berücksichtigt in sich, was sein astralischer Leib ist. Das tut der gewöhnliche Mensch nicht. Wenn dieser sich empfindet, so empfindet er ja das Zusammenwirken von physischem, Äther-und astralischem Leib. Er hat nie den physischen Leib und den Ätherleib ausgeschaltet und den astralischen Leib allein. Den kann der gewöhnliche Mensch nicht empfinden, weil er nicht ausschalten kann den physischen und den Ätherleib. Wenn das im praktischen Okkultismus geschieht, dann kommt allerdings zunächst eine wenig erfreuliche Empfindung zustande, eine Empfindung, die sich nur vergleichen läßt etwa mit der Empfindung, die die Seele in der phy-sischen Welt überkommt, wenn wir zu wenig Luft haben, wenn wir Atemnot haben. Eine beängstigende, an Atemnot erinnernde Empfindung kommt zustande, wenn ausgeschaltet werden Ätherleib und physischer Leib und die Selbsterkenntnis bezogen wird auf den astralischen Leib. Daher ist die Selbsterkenntnis in bezug auf das Astralische zunächst in einer gewissen Weise die am meisten auch mit Furcht und Angst begleitete, weil sie im Grunde genommen in einer Art von Durchdrungensein mit Beängstigung besteht. Wir können gleichsam in Reinkultur den astralischen Leib gar nicht wahrnehmen, ohne uns zu durchängstigen. Daß wir dieses ständig in uns vorhandene Durchängstigtsein im gewöhnlichen praktischen Leben nicht berücksichtigen, rührt davon her, daß der gewöhnliche Mensch eben, wenn er sich selbst empfindet, ein Gemisch, ein harmonisches oder auch disharmonisches Zusammenwirken von physischem, Äther- und astralischem Leib wahrnimmt und nicht die einzelnen Glieder der menschlichen Wesenheit allein. Es könnten Ihnen jetzt, nach dem Sie sogar gehört haben, welches die Grundempfindungen sind, die in der Seele auftreten als Selbsterkenntnis sowohl dem physischen Leib gegenüber, der in uns die Plutokräfte repräsentiert, als auch dem Ätherleib gegenüber, der in uns die Poseidonkräfte repräsentiert, und dem astralischen Leib gegenüber, der in uns die Zeuskräfte repräsentiert, die Fragen entstehen: Wie wirken diese einzelnen Kräfte zusammen? Welches ist das Verhältnis zwischen den drei Kräften oder Kräftearten des physischen, Äther- und astralischen Leibes? - Wie kommen wir denn zu einem
Verhältnis, das wir ausdrücken wollen von Dingen und Vorgängen in der Weit? Höchst einfach! Wenn Ihnen irgendwo jemand etwas gibt, was Erbsen und Bohnen enthalten würde und vielleicht auch Linsen darunter, das bunt durcheinandergemischt wäre, so würden Sie da eine Mischung haben. Wenn diese einzelnen Quantitäten nicht gleich wären, so müßten Sie sie voneinander sondern und bekämen dann ein Verhältnis von den Quantitäten der Bohnen, Erbsen und Linsen. Sie könnten sagen, daß die Menge der Bohnen zu der Menge der Erbsen und der der Linsen sich verhält, sagen wir, wie 1:3:5 oder auch anders, kurzum, wo Sie es mit einem Ge-misch zu tun haben, da können Sie veranlaßt sein, das Verhältnis in den zusammenwirkenden Dingen oder durcheinandergemischten Dingen zu untersuchen. So können Ihnen auch die Fragen in die Seele hereindringen: Wie verhält sich die Stärke der Kräfte des physischen Leibes zu der der Kräfte des Ätherleibes und der der Kräfte des astralischen Leibes in uns? - Wodurch können wir aus-drücken, was da stark, was schwach ist, welches das Maß des physi-schen Leibes, das Maß des Ätherleibes, das Maß des Astralleibes ist? Gibt es eine Formel in Zahlen oder sonstige Mittel, wodurch wir die Verhältnisse der Kräftestärken des physischen Leibes, des Ätherleibes und des Astralleibes ausdrücken können? Uber dieses Verhältnis, das uns tief hineinblicken läßt sowohl in die Welten-wunder wie später in die Seelenprüfungen und Geistesoffenbarun-gen, wollen wir heute erst zu sprechen beginnen. Es wird uns immer tiefer und tiefer hineinführen; dieses Verhältnis kann man aus-(,rücken. Man kann etwas angeben, welches ganz genau die Quanti-täten und die Stärken unserer inneren Kräfte im physischen Leibe, im Ätherleibe und Astralleibe angibt und ihr entsprechendes Zusammenwirken. Und dieses Verhältnis möchte ich Ihnen zunächst auf die Tafel zeichnen. Denn es läßt sich nur in einer geometrischen Figur und ihren Größenverhältnissen zum Ausdrucke bringen. Was ich hiermit auf die Tafel zeichne, das ist so, daß wir davon sagen müssen: Wenn man sich hineinvertieft in diese Figur, so gibt alles, was in ihr enthalten ist - wie ein Zeichen der okkulten Schrift für die Meditation -, die Größen- und Stärkeverhältnisse
der Kräfte unseres physischen Leibes, unseres Ätherleibes und unseres Astralleibes. Und dieses Zeichen der okkulten Schrift ist das Folgende:
- Bild s.069
Sie sehen, ich zeichne das Pentagramm. Wenn wir dieses Penta-gramm zunächst ins Auge fassen, so ist es uns ein Zeichen für den Ätherleib, wenn wir die Sache äußerlich nehmen. Aber ich habe schon gesagt, daß dieser Ätherleib auch die Mittelpunktskräfte für den Astralleib und den physischen Leib enthält, daß von ihm alle die Kräfte, die uns alt und jung werden lassen, ausgehen. Weil nun im Ätherleib die Mitte sozusagen für alle diese Kräfte liegt, so ist es auch möglich, an der Figur des Ätherleibes, an dem Siegel des Ätherleibes zu zeigen, welche Stärkeverhältnisse die physischen Kräfte, die Kräfte des physischen Leibes zu den ätherischen Kräf-ten, den Kräften des Ätherleibes, zu den astralischen, den Kräften des Astralleibes, im Menschen haben. Und man bekommt ganz genau die Größenverhältnisse heraus, wenn man sich zunächst sagt: Hier im Innern des Pentagramms entsteht ein nach unten geneigtes Fünfeck. Dieses Fünfeck fülle ich mit der Kreidesubstanz vollständig aus. Da haben Sie zunächst eine der Teilfiguren des Pentagrammes. Ein anderes Stück der Teilfigur des Pentagrammes bekommen Sie, wenn Sie ins Auge fassen die Dreiecke, die sich an das Fünfeck ansetzen und die ich mit horizontalen Linien schraffiere. So habe
ich Ihnen das Pentagramm hier zerlegt in ein mirtleres Fünfeck mit der Spitze nach unten, das ich ausgefüllt habe mit der Kreide-substanz, und in fünf Dreiecke, welche ich mit horizontalen Strichen schraffiert habe. Wenn Sie die Größe dieses Fünfeckes in Verhältnis bringen zu der Größe der Dreiecke, das heißt zu der Summe aller Flächen, die von den Dreiecken eingenommen werden, wenn Sie sich also sagen, wie die Größe dieses Fünfeckes zur Größe der einzelnen Dreiecke wirkt, wenn Sie die Summe der Flächen der einzelnen Dreiecke nehmen, so wirken die Kräfte des physischen Leibes zu den Kräften des Ätherleibes im Menschen. Also wohl-gemerkt! Wie man sagen kann, wenn Linsen und Bohnen und Erbsen zusammengemischt sind, daß die Menge der Linsen zu der Menge der Bohnen sich verhält wie drei zu fünf, so kann man sagen: Die Stärke der Kräfte im physischen Leibe verhält sich zu den Kräften des Ätherleibes wie im Pentagramm die Fläche des Fünfeckes zu der Summe der Fläche der Dreiecke, die ich horizon-tal schraffiert habe. - Und jetzt werde ich ein nach oben stehendes Fünfeck zeichnen, welches dadurch entsteht, daß ich es umschreibe dem Pentagramm. Nun müssen Sie nicht die Dreiecke nehmen, die da gleichsam wie Zipfel entstehen, sondern das gesamte Fünfeck, eingeschlossen die Fläche des Pentagrammes, also alles, was ich vertikal schraffiere. Also dieses vertikal schraffierte, dem Penta-gramm umschriebene Fünfeck bitte ich zu berücksichtigen. So wie sich verhält der Flächeninhalt, die Größe dieses kleinen Fünfeckes hier, das mit der Spitze nach unten gerichtet ist, zu der Fläche dieses vertikal schraffierten Fünfeckes, das mit der Spitze nach oben gerichtet ist, so verhalten sich die Kräfte des physischen Leibes in ihrer Stärke zu den Kräften des Astralleibes im Menschen. Und so wie sich die horizontal schraffierten Dreiecke, wenn ich sie summiere, zu der Größe des Füufeckes mit der Spitze nach oben verhalten, so verhält sich die Stärke der Kräfte des Ätherleibes zu der Stärke der Kräfte des Astralleibes. Kurzum, Sie haben in dieser Figur alles das angegeben, was man nennen kann: das gegenseitige Verhältnis der Kräfte des physischen Leibes, der Kräfte des Äther-leibes, der Kräfte des Astralleibes. Nur kommt das dem Menschen
nicht alles zum Bewußtsein. Das mit der Spitze nach oben stehende Fünfeck umfaßt alles Astralische im Menschen, auch das, wovon der Mensch heute noch nichts weiß, was ausgearbeitet wird, indem das Ich den Astralleib immer mehr und mehr zum Geistselbst oder Manas umarbeitet. Nun kann in Ihnen die Frage entstehen: Wie verhalten sich diese drei Hüllen zum eigentlichen Ich? Sie sehen, von dem eigentlichen Ich, von dem ich ausgesprochen habe, daß es das Baby ist, das am wenigsten entwickelte unter den menschlichen Wesensglie-dem, von diesem Ich weiß der Mensch heute in der normalen Ent-wickelung noch sehr wenig. Die gesamten Kräfte dieses Ich liegen aber schon in ihm. Wenn Sie die Gesamtkräfte des Ich ins Auge fassen und ihr Verhältnis untersuchen wollen zu den Kräften des physischen Leibes, Ätherleibes, Astralleibes, so brauchen Sie nur um die ganze Figur herum einen Kreis zu beschreiben. Ich will nun die Figur nicht zu sehr verschmieren. Wenn ich diesen Kreis noch schraffieren würde als ganze Fläche, so würde die Größe dieser Fläche im Vergleich zur Größe der Fläche des nach oben gerich-teten Fünfeckes, im Vergleich zur Summe der Flächen der Dreieck-zipfel, die horizontal schraffiert sind, im Vergleiche zu dem kleinen Fünfeck mit der Spitze nach unten, das ich ausgefüllt habe mit der Kreidesubstanz, das Verhältnis angeben der Kräfte des gesamten Ich - repräsentiert durch die Fläche des Kreises - zu den Kräften des Astralleibes - repräsentiert durch die Fläche des großen Fünf-eckes - zu den Kräften des Ätherleibes - repräsentiert durch die horizontal schraffierten Dreiecke, die sich ansetzen an das kleine Fünfeck - zu den Kräften des physischen Leibes - als zu der Fünf-eckfläche, die mit der Kreidesubstanz ausgefüllt ist. Wenn Sie sich in dem Meditation hingeben diesem okkulten Zeichen und sich innerlich ein gewisses Gefühl von dem Verhältnis dieser vier Flä-chen verschaffen, so bekommen Sie einen Eindruck von dem gegen-seitigen Verhältnis von physischem Leib, Äthemleib, Astralleib und Ich. Sie müssen sich also denken in der gleichen Beleuchtung den großen Kreis und ihn in der Meditation ins Auge fassen. Dann stel-len Sie daneben hin das aufwärtsstehende Fünfeck. Weil dieses
Fünfeck etwas kleiner ist als der große Kreis, kleiner ist um diese Kreissegmente hier, wird Ihnen dieses aufwärtsstehende Fünfeck einen schwächeren Eindruck machen als der Kreis. Um was dieses schwächer ist als der Eindruck des Kreises, um das sind auch die Kräfte des Astralleibes schwächer als die Kräfte des Ich. Und wenn Sie sich als drittes hinstellen ohne das mittlere Fünfeck diese fünf Dreiecke, die horizontal schraffiert sind, so haben Sie wiederum einen schwächeren Eindruck, wenn Sie sich alles gleich beleuchtet denken. Um wieviel dieser Eindruck schwächer ist als der Eindruck von den beiden vorigen, um so viel schwächer sind die Kräfte des Ätherleibes als die Kräfte des Astralleibes und des Ich. Und wenn Sie sich das kleine Fünfeck hinstellen, so bekommen Sie bei gleicher Beleuchtung davon den schwächsten Eindruck. Wenn Sie nun sich ein Gefühl verschaffen von der gegenseitigen Stärke dieser Eindrücke und zusammenhalten können diese vier Eindrücke, wie Sie die Töne, sagen wir einer Melodie, in eines zusammendenken - wenn Sie diese vier Eindrücke in bezug auf ihre Größe zusammendenken, so haben Sie jene Stärkeharmonie, die besteht zwischen den Kräften des Ich, des Astralleibes, des Ätherleibes und des physischen Leibes. Das ist das, was ich Ihnen als ein okkultes Zeichen, gleichsam als ein Zeichen der okkulten Schrift hinstelle. Über solche Zeichen kann man meditieren. Ich habe Ihnen ungefähr die Methode beschrieben, wie man das macht. Man verschafft sich den Eindruck der unterschiedlichen Stärken, die diese Flächen durch ihre Größenverhältnisse machen als gleichmäßig beleuchtete Flächen. Dann bekommt man eben einen Verhältniseindruck, der einem wiedergibt die gegenseitigen Maßverhältnisse der Kräfte der vier Glieder der menschlichen Wesenheit. Diese Dinge sind da als Zeichen der wirklichen, aus der Wesenheit der Dinge hervorgehenden okkulten Schrift. Meditieren diese Schrift heißt: lesen die großen Wunderzeichen der Welt, die uns hineinführen in die großen Geheimnisse der Welt. Dadurch verschaffen wir uns allmählich ein Gesamtverständnis von dem, was da draußen wirkt als Weltenwunder, die darin bestehen, daß der Geist in die Materie sich hineinergießt nach bestimmten Verhältnissen.
Ich habe zugleich dadurch hervorgerufen in Ihnen etwas, was wirklich wie das Elementarste geübt wurde in der alten pythagoräischen Schule. Denn dadurch fängt der Mensch an, durch sein Geistgehör die Harmonien und Melodien der Kräfte in der Welt zu vernehmen, daß er von den Zeichen der okkulten Schrift ausgeht, sie realisiert und dann schon merkt, daß er die Welt mit ihren Wundern in ihrer Wahrheit geschaut hat. Davon werden wir dann morgen weitersprechen. Ich wollte heute als den Zielpunkt der Be-trachtung dieses Zeichen der okkulten Schrift vor Ihre Seele hinstellen, das uns wiederum ein Stück hineingeführt hat in die Menschennatur.
VIERTER VORTRAG München, 21. August 1911
- TX
Sie werden aus dem gestrigen Vortrage ersehen haben, in welcher Weise das aufzufassen ist, was gleich im Beginne dieser Vorträge gesagt worden ist: daß die Griechen alle Natur geistdurchdrungen dachten und auch anschauten, so daß sie einen Naturbegriff, wie unser gegenwärtiger es ist, gar nicht hatten. Sie werden es aus der Art und Weise ersehen haben, wie die Beziehung der drei großen Götterwesen innerhalb des griechischen Geisteslebens, Zeus, Po-seidon und Pluto, darzustellen versucht worden ist. Denn wir haben ja gesehen, daß wir uns die im Menschen mik:rokosmisch befindlichen Kräfte des astralischen Leibes hinausversetzt zu den-ken haben in den Weltenraum. Wenn wir uns überpersönlich, übermenschlich den Regenten, die Zentralmacht dieser Mächte, denken, dann bekommen wir das, was die griechische Empfindung mit dem Worte Zeus verband. Und wir haben gesehen, daß ein Ähnliches gilt für die Hinausverlegung der Kräfte unseres Äther-leibes in den Weltenraum in bezug auf Poseidon und derjenigen Kräfte, die in unserem physischen Leibe sind, mit Bezug auf Pluto. Nun wird Ihnen ja ganz gewiß die Frage nahegegangen sein: Wie steht es denn nun mit dem vierten Gliede unserer Wesenheit? Denn die gesamte menschliche Wesenheit für unsere Zeit haben wir ja zu erkennen in physischem, Äther-, Astralleib und in dem Ich oder Ich-Träger. Nun, von vornherein werden Sie sich klar darüber sein, daß aus dem Grunde, weil dieses Ich eine ganz besondere Stellung einnimmt zu den anderen Gliedern der menschlichen Wesenheit, auch die Kräfte des Universums, die diesem Ich entspre-chen, wenn sie richtig empfunden werden, eine ganz besondere Stellung einnehmen müssen. Bei den Kräften des physischen Leibes kann man sagen, man verlegt sie hinaus in den Weltenraum, und sie sind dann von der Zentralmacht des Pluto dirigiert; und in ähnlicher Weise also für die Kräfte des Ätherleibes Poseidon und
für die des Astralleibes Zeus. Wenn wir aber unser Ich selber betrachten, da finden wir, daß dieses Ich in unserem Leben in einem innigen Kontakt steht mit all dem, was um uns herum vorgeht. Wir sind ja in die Welt mit unserem Ich hineingestellt. Von den Weltvorgängen, die uns umgeben, die an unser Ich herantreten, hängt unser ganzes Schicksal, hängt unser Glück und unser Unglück ab. Und man kann fühlen, wenn man nur ein wenig über die Sache nachdenkt, daß die Kräfte unseres physischen Leibes recht unähnlich sein müssen den Plutokräften, die draußen im Raum ausgebreitet sind. Wie das Schicksal dieses Ich innig verwandt ist mit der Umgebung, so müssen wir uns auch die Kräfte dieses Ich verwandt denken mit den göttlich-geistigen Kräften, die im Raume draußen diesem Ich entsprechen, gleichwie die anderen göttlich-geistigen Kräfte den Seelenkräften in unserem Innern. Denken Sie nur, wie verwandt wir sind in bezug auf unsere Ich-Erlebnisse mit dem, was uns umgibt. Wie anders fühlt sich unser Ich, wenn wir die Augen aufschließen und es eintauchen lassen in den sternenbesäten Himmel oder in die Abend- und Morgenröte, in die unteroder aufgehende Sonne. Wie wenig können wir unser Ich loslösen von all dem. Wie innig sind wir mit dem Makrokosmos draußen verbunden. Ausgegossen mit unserem Ich sind wir in unsere Umgebung. Was von draußen hereinfließt, der goldene Sonnenstrahl, die majestätische Sternenwelt, es ist einmal als Objekt draußen im Makrokosmos, einmal als Vorstellung in der menschlichen Seele, im Mikrokosmos. Wir können die beiden Dinge im wirklichen Leben kaum unterscheiden. Das fließt ineinander. Bei der unmittelbaren Art, wie der Grieche der Welt und ihren Wundern gegenüber empfunden hat, werden wir voraussetzen können, daß er sich die Gottheit, die ihm die draußen im Raum waltenden Ich-Kräfte repräsentierte, viel verwandter, viel inniger verbunden dachte mit dem Menschen als die anderen Götter, die er sich eigentlich doch fern von der menschlichen Natur dachte. Daher finden wir eine Göttergestalt als Repräsentant der Ich-Kräfte in der Welt draußen, welche, man darf sagen, eine gewisse Intimität zu der menschlichen Natur selber hat und in ihren Schicksalen, in ihrem ganzen
Lebensverlauf sich in einer gewissen Beziehung recht menschlich ausnimmt, und das ist Dionysos. So wie wir den Pluto als den Repräsentanten der in die Welt hinausgesetzten Kräfte des physi-schen Leibes, den Poseidon als den Repräsentanten der Kräfte des Atherleibes und Zeus als den Repräsentanten der Kräfte des Astral-leibes zu betrachten haben, so haben wir den Dionysos zu betrachten als den makrokosmischen Repräsentanten der Seelenkräfte, die sich in unserem Ich ausleben. Die ganze Art und Weise, wie der Grieche nun seinem Dionysos gegenüber empfunden hat, jener Gestalt, die unserem Ich so merkwürdigerweise zuletzt entgegentritt in dem Mysterium von Eleusis, wird uns nur klarwerden können, wenn wir uns erst ein wenig darüber unterrichten, wie überhaupt geistige Mächte und geistige Wesenheiten in unser Erdendasein, in die Wunder, die unser eigenes Menschendasein ausmachen, herein-wirken. Sie werden manches von dem, was ich jetzt als einen Einschluß in meine Vorträge zu sagen habe, in der Schrift finden, die eben jetzt fertig ist und die im wesentlichen Vorträge wiedergibt, die ich vor kurzem in Kopenhagen gehalten habe. Sie handelt von der geistigen Führung des Menschen und der Menschheit. Aus dieser Schrift werde ich Ihnen jetzt einiges gerade mit Beziehung auf unsere Zwecke in diesen Vorträgen anzuführen haben. Das, wozu wir uns zunächst zu wenden haben, ist, daß die Menschheit, so wie sie sich auf der Erde entwickelt, wie sie sich ihr Schicksal bestimmt, wie sie ihre Kulturepochen nach und nach ausgestaltet, geführt ist von jenen Wesenheiten, die wir als übermenschliche zu bezeichnen haben, die zunächst der menschliche Sinnesblick nicht treffen kann, sondern die sich in der Hauptsache in einer übersinnlichen Welt befinden und nur für den hellseherischen Blick erreichbar sind. Wenn wir uns sozusagen zu der nächsten Kategorie, zu der näch-sten Klasse der Wesenheiten wenden, die die Menschheitsführung besorgen, so kommen wir zu denjenigen Wesenheiten, welche in der orientalischen Mystik als die nächst dem Menschen stehenden dhyanischen Wesenheiten, in der christlichen Ausdrucksweise als Engel, Angeloi, bezeichnet werden. Wir haben öfters von diesen
übermenschlichen Wesenheiten, die zu der ersten Kategorie der übermenschlichen Wesen gehören, gesprochen. Wir wissen ja auch, was für eine Bewandtnis es gerade mit diesen Wesenheiten hat. Wir wissen, daß diese Wesenheiten unter ganz anderen Daseins-bedingungen auch einmal Mensch waren: während der alten Mondenzeit, während der unsere gegenwärtige Erde ihre vorherige Verkörperung erlebt hat. Damals haben diese Engelwesenheiten, die heute in die Menschheitsführung eingreifen, ihre Menschheits-stufe durchgemacht, sind also, als die Erde im Beginne ihrer jetzigen Entwickelung war, so weit gewesen, daß sie um eine Stufe damals höher standen als die heutige Menschheit, und am Ende der Erden-entwickelung wird derjenige Teil der Menschheit, der das Ziel der gegenwärtigen Erdenentwickelung erreicht, so weit sein, wie die Engelwesen am Abschlusse der Mondenentwickelung waren. Daher sind diese Wesenheiten zunächst geeignet, die nächste über dem Menschen schwebende Führung zu besorgen. Sie wirken herein in unsere Menschheitsentwickelung. Nun ist aber allerdings in aller Entwickelung die Sache so, daß im Grunde genommen niemals ein Ding dem anderen, eine Epoche der anderen vollständig gleicht, und wenn ich sage, daß die Engel-wesen, die Angeloi, die nächsten Führer der Menschen waren, so gilt das wiederum durchaus nicht allgemein. Es dürfte also nicht gleich wieder jemand sagen: dann also haben Engel die Menschheit geführt in der ersten nachatlantischen Kulturperiode, in der uralt-persischen, in der ägyptisch-chaldäischen Periode und so weiter. - Man würde dann wiederum in abstrakter Weise alles gleich denken. So sind die Dinge in der wirklichen Welt nicht. Da unterscheiden sie sich in der mannigfaltigsten Weise. In dem unmittelbarsten Sinn des Wortes gibt es eigentlich nur zwei nach-atlantische Kulturperioden, in welchen die Engelwesen die unmittelbare und in einer gewissen Beziehung selbständige Führung der Menschheit besorgen, und das ist die dritte nachatlantische Kultur-epoche, die ägyptisch-chaldäische, und unsere eigene, die fünfte Kulturepoche. In der ägyptisch-chaldäischen Zeit waren es die Engel, welche die eigentlichen Führer jener Kulturepoche waren.
Wie besorgten sie denn diese Führung? Man darf da an ein Wort erinnern, welches sich ja auch bei dem großen griechischen Ge-schichtsschreiber Herodot findet. Als die alten Ägypter einmal gefragt wurden, welches ihre großen alten Führer waren, da antworteten sie: Die Götter! In der Sprache der alten Menschheit sind mit Göttern diese Engelwesen gemeint, und im vollen Ernst wollten die alten Ägypter, die unterrichtet waren von solchen Dingen, sagen, daß es dazumal nicht die normalen Menschen waren, welche die Menschheit führten, son-dern daß tatsächlich Wesen übermenschlicher Natur, die ihre Menschheitsstufe auf dem alten Mond schon abgeschlossen hatten, die Führer waren. Aber diese Führer der Menschheit in der alten ägyptisch-chaldäischen Kultur konnten nicht in einem menschlichen physischen Leib unmittelbar erscheinen. Der physische Leib, den wir Menschen tragen, ist ein Erdenprodukt, er hängt ganz an den Daseinsbedingungen der Erde, und nur jene Wesen, die während der Erdenzeit ihre Menschheitsentwickelung durchmachen - das sind eben die Menschen - haben eine seelische Konstitution, eine seelische Verfassung, die sich ausleben kann in dieser Hülle des menschlichen physischen Leibes. Weil nun die Engel oder Angeloi ihre Menschheitsstufe schon auf dem alten Mond durchlebt haben, ist es für sie unmöglich, sich mit einer solchen Hülle zu umgeben, wie der menschliche physische Leib es ist. Sie konnten also nicht etwa herabsteigen und sich in einem physischen fleischlichen Men-schenleib inkarnieren. Also als Menschen wandelten diese alten Führer der ägyptisch-chaldäischen Zeit nicht auf der Erde herum. Dafür aber gab es hellseherische Menschen, die zugänglich waren der Inspiration aus den geistigen Welten, die konnten in Momenten, wo sie ganz besonders dieser Inspiration zugänglich waren, jene führenden Wesenheiten vor sich sehen und sich selbst mit ihrer Substanz durchdringen. Sie gaben gleichsam ihren eigenen Leib hin, diese alten Hellseher, sagten gleichsam zu den führenden Wesenheiten: Hier hast du mein Leibliches, dringe ein in es, durch-geistige es, inspiriere es! - Dann wandelte auf der Erde in dieser alten ägyptisch-chaldäischen Zeit ein gewöhnlicher Mensch, der
aber ein Hellseher war. Das, was er sagte und tat, was er lehrte, sprach und wirkte in ihm und durch ihn, wie wenn er selber das Instrument wäre, eine höhere Wesenheit sprach, die ihre Mensch-heitsentwickelung auf dem alten Mond abgeschlossen hatte. So war in der alten ägyptisch-chaldäischen Zeit die Führung, welche vor-zugsweise bestrebt war, die Menschheit in gerader Linie vorwärts-zubringen, ungehemmt die Entwickelung zum Erdenziel hin zu fördern. Also Engel oder Angeloi, die ihre Menschheitsstufe auf dem alten Mond abgeschlossen hatten, inspirierten die höchsten hellsehenden Persönlichkeiten der ägyptisch-chaldäischen Zeit und wurden, indem sie sich dieses Werkzeuges bedienten, Könige und Priester, die führenden Persönlichkeiten der ägyptisch-chaldäischen Kulturepoche. Neben diesen führenden Individualitäten gab es nun aber noch andere. Die führenden Individualitäten würde man also vergeblich in ihrer Eigenart selbst in einem menschlichen Leibe gesucht haben. Jene aber waren in einer anderen Lage. Das waren diejenigen, welche gewissermaßen auf der untersten Stufe der luziferischen Entwickelung standen, Engelwesenheiten, welche auf dem alten Monde ihre Entwickelung nicht abgeschlossen hatten, die nicht das volle Menschheitsziel auf dem alten Monde erreicht hatten, die also, als die Erde begann, selber noch nicht so weit waren, wie die Men-schen am Ende der Erdenentwickelung sein werden, wenn sie ihr volles Ziel erreicht haben. Diese Wesenheiten ließen ebenso ihre Kräfte, ihre Impulse in die ägyptisch-chaldäische Zeit hineinfließen; sie waren aber, weil sie eben noch nicht ihre Menschheitsstufe voll-ständig abgeschlossen hatten, nun fähig, in einem fleischlichen menschlichen Leib auf der Erde herumzuwandeln. Sie inkarnierten sich, verkörperten sich in einem fleischlichen menschlichen Leib und wandelten als wahrhaftige Menschen unter den anderen Men-schen herum. Von solchen Individualitäten, die nicht nur etwa bei den alten Chaldäern und Ägyptern vorhanden waren, sondern bei allen Völkern der damaligen Zeit, sprechen die alten legenden-haften Nachrichten von Menschen, die auf Erden wandelten, die aber eigentlich ihrem inneren Seelenwesen nach zurückgebliebene
Engelwesenheiten des alten Mondes waren. Auch die alten Grie-chen sprachen, wenn sie von ihren Heroen redeten, von solchen Individualitäten, so zum Beispiel Kekrops und Kadmos. Alle die großen Kulturführer, die nun nicht nur inspirierten, sondern die tatsächlich unter den anderen Menschen herumwandelten als Men-schen im physischen Leib, aber nicht eigentlich Menschen, sondern in ihrer menschlichen Form Maja waren, die in Wahrheit zurück-gebliebene Mondenwesen waren, diese Individualitäten waren die Heroen, das waren die übermenschlichen Gestalten, die sozusagen auf der untersten Stufe der luziferischen Wesenheiten standen. Welche Aufgabe haben denn eigentlich diese Wesenheiten? Oh, es ist weise angeordnet in der Gesamtentwickelung der Welt, daß nicht etwa nur diejenigen Wesenheiten ihre rechten Aufgaben haben, die in gerader Linie unmittelbar vorwärts die Evolution leiten. Man möchte sagen, wenn der Mensch nur jener geistigen Führung unterstünde, die von diesen normal entwickelten Wesen-heiten geleitet wird, dann würde er gleichsam zu rasch und mit zu wenig Schwere vorwärtseilen in der Entwickelung. Es braucht die Entwickelung Hemmnisse, damit das richtige Tempo eingehalten werden kann. Es braucht die Entwickelung eine gewisse Schwere, ein Gewicht. Die Kräfte, die vorwärtseilen, können sich nur dadurch recht stark machen, daß sie sich am Widerstande stärken. Die Aufgabe, Gewicht der Evolution zu verleihen, Schwere, haben diejenigen Wesenheiten, die zurückgelassen worden sind von der weisen Weltenlenkung während der planetarischen Monden-entwickelung. Ich sagte, es wäre nun unrichtig, wenn man das, was ich eben geschildert habe von der ägyptisch-chaldäischen Kulturperiode, etwa anführen wollte für alle Kulturepochen. Es war in der urpersischen Kulturentwickelung nicht so. Da waren gewissermaßen jene Engel-wesen nicht so selbständig in der Führung der Menschheit, sie unterstanden in viel unmittelbarerer Weise den Erzengelwesen oder Archangeloi, so daß man in gewisser Weise sagen kann, die urpersische, die Zarathustra-Kultur, steht ebenso unter der geistigen Führung der Erzengelwesen oder Archangeloi wie die ägyptisch-chaldäische
Kultur unter der unmittelbaren geistigen Führung der Engel oder Angeloi. Geradeso wie die ägyptischen hellsichtigen Könige und Priester inspiriert wurden von Engelwesen, ebenso wurden inspiriert Zarathustra und seine Schüler von Erzengelwesen, Amshaspands. Und wenn wir gar zurückgehen in die erste nach-atlantische Kultur, in jene Kultur, von welcher in den Veden nur ein schwacher Nachklang noch herrscht, da kommen wir zu den sogenannten heiligen Rishis, zu den großen Lehrern Indiens. Die waren wiederum inspiriert von einer noch höheren Hierarchie, von den Geistern der Persönlichkeit, Urkräften, Archai, die sich zwar als Werkzeuge der Archangeloi oder Erzengel und Angeloi oder Engel bedienten, die aber dazumal viel unmittelbarer eingriffen als später. Von den Archal oder Urbeginnen waren die alten heiligen Rishis der Inder inspiriert. Wir haben also gleichsam einen Fortschritt der Menschheit zu verzeichnen von der ersten nachatlantischen Kulturepoche durch die folgenden Kulturepochen hindurch, indem immer tiefer ste-hende Hierarchien in die geistige Führung der Menschheit eingrei-fen; zuerst in der altindischen Zeit die höchsten, die Archal oder Geister der Persönlichkeit, dann in der urpersischen die nächst-niedrige Hierarchie, die Archangeloi oder Erzengel, und dann in der ägyptischen Kultur diejenige, die unmittelbar über dem Menschen steht, die Angeloi oder Engel. Ganz eigentümliche Verhältnisse herrschten während der griechischen Zeit. Da waren diejenigen Wesenheiten die Führer der Menschen, welche von all den übermenschlichen Wesenheiten für sich selbst noch am meisten brauchten, so daß diese Leiter und Lenker der griechisch-lateini-schen Zeit den Menschen die größte Selbständigkeit und Freiheit gaben. Denn sie wollten durch ihre Führung für sich ungefähr ebensoviel erreichen, als die Menschen durch sie erreichen konnten. Daher jene wunderbare Erscheinung, daß während der griechisch-lateinischen Zeit die Menschheit wie auf sich selbst gestellt, wie in sich selbst abgeschlossen erscheint. Es gibt keine Kulturepoche seit der alten atlantischen Katastrophe, in welcher der Mensch so sehr auf sich selbst gestellt war, so sehr darauf aus sein mußte, dasjenige,
was in seiner Eigenheit war, aus sich herauszusetzen wie in der griechisch-lateinischen Zeit. Daher sehen wir auch, wie alles in dieser Zeit darauf hinzielt, die menschliche Eigenart in ihrer rein-sten Form zum Ausdruck zu bringen. Man könnte sagen, das ge-schah aus dem Grunde, weil die Zügel von oben, von den leitenden Hierarchien, am wenigsten angezogen waren, weil die Menschen in dieser griechisch-lateinischen Zeit am meisten sich selbst über-lassen waren. In unserer Kulturepoche, welche die auf die griechisch-lateinische Zeit folgende ist, ist nun wieder etwas höchst Eigentümliches vor-handen. Da greifen wiederum dieselben Wesenheiten ein, die in der ägyptisch-chaldäischen Zeit die Menschheitsführer waren, und wenn wir heliseherisch uns hinauferheben zur unmittelbaren Füh-rung der Menschheit, dann erscheinen uns als unsere geistigen Führer dieselben Wesenheiten, welche auch die Führer der ägyp-tisch-chaldäischen Zeit waren, sowohl diejenigen Wesenheiten, die dazumal die Menschen nur inspirierten, also die Engel oder Angeloi, die auf dem Monde ihr volles Ziel erreicht hatten, wie auch die Heroen, die Führer der Menschen, die im Fleische herum-wandelten, also diejenigen, die ihr volles Mondenziel nicht erreicht hatten, das heißt die luziferischen Wesenheiten. Alle diese Wesen-heiten erscheinen wieder. Nur müssen wir festhalten, daß diese Wesenheiten für sich auch eine Entwickelung durchgemacht haben. So wie der Mensch heute auf einer anderen Stufe steht als in der altägyptischen Zeit, so stehen auch jene Engelwesen und Luzifer-Engelwesenheiten heute auf anderen Entwickelungsstufen, als sie gestanden haben, während sie die ägyptisch-chaldäische Kultur führten. Das Führen der Menschheit, die Arbeitsleistung, die sie vollbrachten, indem sie die Menschheit führten, gab ihnen selber eine höhere Entwickelungsstufe. Wenn wir den hellseherischen Blick auf die Akasha-Chronik hinlenken und sehen, wie diese führenden Wesenheiten der Menschheit ausgesehen haben während der ägyptisch-chaldäischen Periode, so finden wir, daß sie dazumal eine bestimmte Entwickelungshöhe erreicht hatten. Jetzt treten sie wiederum heraus aus dem Dämmerdunkel des Daseins, greifen neuerdings
ein in die Menschheitsentwickelung, sind aber selber voll-kommenere Wesen geworden. Nur ist wiederum ein Unterschied. Wir wollen jetzt für eine Weile absehen von denjenigen Wesen-heiten, die damals luziferisch-engelhafte Wesenheiten waren, und wollen unseren Blick richten auf die eigentlichen Engelwesen, welche die vorwärtsschreitende Kultur während der ägyptisch-chaldäischen Zeit lenkten. Da gibt es unter ihnen solche, welche dazumal in dem jetzt angedeuteten Sinn ihre normale Entwickelung erreicht hatten, aber auch damals blieben unter diesen Engeiwesen wiederum welche zurück, so daß es solche gibt, die zwar auf dem Mond& als Engel oder Angeloi ihre normale Entwickelung erreicht hatten, also als Engel in die Entwickelung unserer jetzigen Erde eintraten, die aber nicht das erreicht haben, was sie hätten auf der Erde erreichen können während der ägyptisch-chaldäischen Kultur-zeit. Da sind sie zurückgeblieben, und dadurch sind auch unter diesen noch in der ägyptischen Zeit normalen Wesen wiederum zwei Klassen von Engelwesen entstanden, und es ist wirklich ein großer, gewaltiger Unterschied zwischen diesen zwei Klassen von Engelwesen, ein Unterschied, dessen Verständnis ungeheuer wichtig ist für das höchste Mysterium unserer Menschheitsentwickelung. Gerade auf diesen Unterschied habe ich in anderem Zusammen-hang schon etwas hingedeutet, in der Schrift nämlich, die meine vor kurzem in Kopenhagen gehaltenen Vorträge wiedergibt. Wenn wir diesen Unterschied angeben wollen, dann müssen wir auf einen Namen hinweisen, der überhaupt mit der gesamten Erdenentwickelung in dem intensivsten Zusammenhang steht, wir müssen auf den Namen des Christus hinweisen. Nun, wir wissen ja für die äußere Erdenentwickelung, daß der Christus in dem Leibe des Jesus von Nazareth inkarniert war drei Jahre der Erdenentwickelung. Wir wissen, daß das eine einmalige Inkarnation war, denn eine ähnliche Inkarnation war nicht vor-handen vorher und wird nicht da sein nachher. Dasjenige, was da der Christus getan hat, indem er sich drei Jahre lang zum Bewohner eines physischen Menschenleibes gemacht hat, war notwendig für die Menschen auf der Erde, die einmal als sinnlich-irdische
Wesen den Christus auch als ein sinnlich-irdisches Wesen unter sich haben sollten. Der Christus aber in seiner ihm eigenartigen Wesenheit ist darin nicht etwa beschlossen, daß er in der Hülle des Jesus von Nazareth drei Jahre war, sondern er ist der Führer und Lenker auch aller Wesenheiten der höheren Hierarchien. Er ist ein umfassendes kosmisches, universelles Wesen, und gerade so, wie er in die Menschheitsentwickelung eintrat durch das Mysterium von Golgatha, so gab es auch Ereignisse für die Wesenheiten der höheren Hierarchien, das heißt, der Christus wurde etwas im Laufe der Zeit für alle diese Wesenheiten der höheren Hierarchien. Wie geschah das? Während der ägyptisch-chaldäischen Zeit -sagte ich Ihnen - haben die geschilderten Engelwesen eine Entwickelung durchgemacht, so daß sie heute als höher entwickelte Wesen als dazumal erscheinen und in die Führung der Menschheit eingreifen. Wodurch ist es ihnen möglich geworden, eine höhere Entwickelungsstufe zu erreichen? Nun, weil sie, während sie die Seelen der Menschheit leiteten in der ägyptisch-chaldäischen Zeit, zugleich sich selber zu Schülern des Christus in der geistigen, in der übersinnlichen Welt machten. Der Christus war der Lehrer der Engelwesen während der ägyptisch-chaldäischen Zeit. Damals ist sein Impuls in sie eingeflossen, und jetzt erscheinen sie deshalb auf höherer Entwickelungsstufe, weil sie sich mittlerweile mit dem Christus-Impuls durchdrungen haben. Würden wir also jene Lenker und Leiter, jene geistigen Führer der ägyptisch-chaldäischen Kultur-epoche da ins Auge fassen, wo die griechisch-lateinische Zeit beginnt, so müßten wir sagen: Die Höchstentwickelten der geistigen Führer, die am meisten sich vorbereitet haben, auch in höchster Weise in unsere, in die fünfte Kulturepoche einzugreifen, hatten am Beginne der griechisch-lateinischen Zeit den Christus-Impuls, den sie vorher nicht hatten, in sich aufgenommen, waren durchchristet und wirken jetzt als durchchristete Wesenheiten von den höheren Welten herunter. Ebenso aber haben die Erzengel oder Archangeloi, welche in der Zeit, als sie den Zarathustra und seine Schüler inspirierten, noch nicht durchchristet waren, mittlerweile den Christus-Impuls in sich aufgenommen und werden in der
sechsten Kulturepoche, die der unseren folgen wird, die geistigen Führer der Menschheit sein. Dann aber werden sie wieder gegen-über dem, wie sie da waren in der urpersischen Zeit, als durch-christet erscheinen in der sechsten Kulturepoche. Und jene Archai, die Geister der Persönlichkeit, welche die Inspiratoren der heiligen Rishis in der altindischen Kulturepoche waren, haben auch mittler-weile den Christus-Impuls aufgenommen und werden die geistigen Führer der siebenten nachatlantischen Kulturperiode sein. Da wird auf der Erde in einer gewaltigen Größe das alles erscheinen, was einstmals durch den Mund der heiligen Rishis in der altindischen Zeit der Menschheit verkündet worden ist, was aber dann in der siebenten nachatlantischen Kulturepoche bei den fortgeschritten-sten Menschen ganz durchleuchtet und durchglüht und durchfeuert sein wird von dem Christus-Impuls. Die heiligen Rishis werden wieder auferstehen im Glanze der Christus-Sonne in der siebenten Kulturepoche der nachatlantischen Menschheit. So sehen wir, daß für die Wesenheiten dieser vier Hierarchien, daß für die Menschen, aber auch für die Engel, Erzengel und Archai das Mysterium von Golgatha, das Christus-Ereignis, durchgreifend das Höchste bedeu-tet, von dem wir in unserer kosmischen Entwickelung als Menschen sprechen können. Wodurch sind die Wesenheiten, von denen wir gesagt haben, daß sie zurückgeblieben sind, denn eigendich zurückgeblieben? Sie sind zurückgeblieben aus dem Grunde, weil sie den Christus-Impuls ab-gelehnt haben, so daß also die eine Klasse, die eine Kategorie von führenden Wesenheiten jetzt herauskommt, die den Christus auf-genommen hat; die andere Klasse aber, die zurückgebliebenen Engelwesenheiten, wirken wiederum so herein in unsere Kultur-periode, daß in ihrem Wirken der Christus-Impuls nicht zu schauen ist, daß sie nicht durchchristet sind. Und während die mit dem Christus-Impuls erfüllten Engel oder Angeloi der ägyptisch-chal-däischen Zeit jetzt solche Kräfte der Menschheitsentwickelung ein-flößen, welche die Menschheit hinaufleiten zu spirituellem Leben, zur Spiritualität, suchen die anderen Wesenheiten, die den Christus-Impuls abgelehnt haben, alles, was wir als materialistische Kultur
und Wissenschaft bezeichnen können, der Menschheit als Inspira-tion zu geben. Deshalb wirkt in unserer Zeit so sehr durcheinander dasjenige, was vom reinsten Christus-Impuls durchzogen zur Spiri-tualität die Menschheit hinaufführen soll, dem wir uns widmen, wenn wir in echtem Sinne das Ziel der Geisteswissenschaft ver-folgen, und daneben die anderen Inspiratoren, die die Durch-christung ablehnen und das materielle Element in die Menschheits-kultur hereinzuführen bestrebt sind. Diese also charakterisierten zwei Strömungen gehen in unserer Zeit durcheinander. Unsere Zeit ist nur zu verstehen, wenn man weiß, daß in ihr diese zwei Strö-mungen der geistigen Führung herrschen. Sobald man das nicht auseinanderhalten kann und der einen oder anderen fanatisch hul-digt, ist man nicht in der Lage, klar zu durchschauen, wie eigentlich unsere Kultur verläuft. Wir haben unter der Führung der nichtdurchchristeten Angeloi eine Wissenschaft heute bekommen, die ganz abstrakt, ganz unspirituell ist Und wir haben den Drang, hinaufzugehen in die Spiritualirät, weil immer starker und stärker gerade in unserer Kulturperiode die anderen gekennzeichneten Engel in die Menschheitsführung eingreifen. Alle die großen, gei-stigen Führer der Menschheit, welche vorwärtstreiben, haben sich in der nachatlantischen Zeit zu irgendeiner Epoche, seien sie Engel oder Erzengel oder Archal, dem Christus-Impuls ausgesetzt, wie sich die Menschen auf der niedrigsten Stufe diesem Christus-Impuls ausgesetzt haben durch das Mysterium von Golgatha. Da sehen wir das Bedeutsame des Eingreifens des Christus-Impulses in die Mensch-heitsentwickelung. Nun müssen wir uns natürlich klar sein darüber, daß jene Wesenheiten, die gerade die höchsten, die am meisten zur Spiritualität vorwärtsdrängenden waren, schon in der alten ägyptischchaldäischen Zeit nicht in einem menschlichen fleischlichen Leibe inkarniert werden konnten. Daher können sie es natürlich um so weniger in unserer Zeit. Die wichtigen, die hervorragenden geistigen Führer der Menschheit müssen wir heute auch suchen durch den heilseherischen Blick, durch die geisteswissenschafdiche Erkenntnis in der übersinnlichen Welt, und es würde falsch sein, wenn wir die höchsten Führer der Menschheit, die eigentlich vorwärtsdrängenden
und maßgebenden, verkörpert finden wollten in einem physischen Menschenleib. In einer gewissen Beziehung macht nun von dieser allgemeinen Regel, daß die eigentlich führenden Individualitäten sich während der Erdenentwickelung nicht in einem physischen Menschenleib inkarnieren, eben der Christus eine Ausnahme, indem er drei Jahre lang in einem physischen Menschenleib inkarniert war. Woher rührt das? Das müssen wir uns fragen. Es rührt davon her, daß die Christus-Wesenheit in all ihren Kräften, in all ihren Impulsen eine wesentlich höhere Individualität ist als alle Individualitäten der sonst charakterisierten Hierarchien, wie wir das ja schon aus den anderen Auseinandersetzungen gesehen haben, die auch über den Archangeloi und Archai steht, die wir in ihrer vollen Größe und Fülle nur ahnen können. Durch diese stärkeren Kräfte und Impulse war es dieser Individualität möglich, zu einem Ziel, das wir noch näher kennenlernen werden, zu kommen, eben durch drei Jahre als ein Opfer eine menschliche fleischliche Hülle anzunehmen. Aber mit diesem Annehmen der menschlichen fleischlichen Hülle durch den Christus, das zu dem Mysterium von Golgatha geführt hat, ist etwas anderes verbunden, und es ist wichtig, daß man dieses andere versteht. Wenn man sich auf dieses andere einläßt, begreift man erst so recht nicht nur das Wesen des Christus selber, sondern auch das Wesen einer anderen Gestalt, von der wir wissen, daß sie eine ganz bedeutsame Rolle in der Menschheitsentwickelung spielt, der wir auch schon öfters in unseren Vorträgen nahegetreten sind, die aber natürlich auch nur nach und nach vollständig von uns charakterisiert werden kann, nämlich der Individualität des Luzifer. Fassen wir einmal ins Auge diese zwei Individualitäten, den Christus auf der einen, den Luzifer auf der anderen Seite, und nehmen wir von dem Christus zunächst die eine Eigenschaft nur, daß er einmal auf die Erde bis zu der Verkörperung in einem physischen Menschen-leib herabstieg, drei Jahre in einem solchen physischen Menschen-leibe weilte. Was ist denn die Folge gewesen dieses Ereignisses, das mit dem Mysterium von Golgatha seinen Abschluß gefunden hat
auf dem physischen Plan? Die Folge davon war, daß nun die Äther-und Astralsphäre der Erde ganz substantiell durchzogen wurde von der Christus-Wesenheit. Während die Erde vorher in ihrer Äther-und Astralsphäre nicht die Wesenheit in sich hatte, die wir als Christus bezeichnen, ist sie seither durchdrungen wie durchsättigt von der Christus-Wesenheit. Wir finden dies auch angedeutet in den Worten, welche die Theodora in unserem Rosenkreuzerdrama, Dieses aber bezeugt Ihnen, daß es ein Wesentliches der Christus-Entwickelung ist, daß man die Erde in bezug auf ihre physische Materialität nach dem Mysterium von Golgatha weit und breit durchsuchen könnte, wo man wollte, wo es ein Physisches gibt auf der Erde, und man könnte da die Christus-Substanz als solche nicht verkörpert finden. Und dennoch ist die ganze Erde durchsetzt von der Christus-Substanz, weil diese Christus-Substanz bis zur Äthersphäre der Erde herabgeht und in alle Zukunft gefunden werden kann in der Äthersphäre der Erde, niemals aber bis zur physischen Verdichtung in einen fleischlichen Leib herabgehen könnte. So wie die Schale einer Schnecke, so ist dasjenige, was heute physisch an der Erde ist, ein Schalenhaftes, welches einstmals, wenn die Erde am Ziele ihrer Entwickelung angelangt sein wird, abfallen wird von der Gesamtheit der Menschenseelen, wie heute der physische Leib im Tode abfällt von der einzelnen Menschenseele. Es wird einen Erdentod geben, wenn die Erde an ihrem Entwickelungsziel angelangt sein wird. Wie heute die einzelne Menschenseele, wenn der
Mensch durch die Pforte des Todes geht, den physischen Leib ab-wirft und in ein geistiges Reich eingeht, so wird die Gesamtheit der Menschenseelen beim Erdentode in eine geistige Sphäre übergehen und wird wie eine Schlacke, wie eine Schalenhülle alles das abwerfen, was heute das Physische der Erde ist. Wo wird dann die Christus-Substanz sein, wenn die Erde ihren Erdentod erlitten haben wird? Nun, sie wird durchdringen die Gesamtheit der Menschenseelen, die sich herausheben aus dem Erdenleichnam, aus der Erdenschlacke. Die Chnstus-Wesenheit geht mit der Gesamtheit der Menschenseelen weiter in die geistigen Sphären hinauf, um später die nächste Verkörperung des Erdenwesens, das, was wir in der Geisteswissenschaft den Jupiter nennen, zu erreichen. Das ist das Wesentliche der Christus-Wesenheit, daß sie ganz vergeistigt die Menschheit in ihrer Entwickelung fernerhin leitet und daß sie nicht eingeht in irgend etwas Physisches, sondern diesem Physischen zunächst nur bis zum Erdentode nahesteht, indem das Ätherische dieses Physische durchsetzt, dann aber abwirft als Leichnam, wenn die Erde am Ziele ihrer Entwickelung angelangt sein wird. Nichts, aber auch nichts behält der Christus zurück seit dem Mysterium von Golgatha, das ihn wieder zur Sehnsucht führen könnte, irgendeinen physischen Leib, der auf der Erde herumwandelt, anzunehmen, es ist der völligste Verzicht auf jegliche physische Materialität. Das ist das große Geheimnisvolle, das mit dem Mysterium von Golgatha verbunden war, drei Jahre in einem physischen Leib durch das Opfer das zu erreichen, daß fernerhin diese Christus-Wesenheit nichts zurückläßt in dem, was als Schale der Erde ab-fallen wird beim Erdentod. Dadurch, daß Christus seit dem Myste-rium von Golgatha zwar durchdringt die physischen Substanzen der Erde, aber nicht mit ihnen sich verbindet, wird nichts in der Wesenheit des Christus bleiben, das sich zurücksehnen könnte nach der abgeworfenen Erdenschale bei dem Erdentode. Diese Erdenschale wird abgeworfen werden beim Erdentode. Sie wird als ein Stern ferner glänzen, und von denjenigen Planeten aus, die außer der Erde sind und dann mit Wesen bevölkert sind, die hinausschauen werden in den Himmelsraum, wird die Erde gesehen werden als ein Stern,
der im Himmelstaum schwebt. Werden nun mit diesem Stern, der da als Erdenschlacke beim Erdentod abgefallen sein wird, alle Wesen gar keine Verbindung mehr haben, wie der Christus und alles, was zu ihm gehört? Nein. Ich habe Ihnen eben gesprochen von jenen Wesenheiten, die zum Beispiel in der ägyptisch-chaldäischen Zeit abgelehnt haben den Christus-Impuls. Unter diesen gibt es solche, die ihn auch später ablehnen werden. Das werden jene Wesenheiten sein, welche unter Umständen sich nun auch in der Folgezeit in einem physischen materiellen Leib auf der Erde inkarnieren und als physische Men-schen auf der Erde herumwandeln. Aber zugleich werden sie die-jenigen sein, die in gewisser Weise Sehnsucht nach jenem Stern haben werden, der abgeworfen ist nach dem Erdentode und draußen im Weltenraum, und zwar zunächst als herrlicher, wunderbarer Stern, leuchten wird. Alles, was zum Christus gehört im menschlichen Seelenwesen, wird nach dem Erdentod in der Menschheits-zukunft diesen Stern bewundern, aber sich nicht nach ihm sehnen, sich nicht sagen: In diesem Stern ist unsere Heimat. - So wenig werden sich diese Menschenseelen oder die Seelen der Wesenheiten der höheren Hierarchien nach jenem Stern hinsehnen, wie sich etwa die Seelen auf der Erde heute nach dem Mars hinsehnen. Sie richten ihr Auge hin auf ihn, empfangen die wohltätigen Wirkungen von ihm, sehnen sich aber nicht danach hin. Was würde denn geschehen, wenn die Chnstus-Wesenheit nicht in die Erdenentwickelung eingegriffen hätte? Oh, dann würde ein sehr bedeutsamer Unterschied in dem Schicksal der Gesamtmenschheit herrschen. Nehmen wir einmal hypothetisch für einen Augenblick an, die ChristusWesenheit hätte nicht eingegriffen in die Menschheitsentwickelung, dann würde die Erde auch den Tod erleiden, dann würden die Menschen und die höheren Hierarchien sich weiterentwickeln in die geistigen Welten, würden aber hineintragen immerzu die Sehnsucht nach jenem fernen Stern, der als Erdenschlacke mit wunderbarem Glanze in die Welt hineinleuchtet. Mit einer tragischen Sehnsucht würden die Menschenwesen, wenn sie den Christus nicht gehabt hätten, vom Jupiter einst heruntersehen nach dem Sterne,
der aus der Erdenschlacke entstanden ist, und sie würden nicht nur bewundern den Stern, sondern würden sagen voll Sehnsucht: Das ist unsere Heimat. Es ist traurig, jammervoll, daß wir hier sein müssen und nicht auf jenem Stern sein können, der eigentlich unsere wahre Heimat ist. - So wäre der Unterschied gegenüber der wirklichen Entwickelung, wenn der Christus-Impuls nicht mit der Erde verbunden worden wäre. Freizumachen von der Erde, un-abhängig für eine kommende zukünftige Entwickelung, das war die Mission des Christus auf der Erde für die Menschen. Wir sehen dieses ganz Grandiose des Christus-Ereignisses, wir sehen, daß die Menschheit reif wird, sich zu zukünftigen Gestaltungen unseres Planeten hin zu entwickeln dadurch, daß sie den Christus auf der Erde gehabt hat. Haben wir nun ein Beispiel, daß es eine solche Sehnsucht gibt von Wesenheiten, die auf einem anderen Planeten wirken und die sich nach irgendeinem Himmelskörper sehnen als nach ihrer wahren Heimat? Ja, wir haben viele solche Beispiele, aber eines soll jetzt zunächst kontrastiert werden dem Christus. Es gab mächtige Wesenheiten während der alten Monden-entwickelung, hochstehende Geister, die aber in einer gewissen Be-ziehung während dieser Mondenentwickelung doch nicht ihren Ent-wickelungsabschluß erlangt hatten. Unter diesen hochstehenden Geistern war eine Schar, die gleichsam unter einem Anführer stand und die, als die Mondenentwickelung zu Ende war, nicht ihr Ent-wickelungsziel erreicht hatte, daher es auch nicht erreicht hatte, als die Erde begann mit ihrer Entwickelung. Diese Schar griff nun ein in die Erdenentwickelung, wirkte mit bei der Führung der Menschheit, aber im Innern mit der tragischen Sehnsucht nach einem aus der gesamten alten Mondenentwickelung - in dem Sinne, wie es in der «Geheimwissenschaft» dargestellt. worden ist - herausgeworfenen Stern des Weltenalls. Wir haben mächtige, hohe, bedeutende Wesen unter ihrem Führer innerhalb unserer geistigen Erden-entwickelung, die wirklich diese Sehnsucht nach einem Stern da draußen im Weltenall in sich tragen, den sie als ihre wahre Heimat betrachten, auf dem sie aber nicht sein können, weil sie den Mond verlassen und auf die Erde gehen mußten, ohne ihre Entwickelung
abgeschlossen zu haben. Das sind die Scharen, die unter Luzifer stehen, und Luzifer selber wirkt in der Erdenentwickelung mit der fortwährenden Sehnsucht in seinem Innern nach seiner wahren Heimat, nach dem Venus-Stern draußen im Weltenall. Das ist der hervorstechendste Zug in der Luziferischen Wesenheit, wenn wir sie kosmisch betrachten. Und das hellseherische Bewußtsein lernt eigentlich das, was im Venus-Stern charakterisiert ist, dadurch ken-nen, daß es in Luzifers Seele hineinschaut und dadurch innerhalb der Erde die tragische Luzifersehnsucht hat, wie ein wunderbares kosmisches Heimweh nach dem Sterne Phosphoros, Luzifer oder Venus. Denn alles, was Luzifer abgeworfen hat wie eine Schale, was beim alten Mondentod aus den luziferischen Wesen abgestiebt ist, wie abstiebt von der Menschenseele beim Tode der physische Leib, das glänzt vom Himmel herunter als die Venus. Jetzt haben wir etwas Kosmisches vor unser Auge hingestellt sowohl in bezug auf unsere Erde als in bezug auf die Venus, den unserer Erde benachbarten Planeten. Und wir haben damit etwas vor uns hingestellt, was zwar nicht in der ausdrücklichen Weise, wie es jetzt dargestellt worden ist, in der griechischen Seele emp-funden wurde, was aber in den Gefühlen und Empfindungen der griechischen Seele lebte. Und indem diese griechische Seele sich hinaufwandte zu den Sternen, besonders zu der Venus, da empfand sie die innige Verbindung zwischen einem solchen Stern und zwi-schen gewissen Wesenheiten, welche die Erdensphären durchglühen und durchgeistigen. Und indem die alte Griechenseele das empfand, was Luzifer für die Erde war, gleichsam sich sagte: Es weht durch unser Erdensein das luziferische Prinzip - wandte sie sich hinauf zum Stern der Venus und sagte: Das ist der wandelnde Punkt in unserm Himmelsraum, zu dem fortdauernd Luzifers Sehnsuchten hingehen. Da sehen Sie die Empfindungen, welche die Griechenseele über eines der Weltenwunder hatte. Da sehen Sie aber zu gleicher Zeit in lebendiger Art, wie der Griechenseele es ferne gelegen hätte, hinaufzuschauen in den Weltenraum und eben als bloße physische Kugel, wie es unsere moderne Astronomie tut, die Venus zu beschreiben.
