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Unsere Häupter.  
Unsere Häupter.  


= MYSTERIENSTÄTTEN DES MITTELALTERS ROSENKREUZERTUM UND MODERNES EINWEIHUNGSPRINZIP =
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= ERSTER VORTRAG Dornach, 4. Januar 1924 =
<nowiki>#</nowiki>G233-1962-SE161 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung


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= HINWEISE =
 
Zu dieser Ausgabe
MYSTERIENSTÄTTEN DES MITTELALTERS
 
ROSENKREUZERTUM
 
UND MODERNES EINWEIHUNGSPRINZIP
 
ERSTER VORTRAG
 
Dornach, 4. Januar 1924
 
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Im Anschluß an dasjenige, was ich Ihnen vorzubringen hatte in dem Kursverlauf während unserer Weihnachtstagung, möchte ich in diesen drei Vorträgen, die nun an den Abenden werden zu halten sein, einiges von dem sagen, was die auf die Erforschung des geistigen Lebens hin­gehende Entwickelung in der neueren Zeit betrifft. Es wird ja vielfach gerade unter dem Namen der Rosenkreuzerei und anderer okkulter Bezeichnungen von dieser neueren geisteswissenschaftlichen Entwicke­lung gesprochen, und ich möchte einmal das Innere dieser Erforschung des geistigen Lebens hier Ihnen schildern. Dazu wird notwendig sein, daß wir heute einleitend etwas über die ganze Art der Vorstellungen sagen, die sich etwa um das neunte, zehnte, elfte nachchristliche Jahr­hundert festsetzte und dann allmählich verschwand eigentlich erst am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, sich sogar noch erhalten hat bei einzelnen Nachzüglern im neunzehnten Jahrhundert. Also ich möchte heute nicht historisch vorgehen, sondern ich möchte eine Summe von durch gewisse Persönlichkeiten innerlich erlebten Vorstellungen vor Ihre Seele hinstellen. Man denkt ja gewöhnlich gar nicht, wie anders die ganze Vorstellungswelt vor einer verhältnismäßig kurzen histori­schen Zeit war bei denjenigen, die sich zu den erkennenden Menschen gerechnet haben, als heute. Heute spricht man von chemischen Stoffen, siebzig oder achtzig chemischen Stoffen, und wird sich gar nicht be­wußt, daß eigentlich wirklich furchtbar wenig damit gesagt ist, wenn man einen Stoff als Sauerstoff, als Stickstoff und so weiter bezeichnet. Denn Sauerstoff ist ja nur etwas, was vorhanden ist unter bestimmten Voraussetzungen, unter bestimmten Voraussetzungen von Wärmezu-ständen, von anderen Zuständen des irdischen Lebens. Es kann doch unmöglich eigentlich ein vernünftiger Mensch mit irgend etwas den Begriff der Realität verbinden, was bei Erhöhung einer Temperatur um soundso viele Grade nicht mehr in demselben Maße, in derselben Weise vorhanden ist, wie es gerade eben unter den Bedingungen vorhanden ist, in denen der Mensch als physischer Erdenmensch lebt. Und gerade
 
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solche Begriffe, solche Vorstellungen, die Tendenz über das Relative des Daseins hinauszugehen zu einem wirklichen Dasein, dieses Ziel lag eben dem Forschungsleben der ersten Zeit des Mittelalters, der mitt­leren Zeit des Mittelalters durchaus zugrunde.
 
Ich setzte deshalb einen Übergang vom neunten ins zehnte nach-christliche Jahrhundert, weil vorher die ganzen Anschauungen der Men­schen noch sehr geistig waren. Es würde zum Beispiel einem wirklich Wissenden des neunten Jahrhunderts gar noch nicht haben beikommen können, in der Annahme von Engeln oder Erzengeln oder Seraphim irgend etwas zu sehen, was an Realität nicht gleichgekommen wäre -ich meine nur an Realität - den physischen Menschen, die man mit Augen sieht. Bei den Wissenden finden Sie, daß durchaus in dieser Zeit vor dem zehnten Jahrhundert von den geistigen Wesenheiten, den sogenannten Intelligenzen des Kosmos, wie von Wesenheiten gespro­chen wird, nun ja, denen man eben begegnet, wenn auch die Leute gewußt haben, sie sind schon längst aus dem Zeitalter hinaus, in dem das ein allgemeines Anschauungsgut der Menschen war. Sie haben aber gewußt, unter besonderen Verhältnissen ist die Wirkung da. Man darf zum Beispiel durchaus nicht übersehen, daß zahlreiche Priesternaturen, katholische Priesternaturen, bis ins neunte, zehnte Jahrhundert im Ver­lauf der Verrichtungen des Meßopfers sich ganz klar darüber waren, daß sie bei dieser oder jener Handlung des Meßopfers die Begegnung von geistigen Wesenheiten, von Intelligenzen des Kosmos gehabt haben.
 
Aber mit dem neunten, zehnten Jahrhundert verschwand allmählich aus dem Bewußtsein der Menschen der unmittelbare Zusammenhang mit den eigentlichen Intelligenzen des Weltenalis, und immer mehr und mehr tauchte nur auf das Bewußtsein von den Elementen des Kosmos, von dem Erdigen, dem Flüssigen oder Wäßrigen, dem Luftartigen, dem Wärmeartigen, dem Feurigen. So daß ebenso, wie man früher von kos­mischen Intelligenzen gesprochen hat, welche die Planetenbewegungen regeln, die Planeten vorbeiführen an den Fixsternen und so weiter, man nunmehr sprach, ich möchte sagen, von der unmittelbaren Um­gebung des Irdischen. Man sprach von den Elementen der Erde, des Wassers, der Luft, des Feuers. Chemische Stoffe im heutigen Sinne
 
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beachtete man nicht. Das kam erst viel später, daß man diese beachtete. Aber sehen Sie, Sie würden sich etwas ganz Falsches vorstellen, wenn Sie sich denken würden, daß die Wissenden selbst noch im dreizehnten, vierzehnten Jahrhundert, ja sogar in einer gewissen Weise herein bis ins achtzehnte Jahrhundert, sich unter Wärme, Luft, Wasser, Erde dasselbe vorgestellt hätten, was sich heute die Menschen darunter vor­stellen. Heute reden die Menschen von der Wärme überhaupt nur noch als von einem Zustande, in dem die Körper sind. Von einem eigentlich Wärmeätherischen wird ja nicht mehr geredet. Aber Luft, Wasser, das ist ja für die Menschen heute, man möchte sagen, das Allerabstrak-teste geworden, und es ist schon notwendig, daß man sich vertiefe in die Art, wie diese Vorstellungen einmal waren. Und so möchte ich Ihnen heute ein Bild geben, wie etwa die Redeweise bei den Wissenden in der bezeichneten Zeit war.
 
Ich war genötigt, als ich meine «Geheimwissenschaft» schrieb, die Entwickelung der Erde doch wenigstens ein wenig mit den gebräuch­lichen Vorstellungen der Gegenwart in Einklang zu bringen. Im drei-zehnten, zwölften Jahrhundert würde man sie haben anders machen können. Da würde zum Beispiel in einem gewissen Kapitel dieser «Ge­heimwissenschaft» das Folgende zu finden gewesen sein. Da hätte man zunächst eine Vorstellung hervorzurufen gehabt von den Wesenheiten, die man als die Wesenheiten der ersten Hierarchie bezeichnen kann:
 
Seraphim, Cherubim, Throne. Man würde die Seraphim charakterisiert haben als Wesenheiten, bei denen es nicht Subjekt und Objekt gibt, sondern bei denen Subjekt und Objekt zusammenfällt, die nicht sagen würden: Außer mir sind Gegenstände - sondern: Die Welt ist, und ich bin die Welt, und die Welt ist Ich - die eben nur von sich wissen, und zwar so, daß diese Wesenheiten, diese Seraphim, von sich wissen durch ein Erlebnis, von dem der Mensch einen schwachen Nachglanz hat, wenn er, nun[sagen wir, die Erfahrung macht, die ihn in eine glühende Begeisterung versetzt.
 
Es ist sogar manchmal schwer, dem gegenwärtigen Menschen klar zu machen, was eine glühende Begeisterung ist, denn noch im Beginne des neunzehnten Jahrhunderts wußte man besser, was glühende Be­geisterung ist, als heute. Da kam es schon noch vor, daß das oder jenes
 
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Gedicht von diesem oder jenem Dichter vorgelesen worden ist, und die Leute benahmen sich vor Begeisterung so - verzeihen Sie, aber es war schon so-, daß der gegenwärtige Mensch sagen würde: Die sind ja alle wahnsinnig geworden! - So sind sie in Bewegung gekommen, so ist Wärme in sie eingezogen. Gegenwärtig erfriert man ja, gerade wenn man glaubt, die Leute sollten begeistert sein.
 
Und durch dieses Element der Begeisterung, das insbesondere in Mittel- und Osteuropa recht heimisch war, durch diese seelische Be­geisterung, indem dieses Element zum Bewußtsein erhoben ist, einheit­liches Bewußtseinselement ist, hat man sich das innere Leben der Sera­phim vorzustellen. Und als ein völlig abgeklärtes Element im Bewußt­sein, lichtvoll, so daß der Gedanke unmittelbar Licht wird, alles be­leuchtet, hat man das Bewußtseinselement der Cherubim vorzustellen. Und als in Gnade tragend, weltentragend, das Element der Throne.
 
Nun, das ist solch eine Skizze. Ich könnte darüber lange noch fort­sprechen. Ich wollte Ihnen nur zunächst sagen, daß man in jener Zeit versucht hätte, zunächst Seraphim, Cherubim, Throne in ihren wesen­haften Eigenschaften zu charakterisieren. Dann würde man gesagt haben: Der Chor der Seraphim, Cherubim, Throne wirkt zusammen, und zwar so wirkt er zusammen, daß die Throne einen Kern begrün­den (rotlila); die Cherubim lassen von diesem Kern ausströmen ihr eigenes lichtvolles Wesen (gelb). Die Seraphim hüllen das Ganze in einen Begeisterungsmantel, der weithin in den Weltenraum strahlt (rot).
 
Aber das sind alles Wesenheiten in dem, was ich zeichne, in der Mitte die Throne, im Umkreis die Cherubim, in dem, was im Äußersten hier ist, die Seraphim. Das sind Wesenheiten, die ineinanderschweben, -tun,
 
-denken, -wollen, die ineinanderfühlen. Das sind Wesenhaftigkeiten. Und wenn ein Wesen, das die entsprechende Empfindungsfähigkeit gehabt hätte, nunmehr den Weg durch den Raum genommen hätte, wo in dieser Weise die Throne einen Kern begründet haben, die Cherubim eine Art von Umkreis, die Seraphim eine Art von Abschluß nach außen, wenn ein solches Wesen in den Bereich dieses Wirkens der ersten Hierarchie gekommen wäre, so hätte es Wärme in verschiedener Diffe­renzierung, an verschiedenen Stellen Wärme gefühlt, da höhere Wärme, dort tiefere Wärme. Aber alles seelisch-geistig, aber so seelisch-geistig,
 
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daß das seelische Erlebnis auch zu gleicher Zeit in unseren Sinnen ein physisches Erlebnis ist, daß also, indem das Wesen sich seelisch warm fühlt, wirklich das da ist, was Sie fühlen, wenn Sie in einem geheizten Raume sind. Solch eine Zusammenbauung von Wesenheiten der ersten Hierarchie ist einmal im Weltenall entstanden, und das bildete das saturnische Dasein. Die Wärme ist bloß der Ausdruck dafür, daß diese Wesenheiten da sind. Die Wärme ist nichts als der Ausdruck dafür, daß diese Wesenheiten da sind.
 
Ich möchte dafür ein Bild gebrauchen, das hier vielleicht etwas auf-klärend sein kann. Denken Sie sich, Sie haben einen Menschen gern. Sie empfinden seine Gegenwart als wärmend. Denken Sie sich, es kommt eine, der ein furchtbarer Abstraktling ist und sagt: Der Mensch interessiert mich eigentlich nicht, den denke ich mir weg, mich inter­essiert nur die Wärme, die er verbreitet. - Aber er sagt gar nicht: Mich interessiert nur die Wärme, die er verbreitet -, sondern: Mich inter­essiert überhaupt nur die Wärme. - Er redet natürlich Unsinn, das ver­stehen Sie, denn wenn der Mensch weg ist, der die Wärme verbreitet,
 
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dann ist die Wärme auch nicht mehr da. Die Wärme ist überhaupt nur etwas, was da ist, wenn der Mensch da ist. Sie ist an sich nichts. Der Mensch muß da sein, wenn die Wärme da ist. So müssen Seraphim, Cherubim, Throne da sein, sonst ist auch die Wärme nicht da. Die Wärme ist nur die Offenbarung der Seraphim, Cherubim, Throne.
 
Sehen Sie, in jener Zeit, von der ich spreche, gab es ja in der Tat bis zu den kolorierten Zeichnungen herunter das, was ich Ihnen eben jetzt beschrieben habe. Man redete so, daß man, wenn man von Elementen redete, vom Elemente der Wärme, darunter eigentlich Cherubim, Sera-phim, Throne verstand. Und das ist das saturnische Dasein.
 
Nun ging man weiter, und man sagte sich dann: Nur die Seraphim, Cherubim, Throne haben die Macht, so etwas hervorzubringen, so etwas hinzustellen in den Kosmos. Nur diese höchste Hierarchie hat die Fähigkeit, so etwas hinzustellen in den Kosmos. Aber indem diese höchste Hierarchie im Ausgangspunkte eines Weltenwerdens so etwas hingestellt hat, konnte die Entwickelung weitergehen. Es konnten gewissermaßen die Söhne der Seraphim, Cherubim und Throne die Entwickelung weiterleiten. - Und das geschah dann auf die Weise, daß wirklich die von den Seraphim, Cherubim und Thronen hervorgebrach­ten Wesenheiten der zweiten Hierarchie, die Kyriotetes, Dynameis, Exusiai, nun eindrangen in diesen Raum, sagen wir, der hier durch Seraphim, Cherubim und Throne saturnisch gestaltet worden war, saturnisch warm gebildet worden war. Da drangen dann die jüngeren, natürlich kosmisch jüngeren Wesenheiten ein. Diese kosmisch jüngeren Wesenheiten, wie wirkten sie? Während die Cherubim, Seraphim und Throne für sich im Elemente der Wärme sich offenbarten, so offen­barten sich die Wesenheiten der zweiten Hierarchie im Elemente des Lichtes. Hier (auf der Zeichnung) das Saturnische ist dunkel, liefert Wärme. Und innerhalb der dunklen finsteren Welt des saturnischen Daseins ersteht dasjenige, was durch die Söhne der ersten Hierarchie, durch die Exusiai, Dynameis, Kyriotetes entstehen kann.
 
Was da entsteht innerhalb dieses saturnisch Warmen, das entsteht dadurch, daß das Eindringen der zweiten Hierarchie bedeutet ein inner­liches Durchleuchtetwerden. Dieses innerliche Durchleuchtetwerden ist verknüpft mit einer Verdichtung der Wärme. Es wird aus dem bloßen
 
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Wärmeelement Luft. Und wir haben auf der einen Seite eindringend in der Offenbarung des Lichtes die zweite Hierarchie. Aber Sie müssen sich jetzt klar vorstellen, in Wirklichkeit dringen Wesenheiten ein. Für ein Wesen mit entsprechender Wahrnehmungsfähigkeit dringt Licht ein. Licht ist dasjenige, was die Wege dieser Wesenheiten bezeichnet. Wenn irgendwo Licht hinkommt, so entsteht unter gewissen Bedin­gungen Schatten, Finsternis, finsterer Schatten. Durch das Eindringen der zweiten Hierarchie in Form des Lichtes entstand auch Schatten.
 
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Was war dieser Schatten? Die Luft. Und tatsächlich, bis ins fünfzehnte, sechzehnte Jahrhundert hat man gewußt, was die Luft ist. Heute weiß man nur, die Luft besteht aus Sauerstoff, Stickstoff und so weiter, wo­mit nicht viel anderes gesagt ist, als wenn einer meinetwillen von einer Uhr weiß, sie besteht aus Glas und Silber, womit über die Uhr gar nichts gesagt ist. Es ist über die Luft gar nichts gesagt als kosmische Erscheinung, wenn man sagt, sie besteht aus Sauerstoff und Stickstoff, aber es ist viel über die Luft gesagt, wenn man weiß: Aus dem Kosmos heraus ist die Luft der Schatten des Lichtes. - So daß man also jetzt
 
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tatsächlich mit dem Eindringen der zweiten Hierarchie in das saturnisch Warme das Eindringen des Lichtes hat (gelb auf der Kreidezeichnung), und den Schatten des Lichtes, die Luft (grün). Und wo das entsteht, ist Sonne. So hätte man eigentlich müssen im dreizehnten, zwölften Jahr­hundert sprechen.
 
Nun gehen wir weiter. Die weitere Entwickelung wird nun wie­derum durch die Söhne der zweiten Hierarchie, durch Archai, Archan­geloi, Angeloi geleitet. Diese Wesenheiten bringen ein Neues in das leuchtende Element, das zunächst durch die zweite Hierarchie einge­zogen ist, das seinen Schatten, die luftige Finsternis nach sich gezogen hat, nicht die gleichgiltige neutrale Finsternis, die saturnische, die ein­fach Abwesenheit des Lichtes war, sondern die, welche den Gegensatz des Lichtes herausgearbeitet hat. Zu dieser Entwickelung hinzu bringt die dritte Hierarchie, Archai, Archangeloi, Angeloi, durch ihre eigene Wesenheit ein Element hinein, das ähnlich ist unserem Begehren, unse­ren Trieben, etwas zu erlangen, nach etwas sich zu sehnen.
 
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Dadurch kam folgendes, dadurch kam zustande, daß, sagen wir, ein Archai- oder Angeloiwesen hier hereinkam (siehe Zeichnung) und auftraf
 
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auf ein Element des Lichtes, ich möchte sagen, auf einen Ort des Lichtes. In diesem Ort des Lichtes empfing es durch die Empfänglich­keit für dieses Licht den Drang, das Begehren für die Finsternis. Es trug das Angeloiwesen das Licht in die Finsternis herein, oder ein Angeloi­wesen trug die Finsternis in das Licht herein. Diese Wesenheiten wer­den die Vermittler, die Boten zwischen Licht und Finsternis. Und die Folge davon war, daß dann dasjenige, was früher nur im Lichte er-glänzte und seinen Schatten, die dunkle luftige Finsternis, nach sich gezogen hat, daß das anfing, in allen Farben zu schillern, daß Licht in Finsternis, Finsternis in Licht erschien. Die dritte Hierarchie ist es, die die Farbe hervorgezaubert hat aus Licht und Finsternis.
 
Sehen Sie, hier haben Sie auch sozusagen etwas historisch Dokumen­tarisches vor Ihre Seele hinzustellen. In der Aristoteles-Zeit hat man noch gewußt, wenn man, ich möchte sagen, innerhalb des Mysteriums sich gefragt hat, woher die Farben kommen, daß damit die Wesen­heiten der dritten Hierarchie zu tun haben. Daher sprach es Aristoteles in seiner Farbenharmonie aus, daß die Farbe ein Zusammenwirken des Lichtes und der Finsternis bedeutet. Aber dieses geistige Element, daß man hinter der Wärme die Wesenheiten der ersten Hierarchie, hinter dem Lichte und seinem Schatten, der Finsternis, die Wesenheiten der zweiten Hierarchie, hinter dem farbigen Aufglitzern in einem Welten­zusammenhange die Wesenheiten der dritten Hierarchie zu sehen hat, das ging verloren. Und es blieb nichts anderes übrig, als die unglück­selige Newtonsche Farbenlehre, über die bis ins achtzehnte Jahrhundert herein die Eingeweihten gelächelt haben, und die dann das Glaubens­bekenntnis derjenigen wurde, die eben physische Fachleute sind.
 
Man muß eben wirklich von der geistigen Welt gar nichts mehr wis­sen, wenn man im Sinne dieser Newtonschen Farbenlehre sprechen kann. Und wenn man noch innerlich aufgestachelt ist von der geistigen Welt, wie es i)ei Goethe der Fall war, da sträubt man sich dagegen. Man stellt, wie er es getan hat, das Richtige hin und schimpft furcht­bar. Denn Goethe hat nie so geschimpft als bei der Gelegenheit, wo er über Newton zu schimpfen hatte; er schimpfte furchtbar über das un­sinnige Zeug. Solche Dinge kann man ja heute nicht begreifen, aus dem einfachen Grunde, weil heute jemand vor den Physikern ein Narr ist,
 
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der nicht die Newtonsche Farbenlehre anerkennt vor den Physikern. Aber die Dinge liegen doch nicht so, daß etwa in der Goethe-Zeit Goethe ganz allein dagestanden hätte. Unter denen, die nach außen diese Dinge aussprachen, stand er allein da, aber die Wissenden, auch noch am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, sie wußten eben durchaus auch, wie innerhalb des Geistigen die Farbe erquillt.
 
Aber sehen Sie, die Luft ist der Schatten des Lichtes. Und geradeso, wie, wenn das Licht ersteht, unter gewissen Bedingungen der finstere Schatten da ist, so ersteht, wenn Farbe da ist und diese Farbe als Reali­tät wirkt - und das konnte sie, solange sie eindrang in das luftige Ele­ment -, so entsteht, wenn die Farbe hinsprüht im luftigen Elemente, wirkt im luftigen Elemente, also etwas ist, nicht bloß ein Abglanz ist, nicht bloß die Reflexfarbe ist, sondern eine Realität, die hinsprüht im luftigen Elemente: dann entsteht, wie durch Druck Gegendruck ent­steht unter gewissen Bedingungen, aus dem realen Farbigen das flüs­sige, das wäßrige Element. Wie der Schatten des Lichtes Luft ist, kos­misch gedacht, so ist das Wasser der Abglanz, die Schöpfung des Far­bigen im Kosmos.
 
Sie werden sagen: Das verstehe ich nicht. - Aber versuchen Sie nur einmal, tatsächlich das Farbige zu fassen in seinem realen Sinne. Rot -nun ja, glauben Sie, daß das Rot wirklich in seiner Wesenheit nur die neutrale Fläche ist, als die man es gewöhnlich anschaut? Das Rot ist doch etwas, was eine Attacke auf einen macht. Ich habe es oftmals er­wähnt. Man möchte davonlaufen vor dem Rot, es stößt einen zurück. Das Blauviolett, man möchte ihm nachlaufen, es läuft immer vor einem davon, es wird immer tiefer und tiefer. In den Farben lebt ja alles. Die Farben sind eine Welt, und das seelische Element fühlt sich in der Farbenwelt tatsächlich so, daß es gar nicht auskommen kann ohne Be­wegung, wenn es den Farben mit dem seelischen Erleben folgt.
 
Sehen Sie, der Mensch glotzt heute den Regenbogen an. Wenn man nur mit einiger Imagination nach dem Regenbogen hinschaut, da sieht man Elementarwesen, die am Regenbogen sehr tätig sind. Diese Ele­mentarwesen zeigen sehr merkwürdige Erscheinungen. Hier (bei Gelb) sieht man fortwährend aus dem Regenbogen herauskommen gewisse Elementarwesen. Die bewegen sich dann so herüber. In dem Augenblicke,
 
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wo sie ankommen an dem unteren Ende des Grüns, werden sie angezogen. Man sieht sie hier verschwinden (bei Grün). Auf der an­deren Seite kommen sie wieder heraus. Der ganze Regenbogen zeigt für den, der ihn mit Imagination anschaut, ein Herausströmen des Geistigen, ein Verschwinden des Geistigen. Er zeigt tatsächlich etwas wie eine geistige Walze, wunderbar. Und zu gleicher Zeit bemerkt man an diesen geistigen Wesenheiten, daß indem sie da herauskommen, sie mit einer großen Furcht herauskommen, indem sie da hineingehen, gehen sie mit einem ganz unbesieglichen Mut hinein. Wenn man nach dem Rotgelb hinschaut, da strömt Furcht aus, wenn man nach dem Blauviolett hinschaut, bekommt man das Gefühl: Da lebt ja alles wie Mut, wie Courage.
 
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Nun stellen Sie sich vor, daß nicht bloß der Regenbogen da ist, son­dern wenn ich jetzt hier einen Schnitt zeichne (siehe Zeichnung), und der Regenbogen so steht, so kommen die Wesenheiten da heraus, da verschwinden sie; hier Angst, hier Mut. Der Mut verschwindet wie­derum. So wäre jetzt das Auge gerichtet, hier ist der Regenbogen, hier ist jetzt das Rot, Gelb und so weiter. Da bekommt der Regenbogen
 
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eine Dicke. Und da werden Sie sich schon vorstellen können, daß wäß­riges Element daraus entsteht. Und in diesem wäßrigen Element leben nun geistige Wesenheiten, die wirklich auch eine Art von Abbild sind der Wesenheiten der dritten Hierarchie.
 
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Man kann schon sagen: Kommt man an die Wissenden des elften, zwölften, dreizehnten Jahrhunderts heran, so muß man solche Dinge verstehen. Sie können nicht einmal die Späteren mehr verstehen, Sie können nicht den Albertus Magnus verstehen, wenn Sie ihn lesen mit dem, was heute der Mensch weiß. Sie müssen ihn lesen mit einer Art von Wissen, daß solches Geistiges für ihn doch eine Realität war; dann verstehen Sie erst, wie er die Worte gebraucht, wie er sich ausdrückt.
 
Und auf diese Weise treten auf wie ein Abglanz der Hierarchien Luft, Wasser. Indem die erste Hierarchie selber als Wärme eindringt, dringt die zweite Hierarchie ein in Form des Lichtes, die dritte Hierarchie ein in Form des Farbigen. Damit aber, daß dieses sich bildet, ist das Mon­dendasein erreicht.
 
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Und nun kommt die vierte Hierarchie. Ich erzähle jetzt so, wie man im zwölften, dreizehnten Jahrhundert gedacht hat. Nun kommt die vierte Hierarchie. Wir sprechen gar nicht von ihr, aber im zwölften, dreizehnten Jahrhundert hat man noch von dieser vierten Hierarchie sehr wohl gesprochen. Was ist diese vierte Hierarchie? Das ist der Mensch. Der Mensch selber ist die vierte Hierarchie. Aber beileibe nicht das hat man verstanden unter dieser vierten Hierarchie, was jetzt als zweibeiniges, alterndes, so höchst sonderbares Wesen herumgeht in der Welt, denn dem eigentlich Wissenden ist dazumal gerade der gegen­wärtige Mensch als ein sonderbares Wesen vorgekommen. Sie haben gesprochen von dem ursprünglichen Menschen vor dem Sündenfall, der noch durchaus in einer solchen Form vorhanden war, daß er ebenso Macht über die Erde hatte, wie Angeloi, Archangeloi, Archai Macht über das Mondendasein, wie die zweite Hierarchie Macht über das Sonnendasein, die erste Hierarchie Macht über das Saturndasein hatte. Man sprach von dem Menschen in seinem ursprünglichen irdischen Da­sein und konnte da von dem Menschen als der vierten Hierarchie spre­chen. Und mit dieser vierten Hierarchie kam, allerdings als eine Gabe der oberen Hierarchien, aber wie etwas, was die oberen Hierarchien erst wie ein Besitztum gehabt haben, das sie gehütet haben, das sie nicht selber brauchten: es kam das Leben. Und in die farbenschillernde Welt, die ich Ihnen also in Andeutungen geschildert habe, kam das Leben hinein.
 
Sie werden sagen: Haben denn die Dinge nicht früher gelebt? - Meine lieben Freunde, wie das ist, können Sie am Menschen selber lernen. Ihr Ich und Ihr astralischer Leib haben nicht das Leben und wesen eben doch. Das Geistige, das Seelische braucht nicht das Leben. Erst bei Ihrem Ätherleib fängt das Leben an, und es ist das etwas äußerlich Hüllenhaftes. Und so kommt auch das Leben erst nach dem Monden-dasein mit dem Erdendasein in den Bereich derjenigen Evolution hinein, der eben unsere Erde angehört. Die farbenschillernde Welt wurde durchlebt. Nicht nur, daß jetzt Angeloi, Archangeloi und so weiter Sehnsucht empfingen, Finsternis in Licht, Licht in Finsternis hin-einzutragen und dadurch im Planeten das Farbenspiel hervorzurufen, sondern es trat dieses auf, innerlich zu erleben dieses Farbenspiel, es
 
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innerlich zu machen; zu erleben, wenn Finsternis innerlich das Licht dominiert, Schwachheit zu fühlen, Lässigkeit zu fühlen, wenn Licht die Finsternis dominiert, Aktivität zu fühlen. Denn was ist es, wenn Sie laufen? Wenn Sie laufen, ist es eben so, daß Licht in Ihnen die Finster­nis dominiert; wenn Sie sitzen und faul sind, dominiert die Finsternis das Licht. Es ist seelisches Farbenwirken, seelisches Farbenschillern. Von Leben durchsetztes, durchströmtes Farbenschillern trat auf, indem die vierte Hierarchie, der Mensch, kam. Und in diesem Augenblicke des kosmischen Werdens fingen die Kräfte, die da regsam wurden im Far­benschillern, an, Konturen zu bilden. Das Leben, das die Farben inner­lich abrundete, abeckte, abkantete, rief das feste Kristallinische hervor. Und wir sind im Erdendasein drinnen.
 
Solche Dinge, wie ich sie Ihnen jetzt dargestellt habe, die waren eigentlich die Ausgangswahrheiten jener mittelalterlichen Alchemisten, Okkultisten, Rosenkreuzer und so weiter, die, ohne daß heute die Ge­schichte viel von ihnen berichtet, namentlich geblüht haben vom neun­ten, zehnten bis ins vierzehnte, fünfzehnte Jahrhundert herein, und die noch die letzten Nachzügler gehabt haben, die man aber immer dann als Sonderlinge angesehen hat, bis ins achtzehnte Jahrhundert, ja bis in den Beginn des neunzehnten Jahrhunderts herein. Nur sind dann diese Dinge völlig zugedeckt worden. Nur hat es die moderne Weltanschauung dann dazu gebracht, folgendes zu vollführen. Denken Sie sich, hier habe ich einen Menschen. Ich höre auf, mich für diesen Menschen zu interessieren und nehme ihm nur die Kleider ab und hänge die Kleider an einen Kleiderstock, der oben einen kopfförmigen Knopf hat, und für den Menschen interessiere ich mich nicht weiter. Ich stelle mir weiter vor: Das ist der Mensch; was geht mich das an, daß in die­sen Kleidern so etwas drinnenstecken kann? Das ist der Mensch (der Kleiderständer)! - Ja, sehen Sie, so kam es mit den Naturelementen. Es interessiert einen nicht weiter, daß hinter der Wärme oder dem Feuer die erste Hierarchie, hinter dem Licht und der Luft die zweite Hierarchie, hinter dem sogenannten chemischen Äther, Farbäther und so weiter und dem Wasser die dritte Hierarchie, hinter dem Lebens-elemente und der Erde die vierte Hierarchie oder der Mensch ist. Bloß den Kleiderrechen her und darauf die Gewänder gehängt! Nun, das
 
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ist der erste Akt. Der zweite Akt, der beginnt aber dann auf Kantisch! Da beginnt der Kantianismus, da fängt man an, indem man nun den Kleiderstock hat - die Kleider hängen darauf -, nun zu philosophieren, was das Ding an sich dieser Kleider sein könnte. Und man kommt darauf, daß man eigentlich dieses Ding an sich der Kleider nicht er­kennen kann. Sehr scharfsinnig! Natürlich, wenn man den Menschen zuerst weggenommen hat und dann den Kleiderstock mit den Kleidern hat, so kann man über die Kleider philosophieren, und dann kommt man darauf, daß man hübsche Spekulationen macht. Es ist ja eben der Kleiderstock da, nicht wahr, und da hängen die Gewänder daran, und da philosophiert man, entweder auf Kantisch: Das Ding an sich er­kennt man nicht - oder auf Helmholtzisch, und da denkt man sich:
 
Diese Kleider, die können doch nicht Formen haben. - Nun ja, da sind eben lauter kleine wirbelnde Staubkörnchen, Atome drinnen, die schla­gen da an, und da werden die Kleider in ihrer Form erhalten.
 
Ja, so hat sich das Denken dann später entwickelt. Das aber ist abstrakt, schattenhaft. Aber in diesem Denken, in diesem Spekulieren leben wir ja heute; aus dem prägen wir uns heute unsere gesamte natur­wissenschaftliche Anschauung. Und wenn wir nicht zugeben, daß wir atomistisch denken, so tun wir es erst recht. Denn das wird man noch lange nicht zugeben, daß es nicht notwendig ist, den Wirbeltanz der Atome da hineinzuträumen, sondern wieder den Menschen in die Kleider hineinzutun. Das aber muß eben versuchen die Wiederauf-richtung der Geisteswissenschaft.
 
Ich wollte Ihnen heute in einer Anzahl von Bildern geben, Wie da­zumal noch gedacht worden ist, und was schon eigentlich zu lesen ist in älteren Schriften, was aber verglommen ist. Aber weil es verglommen ist, kommen solche interessanten Tatsachen zutage: Da hat ein nor­discher Chemiker von heute eine Stelle des Basilius Valentinus wie­der abgedruckt und die Sache im heutigen Sinne chemisch genommen. Und da konnte er natürlich nichts anderes sagen - weil das so aussieht, wenn man es heute chemisch denkt, als wenn man im Laboratorium stünde, Retorten und andere Instrumente hätte und heutige Experi­mente ausführte -, da konnte er nichts anderes sagen, als daß das ein Unsinn sei, was da bei Basilius Valentinus steht. Was aber bei Basilius
 
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Valentinus steht, ist ein Stück Embryologie, eben in Bildform aus­gedrückt. Ein Stück Embryologie ist das. Wenn man einfach die heu­tige Denkweise anwendet, so bekommt man scheinbar einen bloßen Laboratoriumsversuch, der aber dann ein Unsinn ist. Denn im Labora­torium - wenn man nicht gerade der Wagner ist, der aber immerhin noch mehr auf dem Standpunkt der früheren Jahrhunderte steht -kann man eben nicht ein Stück Embryologie ausführen.
 
Diese Dinge müssen heute wieder eingesehen werden. Und im Zu­sammenhange mit den großen Wahrheiten, die ich aussprechen durfte in den Tagen der Weihnachtstagung, möchte ich eben auch einiges noch sagen über die Schicksale des inneren Geisteslebens in den letzten Jahr­hunderten der Weltentwickelung.
 
= ZWEITER VORTRAG Dornach, 5.Januar 1924 =
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ZWEITER VORTRAG
 
Dornach, 5.Januar 1924
 
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Gestern begann ich zu Ihnen von den geisteswissenschaftlichen Bestre­bungen vom neunten, zehnten nachchristlichen Jahrhundert zu sprechen, bis in die Zeit hinein, solange es im Ernste noch solche geisteswissen­schaftlichen Bestrebungen gegeben hat: was eigentlich bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts, Anfang des neunzehnten Jahrhunderts dau­erte, und ich versuchte gestern, einiges von dem Inhalte solcher Bestre­bungen zu Ihnen zu sprechen. Heute möchte ich nun mehr das Histori­sche berühren. Es handelt sich nämlich darum, daß ja durch das alte eigentliche Mysterienwesen in den Mysterienstätten in der Art, wie ich das während der Weihnachtstagung in den Abendvorträgen dargelegt habe, wirklich eine Begegnung der Menschen, der Initiierten und der zu Initiierenden, mit den Göttern stattfinden konnte, daß gewisser­maßen in den Initiationsstätten die Möglichkeit vorhanden war, wenn ich den pedantischen Ausdruck gebrauchen darf, offizielle Orte zu fin­den, die eigens ihrer Lokalität nach dazu eingerichtet waren, eine solche Begegnung herbeizuführen.
 
Diese Einrichtungen, die zugrunde liegen als die eigentlichen Impuls-geber allen alten Zivilisationen, sind nach und nach hingeschwunden, und man kann sagen: In der alten Form fanden sie sich eigentlich nicht mehr seit dem vierten nachchristlichen Jahrhundert. Da und dort waren noch Nachzügler vorhanden, aber in dieser strengen alten Form fan­den sie sich nicht mehr. Dagegen hat ja die Initiation im Grunde ge­nommen niemals aufgehört; die Formen, in denen die zu Initiierenden ihren Weg fanden, die änderten sich. Und ich habe ja auch schon darauf hingewiesen, wie im Mittelalter die Sache so war, daß einzelne an­spruchslose, in aller Bescheidenheit lebende Menschen da oder dort vor­handen waren, die nicht gerade offizielle Schülerkreise an bestimmten Orten um sich sammelten, sondern die so, wie es das Menschheits- und Volkskarma ergab, da oder dort ihre Schüler hatten. Ich habe ja einen solchen Fall bei der Besprechung des Johannes Tauler in meiner «My­stik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens» charakterisiert. Über
 
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diesen brauche ich nicht zu sprechen. Dagegen möchte ich einen anderen Fall gerade heute besprechen als einen, ich möchte sagen, charakteri­stisch-typischen Fall, einen Fall, der von einem großen Einflusse war, der vom zwölften, dreizehnten Jahrhundert an bis ins fünfzehnte Jahr­hundert vieles bewirkt hat, was an spirituellen Strömungen bis ins fünfzehnte Jahrhundert vorhanden war. Ich möchte diesen Fall skiz­zenhaft charakterisieren.
 
Die Zeit, in der er stattgefunden hat, ist um das Jahr 1200 herum. Es gab in jener Zeit wirklich eine größere Anzahl von Menschen, jun­gen Menschen, die in sich den Drang nach höherem Wissen verspürten, nach einer Verbindung mit der geistigen Welt, man kann schon sagen, nach einer Begegnung mit den Göttern. Und es war ja eben durchaus nach der Lage der Zeitverhältnisse so, daß es oftmals fast wie zufällig aussah, wenn solch ein strebender Mensch seinen Lehrer fand, was ja damals nicht durch Bücher geschehen konnte, sondern was damals nur ganz persönlich geschehen konnte. Es war natürlich tiefe Schicksals-fügung darin und sah nur äußerlich wie ein Zufall aus. Von einem solchen Schüler möchte ich sprechen.
 
Er fand durch einen solchen scheinbaren Zufall in einem Orte des mittleren Europa einen Lehrer. Er traf mit einem älteren Menschen zusammen, demgegenüber er alsbald das Gefühl entwickelte, der könne ihn weiterleiten in dem Streben, das den tiefsten Drang seiner Seele bildete. Und ich möchte Ihnen zunächst sozusagen ein Gespräch skizzie­ren. Natürlich hat nicht nur ein solches Gespräch zwischen dem Lehrer und dem Schüler stattgefunden, aber ich fasse verschiedene Gespräche in eines zusammen.
 
Der Schüler sprach zu dem Lehrer, er strebe darnach, in die geistige Welt hinein Blicke tun zu können, aber es sei ihm so, als ob in der Tat die Menschennatur, so wie sie nun einmal in jener Zeit sei - im zwölften Jahrhundert ist es ungefähr, wovon ich spreche -, als ob die Menschennatur nicht vordringen könne zu den geistigen Welten. Man müsse doch, sagte der Schüler, in der Natur etwas sehen, was Werk, Schöpfung der göttlich-geistigen Wesenheiten sei. Man müsse aus dem, wie die Naturdinge seien in ihrem tieferen Sinne, wie die Naturvor­gänge verlaufen, erkennen können, wie hinter diesen Naturdingen und
 
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Naturschöpfungen das Wirken von göttlich-geistigen Wesenheiten stehe. Aber es sei so, als ob die Menschennatur in der Gegenwart nicht durchkönne. Und schon hatte es sich in dem Schüler, in dem jungen Menschen - ich meine, jungen Menschen von fünfundzwanzig oder achtundzwanzig Jahren - stark geformt zu Gefühlen: Das gegenwär­tige Menschentum, der physische Leib in seiner besonderen Verbindung mit der Seele, könne nicht vordringen, habe in sich selber Hindernisse.
 
Da sagte ihm zunächst der Lehrer, um ihn auf die Probe zu stellen:
 
Nun ja, du hast doch deine Augen, du hast doch deine Ohren; siehe mit deinen Augen hin auf die Naturdinge, höre mit deinen Ohren dasjenige, was geschieht, und du wirst durch Farbe und Ton, in denen sich ja Geistiges offenbart, du wirst durch sie hindurch das Geistige sich offenbaren fühlen müssen. - Da sagte der Schüler: Ja, wenn ich meine Augen gebrauche, wenn ich hinausschaue in die Welt, die farbig ist, da ist es mir, als wenn mein Auge die Farbe aufhielte, als wenn die Farbe an meinen Augen erstarrte. Und wenn ich hinhorche mit meinen Ohren auf die Töne, ist es, als wenn die Töne in meinen Ohren verknöcherten, und wie wenn die erstarrten Farben und die verknö­cherten Töne durch meine Sinne den Geist der Natur nicht hindurch-ließen. - Da sagte der Lehrer: Sieh aber doch, es gibt doch auch eine Offenbarung; es gibt die Offenbarung des religiösen Lebens. Da wird dir erzählt, wie Götter die Welt gestaltet haben, wie in die Zeitent­wickelung der Christus eingetreten ist, Mensch geworden ist. Es gibt also außer der Natur noch die Offenbarung. Was dir die Natur nicht geben kann, kann dir denn das nicht die Offenbarung geben? - Da sagte der Schüler: Die Offenbarung spricht ja sehr stark zu meinem Herzen, aber eigentlich kann ich sie nicht fassen, eigentlich ist es mir unmöglich, dasjenige, was draußen in der Natur ist, in Verbindung zu bringen mit dem, was mir die Offenbarung sagt. Und so, indem ich die Natur nicht verstehe, indem die Natur mir nichts offenbart, ver­stehe ich auch die religiöse Offenbarung nicht.
 
Da sagte der Lehrer: Nun gut, so wie du jetzt in der Welt drinnen-stehst, so wirst du allerdings - wenn du so sprechen mußt, wenn es dir so ums Herz und um die Seele ist, daß du so sprechen mußt -weder Natur noch Offenbarung verstehen können. Denn du lebst eben
 
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in einem Menschenleibe, der von der Sünde befallen ist - so war ja die Redensart dazumal -, und dieser von der Sünde befallene Men­schenleib, der paßt eigentlich nicht zu der irdischen Umgebung, in der du lebst. Die irdische Umgebung gibt dir nicht die Bedingungen dazu, so deine Sinne zu gebrauchen und dein Gemüt zu gebrauchen, daß du Natur und Offenbarung als Erleuchtung, die von den Göttern kommt, ansehen könntest. Ich werde, wenn du willst, dich aus der Natur deiner irdischen Umgebung, die einfach nicht angepaßt ist an dein Wesen, hin-wegführen und werde dir Gelegenheit geben, Offenbarung und Natur besser zu verstehen.
 
Und es wurde verabredet, wann der Lehrer den Schüler führen sollte. Und er führte ihn zunächst eines Tages einen hohen Berg hin­auf, einen sehr hohen Berg, einen Berg hinan, von dem aus man die gewöhnliche Erdoberfläche mit ihren Bäumen, Fluren und so weiter nicht mehr sehen konnte; sondern als der Schüler mit seinem Lehrer oben stand, konnte man nur noch - wie Sie das ja wohl auch aus dem Gebirge kennen - unten etwas wie ein Nebelmeer sehen, welches die gewöhnliche Erde bedeckte, und oben war man, wenigstens andeu­tungsweise, wie symptomatisch entrückt dem irdischen Treiben. Man sah nur hinschauend den Weltenraum mit seinen Wolkengebilden, und unten etwas wie ein Meer, wie ein wogendes Meer, das eben aus Wol­ken bestand; Morgennebel, Morgenstimmung. Der Lehrer sprach Ver­schiedenes. Er sprach von Weltenweiten, von kosmischen Fernen, sprach davon, wie die Weite, in die der Blick herausgerichtet ist, in der Nacht­zeit die Sterne aus sich herausleuchten läßt, sprach Verschiedenes, wo­durch das Gemüt des Schülers ganz hingegeben ward an die Eigentüm­lichkeit des Naturdaseins, gewissermaßen erdentrückt ward.
 
Und so lange dauerte die Vorbereitung, bis in der Tat etwas von jener Seelenstimmung da war bei dem Schüler, die man damit verglei­chen könnte, daß dem Schüler erschien - nicht für einen Augenblick, sondern für längere Zeit - alles das, was er jemals während seines irdi­schen Lebens in dieser Inkarnation auf Erden erlebt hatte, wie wenn er es geträumt hätte. Und so wenig mannigfaltig eigentlich dasjenige war, was er da überblickte - das wallende wogende Nebelmeer, Wol­kenmeer, wenige in der Nähe befindliche Gipfel, die Weltenweiten,
 
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höchstens da und dort eben mit Wolkenbildungen auch besetzt, aber kaum, nur am Ende -, so arm an Inhalt gegenüber der Mannigfaltig­keit dessen, was er unten auf dem Erdboden immer hatte erleben kön­nen, dies alles war, so war ihm das doch wie der Inhalt seines tag-wachen Bewußtseins. Und alles, was er jemals auf der Erde erlebt hatte, war ihm, wie wenn er es so in der Nacherinnerung eines Traumes hätte. Er kam sich wie erwacht vor. Und während er also immer mehr und mehr erwachte in dieser Situation, trat ihm aus einer Felsenspalte, die er vorher nicht bemerkt hatte, ein junger Knabe von etwa zehn, elf Jahren entgegen, der auf ihn einen merkwürdigen Eindruck machte; denn alsbald erkannte er in diesem Knaben sich selber in seinem zehn­ten, elften Jahre. Was ihm da erschienen war, es war der Geist seiner Jugend. - Und Sie erraten wohl, daß in dieser Szene eine der Anre­gungen war, die mich veranlaßt haben, in dem einen Mysteriendrama die Gestalt von Johannes' Jugend einzuführen. Das Motiv nur liegt da; Sie müssen nicht an Photographie denken. Die Mysterien sind auch kein okkulter Schlüsselroman.
 
Und er stand gegenüber dem Geiste seiner Knabenzeit, sich selber. Und er war auch da, mit seinen fünfundzwanzig bis achtundzwanzig Jahren war er da, neben dem Geiste seiner Jugend. Und ein Gespräch konnte stattfinden, das der Lehrer führte, das aber eigentlich stattfand zwischen dem Schüler und seinem eigenen jüngeren Selbst. Solch ein Ge­spräch verläuft - Sie können das aus dem Mysteriendrama, aus dem Stil, der dort beobachtet ist, ja ersehen -, solch ein Gespräch verläuft in einer recht eigenartigen Weise. Denn wenn man, was ja immer sein kann, dem Geiste seiner Jugend entgegentritt, dann gibt man etwas vom reifen Verstande den kindlichen Vorstellungen, die der Geist der Ju­gend hat, und der Geist der Jugend gibt etwas von seiner Frische, von seiner Kindlichkeit demjenigen, was man in älteren Jahren ist. Und gerade dadurch, daß solch ein Austausch stattfindet, wird ein solches Gespräch ganz besonders fruchtbar. Und dieses Gespräch, das führte dazu, daß der Schüler lernte, die Offenbarung, die religiöse Offen­barung zu verstehen.
 
Das Gespräch wurde vorzugsweise geführt über die Genesis, über den Anfang des Alten Testaments, und wurde geführt über die Menschwerdung
 
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Christi. Unter der Leitung des Lehrers und unter der beson­deren Art der Fruchtbarkeit, die in diesem Gespräche waltete, endete eben dieses Gespräch für den Schüler damit, daß er sagte: Jetzt ver­stehe ich, welcher Geist in der Offenbarung waltet. Nur dann, wenn man in die Lage kommt, fern von dem Irdischen, wie in Ätherhöhen versetzt zu sein, um die Ätherhöhen ideell zu ergreifen mit der in die spätere Lebenszeit heraufragenden Kindheitskraft, nur dann versteht man recht die Offenbarung. Und jetzt verstehe ich, daß die Götter den Menschen die Offenbarung gegeben haben, weil die Menschen in der Lage, in der sie auf der Erde sind, durch die Werke der Natur hindurch nicht die Werke der Götter erforschen können. Und so gaben sie ihnen die Offenbarung, die ja natürlich gar nicht zu verstehen ist gerade im reifen Lebensalter, die aber verstanden werden kann, wenn real lebendig wird Kindheit im reifen Lebensalter. Also eigentlich ist es etwas Abnormes, die Offenbarung zu verstehen. - Das machte einen gewaltigen Eindruck auf den Schüler. Der Eindruck blieb. Er blieb ihm unvergeßlich. Der Geist der Jugend verschwand wiederum. Die erste Phase der Unterweisung war das.
 
Es sollte eine zweite folgen. Die zweite, die verlief in der folgenden Art. Wiederum führte der Lehrer den Schüler einen Weg. Jetzt führte er ihn nicht einen Berg hinauf, sondern jetzt führte er ihn an einen Berg, zu dem der Lehrer den Eingang durch eine Höhle wußte, in tiefe innere Bergesklüfte, weit hinunter bis in Bergwerksschächte, so daß der Schüler mit dem Lehrer in der Erdentiefe war, jetzt nicht in Äther-höhen hoch oben über der Oberfläche der Erde, sondern in Erden-tiefen, wie versenkt gegenüber der Oberfläche der Erde.
 
Wiederum wurde es dem Bewußtsein des Schülers so, als ob ihm nach­ging alles dasjenige, was er auf der Erde jemals erlebt hatte, wie Träume. Denn er lebte unten in einer Umgebung, in der jetzt sein Bewußtsein besonders erwachte. Verwandt wurde er mit den Erdentiefen. Sehen Sie, es spielte sich da etwas ab, was dann zugrunde lag solchen Sagen wie etwa die von dem Leben des Kaisers Barbarossa im Kyffhäuser oder des Kaisers Karl des Großen im Untersberg bei Salzburg. So etwas spielte sich, wenn auch für kurze Zeit, wirklich ab, solch ein Leben in den Erdentiefen, fern von dem irdischen Leben des Menschen. Und
 
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wiederum konnte der Lehrer durch besondere Redeführung dieses Ver­bundensein mit den Erdentiefen ins Bewußtsein des Schülers hinein­bringen. Aus einer Wand kam jetzt dem Schüler ein Greis entgegen, der ihm allerdings weniger bekannt war als der Geist seiner eigenen Jugend, den er aber fühlte als den, der er sein wird nach Jahrzehnten. Er fühlte sich selber im zukünftigen Greisenalter. Und nun entspann sich ein ähnliches Gespräch zwischen dem Schüler und seinem eigenen älteren Selbst, seinem greisenhaften Selbst, wiederum unter der Füh­rung des Lehrers.
 
Und nun kam aus diesem Gespräch etwas ganz anderes hervor als aus dem ersten Gespräche, denn jetzt fing an, in dem Schüler ein Be­wußtsein aufzusteigen von seiner eigenen physischen Organisation. Er fühlte wie sein Blut in sich kreisen, jedes einzelne Blutteilchen, so war es ihm, fühlte er in sich kreisen, er begleitete die Blutäderchen, die Ner­venstränge, und die einzelnen Organe des menschlichen Organismus fühlte er in ihrer sinnvollen Bedeutung für den gesamten Organismus. Und er fühlte in sich dasjenige hereinwirken, was draußen im Kosmos ist und verwandt mit dem Menschen ist. Er fühlte in sich hereinwirken das Blühende in den Pflanzen, das Wurzelhafte in den Pflanzen, das Mineralische in dem Erdboden in seinen Wirkungen im menschlichen Organismus. Er fühlte da in den Erdentiefen die Kräfte der Erde sel­ber, in Organisation gebracht, in seinem eigenen Wesen zirkulierend, schaffen, sich umwandeln, Substanzen vernichten und gestalten. Er fühlte das Schaffen und Weben und Wesen der Erde in sich selber. Und das Ergebnis dieses Gespräches war, daß der Schüler, nachdem der alte Mann, der er selbst war, verschwunden war, sagen konnte: Jetzt hat wirklich die Erde, in der ich inkarniert bin, durch ihre Wesenhaftig­keit zu mir gesprochen, jetzt habe ich einen Moment gehabt, durch den ich hindurchgesehen habe durch die Naturdinge und Naturprozesse auf dasjenige, was Werk der Götter hinter diesen Erdendingen und hinter diesen Erdenprozessen ist.
 
Der Lehrer führte den Schüler wieder heraus, und ehe er ihn für diesmal verabschiedete, sagte er ihm: Sieh einmal, so wenig passen der heutige Mensch und die heutige Erde zusammen, daß du die Offen­barung der Religion empfangen mußt von dem Geiste deiner eigenen
 
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Jugend hoch auf dem Berge über der Erde, und daß du die Offen­barung der Natur empfangen mußt tief unter der Erde, in den Klüften der Erde unter ihrer Oberfläche. Und wenn es dir gelingt, mit dem Lichte, das deine Seele vom Berge geholt hat, zu beleuchten dasjenige, was deine Seele empfunden hat in der Erde Höhlenklüften, dann wirst du zur Weisheit gelangen.
 
Sehen Sie, in dieser Form wurde dazumal - um das Jahr 1200 war es, wovon ich spreche - die Vertiefung, die Weisheitserfüllung der Seele bewirkt. Dieser Schüler war dadurch ja tatsächlich in die Ein­weihung, in die Initiation hineingestellt, und er wußte nun, welche Kraft er anwenden müsse in der Seele, um regsam zu machen das Licht der Höhen und das Gefühl der Tiefen. Und einige weitere Anlei­tungen gab ihm der Lehrer, die im wesentlichen darinnen bestanden, daß er dem Schüler sagte: Selbsterkennen besteht eigentlich immer darin, daß man im eigenen Menscheninnern dasjenige auf der einen Seite wahrnimmt, was hoch über dem Erdenmenschen liegt, und das­jenige, was tief unter dem Erdenmenschen liegt. Die müssen sich im Menscheninnern begegnen. Dann findet der Mensch in seinem eigenen Innern die Kraft des schaffenden Gottes.
 
Von solchen Einweihungen, wie die ist, die ich Ihnen hier als eine charakteristisch-typische erzählt habe, ging das Bestreben aus, das man dann mittelalterliche Mystik nennen kann in der späteren Zeit, das hintendierte nach Selbsterkenntnis, aber um im eigenen Selbst den Weg zum Göttlichen zu finden. Es ist nur diese Mystik dann in der späteren Zeit abstrakter geworden. Jene konkrete Verbindung mit der Außen­welt, wie sie gegeben war für diese Schüler in dem Entrücktsein in Ätherhöhen und in Erdentiefen, die wurde nicht mehr gesucht. Daher wurde auch die innere Erschütterung, die ganze Intensität des inneren Erlebnisses nicht mehr erreicht. Aber gesucht wurde dennoch unter solchen Anregungen, unter solchen Impulsen im Innern. Im Innern wurde der Gott, das göttliche Schaffen gesucht. Und im Grunde ge­nommen ist alles das, was gesucht worden ist von dem Meister Eckhart, von Johannes Tauler und den späteren Mystikern, die ich dargestellt habe in meinem Buche «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens», impulsiert von solchen mittelalterlichen Eingeweihten.
 
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Aber diejenigen, die nun wahrhaftig im Sinne solcher mittelalterlichen Einweihungen gewirkt haben, die wurden vielfach verkannt. Und man gerät eigentlich nur sehr schwer an dasjenige heran, was diese Schüler der mittelalterlichen Eingeweihten in Wirklichkeit waren.
 
Man kann ja wirklich ziemlich weit kommen in der Verfolgung der Wege in die geistige Welt hinein. Und diejenigen, welche solche Dinge ganz energisch befolgen, wie sie in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» stehen, die finden schon den Weg in die geistigen Welten hinein. Alles, was in der Vergangenheit phy­sisch real war, ist ja natürlich heute nur durch die geistige Welt zu finden, also auch solche Szenen, wie ich sie eben geschildert habe, denn es gibt ja keine physischen Dokumente, die über solche Szenen berich­ten würden. Aber es gibt eben solche Gebiete, die schwer zugänglich sind auch für ein schon weit vorgeschrittenes geistiges Vermögen. Man muß wirklich, um diese Gebiete zu erforschen, dahin gekommen sein, mit den Wesenheiten der geistigen Welt in selbstverständlicher Weise Umgang zu haben wie mit Menschen. Dann ergibt sich aber auch der Zusammenhang zwischen diesen Eingeweihten, von denen ich Ihnen eben erzählt habe, und ihren Schülern, zum Beispiel einem solchen Schüler, der durch das, was historisch vermittelt ist, ja recht fragwürdig erscheint, Raimundus Lullus, der vom Jahre 1234 bis 1315 lebte.
 
Was Sie von Raimundus Lullus durch historische Dokumente kennen­lernen können, ist ja herzlich wenig. Aber was man von ihm kennen­lernen kann, wenn man - verzeihen Sie, daß ich den paradoxen Aus­druck gebrauche, aber Sie werden nach dem, was ich in den letzten Tagen und seit vierzehn Tagen hier dargestellt habe, den Ausdruck doch nicht mehr als paradox empfinden -, wenn man sozusagen ein persönliches Verhältnis gewinnt zu Raimundus Lullus, das führt dahin, daß er sich doch noch als etwas anderes darstellt, als das ist, was die historischen Dokumente aus ihm machen. Da stellt er sich in der folgen­den Weise dar. Er ist im eminentesten Sinne eine Persönlichkeit, die unter Anregung gerade desjenigen Eingeweihten, von dem ich hier als dem Schüler des anderen gesprochen habe, dazu kam, mit aller Kraft wiederum so etwas in seiner Zeit erneuern zu wollen, wie es im Altertum
 
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die Mysterien des Wortes, des Logos waren. Er wollte die My­sterien des Logos wieder erneuern. Und er wollte sie wieder erneuern durch die Selbsterkenntnis, von der ich Ihnen ja gesagt habe, daß sie in einer so mächtigen Weise angeregt worden ist im zwölften, im drei-zehnten Jahrhundert. Und von diesem Gesichtspunkte aus ist die so­genannte Ars magna des Raimundus Lullus zu beurteilen. Er sagte sich:
 
Wenn der Mensch spricht, so ist im Sprechen eigentlich auch ein Mikro-kosmos gegeben. Dasjenige, was der Mensch spricht, ist eigentlich der ganze Mensch, konzentriert auf die Sprachorgane. Aber das Geheimnis jedes Wortes liegt im ganzen Menschen, und wiederum, weil es im ganzen Menschen liegt, liegt es eigentlich in der Welt.
 
Und so kam er darauf, daß man eigentlich das Geheimnis der Sprache erst im Menschen suchen müsse, indem man tief untertaucht von den bloßen Sprachorganen zu der Gesamtorganisation des Menschen, und dann im Kosmos, indem man wiederum die Gesamtorganisation des Menschen aus dem Kosmos heraus begreift. Zum Beispiel, sagen wir, jemand wolle den Laut A in seiner wirklichen Bedeutung begreifen. Da handelt es sich darum, daß der Laut A, der im geformten Anhauch zum Vorschein kommt, auf einer gewissen inneren Attitüde des Äther-leibes beruht, auf einer Attitüde des Ätherleibes, die Sie heute kennen­lernen können. Durch die Eurythmie sehen wir, auf welcher Attitüde des Ätherleibes der Laut A beruht, denn diese Attitüde wird auf den physischen Leib übertragen und gilt dann als die eurythmische Geste für den A-Laut.
 
Ganz klar wurde das dem Raimundus Lullus nicht, sondern alles blieb bei ihm Ahnung. Aber seine Ahnung kam so weit, daß er nun die innere Attitüde, die innere Geste des Menschen gewissermaßen hinaus-verfolgte in den Kosmos, zum Beispiel daß er sagte: Richtest du die Blickrichtung nach dem Löwen, nach dem Sternbilde des Löwen, und richtest du die Blickrichtung nach der Waage, dann gibt dir der Zu­sammenhang der beiden Blickrichtungen das A. Richtest du den Blick nach dem Saturn, so hält der Saturn deine Blickrichtung auf. Und wenn der Saturn zum Beispiel vor dem Widder steht, so mußt du mit dem Saturn dich um den Widder herumdrehen. Das gibt dir aus dem Kos­mos heraus die Empfindung des O.
 
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<nowiki>#</nowiki>Bild s. 187a
 
Und aus solchen Ahnungen heraus fand Raimundus Lullus gewisse Figuren, an deren Ecken und Seiten er die Buchstaben schrieb. Und nun war er sich klar darüber: Wenn man aus seinen Empfindungen heraus Linien zieht in den Figuren, durch Diagonalen oder dergleichen meinet­willen in einem Fünfeck a b c d e irgendwie verbindet - das ist nur schematisch -, darin muß man Lautverbindungen sehen, und diese Laut­verbindungen sprechen gewisse Geheimnisse des Weltenalls, des Kos­mos aus.
 
<nowiki>#</nowiki>Bild s. 187b
 
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Also Raimundus Lullus suchte eine Art Renaissance der Geheimnisse des Logos, wie sie üblich waren in den alten Mysterien. Diese Sache wird ja entstellt dargestellt in den historischen Dokumenten. Aber wenn man eben nach und nach sozusagen in ein persönliches Verhältnis zu Raimundus Lullus kommt, so kommt man darauf, daß Raimundus Lullus versuchte, durch solche Bestrebungen das Weltenwort wiederum zu enträtseln. Und in diesen Bestrebungen lebten eigentlich die Schüler der mittelalterlichen Eingeweihten noch einige Jahrhunderte fort. Es war ein ganz intensives Bemühen, erst in den Menschen unterzutau­chen, und dann durch das Untertauchen in den Menschen hinauszu­kommen über den Menschen in die Geheimnisse des Kosmos hinein.
 
In dieser Weise versuchten diese - man darf sie Weise nennen -, diese Weisen, zu verbinden die Offenbarung mit der Natur. Und sie glaubten, auf diese Weise - und vieles von ihrem Glauben war ja tief begründet -, sie glaubten, auf diese Weise hinter die Offenbarung des Religiösen und hinter die Offenbarung der Natur zu kommen. Denn sie waren sich klar darüber, daß eben der Mensch, so wie er nun einmal in ihrer Zeit auf der Erde lebte, eigentlich bestimmt war, die vierte Hierarchie zu werden, daß er aber einen Fall getan habe, durch den er unter sein eigentliches Wesen heruntergekommen ist und tiefer drinnen steckt in dem physischen Dasein, als er eigentlich sollte, daß er aber dennoch wiederum durch dieses tiefe Drinnenstecken nicht die Kraft hat, sein Geistig-Seelisches entsprechend spirituell auszubilden. Und aus solchen Bestrebungen heraus entstand ja dann das Rosenkreuzer­Bestreben.
 
An einer Lehrstätte der Rosenkreuzer, der ersten ursprünglichen Rosenkreuzer, war es, daß einmal gerade die Szenen, die ich Ihnen heute schilderte, die Szene hoch oben auf dem Berge zwischen dem Lehrer und dem Schüler, und unten tief in den Erdenklüften, daß diese Szenen wie in einer Art Fata Morgana auftauchten, man möchte sagen, wie als Gespenst wiederkamen, sich spiegelten als Wissen innerhalb einer Rosenkreuzer-Lehrstätte. Und daraus erkannte man, daß der Mensch durch innerliches Streben zweierlei erreichen müsse, um zur wirklichen Selbsterkenntnis zu kommen, um wiederum seine Anpas­sung an die Erde zu finden, um dahin zu gelangen, wirklich ein Angehöriger


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Zu den Vorträgen: Die Vorträge über «Die Weltgeschichte in anthroposophischer
Beleuchtung» wurden jeweils am Abend während der «Weihnachtstagung zur
Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft» gehalten. Die mit
der Begründung verbundenen Vorträge, Ansprachen, die Statutenberatung und
Grundsteinlegung sind veröffentlicht in GA 260.


der vierten Hierarchie zu werden. Denn aus alledem, was nun innerhalb der Rosenkreuzer-Schule möglich war, erkannte man, was mit dem Schüler, als er den Geist seiner eigenen Jugend leibhaftig vor sich gesehen hat, vorgegangen war. Mit dem war vorgegangen eine Loslösung des astralischen Leibes, die stärker ist, als sie sonst irgendwie im menschlichen Leben ist. Und in dieser Loslösung des astralischen Leibes hat er den Sinn der Offenbarung erkannt. Und wiederum wurde in dieser Rosenkreuzer-Schule klar, was vorgegangen war mit dem Schüler in den Tiefen der Erde. Da war der astralische Leib ganz in das Innere zurückgezogen. Da war er völlig zusammen­gezogen, so daß der Schüler die Gewißheit des eigenen Menscheninnern wahrnahm. Und jetzt wurden innerhalb der Rosenkreuzerei Exer­zitien, Übungen gefunden, die verhältnismäßig einfach waren, die in synibolischen Figuren bestanden, denen man das Gemüt hingab, über die man meditierte. Und durch die Kraft, die in den menschlichen Seelenbesitz kam durch die Hingabe an solche Figuren, erreichte man, daß man auf der einen Seite den astralischen Leib loslöste und wurde wie der Schüler auf Bergeshöhe, in Ätherhöhen, daß man auf der an­dern Seite, indem sich der astralische Leib zusammenkrampfte, zu­sammenzog, wurde wie der Schüler in Erdenklüften. Und dann konnte man, indem man nicht die äußere Umgebung hatte, sondern eine starke innere Übung machte, in das menschliche Innere kommen.
Textunterlagen: Die Vorträge wurden von der Berufsstenographin Helene Finckh
mitstenographiert, deren erste Übertragung in maschinenschriftlichen Klartext den
bisherigen Ausgaben zugrunde lag. Für die 4. Auflage von 1980 wurde ein neuer
Vergleich mit dem Originalstenogramm durchgeführt, der verschiedene Korrek-
turen nötig machte. Wesentliche Änderungen werden am Schluß der Hinweise
angeführt. Im übrigen basiert auch diese Auflage auf der Erstausgabe von Marie
Steiner. Die Herausgabe der 2. und 3. Auflage besorgte Johann Waeger. Textdurch-
sicht für die 5. Auflage 1991: U. Trapp.


Sehen Sie, ich schildere Ihnen damit etwas, was ich nur ganz leise angedeutet habe in dem neuen Vorwort zu der letzten Auflage meiner «Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens». Da habe ich ja gesagt, daß dasjenige, was aufgetreten ist bei Meister Eckliart, Jo­hannes Tauler, bei Nikolaus Cusanus, dem Kardinal, bei Valentin Wei­gel und den anderen, Spätprodukt war eines kolossalen ursprünglichen Menschheitsstrebens, das vorangegangen ist. Und dieses ursprüngliche Menschheitsstreben, das dem Streben des Meister Eckhart, dem Streben des Johannes Tauler vorangegangen ist, dieses konkrete Streben im Geiste, dieses Suchen nach Selbsterkenntnis beim Menschen im Zusam­menhange mit Offenbarung und Naturerleuchtung, dieses wollte ich Ihnen heute schildern als eine der Strömungen, die da liefen im soge­nannten finsteren Mittelalter, wo es aber wirklich in der Finsternis,
Der Titel des Bandes entspricht dem Titel des Vortragszyklus' und stammt von
Rudolf Steiner.


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Die Zeichnungen im Text wurden für die erste Ausgabe von Assja Turgenieff
nach den Tafelzeichnungen Rudolf Steiners in die von ihr entwickelte Strichtechnik
übertragen. Für die 4. Auflage wurden die Zeichnungen auf den Seiten 24, 69, 84,
95, 100, 109 und 113 von Leonore Uhlig neu ausgeführt.


die der moderne Mensch heute hineinphantasiert, recht erleuchtete Geister gab, so erleuchtete Geister, daß die heute erleuchtetsten Geister das Licht dieser Erleuchteten eben nicht verstehen und daher finster bleiben. Aber das ist ja überhaupt vielfach das Charakteristikum der heutigen Zeit, daß man das Licht finster und die Finsternis hell findet.
Zu den Tafelzeichnungen: Die Original-Wandtafelzeichnungen und -anschriften
Rudolf Steiners bei diesen Vorträgen sind erhalten geblieben, da die Tafeln damals
mit schwarzem Papier bespannt wurden. Sie werden als Ergänzung zu den Vor-
trägen in einem separaten Band der Reihe «Rudolf Steiner, Wandtafelzeichnungen
zum Vortragswerk» verkleinert wiedergegeben. Die in den früheren Auflagen in
den Text eingefügten zeichnerischen Übertragungen sind auch für diese Auflage
beibehalten worden. Auf die entsprechenden Originaltafeln wird jeweils an den
betreffenden Textstellen durch Randvermerke aufmerksam gemacht.


Aber ein merkwürdiger, gewaltiger Eindruck bleibt zurück, wenn man in die Hintergründe desjenigen schaut, was in der Literatur wie in einem Abglanze dieser Zeit gelebt hat. Einiges von dem wollte ich Ihnen heute schildern; einiges von dem, was dann das Bild ergänzen, zu einem Ganzen abrunden wird, werde ich Ihnen morgen schildern.  
Veröffentlichungen in Zeitschriften: Nachrichtenblatt 1926, 3. Jahrg. Nrn.
44-52; 4. Jahrg. 1927 Nrn. 1-14.


= DRITTER VORTRAG Dornach, 6. Januar 1924 =
Hinweise zum Text
<nowiki>#</nowiki>G233-1962-SE191 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung


<nowiki>#</nowiki>TI
Werke Rudolf Steiners innerhalb der Gesamtausgabe (GA) werden in den Hinweisen mit
 
Bibliographie-Nummer angegeben. Siehe auch die Übersicht am Schluß des Bandes.
DRITTER VORTRAG
 
Dornach, 6. Januar 1924
 
<nowiki>#</nowiki>TX
 
Ich sprach Ihnen gestern von der besonderen Form, die die Mitteilung geisteswissenschaftlicher Ergebnisse in dem Mittelalter angenommen hat. Und diese Form, sie war im Grunde genommen ein Letztes, das sich abspielte, bevor für die menschliche Geistesentwickelung ein Tor geschlossen worden ist, das ja durch Jahrhunderte geöffnet war: das Tor eines gewissen, durch natürliche Begabung kommenden Eintrittes in die geistige Welt. Dieses Tor ist ja geschlossen worden zu der Zeit, in der die Menschen gewissermaßen mit ihren unwillkürlichen Fähig­keiten herausgestellt werden sollten aus dem Bereiche des sie beherr­schenden göttlich-geistigen Willens und in ihrem Innersten, in dem eigenen Willen finden sollten die Möglichkeit, Freiheit in der Seele zu entwickeln, bewußte Freiheit. Alle Entwickelungsbewegungen geschehen aber langsam und allmählich, nach und nach. Und so ist es denn auch gekommen, daß dasjenige, was zwar nicht mehr in der Form der alten Mysterien, aber in der Form des Hinaufführens in Ätherhöhen, des Hinunterführens in Erdenklüfte unmittelbar im Zusammenhange mit dem menschlichen Erleben der Natur, wenn auch nicht auf der Erd­oberfläche selber, erreicht werden konnte, nun in der Folgezeit in einer mehr unbewußten Form an die Menschen herangetreten ist. Denken Sie sich nur einmal, wie es jenen Persönlichkeiten gegangen ist, die nach Erkenntnis gestrebt haben, die ja natürlich Nachricht gehabt haben davon, daß Schüler noch solche Lehrer wie den, von dem ich gestern gesprochen habe, vor kurzer Zeit hatten finden können, denken Sie nur, wie es diesen Persönlichkeiten nach dem Jahre 1200 und dem folgenden, dem dreizehnten Jahrhundert ergangen ist, wo sie nunmehr eigentlich darauf angewiesen waren, Erkenntnis nur mehr durch das menschliche Denken zu finden.
 
Wir sehen ja dann in der Folgezeit des Mittelalters mehr in größe­rem Kreise dieses menschliche Denken in einer wirklich imponierenden Weise ausgebildet. Wir sehen dieses menschliche Denken Wege neh­men, die aus innerstem Eifer, aus einer wirklichen Hingabe der ganzen
 
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Seele der Menschen gegangen worden sind. Das waren so mehr die Wege der größeren Kreise von erkenntnissuchenden Menschen. Aber das eigentlich Geisteswissenschaftliche setzte sich doch auch fort. Und wir kommen dann, indem wir wenige Jahrhunderte weitergehen, in die Zeit hinein, in der das eigentliche Rosenkreuzertum begründet worden ist. Aber dieses Rosenkreuzertum hängt eben mit einer Um-änderung in der ganzen geistigen Welt in bezug auf den Menschen zu­sammen. Und ich werde Ihnen diese Umänderung wiederum am besten schildern, wenn ich auch hier Ihnen ein Bild gebe.
 
Mysterien im alten Sinne des Wortes waren nicht mehr möglich seit jenem Zeitpunkte, von dem ich Ihnen gesprochen habe; aber Men­schen, die nach Erkenntnis lechzten im Sinne dieser alten Mysterien und die schwere Seelenkämpfe erlebten, wenn sie hörten von der Füh­rung auf den Berg, von der Führung in Erdenklüfte, diese Menschen, sie entwickelten in ihren Seelen alle möglichen inneren Methoden, An­strengungen, um die Seele aufzurufen, nun dennoch den Weg zu finden. Und derjenige, der solche Sachen sehen kann, sieht hinein, wie gesagt, nicht in Mysterienstätten, aber in von einer Atmosphäre von Frömmig­keit durchwärmte Versammlungsstätten von Erkenntnis suchenden Menschen. Und eigentlich ist dasjenige, was dann später sowohl die gute Rosenkreuzerei war, wie auch die entartete, die charlatanhafte, aus­gegangen von solchen Menschen, die im Zusammensein, in anspruchs­losem Zusammensein versuchten, ihre Seelen so zu arten, daß nun wirklich geistige Erkenntnisse noch hätten zustande kommen können. Und bei einer solchen Versammlung, die wirklich in recht anspruchs­loser Umgebung, in dem einfachen Wohnraum eines schloßartigen Hauses stattgefunden hat, in einer solchen Versammlung von wenigen Menschen begab es sich einmal, daß diese Menschen durch gemeinsame Exerzitien, die halb denkerisch-meditativ, halb gebetartig waren, in Gemeinsamkeit eine Art mystischer Stimmung entwickelten, jene mystische Stimmung, die dann viel gepflegt worden ist von den so­genannten «Brüdern des gemeinsamen Lebens», gepflegt worden ist später von den Anhängern des Comenius und vielen anderen Bruder­schaften, die sich aber ganz besonders intensiv einmal in einem solchen kleineren Kreise ausgeprägt hat. Und während mit einer wirklichen
 
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Hingabe des gewöhnlichen Bewußtseins, mit einer Hingabe des ganzen Intellektes in intensiv mystischer Stimmung diese wenigen Menschen beisammen waren, geschah es, daß zu ihnen ein Wesen trat, aber jetzt ein Wesen, das nicht Fleisch und Blut hatte wie jener Lehrer, dem der Schüler begegnete zu der Führung nach dem Berge, nach den Erden-klüften, sondern ein Wesen, das eigentlich nur im ätherischen Leibe in dieser kleinen Gemeinschaft erscheinen konnte. Und dieses Wesen ent­hüllte sich als dasselbe, das jenen Schüler um das Jahr 1200 geführt hatte. Aber es war im Post mortem-Zustande. Es war aus der geistigen Welt zu diesen Menschen herniedergestiegen, die es angezogen hatten durch ihre fromm-mystisch, meditativ-denkerische Stimmung.
 
Damit ja kein Mißverständnis entsteht, betone ich ausdrücklich:
 
Irgendwelche medialen Kräfte waren dabei nicht im Spiele, denn gerade jene kleine Gemeinschaft, die da versammelt war, hätte aus gewissen Voraussetzungen, die altehrwürdiger Tradition angehörten, jede Ver­wendung medialer Kräfte, auch jeden Anklang an mediale Kräfte als etwas tief Sündhaftes betrachtet. Gerade in jenen Gesellschaften, von denen ich da spreche, wurde Mediumschaft und alles, was damit ver­wandt war, nicht nur als etwas Schädliches angesehen, sondern als etwas tief, tief Sündhaftes, aus dem Grunde sündhaft, weil ja gewußt wurde von jenen Menschen, daß Mediumschaft zusammenhängt mit einer besonderen Konstitution auch des physischen Leibes, daß dem Medium der physische Leib seine Kräfte, seine geistigen Kräfte gibt. Der physische Leib wurde aber von jenen Menschen als der Sünde ver­fallen betrachtet, und man hätte unter allen Umständen Kundgebun­gen mit Hilfe von medialen Kräften als ahrimanische oder luziferische Kräfte angesehen. Diese Dinge wurden in jener Zeit eben noch genau gewußt, und so war nichts irgendwie Mediumhaftes verwendet wor­den. Dagegen war es rein die mystisch-meditative Stimmung und jene Verstärkung der mystisch-meditativen Stimmung, die durch die Gemeinsamkeit der Seelen erzeugt wird, welche hereinzauberte durch die eigene Willkür jenen entkörperten Menschen, jenes rein geistige, aber menschliche Wesen in diesen Kreis.
 
Und dieses Wesen sagte in einer sehr feierlichen Art: Ihr seid ja gerade auf mein Erscheinen nicht vorbereitet, aber ich bin unter euch
 
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entkörpert, ohne physischen. Leib, weil die Zeit gekommen ist, in der Eingeweihte der alten Art eine kurze Periode des Erdendaseins im physischen Leibe nicht erscheinen können. Diese Zeit wird wieder kom­men, wenn die Michael-Periode anbrechen wird. Ich bin zu euch ge­kommen, um euch zu offenbaren, daß das Menscheninnere umverwan­delt geblieben ist, daß das Menscheninnere, wenn es sich in der richtigen Weise verhält, den Weg zum göttlich-geistigen Dasein finden kann. Aber es wird eine Zeitlang der menschliche Verstand so beschaffen sein, daß er unterdrückt werden muß, damit Geistiges zur Menschen-seele wird sprechen können. Darum bleibet in eurer mystisch-frommen Stimmung. Ich konnte euch, indem ihr von mir das gemeinsame Bild, die gemeinsame Imagination empfanget, auf dasjenige, was sich mit euch vollziehen wird, nur hinweisen, aber ihr werdet die Fortsetzung desjenigen, was ihr erlebt habt, weiter erfahren.
 
Und siehe da, drei aus dem Kreise, der da versammelt war, waren wirklich dazu ausersehen, nunmehr eine besondere Verbindung mit der geistigen Welt herzustellen, wiederum niemals durch irgendwelche medialen Kräfte, sondern durch Fortführung jener mystisch-meditativ frommen Stimmung. Und bei diesen dreien, die dann besonders behütet wurden von den andern dieses Kreises, wirklich innig gepflegt wurden, bei diesen dreien stellte sich heraus, daß sie von Zeit zu Zeit eine Art Geistesabwesenheit erlebten. Sie wurden in bezug auf ihre äußerliche Körperlichkeit wunderschön, erlangten etwas wie ein glänzendes Ant­litz, sonnenleuchtende Augen, und während dieser Zeit schrieben sie symbolische Offenbarungen, die sie aus der geistigen Welt heraus er­hielten, auf. Diese symbolischen Offenbarungen waren die ersten Bil­der, in denen den Rosenkreuzern geoffenbart worden ist, was sie wissen sollten über die geistige Welt. In diesen symbolischen Offenbarungen war enthalten eine Art Philosophie, eine Art Theologie, eine Art Medizin.
 
Und dieses Merkwürdige stellte sich heraus: Die anderen - es scheint mir, als ob die anderen viere gewesen wären, so daß das Ganze eine Gemeinschaft von sieben gewesen war -, die anderen, sie konnten durch dasjenige, was sie erlebt hatten an den sonnenglänzenden Augen, an dem strahlenden Antlitz ihrer drei Brüder, in der gewöhnlichen Sprache
 
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dasjenige wiedergeben, was in den Symbolen lag. Die zum Herausholen der Symbole aus der geistigen Welt bestimmten Brüder, sie konnten nur diese Symbole hinschreiben und sie konnten nur sagen, als sie wie­derum in ihren gewöhnlichen Bewußtseinszustand zurückkehrten: Wir sind gewandelt unter Sternen und Sternengeistern und haben da die alten Lehrer des Geheimwissens gefunden. - Sie konnten selbst nicht in gewöhnliche Menschensprache diese symbolischen Bilder umsetzen, die sie aufzeichneten. Die anderen konnten es und taten es. Und vieles von dem, was dann übergegangen ist zum Teil in die philosophisch-theologische, nicht in die kirchlich-theologische, sondern in die profan­theologische und in die medizinische Literatur, ist ursprünglich diesem eben gekennzeichneten Quell entsprossen. Und in kleineren Kreisen, die durch die ersten Rosenkreuzer organisiert worden sind, ist dann dasjenige verbreitet worden, was an solchen Symbolen aus der gei­stigen Welt erhalten worden ist.
 
Und immer wieder und wiederum kamen Möglichkeiten, in klein­sten Kreisen solches zu erleben zwischen dem dreizehnten und fünf­zehnten Jahrhundert. Es ist viel aus der geistigen Welt auf eine solche oder ähnliche Art zwischen dem dreizehnten und fünfzehnten Jahr­hundert den Menschen geoffenbart worden. Nicht immer waren die­jenigen, die dann das in Bildern Geoffenbarte übersetzen sollten, in der Lage, es wirklich treu wiederzugeben. Daher hat manches, was Sie ja heute noch aus der Philosophie dieser Zeit überliefert finden können, einen in sich nicht ganz klaren Charakter, und man muß dann das, was es eigentlich bedeutet, selbst wiederum aus der Welt des Geistes heraus suchen. Aber immerhin war die Möglichkeit vorhanden bei denjenigen, die um diese Art der Offenbarung von seiten der geistigen Welt wuß­ten, anzuknüpfen an solche Offenbarungen.
 
Aber Sie müssen sich ja denken, wie sonderbar allmählich die Stim­mung der Menschen werden mußte, die diese höchsten Erkenntnisse -denn als solche wurde dasjenige, was ihnen gegeben wurde, anerkannt -, die solche höchsten Erkenntnisse von einer Seite her bekommen mußten, die ihnen eigentlich allmählich unheimlich wurde, weil sie ja nicht hin­einschauten in die Welt, aus der ihnen diese Geheimnisse kamen, weil das gewöhnliche Bewußtsein nicht hineinreichte. Daher war es auch so
 
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naheliegend, daß solche Dinge sehr leicht zum Charlatanhaften, ja zum Schwindelhaften führen mußten. Und in keiner Zeit der menschlichen Entwickelung ist eigentlich Charlatanhaftes und Höchstes in der Offen­barung so nahe beieinander gewesen wie in dieser Zeit. Und schwierig ist für diese Zeit, das Echte von dem Falschen zu unterscheiden, daher auch von vielen die ganze Rosenkreuzerei als eine Charlatanerie an­gesehen wird. Man kann es begreifen, daß es so geschieht, denn die wahren Rosenkreuzer sind unter den Charlatanen außerordentlich schwer zu finden, und die ganze Sache wird dadurch besonders frag­würdig, daß man eben immer die Voraussetzung machen mußte, die geistige Offenbarung stamme aus Quellen heraus, die zunächst ihrer eigentlichen Beschaffenheit nach eben verborgen blieben.
 
Und es war so, daß diejenigen, die allmählich sozusagen gesammelt wurden von den ersten Rosenkreuzern zu einer größeren Brüderschaft, immer eigentlich als Unbekannte in der Weise auftraten, daß sie in der Welt da und dort erschienen, zumeist in der damaligen Zeit im Arzt­beruf, Kranke heilten, und bei dieser Gelegenheit, indem sie den Arzt­beruf ausübten, zu gleicher Zeit Erkenntnisse verbreiteten. Es war schon so, daß vieles, vieles an Erkenntnissen damals verbreitet worden ist, von dem man sagen muß: Es hat die Verbreitung einen etwas peinlichen Charakter, weil ja die Menschen, die diese Verbreitung be­trieben, gar nicht sagen konnten, wie der Zusammenhang mit der gei­stigen Welt ist, in dem sie standen.
 
Aber es bildete sich ein anderes aus innerhalb dieses Betriebes gei­stiger Forschung, geistiger Erkenntnis. Es ist ja etwas ungeheuer Schönes, wenn man so sieht: Da sind drei Brüder und vier andere, drei Brüder, die eigentlich in dem, was sie der Welt bieten können, nur ein Zweck-volles erreichen können, wenn die andern viere mit ihnen zusammen­arbeiten. Sie sind unbedingt aufeinander angewiesen. Die dreie be­kommen ihre Offenbarungen aus der geistigen Welt, die viere können es in die gewöhnliche Menschensprache übersetzen. Das, was die dreie geben, wären ganz unverständliche Bilder, wenn die vier anderen sie nicht übersetzen könnten. Und wiederum, die vier anderen würden gar nichts haben zum Übersetzen, wenn die dreie nicht ihre Offen­barungen in Bildform aus der geistigen Welt empfingen.
 
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Dadurch bildete sich innerhalb solcher Gemeinschaften dasjenige aus, was gerade in diesen Jahrhunderten in gewissen Kreisen als etwas an­gesehen wurde, das ein Höchstmenschliches ist: innerliche seelische Bru­derschaft, Bruderschaft in der Erkenntnis, Bruderschaft im geistigen Leben. Solche kleinen Kreise lernten gerade durch ihr Streben den realen Wert der Bruderschaft kennen. Und sie empfanden allmählich immer mehr und mehr, daß die Entwickelung der Menschheit zu der Freiheit hin so ist, daß das Band zwischen den Menschen und den Göttern ganz zerreißen würde, wenn es nicht aufrechterhalten würde durch solche Bruderschaft, wo wirklich einer auf den andern angewiesen ist.
 
Was man da zu schildern hat, ist etwas seelisch außerordentlich Schönes. Und über manchem, was damals geschrieben worden ist, liegt ein Zauber, der erst verständlich wird, wenn man weiß, daß diese Atmosphäre von Menschenbruderschaft, die in dieser Zeit durch das geistige Leben vieler Kreise Europas ging, in dieses Schrifttum herrlich hineingeleuchtet hat. Aber das Ganze war eben - und immer mehr und mehr zeigte sich das - bei denjenigen, die so nach Erkenntnis strebten, in eine Stimmung getaucht, die die Leute ängstlich machte. Weil man nicht an die Quellen der geistigen Offenbarung herankam, so konnte man zuletzt gar nicht mehr wissen, ob diese Offenbarungen guter Art oder böser Art sind. Und eine gewisse Ängstlichkeit vor gewissen Ein­flüssen machte sich neben allem Guten in diesen Strömungen in dieser Zeit ganz besonders geltend. Diese Ängstlichkeit ging dann ja auf große Kreise des Volkes über, die Furcht hatten, starke Furcht hatten vor aller Erkenntnis.
 
Man kann diese Stimmung besonders gut studieren bei zwei Men­schen. Der eine ist der im fünfzehnten Jahrhundert lebende, etwa 1430 geborene Raimund von Sabunda. Raimund von Sabunda ist ein merk­würdiger Mensch. Wenn man sich in dasjenige, was er gedacht hat, was er hinterlassen hat, vertieft, so hat man das Gefühl: Es ist fast dieselbe Offenbarung, die jener Berg- und Erdenklüftelehrer seinem Schüler um das Jahr 1200 übermacht hat, in vollern Bewußtsein übermacht hat. - Und doch wiederum, das Ganze ist in unbestimmtere und un-persönlichere Redensarten getaucht - philosophischer, theologischer, medizinischer Art - bei Raimund von Sabunda im fünfzehnten Jahrhundert.
 
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Das aber rührt davon her, daß Raimund von Sabunda eben auch seine Offenbarungen empfangen hatte auf dem Umweg durch die wahre Rosenkreuzerei, also auf jenem Wege, der dadurch eröffnet war, daß der große Eingeweihte vom zwölften Jahrhundert, dessen Wir­kungen ich Ihnen geschildert habe, weiter inspirierend wirkte für all das, was ich heute gekennzeichnet habe, aus der geistigen Welt her. Denn im Grunde genommen ging von ihm und denjenigen, die mit ihm in der geistigen Welt waren, all jene Offenbarung aus, die dann durch die Rosenkreuzerei so zog, wie ich es für die Rosenkreuzerei öfters be­schrieben habe. Die Stimmung gab er. Aber Ängstlichkeit bemächtigte sich doch nun solcher Geister. Raimund von Sabunda war ein mutiger, ein kühner Geist, einer von jenen Menschen, die Ideen zu würdigen vermögen, die in Ideen zu leben verstehen. Daher merkt man bei ihm zwar etwas von dem Unbestimmten, das davon herrührt, daß ja die Offenbarungen eben aus der geistigen Welt heraus sind, aber man merkt nichts bei ihm von irgendeiner Ängstlichkeit, von einer Erkennt-ni--Ängstlichkeit. Um so mehr tritt einem dasjenige, was aus jener Geistesströmung in dieser Art hervorging, besonders charakteristisch entgegen bei einem anderen Geist, bei Pico de Mirandola im fünfzehn­ten Jahrhundert.
 
Der frühverstorbene Pico de Mirandola ist ein sehr merkwürdiger Geist. Vertieft man sich in dasjenige, was er erdacht und ersonnen hat, so sieht man in seinem Denken, in seinem Sinnen überall dieselbe Ini­tiative wirksam, die ich eben charakterisiert habe: die Fortsetzung der Weisheit jenes alten Eingeweihten auf dem Umwege durch die Rosen-kreuzerströmung. Aber man sieht wie eine Art Zurückweichen bei Pico de Mirandola, ein Zurückweichen vor dieser Erkenntnis. Er versichert zum Beispiel: Alles, was auf Erden geschieht, daß auf Erden Steine entstehen, daß auf Erden Pflanzen leben, wachsen, Früchte tragen, daß auf Erden Tiere leben, das alles rührt nicht von den Kräften der Erde her. - Wenn jemand glauben würde, da sei die Erde, und die Kräfte der Erde bewirken dasjenige, was auf der Erde ist, so habe er eine fal­sche Anschauung. Die richtige Anschauung nach Pico de Mirandola ist, daß es die Sterne sind, und dasjenige, was auf der Erde geschieht, das ist alles abhängig von den Sternen. Das kleinste, was auf Erden geschieht,
 
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ist nach Pico de Mirandola abhängig von den Sternen. Man muß zum Himmel hinaufschauen, wenn man begreifen will, was auf der Erde geschieht. Und es ist schon im Sinne von Pico de Mirandola geredet, wenn man sagt: Du gibst mir die Hand, mein Menschenbruder, aber es ist nicht nur dein Gefühl die Ursache davon, daß du die Hand gibst, sondern es ist der Stern, der über dir steht, der dir den Impuls gibt, mir die Hand zu geben. - Zuletzt ist alles bewirkt von demjeni­gen, was im Himmlischen, im Kosmischen begründet ist, und der Ab­glanz davon allein geschieht auf Erden.
 
Als bestimmte Überzeugung spricht das Pico de Mirandola aus, und zugleich sagt er: Aber die Menschen sind verpflichtet, nicht auf diese Sternenursachen zu sehen, sondern allein die nächste Ursache auf Erden zu berücksichtigen. - Von diesem Gesichtspunkte aus bekämpft Pico de Mirandola - das ist außerordentlich charakteristisch - die ihm über­kommene Astrologie. Er weiß, daß die alte, wirkliche, echte Astrologie in den Schicksalen der Menschen sich ausspricht. Das weiß er, das hält er für eine Wahrheit. Allein er sagt, man solle nicht Astrologie treiben, man solle nur die nächsten Ursachen suchen.
 
Merken Sie, was da eigentlich vorliegt? Da liegt zum erstenmal in einer ganz eigentümlichen Art die Idee von den Grenzen der Erkennt­nis vor, aber, ich möchte sagen, in der Form, in der sie ganz menschlich ist. Wenn Sie später bei Kant, bei du Bois-Reymond nachschauen, da wird Ihnen gesagt: Der Mensch kann nicht die Grenzen der Erkennt­nis überschreiten, es beruhe auf einer inneren Notwendigkeit. - Das ist bei Pico de Mirandola im fünfzehnten Jahrhundert nicht der Fall, sondern der sagt: Ja, dasjenige, war hier auf der Erde ist, ist von kos­mischen Ursachen bewirkt, aber der Mensch soll verzichten, diese kos­mischen Ursachen zu erkennen. Der Mensch soll sich auf die Erde be-schränken. - Und so tritt uns im funfzehnten Jahrhundert der frei­willige Verzicht auf die höchste Erkenntnis bei einer so charakteristi­schen Persönlichkeit wie Pico de Mirandola entgegen. Das ist eine kul-turhistorische Geistestatsache von der denkbar weittragendsten Be­deutung. Dazumal vollzog es sich eben, daß Menschen sich gesagt haben: Wir wollen verzichten auf Erkenntnis. - Und in der Tat, das­jenige, was sich in 501ch einer Persönlichkeit, wie Pico de Mirandola
 
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ist, äußerlich abspielt, das hat wieder sein Gegenbild im Spiri­tuellen.
 
Wiederum war es in einer jener anspruchsiosen Versammlungswoh­nungen der Rosenkreuzer, wo bei einer Kultushandlung, die eigens zu diesem Zwecke angestellt worden ist, in allerfeierlichster Form im fünf­zehnten Jahrhunderte, in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahr­hunderts das Opfer dargebracht worden ist der Sternenerkenntnis. Und man möchte sagen: Dasjenige, was sich bei jener einmal vollzoge­nen, in besonderer Feierlichkeit vollzogenen Kultushandlung zugetra­gen hat, das ist dieses. Menschen standen vor einer Art von Altar und sagten: Wir wollen uns jetzt verantwortlich fühlen nicht allein für uns und unsere Gemeinschaft oder unser Volk oder die Menschen der Gegenwart, wir wollen uns verantwortlich fühlen für alle Menschen, die jemals auf Erden gelebt haben. Wir wollen uns als angehörig der ganzen Menschheit fühlen. Und wir fühlen, daß die Menschheit etwas durchgemacht hat, was ein Verlassen des Ranges der vierten Hier­archie ist, ein zu tiefes Hinuntersteigen in die Materie - so wurde der Sündenfall aufgefaßt. Deshalb, damit die Menschheit wiederum zu­rückkommen kann zu ihrem Range der vierten Hierarchie und im freien Willen dasjenige finden könne, was früher Götter für sie und mit ihr versucht haben, sei geopfert die höhere Erkenntnis für eine gewisse Zeit. - Und gewisse Wesenheiten der geistigen Welt, die nicht mensch­licher Art sind, nicht in menschlicher Inkarnation zur Erde herab-kommen, haben das Opfer entgegengenommen, um gewisse Ziele in der geistigen Welt zu erreichen, von denen hier zu sprechen zu weit führen würde, was ein anderes Mal geschehen soll. Den Menschen aber wurde dafür der Impuls zur Freiheit aus der geistigen Welt möglich.
 
Ich führe diese Kultusszene aus dem Grunde an, weil ich durch sie Ihnen sagen möchte, daß eigentlich alles, was im äußeren physisch-sinnlichen Leben geschieht, geistige Gegenbilder hat, die wir nur suchen müssen da, wo sie sind. Denn zuweilen bedeutet irgendeine einzelne Kultushandlung, die von, ich will jetzt in diesem Zusammenhange nicht sagen Wissenden, sondern die von solchen Persönlichkeiten vollzogen wird, die mit der geistigen Welt im Zusammenhang stehen, - bisweilen bedeutet sie etwas, wovon die Impulse für eine ganze Kultur oder Zivilisationsströmung
 
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ausstrahlen. Derjenige, der wissen will das Grundkolo-rit einer Zeitepoche, der muß den entsprechenden geistigen Ausstrah­lungsgrund für die Kräfte suchen, die diese Zeitperiode durchströmten.
 
Das Folgende dann, was an Geistigem, an wirklich Geistig-Spiri­tuellem produziert wurde, war ein Nachklang eines solchen Schaffens aus unbekannten geistigen Welten heraus. Und man hat bis ins neun­zehnte Jahrhundert herein neben dem, was sich an äußerem Materia­lismus entwickelte, immer einzelne Geister kennenlernen können, die unter der Nachwirkung jenes Verzichtes auf die höhere Erkenntnis gelebt haben.
 
Einen Menschentypus, der vom fünfzehnten Jahrhundert durch das sechzehnte, siebzehnte, achtzehnte lebte, den möchte ich Ihnen wenig­stens mit ein paar Strichen charakterisieren. Einen Menschentypus, den man irgendwo auf dem Dorfe draußen fand als Sammler von Kräu­tern für Apotheken, als irgendwie anders in einem anspruchslosen Be­rufe drinnen. Irgend solch eine Persönlichkeit müssen wir uns vor­stellen. Man trifft sie, wenn man selber Interesse hat an besonderen Gestaltungen des Menschenwesens in dieser oder jener Individualität, man trifft sie, diese Persönlichkeit. Zunächst ist sie außerordentlich zu­geknöpft, redet wenig oder lenkt die Aufmerksamkeit von dem, was man in ihr suchen möchte, dadurch ab, daß sie unbedeutende, absicht­lich ganz triviale Redensarten führt, durch die sie den Glauben er­wecken will, es sei nicht der Mühe wert, sich mit ihr zu unterhalten. Wenn man aber versteht, nicht immer auf den Inhalt der Worte zu sehen, die ein Mensch sagt, sondern auf den Klang seiner Worte, auf die Art und Weise, wie sie von ihm kommen, dann hörte man einem solchen Menschen dennoch weiter zu. Und wenn er dann aus irgend­einem karmischen Zusammenhang heraus den Eindruck bekam, er solle reden, dann fing er an, vorsichtig zu sprechen, und man entdeckte, daß man eine Art Von Weisen in ihm hatte. Aber dasjenige, was er sagte, war nun nicht Sternenweisheit. Das, was er sagte, war auch nicht irdische Weisheit. Es war auch nicht viel von dem in ihm enthalten, was man jetzt Geisteswissenschaft nennt, aber es waren warme Herzensworte, Moralanweisungen weittragender Art, die aber unsentimental vor­gebracht wurden, sprichwörtliche Redensarten.
 
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Man konnte hören so etwas wie: Gehen wir zu jenem Baume. Meine Seele kann in die Nadeln hineinkriechen, in die Tannenzapfen hinein-kriechen, denn meine Seele ist überall. Wenn sie in die Tannenzapfen und in die Nadeln hineinkriecht, dann schaut sie durch die Tannen­zapfen hinaus in die Weltentiefen und Weltenfernen, und dann wird man eins mit der ganzen Welt. Und das ist wahre Frömmigkeit, wenn man so eins wird mit der ganzen Welt. Wo ist Gott? In jedem Tannen­zapfen ist Gott. Und wer nicht Gott in jedem Tannenzapfen aner­kennt, wer Gott irgendwo anders sucht als in jedem Tannenzapfen, der erkennt den wirklichen Gott nicht. - Ich will nur charakterisieren, wie etwa solche Menschen sprachen, die man auf diese Weise fand, wie ich es geschildert habe. So sprachen solche Menschen. Sie sagten etwa auch: Ja, und dann, wenn man in die Tannenzapfen und in die Nadeln hineinkriecht, dann findet man, wie der Gott sich freut über die Men­schen in der Welt. Wenn man aber in das eigene Herz ganz tief hin-untersteigt, in die Abgründe der Innerlichkeit der Menschennatur tief hinuntersteigt, dann findet man auch den Gott, aber dann lernt man ihn erkennen, wie er traurig wird über die Sünden der Menschen.
 
In solcher Art sprachen diese anspruchslosen Weisen. Eine große Zahl dieser anspruchslosen Weisen hatte gewisse - ich möchte in der heutigen Sprache sagen - Ausgaben der alten Rosenkreuzerfiguren. Sie zeigten sie eben solchen Menschen, die ihnen so entgegentraten, daß sie sich aussprachen. Aber gerade, wenn über diese Figuren, die in an-spruchslosen, recht schlechten Drucken unter diesen Leuten lebten, ge­sprochen wurde, da entwickelten sich die Gespräche auf eine merk­würdige Art. Manche Menschen waren dann, trotzdem sie Interesse faßten an dem anspruchsiosen Weisen, von einer gewissen Neugierde befallen, was diese merkwürdigen Rosenkreuzerbilder eigentlich be­deuteten, fragten, und man bekam dann von diesen als Sonderlinge angesehenen einzelnen Weisen keine rechte, genaue Antwort, sondern nur den Hinweis: Wenn man sich so recht vertieft, dann kann man wie durch ein Fenster durch diese Figuren in die geistige Welt hinein­schauen. - Sie beschrieben mehr, was sie an ihnen gefühlsmäßig erleben konnten, als daß sie irgendwelche Deutungen oder Interpretationen der Figuren gaben. Und manchmal konnte man, wenn man solche Aussprüche
 
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des Fühlens der Personen bei diesen Figuren schildern gehört hatte, nicht recht zurechtkommen mit Gedanken, denn es waren keine Gedanken, die sie gaben. Aber es hatte eine ungeheuer bedeutende Nachwirkung. Man ging nicht nur mit einer warmen Seele davon, sondern man ging davon mit der Empfindung: Du hast eine Erkennt­nis bekommen, die in dir lebt, die du gar nicht in Begriffe bringen kannst.
 
Und das war einer der Wege neben den andern, die ich Ihnen ge­schildert habe, wie auf gefühlsmäßige Weise in diesem Zeitalter vom vierzehnten, fünfzehnten Jahrhundert bis zum Ende des achtzehnten Jahrhünderts Menschlichkeit, Göttlichkeit in weiten Kreisen verkündet und verbreitet worden ist. Man kann nicht ganz sagen, wortlos, man kann aber sagen, ideenlos, jedoch deshalb nicht inhaltlos. Es ist in die­sem Zeitalter viel durch Gedankenstummheit zwischen den Menschen verhandelt worden. Und niemand bekommt eigentlich einen rechten Begriff von dem Charakter dieses Zeitalters, der nicht weiß, wieviel in diesem Zeitalter durch Gedankenstummheit, indem die Menschen ihre Seelen gewechselt haben, nicht bloß ihre Worte, bewirkt worden ist.
 
Damit wollte ich Ihnen noch einen der Züge jenes Übergangszeit-alters, in dem die Freiheit unter den Menschen gediehen ist, schildern. Ich werde ja in der nächsten Zeit auf die verschiedenste Art mehreres aus diesem Gebiete heraus zu schildern haben. Hier wollte ich nur eben anknüpfen noch, ergänzend einiges auch, anknüpfen an dasjenige, was während der Tagung geschehen ist, und ergänzend einiges Weitere sagen.
 
= VIERTER VORTRAG Dornach, 11. Januar 1924 =
<nowiki>#</nowiki>G233-1962-SE204 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung
 
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VIERTER VORTRAG
 
Dornach, 11. Januar 1924
 
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Es obliegt mir, noch einiges Ergänzendes hinzuzufügen zu den Aus­einandersetzungen, die idi in den letzten Zeiten hier gemacht habe. Ich habe versucht darzustellen, wie der Gang der geistigen Erkenntnis durch die Jahrhunderte war und welche Gestalt er dann gerade in den neuesten Zeiten angenommen hat, und ich konnte darstellen, wie etwa vom fünfzehnten Jahrhundert ab bis zum Ende des achtzehnten Jahr­hunderts, ja bis zum Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, der Verlauf der war, daß dasjenige, was früher in einer konkreten, wenn auch instinktiven Erkenntnis da war, sich eigentlich in dieser Zeit mehr aus­gelebt hat in einem gefühlsmäßigen Hingegebensein an das Geistige der Welt überhaupt.
 
Wir sehen ja, wie die realen Erkenntnisse der Menschen in bezug auf die Natur, in bezug auf das Wirken der geistigen Welt in der Natur im elften, zwölften, dreizehnten Jahrhundert durchaus noch da sind. Wir können es selbst bei einer solchen Persönlichkeit wie Agrippa von Net­tesheim> den ich ja dargestellt habe in meinem Buche über die Mystik, sehen, wie er durchaus noch eine Erkenntnis davon hat, daß zum Beispiel in den Planeten unseres Planetensystems in ganz bestimmter Weise geartete geistige Wesenheiten vorhanden sind. Agrippa von Nettes-heim führt in seinen Schriften für jeden einzelnen Planeten dasjenige an, was er die Intelligenz des Planeten nennt, und dann dasjenige, was er den Dämon des Planeten nennt. Das weist hin auf Traditionen, die aus alten Zeiten damals noch durchaus vorhanden waren, die aber eben auch in dieser Zeit nicht bloße Traditionen waren. Das Hinaufschauen zu einem Planeten in dem Sinne, wie es die spätere Astronomie getan hat und noch heute tut, das wäre einem solchen Geiste wie Agrippa von Nettesheim noch ganz und gar unmöglich gewesen. Der äußere Planet, überhaupt der äußere Stern war nur etwas wie eine Ankündi­gung für geistige Wesenheiten, auf die der Seelenblick fiel, wenn man in der Richtung des Sternes sah. Und er wußte, daß die Wesenheiten, die mit den einzelnen Gestirnen verbunden sind, solche sind, welche
 
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das innere Dasein des Planeten regeln, aber auch die Bewegungen des Planeten im Weltenall regeln, welche die ganze Tätigkeit eines Gestir­nes regeln und so weiter. Und solche Wesenheiten faßte er zusammen unter dem Namen Intelligenz des Gestirnes.
 
Aber er wußte auch, wie aus dem Gestirn heraus und in dasselbe hineinwirken hemmende, man möchte sagen, die guten Taten des Ge­stirnes untergrabende Wesenheiten. Die faßte er zusammen unter dem Namen des Dämons des Gestirnes. Solch eine Erkenntnis war aber durchaus in der damaligen Zeit damit verbunden, daß auch die Erde als ein solcher Weltenkörper aufgefaßt worden ist, der seine Intelligenz und der seinen Dämon hat. Aber gerade das Wesentliche, das mit dieser Auffassung von der Gestirn-Intelligenz und von der Gestirn-Dämono­logie verbunden war, ging ja ganz und gar verloren, denn es drückte sich dieses Wesentliche gerade in dem Folgenden aus.
 
Die Erde betrachtete man natürlich auch als in ihrer inneren Tätig­keit, in ihrer Bewegung im Kosmos geregelt durch eine Summe von Intelligenzen, die man zusammenfassen konnte unter der Intelligenz des Erdengestirns. Aber was war für diese Persönlichkeiten noch die Intelligenz des Erdengestirns? Es ist heute ja außerordentlich schwer, überhaupt von diesen Dingen noch zu reden, weil die Vorstellungen der Menschen so weit weggegangen sind von dem, was in der dama­ligen Zeit wie etwas Selbstverständliches galt für die einsichtigen Men­schen. Die Intelligenz des Erdengestirns war der Mensch als solcher. Man sah den Menschen an als dasjenige Wesen, welches von der Weltengeistigkeit die Aufgabe erhalten hat, nicht etwa bloß, wie der heutige Mensch meint, auf der Erde herumzugehen oder mit der Eisen­bahn herumzufahren, Waren einzukaufen und zu verkaufen, Bücher zu schreiben und dergleichen, sondern man faßte den Menschen so auf, daß er von der Weltengeistigkeit die Aufgabe erhalten hat, in alles das, was sich bezieht auf die Stellung der Erde im Kosmos, regelnd, ord­nend, gesetzmäßig einzugreifen. Den Menschen faßte man so auf, daß man sagte: er gibt der Erde durch dasjenige, was er ist, durch die Kräfte, die er innerhalb seines Wesens birgt, den Impuls zu ihrer Be­wegung um die Sonne, zu ihrer Bewegung weiter im Weltenraume.
 
Man hatte damals noch ein Gefühl dafür, daß das dem Menschen
 
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einstmals zugeteilt war, daß der Mensch wirklich zu dem Herrn der Erde von der Weltengeistigkeit gemacht war, daß er aber dieser Auf­gabe sich nicht gewachsen gezeigt hat im Verlaufe seiner Entwickelung, daß er von seiner Höhe heruntergestürzt sei. Man trifft heute nur noch sehr selten die Nachklänge dieser Ansicht da, wo von Erkenntnis die Rede ist. Alles, was in religiöser Auffassung von dem Sündenfall ge­dacht wird, geht ja schließlich auch auf diese Vorstellung zurück. Das handelt ja davon, daß der Mensch ursprünglich eine ganz andere Stellung auf der Erde und im Weltenall hatte, als er sie heute ein­nimmt, daß er von seiner Höhe herabgestürzt sei. Aber außer dieser religiösen Auffassung, da, wo man glaubt, Erkenntnisse, die metho­disch erworben werden, zu haben, da gibt es heute eigentlich nur noch Nachklänge an jene alte, aus instinktivem Hellsehen hervorgegangene Erkenntnis von der einstigen Aufgabe des Menschen und von seinem Herunterstürzen in seine heutige Eingeschlossenheit in so enge Grenzen.
 
Es kommt zum Beispiel heute noch vor, daß man diese oder jene Persönlichkeit einmal zum Sprechen bekommt, sagen wir - ich erzähle Tatsachen -, man kommt in ein Gespräch mit dieser oder jener Per­sönlichkeit, die tiefer nachgedacht, nachgesonnen hat, auch sich tiefere Erkenntnisse erworben hat über das oder jenes auf geistigem Felde; man kommt ins Gespräch, ob denn der Mensch heute, so wie er auf der Erde steht, eigentlich ein in sich geschlossenes, sein Wesen in sich tragendes Geschöpf sei. Und da sagen einem dann solche Persönlich­keiten: Das kann er nicht sein. Der Mensch müsse eigentlich - sonst könne er nicht das Streben in sich haben, das er nun einmal hat, sonst könne er in seinen höchsten Exemplaren nicht den großen Idealismus entfalten, den er oftmals entfaltet - der Mensch müsse eigentlich seiner Natur nach ein umfassendes Wesen sein, das aber irgendwie eine kos­mische Sünde auf sich geladen hat, durch die er beschränkt worden ist in das heutige irdische Dasein herein, so daß er heute eigentlich wie in einem Käfig sitzt.
 
Gewiß, diese Anschauung trifft man noch da oder dort als Nach­zügler jener alten Anschauung. Aber im ganzen und großen, wo ist es denn, daß sich diejenigen, die sich heute für Wissenschafter halten, überhaupt im Ernste mit diesen umfassenden Fragen beschäftigen, die
 
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aber doch schließlich das einzige sind, was den Menschen wirklich zu einem menschenwürdigen Dasein bringen kann?
 
Und so war es schon so, daß der Mensch einst als der Träger der Intelligenz der Erde angesehen wurde. Aber auch der Erde schrieb eine solche Persönlichkeit wie Agrippa von Nettesheim einen Dämon zu. Nun, dieser Dämon des Irdischen, er ist eigentlich, wenn wir in das zwölfte, dreizehnte Jahrhundert noch zurückgehen, ein Wesen, das so, wie es geworden ist, auf der Erde hat nur werden können, weil es eben in den Menschen die Werkzeuge gefunden hat zu seinem Wirken.
 
Wenn man dies verstehen will, muß man sich eigentlich mit der Art und Weise bekanntmachen, wie in jener Zeit über das Verhältnis der Erde zur Sonne, beziehungsweise des irdischen Menschen zur Sonne, ge­dacht wurde. Und wenn ich Ihnen die Anschauung über dieses Verhält­nis charakterisieren soll, so muß ich im Grunde wiederum in Imagina­tionen reden, denn diese Dinge lassen sich nicht in abstrakte Begriffe bannen. Das eigentliche Zeitalter der abstrakten Begriffe hat ja erst später begonnen, und die abstrakten Begriffe sind weit davon entfernt, die Wahrheit zu umspannen, und so muß schon in Imaginationen dar­gestellt werden.
 
Die Sonne, sie ist eigentlich - nachdem sie sich in der Art, wie ich das in meiner «Geheimwissenschaft» dargestellt habe, von der Erde ge­trennt hat, oder die Erde von sich abgetrennt hat -, sie ist eigentlich doch, da der Mensch seit dem Saturndasein mit dem gesamten Planeten-system einschließlich der Sonne verbunden war, die Ursprungsstätte des Menschen. Der Mensch hat nicht seine Heimat auf der Erde, sondern der Mensch hat einen vorübergehenden Aufenthalt auf der Erde. Er ist in Wirklichkeit nach jener alten Anschauung ein Sonnenwesen. Er ist in seinem ganzen Sein mit der Sonne verbunden. Da er dieses ist, sollte er eigentlich als Sonnenwesen anders auf der Erde dastehen, als wie er ist. Er sollte so auf der Erde dastehen, daß die Erde ihrem Drange genügen könnte, aus dem mineralischen und dem pflanzlichen Reiche heraus den Samen des Menschen in ätherischer Form hervorzubringen, und der Sonnenstrahl sollte dann diesen von der Erde hervorgebrachten Samen befruchten. Und daraus sollte die ätherische Menschengestalt erscheinen, die erst durch dasjenige, was sie als eigenes, von sich selbst
 
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aus begründetes Verhältnis zu den physischen Erdenstoffen macht, die physische Erdenstofflichkeit annehmen sollte. Also es war etwa von den Zeitgenossen des Agrippa von Nettesheim - Agrippa hatte leider schon etwas von Trübung in seiner Erkenntnis -, aber von seinen bes­seren Zeitgenossen war eigentlich gedacht worden, daß der Mensch nicht so, wie es nun einmal ist auf der Erde, irdisch geboren werden sollte, sondern daß der Mensch in seinem ätherischen Leibe durch das Zusammenwirken von Sonne und Erde zustande kommen sollte und sich seine irdische Gestalt, wandelnd als ätherische Wesenheit auf der Erde, erst geben sollte. Gewissermaßen in pflanzlicher Reinheit sollten erwachsen auf der Erde die Menschensamen, ätherisch da und dort auftretend als dunkel funkelnde Erdenfrüchte, dann überglänzt wer­den von dem Lichte der Sonne in bestimmter Jahreszeit, und durch jenes Überglänzen ätherisch Gestalt annehmend in menschlicher Art. Denn nicht aus dem Leibe der Mutter, sondern aus der Erde und dem, was auf ihr ist, sollte der Mensch selber heranziehen dasjenige, was er an physischer Substanz aus dem Erdenbereiche sich einverleiben sollte. So dachte man, wäre es eigentlich im Sinne der Weltengeistigkeit ge­wesen, daß der Mensch die Erde betritt.
 
Und dasjenige, was später gekommen ist, ist dadurch gekommen, daß der Mensch einen zu tiefen Drang, eine zu intensive Begierde in sich hat erwachen lassen zu dem Irdisch-Stofflichen. Dadurch ist er ver­lustig geworden seines Zusammenhanges mit Sonne und Kosmos, und er konnte auf der Erde nur in Form der Vererbungsströmung sein Da­sein finden. Dadurch aber hat gewissermaßen der Dämon der Erde seine Arbeit begonnen, denn mit Menschen, die sonnengeboren wären, hätte sich der Dämon des Irdischen nicht beschäftigen können. Dann aber, wenn der Mensch also die Erde betreten hätte, dann wäre er wirklich die vierte Hierarchie. Da würde stets, wenn über den Men­schen geredet würde, so geredet werden müssen, daß man sagte: Erste Hierarchie - Seraphim, Cherubim, Throne, dann zweite Hierarchie -Exusiai, Dynameis, Kyriotetes, dritte Hierarchie - Angeloi, Archan­geloi, Archai, vierte Hierarchie - der Mensch, in drei Abstufungen des Menschlichen, aber eben eine vierte Hierarchie. Dadurch aber, daß der Mensch nach dem Physischen hin seinen starken Drang geltend gemacht
 
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hat, dadurch wurde er nicht das Wesen auf der untersten Sprosse der Hierarchien, sondern das Wesen an der Spitze auf der höchsten Sprosse der irdischen Reiche: Mineralreich, Pflanzenreich, Tierreich, Menschenreich. So hat man die Stellung des Menschen damals ange­sehen.
 
Dadurch aber, daß der Mensch seine Aufgabe auf der Erde nicht gefunden hat, dadurch hat die Erde auch nicht ihre würdige Stellung im Kosmos. Denn es ist ja eigentlich dadurch, daß der Mensch gefallen ist, der eigentliche Regent der Erde nicht da. Was ist nun gekommen? Der eigentliche Regent der Erde fehlt, und notwendig wurde, daß die Erde in ihrer Stellung im Kosmos nicht von sich aus regiert wurde, sondern regiert wurde von der Sonne aus, so daß der Sonne die Auf­gaben zugefallen sind, die eigentlich auf Erden verrichtet werden sol­len. Also es sah der mittelalterliche Mensch zur Sonne hinauf und sagte:
 
In der Sonne sind gewisse Intelligenzen. Sie bestimmen die Bewegung der Erde im Kosmos, sie regeln, was auf der Erde selber geschieht. Der Mensch sollte es tun. Die Sonnenkräfte sollten auf der Erde durch den Menschen für das Dasein der Erde wirken. - Dadurch entstand jene bedeutsame Vorstellung des mittelalterlichen Menschen, die einge­schlossen ist in die Worte: Die Sonne, der unrechtmäßige Fürst dieser Welt.
 
Und jetzt bedenken Sie, meine lieben Freunde, wie unendlich ver­tieft für diesen mittelalterlichen Menschen gerade durch solche Vor­stellungen der Christus-Impuls wurde. Der Christus wurde zu dem Geiste, der auf der Sonne seine weitere Aufgabe nicht finden wollte, der nicht bleiben wollte unter denjenigen, die von außen her unrecht­mäßig die Erde dirigieren. Er wollte seinen Weg von der Sonne zur Erde finden, einziehen in Menschengeschick und Erdengeschick, wan­deln durch die Erdenereignisse und durch die Erdenentwickelung in Menschengesciiick und Erdengeschick. Damit war für den mittelalter­lichen Menschen der Christus die einzige Wesenheit, die im Kosmos die Aufgabe des Menschen auf Erden gerettet hat. Und nun haben Sie den Zusammenhang. Denn nun können Sie wissen, warum in der Rosenkreuzer-Zeit dem Schüler immer wieder eingeschärft wurde: 0 Mensch, du bist ja nicht das, was du bist. Der Christus mußte kommen,
 
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um dir deine Aufgabe abzunehmen, um für dich deine Aufgabe zu verrichten.
 
Im Goetheschen «Faust» ist so manches auf eine Art, die Goethe selber nicht verstanden hat, herübergekommen aus tief mittelalter­lichen Vorstellungen. Erinnern Sie sich an Fausts Beschwörung des Erd­geistes. Hat man diese mittelalterlichen Vorstellungen in sich, dann emp­findet man recht tief, wie dieser Erdgeist, den Faust beschwört, davon redet, daß er im Tatensturm auf- und abwallt, Geburt und Grab, ein ewiges Weben, ein glühend Leben, daß er schafft am sausenden Web­stuhl der Zeit und wirkt der Gottheit lebendiges Kleid. Denn wen be­schwört Faust eigentlich? Goethe hat es ganz sicher, als er den «Faust» schrieb, nicht in voller Tiefe gewußt. Aber gehen wir vom Goetheschen Faust zum mittelalterlichen Faust zurück, belauschen wir diesen mittel­alterlichen Faust, in dem rosenkreuzerische Weisheit lebte, dann lehrt uns dieses Lauschen, wie dieser mittelalterliche Faust auch eine Be­schwörung vollführen wollte. Aber wen wollte er im Erdgeist be­schwören? Er sprach gar nicht vom Erdgeist, er sprach vom Menschen. Das war der Drang des mittelalterlichen Menschen, Mensch zu sein, denn er empfand es tief, daß er als Erdenmensch eben nicht Mensch ist. Wie kann man die Menschheit wieder erringen? Die Art und Weise, wie Faust hinweggestoßen wird von dem Erdgeist, das ist die Nach­bildung, wie der Mensch in seiner irdischen Gestalt von seiner eigenen Wesenheit zurückgestoßen wird. Und deshalb, weil das so aufgefaßt wurde, tragen manche im Mittelalter vorkommende - ja, wie soll man es nennen - Bekehrungsgeschichten zum Christentum einen außerordent­lich tiefen Charakter, den Charakter, daß gewisse Menschen nach der verlorenen Menschlichkeit strebten, aber verzweifeln mußten, mit Recht verzweifeln mußten, innerhalb des irdisch-physischen Lebens diese echte Menschlichkeit in sich erleben zu können, und dann von diesem Gesichtspunkte aus einsahen: Also muß menschliches Streben zum Menschtum aufgegeben werden, und der irdische Mensch muß es. dem Christus überlassen, die Aufgabe der Erde zu vollziehen.
 
In der Zeit, in der also noch, ich möchte sagen, in einer überpersön­lich-persönlichen Art vom Menschen sowohl das Verhältnis zur Mensch­heit selber wie das Verhältnis zum Christus aufgefaßt wurde, in dieser
 
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Zeit war Geist-Erkenntnis, Geistesschau eben noch real. Da war sie noch Erlebnisinhalt. Das hörte mit dem fünfzehnten Jahrhundert fast ganz auf. Und da vollzog sich denn jener Umschwung, über den sich eigentlich niemand mehr aufklärte.
 
Aber für den, der solche Dinge weiß, gibt es im fünfzehnten, im sechszehnten Jahrhundert, ja auch noch später, eine einsame, der Welt kaum bekannt gewordene Rosenkreuzer-Schule, wo immer wieder und wiederum wenige Zöglinge erzogen wurden und wo vor allen Dingen darauf gesehen wurde, daß eines als eine heilige Tradition bewahrt worden ist. Diese heilige Tradition war die folgende. Ich will Ihnen das Ganze in Form einer Erzählung geben.
 
Sagen wir, wiederum kam eine neuer Zögling zur Vorbereitung in diese einsame Stätte. Da wurde ihm zunächst in der wirklichen Gestalt, wie das von alten Zeiten überliefert war, das sogenannte Ptolemäische Weltensystem beigebracht, nicht so trivial, wie es heute als etwas Über­wundenes vor die Leute hingestellt wird, sondern anders. Es wurde ihm gezeigt, wie die Erde die Kräfte tatsächlich in sich trägt, ihren Gang durch die Welt von sich aus zu bestimmen. So daß in der rich­tigen Weise das Weltensystem vorgestellt, es eben im alten Ptole­mäischen Sinne gezeichnet werden muß: die Erde für den Menschen im Mittelpunkt des Weltenalls, die anderen Gestirne in einer entspre­chenden Umkreisung durch die Erde dirigiert. Dann wurde dem Schü­ler gesagt: Wenn man dasjenige, was der Erde beste Kräfte sind, wirk­lich studiert, so kommt man zu keinem anderen Weltensystem als diesem. Aber so ist es eben nicht. Es ist nicht so durch die Schuld des Menschen. Durch die Schuld des Menschen ist die Erde unberechtigter-weise in den Sonnenbereich übergegangen, und die Sonne ist der Re­gent der irdischen Betätigungen geworden. Und so kann man einem Weltensystem, das von den Göttern den Menschen gegeben werden sollte im Sinne des alten Ptolemäischen Weltensystems mit der Erde im Mittelpunkte, ein solches entgegenstellen, das die Sonne im Mittel-punkte hat, die Erde sich drehend um die Sonne, das Kopernikanische Weltensystem.
 
Und es wurde dem Schüler anvertraut, daß hier ein Weltenirrtum vorliegt, ein durch menschliche Schuld bewirkter Weltenirrtum. Und
 
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dann wurde zusammengefaßt für diesen Schüler dasjenige, was er sich tief in die Seele und tief ins Herz schreiben sollte: Da haben nun die Menschen das alte Weltensystem überwunden und ein anderes an die Stelle gesetzt, und wissen nicht einmal, daß dieses andere, das sie für richtig ansehen, das Ergebnis der eigenen Menschenschuld ist. Was nur der Ausdruck, was nur die Offenbarung der Menschenschuld ist, sieht man einfach als das Richtige gegenüber dem Falschen an. - Was ist geschehen in der neueren Zeit? - so sagten dann die Lehrer diesem Schüler. Die Wissenschaft ist gestürzt worden durch die Schuld des Menschen. Die Wissenschaft ist eine Wissenschaft des Dämonischen geworden. - Bis dann am Ende des achtzehnten Jahrhunderts auch solche Dinge unmöglich geworden sind, hat es immer wenigstens ein­zelne Schüler gegeben, welche mit dieser Gemütserkenntnis, mit dieser Gemütsanschauung aus einer einsamen Rosenkreuzer-Schulstätte ihre geistige Nahrung bezogen haben. Es ist zum Beispiel noch so gewesen, daß der große Leibniz, der Philosoph, aus seinen Gedankenerwägun­gen heraus den Antrieb in sich erhalten hat, irgendwo zu finden die­jenige Lehrstätte, in der man in der richtigen Weise formulieren kann, wie es sich eigentlich verhält mit dem Kopernikanischen und Ptole­mäischen Weltsystem. Er hat sie nicht finden können.
 