Was war der Griechenseele also die Venus? Dasjenige Gebiet im Himmeisraum, das sie dadurch kennenlernte, daß sie den geistigen Inhalt der Luziferseele hellseherisch betrachtete, denn darin merkte sie das große Heimweh, das wie eine lebendige Brücke von der Erde zur Venus hinaufgeht. Diese Sehnsucht, die als Luzifers Sehnsucht die griechische Seele empfand, fühlte auch diese selbe Griechenseele als zu der Substanz der Venus hinzugehörig. Nicht den bloßen physischen Planeten sah der Grieche, sondern er sah das, was sich aus der luziferischen Wesenheit abgespaltet hat, wie sich der physische Leib von dem Menschen abspaltet, wenn er durch die Pforte des Todes geht, und wie sich der Erdenleichnam ab-spalten wird, wenn die Erde am Ziele ihrer Entwickelung angelangt sein wird. Nur mit dem Unterschied, daß der physische Leib des Menschen dazu bestimmt ist, zu zerfallen, der Leib aber eines Luzifer dazu bestimmt ist, wenn er herausfällt aus der Seelenwesenheit, als ein Stern am Himmelstaum zu glänzen. Damit haben wir zugleich charakterisiert, was im geistigen Sinne Sterne sind. An dem Beispiele der Venus haben wir es charakterisiert. Was sind denn für eine lebendige Anschauung der Weltenwunder, der Natur-wunder Sterne? Götterleiber sind sie. Dasjenige, was aus Götter-leibern in den Weltenraum hinausgegangen ist, das ist Stern geworden, und so blickte der Grieche in die Sternenwelt hinauf zu Planeten und zu Fixsternen. Da waren einmal, sagte er sich, im Raume die geistigen Wesenheiten, die wir als unsere Gotter ver-ehren; sie haben eine Entwickelung durchgemacht; als sie an jenem Punkt angekommen srnd, welcher für den Menschen während sei-nes irdischen Daseins den physischen Tod bedeutet, da trat für diese Götter das Ereignis ein, wo ihre physische Materie sie verließ und Stern wurde. Sterne sind Götterleiber, deren Seelen unabhängig von diesen Leibern in einer anderen Art in der Welt weiterwirken, wie Luzifer unabhängig geworden war von seinem Leibe, der Venus, und in unserer Erdenentwickelung weiterlebt. Das kann man nennen eine durchgeistigte Naturauffassung, eine durchgeistigte Auffassung der Welt. Das hat allerdings nichts zu tun mit jenem verwaschenen
Pantheismus, der da sagt: Da draußen ist alles von einem einheit-lichen Gotte durchdrungen. - Es genügt nicht, dieses zu sagen, son-dern man muß, wenn man zu dieser fernen Welt hinaufschaut, wis-sen, daß die Sterne nicht einfach so abstrakt definiert werden kön-nen, als wenn sie Leiber wären, durch welche die Götter erschei-nen, sondern sie sind Leiber, welche von den Gottern zurückgelas-sen sind, nachdem diese Gotter selber zu anderen Entwickelungs-stadien fortgeschritten sind. Das aber ist der Unterschied aller Planetengötter von dem Christusgotte, daß der Christusgott im Sinne dessen, was ich auseinandergesetzt habe, beim Erdentode keinen solchen physischen Stern zurückläßt, keinen Rest zurückläßt, der unvergeistigt geblieben wäre, sondern ganz ins Geistige übergeht und als Geist mit den Menschenseelen zum Jupiterdasein hin-übergeht. Damit haben wir einen der wesentlichen Unterschiede zwischen den Planetengeistern und dem Christus angeführt. Diesen Unterschied festzuhalten ist von ganz besonderer Wichtigkeit, denn er zeigt uns, daß der ganze Sinn des Mysteriums von Golgatha in dem Augenblick durchbrochen wäre, wenn es sein könnte, daß, nachdem dieses Mysterium stattgefunden hat, dasjenige, demgegenüber man das Recht hat, von Christus zu sprechen, sich noch einmal in einem physischen Leibe verkörpern würde. Denn würde sich das, was zu Christus gehört, wofür man das Recht hat, den Christusnamen zu gebrauchen, nach dem Mysterium von Golgatha nochmals in einem physischen Leibe verkörpern, so würde damit durch diese physische Substanz der erste Keim gegeben sein, an den sich anderes anschließen würde zu einem solchen Sterne, welcher zurückbleiben würde in der Zukunft. Es würde das Mysterium von Golgatha in seiner tiefen Bedeutung gar nicht erreicht werden können. Wenn sich der Christus ganz verleugnen wollte, das Mysterium von Golgatha ungeschehen machen wollte, dann brauchte er sich nur in irgendeinem physischen Leibe zu verkörpern, er würde dann einen Anziehungspunkt schaffen materieller Natur, an den sich anderes angliedern würde. Es würden dann noch andere Verkörperungen derselben Wesenheit da sein müssen. Damit würde ein Stern geschaffen werden, nach dem sich die Menschheit in aller
Zukunft zurücksehnen müßte. Dieses Zurücksehnen darf nicht durch die Chnstus-Wesenheit erreicht werden. Daher hat man auch kein Recht, irgendwie mit dem Christusnamen zusammenzubringen dasjenige, was sich noch nach dem Ereignis von Golgatha irgendwie im Fleischesleibe inkarniert. Mit diesem würde man ein grandioses Mißverständnis des Mysteriums von Golgatha an den Tag legen und zeigen, daß man nicht weiß, was damit beschlossen ist In dem Augenblicke, wo man das Mysterium von Golgatha wirklich ver-steht, bringt man den Christusnamen mit nichts in Beziehung, was sich nach dem Mysterium von Golgatha noch in einem physischen Menschenleib inkarniert. Mit dem Christusnamen von irgendeiner Wesenheit sprechen, die sich nach dem Ereignis von Golgatha in einem physischen Menschenleibe inkarniert, heißt entweder mit dem Christusnamen Mißbrauch treiben oder völliges Unverständnis zeigen für das Mysterium von Golgatha. Es ist außerordentlich wichtig, daß diese Dinge verstanden werden. Denn nur dadurch ist es möglich, die gesamte Wesenheit des Christus zu der menschlichen Entwickelung in ein richtiges Verhält-nis zu bringen. Die Kräfte, die dadurch erzeugt werden in einem gewissen Teile der Menschenseele, daß nichts mehr zurückbleibt von einer Sehnsucht nach der Erde, die müssen erstarken am Wider-stande wie alle Kräfte. Daher müssen durch die weise Welten-lenkung auch solche Wesenheiten wiederum zurückgelassen werden, die eben, sagen wir wie die führenden Engelwesen der ägyptisch-chaldäischen Zeit, die Erzengel der urpersischen Zeit oder wie die führenden Archai der altindischen Zeit sich nicht mit dem Christus-Impulse durchdringen und daher ohne den Christus-Impuls weiterführen. Die werden - und man wird auf diese nicht den Christusnamen anwenden - in der Zukunft der Menschheits-entwickelung dasjenige Element darstellen, wodurch allerdings eine gewisse Sehnsucht und auch eine gewisse Verbindung bleibt zu dem, was als planetarische Reste, als Sterne, im Weltall draußen sein wird und vom Jupiter aus gesehen werden wird, wie unsere Venus, unser Mars, unser Jupiter von der Erde aus gesehen werden. Es ist also im wesentlichen eine andere Menschheitsströmung und
eine andere Strömung der höheren Hierarchien, welche den Blick zurücklenken werden auf jene Einflüsse, welche von den zukünf-tigen planetarischen Nachbarn des künftigen Jupiter auf die Menschheit des Jupiter ausgeübt werden. Diese beiden Dinge muß man völlig auseinanderhalten, dann wird man von diesem Größten aus auch das Kleinere begreifen lernen. Überall wirken diese beiden Strömungen ineinander. Überall sehen wir die fortschreitende Christus-Wesenheit, die die Menschheit hinaufführen wird zu höherer Anschauung des Christus. Wir sehen auf der anderen Seite die hemmenden Kräfte, die wir nicht mit dem Christusnamen belegen dürfen, die sich auch in menschlichen physischen Leibern inkarnieren, die zwar auch eine Christus-Erkenntnis erlangen können, aber nicht solche Christus-Impulse erlangen können wie die Angeloi, die in der ägyptisch-chaldäischen Zeit ihre volle Entwickelung erlangt haben. Wir sehen dann solche Wesenheiten, die auch in der Zukunft heruntergehen können bis zu fleischlicher Verkörperung, aber wir müssen auseinanderhalten das eine und das andere. Alles, was materialistisch gedacht ist in unserer Zeit, kommt von den hemmenden, den fortschreitenden Gang aufhaltenden Geistern, und auch das würde von diesen Geistern kommen, wenn man etwa das Heil der Menschheit erwarten wollte von solchen Individuali-täten allein, die sich in der Zukunft im Fleische inkarnieren können. Denn das ist ein materialistisches Prinzip, das lenkt die Menschheit davon ab, daß sie sich hinaufentwickelt zur Anschauung des Geistigen, weil es die Menschen herabführt zur bloßen Anschauung von Individualitäten, die in einem physischen Leibe inkarniert sind, auf die man baut, weil man sie mit physischen Sinnen anschauen kann. Von all dem, was ich jetzt sagte in bezug auf den Christus, hatte das alte Griechentum der vorchristlichen Zeit, weil eben das Mysterium von Golgatha noch nicht geschehen war, keine volle Anschauung, wohl aber von Luzifer und seinem Zusammenhange mit der Venus und auch von anderen Gestirngöttern und ihrem Zusammenhange mit ihren Sternen. Alle diese Empfindungen und
Gefühle, welche aus einer solchen Urweisheit für die Griechen her-vorgegangen sind, sind eine Voraussetzung für jene Idee und jenes Gefühl und jene Seelen-Impulse, die in der wissenden alten Grie-chenseele auflebten, wenn der Name Dionysos ausgesprochen wurde. Daher mußten wir heute voraussetzen, was eben gesagt worden ist, um morgen eingehen zu können auf jene Welten-wunder, jene Naturwunder, welche der alte Grieche meinte, wenn er von Dionysos sprach. Damit wird auch die Brücke geschaffen zu dem, was dem Menschen schon verwandter ist, zu seinem Inneren, zu den Seelenprüfungen. Damit ist also unser Programm von morgen als eine Besprechung der Dionysos-Idee vorgezeichnet. FÜNFTER VORTRAG München, 22. August 1911
- G129-1960-SE098 - Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen
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FÜNFTER VORTRAG München, 22. August 1911
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Wir haben gestern sozusagen mit einem Frageausblick den Vortrag beschlossen, mit der Frage nach dem Wesen des Dionysos. Nun ist, wie Sie alle wissen, Dionysos einer der griechischen Götter, und es muß sich Ihnen daher die Frage aufdrängen nach dem Wesen dieser griechischen Götter überhaupt. Wir haben allerdings in bezug auf viele Einzelheiten solche Gestalten wie Pluto, Poseidon und Zeus selbst zu charakterisieren versucht, aber mit Bezug auf das gestern Gesagte, auf den Anteil, den die geistigen Wesenheiten der höheren Hierarchien an der geistigen Führung der Menschheit nehmen, könnte die Frage ganz besonders mit Rücksicht auf das gestern Gesagte bei Ihnen auftauchen. Sie könnten sich fragen, zu welcher Kategorie der Wesen in den höheren Hierarchien rech-neten denn in bezug auf die Führung der Menschheit die alten Griechen ihre Götter? Wir haben gestern schon gesagt, daß ge-wissermaßen im Gegensatz zu den anderen vorangehenden Kultur-epochen, der urpersischen, der ägyptisch-chaldäischen Kulturepoche, die Zügel der geistigen Führung von oben herunter während der griechisch-lateinischen Kultur am wenigsten angezogen waren. Daß bei den Griechen ein Bewußtsein von diesem, man darf sagen, etwas freieren Verhältnis der göttlichen Geister zu den Menschen vorhanden war, das mag schon daraus anschaulich sein, daß die Griechen die Bilder ihrer Göttergestalten so ausgestaltet haben, daß in ihnen wirklich durch und durch menschliche Züge sind, man darf sagen menschliche Fehler, menschliche Leidenschaften, menschliche Sympathien und Antipathien. Schon daraus können wir voraussetzen, daß die Griechen wußten, daß geradeso wie die Menschen hier unten auf dem physischen Plane streben, um vorwärts-zukommen, dies auch die unmittelbar über ihnen stehende Götter-hierarchie tue. Hinauszukommen werden sie suchen über jene Eigenschaften, die sie haben. Die Götter Griechenlands brauchten tatsächlich
so viel, um vorwärtszukommen in ihrer eigenen Entwickelung im Verhältnis zu den Göttern, sagen wir, der alten Ägypter oder Perser, daß sie sich, wenn wir trivial sprechen wollen, nicht recht kümmern konnten um die Menschen. Daher kam dieses so echt menschliche Auf-sich-selbst-Gestelltsein der Griechenkultur. Das Band zwischen Göttern und Menschen war eben dazumal am allerwenigsten angezogen. Daher aber konnten die Griechen ihre Götter so menschlich ausgestalten, weil sie sich dieser Tatsache bewußt waren. Gerade einer solchen Sache gegenüber dürfen wir wohl fragen, wenn wir unsere hierarchische Ordnung in Betracht ziehen: Wohin haben wir denn die griechischen Götter zu stellen nach der Empfindung des griechischen Volkes selber? Da müssen wir uns klar sein, daß die Eigenschaften der griechischen Götter laut genug sprachen, daß wir sie im Grunde genommen samt und sonders in einer gewissen Beziehung zu den luziferischen Wesen-heiten zu rechnen haben. Wenn Sie bedenken, was alles im Streben der griechischen Götter liegt, was sie wollen von dem, was durch das Erdenleben vor sich gehen kann, dann werden Sie keinen Zweifel hegen können, daß die Griechen es empfanden: ihre Götter haben ihre Entwickelung nicht auf dem alten Monde abgeschlossen, sondern haben aus der Erdenentwickelung durchaus jenen Nutzen zu ziehen, den auch die Menschen selber aus ihr ziehen. Schon daraus kann hervorgehen, wie die Griechen sich dessen bewußt waren, daß ihre gesamte Götterwelt das luziferische Prinzip in sich hatte, daß sie nicht ihre volle Entwickelung auf dem alten Mond erlangt hatte. In dieser Beziehung steht das Bewußtsein der Griechen von ihren Göttern in einem sehr schroffen Gegensatz zu dem Bewußtsein eines anderen Volkes. Es gibt in dem Altertum ein Volk, welches im eminentesten Sinne ein Bewußtsein davon ausgebildet hatte, daß es unter einer Götterhierarchie stehe, welche mit ihren eigenen Entwickelungsbedingungen das völlige Mondenziel erreicht hat. Und wer die vorjährigen Vorträge gehört hat, die ich hier im Münchener Zyklus gehalten habe, mit alledem, was dazumal über die Elohim und gleichsam über die Gipfelung der Elohim in Jahve gesagt worden
ist, der wird keinen Zweifel hegen, daß innerhalb des alt-hebräischen Volkes das Bewußtsein war, daß die Elohim, daß Jahve zu denjenigen Gottergestalten gehörten, welche nicht auf der Erde unmittelbar von dem luziferischen Prinzip berührt werden konn-ten, weil sie ihr völliges Entwickelungsziel auf dem alten Monde erreicht hatten. Das ist der große Gegensatz. Und wir sehen wun-derbar diese Eigentümlichkeit des althebräischen Gottesbewußtseins ausgesprochen in jener gewaltigen dramatischen Allegorie, die aus grauen alten Zeiten zu uns heraufleuchtet und deren tiefen Gehalt man erst wiederum nach und nach, wenn die Geisteswissenschaft auch hier Vertiefung schaffen kann, einsehen wird. Was mußte denn das althebräische Bewußtsein in bezug auf den Menschen denken, wenn es ganz erfüllt war davon, daß das althebräische Volk in allen seinen Gliedern unterstand einer göttlichen Führung solcher Geister, die auf dem alten Mond ihren Entwickelungsabschluß erlangt hatten? Da mußte sich dieses Bewußtsein sagen: Hingabe mit allen menschlichen Seelenkräften an diese göttliche Welt -das führt in das Geistige des Universums hinauf. Und eine Verbindung mit irgendwelchen anderen Kräften, eine Verbindung mit denjenigen Kräften, die irgendwie noch zusammenhängen mit dem Materiellen, muß gleichsam den Menschen heraus-führen aus der geistigen Welt. Darauf spielt jenes Wort an, das epigrammatisch aus der Hiob-Allegorie herübertönt, jenes Wort, das uns mitgeteilt wird von dem Dulder Hiob, zu dem gesagt wird: «Sage Gott ab und stirb! » In diesen Worten liegt etwas Grandioses, Gewaltiges und ein Hinweis - bedeutungsvoll, wie er nur sein kann - darauf, daß die Verbindung mit dem Jahvegott als dem Extrakt der Elohim für das althebräische Volk das Leben überhaupt bedeutete. Die Verbindung mit dieser Hierarchie der Elohim bedeutete das Leben, und die Verbindung mit irgendwelchen anderen Götterhierarchien würde bedeutet haben die Abkehr von diesem fortschreitenden Prinzip des Weltenwerdens, den Tod für die menschliche Entwickelung. Sterben war in der Tat für das alt-hebräische Volk gleichbedeutend mit Nichtdurchdrungensein von dem substantiellen Gehalt der Elohim- oder Jahve-Wesenheit
Dies soll zunächst nur eine Hindeutung darauf sein, daß uns aus grauer Vorzeit in der Tat herauf leuchtet ein polarischer Gegensatz im geistigen Bewußtsein zu dem, was uns später entgegentritt als griechisches Bewußtsein. Während dieses die Menschlichkeit der Erde ausbilden, alles in die Menschlichkeit aufnehmen will, was die Erde bieten kann, und deshalb sich einer Götterhierarchie unterstellt, welche selbst für sich beansprucht, die Elemente des Erdenlebens zu seiner eigenen Entwickelung in sich aufzunehmen, daher auch die Zügel gegenüber dem Menschen möglichst wenig straff anzieht, gibt sich das andere Bewußtsein, das althebräische, ganz und gar hin an das Prinzip der Elohim, geht ganz und gar auf in dem Jahve. Das sind die beiden großen Pole der älteren Menschheitskultur. Wenn nun gestern gesagt worden ist, daß die luziferischen Wesenheiten oder überhaupt die auf dem alten Mond zurück-gebliebenen Engelwesenheiten auf der Erde sich noch inkarnieren können, unter den Menschen herumgehen können im Gegensatz zu denen, die ihre Entwickelung auf dem Monde abgeschlossen haben, wie verhält es sich dann mit den griechischen Göttern, von denen nicht mitgeteilt wird, daß sie sich etwa auf der Erde unmittelbar in Menschengestalt inkarniert hätten? Das scheint ein Widerspruch zu sein. Solche Widersprüche müssen vorhanden sein, da die Geisteswissenschaft etwas ungeheuer Umfassendes, Kompliziertes ist und da der Spruch wahr ist, der in unserem Rosen-kreuzermysterium «Die Prüfung der Seele> enthalten ist: daß die Wege der höheren Wahrheit verworren sind und daß sie nur der-jenige gehen kann, der in Geduld durch die Labyrinthe wandeln will. So etwas muß da sein, solche Widersprüche müssen sich erst nach und nach lösen, und wer leichten Herzens die Lösung solcher Widersprüche anstrebt, wird nicht leicht zur Wahrheit vordringen. Die Griechen hatten zwar ein Bewußtsein davon, daß, so wie die Sachen während ihrer Gegenwart standen, sich die Wesen ihrer Götterhierarchien nicht unmittelbar auf der Erde inkarnieren kön-nen. Aber diese Seelenindividualitäten, welche die Griechen als ihre Götter sich vorstellten, waren dennoch in physischen Leibern inkarniert,
und zwar während der alten atlantischen Zeit. Wie wir die Heroen auf der Erde mit Menschenleibern herumwandeln sahen, die im Innern ein solches Wissen tragen, das luziferischen Charakter hat, ein Wissen von übermenschlicher Natur, wie wir in den Heroen später inkarnierte, zurückgebliebene Mondengel haben, so haben wir in den griechischen Göttern Wesenheiten, die ihre ileischliche Inkarnation in atlantischen Leibern durchgemacht haben. Da wandelten sie selbst als atlantische Menschen, als atlantische Könige und Priester unter den Menschen herum. Und da hatten sie eben das errungen, was sie zu erlangen hatten von der Erdenentwickelung durch die Inkarnation, durch die Verkörperung in einem Menschenleibe. So können wir also sagen: Das griechische Bewußtsein stellte sich vor, daß seine Götter zwar echte luzife-rische Wesenheiten seien, daß sie aber ihre Menschenverkörperung bereits in der alten atlantischen Zeit durchgemacht haben. Dies müssen wir zugrunde legen, wenn wir überhaupt diese ganze griechische Götterwelt verstehen wollen. Aber ein anderer Widerspruch könnte sich noch vor Ihre Seele hinstellen. Sie könnten sagen: Ja, auf der einen Seite sagst du uns, daß Zeus draußen der Repräsentant, der makrokosmische Reprä-sentant der im Menschen wirkenden Kräfte des Astralleibes war, Poseidon der makrokosmische Repräsentant der im Ätherleibe wir-kenden Kräfte, Pluto der makrokosmische Repräsentant der im physischen Leibe wirksamen Kräfte. So daß man eigentlich sich vorstellen müßte, daß diese Kräfte ausgebreitet sind in den Weiten des Raumes. - Daß sie draußen wirken, ohne zusammengezogen zu sein in den einzelnen Menschengestalten, solch einen Einwand könnte nur der machen, der noch nicht darauf gekommen ist, wie eigentlich die Entwickelung geschieht, welches der ganze Sinn der Evolution ist. Es ist in der Tat für ein modernes Bewußtsein etwas schwierig, in dieser Beziehung mit den wahren Begriffen zurecht-zukommen. Denn ein solches modernes Bewußtsein wird sich ja schwer vorstellen können, daß das, was draußen im Raume wie Naturgesetze wirkt, was draußen ausgebreitet ist, zu gleicher Zeit in einem menschlichen Leibe auf der Erde herumwandelt. Das kann
aber durchaus der Fall sein. Für einen modernen Naturforscher wäre es natürlich der Ausdruck des höchsten Wahnsinnes, wenn jemand sagen würde: Nimm alle die Kräfte, von denen heute der Chemiker spricht, alle die chemischen Kräfte, die in den Lehr-büchern der Chemiker verzeichnet werden, die draußen wirken in der Entmischung und Vermischung der Stoffe, und denke dir, daß alle diese Gesetze nun auch einmal konzentriert in einem mensch-lichen Leibe herumwandeln, auf Beinen gehen, mit Händen greifen. - Das würde natürlich ein Mensch mit modernem Bewußtsein für den tollsten Wahnsinn halten. Und ebensowenig würde er sich vorstellen können, daß das makrokosmische Gegenbild der Kräfte, die in unserem Astralleib wirken, dieses Gegenbild, das da draußen im Raume sich ausbreitet, einmal geradeso wie heute eine Menschenseele konzentriert in einer einzelnen Wesenheit war, die in der alten atlantischen Zeit als Zeus herumwandelte. Und ebenso war es bei Poseidon und Pluto. In diesen atlantischen Menschen, die das griechische Bewußtsein mit Pluto, Zeus, Poseidon bezeich net, war inkarniert das, was sonst Gesetze der Weltenwunder sind. Denken Sie sich also einen wirklichen Menschen nach atlantischem Menschenmuster in der alten Atlantis herumwandeln so wie andere Atlantier, und denken Sie sich einen mit vollem Bewußtsein aus-gestatteten Beobachter, der auf die Seele dieses atlantischen Bewohners, der der Zeus war, hinblickt. Da müßte sich ein solcher Beob-achter sagen: Gewiß, diese Seele des Zeus, der da als Atlantier herumwandelt, scheint in einem solchen Körper konzentriert zu sein, aber das ist Maja, Illusion, das scheint nur so - in Wahrheit ist die Sache doch anders, in Wahrheit ist diese Seele die Gesamtheit aller makrokosmischen Kräfte, die draußen wirken als das Gegenbild der in unserem Astralleibe konzentrierten Seelenkräfte. -Nehmen wir an, der hellseherische Blick wendete sich auf diesen atlantischen Menschen, welcher der Zeus ist. Dann würde er erken-nen: Diese Seele, indem ich sie betrachte, wird immer größer und größer, sie breitet sich aus, sie ist in der Tat das makrokosmische Gegenbild der menschlichen Seelenkräfte im Astralleibe. - So war es auch bei den anderen atlantischen Menschen, die eigentlich die
griechischen Götter waren. Die Welt, wie sie uns entgegentritt auf dem physischen Plane, ist eben durch und durch Maja. Daß sich der moderne Mensch dieses nicht vorstellen kann, das macht es ihm auch schwierig, die Wesenheit des Christus Jesus selber sich vorzustellen. Denn wenn man die Seele, die nach der Johannes-taufe im Jordan in Christus Jesus war, ins Auge faßt, so ist es ebenso. Das können Sie klar angedeutet finden in dem Büchelchen «Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit». Da lernen wir erkennen, wie diese Seele eigentlich nur so lange von dem hellseherischen Blicke oder von dem Blicke des Menschen überhaupt zusammengezogen in einem menschlichen Leibe gedacht werden konnte, solange man in der Maja befangen blieb. In Wahrheit ist diese Seele alle Räume durchdringend und aus allen Räumen heraus wirkend. Für den in der Sinneswelt befangenen Menschen stellt sie sich so dar, als wenn sie durch den Leib des Jesus von Nazareth wirkte. Während wir das Universelle des Kos-mos durch den Leib des Jesus nach der Johannestaufe zu sehen haben, haben wir in den griechischen Göttern, während sie atlan-tische Menschen waren, zu sehen jene Spezialkräfte, die im Kosmos darin stehen. So wandelten sie in der Tat herum innerhalb des physischen Planes und waren der Maja nach echte atlantische Menschen. Aber Sie werden gar nicht mehr erstaunt sein über diese Tatsache, wenn Sie den gewöhnlichen Menschen von heute betrachten. Im Grunde genommen ist das, was man als den gewöhnlichen Menschen von heute beschreibt, auch eine Maja, und es gehört zu dem Illusionärsten, wenn man glaubt, daß die Menschenseele nur da drinnen steckt innerhalb des Raumes, der vom menschlichen Leibe umschlossen ist. In dem Augenblick, wo der Mensch zu der Erkenntnis der übersinnlichen Welten hinauf sich entwickelt, tritt sofort das ein, daß der Mensch seinen physischen Leib nicht als etwas betrachtet, in dem er mit seinem Ich steckt, sondern als etwas, was er von außen anschaut, zu dem er gleichsam hingeord-net ist, und mit seinem Ich fühlt sich der Mensch ergossen in den Weltenraum. Der Mensch ist in der Tat außer sich, ist verbunden
mit den Wesenheiten der Umwelt, die er sonst nur anschaut, und in gewisser Beziehung ist eine jede Seele ausgedehnt über den Makrokosmos, steht in der großen Welt da drinnen. Wiederum, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes geht und sich sein eigentliches Seelenhaftes von dem Leiblichen trennt, tritt auch so-fort das auf, was man nennen kann: der Mensch fühlt sich, nachdem der Tod eingetreten ist, wie ausgegossen in den Makrokosmos, eins mit dem Makrokosmos, weil dann eben in das menschliche Bewußtsein hereintritt, was die Wirklichkeit und nicht die Maja ist. Es ist versucht worden, ein wenig anschaulich darzustellen, was ein Bewußtsein erlebt, das vom Leibe frei wird und sozusagen den physischen Leib von außen anschaut, dafür aber in der geistigen Welt lebt, sich in den Makrokosmos hineinlebt. Es ist versucht wor-den, das darzustellen in jenem Monolog, der sich in der «Prüfung der Seele» findet, nachdem Capesius untergetaucht ist in die Welt-gestaltung, in die Geschichtsgestaltung seiner vorigen Inkarnation, und dann wiederum auftaucht. Da sehen wir ihn, wie durch seine Seele geht, was er erlebt hat, während er seine frühere Inkarnation durchlebte. Da ist nicht nur trocken geschildert, daß er etwa diese oder jene frühere Inkarnation gesehen hat, sondern wenn Sie diesen Monolog genau, wörtlich, Zeile für Zeile durchgehen, dann finden Sie der Wahrheit nach geschildert, was da durchlebt ist, finden alles darin ganz realistisch geschildert, und Sie können aus diesem Monolog eine Vorstellung bekommen, wie das Zurückschauen in der Akasha-Chronik auf frühere Zeiten der Erdenentwickelung, in denen man frühere Inkarnationen durchgemacht hat, in Wirklichkeit sich abspielt. Sie würden wie bei den anderen Dingen gerade bei diesem Monologe fehlgehen, wenn Sie wirklich ein Wort übersehen würden und nicht abwägen würden, daß da ganz realistische, wirkliche Erlebnisse der Seele bis in die Einzelheiten hinein geschildert sind. Aber auch da finden Sie erwähnt, wie der Mensch sich fragen muß: Ja, ist denn nicht alles das, was da draußen im Raume war, aus meinem Seelenstoffe gewoben? In der Tat fühlt Capesius so, wie wenn das, was da draußen ihm entgegengetreten ist, gemacht worden wäre aus seinem Seelenstoffe. Das ist ein ganz merkwürdiges
Gefühl, wenn man sich fühlt wie aufgeteilt in die anderen Dinge, wie zu einer Welt erweitert, im wahrhaftigen Sinne des Wortes ganz ausgehungert, ganz ausgedorrt von seiner eigenen Wesenheit, die zu Bildern gestaltet ist und die einem dann entgegentritt als diese Bilder, die eben dadurch sichtbar werden, daß sie sich durchtränken mit unserem eigenen Seelenstoffe. Wenn Sie das alles in Erwägung ziehen, dann werden Sie eine Empfindung erhalten von der Sicherheit des griechischen Gefühles in der Ausgestaltung seiner Götterbilder und Götterwelten. So waren also diese Götter Griechenlands während der atlantischen 7.eit Menschen mit Seelen, die eine makrokosmische Bedeutung hatten, und durch diese Entwickelung waren sie so weit gekommen, daß sie eingreifen konnten in der vierten nachatlantischen Kultur-periode, aber so, daß sie sozusagen die Zügel in der geistigen Füh-rung der Menschen am wenigsten straff anzogen. Sie brauchten nicht mehr als Götter ebenso zu werden wie Kekrops, Theseus und Kadmos, in denen luziferische, auf dem Monde zurückgebliebene Seelen inkarniert waren, denn sie hatten mit ihrer atlantischen In-karnation das abgemacht, was die Menschheitsverkörperung auf der Erde sein soll. Nun müssen wir uns, wenn wir das richtig ins Auge fassen, sagen: Dann konnten aber diese griechischen Götter, so viel sie auch schließlich dem Menschen noch geben konnten, eines dem Menschen nicht geben: das Ich-Bewußtsein, das der Mensch sich erwerben sollte. - Warum denn nicht? Nun, Sie werden aus dem Geiste aller meiner bisherigen Vorträge entnehmen können, daß dieses Ich-Bewußtsein für den Menschen speziell auf der Erde entstehen mußte. Wir wissen ja, daß der Mensch auf dem Monde erst entwickelt hatte seinen physischen Leib, Ätherleib und Astralleib. Da konnte das Ich-Bewußtsein nicht Platz greifen. In alledem, was auf dem Monde geschaffen wurde, was die griechischen Götter dort kennengelernt hatten in bezug auf das schöpferische Prinzip, war das Ich-Bewußtsein nicht enthalten. Sie konnten das Ich-Bewußtsein dem Menschen nicht geben, weil das ein Erdenprodukt ist. Vieles konnten sie dem Menschen geben, was sich bezieht auf physischen Leib, Ätherleib und Astralleib, denn mit denen und ihren
Gesetzen waren sie vertraut von der Saturn-, Sonnen- und Monden-entwickelung her, die sie auf höherer Stufe mitgemacht hatten. Weil sie aber zurückgeblieben waren, konnten sie nicht Schöpfer des Ich-Bewußtseins werden. In dieser Beziehung stehen die grie-chischen Götter im Gegensatze zu den Elohim, zu Jahve, der im eminentesten Sinne gerade der Schöpfer des Ich-Bewußtseins ist. Daher konnte sich die ganze moderne Seelenkultur nur dadurch entwickeln, daß zusammengeflossen sind diese zwei polarischen Strömungen in der menschlichen Geistesentwickelung: die althebräische Strömung, welche darauf bedacht war, im eminentesten Sinne alle die Kräfte in der menschlichen Seele wachzurufen, die zum Ich-Bewußtsein führen, und die andere Strömung, welche alle die Kräfte in die menschliche Seele goß, welche der menschliche physische Leib, der menschliche Ätherleib und Astralleib brauchten, um die Erdenentwickelung in der richtigen Weise absolvieren zu können. Erst durch das Zusammenfließen dieser beiden Strömungen, der griechischen und der althebräischen Strömung, war es möglich, daß jene Einheitsströmung zustande kam, welche dann aufnehmen konnte den Christus-Impuls, das Christus-Prinzip. Denn innerhalb der Christus-Strömung sind diese beiden Strömungen so enthalten, wie das Wasser in einem Strome enthalten ist, der aus zwei Flüssen zusammengeflossen ist. Und so wie unser modernes Seelenleben nicht zu denken ist innerhalb der abendländischen Kultur ohne den Einschlag der griechischen, ebensowenig ist sie zu denken ohne den Impuls, der in der althebräischen Kultur gegeben war. Aber innerhalb des Griechentums selber fehlte aus der Welt, der Zeus, Poseidon, Pluto angehörten, die Möglichkeit, dem Menschen sein irdisches Ich-Bewußtsein unmittelbar aus dieser Hierarchie heraus zu geben. Davon hat wiederum die Griechenseele eine wunderbar klare Empfindung, und sie hat diese Empfindung in der Konzeption der Dionysosgestalt zutage gefördert. Ja, diese Griechenseele hat gerade in bezug auf die Dionysosgestalt in einer so wunderbar klaren Weise gesprochen, daß wir vor der Weisheit dieser griechi-schen Mythologie nur anbetend, bewundernd stehen können.
Da wird uns gesprochen im alten Griechenland von einem älteren Dionysos, dem Dionysos Zagreus. Dieser ältere Dionysos war eine Gestalt, welche die griechische Seele so konzipierte, daß sie sich dabei in ihrer Empfindung, nicht etwa mit unseren äußeren Gedanken, sondern durchaus empfindungsgemäß, gefühlsgemäß, sagte: Dem Bewußtsein, das der Mensch erlangt hat als das intellektuelle Bewußtsein, ging ein altes heliseherisches Bewußtsein voraus. Dieses alte hellseherische Bewußtsein unterlag nicht in demselben Grade der Maja, der Illusion, der Täuschung wie das spätere Menschheits-bewußtsein. Während die Menschen noch heliseherisch waren, haben sie nicht geglaubt, daß die Menschenseele eingeschlossen ist im physischen Leib, daß sie von seiner Haut begrenzt ist, sondern da war sozusagen der Mittelpunkt des Menschen noch außerhalb des physischen Leibes. Und der Mensch glaubte nicht, mit seinem physischen Leib zu schauen aus seinen Augen heraus, sondern er wußte: Mit meinem Bewußtsein stehe ich außerhalb des physischen Leibes. - Und er deutete so auf diesen physischen Leib wie auf sein Besitztum. Wenn man einen Vergleich gebrauchen will, so kann man sagen, der moderne Mensch ist wie einer, der sich recht fest und behaglich auf einen Stuhl setzt in seinem Haus und sagt: Da bin ich drinnen, und die Wände meines Hauses umgeben mich. -Der alte hellseherische Mensch war nicht so, daß er innerhalb seines Hauses saß, sondern ihn können Sie vergleichen mit dem Menschen, der durch die Tore seines Hauses herausgeht und sich außerhalb desselben aufstellt und sagt: Das ist mein Haus, da kann man herumgehen, das kann man von verschiedenen Standpunkten anschauen, und dann hat man einen viel weiteren Raum, um das Haus von außen anzusehen, als wenn man drinnen ist. - So war es mit dem alten hellseherischen Bewußtsein. Das ging herum um die eigene Leibesgestalt und betrachtete sie nur als ein Besitztum des alten hellseherischen Bewußtseins, des außerhalb des physischen Leibes befindlichen Bewußtseins. Wenn wir nun den Erdenverlauf betrachten, wie er sich gestaltet hat von der alten lemurischen Zeit, durch die atlantische Zeit und in die nachatlantischen Kulturepochen herein, so wissen wir, daß
sich das menschliche Erdenbewußtsein nach und nach ausgebildet hat. Während der alten lemurischen Zeit war in vielfacher Be-ziehung dieses Menschheitsbewußtsein dem alten Mondenbewußt-sein noch recht ähnlich, der Mensch reflektierte noch wenig auf seinen Leib, war noch ganz ausgeflossen in den Raum. Nach und nach zog der Mensch erst mit seinem Ich in seinen Leib ein, und während der atlantischen Zeit war der Mensch noch ziemlich außerhalb seines Leibes mit seinem Bewußtsein. Nach und nach ist also dieses Bewußtsein erst in den physischen Leib hereingezogen, das zeigt uns der ganze Sinn der Erdenentwickelung. Das aber empfand auch die griechische Seele. Sie konnte empfindungsgemäß hinweisen auf ein früheres Bewußtsein, auf ein hellseherisches Be-wußtsein, das zwar innerhalb der Erdenentwickelung zutage getre-ten ist, aber noch in engster Anlehnung war an das alte Monden-bewußtsein, an das Bewußtsein, das sich ausbildete, als der Mensch als höchstes Glied seinen astralischen Leib ausgebildet hatte. Da stehen wir also vor dieser Menschheitsentwickelung und können sagen: Als die Erde in ihrer jetzigen Entwickelung war, da kam der Mensch und hatte ausgebildet seinen physischen Leib, Äther-leib und astralischen Leib, trug in seinem astralischen Leibe die Zeuskräfte. Dazu kam dann im Laufe der Erdenentwickelung alles das, was zum Ich wurde. Es verband sich ein neues Element mit den astralischen Zeuskräften, wie darauf gepfropft auf diese Zeuskräfte wurde das, was in alten Zeiten noch undeutlich verknüpft war mit den Zeuskräften, was aber immer mehr und mehr als eine selbständige Ichheit zu diesen Zeuskräften hinzukam. Es kam die selbständige Ichheit zuerst hellseherisch und dann intellektuell her-aus. Wenn wir im Astralischen die Zeuskräfte sehen, wenn wir in dem, was da herauskommt und zuerst hellseherisch ist, das sehen, was wir als Persephone angeführt haben, so können wir sagen: Bevor der Mensch sein hellseherisches Bewußtsein verloren hatte, bevor die intellektualistische Art des Bewußtseins auftrat, da lebte im Menschen neben dem, was in seinem astralischen Leib als die Zeuskräfte vorhanden war, da lebte Persephone. - Eng verbunden mit den astralischen Zeuskräften, vom alten Mond herüber hatte
sich der Mensch diesen astralischen Leib gebracht. Auf der Erde entwickelte sich in ihm das Seelenleben, das wir repräsentiert fin-den in Persephone. Und das war der Mensch, wie er in alten Zeiten auf der Erde lebte, der so fühlte: Ich habe in meinem astralischen Leib die Zeuskräfte, und ich habe in mir die Persephone. - Wie wir heute von unserm Ich sprechen, so durfte der Mensch der alten Zeiten noch nicht von einem intellektuellen Ich sprechen, aber von etwas konnte er sprechen, von etwas, was ihm entstand durch das Zusammenwirken der im astralischen Leibe verankerten Zeuskräfte und der Persephonekräfte. Was durch die Verbindung dieser beiden, Zeus und Persephone, in ihm hervorging, das war er selbst. Es war etwas, was ihm nur von einer Seite her, vom Zeus gegeben war, wozu das andere hinzukommen mußte, auf das Zeus als solcher keinen unmittelbaren Einfluß hatte. Das was Persephone war als Tochter der Demeter, hing zusammen mit den Kräften der Erde selber. Persephone war die Tochter der Demeter, einer göttlichen Wesenheit, die nur so mit Zeus verwandt war, daß sie als seine Schwester angesehen wurde. Eine Seele, die eben eine andere Entwickelung durchgemacht hatte als Zeus, so daß sie mit der Erde verwandt war und von der Erde aus auf den Menschen wirken konnte und damit auch auf die Formung des menschlichen Ich-Bewußtseins. So trug der Mensch seit den ältesten Zeiten in sich von der Zeus-seite her den Astralleib, von der Erdenseite her Persephone. Der alte Grieche war sich also dessen bewußt, daß er in sich etwas trug, dessen Ursprung er nicht erblicken konnte, wenn er hinaufschaute zu den Hierarchien der oberen Gottheiten. Daher rechnete er das, was er in sich trug, zu den sogenannten unterirdischen Göttern, zu denjenigen Göttern, die mit dem Werden der Erde zusammen-hingen und an dem die oberen Götter keinen Anteil hatten: Ich trage etwas in mir in meiner Wesenheit und verdanke dem gerade mein Erdenbewußtsein, was mir nicht die oberen Götter der Zeus-oder Poseidon- oder Plutowelt direkt geben können, sondern an dem sie nur mitwirken können. - So ist also auf der Erde etwas außer dem, was makrokosmisch die Zeus-, Poseidon-, Plutokräfte
sind, etwas, auf das Zeus nur hinschauen kann, das er selber nicht hervorbringen kann. Aus all den Gründen, die ich angeführt habe, läßt der griechische Mythos mit guter Begründung Dionysos den Älteren, Dionysos Zagreus, einen Sohn der Persephone und des Zeus sein. Alle die Kräfte innerhalb des Erdenlebens, die vorberei-tend wirken in alten Zeiten für das menschliche Ich-Bewußtsein, die sind, wenn wir sie im Innern des Menschen mikrokosmisch betrachten, das alte hellseherische Bewußtsein. Wenn wir sie makrokosmisch betrachten, wie sie die Elemente der Erde durchwallen, sind sie der ältere Dionysos. Damals also, als der Mensch ein Ich hatte, das noch nicht das heutige Ich mit seiner intellektuellen Kraft ist, sondern der Vorläufer des heutigen Ich, das alte, hellseherische Bewußtsein, das jetzt Unterbewußtsein geworden ist, da schaute dieser Mensch - das war auch noch bei den Griechen der Fall - hinaus zu den makrokosmischen Kräften, die in uns hereinfließen lassen diese Ich-Kräfte, und er nannte sie den Dionysos Zagreus, den alten Dionysos. Aber der Grieche empfand etwas sehr Eigentümliches gegenüber alledem, was ihm dieser alte Dionysos geben konnte. Der Grieche lebte ja im Grunde genommen schon in einer intellektuellen Kultur, wenn diese auch noch vollsaftiger von der Phantasie durchdrungen war, wenn sie auch durchaus noch im Bilde lebte. Innerhalb des Bildes war sie doch schon intellektuelle Kultur. Nur die ältesten Zeiten weisen noch die hellseherische Kultur auf. Alles, was geschichtlich von Griechenland auf die späteren Zeiten gekommen ist, ist intellektuelle, wenn auch bildhafte, von der Phantasie durchtränkte Kultur, so daß im Grunde genommen der Grieche in seinem Bewußtsein hinaufschaute in eine alte Zeit, wo eigentlich heimisch war der alte Dionysos, der einträufeln ließ in die menschliche Natur dasjenige, was noch hellseherisches Ich war. Und als etwas Tragisches empfand es der alte Grieche, wenn er sich sagte: Solch ein altes Ich-Bewußtsein kann unsere Erdenwelt nicht mehr aufnehmen. - Stellen Sie sich einmal für einen Augenblick recht lebendig in eine solche griechische Seele hinein. Sie blickte wie erinnernd auf alte Zeiten zurück und sagte sich: Dazumal gab es eine Menschheit, die mit dem Bewußtsein außerhalb des
physischen Leibes lebte, wo die Seele gleichsam unabhängig von diesem Raumesteil, der von der Haut umschlossen wird, draußen einheitlich in den Raumeswelten lebte, aber die Zeiten sind vorbei, sie gehören der Vergangenheit an. - Mittlerweile hat sich dieses Ich-Bewußtsein so entwickelt, daß der Mensch in der Tat nicht anders kann, als mit seinem Ich sich eingeschlossen fühlen in einem Raum, der von der Haut umschlossen ist. - Damit war noch etwas anderes verknüpft. Denken Sie sich einmal, wenn jetzt durch ein Weltenwunder geschehen könnte, daß eine jede einzelne der Seelen, die in Ihren physischen Leibern ist, herausginge, sich aus-breitete in die Weiten des Raumes. Dann würden diese Seelen in-einanderströmen, dann wären sie nicht getrennt. So viele Köpfe hier säßen, auf so viele Punkte könnten die einzelnen Seelen dann hindeuten als auf ihre Besitztümer. Aber die Seelen würden sich oben vermischen, und eine Einheit hätten wir da. Wenn dann wie-derum die Seelen hineinziehen würden aus diesem erhöhten Be-wußtsein in die einzelnen Leiber, was würde mit der Einheit ge-schehen? Sie würde zerstückelt werden in so viele Leiber, als hier sitzen. Malen Sie sich diese Empfindung aus, denken Sie sich, daß die Griechenseele wußte: es gab ein Bewußtsein, wo die einzelnen Seelen miteinander verbunden waren und eine Einheit bildeten, wo das Menschenseelenwesen über die Erde hinwehte und keiner sich von dem anderen als eine Ich-Wesenheit im Grunde genommen unterscheiden konnte. Dann kam eine Zeit, wo diese Ich-Wesenheit ihre Einheit verließ und jede einzelne Seele hineintropfte in einen Leib. Diesen Moment, den stellte in einem grandiosen Bilde die griechische Phantasie in der Gestalt des zerstückelten Dionysos hin. Und mit einem feinen Zug hat diese griechische Mythologie in die Dionysossage hineinverflochten die Gestalt des Zeus auf der einen Seite und die Gestalt der Hera auf der anderen Seite. Wir haben gesagt: Zeus ist die Zentralgewalt der makrokosmischen Kräfte, die ihrem Gegenbilde entsprechen, der im astralischen Leibe verankerten Seelenkräfte. Diese Seelenkräfte kommen vom alten Mond herüber. Zeus im Grunde genommen auch, so daß Zeus Anteil an der Schaffung des Dionysos hat, der als älterer
Dionysos zunächst ein Sohn des Zeus und der Persephone ist. So daß des Zeus Anteil an der Schöpfung des Dionysos darin besteht, daß er das Einheitliche, das Unvermischte, das noch Unzerstückelte darstellt. Eine andere Entwickelung hat die Gestalt durchgemacht, die uns in der weiblichen Hera entgegentritt. Sie hat eine Ent-wickelung durchgemacht, die wesentlich weiter war in einer gewis-sen geistigen Beziehung als die des Zeus selber, insofern sie mehr nach dem Irdischen hin tendierte, während Zeus zurückgeblieben war. Während Zeus zurückgeblieben war auf der alten Monden-entwickelung, sich eingesteift hatte auf diese, ging Hera weiter und nahm in sich gewisse Momente auf, die auf der Erde gebraucht werden konnten. Hera gehört in die Kategorie jener luziferischen Wesenheiten, welche daran arbeiten, gerade die Zerstückelung, die Individualisierung der Menschen herbeizuführen; daher wird Hera so oft als die Eifersüchtige hingestellt. Eifersucht kann ja nur da zustande kommen, wo die Individualitäten abgegrenzt sind; wo sie sich eins wissen, kommt keine Eifersucht zustande. Hera gehört zu denjenigen Göttergestalten, die durchaus schon die Besonderung, die Individualisierung, die Vereinzelung fördern, daher ist Hera tätig, wo Dionysos zerstückelt werden soll, während er hervor-gegangen ist aus der Verbindung des Zeus mit der Persephone. Als der alte Mensch das hellseherische Bewußtsein als Einheirs-bewußtsein hatte, kommt als die individualisierende Gottheit Hera, was bildlich ausgedrückt wird in ihrer Eifersucht, und ruft die Götter auf, die in den Kräften der Erde konzentriert sind, die Titanen, daß sie das alte Einheitsbewußtsein zerstückeln, damit es hineingehe in die einzelnen Leiber. Damit war aber zunächst dieses Bewußtsein abgeschlossen von der Welt. Tragisch blickte der alte Grieche zurück auf das alte hellseherische Bewußtsein, das außerhalb des physischen Leibes lebte und das sich eins wußte mit allen Dingen draußen, denn auf das konnte man nur zurückblicken wie auf etwas Vergangenes. Wäre nichts anderes gekommen, wäre nur die Tat der Hera das einzige geblie-ben, dann würden die Menschen auf der Erde nebeneinander her-gehen, ein jeder in seiner engsten Persönlichkeit eingeschlossen.