Solche Dinge muß man kennen, um die richtige Nuance heraus­zubekommen für den Umschwung, der in den letzten Jahrhunderten in bezug auf des Menschen Anschauung über sich selbst und über das Weltenall stattgefunden hat. Und mit dem Hinuntersinken dieses lebendigen Zusammenhanges des Menschen mit sich selbst, mit diesem Entfremden des Menschen von sich selbst kam dann das Anklammern des Menschen an den äußeren Verstand, der heute alles beherrscht. Denn dieser äußere Verstand, ist er denn menschliches Erlebnis? Er ist nicht menschliches Erlebnis. Denn wäre er menschliches Erlebnis, so könnte er nicht in so äußerlicher Weise innerhalb der Menschheit leben, wie er lebt. Der Verstand ist ja im Grunde genommen gar nicht ver­bunden mit dem einzelnen Persönlichen, mit dem einzelnen individuel­len Menschen, der Verstand ist ja fast etwas Konventionelles. Er spru­delt nicht hervor aus innerem menschlichem Erlebnis. Er tritt eigentlich als etwas Äußerliches an den Menschen heran.
 
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Und wie er etwas Äußerliches geworden ist, man empfindet es, wenn man vergleicht, wie etwa Aristoteles selber seine Logik, die ja nach Kants Ausdruck seit Aristoteles nicht fortgeschritten ist, seinen Schülern bei­gebracht hat, und wie dann etwa im siebzehnten nachchristlichen Jahr­hundert Logik gelehrt worden ist. Es war in der Aristoteles-Zeit Logik etwas recht Menschliches noch. Denn indem der Mensch darauf hingewie­sen wurde, logisch zu denken, hatte er ja damals noch eine Empfindung, die Empfindung, als ob er, wenn ich mich eben wiederum imaginativ aus­drücken darf, seinen Kopf, sein Haupt in kaltes Wasser stecken würde und dadurch sich selber für einen Moment entfremdet würde, oder auch eine andere Empfindung, diejenige Empfindung, die Alexander dem Aristoteles entgegengehalten hat, als er ihm die Logik beibringen wollte: Du drückst mir ja alle Kopfknochen zusammen - wie etwas Äußerliches. Im siebzehnten Jahrhundert empfand man diese Äußer­lichkeit als etwas Selbstverständliches. Man lernte, wie man aus dem Obersatz, aus dem Untersatz den Schlußsatz finden müsse. Man lernte dasjenige, was Sie noch im Goetheschen «Faust» ironisch behandelt finden: Das erste ist so, das zweite so, und drum das dritt' und vierte so, und wenn das erst' und zweit' nicht wär', das dritt' und viert' wär' nimmermehr. Und so wird der Geist Euch wohl dressiert, in spanische Stiefeln eingeschnürt. - Ob man nun, wie Alexander es empfunden hat, den Kopf in seinen Knochen zusammengedrückt empfindet, oder ob man in spanische Stiefel eingeschnürt wird durch das erst' und zweit' und dritt' und viert', es ist ja schließlich ein Bild für dasselbe, was der Mensch empfindet.
 
Diese Äußerlichkeit des abstrakten Denkens, sie empfand man in der Zeit nicht mehr, wo man Logik bewußt lernte in den Schulen. Heute hat das mehr oder weniger aufgehört. Es wird auch Logik nicht mehr bewußt gelernt auf den Schulen. Nun, das ist ja ungefähr so, als wenn es irgendwo eine Zeit gegeben hätte, wo die Leute mit Enthu­siasmus nach Hunderten und Hunderten sich die gleiche Uniform nach der Vorschrift angezogen hätten, und nachher eine Zeit gefolgt wäre, in der sie, ohne erst darüber nachzudenken, das freiwillig getan haben. Aber in dieser Zeit, in der die Logik des Abstrakten immer mehr und mehr überhandnahm, in dieser Zeit konnte die alte geistige Erkenntnis
 
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ja nicht mehr fortschreiten. Daher sehen wir sie äußerlich werden und jene Gestalt annehmen, die in solchen Erscheinungen auftritt wie zum Beispiel in den Schriften des Eliphas Le'vi oder in den Veröffent­lichungen von Saint-Martin. Man hat schon in diesen Veröffentlichun­gen die letzten Ausläufer alter Geist-Erkenntnis und Geistesschau.
 
Aber was ist in einer solchen Schrift enthalten wie etwa in Eliphas Lévis «Dogma und Ritual der hohen Magie»? Da sind zum Beispiel zunächst zu finden allerlei Zeichen, Triangel, Pentagramme und so weiter, da finden Sie wieder heraufgeholt aus alten Zeiten gewisse Worte aus früher herrschenden Sprachen, namentlich aus der hebrä­ischen, und da finden Sie dasjenige, was früher Leben war, aber auch Erkenntnis, was in die Tat des Menschen übergehen konnte, aber auch in die Ideen des Menschen übergehen konnte, ideenlos auf der einen Seite und in äußerliche Zauberei auf der anderen Seite ausgeartet; Spekulationen über die symbolische Bedeutung dieses oder jenes Zei­chens, denen gegenüber der moderne Mensch, wenn er ehrlich sein will, sich gestehen müßte, daß gar nichts Besonderes darinnen enthal­ten ist, schauderhafte Verrichtungen, anknüpfend an allerlei Riten, deren geistiger Zusammenhang denjenigen, die von solchen Riten spre­chen und sie auch oftmals übten, nicht im entferntesten klar war. Über­all wiesen solche Bücher hin auf dasjenige, was einmal verstanden wurde in alten Zeiten, innerlich erkenntnismäßig erlebt wurde, aber in der Zeit, wo zum Beispiel Eliphas Lévi seine Bücher schrieb, eben nicht mehr verstanden wurde. Und über Saint-Martin habe ich mich ja in der Wochenschrift «Goetheanum» selber einmal ausgesprochen. Und so sehen wir denn, man möchte sagen, mit vollem Unverständnis dasjenige behandelt, was einmal in das seelisch-geistige Menschenleben einverwoben war, was aber in diesem seelisch-geistigen Menschenwesen nicht erhalten werden konnte.
 
Echt und wahr ist vom fünfzehnten bis ins achtzehnte, neunzehnte Jahrhundert herein dasjenige, was als ein allgemeiner Drang nach dem Göttlichen sich dem Gemüte ergeben hat. Da ist Schönes, Wunder­schönes und Herrliches zu finden. Und da ist über manchem, was heute viel zu wenig beachtet wird, ein wirklicher Zauberhauch des Spiri-tuellen. Aber neben alledem geht eine sich verknöchernde Saat auf des
 
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Unverstandes alter spiritueller Wahrheiten, und einher geht damit das Unvermögen, in einer der Zeit entsprechenden Weise an das Geistige heranzukommen. Man kann Menschen kennenlernen aus dem acht­zehnten Jahrhundert, die geradezu von einer Zerstörung alles Mensch­lichen sprechen und von einem Heraufkommen eines furchtbaren Ma­terialismus. Manchmal ist es einem so, als ob dasjenige, was diese Menschen des achtzehnten Jahrhunderts sagen, auch auf unsere Zeit passen würde. Dennoch paßt es nicht, paßt auf die letzten zwei Drittel des neunzehnten Jahrhunderts nicht. Denn in diesem neunzehnten Jahrhundert ist das, was man noch mit einem gewissen, ich möchte sagen, Abscheu vor seinem dämonischen Charakter im achtzehnten Jahrhundert angesehen hat, etwas Selbstverständliches geworden. Man hatte nicht die Kraft, sich zu sagen: Kopernikus - sehr schön, aber eine Anschauung, die nur dadurch hat kommen können, daß der Mensch eben nicht das geworden ist auf der Erde, was er auf der Erde hätte werden sollen, daß die Erde regentenlos dastand und das Erden-regiment an den widerrechtlichen Fürsten der Welt - das Wort kommt im Mittelalter immer wieder vor - übergegangen ist, weshalb der Christus die Sonne verlassen hat und sich mit dem Erdengeschick ver­einigt hat.
 
Und es ist ja in der Tat erst wiederum am Ende des neunzehnten Jahrhunderts möglich geworden, in diese Dinge mit ursprünglicher menschlicher Klarheit hineinzusehen. Es ist erst wiederum möglich geworden in der Michael-Zeit. Von dem Anbruche und dem Charak­ter dieser Michael-Zeit haben wir ja wiederholt gesprochen. Aber es gibt Aufgaben, welche verbunden sind mit dieser Michael-Zeit und auf die nun auch jetzt hier hingedeutet werden kann, nachdem dasjenige, was über die Entwickelung der Geistesschau in den verschiedenen Jahr­hunderten in der Weihnachtszeit und nachher hier gesprochen worden ist, vorangegangen ist.
 
= FÜNFTER VORTRAG Dornach, 12. Januar 1924 =
<nowiki>#</nowiki>G233-1962-SE216 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung
 
<nowiki>#</nowiki>TI
 
FÜNFTER VORTRAG
 
Dornach, 12. Januar 1924
 
<nowiki>#</nowiki>TX
 
Wir haben ja gesehen, wie allmählich in eine Abenddämmerung hinein das alte, von der Menschheit durch instinktives Hellsehen erlangte Wissen sich entwickelt hat. Es ist außerordentlich schwierig in der neue­ren Zeit, namentlich nach dem achtzehnten Jahrhundert, noch Spuren jenes alten Wissens irgendwie zu finden, denn es war ja wirklich so, wie ich Ihnen gesagt habe: Dasjenige, was sich erhalten hat, oder eigentlich, was neu heraufgekommen ist, das ist äußere Naturbeob­achtung und Logik, abstrakte Gedankenfolge. - Weder mit äußerer Naturbeobachtung, Sinnesbeobachtung, noch mit der bloßen abstrak­ten logischen Gedankenfolge kann man die Brücke hinüberschlagen vom Menschen zu der wahren Wirklichkeit. Aber in einem gewissen Sinne traditionell hat sich doch bis in die neuesten Zeiten herein, man kann sagen, bis um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts manches von dem alten Wissen erhalten. Und damit wir jetzt in den Betrach­tungen, die wichtig sein werden und die uns bevorstehen, in der rich­tigen Weise uns mit unserer Seele werden verhalten können, möchte ich doch heute noch einiges sprechen von gewissen Vorstellungen, die sogar noch in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wie Überreste von altem Wissen vorhanden waren.
 
Ich erzähle Ihnen diese Dinge heute aus dem Grunde, damit Sie sehen, wie in einer noch gar nicht so weit zurückliegenden Zeit die Denkungsart der Menschen doch ganz anders war, als sie heute ist. Aber wie gesagt, es ist außerordentlich schwierig, auf diese Dinge zu kommen, denn es ist schon so, wie ich Ihnen gesagt habe: Einzelne ein­sam lebende Menschen, höchstens mit einem kleinen Schülerkreise, haben sich da oder dort erhalten und haben wirklich ganz im Ge­heimen manches von dem alten Wissen fortgesetzt, ohne daß sie selbst die ganz tiefen Gründe davon verstanden haben. Man muß ja auch für ältere Zeiten so etwas voraussetzen, denn es ist ganz gewiß, daß sowohl diejenige Persönlichkeit, die Ihnen bekannt ist unter dem Namen des Faust, wie auch die andere, die Ihnen bekannt ist unter
 
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dem Namen des Paracelsus, daß diese beiden Persönlichkeiten auf ihren Wanderungen an solche einsamen, man möchte sagen, seelische Höhlenbewohner gestoßen sind und von ihnen manches erfahren haben, was sie dann durch eine innere Fähigkeit, die auch gerade bei diesen Persönlichkeiten mehr instinktiv war, weiter ausgebildet haben.
 
Dasjenige aber, was ich Ihnen jetzt erzählen will, das war noch in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts vorhanden, wiederum in einer solch einsamen - man könnte es Schule nennen, wenn man es wollte -, in einer solch einsamen Schule Mitteleuropas. Da gab es in einem ganz kleinen Kreise eine sehr eindringliche Lehre von dem Menschen. Es ist seit lange auf einem geistigen Wege mir be­wußt geworden, daß es in einem gewissen Orte Mitteleuropas eine solche kleine wissende Gemeinschaft gegeben hat. Wie gesagt, auf gei­stigem Wege ist es mir bekannt geworden. Ich konnte ja dazumal nicht in der physischen Welt Beobachtungen anstellen, da ich ja damals nicht in der physischen Welt war, aber auf geistigem Wege ist mir dies be­kannt geworden, daß es eine solche kleine Gemeinschaft gegeben hat. Ich würde aber nicht sprechen über dasjenige, was innerhalb dieser kleinen Gemeinschaft gelehrt worden ist, wenn sich mir nun nicht nach­träglich durch die eigene Forschung der Geisteswissenschaft gerade We­sentlichstes von dem, was da geborgen war, wiederum enthüllt hätte, wenn ich nicht sozusagen selber die Dinge wieder gefunden hätte. Denn gerade durch solches Wiederfinden bekommt man ja erst die richtige Stellung zu demjenigen, was sich aus alten Zeiten wirklich wie eine überwältigend große Weisheit erhalten hat. Und von der kleinen Ge­meinschaft, von der ich sprechen möchte, zieht sich eigentlich dann nach vorne in der Geschichte durch das ganze Mittelalter hindurch bis in das Altertum hinein, bis in die Zeiten, die ich Ihnen geschildert habe wäh­rend der Weihnachtstage, bis in die Zeiten des Aristoteles hinein eine Tradition, eine Tradition, die aber allerdings nicht direkt über Grie­chenland gekommen ist, sondern über Asien herein durch dasjenige, was von Mazedonien aus durch Alexander nach Asien gebracht wor­den ist.
 
Da findet man gerade innerhalb dieser kleinen Gemeinschaft, wie eine eindringliche Lehre vom Menschen in bezug auf zwei menschliche
 
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Fähigkeiten mit einer großen Genauigkeit noch vorhanden ist. So kann man vernehmen, wie da ein wirklich meisterhaft durchgebildeter, man kann schon sagen, Geheimwissenschafter seine Schüler darin unterrich­tet, daß man mit den alten Symbolen, die da bestehen aus gewissen geometrischen Formen, sagen wir zum Beispiel solch einer Form (siehe Zeichnung) - an den Enden finden sich dann gewöhnlich irgendwelche hebräischen Worte -, daß man mit diesen Symbolen so unmittelbar nichts anfangen könne. Und die Schüler dieses Meisters wußten durch ihre Unterweisung, wie eigentlich dasjenige, was zum Beispiel Eliphas Lévi gibt, bloß eine Art Herumreden ist um die Sache. Denn das konnten diese Schüler noch lernen, daß man auf die eigentliche Bedeu­tung solcher Symbole nur dann kommt, wenn man sie im Wesen der eigenen menschlichen Organisation wiederfindet.
 
Und so war es namentlich ein Symbolum, welches in dieser Gemein­schaft eine große Rolle spielte. Sie bekommen dieses Symbolum, wenn Sie diesen Salomonischen Schlüssel - so wird er gewöhnlich vorge­führt - auseinanderziehen, wenn Sie ihn so gestalten, verschieben, daß das hinunterkommt und das hinaufgeschoben wird (Zeichnung). Gerade dieses Symbolum, das spielte innerhalb jener kleinen Gemeinschaft, wie gesagt, auch noch im neunzehnten Jahrhundert eine bedeutsame Rolle. Und jener Meister ließ dann die Angehörigen seines kleinen Schülerkreises eine bestimmte Attitüde ihres Leibes annehmen. Er ließ sie die Attitüde des Leibes annehmen, durch die gewissermaßen der Leib selber hinschrieb dieses Symbolum. Er ließ sie sich so stellen, daß sie die Beine etwas auseinanderspreizten und die Arme nach oben in dieser Weise einstellten. Dadurch kamen, wenn man die Arme nach unten verlängerte und die Beine nach oben verlängerte, eben diese vier Linien (starker Strich) am menschlichen Organismus selber zum Vor­schein. Diese Linie verbindet dann die Füße, diese verbindet die Hände oben. Die anderen beiden kamen zum Bewußtsein als wirklich vorhan­dene Kraftlinien, indem dem Schüler klar wurde: Es gehen Strömungen wie elektromagnetische Strömungen dann von der linken Fingerspitze zur rechten Fingerspitze, und wiederum von dem linken Fuß zu dem rechten Fuß. So daß tatsächlich der menschliche Organismus selber diese ineinander verschlungenen Triangeln in den Raum hineinschrieb. Und
 
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dann handelte es sich darum, daß der Schüler empfinden lernte, was da liegt in den Worten: Licht strömt aufwärts, Schwere lastet abwärts (siehe Zeichnung). Dann mußten die Schüler dieses in tiefer Meditation erleben, in der Attitüde, die ich eben beschrieben habe. Dadurch kamen sie allmählich dahin, daß ihnen der Lehrer sagen konnte: Jetzt werdet ihr etwas erleben, was tatsächlich in alten Mysterien immer wieder und wiederum geübt worden ist. - Und sie erlebten wirklich dies, daß sie in ihren Arm- und Beinknochen (siehe Zeichnung, starker Strich) das Mark erlebten, das Knochenmark erlebten, das Innere des Knochens erlebten.
 
Sehen Sie, diese Dinge können nachempfunden werden dadurch, daß ein Zusammerihang hergestellt wird zwischen etwas, das ich Ihnen gestern gesagt habe, und dem, was ich Ihnen jetzt sage. Ich sagte Ihnen in einem gewissen Zusammenhange, daß der Mensch, wenn er wirklich nur so sich verhält, wie das im Laufe der Zeit üblich geworden ist, wenn er sich bloß abstrakt denkend verhält, daß das dann äußerlich bleibt, daß er gewissermaßen sich veräußerlicht. Gerade das Gegenteil
 
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tritt ein, wenn auf diese Art ein Bewußtsein von dem Knocheninnern auftritt.
 
Nun gibt es aber noch etwas anderes, wodurch Sie zum Verständnis dieser Sache geführt werden können. Sehen Sie, so paradox es Ihnen klingen wird, so muß ich doch sagen, daß ein solches Buch wie meine «Philosophie der Freiheit» nicht durch die bloße Logik begriffen wer­den kann, sondern durch den ganzen Menschen verstanden werden muß. Und in der Tat, was in meiner «Philosophie der Freiheit» über das Denken gesagt wird, wird man nicht verstehen, wenn man nicht weiß, daß der Mensch eigentlich das Denken erlebt durch die innerliche Erkenntnis, durch das innerliche Erfühlen seines Knochenbaues. Man denkt eben nicht mit dem Gehirn, man denkt in Wirklichkeit mit sei­nem Knochenbau, wenn man in scharfen Denklinien denkt. Wenn das Denken konkret wird, wie es in der «Philosophie der Freiheit» der Fall ist, dann geht es eben in den ganzen Menschen über.
 
Aber die Schüler dieses Meisters gingen eben noch über das hinaus, und sie lernten erfühlen das Innere der Knochen. Und damit hatten sie ein letztes Beispiel erlebt von demjenigen, was in alten Mysterien-schulen vielfach üblich war: Symbole dadurch zu erleben, daß der eigene Organismus zu diesen Symbolen gemacht wurde, denn nur so kann man Symbole wirklich erleben. Das Deuten der Symbole ist eigentlich etwas Unsinniges. Alles Spintisieren über Symbole ist eigent­lich etwas Unsinniges. Das richtige Verhalten zu Symbolen ist das, daß man sie macht und erlebt, so wie man schließlich auch Fabeln, Legenden, Märchen nicht bloß im Abstrakten aufnehmen soll, sondern sich damit identifizieren soll. Es gibt immer etwas im Menschen, wo­durch man in alle Gestalten des Märchens hineingehen kann, eins wer­den kann mit dem Märchen. Und so ist es mit diesen wirklichen, aus geistiger Erkenntnis stammenden Symbolen der alten Zeit. Und ich habe Ihnen solche Worte hier in deutscher Sprache hergeschrieben (siehe Seite 219).
 
Es ist natürlich für die neuere Zeit mehr oder weniger nur ein Un­fug, wenn die nicht mehr voll verstandenen hebräischen Worte dafür hingeschrieben werden, denn dadurch wird der Mensch eigentlich inner­lich nicht belebt, er erlebt nicht die Symbole, sondern er wird verrenkt.
 
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Es ist etwas, wie wenn ihm seine Knochen gebrochen würden. Und das geschieht einem eigentlich auch, geistig natürlich. wenn man mit Ernst solche Schriften wie die des Eliphas Lévi liest.
 
Nun lernten also diese Schüler das Innere des Knochens erleben. Aber wenn man das Innere des Knochens anfängt zu erleben, dann ist man nicht mehr im Menschen. Geradesowenig wie, wenn Sie Ihren Zeige­finger vierzig Zentimeter vor Ihre Nase halten und da einen Gegen­stand haben, dieser Gegenstand in Ihnen ist, so wenig ist in Ihnen das­jenige, was Sie dann innerhalb Ihrer Knochen erleben. Sie gehen nach innen, aber aus sich heraus. Sie gehen wirklich aus sich heraus. Und dieses Aus-sich-heraus-Gehen, Zu-den-Göttern-Gehen, In-die-geistige-Welt-hinein-Gehen, das ist dasjenige, was nun die Schüler dieser ein­samen kleinen Schule damit begreifen lernten. Denn sie lernten damit die Linien kennen, welche von der Götterseite her in die Welt hinein-gezeichnet waren, um die Welt zu konstituieren. Sie fanden nach der einen Seite, durch den Menschen hindurch, den Weg zu den Göttern.
 
Und dann faßte der Lehrer dasjenige, was da die Schüler erlebten, in einen paradoxen Satz zusammen, in einen Satz, der natürlich heute vielen Menschen lächerlich erscheinen wird, aber der, Sie werden es aus dem Angedeuteten erkennen, eine tiefe Wahrheit enthält:
 
Schau den Knochenmann
 
Und du schaust den Tod.
 
Schau ins Innere der Knochen
 
Und du schaust den Erwecker
 
- den Erwecker des Menschen im Geiste, das Wesen, das den Menschen in Zusammenhang bringt mit der Götterwelt.
 
Nun konnte ja in jener Zeit auf diesem Wege nicht gerade außer­ordentlich viel erreicht werden, aber einiges doch. Und einige von den Lehren über die Evolution der Erde durch verschiedene Metamor­phosen hindurch gingen da doch den Schülern auf. Sie lernten gerade dadurch, daß sie sich in dieses Geist-Sein des Menschen versetzen konn­ten, weit zurückschauen in atlantische Zeiten und noch weiter zurück. Und in der Tat, mancherlei, was dazumal nicht eigentlich geschrieben oder gedruckt wurde, aber was sich die Leute erzählten von der Entwickelung
 
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der Erde, stammte aus solchen Einsichten her, die auf diese Weise zustandekamen. Das war eine der Lehren, die in dieser Schule gegeben wurden.
 
Eine andere ist ebenso interessant. Eine andere wurde gegeben, in­dem die Höherstellung des Menschen gegenüber den Tieren praktisch zur Einsicht gebracht wurde. Man möchte sagen: Dasjenige, was man heute vielfach zu allerlei Diensten, die heute sogar sehr geschätzt wer­den, verwendet, das war noch bis ins neunzehnte Jahrhundert herein gerade solchen Menschen bekannt, die auf guten alten Einsichtstradi­tionen fußten. - Die Menschen sind ja heute stolz darauf, daß sie Poli­zeihunde haben, die die Spuren von allerlei Unrechtem im Menschen­leben verfolgen können. Man hat diese praktische Anwendung in älteren Zeiten nicht gehabt. Aber die Fähigkeit zum Beispiel der Hunde nach dieser Richtung hin hat man noch besser gekannt als heute, und man hatte eine Einsicht darinnen, daß eben um den Menschen herum auch feinere Substantilität liegt, als diejenige ist, welche gesehen oder von Menschen gerochen und dergleichen wird, und man verstand, daß etwas wie ein feines Fluidum auch der Welt angehört. Man erkannte es als eine besondere Differenzierung von Wärmeströmungen, verbun­den mit allerlei Strömungen, die man als elektromagnetische Strömun­gen ansah, und man brachte den Geruch des Hundes zusammen mit diesen wärme-elektromagnetischen Strömungen, und man machte die Schüler gerade jener kleinen Schule, von der ich Ihnen erzähle, auf solche Dinge auch bei anderen Tieren aufmerksam. Man machte sie auf­merksam, wie dieser Sinn für ein die Welt durchflutendes feines Fluidum weit im Tierreiche vorhanden ist. Und dann wies man darauf hin, wie dasjenige, was beim Tiere sich herunterentwickelt, ins Grob-Materielle sich entwickelt, beim Menschen sich hinauf ins Seelische entwickelt.
 
Sehen Sie, eines ist ja von ungeheuerstem Interesse, was in dieser kleinen Schule gelehrt wurde. Es wurde gelehrt durch äußere anatomi­sche Tatsachen, aber es war etwas tief Spirituelles damit gemeint. Es wurde dem Schüler gesagt: Sieh einmal, der Mensch ist ein Mikrokos­mos. Er imitiert in seiner Organisation dasjenige, was im Welten-gebäude vorgeht. - Der Mensch wurde durchaus nicht nur etwa in bezug auf die Vorgänge, die in ihm sich abwickeln, als ein Mikrokosmos,
 
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als eine kleine Welt angesehen. Ja, es wurde manches, was in ihm plastisch vorhanden ist, auf Vorgänge in der äußeren Welt zurück­geführt. Und so wurde eine hohe Aufmerksamkeit darauf verwendet, wie der Mond durchgeht durch das erste Viertel, Vollmond wird,
 
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letztes Viertel, Neumond, wie der Mond in dieser Art achtundzwanzig bis d?eißig Phasen durchmacht. Dieses Durchgehen des Mondes durch seine Phasen, das schaute man im Kosmos. Man schaute dabei den Mond in Bewegung in seiner Bahn. Man schaute, wie er seine Wirbel in seiner Bewegung herumzeichnete, seine achtundzwanzig bis dreißig
 
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Wirbel, und dann verstand man, wie der Mensch in seinem Rückgrat diese achtundzwanzig bis dreißig Wirbel hat, und man verstand, wie mit jenen Mondbewegungen und ihren Kräften dasjenige zusammen­hängt, was sich im Menschen embryonal als Wirbelsäule ausbildet. Die Nachbildung der Monatsmondenbewegung sah man in der Gestaltung der menschlichen Wirbelsäule. Und man sah, wenn man die mensch­liche Wirbelsäule mit ihren Nerven hat, achtundzwanzig bis dreißig Nerven, die in den ganzen Organismus gehen, man sah in diesen acht­undzwanzig bis dreißig Nerven die Abbildungen von Strömungen, die der Mond immer auf den verschiedenen Stufen seiner Bahnen auf die Erde herunterschickt. Man sah förmlich in den Knochenfortsetzungen der Wirbel das Eingreifen der Mondenströmungen. Kurz, man sah in
 
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demjenigen, was da der Mensch in sich trägt in seinen Rückenmarks­nerven mit dem Rückenmark zusammen, man sah etwas, was einen an den Kosmos band, was einen mit dem Kosmos in einen lebendigen Zusammenhang bringt. Und dieses Ganze, das ich Ihnen jetzt andeu­tete, das brachte man dem Schüler bei.
 
Und dann machte man ihn auf etwas anderes aufmerksam. Dann sagte man ihm: Und siehe einmal, wenn du den Sehnerv ansiehst, wie er in das Auge übergeht vom Gehirn aus, so zerfasert er sich beim Übergang in das Auge in sehr feine Fasern. Wie viele solche Fasern sind es? Solcher Fasern, die vom Sehnerv in das Innere des Auges gehen, sind wiederum ebensoviel wie Nerven, die vom Rückenmark ausgehen, achtundzwanzig bis dreißig. So daß also eine kleine Rücken­marksorganisation vom Gehirn aus durch den Sehnerv ins Auge hin-eingeht (siehe Zeichnung). Das ist so, daß der Mensch - so sagte der
 
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Lehrer zu den Schülern - von den Göttern, die in uralter Zeit sein Dasein geformt haben, diese Dreißiggliedrigkeit des Rückenmark-Nervensystems erhalten hat. Aber er selber hat in seinem die Sinneswelt
 
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anschauenden Auge ein Abbild dessen geschaffen; da vorne im Kopforganismus ein Abbild dessen geschaffen, was die Götter aus ihm gemacht haben.
 
Und dann machte man den Schüler darauf aufmerksam: So steht die Rückenmarksorganisation mit dem Monde in Beziehung. Aber hin-wiederum, durch dieses besondere Verhältnis des Mondes zur Sonne hat das Jahr zwölf Monate, und vom Gehirn des Menschen gehen die zwölf Nerven nach den verschiedenen Teilen des Organismus, die zwölf hauptsächlichsten Gehirnnerven. In dieser Beziehung ist der Mensch durch seine Hauptesorganisation ein Mikrokosmos in bezug auf dasjenige, was das Verhältnis der Sonne zum Monde ist. In der Gestaltung des Menschen drückt sich eine Imitation desienigen aus, was Vorgänge draußen im Kosmos sind.
 
Und wiederum machte man den Schüler aufmerksam darauf, daß er nun in seinem Haupte im Sehnerv, also durch die Dreißiggliedrig­keit des Sehnervs ins Auge hinein die Mondenorganisation vom Rück­grat nachahmt. Vom Gehirn aus gehen zwölf Nerven. Aber wiederum, wenn man vom Gehirn besonders jene Partie untersucht, die den Riech­nerv in die Nase hineinsendet, dann stellt sich die Tatsache heraus, daß da in dem kleinen Teil vom Gehirn das ganze große Gehirn nach­geahmt wird. So wie im Auge das Rückenmark-Nervensystem nach­geahmt wird, so wird im Geruchsorgan das ganze Gehirn wiederum nachgeahmt, indem der Riechnerv in zwölf Teilen, in zwölf Strängen zur Nase hingeht. So daß also der Mensch, wenn Rückenmark und Kopf hier liegen (s. Zeichn. S.226), einen richtigen kleinen Menschen da vorne liegen hat. Und dann machte man den Schüler darauf auf­merksam: Dieser kleine Mensch ist aber anatomisch nur angedeutet. Die Dinge verwachsen; nur eine minutiöse anatomische Untersuchung kann das lehren. Die Dinge verwachsen, doch sie sind so. Aber dafür bilden sie sich ganz besonders im astralischen Leibe aus. Und weil sie sonst nur angedeutet sind, kann der Mensch sie im gewöhnlichen Leben nicht handhaben. Aber er kann sie handhaben lernen. - Und ebenso, wie der Schüler darauf hingewiesen wurde, das Innere seiner Knochen zu erleben, ebenso wurde er hingewiesen darauf, diese besondere Par­tie lebendig zu erleben.
 
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Sie sehen, etwas anderes tritt da ein, etwas, was nun wirklich dem ganzen abendländischen Anschauen ähnlicher ist als dasjenige, was man oftmals aus dem Morgenlande herübernimmt. Auch das Morgenland hat ja dieses Konzentrieren auf die Nasenwurzel, dieses Konzentrieren auf den Punkt zwischen den Augenbrauen. Damit wird der Ort an­gegeben. Aber in Wahrheit ist es dieses Konzentrieren auf jenen kleinen Menschen, der da drinnen liegt und der astralisch erfaßt wird. Und wird er astralisch erfaßt, wird tatsächlich eine Meditation so gestaltet, daß man etwas erfaßt in jener Gegend, die damit bezeichnet worden ist, so ist es, wie wenn man in jener Gegend einen kleinen Menschen innerlich wie embryonal ausbilden wollte. Diese Anleitung hat der Schüler bekommen in jener kleinen Schule, tatsächlich eine Art embryo­nale Ausbildung eines kleinen Menschen in einem stark konzentrierten Gedanken.
 
Dadurch bekamen die Schüler, die dazu die Fähigkeit hatten, die zweiblättrige Lotosblume ausgebildet. Dann wurde ihnen gesagt: Das Tier bildet die Dinge hinunter zu demjenigen, was ein wärme-elektro-magnetisches Fluidum ist. Der Mensch bildet dasjenige, was hier sitzt und was im Groben nur als Geruchssinn erscheint, aber in das herüber-spielt die Fähigkeit, die Tätigkeit des Auges, der Mensch bildet es aus ins Astralische hinein. Dadurch aber bekommt er die Fähigkeit, nicht bloß jenes Fluidum zu verfolgen, sondern eine fortwährende Wechsel­wirkung hervorzurufen mit dem Astrallichte, und wahrzunehmen mit
 
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der zweiblättrigen Lotosblume, was der Mensch fortwährend sein gan­zes Leben hindurch ins Astrallicht hineinschreibt. Der Hund riecht nur dasjenige, was geblieben ist, was da ist. Der Mensch verfährt anders. Indem er mit seiner zweiblättrigen Lotosblume sich bewegt, auch dann, wenn er mit ihr nicht wahrnehmen kann, schreibt er fortwährend alles dasjenige, was in semen Gedanken ist, in das Astrallicht hinein. Das befähigt ihn dann nur, das, was er hineinschreibt, eben zu verfolgen, wahrzunehmen, und auch anderes damit wahrzunehmen, namentlich den wahren Unterschied von Gut und Böse.
 
Auf diese Art waren tatsächlich da noch Nachklänge vorhanden an uralte Weisheitsschätze, die in Rudimenten auch praktisch noch gelehrt wurden. Und das zeigt uns, was eigentlich alles verlorengegangen ist unter dem Einfluß der materialistischen Strömungen, die in der starken Weise um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts dann eingesetzt haben. Denn solche Dinge, wie ich sie Ihnen angedeutet habe, sind eben durchaus, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, in gewissen, aller­dings sehr einsamen und einsiedlerisch lebenden Kreisen empfunden und gewußt worden. Und auf den mannigfaltigsten Gebieten ergaben sich Erkenntnisse aus solchen Untergründen heraus, die ja später gar nicht mehr beachtet wurden, nach denen heute wiederum viele Men­schen sich sehnen. Aber wegen der groben Methoden, die heute herr­schen, sind ja diese Erkenntnisse zunächst für das äußere Wissen nicht wiederum erlangbar.
 
Nun knüpfte sich eine ganz bestimmte Lehre an dasjenige, was in dieser Weise in jenem kleinen Kreise von dem Lehrer an die Schüler herangebracht wurde. Dem Schüler wurde klargemacht: Wenn er dieses Organ gebraucht, das ein ins astralische Licht hinaufgehobenes Geruchs­organ ist, dann lernt er die wahre Stofflichkeit aller Dinge erkennen, die wahre Materie. Und wenn er erkennen lernt das Innere seines Knochensystems und dadurch in Echtheit die wirkliche Weltgeometrie, die Art und Weise, wie von den Göttern in die Welt die Kräfte hinein-gezeichnet werden, dann lernt er erkennen, was als Formen in den Dingen wirkt.
 
Willst du also einen Quarz kennenlernen seinem Stoffe nach - so sagte man dem Schüler -, dann beschaue ihn mit der zweiblättrigen
 
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Lotosblume. Willst du kennenlernen, wie seine Kristallform ist, wie der Stoff geformt ist, dann mußt du diese Form aus dem Kosmos her­aus begreifen mit demjenigen, was du begreifen karmst, wenn du in das Innere deines Knochensystems lebendig hineinkommst. - Oder es wurde dem Schüler klargemacht: Wenn du dein Kopforgan gebrauchst, dann lernst du erkennen, wie die substantielle Beschaffenheit einer Pflanze ist. Wenn du erleben lernst das Innere deines Knochensystemes, dann lernst du erkennen, wie eine gewisse Pflanze wächst, warum sie diese oder jene Blätterform hat, diese oder jene Blätteranordnung, warum sie die Blüten in dieser oder jener Weise entfaltet.
 
Also alles, was Form ist, sollte auf die eine Art, alles, was Stoff ist, sollte auf die andere Art erfaßt werden. Und es ist nun wirklich inter­essant, daß, wenn man bis zum Aristoteles zurückkommt, man findet, daß bei ihm unterschieden wird - aber das wurde ja in späterer Zeit nur rein abstrakt gelehrt - in bezug auf alles, was es gibt, die Form und die Materie. Aber das wurde eben in der Strömung, die von Grie­chenland nach Europa kam, in einer ganz abstrakten Weise gelehrt, so daß man eigentlich verzweifelt an der Abstraktheit, mit der diese Dinge in den Büchern dargestellt werden schon das ganze Mittelalter hindurch, und in der Neuzeit erst, da ist es nicht mehr bloß zum Ver­zweifeln, da ist es schon um die Wände hinaufzukriechen, wie man die Dinge dargestellt findet. Aber geht man zu Aristoteles zurück, so fin­det man, daß bei ihm die Formen wirklich zurückführen auf dieses Erleben - nur ist das wiederum nach Asien herübergetragen worden -, diese wirklich innere Einsicht in die Dinge, die mit dem Kopforgan sieht dasjenige, was er die Materie in den Dingen nennt.
 
Aber nun weist uns die innere Erkenntnis desjenigen, was da in Griechenland gelehrt worden ist als Philosophie, es weist uns die Akasha-Chronik-mäßige Erkenntnis auf etwas hin, was ich ja natürlich nur ganz äußerlich andeuten konnte in meinen «Rätseln der Philo­sophie», wo ich zeigte, wie Aristoteles durchaus der Ansicht ist: Beim Menschen fließen Form und Materie ineinander, Materie ist Form, Form ist Materie. - Sie können das bei meiner Darstellung des Ari­stoteles in den «Rätseln der Philosophie» finden.
 
Aber Aristoteles hat das noch ganz anders gelehrt. Aristoteles hat
 
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gelehrt: Wenn man an die Mineralien herantritt, dann erlebt man zunächst die Form durch das Erleben des Inneren der Unterschenkel-knochen, und man erlebt die Materie eben in dem Kopforgan. Die beiden sind weit voneinander. Der Mensch hält sie auseinander, Form und Materie, beim Mineralreiche die Kristallisation. Wenn der Mensch aber die Pflanze auffaßt, so erlebt er die Form durch das Erleben des Inneren seiner Oberschenkel, die Materie wiederum durch das Kopf-organ, durch die zweiblättrige Lotosblume. Es kommt schon näher. Und erlebt der Mensch das Tier, so erlebt er die Form durch das Er­leben des Inneren der Unterarmknochen, wiederum die Materie durch das Kopforgan - sehr nahe beieinander. Und erlebt der Mensch den Menschen selber, dann erlebt er die Form durch das Innere des Ober-arms, der auf dem Umwege durch die Sprachbildung mit dem Gehirn selbst zusammenhängt. Ich habe öfter gerade in Einleitungen der Eurythmie davon gesprochen. Da schließt sich zusammen die zwei­blättrige Lotosblume mit dem, was von dem Inneren des Oberarmes nach dem Gehirn geht. Und der Mensch erlebt namentlich in der Sprache den anderen Menschen nicht mehr nach Form und Inhalt ge-trennt, sondern als einen nach Form und Inhalt.
 
Sehen Sie, in dieser Konkretheit gab es diese Lehre noch zu Ari­stoteles' Zeiten. Und eine Spur davon, wie gesagt, war bis ins neun­zehnte Jahrhundert vorhanden. Da ist wirklich ein Abgrund. In den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts gingen im Grunde ge­nommen diese Dinge wirklich verloren. Es ist der Abgrund da bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts, wo durch die Michael-Zeit die Dinge wieder gefunden werden konnten. Da aber, indem die Menschen über diesen Abgrund schritten, schritten sie eben eigentlich über eine Schwelle. Und an dieser Schwelle steht ein Hüter. Und die Menschheit konnte ihn zunächst nicht gleichzeitig beobachten, indem sie zwischen dem Jahre 1842 und 1879 an ihm vorbeigegangen ist. Aber sie muß zu ihrem Heil nunmehr zurückschauen und ihn beachten. Denn das Nichtbeachten und das Weiterhineinleben in die folgenden Jahrhun­derte, ohne ihn zu beachten, würde eben zum alleräußersten Unheile der Menschheit führen.
 
Davon wollen wir dann morgen weiter reden.
 
= SECHSTER VORTRAG Dornach, 13. Januar 1924 =
<nowiki>#</nowiki>G233-1962-SE230 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung
 
<nowiki>#</nowiki>TI
 
SECHSTER VORTRAG
 
Dornach, 13. Januar 1924
 
<nowiki>#</nowiki>TX
 
Die Michael-Periode, in welche die Welt ja schon seit dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts eingetreten ist und in welche die Menschen mit ihrem Bewußtsein immer mehr und mehr werden ein­treten müssen, unterscheidet sich von früheren Michael-Perioden ganz beträchtlich. Es ist ja in der Entwickelung der Menschheit auf Erden so, daß in dieses Menschenleben von Zeit zu Zeit die einzelnen von den sieben großen Archangeloi-Geistern eingreifen, so daß nach bestimm­ten Perioden sich eine solche Weltenlenkung wie die durch Gabriel, Uriel, Raphael, Michael und so weiter wiederholt. Aber unsere Zeit-periode ist doch eine wesentlich andere als die frühere Michael-Periode. Es beruht dies darauf, daß der Mensch seit dem ersten Drittel des fünf­zehnten Jahrhunderts in einem ganz anderen Verhältnisse zur geistigen Welt steht, als er jemals früher gestanden hat. Und dieses Stehen zur geistigen Welt bedingt auch ein besonderes Verhältnis zu dem das Menschengeschick lenkenden Geist, den man eben mit dem alten Namen Michael bezeichnen kann.
 
Dasjenige, was ich auch jetzt wieder als das Rosenkreuzertum be­zeichnet habe, hat ja, wie ich bemerklich gemacht habe, nach den ver­schiedensten Seiten hin zur Charlatanerie getrieben, und das meiste von dem, was auf die Menschheit gekommen ist als Rosenkreuzerei, ist ja Charlatanerie. Aber wie ich in früheren Auseinandersetzungen dar­gelegt habe, es hat eine solche Individualität gegeben, die man mit dem Namen Christian Rosenkreuz bezeichnen kann, und die in gewisser Weise tonangebend ist für die Art und Weise, wie beim Heraufkom­men der neueren Menschheitsphase ein erleuchteter Geist, ein erkennen­der Geist in ein Verhältnis zur geistigen Welt sich setzen kann.
 
Man möchte sagen, Christian Rosenkreuz war es beschieden, die verschiedensten, denkbar höchsten Fragen, Rätselfragen an das Dasein zu stellen, zu stellen gegenüber früheren Erfahrungen der Menschen in einer ganz neuen Weise. Denn während das Rosenkreuzertum herauf­kam und mit dem, was man später faustisches Streben nannte, mit faustischem
 
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Streben nach der geistigen Welt hin den Menschensinn lenkte, kam ja auf der anderen Seite die abstrakte und naturalistische Wissen­schaft herauf. Und anders standen die - allerdings durchaus selbstver­ständlich anerkennenswerten - Träger dieser neueren Geistesrichtung, ein Galilei, ein Giordano Bruno, ein Kopernikus, ein Kepler zur Welt, als diejenigen, die nicht bloß eine formell-abstrakte, sondern eine wahre Erkenntnis der Dinge bewahren wollten. Denn die letzteren merkten an ihrem ganzen Menschensein, wie die Zeit und damit das Verhältnis der Götter zur Menschheit anders geworden war.
 
Man kann sagen, bis ins zwölfte, dreizehnte Jahrhundert herein noch rudimentär, aber bis ins vierte nachchristliche Jahrhundert herein ganz deutlich, konnte der Mensch reale Erkenntnisse über die geistige Welt aus sich heraus schöpfen. Der Mensch konnte, indem er diejenigen Übungen durchmachte, die die Übungen der alten Mysterien waren, aus sich heraus die Geheimnisse des Daseins schöpfen. Und es war wirklich für diese ältere Menschheit so, daß die Eingeweihten das, was sie der Menschheit zu sagen hatten, aus den Tiefen ihrer Seele an die Oberfläche ihres Denkens, ihrer Ideenwelt zogen. Sie hatten das Be­wußtsein, daß sie ihre Erkenntnisse aus dem Inneren der Menschen­seele heraus schöpfen.
 
Die Übungen, die durchgemacht wurden, gingen ja darauf hin, das Menschengemüt im stärksten Maße zu erschüttern, dem Menschen-gemüte Erfahrungen beizubringen, die man im gewöhnlichen Leben nicht macht. Dadurch wurden gewissermaßen die Geheimnisse der Götterwelt aus dem menschlichen Inneren herausgeholt. Aber der Mensch kann nicht die Geheimnisse, die er aus sich herausholt, indem er sie aus sich herausholt, auch schauen. Und während des alten instink­tiven Helisehens hat man ja die Geheimnisse der Welt geschaut, ge­schaut in Imagination, schauend gehört in Inspiration, man hat sich mit ihnen verbunden in Intuition. Aber das alles ist nicht möglich, wenn der Mensch gewissermaßen bloß allein dasteht. Es ist das eben­sowenig möglich, wie ich ein Dreieck zeichnen kann, wenn ich keine Tafel habe. Das Dreieck, das ich auf die Tafel zeichne, das versinnlicht mir dasjenige, was ich rein geistig in mir habe. Also das ganze Dreieck, alle Gesetze des Dreiecks sind in mir, aber ich zeichne das Dreieck auf
 
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die Tafel; dadurch bringe ich mir dasjenige, was eigentlich in mir ist, nahe. Nun, das ist eine äußere Zeichnerei. Wenn es sich darum handelt, reale Erkenntnisse nach Art der alten Mysterien aus dem Menschen her­aus zu schaffen, dann müssen diese Erkenntnisse in gewissem Sinne irgendwo hingeschrieben werden. Sie müssen nämlich eingetragen wer­den, damit sie geschaut werden können, in das von alters her sogenannte astralische Licht, in die feine Substantialität des Akasha. Da muß alles hineingeschrieben werden. Aber man muß diese Fähigkeit entwickeln können, in das astralische Licht hineinzuschreiben.
 
Und diese Fähigkeit hing im Laufe der Menschheitsentwickelung von verschiedenerlei ab. Ich will zunächst von ganz alten Zeiten ab­sehen. Von der ersten nachatlantischen Epoche, der urindischen, will ich absehen, da war die Sache etwas anders. Aber ich will mit der urpersi­schen Epoche beginnen, in dem Sinne, wie ich sie in meinem «Umriß einer Geheimwissenschaft» beschrieben habe. Da gab es instinktives Heilsehen, da gab es Erkenntnisse über die göttlich-geistigeWelt, und sie konnten dadurch ins astralische Licht hineingeschrieben werden, so daß der Mensch sie auch schauen konnte, daß die Erde, die feste Erde einen Widerstand gab. Das Schreiben geschieht natürlich mit den Geist-Organen, aber die Geistorgane brauchen einen Widerstand. Nicht auf die Erde wird selbstverständlich dasjenige geschrieben, was in dieser Weise geschaut wird, in das astralische Licht wird es geschrieben, aber die Erde bildet einen entsprechenden Widerstand. Und dadurch, daß der Widerstand der Erde in der urpersischen Epoche von den Erkennen­den gefühlt werden konnte, dadurch waren ihnen die Erkenntnisse, die sie aus ihrem Innern schöpften, auch zu Schauungen geworden.
 
In der nächsten Epoche, in der ägyptisch-chaldäischen Epoche, konnte alles, was an Erkenntnissen von den Eingeweihten aus der Seele heraus geschöpft wurde, durch das flüssige Element in das Astrallicht ein­geschrieben werden. Sie müssen sich das jetzt nur richtig vorstellen. Der Eingeweihte der urpersischen Epoche schaute auf die feste Erde hin, und überall, wo Pflanzen waren, wo Steine waren, spiegelte ihm das Astrallicht seine eigene Anschauung zurück. Der Eingeweihte der ägyp­tisch-chaldäischen Epoche schaute ins Meer, in den Fluß, er schaute auch in den herabströmenden Regen, in den aufsteigenden Nebel. Er sah,
 
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wenn er in den Fluß, wenn er in das Meer sah, die dauernden Geheim­nisse. Diejenigen Geheimnisse, die sich auf Vergängliches beziehen, auf das Schaffen der Götter im Vergänglichen, die schaute er in dem herabströmenden Regen, in dem aufsteigenden Nebel. Sie müssen nur durchaus sich bekannt machen mit der Vorstellung, daß jene prosaisch nüchterne Art, wie wir heute Regen und Nebel wahrnehmen, nicht die der Alten war. Den Alten sagten Regen und Nebel viel; sie enthüllten ihnen die Geheimnisse der Götter.
 
Und in der griechisch-lateinischen Periode, da waren die Schau­ungen wie eine Fata Morgana in der Luft. Der Grieche sah auch seinen Zeus, seine Götter im Astrallichte, aber er hatte das Gefühl, daß das Astrallicht ihm die Götter spiegelte unter entsprechenden Umständen. Daher versetzte er seine Götter an Orte, an denen eben die Luft in ent­sprechender Weise einen Widerstand für die Einschreibungen in das Astrallicht bieten konnte. Und so blieb es bis ins vierte nachchristliche Jahrhundert.
 
Es waren durchaus sogar unter den ersten Kirchenvätern, nament­lich den griechischen Vätern, viele - das kann sogar noch aus ihren Schriften nachgewiesen werden -, welche diese Fata Morgana der eige­nen Schauungen durch den Widerstand der Luft im Astrallichte schau­ten, welche also eine klare Erkenntnis davon hatten, daß aus dem Menschen heraus durch die Natur sich das göttliche Wort, der Logos, offenbarte. Dann wurde das immer schwächer und schwächer. Und Nachklänge waren noch vorhanden bei einigen besonders begnadeten Menschen bis ins zwölfte, dreizehnte Jahrhundert herein. Als aber die abstrakte Erkenntnis kam, als die Zeit kam, in der die Menschen nur angewiesen waren auf die logische Gedankenfolge und dasjenige, was sich aus der Sinnesbeobachtung ergibt, da boten nicht Erde und nicht Wasser und nicht Luft einen Widerstand für das Astrallicht, sondern einzig und allein das Element des Wärmeäthers.
 
Sehen Sie, das wissen natürlich diejenigen nicht, die ganz in abstrak­ten Gedanken aufgehen, daß diese abstrakten Gedanken doch auch eingeschrieben werden ins Astrallicht. Sie werden es. Aber indem sie eingeschrieben werden, bietet für sie einzig und allein das Element des Wärmeäthers das Widerstehende.
 
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Nun ist folgendes der Fall. Erinnern wir uns, daß in der urpersischen Epoche die Menschen die feste Erde als Widerlage hatten, um die Ein­tragungen ins Astrallicht zu sehen. Dasjenige, was in solcher Weise im Astrallichte enthalten ist, daß die feste Erde die Widerlage bietet, das strahlt weiter. Aber es strahlt nur bis zur Mondensphäre. Weiter geht es nicht. Von da aus strahlt es wieder zurück, so daß es sozusagen bei der Erde bleibt. Man sieht die Geheimnisse sich spiegeln durch die Erde. Sie bleiben, weil die Mondensphäre drückt. Gehen wir nach der ägyptisch-chaldäischen Periode: Das Wasser (blau) auf der Erde spie­gelt; dasjenige, was da gespiegelt wird, geht bis zur Saturnsphäre. Die drückt; dadurch ist die Möglichkeit vorhanden, daß der Mensch mit seinen Schauungen auf Erden zusammen bleibt.
 
Gehen wir in die griechisch-lateinische Periode, also noch bis ins zwölfte, dreizehnte Jahrhundert, so waren die Schauungen im Astral-licht durch die Luft eingetragen. Das geht eigentlich bis zum Ende der Weltensphäre, dann kehrt es um. Es ist am flüchtigsten, es ist am un­dichtesten, aber es ist doch noch so, daß der Mensch vereinigt bleibt mit seinen Schauungen. Die Eingeweihten aller dieser Zeiten konnten
 
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jederzeit sich sagen: Dasjenige, was wir als Schauung gehabt haben durch Erde, Wasser, Luft, das ist da, das gibt es. - Als aber jetzt die neueste Zeit kam, da war nur das Element des Wärmeäthers noch das Widerstehende. Aber das Element des Wärmeäthers trägt alles das, was in es eingeschrieben wird, in die Weltenweiten hinaus, aus dem Raume hinaus in die geistigen Welten hinein. Es ist nicht mehr da.
 
Und es ist schon so: Wenn Sie den allerpedantischsten Professor heute sehen, der Ideen hat - Ideen muß er allerdings haben, das müßte ja immer erst untersucht werden im einzelnen Falle, weil er sie sehr selten hat -, aber wenn er Ideen hat, sind sie durch den Wärmeäther im astralischen Licht eingetragen. Aber der Wärmeäther ist etwas Flüchtiges, Verfließendes. Alles geht gleich durcheinander. Die Dinge gehen hinaus in die Weltenweiten.
 
Solch eine Persönlichkeit wie Christian Rosenkreuz wußte um die Tatsache, daß die Eingeweihten der alten Zeiten mit ihren Schauungen zusammengelebt haben, daß sie sich dasjenige, was sie geschaut hatten, dadurch bekräftigt haben, daß sie wußten: Es ist da, es reflektiert sich irgendwo am Himmel, sei es in der Monden-, sei es in der Planeten-sphäre, sei es am Weltenall-Ende. Es reflektiert sich. - Nun reflektierte sich nichts. Nichts reflektierte sich für das unmittelbare wache An­schauen. Die Leute konnten jetzt Ideen finden über die Natur, das kopernikanische Weltensystem konnte entstehen, alle Ideen konnten gefunden werden: sie versprühen im Wärmeäther in die Weltenweiten hinaus.
 
Da kam es denn, daß Christian Rosenkreuz auf die Eingebung eines höheren Geistes den Weg fand, doch nun die Rückstrahlung wahr­zunehmen, trotzdem es sich handelte um Rückstrahlung durch den Wärmeäther. Das geschah dadurch, daß andere dumpfe, unterbewußte, schlafähnliche Zustände des Bewußtseins zu Hilfe genommen wurden, Zustände, in denen der Mensch auch normalerweise außer seinem Leibe ist. Da konnte man wahrnehmen, daß zwar nicht im Raume, aber doch in der Welt, in der geistigen Welt das eingeschrieben ist, was mit den modernen abstrakten Ideen über die Dinge erkundet wird. Und so stellte sich für die Rosenkreuzerei das Merkwürdige heraus, daß wie in einem Übergangsstadium diese Rosenkreuzer sich bekannt machten
 
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mit allem, was über die Natur in der Zeitepoche erforscht werden konnte. Das nahmen sie in sich auf, verarbeiteten es so, wie nur ein Mensch es verarbeiten kann. Sie hatten wirklich dasjenige, was die anderen nur zur Wissenschaft machten, bis zur Weisheit getrieben. Dann bewahrten sie es in ihrer Seele und versuchten, in einer möglich­sten Reinheit nach intimen Meditationen hinüberzuschlafen. Und dann geschah es, daß ihnen die geistig-göttlichen Welten - nicht das Welten-ende, aber die geistlich-göttlichen Welten-zurückbrachten dasjenige, was in abstrakten Ideen erfaßt wurde, in einer geistig konkreten Sprache.
 
In Rosenkreuzerschulen wurde zum Beispiel das Kopernikanische Weltensystem gelehrt; aber in besonderen Bewußtseinszuständen kamen die Ideen desselben so zurück, wie ich es in diesen Tagen hier erklärt habe. So daß in der Tat gerade von den Rosenkreuzern eingesehen wurde, daß dasjenige, was man zunächst in der modernen Erkenntnis erhält, erst gewissermaßen den Göttern entgegengetragen werden muß, damit sie es in ihre Sprache umsetzen und es den Menschen wieder­geben.
 
Daß das sein kann, ist ja bis in die Gegenwart geblieben. Denn es ist so, meine lieben Freunde: Studieren Sie heute, indem sie von dem hier gemeinten rosenkreuzerischen Initiationsprinzip berührt worden sind, den Haeckelismus mit all seinem Materialismus, studieren Sie ihn und lassen Sie sich durchdringen von dem, was Erkenntnismethoden sind nach «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?»: Was Sie in Haeckels «Anthropogenie» über die menschlichen Vorfahren in einer Sie vielleicht abstoßenden Weise lernen, lernen Sie es in dieser ab-stoßenden Weise, lernen Sie alles dasjenige darüber, was man durch äußere Naturwissenschaft lernen kann, und tragen Sie das dann den Göttern entgegen, und Sie bekommen dasjenige, was in meinem Buche «Geheimwissenschaft» über die Evolution erzählt ist. Das ist, sehen Sie, der Zusammenhang zwischen dem schwachen, matten Wissen, das der Mensch mit seinem physischen Leibe hier erwerben kann, und dem, was ihm mit der gehörigen Gesinnung, mit der gehörigen Vorbereitung durch dieses Gelernte die Götter geben können. Aber der Mensch muß ihnen dasjenige, was er auf der Erde lernen kann, entgegenbringen, denn die Zeiten sind eben andere geworden.
 
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Noch ein anderes ist ja eingetreten. Heute kann ein Mensch so viel er will streben: so aus sich heraus schöpfen, wie es die alten Eingeweih­ten getan haben, kann er nicht mehr. Es gibt die Seele nicht in der­selben Weise noch etwas her, wie sie es hergegeben hat dem alten Ein­geweihten. Das wird alles unrein, das wird alles von Instinkten durch­drungen, wie es bei den spiritistischen Medien zutage tritt, wie es auch sonst in krankhaften, pathologischen Zuständen zutage tritt. Dasjenige, was nur aus dem Innern kommt, das wird alles unrein, denn die Zeit für dieses Aus-dem-Innern-Schöpfen ist vorüber. Sie war schon vor­über mit dem zwölften, dreizehnten Jahrhundert, denn es ist so, daß man das, was geschehen ist, annähernd in folgender Art ausdrücken kann.
 
Die Eingeweihten der urpersischen Epoche haben ja vieles in das Astrallicht mit Hilfe des Widerstandes der Erde hineingeschrieben. So war denn, als der erste Eingeweihte der urpersischen Epoche auftrat, eigentlich das ganze für die Menschen bestimmte Astrallicht wie eine unbeschriebene Tafel. Wie gesagt, ich werde später noch sprechen von der urindischen Epoche, aber ich will heute nur bis zu der urpersischen zurückkehren. Es war die ganze Natur, alle Elemente, Festes, Flüssiges, Luftförmiges, Wärmeartiges eine unbeschriebene Tafel. Nun schrieben die Eingeweihten der urpersischen Epoche so viel auf diese Tafel, als man schreiben kann durch den Widerstand der Erde. Da waren zu­nächst die von den Göttern an die Menschen kommen sollenden Ge­heimnisse in das astralische Licht hineingeschrieben. Die Tafel war bis zu einem gewissen Maße beschrieben, zu einem anderen Maße noch leer. Es konnten die Eingeweihten der ägyptisch-chaldäischen Epoche kommen und konnten auf ihre Art weiterschreiben, indem sie ihre Schauungen durch den Widerstand des Wassers erlangten. Ein anderer Teil der Tafel wurde beschrieben.
 
Es kamen die griechischen Eingeweihten. Sie beschrieben den dritten Teil der Tafel. Nun ist die Naturtafel vollgeschrieben. Sie war mit dem dreizehnten, vierzehnten Jahrhundert ganz vollgeschrieben. Man fing an, in den Wärmeäther hineinzuschreiben. Der aber versprüht. Man schrieb eine Zeitlang in den Wärmeäther hinein, bis ins neun­zehnte Jahrhundert herein. Man ahnte gar nicht, daß das auch im
 
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astralischen Lichte steht. Aber jetzt ist die Zeit, wo die Menschen ein­sehen müssen: nicht aus sich heraus im alten Sinne können sie die Ge­heimnisse der Welt finden, sondern dadurch, daß sie ihr Gemüt so vor­bereiten, daß sie nun das, was schon ganz vollgeschrieben ist auf der Tafel, lesen können. Dazu muß man sich heute vorbereiten, dazu muß man sich heute reif machen, daß man nicht aus sich heraus schöpft wie die alten Eingeweihten, sondern daß man im Astrallichte lesen kann, was darinnen steht. Dann wirkt inspirierend gerade dasjenige, was man aus dem Wärmeäther heraus bekommt. Und dann wirkt das, was man aus dem Wärmeäther bekommt, dadurch, daß einem die Götter entgegenkommen und einem in der Realität entgegentragen, was man sich hier auf der Erde erarbeitet hat, dann wirkt es wiederum zurück auf dasjenige, was auf der geschriebenen Tafel steht durch Luft, Wasser, Erde.
 
Und so ist tatsächlich heute die Naturwissenschaft die Grundlage für das Schauen. Lernt man erst durch Naturwissenschaft die Eigentüm­lichkeiten von Luft, Wasser, Erde kennen und erlangt man die inneren Fähigkeiten, dann strömt heraus, indem man schaut in das Luftige, in das Wäßrige, indem man schaut in das Erdige, es strömt heraus das Astrallicht. Aber es strömt nicht heraus wie ein unbestimmter Nebel, es strömt so heraus, daß man die Geheimnisse des Weltendaseins und des Menschenlebens drinnen lesen kann. Was lesen wir denn?
 
Wir lesen heute als Menschheit dasjenige, was wir selber hinein­geschrieben haben. Denn was heißt denn das: die alten Griechen, die alten ägyptisch-chaldäischen, die persischen Menschen haben es ein­geschrieben? Das heißt ja: Wir selber haben es hineingeschrieben in unseren früheren Erdenleben.
 
Sehen Sie, geradeso wie unser Gedächtnis, unser inneres Gedächtnis für die gewöhnlichen Dinge, die wir im Erdenleben erfahren, uns be­wahrend ist, so ist es das astralische Licht mit dem, was wir hinein­geschrieben haben, was um uns herum sich ausbreitet, was eine be­schriebene Tafel darstellt mit Bezug auf die Geheimnisse, die wir sel­ber hineingeschrieben haben. Das ist zugleich dasjenige, was wir lesen müssen, wenn wir wiederum auf die Geheimnisse kommen wollen. Es ist eine Art von Evolutionsgedächtnis, das da auftreten muß in der
 
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Menschheit. Und es muß allmählich ein Bewußtsein davon entstehen, daß ein solches Evolutionsgedächtnis da ist, daß eigentlich heute die so lesen muß, wie wir im späteren Alter in unserer Jugend lesen durch Menschheit in bezug auf ihre-früheren Kulturepochen im Astrallichte unser gewöhnliches Gedächtnis. Weil dies zum Bewußtsein der Men­schen kommen soll, habe ich gerade die Vorträge, die ich während der Weihnachtszeit hier gehalten habe, so gehalten, daß Sie daran sehen konnten: Es handelt sich wirklich darum, Geheimnisse, die wir heute brauchen, aus dem Astrallichte heraus zu holen. - Es ist also die alte Einweihung wesentlich auf das Subjektive gegangen. Die neue Ein­weihung geht auf das Objektive. Das ist der große Unterschied. Denn das Subjektive ist alles in die äußere Welt hineingeschrieben, was Göt­ter in den Menschen hineingeheimnißt haben. Was sie hineingeheim­nißt haben in seinen Empfindungsleib, es ist herausgekommen in der urpersischen Epoche. Was sie hineingeheimnißt haben in seine Emp­findungsseele, es ist herausgekommen während der ägyptisch-chaldäi­schen Periode. Was sie hineingeheimnißt haben in seine Gemüts- oder Verstandesseele, es ist herausgekommen während der griechischen Epoche. Aber die Bewußtseinsseele, die wir nun entwickeln sollen, sie ist selbständig, sie setzt nichts mehr aus sich heraus. Aber sie steht gegenüber demjenigen, was schon da ist. Wir müssen als Menschen unsete Menschheit im astralischen Lichte wiederfinden.
 
Das ist das Eigentümliche der Rosenkreuzerei, daß diese Rosen­kreuzerei in einer Übergangszeit dabei stehen bleiben mußte, in gewisse traumhafte Zustände hineinzukommen und gewissermaßen die höhere Wahrheit desjenigen zu träumen, was die Wissenschaft nüchtern hier in der Natur findet. Das ist aber das Eigentümliche seit dem Beginn der Michael-Epoche, seit dem Ende der siebziger Jahre im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts, daß dasselbe, was während der alten Rosenkreuzer-Zeit in der geschilderten Weise erreicht worden war, nun in bewußter Weise erreicht werden kann. So daß man heute sagen kann: Es braucht nicht mehr jenen anderen Zustand, der halbbewußt ist, aber es braucht einen höheren bewußten Zustand. Und dann, dann kann man mit den Naturerkenntnissen, die man sich erwirbt, hinein-tauchen in die höhere Welt, und das, was man sich als Naturerkenntnis
 
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erworben hat, das taucht einem entgegen aus der höheren Welt; indem man das ins Astrallicht Eingeschriebene wieder liest, taucht es einem entgegen in geistiger Realität. Und das, was man da tut, daß man hinaufträgt in eine geistige Welt die hier errungenen Naturerkennt­nisse oder auch die Schöpfungen der naturalistischen Kunst, oder auch die Empfindungen der naturalistisch im Innern der Seele wirkenden Religion - denn im Grunde ist ja auch die Religion naturalistisch ge­worden -, indem man das alles hinaufträgt, begegnet man in der Tat, wenn man die Fähigkeiten dazu entwickelt, Michael. Und so kann man sagen: Die Rosenkreuzerei ist dadurch gekennzeichnet, daß ihre er­leuchtetsten Geister eine starke Sehnsucht hatten, Michael zu begegnen. Sie konnten es nur wie im Traume. Seit dem Ende des letzten Drittels des neunzehnten Jahrhunderts können die Menschen in bewußter Weise im Geiste Michael begegnen.
 
Aber Michael ist eben eine eigenartige Wesenheit. Michael ist eine Wesenheit, die eigentlich nichts offenbart, wenn man ihr nicht aus emsiger geistiger Arbeit von der Erde aus etwas entgegenbringt. Michael ist ein schweigsamer Geist. Michael ist ein in sich verschlosse­ner Geist. Während die anderen der regierenden Erzengel vielredende Geister sind - im geistigen Sinne natürlich -, ist Michael ein durchaus verschlossener Geist, ein wenig redender Geist, der höchstens spärliche Direktiven gibt. Denn das, was man von Michael erfährt, ist eigent­lich nicht das Wort, sondern - wenn ich mich so ausdrücken darf - der Blick, die Kraft des Blickes. Und das beruht darauf, daß eigentlich Michael sich am meisten zu tun macht mit demjenigen, was die Men­schen aus dem Geistigen heraus schaffen. Er lebt in den Folgen des von den Menschen Geschaffenen. Die anderen Geister leben mehr mit den Ursachen, Michael lebt mehr mit den Folgen. Die anderen Geister im-pulsieren im Menschen dasjenige, was der Mensch tun soll. Michael wird der eigentlich geistige Held der Freiheit sein. Er läßt die Men­schen tun, aber nimmt dann das, was aus Menschentaten wird, auf, um es weiter fortzutragen im Kosmos, um dasjenige, was Menschen damit noch nicht wirken können, weiterzuwirken im Kosmos.
 
Man hat anderen Wesenheiten aus der Hierarchie der Archangeloi gegenüber das Gefühl: von ihnen kommen die Impulse, das oder jenes
 
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zu tun; im größeren oder geringeren Grade kommen von ihnen die Impulse. Aber Michael ist derjenige Geist, von dem zunächst nicht Impulse kommen, weil seine wirklich repräsentative Herrschaftsperiode diejenige ist, die jetzt kommt, wo die Dinge aus der menschlichen Frei­heit kommen. Wenn aber der Mensch aus seiner Freiheit heraus, an­geregt durch das Lesen des Astrallichtes, bewußt oder unbewußt dies oder jenes tut, so trägt Michael das, was menschliche Erdentat ist, in den Kosmos hinaus, daß es kosmische Tat wird. Er kümmert sich um die Folgen, andere Geister mehr um die Ursachen.
 
Aber Michael ist nicht nur ein verschlossener, schweigsamer Geist, Michael kommt, indem er an den Menschen herantritt, mit einer deut­lichen Abweisung von vielem an den Menschen heran, in dem der Mensch heute noch auf Erden lebt. So zum Beispiel alles das, was sich im Menschen- oder im Tierleben oder im Pflanzenleben an Erkennt­nissen bildet, die auf die vererbten Eigenschaften gehen, die auf das­jenige gehen, was sich in der physischen Natur forterbt, das ist so, daß es einem vorkommt: Michael stößt es abweisend von sich. Er will da­mit zeigen, daß solche Erkenntnisse dem Menschen für die geistige Welt nichts fruchten können. Nur was der Mensch unabhängig von dem rein Vererbbaren in der Menschheit, in der Tierheit, in der Pflanz­heit findet, das läßt sich vor Michael hinauftragen. Und da bekommt man nicht die so vielsagende abweisende Handbewegung, sondern man bekommt den zustimmenden Blick, der einem sagt: Das ist gerecht gedacht vor der Lenkung des Kosmos. - Denn das ist dasjenige, was man immer mehr und mehr erstreben lernt: gewissermaßen zu sinnen, um durchzustoßen bis zum astralischen Lichte, zu schauen die Geheim­nisse des Daseins, und dann vor Michael hinzutreten und den zustim­menden Blick zu bekommen, der einem sagt: Das ist richtig, das ist gerecht vor der Lenkung des Kosmos.
 
Und so ist es bei Michael, daß er eine strenge Abweisung für alles das hat, was auch zum Beispiel das Trennende der menschlichen Spra­chen ist. Solange man seine Erkenntnisse in die Sprache nur einhüllt, sie nicht hinaufträgt in den Gedanken, so lange kommt man nicht in die Nähe des Michael. Daher besteht auch heute in der geistigen Welt im Grunde genommen ein vielbedeutsamer Kampf. Denn auf der
 
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einen Seite ist eben hereingetreten in die Menschheitsentwickelung der Michael-Impuls: er ist da; aber auf der anderen Seite ist innerhalb der Menschheitsentwickelung vieles, was diesen Michael-Impuls eben nicht aufnehmen will, was diesen Michael-Impuls zurückweisen will. Und zu dem, was diesen Michael-Impuls zurückweisen will, gehören zum Beispiel heute die Nationalitätsempfindungen. Sie loderten auf im neunzehnten Jahrhundert, wurden stark im zwanzigsten Jahrhundert immer mehr und mehr. Nach dem Nationalitätsprinzip ist in der letz­ten Zeit viel, man kann nicht sagen, geordnet, sondern geunordnet worden. Es ist eben wirklich geunordnet worden. Das alles widerstrebt im furchtbarsten Sinne dem Michael-Prinzip. Das alles enthält ahri­manische Kräfte, die entgegenstreben dem Hereinwirken, dem Herein­impulsieren der Michael-Kräfte in das Erdenleben des Menschen. Und so schaut man denn heute diesen Kampf von nach oben anstürmenden ahrimanischen Geistern, die das nach oben tragen möchten, was aus den vererbten Nationalitätsimpulsen herauskommt, und was Michael streng abweist, zurückweist.
 
Es ist in der Tat heute nach dieser Richtung hin der lebhafteste Geisteskampf vorhanden, weil über einen großen Teil der Menschheit das ja ausgegossen ist, daß nicht Gedanken vorhanden sind, sondern daß die Menschen in Worten denken. So aber in Worten denken ist kein Weg zu Michael. Zu Michael kommt man nur, wenn man durch die Worte hindurch zu wahren inneren Geist-Erlebnissen kommt, wenn man nicht an den Worten hängt, sondern zu wahren inneren Geist-erlebnissen kommt. Das ist ja in der Tat das Geheimnis der modernen Einweihung: über die Worte hinauszukommen zum Erleben des Gei­stigen. Das ist nichts, was gegen die Empfindung der Schönheit der Sprache verstößt. Denn gerade dann, wenn man nicht mehr in der Sprache denkt, dann fängt man an, die Sprache zu empfinden und als Empfindungselement in sich und von sich strömen zu haben. Aber das ist etwas, was von dem Menschen heute erst angestrebt werden muß.
 
Es ist vielleicht zunächst von den Menschen gar nicht für die Sprache zu erringen, sondern zuerst durch die Schrift. Denn auch in bezug auf die Schrift ist es so, daß die Menschen nicht die Schrift haben, sondern die Schrift die Menschen hat. Was heißt das, die Schrift hat die Menschen?
 
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Das heißt, man hat im Handgelenk, in der Hand einen bestimm­ten Schriftzug. Man schreibt mechanisch aus der Hand heraus. Das fesselt den Menschen. Ungefesselt wird der Mensch dann, wenn er so schreibt, wie er malt oder zeichnet, wenn ihm jeder Buchstabe neben dem anderen etwas wird, was er zeichnet:
 
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wo nicht das, was man gewöhnlich eine Handschrift nennt, vorhanden ist, sondern wo man die Form des Buchstabens zeichnet, wo man sich also objektiv zum Buchstaben verhält, so daß das Wesentliche das An­schauen ist.
 
Aus diesem Grunde war es, warum - so paradox das heute er­scheint - in gewissen Rosenkreuzer-Schulen das Schreibenlernen bis zum vierzehnten, fünfzehnten Lebensjahre untersagt war, so daß diese Form, dieser Mechanismus, der sich in der Schrift entlädt, nicht in den menschlichen Organismus hineingekommen ist, sondern daß erst, wenn die Anschauung ausgebildet war, der Mensch an die Buchstabenform herangekommen ist; und dann sollte er sogleich, wenn er die konven­tionellen Buchstaben lernte, die man für den menschlichen Umgang braucht, auch andere lernen, die spezifischen Rosenkreuzer-Buchstaben, die man als Geheimschrift ansieht, von der man sagt, das ist eine 9e-heimschrift. Sie war nicht als Geheimschrift gemeint, sie war so ge­meint, daß man für ein A zu gleicher Zeit lernen sollte ein anderes Zeichen: 0, damit man nicht haftete an dem einen Zeichen, sondern loskam von den Zeichen, und gewissermaßen einem das A als Laut etwas Höheres wurde als dieses A- und dieses Zeichen, während sich sonst der Buchstabe des A identifiziert mit dem, was als A schwebend, webend als Laut sich uns entringt.
 
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Und mit der Rosenkreuzerei kam da auch viel in das Volk hinein. Denn es war ein Hauptgrundsatz der Rosenkreuzerei, daß von den kleinen Kreisen, in denen die Leute vereinigt waren, diese Leute aus-zogen in die Welt, wie ich schon gesagt habe, indem sie zumeist die Tätigkeit des Arztes ausübten, aber während sie Ärzte waren, in weiten Kreisen, wo sie hinkamen, Erkenntnisse verbreiteten. Es war so, daß mit diesen Erkenntnissen sich aber auch gewisse Gesinnungen verbreiteten, Gesinnungen, die man überall antrifft, wo die Spuren der Rosenkreu­zerei sind. Sie nehmen manchmal groteske Formen an, diese Gesinnun­gen. Aber tatsächlich, eine dieser Gesinnungen war diejenige, die darin zum Ausdrucke kam, daß man diese ganze moderne Art, sich zum Schreiben und zum Drucken gar zu verhalten, als eine schwarze Kunst ansah. Denn in der Tat, nichts hindert einen mehr, im Astrallichte zu lesen, als das gewöhnliche Schreiben. Dieses Fixieren auf künstliche Art, das hindert einen ja sehr, im Astrallichte zu lesen. Man muß das immer erst überwinden, dieses Schreiben, wenn man im Astrallichte lesen will.
 
Und da kommen zwei Dinge zusammen, von denen ich eines vor einiger Zeit genannt habe: daß der ganze Mensch mit innerer Tätigkeit beim Produzieren der geistigen Erkenntnisse dabei sein soll. Ich legte Ihnen das Bekenntnis ab, daß ich viele Notizbücher habe, in denen ich aufschreibe oder aufzeichne das, was sich mir ergibt. Ich schaue sie dann gewöhnlich nicht mehr an. Aber dadurch, daß man nicht den Kopf, sondern den ganzen Menschen betätigt, dadurch kommen diese auch den Menschen ergreifenden Erkenntnisse heraus. Derjenige, der das tut, der gewöhnt sich nach und nach auch an, wirklich nicht viel zu geben auf das, was er physisch sieht im Fixierten, sondern bei der Tätigkeit stehenzubleiben, um sich nicht die Fähigkeit zu verderben, nun im Astrallichte zu schauen. Aber auch einfach dadurch, daß man sich zurückhält und möglichst beim Fixieren in gewöhnlicher Schrift nicht an dem haftet, was Schrift ist, sondern entweder nach dem Ge­fallen an den Buchstaben zeichnet - dann ist es ja so, wie wenn man malt, dann ist es eine Kunst -, oder aber, daß man nicht reflektiert auf das, was man aufschreibt. Dadurch erwirbt man sich die Fähigkeit, die Eindrücke, die Impressionen des Astrallichtes sich nicht zu verderben.
 
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Wenn man also genötigt ist, in der Weise sich zur Schrift zu ver­halten, wie das heute der Fall ist, dann verdirbt man sich den geistigen Fortschritt. Daher ist es ja so, daß bei unserer Waldorfschul-Pädagogik gerade darauf ein großer Wert gelegt wird, daß die Menschen mit dem Schreiben nicht so weit kommen, wie es heute bei der profanen Päd­agogik der Fall ist, daß wirklich der Mensch im Geistigen herinnen bleiben kann. Denn das ist notwendig.
 
Es muß wiederum die Welt dazu kommen können, das Einweihungs­prinzip als solches unter die Zivilisationsprinzipien aufnehmen zu kön­nen. Denn nur dadurch kommt eben das zustande, daß der Mensch hier aüf Erden in seiner Seele etwas ansammelt, mit dem er hintreten kann vor Michael, so daß der zustimmende Blick ihn trifft: Das ist weltgerecht. - Dann wird dadurch der Wille befestigt, der Mensch ein­gegliedert in den geistigen Fortgang der Welt. Dann wird dadurch der Mensch ein Mitarbeiter desjenigen, was durch Michael, jetzt beginnend in der Michael-Epoche, in die Menschheits- und Erdenentwickelung eingefügt werden soll.
 
Es sind also viele, viele Dinge, welche zu berücksichtigen sind, wenn der Mensch in der richtigen Weise über jenen Abgrund hinübersetzen will, von dem ich gestern gesprochen habe, und an dem im Grunde genommen ein Hüter steht. Wie dieser Abgrund sich auftat in den vier­ziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, wie sich nun unter dem Einflusse solcher Erkenntnisse, wie ich sie heute wieder dargelegt habe, der Mensch, rückschauend zu diesem Abgrund, zu diesem Hüter ver­halten kann, davon werden dann die nächsten Vorträge handeln.
 
= DAS OSTERFEST ALS EIN STÜCK MYSTERIENGESCHICHTE DER MENSCHHEIT =
= ERSTER VORTRAG Dornach, 19. April 1924 =
<nowiki>#</nowiki>G233-1962-SE249 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung
 
<nowiki>#</nowiki>TI
 
DAS OSTERFEST
 
ALS EIN STÜCK MYSTERIENGESCHICHTE
 
DER MENSCHHEIT
 
ERSTER VORTRAG
 
Dornach, 19. April 1924
 
<nowiki>#</nowiki>TX
 
Das Osterfest wird von zahlreichen Menschen als etwas empfunden, das zusammenhängt auf der einen Seite mit den tiefsten Gefühlen und Empfindungen der Menschenseele, zusammenhängt aber auf der an­deren Seite auch mit Weltengeheimnissen und Weltenrätseln. Man muß ja aufmerksam werden auf die Tatsache des Zusammenhanges des Osterfestes mit Weltengeheimnissen und Weltenrätseln dadurch, daß das Osterfest ein sogenanntes bewegliches Fest ist, das alljährlich ausgerechnet werden muß nach jener Sternkonstellation, die wir in diesen Tagen noch genauer besprechen wollen. Man muß aber auch, wenn man verfolgt, wie durch die Jahrhunderte festliche Gebräuche an das Oster­fest geknüpft worden sind, Kulthandlungen, die einer zahlreichen Men­schenschaft außerordentlich nahegehen, man muß auch daraus sehen, welchen ungeheuren Wert die Menschheit allmählich im Verlaufe ihres geschichtlichen Werdens in dieses Osterfest hineingelegt hat.
 
Nun ist das Osterfest in den ersten Jahrhunderten des Christentums, nicht gleich bei der Begründung, aber in den ersten Jahrhunderten des Christentums, ein wichtiges christliches Fest geworden, ein christliches Fest, das zusammenhängt mit dem Grundgedanken, dem Grundirnpuls des Christentums, mit dem Impuls, der sich ergibt für das Christsein durch die Tatsache der Auferstehung Christi.
 
Das Osterfest ist das Auferstehungsfest. Aber das Osterfest weist hin auf ältere als die christlichen Zeiten. Es weist hin auf Feste, die mit der Zeit der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche, die ja wenigstens mit der Berechnung der Osterzeit etwas zu tun hat, zusammenhängen, mit jenen Festen, welche anknüpfen an die neuerwachende Natur, an das sprießende, der Erde wieder entwachsende Leben.
 
Und damit stehen wir an dem Punkte, wo wir, wenn die Dinge gerade zur Sprache kommen sollen, die das Thema dieser Ostervorträge bilden: das Osterfest als ein Stück Mysteriengeschichte der Menschheit, diese Dinge sogleich berühren müssen.
 
Das Osterfest als christliches Fest ist ein Auferstehungsfest. Das entsprechende
 
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heidnische Fest, das ungefähr in dieselbe Jahreszeit fällt wie das Osterfest, ist eine Art Auferstehungsfest der Natur, ein Wieder-herauskommen dessen, was naturhaft die Winterszeit hindurch, wenn ich mich so ausdrücken darf, geschlafen hat. Aber damit kommen wir an denjenigen Punkt, wo wir betonen müssen, daß das christliche Osterfest ganz und gar nicht ein Fest ist, das seinem inneren Sinn und Wesen nach irgendwie zusammenfällt mit den heidnischen Festen der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche, sondern das Osterfest, als christliches Fest gedacht, fällt eigentlich zusammen, wenn wir schon zurückgehen wollen auf die alten Heidenzeiten, mit alten Festen, die aus den Mysterien herausgewachsen sind und die in die Herbsteszeit fallen. Das Allermerkwürdigste in bezug auf die Festsetzung des Oster­festes, das ja gerade durch seinen Inhalt ganz offensichtlich zusammen­hängt mit gewissem altem Mysterienwesen, das Allermerkwürdigste ist:
 
gerade dieses Osterfest erinnert uns daran, welch radikale, welch tiefe Mißverständnisse geschehen sind in der Weltauffassung allerbedeu­tendster Dinge im Verlaufe der Menschheitsentwickelung. Denn es ist ja nichts Geringeres geschehen, als daß das Osterfest verwechselt worden ist im Laufe der ersten christlichen Jahrhunderte mit einem ganz an­deren Feste, daß es dadurch verlegt worden ist von einem Herbstes-feste zu einem Frühlingsfeste.
 
Diese Tatsache weist eigentlich auf Ungeheures hin in der Mensch-heitsentwickelung. Aber sehen wir uns einmal den Inhalt dieses Oster­festes an. Was ist sein Wesentliches? Sein Wesentliches ist: Die Wesenheit, die in der Mitte des christlichen Bewußtseins steht, der Christus-Jesus, geht durch den Tod, woran der Karfreitag erinnert. Der Christus-Jesus ruht in dem Grabe die Zeit, welche in dreien Tagen verläuft und welche darstellt die Verbindung des Christus mit dem Erdendasein. Diese Zeit wird als Festeszeit, als Trauerfesteszeit begangen innerhalb des Christentums zwischen dem Karfreitag und dem Ostersonntag. Der Ostersonntag ist dann der Tag, an dem dieses Mittelpunktwesen des Christentums aus dem Grabe ersteht. Der Erinnerungstag daran ist es.
 
Damit haben wir den wesentlichen Inhalt des Osterfestes dargelegt:
 
Tod, Grabesruhe, Auferstehung des Christus-Jesus. Und nun sehen wir
 
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uns zunächst einmal das entsprechende alte heidnische Fest in irgend­einer Gestalt an. Nur dadurch kommen wir zu einer inneren Durch­dringung des Zusammenhanges zwischen Osterfest und Mysterien-wesen. Wir finden an vielen Orten, bei vielen Völkern alte heidnische Feste, welche in ihrer äußeren Struktur, in der Struktur des Kultus, durchaus ähnlich sind der Struktur des Osterinhaltes des Christentums.
 
Nehmen wir aus den mannigfaltigen alten Festlichkeiten das Adonis-fest heraus. Bei gewissen vorderasiatischen Völkern wurde es begangen durch lange Zeiten des vorchristlichen Altertums. Ein Bild bildete den Mittelpunkt. Auf diesem Bilde war dargestellt Adonis, der geistige Repräsentant alles dessen, was im Menschen sprießende Jugendkraft ist, der Repräsentant alles dessen, was im Menschen sich als die Schön­heit darstellt.
 
Gewiß, die alten Völker haben in mancher Beziehung verwechselt das, was eine Abbildung enthielt, mit demjenigen, was die Abbildung darstellte. Und so haben ja diese alten Religionen vielfach den Charak­ter des Fetischismus. Viele Menschen sahen in dem Bilde den gegen­wärtigen Gott der Schönheit, der Jugendkraft des Menschen, der sich entwickelnden Keimeskraft, die in glanzvollem Dasein nach außen sich offenbart, die alles das im glanzvollen Dasein nach außen offenbart, was der Mensch an innerem Wert, an innerer Würde, an innerer Größe in sich enthält oder auch enthalten kann.
 
Dieses Götterbild wurde unter Gesängen, unter Kulthandlungen, die darstellten tiefste menschliche Trauer, tiefstes menschliches Leid, wenn es an einem Orte geschah, wo Meer in der Nähe war, in die Meeres-fluten gesenkt, wo es drei Tage drinnen zu bleiben hatte, wo ein See war, in den See versenkt; sonst wurde sogar in der Nähe der Myste­rienstätte ein künstlicher Teich angelegt, um dieses Götterbild in diesen Teich zu versenken und es drei Tage lang drinnen zu lassen. Während dieser drei Tage ruhte über dem Ganzen der Gemeinde, die sich zu die­sem Kultus bekannte, die diesen Kultus ihr eigen nannte, tiefster Ernst, tiefste Stille. Nach dreien Tagen wurde das Bild aus dem Wasser geholt. Die vorherigen Trauergesänge wurden in Jubelgesänge, in Hymnen auf den wiedererstandenen Gott, auf den wiederum zum Leben gekom­menen Gott verwandelt.
 
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Das war eine äußerliche Zeremonie, das war eine Zeremonie, die weitesten Kreisen von Menschen das Gemüt tief aufrüttelte. Und diese Zeremonie deutete wiederum eben in einer äußeren Handlung, in einem äußeren Kultusverlauf an, was in den Tiefen der heiligen Mysterien sich abspielte mit jedem Menschen, der zur Initiation, zur Einweihung kommen sollte. Jeder Mensch, der zur Initiation, zur Einweihung kom­men sollte, wurde in diesen alten Zeiten innerhalb der Mysterien in ein besonderes Gemach geführt. Die Wände waren schwarz, der ganze Raum, in dem nichts anderes enthalten war als ein Sarg oder wenig­stens ein sargartiges Gebilde, war düster und dunkel. Und an diesem Sarg wurden von jenen, die den zu Initiierenden hineingeleiteten, Trauergesänge angestimmt, Todesgesänge angestimmt. Der zu Initi­ierende wurde behandelt wie einer, der da stirbt, und ihm wurde begreiflich gemacht, daß er nun, indem er in den Sarg gelegt wird, das­jenige durchzumachen habe, was der Mensch durchrnacht, wenn er durch die Todespforte geht und die nächsten drei Tage verlebt. Die Anordnung war auch so getroffen, daß dem zu Initiierenden zur völligen inneren Klarheit kam, was der Mensch in den ersten drei Tagen nach dem Tode durchmacht.
 
Am dritten Tage erhob sich an einer bestimmten Stelle, auf die hin­schauen konnte der, der in dem Sarge lag, ein Zweig, darstellend das sprießende Leben. Die früheren Trauergesänge verwandelten sich in Hymnen, in Jubelgesänge. Der Betreffende erhob sich aus seinem Grabe mit verwandeltem Bewußtsein. Ihm wurde mitgeteilt eine neue Sprache, eine neue Schrift, die Sprache der Geister, die Schrift der Geister. Er durfte jetzt schauen, er konnte auch schauen die Welt vom Gesichts­punkte des Geistes.
 
Wenn man dieses mit den Einzuweihenden in den Tiefen der Mysterien Veranstaltete verglich mit dem, was als Kultushandlungen draußen vollzogen war, dann war der Inhalt des Kultus bildhaft, aber in seiner ganzen Struktur ähnlich dem, was da geschah mit den aus­erlesenen Menschen innerhalb der Mysterien. Und der Kultus - nehmen wir als den Repräsentanten den speziellen Adoniskultus - der Kultus wurde auch denjenigen, die daran teilnahmen, in entsprechender Zeit erklärt. Dieser Kultus fand ja statt zur Herbsteszeit, und diejenigen, die
 
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an diesem Kultus teilnahmen, wurden etwa in der folgenden Art belehrt: Seht, es ist Herbsteszeit. Die Erde verliert ihren Pflanzen-, ihren Blattesschmuck. Alles welkt hinunter. An die Stelle des grünenden, sprießenden Lebens, das im Frühling begonnen hat, die Erde zu be­decken, wird der die Erde einhüllende Schnee kommen oder wenigstens die die Erde verödende Dürre. Die Natur erstirbt. Aber indem um euch herum alles erstirbt, sollt ihr erleben, was im Menschen zur Hälfte ähn­lich ist dem Sterben, das in aller Natur ringsherum ist. Auch der Mensch stirbt. Auch für ihn kommt ein Herbst. Wenn es mit dem Leben zu Ende geht, dann ist es recht, wenn das menschliche Gemüt derjenigen, die übrig­bleiben, sich erfüllt mit tiefer Trauer. Und damit der ganze Ernst des Durchganges durch den Tod vor eure Seele trete, damit ihr nicht bloß den Tod erlebt, wenn er an euch herantritt, sondern damit ihr euch immer wieder und wiederum an ihn erinnern könnt, so wird eben allherbstlich gezeigt, wie gerade dasjenige göttliche Wesen, das da ist der Repräsen­tant der Schönheit, der Jugend, der Größe des Menschen, wie dieses göttliche Wesen stirbt, wie dieses göttliche Wesen den Gang macht, den alles Naturhafte macht. Aber gerade wenn die Natur in ihre Öde ein­geht, wenn es in der Natur ins Sterben kommt, dann sollt ihr euch erinnern an etwas anderes. Dann sollt ihr euch erinnern, daß der Mensch durch die Pforte des Todes geht, daß, während er hier im irdischen Dasein nur Dinge erlebt hat, die gleich sind denen, die im Herbste ersterben, während er hier im Irdischen nur die Dinge erlebt hat, die vergänglich sind, daß er von der Erde abgezogen wird und in die Weiten des Weltenäthers sich hinauslebt. Er sieht sich immer größer und größer werden, er wird so, daß die ganze Welt sein eigen wird. Er lebt sich hinaus durch drei Tage in das ganze weite Weltenall. Und dann, während das irdische Auge hier hingelenkt ist auf das Bild des Todes, während das irdische Auge hingelenkt ist auf dasjenige, was stirbt, auf das Vergängliche, erwacht drüben im Geiste nach dreien Tagen die unsterblicheMenschenseele. Sie steht drüben auf. Sie steht auf, um drei Tage nach dem Tode geboren zu werden für das Geisterland.
 
In eindringlicher innerer Wandlung wurde dies vollzogen am eigenen Leibe des zu Initiierenden innerhalb der Tiefe der Mysterien. Der be­deutsame Eindruck, der ungeheure Ruck, den das Menschenleben bekam
 
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durch diese alte Art der Initiation - wir werden sehen, daß das in der Neuzeit nicht so vor sich gehen kann, sondern in ganz anderer Weise-, der weckte innere Seelenkräfte, der weckte das Schauen, der brachte den Menschen dahin, zu wissen: er steht nunmehr nicht bloß in der Sinneswelt, er steht nunmehr in der geistigen Welt.
 
Und was wiederum zu einer entsprechenden Zeit als Belehrung an diejenigen herankam, die Schüler der Mysterien waren, das kann ich etwa in die folgenden Worte zusammenfassen. Diesen Schülern der Mysterien wurde gesagt: Was in den Mysterien vorgeht, ist Bild von dem, was in der geistigen Welt vorgeht, was im Kosmos vorgeht; Kultus ist Bild von dem, was in den Mysterien vorgeht. - Denn dessen war sich jeder, der zu den Mysterien zugelassen worden ist, klar: die Mysterien um­schlossen im Irdischen Vorgänge, die am Menschen sich abspielten und die durchaus Abbilder waren dessen, was in den Weiten des astral-geistigen Kosmos von dem Menschen in anderen Daseinsformen erlebt wird als in der irdischen. Denjenigen, die in diesen alten Zeiten nicht zugelassen worden sind zu den Mysterien, weil sie nach ihrer Lebens-reife nicht ausersehen sein konnten, die Anschauung der geistigen Welt unmittelbar zu empfangen, denen wurde im Kultus, das heißt im Bilde, dessen, was in den Mysterien vorging, das Entsprechende bei­gebracht.
 
So war das entsprechende Mysterienfest, das wir an dem Beispiel des Adonisfestes kennengelernt haben, dazu da, während des herbst­lichen Welkens, während des herbstlichen Ödewerdens des Irdischen, während des herbstlichen radikalen Darstellens der Vergänglichkeit der irdischen Dinge, während des herbstlichen Darstellens des Sterbens und des Todes, in dem Menschen die Gewißheit oder wenigstens die Anschauung hervorzurufen: der Tod, der über die ganze Natur im Herbste kommt, der kommt auch über den Menschen, er kommt auch über den Repräsentanten der Schönheit, Jugend und Größe der Men­schenseele, die im Gotte Adonis dargestellt wird. Auch der Gott Adonis stirbt. Er geht auf in den irdischen Repräsentanten des Weltenäthers, in das Wasser. Aber so, wie er sich erhebt aus dem Wasser, so wie er geholt werden kann aus dem Wasser, so wird des Menschen Seele geholt aus den Wassern der Welt, das heißt aus dem Äther des Kosmos, nach
 
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ungefähr dreien Tagen, nachdem der Mensch hier auf Erden durch die Todespforte gegangen ist.
 
Das Geheimnis des Todes selber sollte dargestellt werden in diesen alten Mysterien durch das entsprechende Herbstesfest. Und anschau­lich sollte das Dargestellte dadurch werden, daß der Kultus auf der einen Seite in seiner ersten Hälfte zusammenfiel mit dem Sterben, mit dem Tode der Natur, auf der anderen Seite aber das Gegenteil dar­stellte, als das Wesentliche des Menschenwesens selber. Der Mensch soll hinschauen auf das Sterben der Natur - so war es gemeint-, um gewahr zu werden, wie er nach dem äußeren Scheine stirbt, nach dem inneren Wesen aber aufersteht zunächst für die geistige Welt. Die Wahrheit über den Tod zu enthüllen, das war der Sinn dieses alten heidnischen, an die Mysterien angelehnten Festes.
 
Nun geschah im Laufe der Menschheitsentwickelung dieses Bedeut­same, daß dasjenige, was auf einem gewissen Niveau der Einzuweihende in den Mysterien durchmachte, das Sterben und Wiederauferstehen der Seele, daß das bis zum Leibe hin sich vollzog mit dem Christus-Jesus. Denn wie stellt sich für den Kenner der Mysterien das Mysterium von Golgatha dar? Der Kenner der Mysterien schaut in die alten Mysterien hinein. Er sieht, wie der Einzuweihende seiner Seele nach geführt wurde durch den Tod zur Auferstehung der Seele, das heißt zum Erwecken eines höheren Bewußtseins in der Seele. Die Seele starb, um aufzu-erstehen in einem höheren Bewußtsein. Was hier festgehalten werden muß, das ist, daß der Leib nicht starb, daß die Seele aber starb, um zu einem höheren Bewußtsein erweckt zu werden.
 
Was die Seele eines jeden zu Initiierenden durchmachte, das machte der Christus-Jesus bis zum Leibe durch, also einfach auf einem anderen Niveau. Weil der Christus kein irdischer Mensch, sondern ein Sonnen-wesen im Leibe des Jesus von Nazareth war, konnte dasselbe, was der alte zu Initiierende in den Mysterien seiner Seele nach durchmachte, der ganzen Menschnatur nach durchmachen der Christus-Jesus auf Golgatha.
 
Diejenigen, die noch da waren als Kenner der alten Mysterien, als Wissende dieser Initiationshandlung, sie waren wohl die Menschen, auch bis heute diejenigen Menschen, welche am tiefsten verstanden, was auf Golgatha geschehen war. Denn was konnten sie sich sagen? Sie konnten
 
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sich sagen: Durch Jahrtausende hindurch sind Menschen in die Geheim­nisse der geistigen Welt durch den Tod und die Auferstehung ihrer Seele geführt worden. Die Seele ist von dem Leibe getrennt gehalten worden während der Einweihungshandlung. Sie ist durch den Tod zum ewigen Leben geführt worden. Was da erlebt worden ist von einer Anzahl von auserlesenen Menschen, das hat ein Wesen erlebt bis in den Leib hinein, das bei der Johannestaufe im Jordan heruntergestiegen ist von der Sonne und Besitz ergriffen hat von dem Leibe des Jesus von Nazareth. Geschichtliche Tatsache ist geworden, was sich wiederholende Einweihungshandlung durch lange, lange Jahre hindurch gewesen war.
 
Das war das Wesentliche, daß man wußte: Weil es ein Sonnenwesen war, das Besitz ergriffen hatte von dem Leibe des Jesus von Nazareth, deshalb konnte das, was sich bei den zu Initiierenden nur vollzog in bezug auf die Seele und ihre Erlebnisse, sich vollziehen bis in das Leibes-dasein hinein. Es konnte vollzogen werden, trotz des Todes des Leibes, trotz des Aufgehens des Leibes des Jesus von Nazareth in der sterblichen Erde, eine Auferstehung des Christus, weil dieser Christus höher hin-aufsteigt, als die Seele des zu Initiierenden hinaufsteigen konnte. Den Leib konnte der zu Initiierende nicht in so tiefe Regionen des Unter-sinnlichen bringen, wie ihn der Christus-Jesus gebracht hat. Deshalb konnte der zu Initiierende nicht so hoch hinaufsteigen mit der Auf­erstehung wie der Christus; aber bis zu diesem Unterschiede hinsicht­lich der Weltengröße ist die alte Einweihungshandlung als historische Tatsache erschienen auf der Weihestätte von Golgatha.
 
Es haben auch nur wenige in den ersten Jahrhunderten des Christen­tums gewußt, daß ein Sonnenwesen, ein kosmisches Wesen, in dem Jesus von Nazareth gelebt hat und die Erde dadurch befruchtet worden ist, daß von der Sonne wirklich heruntergekommen ist ein Wesen, das vor­her von der Erde aus durch die Methoden der Initiationsstatten nur in der Sonne hat gesehen werden können. Und es war das Wesentliche des Christentums, insoferne es angenommen haben auch die rechten Kenner der alten Mysterien, daß gesagt werden konnte: Der Christus, zu dem wir uns erhoben haben dadurch, daß wir eingeweiht worden sind, der Christus, den wir durch unseren Aufstieg zur Sonne in den alten Mysterien haben erreichen können, der ist heruntergestiegen in einen
 
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sterblichen Leib, in den Leib des Jesus von Nazareth. Er ist zur Erde heruntergekommen.
 
Es war zunächst, ich möchte sagen, eine festliche Stimmung, mehr als eine festliche Stimmung, eine hochheilige Stimmung, welche diejenigen Seelen und Gemüter erfüllte, die in der Zeit des Mysteriums von Gol­gatha etwas von diesem Mysterium von Golgatha verstanden. Was da ein lebendiger Inhalt des Bewußtseins war, das wurde allmählich durch Vorgänge, die wir noch kennenlernen wollen, ein Erinnerungsfest an den historischen Vorgang auf Golgatha.
 
Aber während sich diese Erinnerung herausbildete, verlor man immer mehr und mehr das Bewußtsein davon, wer der Christus als Sonnen-wesen war. Die Kenner der alten Mysterien konnten sich ja nicht im Unklaren sein über die Wesenheit des Christus. Sie wußten ja, daß die wirklichen Eingeweihten, die wirklichen Initiierten dadurch, daß sie unabhängig gemacht wurden von dem physischen Leibe, in ihrer Seele durch den Tod gingen, sich erhoben bis in die Sonnensphäre und da den Christus aufsuchten und von ihm, von dem Christus in der Sonne, den Impuls zur Auferstehung der Seele empfingen; sie wußten, wer der Christus ist, weil sie sich zu ihm erhoben hatten. Diese alten Initiierten, die Kenner dieser Initiationshandlung, die wußten aus dem, was auf Golgatha vorging, daß dasselbe Wesen, das früher in der Sonne gesucht werden mußte, nun zu den Menschen auf die Erde nieder-gestiegen war. Warum? Weil jene Handlung, die in den alten Mysterien zum Erreichen des Christus in der Sonne mit dem zu Initiierenden voll-zogen war, so nicht mehr vollzogen werden konnte, weil die Menschen-natur einfach im Laufe der Zeit eine andere geworden ist. Die alte Einweihungszeremonie war nach der Entwickelungsart der Menschen­wesenheit eine Unmöglichkeit geworden. Es hätte der Christus durch die alte Einweihungszeremonie in der Sonne nicht mehr gesucht werden können. Da stieg er denn herab, um auf der Erde eine Handlung zu vollziehen, nach welcher nun die Menschen hinschauen konnten.
 
Es gehört das, was sich in dieses Geheimnis schließt, zu dem Aller­heiligsten, das man auf dem Erdenboden aussprechen kann.
 
Denn wie stellte sich eigentlich die Sache für die Menschen der auf das Mysterium von Golgatha folgenden Jahrhunderte dar?
 
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Soll ich das schematisch zeichnen, so müßte ich es so zeichnen: wenn das die Erde ist, so sah man aus einer alten Einweihungsstätte herauf zum Sonnendasein und wurde durch die Initiation den Christus in der Sonne gewahr. Man sah in den Raum hinaus, um an den Christus heranzutreten.
 
Will ich schematisch darstellen, wie die Entwickelung nun in der Folgezeit war, so muß ich die Zeit darstellen, das heißt die Erde - in einem Jahr, im dritten Jahr, fortlaufend in der Zeit; die Erde räumlich ist ja immer da, aber den Zeitenlauf stellen wir so dar. Es hat sich abgespielt das Mysterium von Golgatha. Ein Mensch, der, sagen wir im achten Jahrhundert lebt, statt daß er vom Mysterium aus in die Sonne schaut, um zum Christus zu kommen, schaut jetzt auf die Zeiten-wende bis zum Beginn der christlichen Zeitrechnung, schaut in der Zeit hin nach dem Mysterium von Golgatha; er kann in einer Erdenhand­lung, in einem Erdengeschehen den Christus innerhalb des Mysteriums von Golgatha finden.
 
Was früher räumliche Anschauung war, sollte nun zeitliche An­schauung werden durch das Mysterium von Golgatha. Das war das Bedeutsame, was geschehen war.
 
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Aber gerade, wenn wir auf die Seele wirken lassen, was in den Mysterien bei der Initiation sich abspielte und was ein Bild war vom Tod und von der Auferstehung des Menschen nach dem Tode, und wenn wir dazunehmen die Struktur der Kultushandlungen, zum Bei­spiel des Adonisfestes, die wiederum ein Bild waren dessen, was in den Mysterien vorging, so erscheint uns wie aufs Höchste hinaufgehoben das alles, dieses Dreifache vereinigt, konzentriert in der historischen Handlung auf Golgatha.
 
Äußerlich in der Geschichte erscheint, was tief innerlich in dem Heiligtum der Mysterien sich vollzogen hat. Für alle Menschen ist da, was vorher nur für die Eingeweihten da war. Man braucht kein Bild mehr, das in das Meer versenkt wird, das symbolisch aus dem Meere aufersteht. Man soll vielmehr haben den Gedanken, die Erinnerung an das, was auf Golgatha wirklich geschehen ist. An die Stelle des äußeren Sinnbildes, das sich eben auf einen Vorgang, der im Raum erlebt wurde, bezog, sollte treten das innerlich sinnlich bildlose Geden­ken, das bloß in der Seele erlebte Gedenken an die historische Hand­lung auf Golgatha.
 
Nun werden wir eine merkwürdige Entwickelung der Menschheit in den folgenden Jahrhunderten gewahr. Das Eindringen der Menschen in die Geistigkeit nimmt immer mehr und mehr ab. Der geistige Inhalt des Mysteriums von Golgatha kann nicht Platz greifen in den Gemütern der Menschen. Die Entwickelung geht nach der Ausbildung des mate­riellen Sinnes. Man verliert das innere Herzensverständnis für das Folgende, man verliert das Verständnis dafür, daß da, wo die äußere Natur sich als Vergänglichkeit, sich als ersterbendes ödes Sein darstellt, gerade die Lebendigkeit des Geistes erschaut werden kann. Man ver­liert auch das Verständnis für die äußere Festlichkeit: daß dann, wenn der Herbst mit seinem Sterben kommt, am besten empfunden werden kann, wie dem Sterben des Irdisch-Naturhaften gegenübersteht das Auferstehen des Geistigen.
 
Damit verliert der Herbst die Möglichkeit, Zeit zu sein für das Auferstehungsfest. Der Herbst verliert die Möglichkeit, aus der Natur-vergänglichkeit heraus gerade den Sinn hinzuweisen auf die Geist-Ewigkeit. Man braucht die Anlehnung an das Materielle. Man braucht
 
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die Anlehnung an das, was nicht stirbt in der Natur, was in der Natur aufsprießt, was in der Natur als die Samenkraft, die im Herbste in die Erde versenkt wird, aufersteht. Man nimmt das Materielle als ein Symbolum für das Geistige, weil man sich durch das Materielle nicht mehr anregen lassen kann, das Geistige in seiner Wirklichkeit zu empfinden. Der Herbst hat nicht mehr die Kraft, gegenüber dem Ver­gänglichen im Naturhaften die Unvergänglichkeit des Geistigen durch die innere Macht der Menschenseele zu offenbaren. Man braucht die Anlehnung an die äußere Natur, an die äußere Auferstehung. Man will sehen, wie die Pflanzen sprießen aus der Erde, wie die Sonne an Kraft gewinnt, wie das Licht und die Wärme wiederum an Kraft gewinnen. Man braucht die Auferstehung in der Natur, um den Auferstehungs-gedanken zu feiern.
 
Damit aber verschwindet auch jenes unmittelbare Verhältnis, das verbunden war mit dem Adonisfeste, das verbunden sein kann mit dem Mysterium auf Golgatha. Jenes innere Erlebnis verliert an Kraft, das auftreten kann beim irdischen Tode eines jeden Menschen, wenn die Menschenseele weiß: der Mensch geht irdisch durch die Pforte des Todes, macht durch drei Tage hindurch etwas durch, was den Menschen aller­dings ernst stimmen kann; dann aber muß die Seele innerlich festlich und freudig gestimmt werden, weil sie weiß, daß gerade aus dem Tode heraus sich in geistiger Unsterblichkeit die Menschenseele nach dreien Tagen erhebt.
 
Jene Kraft, welche im Adonisfeste lag, sie ist verlorengegangen. Zunächst war für die Menschheit veranlagt, daß diese Kraft mit einer größeren Intensität erstehen sollte. Man sah hin auf den Tod des Gottes, alles Schönen in der Menschheit, alles Großen, alles Jugend-kraftvollen. Dieser Gott wird in das Meer versenkt am Trauertag, am Chartage. Chara ist Trauer. Man kam in ernste Stimmung, weil man zunächst die Stimmung entwickeln wollte an der Vergänglichkeit des Naturhaften.
 
Dann aber sollte gerade diese Stimmung gegenüber der Vergäng­lichkeit des Naturhaften hinüberwandeln die Menschenseele zu der Stimmung gegenüber dem übersinnlichen Auferstehen der Menschen-seele nach dreien Tagen. Als der Gott wieder herausgehoben wurde,
 
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beziehungsweise sein Bild, da sah nun der richtig unterrichtete Gläubige das Bild der Menschenseele einige Tage nach dem Tode: Was im Geiste geschieht mit den gestorbenen Menschen, siehe da, es stellt sich vor deine Seele hin in dem Bilde des auferstandenen Gottes der Schönheit und Jugendkraft.
 
Dasjenige, was mit dem Menschenschicksal so tief verbunden ist, wurde alljährlich im Herbste unmittelbar im Geiste des Menschen er­weckt. Man hätte es in der damaligen Zeit nicht für möglich gehalten, an die äußere Natur anzuknüpfen. Was im Geiste erlebt werden konnte, das stellte man in der Kultushandlung, in der symbolischen Handlung dar. Als aber gerade das Bild der alten Zeit getilgt werden sollte, als Erinnerung - bildlose, innere, seelisch erlebte Erinnerung an das Mysterium von Golgatha, das dasselbe darstellt - eintreten sollte, da hatte die Menschheit zunächst nicht die Kraft, das zu vollziehen, weil der Geist in die Untergründe der Seele des Menschen ging. Da blieb denn bis in unsere Zeit die Sache so, daß man die Anlehnung an die äußere Natur brauchte. Aber die äußere Natur gibt kein Sinnbild, kein vollständiges Sinnbild vom Schicksale des Menschen im Tode. Der Todesgedanke, er konnte fortleben. Der Auferstehungsgedanke ist im­mer mehr und mehr geschwunden. Und wenn auch von der Auferstehung als einem Glaubensinhalte gesprochen wird, lebendig ist die Auferste­hungstatsache der Menschheit der neueren Zeit nicht. Sie muß es wieder werden, sie muß es dadurch werden, daß anthroposophische Anschau­ung den Menschensinn wieder erweckt für den wahren Auferstehungs-gedanken.
 
Wenn daher auf der einen Seite, wie das zur rechten Zeit gesagt worden ist, dem anthroposophischen Gemüte der Michaelsgedanke naheliegen muß als der ankündigende Gedanke, wenn sich dem anthro­posophischen Gemüte der Weihnachtsgedanke vertiefen muß, dann muß der Ostergedanke ein besonders festlicher werden. Denn Anthro­posophie muß hinzufügen zu dem Todesgedanken den Auferstehungs-gedanken. Sie muß selber werden wie ein inneres Auferstehungsfest der Menschenseele. Sie muß eine österliche Stimmung in die Welt­anschauung des Menschen bringen. Sie wird es bringen können, wenn verstanden wird, wie der alte Mysteriengedanke in dem wahrhaft erfaßten
 
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Ostergedanken weiterleben kann, wenn eine richtige Anschau­ung ersteht von Leib, Seele und Geist des Menschen und von dem Schicksal von Leib, Seele und Geist des Menschen in der physischen, seelischen und geist-himmlischen Welt.
 
= ZWEITER VORTRAG Dornach, 20. April 1924 =
<nowiki>#</nowiki>G233-1962-SE263 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung
 
<nowiki>#</nowiki>TI
 
ZWEITER VORTRAG
 
Dornach, 20. April 1924
 
<nowiki>#</nowiki>TX
 
Man kann schon sagen, daß der ursprüngliche Festesgedanke der ist, den Menschen aufschauen zu machen von seiner Abhängigkeit irdischen Dingen gegenüber zu seiner Abhängigkeit außerirdischen Dingen gegen­über. Und insbesondere ist es das Osterfest, dessen Betrachtung diese Gedanken dem Menschen nahebringen kann. Wir haben ja im Laufe der letzten drei, vier, fünf Jahrhunderte der zivilisierten Welt eine seelisch­geistigeEntwickelung durchgemacht, die immer mehr und mehr den Men­schen davon abgeleitet hat, seinen Zusammenhang mit den kosmischen Kräften und Mächten ins Auge zu fassen. Der Mensch wurde immer mehr und mehr darauf beschränkt, nur diejenigen Verhältnisse zu be­trachten, die zwischen ihm und den irdischen Kräften und Mächten herrschen. Es ist ja auch richtig, daß mit denjenigen Erkenntnismitteln, die man heute als berechtigt anerkennt, andere Verhältnisse gar nicht ins Auge gefaßt werden können. Würde irgend jemand, der in der vorchristlichen Zeit oder auch noch in den ersten Jahrhunderten des Christentums Mysterienstätten nahegestanden hat, unsere heutige Er­kenntnis erfahren können, er würde, wenn er mit seiner damaligen Seelenverfassung an die Dinge heranträte, gar nicht verstehen können, wie der Mensch imstande ist, zu leben ohne ein Bewußtsein seines außerirdischen, seines kosmischen Zusammenhanges.
 
Ich möchte zunächst manches skizzieren, was Sie den genaueren Ver­hältnissen nach geschildert finden in diesem oder jenem Zyklus. Weil ja diese Vorträge dazu bestimmt sein sollen, gerade den Ostergedanken uns nahezubringen, kann ich natürlich nicht alle Einzelheiten ausführen, ich kann nur andeuten, wie die Dinge sind.
 
Wenn wir uns zurückversetzen in verschiedene ältere Religions­systeme - wir können ja als Beispiel dasjenige nehmen, welches auch dem modernen Menschen noch am allernächsten liegt: das hebräisch-jüdische Religionssystem -, da werden wir in gewissen Religions­systemen des Altertums, wenn sie monotheistisch sind, die Verehrung,
 
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die Anbetung der einen Gottheit finden. Es ist das diejenige Gottheit, von der wir in christlicher Auffassung als der ersten Person der Gott­heit, als dem Vatergotte sprechen.
 
Nun ist in allen denjenigen Religionen, in denen der Gedanke dieses Vatergottes lebt, mehr oder weniger vorhanden gewesen, ganz vor­handen gewesen sogar bei den Mysterienpriestern, der Zusammenhang dieses Vatergottes mit den kosmischen Mondeskräften, mit alledem, was an Kräften vom Monde auf die Erde herunterstrahlt. Heute ist ja von diesem alten Bewußtsein des Zusammenhanges des Menschen mit den Mondenkräften kaum etwas anderes zurückgeblieben als die An­regung, die das dichterische Gemüt in seiner Phantasie empfindet durch die Mondenkräfte, und das Zählen der Embryonalmonate des Menschen nach zehn Mondenmonaten in der Medizin. Aber in älteren Weltanschauungen war ein deutliches Bewußtsein davon vorhanden, daß der Mensch, wenn er heruntersteigt aus der geistigen Welt, wo er im vorirdischen Dasein als geistig-seelisches Wesen war, zu seinem physischen Dasein, dann durchströmt, durchkraftet wird von den Im­pulsen, die vom Monde ausgehen. Der Mensch, wenn er auf dasjenige sieht, was ihn lebensvoll gestaltet, was in ihm lebt als Ernährungs-, Atmungsprozeß und so weiter, überhaupt als allgemeine Wachstums-kräfte, muß dann nicht auf die Erdenkräfte schauen, sondern er muß schauen auf außerirdische Kräfte. Wenn der Mensch auf die Erden-kräfte schaut, kann er ja gewahr werden, wie diese Erdenkräfte sich zu ihm verhalten. Würden wir unseren Leib nicht zusammenhalten durch außerirdische Kräfte, würde unserem Leib nicht seine Gestalt ge­geben werden eben durch außerirdische .Kräfte, was könnten irdische Kräfte dem Zusammenhalt unseres Leibes geben? In dem Augenblicke, wo die außerirdischen Kräfte aus diesem Leib heraußen sind, ist ja dieser Leib ausgesetzt den irdischen Kräften: dann zerfällt er, dann löst er sich auf, dann wird er Leichnam. Die Erdenkräfte können aus dem Menschen nur den Leichnam machen, nicht den Menschen gestalten. Diejenigen Kräfte, die im Menschen leben, so daß sie ihn herausheben aus dem Irdischen, sind außerirdische Kräfte. Daß er zwischen Geburt und Tod eine in sich zusammenhängende Organisationsgestalt im Irdi­schen ist, daß er nicht den Kräften verfällt, die mit dem Tode ihn ergreifen
 
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und ihn zerstören, daß der Mensch sein ganzes irdisches Leben hindurch Kräfte hat, die gegen diese Zerstörung kämpfen - denn sie müssen kämpfen gegen diese Zerstörung -, das ist verdankt dem Ein­fluß der Mondgewalt.
 
Wenn wir auf der einen Seite theoretisch aussprechen können, die Mondenkräfte enthalten die Gestaltung des menschlichen Körpers, so müssen wir auf der anderen Seite sehen, wie alte Religionen diese Kräfte, die sozusagen den Menschen durch seine Geburt ins physische Dasein hereinführten, als die Vaterkräfte, als die Kräfte des göttlichen Vaters verehrten. Und bei den Eingeweihten des alten Hebraismus war ein deutliches Bewußtsein davon vorhanden, daß vom Monde aus­strahlen diejenigen Kräfte, die den Menschen ins Erdendasein herein­führen, die ihn im Erdendasein erhalten und denen er als physischer Mensch sich entreißt, wenn er durch die Pforte des Todes geht.
 
Gemütvoll diese göttlichen Vaterkräfte liebend, so hinschauend auf diese Vaterkräfte, und das wiederum im Kultus, im Gebet und so weiter auslebend, das war der Inhalt gewisser alter monotheistischer Reli­gionen. Aber konsequenter, als man denkt, waren diese alten mono­theistischen Religionen. Diese Dinge werden ja in der Geschichte völlig falsch dargestellt, weil die Geschichte eben nur nach äußeren Doku­menten gehen kann, nicht nach dem, was im geistigen Schauen beob­achtet werden kann.
 
Solche Religionen, die hinschauten auf den Mond, auf dasjenige, was im Mond an geistigen Wesenheiten vorhanden ist, das sind ja eigent­lich spätere Religionen. Die ganz ursprünglichen hatten neben dieser Anschauung vom Mond eine deutliche Anschauung von den Sonnen-kräften, ja noch, was wir auch hier erwähnen müssen, von den Saturn­kräften.
 
Da kommen wir allerdings in eine geschichtliche Betrachtung hinein, für die es keine äußeren Dokumente mehr gibt, die viele Jahrtausende vor der Begründung des Christentums zurückliegt, da kommen wir in jene Zeit hinein, die ich in meinem Umriß einer Geheimwissenschaft als die urindische bezeichnet habe, um eben ein Wort dafür zu haben, weil sie sich auf dem Boden des späteren Indiens abspielte -, die spätere Zivilisation ist die urpersische. In diesen Zivilisationen entwickelte sich
 
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der Mensch noch ganz anders als später, und von dieser seiner Ent­wickelung hing dann eben sein religiöses Bekenntnis ab.
 
Wir Menschen entwickeln uns ja alle schon seit mehr als zwei Jahr­tausenden so, daß eigentlich ein Riß in unserer irdischen Entwicke­lung von uns nicht bemerkt wird, wirklich nicht bemerkt wird. Er ist auch kaum bemerkbar vorhanden. Was mit den Menschen so um das dreißigste Lebensjahr herum innerlich vorgeht, das bleibt ja für den heutigen Menschen zum großen Teil im Unterbewußten, im Un­bewußten. Für eine Menschheit, die acht bis neun Jahrtausende vor der Begründung des Christentums lebte, was das ganz anders. Da ent­wickelte sich der Mensch bis etwa gegen das dreißigste Jahr hin so, daß seine Entwickelung kontinuierlich war. Aber im dreißigsten Lebensjahr trat eine mächtige Metamorphose mit dem Menschen ein. Ich möchte diese Metamorphose ganz radikal aussprechen. Es ist natürlich etwas radikal gesprochen, wie ich es jetzt tun werde; aber es bezeichnet dieses radikale Aussprechen dennoch die Tatsache, mit der man es zu tun hat.
 
Es konnte in diesen älteren Zeiten das folgende passieren: Ein Mensch hatte Bekanntschaft geschlossen vor seinem dreißigsten Lebensjahr mit irgend jemandem, der viel jünger war als er, vielleicht drei, vier Jahre jünger war als er. Der machte die Metamorphose, die um das dreißigste Jahr herum lag, später durch. Es konnte geschehen, wenn sich diese Menschen längere Zeit nicht gesehen hatten, sich dann begegneten - ich spreche in heutigen Worten, dadurch nimmt es sich noch radikaler aus-, daß derjenige, der die Metamorphose im dreißigsten Lebensjahr durch­gemacht hatte, von dem anderen Menschen angesprochen wurde und nicht wußte, wer das ist. So gründlich umgeändert hatte sich sein Ge­dächtnis.
 
Und in diesen ältesten Zeiten standen Einrichtungen im Zusammen-hange mit den Mysterienschulen, in denen in den kleinen Gemeinden, die damals waren, registriert wurde das Leben der jungen Leute, weil sie selber es vergaßen, weil sie selber einen mächtigen Umschwung in ihrem Leben durchmachten und lernen mußten, was sie im Erdenleben erlebt hatten bis gegen das dreißigste Jahr hin. Und dann, wenn diese Men­schen gewahr wurden: ich bin ein ganz anderer geworden im dreißig­sten Jahre, ich muß in die «Registratur» gehen - ein moderner Ausdruck
 
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natürlich -, um zu erfahren, was ich vorher erlebt habe - ja, es ist so!-, da wurden sie zu gleicher Zeit gewahr durch den Unterricht, den sie bekamen: vor dem dreißigsten Lebensjahr wirkten auf sie die Mondenkräfte ausschließlich; mit dem dreißigsten Lebensjahre traten die Sonnenkräfte in die Entwickelung ihres Erdenlebens ein. Die Sonnenkräfte wirken in ganz anderem Sinne auf den Menschen als die Mondenkräfte. Was kennt der heutige Mensch von den Sonnen-kräften! Er kennt nur das äußerliche Physische. Er weiß, daß er - ver­zeihen Sie - durch die Sonnenkräfte schwitzt, daß es ihm warm wird, er weiß einiges andere, Sonnenbäder und dergleichen gibt es ja heute, er weiß also einiges Therapeutische und so weiter, aber in ganz äußer­licher Weise. Er kann gar nicht ermessen, was diejenigen Kräfte mit ihm tun, die mit der Sonne geistig verbunden sind.
 
Julian der Apostat, der letzte der heidnischen Cäsaren, hatte in den Nachklängen der Mysterien noch einiges von diesen Kräften der Sonne erfahren. Und da er es wieder geltend machen wollte, wurde er auf dem Zuge nach Persien ermordet. So stark waren die Mächte, die in den ersten christlichen Jahrhunderten verschwinden machen wollten das Wissen von diesen Dingen. Es ist daher gar kein Wunder, daß eben heute ein Wissen von diesen Dingen nicht errungen werden kann. Wäh­rend die Mondenkräfte dasjenige im Menschen sind, was den Menschen determiniert, was ihn mit einer inneren Notwendigkeit durchzieht, so daß er handeln muß, wie seine Instinkte, wie sein Temperament, wie seine Emotion, wie überhaupt sein ganzer physisch-ätherischer Leib ist, befreien die geistigen Sonnenkräfte den Menschen von dieser Notwen­digkeit. Sie schmelzen sozusagen die Kräfte dieser Notwendigkeit in ihm, und der Mensch wird eigentlich ein freies Wesen durch die Sonnen-kräfte. Das war in jenen alten Zeiten in der Entwickelung des Men­schen streng voneinander geschieden. Da wurde man eben im dreißig­sten Lebensjahr ein Sonnenmensch, ein freier Mensch. Man war bis zum dreißigsten Lebensjahr der Mondenmensch, der unfreie Mensch.
 