Einander verstehen würden die Menschen niemals. Aber auch ihre Umgebung, die Elemente der Erde, der Welt würden die Menschen niemals verstehen können. Die Menschen könnten ihre eigenen Leiber als ihr Besitztum betrachten, sich innerhalb ihres Leibes wie in einem Hause abgeschlossen fühlen, vielleicht das nächste Stück Umgebung wie eine Schnecke ihr Haus zu sich gehörig fühlen, aber weiter hinaus, zu einem Weltenbewußtsein würde sich dieses menschliche Ich niemals erweitern. Das ist in der Tat, was Hera gewollt hat: die Menschen ganz in ihrer Individualität ab-sondern voneinander. Was hat denn die Menschen vor dieser Absonderung gerettet, daß - obwohl ihr Ich die intellektuelle Form angenommen hat - dennoch dieses Ich so geworden ist, daß nun dieses spätere Bewußtsein, welches nicht mehr ein heilseherisches, sondern ein intellektuelles ist, durch das Wissen, durch die intellektuelle Erkenntnis sich ein Weltbild formen kann, daß es hinausgehen, die Dinge miteinander verbinden kann? Während der hellseherische Blick in einem das Weltbild umspannt, ist es dem intellektuellen Blick vorbehalten, von Welten-stück zu Weltenstück zu gehen, die einzelnen Stücke unserer Welt-anschauung miteinander zu verbinden und daraus ein Welt-gesamtbild zu machen in dem intellektuellen Wissen, in der intel-lektuellen Wissenschaft. So trat etwas auf, was man so schildern kann: Das Wirken der Hera ist es nicht allein gewesen, was sich fortentwickelt hat, sondern die Intellektualität des Ich wurde herausgeführt, und der Mensch kann sich, obwohl er nicht selber mit seiner Hellsichtigkeit drinnen leben kann in den Dingen wie Dionysos Zagreus, wenigstens verstandesgemäß Bilder der Welt, ein Gesamtweltbild machen. Der Grieche dachte sich nun die Zen-tralgewalt für dieses Weltenbild, das wir uns machen für die Ge-danken und Phantasiebilder, mit denen wir die Welt umspannen, repräsentiert durch die göttliche Wesenheit der Pallas Athene. In der Tat, das intellektualistische Weltbild, die intellektualistische Weisheit hat den zerstückelten Dionysos gerettet, mit anderen Worten: das alte Einheitsbewußtsein, das in die Leiber hineingezogen war. Es führte das menschliche Bewußtsein wiederum
aus sich heraus. Daher diese feine Ausgestaltung der Dionysossage, daß von allen Stücken Pallas Athene das Herz des Dionysos, nach-dem er zerstückelt worden war von den Titanen auf Anstiftung der Hera, gerettet und dem Zeus gebracht hat. Das ist ein ungeheuer feiner, weisheitsvoller Zug, der vollständig den Welten-wundern entspricht, die uns die Geisteswissenschaft heute wiederum erschließt und dessen Tiefen wir nur anbetend und bewundernd gegenüberstehen können. Was so makrokosmisch dargestellt wird, daß der Dionysos zerstückelt wird und daß sein Herz von Pallas Athene gerettet und dem Zeus gebracht wird, das ist wiederum nur das makrokosmische Gegenbild von etwas, was mikrokosmisch in uns vorgeht. Wir wissen ja, daß die physische Offenbarung des Erden-menschen das Blut ist, welches das Herz bewegt. Was wäre geschehen, wenn jetzt, theoretisch gesprochen, die intellektualistische Ausweitung des Ich zum intellektuellen Weltbild das Eingeschlossensein dieses Ich in dem menschlichen Leib nicht gerettet hätte? Bildlich gesprochen, was wäre geschehen, wenn Pallas Athene nicht das Herz des zerstückelten Dionysos gerettet und dem Zeus gebracht hätte? Dann würden die Menschen herumgehen, ein jeder abgeschlossen in seiner eigenen Leibesgestalt, in denjenigen mikro-kosmischen Kräften seiner Leibesgestalt, die lediglich die niederen egoistischen Triebe darstellen, durch welche sich eben der Mensch abschließen will als einzelne Wesenheit, die in ihre Haut einge-schlossen ist. Der Mensch hat sie in sich, diese Kräfte, die zur Zer-stückelung des Dionysos hingeführt haben. Es sind die niederen Triebe der menschlichen Natur, die mit einer tierischen, instink-tiven Art in der menschlichen Natur wirken und welche die Grund-lagen des eigentlichen menschlichen Egoismus sind. Aus diesen Trieben heraus entwickeln sich Sympathie und Antipathie, die Triebe, das Instinktartige, von dem Nahrungstrieb, von sonstigen anderen Trieben bis zum Fortpfianzungstriebe herauf, der durch-aus als solcher in die Reihe der niederen Triebe gehört. Wenn es nur auf Hera angekommen wäre, wenn Pallas Athene nicht rettend eingegriffen hätte, würde der Mensch nur Enthusiasmen entwickelt
haben, die aus diesen niederen Trieben hervorgehen: Enthusiasmen für die Nahrung, für die Fortpflanzung, kurz für alle niederen Triebe allein. Was ist denn geschehen, daß der Mensch diese rein auf den Egoismus abzielende niedere Menschennatur überwunden hat? Das ist auch Ichheit, was sich auf alle diese Triebe bezieht, aber es gibt etwas in unserer Menschennatur, das uns hinwegführt über alle die genannten niederen Triebe. Was uns so hinwegführt über die niederen Triebe, das ist die Tatsache, daß wir mit unserm Herzen einen anderen Enthusiasmus noch entwickeln können als jene egoistischen Enthusiasmen, welche auf die Erhaltung des Leibes in den Nahrungstrieb, auf die Erhaltung der Art in den Geschlechts-trieb gehen. Das alles läßt aber die menschliche Natur trotz alledem im Egoismus darinnen stecken. Nur weil sich diese Triebe mit etwas anderem vermischen, kann auch ihnen in einer gewissen Beziehung der Charakter des Egoismus, des Abgeschlossenseins im Leibe genommen werden. Es gibt aber ein Höheres, an das Herz, speziell an unsern Blutkreislauf Gebundenes, was höhere Enthusiasmen entwickelt. Wenn unser Herz schlägt für die geistige Welt und für die großen Ideale der geistigen Welt, wenn unser Herz entflammt ist für das Spirituelle, wenn wir so warm fühlen gegenüber der geistigen Welt, wie der Mensch mit seinen niederen Trieben in dem erotischen Leben fühlt, dann wird die menschliche Natur verklärt und vergeistigt durch dasjenige, was Pallas Athene zu der Tat der Hera hinzugefügt hat. Ein volles Verständnis für diese gewaltige Tatsache wird sich die Menschheit erst im Laufe der Zeit aneignen, denn es ist noch vieles in der heutigen Men-schennatur, was widersprechen will diesen Dingen. Wie oft hören Sie sagen: Ach, da gibt es solche verdrehte Köpfe, die schwärmen für allerlei, was es eigentlich gar nicht gibt! Die kennen ebenso warme Empfindungen gegenüber Abstraktionen, gegenüber dem, was man sich bloß vorstellen muß, wie sonst die Menschen dem, wie man sagt, wirklichen Leben gegenüber empfinden, was nichts anderes bedeutet als den Nahrungs und anderen niederen Trieben gegenüber. - Diejenigen aber, die gegenüber dem Übersinnlichen,
gegenüber dem, was nicht auf die niederen Triebe abzielt, einen heißen Enthusiasmus haben können, so daß sie fühlen gegenüber der übersinnlichen Welt als einer Realität, die haben sich an das hingegeben, was Pallas Athene zu Hera hinzugebracht hat. Das ist das mikrokosmische Gegenbild für die draußen waltenden Kräfte, die grandios bildlich ausgedrückt sind in der griechischen Mythologie dadurch, daß Pallas Athene das Herz des zerstückelten Dionysos rettet und es dem Zeus bringt, der es in seiner Lende verbirgt. Nachdem das alte hellseherische Bewußtsein in den Men-schen hineingekommen ist, hat es sich mit seiner Leibesnatur ver-mischt; mit demjenigen, was so wunderbar ausgedrückt wird darin, daß die Dionysosnatur in den Lenden des Zeus verborgen wird Alles das, was aus dem zerstückelten Dionysos kommen würde, das hätte in dem Menschen sein mikrokosmisches Gegenbild in demjenigen gehabt, was aus seiner niederen Leibesnatur kommt. So sehen wir wunderbar zusammenstimmen mit der Geisteswissen-schaft das, was in den grandiosen Bildern der alten Dionysossage dargestellt wird. Nun wird uns erzählt, wie sich fortentwickelt hat das alte hell-seherische Bewußtsein, repräsentiert durch den älteren Dionysos, zu dem jüngeren Dionysos, zu dem späteren Bewußtsein, zu unserem heutigen Ich-Bewußtsein, der späteren Dionysoskraft. Denn das heutige Ich-Bewußtsein mit seiner intellektuellen Kultur, mit alledem, was aus unserem Verstand, überhaupt aus unserem Ich folgt, das hat sein makrokosmisches Gegenbild im zweiten Dionysos, der dadurch entsteht, daß aus dem geretteten Herzen des zerstückelten Dionysos der Liebestrank für Semele gebildet wird, durch den nun die Verbindung der Semele, das heißt eines sterblichen Weibes mit Zeus, mit den Kräften des astralischen Leibes, zustande kommt. Also ein Wesen, das wirklich schon ein anderer Mensch ist, verbindet sich mit dem, was vom alten Mond herüberkommt, und daraus entsteht dann der Mensch unserer Gegenwart, der sein makrokosmisches Gegenbild in dem jüngeren Dionysos, dem Sohne des Zeus und der Semele, hat. Und von diesem Dionysos, was wird uns von ihm erzählt? Ja, wenn er das makrokosmische
Gegenbild unserer intellektuellen Ich-Kräfte ist, dann muß er gleichsam die Intelligenz sein, die über die Erde hinzieht, sich in den Raumesweiten draußen ausbreitet. Hat der Grieche richtig gefühlt, so müßte er sich unter dem jüngeren Dionysos, unter dem makrokosmischen Gegenbilde unseres intellektuellen Ich, die über die Erde schreitende Intelligenz denken. Er müßte sich denken, daß da draußen im Raum schreitet eine Wesenheit, welche wie die über die Länder hingehende Intelligenz ist. Wunderbar, meine lieben Freunde! Das alte griechische Bewußtsein erzählt uns in der herrlichen Legende von dem zweiten Dionysos, daß dieser ausgezogen ist von Europa weit nach Indien, überall den Menschen gelehrt hat die Wissenschaft, den Ackerbau, die Wein-pflanzung und so weiter, herübergezogen ist nach Arabien, wiederum zurück über Ägypten. Alles das, was intellektuelle Kultur ist, wird angeknüpft an den Zug des jüngeren Dionysos. Es ist wirklich so in der griechischen Mythologie: was wir sonst, wenn wir trocken, nüchtern, abstrakt sprechen, die Ausbreitung der intellektuellen Kultur nennen, das nannte die alte griechische Mythologie den Zug des jüngeren Dionysos, der den Menschen Ackerbau, Weinpflanzung, die Wissenschaft, aber auch die Schrift und dergleichen lehrte: den Zug über die Erde hin. Wunderbar schlies-sen sich die Gedanken des älteren und jüngeren Dionysos zusam-men. Bilder sind sie für die fortschreitende Menschheit mit ihrem älteren, hellseherischen Bewußtsein, das sein makrokosmisches Gegenbild in dem älteren Dionysos hat, zu dem jüngeren, intel-lektuellen Ich-Bewußtsein, das sein makrokosmisches Gegenbild in dem jüngeren Dionysos hat. Betrachten wir noch einmal den Gedanken, den wir am Aus-gangspunkt des heutigen Vortrages hinstellen konnten, daß ja die altgriechischen Götter atlantische Menschen waren. Der ältere Dionysos, Sie werden von ihm empfinden, daß er als der Sohn der Persephone und des Zeus eigentlich noch recht verwandt ist - wenn er auch schon irdische Elemente in sich aufgenommen hat, die er aber von außen aufgenommen hat - durch die Titanen mit dem, was die Götter der Zeus-Hierarchie selber sind. Er ist der Sohn des
Zeus und der Persephone, einer übersinnlichen Wesenheit. Dieser ältere Dionysos ist dadurch, daß er noch der Sohn des Zeus und der Persephone, also einer übersinnlichen Gestalt für die nach-atlantische Zeit, ist, mit seiner ganzen Wesenheit verwandt der Zeus-Hierarchie Deshalb fühlt das alte griechische Bewußtsein klar und läßt es durchblicken in der Legende: dieser ältere Dionysos, dieser Dionysos Zagreus lebte als Mensch, aber er lebte wie die anderen griechischen Götter als ein atlantischer Mensch unter den Menschen der atlantischen Zeit und wandelte da herum. Aber wenn Sie den ganzen Geist der Sage vom jüngeren Dionysos durchgehen, so können Sie das Bewußtsein darin durchblicken sehen, daß der jüngere Dionysos, der schon ganz verwandt ist mit dem Menschen - er stammt ja von einer menschlichen Mutter ab - in der Tat näher dem Menschen als den Göttern steht. Daher läßt die Legende durchblicken, was wiederum wahr ist, daß der jüngere Dionysos in der Tat in der grauen Vorzeit in Griechenland selber geboren worden ist und - in einem nachatlantischen fleischlichen Leib inkarniert - gelebt hat. Das, was menschliche intellektuelle Kultur ist, die sich im Raume ausbreitet, dieses spirituelle makro-kosmische Gegenbild unseres intellektuellen Ich, das war einmal -gerade so, wie die Zeuskräfte in einem atlantischen Zeus - in der nachatlantischen Zeit, etwa in der vorgeschichtlichen griechischen Zeit selber, als ein einzelner Mensch in dem wirklichen lebendigen Dionysos, das heißt in dem jüngeren Dionysos, verkörpert. Es lebte dieser Dionysos, der jüngere, und gehörte zu den altgriechischen Heroen, er lebte und wuchs heran in Griechenland und durchzog - denn dieser Zug hat tatsächlich stattgefunden - Asien bis hinunter nach Indien. Und ein großer Teil der indischen Kultur, nicht derjenige Teil, der von den alten heiligen Rishis geblieben ist, sondern ein anderer Teil, rührt von diesem jüngeren Dionysos her. Dann zog er mit seinen Scharen von Erdenbewohnern nach Ara-bien, Libyen, wiederum zurück bis Thrazien. Dieser Zug hat als ein gewaltiger vorhistorischer Zug wirklich stattgefunden. Also eine Dionysosgestalt, die tatsächlich als Mensch gelebt hat, begleitet von einem merkwürdigen Gefolge, die der Mythos als Silenen, als
Faune und dergleichen vorstellt, zog wie ein großer Heerführer durch Arabien, Libyen, Thrazien, wiederum wie in der Runde nach Griechenland zurück. Ein wirklicher Mensch der nachatiantischen Zeit, der griechischen grauen vorgeschichtlichen Zeit war der jüngere Dionysos. Und als der jüngere Dionysos seinen Erdentod gefunden hatte, ergoß sich seine Seele in die intellektuelle Kultur der Menschheit hinein. Und man kann mit vollem Recht und in Wahrheit die Frage aufwerfen: Lebt Dionysos der Jüngere heute? Ja, meine lieben Freunde, gehen Sie hin in alle Welt, sehen Sie alles, was als intellektuelle Kultur in der Welt lebt, betrachten Sie das Seelische, was unsere neueren Geschichtsschreiber und Kultur-historiker in einer so trostlos nüchternen und abstrakten Form die [deen der Geschichte nennen oder wie dergleichen Phantastereien alle heißen - betrachten Sie es in seiner konkreten Wirklichkeit! Betrachten Sie dieses Konkrete, Makrotellurische, was wie eine gei-stige Schichte die Erde umgibt, was von Epoche zu Epoche weiter-lebt, was in allen Köpfen lebt, was aber auch wie eine Atmosphäre der intellektuellen Kultur alle unsere Menschen einhüllt im All-tagsieben, betrachten Sie das! Darin lebt Dionysos der Jüngere, gleichgültig ob Sie hinschauen auf das, was auf unseren Universi-täten gelehrt wird, auf das, was als intellektuelle Kultur ausgegos-sen ist über die Maschinen unserer Industrien, gleichgültig ob Sie schauen auf jene Gedanken, die in die Welt eingeflossen sind und die im Bank- und Börsenwesen als Verstandesatmosphäre über unsere Erde hin leben. In alledem lebt Dionysos der Jüngere seiner Seele nach. Diese Seele des jüngeren Dionysos hat sich nach und nach ausgegossen über unsere gesamte intellektuelle Erdeukultur, nachdem die einzelne individuelle Persönlichkeit des jüngeren Dio-nysos, der den großen Zug übernommen hatte, als Einzelpersön-lichkeit gestorben ist. SECHSTER VORTRAG München, 23. August 1911
- G129-1960-SE121 - Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen
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SECHSTER VORTRAG München, 23. August 1911
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Es ist in diesen Vorträgen vielfach Rücksicht genommen worden auf etwas, was sich ja aus unseren, den Vorträgen vorausgeschick-ten Bühnenaufführungen ergeben hat, was aber auch in einem inneren Zusammenhang steht mit dem Ziele, das gerade dem dies-jährigen Vortragszyklus gesetzt ist. Es ist Rücksicht genommen worden auf die Gestaltung der griechischen Götterwelt. Und wenn wir uns kurz vor die Seele führen: warum haben wir denn eigent-lich, da wir uns aufklären wollen über Weltenwunder, Seelen-prüfungen und Geistesoffenbarungen, so viel von dieser griechi-schen Götterwelt gesprochen? Da können wir uns die Antwort geben, daß wir uns unter manch anderem gerade durch eine solche Betrachtung eine für die geisteswissenschaftliche Weltbetrachtung notwendige Unterlage verschaffen können. Wir haben es ja er-wähnt, daß jenen Begriff von Natur und Naturdasein, den wir heute als unseren modernen Begriff haben, der alte Grieche gar nicht hatte. Chemische Gesetze, physikalische, biologische Gesetze in unserem heutigen Sinn würden wir, wenn wir uns das alte Grie-chenland vor Augen führen, wie es wirklich war in seinem Denken und Empfinden, niemals dort antreffen. Was aufglänzte in der Seele des alten Griechen, was sich entzündete in dem Geiste dieser wunderbaren griechischen Kultur, wenn das Auge - sei es das physische, sei es das hellseherische Auge - hinausgerichtet wurde zu den Weltenwundern, was sich da gestaltete als eine Art von Wissen, von Weisheit, so kann es eben nicht anders charakterisiert werden als mit der wunderbaren Gestaltung der griechischen Götterwelt. Derjenige, der sich diese Götterwelt ansieht, so wie sie gewöhnlich angesehen wird ohne inneren Zusammenhang, der weiß in Wahrheit nichts von dem, was sie eigentlich will. Diese griechische Götterwelt ist eben in ihrer weisheitsvollen Ausgestal-tung nichts Geringeres als die Antwort, wie der Grieche sie geben
konnte auf die Frage: Was vermag in der menschlichen Seele auf-zuglänzen, wenn diese menschliche Seele die Weltenwunder schaut? Nicht mit einem Naturgesetz in unserem heutigen Sinn hat die alte Griechenseele geantwortet auf die Weltenrätsel und Weltenwunder, sondern mit der Ausgestaltung irgendeines Teiles der göttlichen Wesenheiten oder göttlichen Kräfte. Daher dürfen wir gar nichts anderes tun, als in jenen wunderbaren Fäden, denen wir nachgegangen sind und die sich uns ja zuweilen in den letzten Vorträgen in frappierender Weise gezeigt haben, die alles zusam-menfügen, was diese griechische Götterwelt darbietet, wirklich das Äquivalent für unsere so trockene, nüchterne, abstrakte Weisheit suchen. Und wenn wir in der Geisteswissenschaft wahrhaft vor-rücken wollen, so müssen wir uns ein Gefühl, eine Empfindung dafür aneignen, daß man eben in noch ganz anderer Art über die Weltenwunder denken und empfinden kann, als es die neuere, die moderne Weisheit tut. Wir haben aber in dem letzten Vortrage dadurch, daß wir die Gestalt des Dionysos uns vor Augen geführt haben, bereits auf etwas anderes noch hingewiesen. Stellte sich uns die übrige Götter-welt als das dar, was in der Seele des Griechen aufglänzte, wenn er sich die Weltenwunder klarmachen wollte, so tritt uns in der Dionysosgestalt etwas entgegen, in das der alte Grieche hinein-geheimnißt hat, was wir im umfassendsten Sinne nennen können den Lebenswiderspruch. Und man kommt nicht aus, ohne den Blick auf diesen Lebenswiderspruch zu wenden. Die abstrakte Logik, das abstrakte, intellektuelle Denken wird immer darauf ausgehen, gerade in den höheren Weltanschauungen Widersprüche zu entdecken, um dann zu sagen: Diese Weltanschauung ist ja voller Widersprüche, also kann sie nicht gelten. - Die Sache ist aber so, daß in der Tat das Leben, das lebendige Gefüge unserer Welten-wunder überall durchzogen ist von dem Widerspruche, ja daß überhaupt in der Welt ein Werden gar nicht möglich wäre, wenn nicht in allen Dingen auf dem Grunde ihres Wesens der Wider-spruch ruhte. Denn warum ist denn die Welt heute anders als gestern, warum wird denn etwas, warum bleibt denn nicht alles,
wie es war? Weil in der Gestaltung der Dinge gestern ein Wider-spruch gegen sich selbst vorhanden war und durch die Realisierung dieses Widerspruches, durch die Austreibung desselben aus der gestrigen Gestaltung die heutige entstanden ist. Wer die Dinge, wie sie wirklich sind, betrachtet, der darf gar nicht sagen: durch den Nachweis von Widersprüchen zeigen wir die Unwahrheiten auf. Denn in den Wirklichkeiten ruhen die Widersprüche. Wie wäre es in der menschlichen Seele, wenn sie widerspruchsfrei wäre? All unser Leben, wenn wir von irgendeinem Zeitpunkte zurückblicken, hat sich in Widersprüchen bewegt. Wenn wir in einem späteren Zeitpunkte vollkommener sind als in einem früheren, so kommt das davon her, daß wir den früheren Zustand weggeschafft haben, ihn widersprechend gefunden haben unserem eigenen inneren Wesen, daß wir also im Widerspruche mit dem, was war, eine Realität unseres eigenen inneren Seins hervorgerufen haben. Uberall auf dem Grunde aller Wesenheiten ist der Widerspruch. Diesen Widerspruch aber finden wir insbesondere, und zwar so, daß er nicht nur zu unserem Verstande, zu unserer Philosophie, sondern zu unserem Herzen, zu unserer ganzen seelischen Wesenheit spricht, wenn wir in unserem geisteswissenschaftlichen Sinne den vollständigen Menschen betrachten, den viergliedrigen Menschen, so wie wir durch die okkulten Tatsachen gewohnt sind, ihn zu betrachten. Es muß uns ja immer wieder dieses Grundgerüst unserer Geistes-wissenschaft vor die Seele treten, daß wir den Menschen, so wie er vor uns steht, in der Tat zusammengesetzt aus physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und seinem Ich betrachten. Aus diesen vier Gliedern besteht unsere menschliche Wesenheit. Schauen wir uns nun einmal diese vier Glieder des Menschen an, wie sie uns ent-gegentreten zunächst auf dem physischen Plan, in der physischen Welt. Wir wollen also jetzt für einen Augenblick absehen davon, wie sich die menschliche Wesenheit gegenüber dem hellseherischen Blick ausnimmt, wir wollen fragen: wie stellen sich die vier Glieder der menschlichen Wesenheit für die physischen Augen, für die physische Welt dar? Nehmen wir da zunächst das innerste Glied
der menschlichen Wesenheit, das wir, wie Sie wissen, als das jüngste betrachten, das Ich oder besser gesagt den Ich-Träger. Die auffallendste Eigenschaft dieses menschlichen Ich tritt ja jedem so-gleich vor die Seele, wenn er nur ein wenig verständig die Welt betrachtet. Was ist denn die auffälligste Eigenschaft dieses Men-schen-Ich? Daß wir mit unserem äußeren Sinnesapparat, mit all dem, was wir überhaupt an Erkenntniskräften für die physische Welt haben, weit und breit herumgehen können in der Welt und niemals dieses Ich finden werden. Es ist nicht für unsere Augen sichtbar und für kein äußeres Erkenntnisvermögen irgendwie wahrnehmbar. Daher können wir auch, wenn wir uns einem anderen Menschen in der physischen Welt gegenüberstellen, wenn wir ihn nur physisch betrachten wollen, wenn wir nicht das hellseherische Auge zu Hilfe nehmen, an einem anderen Menschen dieses Ich niemals mit bloßen physischen Werkzeugen beobachten. Der Mensch steht vor uns, weist uns seine äußere Gestalt vor, sein Ich aber entzieht sich den physischen Erkenntniswerkzeugen. Wir gehen unter Menschen herum, die Iche sehen wir nicht mit äußeren Wahrnehmungsorganen. Wenn jemand glauben wollte, daß er Iche sehen könnte, so wäre das größtmögliche Täuschung. Daher kön-nen wir auch dieses Ich an sich mit äußeren physischen Erkenntnis-kräften nicht betrachten. Wir können nur die Äußerungen dieses Ich durch die Organe des physischen Leibes betrachten. Es kann ein Mensch ein ganz verlogenes Subjekt in seinem Innern sein, wenn er die Lüge nicht äußert, so daß es in die äußere physische Welt übertritt, seinem Ich können wir es mit äußeren physischen Werkzeugen nicht ansehen, weil das Ich überhaupt nicht mit äußeren physischen Werkzeugen wahrgenommen werden kann. Daher kommt es, daß uns überhaupt, soweit wir auch forschen mit äußeren physischen Erkenntniskräften, dieses Ich nur ein einziges Mal entgegentritt Trotzdem wir ganz genau wissen, daß so viele Iche auf der Erde sind, tritt es uns doch für die Wahrnehmung nur einmal entgegen: nämlich als unser eigenes. In der physischen Welt oder für physische Erkenntniswerkzeuge gibt es für jeden Menschen nur eine einzige Möglichkeit, das Ich wahrzunehmen,
und das ist sein eigenes. So daß wir sagen können, das Ich, dieses jüngste und auch höchste Glied der menschlichen Wesenheit, hat die Eigentümlichkeit, daß wir es nur an einem Exemplar, an uns selber, in bezug auf sein Dasein, seine Realität wahrzunehmen vermögen. Für alle anderen Menschen verschließt es sich uns innerhalb ihrer Leibeshülle. Gehen wir jetzt von dem Ich als dem innersten, als dem jüngsten, aber auch höchsten Gliede der menschlichen Wesenheit zu dem äußersten, zum physischen Leib. Der physische Leib ist, wie Sie ja auch aus den verschiedenen, sowohl gedruckten wie mündlichen Äußerungen der letzten Jahre wissen, seiner wahren inneren Wesenheit nach selbstverständlich nur für ein hellseherisches Be-wußtsein erkennbar. Dem äußeren Bewußtsein, den Kräften der physischen Welt, den physischen Erkenntniskräften des Menschen zeigt sich der physische Leib nur als die äußere Maja oder Illusion. Dasjenige, was wir vor uns haben am Menschen als seinen phy-sischen Leib, ist äußere Maja, Illusion. Aber diese Illusion des physischen Leibes zeigt sich uns in so vielen Exemplaren, als wir überhaupt Menschen auf der Erde antreffen können. Und unser eigener physischer Leib zeigt sich in dieser Beziehung, insofern er Maja ist, vollständig gleichgeartet mit den physischen Leibern der anderen Menschen. Nun ist ein großer Unterschied zwischen der Wahrnehmung unseres eigenen Ich, das uns in dem einen Exemplar gegeben ist, und der Wahrnehmung der physischen Menschen-leiber, die uns in so vielen Exemplaren gegeben sind, als wir Menschen auf der Erde kennen. Das Ich lernen wir nur dann kennen, wenn wir in uns selber das physische Erkennen richten. Wir müssen in uns schauen mit unserer auf dem physischen Plane erworbenen Erkenntniskraft, wenn wir unser Ich erkennen lernen wollen. Es darf hier vielleicht eingeschaltet werden, weil ja in dieser Beziehung manchmal sogar bei Denkern Unklarheit herrscht, daß das, was hier gemeint ist, was von unserem Ich mit physischen Erkenntniskräften wahrgenommen ist, durchaus der physischen Welt angehört. Es wäre ein völliger Unsinn, zu sagen, daß das, was jemals ein Mensch mit den normalen Fähigkeiten in seinem
Innern als sein Ich findet, zu einer anderen Welt als zur physischen gehört. Wenn jemand das Ich, das nicht hellseherisch, sondern mit den normalen Fähigkeiten betrachtet wird, zu einer anderen Welt zählen wollte als zu der Welt des physischen Planes, so würde er sich einem gewaltigen Irrtume hingeben. Die Dinge schauen in den höheren Welten ganz anders aus für das höhere Bewußtsein, auch das Ich ist für die hellseherische Betrachtung ein anderes als das, welches man im Innern antrifft mit normalem Bewußtsein. Von diesem Ich, von dem die äußere Psychologie redet und alle äußere Wissenschaft, dürfen wir nichts anderes glauben, als daß es etwas ist, was zum physischen Plane gehört. Aber wir schauen es von innen an, und weil wir so gleichsam in diesem Ich stehen, weil wir es von innen anschauen, ihm nicht äußerlich gegenüberstehen, können wir sagen: dieses Ich lernen wir allerdings nur auf dem physischen Plan, aber da wenigstens seiner inneren Wesenheit nach durch die unmittelbaren Erkenntniskräfte kennen. Das aber, was der äußere physische Leib ist, den wir in so und so vielen Exemplaren sehen in der Welt, das lernen wir nur als Maja kennen, denn in dem Augenblicke, wo das hellseherische Vermögen, wo die Hellsichtigkeit sich dem physischen Leibe entgegenstellt, löst sich dieser physische Leib wie ein Nebel auf, zerstiebt er und zeigt sich als eine Maja. Und wir müssen hinaufgehen, wenn wir den physischen Leib in seiner wahren Gestalt erkennen wollen, nicht etwa bloß zum Astralplan, sondern in die höchsten Gebiete des geistigen Landes, des Devachanplanes, so daß ein hohes Hellsehen dazu notwendig ist, wenn wir den physischen Leib in seiner wahren Gestalt wirklich kennenlernen wollen. Hier unten in der physischen Welt hat dieser physische Leib nur ein ganz illusionäres Nachbild, und dieses Nachbild sehen wir, wenn wir uns von außen diesem physischen Leibe gegenüberstellen. So haben wir eine höchst merkwürdige, widerspruchsvolle Tatsache gegeben, wenn wir diese zwei Glieder des menschlichen Organismus, das niederste und das höchste, ins Auge fassen. Den menschlichen physischen Organismus sehen wir als Maja hier unten in der physischen Welt, das heißt wir sehen ihn so, daß er ganz und gar nicht angemessen ist
unserer innersten Wesenheit. Das Ich aber sehen wir hier unten in der physischen Welt so, wie es als physisches Wesen sehr wohl angemessen ist unserer inneren Wesenheit. Ich bitte Sie, das wohl zu beachten, das ist eine außerordentlich wichtige Tatsache. Ich möchte Ihnen halb bildlich, aber doch mit dem tiefsten Ernste der Realität, von einer anderen Seite her diese höchst merkwürdige Tatsache charakterisieren. Halb bildlich, aber so, daß diese halb bildliche Art durch ihre Fülle mehr geeignet ist, die Wahrheit dieser Sache auszudrücken, als abstrakte Begriffe es können. Wie müssen wir denn denken - wenn ich jetzt halb bildlich, halb tief im Ernste sprechen darf -, daß Adam und Eva im Paradiese vor dem Sündenfalle waren? Wir wissen ja, daß erzählt wird, daß Adam und Eva vor dem Sündenfalle so waren, daß sie ihre äußeren physischen Leiber gegenseitig nicht sehen konnten. Und als sie sie sahen, da schämten sie sich dieser physischen Leiber. Damit ist etwas ungeheuer Tiefes, ein tiefes Mysterium ausgedrückt. Es ist in der Bibel im Alten Testamente angedeutet, warum nach dem Sün-denfalle Adam und Eva sich ihrer Leiber schämten. Es ist angedeu-tet, daß der frühere Leib, den Adam und Eva vor dem Sündenfall gehabt haben, mehr oder weniger ein geistiger Leib war, also ein solcher, der nur einem hellseherischen Bewußtsein zugänglich ge-wesen wäre, der ganz anders ausgesehen hätte als ein physischer Menschenleib, der die Wesenheit des Ich in seiner wahren Gestalt ausgedrückt hätte. So müssen wir sagen: auch die Bibel weiß, daß eine ganz andere Leibesgestaltung, allerdings nur eine solche, die für einen hellseherischen Blick wahrnehmbar wäre, angemessen wäre der tiefsten Wesenheit des Menschen und daß dieser äußere physische Leib, wie wir ihn heute an uns tragen, eigentlich durch-aus nicht angemessen ist der inneren Wesenheit des Menschen. Was haben denn Adam und Eva gefühlt, als sie nicht mehr so zueinander standen, daß sie den physischen Leib nicht sahen, son-dern so, daß sie ihn sahen? Daß sie heruntergefallen waren aus einer Welt, der sie früher angehört hatten, in die Materie, daß ihnen gleichsam imprägniert worden ist dichtere Materie, als sie früher gehabt haben. Gefühlt haben sie, daß der Mensch versetzt
ist mit seinem physischen Leibe in eine Welt, der er eigentlich, wenn die wirkliche Wesenheit seines Ich in Betracht gezogen wird, gar nicht angehört. Es gibt keinen treffenderen Ausdruck als das Belegen dieser Tatsache mit dem Überkommen durch das Scham-gefühl, das Sich-Schämen des Menschen darüber, wie wenig der äußere Ausdruck seiner Wesenheit, die sinnliche Wirklichkeit, dem göttlichen Ich eigentlich angemessen ist. Betrachten wir aber dieselbe Sache von einer anderen Seite, dann stellt sie sich ganz anders dar. Dann stellt sie sich so dar, daß der Mensch, wenn er nicht heruntergestiegen wäre in seinen phy-sischen Leib, nicht die dichtere Materie sich eingegliedert hätte, nicht zu seinem Ich-Bewußtsein hätte kommen können - oder in dem Sinne des griechischen Bewußtseins gesprochen, wie wir das gestern getan haben: daß er nicht der Dionysoskräfte hätte teilhaft werden können. Sehen Sie, das fühlte wiederum der Grieche. Der Grieche fühlte, daß das Ich des Menschen, wie es auf dem phy-sischen Plane lebt, nicht nur jene Kräfte einer höheren, geistigen übersinnlichen Welt in sich hat, die es gehabt hat vor dem Sünden-fall, die in es einströmen, wenn wir so sagen wollen, aus den oberen geistigen Welten, sondern er fühlte, daß dieses Ich angewiesen ist auch noch auf Kräfte, die von einer ganz anderen Seite, von der entgegengesetzten Seite herstammen. Wir wissen ja, daß der Mensch vor seinem gegenwärtigen Ich-Bewußtsein normalerweise ein hellseherisches Bewußtsein gehabt hat. In alten Zeiten hat der Mensch ein hellseherisches Bewußtsein gehabt. Aber dieses hellseherische Bewußtsein war ein bildhaftes, traumhaftes, kein von einem wirklichen, intellektuellen Lichte durchleuchtetes Bewußtsein. Das hat der Mensch erst später erlangt. Dieses alte hellseherische Bewußtsein mußte für den Menschen verlorengehen, damit ein neues Ich-Bewußtsein auftreten konnte. Dazu aber war notwendig, daß die alte Ich-Form, der alte Dionysos Zagreus, zugrunde ging. Wir haben dieses grandiose Bild gestern vor unsere Seele hingestellt, wie das alte hellseherische Bewußtsein zugrunde gegangen ist - im Sinne der griechischen Mythologie gesprochen -, wie der alte Dionysos Zagreus von den Titanen
zerrissen wurde und wieder auftauchte in der späteren Zeit der jüngere Dionysos: das heißt unser heutiges Ich-Bewußtsein, das ein Produkt der Zeitbildung in der Menschheitsentwickelung ist. Aber notwendig war, daß an der Produktion des jüngeren Dionysos Semele, die menschliche Mutter, teilgenommen hat. Und an der Ge-stalt der Semele zeigt wiederum die griechische Seele, wie sicher und weisheitsvoll sie empfunden gegenüber den wahren Weltenwundern. Was ist denn die Voraussetzung des jüngeren Dionysos oder, sagen wir, des jüngeren Menschen-Ich überhaupt? Damit dieses Ich hat kommen können, war notwendig, daß abgestorben war das alte hellseherische Bewußtsein, daß hinuntergezogen waren alle diejenigen Horizonte, die dieses alte hellseherische Bewußtsein hatte. Wer das weiß - und diejenigen wußten es, die die griechische Mythologie ausgebildet haben -, sagt sich: Da gab es einmal diese Menschenseele mit einem hellseherischen Bewußtsein, das da hinausblickte in eine Welt voll geistiger Wesenheiten und geistiger Tatsachen, in eine Welt, durch welche der Mensch noch Mitbürger war der höheren geistigen Welten. Der Mensch ist aber im Laufe der Zeit aus dieser geistigen Welt herausgetreten, er ist zu einem ganz anderen Wesen geworden, zu einem Wesen, das von einem Ich durchzogen ist. Was würde denn geschehen mit einem heutigen Menschen, wenn plötzlich ohne Vorbereitung durch irgendwelche esoterische Schulung statt der physischen Welt, wie sie sich dem physischen Auge und Ohr darstellt, in einem Momente vor dem Menschen stünde jene Welt, die für das alte hellseherische Bewußt-sein da war? Nehmen wir an, es könnte durch irgendein Welten-wunder statt der Welt, die sich Ihnen zeigt, in dem sternbesäten Himmel, in der auf- und untergehenden Sonne, in Bergen und Nebeln, in Mineralien, Pflanzen und Tieren, plötzlich vor einem heutigen normalen Menschheitsbewußtsein die Welt des alten Atlantiers stehen. Nehmen wir das für den Augenblick hypothetisch an. Zerschmettert würde der Mensch werden, so furchtbar, so erschreckend wäre die Welt, die doch um uns herum ist, denn diese Welt ist im Grunde aller Dinge, ist ringsherum, ist da, aber sie ist zugedeckt durch die Welt unseres Ich. Wir können sagen,
es ist eine Welt um uns, die den Menschen so, wie er heute ist, mit Angst und Schreck, mit zerschinetterndem Schreck durchsetzen würde, wenn er sie plötzlich vor sich hätte. Das aber fühlte noch eine alte griechische Seele. Das finden wir auch hineingelegt in jene weisheitsvolle, wunderbare Ausgestaltung der Dionysossage. Dionysos mußte von einer anderen Seite her kommen als von jener Seite der Weltenwunder, in welche das altgriechische Bewußt-sein die Zeusgestalt und die anderen Gestalten der oberen Himmel versetzt hatte. Das fühlte der alte Grieche, daß in allem, was als Menschenwelt existiert, noch etwas anderes lebt, als was oben bei den Göttern der Zeuswelt lebt. Daß die Welt, auf der wir herum-wandeln, noch eine andere substantielle Ingredienz hat, das fühlte der alte Grieche. Er fühlte - mit anderen Worten -, daß unserem physischen Menschendasein ein Element beigemischt ist, das nicht vorhanden ist oben in der übersinnlichen Welt zunächst. Daher konnte der jüngere Dionysos, der makrokosmische Repräsentant unseres neueren Ich-Bewußtseins, nicht etwa wie der alte Dionysos ein Sohn der Persephone und des Zeus sein, sondern er mußte ein Sohn der Semele sein, einer irdischen Mutter und des Zeus. Aber das müssen wir ins Auge fassen, was dann in der weiteren Aus-gestaltung das griechische Bewußtsein an diese Sage angliedert: es wurde durch die Machinationen der Hera herbeigeführt, daß Semele den Zeus in seiner wirklichen Gestalt sehen sollte, nicht als alten atlantischen Heros, sondern wie er jetzt ist. Das konnte nur geschehen durch hellseherisches Bewußtsein. Was besagt denn das eigentlich, daß Semele einen Moment den Zeus sehen sollte, wie er wirklich ist? Nichts anderes, als daß Semele einen Augenblick hellseherisch gemacht worden ist. Sie ging in den Flammen zugrunde, weil sie Zeus in den Flammen der astralischen Welt, das heißt hellseherisch, sah. Sie wurde wirklich zerschmettert, wie das heutige Ich-Bewußtsein des Menschen zerschmettert würde, wenn es plötzlich vor der astralen Welt stünde. Semele zeigt uns sozu-sagen diese Tragik des Menschen, die sich sofort einstellen würde, wenn der Mensch unvorbereitet hellseherisch vor die geistige Welt gestellt würde.
Alle die großen okkulten Tatsachen, alle die Wahrheiten über die Weltenwunder sehen wir an irgendeinem Orte in der griechischen Sagenwelt hineingeheimnißt. Wir sehen auch hineingeheimnißt, daß der Dionysos, der makrokosmische Repräsentant des Ich, das jeder Mensch mit normalem Bewußtsein nur in einem Exemplare sehen kann, abstammt von einer Wesenheit der physischen Welt, daß sozusagen das, was uns für das normale physische Auge nur als eine Maja entgegentritt, dem Dionysos einverleibt war, daß der Dionysos mit anderen Worten teilnehmen mußte an der großen Weltillusion, an der Maja. Wir sprechen, wenn wir heute im nüchternen, modernen, trockenen Sinne über die Welten-wunder sprechen, in physikalischen, biologischen, chemischen Gesetzen. Der Grieche sprach in grandiosen Bildern, und diese reichen wirklich viel weiter hinein in die Weltenwunder als unsere an der Oberfläche haftenbleibenden Gesetze. Das zeigt uns griechische Sage und griechischer Mythos allüberall. Und so sehen wir denn auch wie mit einer mächtigen okkulten Schrift von diesem griechischen Mythos die Frage aufgeworfen: Ja, wenn wir ins Auge fassen dieses eigentliche menschliche Ich, wenn es sich offenbaren sollte in einer Leiblichkeit, dürfen wir dann die äußere uns gegebene, in der physischen Welt gegebene menschliche Leiblichkeit anschauen? Nein, denn diese ist Maja. ist gar nicht ein äußerer Ausdruck für das wirkliche Ich, ist wahrhaftig so geartet, daß das wirkliche Ich mit Recht in Adam und Eva sich schämte der äußeren Leibesgestalt. Das, was wir heute als Menschen vor uns haben, ist in der Tat ein wirklicher Widerspruch, und das empfand der Grieche, gerade der Grieche, von dem man oftmals mit großer Oberflächlichkeit gesagt hat, daß er das Auge nur auf die äußeren Schönheiten der Natur richtete. Gerade der Grieche empfand das Widerspruchsvolle der äußeren Menschengestalt. Der Grieche war nicht in dem Sinne ein Naturalist, wie die moderne Menschheit es glaubt, sondern der Grieche empfand tief, ganz tief, daß diese Menschengestalt des auf der Erde herumwandelnden Menschen ein Kompromiß ist. Sie zeigt sich nicht so, von keiner Seite her, wie sie eigentlich in Wirklichkeit
sein sollte. Nehmen wir einmal an, diese Menschengestalt wäre nur entstanden unter dem Einfluß von physischem Leib, Ätherleib und astralischem Leib. Es wäre kein Ich eingezogen in diese Men-schengestalt, es würde diese Menschengestalt sich auf der Erde nur so aufgebaut haben, wie der Mensch herübergekommen ist von den vorhergehenden Verkörperungen unserer Erde, von dem alten Saturn, der alten Sonne und dem alten Mond. Dann müßte diese Menschengestalt eine andere sein, als sie in Wirklichkeit ist. Wenn die Erde dem Menschen nicht das Ich gegeben hätte, dann würden auf unserer Erde Menschen herumwandeln, die als äußere physische Menschengestalt ganz anders ausschauten. In einer ge-wissen geheimnisvollen Weise stellte sich die alte Griechenseele diese Frage: Wie würde die Menschengestalt ausschauen, wenn heute ichlose Menschen auf der Erde wären, Menschen, die an den Segnungen der Erde, an der Ich-Werdung nicht teilgenonunen hätten, die den Dionysos nicht in sich aufgenommen hätten? Wenn solche Menschen auf der Erde unter uns herumwandeln würden, die nur unter dem Einfluß der Kräfte des physischen, des Äther-und des astralischen Leibes sich gebildet hätten, wie würde dann die Menschengestalt ausschauen? Und auch die andere Frage legte sich die griechische Seele grandios geistreich mit innerstem, nicht aussprechbarem Gefühle vor: Wenn nun nichts anderes da wäre als das Ich, wenn dieses Ich nicht eingezogen wäre in den physischen, ätherischen und astralischen Leib, wie wäre denn dann dieses Ich gestaltet? - Dann wäre es nicht mit solch einem physischen Menschenleib, dann wäre dieses Ich gestaltet mit einem Geistleibe, der ganz anders wäre als der äußere Menschenleib. Dieser Geistleib aber, der ist nur für ein hellsehe-risches Bewußtsein vorhanden, der kann in der physischen Welt nirgends eigentlich aufgezeigt werden. Was ist dann eigentlich der Mensch, der nun wirklich herum-wandelt auf der Erde? Er ist weder der ichlose Mensch, der nur unter dem Einfluß des astralischen Leibes, des Ätherleibes, des physischen Leibes steht, noch ist er der Ich-Mensch, sondern ein Kompromiß von beiden, ein Resultierendes, etwas was durch die
Zusammenmischung dieser beiden besteht. Ein Kompositum ist der Mensch, so wie er äußerlich vor uns herumwandelt. Das haben die alten Griechen empfunden, als sie sich sagten: Wenn Dionysos, und zwar der jüngere Dionysos, der wirkliche erste Lehrer der intellektuellen Kultur ist, so müssen wir ja von ihm voraussetzen, daß er noch nicht in einem menschlichen Leibe war, der schon unter dem Einfluß des Ich gestanden hat, denn der Mensch mußte ja das intellektualistische Ich erst durch den Einfluß der Dionysos-kultur erhalten. Dionysos muß also dieses Menschen-Ich noch repräsentieren außerhalb des physischen Menschenleibes. So konnte sich sachgemäß das griechische Bewußtsein von Dionysos und von jenem Zug, den ich charakterisierte als den Kulturzug des Dionysos über die Erde hin, nur vorstellen, daß des Dionysos eigentliches Ich noch nicht in den menschlichen Leib eingezogen war, sondern just an dem Punkt stand einzuziehen, daß aber in der Tat Dionysos und alle diejenigen, die zu ihm gehörten, solche Menschenleiber hatten, wie sie entstehen müßten, wenn kein Ich in dem Menschen-leib darinnen wäre, wenn der menschliche Leib nur unter dem Einfluß der Kräfte des physischen Leibes, des Ätherleibes und des astralischen Leibes stünde. Die Frage beantwortete sich der alte Grieche: Wie müssen die Leute des Dionysoszuges ausgesehen haben? Sie konnten nicht ausgesehen haben wie Menschen der heutigen Zeit, deren Leib ein Komposinim ist, von dem unsicht-baren Ich-Leib und dem äußeren Leib zusammengesetzt, sondern so mußten sie sein, daß das Ich unsichtbar als Aura die Leiblichkeit umschwebte, diese Leiblichkeit aber sich so gebildet hatte, wie sie sich eben bilden mußte unter dem Einfluß der Kräfte des phy-sischen Leibes, Ätherleibes und Astralleibes, das heißt, wie sich ein Mensch auf der Erde hätte bilden müssen, der mit den Kräften der menschlichen Natur von dem alten Monde herübergekommen wäre und sich auf der Erde weiter entwickelt hätte, ohne daß das Erden-Ich in ihn hineingezogen wäre. Und deshalb, weil sich die Griechenseele ganz sachgemäß dieses Weltenwunder beantwortet hat, bildhaft, stellt diese Griechenseele wirklich in der Gestalt des Dionysos selber - und namentlich in
der Gestalt derjenigen, die als Gefolge des Dionysos aufgestellt werden - solche Menschengestalten hin, die das Ich außer sich haben und die in der Gestalt, die sie äußerlich darstellen, wirklich nichts anderes zeigen als die Kräfte des physischen, des ätherischen und des astralischen Leibes. Das sind die Silenen, die Satyre, die dem Dionysos folgen auf seinem Zuge, jene merkwürdigen Gestalten der Satyrn, der Silenen in dieser ganz bildlichen Ausgestaltung, wie es sich die Griechen gedacht haben. So würde der Mensch ausschauen, wenn wir auseinanderreißen könnten dasjenige, was ein Kompositum ist. Denken Sie sich einmal, es könnte durch irgendein Zaubermittel bei einem Menschen, der vor uns steht, der physische Leib, der Ätherleib und astralische Leib so behandelt werden, daß wir ihm den unsichtbaren übersinnlichen eigentlichen Leib des Ich ausreißen. Dann würde aus dem Menschen eine Gestalt, wie sie diejenigen Personen hatten, die dem Dionysos auf seinem Zuge folgten. Dann aber haben die Griechen in ihrer wunderbaren Mythologie noch etwas anderes hingestellt. Wir wissen ja, daß das Ich nach und nach in die Menschengestalt hineingezogen ist, daß noch in der alten atlantischen Zeit dieses Ich nicht im menschlichen Leibe war. Wie müssen wir uns daher vorstellen, daß die atlantischen Leiber waren? Die griechische Phantasie und die griechische Intuition haben in wunderbarer Weise ausgestaltet die Bilder des gewöhnlichen normalen atlantischen Durchschnittsmenschen in den Satyrn und in den Faunen und im Pan, wie wir später sehen werden. Unter den gegenwärtigen Erdenverhältnissen können solche Menschengestalten natürlich nicht entstehen, und solche Menschengestalten, wie die Satyre, die Faune und überhaupt das ganze Gefolge des Dionysos, bestand aus jenen Nachzüglern der atlantischen Menschen, die noch am treuesten bewahrt hatten die alte Menschengestalt der Atlantier. Dionysos mußte gerade diese Menschen, die noch am wenigsten vom Ich innerlich hatten, auf seinem Zug mitnehmen, weil er der erste Lehrer des Ich werden sollte. Da sehen wir, daß die Griechen mit diesem Zuge des Dionysos die Gestalteh der alten atlantischen Durchschnittsmenschen hingestellt
hatten. Sie waren allerdings so gestaltet, daß sie mit einem solchen festen Knochengerüst wie die heutigen Menschen nicht ausgestattet waren. Der menschliche Leib hat sich verfestigt; in der alten atlantischen Zeit war die Menschengestalt, wenn ich mich so ausdrücken darf, noch weicher. Daher konnten diese atlantischen Leiber auch nicht aufbewahrt werden, und die heutige Geologie, die Paläontologie wird schwerlich irgendwelche Überreste von den wirklichen atlantischen Menschen finden. Aber es gibt eine andere Geologie, eine andere Paläontologie, welche uns die atlantischen Menschen aufbewahrt hat: das ist die griechische Mythe. Und man sollte nicht in den geologischen Schichten der Erde graben, wenn man die Menschen der Vorzeit kennenlernen will, die ihre höheren Leiblichkeiten noch außer dem physischen Leib hatten. Man tut damit etwas vollständig Absurdes, wenn man in den geologischen Schichten der Erde nachgräbt. Da wird man niemals etwas anderes finden als dekadente Produkte dieser vorgeschichtlichen Menschen. Aber in den Schichten des menschlichen Geisteslebens, namentlich in der geist-geologischen Schichte, welche uns in der wunderbaren griechischen Mythologie erhalten geblieben ist, finden wir, ein-geschlossen wie die Schnecken- und Muschelschalen in den geo-logischen Schichten der Erde, den alten normalen atlantischen Durchschnittsmenschen. Studieren wir die Konfiguration der Faune, des Pans und des Silens, dann erhalten wir jene geist-geologischen Überreste, die uns wirklich in die Vormenschheit der Erde führen. Damit sehen wir, wie in einer Art, die man heute meinetwillen schwärmerisch, träumerisch, phantastisch nennen kann, dennoch das alte griechische Bewußtsein Weltenwunder mit einer tieferen Wissenschaftlichkeit löste als unsere heutige abstrakte äußere, nüchterne Verstandeswissenschaft. Wie die Menschen der Vorzeit ausgesehen haben, das wird heute in unzähligen, einander widersprechenden darwinistischen und antidarwinistischen Hypothesen konstruiert. Dieses Weltenwunder - in einer Weise, die unsere Seele befriedigen kann - hat das alte Griechentum vor uns hingestellt. Nicht der Haeckelismus, nicht ein anderer Zweig des Darwinismus, nicht die geologischen Nachgrabungen in der äußeren
physischen Welt geben Antwort auf die Frage nach der äußeren physischen Gestalt des Vormenschen unserer Erde, sondern dieses Weltenwunder löst uns der griechische Mythos, indem er uns pla-stisch das Gefolge des Dionysos hinstellt. Davon müssen wir uns eine Empfindung, ein Gefühl verschaffen, daß uns diese griechische Mythologie tatsächlich ernste Antworten auf Fragen nach den Weltenwundern gibt. Dann können wir diesen Mythos immer mehr und mehr vertiefen, und nur derjenige, der von diesen Dingen nicht den wahren Grund versteht, kann auf eine solche Ausgestaltung des Mythos das Wort anwenden: Legt Ihr nicht aus, so legt Ihr etwas unter. - Wer den Zusammenhang in allen Details und dazu die wirkliche Entwickelung des Menschen kennt, wie sie sich aus der Akasha-Chronik ergibt, der weiß, daß Phantasie, daß Schwär-merei nicht auf seiten der Geisteswissenschaft, des Okkultismus ist, nicht in dem liegt, was heute vor Ihnen ausgesprochen worden ist. Phantastik, Schwärmerei, Träumerei ist in der abstrakten empiri-schen und Verstandeswissenschaft, welche glaubt, aus den physi-schen Schichten der Erde heute das noch ausgraben und studieren zu können, was nicht in ihnen sein kann, und welche es übersieht, diejenige Geist-Geologie zu studieren, die mit so wunderbaren Buchstaben zum Heile der Entwickelung der Menschenweisheit in der grandiosen Mythologie der Griechen noch vor uns steht. SIEBENTER VORTRAG München, 24. August 1911
- G129-1960-SE137 - Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen
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SIEBENTER VORTRAG München, 24. August 1911
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Wie können wir dasjenige charakterisieren, was Gegenstand der Betrachtungen dieser Tage in diesen Vorträgen war? Wir können sagen, wir versuchten das, was wir durch die Geisteswissenschaft oder Geheimwissenschaft in unserer Gegenwart erkennen können, in den grandiosen Bildern der altgriechischen Mythologie als eine alte Weisheit wieder zu finden. Und wir haben ja gesehen, in welch hohem Maße die Dinge, die wir heute auf andere Art erkennen, ungezwungen und wie selbstverständlich in dieser griechischen Mythologie zu finden sind. Die gewohnten Vorstellungen von dieser griechischen Mythologie müssen allerdings sehr ins Wanken kommen wegen ihrer Oberflächlichkeit, wenn man so etwas gewahr wird; insbesondere aber dann, wenn man die Entdeckung macht, daß die tiefsten und bedeutungsvollsten, selbst heute noch nicht gehobenen Wissensprinzipien schon in dieser griechischen Mytho-logie bildhaft zum Ausdruck gekommen sind. Tiefer noch als alles dasjenige, was sich an den, sagen wir, oberen Götterkreis der Griechen knüpft, an Zeus, Poseidon, Pluto, Apollo, Mars und so weiter, bedeutungsvoller als alles dieses empfanden die Griechen das, was sie mit einer gewissen Anknüpfung an die Gestalt des Dionysos in ihren Mysterien verbargen. Denn während mehr oder weniger alles das, was sich anknüpfte an die oberen Götter, in die exoterischen Vorstellungen der Außenwelt hineingelegt war, verbarg man das, was sich an die Gestalt des Dionysos knüpfte, in die Heiligkeit der Mysterien, und man über-lieferte es nur jenen Menschen, welche eine gründliche Vorberei-tung durchgemacht hatten. Was war denn der Gegensatz zwischen dem, was die Griechen empfanden durch die Vorstellungen über die oberen Götter, und dem, was in die Heiligkeit der Mysterien hineinverlegt war? Was lag da eigentlich für ein Gegensatz zu-grunde? In die Vorstellungen der oberen Götter, des Zeus, Pluto,
Poseidon, Apollo, Mars und so weiter wurde hineingelegt alles das, was man gewahr werden kann durch einen tieferen Blick in die Weltenwunder, in das, was sich abspielt um den Menschen herum, und durch die Gesetze dessen, was sich so abspielt. In das aber, was an die Figur des Dionysos sich anknüpfte, wurde hineingelegt auch noch ein wesentlich anderes: dasjenige, was die tiefsten Schicksale der nach Erkenntnis und Erlangung des Eintrittes in die über-sinnlichen Welten strebenden Menschenseele bedeutete. In die Schicksale der erkennenden und in den Tiefen lebenden Menschen-seele mit all ihren Prüfungen, die sie auf diesem Wege durchzu-machen hat, wurde hineingeleuchtet durch die Mysterien, die in einer gewissen Beziehung an den Namen des Dionysos anknüpfen. Und wenn wir überhaupt ein Verständnis von der Gestalt des Dionysos und von seiner Beziehung zu den Seelenprüfungen er-langen wollen, werden wir heute schon ein wenig eingehen müssen auf das, was vom Standpunkte der heutigen Geisteswissenschaft zunächst über die erkennende Menschenseele zu sagen ist. Es könnte scheinen, daß der heutige Mensch im Übermaße Gelegenheit hat, sich über die Frage zu unterrichten, was denn eigentlich Erkennen der Welt ist. Denn wir haben ja - so sagt man - in allen Ländern eine ausgebreitete Philosophie, und man erwartet von dieser Philosophie, daß sie die Frage beantwortet, wie Erkenntnis zustande komme. Allein vom Gesichtspunkte der Gei-steswissenschaft ist die Philosophie in der Antwort auf diese Frage, wie Erkenntnis zustande kommt, noch nicht besonders weit gedie-hen, und Sie können sich auch leicht denken, warum das so sein muß. Solange die Philosophie der äußeren exoterischen Welt sich sträuben wird, das anzuerkennen, was die Wahrheit über den Men-schen ist: die Zusammensetzung des Menschen aus physischem Leibe, Ätherleib, Astralleib und Ich, solange kann diese äußere Philosophie zu keinem irgendwie erheblichen Erkenntnisbegriffe kommen. Denn Erkenntnis ist gebunden an die gesamte Wesenheit des Menschen, und die Frage nach Erkenntnis muß immer zur Antwort bloß leere Phrasen herausrufen, wie sie ja in unserer gegenwärtigen Philosophie so heimisch sind, wenn auf die wirkliche
reale Wesenheit des Menschen, auf seine viergliedrige Natur, keine Rücksicht genommen wird. Ich kann natürlich an diesem Orte und wegen der Beschränktheit der Zeit auf diese Dinge nur hinweisen, kann daher nur von einer gewissen Seite her über die Natur und das Wesen der mensch-lichen Erkenntnis einige Worte zu Ihnen sprechen. Aber wir wer-den uns verstehen, wenn wir zunächst ausgehen von der Frage: Wodurch verschafft sich denn der Mensch Erkenntnis, ganz gleich-gültig, was die Erkenntnis bedeuten mag? Wodurch erlangen wir Erkenntnis? Nun - nicht wahr, Sie wissen alle, der Mensch könnte niemals Erkenntnis erlangen, wenn er nicht denken würde, wenn er in seiner Seele nicht so etwas vollziehen würde wie Vorstellungs- oder Denkarbeit. Erkenntnis kommt nicht von selber. Der Mensch muß im Innern arbeiten, muß Vorstellungen ablaufen lassen in seiner Seele, wenn er erkennen will, und wir müssen als Bekenner der Geisteswissenschaft uns fragen: Wo in der Menschen-natur spielen sich nun jene Vorgänge ab, welche wir mit dem Vorstellen bezeichnen, das zu der Erkenntnis führt? Der materialistische Erkenntnistraum unserer Zeit, die philoso-phische Phantastik unserer Zeit glauben, daß Erkenntnis dadurch zustande kommt, daß eine Gehirnarbeit verrichtet wird. Gewiß wird bei der Erkenntnis eine Gehirnarbeit verrichtet, aber wenn wir ins Auge fassen, daß zunächst die Hauptsache bei der Erkenntnis die innere Arbeit der Seele im Vorstellungsleben ist, dann müssen wir die Frage aufwerfen: Hat dieses Vorstellungsleben in seinem Inhalte, wohlgemerkt ich sage Inhalt, irgend etwas zu tun mit der Arbeit, die im Gehirn verrichtet wird? Das Gehirn ist ein Teil des physischen Leibes, und alles das, was Vorstellungsleben seinem Inhalte nach ist, was unsere, die Erkenntnis herbeiführende Vorstellungsarbeit der Seele ist, alles das geht nicht bis zum phy-sischen Leib, alles das vollzieht sich in den drei höheren Gliedern der menschlichen Wesenheit, von dem Ich durch den Astralleib zum Ätherleib herunter. Und Sie werden in allen Elementen des Vorstellungslebens dem Inhalte nach nichts darin finden, was irgendwie im äußeren physischen Gehirn vor sich gehen würde.