Heute schiebt sich das ineinander. Heute wirken die Sonnenkräfte schon neben den Mondenkräften im kindlichen Alter, und die Monden­kräfte wirken weiter im späteren Alter, so daß heute diese Dinge, Not­wendigkeit und Freiheit, durcheinander wirken. Aber so war es ja
 
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nicht immer. In den vorgeschichtlichen Zeiten, von denen ich hier rede, war es so, daß die Mondenwirkungen und Sonnenwirkungen im Laufe des Lebens streng voneinander geschieden waren. Und daher sprach man in jenen älteren Zeiten den meisten Menschen gegenüber - denn es wurde als etwas Pathologisches, als etwas Abnormes betrachtet, wenn der Mensch diese Metamorphose, diesen Umschwung seines Lebens im dreißigsten Lebensjahr nicht erlebte -, man sprach davon, daß der Mensch nicht einmal, sondern zweimal geboren wird. Und als die menschliche Entwickelung so weiterschritt, daß diese zweite, die Sonnengeburt des Menschen - die erste nannte man die Monden-geburt - nicht mehr so bemerkbar war, da wendete man dann gewisse Übungen, gewisse Kultushandlungen, überhaupt gewisse Tatsachen auf diejenigen an, die eingeweiht wurden in den Mysterien. Die machten dann dasjenige durch, was für die allgemeine Menschheit nicht mehr da war. Und sie waren die zweimal Geborenen.
 
Wenn man heute den Ausdruck «zweimal Geborene» in orientali­schen Schriften findet, so ist dieser Ausdruck eben schon ein abgeleiteter. Im Grunde genommen möchte ich wirklich jeden Orientalisten, jeden Sanskritisten fragen - ich glaube, es ist ja auch unser Freund Professor Beckh in unserer Mitte, Sie können ihn fragen, ob die Dinge so sind, auch nach seinen fachlichen Studien -, man kann jeden Sanskritisten fragen, ob aus der heutigen orientalischen Wissenschaft mit klipp und klaren Worten hervorgeholt werden kann, was der Ausdruck «zwei­mal Geborene» seiner Substanz nach bedeute. Gewiß, formale Er­klärungen sind massenhaft da, aber was er seiner Substanz nach be­deute, das weiß man nicht; das können nur diejenigen wissen, welche wissen, daß er auf eine Realität zurückgeht, die ich jetzt eben auseinan­dergesetzt habe. In diesen Dingen spricht schon einmal die geistige Beobachtung. Und wenn dann die geistige Beobachtung gesprochen hat, dann möchte ich jeden, der das, was nach den Dokumenten vorliegt, was man an äußerer Wissenschaft aufbringen kann, fragen, wenn er unbefangen mit der äußeren Wissenschaft zu Werke geht, ob diese äußere Wissenschaft nicht Stück für Stück dann die geisteswissenschaft­lichen Forschungen bestätigt. Das wird sie tun, wenn die Dinge nur im rechten Lichte gesehen werden. Aber es muß auf gewisse Dinge aufmerksam
 
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gemacht werden, die jeder Dokumenten-Wissenschaft voran­gehen. Denn mit Dokumenten-Wissenschaft versteht man das Leben des Menschen eben nicht.
 
So blicken wir auf eine ältere Zeit zurück, in der gesprochen wurde von der Mondengeburt des Menschen als der Menschenschöpfung durch den Vater. Bezüglich der Sonnengeburt war man sich klar darüber, daß in den geistigen Sonnenstrahlen wirkt die Kraft des Christus, des Sohnes, und diese Kraft ist die den Menschen befreiende. Denn denken Sie, was wirkt diese Kraft, die Sonnenkraft? Die Sonnenkraft wirkt, daß wir als Menschen überhaupt auf der Erde etwas aus uns machen können. Wir würden streng determiniert in eine unabänderliche, nicht Schicksalsnotwendigkeit, sondern Naturnotwendigkeit hineingestellt sein, wenn die befreienden Sonnenkräfte, die die Notwendigkeit zer­schmelzenden Impulse, nicht an uns herantreten würden.
 
Das wußte der Mensch der älteren Weltanschauungen, wenn er zur Sonne hinaufschaute: Dieses Auge der Welt, aus dem die Kraft des Christus hervorstrahlt, dieses Auge der Welt macht, daß ich nicht jener ehernen Notwendigkeit unterworfen bleiben muß, mit der ich aus den Mondenkräften herausgeboren bin, als ein mein ganzes Leben hindurch in Notwendigkeit sich entwickelnder Mensch. Diese Sonnenkräfte, diese Christuskräfte, welche durch das kosmische Sonnenauge herunter-schauen, diese Christuskräfte machen es, daß ich während meines Erden-lebens durch meine innere Freiheit etwas aus mir machen kann, was ich nicht gewesen bin durch die Mondenkräfte, da ich ins Erdenleben hereingestellt worden bin.
 
Dieses Bewußtsein des Menschen, daß er sich umgestalten kann, daß er aus sich etwas machen kann, daß ist es, was man in den Sonnenkräften sah.
 
Ich möchte zur Ergänzung, gewissermaßen nur in Parenthese, an­merken, daß dann zum dritten hingeschaut wurde auf die Saturnkräfte. In den Saturnkräften wurde alles dasjenige gesehen, was den Menschen erhält, wenn er durch die Pforte des Todes geht, also die dritte irdische Metamorphose durchmacht.
 
Geburt: Mondengeburt,
 
zweite Geburt: Sonnengeburt,
 
dritte Geburt: Saturngeburt, Tod, irdischer Tod.
 
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Da wird er erhalten durch die für damals am äußersten Ende des Planetensystems der Erde waltenden Saturnkräfte. Die halten ihn auf­recht, die tragen ihn hinaus in die geistige Welt, die machen aus seiner Wesenheit einen Zusammenhang, wenn die dritte Metamorphose ein­tritt. Das war durchaus eine ältere Weltanschauung.
 
Aber die Menschheit entwickelt sich eben. So trat eine Zeit ein, in der nur noch in den Mysterien bekannt war, wie die Sonnenkräfte auf den Menschen wirken. Am längsten erhielten sich die Kenntnisse über die Sonnenkräfte in den medizinischen Abteilungen der Mysterien, weil gerade diejenigen Kräfte, die dem Menschen in seiner gewöhnlichen Entwickelung die Freiheit geben, die Möglichkeit geben, aus sich etwas zu machen, weil diese Sonnenkräfte, die Christuskräfte, zu gleicher Zeit in vieler Beziehung in gewissen Pflanzen auf der Erde wieder leben, auch in anderen Erdenwesenheiten, Erdendingen leben, und dann in diesen Erdendingen Heilmittel darstellen. Aber es ist im allgemeinen der Menschheit gerade der Zusammenhang mit der Sonne verlorengegangen. Während noch lange das Bewußtsein vorhanden ge­blieben ist: der Mensch hängt von den Monden-, von den Vaterkräften ab, ging viel früher das Bewußtsein der Abhängigkeit von den Sonnen-kräften - eigentlich der Befreiung, müßte man sagen, durch die Sonnen-kräfte - verloren. Und was wir heute Naturkräfte nennen, wovon wir fast einzig und allein im Weltanschauungsleben sprechen, das sind ja nur die ganz und gar abstrakt gemachten Mondenkräfte.
 
Aber die Sonnenkräfte, sie hat noch erkannt und sich darnach richten können eben der Träger des Christus, Jesus von Nazareth. Und er mußte sie kennen aus dem Grunde, weil er ja dazu bestimmt war, diese Sonnenkräfte, die man in den alten Mysterien nur durch die Auf-schau zur Sonne erreichen konnte, in ihrem Herunterströmen auf die Erde in den eigenen Leib aufzunehmen. Das habe ich ja gestern aus­einandergesetzt. Das Wesentliche der Christologie bei der Begründung des Christentums war eben dieses, daß in dem dreißigsten Lebensjahre in dem Leibe des Jesus von Nazareth sich eine Umwandlung vollzogen hat, jene Umwandlung, die in Urzeiten in allen Menschen sich voll­zogen hat, nur daß sozusagen in alle Menschen damals der Schein der geistigen Sonne eingezogen ist, während jetzt das Urwesen der Sonne,
 
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der Christus selbst, heruntergestiegen ist in die menschliche Entwicke­lung und Wohnung genommen hat in dem Leibe des Jesus von Na­zareth. Das ist eben dasjenige, was dem Mysterium von Golgatha als ein Ur-Ergebnis des ganzen Erdenlebens zugrunde liegt.
 
Den vollen Zusammenhang dieser Dinge wird man erblicken, wenn man jetzt hinschaut auf die Art, wie in älteren Mysterien, ich möchte sagen, das damals ganz menschlich vorhandene Osterfest - denn es war ja das Osterfest die Initiation, die Einweihung - eigentlich vollzogen worden ist. Die Einweihung ging zunächst durch drei Stufen. Aber das erste Erfordernis, um zur wirklichen Erkenntnis, zur Initiation zu kommen, war ja das, daß der Mensch durch alles, was von seiten der Mysterien an ihn herangebracht wurde, so bescheiden gemacht worden ist, daß sich heute eigentlich niemand eine Vorstellung von dieser inneren Bescheidenheit machen kann. Heute glauben die Menschen schon, daß sie in bezug auf die Erkenntnisse ungeheuer bescheiden seien, wenn sie für den, der die Sache durchschaut, noch von einem wahren Hochmut besessen sind.
 
Vor allen Dingen mußte das über den Menschen beim Ausgangs­punkte der Einweihung kommen, daß er sich gar nicht für einen Men­schen hielt, daß er sagte: Ich muß erst ein Mensch werden! - Heute kann man ja das dem Menschen nicht zumuten, daß er in irgendeinem Zeitpunkte seines Lebens sich für keinen Menschen hält.
 
Aber das war die allererste Anforderung, sich wirklich für keinen Menschen zu halten und das folgende sich zu sagen: Gewiß, ich war ein Mensch, bevor ich in einen irdischen Leib heruntergestiegen bin; ich war im vorirdischen Dasein ein Mensch geistig-seelisch. - Da ist das Geistig-Seelische in den physischen Leib eingezogen, den es von der Mutter her, von den Eltern her bekommen hat. Da hat es sich - nicht umkleidet, das ist ein falscher Ausdruck -, durchdrungen mit diesem physischen Leibe. Von der Art und Weise, wie das Geistig-Seelische nun im Laufe einer längeren Zeit durchsetzt das Physische, durchsetzt das Nerven-Sinnes-System, durchsetzt das rhythmische System, durch­setzt das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System, von dem haben ja die Menschen kein Bewußtsein. Sie werden gewahr, sie sehen aus ihren Sinnen heraus die physische Umwelt. Aber was kann denn der Mensch,
 
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wenn er nun wirklich dazu gekommen ist, daß er mit seinem Geistig-Seelischen seinen physischen Leib so weit durchdrungen hat, daß er sich nun für einen ganz entwickelten, voll entwickelten erwachsenen Men­schen hält? Was kann er dann? Er kann ja nur aus seinen Augen her-ausschauen, aus seinen Ohren heraushören, mit der Haut heraus wahr­nehmen Wärme und Kälte, Rauheit und Glätte: er kann ja nur heraus wahrnehmen, er kann nicht herein wahrnehmen. Er kann durch die Augen nicht in sich hineinschauen, kann höchstens den physischen Leichnam schinden und dann glauben, daß er in sich hineinschaut. Aber da schaut er nicht in Wirklichkeit hinein. Es ist ja kindisch, das zu glauben.
 
Wenn ich hier ein Haus vor mir habe: das hat Fenster, aber ich schaue nicht hinein, sondern ich nehme, wenn ich stark genug dazu bin, alle möglichen Instrumente und zerschlage das Haus - dann habe ich die einzelnen Ziegel vor mir liegen, und nur diesen Haufen schaue ich an. So macht man es ja heute. Man zerschindet, man zerstückelt den Menschen, um ihn kennenzulernen, aber da lernt man ihn nicht kennen. Es ist gar nicht der Mensch, den man da kennenlernt. Will man den Menschen kennenlernen, so muß man so, wie man heute aus den Augen herausschaut, nun wieder zurück durch die Augen hinein­schauen können, durch die Ohren wiederum zurück hineinhören kön­nen. Das alles zusammen - Augen, Ohren, die ganze Haut als Tast­und Wärme-Organ, Geruchsorgan und so weiter -, das nannte man in den alten Mysterien das Tor zum Menschen, die Pforte zum Menschen. Und davon ging überhaupt die Initiation aus, daß irgend jemand klar wurde darüber: er weiß ja gar nichts vom Menschen; also kann er, da er kein Selbstbewußtsein vom Menschen hat, auch kein Mensch sein. Er muß erst lernen, durch die Sinne hineinschauen, wie er sonst nur hinausschaut.
 
Das war die erste Stufe der Einweihung in älteren Mysterien. Und in dem Augenblicke, wo der Mensch lernte dieses Hineinschauen, in dem Augenblicke erlebte er sich auch im vorirdischen Dasein. Denn da wußte er: ich bin in meinem Geistig-Seelischen.
 
Schematisch gezeichnet: Der Mensch schaute also heraus (gelb). Statt dessen lernte er hineinschauen (rot). Aber in diesem Hineinschauen
 
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wurde er gewahr desjenigen, was eingezogen ist in den Menschen als das vorirdische Dasein (grün), was hineingezogen ist durch Auge, Ohr, Haut und so weiter. Da hatte er sein vorirdisches Dasein. Und jetzt wurde ihm gesagt: nun erst würde er kennenlernen dasjenige, was wir heute Naturwissenschaft nennen würden. Wenn wir heute Natur­wissenschaft lernen, wie tun wir das? Wir tun es so, daß wir dazu ge­führt werden, die Dinge der Natur anzuschauen, zu beschreiben und so weiter. Aber das ist ja so, wie wenn ich einen Menschen lange ge­kannt hätte, ich ihn wiedersehen soll, und jemand würde mir auf­erlegen: du mußt aber alles vergessen, was du mit diesem Menschen gemeinschaftlich gehabt hast, wenn du ihn jetzt wiedersiehst; du darfst dich an gar nichts erinnern, was du mit ihm gemeinschaftlich gehabt hast. - Denken Sie - das ist gar nicht auszudenken -, wenn das zum Beispiel Eheleuten auferlegt würde, daß sie, wenn sie sich irgendeinmal nach längerer Zeit wiederum sehen, alles vergessen, was sie irgendwie miteinander durchgemacht haben! Ja, ich kann mir schon denken, daß es zuweilen auch angenehm sein dürfte; aber das Leben könnte unter solchen Voraussetzungen nicht bestehen. Das aber wird dem modernen Menschen einfach durch die Zivilisationsordnung auferlegt. Denn der Mensch hat die Reiche der Natur kennengelernt, kennengelernt von
 
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ihrer geistigen Seite, bevor er heruntergestiegen ist auf die Erde. Wäh­rend man heute den Menschen dazu anleitet, all das zu vergessen, was er, bevor er heruntergestiegen ist, gelernt hat über Mineralien, über Pflanzen, über Tiere, machte man den alten Eingeweihten in dem so­genannten ersten Mysteriengrad darauf aufmerksam: Du siehst jetzt den Quarz. - Und nun tat man alles, damit er sich erinnere, was er, bevor er heruntergestiegen war, vom Quarz wußte, oder was er von der Lilie oder von der Rose wußte. Wiedererkennen war dasjenige, was als Naturwissen beigebracht wurde. Und hatte jemand so Natur-lehre gelernt als ein Wiedererkennen dessen, was er angeschaut hatte, bevor er ins irdische Leben heruntergestiegen war, dann wurde er auf­genommen in den zweiten Grad.
 
Im zweiten Grad lernte man Musik, das, was dazumal Architektur war, was dazumal Geometrie war, Meßkunde und so weiter. Denn was enthielt dieser zweite Grad? Dieser zweite Grad enthielt alles das, was der Mensch dann wahrnimmt, wenn er nun nicht bloß durch die Augen hineinschaut in sich, durch die Ohren hineinhört, sondern wenn er wirk­lich nun in sich hineinsteigt. Dann sagte man dem Einzuweihenden: Du kommst in die menschliche Tempelgrotte. Diese menschliche Tempel-grotte lernte er kennen. Sie war dasjenige, was physisch durchdrungen wurde von den geistig-seelischen Kräften, aus denen der Mensch be­stand, bevor er zum Erdenleben heruntergestiegen war. Da drang er in sich selber nun ein. Drei Kammern hat diese Tempelgrotte, sagte man ihm. Die eine Kammer war die Kammer des Denkens: da lernte man erkennen alles das - ja, wenn man es von außen anschaut, ist es der Kopf. Der ist klein. Wenn man hineinsteigt und ihn von innen anschaut, dann ist er so groß wie die Welt, und dann lernt man sein Geistiges kennen. Das war die erste Kammer, die zweite Kammer war diejenige, wo man das Fühlen kennenlernte. Die dritte Kam­mer war diejenige, wo man das Wollen kennenlernte. Und so lernte man erkennen, wie der Mensch organisiert ist in seinen Denk-, Fühl-und Willensorganen, da lernte man erkennen das, was auf Erden Geltung hat.
 
Naturwissen hat nicht bloß auf Erden Geltung. Naturwissen erwirbt man schon, bevor man auf die Erde heruntersteigt. Hier soll man sich
 
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daran erinnern. Häuser werden nicht gebaut drüben in der geistigen Welt wie mit der Erdenarchitektur. Musik ist drüben, aber geistiges Melos. Was irdische Musik ist, das ist herunterprojiziert in die irdische Luft; sie ist eine Projektion der himmlischen Musik, aber wie sie der Mensch erlebt, ist sie irdisch. Ebenso ist es, wenn wir auf der Erde messen. Wir messen den Erdenraum; Meßkunst, Geometrie ist Erden-wissenschaft. Das war wichtig für den im zweiten Grad zu Initiieren-den, überhaupt aufmerksam darauf gemacht zu werden, daß ja alles Reden von Erkennen mit bloßen Erdenmitteln, wenn es sich nicht auf die Geometrie, Architektur und Meßkunde bezieht, Unsinn ist. Daß eine wirkliche Naturkunde das wiedererinnerte vorirdische Wissen sein muß, das lernte er erkennen. Und daß für die Erde eben Geometrie, Architektur, Musik, Meßkunde die Wissenschaften sind, die hier ge­lernt werden können. Da also stieg der Mensch in sich selber hinunter, lernte den dreikammerigen Menschen kennen gegenüber der einen Erdeninkarnation, die man sonst kennt, wenn man, ohne in den Men­schen hineinzusteigen, den Menschen von außen kennenlernt.
 
Und im dritten Grad lernte man den Menschen kennen, wenn er nun nicht bloß in sich untertaucht, sich als Geistiges erkennen lernt, son­dern wenn dieses Geistige noch den Leib kennenlernt. Daher war dieser dritte Grad in allen alten Mysterien der, den man nennen mußte die Pforte des Todes. Da wurde der Mensch gewahr, wie man ist, wenn man den Erdenleib abgelegt hat. Nur besteht ein Unterschied zwischen diesem wirklichen Sterben und dem Eingeweihtensterben. Warum die­ser Unterschied bestehen muß, werde ich noch in den nächsten Vor­trägen auseinandersetzen; jetzt will ich nur die Tatsachen hervor­heben.
 
Wenn man wirklich stirbt, legt man seinen physischen Leib ab. Man ist nicht mehr an ihn gebunden und folgt nicht mehr den irdischen Kräften, man ist befreit von ihnen. Wenn man aber noch gebunden ist an seinen physischen Leib, wie es bei der Initiation in alten Zeiten der Fall war, dann muß man das, was man im Tode von selber hat, dieses Freisein vom Leibe, durch innere Kraft erringen, man muß sich für eine gewisse Zeit frei halten. Das war für die Initiation notwendig, diese starken inneren Seelenkräfte zu erringen, durch die man sich in der
 
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Seele frei halten konnte von dem physischen Leib. Und diese Kräfte, die einem also die Macht gaben, sich frei zu halten vom irdischen Leib, diese Kräfte, die gaben einem höhere Erkenntnis in bezug auf das, was man durch die Sinne niemals sehen kann, durch den Verstand niemals denken kann. Sie versetzen einen als Mensch in die geistige Welt, wie man durch seinen physischen Leib als Mensch in die physische Welt versetzt ist. Aber dann war man ja so weit, daß man sich als geistig-seelischer Mensch, als Initiierter, schon während des Erdendaseins er­kannte. Von da ab war die Erde ein außer dem Menschen befindlicher Stern für den Initiierten, und er mußte vor allen Dingen in den älteren Mysterien mit der Sonne leben statt mit der Erde. Er wußte, was er von der Sonne hat, wie die Sonnenkräfte in ihm wirken.
 
Auf diesen dritten Grad, den ich eben beschrieben habe, folgte dann der vierte. Dieser vierte Grad wirkte etwa in der folgenden Art auf die Einzuweihenden. Wenn man auf der Erde ißt, weiß man, man ißt Kohl, Wildbret, man trinkt alles mögliche: man weiß, das ist jetzt draußen, das ist dann drinnen. Man atmet Luft: die ist erst draußen, dann drinnen, dann wieder draußen. Man steht mit den Erdenkräften so in Verbindung, daß man die Erdenkräfte und Substanzen, die sonst draußen sind, in sich trägt. Du bist, ehe du eingeweiht bist - so machte man dem alten zu Initiierenden klar - ein Erdenträger, ein Kohlträger, ein Wildbretträger, ein Schweinefleischträger und so weiter. Wenn du aber im dritten Grad eingeweiht warst und nun dasjenige dir über­mittelt wird, was dir übermittelt werden kann, wenn du frei geworden bist vom Leibe, dann wirst du nicht sein ein Kohlträger, ein Schweine­fleischträger, ein Kalbfleischträger, sondern dann wirst du sein ein Träger dessen, was dir die Sonnenkräfte geben. - Und das, was geistig die Sonnenkräfte geben, das nannte man überall in den Mysterien Christos. Daher wurde derjenige, der über die drei Grade hinaus­gekommen war und sich nun ebenso, wie er sich auf Erden fühlen konnte als Kohlträger, sich fühlen konnte als ein Träger der Sonnen-kräfte, er wurde ein Christophor, ein Christophorus genannt. Das war in den meisten alten Mysterien die Bezeichnung für den, der nun im vierten Grade war.
 
Im dritten Grade mußte man gewisse Dinge begreifen. Vor allen
 
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Dingen mußte man in diesem dritten Grade begreifen, daß die Begierde nach dem physischen Leib aufhören muß für die Momente der Erkennt­nis, daß eine klare Anschauung darüber da sein muß, daß der Mensch seinem physischen Leibe nach der Erde angehört, aber eigentlich die Erde nur zum Zerstören dieses physischen Leibes hat, nicht zum Auf­bauen. Jetzt lernte er erkennen die aufbauenden Kräfte, die aus dem Kosmos stammen. Nun aber lernte er noch etwas kennen. Er lernte kennen, gerade wenn er ein Christophor wurde, daß auch in den Stoffen der Erde geistige Kräfte wirken, die nur nicht sichtbar sind für das irdische Anschauen. Und hätte man in den heutigen Worten zu dem Menschen der damaligen Zeit gesprochen - dem Sinne nach wurde schon zu ihm so gesprochen, aber ich kann Ihnen die Dinge nur mit den heutigen Worten sagen, nicht mit den damaligen -, ihm wäre fol­gendes klargemacht: Willst du die Stoffeslehre kennen, wie sich die Stoffe verbinden und voneinander trennen, so mußt du auf die geistigen Kräfte, die vom Kosmischen die Stoffe durchdringen, hin­schauen. Das kannst du gar nicht, wenn du uneingeweiht bist. Du mußt im vierten Grad eingeweiht sein. Du mußt mit den Kräften des Sonnen-seins schauen können, dann kannst du Chemie studieren.
 
Nun denken Sie sich, wenn man heute einem Pharmazeuten oder einem Chemiker, der Doktor werden will, die Verpflichtung auferlegen würde, er solle erst sich den Kräften der Sonne gegenüber so fühlen, wie er sich dem Kohl der Erde gegenüber fühlt: denken Sie, wie wahn­sinnig dies schiene! Aber das waren ja Realitäten. Und dies wurde den Menschen klar: mit all den Kräften, die im Leibe leben, und deren man sich im gewöhnlichen Erkennen bedient, kann man nur Geometrie, Meßkunde, Musik und Architektur studieren. Man kann nicht Chemie studieren mit diesen Kräften. Wenn man heute Chemie studiert, so redet man eben äußerlich. Aber so ist es: alles Reden von Chemie von der Zeit ab, wo die alte Initiationsweisheit verlorengegangen ist, ist ja ganz äußerlich. Es ist für den, der wirklich erkennen will, sogar zum Verzweifeln, die heutige offizielle Chemie kennen zu müssen, denn sie beruht nur auf Angaben, nicht auf einem innerlichen Durchschauen der Sache. Würden die Menschen unbefangen sein, so würden sie eben sagen: Da ist doch noch etwas anderes notwendig, da muß man anders
 
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erkennen können, wenn man Chemie studieren will. Und es ist eben die heutige Feigheit des Erkennens, die dem Menschen eingepflanzt wird, die ihn nicht zu einem solchen Impuls kommen läßt.
 
Dann, wenn der Mensch so weit reif war, war er reif, Astronomus zu werden, was ein noch höherer Grad war. Denn die Sterne von außen kennenlernen durch Rechnung und dergleichen, das galt als absolut wesenlos. In den Sternen leben geistige Wesen; die kann man nur erkennen, wenn man das leibliche Anschauen überwunden hat, wenn man aber auch die Geometrie überwunden hat, wenn man tatsächlich im Weltenall leben kann und das Geistige der Sterne kennenlernen kann. Dann aber war der Mensch ein Auferstandener. Dann konnte er wirklich sehen, wie hereinwirkten auch in den irdischen Menschen die Mondenkräfte und die Sonnenkräfte.
 
So mußte ich Ihnen heute von zwei Seiten her nahelegen, wie in den alten Mysterien - nicht zu einer bestimmten Jahreszeit, sondern in einem bestimmten Entwickelungsgrad des Menschen - innerlich Ostern erlebt wurde: Ostern als das Auferstehen des geistig-seelischen Men­schen aus dem physischen Leibe im geistigen Weltenall. So haben die­jenigen, die noch von Mysterienwissen etwas gewußt haben zur Zeit des Mysteriums von Golgatha, dieses Mysterium von Golgatha ange­schaut. Sie haben gesagt: Was wäre aus der Menschheit geworden, wenn das Mysterium von Golgatha nicht gekommen wäre? In alten Zeiten gab es die Möglichkeit, eingeweiht zu werden in die Geheimnisse des Kosmos, denn in ganz alten Zeiten erlebte der Mensch wie selbst­verständlich seine zweite Geburt um das dreißigste Jahr herum. Dann wenigstens gab es noch Erinnerungen und eine Mysterienschulwissen-schaft, die in der Tradition das erhalten hatte, was in älteren Zeiten erlebt wurde.
 
In der Zeit, als das Mysterium von Golgatha auftrat, da war das alles verweht und vergessen. Da wäre die Menschheit völlig in die Dekadenz gekommen, wenn nicht die Macht, zu der sich die Mysterien-Eingeweihten erhoben hatten, wenn sie Christophor geworden sind, wenn nicht diese Macht in den Jesus von Nazareth heruntergestiegen wäre, so daß sie seither auf der Erde da ist, und der Mensch durch den Christus-Jesus mit dieser Kraft verbunden sein kann.
 
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So hängt dasjenige, was heute im Osterfest uns vor Augen tritt, zu­sammen mit einem Stück Mysteriengeschichte. Man wird eigentlich nur den Inhalt des Osterfestes gewahr, wenn man dieses alte Stück Mysteriengeschichte wieder belebt. Und man wird nun wenigstens in die Nähe kommen - das soll dann der Gegenstand der weiteren Betrachtungen sein -, man wird, wie Sie einsehen können, wenigstens demjenigen nahe kommen, was noch ein alter zu Initiierender erlebt hat. Er konnte sich sagen: Wie Sonne und Mond in mir wirken in ihrem gegenseitigen himmlischen Verhältnisse, dessen bin ich mir durch die Ein­weihung klar geworden; denn nun weiß ich: daß ich in einer gewissen Weise gestaltet bin als physischer Mensch, daß ich so und so geartete Augen, eine so geartete Nase, eine so geartete ganze Körperform innen und außen habe, daß diese Körperform wachsen konnte, heute noch immer wächst in der Ernährung, das hängt von den Mondenkräften ab. Von ihnen hängt alle Notwendigkeit ab. Daß ich mich als freies inneres Wesen innerhalb meiner Körperlichkeit rühren kann, mich selber um­bilden kann, mich in der Hand habe, das hängt von den Sonnenkräften, von den Christuskräften ab. Sie muß ich in mir rege machen, wenn ich auch wissentlich das, was sonst die Sonnenkräfte in mir wiederum durch eine Notwendigkeit bewirken müssen, in mir selber erarbeitend gestalten will.
 
So werden wir auch begreifen, wie heute noch der Mensch hinauf-schaut zu Sonne und Mond und aus ihrer gegenseitigen Konstellation die Zeit des Osterfestes bestimmt. Das ist das, was noch übrig geblieben ist, daß man rechnet: Wann ist der erste Sonntag nach dem ersten Voll-mond nach der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche? Auf den auf den ersten Vollmond folgenden Sonntag setzt man das Osterfest des Jahres fest, andeutend damit - ich will das morgen dann weiter ausführen -, daß man in der Gestaltung, in der Struktur des Osterfestes etwas sieht, was von oben, vom Kosmos aus bestimmt werden muß.
 
Aber der Ostergedanke muß wieder erfaßt werden. Er kann nur erfaßt werden, wenn man schaut auf das alte Mysterienwesen, das zunächst den Menschen aufmerksam machte, wie es ist, wenn er in sich hineinschaut: die Pforte des Menschen! wenn er in sich hineindringt, sich innerlich durchlebt: dreikammeriger Innenmenschl wenn er sich
 
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freimacht: Pforte des Todes! wenn er frei sich in der geistigen Welt bewegt: er wird ein Christophor.
 
Die Mysterien selbst sind ja zurückgegangen in der Zeit, in der die menschliche freie Entwickelung Platz greifen mußte. Nun ist die Zeit gekommen, in der die Mysterien wieder gefunden werden müssen. Sie müssen wieder gefunden werden. Dessen muß man sich voll bewußt sein, daß heute Anstalten dazu gemacht werden müssen, die Mysterien wieder zu finden.
 
Aus diesem Bewußtsein heraus ist die Weihnachtstagung gehalten worden, denn es ist eine dringende Notwendigkeit, daß auf der Erde eine Stätte ist, wo wiederum Mysterien begründet werden können. Die Anthroposophische Gesellschaft muß in ihrem weiteren Fortgange der Weg zu den erneuerten Mysterien werden. Das, meine lieben Freunde, wird mit Ihre Aufgabe sein: aus dem rechten Bewußtsein heraus dabei mitzuwirken. Dazu aber wird das Menschenleben betrachtet werden müssen nach seinen drei Etappen: nach derjenigen Etappe, wo man in den Menschen hineinschaut, nach derjenigen Etappe, wo man nach dem Innern des Menschen hineinstrebt, nach der Etappe, wo man im Be­wußtsein so wird, wie sonst in äußerer Realität nur im Tode.
 
Und ich möchte sagen, als Merkzeichen wollen wir von dieser Stunde, die heute gehalten worden ist, die Worte mit hinwegtragen, in unserer Seele wirksam sein lassen:
 
Steh vor des Menschen Lebenspforte;
 
Schau an ihrer Stirne Weltenworte.
 
Leb in des Menschen Seeleninnern;
 
Fühl in seinem Kreise Weltbeginnen.
 
Man sieht sonst nicht immer das Weltbeginnen, sondern nur irgend etwas innerhalb der Welt -
 
Denk an des Menschen Erdenende;
 
Find bei ihm die Geisteswende.
 
Das sei der Extrakt der heutigen Stunde:
 
Steh vor des Menschen Lebenspforte;
 
Schau an ihrer Stirne Weltenworte.
 
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Leb in des Menschen Seeleninnern;
 
Fühl in seinem Kreise Weltbeginnen.
 
Denk an des Menschen Erdenende;
 
Find bei ihm die Geisteswende.
 
= DRITTER VORTRAG Dornach, 21. April 1924 =
<nowiki>#</nowiki>G233-1962-SE282 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung
 
<nowiki>#</nowiki>TI
 
DRITTER VORTRAG
 
Dornach, 21. April 1924
 
<nowiki>#</nowiki>TX
 
Ich möchte nun, dasjenige weiter ausführend, was ich in diesen Tagen besprochen habe, heute hinweisen auf den astronomischen Aspekt des Osterfestes. Um auf diesen astronomischen Aspekt des Osterfestes hinweisen zu können, ist es nötig, einige der Tatsachen zu berühren, welche sich auf das sogenannte Mondgeheimnis beziehen.
 
Es wurde zu allen Zeiten, in denen man von Mysterienweisheit gewußt hat, von dem Mondengeheimnisse gesprochen und dieses Mon­dengeheimnis in Zusammenhang gebracht mit dem Wesen des Men­schen, insofern der Mensch zusammenhängt mit dem ganzen Kosmos. Dessen müssen wir uns ja klar sein, daß der Mensch seiner vollen Wesenheit nach mit dem ganzen Kosmos zusammenhängt, wie er in bezug auf seinen physischen Leib mit der Erde zusammenhängt. Nun haben es ja die Zeiten des Materialismus mit sich gebracht, daß von den Weiten des Kosmos, die sich in ihrer Geistigkeit ausleben in den Formen der Sterngruppen, in den Bewegungen der Sterne, daß von dieser Geistigkeit des Kosmos im menschlichen Bewußtsein nichts zu­rückgeblieben ist außer der äußeren Erscheinung der Sterne, den Be­rechnungen der Sternbewegungen, wenn die Sterne Wandelsterne und so weiter sind.
 
Alles das nimmt sich ja so aus, wenn man es in dem Sinne betrachtet, wie man heute Astronomie studiert, wie wenn man mit voller Unbe­wußtheit darüber, daß den menschlichen physischen Organismus ein Geistig-Seelisches durchdringt, bloß die Maßverhältnisse und die äuße­ren Bewegungsverhältnisse dieses menschlichen Organismus ins Auge fassen würde und eben ganz vergessen würde, daß in diesen Maß-, in diesen Bewegungsverhältnissen innerlich Geistig-Seelisches zum Aus­druck kommt.
 
Nun, im Menschen kommt ein einheitliches, vom Ich zusammen-gehaltenes Geistig-Seelisches zum Vorschein. Vom ganzen Welten-Organismus kommt für die geistige Betrachtung nicht ein einheitliches Geistig-Seelisches zum Ausdrucke, sondern eine Vielheit, eine unermeßlich,
 
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unbegrenzt große Vielheit von geistigen Wesenheiten, die sich äußern durch die Formen der Sterngruppen, durch die Bewegungen der Wandelsterne, durch das ausstrahlende Licht der Sterne, und so weiter.
 
Alles das, was so in den Sternen lebt an Vielheit in Geistigkeit, das steht mit dem Menschen innerlich in einem solchen Zusammenhange, wie dasjenige, was an Substanzen in der Erdenumgebung zur mensch­lichen Nahrung werden kann, mit dem physischen Menschen von der Erde aus im Zusammenhang steht. Und mit der nächsten Beziehung des Menschen zum Weltenall hat eben das zu tun, was man das Mondengeheimnis nennen kann.
 
Wenn man äußerlich den Mond betrachtet, so erscheint er ja für das Irdische sich darstellend in einer Metamorphose. Wir schauen den Mond etwa so, wie wir ihn jetzt schauen, als volle Scheibe leuchtend. Wir schauen dann den Mond, indem wir annehmen, daß er teilweise beleuchtet ist, halb beleuchtet ist, viertel beleuchtet ist. Wir haben auch jene Erscheinung des Mondes, wodurch er uns dem äußeren Anblicke nach sich ganz entzieht, was man ja dann als Neumond bezeichnet. Und wir haben wiederum das Zurückkommen zu dem Vollmonde.
 
Das alles wird heute nur so erklärt, als wenn man im Monde irgend­einen Körper hätte, der da draußen im Weltenraume herum sich be­wegt, und der von der Sonne in verschiedenen Richtungen beleuchtet wird, so daß er uns dann für den Anblick verschiedene Gestaltungen zeigt. Aber damit ist das, was der Mond für die Erde, namentlich für die Menschheit der Erde ist, nicht erschöpft; sondern wir müssen uns insbesondere beim Monde klar werden darüber, daß, wenn wir auf etwas hinschauen, was sich uns in physischen Oberflächen so vernehm­lich darstellt wie der Vollmond, was uns also einen physischen Aspekt darbietet, das in dieser Erscheinung etwas ganz anderes ist, als wenn es sich uns zeigt wie der Neumond, der sich äußerlich physisch aller­dings durch die mit ihm zusammenhängenden Weltenverhältnisse nicht unmittelbar äußern kann. Aber wir dürfen auch nicht der Anschauung sein, daß wenn dieser Mond sich nicht äußert als Erscheinung, er dann in seiner Wirkung nicht da sei. Wenn wir aus dem Weltenzusammen-hang das Bewußtsein haben müssen: es ist Neumond, ja, dann ist eben
 
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der Mond auf eine unsichtbare und deshalb geistigere Weise da, als wenn er uns im physischen Lichte als Vollmond erscheint. Der Mond ist also einmal in voll physischer Art, das andere Mal in voll geistiger Art vorhanden, so daß wir fortwährend den rhythmischen Wechsel haben zwischen physischer Mondenäußerung und geistiger Monden-äußerung.
 
Nun müssen wir, wenn wir verstehen wollen, um was es sich dabei eigentlich handelt, zurückblicken auf jene Tatsachen, die Sie ja aus der Darstellung kennen, die Sie auch in meinem Umriß einer Geheim-wissenschaft finden.Wir müssen auf diese Darstellung uns besinnen. Der Mond war einmal in der Erde drinnen. Er gehörte zum Erdenkörper. Er ist aus dem Erdenkörper herausgegangen, ist Nebenplanet - wie man sagt - der Erde geworden, hat sich also abgespalten von der Erde und umkreist die Erde. Er hat Wirkungen von der Erde aus auf den Menschen geäußert in der Zeit, da er mit der Erde verbunden war.
 
Der Mensch war natürlich ein ganz anderes Wesen, als er auf einer Erde stand und sich entwickelte, die den Mond noch im Leibe hatte. Die Erde ist um dasjenige, was der Mond ist, verarmt, als dieser Mond von der Erde herausgegangen war, und der Mensch wird mit den an­deren Kräften, seither eben mit den bloßen Erdenkräften, nicht mehr mit den Erden- und Mondenkräften, nach unten hin von der Erde ge­staltet, festgehalten. Dasjenige dagegen, was, als der Mond noch in der Erde war, auf den Menschen von innen heraus aus der Erde wirkte, das wirkt, nachdem der Mond außen ist, von außen herein, vom Monde herein auf den Menschen. So daß man sagen kann: die Mondenkräfte durchstrahlten einmal den Menschen, indem sie zuerst auf seine Glied-maßen, auf Füße und Beine auftrafen, und dann ihn von unten nach oben durchströmten. Seit dem Herausgang des Mondes aus der Erde wirken die Mondenkräfte umgekehrt, vom Haupte des Menschen nach unten. Damit haben diese Mondenkräfte aber eine ganz andere Auf­gabe für den Menschen erhalten als sie früher hatten.
 
Wodurch kommt denn diese Aufgabe nun zum Vorschein? Diese Aufgabe kommt dadurch zum Vorschein, daß der Mensch ja ganz be­stimmte Erlebnisse hat, wenn er aus dem vorirdischen Dasein herun­tersteigt zum irdischen Dasein. Wenn der Mensch die Zeit zwischen
 
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dem Tode und einer neuen Geburt durchgemacht hat, wenn er in bezug auf Seelisch-Geistiges alles absolviert hat, was zu absolvieren ist zwi­schen dem Tode und einer neuen Geburt, da schickt sich der Mensch an zum Heruntersteigen zur Erde, zum Sichverbinden mit dem, was ihm von Vater und Mutter an Physisch-Körperlichem übergeben wird. Aber ehe er von seinem Ich und von seinem astralischen Leibe aus die Mög­lichkeit finden kann, sich mit dem physischen Leibe zu verbinden, muß er sich mit einem Ätherleib umkleiden, den er aus der Umgebung des Kosmos heranzieht.
 
Dieser Vorgang hat sich gründlich verändert seit der Zeit, da der Mond von der Erde ausgetreten ist. Als der Mensch vor dem Monden­ausgange, nachdem er das Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt absolviert hatte, sich der Erde wieder näherte, da brauchte er Kräfte, durch die er den Äther, der ja in alle Welt zerstreut ist, um sich herum, um sein Ich und seinen astralischen Leib anordnen konnte in Form eines Ätherleibes. Diese Kräfte hat er bekommen beim Heran-nahen an das irdische Dasein von dem in der Erde befindlichen Monde heraus. Seit der Mond sich abgespalten hat, bekommt der Mensch diese Kräfte, die er braucht, um seinen Ätherleib zu bilden, von außerhalb der Erde, eben von dem von der Erde abgespaltenen Monde, so daß der Mensch unmittelbar vor seinem Eintritte in das irdische Leben an
 
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dasjenige appellieren muß, was in den Mondenkräften liegt, also an etwas Kosmisches, um seinen Ätherleib zu bilden.
 
Dieser Ätherleib muß nun so gebildet werden, daß er gewisser­maßen eine äußere und eine innere Seite hat. Stellen wir uns ganz schematisch diesen Ätherleib vor, wie er gebildet wird. Er hat eine Außenseite und er hat eine Innenseite. Also wir können uns vor­stellen, daß der Mensch seinen Ätherleib nach der Außen- und nach der Innenseite bildet.
 
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Wenn der Mensch das Äußere dieses Ätherleibes formt, so braucht er die Kräfte des Lichtes, denn der Ätherleib wird neben anderem Sub­stantiellen vorzugsweise aus dem flutenden Lichte des Kosmos gebildet. Aber Sonnenlicht ist dafür nicht brauchbar. Sonnenlicht kann nicht Kräfte liefern, welche den Menschen befähigen können, seinen Ätherleib zu formen. Dazu ist notwendig das von der Sonne nach dem Monde scheinende und von dem Monde wiederum zurückstrahlende Licht, das dadurch wesentlich verändert ist. Aber all das Licht, das uns vom Monde zukommt, das überhaupt vom Monde aus hinausstrahlt in den Kosmos, das enthält die Kräfte, durch welche der Mensch beim Hinuntersteigen imstande wird, die äußere Seite seines Ätherleibes zu bilden. Dagegen alles das, was geistig vom Monde ausstrahlt, wenn Neumond ist, das strahlt die Kräfte in den Kosmos, die der Mensch braucht, um die Innen­seite seines Ätherleibes zu bilden. So daß es also mit diesem Rhythmus zwischen äußerer Lichterscheinung des Mondes und Dunkelwerden des
 
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Mondes zusammenhängt, daß der Mensch Außenseite und Innenseite seines Ätherleibes bilden kann.
 
Nun hängt aber dasjenige, was da gewissermaßen die Mondenkräfte für den Menschen vollbringen, damit zusammen, daß ja der Mond wirklich nicht bloß der physische Körper ist, von dem die heutige Naturkunde fabelt, sondern daß der Mond eben durchaus überall durchsetzt ist von Geistigkeit, daß auch der Mond eine Vielheit von geistigen Wesen enthält.
 
Ich habe an verschiedenen Orten auseinandergesetzt, wie der Mond sich einmal getrennt hat von der Erde, wie aber nicht nur physische Materie hinausgeströmt ist in den Weltenraum, sondern wie jene alten, auf der Erde lebenden Wesenheiten, die nicht in einem physischen Leibe, aber in geistiger Form auf der Erde gelebt haben und welche die Urlehrer der Menschheit waren, mit dem Monde hinausgezogen sind in das Weltenall, dort eine Art Mondenkolonie gegründet haben, so daß wir also zu unterscheiden haben am Monde dessen Physisch­Ätherisches und dessen Geistig-Seelisches, nur daß das Geistig-Seelische eben auch keine Einheit, sondern eine Vielheit ist.
 
Nun hängt das ganze Leben der Geistigkeit im Monde ab von der Art und Weise, wie die im Monde befindlichen Wesenheiten von ihrem Mondstandpunkte aus, von ihrem Mondgesichtspunkte aus rings herum die Welt schauen, rings herum die Welt ansehen. Und wenn ich mich bildhaft ausdrücken darf, so möchte ich sagen, die geistigen Wesen­heiten des Mondes richten ihr Auge zunächst auf das, was ihnen das wichtigste ist, auf die Wandelsterne, die zu unserem Planetensystem gehören. Alles, was auf dem Monde geschieht, was auch dazu geschieht, daß der Mensch die Kräfte richtig erhält, die er braucht, um seinen ätherischen Leib zu bilden, alles das hängt ab von den Beobachtungs-resultaten, zu denen die Wesen im Monde kommen, die sozusagen im Monde leben, und rings herum die Wandelsterne unseres Planeten­systems, Merkur, Sonne, Mond und so weiter betrachten.
 
Das war ein Wissen, welches in gewissen Mysterien vorhanden war. Ein altes Mysterienwissen gewisser Mysterienstätten war das, daß vom Monde aus die Konstellation, die Bewegungsverhältnisse des Planetensystems, das zu unserer Erde gehört, beobachtet und darnach
 
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die Taten der Mondwesen bestimmt wurden. Man drückte das da­durch aus, daß man gewissermaßen den Mond, als den Punkt, von dem aus gerade diejenigen Weltenverhältnisse bestimmt werden, die mit der Bildung des menschlichen Ätherleibes zusammenhängen, daß man diese Mondenkräfte ins Bewußtsein der Menschheit in Zusam­menhang mit den Kräften der anderen Wandelsterne hereinbrachte.
 
Und man tat das in den Wochentagen:
 
Mond: Mondtag, Montag
 
daß der Mond zu tun hat in seiner Beobachtung
 
mit Mars: Marstag, Dienstag
 
mit Merkur: Merkurstag, mercredi Mittwoch
 
dann weiter mit Jupiter:
 
Jupiterstag, Jupiter ist der deutsche Donar, Donnerstag
 
dann weiter mit Venus, das ist die deutsche Freya: Freitag
 
dann weiter mit Saturn: Saturnstag, saturday, Samstag
 
mit der Sonne selber, die mit ihren Kräften nicht
 
unmittelbar wirken kann auf die Bildung des Ätherleibes,
 
aber in der Rückstrahlung vom Monde wirkt: Sonntag
 
So gliederte man dem, was sich auf den Gesichtspunkt des Mondes bezog, dasjenige an, was in der Einteilung der Zeit den Planeten-zusammenhang in das Bewußtsein der Menschheit hereinbrachte. Und es wollte gewissermaßen gesagt sein im alten Mysterienwesen: Mensch, erinnere dich, daß du, bevor du heruntergestiegen bist auf die Erde, Kräfte brauchtest, die auf dem Monde dadurch ausgebildet werden, daß von den Mondenwesen hingeblickt wird auf die anderen Planeten des Planetensystems. Dem, was der Mond hat von Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und so weiter, dem verdankst du die besondere Konfiguration, die dein ätherischer Leib beim Herabstieg in das irdische Leben annehmen kann.
 
Und so haben wir einmal auf der einen Seite den rhythmischen Gang des Mondes durch Licht und Dunkelheit um unsere Erde herum, auf der anderen Seite im Menschenbewußtsein verzeichnet die ganze Planetenfolge. Ja, die Mysterien gaben dazu auch noch dieses, daß
 
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gesagt wurde: Dadurch, daß die Mondenwesen hinblicken können nach dem Mars, bekommt der Mensch die Fähigkeit zur Sprache in seinen Ätherleib hineinorganisiert. Dadurch, daß die Mondenwesen hinblicken können auf den Merkur, bekommt der Mensch die Fähig­keit der Bewegung in seinen Ätherleib hineinkonzentriert.
 
Wenn man mit diesen Mondengeheimnissen nun sprechen will, so kann man das in einer ganz anderen Form: dann wird Eurythmie aus der Sprache. Man kann sagen, Eurythmie wird aus der Sprache, wenn man - nachdem man die Geheimnisse der Sprache dadurch erforscht hat, daß man sich von den Mondenwesen sagen ließ, was sie, auf den Mars hinschauend, für Beobachtungen machen - nun auch erforscht, wie sich diese Beobachtungen verändern, wenn die Mondenwesen nach dem Merkur hinschauen. Wenn man also die Marserfahrungen der Mondwesen umwandelt in die Merkurerfahrungen der Mondwesen, dann bekommt man aus der Lautsprachenfähigkeit im Menschen die eurythmische Fähigkeit im Menschen. Das ist die Sache kosmisch aus­gesprochen.
 
Was den Menschen mit der Fähigkeit zur Weisheit durchströmt, das bekommt man durch die Erfahrungen der Mondwesen mit Jupiter.
 
Was den Menschen durchströmt an Liebe und Schönheit in seiner Seele, bekommt man durch die Erfahrungen der Mondenwesen mit Venus.
 
Dasjenige, was von den Mondenwesen erfahren wird durch die Beobachtung des Saturn, das gibt die innere Seelenwärme für den Menschen in seinen Ätherleib hinein. Und dasjenige, was abgehalten werden muß, gewissermaßen weggedrängt werden muß, damit es die Bildung des Ätherleibes nicht stört unmittelbar vor dem Herunter-stieg auf die Erde, das ist, was von der Sonne herrührt. Von der Sonne oder von dem Anblick der Sonne rührt also alles dasjenige her, vor dem der Mensch geschützt werden muß, damit er ein geschlossener Mensch werden ann durch Einbildung des Ätherleibes, also durch schützende Kräfte.
 
Auf diese Weise, kann man sagen, lernt man erkennen, was auf dem Monde geschieht. Dann lernt man dadurch auch erkennen, wie dieser menschliche Ätherleib geformt, gebildet wird, wenn der Mensch heruntersteigt
 
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aus dem vorirdischen Dasein in das irdische Dasein. Das sind die Dinge, die sich auf das Mondengeheimnis beziehen.
 
Ja, solche Dinge kann man heute erzählen. In gewissen älteren Mysterien wurden sie nicht bloß erzählt, sondern sie wurden erlebt, richtig erlebt. Und sie wurden so erlebt, daß man das, was ich Ihnen da an die Tafel geschrieben habe, nicht bloß wußte, sondern daß man es innerlich erfuhr:
 
Mondtag
 
Dienstag Sprache
 
Mittwoch Bewegung
 
Donnerstag Weisheit
 
Freitag Liebe, Schönheit
 
Samstag innere Seelenwärme
 
Sonntag schützende Kräfte
 
Man konnte durch die Einweihung in die Mysterien, von denen ich Ihnen gestern gesprochen habe, herauskommen von dem bloßen Hin­ausschauen durch die Augen, Hinaushören durch die Ohren für die physische Erdenumgebung; man konnte frei werden, konnte sich fern­halten von dem physischen Leib und nur leben im Ätherleib. Wenn man aber lebte im Ätherleibe, dann lebte man mit all dem. Dann lebte man nicht mit der Sprache, die sich durch den Kehlkopf formt, sondern man lebte mit der Sprache, die im Mars als Weltensprache ertönt. Man bewegte sich in dem Sinne, wie Merkur die Bewegungen im Kosmos lenkte; man bewegte sich nicht mit Füßen und Beinen, sondern man bewegte sich im Sinne desjenigen, wie Merkur die Bewegungen des Menschenwesens lenkt. Man hatte auch nicht die mit solcher Mühe in der kindlich-jugendlichen Entwickelung erlangte Weisheit, die ja in der materialistischen Zeit eigentlich eine Unweisheit ist, sondern man lebte direkt in der Weisheit des Jupiter darinnen; aber man lebte in der Weisheit des Jupiter dadurch, daß man sich vereinigen konnte mit den Mondenwesen, die den Jupiter beobachteten. Man war eigentlich, in­dem man in dieser Weise eingeweiht wurde, ganz in dem monden-strahlenden Lichte darinnen. Man war weggegangen von der Erde. Man war nicht Wesen in Fleisch und Blut auf der Erde, man war weggegangen
 
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von der Erde, und man lebte als ein Wesen im Mondenlichte, aber im konfigurierten Mondenlichte, im Mondenlichte, das modifiziert wurde durch das, was in den anderen Planeten unseres Planetensystems lebte.
 
Man wurde da für die Zeit der geistigen Beobachtung in solchen Mysterien eben ein Lichtwesen des Mondes, und zwar nicht wie irgend etwas, was symbolisch ist, oder etwas, was abstrakt vorzustellen ist, sondern wie der Mensch, wenn er heute einen Gang nach Basel hinein und wieder zurück macht, sich der Wirklichkeit bewußt ist und weiß, daß er da etwas Wirkliches erlebt hat, so war man sich auch der Wirk­lichkeit bewußt, wenn man durch die Einweihungshandlung den Be­such gemacht hatte bei den Mondenwesen. Man wußte, man hat Ab­schied genommen für eine Weile von seinem physischen Leibe, ist mit seinem Geistig-Seelischen in die Lichtsphäre des Mondes gezogen, hat einen Lichtleib um sich gehabt und, weil man vereinigt war mit den Mondenwesen, hat man hinausgeschaut in die Weiten des Planetari­schen und hat so nun wirklich beobachten können, was sich einem ent­hüllen konnte in den Weiten des Planetarischen.
 
Und was hat man beobachtet? Nun, da hat man hauptsächlich beob­achtet - das andere hat man mitbeobachtet, aber hauptsächlich hat man dieses beobachtet -, daß von der Sonne her die Kräfte von Wesen kom­men, die mit der Bildung des Ätherleibes des Menschen nichts zu tun haben dürfen. Man sah zur Sonne hin wie zu etwas, was für den Äther-leib etwas Auflösendes, etwas Zerstörendes hatte. Man wußte dadurch:
 
nicht vom Ätherleibe aus dürfen Kräfte gehen, welche von den Sonnen-wesen aufgenommen werden, sondern die müssen von den höheren Gliedern der Menschennatur ausgehen, vom Ich und vom astralischen Leibe. Nur darauf dürfen die Sonnenkräfte wirken. Also man wußte:
 
man wendet sich nicht zur Sonne für den Ätherleib des Menschen; für den Ätherleib wendet man sich zu den Planeten. Zur Sonne wendet man sich für den Astralleib und namentlich für das Ich des Menschen. Das wußte man: für die ganze innere Kraft des Ich muß man sich an die Sonne wenden. Das war das zweite, was bei dieser auf das Mond-geheimnis rekurrierenden Einweihung da war. Es war das zweite, daß man wußte: für den Ätherleib gehört man dem Planetensystem an;
 
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man schaut aber für die Durchkraftung namentlich seines Ichs und auch des astralischen Leibes auf die Sonne hin.
 
So war eigentlich diese Einweihung, daß man selber eins wurde mit dem Mondenlichte, aber durch das Mondenlichtdasein des eigenen Wesens schaute man hinein in die Sonne.
 
Nun sagte man sich: Die Sonne sendet ihr Licht auf den Mond, weil sie es direkt dem Menschen nicht übergeben darf. Dann hat man das Mondenlicht im Verein mit den planetarischen Kräften. Aus denen bildet man seinen Ätherleib. - Dieses Geheimnis wußte derjenige, der in dieser Art eingeweiht war. Und so wußte er, inwiefern er die Kraft der geistigen Sonne in sich trug. Er hatte das geschaut. Er hatte ein Bewußtsein davon erlangt, inwiefern er die geistige Kraft der Sonne in sich trug. Und das war eben der Grad der Einweihung, durch den der Mensch ein Christus-Träger, das heißt, ein Sonnenwesen-Träger wurde, nicht ein Sonnenwesen-Empfänger, sondern ein Sonnenwesen-Träger. Wie der Mond selber, wenn er Vollmond ist, ein Sonnenlicht-Träger ist, so wurde der Mensch ein Christus-Träger, ein Christo­phorus. Diese Einweihung zum Christophor war also ein durchaus reales Erlebnis.
 
Nun stellen Sie sich dieses durchaus reale Erlebnis vor, durch das der Mensch gewissermaßen der Erde enteilte und sich als initiierter Erdenmensch hinauferhob zum Lichtwesen, dieses frühere, innere menschliche Ostererlebnis, denken Sie sich das umgestaltet zum kos­mischen Feste. In späteren Zeiten wußten die Menschen nichts davon, daß so etwas geschehen kann: daß der Mensch wirklich heraustreten kann aus dem Irdischen, sich mit dem Mondenhaften vereinigen und vom Monde aus die Sonne anschauen kann. Aber eine Erinnerung daran sollte erhalten werden, und diese Erinnerung ist im Osterfeste erhalten worden.
 
Denn wie der Mensch das alles erleben kann, das ging eben nicht über in das spätere, sich vermaterialisierende Bewußtsein, dagegen in eine abstrakte Vorstellung. Man schaute nicht mehr in sich hinein, so daß man sagte: Ich kann mit dem Mondenlichte mich vereinigen. Aber man sah auf den Mond hin, auf den Vollmond. Zum Vollmond sah man hinauf und sagte dann: Nicht ich entwickele mich da hinauf,
 
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sondern die Erde strebt dahin. - Wann strebt sie denn am meisten da­hin? Dann strebt sie am meisten dahin, wenn der Frühling beginnt, wenn die Kräfte, die vorher mit den Samen, mit den Pflanzen in der Erde drinnen waren, aus der Oberfläche der Erde hervorströmen. Sie werden auf der Erde zu Pflanzen, aber sie gehen weiter, sie strömen in die Weiten des Kosmos hinaus.
 
Man hat in alten Mysterien das Bild gebraucht: Wenn die inneren Kräfte der Erde durch die Pflanzenstengel, durch die Pflanzenblätter dasjenige heraustragen, was von der Erde ausstrahlt in den Kosmos, dann kann der Mensch am leichtesten die Monden-Sonneneinweihung erlangen und Christophor werden; denn dann schwimmt er gewisser­maßen aus den von der Erde im Frühling ausstrahlenden Kräften zum Monde hinauf. Aber er muß in das volle Mondenlicht kommen.
 
Das alles ging in die Erinnerung über, wurde aber abstrakt. «Er muß in das volle Mondenlicht kommen. » Also unterbewußt, nicht mehr klar wissend, daß dies menschliches Erlebnis werden konnte, wurde vorgestellt: Irgend etwas, nicht der Mensch selber, strömt gegen den Vollmond hin, der da der erste Vollmond ist, nachdem Frühlings-Anfang war. Und was kann dieser Vollmond jetzt tun? Er schaut die Sonne an, das heißt, er schaut zum ersten der Sonne geweihten Tag hin, zum ersten Sonntag, der auf ihn folgt. Wie früher der Christo­phorus, der Christophor, angeschaut hat vom Mondenstandpunkt aus
 
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die Sonnenwesenheit, so schaut jetzt der Mond die Sonne an, das heißt ihre Symbolisierung im Sonntag.
 
So haben wir also Frühlings-Anfang, 21. März: die Kräfte der Erde sprossen hinaus in das Weltenall. Man muß warten, bis der richtige Beobachter da ist, bis der Vollmond da ist.
 
21. März: Vollmond: Sonntag.
 
Was beobachtet er? Die Sonne. Man läßt den nächsten Sonntag darauf folgen als den Ostersonntag.
 
Also ist es eine abstrakte Zeitbestimmung, geblieben von einem ganz realen Mysterienvorgang, der in älteren Zeiten eben für viele Men­schen oftmals stattgefunden hat. Und so ist es wirklich bei diesem Osterfeste. Es stellt unser heutiges Frühlings-Osterfest einen Mysterien-vorgang dar, der schon überall im Frühling getan worden ist; aber es ist dies ein anderer Mysterienvorgang als derjenige, den ich vorgestern besprochen habe.
 
Der Mysterienvorgang, den ich vorgestern besprochen habe, ist der, welcher den Menschen dazu führte, das Todesereignis zu begreifen. Ich sagte: jener Auferstehungsgedanke, der dem Menschen begreiflich gemacht wurde durch so etwas wie die Adonisfeier im Herbste, der führte eigentlich den Menschen in das Todeserlebnis hinein, in diese Auferstehung im Geistigen nach ungefähr dreien Tagen. Dieser Vor­gang, dieser Auferstehungsvorgang, der gehört eigentlich in die Herbsteszeit, aus den Gründen, die ich ja auseinandergesetzt habe.
 
Ein anderer Vorgang ist dieser, den ich heute beschrieben habe, der in anderen Mysterien gefeiert oder getan worden ist für gewisse Ein­weihungen, für die Sonnen- und Mondeneinweihung. Und dieser Vor­gang stellte den Menschen vor den Lebensanfang hin. So daß wir also auf Zeiten zurückblicken können, in denen der Herunterstieg des Men­schen aus dem vorirdischen Dasein zum irdischen Dasein in gewissen Mysterien erkannt wurde durch den Niederstieg. In anderen Mysterien, in den Herbstmysterien, wurde der Aufstieg im Geistigen erkannt.
 