Wenn wir also bloß von dem Vorstellungsinhalt, von der Vorstel-lungsarbeit sprechen, so müssen wir diese lediglich in die drei höheren übersinnlichen Glieder der menschlichen Wesenheit ver-legen, und dann können wir uns fragen: Was hat denn nun das Gehirn mit dem zu tun, was da übersinnlich sich abspielt in der menschlichen Wesenheit? - Die triviale Wahrheit gibt es allerdings, auf die sich die heutigen Philosophen und Psychologen berufen, daß, während wir erkennen, Vorgänge im Gehirn stattfinden. Gewiß, diese triviale Wahrheit ist richtig, kann und soll gar nicht abgeleugnet werden. Aber von der Vorstellung selbst lebt nichts im Gehirn. Welche Bedeutung hat das Gehirn, hat überhaupt die äußere leibliche Organisation für die Erkenntnis, sagen wir zunächst nur für das Vorstellungsleben? Da ich eben kurz sein muß, so kann ich sie nur durch ein Bild andeuten. Gerade dieselbe Bedeutung hat die Arbeit des Gehirns zu dem, was eigentlich vorgeht in unserer Seele, wenn wir vorstellen, denken, wie der Spiegel für den Menschen, der sich darin sieht. Wenn Sie mit Ihrer Persönlichkeit durch den Raum gehen, da sehen Sie sich nicht zunächst. Wenn Sie einem Spiegel entgegengehen, da sehen Sie das, was Sie sind, wie Sie aussehen. Derjenige, der nun behaupten wollte, das Gehirn denke, es ginge die Vorstellungsarbeit im Gehirn vor sich, der redet gerade so gescheit wie der, der einem Spiegel entgegengeht und sagt: Ich, ich bin nicht da, wo ich gehe; das bin nicht ich; ich muß einmal da hereingreifen - in den Spiegel -, da drinnen stecke ich. - Da würde er sich bald davon überzeugen, daß er im Spiegel gar nicht darin steckt, daß der Spiegel allerdings der Veranlasser ist, daß das, was außerhalb des Spiegels ist, sich sieht. Und so ist es überhaupt mit aller physischen Leibesorganisation. Das was da durch die Arbeit des Gehirns erscheint, das ist innere übersinnliche Tätigkeit der drei höheren Glieder der menschlichen Organisation. Daß diese für den Menschen selber erscheinen kann, dazu ist der Spiegel des Gehirns notwendig, so daß wir das, was wir übersinnlich sind, wahrnehmen durch den Spiegel des Gehirns. Und es ist lediglich eine Folge der gegenwärtigen menschlichen Organisation, daß das so sein
muß. Der Mensch würde seine Gedanken zwar denken, aber er könnte nichts wissen von ihnen als gegenwärtiger Erdenmensch, wenn er nicht den spiegelnden Leibesorganismus, zunächst das Gehirn hätte. Aber alles das, was die modernen Physiologen und zum Teil die Psychologen tun, um das Denken zu erkennen, ist eben gerade so gescheit, als wenn ein Mensch im Spiegel darin seiner Wirklichkeit nach sich suchen würde. Das alles, was ich Ihnen hier mit ein paar Worten gesagt habe, das kann man heute auch schon vollständig erkenntnistheoretisch begründen, kann es streng wissenschaftlich aufbauen. Eine andere Frage ist diejenige, ob man natürlich mit einer solchen Sache irgendwie verstanden werden kann. Die Erfahrungen sprechen heute noch dagegen. Man kann diese Dinge heute in einer noch so strengen Weise auch Philosophen auseinandersetzen, sie werden kein Sterbenswörtchen davon verstehen, weil sie auf diese Dinge eben nicht eingehen wollen, ich sage ausdrücklich wollen. Denn es ist heute noch in der äußeren exoterischen Welt gar kein Wille vorhanden, auf die ernsthaftesten Fragen des menschlichen Erkenntnisvermögens wirklich einzugehen. Wollen wir in einer richtigen Weise uns ein schematisches Bild von dem menschlichen Erkenntnisprozesse machen, so müssen wir sagen - nehmen wir das als das Schema der äußeren physischen menschlichen Leibesorganisation -: In alledem, was äußere phy-sische Leibesorganisation ist, geht gar nichts vor von dem, was Denken, was Erkennen ist, sondern das geht in dem anschließen-den Ä therleib, Astralleib und so weiter vor. Da drinnen sitzen die Gedanken, die ich hier schematisch mit diesen Kreisen anzeichne. Und diese Gedanken gehen nicht etwa in das Gehirn hinein - das zu denken wäre ein völliger Unsinn -, sondern sie werden gespiegelt durch die Tätigkeit des Gehirns und wiederum zurückgeworfen in den Ätherleib, Astralleib und das Ich, und die Spiegelbilder, die wir selbst erst erzeugen und die uns sichtbar werden durch das Gehirn, die sehen wir, wenn wir als Erdenmenschen gewahr werden, was wir eigentlich treiben in unserem Seelenleben. Da drinnen im Gehirn ist gar nichts von einem Gedanken. So wenig ist
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im Gehirn etwas von einem Gedanken, wie hinter dem Spiegel etwas von Ihnen ist, wenn Sie sich darin sehen. Aber das Gehirn ist ein sehr komplizierter Spiegel. Der Spiegel, in dem wir uns da draußen sehen, ist einfach, das Gehirn aber ist ein ungeheuer kom-plizierter Spiegel, und es muß eine komplizierte Tätigkeit statt-finden, damit das Gehirn das Werkzeug werden kann, um nicht unsere Gedanken zu erzeugen, sondern sie zurückzuspiegeln. Mit anderen Worten, bevor überhaupt von einem Erdenmenschen ein Gedanke zustande kommen konnte, mußte eine Vorbereitung ge-schehen. Und wir wissen, daß dies geschehen ist durch die alte Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit und daß schließlich der heutige physische Leib, also auch das Gehirn, ein Ergebnis der Arbeit vieler geistigen Hierarchien ist. So daß wir sagen können: Mit dem Be-ginne der Erdenentwickelung war der Mensch auf der Erde so ge-staltet, daß er sein physisches Gehirn ausbilden konnte, daß es werden konnte der spiegelnde Apparat für das, was der Mensch eigentlich ist und was erst in der Umgebung dieser physischen Leibesorganisation vorhanden ist.
So sagen wir heute, und so kann es unter Umständen eine anthroposophische Zuhörerschaft schon verstehen. Im Grunde ge-nommen ist dieser Erkenntnisprozeß sogar recht leicht zu verstehen. Das, was wir heute in dieser Art verstehen können, das empfand der alte Grieche, das fühlte er, und aus dem Grunde sagte er sich: Hier in dieser physischen Leibesorgarisation ist, ohne daß der Mensch natürlich ein unmittelbares Bewußtsein davon hat, etwas ungeheuer Bedeutungsvolles verborgen. Diese physische Leibes-organisation ist zwar aus der Erde genommen, da sie aus Stoffen und Kräften der Erde besteht, aber es ist etwas hineingeheimnißt, was zurückspiegeln kann das ganze menschliche Seelenleben. -Das, was da von der Erde heraus, also wiederum makrokosmisch, an dem Aufbau des Gehirnes beteiligt ist, das nannte der alte Grieche, wenn er sein Gefühl auf den Mikrokosmos, auf den Menschen anwendete, das dionysische Prinzip, so daß in uns der Dionysos wirkt, unsere Leibesorganisation zum Spiegel unseres Geisteslebens zu machen. Nun können wir, wenn wir anknüpfen an diese, ich möchte sagen, rein theoretische Auseinandersetzung, die leiseste erste Seelenprüfung daran erfahren; sie ist die leiseste Seelenprüfung, und da der heutige Mensch nicht gerade in der allerfeinsten Weise organisiert ist, so geht er an ihr zumeist vorbei. Es muß schon gröber kommen mit diesen Prüfungen, wenn der heutige Mensch sie empfinden soll. Erst dann, wenn man in gewisser Weise enthu-siasmiert ist für die Erkenntnis, wenn man Erkenntnis als Lebens-frage betrachtet, dann fühlt man das, was gesagt werden soll, eben doch als erste große Seelenprüfung. Sie tritt dann ein, wenn man sich aus einer solchen Erkenntnis heraus etwa das Folgende sagen muß: Da tönt uns herüber aus uralten Zeiten das große Weisheits-wort: «Erkenne dich selbst! » Selbsterkenntnis als Angelpunkt aller anderen wahren Erkenntnis leuchtet uns als ein hohes Ideal vor, das heißt, wir versuchen anzustreben, indem wir überhaupt zu einer Erkenntnis kommen wollen, zuerst uns selbst zu erkennen, das zu erkennen, was wir sind. Nun verläuft aber alles unser Erkennen im Vorstellungsleben. Das Vorstellungsleben, das wir vor uns
haben, das uns auch alle äußeren Dinge wiedergibt, dieses Vor-stellungsleben erfahren wir als Spiegelbild. Es dringt überhaupt gar nicht ein in das, was wir zunächst als physische Leibesorganisation sind, es wird uns zurückgeworfen, und ebensowenig wie der Mensch sehen kann, was hinter dem Spiegel ist, ebensowenig kann der Mensch in seine physische Wesenheit hineinschauen. Er dringt auch nicht ein, weil sein Seelenleben ganz ausgefüllt ist vom Vor-stellungsleben. Man muß sich sagen: Es ist also dann überhaupt unmöglich, sich selbst kennenzulernen, man kann gar nichts anderes kennenlernen als sein Vorstellungsleben, was uns erst zum spiegelnden Apparat gemacht hat. Unmöglich können wir da ein-dringen, denn wir können nur bis an die Grenze kommen; da wird das ganze Seelenleben zurückgeworfen, so wie im Spiegel das Bild des Menschen zurückgeworfen wird. - Werden wir so aufgefordert durch ein unbestimmtes Gefühl, uns selbst zu erkennen, so müssen wir uns gestehen: Wir können uns gar nicht selbst erkennen, es ist uns unmöglich, uns selbst zu erkennen. Das, was ich jetzt gesagt habe, ist für die meisten Menschen der Gegenwart eine Abstraktion, weil sie eben nicht einen Enthusias-mus der Erkenntnis haben, weil sie nicht die Leidenschaft ent-wickeln können, die sich abspielen muß, wenn wir die Seele hin-gestellt sehen vor die Notwendigkeit dessen, was sie eigentlich haben muß. Aber denken Sie sich das als Gefühl ausgebildet, dann haben Sie die Seele vor eine harte Prüfung gestellt, vor die Prüfung: Du mußt etwas erreichen, was du gar nicht erreichen kannst! Geisteswissenschaftlich ausgedrückt, würde das heißen: Alle äußere Erkenntnis, alles das, was der Mensch exoterisch erreichen kann, führt überhaupt zu keiner Selbsterkenntnis. Daraus ginge hervor das Bestreben, auf einem ganz anderen Wege als auf dem der gewöhnlichen Erkenntnis zu dem vorzudringen, was die Arbeit des Dionysos in uns ist, zu unserer eigenen Wesenheit. Und das sollte in den Mysterien geschehen. Mit anderen Worten: in den Mysterien wurde den Menschen etwas überliefert, was mit dem gewöhnlichen Seelenleben, das sich nur spiegelt an unserer Leibesorganisation, überhaupt nichts zu tun hat. Die Mysterien durften den Menschen
nicht auf das exoterische Wissen beschränken, denn dadurch hät-ten sie ihn nie in sich selbst hineinführen können. Wer also bloß das äußere exoterische Wissen zugeben will, der müßte konse-quenterweise sagen: Die Mysterien müssen überhaupt ein Humbug gewesen sein, denn sie haben nur einen Sinn, wenn etwas ganz anderes angestrebt wird als das äußere Wissen, um zum Dionysos zu kommen. - Wir haben in den Mysterien also eine gewisse Art von Vorgängen zu suchen, welche in ganz anderer Weise an den Menschen herantreten als alles das, was im exoterischen Leben äußerlich an den Menschen herantreten kann. Da stehen wir dann unmittelbar vor der Frage: Gibt es überhaupt ein Mittel, hinunter-zusteigen in das, was sonst nur der spiegelnde Apparat ist? Ich möchte zuerst bei Kleinstem anfangen, meine lieben Freunde. Schon wenn man den allerersten Schritt macht in der Darstellung der höheren geistigen Wahrheiten, die zu der Wirklichkeit und nicht zu der äußeren Maja, zu der Illusion gehen, ist man gezwun-gen, in einer ganz anderen Weise sich zu verhalten, als man sich verhält bei der Darstellung des äußeren wissenschaftlichen oder sonstigen äußeren Lebens. Deshalb wird man auch so schwer ver-standen. Die Menschen streben heute danach, alles in Fesseln hin-einzubringen, Goethe würde sagen, in spanische Stiefel hineinzu-schnüren, welche einmal für die äußere Wissenschaft geformt und gemacht sind, und was nicht so auftritt, gilt nicht als wissenschaft-lich. Aber mit solchem Wissen kann man gerade nicht in das Wesen der Dinge eindringen. Daher sehen Sie, daß schon in den Vorträgen, die hier über Geisteswissenschaft gehalten werden, ein anderer Stil, eine andere Darstellungsweise eingehalten wird als in der gewöhnlichen äußeren Wissenschaft, daß die Dinge so charak-terisiert werden, daß man sie von verschiedenen Seiten her be-leuchtet, daß man in einer gewissen Weise die Sprache wiederum ernst nimmt. Und wenn man die Sprache ernst nimmt, so kommt man zu etwas, was man den Genius der Sprache nennen könnte. Bei einer anderen Gelegenheit habe ich hier in diesen Vorträgen schon gesagt: nicht umsonst gebrauchte ich in dem zweiten Rosen-kreuzer-Mysterium, in der , für eine ursprüngliche
Tätigkeit der Welten-Schöpfer das Wort Ich habe in meiner neuesten Schrift, die jetzt morgen oder übermorgen hier aufliegen wird, aufmerksam gemacht, was für ein schönes Wort noch in der alten deutschen Sprache für das vorhanden war, was man im abstrakten mit «geboren werden» bezeichnet Wenn heute ein Mensch auf die Welt kommt, sagt man, er ist geboren worden. In der alten deutschen Sprache hatte man noch ein anderes bezeichnendes Wort dafür. Man war sich nämlich als Mensch nicht bewußt, was da eigentlich vorgeht bei der Geburt, aber der Sprachgenius, an dem Dionysos einen Anteil hat und bis zu dem das Vorstellungsleben, das sich sonst nur reflektiert, herunterreicht, wußte: wenn der Mensch durch die Pforte des Todes tritt, dann wirken in ihm zunächst in den ersten Zeiten zwischen Tod und einer neuen Geburt diejenigen Kräfte, die er sich aus dem vorigen Leben mitgenommen hat und die ihn im vorigen Leben haben alt werden lassen. Bevor wir sterben, werden wir alt, und die Kräfte, die uns alt werden lassen, die nehmen wir mit hinüber. In den ersten Zeiten unseres Lebens zwischen dem Tod und einer neuen Geburt wirken diese Kräfte, welche uns alt werden lassen, weiter. Dann aber beginnt in der zweiten Hälfte jenes Lebens zwischen Tod und neuer Geburt eine ganz andere Art von Kräften. Da greifen diejenigen Kräfte ein, die uns wiederum so formen, daß wir als kleines Kind zur Welt kommen, daß wir jung zur Welt kommen. Auf dieses Mysterium deutete die mittelalterliche Sprache hin, wenn sie nicht bloß das abstrakte Wort «geboren werden» nahm, sondern wenn gesagt wurde im Mittelalter «der Mensch ist jung geworden! » Ein ungeheuer
bezeichnendes, bedeutsames Wort, «der Mensch ist jung ge-worden! » Im zweiten Teil von Goethes «Faust» treffen wir dieses Wort « im Nebellande jung geworden». Nebelland ist ein Aus-druck für das mittelalterliche Deutschland. Im Nebellande jung geworden heißt nichts anderes, als in Deutschland geboren worden sein, aber es liegt in diesem Worte das Bewußtsein des Sprach-genius, also einer höheren Wesenheit, als der Mensch es ist, die mit-schöpferisch war an der menschlichen Organisation. Daß man von Dichtung in der deutschen Sprache spricht, dem liegt das Bewußt-sein zugrunde, daß der Dichter den Sinn, der sonst ausgebreitet liegt in der Welt, zusammendichtet, daß er dasjenige, was sonst draußen in der Welt verbreitet ist, kondensiert. Es wird einmal eine Sprachwissenschaft geben, die nicht so trocken und nüchtern sein wird wie die heutige weil sie auf den lebendigen Sprachgenius eingehen wird, der heute' noch unterhalb dessen liegt, was bei den Ich-Menschen der Gegenwart das bewußte Vorstellungsleben ist. Aus diesem Sprachgenius muß manches herausgeholt werden, wenn man die Dinge der geistigen Welt charakterisieren will, die ja auch hinter demjenigen liegen was das gewöhnliche Bewußtsein umfaßt. So muß ein anderer Sprachstil, ein anderer Stil der Darstellung auftreten, wenn geistige Dinge charakterisiert werden sollen. Daher das Befremdliche, das da auftritt in mancherlei Charakteristik der höheren Welten, wekhes notwendigerweise auftreten muß. Also schon wenn wir nur anfangen, die Dinge der geistigen Welt zu besprechen, dann kommen wir dabei zu etwas, was eigentlic zurückgehen müßte hinter das was der Mensch in seinem Bewußt-sein hat. Es muß aus den unterbewußten Seelengründen herauf-geholt werden. Dabei ist für den heutigen Menschen, der das tut, tatsächlich etwas notwendig, was sich ja recht kleinlich ausnimmt, was aber doch wichtig ist. Will man nämlich im wahren Sinn Dinge der Geisteswissenschaft charakterisieren, dann muß man zuerst auf die gewöhnlichen gangbaren Mittel des sprachHchen Ausdrucks verzichten Man muß vielleicht so weit gehen, daß man sagt: Wenn du auf diese Mittel des gewöhnlichen Ausdrucks im Sprachgebrauch verzichtest, dann werden dich die Professoren und
sonstige gescheite Leute einen Menschen nennen, der seine Sprache überhaupt nicht in der richtigen Weise beherrscht. Die werden allerlei zu tadeln finden, die werden deine Ausdrucksweise unklar finden, die werden allerlei mäkeln an der Art und Weise, wie in der Geisteswissenschaft ausgedrückt wird. - Das aber muß man schon bewußt hinnehmen, denn das muß so sein. Dem muß man kühn ins Auge schauen, daß man vielleicht für einen Dummkopf gehalten wird, weil man darauf verzichtet, in der gewöhnlichen äußeren Ausdrucksweise das sogenannte logisch Vollkommene, das in höherer Beziehung ein logisch höchst Unvollkommenes ist, zum Mittel seines Ausdrucks zu machen. Was ich Ihnen so im Kleinlichen, nicht einmal bloß im Kleinen angedeutet habe, das war für den Mysterienschüler im griechischen Altertum und ist heute noch für den Mysterienschüler notwendig. Er muß sich gerade, um zu seinem vollen Selbst zu kommen, um zu seiner inneren Wesenheit hinunterzudringen, die sich sonst nur spiegelt an der äußeren Leibesorganisation, entäußern der gewöhnlichen äußeren bewußten Art des Wissens. Oberflächliche Menschen könnten jetzt natürlich gleich sagen: Du verlangst aber doch, daß der Mensch seinen gesunden Menschenverstand immer behält und alles auch in bezug auf die höheren Welten nach dem gesunden Menschenverstand beurteilt, jetzt aber sagst du: Der Mensch soll sich der gewöhnlichen äußeren bewußten Art des Wissens entäußern. - Das ist ein scheinbarer Widerspruch. In Wirklichkeit ist es möglich, durchaus möglich, mit allem gesunden Menschenverstand die Dinge der höheren geistigen Welten zu prüfen und dennoch sich der äußeren Form des bewußten Wissens, das wir gewohnt sind von der äußeren Welt her, zu enthalten. Dabei stehen wir aber wiederum vor einer starken Prüfung unserer Seele. Worin besteht diese Prüfung unserer Seele? Wie das heutige Leben nun einmal ist, ist die Seele gewohnt, in denjenigen Formen zu denken und den gesunden Menschen-verstand anzuwenden, die im gewöhnlichen Vorstellungsleben an der äußeren Welt geschult sind. Daran ist die Seele gewöhnt. Und nun stellen wir uns einmal irgendeinen Professor, irgendeinen
Gelehrten der äußeren Wissenschaft vor, der in diesen Formen des äußeren Wissens ganz außerordentlich gut denken kann. Da kön-nen Menschen kommen und sagen: Da willst du nun diesem Pro-fessor etwas begreiflich machen, der ganz gewiß wissenschaftlich im heutigen Sinne denken kann, wenn der dich nicht versteht, so mußt du etwas gesagt haben, was überhaupt nicht zu verstehen ist. - Es soll gar nicht geleugnet werden, daß dieser Professor den gesunden Menschenverstand hat für die Dinge der gewöhnlichen äußeren Welt. Dasjenige aber, was in unserm Falle erzählt wird, sind die Dinge der geistigen Welt, und er muß nicht mit jenem Teile seiner Seele zuhören, der den Menschenverstand anwendet auf die gewöhnlichen Dinge der äußeren Welt, sondern mit einem ganz anderen Teil seiner Seele. Und es ist nicht gesagt, daß einem der gesunde Menschenverstand folgen muß, wenn man andere Dinge begreifen will, als es die Dinge sind, die der äußeren Welt angehören und für die man den gesunden Menschenverstand wohl hat; man kann ihn haben für die gewöhnlichen Dinge der äußeren Welt, kann aber völlig von ihm verlassen werden bei Dingen, die der geistigen Welt angehören. Was verlangt wird, wenn man ein-dringen will in die geistigen Welten, ist nicht die Kritik der geistes-wissenschaftlichen Dinge mit den Mitteln des gesunden Menschen-verstandes, sondern daß wir unseren gesunden Menschenverstand mit hinaufnehmen, daß wir ihn nicht verlieren auf dem Wege von der äußeren Wissenschaft in die innere, in die Geisteswissenschaft. Wichtig ist, daß die Seele stark genug ist, nicht das Schicksal zu erleben, das so zahlreiche Menschen heut erleben und das man so charakterisieren kann: Wenn solche Menschen, die wirklich, sobald es sich um die äußere Wissenschaft handelt, wahre Musterbilder von Logikern sind, von Geisteswissenschaft hören, dann müssen sie den Weg machen von dem, was ihnen erzählt wird von äußeren Dingen, zu dem, was den geistigen Welten angehört. Auf diesem Wege aber verlieren sie gewöhnlich den gesunden Menschenverstand und bilden sich dann ein, weil sie ihn am Ausgangspunkte des Weges gehabt haben, sie hätten ihn auch später noch. Es wäre eine böse Täuschung, wenn man glauben
wollte, daß man deshalb nicht mit dem gesunden Menschenverstand herandringen könnte an die Dinge der geistigen Welt. Man darf diesen gesunden Menschenverstand unterwegs nur nicht verlieren. In einem viel höheren Sinn war dasjenige, was ich Ihnen jetzt im Kleinlichen vorgelegt habe, für die Mysten Griechenlands not-wendig. Notwendig ist es auch für die Mysten der heutigen Zeit. Sie müssen ablegen alles dasjenige, was das gewöhnliche Bewußtsein hat, dennoch aber aus diesem gewöhnlichen Bewußtsein mit-tragen den gesunden Menschenverstand und dann von einem ganz anderen Gesichtspunkt aus mit dem Werltzeug dieses gesunden Menschenverstandes urteilen. Ohne die Resignation auf das ge-wöhnliche Bewußtsein ist kein Myste möglich. Dessen muß er sich entäußern, was dienlich ist in der gewöhnlichen äußeren Welt. Und die Prüfung der Seele, die schon hier auftritt, besteht darin, daß man auf diesem Wege von der äußeren gewöhnlichen Welt zur geistigen Welt nicht den gesunden Menschenverstand verliert und dann das für Unsinn hält, was sich als Tieferes ergibt, wenn man den gesunden Menschenverstand behalten hat So war es auch notwendig für die griechischen Mysten, alles dasjenige, was sie in der äußeren exoterischen Welt erleben konnten, abzulegen und in eine ganz andere Seelenverfassung sich zu begeben, und das ist auch heute noch für den Mysten in Wahrheit notwendig. Daher nehmen die Dinge der äußeren Welt, wenn sie in das Gebiet der Mystik eintreten, zuweilen ganz andere Namen an, und es hat eine tiefe Bedeutung, wenn in dem Rosenkreuzer-Drama « Die Prüfung der Seele» gesagt wird von Benediktus, daß sich in seiner Sprache manche Dinge dem Namen nach wandeln, so wandeln, daß sie sogar die entgegengesetzte Bezeichnung annehmen können. Was Capesius Unglück nennt, muß Benediktus Glück nennen. So wie unser Leben nach dem Tode zunächst rückläufig sich abspielt, daß wir die Dinge zurückerleben, so müssen sich die Namen fast in ihr Gegenteil wandeln, wenn wir in wahrem Sinn von den höheren Welten sprechen. Da können Sie ermessen, welch eine ganz andere Welt es war, die die alten Griechen als den Inhalt ihrer heiligen Mysterien anerkannten.
Und was war in diesem Mysteriensinn selbst der Dionysos inner-halb der Mysterien? Wenn Sie das Büchelchen lesen, das in den nächsten Tagen erscheinen wird, so werden Sie darin sehen, daß es zu allen Zeiten große Lehrer der Menschheit gibt, die unsichtbar bleiben, die sich nur dem hellseherischen Bewußtsein offenbaren. Sie werden daraus sehen, daß es eine Wahrheit war, wenn die alten Ägypter den Griechen, die sie fragten, wer ihre Lehrer seien, ant-worteten, daß sie, die alten Ägypter, von den Göttern belehrt wor-den seien. Das war so gemeint, daß die hellsichtigen Menschen inspiriert wurden von den nicht auf die Erde herabsteigenden Leh-rern, die im Ätherraum erschienen und sie belehrten. Ich sage Ihnen nicht irgendeine Träumerei, Phantasterei, sondern etwas, was völlig der Wahrheit entspricht. Wenn die Mysten des alten Griechenlands, die eingeführt wurden in die Mysterien, ihre richtige Vorbereitung durchgemacht hatten, so daß sie nicht in einer leich-ten, oberflächlichen Art solche Dinge fühlten - wie heute mit ab-strakten Worten gesprochen wird -, wenn sie hineingeführt wurden in die heiligen Mysterien, dann waren sie in der Tat in einer Lage, etwas anderes zu sehen, als das gewöhnliche Bewußtsein sieht. Dann waren sie in der Lage, innerhalb der Mysterien den Lehrer zu sehen, der nicht mit physischen Augen gesehen werden kann, der nur dem inspirierten Bewußtsein sichtbar werden konnte. Die physischen Vorsteher der Mysterien, die mit physischen Augen gesehen werden konnten, das waren nicht die Wichtigen. Die Wichtigen waren diejenigen, die in den Mysterien dem hellsehe-rischen Bewußtsein sichtbar wurden. Und in den Mysterien, auf die es uns in diesen Vorträgen ankommt, in den Dionysischen Myste-rien, war der größte Lehrer der genügend vorbereiteten Mysten des alten Griechenlands tatsächlich der junge Dionysos selber, jene Gestalt, von der ich schon gesagt habe, daß sie eine reale Gestalt war, die, von Silenen und Faunen gefolgt, den Zug von Europa nach Asien und wieder zurück gemacht hat. Diese Gestalt war auch der wahre Lehrer der Mysten der Dionysischen Mysterien. Dionysos erschien als eine Äthergestalt in diesen heiligen Mysterien, und von ihm konnte man jetzt Dinge wahrnehmen die nicht bloß als
Spiegelbilder geschaut werden im gewöhnlichen Bewußtsein, son-dern die unmittelbar heraussprudelten aus der inneren Wesenheit des Dionysos. Weil aber der Dionysos in uns selber ist, so sah der Mensch sein eigenes Selbst in dem Dionysos und lernte sich erkennen - nicht etwa dadurch, daß er in sich hineinbrütete, wie es aus Unkenntnis der realen Tatsachen heute so oft anempfohlen wird, sondern für die griechischen Mysten war der Weg zur Selbsterkenntnis gerade der, aus sich herauszugehen. Nicht in sich hineinzubrüten und bloß die Spiegelbilder des gewöhnlichen Seelenlebens zu erblicken war der Weg, sondern dasjenige zu schauen, was sie selber waren, in das sie aber gewöhnlich nicht untertauchen konnten, nämlich den großen Lehrer. Diesen großen Lehrer, der noch nicht sichtbar war, wenn der Schüler in die Mysterien eintrat, schauten die Mysten als ihre eigene Wesenheit. Draußen in der Welt, wo ihn die exote-rischen Menschen nicht anders kannten denn als Dionysos, da machte er auch als physischer, im Fleische inkarnierter Mensch den Zug von Europa nach Asien und wieder zurück, da war er ein auf dem physischen Plan stehender, w,irklicher Mensch. In den Myste-rien erschien er in seiner Geistgestalt, die aber durchaus in gewisser Beziehung ähnlich war der wirklichen menschlichen Leiblichkeit, wie sie heute als Leiblichkeit des Ich-Menschen vor uns steht Das ist das Wesentliche, das wir wohl ins Auge fassen müssen, daß draußen in der Welt in seinen Zügen der Dionysos als ein im Fleische inkarnierter Mensch herumging. In den Mysterien aber, um die Mysten zum höheren Bewußtsein zu erziehen, da erschien der Dionysos in seiner Geistesgestalt. Es ist in einer gewissen Beziehung auch heute noch so. Wenn da draußen in der Welt in ihrem Menschengewand die heutigen Führer der Menschheit herumgehen, dann werden sie in der äußeren exoterischen Welt nicht erkannt. Und reden wir auf dem Boden der Geisteswissenschaft von den Meistern der Weisheit und des Zusammenklangs der Empfindungen, dann würden sich die Menschen oftmals wundern, in welcher einfachen, schlichten Menschlichkeit durch alle Länder diese Meister der Weisheit und
des Zusammenklangs der Empfindungen kommen. Sie sind vor-handen auf dem physischen Plan. Die wichtigsten Lehren aber erteilen sie nicht auf dem physischen Plan, sondern ganz nach dem Muster des alten Dionysos erteilen sie sie auf dem Geistplan. Und derjenige, der sie hören will, um Lehren von ihnen zu empfangen, der muß nicht nur den Zugang zu ihnen haben als zu ihrem phy-sischen, fleischlichen Leibe, sondern als zu ihrer Geistgestalt. Das ist in gewisser Beziehung heute noch immer der alten Dionysischen Mystik ähnlich. So gehört es wiederum zu den Prüfungen der Seele, daß wir das Wort «Erkenne dich selbst» dadurch befolgen müssen, daß wir in gewisser Beziehung aus uns herausgehen. Aber es war mit den Dionysischen Mysterien noch eine andere Prüfung der Seele ver-knüpft. Ich sagte, die Mysten lernten kennen den Dionysos als eine Geistgestalt; sie wurden sogar unterrichtet von ihm in den Myste-rien; sie lernten ihn erkennen als eine Geistgestalt, die ganz und gar beherrscht war von dem Wesentlichsten und Wichtigsten in der menschlichen eigenen Natur, die das auf der Erde feststehende menschliche Selbst darstellt. Wenn die griechischen Mysten ihren hellseherischen Blick hinrichteten auf diese Gestalt des Dionysos, dann erschien ihnen dieser Dionysos namentlich in seiner Geist-gestalt als eine schöne erhabene Gestalt, welche das Menschenturn äußerlich in herrlicher Weise darstellte. Nehmen wir einmal an, ein solcher Myste wäre da herausgegangen aus den Mysterien-stätten, nachdem er den Dionysos darin gesehen hatte als eine schöne erhabene Menschengestalt. Ich bemerke ausdrücklich, daß der Dionysos auch damals noch geistiger Lehrer war, als der reale Mensch Dionysos, von dem ich erzählt habe, daß er den Zug von Europa nach Asien und wieder zurück gemacht habe, schon gestor-ben war. In den Mysterien blieb der jüngere Dionysos noch lange Zeit Lehrer. Wenn aber ein solcher Myste herausgegangen wäre aus den Mysterienstätten und draußen in der exoterischen Welt den wirklichen fleischlich inkarnierten Dionysos gesehen hätte, jenen Menschen, zu dem der höhere Mensch gehörte, den er in den Mysterien gesehen hatte, dann hätte er keinen schönen Menschen
gesehen. Gerade wie heute der Mensch, der in den Mysterien steht, nicht hoffen darf, dieselbe Gestalt, die er in der geistigen Welt in hoher Schönheit vor sich sieht, in eben solch hehrer Schönheit auf dem physischen Plan zu sehen, wie er sich klar sein muß, daß die physische Verkörperung der Geistgestalt, die ihm in den Mysterien entgegentritt, vielfach eine Maja, eine Illusion ist und die hehre Schönheit der Geistgestalt verhüllt, dadurch, daß sie in der phy-sischen Welt in gewisser Weise häßlich ist: so war es auch in bezug auf Dionysos. Und was uns als das äußere Bild des Dionysos überliefert wird, der uns als eine nicht so vollkommene Götter-gestalt dargestellt wird wie der Zeus, ist tatsächlich das Bild des äußeren, im Fleische verkörperten Dionysos. Der Dionysos der Mysterien war der schöne Mensch; der äußere, im Fleische verkör-perte Dionysos wäre damit nicht zu vergleichen gewesen. Daher müssen wir die Gestalt des Dionysos nicht unter den schönsten Menschentypen der alten Zeit suchen. So stellt sie uns auch nicht die Sage vor, und namentlich diejenigen, die zum Gefolge des Dionysos gehören, müssen wir uns so vorstellen, daß sie in einer gewissen Beziehung als Satyrn, als Silenen verhäßlicht die äußere Menschengestalt vorstellen. Ja, wir finden sogar etwas höchst Merkwürdiges in der griechischen Mythologie. Uns wird gesagt, was wiederum wahr ist, daß der Lehrer des Dionysos selber ein recht häßlicher Mensch war. Diesen Menschen, der der Lehrer des Dionysos selber war, lernten auch die Mysten der Dionysischen Mysterien kennen: Silen! Silen wird uns aber als eine weise Individualität geschildert. Wir brauchen uns nur zu erinnern daran, daß eine große Anzahl von Weis-heitsaussprüchen dem Silen in den Mund gelegt wird, Weisheits-aussprüche, die vielfach darauf hindeuten, wie wertlos das gewöhn-liche Leben des Menschen genannt werden muß, wenn es nur in seiner Äußerlichkeit aufgefaßt wird, in seiner Maja, in seiner Illu-sion. Da wird uns erzählt ein Wort, das auf Nietzsche einen großen Eindruck gemacht hat, daß der König Midas den Lehrer des Dionysos, Silen, gefragt habe, was das Beste für die Menschen sei. Da sagte der weise Silen das bedeutungsvolle, schwerverständliche
Wort: Oh, ihr Eintagsgeschlecht, es wäre das Beste für euch, nicht geboren zu sein, oder, da ihr schon geboren seid, so wäre das Zweitbeste für euch, bald zu sterben! - Das muß richtig verstanden werden, dieses Wort Es will andeuten das Verhältnis zwischen der geistigen Realität der übersinnlichen Welt und der äußeren Maja, der großen Illusion oder Täuschung. So haben wir, wenn wir sie als physische Menschengestalten ins Auge fassen, im Grunde genommen wenig schöne Menschengestal-ten in diesen erhabenen Wesenheiten vor uns, oder wenigstens Menschengestalten, welche in anderem Sinne schön zu nennen sind als diejenigen, welche das spätere Griechentum mit der idealen Schönheit bezeichnete. Wir können in gewisser Beziehung den Dionysos noch idealisieren gegenüber dem, wie er als äußerer Mensch war. Wenn wir die Gestalt des Dionysos, die er im Phy-sischen hatte, vergleichen wollen mit derjenigen, durch die er im hehren Glanze in den Mysterien selbst dem Geiste nach erschien, so können wir das noch tun. Wir brauchen uns ihn nicht häßlich vorzustellen. Aber wir würden einen Fehler machen, wenn wir den Lehrer und Meister dieses Dionysos, den alten Silen, uns anders vorstellen würden als mit häßlicher, aufgestülpter Stumpfnase und mit spitzigen Ohren und gar nicht schön. Dieser Silen, dieser Lehrer des Dionysos, der also letzten Endes übermitteln sollte den Menschen die uralte Weisheit, zugerichtet für das menschliche Ich-Bewußtsein, eine Weisheit, die aus dem tieferen Selbst des Men-schen hervorkam, war noch näher verwandt mit allem Natürlichen, über das der Mensch mit seiner gegenwärtigen Leibesgestalt im wesentlichen hinausgeschritten ist. Der alte Grieche stellte sich vor, daß der Mensch zu seiner gegenwärtigen Schönheit in bezug auf seine äußere Maja aus einer alten häßlichen Menschengestalt her-vorgegangen ist und daß der Typus jener Individualität, die in Silen, dem Lehrer des Dionysos, verkörpert war, gar kein schöner Mensch war. Nun stellen Sie sich vor, was Ihnen als Schüler der Geisteswis-senschaft nicht schwer werden wird, daß wir sowohl in dem jünge-ren Dionysos selber wie in seinem Lehrer, dem weisen Silen, Individualitäten
vor uns haben, die nach allem, was ich bis jetzt aus-geführt habe, unendlich wichtig waren für die Heranerziehung des gegenwärtigen menschlichen Ich-Bewußtseins. Wenn wir uns also fragen nach den Individualitäten, welche - wenn wir uns richtig verstehen im Sinne der Geisteswissenschaft - sowohl für unser wie aber auch für das griechische Bewußtsein in der geistigen Umwelt waren oder sind und welche wichtig sind für alles das, was der Mensch geworden ist - wenn wir uns nach diesen Individualitäten umsehen, so finden wir diese zwei, den Dionysos und den weisen Silen. Diese Individualitäten sind da in uralten vorhistorischen Zei-ten, in die keine Geschichte, kein Epos zurückreicht, von denen aber allerdings die spätere Geschichte der Griechen und die Epen, namentlich die Sagen und Mythen, erzählen. In diesen Zeiten lebten sowohl der weise Silen wie auch Dionysos in physischen Leibern verkörpert und taten äußere physische Taten, starben, indem ihre Körper sterben mußten. Die Individualitäten blieben erhalten. Nun wissen wir ja: im Verlaufe der Menschheit geschieht so manches, was für den, der sich nur abstrakte Vorstellungen macht, ganz staunenswert ist, besonders in bezug auf Inkarnationen der menschlichen oder andersgearteten Wesenheiten. Manchmal sieht für den äußeren Blick eine spätere Inkarnation, trotzdem sie auf-wärtsgeschrirten ist, vielleicht unvollkommener aus als eine frühere. Eine schwache Vorstellung konnte ich nur aus geistigen Realitäten im zweiten Rosenkreuzer-Drama geben in den Inkarnationen des «Mönches» im Mittelalter und der «Maria» der neueren Zeit. So ist es auch in der Geschichte, daß den abstrakt Denkenden manchmal Verwunderung überkommen muß, wenn er zwei aufeinanderfolgende Inkarnationen oder wenigstens zusammengehörige Inkarnationen betrachtet. Der jüngere Dionysos, der, wie ich Ihnen sagte, im wesentlichen seine Seele ausfließen ließ in die äußere Kultur, sie aber doch in einer bestimmten Zeit wieder zusammenfassen konnte als Seele in einem einzelnen menschlichen physischen Leibe, wurde wiedergeboren, inkarniert unter den Menschen, aber so, daß er nicht seine alte Gestalt behielt, sondern hinzufügte zu seiner äußeren physischen Gestalt etwas von dem, was seine Geistgestalt
ausmachte in den Dionysischen Mysterien. Der jüngere Dionysos wurde wiedergeboren in geschichtlicher Zeit in einem mensch-lichen Leib, und auch sein Lehrer, der weise Silen, wurde wieder-geboren. Und daß diese Gestalten wiedergeboren worden sind, da-von hatte die Mystik des alten Griechenlands ihr deutliches Be-wußtsein. Davon hatten auch die Künstler des alten Griechenlands, die angeregt und inspiriert wurden von den Mysten, ihr deutliches Bewußtsein. Nach und nach müssen in der Geisteswissenschaft, die nicht bei der Phrase stehenbleiben, sondern zur Wirklichkeit über-gehen will, solche Dinge auch gesagt werden, die da wahr sind für die aufeinanderfolgende Entwickelung der Menschheit. Der alte weise Lehrer des Dionysos, Silen, wurde wiedergeboren, und es war dieser weise Silen in seiner Wiederverkörperung keine andere Persönlichkeit als die des Sokrates. Sokrates ist der wiederverkörperte alte Silen, der wiederverkörperte Lehrer des Dionysos. Und der wiederverkörperte Dionysos selber, jene Wesenheit, in welcher in Wahrheit die Seele des alten Dionysos lebte, das war Plato. Und man merkt erst den tieferen Sinn der griechischen Geschichte, wenn man eingeht auf das, was zwar nicht die Überlieferer der äußeren Geschichte Griechenlands wissen, was aber die Mysten wußten und von Generation zu Generation bis heute überliefert haben, was auch in der Akasha-Chronik gefunden werden kann. Die Geisteswissenschaft kann es wieder verkünden, daß Griechenland in seiner alten Zeit die Lehrer der Menschheit enthielt, die es hinüberschickte nach Asien in dem Zuge, den der Dionysos führte, dessen Lehrer der weise Silen war, und daß, in einer Art, wie es für die spätere Zeit angemessen war, erneuert wurde alles das, was Dionysos und der weise Silen für Griechenland werden konnten, in Sokrates und Plato. Gerade in derjenigen Zeit, in welcher in den Mysterien selber der Verfall eintrat, in welcher keine Mysten mehr da waren, die in den heiligen Mysterien hellseherisch noch schauen konnten den jüngeren Dionysos, trat dieser selbe jüngere Dionysos als der Schüler des weisen Silen, des Sokrates, in der Gestalt des Plato als der zweite große Lehrer Griechenlands, als der wahre Nachfolger des Dionysos auf.
Dann erkennt man erst im Sinne der alten griechischen Mystik selber den Sinn der griechischen Geisteskultur, wenn man weiß, daß die alte Dionysische Kultur ihr Wiederaufleben in Plato gefun-den hat. Und wir bewundern noch in einem ganz anderen Sinn den Platonismus, wir stehen zu ihm in seiner wahren Gestalt, wenn wir wissen, daß in Plato die Seele des jüngeren Dionysos war. ACHTER VORTRAG München, 25. August 1911
- G129-1960-SE159 - Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen
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ACHTER VORTRAG München, 25. August 1911
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Jm Laufe des gestrigen Vortrages konnten wir sehen, wie in die Natur des Menschen mannigfaltige Kräfte des Makrokosmos hereinspielen, und wir haben auch gesehen, wie die Griechenseele diese Kräfte des Makrokosmos empfand und sie in ihrer Art bildhaft zum Ausdrucke brachte in dem, was wir heute zum großen Teile in der griechischen Mythologie haben. Daß ich die griechische Mythologie mehrfach heranzog, geschah ja nicht aus dem Grunde, um sie zu erklären, sondern um von einer gewissen Seite her Urwahrheiten in entsprechender Art zu beleuchten, und dazu greift man besser zum Bilde und dann zu dem, was geschichtlich gegeben ist, als daß man sich an die abstrakten Vorstellungen unseres Lebens wendet, die in ihrer Armut die großen Weltenwunder nicht zum Ausdrucke bringen können. Wir haben auch gesehen, wie in der Dionysosfigur bereits etwas vorliegt, was mit unseren intimsten Seelenkräften zusammenhängt, mit dem, was wir Seelenprüfungen nennen können. Was nennen wir denn eigentlich im esoterischen Sinne Seelen-prüfungen? Seelenprüfungen treten ein, wenn der Mensch versucht, jene Wege der Seele einzuschlagen, die hinaufführen können in die geistigen Welten. Ich habe schon gestern die leichtesten und leisesten dieser Seelenprüfungen etwas angedeutet. Wenn wir im allgemeinen sprechen wollen, dann können wir sagen, die Prüfungen der Seele bestehen darin, daß man bei dem Wege in die höheren Welten hinauf Erlebnisse hat, denen man nicht so ohne weiteres, sondern erst durch eine gewisse Vorbereitung gewachsen ist. Die Prüfungen bestehen dann darin, daß man Anstrengungen machen muß, gewisse Erkenntnisse zu ertragen, diesen Erlebnissen sich ruhig gegenüberzustellen. Es ist Ihnen ein im Grunde genommen nicht weitab liegendes Seelenerlehnis gegen das Ende des zweiten Rosenkreuzer-Dramas «Die Prüfung der Seele» nahegelegt, und wir
können uns vielleicht gerade an diesem Erlebnis der Seele ver-anschaulichen, was im wahren Sinne des Wortes eine Seelenprü-fung ist. Denken wir uns da die Gestalt, die da geschildert ist als Capesius. Aus den beiden Dramen wissen wir, welche Erlebnisse Gapesius durchmacht. Wir sahen, wie er nach und nach an das gei-stige Leben herankommt, wie er erst nur Ahnungen davon erhält durch seinen gesunden Sinn, der ihn heraustreibt aus dem, was er bisher in bezug auf das Gelehrtenhafte getrieben hat. Capesius kommt zu Ahnungen, daß die geistige Welt dennoch eine höhere Realität in sich einschließt; er kommt dann, namentlich dadurch, daß er diese Ahnungen in sich auslebt, daß sie ganz lebendig in ihm werden, dazu, gewisse Eindrücke zu haben, die man notwendig haben muß von dem, was man die äußeren Veröffentlichungen des Okkultismus, der Geistes- oder Geheimwissenschaft nennen kann. Es unterscheiden sich diese Veröffentlichungen der Geistes-wissenschaft von anderen, sagen wir wissenschaftlichen oder literarischen Mitteilungen ganz prinzipiell. Während andere Mitteilungen einfach auf unseren Intellekt und vielleicht mittelbar durch unseren Intellekt auf unsere Gemütskräfte wirken, hat nur der in richtiger Art etwas Geistiges oder Geheimwissenschaftliches auf sich wirken lassen, der da fühlt, daß das innerste Leben seiner Seele durchrüttelt wird, daß es in gewisser Weise umgekehrt wird durch das, was ausfließt nicht an abstraktem Gehalt, sondern an lebendigem Leben von aller Geisteswissenschaft. So etwas fühlt Capesius, nachdem er durch seine Ahnungen sich durchgerungen hat, und er vertieft sich dann in dem ersten Bilde der «Prüfung der Seele» in Schriften, in das sogenannte Lebensbuch, das von Benediktus herrührt. Das aber hat nicht etwa nur die Folge für ihn, daß er nachdenkt, daß er, wie man das sonst macht, sein Gehirn zergrübelt und hinter den Sinn kommen will, sondern er fühlt die geistige Welt in einer für ihn unverständlichen Weise hereinbrechen. Ja noch eine andere Folge! Man könnte sehr leicht die Stimmung, die im ersten Bilde des zweiten Dramas herrscht, vergleichen mit der Faustischen Stimmung am Beginne des «Faust» von Goethe; dennoch ist sie ganz prinzipiell verschieden von dieser Fauststimmung. Die Fauststimmung
besagt eigentlich nur, daß man zu einer gewissen Art von Skepsis, von Zweifel an allem Wissen kommen kann, daß man dann aus seinem inneren menschlichen Drange heraus andere Wege sucht als die gewöhnlichen Wissens- oder Erkenntniswege. Bei Capesius ist noch etwas anderes der Fall. Er wird gerade dadurch am Anfange in die tiefen Zwiespalte geführt, daß er den Zweifel, das Verharren im Nichtwissen erkennen lernt als die größte Sünde des Menschen. Er lernt erkennen, daß in den tiefen Gründen der Menschenseele etwas ruht, was das gewöhnliche Bewußtsein des Menschen zunächst nicht kennt, von dem es nichts weiß. Ein Schatz ruht da unten in den tiefen Schächten unserer Seele. Wir bergen etwas in uns, was in diesen tiefen Seelenschächten zunächst für das normale Bewußtsein unerkennbar ist, und wir lernen, wenn wir uns der Gesinnung und der wahren Bedeutung der Geisteswissen-schaft nach in diese letztere vertiefen, daß es nicht nur eine ego-istische Sehnsucht ist, sondern daß es die tiefste menschliche Pflicht gegenüber den Kräften des Makrokosmos ist, den Schatz, der in unserer Seele ruht, nicht verkommen zu lassen. Man lernt, meine lieben Freunde, daß bei jedem Menschen, der in der Welt vorhanden ist, da unten in den Seelengründen etwas liegt, was einstmals die Götter aus ihrem eigenen Leib, aus ihrer eigenen Substanz in uns hineingelegt haben. Man lernt fühlen, die Götter haben auf ein Stück ihres eigenen Daseins verzichtet, haben sich das gleichsam aus ihrem Fleische gerissen, es von sich weg-genommen und es in unsere Seelen hineingelegt. Wir können nun als Menschen ein Zweifaches tun mit diesem Seelenschatze, der ein göttliches Erbteil ist. Wir körinen aus einer gewissen menschlichen Bequemlichkeit heraus sagen: Ach, was brauche ich Erkenntnis, die Götter werden mich schon selber zu den Zielen führen. - Das tun sie aber nicht, denn sie haben solchen Schatz in unser Inneres gesenkt, damit wir ihn durch unsere Freiheit herausheben. Wir können also diesen Seelenschatz in uns verkommen lassen. Das ist der eine Weg, den die Menschenseele einschlagen kann. Der zweite Weg ist der, daß wir uns unserer höchsten Pflicht bewußt werden gegenüber den himmlischen Mächten und uns sagen: Wir müssen
ihn heben, wir müssen ihn heraufbringen aus den verborgenen Tiefen in unser Bewußtsein herein. - Was tun wir denn, wenn wir diesen Seelenschatz heraufholen aus den Tiefen unseres Bewußt-seins? Dann geben wir diesem Seelenschatz: eine andere Form, als er früher im Leibe der Götter gehabt hat, aber in dieser Form, die er durch uns angenommen hat, geben wir ihn wiederum auf ge-heimnisvolle Weise den Göttern zurück. Mit unserer Erkenntnis betreiben wir keine persönliche Angelegenheit, mit unserer Er-kenntnis tun wir nicht etwas, was bloß unserem Egoismus dienen soll, wir tun nichts Geringeres, als daß wir das Gut, das edle Erbgut, das uns die Götter gegeben haben, ihnen wiederum in der veränderten Form, die es durch uns bekommen soll, zurückbringen in die höheren Welten, damit sie es mit uns wieder haben. Wenn wir aber den Seelenschatz verfallen lassen in uns, dann treiben wir im wahrsten Sinne Egoismus, denn alsdann bleibt dieser Seelen-schatz unwiederbringlich für den Weltenprozeß verloren: der Göt-ter Erbteil lassen wir verwesen, wenn wir nicht erkennen wollen in uns. Des Capesius Stimmung geht daraus hervor. Er fühlt in der ersten Szene des zweiten Dramas, daß es seine Pflicht ist, nicht im Zweifel zu verharren, nicht etwa stehenzubleiben bei der Empfindung, man könne nichts wissen, sondern daß es in höherem Sinne eine Pflichtverletzung gegen die kosmischen Mächte wäre, den Seelenschatz verwesen zu lassen. Er fühlt sich nur im Beginne unfähig, die Werkzeuge seines Leibes zu gebrauchen, um diesen Seelenschatz zu heben. Und das ist die Diskrepanz in seiner Seele, das ist nichts Faustisches mehr. Er sagt sich vielmehr: Du mußt erkennen, du darfst gar nicht im Nichterkennen verharren und dich etwa dem Gefühl hingeben, wie schwach die Kräfte sind, die wir zunächst als Resultat unseres gewöhnlichen Lebens zu unserer Verfügung haben, um den angedeuteten Seelenschatz zu heben. - Da gibt es dann nur ein einziges: Vertrauen haben zu der eigenen Seele. Wenn sie in Geduld nach und nach entwickelt, was in sie gelegt ist, dann müssen ihr die Kräfte, die sie jetzt noch schwach fühlt, immer mehr und mehr wachsen, so daß sie ihre Pflicht gegenüber
den kosmischen Mächten wirklich erfüllen kann. Dieses Vertrauen in die Tragkraft und Fruchtbarkeit der menschlichen Seele muß uns tragen, wenn wir oftmals, weil wir nur die aus der Ver-gangenheit erworbene Kraft mitbringen, ratlos und furchtsam stehen, wenn es uns erscheint: Du mußt, und du kannst nicht in diesem Augenblick! Alle Prüfungen der Seele spielen sich im Grunde genommen so ab, daß wir vor dieser Furcht oder vor dieser Ohnmacht zurück-schaudern. Und nur wenn wir in uns jene Seelenstärke finden, die aus dem Vertrauen zu sich selbst hervorgeht, aus dem Vertrauen, das uns allmählich durch die Vertiefung in die Geisteswissenschaft heranwächst, nur dann können wir solche Prüfungen im wahren Sinne des Wortes bestehen. Sie werden es schon gesehen haben aus alledem, was der Geist dieser Vorträge war, daß in den Menschen herein, in seine ganze Natur und Wesenheit im Grunde genommen zwei Weltenströmun-gen spielen. Um diese zwei Weltenströmungen wirklich im Men-schen zu harmonisieren, dazu gehört Seelenstärke, dazu gehört die Kraft, sich mutig und kühn den beiden Strömungen entgegenzu-halten. Das sehen Sie nun ganz deutlich ausgedrückt am Ende des zweiten Dramas «Die Prüfung der Seele». Da sehen wir, wie Capesius durchgegangen ist durch wichtige okkulte Erlebnisse, wie er einen Blick tun durfte in seine vorhergehende Inkarnation, wie er sich kennenlernen durfte, so wie er vor Jahrhunderten auf unse-rer Erde war. Und dann finden Sie einen Ausspruch, den man wahr-haft nicht leicht nehmen soll, den Ausspruch, daß die Erkenntnis des einen Lebens uns Pflichten auferlegt für viele Leben, nicht bloß für eines. Denken Sie nur einmal, meine lieben Freunde, daß man da sieht, wenn man in die vorhergehende Inkarnation zurückblickt, wie man zu dem oder jenem Menschen gestanden hat, was man an dem oder jenem Menschen verschuldet hat, so daß man sein Lebens-konto in einem weiten Maße belastet fühlt, wenn man diesen Blick in die vorhergehende Inkarnation getan hat. Dann tritt eines vor unsere Seele hin, was uns recht mutlos machen könnte. Wir erkennen: Du kannst in deiner gegenwärtigen Inkarnation gar nicht
alles gutmachen, was du auf deinem Schuldkonto auf dich geladen hast. - Es entsteht allerdings bei vielen Menschen die tiefste Sehn-sucht, möglichst viel gutzumachen, aber sie entsteht aus Egoismus. Denn das eine ist ganz unerträglich für die meisten Menschen und ihren Egoismus: daß sie vieles, vieles von diesem Schuldkonto durch die Todespforte hindurchtragen sollen, daß sie wissen: Du mußt sterben und mußt in die nächste Inkarnation hinein dieses oder jenes von deinem Schuldkonto mitnehmen. - Diese Kühnheit aber, sich frei und ehrlich zu gestehen: Du hast Schlechtigkeit auf deiner Seele, die erfordert eine hohe Egoismuslosigkeit, während im allgemeinen der Mensch dazu veranlagt ist, so gut sein zu wollen, als seine Vorstellung von dem, wie ein Mensch gut sein kann, reicht. Wer wirklich okkulte Erfahrungen dieser Art gemacht hat, der muß sich seine Schlechtigkeit rückhaltlos gestehen können und sc> gar sich sagen können, daß es unmöglich ist, alles schon in diesem Leben gutzumachen. Romanus sagt das mit einem Worte, das paradigmatisch sein will, sagt, daß es notwendig ist, Schuld aus dem vorhergehenden Leben hindurchzutragen durch die Pforte des Todes, kühn ent-gegenzublicken dem Augenblick, da der Wächter vor uns steht, der uns unser Schuldkonto vorhält. Das sagt Romanus in der « Prüfung der Seele», und es ist notwendig, daß wir dieses berücksichtigen. Da stehen wir vor der anderen Strömung, die man so bezeichnen könnte: Wenn der Mensch nun nicht jene triviale Selbsterkenntnis, sondern wirkliche Selbsterkenntnis übt, wenn er wirklich etwas wissen lernt von seiner innersten Wesenheit, dann findet er in der Regel etwas, was er durchaus nicht haben möchte, was ihm nicht nur unbequem im höchsten Grade, sondern, wenn es wirklich auftritt, zerschmetternd für ihn ist. Vergleichen Sie mit dieser Grundempfindung der menschlichen Seele, die etwas Zer-schmetterndes hat, was in so vielen Seelen herrscht, auch wenn sie schon gewisse Bekanntschaft haben mit der Geisteswissenschaft. Wie oftmals kann das Wort gehört werden: Ach, ich tue das aus reiner Selbstlosigkeit heraus, ich will nichts für mich, und so weiter. - Vielleicht gerade dann, wenn man am allermeisten für sich
selber will, dann maskiert, kaschiert man sich das dadurch, daß man sagt: Ich will das nicht für mich haben. - Das ist eine alltägliche Erfahrung. Besser aber ist es, daß man sich gesteht, wie es wirklich ist, daß man im Grunde genommen auch die scheinbar selbstlosesten Handlungen für sich haben will. Denn dadurch legt man eine Grundlage, um nach und nach das Bild ertragen zu lernen, das einem der Hüter der Schwelle, der Wächter gegenüber der geistigen Welt, wirklich entgegenstellt. Und nun werfen wir in höherem Sinne die Frage auf: Warum finden wir denn so vieles unharmonisch in uns? Was bewirkt es denn eigentlich, daß wir so vieles Unharmonische in uns finden? -Ja, sehen Sie, das hängt zusammen mit der ganzen Menschheits-entwickelung. Man muß sich schon darauf einlassen, diese Mensch-heitsentwickelung etwas gründlicher zu betrachten, wenn man ver-stehen will, warum der Mensch gerade dann, wenn er tiefer in seine Natur und Wesenheit hineintaucht, so vieles Unharmonische findet. Setzen wir also jetzt einmal für den Augenblick voraus, daß da ein tiefer Seelenschatz in uns verborgen ist, der für das heutige normale Bewußtsein gänzlich unbewußt eigentlich ist, daß wir, wenn wir ihn in unseren Seelenprüfungen auffinden, dann unendlich viel Disharmonisches auf dem Grunde unserer Seele finden, vieles, vor dem wir zurückschaudern, zurückschrecken können, uns zerschmettert fühlen können. Was ist es, was wir da in uns tragen? Wir wissen alle, daß die Menschheitsentwickelung eine sehr komplizierte war, bevor der Mensch seine gegenwärtige Stufe erreicht hat. Wir wissen, daß der Mensch, um zu seiner heutigen Gestaltung zu kommen, die alte Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung durchmachen mußte und daß er dann erst in die Erden-entwickelung eintrat. Wenn einmal in einem weiteren Kreise bekannt sein wird, wie kompliziert eigentlich die wahren Tatsachen des Lebens sind, wie man gar nichts verstehen kann von dem, was der Mensch ist und was den Menschen umgibt, ohne daß man zurückblickt auf diese Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung, dann wird man sehen, wie unendlich naiv es ist, was unsere heutige abstrakte Wissenschaft darbietet, wie sehr diese Wissenschaft
eigentlich nur an der Oberfläche der Dinge haften bleibt. Durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung hat sich langsam vorbereitet und ausgestaltet, was wir als die viergliedrige Wesen-heit des Menschen heute haben. Und als die Mondenentwickelung abgelaufen war, war der Mensch auf einer bestimmten Höhe der Entwickelung angelangt. Die Zeit zwischen der Monden- und Erdenentwickelung ist dann damit ausgefüllt worden, daß das Geistige, was auf dem Monde vom Menschen vorhanden war, verarbeitet wurde zum neuen Keime der Erdenentwickelung. Wie ist nun der Mensch als Ergebnis der Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung auf unserer Erde angekommen? Wir haben uns diese Frage von den verschiedensten Seiten her schon beant-wortet. Wir wollen heute noch eine neue Seite hinzufügen. Denn das, was eigentliche okkulte Tatsachen sind, kann man nicht da-durch erkennen, daß man ein paar abstrakte Begriffe hinpfahlt, sondern indem man es sich von allen Seiten beleuchtet und so sich dem nähert, was die Wahrheit ist. Der höheren Wahrheit Wege sind verworren, und nur der kann sie gehen, der in Geduld durch Labyrinthe wandern will. Wie ist der Mensch, als er sein Ergebnis von dem Monde heräbergebracht hat, innerhalb der Erdenentwickelung angekommen? Alles das, was des Menschen heutiger physischer Leib ist, war, als die Erde im Beginne ihrer Entwickelung war, so wie wir es heute im physischen Leibe wahr-nehmen, im Grunde genommen noch gar nicht vorhanden. Wenn auch auf dem alten Saturn schon die erste Anlage zu diesem phy-sischen Leibe vorhanden war, wenn auch auf der Sonne und dem Monde diese Anlage sich weiter entwickelte und auf dem alten Monde schon eine hohe Stufe erlangt hatte, so müssen Sie sich doch vorstellen, daß in der Zwischenzeit zwischen Saturn- und Sonnenentwickelung, zwischen Sonnen- und Mondenentwickelung, zwischen Monden- und Erdenentwickelung alles das, was sich als Anlage des physischen Leibes und der anderen Leiber entwickelt hatte, wiederum sich vergeistigt hat. Es ist wieder in übersinnliche Substantialität übergegangen, als der Mond seine Entwickelung ab-geschlossen hatte. Da war das Physische, das sich auf dem Saturn
entwickelt und sich weiter gestaltet hatte, natürlich nicht ein Phy-sisches, sondern das alles war wiederum in den Geist zurück-genommen, war gleichsam aufgelöst, war darin als Kräfte vorhan-den, welche physische Gestaltungen hervorrufen konnten - aber Physisches war nicht vorhanden. Als die Erdenentwickelung be-gann, war das, was wir den physischen Leib nennen, nicht als ein physischer Leib vorhanden, sondern es war geistig vorhanden, so daß es sich nach und nach zum physischen Leibe verdichten konnte. Es enthielt die Kräfte, die dann zur Verdichtung des physischen Leibes führen konnten. Das müssen wir in Erwägung ziehen. Ja, wir können noch weiter gehen. Wir wissen, daß wir jetzt in der nachatlantischen Zeit stehen, wissen, daß dieser die atlantische Zeit und die lemurische Zeit vorangegangen ist. Und wir kommen dann, wenn wir hinter die lemurische Zeit zurückgehen, zu noch älteren Zeiten der Erden-entwickelung. Als aber die lemurische Zeit heranrückte, da war der Mensch noch immer nicht als physischer Leib in seiner heutigen Gestalt vorhanden. Da war das, was heute physisch ist, in seinen dichtesten Gebieten im Grunde genommen als Ätherleib vorhanden, das heißt, die Kräfte unseres jetzigen physischen Leibes waren damals wie aufgelöst im Ätherleib. Dieser Ätherleib hatte nur eben solche Kräfte, daß, wenn sie sich ihrer eigenen Natur nach ver-dichteten, sie dann zu unserem physischen Leibe führen konnten; sie waren also in gewisser Beziehung die Kräfte des physischen Leibes, aber sie waren nicht als physischer Leib vorhanden. Also noch als der Mensch seine lemurische Entwickelung antrat, war im Grunde genommen seine dichteste Leiblichkeit eine ätherische, und alle Verdichtung zu dem physischen Leibe ist erst von der lemu-rischen Zeit an geschehen. Und diese Verdichtung zum physischen Leib hat sich in einer komplizierten Art vollzogen. Der Mensch war also zunächst für die geistige Anschauung in einem Ätherleibe vorhanden. In diesem Ätherleibe waren jene Kräfte des physischen Leibes, die durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung erworben waren. Sie hatten die Tendenz, sich zu verdichten, so daß der physische Leib nach und nach entstehen konnte, aber sie
waren noch nicht physischer Leib. Der Mensch würde aber nicht so geworden sein, wie er heute ist, wenn sich die Kräfte seines physischen Leibes einfach so verdichtet hätten, wie sie damals ver-anlagt waren. Wenn das alles, was dazumal im Beginne der lemu-rischen Zeit Anlage war, im physischen Leibe des Menschen zum Ausdrucke gekommen wäre, dann würde der Mensch auch äußer-lich physisch ganz anders aussehen. Das müssen wir uns gegenwärtig halten, daß in der Tat der Mensch heute anders aussieht, als er veranlagt war in jener Zeit, die wir hinter die alte lemurische Zeit zurückzuverlegen haben. Es haben eben im Laufe der lemurischen, der adantischen und nach-atlantischen Zeit nicht nur diejenigen Kräfte in der menschlichen Natur gewirkt, die dazumal als Anlagen im Menschen vorhanden waren, sondern es haben auch noch andere Kräfte gewirkt. Wenn wir uns nun eine Vorstellung machen wollen, wie die Kräfte des Ätherleibes weiter gewirkt haben, dann können wir uns das am besten veranschaulichen an einem bestimmten Organsystem des menschlichen physischen Leibes. Wir wollen einmal darauf ein-gehen, wie aus dem Ätherleib heraus zunächst ein Teil der mensch-lichen Wesenheit seit der alten lemurischen Zeit geworden ist.
- Bild s.168
Nehmen wir einmal an, es würde uns diese Zeichnung vergegen-wärtigen den Ätherleib des Menschen, wie er war, als die Erden-entwickelung vor der lemurischen Epoche begann. In diesem Ätherleibe
sind die mannigfaltigsten Strömungen, sind die mannigfaltigsten Kräfterichtungen, die das Ergebnis der alten Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung sind. Von diesen Kräften, die da darin sind, von diesen Strömungen wollen wir etwas herausheben. Eine gewisse Summe von Strömungen tendierte dahin, richtete ihre Ziele dahin, alles das in dem menschlichen physischen Organismus zustande zu bringen, was wir nennen können die Blutzirkulation mit ihrer Zentralisierung mit ihrem Mittelpunkt im Herzen. Also, es sind Kräfte, die im alten Saturn-, Sonnen- und Mondenzustand erworben worden sind, die aber im Ätherleib vor der lemurischen Zeit verankert waren, welche sich gleichsam so verdichteten, daß das Blutsystem mit seinem Mittelpunkt, dem Herzen, als Physisches herauskommen konnte. So haben wir jenes Organsystem ins Auge gefaßt, das aus einer bestimmten Art von Kräften unseres Ather-leibes als physische Verdichtung nach und nach von der alten lemutischen Zeit an hervorgegangen ist. Wie Sie sehen können, daß aus einer Lösung von Kochsalz in Wasser sich bei entsprechender Behandlung das Kochsalz herauskristallisiert, eine Kristall-gestalt wird, die sich heraushebt aus der Lösung, so iSt es im höheren Sinn bei dem, was wir das Blutsystem und das Herz nennen. Es kristallisiert sich heraus aus Kräften des menschlichen Atherleibes, die eben die Tendenz haben, sich zu diesem physischen Organ-system zu verdichten. Erst im Verlaufe dieser Erdenentwickelung konnten sie sich zu diesem physischen Herzen herausentwickeln. Wir werden noch sehen warum das erst im Verlaufe der Erden-entwickelung geschah und' nicht zum Beispiel schon im Verlaufe der Mondenentwickelung Was ist denn eigentlich für uns das Blut-system und das Herzsystem? Verdichtete Ätherwelt verdichtete Kräfte der Ätherwelt. Für die Erdenentwickelung nun würde für diejenigen Kräfte, die sich da zu unserem Herz- und Blutsystem verdichtet haben, eine Art von Ende, eine Art von Tod eingetreten sein mir dem Momente wo sie jene Dichte erlangt hätten, die eben unser physisches Herz und das physische Blut, dieses ganze System heute zeigt. Das ist das Bedeutungsvolle und Geheimnisvolle der Erdenentwickelung, daß nicht nur diese Verdichtung stattfand,
daß nicht nur die Kräfte, die herübergebracht worden sind von dem alten Saturn, der alten Sonne und dem alten Mond, sich zu einem solchen Organsystem verdichtet haben, daß also nicht nut dasjenige, was im Ätherleibe war, physischer Leib wurde, sondern daß für jedes unserer Organsysteme in der Erdenentwickelung ein Impuls eintritt, durch welchen das, was früher Äther war und sich zu Physischem verdichtet hatte, wiederum aufgelöst, wiederum zu-rück in den Äther verwandelt wird. So gehört es also zu den wich-tigsten Impulsen unserer Erdenentwickelung, daß die Ätherkräfte, nachdem sie sich zu einem Organsystem verdichtet haben, nicht bei diesem Ziel- und Endpunkt gelassen werden, sondern daß gleichsam andere Kräfte, andere Impulse eingreifen, die wiederum auflösen. In demselben Momente, wo unsere menschlichen Organe ihre stärkste Dichtigkeit in der Erdenentwickelung erlangt haben, da lösen gewisse Mächte des Makrokosmos die Substantialitäten dieser Organsysteme wieder auf, so daß das, was früher gleichsam hineingeschlüpft ist in die Organsysteme, jetzt wiederum heraus-kommt, wiederum sichtbar wird. Wir können nun okkult gerade am genauesten bei unserem Herzen und dem durch dasselbe strömenden Blute verfolgen, wie diese Auflösung geschieht, wie also die Erdenimpulse eingreifen in die Substanzen eines solchen Organsystems. Fortwährend strömt für den hellseherischen Blick von unserem Herzen, als dem Ergebnis unseres Blutkreislaufes etwas aus. Wenn Sie das Blut hellseherisch durch den menschlichen Leib pulsieren sehen, dann sehen Sie auch, wie dieses Blut sich gleichsam im Herzen wiederum verdünnt, wie da das Blut wiederum in seinen feinsten Teilen, also nicht in seinen gröberen, sondern in seinen feinsten physischen Teilen sich auf-löst und in die Ätherform zurückgeht. Wie das Blut im Äther sich nach und nach gebildet hat, so haben wir jetzt auch schon wie-derum im gegenwärtigen Menschenleib den umgekehrten Prozeß. Das Blut ätherisiert sich, und es strömen fortwährend vom Herzen Ätherströme aus, welche gegen den menschlichen Kopf hinströmen, so daß wir den Ätherleib zurückgebildet sehen auf dem Umweg des Blutes. Dasjenige also, was sich kristallisiert hat in der
vorlemurischen Zeit aus dem Äther heraus zum menschlichen Blut-system und dem Herzen, das sehen wir jetzt wiederum sich zurück-ätherisieren und heraufströmen im menschlichen Ätherleibe zu dem Kopfe. Und würde dieser Teil der menschlichen Ätherströmungen nicht fortwährend vom Herzen nach dem Kopfe strömen, so könnten wir noch so viel versuchen, über die Welt zu denken und von der Welt zu erkennen, wir würden nichts mit dem bloßen Instrumente unseres Gehirns denken können. Unser Gehirn wäre für die Erkenntnis ein ganz unbrauchbares Organ, wenn es nur als physisches Gehirn wirken würde. Man kann sich aus dem Okkultismus heraus eine Vorstellung davon machen, wie das Gehirn wirken würde, wenn es heute auf sich selbst angewiesen wäre. Da würde der Mensch nur das denken können, was sich auf die inneren Bedürfnisse seines Leibes bezieht. Er würde denken können zum Beispiel: Ich habe jetzt Hunger, ich habe jetzt Durst, ich will jetzt diesen oder jenen Trieb befriedigen. - Der Mensch würde nur das denken können, was sich auf seine eigenen leiblichen Bedürfnisse bezieht, würde, wenn er bloß auf sein physisches Gehirn angewiesen wäre, der denkbar größte Egoist sein. So aber wird unser Gehirn fortwährend durchströmt von jenen feinen substantiellen Ätherströmungen, die vom Herzen herauf fließen. Diese Äther-strömungen haben eine unmittelbare Verwandtschaft zu einem zarten, wichtigen Organ des Gehirns, zu der sogenannten Zirbeldrüse. Sie umspülen und umsprühen fortwährend die Zirbeldräse. Die Zirbeldrüse wird von diesen feinen Ätherströmungen umglüht, und ihre Bewegungen als physisches Gehirnorgan sind im Einklange mit den Ätherströmungen, welche ich Ihnen so als vom Herzen ausgehend geschildert habe. Dadurch aber stehen diese Ätherbewegangen wiederum mit dem physischen Gehirn in Verbindung, prägen dem physischen Gehirn zu der egoistischen Erkenntnis dasjenige ein, was uns möglich macht, von der Außenwelt, von dem, was wir nicht selbst sind, etwas zu erkennen. Auf dem Umwege durch unsere Zirbeldrüse wirkt also unser ätherisiertes Blutsystem wiederum zurück auf unser Gehirn. Eine nach einer gewissen Richtung noch genauere Ausführung dieser Tatsache werden Sie finden,
wenn die Vorträge erscheinen werden, welche ich als So sehen wir, daß wir nicht nur einen Prozeß haben innerhalb des Erdenwerdens, der zu einer Verdichtung führt, sondern auch wiederum eine Rückverdünnung. Wenn wir das ins Auge fassen, so müssen wir sagen: Also tragen wir in uns Kräfte, die gewisser-maßen rückgebildet werden zu der Gestalt, die sie schon hatten während der alten Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung Der Mensch, so wie er es heute in sich trägt, weiß ja durch sein gewöhn-liches Bewußtsein nichts von diesem wunderbaren Kräftespiel in seinem Ätherleib, das eine Kommunikation herstellt zwischen seinem Herzen und seinem Gehirn. Derjenige, welcher im Verlaufe einer okkulten Entwickelung zum Bewußtsein davon kommt, der wird in einer eigenartigen Weise diese Ätherströmungen gewahr. Hier liefert die Selbsterkenntnis etwas höchst Merkwürdiges, etwas höchst Bedeutungsvolles. Da lernt man erkennen, wie diese Kräfte aus dem Herzen heraufströmen zum Gehirn, um dieses Gehirn so zu gestalten, daß es der Mensch als Werkzeug seines Seelenlebens brauchen kann. Aber man merkt sogleich, daß diese Kräfte, man möchte sagen, nicht ungeschoren hindurchgegangen sind durch die menschliche Organisation, daß der Mensch sie nicht so entläßt, wie sie hineingegangen sind in sein Herz. Alles, was der Mensch mitt-lerweile entwickelt hat, aus dem Unbewußten heraus entwickelt hat an niederen Trieben, Begierden, an alledem, was sich in seine Natur hineinbegeben hat, das wird wiederum mit hineingetragen in die Ätherströmung, die wir aus dem Herzen heraus bilden. So haben wir sie gleichsam in der alten lemurischen Zeit in gewisser Beziehung als reine Ätherströmung erhalten, die keine andere Gier, keinen anderen Willen hatte, als sich zu dem wunderbaren, weis-heitsvollen Bau unseres Herzens zu verdichten. Dann haben wir gelebt als physische Menschen mit diesem Herzen und Blutsystem, haben auf der Erde verschiedene Inkarnationen durchgemacht, ohne daß wir etwas wußten von dieser Verdichtung unseres alten
Ätherleibes zum physischen Teile des Herzens und Blutsystems Und wir haben uns durchdrungen mit all dem, was an Begierden, an Sehnsüchten, an Sympathien und Antipathien, an Affekten und Leidenschaften, an Gewohnheiten, an Irrtumern durch uns gezogen ist, und von diesem allem ist der Ätherleib, der nun neu ersteht, der nun hinaufgeht zum Gehirn, getrübt, durchsetzt. Das schicken wir von unserem Herzen mit hinauf, und dessen werden wir uns jetzt gewahr in wirklicher Selbsterkenntnis. Wir werden gewahr, daß wir dasjenige, was wir von den Göttern selbst in der Tiefe unseres Leibeslebens erhalten haben, den Göttern nicht wiederum in der gkichen Art zurückgeben können, sondern verunreinigt durch unsere eigene Wesenheit Wir müssen uns nun nach und nach nähern dem, was eben jetzt als eine Art Unreinheit unseres eigenen Wesens geschildert worden ist. Wenn wir das verstehen wollen, dann müssen wir uns folgendes vorhalten: Als die Saturnentwickelung begonnen hat, besser gesagt, bevor sie noch begonnen hat, da ist die Ätherströmung aller Menschheit und aller Erdenentwickelung, auf die wir hingedeutet haben, noch eine einzige, und eigentlich entsteht in dem Momente, wo die Saturnentwickelung einsetzt, der Zwiespalt, die Zweiheit in den Kräften des Makrokosmos. Auch darauf werden wir noch wei-sen, warum das entstanden ist; jetzt wollen wir nur die Tatsache anführen. Erst mit dem Momente, da die Saturnentwickelung be-ginnt, setzt die Zweiheit in allem makrokosmischen Wirken ein. Diese Zweiheit deutet die griechische Mythologie dadurch an, daß sie den alten Saturn oder Kronos, wie ihn die alten Griechen nannten, zugleich zum Gegner seines Vaters, des Uranos, macht, und dadurch ist zugleich angezeigt, daß sie sich bewußt ist, daß ursprünglich eine Einheit aller makrokosmischen Kräfte vorliegt. Als aber der alte Saturn oder Kronos sich zu kristallisieren beginnt, da widersetzt sich sogleich etwas, was in diesen Kronos hinein-geheimnißt ist, der universellen Entwickelung. Es tritt ein Zwiespalt auf, und wenn wir heute dabei bleiben wollen, was ausgeführt worden ist, dann können wir sagen: Die ganze Summe der göttlich-geistigen Wesenheiten, die damals in der Entwickelung
gewaltet hat, als der Saturn mit seinem Werden einsetzte, spaltete sich in sich gewissermaßen, so daß wir jetzt eine Entwickelungs-Strömung, welche unmittelbar beteiligt ist an alledem, was durch Saturn, Sonne und Mond bis zu unserer Erde herauf geschieht, und eine andere Strömung neben dieser Hauptströmung haben. Wenn ich einen groben Vergleich gebrauchen soll, so können Sie sich diese Nebenströmung etwa vorstellen, wenn Sie sich das Verhältnis der Luft, der Atmosphäre, welche die Erde umgibt, denken als eine feinere Substanz zu den dichteren Partien der Erde, zum Wasser und zur festen Erde. So könnten wir uns auch vorstel-len, daß eine dichtere Entwickelung über Saturn, Sonne und Mond geht, daß aber diese dichtere Entwickelung immer eingehüllt ist von einer dünneren Entwickelung. Wir könnten uns gleichsam vor-stellen, daß der alte Saturn, die alte Sonne und der alte Mond ihre göttlich-geistigen Wesenheiten unmittelbar auf sich wirken haben in ihrer eigenen Substanz, daß aber immer im Umkreis andere göttlich-geistige Wesenheiten sind, die ihrerseits die geistigen Wesenheiten, welche in Saturn, Sonne und Mond unmittelbar wir-ken, umgeben, wie die Luft die Erde umgibt. Wir haben damit zwei Götter- oder Geistesreiche angedeutet, von denen das eine unmittelbar an allem teilnimmt, in alles eingeht, was aufeinander-folgend auf Saturn, Sonne und Mond geschieht; die andere Götter-generation, die andere Reihe von Göttern hält sich gleichsam etwas fern, greift nur von außen, mittelbar ein, und wir müssen uns jetzt eine Vorstellung davon machen, wie sich die eine Götterart zu der anderen Götterart verhält. Und ich bitte wohl jetzt darauf zu achten, wie das Verhältnis der eigentlich umfassenderen Götter, die sich unmittelbar beteiligen an der Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung, zu den anderen Göttern ist, die gleichsam diese Weltenkugel in ihrer Aufeinanderfolge umschweben. Sie können sich am besten eine Vorstellung davon machen, wie das ist, wenn Sie zunächst auf den Menschen selber einige Blicke werfen. Nehmen Sie die menschliche Seele; sie denkt. Was heißt das: sie denkt? Das heißt, sie bringt Gedanken hervor. Das ist ein Prozeß, der sich in uns abspielt und der da macht, daß wir auf
der einen Seite dieses reale Seelenwesen sind und auf der anderen Seite unsere Gedanken fortwährend aufsteigen, gleichsam diese Seele fortwährend einhüllen. Der Mensch mit seinem Denken ist auch als Seelenwesen noch auf einer verhältnismäßig untergeord-neten Stufe der Weltorganisation. Diejenigen Wesenheiten, die wir jetzt als Götter bezeichnet und in zwei Strömungen unterschieden haben, stehen auf einer weit höheren Stufe. Denken Sie sich einmal, der Mensch wäre nicht nur imstande, seine Gedanken als bloße Gedanken zu fassen, sondern die menschliche Seele wäre so stark, daß dasjenige, was sie denkt, gleich darauf eine Wesenheit würde, daß wir unsere Gedanken als Wesenheiten gebären würden, daß, wenn wir einen Gedanken fassen würden, er schon wirklich dastehen würde. In gewisser Weise bleibt er in der AkashaChronik, aber er verdichtet sich nicht so, daß der Mensch ihn als Realität vor sich hat. Denken Sie sich, wir würden nicht Gedanken denken, sondern mit jedem Gedanken würden wir eine Wesenheit hervorbringen. Dann haben wir erfaßt, was innerhalb der göttlich-geistigen Welt geschieht. Die in schönster Harmonie, in schönster Einheit lebenden Götter, die da waren vor dem alten Saturn, stellten sich selber vor: sie dachten. Nur waren ihre Gedanken nicht so wie die menschlichen Gedanken, daß man sie irreal nennen muß, sondern sie waren Wesenheiten, waren andere Götter. So daß wir Göttergenerationen haben, die ursprünglich durch sich selbst in ihrer Realität sind, und andere, die einfach die realen Vorstellungen der unmittelbar mit Saturn, Sonne und Mond verknüpften Götter sind. Das sind die Gottheiten, welche gleichsam umschweben die in ihrer Entwickelung befindliche Weltenkugel von Saturn, Sonne und Mond. Wir haben also zweierlei Göttergenerationen. Die eine Götter-generation ist die Vorstellungswelt der anderen, verhält sich tat-sächlich zu der anderen, wie sich unsere Gedanken zu unserem realen Seelendasein verhalten. Wie haben wir denn bisher die-jenigen Götter genannt, welche da eigentlich bloß die Gedanken der anderen sind? Diese Götter, die nur die Gedanken der anderen sind, haben wir bisher wegen gewisser Eigenschaften die luziferischen
Wesenheiten genannt, und wir müssen im weiteren Umfang alles zu den luziferischen Wesenheiten rechnen, von dem wir sagen können: die ursprünglichen Götter hatten das Bedürfnis, sich selbsterkennend vorzustellen. Deshalb stellten sie sich wie kos-rnische Gedanken oder Gedankenwesen den luziferischen Wesen-heiten gegenüber, wie heute dem Menschen seine Gedanken gegen-überstehen. Und wie sich der Mensch im Grunde genommen erst in seinen Gedanken erkennt, so lernten sich die ursprünglichen Götter an Luzifer und seinen Scharen erkennen. Wir könnten das noch etwas anders ausdrücken. Wir könnten sagen, daß diese Wesenheiten, die eigentlich nur die Vorstellungen der anderen waren, immer zurückgeblieben sind gegenüber der anderen Ent-wickelung. Die vorschreitenden Götter haben gleichsam etwas von sich zurückgelassen, so daß sie darauf zurückblicken konnten und sich, wie man sich im wirklichen Leben nur in einem Spiegel er-kennen kann, in diesem aus ihrer Substanz herausgeworfenen Spie-gel selbst schauen konnten. So sind in der Tat die luziferischen Wesenheiten zurückgebliebene Wesenheiten, aus den ursprüng-lichen Göttern herausgeworfene Wesenheiten, die da waren, damit ein Spiegel der Selbsterkenntnis für die fortschreitenden Götter-gestalten vorhanden ist. In einem gewissen Sinn ist das, was in unserer Seele in uns selbst mikrokosmisch vorgeht, durchaus ein Abbild dieses Makrokosmos. Nur ist das in uns umgekehrt vorhanden, was in dem Makrokosmos in einer gewissen Weise vorgebildet ist. Wir tragen in unserem Mikrokosmos ein Abbild dieses Götterzwiespaltes, dieser Göttergenerationen, von denen die eine eine ursprüngliche ist und die andere eine aus dieser ursprünglichen herausgeborene Reihe von Wesenheiten, die da sind, damit sich diese anderen Wesenheiten vorstellen können. Sie können daraus entnehmen, daß ein großer Unterschied sein muß in diesen beiden Strömungen der Göttergenerationen; er zeigt sich uns auch ganz klar. Er zeigt sich uns darin, daß unser ganzes umfängliches Selbst mit all dem, was unbewußt in uns ist, aus dem auch unser Leibesorganismus hervorgegangen ist, aus der ursprünglichen Göttergeneration
stammt. Das jedoch, was wir erleben mit unserem Bewußtsein, das, was wir überschauen können mit unserem gewöhnlichen alltäg-lichen Bewußtsein, stammt von der Göttergeneration, die nur die Vorstellung ist von der ursprünglichen. Von zwei Seiten her kommt das, was unsere Wesenheit ist, in uns herein. Unsere Gesamtorgani-sation mit allem Unterbewußten kommt von der ursprünglichen Göttergeneration. Dasjenige, dessen wir uns bewußt sind, das kommt von der anderen Seite her, von der den alten Saturn, die Sonne und den Mond nur umschwebenden Göttergeneration. Daher empfinden wir, wenn wir auf unser Vorstellungsleben ein-gehen, daß sozusagen in einem höheren Sinne die Vorstellung nur die jüngste Tochter einer Göttergeneration ist, daher empfinden wir das Unreale, das bloß gedankenhaft Vorüberhuschende unseres Bewußtseinslebens. Das war etwas, was auch den Schülern der griechischen Mysterien aufgegangen ist, indem ihnen deutlich gemacht worden ist: Es leben im ganzen Werden göttliche Strö-mungen, die umfassend sind, die uns unbewußt einströmen in ihrem ganzen Wesen, und es leben solche, die nur das gewöhnliche, normale Bewußtsein aufnimmt. - Dann wurde diesem griechischen Schüler klar, daß er von diesem normalen Bewußtsein absehen und sich zu den alten Göttern, die man auch die unterirdischen nannte, wenden mußte, zu denjenigen Göttern, an deren Natur Dionysos seinen Anteil hatte. Nur so konnte er zu der Erkenntnis des wahren Wesens des Menschen kommen. Eines nur gibt es innerhalb der Erdenentwickelung, wodurch etwas ganz Neues, ein neues Element der Hellsichtigkeit, aber auch ein neues Element des von okkulten Kräften durchdrungenen Gemütes und Wirkens in uns eintreten kann. Es ist in der Tat so, daß für alles Menschenleben bis zu einem gewissen Zeitpunkt hin von der über der alten Saturn-, Sonnen-und Mondenentwickelung schwebenden Götterströmung nur dasjenige hereinkommen konnte, was ich eben charakterisiert habe. Das floß in das menschliche Bewußtsein von außen, ohne daß der Mensch sozusagen in sein Inneres, in die Region der unteren Götter hinabstieg. Nur das konnte hereinfließen, was niemals hat kommen
können zu der wirklichen Wehrealität. Durch äußeres Erkennen konnte man nicht zu der wirklichen Wehrealität kommen, denn dazu hätte sich in das, was von außen an unser gewöhnliches Be-wußtsein durch die lange Zeit der Saturn-, Sonnen- und Monden-zeit gekommen ist, etwas hineinmischen müssen, was nicht allein Vorstellungsleben der unterirdischen Götter, sondern was eine Realität ist. Etwas, was so wirkt, wie wenn plötzlich das, was sonst nur unser Gedankenleben ist, was immer so vor uns steht, als ob es als unser irreales Gedankenleben aus der Seele herausgeschwitzt würde, für einen Moment so gepackt würde von einer substantiel-len Realität, daß ein besonders bevorzugter Gedanke stehenbleiben könnte, neben uns da wäre wie unsere Seele selber - als eine Realität. So etwas müßte eintreten, wenn die im Umkreis schwe-benden Götter so wirken wollten, wie gewirkt haben durch alle Zeiten hindurch die Götterströmungen, die durch das weitere Selbst bis in unsere Leibesorganisation hineinwirkten. Es müßte uns von außen etwas herzuströmen, das gleichsam aus der geistigen Welt herein eine Erneuerung, ein Wiederauferstehen, ein Wieder-aufleben dessen bedeutet, was uns organisiert hat und was dann hinuntergezogen ist in die Tiefen unseres Bewußtseins. Das, was in diese außenstehende Göttergeneration in einem Momente hineingezogen ist, das war in der Tat der Christus, der bei der Johannestaufe im Jordan in den Leib des Jesus von Nazareth eingezogen ist. Mit diesem Christus zieht eine Götterwesenheit in das physische Leben ein auf demselben Weg, den diejenigen Götter einzuschlagen hatten für das Erdenleben, die eigentlich früher nur von den anderen Göttern vorgestellte Wesen waren. Aber jetzt zieht zum ersten Male eine reale Wesenheit ein, eine Wesenheit, welche nicht in demselben Sinne nur Vorstellung der anderen Götter, sondern selbständig, substantiell selbständig ist. Da kommt aus dem Weltenraum, in dem vorher nur die Vorstellungen anderer Götter gelebt haben, ein solcher Göttergedanke, der real ist. Wodurch konnte das geschehen? Das konnte dadurch geschehen, daß dieses bedeutsame Ereignis der Johannestaufe im Jordan eine lange Vorbereitung hatte innerhalb unseres ganzen
Menschenwerdens, durch Saturn, Sonne und Mond. Was da ge-schehen ist am Jordan und später durch das Mysterium von Gol-gatha, das ist der Nachklang eines anderen wichtigen Ereignisses, das sich allerdings abgespielt hat in einer sehr, sehr fernen Ver-gangenheit, die wir zurückverlegen müssen in die alte Sonnen-entwickelung. Wir haben also in der Entwickelung, wie sie sich bisher abgespielt hat, die Saturn-, Sonnen-, Monden- und Erdenentwickelung. Auf der Erdenentwickelung erleben wir das Mysterium von Golgatha und die Johannestaufe im Jordan. Während der alten Sonnenentwickelung ist aus der Akasha-Chronik zu gewinnen ein anderes bedeutsames Ereignis, das in der folgenden Weise zu cha-rakterisieren ist. Damals war ein Prozeß am weitesten vorgeschrit-ten, von dem man sagen kann: Die oberen Götter sind die Vorstel-lungen der unteren Götter, sind abhängig von ihnen. - Und diese oberen Götter finden es, wenn ich mich trivial ausdrücken darf, ihrer eigenen Wesenheit angemessener, in dem leichten Elemente der oberen Welten zu leben als in dem dichteren Elemente, aus dem sich die Erde hervorbildete. Es geschieht während der Sonnen-entwickelung diese Scheidung zwischen zwei verschiedenen Götter-generationen, von denen sich die eine anschickt, als die wirklichen alten Götter weiterzuleben mit den Elementen Erde, Wasser und Luft. Die andere Göttergeneration findet das zu schwierig, in diese dichten Elemente hinein sich zu versetzen, und lebt bloß weiter mit dem, was wir die ätherischen Elemente nennen, erst mit der Wärme, dann mit dem Licht und dem chemischen oder Lebens-äther. Wir können diese zwei nebeneinanderlaufenden Götterströmungen auch so bezeichnen, daß die eine den schwierigeren Weg wählt, durch die dichteren Elemente zu gehen, daß aber die andere den leichten Weg wählt, gleichsam umfiattert die anderen Götter in dem chemischen und Lebensäther und ihre Leiber daraus bildet. Es bildet demgemäß alles, was so in diesen feineren Ätherelementen lebt - und das geschieht gerade in der Hauptsache während der alten Sonnenentwickelung - Kräfte aus, die überhaupt auf die Dauer nur leben können in diesen dünneren Elementen.
Aber ungefähr in der Mitte der alten Sonnenentwickelung geschieht das Große, Gewaltige, daß eine Wesenheit während dieser Sonnenentwickelung Kräfte ausbildet, die im Widerspruch stehen mit den feineren, dünneren Ätherelementen. Gegenüber demjeni-gen, was wir das Mysterium von Golgatha, das große Erdenopfer nennen, können wir sprechen von einem Sonnenopfer, das darin bestand, daß sich eine Wesenheit zwar ihren Aufenthalt wählte unter den Göttern, welche nur in den feineren Elementen leben wollten, aber solche dichteren Kräfte ausbildete, die gewachsen waren den Erdenelementen. Und so haben wir, seit der Sonnen-entwickelung in der Reihe der Wesenheiten, die eigentlich nur für das Ätherische mit ihren Kräften bewaffnet sind, eine Wesenheit, welche eine innige Verwandtschaft hat innerhalb des Weltenäthers für das Irdische. Seit der alten Sonnenentwickelung wartete diese Wesenheit auf den richtigen Moment, um dasjenige, was sie an Kräften ausgebildet hatte, in die Erde selber hereinzuleiten. Und es war des Zarathustra großes Verdienst, daß er erkannt hat: In dem, was da als Sonne draußen ist, ist etwas zurückgeblieben von der alten Sonne. Das enthält vorläufig dieses Wesen. Aber der Moment rückt heran, wo dieses Wesen seine den Elementen angemessene Gestalt auch auf die Erde herabtragen wird. Dann kam der Moment, wo die Menschheit freilich noch nicht reif war, dieses in die Ätherwelt eingefügte Wesen selbst zu erkennen, wo sie aber zunächst sein Spiegelbild erkannte. Das war eine Vorbereitung. Und so zeigte sich denn der Menschheit aus Grün-den, die wir morgen anführen werden, im Verlaufe der Entwicke-lung zunächst dieses Wesen noch nicht selber, sondern in einem Spiegelbild, welches wir dadurch charakterisieren können, daß wir sagen: es verhält sich dieses Bild zu der Wirklichkeit, wie sich ver-hält das Mondenlicht, das ein zurückgestrahltes Sonnenlicht ist, zu dem direkten Sonnenlicht selber. Jenes Wesen, das sich zuerst wäh-rend der alten Sonnenzeit zu seiner großen Tat von Golgatha vor-bereitet hatte, das wurde zunächst den Menschen in seinem Spiegelbild gezeigt, und dieses Spiegelbild wurde genannt von dem alt-hebräischen Volke Jahve oder Jehova. Und Jahve oder Jehova ist
der zurückgestrahlte Christus, ist im Grunde genommen dasselbe, was der Christus ist, nur als Spiegelbild, gleichsam prophetisch vor-ausgezeigt. Vorausgezeigt so lange, bis die Zeit kommen durfte, da das Wesen sich in seiner eigenen Gestalt, in seinem Urbild, nicht bloß in seinem Spiegelbild zeigen konnte. So sehen wir das für die Erde wichtigste Ereignis auf der alten Sonne vorgebildet, sehen die Menschheit durch das hebräische Altertum vorbereitet auf den Christus. Wir sehen das Wesen, das sich einstmals von der Erde abgesondert hat, das nach der Sonne gegangen ist, wiederum herabkommen, aber wir sehen auch, wie es dem Menschen zuerst in einem Spiegelbilde, gleichsam in einer Vorstellung gezeigt wird. So wie sich die oberen Götter zu den unteren verhalten, so ist Jahve oder Jehova die Vorstellung von dem realen Christus und gleicht ihm für denjenigen, der die Dinge durchschaut, vollständig. Daher können wir in gewisser Beziehung sprechen von Jehova-Christus und treffen damit auch den wahren Sinn der Evangelien, die uns sagen, daß der Christus selber davon gesprochen hat: Wenn ihr mich kennenlernen wollt, dann müßt ihr auch wissen, wie von mir gesprochen haben Moses und die Propheten. Der Christus wußte wohl, daß, wenn in alten Zeiten von Jahve oder Jehova gesprochen wurde, von ihm gesprochen wurde und daß alles, was von Jahve gesprochen wurde, sich zu ihm so verhält wie das Spiegelbild zu seinem Urbilde. NEUNTER VORTRAG München, 26. August 1911
- G129-1960-SE182 - Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen
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NEUNTER VORTRAG München, 26. August 1911
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Es war gestern meine Aufgabe, darauf hinzuweisen, wie innerhalb der menschlichen Organisation in der Tat etwas wie eine Rück-verwandlung von Kräften stattfindet, welche sich bis zur Verdich-tung des physischen Leibes gebracht haben. Als ein Beispiel habe ich darauf hingewiesen, daß von unserem Blut- und Herzsystem fortwährend eine Art Ätherisierung der groben physischen Substanz des Blutes ausgeht, so daß in der Tat das Blut fortwährend in seinen feinsten Teilen in dieselbe Substanz übergeht, aus welcher der Ätherleib des Menschen besteht. Und wir haben gesehen, daß diese Ätherteilchen vom Herzen herauf in ganz besonderen Strömungen unser Gehirn durchströmen, und ferner, daß es in der Tat von dem Durch-strömen unseres Gehirnes von seiten dieser gewissermaßen neugebildeten Teile unseres Ätherleibes abhängt, daß wir ein Wissen, eine Erkenntnis entwickeln können, welche über die ganz egoistische Erkenntnis dessen hinausgeht, was in uns selber vorgeht, was innerhalb unserer Organisation sich abspielt. Ich versuchte, Ihnen deütlich zu machen, daß, wenn nicht diese Ätherströmungen vom Herzen nach dem Gehirn heraufziehen würden, nur jene Vorstellungen, Begriffe, Gefühle durch das Instrument des Gehirns zum Ausdrucke kommen könnten, welche mit unserem eigenen Leibe, mit unserer Organisation zu tun haben. Das, was ich Ihnen so ausgeführt habe, hängt zusammen mit dem ganzen Werden, mit der ganzen Entwickelung des Menschen. Halten wir nochmal fest, daß unsere Erdenentwickelung so begonnen hat, daß ihr vorangegangen ist die Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung, daß diese ein Ergebnis geliefert haben und daß dieses Ergebnis der Saturn-, Sonnen-und Mondenentwickelung sozusagen in der vorlemurischen Zeit der Erdgestaltung zu einem ätherischen Menschen geführt hat. Bevor der Mensch in die lemurische Entwickelung eingetreten ist, war er auch in bezug auf seine physischen Kräfte nur eine Äthergestalt.