Aber in den späteren Zeiten, in denen man nicht mehr den leben­digen Inhalt dieser Beziehung des Menschen zu dem Geistigen im Kosmos durchschauen konnte, da kam es eben so weit, daß das
 
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Herbstesmysterium des Aufstieges einfach zusammengelegt wurde mit dem Niederstiegsmysterium des Frühlings. Und so zeigt sich in der Konfusion, die da eingetreten ist im Laufe der Entwickelung der Menschheit, wie nach und nach der Materialismus gewirkt hat, wie er nicht bloß falsche Ansichten erzeugt hat, sondern wie er tatsächlich die Menschen ganz in Verwirrung gebracht hat über dasjenige, was einstmals, ich möchte sagen, in einer heiligen Ordnung da war im Ver­laufe des menschlichen Erdengeschehens. In einer heiligen Ordnung war es so da, daß die Menschheit, wenn es gegen den Herbst zuging, ein kosmisches Fest beging, das aber wiederum hinwies auf einen Mysterienvorgang, aus dem heraus gesagt werden konnte: Die Natur verfällt in Öde, verwelkt, stirbt dahin; das ist gleich dem Hinsterben des Menschen nach seiner physischen Seite. Aber während man, wenn man auf die Natur hinschaut, in ihr nur das Vergängliche wirksam sieht, lebt im Menschen das Ewige, das nun, abgesehen von dem, was in der Natur sich vollzieht, angeschaut werden soll im Geiste und welches das nach dem Tode in der geistigen Welt Auferstehende ist. Durch die Frühjahrsmysterien wurde dem Menschen klar, daß die Natur überwunden wird vom Geistigen, daß das Geistige wiederum hereinwirkt aus dem Kosmos, daß das Physische aus der Erde heraus sprießt und sproßt, weil es vom Geistigen getrieben wird.
 
Aber durch dieses sollten die Menschen gedenken, nicht wie sie hin­gehen zum Geistigen durch den Tod, sondern wie sie herkommen aus dem Geistigen, herabsteigen aus dem Geistigen. Also da, wo gerade die Natur im Aufgange ist, da sollte der Mensch gedenken seines Niederganges in das Physische. Da, wo die Natur im Niedergange ist, da sollte der Mensch gedenken seines Aufstieges, seiner Auferstehung im Geistigen. Und es vertiefte schon das seelische Leben ungeheuer, wenn so erfahren werden konnte, wie der Mensch sich zum Kosmos verhält. -
 
Es war das verschieden, je nach den Gegenden. In den alten Zeiten gab es wirklich Völker, die mehr Herbstvölker waren, und Völker, die mehr Frühlingsvölker waren. Innerhalb der Herbstvölker waren die Adonismysterien; innerhalb der Frühlingsvölker waren andere Mysterien, die sich bezogen auf dasjenige, was ich heute dargestellt
 
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habe. Und nur solche erkenntnissuchende Menschen, von denen mit Recht erzählt wird, wie sie von Ort zu Ort gezogen sind gleich dem Pythagoras, wie sie von Mysterium zu Mysterium gekommen sind, die haben dann eigentlich die Totalität des menschlichen Erlebens gehabt. Sie sind von einem Mysterienorte, wo sie das Herbstgeheimnis, das eigentlich das Sonnengeheimnis ist, schauen konnten, gezogen zu einem anderen Orte, wo sie das Frühlingsgeheimnis, das das Mondengeheim­nis ist, schauen konnten. Deshalb wird von den alten umfassenden Eingeweihten immer wieder erzählt, wie sie von Mysterienstätte zu Mysterienstätte gezogen sind. Und man kann schon sagen: diese Ein­geweihten haben in einer gewissen Weise innerlich das Jahr erlebt, das Jahr in seinen Festlichkeiten. So ein alter Eingeweihter hat sagen können: Komme ich an diesen Ort, wo Adonisfeste gefeiert werden, so schaue ich mir den Weltenherbst und das Strahlen der geistigen Sonne in der beginnenden Winternacht an. - Kam er an einen anderen Mysterienort, wo die Frühlingsmysterien gefeiert wurden, so konnte er sagen: Ich schaue mir da das Mondengeheimnis an. Und so lernte er innerlich dasjenige kennen, was eigentlich mit dem ganzen Sinn des Jahres zusammenhängt.
 
Sie sehen, unser Osterfest ist eigentlich beladen worden mit etwas, mit dem es nicht beladen sein dürfte. Unser Osterfest müßte eigentlich ein Grablegungsfest sein, und es müßte dieses Grablegungsfest in der Frühlingszeit zu gleicher Zeit, so wie es wirklich bei solchen Grab­legungsfesten war gegenüber der menschlichen Geistigkeit, ein Fest des Ansporns zur Arbeit sein, wie sie der ursprünglichere Mensch wäh­rend der Sommerzeit brauchte. So war das Osterfest ein Ermahnungs-fest für die Arbeit während des Sommers. Und so war das herbstliche Auferstehungsfest für die geistige Welt ein Fest, welches in der Zeit gefeiert wurde, wo der Mensch von der Arbeit wieder wegging. Aber wenn er von der Arbeit wegging, sollte er eben in seinem Inneren erleben das, was für sein Geistig-Seelisches das Allerwichtigste ist: sich seines Ewigen bewußt zu werden, indem er auf die Auferstehung in der geistigen Welt, drei Tage nach dem Tode, hinschaut.
 
So können wir, wenn wir von den irdischen Geheimnissen zu den kosmischen Geheimnissen gehen, von irdischer Erkenntnis zu kosmischer
 
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Erkenntnis gehen, auch noch die, ich möchte sagen, innere Struk­tur unserer Jahresordnung in den Festen erkennen. Aber vieles von dem, was in die Feste eigentlich hineingeheimnist ist, vieles von dem ist verschwunden.
 
Nun werde ich morgen, so viel es noch sein kann, versuchen, in engerer Anlehnung an gewisse Mysterienstätten die Sache noch weiter zu vertiefen, die ich Ihnen heute darlegen wollte an der Betrachtung der Himmelsverhältnisse selber.
 
= VIERTER VORTRAG Dornach, 22. April 1924 =
<nowiki>#</nowiki>G233-1962-SE298 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung
 
<nowiki>#</nowiki>TI
 
VIERTER VORTRAG
 
Dornach, 22. April 1924
 
<nowiki>#</nowiki>TX
 
Wir haben gesehen, wie aus den Mysterien herausgewachsen ist das­jenige, was im Bewußtsein die Menschen mit der Welt so verbindet, daß diese Verbindung zur Darstellung kommen kann in dem festlichen Jahreslaufe, und wir haben ja insbesondere gesehen, wie das Osterfest herausgewachsen ist aus dem Initiationsprinzip. Aus der ganzen Dar­stellung wird Ihnen hervorgegangen sein, welche bedeutsame Rolle das Mysterienwesen in der ganzen Entwickelung der Menschheit ge­spielt hat.
 
Es ist ja mit diesem Mysterienwesen so, daß im Grunde genommen alles, was geistig durch die Welt ging, durch die Menschheit sich ent­wickelte, daß das in alten Zeiten alles hervorgegangen ist aus den Mysterien. Wenn man ein heutiges Wort anwenden möchte, so müßte man sagen: die Mysterien waren sehr mächtig in bezug auf die ganze Lenkung des geistigen Lebens.
 
Nun war die Menschheit von vornherein dazu bestimmt, die Frei­heit zu entwickeln. Zur Entwickelung der Freiheit war es notwendig, daß das alte Mysterienwesen zurückgegangen ist, und eine Zeitlang die Menschen weniger im Zusammenhang standen mit einer solchen mächtigen Lenkung, wie sie von den Mysterien ausging, und gewisser­maßen mehr sich selbst überlassen waren. Man kann ganz gewiß nicht sagen, daß heute der Zeitpunkt bereits herangerückt sei, in dem die Menschen sich ihre wahre innere Freiheit schon erobert haben und nun reif wären, zum Nächsten überzugehen, was auf das Zeitalter der Freiheit folgen soll. Gewiß, das kann man nicht sagen. Aber immerhin, es sind genügend viele Menschen durchgegangen durch Inkarnationen, in denen weniger die Macht der Mysterien gespürt worden ist als in früheren Zeiten. Und wenn auch die Saat des Durchgehens durch diese Inkarnationen heute noch nicht aufgegangen ist, sie ist in den Men­schen. Sie steckt in den Menschenseelen drinnen.
 
Wenn nun ein Zeitalter heranrückt, welches wieder geistiger ist, so werden schon die Menschen das entwickeln, was sie heute in der
 
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Dumpfheit noch nicht entwickelt haben. Aber es wird vor allen Dingen notwendig sein, daß dem Erkennen, dem Schauen, dem Er­leben des Geistigen, die aus der heutigen Initiation geholt werden können, entgegengebracht werde auch aus der Freiheit heraus Schät­zung, Ehrfurcht. Denn ohne Schätzung, ohne Ehrfurcht ist eine wirk­liche Erkenntnis, ist ein geistiges Leben der Menschheit eigentlich nicht möglich. Es ist doch so, daß wir die Festeszeiten richtig anwenden, wenn wir gerade sie dazu gebrauchen, diese Schätzung, diese Ehrfurcht vor dem Geistigen, wie es sich entwickelt hat im Laufe der Mensch­heitsgeschichte, ein wenig versuchen, in unsere Seele einzupflanzen, wenn wir möglichst intim hinzuschauen lernen auf die Art und Weise, wie die äußeren geschichtlichen Ereignisse Geistiges bedeuten, Geistiges von einem Zeitalter in das andere tragen. Zunächst ist es ja so, daß die Menschen in wiederholten Erdenleben immer wiederum ins Erden-dasein kommen. Dadurch tragen sie dasjenige, was sie in früheren Epochen erlebt haben, in spätere Epochen herüber. Die Menschen sind das wichtigste Glied in bezug auf das Weiterentwickeln dessen, was innerhalb der Menschheitsgeschichte geschieht. Aber die Menschen leben doch zu allen Zeiten in einer bestimmten Umgebung. Und eine wichtigste Umgebung ist schon die Mysterienumgebung. Ein Wich­tigstes im Menschheitsfortschritt ist das Herübertragen dessen, was Menschen in Mysterien erlebt haben und wiedererleben, sei es wie­derum in Mysterien, wo es hinauswirkt in die Menschheit, sei es sonst irgendwie im Erkennen. Heute muß es ja sonst irgendwie im Er­kennen sein, denn das eigentliche Mysterienwesen ist mehr oder weni­ger für die heutige Außenwelt zurückgegangen, muß erst wiederum auftreten.
 
Wir müssen ja sagen: Es ist schon so, daß, wenn jener Impuls, der durch die Weihnachtstagung von hier, vom Goetheanum, ausgegangen ist, wirklich sich einlebt in der Anthroposophischen Gesellschaft, dann die Anthroposophische Gesellschaft, indem sie weiter hinführt zu den Klassen, die einzurichten sind - zum Teil hat diese Einrichtung ja schon begonnen -, die Grundlage sein wird für das weitere Mysterien-wesen. Es muß das weitere Mysterienwesen bewußt gepflanzt werden durch diese Anthroposophische Gesellschaft. Diese Anthroposophische
 
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Gesellschaft hat ja vor sich ein Ereignis, das ebenso in der Entwicke­lung verwertet werden kann, wie einstmals verwertet worden ist ein ähnliches Ereignis: der Brand des Tempels von Ephesus. Da und dort lag ein bedeutsames Unrecht zugrunde. Allein die Dinge nehmen sich ja auf den verschiedenen Niveaus eben verschieden aus, und es kann dasjenige, was auf einem Niveau ein furchtbares Unrecht ist, in der Freiheit der Menschen dann verwendet werden in dem Sinne, daß gerade durch solche schauderhaften Ereignisse ein wirklicher Mensch­heitsfortschritt hervorgerufen werde.
 
Nun muß man aber, wenn man auf solche Dinge verständnisvoll eingehen will, möglichst intim, wie ich schon sagte, die Dinge fassen. Man muß hineinschauen in die besondere Art, wie in den Mysterien das Geistige der Welt gelebt hat. Ich habe gestern darauf hingedeutet, wie aus Sonnen- und Mondenkonstellation, wenn man sie geistig nimmt, herauswächst die Festsetzung des jährlichen Osterfestes, und ich habe darauf hingedeutet, daß vom Mondengesichtspunkte aus die anderen Planeten geschaut werden. Und nach dem, was man erfährt im Schauen der anderen Planeten, wird der Mensch angeleitet beim Heruntersteigen aus dem vorirdischen Dasein in das irdische Dasein, wie er sich seinen Lichtätherleib bildet.
 
Nun, wenn man die Anschauung gewinnen will, wie dieser Licht­ätherleib durch die Mondenkräfte, durch die Mondenbeobachtungen, ich möchte sagen durch das geistige Mondenobservatorium, wie diese Ätherkräfte dem Menschen überliefert werden, wenn man das recht verstehen will, so kann man es so beobachten, wie wir es nun versucht haben, aus dem Kosmos heraus, wo es eingeschrieben ist, wo es als ein Faktum existiert. Aber es ist auch wichtig, den menschlichen Anteil, der in den verschiedenen Zeiten an einer solchen Wahrheit da ist, auf das Gemüt wirken zu lassen.
 
Und in der Tat, niemals war der Anteil, den menschliche Gemüter genommen haben an diesem Heruntersteigen vom vorirdischen Dasein in das irdische in bezug auf die letzte Etappe, die Umkleidung des Menschen mit dem Ätherleib, niemals war ein so intimer, inniger An­teil an dieser Tatsache genommen worden als gerade in den Mysterien von Ephesus. In den Mysterien von Ephesus war es so, daß der ganze
 
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Dienst, welcher der exoterisch Artemis genannten Göttin von Ephesus dargebracht wurde, eigentlich darauf gerichtet war, das geistige Weben und Leben innerhalb des Äthers der Welt, innerhalb des Äthers des Kosmos, mitzuerleben. Man kann schon sagen, wenn die Angehörigen des Mysteriums von Ephesus sich dem Götterbilde nahten, dann war es eine Empfindung, die sich aber steigerte bis zum Anhören, und die etwa so auszudrücken ist, wie wenn es die Sprache der Göttin wäre: Ich freue mich über alles Fruchttragende im weiten Weltenäther.
 
Es war ein tiefer Eindruck, der ausgeübt wurde durch dieses Aus­sprechen inniger Freude der Tempelgöttin über alles Wachsende, Sprießende, Sprossende im weiten Weltenäther. Und innig verwand­tes Fühlen mit dem Sprießen und Sprossen war ja insbesondere etwas, was wie ein Zauberhauch die Atmosphäre, die geistige Atmosphäre von dem ephesischen Heiligtum durchströmte. Es war dieses Mysterium schon so angeordnet, so eingerichtet, daß man sagen kann, nirgends ist eigentlich so mitgelebt worden mit dem Wachsen des Pflanzen-wesens, mit dem Sprießen und Sprossen der Erde in das Pflanzenwesen hinein, als in Ephesus.
 
Das führte denn auch dazu, daß gerade in diesem ephesischen Mysterium mit besonderer Deutlichkeit der Unterricht gegeben werden konnte, wenn ich es so nennen darf, der darauf hinausging, besonders dieses Mondengeheimnis, von dem ich gestern sprach, an das Gemüt der zu Ephesus Gehörigen heranzubringen.
 
Es war etwas, was jeder wie sein eigenes Erlebnis hatte, sich zu fühlen als Lichtgestalt, weil das so lebendig gemacht wurde vor den ephesischen Schülern und Initiierten: dieses durch den Mond seine Lichtgestalt bekommen. Und es war eine Einrichtung in Ephesus, die etwa so war: Derjenige, der diese Einrichtung in der Weihestätte auf sich wirken lassen konnte, der wurde wirklich ganz hineinversetzt in dieses sich Herausbilden aus dem den Mond umwandelnden Sonnen-lichte. Dann tönte es an ihn heran, wie wenn es von der Sonne herüber-tönte: J O A.
 
Dieses J 0 A, von dem wußte er, daß es regsam macht sein Ich, seinen astralischen Leib. J 0 - Ich, astralischer Leib, und das Heran­kommen des Lichtätherleibes in dem A - J 0 A. Jetzt fühlte er sich,
 
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indem vibrierte in ihm das J 0 A, jetzt fühlte er sich als Ich, als astra­lischen Leib, als ätherischen Leib.
 
Und dann war es, wie wenn von der Erde heraufklänge, denn der Mensch war versetzt in das Kosmische, wie wenn von der Erde herauf­klänge dasjenige, was das J 0 A durchsetzte eh-v. Das waren die Kräfte der Erde, die heraufkamen in dem eh-v.
 
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Und nun fühlte er, in dem JehOvA fühlte er den ganzen Menschen. Das Vorgefühl des physischen Leibes, den er erst auf der Erde hatte, fühlte er angedeutet in den Konsonanten, die hinzugehörten zu dem Vokalischen, was in dem J 0 A andeutet Ich, astralischen Leib, ätheri­schen Leib. Dieses sich Einleben in dem JehOvA, das war es, was den ephesischen Schüler erfühlen ließ die letzten Schritte für das Herunter­steigen aus der geistigen Welt.
 
Aber es war zu gleicher Zeit dieses Erfühlen des J 0 A so, daß man sich fühlte im Lichte drinnen als dieser Klang J OA. Dann war man Mensch: klingendes Ich, klingender astralischer Leib, in lichtglänzen-dem Ätherleib. Dann war man Klang im Licht. So ist man als kos­mischer Mensch.
 
Und so ist man fähig, aufzunehmen dasjenige, was man im Kosmos draußen sieht, wie man durch sein Auge hier auf der Erde fähig ist, aufzunehmen, was im physischen Umkreise der Erde geschieht.
 
Dann fühlte sich der ephesische Schüler wirklich, wenn er in sich trug dieses J 0 A, wie versetzt in die Mondensphäre. Er nahm teil an demjenigen, was beobachtet werden konnte vom Gesichtspunkte des Mondes aus.
 
Da war der Mensch noch Mensch im allgemeinen. Er wurde erst Mann und Weib beim Heruntersteigen auf die Erde. Da aber fühlte der Mensch sich hinaufversetzt in diese Region des vorirdischen Daseins,
 
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aber eben des Herankommens an das Irdische. Den ephesischen Schülern wurde dieses sich Hinaufversetzen in die Mondensphäre eben ganz besonders intim möglich. Dann trugen sie in ihrem Herzen, in ihrer Seele dasjenige, was sie miterlebt haben, und was etwa in der folgenden Weise dem ephesischen Schüler erklang:
 
Weltentsprossenes Wesen, du in Lichtgestalt,
 
Von der Sonne erkraftet in der Mondgewalt,
 
Dich beschenket des Mars erschaffendes Klingen
 
Und Merkurs gliedbewegende Schwingen,
 
Dich erleuchtet Jupiters erstrahlende Weisheit
 
Und der Venus liebetragende Schönheit -
 
Daß Saturns weltenalte Geist-Innigkeit
 
Dich dem Raumessein und Zeitenwerden weihe!
 
Das war dasjenige, von dem jeder Epheser durchdrungen war. Das rechnete er zum Wichtigsten, was seinen Menschen durchpulste:
 
Weltentsprossenes Wesen, du in Lichtgestalt,
 
Von der Sonne erkraftet in der Mondgewalt,
 
Dich beschenket des Mars erschaffendes Klingen
 
Und Merkurs gliedbewegende Schwingen,
 
Dich erleuchtet Jupiters erstrahlende Weisheit
 
Und der Venus liebetragende Schönheit -
 
Daß Saturns weltenalte Geist-Innigkeit
 
Dich dem Raumessein und Zeitenwerden weihe!
 
Man kann schon sagen: es war für den zu den ephesischen Mysterien Gehörigen etwas wie sich so recht als Mensch fühlen, wenn ihm - ich will mich etwas trivial ausdrücken - wenn ihm in den Ohren klang das, was in diesen Sprüchen liegt. Denn er fühlte ja: damit ist ihm das Be­wußtsein von dem aufgegangen, wie er mit dem Planetensystem zu­sammenhängt in den Kräften seines Ätherleibes. Und prägnant kam das zum Ausdruck. Das ist zum Ätherleib vom Weltenall gesprochen:
 
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Weltentsprossenes Wesen, du in Lichtgestalt,
 
Von der Sonne erkraftet in der Mondgewalt.
 
Nun ist der Mensch sich fühlend in der Gewalt des Mondenlichtes:
 
Dich beschenket des Mars erschaffendes Klingen.
 
Das Klingen, das etwas Erschaffendes, etwas Schöpferisches hatte, klang herüber vom Mars. Und dasjenige, was dem Menschen die Glieder er­kraftet, daß er ein bewegliches Wesen wurde:
 
Und Merkurs gliedbewegende Schwingen.
 
Vom Jupiter leuchtet es herüber:
 
Dich erleuchtet Jupiters erstrahlende Weisheit.
 
Von der Venus leuchtet es herüber:
 
Und der Venus liebetragende Schönheit.
 
Damit dann Saturn alles zusammenfassen kann, was den Menschen abrundet innerlich und äußerlich und ihn bereitet, daß er herunter­steigen kann auf die Erde, sich mit einem physischen Leibe umkleidet, und als dieses physisch umkleidete Wesen, das den Gott in sich trägt, auf der Erde weiterleben kann:
 
Daß Saturns weltenalte Geist-Innigkeit
 
Dich dem Raumessein und Zeitenwerden weihe!
 
Nun, aus dem, was ich da beschreibe, können Sie ja entnehmen, daß das Leben, das geistige Leben in Ephesus ein innerlich helles war, ein farbiges war. In diesem innerlich hellen, farbigen Leben war ja tatsäch­lich dasjenige enthalten, was im Ostergedanken zusammenfaßte alles, was man je gewußt hat über des Menschen wahre Würde im ganzen Kosmos, im ganzen Weltenall. Und mannigfache von denjenigen Wan­derern - ich habe sie gestern erwähnt -, die von Mysterium zu Myste­rum gingen, um das Ganze des Mysterienwesens auf sich wirken zu lassen, mannigfache von diesen Wanderern haben doch immer wieder versichert: so hell, so innig, wie ihnen in Ephesus erklungen ist die Sphärenharmonie aus diesem Wahrnehmen vom Mondesgesichtspunkte
 
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aus, wo ihnen erschienen ist das leuchtende Astrallicht der Welt, indem sie es verspürt haben in dem den Mond umglimmenden Sonnenlichte, das durchgeistigt ist, so wie der Mensch beseelt ist, durchgeistigt ist vom Astrallichte, so haben sie an anderen Orten das nicht, wenigstens nicht mit jener Freudigkeit, mit jener inneren Künstlerauffassung wahr­nehmen können.
 
Das alles war ja gebunden an diejenige Tempelstätte, die dann durch Verbrecherhand oder Wahnsinnigenhand in Flammen aufging. Aber Eingeweihte der ephesischen Mysterien waren ja, wie ich während der Weihnachtstagung erwähnte, wiederverkörpert in Aristoteles und Alexander. Und diese Individualitäten sind dann nahegekommen dem, was in jener Zeit noch zu verspüren war an den Mysterien von Samothrake.
 
Nun ist ja ein scheinbar äußerlich zufälliges Ereignis von einer großen geistigen Bedeutung in der Weltentwickelung. Es ist schon er­wähnt worden unter uns, sogar seit vielen Jahren erwähnt worden:
 
als der Tempel von Ephesus brannte, war das die Geburtsstunde Alex­ander des Großen. Aber indem dieser Tempel brannte, spielte sich ja etwas ab.
 
Oh, wie ungeheuer viel war für diejenigen, die zu diesem Tempel gehörten, im Laufe von Jahrhunderten geschehen! Wie viel Geistiges an Licht und Weisheit ist durch diese Tempelräume gegangen. Und alles, was da durch diese Räume ging, ist ja mitgeteilt worden, wäh­rend die Flammen herausschlugen aus dem Tempel zu Ephesus, ist ja mitgeteilt worden dem Weltenäther. So daß man sagen kann: das kontinuierliche Osterfest zu Ephesus, das in den Tempelräumen ein­geschlossen war, ist seither eingeschrieben, wenn auch mit weniger deut­lich wahrnehmbaren Lettern, in den ganzen Weltendom, insofern der Weltendom ätherisch ist.
 
Und so ist es überhaupt mit vielem. Vieles von dem, was mensch­liche Weisheit ist, war in alten Zeiten umschlossen von Tempelwänden. Es ist den Tempelwänden entfiohen, ist in den Weltenäther eingeschrie­ben und wird da sofort sichtbar, wenn der Mensch zur wirklichen Imagination aufsteigt. Diese Imagination ist gewissermaßen die Inter­pretin des Sternengeheimnisses. Man kann so sagen: in den Weltenäther
 
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ist eingeschrieben dasjenige, was einstmals Tempelgeheimnis war, und man kann es mit der Imagination daraus lesen.
 
Man kann aber auch anders sagen, und es ist dasselbe, wenn man anders sagt. Man kann auch sagen: Ich stelle mich in sternheller Nacht auf, beschaue mir den Sternenhimmel, lasse seinen Eindruck auf mich wirken. Und es verwandelt sich, wenn der Mensch dazu die Fähigkeit hat, das, was in den Formen der Sternbilder ist, was in den Bewegun­gen der Wandelsterne ist, es verwandelt sich wie in eine große Welten-schrift. Und liest man diese Weltenschrift, so kommt etwas heraus von der Art, wie ich es gestern auseinandergesetzt habe für das Monden-geheimnis. Diese Dinge sind durchaus zu lesen in der Weltenschrift, wenn einem die Sterne nicht mehr bloß sind das mathematisch und mechanisch Errechenbare, sondern wenn sie einem sind die Lettern der kosmischen Schrift.
 
Nun aber möchte ich noch das Folgende für die Weiterentwickelung der Sache sagen. Gerade beim Herantreten an die kabirischen Geheim­nisse in Samothrake in der Zeit, als nun schon die alten Mysterien zurückgingen - Samothrake war Ja noch als Erinnerungsstätte und auch noch als Pflegestätte, als Arbeitsstätte da, aber im allgemeinen ging das Mysterienwesen schon zurück in der Alexanderzeit -, da war eben ein Moment, wo für Alexander und Aristoteles durch den Einfluß der Kabirenmysterien etwas entstand wie eine Erinnerung an die alte ephesische Zeit, die ja von beiden mitgemacht war in einem bestimm­ten Jahrhundert. Wieder erklang da das J 0 A-Wort, und wieder erklang das:
 
Weltentsprossenes Wesen, du in Lichtgestalt,
 
Von der Sonne erkraftet in der Mondgewalt,
 
Dich beschenket des Mars erschaffendes Klingen
 
Und Merkurs gliedbewegende Schwingen,
 
Dich erleuchtet Jupiters erstrahlende Weisheit
 
Und der Venus liebetragende Schönheit -
 
Daß Saturns weltenalte Geist-Innigkeit
 
Dich dem Raumessein und Zeitenwerden weihe!
 
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Aber in dieser Erinnerung, in dieser historischen Erinnerung an Altes lag eine gewisse Kraft, Kraft, ein Neues zu schaffen. Und von jenem Moment ging die Kraft aus, ein Neues zu schaffen, aber ein merkwür­diges Neues, das die Menschheit wenig beachtet hat. Denn Sie müssen eigentlich erst verstehen, wie dieses Neue-Schaffen, das aus dem Zu­sammenwirken von Alexander und Aristoteles ausging, nun seiner Art nach beschaffen war.
 
Nehmen Sie irgendein bedeutendes Dichtwerk oder anderes Werk -und Sie können die schönsten Werke nehmen -, nehmen Sie meinet­willen eine deutsch übersetzte Bhagavad Gita, nehmen Sie Goethes Faust, nehmen Sie die Iphigenie oder irgend etwas, was Sie hoch­schätzen, und denken Sie an den reichen, gewaltigen Inhalt, sagen wir, an den reichen, gewaltigen Inhalt von Goethes Faust. Und jetzt, wo­durch wird denn Ihnen, meine lieben Freunde, dieser reiche Inhalt ver­mittelt? Nehmen wir an, er würde Ihnen so vermittelt, wie er für die meisten Menschen ja vermittelt wird. Sie lesen den Faust irgendeinmal in Ihrem Leben. Was tritt Ihnen denn da auf dem physischen Plane entgegen? Was ist denn auf dem Papiere? Nichts anderes ist auf dem Papiere als Kombinationen von abcdef und so weiter. Alles, wodurch einem der große, gewaltige Inhalt des Faust aufgeht, sind ja nur Kom­binationen von abcdef und so weiter. Wenn Sie das Alphabet kennen, so gibt es nichts auf dem Papier, was dasteht, was nicht zusammen­fällt mit einem der etlichen zwanzig Buchstaben. Aus diesen etlichen zwanzig Buchstaben ist etwas hervorgezaubert auf dem Papier, was Ihnen hervorruft, wenn Sie eben lesen können, den ganzen reichen Inhalt des Faust. Und es steht Ihnen sogar etwas frei. Es steht Ihnen frei, das Hersagen von abcdef furchtbar langweilig zu finden, zu sagen. das ist ja eigentlich das Aller-Allerabstrakteste. Und dennoch, dieses Aller-Allerabstrakteste, in richtiger Weise kombiniert, gibt den ganzen Faust!
 
Und nun entstand, als jenes Monden-Weltenerklingen wieder da war, in dem erkannt wurde von Aristoteles und Alexander, was das Feuer von Ephesus bedeutete, wie dieses Feuer hinausgetragen hat in Welten-Ätherfernen dasjenige, was das Geheimnis von Ephesus war, da war es, daß in diesen beiden entstand die Inspiration, die Weltenschrift
 
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zu begründen. Nur, die Weltenschrift wird nicht begründet mit abcdef, sondern die Weltenschrift wird begründet, wie die Buchschrift mit Buchstaben, so diese mit Gedanken. Und es entstanden die Lettern der Weltenschrift.
 
Wenn ich es Ihnen aufschreibe, sind sie ebenso abstrakt, wie abcd:
 
Quantität, also Menge
 
Qualität, Eigenschaft
 
Relation
 
Raum
 
Zeit
 
Lage
 
Tun
 
Leiden
 
Da haben Sie eine Anzahl von Begriffen. Lernen Sie mit diesen Be­griffen, die zuerst Aristoteles dem Alexander vorgeführt hat, lernen Sie mit diesen Begriffen dasselbe vollführen, was Sie gelernt haben mit abcd, dann lernen Sie aus Qualität, Quantität, Relation, Raum, Zeit, Lage, Tun, Leiden -, aus dem lernen Sie lesen im Kosmos.
 
In der Schullogik ist in der Zeit der Abstraktivität etwas Beson­deres geschehen. Denken Sie nur einmal, wenn in irgendeiner Schule die Gepflogenheit wäre, die Leute nicht lesen zu lehren, sondern meinetwillen nur Bücher zu fabrizieren, in denen sie immer abcd lernen müßten in allen möglichen Kombinationen: ac, ab, be und so weiter -aber nicht dazu kämen, diese Buchstaben zu verwenden, um reiche In­halte sich vor die Seele zu stellen: dann wäre das dasselbe, was die Welt mit Aristoteles' Logik gemacht hat. In den Logiken ist es so, daß ja diese, man nennt es Kategorien, aufgeführt werden. Man lernt sie aus­wendig, aber man weiß mit ihnen nichts anzufangen. Das würde ent­sprechen dem, daß man abcde auswendig lernte und nichts mit ihnen anzufangen wüßte. Zurück auf etwas so Einfaches, wie der Inhalt des Faust in abcd - was man nur lernen muß - geht dasjenige, was Lesen in der Weltenschrift ist. Und im Grunde genommen ist das, was An­throposophie hervorgebracht hat und jemals hervorbringen kann, aus diesen Begriffen so erlebt, wie das Gelesene des Faust erlebt wird aus den Buchstaben. Denn alle Geheimnisse der physischen und geistigen
 
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Welt sind in diesen einfachen Begriffen als dem Weltenalphabet enthalten.
 
Es ist in der Weltentwickelung das geschehen, daß gegenüber dem früheren unmittelbaren Wahrnehmen, für das die Tatsachen von Ephe­sus noch etwas Allercharakteristischestes sind, etwas getreten ist, was von der Alexanderzeit aus den Anfang nimmt, was sich dann später erst besonders entwickelt durch das Mittelalter hindurch, was tief ver­borgen ist, was tief esoterisch ist. Tief esoterisch ist der Sinn, der lebt in diesen acht, oder man kann sie auch auf neun erweitern, in diesen acht oder neun einfachen Begriffen. Und wir lernen eigentlich immer mehr in diesen einfachen Begriffen leben, aber wir müssen streben, sie so lebendig in der Seele zu erleben, wie man in der Seele lebendig erlebt das Abc, wenn man eben einen reichgegliederten, geisterfüllten Inhalt hat.
 
So sehen Sie, wie in etwa zehn Begriffe, deren innere Leuchte- und Wirkekraft erst wiederum enthüllt werden muß, hineinlief dasjenige, was eine gewaltige, instinktive Weisheitsoffenbarung durch Jahrtau­sende war. Und es wird schon einstmals dahin kommen, daß man das­jenige, was eigentlich wie im Grabe ruht, die Weltenweisheit, das Weltenlicht, wiederum finden wird, wenn man wieder lesen lernen wird im Weltenall, wenn man erleben wird die Auferstehung dessen, was in der Zwischenzeit der Menschheitsentwickelung zwischen den zwei geistigen Epochen verborgen worden ist.
 
Wir sind ja da, meine lieben Freunde, um das, was verborgen wor­den ist, wieder offenbar zu machen. Wir sind ja da, um Ostern als Menschheitserlebnis zu gestalten. Und so, wie bei anderen Gelegen­heiten gesagt werden konnte: Anthroposophie ist ein Weihnachtserleb­nis, so ist Anthroposophie selber in ihrem ganzen Wirken ein Oster-erlebnis, ein Auferstehungserlebnis, verbunden mit dem Grabeserlebnis. Es ist wichtig, daß wir gerade bei diesem Osterzusammensein emp­finden - wenn ich mich so ausdrücken darf - die Feierlichkeit des anthroposophischen Strebens, indem wir etwas empfinden davon, daß wir gehen können heute zu einem geistigen Wesen, das uns vielleicht nahestehen kann, unmittelbar hinter der Schwelle nahestehen kann, und dem gegenüber wir sprechen: Ach, da war einmal die Menschheit
 
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gesegnet mit göttlich-geistiger Offenbarung, die besonders noch ge­leuchtet hat in Ephesus. Aber nun ist das alles begraben. Wie grabe ich aus das, was so begraben ist! Denn man möchte doch glauben, daß das­jenige, was war, irgendwie geschichtlich gefunden werden kann, ge­funden werden kann in seinem Grabe.
 
Da wird uns das Wesen erwidern, wie einstmals im ähnlichen Fall das entsprechende Wesen erwidert hatte: Das was ihr suchet, ist nicht mehr hie, das ist in euren Herzen, wenn ihr eure Herzen nur in der richtigen Weise erschließet.
 
Es ruht schon Anthroposophie in den Menschenherzen. Diese Men­schenherzen müssen nur sich selber richtig erschließen können. Und das sollen wir empfinden, dann werden wir in voller Besonnenheit, nicht wie es in alten Zeiten instinktiv war, zurückgeführt zu jener Weisheit, welche in den Mysterien leuchtete und lebte.
 
Das ist dasjenige, was ich gerne gerade um diese Osterzeit an Ihre Herzen heranbringen möchte. Denn sich durchdringen mit dem, was wie eine feierliche Stimmung aus Anthroposophie heraus in jedem Menschenherzen, das zur Anthroposophie gehört, sich entfiammen kann, darin liegt durchaus etwas, was auch hinaufträgt in die geistige Welt und was verbunden sein muß mit dem Weihnachtsimpuls, der zu Dornach gegeben worden ist. Denn dieser Impuls darf kein bloß erdachter, kein intellektualistischer bleiben, dieser Impuls muß ein Herzensimpuls sein; dieser Impuls darf kein trocken-nüchterner sein, dieser Impuls muß, nicht in Sentimentalität, sondern aus der Sache selber heraus, ein feierlicher sein können. Ebenso, wie durch Aristoteles und Alexander das Feuer von Ephesus benutzt worden ist, als es in ihren Herzen neu auffiammte, aber zunächst auffiammte im Äther draußen, von dem es ihnen erneut entgegentrug die Geheimnisse, die dann gefaßt werden konnten in Allereinfachstes -, wie da benutzt werden konnte das Feuer von Ephesus, so obliegt es uns, und werden wir auch schon imstande sein können, zu benutzen dasjenige, was - man darf es in aller Bescheidenheit sagen - auch in den Äther als die Flam­men des Goetheanum das hinausgetragen hat, was durch Anthropo­sophie gewollt worden ist, weiter gewollt werden soll.
 
Aber was geht denn daraus hervor, meine lieben Freunde? Es geht
 
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daraus hervor, daß wir durften als Jahrestrauerfeier um die Weih­nachtsneujahrszeit, welche dieselbe ist, in der uns das Unglück hier getroffen hat, daß wir da durften einen neuen Impuls ausgehen lassen vom Goetheanum. Warum? Weil wir fühlen dürfen: Was mehr oder weniger Erdensache vorher war, erarbeitet, gegründet wurde als Erdensache, das ist mit den Flammen hinausgetragen in die Welten-weiten. Wir dürfen, gerade weil uns dieses Unglück getroffen hat, in dem Erkennen der Folgen dieses Unglückes sagen: Nunmehr verstehen wir es, daß wir nicht bloß eine Erdensache vertreten dürfen, sondern eine Sache der weiten ätherischen Welt, in der der Geist lebt. Denn es ist die Sache vom Goetheanum eine Sache des weiten Äthers, in dem geisterfüllte Weisheit der Welt lebt. Es ist hinausgetragen worden, und wir dürfen uns von den Goetheanum-Jmpulsen aus dem Kosmos herein­kommend durchdringen.
 
Nehmen wir das, wie wir wollen, nehmen wir es als Bild. Das Bild bedeutet aber eine tiefe Wahrheit. Und diese tiefe Wahrheit wird eben in einfachen Worten dadurch ausgedrückt, daß man sagt: Das anthro­posophische Wirken soll seit dem Weihnachtsimpuls mit einem esoteri­schen Zug durchdrungen sein. Dieser esoterische Zug ist deshalb da, weil das, was irdisch war, durch das, was mitgewirkt hat im physischen Feuer, aber als Astrallicht, welches hinausstrahlt in den Weltenraum -weil das wiederum zurückwirkt hinein in die Impulse der anthro­posophischen Bewegung, wenn wir nur in der Lage sind, diese Impulse aufzunehmen.
 
Dann, wenn wir das vermögen, dann empfinden wir in alledem, was in Anthroposophie lebt, ein wichtiges Glied darinnen. Und dieses eine wichtige Glied darinnen, das ist die anthroposophische Osterstimmung, jene anthroposophische Osterstimmung, die da niemals der Überzeu­gung sein kann, daß der Geist stirbt, sondern daß, wenn er stirbt durch die Welt, er immer wieder aufersteht. Und an den aus ewigen Gründen immer wieder auferstehenden Geist muß sich Anthroposophie halten.
 
Das nehmen wir auf, nehmen wir auf als Ostergedanke und Oster-empfindung in unsere Herzen. Und wir werden, meine lieben Freunde, von diesem Zusammensein Gefühle wegtragen, die uns Arbeitsmut, Arbeitskraft geben, wenn wir wiederum an anderer Stätte stehen.
 
= HINWEISE =
<nowiki>#</nowiki>G233-1962-SE312 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung
 
<nowiki>#</nowiki>TI
 
HINWEISE
 
<nowiki>#</nowiki>TX


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11 unserer Weihnsachtszusammenkunft: Siehe Rudolf Steiner «Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft. Jah­resauskiang und Jahreswende 1923/24>, Gesamtausgabe Dornach 1962.
24 Das Evangelium erinnert daran: Siehe Joh. 8, 6.
 
41 In einem Vortragszyklus: «Okkulte Geschichte. Persönlichkeiten und Ereignisse der Weltgeschichte im Lichte der Geisteswissenschaft>. Sechs Vorträge vom 27.Dezember 1910 bis 1.Januar 1911 in Stuttgart. Gesamtausgabe Dornach 1956
 
44 jenes historisach-sagenhafle Dokument: das Gilgamesch-Epos wurde auf zwölf Keilschrift -Tafeln im Hügel von Kujundschik in den Überresten eines Palastes Assurbanipals gefunden. Es geht auf ältere sumerische Vorlagen zurück, von denen Bruchstüdte gefunden worden sind.
 
Erek: die Stadt wird in der Bibel <1. Mos. 10, 10) Erek genannt. Der Keilschrift-Text nennt sie Urek.
 
45 Eabani: Im Keilschrift -Text Enkidu oder Engidu genannt.
 
50 Xisuthros: so gräzisierte Berossos, Priester des Bel in Babylon, der um 280v. Chr. in griechischer Sprache eine babylonisch-chaldäische Geschichte schrieb, die aus den Tempelarchiven von Babylon geschöpft war, den sumerischen Namen Ziu­sudra. Im Keilschrift-Text: Utnapischtim.
 
53 die Mysterienstätte von Ephesus: über sie sprach Rudolf Steiner ausführlich in «Mysteriengestaltungen» im 6. Vortrag am 2. Dezember 1923. Gesamtausgabe Dornach 1958.
 
54 Urzustände der Erde: hierüber sprach Rudolf Steiner ausführlich im 5. Vortrag von «Mysteriengestaltungen», am 1. Dezember 1923.
 
56 Heraklit: Herakleitos aus Ephesus, griechischer Philosoph. Er lebte um 500 v. Chr. und legte sein Hauptwerk im Tempel der Artemis nieder. Siehe Rudolf Steiner «Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Alter­tums», Gesamtausgabe Dornach 1959.
 
57 Aristoteles, 384-322 v.Chr., aus Stageira, griechischer Philosoph. Siehe Rudolf Steiner «Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt», Gesamtausgabe Stuttgart 1955.
 
Alexander der Große, 356-323 v.Chr., seit 336 makedonischer König, starb zu Babylon.
 
59 Mysterien von Hybernia: von Rudolf Steiner geschildert im 8. und 9. Vortrag, am 8. und 9. Dezember 1923, in «Mysteriengestaltungen>.
 
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69 das Alexanderlied: von Lamprecht dem Pfaffen, einem fränkischen Geistlichen, um 1125 verfaßt; das erste deutsche weltliche Epos.
 
87 Herodotos vonHalikarnassos, im fünften Jahrhundert v. Chr. lebend, der älteste griechische Historiker; der Geschichtsschreiber der Perserkriege.
 
90 durach oströmisache Tyrannei: Justinian, oströmischer Kaiser von 527-565, Sohn eines Bauern, sandte im Jahre 529 ein Edikt nach Athen, daß niemand mehr dort Philosophie lehren noch die Rechte erklären solle, worauf die sieben letz­ten athenischen Philosophen das Römische Reich verließen und nach Persien auswanderten. Siehe Ernst von Lasaulx «Der Untergang des Hellenismus und die Einziehung seiner Tempelgüter durch die christlichen Kaiser>, 1854.
 
94 Flavius Claudius Julianus, von den Christen Apostata, der Abtrünnige, ge­nannt, von 361-363 römischer Kaiser.
 
100 in kurz vorangegangenen Vortragen: siehe Hinweis zu Seite 59.
 
105 Jakob Böhme, 1575-1624, Mystiker. Siehe Rudolf Steiner «Die Mystik im Auf-gange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Welt­anschauung>, Gesamtausgabe Dornach 1960.


Theophrastus Paracelsus, 1493-1541, Arzt. Siehe «Die Mystik>. Valentin Weigel, 1533-1588, Mystiker. Siehe «Die Mystik>.
33 Rudolf Steiner, «Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Alter
tums», GA 8.


Basilius Valentin, Alchemist und Benediktinermönch, lebte seit 1413 im Peters-kloster zu Erfurt. Seine Schriften wurden erst im Anfang des 17.Jahrhunderts aufgefunden und gedruckt. Siehe «Die Mystik>.
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106 Gymnast, Rhetor, Doktor: Ausführlich sprach Rudolf Steiner darüber zum Beispiel im 2. Vortrag, am 6. August 1923, in «Gegenwärtiges Geistesleben und Erziehung>, Gesamtausgabe Stuttgart 1957, und im 9. Vortrag am 24. Juli1924, in «Der pädagogische Wert der Menschenerkenntnis und der Kulturwert der Pädagogik>, Dornach 1929.
40 Besser ein Bettler sein in der Oberwelt...: Siehe Homer, «Odyssee», 11. Gesang, Vers
489-491; es spricht Achill in der Unterwelt.
41 In einer wunderbaren Weise hat das eigentlich Homer zum Ausdrucke gebracht: Siehe
z. B. in der Ilias, 20. Gesang, Vers 424ff.
43 in Stuttgart in einem Vortragszyklus: «Okkulte Geschichte. Esoterische Betrachtungen
karmischer Zusammenhänge von Persönlichkeiten und Ereignissen der Weltgeschichte.»
(Sechs Vorträge 1910/11). GA 126.
fünf aufeinanderfolgende große Kulturzeiträume: Siehe Rudolf Steiner «Die Geheim-
wissenschaft im Umriß», GA 13. - Aus den zahlreichen Darstellungen im Vortragswerk
siehe z.B.: «Der Orient im Lichte des Okzidents. Die Kinder des Luzifer und die Brüder
Christi», (Neun Vorträge, München 1909) GA 113.
46 jenes historisch-sagenhafte Dokument: Das Gilgamesch-Epos wurde auf zwölf Keil-
schrittafeln im Hügel von Kujundschik in den Überresten eines Palastes Assurbanipals
gefunden. Es geht auf ältere sumerische Vorlagen zurück, von denen Bruchstücke
gefunden worden sind.
46 Erek: Die Stadt wird in der Bibel, 1. Mos. 10, 10, Erek genannt. Der Keilschrifttext
nennt sie Uruk.
47 Eabani: Im Keilschrifttext Enkidu oder Engidu genannt.
52 ... daß von Pythagoras ... erzählt wird: Siehe Diogenes Laertius, «Berühmte Philoso-
phen», Band II, 8. Buch, Pythagoras; siehe auch Plato u.a.
Xisuthros: So gräzisierte Berossos, Priester des Bei in Babylon, der um 280 v. Chr. in
griechischer Sprache eine babylonisch-chaldäische Geschichte schrieb, die aus den
Tempelarchiven von Babylon geschöpft war, den sumerischen Namen Ziusudra. Im Keil-
schrifttext: Utnapischtim.
56 die Mysterienstätte von Ephesus: Darüber sprach Rudolf Steiner ausführlich am 2. De-
zember 1923; siehe: «Mysteriengestaltungen», (Vierzehn Vorträge, Dornach 1923),
GA 232.
57 Urzustände der Erde: Siehe Rudolf Steiner «Die Geheimwissenschaft im Umriß», sowie:
«Die Evolution vom Gesichtspunkte des Wahrhaftigen» (Fünf Vorträge, Berlin 1911),
GA 132; und den Vortrag vom 1. Dezember 1923 in «Mysteriengestaltungen».
59 Heraklit: Herakleitos von Ephesus, um 535-475 v. Chr., vorsokratischer Philosoph.
Siehe Rudolf Steiner «Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des
Altertums» (Register).
60 Aristoteles, 384-322 v. Chr.; siehe Rudolf Steiner «Die Rätsel der Philosophie in ihrer
Geschichte als Umriß dargestellt», GA 18.
Alexander der Große, 556-323 v. Chr., seit 336 makedonischer König, starb in Babylon.
62 Mysterien von Hybernia: Rudolf Steiner hatte schon kurz vorher, am 7., 8. und 9.
Dezember 1923 (in «Mysteriengestaltungen», GA 232) ausführlich darüber gesprochen.
Der Vergleich beider Schilderungen kann zu der Frage führen, ob es sich dabei um
zwei einander ausschließende Darstellungen desselben Sachverhaltes handele: Der


109 hei dieser Weihnaachtstagung: siehe Hinweis zu Seite 11.
{{SE|167}}


137 in diesen Formen: siehe Rudolf Steiner «Der Baugedanke des Goetheanum», Vortrag vom 29. Juni1921, mit 104 Abbildungen des ersten, in der Silvester-nacht 1922/23 verbrannten Goetheanums. Gesamtausgabe Stuttgart 1958.
Vorgang, der in den Vorträgen über «Mysteriengestaltungen» beschrieben wird -
Erlebnisse von Winterimaginationen durch die Wirkung der Sonnensäule, Erlebnisse von
Sommerimaginationen durch die Wirkung der Mondensäule - wird scheinbar aufge-
hoben durch die Darstellung vom 27. Dezember, wo sich die Winterbilder gerade vor der
Mondensäule, die Sommerbilder hingegen vor der Sonnensäule einstellen. Einem
genaueren Vergleich der beiden Schilderungen ergibt sich jedoch, daß es sich um zwei
verschiedene Erlebnisaspekte handelt: im vorliegenden Vortrag um Erlebnisse
unmittelbar vor den beiden Bildsäulen, durch die der Schüler sich selbst als Sonnen-,
bzw. als Mondenwesen kennenlernte; dagegen im Vortrag vom 8. Dezember um den
allmählich sich erst einstellenden Nachklang bestimmter vor den Säulen gehabter Er-
lebnisse, die dem Schüler die von außen an ihn herantretende Weltenwirkung von
Sonne und Mond offenbarte. - Näheres hierzu wird in den «Beiträgen zur Rudolf Steiner
Gesamtausgabe», Nr. 69, ausgeführt.


161 in diesen drei Vorträgen. vom 4., 5. und 6. Januar. Rudolf Steiner fügte dann «noch einiges Ergänzendes», siehe Seite 204, in den Vorträgen vom 11., 12. und 13. Januar hinzu.
73 das «Alexanderlied»: Von Lamprecht dem Pfaffen, einem fränkischen Geistlichen, um
1125 verfaßt; das erste deutsche weltliche Epos. - Die Blumenepisode: siehe innerhalb
des Briefes von Alexander an die Mutter und Aristoteles, Vers 5004-5205.


177 Johannes Tauler, 1300-1361, Mystiker und Prediger, Schüler Meister Eckharts. Siehe das Kapitel «Gottesfreundschaft» in «Die Mystik>.
77 Theophrast, 390-305 v. Chr., Schüler des Aristoteles, welcher ihn zu seinem Nachfolger
als Leiter der peripatetischen Schule in Athen ernannte.


<nowiki>#</nowiki>SE233-314
79/80 griechisch-chtonische Mysterien, samothrakische Mysterien: Vgl. die Vorträge vom
14. und 21. Dezember 1923, in «Mysteriengestaltungen», GA 232.


181 Mysteriendrama: «Die Prüfung der Seele>, Gesamtausgabe Dornach 1962.
91 Herodotos von Halikarnassos, 5. Jahrhundert v. Chr., ältester griechischer Historiker;
Geschichtsschreiber der Perserkriege.


185 Raimundus Lullus, Ramon Lull, 12341315, von Palma de Mallorca.
94 durch oströmische Tyrannei: Justinian, oströmischer Kaiser von 527 bis 565, Sohn eines
Bauern, sandte im Jahre 529 ein Edikt nach Athen, daß niemand mehr dort Philoso-
phie lehren noch die Rechte erklären solle, worauf die sieben letzten athenischen Philo-
sophen das Römische Reich verließen und nach Persien auswanderten. - Siehe Ernst
von Lasaulx «Der Untergang des Hellenismus und die Einziehung seiner Tempelgüter
durch die christliche Kirche», 1854; wiedererschienen in Ernst von Lasaulx, «Verschüttetes
deutsches Schrifttum», hg. von H. E. Lauer, Stuttgart 1925, bes. S. 196ff.
98 Julianus Apostata: Flavius Claudius Julianus, von den Christen Apostata, der Ab-
trünnige, genannt, von 361 bis 363 römischer Kaiser. - Siehe den Vortrag Berlin,
19. April 1917 in «Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha», GA 175.


192 Brüder des gemeinsamen Lebens: religiöse Genossenschaft im Mittelalter. Sie wollten nicht Mönche sein, sondern in der Welt fromm leben.
99 in meiner «Theosophie»: «Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und
Menschenbestimmung» (1904), GA 9- - Siehe das Kapitel: Die drei Welten.


Johann Amos Comenius, 1592-1670, Pädagog, Bischof der Bömischen Brüder.
105 in kurz vorangegangenen Vorträgen: Siehe Hinweis zu S.62.


197 Raimund von Sabunda, Scholastiker aus Barcelona, im 2. Viertel des 15. Jahr­hunderts Lehrer der Naturwissenschaften, der Philosophie und Theologie in Toulouse, suchte in seinem «Liber creaturarum sive theologia naturalis>, Straß­burg 1496, die Lehren der Offenbarung aus der Natur zu rechtfertigen.
109 Jakob Böhme, 1575-1624; Theophrastus Paracelsus, 14931541; Valentin Weigel,
1533-1588. Siehe Rudolf Steiner «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geistes-
lebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung», GA 7.


198 Pico, Graf von Mirandola, 1463-1494, von Florenz, Gelehrter und Philosoph.
110 Basilius Valentinus: Alchimist des 15. Jahrhunderts, wohl Benediktinermönch in Erfurt.
Unter seinem Namen wurden um 1600 eine Reihe von alchimistischen Werken ver-
öffentlicht. - Siehe Rudolf Steiners Vortrag vom 26. April 1924, in «Esoterische Betrach-
tungen karmischer Zusammenhänge» Band II, (Siebzehn Vorträge, Dornach 1924),
GA 236.


199 Immanuel Kant, 1724-1804. Die «Kritik der reinen Vernunft> erschien 1781. Du Bois-Reymond, 1818-1896, Berliner Physiologe, «Über die Grenzen des Naturerkennens». Von ihm stammt der Ausspruch: «Ignoramus et ignorabi­mus», «Wir erkennen nicht und werden nicht erkennen».
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204 Agrippa von Nettesheim, 1486-1535, Schriftsteller, Arzt und Philosoph, der Kabbala kundig.
11Of. Gymnast ... Rhetor ... Doktor: Ausführlich sprach Rudolf Steiner darüber z.B. am
6. August 1923, in «Gegenwärtiges Geistesleben und Erziehung», (Vierzehn Vorträge,
Ilkley 1923), GA 307; sowie am 24. Juli 1924 in «Der pädagogische Wert der Menschener-
kenntnis in der Kulturwelt der Pädagogik» (Neun Vorträge, Arnheim 1924), GA 310.


212 Gottfried Wilhelm Leibniz, 1646-1716. Siehe Rudolf Steiner «Die Rätsel der Philosophie».
125 das Beispie/ der Biene: Vgl. den Vortrag Dornach 1. Dezember 1923, in «Mensch und
Welt. Das Wirken des Geistes in der Natur - Über das Wesen der Bienen» (Fünfzehn
Vorträge für die Arbeiter am Goetheanumbau 1923, Band V), GA 351.


214 Louis Claude Marquis de Saint-Martin, 1743-1803, Theosoph. «Des erreurs et de la vérité, 2. Ausgabe Lyon 1784, deutsch Hamburg 1782.
134 Der Vortrag ... vor einem Jahr. Dornach, 31. Dezember 1922, in «Das Verhältnis der
Sternenwelt zum Menschen und des Menschen zur Sternenwelt. Die geistige Kommu-
nion der Menschheit». (Zwölf Vorträge, Dornach 1922), GA 219.


in der Wochenschrifl «Goetheanum»: siehe Rudolf Steiner «Der Goetheanum­gedanke inmitten der Kulturkrisis der Gegenwart», Gesammelte Aufsätze 1921 bis 1925. Gesamtausgabe Dornach 1961.
143 in diesen Formen: Siehe Rudolf Steiner «Der Baugedanke des Goetheanum», Vortrag in
Bern am 29. Juni 1921, GA 290, Stuttgart 1958.


230 in früheren Auseinandersetzungen: siehe Rudolf Steiner «Das esoterische Chri­stentum und die geistige Führung der Menschheit», 21 Einzelvorträge aus den Jahren 1911/12, darunter die in Neuchâ tel am 27. und 28. September 1911 und
148 jene Vorträge ... die vom Wolffschen Büro organisiert waren: Im Herbst, Winter und
Frühjahr 1921/22 hatte die damals größte deutsche Konzertdirektion, Hermann Wolff
und Jules Sachs, Berlin, Vortragsreisen mit Rudolf Steiner organisiert. In Berlin, Stutt-
gart, Frankfurt, München, Köln und anderen Großstädten sprach er über die Themen:
Das Wesen der Anthroposophie; Anthroposophie und Wissenschaft; Anthroposophie
und Geist-Erkenntnis (Veröffentlichung vorgesehen für GA 80). Nach einem mißglück-
ten Attentat in München im Mai 1922 erwies sich, daß der Schutz für den Redner nicht
mehr gewährleistet war. Rudolf Steiner ging daraufhin auf keine weitere öffentliche
Vortragsverpflichtung mehr ein.


18. Dezember 1912 gehaltenen Vorträge über Ursprung und Ziel der rosen­kreuzerischen Strömung. Gesamtausgabe Dornach 1962.
155 Dr. Zeylmans: F. W. Zeylmans van Emmichoven, 1893-1961, Dr. med., holländischer
Arzt und Schriftsteller, Generalsekretär der holländischen Landesgesellschaft; schrieb
u.a.: «Rudolf Steiner, eine Biographie», Stuttgart 1961.


Christian Rosenkreuz, 1378-1484.
156 Ita Wegman, 1876-1943, Dr. med., studierte und praktizierte in Zürich, bevor sie 1921
das Klinisch-Therapeutische Institut (jetzt Ita Wegman-Klinik) in Ariesheim gründete.
Weihnachten 1923 bis 1935 Schriftführerin des Vorstandes der Allgemeinen Anthro-
posophischen Gesellschaft und Leiterin der medizinischen Sektion der Freien Hoch-
schule. 1924/1925 behandelnder Arzt Dr. Steiners und Mitautorin von «Grundlegendes
für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlicher Erkenntnissen», GA 27.


236 in Haeckels «Anthropogenie»: Ernst Haeckel «Anthropogenie oder Entwick­lungsgeschichte des Menschen», Leipzig 1874.
159ff. Der Spruch ist hier so wiedergegeben, wie er laut Stenogramm von Rudolf Steiner
245 Die nächsten Vorträge: siehe Rudolf Steiner «Anthroposophie. Eine Einführung so die anthroposophische Weltanschauung», 9 Vorträge, gehalten in Dornach vom 19. Januar bis 10. Februar 1924. Gesamtausgabe Dornach 1959.
gesprochen wurde. In früheren Auflagen war der Spruch nach der ersten handschrift-
lichen Fassung Rudolf Steiners gedruckt. Siehe hierzu den Sonderhinweis im Band «Die
Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft
1923/1924», GA 260, Auflage 1985, Seite 300.


= Literatur =
= Literatur =

Version vom 23. Oktober 2023, 08:49 Uhr

ansehen im RUDOLF STEINER VERLAG

DIE WELTGESCHICHTE IN ANTHROPOSOPHISCHER BELEUCHTUNG UND ALS GRUNDLAGE DER ERKENNTNIS DES MENSCHENGEISTES

ERSTER VORTRAG Dornach, 24. Dezember 1923

#G233-1962-SE011 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

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DIE WELTGESCHICHTE

IN ANTHROPOSOPHISCHER BELEUCHTUNG

UND ALS GRUNDLAGE DER ERKENNTNIS

DES MENSCHENGEISTES

ERSTER VORTRAG

Dornach, 24. Dezember 1923

#TX

In diesen Abendstunden unserer Weihnachtszusammenkunft möchte ich Ihnen einen solchen Überblick der Menschheitsentwickelung auf Erden geben, der dazu führen kann, dasjenige, was der Mensch in der Gegenwart ist, intimer und intensiver in das Bewußtsein aufzunehmen. Gerade in dieser gegenwärtigen Zeit, in der sich so außerordentlich Bedeutsames, man darf schon sagen, für die ganze Kulturmenschheit vorbereitet, müßte es eigentlich jedem tiefer denkenden Menschen nahe­liegen, die Frage aufzuwerfen: Wie ist die gegenwärtige Konfiguration, die gegenwärtige Verfassung der menschlichen Seele aus einer Ent­wickelung langer Zeiten hervorgegangen? - Denn es kann ja nicht ge­leugnet werden, daß das Gegenwärtige dadurch verständlich wird, daß man es in seinem Hervorgehen aus dem Vergangenen zu begreifen versucht.

Nun ist man aber gerade in der Gegenwart außerordentlich befangen in bezug auf die Entwickelung des Menschen und der Menschheit. Zu­nächst stellt man sich ja vor, daß der Mensch in bezug auf sein seelisch-geistiges Leben so, wie er jetzt ist, im wesentlichen während der ganzen geschichtlichen Zeit war. Gewiß, mit Bezug auf das eigentlich Wissen­schaftliche stellt man sich vor, daß in alten Zeiten die Menschen kindlich waren, an allerlei Phantastereien geglaubt haben, und daß die Men­schen eigentlich gescheit im wissenschaftlichen Sinne erst in der aller­letzten Zeit geworden sind. Aber wenn man davon absieht, was das eigentlich Wissenschaftliche ist, so denkt man sich dann, daß im all-gemeinen die Seelenverfassung, die der heutige Mensch hat, auch schon der Grieche, der Orientale, gehabt hat. Wenn man sich auch im Kleinen Modifikationen im Seelenleben denkt, im großen Ganzen denkt man sich: während der historischen Zeit ist eben eigentlich alles so gewesen wie heute. Da nimmt man an, daß das geschichtliche Leben ins Vor-geschichtliche verläuft und sagt: Da weiß man nichts Rechtes. - Dann aber geht man weiter zurück: Da war der Mensch noch in seiner tieri­schen Gestalt. - Geht man also die Geschichte zurück, so stellt man

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sich das Seelenleben so ziemlich unverändert vor, dann im Nebel ver­schwimmend das Bild, und dann der Mensch in tierischer Unvollkom­menheit, so ein besseres Affenwesen.

Das ist ja ungefähr die gebräuchliche Vorstellung von heute. Sie beruht eben auf einer außerordentlichen Befangenheit, denn man be­müht sich, indem man eine solche Vorstellung ausbildet, gar nicht zu erkennen, welch tiefgehende Unterschiede schon vorhanden sind in der Seelenverfassung zwischen dem Menschen der Gegenwart und einer verhältnismäßig gar nicht so weit zurückliegenden Zeit, sagen wir, dem elften, zehnten, neunten nachchristlichen Jahrhundert, oder wie groß der Unterschied in der Seelenverfassung ist zwischen einem heutigen Menschen und einem Zeitgenossen des Mysteriums von Golgatha, oder gar einem heutigen Menschen und einem Griechen. Und gehen wir dann in die orientalische Welt zurück, von der gewissermaßen die griechische Zivilisation eine Art Kolonie war, eine Spätkolonie, so kommen wir in Seelenverfassungen des Menschen hinein, die total verschieden sind von der Seelenverfassung des gegenwärtigen Menschen. Und ich möchte gleich an Beispielen, an wirklichen Fällen Ihnen zeigen, wie der Mensch, der vor, sagen wir, zehntausend Jahren etwa oder fünf-zehntausend Jahren im Oriente gelebt hat, ganz anders geartet war als wieder der Grieche und als wir selbst etwa.