Einen solchen physischen dichten Menschen, wie wir ihn heute mit dem physischen dichten Blut, Nervensystem, Knochensystem und so weiter haben, gab es in der vorlemurischen Zeit noch nicht. Alle die Kräfte, die heute auch im physischen Leibe sind, waren dazumal noch in ihrer Ätherform vorhanden. Diese Äthergestalt des Menschen war also in bezug auf den späteren Menschen in einer gewissen Beziehung scharten- und schemenhaft, war gleichsam nur eine Andeutung dessen, was später dann als der dichtere Mensch sich herauskristallisierte. Erst durch die lemurische, durch die atlantische und nachatlantische Zeit geschah die Verdichtung des Menschen. Wir rnüssen nun, um Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen vollständig zu verstehen, einmal diese Ge-staltung des Menschen etwas ins Auge fassen, sehen, wie der Mensch sich allmählich eigentlich aus der ursprünglich vorhande-nen Schattengestalt heraus verdichtet hat. Machen wir uns heute einmal schemenhaft sinnbildlich klar, wie der Mensch in der vor-lemurischen Zeit war. Da würden wir eine Art Schattenbild, nur andeutend die spätere Menschenform, haben. In dieses Schattenbild des Menschen würden die mannigfaltigsten Strömungen hineingehen, es würden die Wesenheiten der höheren Hierarchien da hineinwirken. Es war dazumal so, daß der Mensch nicht etwa mit seinen Füßen auf der Erde ging, sondern im Unikreise der Erde als Schattenbild schwebte; erst später stieg er sozusagen auf die Erde herab. Die Erde war selbst noch in einem dünneren Zustande. Alles was die höheren Hierarchien auf den Menschen wirkten, das strömte in allerlei Strömungen auf den Menschen ein. Während der Mensch so auf der Erde als ein Schattenbild lebte, entwickelte sich aber auch die Erde, die keineswegs jenes dichte Stück Materie ist, als welches die Geologen oder Mineralogen oder die Physiker sie beschreiben. Die Erde zu beschreiben, wie die Physiker, die Mineralogen es tun, ist ungefähr so, als wenn man von einem Menschen nur das Knochengerüst beschreiben wollte. Das alles, was die physische Wissenschaft beschreibt, ist nur ein Teil, ist das Gerüst der Erde. Mit der Erde sind noch ganz andere Kräfte, ganz andere substantielle Dinge verbunden, welche die Erde zu einem
Organismus machen, in dem wir eingebettet sind. Die Erde also setzte ihre Entwickelung fort, und aus der Erde selbst strömten den Menschen fortwährend und immer andere Kräfte zu im Verlaufe der lemurischen, der atlantischen und nachatlantischen Entwicke-lung. Diese Kräfte wollen wir einmal näher ins Auge fassen. Da müssen wir zuerst gewisse Kräfte beachten, welche durch die geistigen Wesenheiten der höheren Hierarchien gleichsam der unterirdischen Strömung angehören, die ich gestern angeführt habe. Diese Kräfte strömten in den Menschen ein, und zwar, wenn wir es örtlich beschreiben wollen, von unten, von der Erde nach oben gerichtet. Der Mensch wird im Laufe der Erdenentwickelung von unten her durchzogen von den Kräften der höheren Hierarchien; und wenn wir in Beziehung auf das Äußerliche der Wissenschaft, auch der Geisteswissenschaft, sprechen wollen, so können wir heute nicht anders sagen, als daß die Kräfte, welche da vorzugsweise während der lemurischen Zeit, aber dann auch fortwährend weiter, in den Menschen einströmten und mitwirkten an seiner Gestaltung, Kräfte sind, die sozusagen die Erde in ihrem Wesen durchwirkten. Überall auf der Oberfläche der Erde, wohin man kommen mag, sind diese Kräfte vorhanden. Diese Kräfte nun, welche auch noch anderes zu bewirken hatten in der Erdenentwickelung, wollen wir uns zuerst dadurch anschaulich machen, daß wir auf die Wesenheiten eines anderen Reiches hinweisen, in dessen Gestaltung diese Kräfte vorzugsweise tätig waren. Die Zoologen, die äußeren Naturforscher werden einmal recht erstaunen, wenn sie sehen werden, auf welch komplizierte Weise aus der geistigen Welt heraus alles das gestaltet worden ist, was sie jetzt so einfach in ihren von einer gewissen Seite ganz richtigen Stammbäumen so abstrakt und niedlich, möchte ich sagen, in den Büchern figurieren lassen. Das, was sie recht verwandt denken, ist unter Umständen von den verschiedensten geistigen Seiten her durch die kompliziertesten geistigen Strömungen zustande gekom-men. In der Tat, wir dürfen das, was wir in der Zoologie die Säuge-tiere nennen, durchaus nicht so darstellen, wie eine äußere darwinistische Zoologie dies heute tun möchte. Wir dürfen durchaus nicht
glauben, daß eine so gerade Linie von den einfachsten Säugetieren bis herauf zu den kompliziertesten zu ziehen ist. Bei zwei verschie-denen Säugetierwesen finden auch ganz verschiedene Gestaltungs-kräfte Anwendung. Alles das, was da unter den Säugetieren um uns herum ist und in einer gewissen Weise verwandt ist mit alledem, was wir unsere Wiederkäuer nennen - Tiere, welche, wie Sie ja wissen, vorzugsweise zu unseren Haustieren gehören -, stand im Laufe der Entwickelung unter ganz anderen geistigen Bedingungen als zum Beispiel das, was zu den katzenartigen, zu den löwenartigen Tieren gehört. Wir müssen uns das so vorstellen, daß die geistigen Kräfte namentlich auf die Gruppenseelen und damit auch auf die physische Gestalt gewirkt haben. Was zu den löwenartigen Tieren gehört, fing erst gegen die atlantische Zeit hin und namentlich in der atlantischen Zeit an auf die Erde zu wirken, indem es so zur Erde kam, wie wenn es vom Innern der Erde an die Oberfläche herausgedrungen wäre. Alles das, was aber auf den Menschen selbst gewirkt hat während der lemurischen Zeit, das ist verwandt mit dem, was auf unsere wiederkäuenden Tiere gestaltend einwirkte und was die Esoterik zusammenfaßt in dem Bilde des Stieres. Das ist alles das, was in der lemurischen Zeit auch anfing, auf den Menschen seinen Einfluß zu gestalten, was dazumal eingriff, wie vom Innern der Erde nach der Oberfläche hin wirkend in die menschliche Gestaltung. Es darf Ihnen nicht als etwas besonders Schocklerendes erscheinen, wenn ich sage, meine lieben Freunde: Wenn nichts anderes in der ferneren Zeit auf den Menschen eingewirkt hätte, dann wäre der Mensch in seiner äußeren Gestaltung stierähnlich geworden. Denn diese Kräfte wirkten so, daß, wenn sie allein gewirkt hätten auf den Menschen, sie ihn in dieser Weise gestaltet hätten. - Es griffen aber nach und nach andere Kräfte in die menschliche Organisation vom Innern der Erde heraus ein. Das sind dieselben Kräfte, welche auf die andere Säugetierreihe ihre besonderen Einflüsse ausübten, und in der Esoterik werden sie zusammengefaßt unter dem Namen des Löwen. Diese Kräfte griffen in der Erdenentwickelung etwas später ein. Wenn die früheren Kräfte nicht dagewesen wären, sondern nur allein diese Kräfte
auf den Menschen gewirkt hätten, so wäre die äußere Form des Menschen löwenähnlich mit all den Merkmalen der Löwenorgani-sation geworden. Nur dadurch ist die komplizierte Gestalt des Men-schen zustande gekommen, daß nicht eine Strömung bloß auf ihn eingegriffen hat, sondern daß verschiedene Strömungen aufein-anderfolgend eingegriffen haben. Und jetzt können Sie sich eine Vorstellung machen, warum die stierähnlichen Tiere stierähnlich geblieben und die löwenähnlichen Tiere löwenähnlich geworden sind. Aus dem Grunde, weil die ihnen zugrunde liegenden Schemen- oder Schattengestalten nicht so organisiert waren wie die vorlemurischen Schattengestalten des damaligen Menschen. Diese Schemengestalten waren durch ihre vorausgehende Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung so organisiert, daß sie immer die richtigen Zeiten abgewartet haben, daß sie die aufeinanderfolgenden verschiedensten Strömungen auf sich einwirken ließen, um die eine Strömung durch die andere zu paralysieren und dadurch im höheren Sinne auch zu harmonisieren. Ein Stier würde kein Stier bleiben, wenn auf ihn einwirken würde die Löwennatur und die Stiergestaltung umgestalten würde. Der Mensch ist so auf der Erde angekommen, daß er all diese Strömungen hat auf sich einwirken lassen können. Und erst im Laufe der atlantischen Zeit ist etwas anderes eingetreten, was, wenn es einmal erkannt wird und fruchtbar gemacht wird für die äußere Wissenschaft, unendliches Licht auf unsere Tierkunde werfen wird. Im Laufe der atlantischen Zeit traten ganz andere Verhältnisse ein. Merken Sie wohl, daß ich gesagt habe: diese Stierkräfte, diese Löwenkräfte wirkten so, als wenn sie vom Innern der Erde nach der Oberfläche wirkten, gleichsam ausströmten vom Innern der Erde. Die Kräfte, welche sich während der atlantischen Zeit mit diesen von der Erde ausströmenden Kräften verbanden, kamen nun von außen, gleichsam aus dem Umkreis herein, so daß während der atlantischen Zeit solche Kräfte eingriffen, die wir uns von unten nach oben in den Menschen hineingreifend und gestaltend zu denken haben, und von oben nach unten gehend andere Kräfte in den Menschen hereinfließend aus dem Weltenraum. Da wurde also jener
Schemen oder Schatten des Menschen wiederum ausgesetzt anderen Kräften, die aber jetzt von anderer, ganz entgegengesetzter Richtung her auf den Menschen einwirkten. Um uns eine Vorstellung von diesen Kräften zu machen, müssen wir uns fragen: In welchen Wesenheiten auf der Erde wirkten vor-zugsweise, unbeirrt durch die anderen Kräfte, diese Kräfte, die also wie aus dem Himmeisraume auf die Erde einströmten? Auch da können wir gewisse Wesenheiten in unserer Umgebung aufzeichnen, von denen wir sagen können: bei ihnen waren die Stierkräfte, die Löwen-kräfte, die vom Innern der Erde kommen, möglichst gering wirksam, möglichst schwach wirksam. Dagegen waren bei ihnen fast ausschließlich wirksam die aus dem Weltenraum auf die Erde herunterwirkenden, in die Erdensubstanz einströmenden Kräfte. Diese Wesenheiten sind die dem Vogelreich angehörenden. Und unsere abstrakte Zoologie wird einmal recht sehr staunen müssen, wenn sie sich wird sagen müssen: Ganz anders geartet als bei den Säugetieren sind die Kräfte, die auf das Vogelreich hauptsächlich wirken und im weiteren Sinne auch auf alles dasjenige, was sich fortpflanzt durch nach außen abgelegte Eier. Bei all den Wesenheiten also, wo die Fortpflanzung so geschieht, besonders aber im Vogelreich, wirken im wesentlichen auf die Gestaltung aus dem Weltenraum her-eindringende Strömungen. Diese Kräfte werden esoterisch zusammengefaßt unter dem Namen Adler. Wenn wir nun diese Kräfte, die vorzugsweise in der Gestaltung der Vogelwelt zum Ausdruck kommen, harmonisiert denken mit den Löwen- und Stierkräften im Menschen, so daß sich das alles einfügt der ursprünglichen Schemen- oder Schattengestalt, dann haben wir in dieser Harmonisierung dasjenige gegeben, was als ein Ergebnis die gegenwärtige Menschengestalt liefert. Wenn Sie das ganz anders Geartete der Vogelwelt ins Auge fassen, so werden Sie nicht lange daran zweifeln können, daß die ganze Vogelgestaltung etwas wesentlich anderes ist als die Gestaltung zum Beispiel der Säugetiere. Ich will heute auf die anderen Wesen des Tierreichs nicht eingehen. In der Vogelgestaltung liegt etwas, was auch dem hellseherischen Blick sich in ganz besonderer Weise aufdrängt.
Während wir bei den Säugetieren überall, wohin wir hellseherisch blicken mögen, ganz besonders mächtig ausgebildet finden den astralischen Leib, tritt uns hellseherisch in der Vogelwelt als das Hervorstechendste ganz besonders der Ätherleib entgegen. Der Atherleib, der von außen herein durch die Kräfte des Welten-raumes angeregte Ätherleib, ist es, der die Federn der Vögel zum Beispiel zum Ausdruck bringt, die Feder, das Gefieder. Von außen wird das alles gestaltet, und eine Vogelfeder kann nur dadurch entstehen, daß die Kräfte, welche von dem Weltenraum auf die Erde herunterwirken und mitwirken bei der Ausbildung der Vogel-feder, stärker sind als die Kräfte, die aus der Erde kommen. Das-jenige, was der Feder zugrunde liegt, was man als den Schaft der Feder bezeichnen kann, unterliegt allerdings gewissen Kräften, die aus der Erde kommen. Dann aber sind es die Kräfte, die aus dem Weltenraum wirken, die dasjenige angliedern, was sich an den Schaft der Feder anfügt und was konstituiert das äußere Gefieder des Vogels. Ganz anders ist es bei den mit Haaren bedeckten Wesenheiten. Da wirken bis in die Haare hinein vorzugsweise die Kräfte, die von der Erde nach auswärts, also in der entgegengesetz-ten Richtung wirken als bei der Vogelfeder. Und weil da nur im geringeren Maße die Kräfte aus dem Weltenraum auf die Haare der Tiere und der Menschen wirken können, so kann das Haar nicht zur Feder werden, wenn ich diesen paradoxen Ausdruck ge-brauchen darf. Er entspricht völlig der Wirklichkeit, und man könnte, wenn man die Paradoxie fortsetzen wollte, sagen: Jede Vogelfeder hat die Tendenz, ein Haar zu werden, aber sie ist kein Haar, weil die Kräfte des Weltenraums von allen Seiten auf die Vogelfeder einwirken. Und jedes Haar hat die Tendenz, eine Feder zu werden, und es wird das Haar keine Feder aus dem Grunde, weil die Kräfte, welche von der Erde nach aufwärts wirken, stärker sind als die Kräfte, die von auswärts hereinwirken. - Wenn man sich solche Paradoxien wirklich ernsthaft vorhält, dann kommt man auf gewisse grundlegende Geheimnisse in der Konstitution unseres Weltalls. Nehmen wir einmal an, es hätte ein Mensch mit alter Hellsichtigkeit nicht den Menschen darstellen wollen, der eigentlich die
verschiedenen Strömungen, die in ihn eingeflossen sind, verbirgt, indem er sie harmonisiert und sie nur in ihrer Wechselwirkung zeigt, sondern denken wir, er hätte gerade diese verschiedenen Strömungen anschaulich machen wollen. Dann hätte er sagen müs-sen: Dem Menschen liegt etwas zugrunde, was man nicht physisch sehen kann: die ursprüngliche Schemen- oder Schattengestalt, die heute nur deshalb auch in der äußeren physischen Gestalt heraus-kommt, weil der Mensch harmonisiert hat, was man die Adler-, Stier- und Löwenströmung nennt. Derjenige, der den Menschen in bezug auf seinen Werdegang betrachtet, müßte die ursprüngliche Schemen- oder Schattengestalt des Menschen als übersinnlich betrachten, dafür aber müßte er dasjenige, was beim Menschen zusammengeflossen ist, sondern, auseinander bringen, das heißt, er mußte sich denken: der ganzen Menschwerdung liegt zugrunde eine ätherische Schemengestalt, und in diese fließen ein, vermischen sich so, daß sie beim fertigen Menschen der Gegenwart nicht mehr zu unterscheiden sind, ein Stier-, ein Löwen-, ein Vogelelement. Nehmen wir nun einmal an, eine Kulturepoche wie etwa die altägyptische hätte das Bestreben gehabt, vor den Menschen die Menschwerdung hinzustellen, die ganze große Rätselfrage der Menschwerdung, dann hätte der eigentliche Mensch, die ursprüng-liche, als Ergebnis von Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung herübergekommene Schemengestaltung des Menschen als Mensch, unsichtbar bleiben müssen. Aber wie aus dem Unsichtbaren heraus hätte sich bilden müssen ein Kompositum, zusammengefügt aus Stier- und Löwengestalt und mit Flügeln, wie sie der Adler hat, wie sie überhaupt der Vogel hat. Wenn Sie sich an die Sphinx-gestalt in ihrem umfassendsten Sinn erinnern, die uns darstellen soll das große Rätsel vom Menschwerden, dann haben Sie tatsächlich das, was eine hellseherische Kultur, die im Innern wußte, wie es um die Menschheit steht, vor diese Menschheit hingestellt hat. Was in der Sphinx gesondert auftritt, ist innig verwoben in der menschlichen Natur. Und man kann sagen, daß für den hellseherischen Blick sich die Menschengestalt auf eine ganz sonderbare Weise ergibt. Wenn man nämlich eine solche Sphinx, die tatsächlich
zusammengesetzt ist aus einer Löwengestalt und einer Stiergestalt mit Vogelflügeln, auf den hellseherischen Sinn wirken läßt und sie durch das ergänzt, was als menschliche Schemen- oder Schattengestalt dahinter steht, und das innig miteinander verwebt, dann entsteht die menschliche Gestalt vor uns, dann wird das, was wir heute als Mensch vor uns haben. Daher kann das hell-seherische Bewußtsein eine Sphinx, die zunächst gar nicht menschenähnlich ist, nicht ansehen, ohne daß es sich sagt: Du bist ich selber. Wir haben nun im Verlaufe dieser Betrachtung etwas sehr Merk-würdiges gesagt. Wir haben ja die viergliedrige Wesenheit des Menschen von einem anderen Standpunkt aus beleuchtet. Eine Schemen- oder Schattengestalt, die esoterisch als der Mensch be-zeichnet wird, kommt herüber als das Ergebnis der alten Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung Im Laufe der Verdichtung dieser Schemen- oder Schattengestalt wirken die Strömungen, die man esoterisch bezeichnet als die Löwen-, als die Stier- und als die Adlerströmung. Hier haben wir jene vier esoterischen Symbole, die tatsächlich zusammen den Menschen ausmachen und die mit der menschlichen Entwickelung am tiefsten, am bedeutsamsten zu tun haben. Nun haben wir erwähnt, daß im Laufe der Mensch-heitsentwickelung auf der Erde sowohl in diesen Menschen selber wie auch in die anderen Wesenheiten, namentlich also in die Wesenheiten der Vogelwelt, Kräfte von draußen, vom Weltenraum eingriffen. In der Tat fand das während der atlantischen Zeit statt, so daß man sagen kann, in diejenigen Teile der menschlichen Organisation, bis zu denen das menschliche Normalbewußtsein allerdings jetzt nicht mehr hinunterreicht, trat eine Strömung ein in den Menschen, die aus dem Weltenraum hinunterkam. Diese Strömung war in der atlantischen Zeit, war natürlich auch in der nachatlantischen Zeit vorhanden. Das war diejenige Strömung, die aus dem Bereich kam, welchen ich gestern als die oberen Götter bezeichnet habe, die in gewisser Weise die Vorstellungen der unterirdischen Götter, der chthonischen Götter sind. Das sind Wesenheiten, welche denjenigen Schülern der griechischen Mysterien entgegentraten,
die sich an das große Rätsel der Sphinx heranmachen mußten. Sie mußten in der Tat den unterbewußten Teil der menschlichen Wesenheit in dieser Weise erschauen, daß sie durch die Selbsterkenntnis auch in dieser Beziehung zur viergliederigen Menschheit gekommen waren. Dasjenige nun, was in das Unter-bewußtsein des Menschen seit der atlantischen Zeit vom Welten-raum hereinströmte, was, man möchte sagen, selbst in bezug auf seine niedrigeren Teile in es eindrang, strömte nun in bezug auf seine höchsten geläuterten Teile in die Erdenentwickelung des Menschen bei der Johannestaufe am Jordan ein. Das ist in der Tat ein bedeutsames Ereignis. Da strömen in der reinsten Weise jetzt nicht nur in den unterbewußten Teil des Menschen, sondern so, daß immer mehr und mehr der bewußte Teil des Menschen ergrif-fen werden kann, diejenigen Kräfte ein, die seit der atlantischen Zeit als die Strömung aus dem Weltenraum fortwährend schon auf unsere Erden- und Menschheitsgestaltung gewirkt haben. Daher mußte das Bild auftreten, welches auch tatsächlich unter den großen, durch die okkulten und religiösen Schriften auf uns ge-kommenen Symbolen vorhanden ist: das Symbolum, das wir in den Evangelien finden. Wie konnte man nun diese Einströmung von oben aus demWelten-raum in ihrer reinsten Gestalt darstellen? Wir wissen, was dazumal bei der Johannestaufe stattgefunden hat, daß dazumal der dreiglie-drige Leib des Jesus von Nazareth, welcher durch die zwei Jesusknaben vorbereitet worden ist, wie Sie das in dem Büchelchen «Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit» finden, verlassen wurde von seinem Ich, welches das Ich des Zarathustra war. Dieses Ich strömte nach oben, und in dieses Ich strömte ein bei seinem Fortgehen der reinste Teil jener Strömung, die schon fortwährend aus dem Weltenraum einströmte, aber nur zu den heute unterbewußten Gliedern des Menschen. Deshalb wird als ein richtiges Symbolum angegeben eine Vogelgestalt, die Gestalt der reinen weißen Taube, die gleichsam den reinsten Extrakt dessen darstellt, was das Adler- oder Cherubhafte der alten Sphinxgestalt war. Und es gehört im wesentlichen zu der Vollendung der Menschheit auf
der Erde, daß in den bewußten Teil des Menschen einströmt diese kosmische, diese Weltenströmung. In dem Bilde des Jesus von Nazareth am Jordan, mit der Taube über ihm, finden wir in der Tat ausgedrückt das Geheimnis, das jetzt zu einem gewissen Abschluß gekommen war. Diese Strömung vom Weltenraum herein haben wir ja in ihrer Geschichte, ihrer kosmischen Geschichte gestern ein wenig verfol-gen können. Warum konnte diese Strömung aus dem Weltenraum herein so sich gestalten, daß sie zu jener Christus-Kraft wurde, zu jenem Christus-Impuls, der, indem er immer weiter und weiter auf der Erde wirkt, die menschliche Wesenheit ganz ausfüllen, ganz durchdringen wird? Indem der Mensch diesen Impuls in sein Inneres aufnimmt, wird er in der Tat immer mehr und mehr die Wahrheit des Paulinischen Wortes in sich erfüllen: Nicht Ich, sondern der Christus in mir. Gegenüber den anderen drei Strömun-gen, die da waren als Ergebnis der früheren Entwickelung, wird die neue Strömung, welche die geläutertste Strömung von oben ist, den Menschen immer mehr und mehr ergreifen, immer mehr um-spannen, wird immer mehr ihn aber auch loslösen von dem, was ihn an die Erde bindet. Wir haben das geschichtliche Werden dieser Strömung gestern dadurch charakterisiert, daß wir sagten, sie hat eigentlich nur so sein können, wie sie geworden ist, dadurch, daß sie sich schon auf der alten Sonne vorbereitet hat. Während die oberirdischen Götterwesenheiten, die in unserein gestrigen Sinne die Vorstellungen der anderen Gotterwesenheiten sind, nur in den feineren Elementen, in dem Wärmeelement, in dem Lichtelement, dem chemischen Element, dem Lebenselement leben wollten, nahm diese Wesenheit, die später durch die Johannestaufe im Jordan herunterstieg, aus innerster Weisheit die Kräfte mit, zu denen dazumal während der alten Sonnenentwickelung unsere Entwickelung schon vorgeschritten war. Wir wissen ja aus der Geisteswissenschaft, daß während der alten Sonnenentwickelung schon jene Verdichtung des Wärmeelementes, das noch auf dem alten Saturn das Wesentlichste war, zum Luftelemente statt-gefunden hatte. Während die anderen Wesenheiten der überirdischen
Götterwelten sich nicht darauf einließen, bei ihrem Hinausgehen aus der Gesamtentwickelung in den Weltenraum etwas Luftartiges mitzunehmen, hat diese Wesenheit das Element der Luft mitgenommen, so daß sie verwandt blieb mit der Erde, also bei aller kommenden Entwickelung draußen im Weltenraum durch diese Wesenheit fortwährend ein der Erde verwandtes Element war: das, was sich auf der alten Sonne schon zur Luft oder zum Gas verdichtet hatte. Wenn wir in dem Weltenraum wie mit dem Auge des alten Zarathustra hinausblicken zur Sonne, dann mussen wir in ihr zunächst ein Überbleibsel der alten Sonne sehen, gleichsam die wiederbelebte alte Sonne, die in der Gegenwart gleichsam nachahmt dasjenige, was auf der alten Sonne war. Wir haben also in der Sonne geheimwissenschaftlich zu sehen den Wohnplatz oder wenigstens einen Teil des Wohnplatzes - unsere übrigen Planeten gehören auch zu diesem Wohnplatz -, aber den wesentlichsten Teil des Wohnplatzes der oberen Göttergestalten, die wir gestern als die eine Strömung der Götterwelt angeführt haben. Wenn Sie aber diese ganze Sonne mit hellseherischem Blick anschauen, so ist alles das, was diese oberen Götter sind, nur ätherisch in der Sonne vorhanden, von den Wärmeelementen nach auf wärts nur als Wärme-, als Lichtäther, chemischer und Lebensäther. Aber die Sonne, wie sie heute im Weltenraum draußen schwebt, ist nicht nur für den hellseherischen Blick als ätherische Gestalt da, sondern sie ist als ein Gasball, als ein bis zur Luftigkeit Verdichtetes vorhanden. Die Sonne wäre niemals bis zur Luftsubstanz verdichtet worden, wenn nicht während der alten Sonnenentwickelung jene Wesenheit, von der ich gestern gesprochen habe und die mit der Taube bei der Johannestaufe im Jordan wiederum herunterkam, sich in einem Luftleib und nicht bloß in einem Ätherleib von der Sonne getrennt hätte. Wenn wir also die Sonne ansehen, so müssen wir sagen: Was in der Sonne Wärme-, Licht-, chemische Impulse sind, was Lebensimpulse sind, das hängt zusammen auch mit den anderen ,Wesenheiten, die nur die Vorstellungen der unteren Göttergestalten sind. Was in der Sonne gasig ist, ist in der Tat Körper des Christus.
Darin wird unsere heutige so materialistische Wissenschaft einmal die alte Zarathustralehre wiederum kennenlernen, wird sich sagen müssen: Die Sonne als Gasball im Weltenraum draußen ist nicht nur dasjenige, was unsere Astrochemie aus derselben machen will, nicht bloß, was unsere Spektralanalyse entdeckt, sondern die Sonne als Luft- oder Gasball draußen im Weltenraum ist der ur-sprüngliche Leib des Christus, der im Verein mit den anderen oberen Göttern aber eine dem Erdenwesen verwandte Göttergestalt war. - Das empfand Zarathustra, als er das Geheimnis von dem Christus in der Sonne mit dem Worte ausdrückte: Aura oder Ahura Mazdao, der große weisheitsvolle Geist, die große Weisheit, die große Aura. - In der Tat, das, was vorher bloß in der Sonne war, verwandt mit der Erdenwesenheit, ergriff in dem mysteriösen Moment der Johannestaufe im Jordan Besitz von dem physischen, dem Ätherleib und astralischen Leib des Jesus von Nazareth. Und in diesem Leibe des Jesus von Nazareth vereinigte sich zuerst auf unserer Erde die gereinigte, geläuterte Strömung aus dem kosmischen Weltenraum mit dem aus dem menschlichen Herzen nach dem Gehirn zu strömenden neu entstehenden Ätherleib. Mit jener ätherischen Strömung, die fortwährend als feinste Ätherteile aus dem Blut vom Herzen nach dem Kopfe zu strömt, vereinigte sich während der Johannestaufe im Jordan das, was als eine wirkliche, auch von Luftsubstanz durchzogene Strömung von draußen aus dem Weltenraum hereinkam. Damit war der Anfang dazu gegeben, daß für jede Menschenseele seither die Möglichkeit vorliegt, sich zu durchdringen mit jenem Elemente aus dem Weltenraum, das in der Signatur der Taube uns vorgestellt wird bei der Johannestaufe im Jordan. Da war in der Tat eine Korrespondenz geschaffen zwischen dem ganzen Weltenall, soweit es uns zugänglich ist, und seinem reinsten Extrakt, der vorher, vorläufig möchte man sagen, mitgewirkt hat in dem, was man esoterisch die Adlerströmung nennt. Es war eine Kommunikation, ein Zusammenwirken zwischen alledem, was die Strömung der Erde war, die den menschlichen Leib von unten herauf gestaltet hat, und demjenigen, was von außen herein als die makrokosmische Strömung auf den Menschen
einwirkte. Sie sehen daraus, daß man in der Tat das Mysterium von Palästina immer mehr und mehr vertiefen kann. Je weiter wir selbst vorrücken in der Erkenntnis dessen, was die Welt ist, desto mehr kommen wir auch dazu, das Mysterium von Palästina zu begreifen. Nun müssen wir uns die Frage vorlegen, meine verehrten Freunde: Warum sieht heute der Mensch gar nichts mehr, empfindet gar nichts mehr von Ätherströmungen, die von seinem Herzen gegen sein Gehirn zu fließen? Die heutige Wissenschaft ist oberflächlich. Daher nimmt sie auch die Geschichte höchst oberflächlich und nimmt das, was uralte Wahrheiten sind, oftmals als uralte Irrtümer. Wenn Sie den Aristoteles, den alten griechischen Philosophen, studieren würden, so würden Sie eine merkwürdige Menschennaturlehre finden, eine merkwürdige Darstellung des Weltenwunders, der menschlichen Wesenheit Sie würden da die Darstellung finden, daß vom Herzen feinste Ä therteile nach dem Kopfe strömen und, indem diese Ätherteile das Gehirn berühren, abgekühlt werden. Natürlich sagt die heutige Wissenschaft: Ari-stoteles war zwar für die alten Griechen recht gescheit, aber heute weiß jeder Schulbube, daß das ein Irrtum ist. - Ein Irrtum ist aber das, was diejenigen glauben, die so über Aristoteles sprechen. In Wahrheit hat zwar Aristoteles nicht das hellseherische Bewußtsein besessen, um über diese Dinge selbst etwas zu wissen, aber er hat noch aus alten Traditionen heraus gewußt, was man in noch älteren Zeiten durch ein ursprüngliches natürliches Hellsehen hat beobachten können. Und dies Bewußtsein von den Ätherströmungen, die vom Herzen zu dem Gehirn heraufziehen, war in einer gewissen Weise bis tief in unser Mittelalter herein noch vorhanden, bis ins fünfzehnte, sechzehnte Jahrhundert, und wir finden ein gewisses Bewußtsein dafür noch in den Werken des Cartesius. Nur daß die Geschichte der Philosophie sagt: Nun ja, das ist halt etwas, was der Cartesius da so phantastisch erzählt von den sogenannten Lebens-geistern, die vom Herzen nach dem Gehirn strömen, das sind eben alte Vorurteile. Glücklich, daß wir darüber hinaus sind! - Es sind aber nicht alte Vorurteile, es sind alte Wahrheiten, die von der Zeit
herrühren, wo man durch natürliches Hellsehen dergleichen Dinge hat wahrnehmen können. Der späteren Zeit ist das Bewußtsein von diesen Dingen eben verlorengegangen. Wie müssen wir denn vom Gesichtspunkt des heutigen Heilsehens, der heutigen okkulten Wis-senschaft, diese Dinge darstellen? Man kann sich vielleicht, weil Aristoteles notwendigerweise nur aus den Überlieferungen schöpfen mußte, da ihm selbst nicht mehr die alten heilseherischen Kräfte zur Verfügung standen, etwas schwer abfinden mit der Art und Weise, wie er diese Dinge ausdrückt. Wenn man aber durch die heutige, seit dem dreizehnten Jahrhundert gangbare Esoterik sich wiederum einläßt auf die Prüfung der vollen Menschenwesenheit, dann bemerkt man, daß in der Tat eine solche Ätherströmung vom Herzen nach dem Kopfe strömt. Man merkt aber noch etwas weiteres. Nicht nur eine Äther-strömung geht vom Herzen nach dem Kopfe, sondern in dem-jenigen, was da als Strömung vom Herzen nach dem Kopfe strömt, da sind auch Strömungen des astralischen Leibes vorhanden. Wenn man also genauer auf diese Strömungen sieht, die vom Herzen nach dem Kopfe gehen, stellt sich heraus, daß in diesen Strömungen vor-handen sind sowohl Ätherteile, Substanzen des Ätherleibes des Menschen, wie auch Substanzen des astralischen Leibes des Men-schen. Es strömt also eine Substanz von dem Herzen nach dem Kopfe, in welcher Teile, substantielle Teile sowohl des Ätherleibes wie des astralischen Leibes des Menschen vorhanden sind. Nun ist das Gehirn ein höchst eigentümliches Werkzeug der menschlichen Natur; es hat nämlich durch die Art und Weise, wie es sich seit dem letzten Drittel der atlantischen Zeit gebildet hat, die Eigenschaft angenommen, daß es das, was da heraufgeht als astralische Strömung, aufhält, nicht durch sich durchläßt, während es die Ätherströmung tatsächlich durchläßt. Also wohlgemerkt: Das Ge-hirn ist als physisches Werkzeug etwas, worin sich zum Teil die Strömung, die vom Herzen nach aufwärts geht, staut. Das Gehirn ist durchlässig für die Ätherströmung, aber nicht durchlässig für die astralische Strömung. Die wird aufgehalten in unserem Gehirn, so daß für den hellseherischen Blick in der Region des Kopfes des
Menschen das sich so zeigt, daß astralische Strömungen, welche von dem menschlichen Leib aufwärts gehen, im Gehirn sich aus-breiten, aber von diesem Gehirn aufgehalten werden, nicht oder nur zum geringsten Teil durch dieses Gehirn durchkönnen. Diese astralischen Strömungen aber, die von unten nach oben gehen und vom Gehirn aufgehalten werden, haben eine gewisse Anziehungs-kraft zu den äußeren astralischen Substantialitäten, die uns in der astralischen Substanz der Erde immer umgeben. Daher ist dieser astralische Leib des Menschen, insofern er die Region in der Nähe des Kopfes betrifft, wie zusammengenäht aus zwei Astralitäten: aus der Astralität, die fortwährend aus dem Kosmos zuströmt, und aus derjenigen, die von unten nach oben im menschlichen Leibe geht und angezogen wird von der äußeren Astralität. Also das, was wir als astralischen Leib um den Kopf herum finden, ganz in der Nähe unserer Kopfhaut, das hat gleichsam eine Verdickung, etwas wie eine Mütze, wenn ich mich paradox aus-drücken darf, die wir als astralische Substanz fortwährend auf-haben. Wir haben eine solche astralische Kopfbedeckung, die aus der Verdickung entsteht, durch welche die äußere und die innere Astralität hier in der Nähe des Kopfes gleichsam zusammengenäht werden. Durch diese astralische Haube oder Mütze dringen nun die Strahlen des Ätherleibes hindurch, da sie ja nicht aufgehalten werden vom Gehirn, und um so heller und glänzender erscheinen sie für den hellseherischen Blick, je reiner sie sind, das heißt, je weniger sie noch enthalten von den Trieben, Begierden und Leidenschaften, von den Affekten der menschlichen Natur. Dadurch gewinnt das, was wir als die Aura des Menschen bezeichnen, eine Art von Kranz, wenn wir es von vorne anschauen, einen Kranz von Astralität, durch welchen die Strahlen des Ätherleibes des Menschen hindurchstrahlen. Das ist die Kopfaura, welche von den alten noch heilseherisch begabten Menschen bei solchen Persön-lichkeiten wahrgenommen wurde, bei denen durch die Reinheit ihres Wesens dieser Ätheraurateil hellstrahlend war: das, was als der Heiligenschein auch auf den Bildern abgebildet wird. Das ist eigentlich gemeint mit dem Heiligenschein, und das wird gesehen,
wenn der hellseherische Blick die Kopfaura sehr deutlich sieht. Da haben wir also durch die Eigenart des Gehirns ein Aufhalten, ein Verteilen der inneren astralischen Aura, der inneren astralischen Substanz am Kopf herum. Bitte, fassen Sie diesen Vorgang ganz genau ins Auge. Von unten herauf strömt beim Menschen ätherisch-astralische Substanz. Diese ätherisch-astralische Substanz breitet sich im Gehirn so aus, daß sie dieses Gehirn erfüllt, aber vom Gehirn aufgehalten wird, ebenso wie der Lichtstrahl aufgehalten wird, der von innen auf den Spiegel fällt und zurückgeworfen wird. Und hier haben Sie die wahre Ge-staltung der Spiegelung. Indem der astralische Stoff vom Gehirn aufgehalten wird, spiegelt er sich zurück, und das, was da hinein-geht und sich zurückspiegelt, das sind Ihre Gedanken, das ist Ihr bewußtes Gefühl, ist dasjenige, was Sie als Ihr Seelenleben gewöhn-lich erleben. Und nur dadurch, daß gleichsam dieser astralische Teil durch die das Gehirn durchströmenden Ätherteile zusammen-geknüpft oder zusammengenäht wird, wodurch nämlich bewirkt wird, daß der innere astralische Teil sich mit der äußeren Astralität verbinden will, kommt ein äußeres Wissen, eine Erkenntnis der äußeren Welt zustande. Alles, was wir von der äußeren Welt wis-sen, alles das kommt in uns dadurch herein, daß die äußere Astra-lität durch die Ihnen so paradox geschilderte astrale Mütze oder Haube, die jeder aufhat, durch diesen Helm sich zusammenfügt mit der inneren Astralität Ja, meine lieben Freunde, auch die Kulturgeschichte wird noch manche Bereicherung erfahren aus dem Okkultismus. Ich erinnere Sie daran, daß man in alten Zeiten doch eben solche Dinge gesehen hat, und das, was in der alten Zeit unsichtbar war, den Aurenteil, hat man in der Gewandung nachgeahmt Helme haben sich die Menschen deshalb aufgesetzt, weil sie den Helm im Sinne der astralen Mütze oder Haube, die jeder Mensch aufhat, geformt haben. Alle äußere Gewandung ist an ihrer ursprünglichen Stelle so entstanden, daß dasjenige, was der Mensch ätherisch oder astra-lisch um sich herum hat, in der Gewandung nachgeahmt worden ist. Und wenn wir die alten Gewandungen, namentlich die Priestergewandungen,
verstehen wollen, wenn wir wissen wollen, warum das eine so oder so entstanden ist, dann brauchen wir bloß hellseherisch hinzuschauen auf die Dinge, die um die Menschen entweder als ätherische Aura oder als astralische Aura herum sind. Denn die Gestaltungen der ätherischen oder astralischen Aura wurden in den alten Gewandungen nachgeahmt und werden noch nachgeahmt in den Gewandungen, welche mit irgendeinem Kultus oder Ritual zu tun haben. Es ist daher - das bemerke ich nur in Parenthese - einer Zeit, welche dem Materialismus so verfallen ist, daß sie die Aura leugnet, ganz angemessen, daß sie auch keine Gewandung mehr haben will, die hervorgegangen ist aus der Nachahmung dessen, was der Mensch an sich trägt. Und wenn die Schrulle der Nacktkultur jetzt in unserer heutigen Zeit auftritt, so rührt das davon her, daß der materialistische Sinn nichts mehr wissen will von jenen höheren ätherischen und astralischen Auren-bildungen, die der Mensch um sich herum hat und aus denen her-aus er die Formen seiner Gewandung gebildet hat. Ältere Zeiten, aber gar nicht so alte Zeiten, haben noch die Färbungen der Aura nachgebildet in der Gewandung der Menschen. Und wenn Sie die Bilder der älteren Maler sich anschauen, dann können Sie ein, man möchte sagen, noch in seinen alten Resten auftretendes Bewußtsein darin erblicken, daß das Aurische in den Farben der Gewänder auftritt. Sehen Sie sich die Bilder an, wie sie die Maria in der Regel mit ganz bestimmten Farben des Unterkleides und mit ganz bestimmten Farben des Übergewandes und wie sie mit anderen Farben zum Beispiel die Magdalena darstellen! Das Kleid der Magdalena mit der gelben Farbe konnte der alte Maler nicht verwenden für das der Maria. Warum nicht? Weil die Aura einer Magdalena verschieden ist von der Aura einer Maria. Der alte Maler hat noch durchaus das Bewußtsein zum Ausdruck gebracht, daß das Gewand der Ausdruck ist für dasjenige, was der Mensch übersinnlich, wie eine Art Gewandung mit sich herumträgt. Und wenn Sie namentlich auf das blicken, was nicht nur als Gewandung, sondern als Helmgestalt oder dergleichen die griechischen Göttergestalten an sich tragen, wie zum Beispiel die Pallas Athene dieses oder jenes
an sich trägt, so hängt das davon ab, wie sich der griechische Künstler die Aura bei den alten Göttergestalten nach diesen Vor-aussetzungen denken mußte. Sie sehen also, daß der Mensch, welcher zu der wirklichen geistigen Erkenntnis der Menschennatur vorrückt, in der Tat sich sagen muß: Alles, was du um dich erblickst, ist zunächst nur ein ganz äußerlicher oberflächlicher Ausdruck der wahren Wesenheit -Wenn der Mensch sein Bewußtsein in sich walten fühlt, in sich walten weiß, dann muß er sich sagen: Dieses Bewußtsein umfaßt eigentlich den allergeringsten Teil der Menschennatur. In mir wirkt fortwährend noch etwas ganz anderes. - Und da können wir das, was wir in bezug auf das Gehirn gesagt haben, ergänzen. Wenn wir heliseherisch den Menschen in bezug auf seine anderen Regionen wiederum verfolgen, dann finden wir etwas höchst Eigentümliches. Während der ätherische und astralische Aurenteil bis zum Gehirn heraufgeht und da der astralische Aurenteil auf-gehalten wird, der ätherische wie als Korona heraustritt, sehen wir, daß der Ichteil des Menschen als innerliche Aura schon aufgehalten wird in der Herzgegend. Die eigentliche innere Ich-Aura wird schon in der Herzgegend aufgehalten, dringt nur bis in die Herzgegend herauf und verbindet sich mit einem der äußeren Aurenteile der entsprechenden makrokosmischen Aurenteile. Im Herzen verschlingen sich in der Tat zwei Elemente, das eine Element, welches aus dem Makrokosmos hereinkommt und welches mit der Ich-Aura zusammengeknüpft wird, die von unten herauf kommt, aber schon beim Herzen sich staut, schon beim Herzen aufgehalten wird. So wie die astralische Aura im Gehirn aufgehalten wird, so wird die Ich-Aura im Herzen aufgehalten und berührt sich dort mit einem äußeren Ich-Auren-Element. Daher kommt das eigentliche Ich-Bewußtsein des Menschen im Grunde genommen den Tatsachen nach nicht im Gehirn zustande. Was ich Ihnen gesagt habe für den alten atlantischen Menschen, daß sein Ich hineingezogen ist, das haben wir noch genauer vorzustellen als ein Hineinziehen des äußeren makrokosmischen Ich, das seit der alten atlantischen Zeit nun vorgedrungen ist bis zum Herzen, sich da verbunden hat mit einer
anderen Ich-Strömung, die von unten heraufströmt und die im Her-zen zusammenkommt, so daß wir im Herzen organisiert haben den Ort, wo durch das Werkzeug des Blutes das eigentliche Ich des Menschen, wie es in unserm Bewußtsein auftritt, zustande kommt. Das alles zeigt Ihnen, wie der Mensch in die große, in die makro-kosmische Welt hineingestellt ist. Das alles sind wir, das alles ist in uns. Das alles geht in uns vor, und von alledem umfaßt das normale Bewußtsein des gegenwärtigen Menschen nur, was eben jeder Mensch kennt, was an der Oberfläche liegt. Wenn Sie sehen, daß das Weltenwunder des Menschen so Ungeheures enthält, so können Sie auch voraussetzen, daß dasjenige, was uns in den drei Reichen der Natur umgibt, die mannigfaltigsten, die kompliziertesten Strömungen enthält und daß das Wissen, welches wir von dieser Welt für unser Bewußtsein haben, nur ein kleiner, oberflächlicher Ausschnitt ist. Kommt man zu dem Bewußtsein dieser Tatsache, so muß man sich vor die Welt hinstellen und sagen: Mit dem, was unser Seeleninhalt, unser Bewußtsein ist im gewöhnlichen Leben, ist uns nur gegeben, was äußerste Oberfläche der Dinge ist, und durch das normale Bewußtsein kennt man nur den geringsten Teil der menschlichen Wesenheit. Was ich jetzt in einem einfachen, schlichten Satz gesagt habe, wird einmal zu einem durchdringenden harten, schweren Bewußt-sein beim Menschen, der nach einer höheren, nach einer übersinnlichen Erkenntnis hinaufstrebt. Dann wird ihm plötzlich bewußt: Ja, mit dem, was du bisher gewußt hast, hast du dir eigentlich die Dinge mehr verdeckt, verborgen, als daß du sie dir enthüllt hast. -Der Mensch steht da in seiner ganzen menschlichen Schwachheit gegenüber den Weltenwundern. Daß er nicht ohnmächtig wird während dieses Bewußtseins, daß er in sich das schon gestern charakterisierte Vertrauen findet, dennoch durchzudringen, das umfaßt den Umfang alles dessen, was man Seelenprüfungen nennen muß. Starke, kraftvolle Energie, Hoffnung und Vertrauen bringen die Seele durch jede Prüfung hindurch, denn durch sie stellt sich die Seele alledem gegenüber, was wir als Weltenwunder bezeichnen können. Und die Welt stellt uns immer mehr und mehr Wunder
dar, je mehr wir zu den übersinnlichen Welten hindurchdringen. Da wir aber mit jedem neuen Weltenwunder vor immer neues Un-bekanntes gestellt werden, werden wir auch immer vor neue Seelenprüfungen gestellt. Im kleinen, gewöhnlichen Leben wäre es eine Prüfung, wenn wir zum Beispiel eine Zeitlang einen Menschen kennengelernt hätten und geglaubt hätten, er sei das, als was er uns eben entgegentritt, und wenn er dann sich plötzlich als etwas ganz anderes zeigen würde. Dann könnten wir entweder da von ihm abfallen oder wir könnten unsere Seele über diesen Punkt hin-wegführen und auch dann treu bleiben. Dann hätten wir die Prü-fung der Freundschaft in gewisser Weise bestanden. Den Welten-wundern gegenüber gibt es auch diese Prüfungen. Mit alledem, was sich unsere Seele erworben hat an Vorstellungen und Gefühlen gegenüber den Weltenwundern, stehen wir, indem wir vorrücken, allerdings nicht einer Welt gegenüber, die sich ändert, aber dadurch, daß wir immer mehr und mehr in diese Welt hineinschauen, steht immer anderes vor uns, und immer von neuem müssen wir uns sagen: Das ist Maja, was wir bisher geschaut haben. - Da kann uns der Zweifel ankommen. Da kann uns vor allen Dingen die Stimmung ankommen, daß wir uns sagen: Du bist zu schnell vorgedrungen - wie Johannes Thomasius in dem vorletzten Bild des zweiten Rosenkreuzer-Dramas «Die Prüfung der Seele» sich sagen muß. Er hat sich bisher nach seiner Seelenentwickelung ein gewisses Bild des Luzifer gemacht. Das ist aber nur ein Bild, ein Schemen. Indem er aber weiter vordringt, erscheint ihm Luzifer durchaus inhaltsvoller, und er muß wiederum zurück, um ihn in seiner Fülle kennenzulernen, nicht wie bisher als Schemen. Und so kann auch derjenige, der in gewisser Weise in eine für ihn zunächst höhere Stufe des Hellsehens vorgedrungen ist, noch weiter vordringen und sich sagen: Was ich bisher erreicht habe, ist doch nur Schemen, Bild, es muß dichter werden. - Wir stehen, weil wir selber vorrücken, vor immer neuen Gestaltungen der Welt. Wir können die starken Kräfte der Seele hineintragen in diese neuen Gestaltungen. Dann wird unsere Seele die Prüfungen bestehen und immer neue Geistesoffenbarungen aus dieser Welt herein aufnehmen
können. Jedes Mal, wenn eine neue Geistesoffenbarung kommt, wird eine Prüfung der Seele zu bestehen sein. Aus einer jeglichen Stufe der Entwickelung entspringen neue Prüfungen, und wir müssen geradezu den Impuls für alle höhere Entwickelung darin sehen, daß unsere Seele niemals abzuschließen braucht, sondern sich immer höheren und auch vielleicht schwereren Prüfungen unterziehen kann. Niemals bleiben aber aus, wenn die Seele die Prüfungen besteht, die Geistesoffenbarungen, die, vielleicht erst nach längerer Zeit, der Seele dasjenige geben, zu dem sie durch ihre Prüfungen aufsteigen muß. So sehen wir, wie solche Prüfungen der Impuls zum Aufwärts-streben sind, wie Geistesoffenbarungen immer wiederum das sind, was uns als Befriedigendes von oben entgegenkommt. Deshalb müssen wir durchaus nicht vorschnell das, was erreicht werden kann auf einer Stufe und was zum Beispiel dargestellt worden ist in unserem ersten Rosenkreuzer-Mysterium, als einen Abschluß betrachten. Wir würden fehlgehen, wenn wir das als einen Ab-schluß betrachteten. Es kann der Mensch in dem Sehen von Bildern der höheren Welten zum Beispiel sehr weit sein, und doch eines Tages darauf kommen, daß er nur Bilder gesehen hat, nicht Wirklichkeiten. Dann steht er vor der harten Seelenprüfung, vor welcher Johannes Thomasius noch ist, als schon das zweite Rosen-kreuzer-Drama zu Ende geht. Dann wird er gewahr, daß es Bild war, daß er die Wirklichkeit noch gar nicht genügend selbst auf dem physischen Plan kennengelernt hat, um sein Bild mit Wirk-lichkeit auszufüllen. Dann treten solche Prüfungen an die Seele heran, daß diese Seele sich fragen muß: Wie entwickele ich die starken Kräfte in mir, um dem Inhalt zu geben, was zunächst bloß Bild ist? - So müssen wir uns darüber klar sein, daß wir Prüfungen der Seele nicht zu scheuen haben, denn mit jeder Neugestaltung der Welt, die uns entgegentritt, müssen wir wiederum Prüfungen bestehen, und das Hinauskommen über die Prüfungen wäre der Tod des wirklichen geistigen Lebens. Wir müssen uns gestehen, daß wir die Seelenprüfungen nicht zu scheuen haben, weil sie uns stark machen, um hinaufzudringen in die geistige Welt. ZEHNTER VORTRAG München, 27. August 1911