Stellen wir uns einmal unser Seelenleben vor das Seelenauge hin. Nehmen wir irgend etwas aus unserem eigenen Seelenleben heraus. Wir haben irgendein Erlebnis. Wir bilden uns von diesem Erlebnis, an dem wir durch unsere Sinne oder sonst durch unsere Persönlichkeit beteiligt sind, eine Idee, einen Begriff, eine Vorstellung. Wir behalten diese Vorstellung in unserem Denken, und sie kann wiederum nach einiger Zeit als Erinnerung aus unserem Denken in das bewußte Seelenleben heraufkommen. Sie haben heute, sagen wir, irgendwelches Erinne­rungserlebnis, das Sie zurückführt in Ihre wahrgenommenen Erlebnisse vor vielleicht zehn Jahren. Und nun fassen Sie ganz genau, was das eigentlich ist. Etwas haben Sie vor zehn Jahren erlebt. Sagen wir, Sie haben vor zehn Jahren eine Gesellschaft von Menschen besucht, Sie haben die Vorstellung bekommen von jedem einzelnen dieser Men­schen, deren Antlitz und so weiter. Sie haben erlebt, was diese Menschen

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zu Ihnen gesagt haben, was Sie mit ihnen gemeinsam getan haben und so weiter. Das alles kann im Bilde heute vor Ihnen auftauchen. Es ist ein innerliches Seelenbild, das von dem Ereignis von vielleicht vor zehn Jahren in Ihnen vorhanden ist. Und nicht nur nach der Wissen­schaft, sondern nach einem allgemeinen Gefühl, das allerdings heute von den Menschen schon außerordentlich schwach erlebt wird, aber das vorhanden ist, lokalisiert man eine solche Erinnerungsvorstellung, die ein Erlebnis wiederum heraufbringt, im menschlichen Haupte. Man sagt sich: Im Kopfe ist dasjenige vorhanden, was als Erinnerung an ein Erlebnis da ist.

Nun, machen wir jetzt einen ziemlich großen Sprung zurück, in der Menschheitsentwickelung und sehen wir uns Bevölkerungen der orien­talischen Gegenden einmal an, von denen unsere historisch geschil­derten Chinesen, Inder und so weiter eigentlich erst die Nachkommen sind. Also gehen wir wirklich Tausende von Jahren zurück. Wenn wir da einen Menschen dieser alten Zeiten ins Auge fassen, dann lebte der nicht so, daß er sagte: Ich habe in meinem Kopfe die Erinnerung an irgend etwas, was ich im äußeren Leben erfahren habe, durch­gemacht habe. - Solch ein inneres Erlebnis hatte er gar nicht, das gab es für ihn nicht. Er hatte nicht Gedanken, Ideen, die seinen Kopf anfüllten. Die Oberflächlichkeit des gegenwärtigen Menschen meint:

Heute haben wir Ideen, Begriffe, Vorstellungen; das haben die Men­schen in der historischen Zeit immer gehabt. - So ist es aber nicht.

Wenn wir mit geistiger Einsicht weit genug zurückgehen, so treffen wir eben auf Menschen auf, die ganz und gar nicht Ideen, Begriffe, Vorstellungen im Kopfe hatten, die nämlich nicht einen solchen ab­strakten Inhalt ihres Kopfes erlebten, sondern, so grotesk es Ihnen erscheinen mag, die den ganzen Kopf erlebten, die den Kopf einfach spürten, einfach empfanden. Mit Abstraktionen in unserem Sinne haben sich diese Menschen nicht abgegeben. Im Kopfe Ideen zu erleben, das kannten sie eben nicht, aber ihren eigenen Kopf erleben, das kannten sie. Und so wie Sie, wenn Sie ein Erinnerungsbild haben an ein Er­lebnis, dieses Erinnerungsbild auf das Erlebnis beziehen, wie eine Rela­tion besteht zwischen Ihrem Erinnerungsbild und dem Erlebnis, das da draußen war, so bezogen diese Menschen das Erlebnis ihres Kopfes

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auf die Erde, auf die ganze Erde. Und sie sagten: Es gibt in der Welt die Erde, es gibt in der Welt mich und an mir meinen Kopf. Ünd mein Kopf, den ich auf meinen Schultern trage, Jer ist die kosmische Erinnerung an die Erde. Die Erde ist früher dagewesen, mein Kopf später. Aber daß ich einen Kopf habe, das ist die Erinnerung, die kosmische Erinnerung an das Erdendasein. Das Erdendasein ist noch immer da, aber dasjenige, was die ganze Konfiguration, die ganze Gestaltung des Menschenkopfes ist, das ist in Relation zu der ganzen Erde. - Und so fühlte ein solcher alter Orientale in seinem eigenen Haupte das Wesen des Erdenplaneten selber Er sagte: Die Götter haben aus dem allgemeinen kosmischen Dasein herauserschaffen, her­auserzeugt die Erde mit ihren Reichen der Natur, die Erde mit ihren Flüssen und Bergen. Aber ich selber trage auf meinen Schultern mein Haupt. Dieses Haupt ist ein getreues Abbild der Erde selber. Dieses Haupt mit seinem in ihm fließenden Blute ist ein getreues Abbild der über die Erde fließenden Land- und Meeresströmungen. Dasjenige, was auf der Erde an Gebirgskonfiguration ist, wiederholt sich in meinem eigenen Haupte in der Konfiguration meines Gehirnes. Ich trage auf meinen Schultern ein mir zugehöriges Abbild des irdischen Planeten. -Genau so, wie der moderne Mensch sein Erinnerungsbild auf sein Er­lebnis bezieht, so bezog dieser Mensch seinen ganzen Kopf auf den Erdenplaneten. Sehen Sie, das war eine beträchtlich andere Innen-anschauung des Menschen.

Und weiter. Wenn der Mensch den Umkreis der Erde empfindet und in seine Anschauung faßt, dann wird ihm dieser Umkreis, das Luftige, das die Erde umgibt, erscheinen als von der Sonne und ihrer Wärme und ihrem Lichte durchsetzt, und man kann in gewissem Sinne sagen, daß die Sonne lebt im Luftumkreise der Erde. Die Erde öffnet sich dem Weltenall, indem sie ihre Wirkungen, die sie von sich aus-sendet, dem Luftkreis übergibt und sich den Sonnenwirkungen er-schließt. Und jeder Mensch empfand in diesen alten Zeiten diejenige Gegend der Erde, auf der er gerade lebte, als ganz besonders wichtig, als ganz besonders wesentlich. Und so, sagen wir, empfand ein alter Orientale irgendeinen Teil der Erdoberfläche als seinen Teil, unten die Erde, oben den sonnenzugekehrten Umkreis. Das andere der Erde,

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#Bild s. 15

links und rechts und vorne und rückwärts, das verschwamm im mehr allgemeinen (es wird gezeichnet).

Wenn also etwa ein alter Orientale, auf indischem Boden lebend, diesen indischen Boden als für ihn besonders wichtig empfunden hat, dann verschwand ihm dasjenige, was sonst auf der Erde war, ostwärts, südwärts, westwärts, im allgemeinen. Da kümmerte er sich nicht viel um die Art und Weise, wie die Erde angrenzt an die übrigen kosmi­schen Räume. Dagegen war ihm der Boden, auf dem er gerade war, besonders wichtig (siehe Zeichnung, rot). Das Hinausleben der Erde in den Weltenraum in dieser Gegend wurde ihm besonders wichtig. Wie er atmen durfte auf diesem besonderen Boden, das empfand er als ein für ihn besonders wichtiges Erlebnis. Heute fragen sich die Men­schen nicht viel: Wie atmet man auf einem bestimmten Boden? - Sie stehen allerdings unter dem Einfluß günstigerer oder ungünstigerer Atmungsbedingung, aber ins Bewußtsein wird das nicht so aufgenommen.

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Ein solcher alter Orientale hat eigentlich gerade in der Art und Weise, wie er atmen durfte, ein tiefes Erlebnis gehabt, und so in anderem, was damit zusammenhing, wie die Erde an den Weltenraum hinausgrenzt.

Dasjenige, was die ganze Erde war, das empfand der Mensch als das, was in seinem Haupte lebt. Das Haupt, es ist abgeschlossen durch feste Knochenwände nach oben, nach den Seiten, nach hinten. Aber es hat gewisse Ausgänge, ein gewisses freies Öffnen nach unten, nach dem Brustkorb (siehe Zeichnung). Das war für den alten Menschen von ganz besonderer Wichtigkeit, zu fühlen, wie das Haupt mit einer rela­tiven Freiheit sich gegen den Brustkorb hin öffnet. Denn empfand dieser Mensch die innere Konfiguration des Hauptes als ein Abbild des Irdischen, mußte er die Erde in Relation mit seinem Haupte setzen, so mußte er den Umkreis, dasjenige, was über der Erde ist, mit dem, was nun an das Untere in ihm geht, in Relation setzen. Das Sich­Öffnen nach unten, das Zugekehrtsein dem Herzen, das empfand der Mensch als zugeordnet dem Umkreis, als Bild, als Öffnung der Erde in den Kosmos hinaus. Und ein gewaltiges Erlebnis war es für den Menschen, wenn er sagte: In meinem Haupte fühle ich die ganze Erde. Aber diese ganze Erde öffnet sich in meinen Brustkorb hinein, der mein Herz trägt. Und dasjenige, was da sich abspielt zwischen meinem Haupte und meinem Brustkorb, meinem Herzen, das ist das Abbild dessen, was sich zuträgt von meinem Leben hinaus in den Kosmos, hin­aus zu dem sonnenzugekehrten Umkreis. - Und es war ein wichtiges, gründliches Erlebnis, wenn der alte Mensch sagte: Hier, in meinem Haupte, lebt in mir die Erde. Gehe ich tiefer, so kehrt sich die Erde der Sonne zu (siehe Pfeile), und das Abbild der Sonne ist mein Herz.

Da war der Mensch bei dem angekommen, was in der alten Zeit entspricht unserem Gefühlsleben. Wir haben noch das abstrakte Ge­fühlsleben, aber wir wissen ja unmittelbar nichts von unserem Herzen. Durch die Anatomie, durch die Physiologie glauben wir etwas davon zu wissen. Aber was da gewußt wird, das ist ja ungefähr ebensoviel wie dasjenige, was wir von einem in Papiermaché nachgebildeten Her­zen wissen. Das aber, was wir als Gefühlserlebnis der Welt haben, das

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hatte der alte Mensch nicht. Er hatte dafür sein Herzerlebnis. Und wie wir unser Gefühl hinausbeziehen auf die Welt, die mit uns lebt, wie wir empfinden, ob wir einen Menschen lieben, ob wir einem Men­schen antipathisch begegnen, diese oder jene Blume lieben, dieser oder jener abgeneigt sind, wie wir unser Gefühl auf die Welt beziehen, aber auf eine Welt, die, man möchte sagen, in luftiger Abstraktion her­ausgerissen ist aus dem soliden festen Kosmos, so bezog der alte Orien-tale sein Herz auf den Kosmos, das heißt auf dasjenige, was von der Erde in den Umkreis der Sonne ging.

Und wir, wir sagen zum Beispiel heute, wenn wir gehen: Wir wollen gehen. - Wir wissen, unser Wille lebt in unseren Gliedern. Der Mensch des alten Orients, der hatte ein wesentlich anderes Erlebnis. Das, was wir heute Wille nennen, kannte er ja nicht. Es ist ein bloßes Vorurteil, wenn man meint, daß dasjenige, was wir Denken, Fühlen, Wollen nennen, bei den alten orientalischen Völkern vorhanden war. Das war es gar nicht. Sie hatten Kopferlebnisse, die die Erdenerlebnisse waren, Brusterlebnisse oder Herzenserlebnisse, die die Erlebnisse des unmittel­baren Umkreises bis zur Sonne waren. Die Sonne entspricht dem Her­zenserlebnis. Aber sie hatten dann das Sich-Dehnen und Strecken in die Glieder, das Wahrnehmen der eigenen Menschlichkeit im Bewegen der Beine und Füße, im Bewegen der Arme und Hände. Sie waren da-drinnen. Aber in diesem das Innenwesen-Hineindehnen in die Glieder empfanden sie doch nicht bloß ein Bild des Umkreises der Erde, son­dern sie empfanden direkt ein Bild des Zusammenhanges des Men­schen mit den Sternenwelten (siehe Zeichnung, Seite 15). In meinem Kopfe habe ich ein Bild der Erde. In dem, was sich im Kopfe frei nach unten dehnt in die Brust hin zum Herzen, habe ich ein Bild dessen, was im Umkreise der Erde ist. In dem, was ich als die Kräfte meiner

Arme und Hände, meiner Füße und Beine empfinde, habe ich das, was abbildet das Verhältnis der Erde zu den weit im Weltenraum draußen lebenden Gestirnen.

So daß der Mensch, der in jenen alten Zeiten seine Erlebnisse aus-drückte als, wie wir es heute nennen würden, wollender Mensch, nicht gesagt hat: Ich gehe. - Schon in den Worten lag das nicht. Er hat auch nicht gesagt: Ich setze mich. - Wenn man die alten Sprachen auf diese

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feinen Inhalte prüfen würde, würde man überall finden, daß für die Tatsache, die wir bezeichnen als: ich gehe, das alte Orientalische dieses hatte: Mars impulsiert mich, Mars ist in mir tätig. - Das Vorwärts-gehen, das war das Empfinden der Mars-Impulse in den Beinen. Das Angreifen von irgend etwas, das Gefühl mit den Händen ward so ausgedrückt, daß man sagte: Venus wirkt in mir. - Das Zeigen von etwas, das Weisen, auch wenn ein grober Mensch einem anderen etwas dadurch weisen wollte, daß er ihm einen Tritt gab, alles Weisen wurde so ausgedrückt, daß man sagte, Merkur wirke in dem Menschen. Das Niedersitzen war die Jupitertätigkeit in dem Menschen. Und das Nie­derliegen, ob es nun im Ausruhen war, ob es aus Faulenzerei war, das ward ausgedrückt dadurch, daß man sagte, man gebe sich den Impulsen des Saturn hin. Also man fühlte in seinen Gliedmaßen die Weiten des Kosmos draußen. Der Mensch wußte: wenn er von der Erde aus in die Weltenweiten geht, dann kommt er von der Erde in den Umkreis, in die Gestirnsphäre. Wenn er von seinem Haupte nach abwärts geht, macht er dasselbe in seiner eigenen Wesenheit durch. rn seinem Haupte ist er in der Erde, in seinem Brustkorb und Herzen im Umkreise, in seinen Gliedmaßen im Sternenkosmos draußen.

Ich möchte sagen, und von einem gewissen Gesichtspunkte aus kann man das durchaus sagen: Ach, wir armen Menschen der Gegen­wart, wir erleben die abstrakten_Gedanken. Was sind sie viel? Wir sind ja sehr stolz darauf, aber wir vergessen über den selbst geschei-testen abstrakten Gedanken unseren Kopf. Und unser Kopf ist viel inhaltsreicher als unsere allergescheitesten Gedanken. Eine einzige Ge­hirnwindung - Anatomie und Physiologie wissen ja nicht viel von dem wunderbaren Geheimnis der Gehirnwindungen - ist etwas Großarti­geres, Gewaltigeres als die genialste abstrakte Wissenschaft irgendeines Menschen. - Und es gab eben einmal eine Zeit auf der Erde, wo der Mensch sich bewußt war nicht bloß seiner Gedanken, sondern seines Kopfes, wo er den Kopf empfand, wo er empfand, meinetwillen sagen wir, den Vierhügelkörper oder die Sehhügel, wo er sie empfand in ihrer Nachbildung einer gewissen physischen Gebirgskonfiguration der Erde; wo der Mensch nicht bloß aus irgendeiner abstrakten Lehre heraus das Herz auf die Sonne bezog, sondern wo er empfand: Wie mein Haupt

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zu meiner Brust, zu meinem Herzen, so steht die Erde im Verhältnis zur Sonne.

Es war das die Zeit, in welcher der Mensch mit seinem ganzen Leben eben mit dem Weltenall, mit dem Kosmos zusammengewachsen war Aber dieses Zusammengewachsensein, das dr ückte sich in seinem ganzen Leben aus. Wir sind ja allerdings gerade dadurch, daß wir an die Stelle unseres Kopfes das armselige Denken setzen, in die Lage versetzt, gedankliche Erinnerungen zu haben. Wir bilden uns Gedankenbilder von dem, was wir durchlebt haben, als abstrakte Erinnerungen unseres Kopfes. Das konnte derjenige, der nicht die Gedanken hatte, sondern noch seinen Kopf empfand, nicht. Der konnte sich nicht Erinnerungen bilden. Kam man daher nach jenen Gegenden des uralten Orients, in denen die Leute sich noch ihrer Köpfe bewußt waren, aber keine Ge­danken hatten, also auch keine Erinnerungen hatten, dann findet man in besonderer Ausbildung etwas, was wir wiederum gerade beginnen, nötig zu haben. Eine lange Zeit hatten es die Menschen nicht nötig, und es ist ja eigentlich auch nur eine kleine Schlamperei unseres Seelen­lebens, daß wir es wieder nötig haben. Wenn man in jener Zeit, von der ich spreche, in die Gegenden kam, wo die Menschen lebten, die sich ihres Kopfes, ihrer Brust, ihres Herzens, ihrer Gliedmaßen so bewußt waren, wie ich es geschildert habe, dann sah man überall: da ist irgend­ein kleiner Pflock in die Erde hineingesetzt und irgendein Zeichen daraufgesetzt, da ist an irgendeine Wand irgendein Zeichen gemacht. Alle Lebensgebiete, alle Lebensörtlichkeiten der Menschen waren mit lauter Merkzeichen übersät, denn man hatte noch nicht ein Gedanken-Gedächtnis. Wo irgend etwas geschah, da stellte man gewissermaßen ein kleines Denkmal auf, und wenn man wieder hinkam, dann erlebte man an dem Merkzeichen, das man machte, die Sache wieder. Der Mensch war eben zusammengewachsen in seinem Haupte mit der Erde. Und während er heute bloß eine Notiz in seinem Kopfe macht - und ich sagte ja schon, wir beginnen jetzt wiederum damit, Notizen nicht nur im Kopfe zu machen, sondern in unseren Notizbüchern und der­gleichen, aber ich sagte auch, das ist ja bloß eine Schlamperei der Seele, aber wir werden es immer mehr und mehr brauchen -, gab es dazumal nicht das, Notizen im Kopfe zu machen, weil die Gedanken, die Ideen

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eben nicht vorhanden waren; da wurde alles übersät von Merkzeichen. Und aus dieser naturgemäßen Anlage der Menschen entstand ja das Denkmalwesen.

Alles, was in der Entwickelungsgeschichte der Menschheit aufge­treten ist, ist ja aus dem Innern der menschlichen Natur heraus bedingt. Man sollte nur ehrlich sein und sich gestehen: Die eigentliche tiefere Grundlage des Denkmalwesens, die kennt ja der gegenwartige Mensch gar nicht. Er macht aus Gewohnheit Denkmäler. Aber diese Denkmäler sind die Uberreste jener alten Merkzeichen, wo der Mensch noch nicht ein solches Gedächtnis hatte wie heute, sondern wo er darauf angewie­sen war, an der Stelle, an der er etwas erlebt hatte, ein Merkzeichen anzubringen, und wenn er wieder hinkam, eben das aufleben zu lassen in seinem Kopfe, der alles das aufleben läßt, was irgendwie mit der Erde in Verbindung ist. Der Erde übergeben wir dasjenige, was der Kopf erlebt hat - das war Prinzip in alten Zeiten.

Und ich möchte sagen: Wir haben im alten Oriente eine uralte Zeit zu verzeichnen, die Zeit der lokalisierten Erinnerungen, wo eigentlich alles Erinnerungsmäßige gebunden ist daran, daß man Erinnerungs-zeichen auf die Erde hinstellte. Die Erinnerung war nicht dadrinnen, die war draußen, überall waren Denkzettel und Denksteine. Man stellte Erinnerungszeichen auf die Erde hin. Das was das lokalisierte Gedächt­nis, die lokalisierte Erinnerung.

Für eine spirituelle Entwickelung des Menschen ist es heute noch außerordentlich gut, wenn er etwas anknüpft an dieses nicht im Innern des Menschen befindliche Erinnerungsvermögen, sondern an jenes Er­innerungsvermögen, das eben eigentlich im Zusammensein des Men­schen mit der irdischen Außenwelt sich entfaltet und gestaltet; wenn er sich zum Beispiel sagt: Ich will mich nicht erinnern an dies oder jenes, sondern ich mache mir da oder dort ein Merkzeichen - oder: Ich will überhaupt über gewisse Dinge nur in Gemäßheit von Merkzeichen innere seelische Empfindungen entwickeln. Ich will in meinem Zimmer in einer Ecke ein Madonnenbild aufstellen und ich will, indem das Madonnenbild vor meine Seele tritt, dasjenige erleben, was ich eben in der Hinlenkung meiner Seele zur Madonna erleben kann. - Denn es ist eine feine Beziehung zu solchen Einrichtungen wie dem Madonnenbilde,

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das wir in den Wohnungen treffen, wenn wir nur ein wenig nach dem Osten kommen. Nicht nur in Rußland ist es, es ist ja überall schon im mittleren Osteuropa. Das alles sind im Grunde genommen Überreste aus der Zeit der lokalisierten Erinnerungen. Die Erinnerung haftet außen an dem Orte.

Aber ein zweites Stadium ist das andere, wo der Mensch übergeht von der lokalisierten Erinnerung zu der rhythmisierten Erinnerung. Wir haben also erstens die lokalisierte Erinnerung, zweitens die rhyth­misierte Erinnerung. Da hatte der Mensch nun nicht aus irgendeiner schlauen bewußten Finesse heraus, sondern aus seiner inneren Wesen­heit heräus das Bedürfnis entwickelt, im Rhythmus zu leben. Er hatte das Bedürfnis entwickelt, wenn er irgend etwas gehört hatte, das so in sich zu reproduzieren, daß ein Rhythmus herauskam. Wenn er die Kuh erlebte - Muh -, dann nannte er sie nicht Muh allein, sondern Muh-Muh, oder meinetwillen sogar in älteren Zeiten Muhmuhmuh. Das heißt, er türmte das Wahrgenommene so übereinander, daß ein Rhythmus herauskam. In manchen Wortbildungen können Sie das heute noch verfolgen, zum Beispiel der Gaugauch oder Kuckuck. Oder auch dann, wenn die Wortbildungen nicht unmittelbar hintereinander stehen, sehen Sie übrigens, wie bei Kindern das Bedürfnis noch vor­handen ist, diese Wiederholungen auszubilden. Das ist noch eine Erb-schaft aus der Zeit, wo die rhythmisierte Erinnerung Platz gegriffen hat, wo man nichts erinnerte, was man nur einfach e4ebte, wo man nur dasjenige erinnerte, was man in Rhythmisierung, also in Wieder­holungen, in rhythmischer Wiederholung erlebte. Und so mußte wenig­stens zwischen dem, was aufeinanderfolgte, eine Ahnlichkeit sein: Mann und Maus, Stock und Stein. Diese Rhythmisierung des Erlebten, das ist ein letzter Rest einer hochgradigen Sehnsucht, überall zu rhyth­misieren, denn was nicht rhythmisiert wurde in dieser zweiten Epoche, nach dem lokalisierten Gedächtnisse, das behielt der Mensch nicht. Und aus diesem rhythmisierten Gedächtnisse hat sich dann eigentlich die gesamte ältere Verskunst herausgebildet, überhaupt die versifizierte Dichtung. Und erst als dritte Stufe hat sich dasjenige gebildet, was wir heute noch kennen: die zeitliche Erinnerung, wo wir nicht mehr räum­lich in der Außenwelt den Angriffspunkt der Erinnerung haben, wo

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wir auch nicht mehr angewiesen sind auf den Rhythmus, sondern wo dasjenige, was sich in die Zeit hineinstellt, später wieder hervorgerufen werden kann. Dieses unser ganz abstraktes Gedächtnis ist erst die dritte Stufe in der Gedächtnisentwickelung.

Und nun fassen Sie den Zeitpunkt genau ins Auge, dwo in der Menschheitsentwickelung gerade übergeht die rhythmische Erinnerung in die Zeiterinnerung, wo das zuerst auftritt, was uns in unserer jäm­merlichen Abstraktheit des modernen Menschen ganz selbstverständ­lich ist: das Zeitgedächtnis, wo wir im Bilde das hervorrufen, was wir hervorrufen; wo wir i!icht mehr so erleben, daß wir in halb oder ganz unbewußter Tätigkeit etwas in rhythmischer Wiederholung wachgerufen haben müssen, wenn es wieder aufsteigen sollte. Nehmen Sie diesen Zeitpunkt des Überganges der rhythmischen Erinnerung in die zeitliche Erinnerung, dann haben Sie jenen Zeitpunkt, wo der alte Orient eben nach Griechenland herüber kolonisiert, jenen Zeit­punkt, der Ihnen in der Geschichte geschildert wird als die Entstehung der von Asien herüber nach Europa begründeten Kolonien. Was die Griechen erzählen voh jenen Heroen, die von Asien oder Ägypten gekommen sind und sich auf griechischem Boden niedergelassen haben, das ist eigentlich die Erzählung, die da heißen müßte: Es zogen aus einmal aus dem Lande, wo da war das rhythmische Gedächtnis, die großen Helden und suchten ein Klima auf, wo das rhythmische Ge­dächtnis übergehen konnte in das zeitliche Gedächtnis, in die zeitliche Erinnerung.

Damit haben wir den Zeitpunkt des Aufganges des Griechentunis streng gezeichnet. Denn was im Oriente als das Mutter- und Stamm-land des Griechentums dagestanden hat, das ist im Grunde genommen ein Menschengebiet mit ausgebildetem rhythmischem Gedächtnis. Da hat der Rhythmus gelebt. Und eigentlich ist der alte Orient nur dann richtig begriffen von dem Menschen, wenn er ihn vorstellt als das Land des Rhythmus. Und wenn das Paradies nur so weit zurückversetzt wird, als die Bibel es zurückversetzt, dann würden wir, wenn wir das Paradies nach Asien verlegen, es uns vorzustellen haben als das Gebiet, wo die reinsten Rhythmen durch den Kosmos erklangen und im Men­schen wiederum anfeuerten das, was sein rhythmisches Gedächtnis war,

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wo der Mensch als Rhythmus-Erleber in einem Kosmos als Rhythmus-Erzeuger lebte.

Fühlen Sie einmal in der Bhagavad-Gita noch etwas nach von dem, was einstmals jenes grandiose Rhythinus-Erleben war, fühlen Sie es nach in der Veden-Literatur, fühlen Sie es selbst in vielem nach, was auch westasiatische Dichtung und westasiatisches Schrifttum ist, wenn wir dieses moderne Wort gebrauchen dürfen: da leben die Nachklänge des einstmals ganz Asien mit majestätischem Inhalt durchgreifenden Rhythmus, der sich widerspiegelte als das Geheimnis des Umkreises der Erde in dem menschlichen Brustkorb, in dem menschlichen Herzen. Und dann kommen wir in noch ältere Zeiten, wo die rhythmische Er­innerung nach rückwärts zurückverläuft in das lokalisierte Gedächtnis, wo die Menschen noch nicht rhythmische Erinnerungen hatten, wo die Menschen darauf angewiesen waren, da, wo sie etwas erlebt hatten, das Merkzeichen hinzustellen. Wenn sie nicht an diesem Orte waren, brauchten sie das nicht; wenn sie an diesen Ort kamen, mußten sie sich erinnern. Aber nicht sie erinnerten sich, das Merkzeichen, die Erde erinnerte sie. Wie die Erde überhaupt dasjenige ist, was den mensch­lichen Kopf als sein Abbild hat, so hat nun das Merkzeichen in der Erde für diese Menschen der lokalisierten Erinnerungen im Kopfe sein Abbild wiederum hervorgerufen. Der Mensch lebt ganz mit der Erde, der Mensch hat sein Gedächtnis ganz in seiner Verbindung mit der Erde. Das Evangelium erinnert daran nur noch an einer Stelle, wo es mitteilt, daß der Christus etwas in die Erde hineinschreibt.

Und wir haben einen Zeitpunkt festgehalten, wo die lokalisierte Erinnerung übergeht in die rhythmische Erinnerung. Das ist der Zeit­punkt, wo während des Unterganges der alten Atlantis von westwärts nach ostwärts, nach Asien hinüber, die uralten nachatlantischen Völker wandern. Denn wir haben, wenn wir von Europa nach Asien hinüber­gehen, erst die Wanderung von der alten Atlantis, die ja heute der Boden des Atlantischen Ozeans ist, hinüber nach Asien (siehe Zeich­nung), und die Zurückwanderung der Kultur wiederum nach Europa. Beim Herüberwandern der atlantischen Völker nach Asien haben wir den Übergang der lokalisierten Erinnerung in die rhythmisierte Er­innerung, die ihre Vollendung im asiatischen Geistesleben hat. Dann

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haben wir bei der Kolonisation nach Griechenland herüber den Über­gang von der rhythmischen Erinnerung zu der Zeiterinnerung, die wir heute noch in uns tragen.

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Und in dieser Ausbildung der Erinnerung liegt die ganze Zivilisa­tion zwischen der atlantischen Kataströphe und der Entstehung der griechischen Zivilisation, liegt alles das, was mehr legendenhaft, mehr sagenhaft als historisch vom alten Asien zu uns herübertönt. Nicht dadurch lernen wir die Entwickelung der Menschen auf der Erde kennen, daß wir das Äußere vor allen Dingen ins Auge fassen, daß wir die äußeren Dokumente prüfen, sondern daß wir die Entwicke­lung dessen, was im Innern des Menschen lebt, ins Auge fassen, daß wir ins Auge fassen, wie so etwas wie die Erinnerungsfähigkeit sich von außen nach dem Innern entwickelt hat.

Sie wissen ja alle, was diese Erinnerungsfähigkeit für den heutigen Menschen bedeutet. Sie werden schon gehört haben von Menschen, die plötzlich in krankhafter Weise irgendeinen Teil ihres Lebens, an den sie sich erinnern sollten, ausgelöscht haben. Jemand, mit dem ich befreun­det war, hat vor seinem Tode ein furchtbares Schicksal dadurch er­fahren, daß es ihm passierte, daß er eines Tages sich aus seinem Heim entfernte, sich auf der Bahnstation ein Billett kaufte bis zu einem bestimmten Punkt, dann ausstieg, sich wieder eins kaufte; das alles, indem die Erinnerung an sein Leben bis zum Kaufen dieses Billetts momentan in ihm ausgelöscht war. Er tat alles klug, der Verstand

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war ganz intakt; das Gedächtnis war ausgelöscht. Und er fand sich dann wiederum, indem das Gedächtnis wieder anknüpfte an früher, in einem Obdachlosenasyl in Berlin, in welchem er sich eingefunden hatte. Man konnte nachher konstatieren, daß er in der Zwischenzeit in halb Europa herumgereist ist, ohne daß er dieses Erlebnis verbinden konnte mit seinen früheren Erlebnissen. Das Gedächtnis dämmerte erst wieder auf, nachdem er auf ihm ganz unbekannte Weise in dieses Ber­liner Asyl für Obdachlose gekommen ist. Das ist nur ein Beispiel für zahlreiche Fälle, die uns im Leben ja entgegentreten, wo wir sehen, wie das seelische Leben des modernen Menschen eben einfach nicht intakt ist, wenn nicht der Erinnerungsfaden bis zu einem gewissen Zeit­punkt nach unserer Geburt unabgerissen ist.

Das war bei denjenigen Menschen, bei denen die lokalisierte Erinne­rung ausgebildet war, nicht der Fall. Die kannten überhaupt diesen Erinnerungsfaden nicht. Aber sie wären unglücklich in ihrem Seelen-leben gewesen, sie wären so geworden, wie wir werden, wenn etwas in uns das Selbst auslöscht, wenn sie nicht überall auf ihrem Boden umgeben gewesen wären von Denkzeichen, die sie an das erinnerten, was sie selbst erlebt haben, von Denkzeichen, die sie selber überall errichtet hatten, aber auch von Denkzeichen, die ihre Väter, ihre Schwestern, Brüder und so weiter errichtet hatten, die in ihrer Konfigu­ration ähnlich schauten ihren eigenen Denkzeichen, und die sie daher zu Verwandtem hinbrachten. Aber dasjenige, was wir innerlich als die Bedingung unseres intakten Selbstes empfinden, das war für diese Men­schen ein Äußerliches.

Nur dadurch, daß wir diesen Seelenwandel in der Menschheit vor unserer Seele vorüberziehen lassen, kommen wir auf die ganze Bedeu­tung dieses Seelenwandels in der historischen Entwickelung der Mensch­heit. Dadurch, daß man so etwas betrachtet, bekommt die Geschichte erst ihr Licht. Und ich wollte zunächst einmal an einem besonderen Beispiel aufweisen, wie die Seelengeschichte der Menschheit in bezug auf das Erinnerungsvermögen ist. Wir wollen dann in den nächsten Tagen sehren, wie sich die historischen Ereignisse in ihrer wahren Gestalt erst zeigen werden, wenn wir sie beleuchten können mit dem Lichte, das so von der menschlichen Seelenkunde her genommen ist.

ZWEITER VORTRAG Dornach, 25. Dezember 1923

#G233-1962-SE026 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

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ZWEITER VORTRAG

Dornach, 25. Dezember 1923

#TX

Aus den gestrigen Darstellungen wird Ihnen hervorgegangen sein, wie man eine richtige Anschauung über den geschichtlichen Verlauf der Menschenentwickelung auf der Erde nur dadurch bekommen kann, daß man sich einläßt auf die durchaus verschiedenen Seelenzustände, die vorhanden waren in den verschiedenen Zeitaltern. Und ich versuchte ja gestern zu begrenzen die eigentliche alt-orientalische, die asiatische Entwickelung, versuchte hinzuweisen auf jenen Zeitabschnitt, in dem die Nachkommen der atlantischen Bevölkerung nach der atlantischen Katastrophe ihren Weg herübergefunden haben vom Westen nach dem Osten und nach und nach Europa, Asien bevölkert haben. Dasjenige, was dann durch diese Völkerschaften in Asien abläuft, es stand ja ganz unter dem Einflusse eines Gemütszustandes dieser Menschen, der an das Rhythmische gewöhnt war. Im Beginne haben wir noch die Nach­klänge, die deutlichen Nachklänge desjenigen, was ja in der Atlantis vollständig vorhanden war: das lokalisierte Gedächtnis. Dann geht es während der orientalischen Entwickelung in das rhythmische Gedächt­nis über. Und ich zeigte Ihnen ja, wie mit der griechischen Entwicke­lung erst der Umschwung zum Zeitgedächtnis eintritt.

So ist die eigentliche asiatische Entwickelung - denn das, was die Ge­schichte darstellt, sind ja schon Dekadenzzustände - diejenige ganz an­ders gearteter Menschen, als es die Menschen späterer Zeit sind, und die äußeren geschichtlichen Geschehnisse sind in jenen alten Zeiten viel mehr abhängig von dem, was im Menschengemüte lebte, als später. Was in jenen älteren Zeiten im Menschengemüte lebte, das lebte eben im ganzen Menschen. Man kannte nicht ein so abgesondertes Seelen- und Denkleben wie heute. Man kannte nicht dieses Denken, das gar keinen Zusammenhang mehr fühlt mit den inneren Vorgängen des mensch­lichen Hauptes. Man kannte nicht dieses abstrakte Fühlen, das gar nicht mehr sich im Zusammenhang weiß mit der Blutzirkulation, son­dern man kannte nur ein Denken, das man zu gleicher Zeit innerlich als Geschehen des Hauptes erlebte, ein Fühlen, das man erlebte im

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Atmungs- und Blutrhythmus und so weiter. Man erlebte, man empfand den ganzen Menschen in ungetrennter Einheit.

Das alles war aber damit verbunden, daß man auch das Verhältnis zur Welt, zum Weltenall, zum Kosmos, zum Geistigen und Physischen im Kosmos ganz anders erlebte als später. Der heutige Mensch erlebt sich auf Erden mehr oder weniger auf dem Lande oder in Städten. Er ist umgeben von dem, was er als Wälder anschaut, als Flüsse, als Berge, oder er ist umgeben von dem, was Gemäuer der Städte ist. Und wenn er von dem Kosmisch-Übersinnlichen spricht, ja, wo ist es denn eigent­lich? Der moderne Mensch weiß ja sozusagen keine Sphäre anzugeben, wo er das Kosmisch-Übersinnliche sich denken soll. Es ist nirgends eigentlich für ihn greifbar, faßbar, ich meine auch nicht seelisch-geistig greifbar, faßbar. Das war so nicht in jener alten orientalischen Ent­wickelung, sondern in jener alten orientalischen Entwickelung war eigentlich die Umgebung, die wir heute als physische Umgebung be­zeichnen würden, nur die unterste Partie einer geistig-physisch ein­heitlich gedachten Welt. Da war um den Menschen herum dasjenige, was in den drei Reichen der Natur enthalten ist, was in Fluß und Berrg und so weiter enthalten ist, aber das war zu gleicher Zeit geistdurch­wachsen, wenn ich so sagen darf, geistdurchströmt, geistdurchwoben. Und der Mensch sagte: Ich lebe mit Bergen, ich lebe mit Flüssen, aber ich lebe auch mit den Elementargeistern der Berge, der Flüsse. Ich lebe im physischen Reich, aber dieses physische Reich ist der Körper eines geistigen Reiches. Um mich herum ist überall die geistige Welt, die unterste geistige Welt.

Da war dieses Reich, das nun für uns das irdische geworden ist, unten. Der Mensch lebte darinnen. Aber er stellte sich eben in seinem Bilde vor (siehe Zeichnung, Seite 36), daß, wo dieses Reich (hell) nach oben hin aufhört, eben ein anderes beginnt (gelb-rot), in welches das untere übergeht, und dann wieder ein anderes (blau), und zuletzt das höchste, das noch zu erreichen ist (orange). Und wenn wir nach dem, was unter uns in der anthroposophischen Erkenntnis üblich geworden ist, ddiese Reiche benennen wollten - im alten orientalischen Leben hatten sie andere Namen, aber das kommt nicht darauf an, wir wollen sie so benennen, wie sie für uns heißen -, so würden wir da oben die

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erste Hierarchie haben: Seraphim, Cherubim, Throne, dann die zweite Hierarchie: Kyriotetes, Dynamis, Exusiai, und died dritte Hierarchie: Archai, Archangeloi, Angeloi.

Und nun kam das vierte Reich, wo die Menschen drinnen leben, wo wir heute nach unserer Erkenntnis nur die Natrirgegenstände und Naturvorgänge ansetzen, wo diese Menschen die Naturvorgänge und Naturdinge durchwoben fühlten von den Elementargeistern des Was­sers, der Erde. Und das war Asien (siehe Zeichnung, Seite 36). Asien bedeutete das unterste Geisterreich, in dem man als Mensch noch dar­innen ist. Allerdings, was heute unsere gewöhnliche Anschauung ist, die der Mensch für sein gewöhnliches Bewußtsein hat, das hatte man in jenen alten orientalischen Zeiten nicht. Es wäre ganz unsinnig zu denken, daß man in jenen alten orientalischen Zeiten die Möglichkeit gehabt hätte, geistlose Materie irgendwo zu vermuten. Wie wir heute reden von Sauerstoff, Stickstoff, es wäre ja für jene alten Zeiten zu den­ken die reine Unmöglichkeit. Sauerstoff war das Geistige, das belebend, erregend wirkte auf das schon Lebendige, das beschleunigend auf das Leben des Lebendigen wirkte. Stickstoff, den wir heute uns so vor­stellen, daß er dem Sauerstoff beigemengt in der Luft enthalten ist, Stickstoff war jenes Geistige, das die Welt durchwebt und das, indem es auf das lebendige Organische wirkt, dieses Organische bereitmacht, in sich Seelisches aufzunehmen. Nur so kannte man zum Beispiel Sauer­stoff und Stickstoff. Und so kannte man alle Naturvorgänge als im Zusammenhange mit Geistigem, weil man die Anschauung, die man heute als Mann auf der Straße hat, gar nicht hatte. Einzelne hatten sie, und das waren gerade die Eingeweihten, die Initiierten. Die an­deren Menschen hatten für das gewöhnliche Alltägliche einen Bewußt­seinszustand, der sehr ähnlich ist einem Wach-Traum, aber eben ein Traumzustand, wie er bei uns nur noch in abnormen Erlebnissen vor­handen ist. Mit diesem Träumen ging der Mensch herum. Mit diesem Träumen ging er an die Wiesen, an die Bäume, an die Flüsse heran, an die Wolken, und er sah alles in dieser Weise, wie man es sehen und hören kann in diesem Traumzustande.

Sie müssen sich nur einmal vorstellen, was da zum Beispiel geschehen kann für den heutigen Menschen. Der Mensch ist eingeschlummert.

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Plötzlich tritt vor ihm auf das Traumesbild eines feurigen Ofens. Er hört: Feurio! Draußen fährt die Feuerwehr vorbei, um irgendwo ein Feuer zu löschen. - Wie weit verschieden ist dasjenige, was trocken die menschliche Vernunft, wie man sagt, und das gewöhnliche sinnliche Anschauen von diesem Tun der Feuerwehr vernehmen, von dem, was der Traum dem Menschen vorspiegeln kann. Aber so in Traum ge­gossen war alles das, was jene alte orientalische Menschheit erlebte. Da verwandelte sich alles, was draußen in den Reichen der Natur war, in Bilder. Und in diesen Bildern erlebte man die Elementargeister des Wassers, der Erde, der Luft, des Feuers. Und jener Plumpsackschlaf, den wir haben - ich meine, jener Schlaf, wo man eben ganz daliegt wie ein Sack und gar nichts von sich weiß -, den hatten die Menschen in damaliger Zeit nicht. Nicht wahr, diesen Schlaf gibt es doch heute. Den hatten aber die Menschen in der damaligen Zeit nicht, sondern sie hatten auch während dieses Schlafes ein dumpfes Bewußtsein. Wäh­rend sie auf der einen Seite, wie wir es heute nennen, ihren Körper ausruhten, wob das Geistige in ihnen in einem Tätigsein der äußeren Welt. Und in diesem Weben nahm man wahr_dasjenige, was die dritte Hierarchie ist. Asien nahm man wahr im gewöhnlichen Wach-Traum-zustande, das heißt in dem alltäglichen Bewußtsein von damals. Die dritte Hierarchie nahm man wahr im Schlafe. Und in den Schlaf tauchte dann zuweilen ein noch dumpfes Bewußtsein ein, aber ein Bewußtsein, welches seine Erlebnisse tief in das Menschengemüt hinein-grub. So daß es also für diese orientalische Bevölkerung dieses Alltags-bewußtsein gab, wo alles sich in Imaginationen und Bilder wandelte. Sie waren nicht so real, wie jene der älteren Zeit, zum Beispiel der atlantischen oder gar der lemurischen Zeit oder der Mondenzeit, aber es waren immerhin Bilder, die da noch vorhanden waren auch während dieser orientalischen Entwickelung.

Also diese Menschen hatten diese Bilder. Dann hatten sie in den Schlafzuständen dasjenige, was sie in die Worte kleiden konnten: Ent­schlummern wir dem gewöhnlichen irdischen Dasein, dann treten wir ein in das Reich der Angeloi, Archangeloi, Archai und leben unter ihnen. Die Seele macht sich frei vom Organismus und lebt unter den Wesen der höheren Hierarchien.

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Zu gleicher Zeit war man sich klar darüber, daß, während man in Asien lebte, mit Gnomen, Undinen, Sylphen, Salamandern, das heißt mit den Elementargeistern der Erde, des Wassers, der Luft, des_Feuers lebte, daß man in dem Schlafzustand in dem der Körper sich ausruhte, erlebte die Wesenheiten der dritten Hierarchie, aber zu gleicher Zeit erlebte mit dem planetarischen Dasein, mit demjenigen, was in dem Planetensystem lebt, das zur Erde gehört. Dann aber trat manchmal herein in das Schlafbewußtsein, wo man die dritte Hierarchie wahr-nahm, ein ganz besonderer Zustand, in dem der Schlafende fühlte: Es kommt ein ganz fremdes Bereich an mich heran. Es nimmt mich etwas an sich, es holt mich etwas weg aus dem irdischen Dasein. - Das fühlte man noch nicht, indem man in die dritte Hierarchie versetzt war, aber indem dieser tiefere Schlafzustand kam, fühlte man dieses. Eigentlich war niemals ein solches Bewußtsein davon vorhanden, daß dieses während des Schlafzustandes mit der dritten Hierarchie geschah. Aber tief, tief bohrte sich ein in das ganze menschliche Sein dasjenige, was da erlebt wurde aus der zweiten Hierarchie heraus. Und der Mensch hatte es bei seinem Aufwachen in seinem Gemüte, und er sagte: Ich bin begnadet worden von höheren Geistern, die über dem planetari­schen Dasein ein Leben haben. - Und so sprachen diese Menschen dann von jener Hierarchie, welche die Exusiai, die Kyriotetes und die Dyna­mis umfaßt. Und dieses, was ich Ihnen jetzt erzähle, das war sozusagen im älteren Asien im Grunde das gewöhnliche Bewußtsein. Die zwei Bewußtseinszustände, das Wachend-Schlafen, Schlafend-Wachen, und den Schlaf, in den die dritte Hierarchie hereinragte, das hatten schon von vornherein alle. Und manche hatten durch ihre besondere Natur-anlage dann dieses Hereinragen eines tieferen Schlafes, wo die zweite Hierarchie in das menschliche Bewußtsein hereinspielte.

Und die Eingeweihten in den Mysterien, sie bekamen einen weiteren Bewußtseinszustand. Welchen? Das ist eben gerade das Überraschende. Wenn man die Antwort darauf gibt: Welchen Bewußtseinszustand be­kamen nun die Eingeweihten der damaligen Zeit? - so lautet sie: Den Bewußtseinszustand, den Sie heute am Tage immer haben. - Sie ent­wickeln ihn in Ihrem zweiten, dritten Lebensjahre auf natürliche Weise. Der alte Orientale ist auf natürliche Weise nie dazu gekommen,

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sondern er mußte ihn künstlich heranbilden. Er mußte ihn heran-bilden aus dem wachenden Träumen, träumenden Wachen. Während er, wenn er herumging mit seinem wachenden Träumen, träumenden Wachen, Bilder überall sah, die mehr oder weniger symbolisch nur das­jenige gaben, was wir heute mit scharfen Konturen sehen, kamen die Eingeweihten dazu, die Dinge dazumal so zu sehen, wie sie der Mensch heute mit dem gewöhnlichen Bewußtsein alle Tage sieht. Und die Ein­geweihten kamen dazumal dazu, durch dieses erst heranentwickelte Bewußtsein das zu lernen, was heute jeder Schulknabe und jedes Schul­mädchen in der Volksschule lernt. Und der Unterschied bestand nicht darin, daß der Inhalt etwas anderes war. Allerdings jene abstrakten Buchstabenformen, die wir heute haben, die hatte man damals nicht. Die Schrift wies Charaktere auf, welche in innigerem Zusammenhange mit den Sachen und Vorgängen der Welt standen. Aber immerhin, das Schreiben, das Lesen lernten in diesen alten Zeiten nur die Eingeweih­ten, weil man schreiben und lesen eben nur lernen kann in dem ver­standesmäßigen Bewußtseinszustand, der heute der natürliche ist.

Wenn Sie sich also vorstellen würden, daß irgendwo wiederum auf­treten würde diese altorientalische Welt mit Menschen jener Art, wie sie damals waren, und Sie unter diese Menschen treten würden mit Ihrer Seelenartung von heute, so wären Sie für jene Menschen dazu­mal alle Eingeweihte. Der Unterschied liegt eben nicht im Inhaltlichen. Sie wären Eingeweihte, aber Sie würden von den Menschen der da­maligen Zeit in dem Augenblicke, wo Sie als Eingeweihte erkannt wür­den, mit allen möglichen Mitteln aus dem Lande getrieben, weil die Leute sich darüber klar wären, daß man als Eingeweihter die Dinge nicht so wissen darf, wie die heutigen Menschen sie wissen. Man darf zum Beispiel - das war die Anschauung der damaligen Zeit, ich charak­terisiere sie durch dieses Bild - nicht schreiben können, nach der Ansicht der damaligen Leute, wie die Menschen der heutigen Zeit schreiben kön­nen. Wenn ich mich hineinversetze in ein Gemüt der damaligen Zeit, und es trate einem ein solcher Pseudo-Eingeweihter, das heißt ein gewöhn­licher Mensch, ein gewöhnlich gescheiter Mensch der Gegenwart ent­gegen, so würde dieser Mensch der damaligen Zeit sagen: Der kann schreiben, er macht Zeichen auf das Papier, die etwas bedeuten, und er

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ist sich nicht einmal bewußt, wie unendlich teuflisch es ist, so etwas zu tun und nicht das Bewußtsein in sich zu tragen, daß man dies nur im Auftrage des göttlichen Weltbewußtseins tun darf, daß man Zeichen, die etwas bedeuten, auf das Papier nur machen darf, wenn man sich bewußt ist: Der Gott wirkt in den Händen, in den Fingern, der Gott wirkt in der Seele, so daß die Seele sich ausdrückt durch diese Buch­stabenformen. - Dieses, das nicht in der Verschiedenheit des Inhaltes liegt, das in der menschlichen Auffassung der Sache liegt, das ist es, was eben die Eingeweihten der alten Zeit noch ganz anders hatten als die heutigen Menschen, welche dasselbe inhaltlich haben. Sie werden, wenn Sie in meiner Schrift «Das Christentum als mystische Tatsache», die jetzt wiederum in Neuauflage erschienen ist, nachlesen, gleich im An­fange angedeutet finden, daß darinnen eigentlich das Wesen des Ein­geweihten der alten Zeit lag. Und es ist eigentlich imiaer so in der Weltenentwickelung: Was in einer späteren Zeit auf natürliche Art in dem Menschen erwächst, das ist in einer früheren Zeit durch die Ein­weihung zu erringen.

Gerade indem ich so etwas darstelle, werden Sie den gründlichen Unterschied verspüren zwischen der Gemütslage dieser alten orientali­schen Yölker der vorhistorischen Entwickelung und den Menschen, die

später in die Zivilisation eingetreten sind. Es ist schon eine andere Menschheit, die den untersten Himmel Asien nannte und das eigene Land darunter verstand, die Natur, die einen umgab. Man wußte, wo der letzte Himmel ist. Vergleichen Sie das mit den Anschauungen von heute, wie wenig die Menschen der Gegenwart dasjenige, was sie um­gibt, als den letzten Himmel betrachten. Die meisten können ihn ja nicht als den letzten betrachten, weil sie die vorhergehenden auch nicht kennen.

Nun, wir sehen also, daß das Geistige bis tief in das Naturdasein hereinragt in dieser alten Zeit. Und dennoch, wir treffen etwas unter diesen Menschen wiederum, das uns in der gegenwärtigen Zeit unend­lich barbarisch erscheinen möchte, wenigstens vielen von uns. Den Men­schen dazumal wäre es furchtbar barbarisch erschienen, wenn jemand so hätte schreiben können, mit solcher Gesinnung, wie man heute schrei­ben kann. Es wäre ihnen überhaupt teuflisch erschienen. Einer großen

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Anzahl von Menschen der Gegenwart erscheint es aber ganz gewiß wiederum barbarisch, wie in jenem Asien drüben es etwas ganz Selbst­verständliches war, daß eine Völkerschaft, die von Westen nach dem Osten weiter hinüberzog, oftmals mit großer Grausamkeit eine andere, die schon seßhaft war, sich untertan machte, deren Land eroberte, die Bevölkerung zu Sklaven machte. Das ist überhaupt im weiteren Um­fange der Inhalt dieser orientalischen Geschichte über ganz Asien. Wäh­rend diese Menschen eine hohe spirituelle Anschauung hatten in der Art, wie ich es eben charakterisiert habe, verlief die äußere Geschichte in fortwährenden Eroberungen fremden Landes, deren Bevölkerung untertänig gemacht worden ist. Das erscheint gewiß vielen Menschen in der Gegenwart wiederum barbarisch. Und wenn heute auch noch irgendwie Eroberungskriege vorhanden sind, so hat man doch dabei, selbst diejenigen, die sie verteidigen, nicht ein ganz gutes Gewissen. Man merkt das den Verteidigungen der Eroberungskriege schon an: man hat nicht ein ganz gutes Gewissen dabei. In der damaligen Zeit hatte man gerade gegenüber den Eroberungskriegen das allerbeste Ge-wissen, und man fand, daß dieses Erobern überhaupt gottgewollt ist. Und dasjenige, was dann später als die Friedenssehnsuchten über einen großen Teil Asiens sich ausgebreitet hatte, das ist eigentlich Spätprodukt der Zivilisation Dagegen ist Frühprodukt der Zivilisation für Asien das fortwährende Erobern von Ländern und Untertänigmachen der Bevölkerungen. Je weiter man in die vorhistorischen Zeiten zurück-schaut, desto mehr findet man dieses Erobern, von dem nur ein Schat­ten noch dasjenige ist, was die Xerxes und ähnliche Leute getan haben.

Aber diesem Prinzip der Eroberungen liegt ja etwas ganz Bestimm­tes zugrunde. In der damaligen Zeit war eben durch jene Bewußtseins-zustände bei den Menschen, die ich Ihnen geschildert habe, der Mensch auch im Verhältnis zu den andern Menschen und zur Welt in einer ganz anderen Lage als heute. Gewisse Unterschiede in den Bevölke­rungsteilen der Erde haben heute ihre prinzipielle Bedeutung verloren. Dazumal waren sie in einer ganz anderen Weise vorhanden als heute. Und so wollen wir einmal etwas, was oftmals real war, als Beispiel vor -unsere Seele hinstellen.

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Nehmen wir an, wir hätten hier links das europäische Gebiet (siehe Zeichnung), hier rechts das asiatische Gebiet. Eine erobernde Bevölke­rung (rot) konnte, auch vom Norden von Asien, herüberkommen, dehnt sich über irgendein Gebiet in Asien aus, macht die Bevölkerung untertan (rot um gelb).

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Was lag da eigentlich vor? In den charakteristischen Fällen, welche die eigentliche geschichtliche Entwickelung im Fluß erhielten, war im­mer die Bevölkerung, die erobernd auftrat, als Volk oder als Rasse jung - jung, voller Jugendkraft. Nun, was heißt heute unter den Men-schen der gegenwärtigen Erdenentwickelung jung sein? Unter den Menschen der gegenwärtigen Erdenentwickelung heißt jung sein, so viel Todeskräfte in jedem Augenblick seines Lebens in sich tragen, daß man die Seelenkräfte, die die absterbenden Vorgänge des Menschen brauchen, versorgen kann. Wir haben ja sprießende, sprossende Lebens-kräfte in uns; die machen uns aber nicht besonnen, sondern die machen uns gerade ohnmächtig, bewußtlos. Die abbauenden, die Todeskräfte, die fortwährend in uns auch wirken, die nur immer von den Lebens-kräften während des Schlafes überwunden werden, so daß wir eben nur am Ende des Lebens zusammenfassen all die Todeskräfte in dem einmaligen Tode, diese Todeskräfte müssen fortwährend in uns sein.

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Die bewirken die Besonnenheit,u das Bewußtsein. Das ist aber eben ein Charakteristikon der gegenwärtigen Menschheit. Solch eine junge Rasse, ein junges Volk, das litt an seinen überstarken Lebenskräften. Was da Mensch war, hatte fortwährend das Gefühl: Ich drücke dauernd mein Blut gegen meine Körperwände. Ich kann es nicht aushalten. Mein Bewußtsein will nicht besonnen werden. Ich kann meine volle Mensch­lichkeit wegen meiner Jugendlichkeit nicht entwickeln.

So sprachen allerdings nicht die gewöhnlichen Menschen, so sprachen aber die Eingeweihuten in den Mysterien, die diese ganzen geschicht­lichen Vorgänge dazumal hoch leiteten und lenkten. Und so hatte eine solche Bevölkerung zuviel Jugend, zuviel Lebenskräfte, zu wenig von dem in sich, was Besonnenheit geben konnte. Dann zog sie aus, eroberte ein Gebiet, wo eine ältere Bevölkerung lebte, die schon in irgendeiner Weise Todeskräfte in sich aufgenommen hatte, weil sie bereits in die Dekadenz gekommen war, zog aus, machte sich diese Bevölkerung untertänig. Es brauchte nicht eine Blutsverwandtschaft einzutreten zwi­schen den Eroberern und den zu Sklaven Gemachten. Dasjenige, was sich unbewußt im Seelischen abspielte zwischen den Eroberern und den versklavten Leuten, das wirkte verjüngend, und auf die Besonnenheit hin wirkte es. Und der erobernde Mensch, der sich seinen Hof begrün­det hatte, wo er nun seine Sklaven hatte, er brauchte eben auch nur den Einfluß auf sein Bewußtsein. Er brauchte nur hinzulenken seinen Sinn auf diese Sklaven, und, ich möchte sagen, abgedämpft in der Sehn­sucht nach der Ohnmächtigkeit wurde die Seele, und Bewußtheit, Be­sonnenheit trat ein.

Dasjenige, was wir heute als individueller Mensch erreichen müssen, wurde dazumal im Zusammenleben mit den anderen Menschen erreicht. Man brauchte sozusagen um sich eine Bevölkerung, die mehr Todes-kräfte in sich hatte als eine herrisch auftretende, aber junge, nicht zu voller Besonnenheit kommende Bevölkerung. Die rang sich hinauf zu dem, was sie als Menschen brauchten, dadurch, daß sie eine andere Bevölkerung überwanden. Und so sind diese oftmals so furchtbaren, uns heute so barbarisch anmutenden altorientalischen Kämpfe nichts anderes als die Impulse der Menschheitsentwickelung überhaupt. Sie mußten da sein. Sie sind die Impulse der Menschheitsentwickelung. Die

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Menschheit hätte auf der Erde sich nicht entwickeln können, wenn nicht diese uns heute barbarisch anmutenden furchtbaren Kämpfe und Kriege vorhanden gewesen wären.

Die Eingeweihten der Mysterien, die sahen dann eben die Welt doch schon so, wie sie heute gesehen wird, nur verbanden sie damit eine an­dere Seelenverfassung, eine andere Gesinnung. Für sie war dasjenige, was sie in scharfen Konturen erlebten, so wie wir heute beim sinnlichen Wahrnehmen die äußeren Dinge in scharfen Konturen erleben, für sie war das immerhin dasjenige, was von den Göttern kam, auch für das menschliche Bewußtsein von den Göttern kam. Denn wie trat das vor einen damaligen Eingeweihten?

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Sehen Sie, da war vielleicht, sagen wir, der Blitz. Nehmen wir ein recht anschauliches Bild. Nun, ihn sieht der heutige Mensch so, wie Sie ja wissen, daß man eben den Blitz sieht (siehe Zeichnung). Das sah der alte Mensch nicht so. Der sah hier lebend-geistige Wesenheiten sich be-wegen (gelblich), und die scharfen Konturen des Blitzes verschwanden vollständig. Das war ein Heereszug oder eine Prozession von Geistwesen,

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die über dem oder im Weltenraum vorwärtsdrangen. Den Blitz als solchen sah er nicht. Er sah einen Geisterzug durch den Weltenraum schweben. Für den Eingeweihten wurde das so, daß er ja auch wie die anderen Leute diesen Heereszug sah, aber für sein Schauen, das in ihm entwickelt worden war, konnte sich, indem das Bild von dem Heereszug allmählich sich dämpfte und dann verschwand, der Blitz herausent­wickeln in der Gestalt, wie ihn heute jeder sieht. Die ganze Natur, wie sie heute jeder sieht, mußte in alten Zeiten erst durch die Initiation errungen werden. Aber wie empfand man dieses? Auch dieses empfand man durchaus nicht in der Gleichgültigkeit, mit der man heute Erkennt­nisse oder Wahrheiten empfindet. Man empfand dieses durchaus mit einem moralischen Einschlag. Und wenn wir uns das anschauen, was mit den Jüngern der Mysterien geschah, so müssen wir uns das fol­gende sagen: Sie wurden eingeführt in diejenige Naturanschauung, ,die dann später die naturgemäße, allen zugängliche war. Einzelne nur wurden durch harte innere Prüfungen und Proben zu dieser Natur-anschauung hingeführt. Dann aber hatten sie ganz naturgemäß fol­gende Empfindung: Da ist der Mensch mit seinem gewöhnlichen Be­wußtsein. Er sieht diesen Heereszug von Elementarwesen durch die Lüfte reiten. Aber er ist dadurch, daß er eine solche Anschauung hat, bar des menschlichen freien Willens. Er ist ganz hingegeben an die göttlich-geistige Welt. - Denn in diesem wachenden Träumen, träu­menden Wachen lebte der Wille nicht als freier, sondern als derjenige, der in den Menschen einströmte als der göttliche Wille. Und der Ein-geweihte, der den Blitz nun herauskommen sah aus diesen Imagina­tionen, der empfand das so, daß er sagen lernte durch seinen Initiator: Ich muß ein Mensch sein, der in der Welt sich auch bewegen darf ohne die Götter, für den die Götter auswerfen ins Unbestimmte den Wel­teninhalt. - Es war gewissermaßen für die Initiierten dasjenige, was sie in scharfen Konturen sahen, der von den Göttern ausgeworfene Welteninhalt, an den der Eingeweihte herantrat, um unabhängig zu werden von den Göttern.