- G129-1960-SE204 - Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen
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ZEHNTER VORTRAG München, 27. August 1911
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Wir haben im Verlaufe unserer Vorträge darauf hinweisen können, wie die Menschen zu den verschiedensten Zeiten sich Vorstellungen bildeten über das, was in den Weltenwesen und in den Welten-ereignissen eigentlich darinnen steckt. So darinnen steckt, daß der Mensch dadurch, daß er sich gewisse Vorstellungen, gewisse Begriffe bildet, daß er sich bestimmte Empfindungen und Gefühle über die Ereignisse und Wesenheiten der Welt aneignet, zu etwas gelangt, was ihm Befriedigung gibt, von dem er sich sagen muß, daß es ihm einen notwendigen Zusammenhang mit den Dingen schafft, sei es, daß ihm dadurch eine Erklärung für die Welten-geheimnisse aufgeht oder sich ihm in irgendeiner anderen Weise eine Befriedigung ergibt. Dadurch zeigt der Mensch, daß er sich nicht einfach so, wie er ist, der Welt gegenüberstellt, sondern daß er zu dem, was seinen Sinnen und auch seinem hellseherischen Erkennen erscheint, ein Wissen über Tieferes erstreben will, über das, was sich zunächst verbirgt, damit er in der richtigen Harmonie zur Welt stehen könne. Der Mensch zeigt dadurch, daß er über-haupt eine Erklärung anstrebt über die Welt, daß ihm diese Welt Rätsel aufgibt, daß sein Verhältnis zur Welt nicht abgeschlossen ist mit der Art, wie er sich zunächst ihr gegenüberstellen muß. Man hat das in alten Zeiten dadurch ausgedrückt, daß man jenes Gefühl ins Auge faßte, welches die Menschen gerade den auffallendsten Wesenheiten und Tatsachen des Weltenwerdens gegenüber haben. Man hat gesagt, der Mensch hat zunächst das Gefühl der Verwun-derung gegenüber den Dingen und Wesenheiten, und aus dem Ge-fühle der Verwunderung entspringe alle Philosophie, alles, was der Mensch als eine Erklärung über die Welt anstrebt. Nun aber dürfen wir aus den Erfahrungen heraus, die ein jeder machen kann, sagen: Die Menschenseele strebt aus dem Gefühle der Verwunderung heraus zu etwas, was diese Verwunderung dämpft, wegbringt. -
Sie kann nicht bei der bloßen Verwunderung stehenbleiben, denn sonst würde ihr die ganze Welt nur aus Wundern bestehen. Die Menschenseele kann vor den Weltenwundern mit ihrer Verwunde-rung nicht stehenbleiben, sie muß die Verwunderung dämpfen, muß das, was als Weltenwunder erscheint, dadurch sozusagen sich aus dem Wege schaffen, daß sie durch sich selbst eine Art Erklärung, eine Antwort auf das Rätselvolle, das Wunderbare der Welterscheinungen und Weltenwesen findet. Wir haben gesehen, wie zum Beispiel die alte Griechenseele in der verschiedensten Art die Verwunderung weggeschafft hat, indem sie hindurchgeblickt hat auf das, was einem alten hellseherischen Bewußtsein zur Erklärung der Welt gegenwärtig war und was sie in ihren Göttergestalten ausgesprochen hat. Sobald der Grieche gewußt hat: in dieser oder jener Weltentatsache, in diesem oder jenem Weltendinge wirken Geistgestalten, welche durch die For-men und Wesenheiten der griechischen Mythologie repräsentiert werden, alsbald hat sich sein Gefühl der Verwunderung verwandelt in eine Art Harmonie zwischen der eigenen Seele und den Welten-wundern. In unserer heutigen, gegenüber der griechischen Welt materialistischen Welt denkt man anders. Unsere Zeit ist abgeneigt, da wo sie ein Dämpfen des Gefühls, der Verwunderung für not-wendig erachtet, durch bildhafte Gestalrungen sich Antwort zu geben auf Weltenrätsel. Unsere Zeit würde eine solche Antwort für etwas Phantastisches halten, wenn sie eine Erklärung abgeben sollte für die Dinge der Welt. Unsere Zeit strebt nach verstandes-mäßiger Beantwortung der Weltenrätsel, nach einer Beantwortung der Weltenrätsel, die man als wissenschaftlich bezeichnen kann. Aus den verschiedensten Empfindungen aber, die hervorgerufen werden konnten im Verlaufe dieser und anderer Vorträge, können Sie entnehmen, daß die Art und Weise, welche heute üblich ist, die verstandesmäßige, trockene, nüchterne, wissenschaftliche Weise, nur eine Phase, eine Epoche ist in dem Bestreben, die Verwunde-rung über die Weltenwunder zu dämpfen. Denn wenn der heutige Mensch von seiner Art, die er wissenschaftlich nennt, auf die grie-chische Form der Weltenerklärung zurückblickt und diese kindlich
nennt und so empfindet, wie wenn sie nur aus der Phantasie ent-sprungen wäre und nichts zu tun habe mit den Realitäten - wenn der Mensch glaubt, daß er heute das gefunden hat, was für alle Zeiten wissenschaftlich bleiben soll, dann muß ihm geantwortet werden, daß er sehr kurzsichtig ist. Denn gerade so, wie der Werdegang der Menschheit über die Form der griechischen Erklärung hinweggeschritten ist und in unserer Zeit zu einer entsprechenden nüchternen und intellektuellen Forderung vorgedrungen ist, ebenso wird über diese intellektualistische materialistische Gestaltung der Mensch hinausschreiten, und wenn man nicht bis dahin gescheiter sein wird, so wird man über das, was heute als echte Wissenschaft gilt, in der Zukunft ebenso denken, wie wir über das Griechentum denken. Die Keplerschen Gesetze, unsere biologischen Gesetze müßten unseren Nachkommen ebenso als Mythologie erscheinen wie uns die griechische Mythologie, wenn diese Nachkommen nicht durch einen erweiterten Weltenblick einsehen würden, daß eine jede Art der Erklärung gleichberechtigt nebeneinandersteht. Der unendliche Hochmut unserer Zeit, welcher sagt, daß die Mythologie eine Phantastik und unsere Wissenschaft endlich eine Erklärung sei, wird überwunden werden, und man wird einsehen, daß unsere Zeit ebenso nur eine Phase geben konnte, die überwunden werden muß, wie es in früheren Zeiten war. Gerade aber, wenn man ins Auge faßt unsere Art der nüchternen, verstandes-mäßigen Erklärung der Welt, was man draußen die Wissenschaft nennt, dann muß man sagen: Unsere Erklärung der Welt mit ihren Verstandesformen und Verstandesideen ist es, die am wenigsten tief in die wirklichen Realitäten eingreifen kann. Wir müssen uns einmal ernstlich die Frage beantworten: Woher kommt das? Wenn Sie den ganzen Geist der bisherigen Vorträge ins Auge fassen und manches andere, was im Laufe der Zeit zu Ihnen gesprochen worden ist, dann müssen Sie sich sagen, daß die Art und Weise, wie der Mensch die Welt anschaut, sich im Laufe der Zeiten mannigfaltig geändert hat. Der Mensch ist ein anderer geworden, und in den alten Zeiten des Hellsehertums sind viel stär-kere, gewaltigere Kräfte aus der Gesamtheit der menschlichen
Wesenheit in Anspruch genommen worden als heute. Mit der bloßen materialistischen Erklärung sondert gewissermaßen die Seele durch das Instrument des Gehirns die dünnsten, schatten-haftesten Gebilde als Verstandesideen von sich ab, um eine Welt-erklärung dadurch zu geben. Viel vollsaftiger, viel mehr von Realität erfüllt waren die alten Erklärungen der mehr oder weniger hell-seherischen Zeiten. Wir haben ja gestern gesehen, wie unser Gehirn eine Art Apparat ist, der unseren Astralleib zum Stauen, zum Stehenbleiben bringt und die Gebilde dieses Astralleibes, weil sie von unserem Gehirn nicht durchgelassen werden, als unsere Welt-gedanken zum Bewußtsein kommen läßt. In den Zeiten des alten hellseherischen Bewußtseins sind aber vom Menschen nicht nur diese Gebilde des Astralleibes aufgehalten worden, sondern auch noch die des Ätherleibes. Die Folge war, daß der Mensch viel mehr von seiner eigenen Wesenheit, von seinem eigenen Selbst, von seinem Seelenstoffe einfließen ließ in die Gebilde seiner Erkenntnis. Wir könnten etwa schematisch sagen: Das alte Hellsehen, auch noch das alte, viel mehr der Phantasie hingeneigte Schauen der Griechen war so, daß, wenn ein Gedanke an Zeus, an Dionysos, vor der Seele des alten Griechen stand, er volisaftig dicht erfüllt von Realität war, die allerdings zunächst aus dem menschlichen Seelenstoffe selbst genommen war, aber weil dieser aus allen Tiefen der Welt herausgenommen war, so hatte eine solche Vorstellung der alten Griechen von ihren Göttern viel mehr Realität in sich als Gedankenbilder der neuen Zeit. Wenn ich den Gedanken des alten Griechen mit einem Kreise bezeichne, so müßte ich den Gedanken eines heutigen Menschen viel dünner mit Seelenstoff, mit Seelen-substanz erfüllt Ihnen hinzeichnen. (Es wurde die entsprechende Zeichnung entworfen.> Die menschliche Seele nimmt viel weniger und viel Dünneres als früher aus sich heraus, wenn sie die Gebilde der heutigen Ideen, Vorstellungen formt, so daß in dem Weltbilde, das sich die Seele mit dem heutigen Bewußtsein aneignen kann, viel weniger von Weltenrealität enthalten ist als in dem früheren Gebilde. So daß also die Wahrheit eine umgekehrte ist von der, die
sich zumeist der heutige gelehrtenhafte philosophische Hochmut bildet, welcher meint, die Griechen hätten in ihren Göttern phan-tastische Gebilde gehabt, in denen keine Realität war, erst in den heutigen Naturgesetzen mit ihren Abstraktionen sei Realität. Nein, so ist es nicht. Viel dichter erfüllt von wirklicher Realität waren die Gebilde der griechischen Erkenntnis, und wie ausgepreßte Zitronen sind dafür diejenigen Erkenntnisse, die heute uns durch die Naturgesetze zukommen. Das ist etwas, was die Seele fühlen kann, wenn sie nicht voreingenommen ist durch den gelehrten und wis-senschaftlichen Hochmut unserer Zeit, sondern wenn sie dürstet nach Erfüllung des Bewußtseins mit Realität. Wenn unsere Seele fühlt, daß sie nach Realität dürsten muß, dann hat sie gegenüber dem, was sich ihr insbesondere heute darbietet in dem, was man die strenge Wissenschaft nennt, das Gefühl, daß sie gerade da am meisten in die Illusion oder Maja verstrickt ist. Niemals gab es in der Welt solche Verstricktheit mit der Maja als in den Gebilden der heutigen Philosophie oder Wissenschaftlichkeit. Warum ist das so gekommen? Weil der Mensch im Laufe seines Erdenwerdens sein gegenwärtiges Ich-Bewußtsein entwickeln mußte! Dazu mußte er ganz allein selbständig mit sich, mit seinem Ich sein. Dazu mußte er abgezogen werden von jener Verbindung mit der Außenwelt. Jene starken substantiellen Inhalte, welche ihm die Möglichkeit gaben, viel Seelenstoff in seine Gestaltungen hineinzupressen wie bei den griechischen Göttergestalten, hätten dem Menschen unmöglich gemacht, weil er zu sehr ergossen gewesen wäre in die Welt, zu seinem Ich-Bewußtsein zu kommen. Damit der Mensch in bezug auf sein Ich-Bewußtsein stark werden konnte, mußte er losgerissen werden, isoliert werden von den Weltenrealitäten, so daß unsere Seele gegenüber den Weltenrealitäten schwach, unendlich schwach für objektive Welterkenntnis werden mußte. Als erkennende Seele, als bewußte Seele in bezug auf das Welt-bewußtsein ist unsere Seele, die besonders dazu geeignet ist, das Ich-Bewußtsein auszubilden, am allerschwächsten gegenüber den Zuständen, die sie einst selbst durchgemacht hat. Wegen unserer Schwäche, zu der wir uns entwickeln mußten, müssen in unserem
heutigen Bewußtsein jene dünneren, von geringer Realität erfüllten Ideen und solche verstandesmäßigen Naturgesetze auftreten. Derjenige, der nun heute aus der Gelehrsamkeit oder aus dem sonstigen Autoritätsglauben unserer Zeit heraus zu der rein in Abstraktionen hausenden Naturwissenschaftlichkeit erzogen wird, wird allerdings nicht vordringen zu dem Gefühle der unendlichen Verarmung gegenüber der wahrhaften Realität. Wer aber den Durst nach einem Verwachsen mit der Weltenrealität in sich fühlt, der weiß, wie ihn in einem gewissen Zeitpunkte seines Lebens das Gefühl überkommt: 0 wie fühlt man sich in allen heutigen Vorstel-lungen entfernt von der wahren Realität, wie fühlt man sich in bloßen äußeren Schemen, in Schattenbildern! - Das könnte man auch in äußeren wissenschaftlichen Formen ausdrücken, und Sie finden es so ausgedrückt in meinem kleinen, vor vielen Jahren erschienenen Werke «Wahrheit und Wissenschaft». Da wird gezeigt, daß der Mensch dadurch, daß er zum gewöhnlichen Verstandeswissen kommt, nur zu einem Teile des Wissens, der Wahrheit, gelangt und vorwärts-dringt zu einer anderen Gestalt der Welt, als die ist, die sich ihm darbietet. Das ist der wissenschaftliche Weg, der ganz gut gangbar ist, wenn er auch für die Philosophie der heutigen Zeit unverständlich klingt. Aber auf der anderen Seite entsteht das Streben, durch die esoterischen Wege hineinzudringen in eine vollsaftigere Wirklichkeit, als die bloßen abstrakten Verstandesgesetze es geben können. Und dann, wenn die Seele so fühlt, daß sie mit dem heutigen normalen Bewußtsein nur Ideen hervorbringen kann, die Maja sind gegenüber der vollsaftigen Realität, wenn diese Seele nicht eine ausgepreßte Zitrone ist, die bloß die gegenwärtigen Wissenschaften anerkennt, dann fühlt sie sich wie leer gegenüber der Weltenrealität. Dann fühlt sie zwar, daß sie mit ihren Ideen bis an das Ende der Welt kommen kann, bis an die Weltenfernen, aber sie berücksichtigt nicht den Ausspruch vom zweiten Drama «Die Prüfung der Seele»: «Bei Weltenfernen ende nicht. » Denn wer im Ernste bei Weltenfernen enden wollte, den müßte ein Gefühl überkommen, wie wenn er sich ausbreitete mit den Ideen, die an sich schon schwach sind, über einen unendlich weiten Raum. Da werden sie noch mehr verdünnt,
und je weiter wir in die Weltenfernen kommen, desto dünner wer-den sie, und wir stehen vor dem unendlich leeren Abgrund mit unseren Ideen. Das muß als Seelenprüfung auftreten. Der nach Realität Dürstende, der im Sinne der abstrakten Wissenschaftlich-keit sich über die Rätsel und Wunder der Welt aufklären muß, steht zuletzt mit den sich völlig in spirituellen Dunst auflösenden Ideen vor der Weltenleere. Dann muß die Seele unendliche Furcht vor der Leere empfinden. Wer diese Furcht vor der Leere nicht empfinden kann, der ist einfach noch nicht so weit, daß er die Wahrheit fühlt über das gegenwärtige Bewußtsein. So steht uns, wenn wir das gegenwärtige Bewußtsein in die Weltenfernen ausdehnen wollen, als ein furchtbares Schreckgebilde die Furcht vor der Weltenleere in Aussicht, die niemandem erspart werden kann, der ernst nimmt, was gegenwärtiges normales Bewußtsein ist. Solche Prüfung muß die Seele durchmachen, wenn sie den Sinn und Geist unserer Zeit durchmachen will. Sie muß einmal an dem Abgrunde, der sich nach allen Seiten auftut, wenn wir mit unseren Ideen die Raumesweiten durchdringen wollen, diese unendliche Furcht vor der Leere empfinden, vor dem Sich-verlieren in dem Weltenraume, in den Weltenweiten. Und wenn uns aus der Geetheschen Weltanschauung geläufig ist jenes Wort: Einswerden mit dem Weltall, sein Selbst zu einer Welt erweitern..., so müssen wir sagen: Wenn mit den Mitteln der heutigen Erkennt-nis bis in die Weltenfernen gegangen wird und man versucht, mit heutigen philosophischen Prinzipien, die ja immer abstrakt sein müssen, weil sie aus dem gegenwärtigen Bewußtsein genommen sind, die Welt zu begreifen, dann muß eine gesunde Seele die Prü-fung durchmachen des Stehens vor dem Leeren, vor dem Abgrunde nach allen Seiten, die Furcht, mit dem besten Teile seines Wesens, mit dem, was das Bewußtsein ausmacht, sich aufzuzehren im endlosen Nichts. - Dieses Gefühl ist das allgemeine Gefühl, und alle sonstigen Gefühle der Seelenprüfungen sind nur Spezialgefühle von dieser Furcht vor der Leere, diesem horror vacui. Und un-gesund wäre es bei dem engbegrenzten Seelenleben, wenn man nicht empfinden könnte, wie das gegenwärtige Bewußtsein zersprüht
und sich zerschmettert gegenüber dem unendlichen Weltenall, sobald es sich zu diesem Weltenall erweitern will. Das ist das Schicksal der Seele, wenn sie mit ihrem heutigen Bewußtsein hin-ausdringen will in die Weltenfernen, in die Weltenweiten. Es ist ein anderer Weg, den die Seele einschlagen kann. Das ist der, wenn sie in ihre eigenen Tiefen so hinuntersteigt, daß sie bei diesem Hinuntersteigen dasjenige erlebt, was ihre Organisation ist. Wie unsere Seele mit ihrem Bewußtsein im heutigen Leben ist, so erlebt sie ja nur wirklich das, was sie in der Erde hinzugefügt hat zu ihrer Organisation. Was im alten Monde als Astralleib auf-genommen worden ist, das ist das Unterbewußtsein, welches im Ätherleib aufleuchtet, aber im normalen Bewußtsein nicht erlebt wird. Noch weniger erlebt der Mensch das, was während der Sonnenzeit erworben ist als Ätherleib, oder gar das, was im phy-sischen Leibe durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit hindurch und in unserer Erdenzeit erworben worden ist. Das sind verschlos-sene Gebiete. Aber an diesen verschlossenen Gebieten haben un-zählige Göttergenerationen, geistige Hierarchien gearbeitet. Frei-lich, wenn wir da hinuntersteigen durch die hellseherische Erkennt-nis, durch die esoterische Schulung und wir hinter unser Ich-Bewußtsein in die eigene Wesenheit hineindringen und antreffen, was als Astralleib, Äther- und physischer Leib in uns ist, dann kommen wir nicht in eine Leere, dann kommen wir in eine viel mehr verdichtete Weltensubstantialität. Alles das, was unzählige geistige Hierarchien durch Jahrmillionen und Jahrmillionen in uns Menschen hineingearbeitet haben, das treffen wir da unten an. Aber wenn sich der Mensch einleben will durch eine ernsthafte Selbsterkenntnis, wie sie esoterische Schulung gibt, wenn er hin-untertauchen lernt in die Leistungen von unzähligen Göttergene-rationen durch Jahrmillionen, dann trifft er nicht in reiner Form das, was die Götter geleistet haben. Denn in all das hat der Mensch hinuntergedrängt, was er selber dargelebt hat an Trieben, Begier-den, Leidenschaften, Affekten, Instinkten durch die Generationen hindurch. Und was er so ausgebildet hat, das hat sich verbunden im Lauf der Erdeninkarnationen mit dem, was da unten im Astralleib,
Ätherleib und physischen Leib ist. Das bildet eine dichte Masse; in die treten wir zunächst ein. Was wir selber erst hinein-getrieben haben in diese göttliche Wesenheit, das verschleiert uns unsere eigene göttliche Wesenheit, so daß, wenn wir in uns selber hinuntertauchen, wir das Gegenteil von dem finden, was wir finden, wenn wir in die Weltenweiten hinausdringen. Wenn wir in die Weltenweiten hinausdringen, ist es die Gefahr, am Ende vor dem Nichts zu stehen. Wenn wir in uns selber eindringen, ist es die Gefahr, in immer dichtere und dichtere Regionen zu kommen, die wir durch unsere Triebe, Begierden und Leiden-schaften verdichtet haben. So wie wir fühlen unseren Bewußtseins-stoff sich zersplittern und zerstören, wenn wir hinaus in die Weltenfernen gehen, so fühlen wir, wenn wir in die eigenen Seelentiefen tauchen, immer mehr und mehr, wie wir zurückgestoßen werden, gleichwie von einem Kautschukballe zurückgestoßen werden, der gedrückt wird. Immer wieder werden wir von uns selber zurück-gestoßen, wenn wir untertauchen wollen in unser eigenes Innere. Das können wir sehr wohl merken. Nicht nur, daß unsere Triebe, Begierden und Leidenschaften, die wir zuerst antreffen, wenn wir in uns selber hineingehen, uns grauenvoll erscheinen, wenn wir ihnen unmittelbar gegenüberstehen, sondern dazu kommt noch, daß sie uns so erscheinen, als ob sie uns mit jedem Augenblicke ergreifen wollten. Sie werden stark, werden mächtig, ihre Willensnatur kommt besonders heraus. Während wir, wenn wir im gewöhnlichen Bewußtseinsleben stehen, diesem oder jenem Triebe nicht folgen, entwickeln diese Triebe und Instinkte sogleich ihre ganze Gewalt, sobald wir ein wenig in uns untertauchen, und wir können nicht anders, als ihnen nachgeben. Fortwährend werden wir von einem in uns selbst stehenden Willen niederer Natur erfaßt und als schlechter in uns selber zurückgeworfen, als wir vorher waren. Da stehen wir sozusagen vor der Dichtigkeit der Triebe und Instinkte, wenn wir in uns selber eintauchen. Das ist die andere Gefahr. So stehen wir vor gewaltigen Gefahren: wenn wir in die Welten-weiten hinausdringen, uns ganz in nichts aufzulösen mit unserem Bewußtsein, und wenn wir in uns selber untertauchen, alles Bewußtsein
den Trieben und Instinkten, die in unserer Wesenheit sind, unterzuordnen und dem größtmöglichen Egoismus zu verfallen. Das sind die beiden Pole, zwischen denen alle Seelen-prüfungen liegen: die Furcht vor dem Nichts, das Verfallen gegenüber dem Egoismus. Und alle anderen Seelenprüfungen sind Spe-zialerscheinungen gegenüber dem, was wir nennen können auf der einen Seite den Pol der Auflösung in das Nichts, und den anderen Pol, den Verfall in den Egoismus, in die Egoität. In dieser Beziehung ist sogar die höhere Erkenntnis gefährlich. Denn was lernen wir durch diese höhere Erkenntnis? Wir lernen, wie sich unzählige geistige Hierarchien beschäftigt haben mit uns, wie unsere phy-sische, ätherische ünd astralische Leiblichkeit in allen ihren Teilen von den Hierarchien zusammengesetzt ist, wie die Geister der Welt gearbeitet haben, damit der Mensch endlich hat zustande kommen können. Da überkommt es den Menschen, daß, wenn er esoterisch in sein eigenes Innere untertaucht, er sich sagt: Du bist ja eigentlich das Ziel und der Zweck der Götter gewesen, nach dir haben sie hingearbeitet. - Da ist die große Gefahr vorhanden, daß der Mensch in ungeheuren Hochmut verfällt. Vor diesem Hochmut erschrickt Capesius, als er aus dem Munde des Felix Balde hört, wie die geistigen Hierarchien gearbeitet haben und das Ziel aller Götterleistung der Mensch ist. Dieser Sinn liegt in dem Erschrecken des Capesius vor. Und es gehört zu seiner Seelenprüfung, daß er es erfährt. Deshalb ist es so notwendig, daß der Mensch sich zu der Erkenntnis, daß er das Götterziel ist, durch Demut nähert und es in Demut durchschaut, sonst führt es zu Überhebung. Denn in der Welt ist, wenn wir den Menschen als Götterziel erkennen, alle Gelegenheit vorhanden, hochmütig, über-hebend zu werden. In dem Makrokosmos ist alle Gelegenheit dazu, wenn wir fortwährend die Götter sich anstrengen sehen, um aus-zubilden, was menschliche Wesenheit ist. Gut ist es, wenn wir uns ein wenig konkretere Vorstellungen machen darüber, wie die Götter an der Formung und an der sonstigen Ausbildung des Menschen gearbeitet haben: die Throne durch die alte Saturnzeit mit den Geistern der Persönlichkeit zusammen; die Cherubim mit den Geistern
der Weisheit, mit den Erzengeln während der alten Sonnen-zeit zusammen, die Seraphim mit den Geistern der Bewegung, mit den Engeln zusammen während der alten Mondenzeit. Können wir denn jetzt auf der Erde noch etwas bemerken von diesem Arbeiten an der menschlichen Gestaltung von draußen herein? Da berühren wir wiederum eine eigentümliche Erscheinung unseres neuzeitlichen Geisteslebens, eine Erscheinung, die schon oft in diesen Vorträgen berührt werden mußte. Es gibt im Grunde genommen nichts, was so sehr Beweise exo-terischer Art liefern könnte für alles das, was hier in der Geistes-wissenschaft verkündet wird als die Tatsachen der modernen Wis-senschaft. Wie sich diese moderne Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten in ihren Tatsachen entwickelt hat, das liefert überall einen Beweis für alles, was hier verkündigt wird. Nur werden diese Tatsachen oftmals von denjenigen am wenigsten verstanden, die diese Tatsachen entdecken. Und die Erklärung dieser Tatsachen durch die äußere Philosophie und Wissenschaft ist wiederum das größte Hindernis für das Verständnis der Geisteswissenschaft Die Tatsachen sind überall ein Beweis, aber die gegenwärtigen Erklä-rungen der Tatsachen sind überall ein Hindernis: das ist die eigen-tümliche Erscheinung. Auf einzelne solcher Tatsachen habe ich schon an verschiedenen Orten hingewiesen. Aus dem Geiste meiner Vorträge können Sie entnehmen, daß das Gehirn sozusagen das letzte war, was am Menschen ausgearbeitet worden ist. Die andere Organisation ist früher hineingearbeitet worden von den Geistern der verschiedenen Hierarchien. Aber noch heute arbeitet das halb Unterbewußte an der Organisation des Gehirns fort, so daß man es beobachten kann, nur wird es nicht in der richtigen Weise inter-pretiert, was hier als so schöne, so wunderbare Tatsachen die moderne Wissenschaft gibt Betrachten wir ein Beispiel. Es hätte im April dieses Jahres das fünfzigjährige Jubiläum für eine höchst bedeutsame Entdeckung der modernen Wissenschaft gefeiert werden können, welche, wenn sie richtig verstanden wird, ein voller Beleg für die geisteswissenschaftliche Evolutionslehre ist, ein Zeugnis dafür. Gefunden werden können die geisteswissenschaftlichen
Ergebnisse nur durch Hellsehen, bestätigt werden können sie durch die Tatsachen, welche die äußere Wissenschaft zutage fördert. Das fünfzigjährige Jubiläum jener bedeutungsvollen Rede hätte gefeiert werden können, die Broca, der große Arzt und Philo-soph, in der Pariser anthropologischen Gesellschaft im April des Jahres 1861 gehalten hat über das Sprachzentrum. Denn was Broca geleistet hat, ist ein voller Beweis davon, daß in den inneren Ge-setzen des physischen Gehirns die Anlagen liegen für jene Kon-figuration, für jene Formung eines bestimmten Teils des Gehirns, die zu dem Bewußtsein der Sprachkunst und auch zum Verständnis der Sprachlaute führt. Als Broca im April 1861 gefunden hatte, daß das Werkzeug des Sprechens in der dritten Stimwindung des Großhirns liegt und daß dieses Werkzeug in der Ordnung sein muß, wenn der Mensch die Sprachlaute verstehen will, und ebenso ein anderer Teil, wenn er sie aussprechen soll, war ein wichtiger Fortschritt getan, der geisteswissenschaftlich verwertet werden kann und ein Beleg für die geisteswissenschaftlichen Tatsachen ist Warum? Weil sich gerade daran, wie dieses Sprachzentrum sich ausbildet, zeigt, daß die äußeren Bewegungen des Menschen, die Bewegungen seiner Hände, also das, was der Mensch halb unbe-wußt im Leben vollzieht, mitwirkt an der Konfiguration dieses Sprachzentrums. Warum ist dieses Sprachzentrum bei den Men-schen auf der linken Seite besonders ausgebildet? Weil der Mensch nach den bisherigen Kulturbedingungen die rechte Hand besonders gebrauchte. So ist es der ätherische und astralische Leib, der aus dem Unterbewußtsein die Gesten der Hände ausführt, der hinein-wirkt in das Gehirn und dieses formt. Anschaulich lehren heute die Anthropologen, daß von außen herein durch makrokosmische Welt-tätigkeit das Gehirn geformt wird. Wenn dieser Teil verletzt oder gelähmt wird, dann gibt es keine Sprachfähigkeit. Wenn darauf gesehen wird, daß, wenn die eine Seite des Gehirns, die gewöhnlich durch unsere Rechtshändigkeit stark ausgebildet ist, von der linken Seite aus entfesselt wird, was zum Beispiel in der Kindheit noch möglich ist und in der späteren Zeit nicht mehr, dann zeigt sich, daß wirklich von außen durch systematisierte Tätigkeit das
Gehirn so geformt werden kann, daß es ein Sprachzentrum erhält in der dritten entsprechenden Himwindung dann auf der rechten Seite. Müssen wir da nicht sagen: Es ist das Irrtümlichste, was wir uns vorstellen können, wenn wir denken, daß die Sprachfähigkeit durch Gehirnanlage gebildet wird? Nein, die Gehirnanlagen machen sie nicht, sondern der Mensch in seiner Tätigkeit, die er entwickelt. Aus dem Makrokosmos heraus bildet sich die Sprach-fähigkeit im Gehirn. Das Sprachorgan kommt von der Sprache, nicht die Sprache von dem Sprachorgan. Das ist es, was durch diese bedeutsame physiologische Tatsache des Broca gefunden worden ist. Dadurch, daß die Götter oder Geister der Hierarchien den Men-schen verholfen haben, solche Tätigkeiten auszuführen, welche ihm seine Sprachzentren schaffen, ist von außen das Sprachzentrum gebildet worden. Aus der Sprache entsteht das Sprachzentrum, nicht umgekehrt. Richtig verstanden, sind alle solchen modernen Entdeckungen ein voller Beleg für die Geisteswissenschaft, und es ist schade, daß ich solche Sachen immer nur kurz andeuten kann. Würde man aus-führlich sprechen können über charakteristische Dinge dieser Art, so würden Sie sehen, wie kurzsichtig die Menschen sind, die da sagen, die Geisteswissenschaft widerspreche der modernen Wissen-schaft. Im Gegenteil! Sie widerspricht nur den Erklärungen, welche heute die moderne Gelehrsamkeit abgibt, widerspricht aber nicht dem, was die Wissenschaft als Tatsachen gibt. So, wie wir während unseres Erdendaseins aus unserer makrokosmischen Gestaltung als Menschen sind, ist es die Tätigkeit der Hierarchien, die von außen herein uns geformt hat. Wir sind wirklich ein Ergebnis des Makro-kosmos. So sind wir heute ein Ergebnis unserem Bewegungen der Gliedmaßen, unserem Gesten, die eine stumme Sprache führen und die sich abdmücken im Gehirn, das vorher nicht die Anlage zum Sprechen hat. Der Urmensch hat durch sich selbst zu nichts die Anlage, sondern alles wurde ihm aus der makrokosmischen Tätigkeit der geistigen Hierarchien geformt, gebildet, gegeben. Daraus ersehen wir, daß wir in der Tat mit unserem gegenwärtigen Bewußtsein schwache Menschen sind. Wollen wir hinaus
in die Welt, so stehen wir vor dem Leere, wollen wir in uns hin-unter, da fangen wir uns in der Falle unserem Willensnatur. Und dadurch kommen die schweren Seelenprüfungen, die eintreten müssen, wenn dem Mensch von dem gegenwärtigen Standpunkt seines Bewußtseins sich nach der einen oder anderen Richtung den Geheimnissen der Welt nähern will, über die er sich zunächst ver-wundern muß, weil sie ihm als Weltenwunder entgegentreten. Woher kommt denn das, was jetzt eben gesagt worden ist? Nun, das kommt daher, weil, wenn wir hinausdmingen in die Weltenweiten, wir in eine Region hineinkommen, die wir in den letzten zwei Vorträgen genau bezeichnet haben als die Region dem oberen Götter oder Geister, die nur die Vorstellungen der realen Götter oder Geister sind. Wir geraten also in eine Welt hinein, die keine Selbständigkeit hat. Kein Wundem, daß das, was uns diese Welt geben kann, uns zuletzt ins Leere führt. Wie auch der Mensch zur Erkenntnis vorzudringen strebt, wenn er da hinaufdmingt, wohin sein Denken, seine Vorstellungen zunächst dringen können, da gelangt er selber nur zu Vorstellungen, zu Vorstellungen der Götter, und kann nicht in eine wirkliche Realität hineinkommen. Dringt dem Mensch aber in sich hinunter, in das, was durch Jahrmillionen und aber Jahrmillionen in ihm gebildet worden ist, dann gelangt er zu den Taten, den Ergebnissen dem anderen göttlich-geistigen Welten, die wir im Verlaufe der letzten Vorträge die unterirdischen, die wahren Götter nannten. Aber um zu ihnen hindurchzudringen, müssen wir erst durch unsere eigenen Triebe, Begierden und Leidenschaften hindurch, durch alles das, was uns da fängt, uns aufnimmt und uns verändert, so daß wir ihm folgen müssen. Und das führt uns in die Egoität, in den Egoismus und schließt uns ab von diesen unteren Göttern. So haben wir den anderen Pol der Seelenprüfungen. Wollen wir uns den oberen Göttern nähern, dann gelangen wir ins Leere, in die bloße Vorstellungswelt. Wollen wir uns den unteren Göttern nähern, so verläßt uns alles Vorstellen, weil wir von den blindwütenden Trieben in unserem eigenen Innern erfaßt werden und uns in ihnen selber verbrennen. Deshalb sind die Seelen-prüfungen so schwierig. Eines aber gibt es, das uns zunächst eine
rein theoretische Aussicht eröffnet. Wir müssen uns doch sagen: Wie dünn auch die Ideen sind, wie dünn auch alles das ist, was uns die Egoität, der Egoismus geben kann, es ist eben doch aus dem Weltenganzen heraus. Und wenn wir nur in der richtigen Weise uns in dieses unser Bewußtsein hineinfinden können, daß wir es in seiner Selbständigkeit betrachten, so betrachten, wie es in sich selber ist, und wenn es dann immer stärker und stärker wird, dann vielleicht dringen wir auf dem einen oder anderen Weg vor, so daß die Seelenprüfung bestanden werden kann. Es soll nur hier gekennzeichnet werden, wie wir vordringen können in anderer Art als mit dem gewöhnlichen normalen Bewußtsein. Nehmen wir an, wir durchdringen uns mit dem, was wir jetzt schon in der verschiedensten Weise genannt haben den Christus-Impuls, wir lernen verstehen in seiner tiefsten Bedeutung das Paulinische Wort: Nicht Ich, sondern der Christus in mir. Dann stehen wir mit unserem normalen Bewußtsein zunächst da und sagen uns: Wir wollen dieses normale Bewußtsein nicht allein wirken lassen, wir wollen nicht allein in dieser unserer Persönlichkeit bleiben, sondern wir wollen uns mit der Substantialität durchdringen, die ja seit dem Mysterium von Golgatha in der Erden-atmosphäre enthalten ist, mit der Christus-Substanz. Wenn wir uns so mit ihr durchdringen, dann nehmen wir nicht bloß unsere dünnen Ideen hinaus in die Weltenweiten, sondern dann nehmen wir - und wenn wir noch so weit gehen in die Raumesweiten -die Substantialität des Christus mit. Alle unsere Ideen sind dann durchdrungen von der Substanz des Christus, und dabei stellt sich etwas höchst Merkwürdiges heraus, was ich Ihnen klarmachen möchte an der wissenschaftlichen Entwickelung der neueren Zeit. Da ist man zunächst ausgegangen von den äußeren Natur-erscheinungen und hat diese auf allerlei Kräfte und dergleichen zurückgeführt Dann kam man dazu, das, was sich in der Außenwelt abspielt, Licht und Töne und so weiter, auf Schwingungen bewegter Ätherteile oder bewegter, selbst wägbarer Stoffteile zu-rückzuführen, und war froh, daß man sich die ganze Welt auf eine Welt bewegter, schwingender Atome des Äthers und dergleichen
zurückführen konnte. Jetzt ist diese Art und Weise, weil sie ja doch zu nichts führt, wie die Leute gesehen haben, doch schon zum großen Teil verlassen worden, aber rückständig ist in dieser Be-ziehung noch das allgemeine öffentliche Bewußtsein, das bleibt immer einige Schritte hinter dem wissenschaftlichen Fortschreiten zurück. Da ist noch vielfach die Sehnsucht vorhanden, die ganze Welt zu erklären durch die Abstraktion von schwingenden Atomen, als wenn der Raum ausgefüllt wäre von lauter Schwingungen, von lauter Oszillationen. Ja, sehen Sie, wenn man mit unseren Ideen und mit den empirischen Erfahrungen, die man über die Realitäten machen kann, zu solchen Ergebnissen kommt, dann fühlt man wirklich in dem Augenblick, wo man an die sogenannte atomistische Welt herankommt, sogleich diese Leere, denn jene Atome, die ausgedacht werden, gibt es nämlich gar nicht. Atome kann es geben, sofern sie empirische Realität haben, soweit das Mikroskop geht, soweit die Stofflichkeit geht, solange diese mit Licht und Wärme ausgestattet wird, aber um Licht und Wärme selber zu erklären, darf man keine Atome oder Schwingungen der Atome zur Hilfe nehmen, denn dann denkt man in der Welt ein Welten-system aus, und ein ausgedachtes Weltensystem führt zu etwas, das gar keinen realen Inhalt mehr hat. Daher hat diese alte atomistische Theorie eben gar keinen Inhalt mehr. Man denkt sie aus, fühlt aber, daß sie nirgends eingreift in die Realität. Anders ist es, wenn wir unsere Ideen, wenn wir unsere abstrakten Gesetze überall mit dem durchdringen, was in Wahrheit der Christus-Impuls ist, von dem Sie ja alle wissen, daß nicht irgend etwas damit gemeint ist, was ein orthodoxes Bekenntnis im Auge hat, sondern der große makrokosmische Christus-Impuls. Mit dem müssen wir uns durchdringen im Paulinischen Sinn. Nicht unsere abstrakten Ideen und Begriffe, sondern das, was sie sind, als unsere gegenwärtige Bewußtseinsform durchdrungen von dem Christus-Impuls, das tragen wir hinaus in die Welt Und hier liefert die Erfahrung etwas ganz Eigenartiges. Wie wir immer leerer und ärmer werden und unser Bewußtsein zuletzt zersprüht und zer-stiebt in die Weltenleere, wenn wir mit dem Christus-losen Bewußtsein
hinausdringen - sobald wir den Christus-Impuls aufgenommen haben, je weiter wir auch kommen in die Weltenfernen, in die Raumesweiten, desto reicher, voller wird unser Bewußtsein. Und wenn wir bis zur Hellsichtigkeit vordringen, dann haben wir durch die Christus-erfüllte Seele reichlichen Seelenstoff, so daß mächtig und grandios die wirklichen Ursachen der Realität als übersinnliche Realitäten zuletzt vor uns stehen. Während unser Christus-loses Bewußtsein uns vor die Leere in den Weltenweiten bringt, bringt uns das Christus-erfüllte Bewußtsein vor die wahren Ursachen der Welterscheinungen und Weltenwunder. Daher durfte ich in dem kleinen Büchelchen «Die geistige Führung der Menschen und der Menschheit» sagen: So töricht das heute erscheint, es werden in der Zukunft Chemie und Physik und Physiologie und Biologie durchdrungen sein von dem Christus-Impuls, und wahre Wissenschaft wird in manchem, wovon man es sich heute nicht träumen läßt, von dem Christus-Impuls durchdrungen sein. Der-jenige, der das nicht glauben will, soll nur einmal die Geschichte durchblättern und sich überzeugen, wie die Vernunft der kommen-den Zeiten oftmals die Torheit der früheren Zeiten war. Möge er sich trösten darüber, wenn er uns etwa bedauern wollte, weil wir annehmen, daß das, was für Torheit in unserer Zeit gehalten wird, die Vernunft der kommenden Zeit ist! So töricht es der heutigen Menschheit erscheinen mag, an eine christliche Chemie zu denken, so vernünftig wird es der Nachwelt erscheinen. Wenn wir den Christus hinaustragen in unsere Weltanschauung, wird er uns Fülle geben statt der Leerheit. Und wenn wir den anderen Weg gehen, wenn wir im Paulinischen Sinne nach dem Geiste dessen, was bisher hier gesagt werden durfte, unsere Seele erfüllen mit dem Christus-Impuls und dann in uns selber eintauchen, was geschieht dann? Der Christus-Impuls hat die Eigentümlichkeit, daß er auf unsere Egoität, auf unseren Egoismus wie auflösend, wie zerstörend wirkt. Merkwürdig: je weiter wir hinuntersteigen mit dem Christus-Impuls in uns selber, desto weniger kann uns der Egoismus anhaben. Wir dringen dann immer mehr und mehr in uns selber ein, und wir lernen, indem
wir mit dem Christus-Impuls durch unsere egoistischen Triebe und Leidenschaften dringen, die Menschenwesenheit erkennen, lernen die ganzen Geheimnisse des Weltenwunders, des Menschen kennen. Ja, dieser Christus-Impuls läßt uns noch viel weiter gehen. Während wir sonst wie ein Kautschukball zurückgeworfen werden und nicht in uns selber, in das Gebiet unserer eigenen Menschheits-organisation hinunterkommen, dringen wir durch Christus immer tiefer und tiefer in uns, durchdringen uns selber, kommen sozu-sagen wieder heraus aus uns selber nach der anderen Seite. So daß, wenn wir nach der einen Seite hinausdringen in die Weltenweiten und überall in den Raumesfernen das Christus-Prinzip finden, wir auf der anderen Seite, wenn wir hinunterdringen im Gebiete der unterirdischen Welten, auch alles Unpersönliche, von uns Freie finden. Nach beiden Seiten finden wir das, was über uns hinaus-geht. In den Weltenweiten zerstieben, zersprühen wir nicht, wir finden die Welt der oberen Götter; nach unten dringen wir in die Welt der wahren Götter ein. Und dasjenige, was uns in uns selbst führt und uns in die Welten-weiten führt, wir könnten es zeichnen als einen Kreis und kämen selber zuletzt außerhalb von uns selbst zusammen. Das, was Willens-natur ist, in das wir sonst untertauchen wie in ein Gebiet, in dem wir verbrennen, und das, was Raumesweiten sind, darinnen wir zerstieben wie in ein Nichts: das kommt zusammen. Und unsere Gedanken über die ,Welt vereinigen sich mit dem Willen, der uns aus der Welt entgegentritt, wenn wir hinuntersteigen. Willens-erfüllte Gedanken, wollende Gedanken! Wir stehen durch einen solchen Prozeß nicht mehr vor abstrakten Gedanken, sondern vor den Weltengedanken, die in sich selber schaffend sind, die wollen können. Wollende Gedanken: das heißt aber Götterwesen, geistige Wesenheiten, denn willenserfüllte Gedanken sind geistige Wesen-heiten. So schließt sich der Kreis. So dringen wir durch die Seelen-prüfungen, die uns begegnen, während wir sonst ins Nichts durch die Schwäche der eigenen Seele gehen würden. So dringen wir, wenn wir in uns selber hinuntersteigen durch die übergroße Egoität - das heißt durch die in der Egoität, im Egoismus starke Seele -
nach beiden Seiten zu dem, was uns zu Seelenprüfungen zwar führen kann, was uns aber nimmermehr etwas über die Welt sagen kann. Wir müssen beide Wege wandeln, müssen beide Widerstände empfinden, sowohl die Furcht vor der Leere wie auch den Wider-stand der eigenen Egoität. Und so durch uns hindurchdringend nach der anderen Seite der Willensnatur, der Welt uns nähernd, werden wir ergriffen, sobald wir auf diese Weise aus uns selber herauskommen, von dem unendlichen Mitfühlen, von dem unend-lichen Mitleiden mit allen Wesenheiten. Und dieses Mitfühlen, dieses Mitleiden, das ist es, was sich verbindet, wenn der Kreislauf geschlossen ist, mit den Weltengedanken, die sich sonst verflüch-tigen und nun substantiellen Gehalt empfangen. Der Christus-Impuls führt uns nach und nach zum Schließen des Kreises, führt uns dazu, zu erkennen, was in den Raumesweiten als willenserfüllte, das heißt wesenhafte, Gedanken weset und lebt. Dann aber, wenn uns die Seelenprüfungen in dieser Art weitergeführt haben, sind wir geläutert in unserer Seele, durchgedrungen durch den Läuterungsprozeß, den wir durchmachen mußten. Indem wir nach unten durch alles dringen müssen, was uns der Hüter der Schwelle zeigt als die Veranlassung zum Egoismus, sind wir auch gefeit vor alledem, was uns Veranlassung gibt, zu zerstieben in den Raumes-weiten und die Furcht vor der Leere zu empfinden. Solch eine Weisheit, die uns im Grunde genommen auf das tiefste Mysterium der Seelenprüfungen führt, herrschte in den alten griechischen Mysterien. Deshalb wurden die griechischen Mysten, die Schüler dieser Mysterien, auf der einen Seite geführt zu der Furcht vor dem unendlichen Abgrund und zur Erkenntnis, auf der anderen Seite zu der Versuchung durch die Egoität und zur Über-windung der Egoität in dem unendlichen Mitleid und Mitgefühl mit allen Wesenheiten. Und in der Ehe, in der Vereinigung des Mitgefühls, des Mitleidens mit den Gedanken, erlebten sie die Läuterung von allen Seelenprüfungen. Ein schwaches, ein ganz schwaches Abbild hat die Urtragödie, das Urdrama in Griechen-land geschaffen. Die ersten Dramen des Äschylos und auch noch -wenn auch ganz wenig nur - des Sophokles lassen uns erkennen,
wozu sie da waren. Sie waren da, um in der Art und Weise, wie eine Handlung fortlaufend auf der Bühne dargestellt ist, Furcht und Mitleid zu erregen und zur Läuterung, zur Katharsis von Furcht und Mitleid zu führen. Aristoteles, der die Überlieferung davon gehabt hat, daß das griechische Drama im kleinen abgespiegelt hat die kolossale, grandiose Empfindung von Furcht und Egoität, von der Überwindung der Furcht durch Furchtlosigkeit, der Egoität im Mitleiden, im unendlichen Mitleiden - Aristoteles, der es wußte, daß das Drama das Erziehungsmittel war im kleinen, hat die Tragödie so definiert, daß sie sein sollte eine Darstellung zusammenhängender Ereignisse, welche geeignet sind, Furcht und Mitleid in der Menschenseele zu erregen und sie zu läutern in bezug auf diese Eigenschaften. Diese grandiosen Wahrheiten sind im Laufe der Zeit den mensch-lichen Seelen verlorengegangen, vergessen worden. Und als man angefangen hat, vom achtzehnten ins neunzehnte Jahrhundert her-auf, den Aristoteles wieder zu studieren, hat man eine ganze Biblio-thek angehäuft mit Erklärungen, was eigentlich Aristoteles damit gemeint hat. Was er gemeint hat, wird man erst begreifen, wenn man das Hervorgehen des Dramas aus den alten Mysterien wie-derum begreifen wird. So kann Gelehrsamkeit an der alleräußer-sten Oberfläche tippen, denn aus der Erklärung des Begriffs Drama ist durch alle Arbeit in diesen Bibliotheken nicht viel gewonnen worden für die Aristotelische Definition von Furcht und Mitleid. So aber sehen wir, wie aus dem Welt- und Menschheitswerden entspringen müssen die Seelenprüfungen. Wir sehen aber auch, wie diese Seelenprüfungen dadurch entstehen, daß unsere Seele sich veranlaßt fühlt, zwei Wege zu gehen, den einen Weg in die Weltenfernen, den anderen in die eigenen Wesenstiefen; daß sie Prüfungen bestehen muß, weil sie nach beiden Seiten hin den Aus-blick nicht haben kann, daß sie aber hoffen kann, den Kreis zu schließen, den Willen von der einen Seite, die Gedanken von der anderen Seite zu finden und dadurch die wahren Realitäten, das, wodurch sich die Welt offenbart als wollender Geist, als geistiges Wollen.
Wohin wir zuletzt gelangen, ist, daß sich uns die ganze Welt in Geist auflöst, daß wir überall Geist erblicken und daß wir alles, was Stofflich-Materielles ist, nur als die äußere Manifestation des Geistes zu erkennen haben, als das Trugbild des Geistes. Weil wir nicht im Geiste uns wissen, wohl aber im Geiste leben, müssen wir solche Prüfungen durchmachen. Denn wir leben zwar im Geiste, wissen es aber nicht. Wir sehen den Geist in einer trügerischen Form und müssen aus dem Truge, der wir selber sind, aus dem Traum, als welchen wir uns selber träumen, zur Realität vordringen, müssen abstreifen alles das, was noch an Materielles oder an Gesetze von Materiellem erinnert. Das ist ein Weg, dessen Ende wir ahnen können, aber aus solchen Ahnungen entsprießt uns die Stärke, die uns sagt: Wir werden endlich den Kreis schließen können und in der Geistesoffenbarung die Lösungen der Weltenwunder, die Befriedigungen für die Seelenprüfungen finden können. So muß uns eine wirkliche Betrachtung der Geisteswissenschaft niemals mutlos machen. Und wenn uns auch gezeigt werden muß, wie schwer die Seelenprüfungen sind, wie sie immer wieder von neuem auftreten müssen, so müssen wir uns dennoch sagen: Kennenlernen müssen wir sie, ja, auch durchmachen müssen wir sie, denn daß wir sie abstrakt wissen, das hilft uns nichts. Aber wir müssen auch das Vertrauen haben, daß wir über die Seelen-prüfungen zu den Geistesoffenbarungen vorschreiten werden. Der-jenige freilich, der sich beruhigen würde dabei, daß die geistigen Offenbarungen doch einmal kommen müssen, daß man daher nicht die Seelenprüfungen aufsuchen soll, der wird erst recht in Seelen-prüfungen verfallen. Wer zum Beispiel sagen würde: Da hast du uns das erste Rosenkreuzer-Drama vorgeführt, in welchem wir eine Entwickelung der Seele finden, die uns zu zeigen schien, daß der Johannes Thomasius schon eine bestimmte Höhe erreicht hat. Nun, wenn wir uns darauf verlassen, dann können wir Abstand von dem zweiten Rosenkreuzer-Drama, «Die Prüfung der Seele», nehmen, können einfach hoffen, daß schon einmal die Geistesoffenbarung folgen werde. Wozu brauchen wir uns auf die Seelenprüfungen einzulassen? - Wer so denken würde, würde sich gerade hineinwerfen
in die schlimmsten Seelenprüfungen, denn wir können nicht durch unser normales Bewußtsein, durch unsere Intellektualität dem ent-kommen, was als Seelenprüfung auf uns abgelagert werden muß. Daher ist es besser, wenn wir uns alles vor die Seele führen, was diese Seele an Prüfungen erleben kann, wenn wir alle Prüfungen der Menschenseelen kennenlernen und nicht erlahmen, um zu be-greifen, daß auch ein Mensch wie Johannes Thomasius in Irrturn und Wahn verfallen kann und weiterkommen muß auf ganz anderen Wegen, als man sich zunächst vorstellt. Niemals aber dür-fen wir das Vertrauen verlieren, daß die Menschenseele dazu be-stimmt ist, ihr göttliches Selbst zu den Geistesoffenbarungen empor-zutragen. Daher ist der Gang der Menschenseele der, daß sie der Welt gegenübersteht, diese Welt als Maja oder große Illusion sieht, fühlt, daß innerhalb dieser Maja oder großen Illusion die Welten-wunder verborgen sind, daß die Verwunderung als die erste Seelen-prüfung eintritt, daß dann die Prüfungen immer schwerer und schwerer werden, aber daß die Seele ihre Stärke behalten kann, so daß sie zum Schließen des Kreises kommt und endlich in der Geistesoffenbarung die Auflösung der Weltenwunder, die Läuterung der Seelenprüfungen findet. Das ist der Gang, den die Menschenseele macht - und nicht allein die Menschenseele -, den alle göttlichen Hierarchien anstreben und in der Menschenseele machen. Damit haben wir skizziert, was wir als unsere Aufgabe für den diesjährigen Zyklus im wesentlichen gesetzt haben: eine Vorstel-lung hervorzurufen von dem Zusammenhang zwischen Welten-wunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen. ELFTER VORTRAG Zum Geburtstag Goethes, München, 28. August 1911
- G129-1960-SE226 - Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen
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ELFTER VORTRAG Zum Geburtstag Goethes, München, 28. August 1911
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Die Faust-Dichtung hat Goethe begleitet von seinen Jugendjahren an - man darf wohl im eigentlichsten Sinne des Wortes sagen -bis zu seinem Tode. Denn der zweite Teil des « Faust» war von Goethe eingesiegelt als sein literarisches Testament hinterlassen worden. Und die Fertigstellung einzelner wichtiger Partien dieses «Faust», des zweiten Teiles, gehört ja wirklich den letzten Lebensjahren dieses universellen Geistes an. Wer Gelegenheit hat, Goethe ein wenig zu verfolgen in seiner Geistesentwickelung, wie sie sich in dieser Lebensdichtung äußert, der wird manch höchst interessante Dinge erleben können, namentlich über die Art und Weise, wie Goethe, wenn er immer wieder und wieder an dieses Gedicht, sein Lebensgedicht, ging, stets zu anderen Ideen kam über die Art, wie es verlaufen sollte. So gibt es eine interessante Aufzeichnung über den Schluß des Goetheschen «Faust», wie er einmal nach den damaligen Anschauungen Goethes hätte werden sollen, die wir etwa in die letzten achtziger oder Anfang der neunziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts zu verlegen haben. Da finden wir neben ein paar Aufzeichnungen - Disposition wäre nicht das richtige Wort dafür - über den ersten und zweiten Teil einen kurzen Satz, eine Andeutung über den Schluß. Und diese Andeutung enthält die Worte von Goethe mit Bleistift hingeschrieben: Epilog im Chaos auf dem Wege zur Hölle. Daraus werden Sie ersehen, daß Goethe einmal daran dachte, seinem Faust am Schlusse nicht jene Art von Himmelfahrt angedeihen zu lassen, die jetzt dasteht in dem Gedicht, das er in höchstem Greisenalter vollendet hat, sondern daß er im Sinne jenes Ganges, der im Vorspiel angedeutet ist - vom Himmel durch die Welt zur Hölle -, «Faust» wollte schließen lassen mit einem «Epilog im Chaos auf dem Wege zur Hölle». Es waren damals Gedanken, die in Goethes Seele lebten und die dahin gingen, daß Erkenntnis, wenn sie gewisse Grenzen
überschreitet, nur in ein Chaos hineinführen kann. Und wir dürfen in einer gewissen Weise die Stimmung, aus der diese Worte hervor-gegangen sind, die ich Ihnen als Goethesche Worte anführen konnte, zusammenbringen mit dem, was gestern gesagt werden konnte über unsere Seelenprüfungen, wenn die Seele auf der einen Seite ins Nichts hinaus, auf der anderen Seite in die dichte innere Wesenheit des Menschen untertaucht und den Zusammenschluß noch nicht finden kann. Goethe ist eine Persönlichkeit, die sich in der Tat Schritt für Schritt alles erobern mußte, die alles persönlich durchmachen mußte. Daher wirkt alles das, was Goethe geschaffen hat, so aufrichtig und so ehrlich auf uns, freilich manchmal auch so groß, daß wir es nicht gleich verfolgen können, weil wir uns nicht immer sogleich in die individuelle Ausgestaltung der Persönlichkeit hineinfinden können, die bei Goethe in diesem oder jenem Zeitpunkte seines Lebens vorhanden war. Wir dürfen daher einen wirklich großen Fortschritt Goethes verzeichnen von dem Zeitpunkte, da er seinen « Faust» mit einem « Epilog im Chaos auf dem Wege zur Hölle» schließen lassen wollte, bis zu jenem Zeit-punkte, wo er ganz im Sinne des lapidaren Satzes schließt: «Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen. » Denn als Goethe den gegenwärtig überall bekannten Schluß seines «Faust» niederschrieb, lebte in ihm jene Ahnung, von der gestern gespro-chen worden ist, aber auch jene Energie, die uns die Sicherheit gibt, daß, wenn wir auch durch alle Seelenprüfungen hindurch müssen, wir endlich doch zu dem Zusammenschlusse kommen müssen, der gestern gekennzeichnet worden ist. Das sei gesagt, meine lieben Freunde, um ein wenig auf das hinzuweisen, was der hervorste-chendste Zug in Goethes Leben ist. Diejenigen Menschen, welche geradliniges Leben lieben, welche scheuen, sich in die Widersprüche hineinzufinden, die doch das Lebendige eines fortschreitenden Lebens bedeuten, werden Anstoß nehmen daran, daß, wenn man ernstlich nachgeht, man in der Tat manchen Widerspruch in Goethes Leben findet, daß Goethe über viele Dinge im Alter anders geurteilt hat als in seiner Jugend. Das rührt aber nur davon her, weil Goethe jede Wahrheit sich erst
erkämpfen mußte. Und gerade an der Persönlichkeit Goethes zeigt sich, wie dieses Leben unmittelbar am physischen Plane heraus-fordert die inneren Erlebnisse, wie notwendig dieses Leben in seinem Sultzessiven Geschehen ist, um uns zum völligen Menschen zu machen. Denn was uns so grandios bei Goethe zutage tritt, wenn wir sein ganzes Leben überblicken und uns einlassen auf seine auf-einanderfolgenden Stadien: das ist die Universalität seines Geistes, das Umspannende, Allseitige dieses Geistes. Und es ist höchst wich-tig, Goethe gerade von dieser Seite in seiner Zeit zu studieren und auch das, was er durch das Universelle seines Geistes war, an unserer Zeit zu messen und dann einmal zu fragen: Was kann Goethe gerade für unsere Zeit durch das Universelle seines Geistes sein? Da ist es gut, wenn wir ein klein wenig die innere Beschaffenheit unserer Zeit, unserer Gegenwart, unserer Geisteskultur betrachten. Für den Anthroposophen hat es ja eine ganz besondere Wichtigkeit, den Geist unseres Zeitalters einmal ins Auge zu fassen. Es wird ja oft gesagt, unsere Zeit sei die Zeit des Spezialistentums, die Zeit, in welcher die strenge Wissenschaft regieren muß. Und oft und oft werden die Worte im Munde geführt, die ein großer Physiker, Helmholtz, gebraucht hat: daß es in unserer Zeit keinen die einzelnen Zweige des menschlichen Wissens - wie sie heute bestehen - umfassenden Geist geben kann. Es ist geradezu zum Schlagwort geworden, daß es einen Doctor universalis unserer Zeit nicht geben könne, daß man sich begnügen müsse mit dem Überblick über diese oder jene Spezialität. Wenn man beachtet, daß das Leben aber ein Einheitliches ist, daß alles im Leben zusammen-greift und daß sich das Leben nicht danach richtet, ob wir mit unserer Seele umfassen können, was zum gesamten geistigen Lebensorganismus unserer Zeit gehört, so müssen wir sagen: Es wäre eigentlich schlimm für unser Zeitalter, wenn es nicht möglich wäre, wenigstens den Geist, der in allem Spezialistentum waltet, in gewisser Weise gewinnen zu können. Und man wird ihn am leichtesten gewinnen können, wenn man durch jene Zugänge vor-zudringen versucht, welche gerade die Geisteswissenschaft eröffnen
kann. Sie muß universell sein, sie muß die Spezialitäten der ein-zelnen Wissenschaften und der einzelnen Gebiete des ganzen Kul-turlebens in gewisser Weise mit einem Blicke überschauen. Und wenigstens von einer Seite her wollen wir einmal heute einen Blick darauf werfen, wie sich im Lichte der Geisteswissenschaft gerade unser gegenwärtiges Geistesleben ausnimmt. Wir werden nicht sprechen, weil die Zeit nicht dazu ausreicht, von denjenigen wis-senschaftlichen Gebieten, die mehr oder weniger für alle Zeiten gleichbleiben, wenigstens ihrem Sinn und Geist nach, trotzdem sie so gewaltige Bereicherungen in unserer Zeit erfahren haben. Wir wollen absehen von dem mathematischen Gebiete, obwohl wir auch da hinweisen könnten darauf, daß die Mathematik des neunzehnten Jahrhunderts durch ihre ernsten Erwägungen in gewissen Zweigen sich geradezu das übersinnliche Gebiet erobert hat. Aber wir wol-len darauf hinweisen, daß in den verschiedensten Zweigen moder-ner Wissenschaft im Laufe der letzten Jahrzehnte gewaltige große Entdeckungen gemacht worden sind, die, wenn man sie im richtigen Lichte schaut, überall uns zeigen, daß die geisteswissenschaftliche Auslegung genau zu ihnen stimmt, während alles das, was an Theorien bis in unsere Zeit herein beigebracht worden ist, durch-aus nicht zu den Tatsachen stimmt, die mit so großem Fleiße und Energie im Laufe der letzten Jahrzehnte zusammengetragen wor-den sind. Da sehen wir schon an dem einen Beispiele der Physik und Chemie , wie merkwürdig der Gang der Entwickelung in den letzten Jahrzehnten war. Als wir jung waren - in den siebziger, achtziger Jahren oder vorher -, da gab es in der Physik und Chemie die sogenannten atomistischen Theorien, welche alle Erscheinungen auf gewisse Schwingungsformen zurückführten, sei es des Äthers, sei es irgend-welcher anderen materiellen Substanz. Und man möchte sagen: Dazumal war es Mode, alles, was uns in der Welt entgegentritt, letzterhand auf Bewegungen zurückzuführen. Dann, mehr gegen die neunziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts, zeigte es sich durch die Tatsachen, die allmählich zutage traten, daß die Bewe-gungslehre. die atomistische Theorie, nicht mehr gut ging, und es
war in gewisser Beziehung eine bedeutungsvolle Tat, aber im aller-eingeschränktesten Sinne, als der vorzugsweise als Chemiker und Naturforscher bekannte Ostwald auf der Versammlung in Lübeck an Stelle jener atomistischen Theorie die sogenannte Energetik, die Energietheorje, aufstellte. Das war in gewisser Beziehung ein Fort-schritt. Aber das, was später bis in unsere Zeiten herein sich auf dem Gebiete der Physik und Chemie gezeigt hat, hat endlich dazu geführt, daß eine gewisse Skepsis, ein gewisser Unglaube eingetre-ten ist gegenüber allem Theoretischen. Und nur zurückgebliebene Geister denken heute noch daran, die äußeren physikalischen Tat-sachen wie die Lichterscheinungen oder sonstigen physikalischen oder chemischen Tatsachen auf die Bewegungen kleinster Teile oder auf bloße Äußerungen von Energien zurückzuführen. Dazu mußte ja insbesondere dasjenige beitragen, was in den letzten Jah-ren über die Stoffe bekannt wurde, die zur Radiumtheorie führten , und es ist schon die merkwürdige Tatsache eingetreten, daß große Physiker, wie zum Beispiel Thomson und andere, durch gewisse Verhältnisse, die nach und nach herausgekommen sind, sich ge-zwungen sahen, alle Theorie im Grunde genommen über Bord zu werfen, vor allem die Äthertheorie mit ihren kunstvollen Schwin-gungsformen, die man einst mit so großem Ernste betrieben und in so emsiger Arbeit mit Differentialen und Integralen berechnet hatte. Dieser Bewegungstheorie ist es also geschehen, daß die gro-ßen Physiker sie über Bord geworfen haben und in gewisser Weise zu einer Art von Wirbeltheorie zurückgelangt sind, die sich schon unter Cartesius herausgebildet hatte, man darf sagen auf Grund alter okkulter Traditionen. Aber selbst diese Theorien ließ man wieder fallen, und eine gewisse Skepsis gegenüber allem Theoreti-sieren ist gerade auf physikalischen und chemischen Gebieten ein-getreten, nachdem man gesehen hat, daß einem die Materie sozu-sagen in der Hand zerfallen ist unter den modernen physikalischen Experimenten. Es ist so, daß gegenüber der heutigen Physik, wie sie sich bis in unsere Tage herein entwickelt hat, die atomistischen Bewegungstheorien und Energietheorien nicht mehr haltbar sind. Alles das, was vor fünf, sechs oder ein paar Jahren mehr noch hätte
vertreten werden können, worauf so viele Hoffnungen gesetzt wor-den sind, als wir jung waren, wo man selbst die Schwerkraft zu-rückführte auf Bewegung, ist in den letzten Jahren für diejenigen, die die Tatsachen kennengelernt haben, in nichts zerfallen. Man erlebt aber natürlich immer wieder von denen, die zurückbleiben, die merkwürdigsten Tatsachen. Da möchte ich Sie auf etwas Inter-essantes hinweisen, da ich heute ja besprechen will, was die Zeit und Goethe charakterisieren soll. Es ist ein Büchelchen erschienen, das sich ungefähr auch auf den Standpunkt stellt, daß es keine Schwerkraft gibt, das heißt, daß die Materie und die Weltenkörper nicht einander anziehen. Das war ja immer eine Schwierigkeit für die Wissenschaft, diese sogenannte Anziehung vertreten zu können, weil man sich sagt: Wie kann die Sonne die Erde anziehen, wenn sie nicht irgend etwas ausstreckt in den Raum hinein? Da kam in den letzten Tagen diese Schrift, welche die Anziehung zurücklührt auf Stoßwirkungen, so daß, wenn wir zum Beispiel einen Körper haben, einen Weltenkörper oder auch nur Moleküle, fortwährend von allen Seiten durch die anderen Weltenkörper und Moleküle Stöße ausgeübt werden. Wieso kommt es, daß diese Körper von allen Seiten stoßen? Denn natürlich stoßen sie auch innen, das eine geht hin, das andere her und so weiter. Das Wesentlichste würde jetzt sein, wenn Sie die Menge von Stößen, die außen und innen ausgeübt werden, und dann die Stöße, die dazwischen ausgeübt werden, ins Auge fassen, daß sich da eine Differenz ergibt. Die Stöße, die dazwischen ausgeübt werden, sind weniger und üben kleinere Kräfte aus als die äußeren. Die Folge ist, daß durch die äußeren Stöße die beiden - seien es Moleküle, seien es Weltenkörper - zusammengetrieben werden. So wird zurückgeführt auf die Stöße der Materie das, was wir als An-ziehungskraft sonst bezeichnen. Niedlich ist, wenn man heute so etwas wie einen neuen Gedanken findet, aber für diejenigen, die den Sachen nachgehen, ist es eben nur niedlich. Aus dem einfachen Grunde zum Beispiel ist es niedlich, weil, als ich noch ein ganz junger Knabe war, diese Theorie mit allen mathematischen &hika-nen von einem gewissen Heinrich Schramm in einem Buche ausgeführt
worden ist, das allerdings heute vergriffen ist: In einem ganz ähnlichen Falle ist die Geologie oder die Paläontologie. Da gab es noch bis in die sechziger und siebziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts gewisse umfassendere Theorien, die große Kraftkomplexe ins Auge faßten. Heute sehen wir überall Skepsis, und bei denjenigen, die unsere besten Geologen oder Paläontologen sind, sehen wir ein Sichbeschränken darauf, rein die Tatsachen zu registrieren, weil man es nicht wagt, sie durch Gedanken zusammenzufassen. Es gehört ja ein gewisser Mut dazu, Gedanken zu entfalten, welche die entsprechenden Tatsachenreihen zusammenfassen. Man fürchtet sich aber heute, den Schritt zu machen, den auch die Geologie und Paläontologie fordert: von dem Materiellen in das Geistige hinein, den Schritt, der auch über die KantLaplacesche Theorie hinausführen würde. Man wagt es nicht, anzuerkennen, daß das, was ein erträumter Weltennebel ist, zuletzt einläuft in das Geistige, in die Gesamtheit der Hierarchien, von denen nur ein äußeres Kleid alles das ist, was man die äußere physikalische oder meinetwillen astrophysische Theorie nennen könnte. Anders liegen nun die Dinge, wenn wir mehr zu jenen Wissen-schaften heraufkommen, die sich dem Leben oder mehr der Seele nähern. Da finden wir zunächst die Biologie. Nun, Sie wissen,
welch gewaltige Hoffnungen an die Fortschritte der Biologie, der Lebensiehre, geknüpft worden sind, als das große Werk von Darwin erschien über «Die Entstehung der Arten». Sie wissen vielleicht auch, daß in den sechziger Jahren Ernst Haeckel mit einer seltenen Kühnheit auf der Naturforscherversammlung in Stettin 1863 das, was Darwin scheinbar bis dahin nur auf das Tierreich ausgedehnt hatte, auf den Menschen ausdehnte. Und dann sehen wir eine merkwürdige Entwickelung in bezug auf diese Lebenslehre oder Biologie. Wir sehen die vorsichtigeren Geister, die sich mehr auf das Registrieren der Tatsachen beschränken, aber auch andere, die da vorwärtsstürmen und kühne Theorien aufbauen auf das, was sich durch die Untersuchungen der Verwandtschaft der Formen der einzelnen Lebewesen ergibt. Insbesondere Haeckel sehen wir in kühner Weise auftreten und Stammbäume konstruieren, wie aus den einfachen Lebewesen die kompliziertesten durch immer neue und neue Abzweigungen entstanden sein sollen. Aber neben diesen, man möchte sagen, schroffer ins Auge fallenden Richtungen findet sich eine Forschungsströmung, die auch wichtig zu berücksichtigen ist und die ich charakterisieren möchte durch den Namen des Anatomen Carl Gegenbaur. Gegenbaur war in seinem Wesen der Anschauung, daß man zunächst nicht fragen soll, wie sich das alles verhält, diese Verwandtschaft der einzelnen Lebewesen. Aber er betrachtet die Darwinistische Theorie so, daß, wenn man sie als ein regulatives Forschungsprinzip zugrunde legt, man dann nachgeht gewissen Tatsachen in der äußeren Formen-oder Lebewelt. Sagen wir, die Stimmung eines solchen Forschers könnte man ausdrücken mit den Worten: Ich will nicht gleich sagen, daß meinetwillen die höheren Tiere von den Vögeln oder Fischen abstammen , aber ich will das Prinzip zugrunde legen, daß eine Verwandtschaft besteht, und will die Kiemen und Flossen daraufhin untersuchen, will untersuchen, wie sich immer feinere und feinere Verwandtschaften ergeben. - Und da haben sich allerdings, indem man so wie ein Leitmotiv des Aufsuchens die Darwinistische Arbeit betrachtet hat, wichtige und immer wichtigere Forschungstatsachen ergeben. Diese haben sich aber auch da ergeben,
wo diese Forschung - angeregt durch den Darwinistischen Impuls - darauf aus war, die Abstammung des Menschen zu untersuchen, nachzugehen all den Zeugnissen der Paläontologie, der Geologie. Man ist überall, wo man vorsichtiger war, so vorgegangen: Man will die Verwandtschaften aufsuchen, will zugrunde legen einfach wie ein leitendes Prinzip die Darwinistische Theorie. Und da hat sich das Merkwürdige ergeben, daß die Darwinistische Theorie als solch leitendes Prinzip sich in den letzten Jahren als etwas un-gemein Fruchtbares erwiesen hat und daß durch die Tatsachen, zu denen sie bis zu unserer heutigen Zeit hereingefährt hat, sie sich selbst widerlegt, sich selber aufgehoben hat! So daß wir heute die merkwürdige Tatsache vor uns sehen, daß kaum auf irgendeinem Gebiete so wie auf dem des Darwinismus unter den Forschern über alle Punkte Uneinigkeit herrscht. Da gibt es heute noch solche - es sind die allerzurückgebliebensten -, welche den Menschen direkt auf die heute noch lebenden oder vielleicht nur ein wenig um-gestalteten menschenähnlichen Affentiere zurückführen. Da gibt es - insbesondere unter denjenigen, die die moderne Blutforschung verfolgen, die Verwandtschaft der einzelnen Blutsubstanzen -solche, welche diese ältere Form der Darwinistischen Theorie wiederaufgenommen haben, da gibt es solche, wie Klaatsch, welche sagen: Es ist ganz unmöglich nach den Tatsachen, welche sich ergeben haben, den Menschen auf irgendeine Tierform zurückzu-führen, die heute besteht. Alle Nuancen sind vorhanden von den-jenigen, die den Menschen noch auf den Affen, wie er heute ist, zurückführen wollen, bis zu solchen hinein, welche ihn nicht auf diesen zurückführen, aber auch nicht auf die Vorfahren dieser Affen oder anderer Säugetierwesen. Man muß hinaufgehen zu Tieren, von denen man keine Vorstellung haben kann und von denen auf der einen Seite der Mensch abstammt und von denen sich auf der anderen Seite abgespaltet haben die Säugetiere, so daß die Affen den Menschen ganz fernstehen. - Und das Eigentümliche ist, daß, wenn solche Forscher dann versuchen, die gegenwärtigen Formen-gestaltungen, die sich uns darbieten, zu benützen, um eine Vorstellung
hervorzurufen von jenen wahren Vormenschen, sich alle physisch bestehenden Formen in allerlei nebuloses Zeug auflösen. Es kommt nichts dabei heraus. Warum nicht? Weil wir wiederum eine Stelle in der Biologie haben, wo die äußere physische Forschung der ehrlich erforschten Tatsachen dazu führt, daß man sich die Vorfahren der Menschen nicht physisch vorzustellen hat, da alles physische Vorstellen versagt. Man kommt zur geistigen Urform des Menschen, zu dem, was das Ergebnis war der früheren planetarischen Entwickelung, zu dem geistigen Urmenschen, von dem wir in der Geisteswissenschaft sprechen. So sind vollgültige Zeugnisse gerade die erforschten Tatsachen des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, und die Uneinigkeit der Forscher wird eigentlich dadurch nur verdeckt, daß die Studierenden nur bei einem Professor hören und nicht prüfen, was die anderen sagen. Wenn sie vergleichen würden, was der eine und der andere Gelehrte sagt, dann würden sie heute eine merkwürdige Entdeckung machen. Man würde dann zum Beispiel in Büchern des einen Naturforschers eine Stelle recht deutlich unterstrichen finden, wo er sagt: Wenn bei mir einer, der das Doktorexamen machen will, diese Behauptung aufstellen wollte, die da bei dem anderen gemacht wird, so würde ich ihn ohne weiteres durchfallen lassen. -Diese Behauptung ist aber keine andere als die, die irgendein Kollege an einer anderen Universität macht. Und diese Uneinigkeit ist das Hervorstechendste auf dem Gebiete der Biologie, währen& es auf dem Gebiet der Physik und Chemie die Resignation überhaupt gegenüber den Theorien ist Noch interessanter ist es allerdings, wenn man in die Physiologie heraufkommt. Wir sehen, wie diese Physiologie überall in höchst merkwürdige, phantastische Lehren einmündet. Da sehen wir, wie das rein Äußerliche der Physiologie heute auch bei den materialistisch denkenden Menschen, die es nicht sein wollen, es aber doch ihrer ganzen Denk-richtung nach sind, überall schon beeinflußt wird von allerlei Dingen, die unterhalb oder innerhalb des Physischen sind. Ich könnte da auf Hunderte von Dingen hinweisen, wie zum Beispiel in der neueren Zeit die sonderbaren Theorien, die unter dem Einflusse
einer Wiener Schule, der sogenannten Fretuischen Schule, auf-gekommen sind: Theorien darüber, wie das unterbewußte Leben des Menschen, insofern es sich im Traumleben oder anderen Lebens-erscheinungen äußert, in das Physiologische hineinspielt. Ich will auf solche Tatsachen, an die ich nur tippen kann, nur aus dem Grunde hinweisen , weil man daran sieht, daß sich tatsächlich überall die Nötigung zeigt, die auch sonst theoretisch hervortritt, einmünden zu lassen das empirische, das äußere, sinnliche Tatsachen-material in das Geistige. Daneben allerdings sehen wir, daß in dem Augenblicke, wo sich eine Art Gesamterfassung, eine Art Gesamt-anschauung dessen, was der gesamtwissenschaftliche Eindruck der Gegenwart sein muß, geltend macht, eine gewisse Resignation eintritt. Auch auf philosophischem Gebiete sehen wir diese Resignation. So ist Ihnen vielleicht bekannt, daß unter dem Einfluß von William James in Amerika, von F. C. Schiller in England, von anderen Forschern auf philosophischem Gebiete eine merkwürdige Theorie sich ausgebildet hat, die eigentlich in Wahrheit geboren ist aus jenem Hinstreben der Tatsachen zum Geist und sich doch nicht eingestehen will, daß man zum Geist hin muß. Es ist der sogenannte Pragmatismus, der da besagt, man müsse die verschiedenen Erscheinungen des Lebens so betrachten, daß wir Theorien über sie erfinden, als wenn sie eben zusammenfaßbar wären, aber alles, was wir aussinnen, ist nur da zur Ökonomie des Geistes, hat keinen innerlichen, konstitutiven, keinen wirklichen Wert. Das ist die letzte Schlacke der ausgebranntesten Geister der Gegenwart. Das ist der völlige Unglauben an den Geist, der nur an die schwachen Theorien appellieren will und diese erfunden sein läßt zum Zusammenhalten der Tatsachen, der aber nicht glaubt, daß der lebendige Geist erst die Gedanken in die Dinge gelegt hat, welche wir zuletzt in ihnen finden. Am merkwürdigsten allerdings geht es in dieser Beziehung der Seelenwissenschaft selber. Da gibt es gewisse Seelenforscher, die können nicht so recht bis zu einem lebendigen Geist vordringen, in dem sich die Seele findet als auferstehend in den Dingen. Aber
sie können doch wieder nicht ableugnen, daß, wenn man überhaupt eine Art von Harmonie zwischen der Seele und den Dingen herstellen will, man dann von der Seele etwas in die Dinge hinein-tragen muß. Das, was man in der Seele erlebt, muß etwas zu tun haben mit den Dingen. Und da ist denn ein kurioses Wort ent-standen, das heute herumspukt in den deutschen Psychologien, ein Wort, das wirklich jedem philologischen Denken geradezu ins Ge-sicht schlägt, das Wort «einfühlen». Man kann sich kein stärkeres Verlegenheitswort denken gegenüber allem gründlichen Denken als das Wort «einfühlen». Als ob es darauf ankäme, daß wir etwas in die Dinge hineinfühlen können, wenn wir nicht den sachlichen, realen Zusammenhang zu dem, was wir in die Dinge hineinschauen, aus den Dingen selber finden können. Es ist die Geist-verlassenheit der Seelenwissenschaft oder Psychologie, die sich mit solchen Verlegenheitsworten aushelfen will. Und so könnten wir viele ähnliche Kunststückchen finden, die solche nicht ernsthaft zu nehmenden Psychologien in unserer Gegenwart zutage fördern. Andere Psychologien beschränken sich ganz darauf, die äußeren Werkzeuge des Seelenlebens zu beschrei-ben, das Gehirn oder sonstige Werkzeuge, und es ist schon so weit gekommen, daß Psychologen ernst genommen werden, welche experimentell nachweisen wollen, daß nichts verlorengeht an Kräf-ten, an Energien, die wir durch Essen und Trinken und so weiter in uns aufnehmen, die wir dadurch in uns hineinpressen. Damit soll dann nachgewiesen werden, daß das Gesetz der Erhaltung der Kraft auch tonangebend sein muß für die Psychologie und daß da drinnen nicht etwa ein reines besonderes Seelenwesen arbeitet durch die Werkzeuge des Leibes. Solch ein Schluß ist nun wirklich aller Logik bar. Denn derjenige, der so schließt, der überhaupt in die Verlegenheit kommt, solch einen Gedanken aufzustellen, müßte auch zugeben, daß es vernünftig ist, sich vor ein Bankgebäude zu stellen, abzuzählen, wieviel Geld hineingetragen wird, nachzuzählen, wieviel Geld herausgetragen wird, abzuzählen, wieviel Geld in der Kasse bleibt, und dann daraus zu schließen, daß da drinnen in der Bank keine Menschen sind, die sich dort beschäftigen. Solche
Schlüsse werden heute gemacht, und sie gelten als wissenschaftliche Schlüsse. Das sind die Theorien, die auf den Tatsachen der gegen-wärtigen Forschung aufgebaut werden und die wie ein Nebel den wirklichen Bestand der Tatsachen verdunkeln. Wie es um die Psychologie wirklich steht, können wir an einer höchst interessanten Erscheinung beobachten, an einem wirklich bedeutenden Menschen, der in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Psychologie geschrieben hat, an Franz Brentano. Er hat den ersten Band einer mehrbändigen Psychologie geschrie-ben. Wer einzugehen vermag auf das, was in diesem ersten Band einer mehrbändigen Psychologie steht, wer einzugehen weiß von dem wirklichen Gesichtspunkt der psychologischen Tatsachen aus , der kann sich sagen: Nach dem, was da als Ansätze genommen ist bei Franz Brentano, müßte, wenn man überhaupt weiter könnte auf Grundlage dieser Ansätze, alles einmünden in die Geistes-wissenschaft. Man kann gar nicht anders vorwärts. - Und wenn einer nicht in die Geisteswissenschaft einmünden wollte und solche, wenn auch schwachen Anfänge macht, um in vernünftiger Weise das Seelenleben zu begreifen, da müßte man voraussetzen, er könnte nicht weiter. Und hier haben wir die interessante Tatsache, daß dieser erste Band der mehrbändigen Psychologie in der Tat keine weiteren Bände erfahren hat. Es ist bei dem ersten Band geblieben, und in kleineren Werken hat Brentano Ansätze gemacht, dieses oder jenes zu begreifen; er hat aber nirgends den Zugang, das Tor zur Geisteswissenschaft gefunden und daher überhaupt nicht den weiteren Fortschritt der Psychologie für sich ermöglichen können. An einer noch signifikanteren Tatsache können Sie sehen, wie auch das Negative, das uns in unserer Gegenwart entgegentritt, überall das Einmünden der Geister - die auf den Tatsachen fußen, die so wunderbar in den letzten Jahrzehnten hervorgetreten sind - in die Geisteswissenschaft fordert. Allerdings ist dieses Einmünden manchem heute noch zu schwer, für manchen sprechen andere Gründe dagegen. Wir wollen uns auf die Gründe aber jetzt nicht einlassen, sondern nur zeigen, daß überall, wo wir nach den wahren Kräften suchen, die im wirklichen Bestand der heutigen Wissenschaftlichkeit
vorhanden sind, wo wir ehrlich und aufrichtig und umfassend und energisch vorgehen wollen, das Einmünden in die Geistes-wissenschaft notwendig erfolgen muß. Am weitesten entfernt ist allerdings die Historie, die Geschichte, wie sie heute getrieben wird, von diesem Einmünden in die Geistes-wissenschaft. Da kommen diejenigen Geschichtsschreiber scheinbar schon am weitesten, welche nicht bloß in den Tatsachen der Ge-schichte ein zufälliges Spiel der aufeinanderfolgenden Triebe und Leidenschaften der Menschen und sonstiger Tatsachen des phy-sischen Planes sehen, sondern welche von waltenden Gedanken sprechen. Als ob abstrakte Gedanken wirken könnten! Wenn man ihnen nicht einen Willen zuschreibt, sind sie keine Geistwesen, können sie nicht wirken. Daher ist es eine Sinnlosigkeit, von wesen-losen Ideen in der Geschichte zu sprechen. Erst dann, wenn man das lebendige Leben in die Geschichte einführt, wenn man das spirituelle Lebensprinzip durch die Seelen hindurchziehend denkt, wie es sich von Seele zu Seele immer erhöhter auslebt, wenn man Geschichte auffaßt, wie sie aufgefaßt ist in «Les grands Initiés» , in den «Großen Eingeweihten», hat man den Punkt erreicht, wo Ge-schichte auch einmündet in Geisteswissenschaft. So können wir geradezu sagen: Einem unbefangenen Blick gegen-über zeigt sich, wie alle Wissenschaftlichkeit die geisteswissen-schaftliche Betrachtung herausfordert - Geister allerdings, die tiefer eingehen in das geistige Leben, so daß sie mit ihrer ganzen Seele auf den Erkenntniswegen wirklich wandeln wollen, die nicht bloß Theorien treiben, sondern deren Herzblut an der Erkenntnis hängt, oh, solche Geister zeigen auch in ihrem Leben, wie es überall in die Geisteswissenschaft hineingeführt wird. Da gab es einen Menschen, der ja der Außenwelt eine Reihe von Jahren als berühmter Dichter bekannt war, der durch Jahrzehnte hindurch auf seinem Krankenlager lag und in den letzten Jahren seines Lebens das, was er ersonnen, was sich ihm ergeben hat auf dem Erkenntnis-pfade, noch aufgeschrieben hat, um es der Nachwelt zu übergeben: ein Dichter, den die Philosophen natürlich nicht philosophisch ernst genommen haben. Ich meine Robert Hamerling. Aber Robert
Hamerling - der vielleicht nur von Vincenz Knauer ernst genug genommen worden ist, der auch Vorträge über ihn gehalten hat -war eben nicht ein theoretischer Philosoph, sondern ein solcher, der auf die Erkenntniswege mit seinem Herzblut sich begab, der, soweit es ihm zugänglich war, das chemische, das physikalische, das philosophische, das physiologische, das biologische, das historische Wissen unserer Zeit zusammennahm und es befruchtete mit der dichterischen Intuition. Robert Hamerling, der die Gedanken über die Welt befruchten konnte durch das, was ihm die dichterische Intuition gegeben, hat in seiner «Atomistik des Willens» alles das niedergelegt, was er auf seinem Erkenntuisweg gefunden hat, und dieser Erkenntnisweg war nicht ein solcher, wie ihn heute so viele gehen aus der bloßen Theorie, aus der Schulung, sondern aus dem unmittelbaren Leben heraus. Er hat in dieser , sagt Hamerling auf Seite 145 des zweiten Bandes seiner «Atomistik des Willens», «im-merhin die Möglichkeit von lebenden Wesen denken, deren Leib-lichkeit dünner wäre als die atmosphärische Luft. Für andere Welten-körper wenigstens hat die Annahme solcher Wesen nichts gegen sich. Wesen von so geringer Dichte der Leiblichkeiten würden für uns als unsichtbar ganz dem entsprechen, was wir zu nennen pflegen. Desgleichen dem, was man als seelenhafte, nach dem Tode des Individuums noch fortlebende bezeichnet.» Und so geht es weiter. Hier haben Sie mitten in einem Werke, das aus dem Geistesleben der Gegenwart heraus geschrieben ist, auf den Ätherleib hingewiesen. Denken Sie nun, meine lieben Freunde, wenn überall Wahrheit und Aufrichtigkeit herrschen würde und gründliches Streben, sich bekannt zu machen mit dem, was als Ge-danke in den Menschen wirklich lebt, wenn man überall ehrlich
eingehen würde auf das Vorhandene, wenn - mit anderen Worten - die Menschen nicht so viele Bücher schreiben würden, bevor sie gelernt haben, was schon in anderen Büchern steht: dann gäbe es ein ganz anderes Arbeiten in unserer Zeit, dann gäbe es eine Kontinuität, dann würde man aber auch sagen müssen, daß in unseren letzten Jahrzehnten überall aus wahrer, ernster Wissen-schaft spirituelles Leben hervorspringt, Hinblicke zu spirituellen Zielen und Perspektiven. Denn solche Fälle wie Robert Hamerling sind in großer Anzahl vorhanden. So schließen sich die Spezialitäten der einzelnen Wissenschaften zusammen und fordern heraus, was heute einzig und allein ein umfassendes Weltbild geben kann, wie es zum Beispiel versucht worden ist in der «Geheimwissenschaft» , die ich skizzenhaft schrei-hen durfte vor kurzer Zeit und in die hineingearbeitet sind, ohne daß man es bemerkt, die Ergebnisse der sämtlichen Wissenschaften von heute neben der spirituellen Forschung. Wenn wir das ins Auge fassen, dann müssen wir sagen: Eigentlich fehlt es gar nicht überall an geöffneten Toren zu der Spiritualität, nur beachtet man sie nicht. - Wer die Wissenschaft der Gegenwart kennt, findet überall, daß sie in ihren Tatsachen, nicht in ihren Theorien, die Spiritualität fordert. Wird man sich einmal emanzipieren können in bezug auf äußere Wissenschaft von allen Theorien, von atonil-stischen und Bewegungstheorien, von Energetik und allem, was in ähnlicher Einseitigkeit immer wieder mit ein paar hingepfahlten Begriffen die Welt umfassen will, wird man die große Summe der Tatsachen, welche die heutige Wissenschaft zutage fördert, allein sprechen lassen, dann wird man keinen Widerspruch mehr finden zwischen dem, was hier getrieben wird als Geisteswissenschaft, und den wahren wissenschaftlichen Ergebnissen der gegenwärtigen Forschung. Auf einem solchen Wege kann nun Goethe ein großer Helfer sein, der in einer grandiosen Weise alle Bedingungen eines universellen Geistes erfüllte. Schon in äußerlicher Art; denn wer den Briefwechsel Goethes kennt, weiß, daß in der Zeit Goethes unzäh-lige Naturforscher auf allen Gebieten über die wichtigsten Fragen
mit Goethe korrespondiert haben. Überallhin gingen von Goethes Schreibstube, von seinen physikalischen und sonstigen Kabinetten aus die Fäden zu den einzelnen Verzweigungen der Wissenschaft. Mit Botanikern, Optikern, Zoologen, Anthropologen, Geologen, Mineralogen, Historikern, ja, ich müßte alle Wissenschaften auf-zählen, mit allen hat Goethe korrespondiert. Und er hat neben dem, daß ihn die zurückgebliebenen Geister allerdings nicht an-erkennen wollten, weil er mit seinen Forschungen weit über sie hinausging, solche Geister gefunden, die ihn im höchsten Grade ernst genommen und auf sein Urteil hingehört haben, wenn es sich darum handelte, diese oder jene auch Spezialfrage auszumachen. Das ist freilich nur eine Äußerlichkeit, aber wir können auch sehen , wie Goethe zusammenarbeitete in Gedanken und auch den Tat-sachen nach mit den bedeutsamsten Philosophen seiner Zeit, wie Schelling, Hegel, und eine Anzahl von Philosophen befruchtet wurden durch Goethe, wie Goethesche Gedanken in ihren Werken in anderer oder gleicher Form wiederkehrten. Wir können endlich sehen, wie Goethe im Laufe seines Lebens ernsthaft sich befaßt hat mit Botanik, Zoologie, Osteologie speziell, mit Anthropologie in weiterem Sinne, wie er sich mit Optik und Physik im weiteren Sinne befaßte. Heute lassen ja einzelne Wissenschafter auf biologischem Gebiete Goethe ein wenig gelten. Man muß es dagegen den Physikern ganz ernsthaft glauben und vom Standpunkt der Farbenlehre verstehen, daß sie sich bei Goethes Farbenlehre nichts denken können, daß sie nichts davon verstehen, weil man diese Farbenlehre erst in späterer Zeit verstehen wird - falls man sich nicht früher schon durch Geisteswissenschaft damit bekannt ge-macht hat -, vielleicht erst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten oder ersten Hälfte des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Die Physik von heute kann diese Farbenlehre Goethes nur als Unsinn an-schauen. Das liegt aber nicht an der Farbenlehre, sondern an den heutigen Formen der Wissenschaft. Und wenn Sie lesen, was ge-meint ist in meinem Buche über «Goethes Weltanschauung» wie auch in der Vorrede zu Goethes Naturwissenschaftlichen Werken, herausgegeben von Kürschner, dann können Sie sehen, daß darin
eine Anschauung über die Farbenlehre steckt, die im tiefsten Sinne wissenschaftlich ist, der gegenüber alle physikalischen Theorien der Gegenwart dilettantisch sind. So können wir sehen, wie Goethe auf allen Gebieten wirklich gearbeitet hat. Wir können sehen, wie überall sein Streben nach Erkenntnis der Naturgesetze befruchtet ist von dem, was Goethe als dichterische Kräfte in sich hatte. Bei ihm ist überhaupt nichts getrennt, alles spielt in seiner Seele ineinander. Da aber stört nicht eines das andere, und da ist uns Goethe ein lebendiger Beweis dafür, daß es in der Tat ein Unding, eine Absurdität ist, wenn man glauben sollte, daß der lebendige Betrieb meinetwillen eines intellektuellen Geisteszweiges die Intuition stören könnte. Wenn beide Triebe nur in ihrer Kraft und Ursprünglichkeit vorhanden sind, dann stört das eine das andere nicht. Wir können uns eine Vorstellung von dem lebendigen Zusammenarbeiten der menschlichen Seelenkräfte machen, wie sie sich in den einzelnen Wissenschaften und in der gesamten Persönlichkeit des Menschen äußern, wir können aus der Notwendigkeit des Lebens eine solche Vorstellung uns bilden, und wir haben noch die Hilfe, daß ein solcher moderner Geist vorhanden ist, in dem unmittelbar lebendig war dieses Zusammenwirken der einzelnen Seelenkräfte der gesamten Persönlichkeit. Daher ist Goethe eine so vorbildliche Persönlichkeit, die man anschauen muß, um dieses lebendige Zusammenwirken der Seelenkräfte studieren zu können. Und da er ein Mensch ist, an dem man tatsächlich verfolgen kann, wie er von Jahr zu Jahr steigt in bezug auf die Vertiefung des eigenen Seelenlebens, des Welt-verständnisses, haben wir in ihm ein Beispiel dafür, wie der Mensch streben muß, um zu einer Vertiefung seines Seelenlebens zu gelangen. Nicht etwa bloß die Betrachtung Goethes, nicht das Nachsprechen seiner Sätze, nicht das Hinnehmen seiner Werke, sondern das Grandiose, das von seiner ganzen Erscheinung ausgeht, vorbildlich für unsere Gegenwart zu betrachten, das ist es, was uns vielleicht ganz besonders an einem Tage vor die Seele treten darf, der wie der heutige als Kalendertag im engeren Sinne an Goethes Leben erinnert. Und insbesondere der heutige wissenschaftliche
Geist könnte viel von Goethe lernen. Weit ist ja dieser wissen-schaftliche Geist in bezug auf die Erfassung des geistigen Lebens nicht gediehen, aber gerade von dieser Seite her wird und muß Goethe eine Auferstehung feiern, wird und muß Goethe allmählich mehr und mehr begriffen werden, denn vieles von dem, was man nennen kann eine gesunde Durchleuchtung unseres Fortschrittes in die geistigen Welten, unserer Geisteswissenschaft überhaupt, kann ausgehen von einer Betrachtung Goethes, weil bei Goethe alles gesund ist. Goethe ist in allen Dingen zuverlässig, und wo er sich widerspricht, sind es nicht logische Widersprüche, die sich ergeben, sondern weil das Leben selbst sich widerspricht und sich widersprechen muß, damit es lebendig ist. Das war ein Gedanke, den ich gerne heute am Geburtstag Goethes in Ihnen noch anregen wollte, um zu zeigen, wie notwendig es ist, daß wir uns noch in ganz anderer Art in Dinge vertiefen, die offen vor uns liegen. Goethe kann uns unendlich vieles geben. Er wird uns am meisten geben, wenn wir vieles von dem vergessen, was in unzähligen Werken über Goethe geschrieben worden ist, denn das ist eher dazu geeignet, uns einen Schleier über den wirklichen Goethe zu breiten, als ihn kennenzulernen. Aber Goethe hat eine geheime Anziehungskraft, Goethe hat etwas, was durch sich selbst wirkt, und wenn Sie sich auf Goethe einlassen, dann werden Sie schon sehen, daß Sie einen Geburtstag Goethes in sich selber er-leben können, daß Sie etwas von dem erleben, was ewig jung und frisch in Goethe ist, von dem man sagen kann: Goethe kann in einer von Geisteswissenschaft durchdrungenen Seele wieder erstehen. Unsere materialistische Zeit hat, wenn sie noch so oft den Namen Goethe nennt, noch so viele von Goethes Werken anführt, doch herzlich wenig Verständnis für ihn. Es gab Zeiten, wo man mit der ganzen Seele wirklich von Goethe fasziniert werden konnte, selbst wenn ernsthaft über Goethe gesprochen wurde, nicht in unserem Sinn literarisch-historisch, was ja nicht ernsthaft ist, wenn ernsthaft gesprochen wurde, da fanden sich die Menschen, die durch ein solches Sprechen hingerissen wurden durch den innersten, spiriruellen Nerv, der in Goethe immer
liegt. Und da darf stets wieder daran erinnert werden, wie Rosen-kranz, der Hegelianer, in einer Zeit der dreißiger, vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, wie der alte Karl Rosenkranz, der auf der Höhe der Bildung seiner Zeit stand, das Wagnis unternahm, an der Universität in Königsberg Vorträge über Goethe anzukündigen. Er wollte einmal frank und frei aussprechen, was ein Philosoph über Goethe zu sagen hat. Da hat er sich denn diese Vorträge zurecht gelegt und da ging er mit dem Gedanken aus seiner Ge-lehrtenstube heraus: Nun, ein paar Zuhörer wirst du vielleicht doch haben. - Aber dieser Gedanke wollte ihm fast schwinden, als er hinaustrat und ein so furchtbares Schneegestöber draußen war, daß man denken konnte, es wagt sich niemand auf die Straße und demgemäß niemand auch in die Hörsäle zu einem Kolleg, das man ja nicht zum Brotsrudium brauchte. Da ging er doch hin, und siehe da, die Bedingungen, unter denen er vorzutragen hatte, waren die denkbar ungünstigsten. Es war ein Raum, der nicht geheizt werden konnte, der keinen ordentlichen Fußboden hatte und an dessen Wänden überall das Wasser in Strömen herunterrann. Der Name Goethe hatte aber gezogen, und es war schon eine stattliche Anzahl von Menschen am ersten Vortragsabend, und es kamen immer mehr und mehr. Und trotzdem sich die Verhältnisse immer ungün-stiger gestalteten, immer unbehaglicher wurden in diesem Saal, so waren zuletzt doch so viele bei Karl Rosenkranz' Vorlesungen, daß der Saal sie fast nicht fassen konnte. Goethe gerade ist zu denjenigen Geistern zu zählen, die uns anthroposophisch am meisten anregen können, und wir werden, wenn wir uns sagen, daß in dem fleischlichen Leibe des Goethe ein großer Geist war, den wir allerdings erst studieren müssen, in einer gesünderen Weise zu einer anthroposophischen Betrachtung kom-men, als wenn wir uns einen fleischlichen Leib vorführen lassen würden, in dem ein großer Geist ist, den wir auf Autorität hin anerkennen sollen. Es gibt wahrhaftig gesunde Wege in die Anthro-posophie hinein. Man braucht sie nur zu gehen, man braucht nur die Mühe nicht zu scheuen. Daher schrecke ich auch niemals davor zurück, wenn auch viele Zuhörer bei solch einem Vortragszyklus
sind, unter Umständen in recht unbequemer Weise in diese oder jene Seitenwege der geistigen Betrachtung hineinzuleuchten, dieses oder jenes Gewagte zu sagen, dieses oder jenes schwer Verständliche zu sagen. Niemals werde ich davor zurückschrecken, weil ich weiß , daß nur auf diesem Wege ein gesunder Fortschritt für die Anthroposophie, ein wirkliches Einleben der Geisteswissenschaft in das moderne Kulturleben möglich ist. Und mir scheint, daß man in die höchsten geistigen Regionen hinaufsteigen kann und dabei das Herz nicht zu erkälten braucht. Mir scheint, daß all diejenigen, die hier versammelt sind, doch etwas davon verspüren können, daß Anthroposophie hier mit den Mitteln des modernsten Geisteslebens interpretiert wird und daß es eine sehr große Verirrung ist, wenn irgendwo, auch auf anthroposophischem Gebiet, das sonderbare Urteil figuriert, als ob hier etwas Mittelalterliches, nicht der modernen Wissenschaft Entsprechendes den Leuten aufgewärmt würde. Weil das gesagt wird von manchem, auch auf anthroposophischem Gebiete, muß darauf aufmerksam gemacht werden: Derjenige, der mit Verständnis folgen kann, wird wissen, daß nichts Mittelalterliches, daß objektiv Wissenschaftliches im Bunde mit wahrhaftem modernem Geistesstreben angestrebt wird. Wie weit es erreicht wird, das zu beurteilen steht mir nicht zu. Daß aber nichts Mittel-alterliches, nichts irgendwie mit den Traditionen bloß Zusammen-hängendes, sondern etwas Objektives, der modernen Wissenschaft Ebenbürtiges angestrebt wird, das sollte man wenigstens einsehen. Und daß unsere Herzen ergriffen werden können von den Lebens-bedingungen, die aus dieser anthroposophischen Betrachtung aus-gehen, das darf auch als etwas Sicheres erscheinen. Das scheint mir das Wichtigste zu sein, was wir aus einer solchen Betrachtung für unsere Herzen mitnehmen und in die Welt hinaustragen. Was wir in der Breite der Begriffe, der Worte erfaßt haben, das zieht sich zusammen in unseren Herzen, das leben wir in unseren Gefühlen und Empfindungen, in unserem Mitleid, das leben wir in unseren Taten aus - und leben dann die Anthroposophie. Und wie die Flüsse nur hinausströmen können über die Lande, wenn sie von den Quellen ihr Wasser beziehen, so kann das Leben der Anthroposophie
nur hinausströmen in die Welt, wenn es seine Kräfte bezieht aus den Weisheitsquellen, die uns heute eröffnet werden durch jene spirituellen Mächte, die wir nennen die Meister der Weisheit und des Zusammenklangs der Empfindungen. Und wir haben Gei-steswissenschaft im wahren Sinne des Wortes erfaßt, wenn sie in den Formen des neuzeitlichen Geisteslebens zu uns spricht, wenn sie aber zugleich unsere Herzen, unsere Seelen nicht kalt läßt, son-dern wärmt, so daß diese Wärme sich überall in der Welt auch den anderen mitteilen kann. So viel Sie von dem, was hier gesagt wird, hinaustragen in die Welt, hinaustragen nicht nur durch Gedanken, sondern durch Ihre Gefühle und Willensimpulse und Taten, so viel haben diese Vorträge genützt. Und das ist das Bestreben dieser Vorträge. Mit diesem Wunsche, meine lieben Freunde, begrüße ich Sie im Herzen immer, wenn Sie hierher kommen, mit diesen Wünschen grüße ich Sie am heutigen Tage, wo wir diesen Vortragszyklus abschließen und wo ich Ihnen sage: Seien wir im spirituellen und geistigen Sinn beieinander, wenn wir auch im Raum der eine da, der andere dort leben müssen. Und nehmen wir von der Zeit, wo wir auch enger im Raum nebeneinander sein können, das als die schönste gegenseitige Begrüßung, als das schönste gegenseitige Abschiedswort mit, daß wir im Geiste beisammen sind, auch wenn wir uns räumlich zerstreut haben. In diesem Sinne sage ich Ihnen heute, da wir am Geburtstag Goethes am Ende unseres Zyklus stehen, den Gruß am Ende dieser Vortragsreihe. Denken wir an das, was uns vereint hat, recht oft und lassen wir es dadurch auch für das persönliche Band, das sich von dem einen zum andern in Liebe immer schlingen kann, fruchtbar sein. Seien wir in diesem Sinn beieinander, auch wenn wir uns getrennt haben, und lassen wir uns durch diesen Sinn immer wieder aufs neue zusammen-führen, um uns zu den Höhen des Geistes, des übersinnlichen Lebens zu erheben. HINWEISE
- G129-1960-SE249 - Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen
- TI
HINWEISE
- TX
Die Bezeichnungen teosophisch oder Theosophie wurden durch anthroposophisch, Anthroposophie oder Geisteswissenschaft ersetzt wie in der von Rudolf Steiner 1921 redigierten Veröffentlichung des Zyklus 'Der Orient im Lichte des Okzidents' (Gesamtausgabe 1960).
Zu Seite 12 vor einiger Zeit: S. Der Orient im Lichte des Okzidents. Die Kinder des Luzifer und die Brüder Christi. Gesamtausgabe 1960. - Ferner: Rudolf Steiner/ Edouard Schuré: Luzifer - Die Kinder des Luzifer. Dornach 1955.
15 «Die großen Eingeweihten.: Edouard Schuré (Srraßburg 1841-1929 Paris>. «Die großen Eingeweihten«. Skizze einer Geheimlehre. Autorisierte Übersetzung von Marie Steiner-von Sivers. Vorwort zur I., 2. und 3. deutschen Auf. lage von Rudolf Steiner. Unveränderte letzte Auflage München 1955. - «Die Heilignirner des Orients. Agypten - Griechenland - Palästina» Autorisierte Übersetzung von Marie Steiner-von Sivers. 4. Auflage Leipzig 1923. 20 mit dem Goetheschen Worte: «Was fruchtbar ist, allein ist wahr. , aus «Ver mächtnis». 22 in den drei Gestalten: S. «Die Pforte der Einweihung. und «Die Prüfung der Seele«. (Gesatutausgabe) Dornach 1956. 25 jene heiden Persönlichkeiten: Gräfin Pauline von Kalckreuth Adolf Arenson (Altona 1855-1936 Bad Cannstart). Führendes Mitglied beim Aufbau der Anthroposophischen Gesellschaft, wirkte seit 1903 in Stuttgart. Fräulein von Eckardtstein: Imme, Freiin von Eckardtstein (Lunéville 1871 bis 1930 Dornach). I.v. Eckardtstein schuf auch für die Dornacher Inszenierung unter der Leitung von Marie Steiner alle Kostütue für die vier Mysterien-dramen von Rudolf Steiner. unsere Maler: Hermann Linde (Lübeck 1863-1923 Arlesheim). Hans Volckert und Fritz Haaß (nähere Daten unbekannt). S. Von der Initiation, von Ewigkeit und Augenblick, von Geisteslicht und Lebensdunkel. (Gesamtausgabe) Dornach 1959. 27 alle eiizzetuen Darsteller: Marie von Sivers-Steiner (Wlotzlawek 1867-1948 Beatenberg). S. «Mein Lebensgang«, (Gesamtausgabe 1961); Marie Steiner, «Erinnerungen» Heft 1 und II (Dornach l950-1953); «Aus dem Wirken von Marie Steiner» (Dornach 1951); «Aus dem Leben von Marie Steiner-von Sivers» (Dornach 1956). - Otto Doser (1875-1949), Mitglied des Düsseldorfer Stadttheaters. - Max Gümbel-Seiling (geb. 1879 in Speyer/Rhein), Schauspieler und Rezitator, 1911 in München. - Richard Jürgas, Mitglied des damaligen Karlstuher Hoftheaters. 46 ... dieses Bild der drei/ach geteilten Hekate: Bronzestatuette im Kapitolinischen Museum, Rom. 57 Ludwig Deinhard (Deidesheim, Rheinpfalz 1847-1917 München): S. »Mein Lebensgang», Kap. XXXVIII; Briefe Bd. II (Dornach 1953). 76 ... in der Schrift: »Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit« (7. Auflage Freiburg 1956). 78 ... hei Herodot: Historien Zweites Buch 144. Kapitel. 99 ... die vorjährigen Vorträge: «Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte.» München, 16-26. August 1910 (Gesamtausgabe 1961).
100 Sage Gott ah und stirh: Hiob 2, 9. 101 ... in unserem Rosenkreuzermysterium: «Die Prüfung der Seele« Zweites Bild. 105 ... in jenem Monolog: «Die Prüfung der Seele« Zehntes Bild. 145 Bei einer anderen Gelegenheit. im 2. Vortrag. «DiePrüfung der Seele» Drittes Bild. »Die Pforte der Einweihung« Viertes Bild. 146 auf dieses Mysterium: S. «Faust« II, 2. Akt, Laboratorium: «Das glaub ich. Du aus Norden Im Nebelalter jung geworden ... « Vgl. »Geisteswissensclsaftliche Erläuterungen zu Goethes Faust» Bd. II »Das Faustproblem» (2. Auflage Freiburg 1956). 150 .. .es hat eine tiefe Bedeutung: «Die Prüfung der Seele« Erstes Bild. 154 ... ein Wort, das auf Nietzsche einen großen Eindruck gemacht hat: S. «Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik.« 164 Romanus sagt das: «Die Prüfung der Seele» Dreizehntes Bild. 172 »Eine okkulte Physiologie» (3. Auflage Dornach 1957). 192 Nicht ich, sondern der Christus in mir: Galater 2, 20. 195 Aristoteles: Vgl. »Antworten der Geisteswissenschaft auf die großen Fragen des Daseins» (Gesamtausgabe 1959), X. Vortrag, Berlin, 26. Januar 1911: Galilei, Giordano Bruno und Goethe. 213 Vor diesem Hochmut erschrickt Capesius: »Die Prüfung der Seele» Fünftes Bild. 226 eine interessante Aufzeichnung: Vgl. H.G. Gräf, «Goethe über seine Dichtungen» II. Teil, 2. Bd. (Frankfurt a. M. 1904) S. 84. 229 Atomistische Theorien: Vgl. Veröffentlichungen aus dem Literarischen Früh-werk Bd. IV (Dornach 1941). 231 Heinrich Schramm: Direktor der Oberrealschale Wiener-Neustadt. Das Buch erschien in Wien 1872. 234 Klaatsch: Hermann Klaatsch (Berlin 1863-1916 Eisetza:h), Mediziner und Anthropologe.
Literatur
- Rudolf Steiner: Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen, GA 129 (1992), ISBN 3-7274-1290-9 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv. Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen. Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners. |