Sie begreifen, es wäre ein unerträglicher Zustand gewesen, wenn er nicht irgendein ausgleichendes Moment gehabt hätte. Das hat er aber gehabt. Denn indem der Eingeweihte auf der einen Seite Asien erleben

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lernte gottverlassen, geistverlassen, lernte er auf der anderen Seite einen noch tieferen Bewußtseinszustand kennen als derjenige war, der zur zweiten Hierarchie hinreichte. Er lernte kennen zu seiner entgötter­ten Welt die Welt der Seraphim, Cherubim und Throne.

In einer bestimmten Zeit der asiatischen Entwickelung, die etwa die mittlere ist - wir werden über die Zeiten noch genauer zu sprechen haben -, war der Bewußtseinszustand dieser Eingeweihten so, daß sie über die Erde hingingen und ungefähr schon den Anblick von den Erdenreichen hatten, den der moderne Mensch hat; aber das fühlten sie eigentlich in ihren Gliedern. Sie fühlten ihre Glieder befreit von den Göttern in der entgötterten Erdenmaterie. Aber dafür begegneten sie in diesem götterlosen Lande den hohen Göttern der Seraphim, Che­rubim und Throne. Man lernte als Eingeweihter nicht mehr bloß kennen jene graugrünen Geistwesen, welche die Bilder des Waldes, die Bilder der Bäume waren, sondern man lernte als Eingeweihter kennen den Wald geistlos, aber man hatte dafür das Ausgleichende, daß man in dem Walde gerade den Angehörigen der ersten Hierarchie begeg­nete, irgendeinem Wesen aus dem Reiche der Seraphim, Cherubim oder Throne.

Das alles als soziale Konfiguration aufgefaßt, ist eben das Wesent­liche im geschichtlichen Werden des alten Orients. Und die treibenden Kräfte der Weiterentwickelung, sie sind diejenigen, die den Ausgleich suchen zwischen jungen Rassen und alten Rassen, so daß die jungen Rassen an den alten reif werden können, gerade an den unterworfenen Seelen reif werden können. Und so weit wir nach Asien hinüberblicken, überall finden wir dies, daß junge Rassen, die durch sich selber nicht besonnen werden können, die Besonnenheit im Erobern suchen. Aber wenn wir den Blick von Asien herüberlenken nach Griechenland, dann finden wir, daß da etwas anders wird. In Griechenland drüben war auch schon in den herrlichsten Zeiten der griechischen Entwickelung eine Bevölkerung, welche allerdings das Ä lterwerden verstanden hat, aber nicht verstanden hat, das Älterwerden zu durchdringen mit voller Geistigkeit. Ich habe ja öfter aufmerksam machen müssen auf jenen charakteristischen Ausspruch der Griechen: Besser ein Bettler sein in der Oberwelt als ein König im Reiche der Schatten. - Mit dem Tode draußen

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und mit dem Tode auch drinnen im Menschen kam der Grieche nicht zurecht. Aber auf der anderen Seite hatte er diesen Tod wieder in sich. Und so war bei den Griechen nicht eine Sehnsucht nach Besonnenheit, die als Impuls in ihm vorhanden gewesen wäre, sondern bei den Grie­chen war es die Angst vor dem Tode. Diese Angst vor dem Tode emp fanden die jungen orientalischen Völker_nicht, denn sie zogen auf Eroberungen aus, wenn die Menschen als Rasse den Tod nicht in der richtigen Weise erleben konnten.

Der innere Konflikt aber, den die Griechen mit dem Tode erlebt haben, der führte als ein innerer Menschheitsimpuls zu dem, wovon uns berichtet wird als dem Trojanischen Krieg. Die Griechen brauchten nicht den Tod bei einer fremden Bevölkerung zu suchen, um die Be­sonnenheit sich zu erobern, die Griechen brauchten aber gerade für dasjenige, was sie vom Tode empfanden, das innere lebensvolle Ge­heimnis vom Tode. Und das führte zu jenem Konflikte zwischen den Griechen als solchen und den Menschen, von denen die Griechen her­gekommen waren in Asien. Der Trojanische Krieg ist ein Sorgenkrieg, der Trojanische Krieg ist ein Angstkrieg. Wir sehen, wie einander gegenüberstehen im Trojanischen Kriege die Repräsentanten der klein­asiatischen Priesterkultur und die Griechen, die den Tod schon in sich fühlen, aber mit dem Tode nichts anzufangen wissen. Die übrige orien­talische Bevölkerung, die auf Eroberungen auszog, die wollte den Tod, die hatte ihn nicht; die Griechen hatten den Tod, wußten aber mit ihm nichts anzufangen. Sie brauchten einen ganz anderen Einschlag, um mit dem Tode etwas anfangen zu können. Achill, Agameranon, alle diese Leute tragen den Tod in sich, wissen aber nichts mit ihm anzu­fangen. Sie schauen hinüber nach Asien. Und Sie haben in Asien drüben eine Bevölkerung, die in der umgekehrten Lage ist, die unter dem un­mittelbaren Eindruck der entgegengesetzten Seelenlage leidet. Da drü­ben sind diejenigen Menschen, die den Tod nicht in dieser intensiven Weise fühlen wie die Griechen, die den Tod fühlen als etwas, was im Grunde doch lebenstrotzend ist.

In einer wunderbaren Weise hat das eigentlich Homer zum Aus­drucke gebracht. Überall, wo die Trojaner den Griechen gegenüber­gestellt werden - sehen Sie sich an die charakteristischen Figuren Hektor

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und Achill -, überall ist dieser Gegensatz da. Und in diesem Gegensatze drückt sich aus, was an der Grenze von Asien und Europa geschieht. Asien hatte in jener alten Zeit sozusagen einen Überschuß des Lebens über den Tod, sehnte sich nach Tod. Europa auf griechi­schem Boden hatte einen Überschuß von Tod im Menschen, mit dem man nichts anzufangen wußte. So stand sich Europa und Asien von einem zweiten Gesichtspunkte aus gegenüber: auf der einen Seite der Übergang des rhythmischen Erinnerns in das zeitliche Erinnern, auf der anderen Seite das ganz verschiedene Erleben gegenüber dem Tode in der menschlichen Organisation.

Wir werden dann morgen diesen Gegensatz, den ich Ihnen am Schlusse der heutigen Betrachtung nur andeuten konnte, beim nächsten Vortrag genauer betrachten, um so jene tief in die Menschheitsent­wickelung einschneidenden Übergänge kennenzulernen, die von Asien nach Europa herüberführen, und ohne deren Verständnis im Grunde genommen doch auch nichts in der gegenwärtigen Entwickelung der Menschheit zu verstehen ist.

DRITTER VORTRAG Dornach, 26. Dezember 1923

#G233-1962-SE041 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

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DRITTER VORTRAG

Dornach, 26. Dezember 1923

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Fast genau auf den Tag ist es, daß idi vor dreizehn Jahren in Stuttgart in einem Vortragszyklus, den idi auch gehalten habe zwischen Weih-nachten und Neujahr, über dasselbe Thema sprach, zu dem auch dieser Vortragszyklus gehört. Nur werde ich den Gesichtspunkt, der dazumal dem Thema nach gewaltet hat, etwas zu verändern haben.

Wir haben uns ja damit beschäftigt, in den zwei Einleitungsvorträgen an unsere Seele ein Verständnis dafür heranzubringen, wie gründlich sich die Gemüts-, die Seelenverfassung der Menschheit im Laufe der geschichtlichen Entwickelung und namentlich der vorgeschichtlichen Entwickelung geändert hat. Wir brauchen auch diesmal, zunächst wenig­stens, nicht weiter zurückzugehen als einige Jahrtausende. Sie wissen ja, daß wir geisteswissenschaftlich als den wichtigsten Zusammenhang, der sich ergibt für das Geschichtliche und Vorgeschichtliche seit der so-genannten atlantischen Katastrophe, von welcher die Erde befallen worden ist, denjenigen betrachten, den man gewöhnlich die Zeit der Erdenvereisung, die jüngere Eiszeit nennt. Dazumal aber ging ja auch der letzte Akt des Unterganges des atlantischen Kontinents vor sich, der heute den Boden des Atlantischen Ozeans bildet. Und nach dieser atlantischen Katastrophe haben wir dann bis zu unserer Zeit, worauf ja oftmals aufmerksam gemacht worden ist, fünf aufeinanderfolgende große Kulturzeiträume, von denen die ersten ja der geschichtlichen Überlieferung vollständig entfallen sind. Denn dasjenige, was im Oriente drüben als Schrifttum - auch in den herrlichen Veden, in der tiefgehenden Vedanta-Philosophie - enthalten ist, das sind ja nur Nachklänge dessen, was man schildern muß, wenn man jene Kultur-epoche darstellen will, von der ich immer als der urindischen, der ur-persischen auch, in meiner «Geheimwissenschaft» spreche.

Nun, auch bis dahin wollen wir heute nicht zurückgehen, sondern wir wollen jenen Zeitraum ins Auge fassen, den ich öfter bezeichnet habe als die chaldäisch-ägyptische Kulturperiode, die der griechischen vorangegangen ist. Wir haben darauf aufmerksam machen müssen,

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daß in dieser Zeit zwischen der atlantischen Katastrophe und dem griechischen Zeitalter sich mit Bezug auf die Erinnerungsfähigkeit, die Menschen-Gedächtniskraft, und mit Bezug auf das menschliche Zusam­menleben große Veränderungen vollzogen haben. Ein solches Gedächt­nis, wie wir es heute haben, so daß wir uns in der Zeit nach rückwärts etwas vergegenwärtigen können, ein solches Zeitgedächtnis war ja in dieser dritten nachatlantischen Kulturperiode noch nicht vorhanden, sondern es war ein Gedächtnis vorhanden, das gebunden war an rhyth­misches Erleben, wie ich es dargestellt habe. Und das ist ja hervor­gegangen aus dem, was besonders stark während der atlantischen Peri­ode vorhanden war: das lokalisierte Gedächtnis, wo der Mensch über­haupt nur ein Gegenwartsbewußtsein in sich trug, aber durch alles Mögliche, was er in der Außenwelt entweder vorfand oder selber hin-setzte, Merkzeichen hatte, durch die er sich mit der Vergangenheit nicht nur seiner eigenen Persönlichkeit, sondern mit der Vergangenheit der Menschheit überhaupt in eine Beziehung setzte.

Merkzeichen waren aber nicht nur diejenigen, die unmittelbar auf der Erde angebracht waren, sondern Merkzeichen waren auch gerade in den älteren Zeiten die Konstellationen am Himmel, insbesondere die Planeten-Konstellationen, aus denen man in ihrer Wiederholung oder variierten Wiederholung erkannte, wie die Dinge in Vorzeiten waren. So daß eigentlich für die Bildung des äußeren lokalisierten Gedächt­nisses einer älteren Menschheit Himmel und Erde zusammenwirkten.

Aber diese ältere Menschheit war auch in ihrer ganzen menschheit­lichen Konstitution anders beschaffen als die spätere oder gar als die Menschheit unserer Zeit. Die Menschheit unserer Zeit trägt in sich im Wachzustande das Ich und den astralischen Leib so unvermerkt im physischen Leibe, daß die meisten Menschen ja eigentlich es nicht be­merken, wie dieser physische Leib als eine viel bedeutungsvollere Orga­nisation, als er selbst ist, den astralischen Leib und die Ich-Organisation in sich trägt neben dem Atherleib. Sie kennen ja diese Zusammen­hänge. Eine ältere Menschheit aber empfand den Tatbestand des eige­nen Seins ganz anders. Und zu einer solchen Menschheit kehren wir noch zurück, wenn wir in die frühere dritte nachatlantische Kultur-periode, in die ägyptisch-chaldäische zurückkehren. Da erlebte sich der

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Mensch als Geist und Seele im hohen Maße noch außerhalb seines phy­sischen und Atherleibes, auch wenn er wach war. Er wußte zu unter­scheiden: Das habe ich an mir als meinen Geist und meine Seele - Ich und astralischen Leib nennen wir es, und das ist verbunden mit mei­nem physischen und meinem Ätherleibe. - Der Mensch ging als diese Zweiheit durch die Welt. Er nannte seinen physischen Leib und seinen Atherleib nicht Ich, sondern er nannte Ich zunächst nur seinen Geist und seine Seele, dasjenige, was geistig war, und was nach unten in einer gewissen Weise in Zusammenhang, aber in einem für ihn merkbaren Zusammenhang mit dem physischen und mit dem Ä therleib war. Und in diesem Geist-Seelischen, in diesem Ich und astralischen Leib empfand der Mensch das Hereindringen der göttlich-geistigen Hierarchien, so wie der Mensch heute das Hereindringen der Natursubstanzen in sei­nen physischen Leib empfindet.

In diesem physischen Leib empfindet ja der Mensch so, daß er weiß, er nimmt mit der Nahrung, mit der Atmung die Substanzen der äuße­ren Naturreiche auf. Die sind vorher draußen, dann in ihm. Die wirken so, daß sie durch ihn durchgehen, Bestandteile von ihm werden. Dazu­mal wußte der Mensch, der eine gewisse Trennung seines Geist-Seeli­schen von seinem Physisch-Ätherischen empfand, daß Angeloi, Archan­geloi bis hinauf zu den höchsten Hierarchien Geistig-Substantielles seien, das nun auch durch sein Geistig-Seelisches durchgeht, zu Bestand­teilen, wenn ich mich so ausdrücken darf, von ihm wird. So daß der Mensch in jedem Augenblicke seines Lebens sagen konnte: In mir leben die Götter. - Und er faßte sein Ich nicht als von unten durch physische und ätherische Substanzen aufgebaut auf, sondern er faßte sein Ich als ihm durch Gnade geschenkt, von oben, von seiten der Hierarchien kommend auf. Und gewissermaßen wie eine Last, wie ein Vehikel, wie etwas, dessen er sich wie des Lebenswagens bediente, um vorwärts zu kommen in der physischen Welt, faßte er sein Physisch-Ätherisches auf. Wenn man dies nicht in entsprechender Weise ins Seelenauge faßt, so versteht man eigentlich den historischen Hergang der Menschheits-entwickelung nicht.

Nun könnten wir an verschiedenen charakteristischen Beispielen die­sen historischen Hergang der Menschheitsentwickelung verfolgen. Wir

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wollen heute gewissermaßen einen Faden vor uns hinstellen, einen Faden, den ich eben auch schon dazumal vor dreizehn Jahren berührt habe, indem ich anknüpfte dazumal an jenes historisch-sagenhafte Do­kument, welches die älteste Phase jener Entwickelung darstellt, von der ich sprechen will, nämlich das Gilgamesch-Epos. Aber das Gilga­mesch-Epos ist eben zum Teil sagenhaft, und ich werde den Vorgang, den ich, wie gesagt, vor dreizehn Jahren dargestellt habe, heute so dar­stellen, wie er sich aus dem geistigen Anschauen heraus unmittelbar ergibt.

Da haben wir in einer Stadt Vorderasiens - Erek nennt sie das Gilga­mesch-Epos - eine von jenen Eroberernaturen, von denen ich gestern gesprochen habe, die so recht herausgewachsen waren aus jenen Seelen-und sozialen Menschheitsverfassungen, die gestern charakterisiert wor­den sind. Gilgamesch nennt ihn das Epos. Also wir haben es da mit einer Persönlichkeit zu tun, die eben in der Zeit, von der wir jetzt reden, so beschaffen war, wie ich es nun charakterisiert habe, die viele alte Menschheitseigentümlichkeiten noch bewahrt hatte aus früheren Zeiten. Aber so klar es für diese Persönlichkeit in der damaligen Zeit war, daß sie gewissermaßen dieselbe ist, die da lebt zwischen dem Geistig-Seelischen, in das die Götter hereinragen, und dem Physisch-Ätherischen, in das die Erden- und Kosmos-Substanzen, die physischen und ätherischen Substanzen hineinragen, so sehr ist auch dieses eine Tatsache, daß in der Zeit, in der diese Persönlichkeit, von der das Gilga­mesch-Epos spricht, lebte, gerade die charakteristischen Menschen, die repräsentativen Menschen bereits in einer Übergangsepoche zur späte­ren Menschheitsentwickelung standen. Und dieser Übergang bestand darinnen, daß das Ich-Bewußtsein, das verhältnismäßig kurz vorher beim Geistig-Seelischen oben war, wenn ich mich so ausdrücken darf, hintuntergesenkt sich hatte in das Leiblich-Ätherische, so daß also Gilgamesch gerade unter denen war, die anfingen, nicht zu seinem Geistig-Seelischen, in dem die Götter gefühlt wurden, Ich zu sagen, sondern zu dem, was irdisch-ätherisch an ihm war. Das war diese neue Seelenverfassung.

Aber in der Persönlichkeit mit dieser Seelenverfassung, von der wir sagen können, es ist das Ich heruntergezogen aus dem Geistig-Seelischen,

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als bewußtes Ich heruntergezogen in das Leiblich-Ätherische, in dieser Persönlichkeit waren zugleich noch jene alten Gewohnheiten: jene alte Gewohnheit, vorzugsweise dasjenige nur gedächtnismäßig zu erleben, was im Rhythmus erlebt wurde, und es war jene innere Emp­findung da, welche fühlte, man muß mit den Kräften des Todes be­kannt werden, weil eigentlich nur die Kräfte des Todes dasjenige ergeben, was den Menschen zur Besonnenheit bringt. Nun, gerade da­durch, daß man es in dieser Gilgamesch-Persönlichkeit zu tun hat mit einer Seele, die dazumal schon durch viele Erdeninkarnationen gegan­gen war, aber in die neue Form des Menschendaseins, wie ich sie jetzt geschildert habe, eingetreten war, gerade dadurch war diese Persönlich­keit, ich möchte sagen, in einem physischen Dasein, das eine gewisse Unsicherheit in sich trug. Die Berechtigung sozusagen der Eroberer-gewohnheiten und des rhythmischen Gedächtnisses fingen an, nicht mehr für die Erde zu gelten. Und so waren die Erlebnisse dieser Per­sönlichkeit durchaus die Erlebnisse einer Übergangsepoche.

Daher passierte es, daß, als diese Persönlichkeit aus der alten Ge­wohnheit heraus eben gerade jene Stadt, die im Gilgamesch-Epos Erek genannt wird, durch Eroberung sich aneignete, Konflikte kamen in die­ser Stadt. Zunächst wurde diese Persönlichkeit nicht gern in der Stadt gesehen, wurde als Fremder empfunden, wäre auch wohl allein mit all den Schwierigkeiten, die sich in der Stadt ergeben hatten, nicht zurecht­gekommen. Da fand sich, weil das Schicksal sie dahin führte, eine andere Persönlichkeit - das Gilgamesch-Epos nennt sie Eabani -, eine Persönlichkeit, die verhältnismäßig spät auf die Erde heruntergestie­gen war aus jenem planetarischen Dasein, das ja die Erdenmenschheit eine Zeitlang geführt hat in dem Sinne, wie ich das in meiner «Geheim­wissenschaft» beschrieben habe. Sie wissen ja: Nach und nach während der atlantischen Zeit sind die Seelen heruntergekommen, die einen früher, die anderen später, nachdem sie sich in sehr frühen Zeiten der Erdenentwickelung von der Erde nach dem Kosmos auf verschiedene Planeten zurückgezogen hatten.

Wir haben es in Gilgamesch zu tun mit einer Persönlichkeit, mit einer Individualität, die verhältnismäßig früh zur Erde wieder zu­rückgezogen ist, also in der Zeit, von der ich spreche, viele Erdeninkarnationen

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erlebt hatte. Bei der anderen Persönlichkeit, die nun auch nach jener Stadt hingezogen wurde, haben wir es zu tun mit einer solchen, die verhältnismäßig lange im planetarischen Dasein geblieben war und sich spät erst wiederum auf die Erde begeben hat. Das ist ja von einem etwas anderen Gesichtspunkte in meinem Vortragszyklus, der vor dreizehn Jahren in Stuttgart gehalten worden ist über Ge­schichte vom Standpunkte der Geisteswissenschaft, zu lesen.

Diese Persönlichkeit nun, die kam in innige Freundschaft mit Gilga­mesch, und zusammen konnten sie dann wirklich haltbare soziale Zu­stände in der Stadt Erek in Vorderasien herstellen. Das war nament­lich dadurch möglich, daß dieser zweiten Persönlichkeit verhältnis­mäßig viel geblieben war von jenem Wissen, das durch wenige Erden-inkarnationen noch bewahrt geblieben war aus dem kosmischen Aufent­halte außerhalb der Erde. Da war, wie ich schon damals in Stuttgart sagte, bei dieser Persönlichkeit eine Art Hellsichtigkeit, Hellhörigkeit, Hell-Erkenntnis vorhanden. Und aus dem Zusammenflusse desjenigen, was aus den alten Eroberergewohnheiten und aus dem auf Rhythmus hinzielenden Gedächtnis bei der einen Persönlichkeit vorhanden war, und aus dem Hineinschauen der anderen Persönlichkeit in die Welten-geheimnisse erwuchs, so wie das ja in älteren Zeiten zumeist der Fall war, der Aufbau der sozialen Ordnung in jener Stadt Vorderasiens. Friede zog in diese Stadt ein, Glück der Bewohner zog ein, und alles wäre zunächst in Ordnung gewesen, wenn nicht ein bestimmtes Er­eignis eingetreten wäre, das den ganzen Lauf der Tatsachen in einer anderen Weise wiederum orientiert hat.

Da war in jener Stadt eine Art Mysterium, das Mysterium einer Göttin, und dieses Mysterium bewahrte außerordentlich viele Ge­heimnisse der Welt. Aber es war im Sinne der damaligen Zeit eine Art, ich möchte sagen, synthetischen Mysteriums, das heißt, es waren gesammelt in diesem Mysterium die verschiedensten Mysterienoffen­barungen Asiens. Und zu den verschiedenen Zeiten wurden die My­steriengehalte in einer variierten, metamorphosierten Weise dort ge­pflegt und gelehrt. Das verstand zunächst diejenige Persönlichkeit, die im Epos den Namen Gilgamesch trägt, nicht, klagte an diese Mysterien-stätte, daß sie Widerspruchsvolles lehre. Und dadurch, daß von maßgebender

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Seite - denn die beiden Persönlichkeiten, von denen ich spreche, waren ja diejenigen, die eigentlich der ganzen Stadt die Ord­nung und die Verwaltung gaben -, dadurch, daß von einer so bedeu­tungsvollen Stelle das Mysterium angeklagt wurde, ergaben sich Schwierigkeiten, die zuletzt dazu führten, daß die Mysterienpriester sich an diejenigen Mächte wandten, an die man sich eben in den alten Mysterien wenden konnte. Sie werden ja heute sich nicht verwundern, daß man sich in den alten Mysterien wirklich an die geistigen Wesen­heiten der höheren Hierarchien wenden konnte, da ich Ihnen dodi gestern gesagt habe: Asien war in alten orientalischen Zeiten ja eigent­lich nur der unterste Himmel, und in diesem untersten Himmel wußte man die göttlich-geistigen Wesen gegenwärtig und verkehrte mit ihnen. - Dieser Verkehr wurde insbesondere in den Mysterien gepflegt. Und so wandte sich denn die Priesterschaft der Ischtar-Mysterien an diejenigen geistigen Mächte, an die sie sich sonst immer gewendet hatte, wenn sie Erleuchtungen wollte, und da kam denn das zustande, daß diese geistigen Mächte eine gewisse Strafe über die Stadt verhängten.

Man drückte das dazumal so aus, daß man sagte: Etwas, was eigent­lich eine höhere geistige Kraft ist, wirkt in Erek als tierische Gewalt, als gespensterhafte tierische Gewalt. - Es kam allerlei über die Bewoh­ner, physische Krankheiten, aber namentlich seelische Zerrüttungen. Und die Folge davon war, daß die eine Persönlichkeit, die sich zu Gilgamesch geschlagen hat, die im Epos Eabani genannt wird, infolge dieser Schwierigkeiten starb, aber eigentlich zur Fortsetzung der Mis­sion der anderen Persönlichkeit auf Erden auch nach dem Tode geistig bei dieser Persönlichkeit verblieb. So daß wir also die spätere Lebens­zeit, die spätere Entwickelung jener Persönlichkeit, die im Epos den Namen Gilgamesch trägt, so aufzufassen haben, daß auch weiterhin ein Zusammenwirken da war zwischen den zwei charakterisierten Per­sönlichkeiten, aber so, daß in der Folgezeit Eingebungen, Erleuchtungen des Gilgamesch von seiten des Eabani stattfanden, so daß Gilgamesch allein fortdauernd handelte nicht nur aus seinem eigenen Willen her­aus, sondern aus dem Willen der beiden, aus dem Zusammenflusse des Willens der beiden.

Damit habe ich Ihnen wieder etwas hingestellt, was in diesen alten

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Zeiten durchaus eine Möglichkeit war. So eindeutig war das mensch­liche Gemüt nicht in jener alten Zeit, wie es heute ist. Daher konnte es auch nicht in dem Sinne das Erlebnis der Freiheit geben wie heute. Es konnte durchaus entweder ein geistiges Wesen, das niemals auf Erden sich verkörpert hatte, durch den Willen einer irdischen Persönlichkeit wirken, oder es konnte, wie es ja bei Gilgamesch der Fall war, eine Per­sönlichkeit, die schon durch den Tod gegangen war, die ein Postmortem­Leben führte, durch den Willen einer Persönlichkeit auf Erden spre­chen, handeln. Und so war es bei Gilgamesch. Und aus dem, was sich auf diese Weise aus dem Zusammenflusse der zwei Willen ergab, stieg in Gilgamesch vor allen Dingen eine ziemlich klare Erkenntnis davon auf, in welcher historischen Lage er sich eigentlich befindet. Er fing an, gerade durch den Einfluß des ihn inspirierenden Geistes zu wissen, daß das Ich sich heruntergesenkt hat in den sterblichen physischen und in den Ätherleib, und es fing für Gilgamesch an, das Problem der Un­sterblichkeit eine intensiv starke Rolle zu spielen. Alle seine Sehnsucht ging darauf hin, irgendwie hinter dieses Problem der Unsterblichkeit zu kommen. Die Mysterien, die dasjenige bewahrten, was über Un­sterblichkeit auf Erden in der damaligen Zeit zu sagen war, die öffneten sich zunächst Gilgamesch nicht. Diese Mysterien hatten ja noch die Tradition, und aus den Traditionen heraus auch zum großen Teil die lebendige Erkenntnis, die vorhanden war, während auf Erden die Ur-weisheit in der alten atlantischen Zeit waltete.

Aber die Träger dieser Urweisheit, die einstmals auf der Erde wan­delten als geistige Wesenheiten, die hatten sich längst zurückgezogen und die kosmische Kolonie des Mondes gegründet. Denn es ist die reine Kinderei, zu meinen, daß der Mond der starre, erfrorene Körper sei, als den ihn die heutige Physik schildert. Der Mond ist der Weltaufent­halt vor allen Dingen derjenigen geistigen Wesenheiten, welche die ersten großen Lehrer der Erdenmenschheit waren, die der Erdenmensch­heit einstmals die Urweisheit gebracht haben, und die sich, bald nach­dem der Mond als physischer Weltenkörper die Erde verlassen und seinen eigenen Ort im Planetensystem eingenommen hat, nach diesem Monde zurückgezogen haben. Derjenige, der heute durch imaginative Erkenntnis die Möglichkeit hat, den Mond wirklich kennenzulernen,

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lernt auch noch in dieser kosmischen Kolonie jene geistigen Wesen­heiten kennen, die einstmals die Lehrer der Urweisheit der Mensch­heit auf Erden waren. Was diese einst gelehrt hatten, aber auch jene Impulse, durch die man selbst in eine gewisse Beziehung zu dieser Ur-weisheit kommen kann, bewahrten die Mysterien. Allein eine rechte Verbindung zwischen diesen Mysterien Vorderasiens zum Beispiel und der Persönlichkeit, die im Epos Gilgamesch genannt wird, gab es nicht. Aber durch den übersinnlichen Einfluß des Freundes, der im Post­mortem-Zustande mit Gilgamesch vereinigt war, kam der innere Drang in Gilgamesch, Wege in der Welt aufzusuchen, durch die er imstande sein könne, etwas über die Unsterblichkeit der Seele zu erfahren.

Im Mittelalter ist es üblich geworden, wenn man etwas über die geistige Welt erfahren wollte, sich in das Innere des Menschen zu ver­senken. In der neueren Zeit ist, ich möchte sagen, ein noch innerlicherer Vorgang üblich. Aber in jenen älteren Zeiten, von denen ich jetzt spreche, wußte man ganz genau: Die Erde ist nicht jener Gesteinsklotz, als den ihn etwa die heutige Geologie beschreibt, sondern die Erde ist ein lebendig beseeltes, geistiges Wesen. - Und so wie etwa ein kleines Tier, wenn es über den Menschen läuft, den Menschen kennenlernen kann, indem es über die Nase läuft, über die Stirne läuft, durch die Haare läuft und durch diese Reise sein Wissen erwirbt, so war es in der damaligen Zeit, daß der Mensch, indem er sich auf die Wanderung über die Erde machte, die Erde in ihren verschiedenen Konfigurationen an verschiedenen Orten kennenlernte, und daß er dadurch Einblicke gewann in die geistige Welt. Er gewann sie, ob ihm nun der Zugang zu den Mysterien gestattet war oder nicht, er gewann sie. Und es ist wirklich keine Äußerlichkeit, daß von Pythagoras und ähnlichen Leu­ten erzählt wird, daß sie zur Erwerbung ihrer Erkentnisse eben große Wanderungen machten. Man ging die Erde ab, um in der Mannigfaltig­keit ihrer Konfigurationen dasjenige aufzunehmen, was aus der ver­schiedenen Gestaltung der geistig-seelisch-physischen Erde an ver­schiedenen Orten dieser Erde zu beobachten war. Heute können die Menschen nach Afrika, nach Italien reisen, sie erleben ja doch mit Aus­nahme der Äußerlichkeiten, die sie anglotzen, nicht viel anderes, als was sie zu Hause auch erleben. Denn für die radikalen Verschiedenheiten,

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die da bestehen zwischen verschiedenen Erdenfiecken, ist eben die menschliche Empfänglichkeit erstorben. In der Zeit, von der ich jetzt spreche, war sie nicht erstorben. Und so bedeutete schon der Drang, durch eine Wanderung über die Erde hin etwas zu bekommen für die Lösung des Problemes der Unsterblichkeit, für Gilgamesch etwas sehr Bedeutsames.

Und so trat er denn diese Wanderung an. Diese Wanderung war für ihn von einem immerhin sehr, sehr bedeutenden Erfolge. Er traf in einer Gegend, die etwa in demselben Gebiete liegt, von dem in der neueren Zeit viel die Rede war, das aber in bezug auf seine sozialen Zustände natürlich sich sehr geändert hat, er traf in dem Gebiete des sogenannten Burgenlandes, über das gestritten worden ist, ob es zu Zisleithanien oder zu Ungarn gehören sollte, in einem Gebiet also des Burgenlandes, ein altes Mysterium. Der Oberpriester dieses Mysteriums wird im Gilgamesch-Epos Xisuthros genannt. Er traf ein altes Myste­rium, das eine echte Mysterien-Nachform der alten atlantischen My­sterien war, natürlich in einer Metamorphose, wie das in einer so späten Zeit der Fall sein konnte.

Und in der Tat, in dieser Mysterienstätte wußte man die Erkenntnis-fähigkeit des Gilgamesch zu beurteilen, zu würdigen. Man wollte ihm entgegenkommen. Es wurde ihm eine Prüfung auferlegt, die dazumal vielen Schülern der Mysterien auferlegt worden ist. Die Prüfung be­stand darin, gewisse Exerzitien zu machen bei vollem Wachsein durch sieben Tage und sieben Nächte. Das ging für ihn nicht. Und so unter­warf er sich denn nur dem Surrogat einer solchen Prüfung. Und dieses Surrogat bestand darinnen, daß ihm gewisse Substanzen zubereitet wurden, die er in sich aufnahm, und durch die er in der Tat eine gewisse Erleuchtung bekam, wenn auch, wie es auf diesem Felde immer der Fall ist, wenn nicht gewisse Ausnahmebedingungen garantiert sind, diese in gewissem Sinne zweifelhaft waren. Aber eine gewisse Erleuch­tung war nun bei Gilgamesch vorhanden, eine gewisse Einsicht in die Weltenzusammenhänge, in das geistige Gefüge der Welt. So daß, als Gilgamesch diese Wanderung vollendet hatte und wiederum zurückkehrte, in ihm in der Tat eine hohe geistige Einsicht vorhan­den war.

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Er wanderte etwa die Donau entlang, nordwärts der Donau ent­lang wiederum zurück in seinen Heimatsort, in seinen gewählten Hei­matsort. Aber bevor er in diesem Heimatsort ankam, unterlag er, weil er eben nicht in der anderen Weise, die ich geschildert habe, sondern in jener etwas schwierigen Weise die Einweihung in das nachatlantische Mysterium erhalten hatte, er unterlag der ersten Versuchung, einer furchtbaren Zornanwandelung über ein Ereignis, das ihn traf, eigent­lich etwas, das er hörte von dem, was in der Stadt vorging. Er hörte es, bevor er in der Stadt anlangte. Eine furchtbare Zornaufwallung über­kam ihn, und durch diese Zornaufwallung wurde fast vollständig die Erleuchtung verdunkelt, so daß er ohne diese ankam.

Dennoch aber, und das ist das Eigentümliche dieser Persönlichkeit, bestand ja die Möglichkeit fort, im Zusainmenhange mit dem ver­storbenen Freunde, mit dem Geiste des verstorbenen Freundes in die geistige Welt hineinzublicken, oder wenigstens Mitteilungen zu bekom­men von der geistigen Welt. Nun ist es aber doch ein anderes, durch eine Initiation unmittelbar hineinzuschauen in die geistige Welt, oder Mitteilungen zu bekommen von einer Persönlichkeit, die im Post-mortem-Zustande ist. Man kann aber doch sagen: Etwas von einer Einsicht in das Wesen der Unsterblichkeit ist bei Gilgamesch geblie­ben. - Und ich sehe jetzt ab von dem, was dann durchgemacht wird nach dem Tode; diese Ereignisse, die da durchgemacht werden, die spielen ja in das Bewußtsein nächster Inkarnationen, heute und damals, noch nicht sehr stark hinein: in das Bewußtsein! In das Leben, in die innere Konstitution gewiß sehr stark, aber nicht in das Bewußtsein.

Sehen Sie, da habe ich Ihnen zwei Persönlichkeiten geschildert, die miteinander zum Ausdrucke bringen die menschliche Geistesverfassung der dritten nachatlantischen Kulturperiode, ungefähr in ihrer Mitte, die durchaus noch so lebten, daß an der Art ihres Lebens stark bemerkbar war, wie der Mensch aus einer Zweiheit besteht. Denn der eine, Gilga­mesch, war sich ja dieser Zweiheit bewußt, wenn er auch einer der ersten war, die es durchgemacht hatten, daß das Ich sich heruntergesenkt hat in das Physisch-Ätherische. Der andere hat, weil er wenige Inkarnatio­nen auf der Erde mitgemacht hatte, eine Hell-Erkenntnis gehabt, wo­durch er überhaupt die Einsicht hatte, daß es Materie, Stoff, ja gar nicht

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gibt, daß alles geistig ist, daß das sogenannte Stoffliche nur eine an­dere Form des Geistigen ist.

Sie können sich ja vorstellen: alles das, was der Mensch heute denkt und empfindet, konnte er ja bei einer solchen Konstitution seines We­sens selbstverständlich nicht denken und empfinden. Sein ganzes Den­ken und Empfinden war eben anders. Und was an solche Persön­lichkeiten herankommen konnte, war natürlich nicht unser heutiges Schulmäßiges, weder etwas, das dem heutigen Volksschulmäßigen, noch dem höheren Schulmäßigen ähnlich war, sondern alles, was gei­stig, kulturell, zivilisatorisch an die Menschen herankam, floß ja aus den Mysterien heraus, kam in irgendeiner Weise zur Mitteilung durch allerlei Kanäle in die breitesten Massen der Menschen. Aber die eigent­lichen Pfleger waren die Priesterweisen in den Mysterien.

Nun war das Eigentümliche bei beiden Persönlichkeiten, von denen ich spreche, daß sie in jener Inkarnation, die ich eben geschildert habe, durch ihre besondere Seelenart den Mysterien, gerade den Mysterien ihrer Umgebung nicht nahestehen konnten. Derjenige, der im Gilga­mesch-Epos Eabani genannt wird, er stand nahe den Mysterien durch seine außerirdischen Aufenthalte; derjenige, der Gilgamesch genannt wird, hat eine Art Initiation erlebt in einem nachatlantischen Myste­rium, die aber nur halbe Früchte in ihm getragen hat. Aber all das wirkte so, daß wie im eigenen Sein dieser Persönlichkeiten etwas ge­fühlt wurde von ihnen, das sie ähnlich machte der menschlich irdischen Vorzeit. Beide konnten sich fragen: Wie sind wir denn geworden? Was haben wir denn mitgemacht mit der Erdenentwickelung? Wir sind ja so, wie wir sind, eben durch die Erdenentwickelung geworden. Was haben wir denn da mitgemacht?

Die Unsterblichkeitsfrage, an der Gilgamesch gelitten, mit der er ge­rungen hat, die hing ja dazumal gerade durch das, was in den mensch­lichen Seelen war, mit notwendigen Einsichten über die irdische vor-zeitliche Entwickelung zusammen. Und man konnte eigentlich über die Unsterblichkeit der Seele nicht im damaligen Sinne denken oder empfinden, wenn man nicht zu gleicher Zeit eine gewisse Einsicht davon hatte, wie die Seelen der Menschen, die ja auch bei den urältesten Ent­wickelungsphasen der Erde, während des Monden- und Sonnenzustandes

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und so weiter schon dabei waren, dasjenige, was dann irdisch geworden ist, an sich haben herankommen sehen. Man fühlte, man gehört zur Erde dazu; man muß, um sich selber zu erkennen, seinen Zusammenhang mit der Erde durchschauen.

Nun waren die Geheimnisse, die in allen asiatischen Mysterien ge­pflogen wurden, in erster Linie kosmische Mysterien, die gerade den Hergang der Erdenentwickelung im Zusammenhange mit dem Kosmos zu ihrem Lehr- und Weisheitsinhalte hatten. Es trat in diesen Mysterien in einer ganz lebendigen Weise, so daß es im Menschen zu Ideen werden konnte, vor die Menschen hin eine Überschau von dem, wie die Erde sich entwickelt hat und wie in dem Wellen und Wogen der Substanzen und Kräfte der Erde durch Sonnen-, Monden- und Erdenzeit der Mensch sich mit all diesen Substanzen entwickelt hat. Das wurde in aller Lebendigkeit vorgeführt.

Eines derjenigen Mysterien, in denen solche Dinge vorgeführt wur­den, hatte sich erhalten bis in sehr späte Zeiten. Es ist die Mysterien-stätte von Ephesus, die Mysterienstätte der Artemis von Ephesus. Diese Mysterienstätte von Ephesus, sie war ja so, daß sie in ihrem Mittel­punkte das Bildnis der Göttin Artemis hatte. Wenn heute einer die Nachbildungen der Göttin Artemis von Ephesus anschaut, so hat er nur die groteske Empfindung einer Frauengestalt mit lauter Brüsten, weil er keine Ahnung hat, wie solche Sachen in alten Zeiten erlebt worden sind. Auf das Erleben dieser Dinge kam es ja in alten Zeiten an. Die Schüler der Mysterien hatten Vorbereitungen durchzumachen, durch die sie dann zum eigentlichen Zentrum der Mysterien geführt wurden. Das Zentrum dieser Ephesischen Mysterien war dieses Artemis­Bildnis. Wenn sie zu diesem Zentrum geführt wurden, so wurden sie eins mit einem solchen Bildnis. Der Mensch hörte auf, indem er vor diesem Bildnis stand, das Bewußtsein zu haben, er sei irgend etwas da in seiner Haut drinnen. Er bekam das Bewußtsein, daß er das ist, was das Bild ist. Er identifizierte sich mit dem Bilde. Und dieses Sich-Iden­tifizieren im Bewußtsein mit dem Götterbilde zu Ephesus, das hatte die Wirkung, daß man nun nicht mehr hinschaute auf die Reiche der Erde, die einen umgaben, auf Steine, Bäume, Flüsse, Wolken und so weiter, sondern indem man sich hineinfühlte in das Bildnis der Artemis, bekam

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man innerlich die Anschauung seines Zusammenhanges mit den Äther­reichen. Man fühlte sich eins mit der Sternenwelt, mit den Vorgängen in der Sternenwelt. Man fühlte nicht die irdische Substantialität inner­halb der menschlichen Haut, man fühlte sein kosmisches Dasein. Man fühlte sich im Ätherischen.

Und durch dieses Sich-Fühlen im Ätherischen ging einem auf, was frühere Zustände des Erdenerlebens des Menschen waren, und des Erdenerlebens an sich. Heute schauen wir die Erde so an, daß sie, wie gesagt, eine Art Gesteinsklotz ist, der die Gewässer trägt über einen großen Teil seiner Oberfläche hin, der umgeben ist von einem Luftkreis, in dem Sauerstoff und Stickstoff und andere Stoffe sind, in dem vor allen Dingen das ist, was der Mensch zum Atmen braucht und so weiter. Und wenn die Menschen heute in dem, was gebräuchliche Naturerkennt­nisse sind, zu spekulieren anfangen, zu beobachten, zu deuten, dann kommt schon etwas Rechtes heraus! Denn dasjenige, was diesen heu­tigen Zuständen in urältesten Zeiten vorangegangen ist, das kann nur durch Geistesschau erlangt werden. Aber ein solches Geistesschauen über Urzustände der Erde und der Menschheit ging den Schülern von Ephesus auf, wenn sie sich mit dem Götterbilde identifizierten, und sie lernten erkennen, wie dasjenige, was heute Atmosphäre um die Erde ist, einst nicht so war, wie es jetzt ist, sondern wie das, was da vor­handen war in dieser Erdenumgebung an der Stelle, wo heute die Atmo­sphäre ist, außerordentlich feines, flüssig-flüchtiges Eiweiß war, Eiweiß-substanz. So daß alles, was auf der Erde lebte, zu seiner Entstehung die Kräfte dieser über die Erde hin flüchtig-flüssigen Eiweißsubstanz brauchte und auch in dieser lebte. Und man schaute an, wie dasjenige, was in dieser Eiweißsubstanz schon in einem gewissen Sinne da war, fein verteilt, aber durchaus mit der Tendenz, überall zu kristallisieren (siehe Zeichnung, rötlich), was da in fein verteiltem Zustande als Kiesel­säure war, eine Art Sinnesorgan der Erde darstellte, das die Imagina­tionen, die Einflüsse überall vom Kosmos her in sich aufnahm. So daß man in dem Kieselsäuregehalt der irdisch-eiweißartigen Atmosphäre überall reale, äußerlich vorhandene Imaginationen hatte.

Diese Imaginationen hatten die Form von riesigen pflanzlichen Organismen, und,aus dem, was sich als Imaginationen dem Irdischen

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einbildete, entwickelte sich ja später durch Aufnahme der atmosphäri­schen Substanz das Pflanzliche, zuerst in einer flüchtig-flüssigen Form im Umkreis der Erde. Später erst senkte es sich in den Boden ein und wurde das spätere Pflanzliche. Und außer dem Kieselsäurehaltigen war in diese Albuminatmosphäre eingebettet Kalkiges in feiner Verteilung. Aus dem Kalkigen heraus entstand wiederum unter dem Einfiusse der Gerinnung dieses Eiweißes das Tierische. Und der Mensch fühlte sich in alledem darinnen. Der Mensch fühlte, er war in den Urzeiten eins mit der ganzen Erde. Er lebte in dem, was sich in der Erde als Pflanzen bildete, durch Imagination, er lebte in dem, was sich im Irdischen als Tierisches bildete, so wie ich es eben jetzt geschildert habe. Jeder Mensch empfand sich im Grunde genommen als ausgedehnt über die ganze Erde, als eins mit der Erde. So daß die Menschen, wie ich es in bezug auf das menschliche Ideenvermögen in meinem Buche «Das Christen­tum als mystische Tatsache» für die Platonische Lehre noch dargestellt habe, ineinandersteckten.

Sehen Sie, das Schicksal ergab, daß jene beiden Persönlichkeiten, von denen ich in Stuttgart damals gesprochen habe, jetzt wieder spreche, wiederum verkörpert waren als Angehörige des Ephesischen Myste­riums, und alles das, was ich nunmehr skizziert habe, innig in ihre

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Seelen aufnahmen. Dadurch wurde in einer gewissen Weise ihr See­lisches innerlich konsolidiert. Sie nahmen als Erdenweisheit jetzt durch das Mysterium auf, was ihnen früher nur im Erlebnis, aber zum großen Teil im unbewußten Erlebnis zugänglich war. Dadurch war also auf zwei voneinander getrennte Inkarnationen das Erleben des Mensch­lichen bei diesen Persönlichkeiten verteilt. Dadurch aber trugen sie in sich ein starkes Bewußtsein der Zusammengehörigkeit des Menschen mit der oberen, mit der geistigen Welt, aber zugleich ein starkes, ein intensives Empfindungsvermögen für alles das, was irdisch ist.

Denn sehen Sie, wenn einem bei zwei Dingen diese zwei Dinge immer durcheinanderfließen, wenn man sie nicht auseinanderhalten kann, dann verschwimmen sie ineinander, wenn sie sich aber deutlich unterscheiden, dann kann man jedes an dem andern beurteilen. Und so konnten denn diese beiden Persönlichkeiten auf der einen Seite das aus dem Leben heraus folgende Geistige der oberen Welt, das in ihnen lebte als Nachklang der früheren Inkarnationen, beurteilen. Und jetzt, da ihnen die Sache im Mysterium überliefert wurde, im Ephesischen Mysterium unter dem Einflusse der Göttin Artemis, jetzt konnten sie beurteilen, wie die Dinge auf der Erde außer dem Menschen entstanden sind, wie allmählich das Außermenschliche auf Erden sich herausgebil­det hat aus einem ursprünglichen Substantiellen, das den Menschen mitumfaßte. Dadurch wurde das Leben gerade dieser Persönlichkeiten, das zum Teil noch in die letzte Zeit fällt, in der Heraklit in Ephesus lebte, dann aber in die spätere Zeit, es wurde das Leben dieser Persön­lichkeiten ein besonders innerlich reiches, ein innerlich von Welten-geheimnissen stark durchzucktes. Und es entstand auch ein starkes Bewußtsein davon, wie der Mensch in seinem Seelenleben zusammen­hängen kann nicht bloß mit dem, was sich horizontal auf der Erde ausbreitet, sondern mit dem, was nach oben sich breitet, wenn der Mensch seine Wesenheit nach oben dehnt. Und dieses Zusammenwirken der beiden Persönlichkeiten, die miteinander gewirkt hatten in der älteren ägyptisch-chaldäischen Periode, die dann miteinander gelebt haben zur Zeit des Heraklit also, könnte man sagen, aber noch etwas später, im Zusammenhange mit dem Ephesischen Mysterium, es konnte dieses Zusammenwirken sich nun fortsetzen. Die Seelenkonfiguration,

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die sich bei beiden ausgebildet hatte, die ging ja dann durch den Tod, ging durch die geistige Welt durch und bereitete sich zu einem Erden­leben vor, von dem aus im Grunde genommen vieles zum Problem werden mußte, auf verschiedene Art natürlich zum Problem werden mußte. Und gerade an der Art und Weise, wie sich diese beiden Per­sönlichkeiten in den historischen Gang der Erdenentwickelung hinein­stellen mußten, sieht man, wie durch die Erlebnisse der Seelen aus frü­heren Zeiten, die sich dann karmisch in die späteren Erdenleben hinein fortsetzen, die Dinge sich vorbereiten, die dann im späteren Leben in ganz anderen Metamorphosen der Einverleibung in die Erdenmensch­heitsentwickelung erscheinen.

Und ich führe dieses Beispiel aus dem Grunde an, weil diese beiden Persönlichkeiten dann auftreten in einer außerordentlich wichtigen Epoche der historischen Entwickelung, auf die ich dazumal in Stuttgart auch hingewiesen habe. Denn eigentlich habe ich diese Sachen alle schon von einem gewissen Gesichtspunkte vor dreizehn Jahren besprochen. Diese Persönlichkeiten, die also durchgegangen waren durch ein weit ausgedehntes Weltenleben in der ägyptisch-chaldäischen Epoche, die dann dieses Weltenleben innerlich vertieft haben, so daß sich ihre Seelen konsolidiert hatten in einer gewissen Weise, diese Persönlich­keiten lebten in späteren Inkarnationen auf als Aristoteles und Alex-ander der Große. Und erst dann, wenn man diese Untergründe in den Seelen von Aristoteles und Alexander dem Großen ins Auge faßt, kann man, wie ich schon in Stuttgart in jenem historischen Kapitel dargestellt habe, verstehen, worinnen eigentlich das besteht, was dazumal auf eine so problematische Weise in diesen Persönlichkeiten in der Dekadenz des Griechentums beim Ausgangspunkte der römisch-romanischen Herr­schaft gewirkt hat. Davon wollen wir dann morgen im nächsten Vor­trag weiter sprechen.

VIERTER VORTRAG Dornach, 27. Dezember 1923

#G233-1962-SE058 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

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VIERTER VORTRAG

Dornach, 27. Dezember 1923

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Es war gestern meine Aufgabe, an einzelnen Persönlichkeiten zu zeigen, wie die weltgeschichtliche Entwickelung sich abspielt. Man kann, wenn man in geisteswissenschaftlicher Richtung vorwärtsschreiten will, auch gar nicht anders darstellen als so, daß man die Folge der Ereignisse in ihrer Spiegelung in dem Menschen zeigt. Denn bedenken Sie, daß nur unser Zeitalter aus Gründen, die wir noch im Verlauf dieser Vorträge besprechen werden, so geartet ist, daß der Mensch sich abgeschlossen von der übrigen Welt als ein einzelnes Wesen fühlt. Alle vorangehen­den Zeitalter und auch alle folgenden Zeitalter, das muß ausdrücklich betont werden, sind so, daß die Menschen sich fühlten und fühlen werden als Glied der ganzen Welt, als hineingehörig in die ganze Welt. Wie ich oftmals gesagt habe: So wie ein Finger an einem Menschen kein für sich bestehendes Wesen sein kann, sondern nur am Menschen, während er vom Menschen abgetrennt eben nicht mehr der Finger ist, sondern zugrunde geht, etwas ganz anderes ist, ganz anderen Gesetzen unterliegt als am Organismus, geradeso wie der Finger nur Finger ist in Verbindung mit dem Organismus, so ist der Mensch nur Wesen in irgendeiner Form, sei es in der Form des Erdenlebens, sei es in der Form des Lebens zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, im Zu­sammenhange mit der ganzen Welt. - Aber das Bewußtsein davon war eben in früheren Zeiten vorhanden, wird später wieder vorhanden sein, ist nur heute getrübt, verdunkelt, weil, wie wir hören werden, der Mensch diese Vertrübung, Verdunkelung brauchte, um das Erlebnis der Freiheit in vollem Maße in sich ausbilden zu können. Und in je ältere Zeiten wir zurückkommen, um so mehr finden wir, wie die Menschen ein Bewußtsein ihrer Zusammengehörigkeit mit dem Kosmos haben.

Nun habe ich Ihnen zwei Persönlichkeiten dargestellt, die eine Gilga­mesch genannt in dem bekannten Epos, die andere Eabani in dem­selben Epos, und ich habe Ihnen gezeigt, wie diese Persönlichkeiten im alten chaldäisch-ägyptischen Zeitraum auf die Art leben, wie man eben damals leben konnte, wie sie dann eine Vertiefung erfahren durch die

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Ephesischen Mysterien. Und ich habe schon gestern darauf aufmerksam gemacht, wie dieselben Menschenwesen dann in die weitgeschichtliche Entwickelung hineingestellt sind in Aristoteles und Alexander. Aber damit wir völlig verstehen können, wie in jenen Zeiten, in denen sich das für diese Persönlichkeiten abspielte, was ich beschrieben habe, der Gang der Erdenentwickelung überhaupt war, müssen wir noch genauer hineinschauen in dasjenige, was solche Seelen in diesen drei aufeinan­derfolgenden Zeitpunkten in sich aufnehmen konnten.

Ich habe Sie ja darauf aufmerksam gemacht, wie die hinter dem Namen Gilgamesch sich verbergende Persönlichkeit einen Zug nach dem Westen unternimmt und immerhin eine Art westlicher nachatlantischer Initiation durchmacht. Nun wollen wir uns, um das Spätere zu ver­stehen, eine Vorstellung davon bilden, wie eine solche späte Initiation war. Wir müssen da allerdings diese Initiation aufsuchen an derjenigen Stätte, wo Nachklänge der alten atlantischen Initiation lange Zeit stehenblieben. Und das war der Fall bei den Mysterien von Hybernia, von denen ich ja zu den Freunden, die hier in Dornach sind, in der letzten Zeit schon gesprochen habe. Ich muß aber einiges von dem Besprochenen nachholen, damit wir das zum vollen Verständnis brin­gen, was hier in Betracht kommt.

Die Mysterien von Hybernia, die Irischen Mysterien, haben ja lange bestanden. Sie haben bestanden noch zur Zeit der Begründung des Christentums, und sie sind diejenigen, welche von einer gewissen Seite her die alten Weisheitslehren der atlantischen Bevölkerung am treue­sten bewahrt haben. Nun möchte ich Ihnen ein Bild geben zunächst über die Erlebnisse, die jemand hatte, der in die Irischen Mysterien in der nachatlantischen Zeit eingeweiht worden ist. Derjenige, der diese Weihe, diese Initiation empfangen sollte, mußte dazumal in einer stren­gen Art vorbereitet werden, wie überhaupt die Vorbereitungen in die Mysterien in alten Zeiten von einer außerordentlichen Strenge waren. Der Mensch mußte eigentlich innerlich in seiner Seelenverfassung, in seiner ganzen menschheitlichen Verfassung umgestaltet werden. Dann handelte es sich darum, daß bei den Mysterien von Hybernia der Mensch zunächst so vorbereitet wurde, daß er aufmerksam wurde, in starken inneren Erlebnissen aufmerksam wurde auf dasjenige, was

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trügerisch ist in dem den Menschen umgebenden Sein, in allen den Dingen, die den Menschen so umgeben, daß er ihnen zunächst der Sinneswahrnehmung nach das Sein zuschreibt. Und der Mensch wurde ferner aufmerksam gemacht auf all die Schwierigkeiten und Hemm­nisse, die sich ihm gegenüberstellen, wenn er nach der Wahrheit, nach der wirklichen Wahrheit strebt. Der Mensch wurde aufmerksam gemacht, daß im Grunde genommen alles, was uns in der Sinneswelt umgibt, eine Illusion ist, daß die Sinne ein Illusionäres geben und daß sich die Wahr­heit verbirgt hinter der Illusion, daß also eigentlich das wahre Sein vom Menschen durch die Sinneswahrnehmung nicht zu erreichen ist.

Nun werden Sie sagen, das ist eine Überzeugung, die Sie in Ihrer langen anthroposophischen Zeit ja schon immer hatten. Das wissen Sie ganz gut, werden Sie sagen. Aber jenes Wissen, das überhaupt in dem gegenwärtigen Bewußtsein ein Mensch haben kann von dem illu­sionären Charakter der sinnlichen Außenwelt, das ist eben gar nichts gegen die inneren Erschütterungen, gegen die innere Tragik, die durch­gemacht wurde von den Menschen, die damals vorbereitet wurden für die hybernische Einweihung. Denn wenn man so theoretisch sich sagt: Alles ist Maja, alles ist Illusion - so nimmt man das eigentlich sehr leicht. Aber die Vorbereitung der hybernischen Schüler wurde so weit getrie­ben, daß sie sich sagten: Es gibt keine Menschenmöglichkeit, durch die Illusion durchzudringen und zu dem wirklichen, wahrhaftigen Sein zu kommen.

Die Schüler wurden dadurch vorbereitet, daß sie sich, gewissermaßen zunächst aus Verzweiflung, innerlich seelisch zufrieden stellten mit der Illusion. Sie kamen in die verzweiflungsvolle Stimmung hinein, daß der illusionäre Charakter ein so aufdringlicher, ein so gewaltiger ist, daß man über die Illusion überhaupt nicht hinauskommen kann. Und es gab im Leben dieser Schüler immer wieder die Stimmung: Nun, dann muß man eben in der Illusion bleiben -, das heißt aber: Dann muß man den Boden unter den Füßen verlieren, denn auf der Illusion ist nicht festzustehen. - Ja, von der Strenge der Vorbereitung in den alten Mysterien, von der macht man sich heute im Grunde kaum eine Vorstellung. Die Menschen schrecken eben zurück vor demjenigen, was innere Entwickelung wirklich fordert.

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Und ebenso, wie es mit dem Sein und seinem illusionären Charakter war, so war es für diese Schüler mit dem Streben nach Wahrheit. Und alles lernten sie kennen, was den Menschen verhindert in seinen Emo­tionen, in seinen dunklen, ihn überwältigenden Empfindungen und Gefühlen, zur Wahrheit zu kommen, was trübt das klare Licht der Er­kenntnis. So daß sie auch da wiederum in einen Zeitpunkt hinein-kamen, in dem sie sich sagten: Wenn wir also nicht in der Wahrheit leben können, dann müssen wir eben im Irrtum, in der Unwahrheit leben! - Es heißt ja geradezu, seine Menschheit aus sich selber heraus­reißen, wenn man eine Zeit seines Lebens dazu kommt, zu verzweifeln an Sein und Wahrheit.

Das alles war dazu da, damit der Mensch durch das Erleben des Gegenteiles von dem, was er zuletzt als das Ziel erreichen soll, diesem Ziele die richtig tiefe menschliche Empfindung entgegenbringt. Denn wer nicht kennengelernt hat, was es heißt, mit Irrtum und Illusion zu leben, der weiß eben das Sein und die Wahrheit nicht zu schätzen. Und schätzen lernen sollten die Schüler von Hybernia die Wahrheit und das Sein.

Und dann, wenn die Schüler solches durchgemacht hatten, wenn sie gewissermaßen den Gegenpol absolviert hatten von dem, wozu sie zuletzt kommen mußten, dann wurden sie - und ich muß das, was nun geschah, in solcher Bildlichkeit darstellen, wie sie dazumal in der Tat in den hybernischen Mysterien real war - in eine Art Heiligtum geführt, in dem zwei Bildsäulen waren, Bildsäulen von einer ungeheuer starken suggestiven Gewalt. Und die eine dieser Bildsäulen von gigan­tischer Größe, sie war so, daß sie innerlich hohl war; die Außenfläche, die den Hohlraum umgab, also die Gesamtsubstanz, aus der die Bild-säule bestand, war ein durchaus elastischer Stoff, so daß überall, wo man drückte, man hineindrücken konnte in die Bildsäule. Aber in dem Augenblicke, wo man mit dem Drücken nachließ, da stellte sich die Form wieder her. Die ganze Bildsäule war so gemacht, daß vorzugs­weise das Haupt ausgebildet war, und daß man, indem man ihr ent­gegentrat, das Gefühl hatte: vom Haupte aus strahlen die Kräfte in den übrigen kolossalen Körper, denn den hohlen Innenraum sah man natürlich nicht, nahm ihn nicht wahr, merkte ihn nur, wenn man

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drückte. Und man wurde angehalten zu drücken. Man hatte das Gefühl, daß der ganze übrige Körper außer dem Kopfe von den Kräften des Kopfes ausgestrahlt wird, daß der Kopf alles tut an die­ser Bildsäule.

Ich gebe Ihnen gern zu, daß wenn ein heutiger Mensch in der gegen­wärtigen Prosa des Lebens vor die Bildsäule hingeführt würde, er ja auch kaum etwas anderes als Abstraktes empfinden würde. Gewiß, aber es ist eben etwas anderes, mit seinem ganzen Inneren, mit seinem Geist, mit seiner Seele, mit seinem Blute, mit seinen Nerven erlebt zu haben die Macht der Illusion und die Macht des Irrtums, und dann die suggestive Gewalt einer solchen gigantischen Gestalt zu erleben.

Diese Bildsäule hatte einen männlichen Charakter. Neben ihr stand eine andere, die einen weiblichen Charakter hatte. Sie war nicht hohl. Sie war aus einem nicht elastischen, aber plastischen Stoff. Wenn man an ihr drückte - und man wurde wieder angehalten, an ihr zu drücken -, zerstörte man die Form. Man grub ein Loch ein in den Körper.

Aber nachdem der Schüler an der einen Bildsäule erfahren hatte, daß durch Elastizität sich alles wieder herstellte in der Form, nachdem er an der anderen Bildsäule erfahren hatte, daß er sie deformiert hatte mit seinem Drücken, verließ er nach einigem anderen von dem ich gleich sprechen werde, den Raum, und er wurde erst wiederum in diesen Raum geführt, wenn alle die Fehler, die Deformationen, die er vollbracht hatte an der plastischen, nicht elastischen Bildsäule, die einen weiblichen Charakter hatte, wieder ausgeglichen waren. Er wurde erst wiederum hineingeführt, wenn die Bildsäule intakt war. Und durch alle diese Vorbereitungen - ich kann die Sache nur skizzenhaft schil­dern -, die der Schüler durchgemacht hatte, bekam er bei der Bild­säule, die einen weiblichen Charakter hatte, in seinem ganzen Men­schenwesen nach Geist, Seele und Leib ein inneres Erlebnis. Dieses innere Erlebnis war ja auch schon früher bei ihm vorbereitet, aber es stellte sich in vollstem Maße ein durch die suggestive Wirkung der Bildsäule selber. Er bekam in sich ein Gefühl einer inneren Erstarrung, einer inneren frostigen Erstarrung. Und diese frostige Erstarrung wirkte so in ihm, daß er seine Seele mit Imaginationen ausgefüllt sah, und diese Imaginationen waren Bilder des Erdenwinters, Bilder, die

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darstellten den Erdenwinter. Also der Schüler wurde dazu geführt, von innen heraus das Winterliche zu schauen im Geiste.

Bei der anderen Bildsäule, der männlichen, war es so, daß der Schüler etwas empfand, wie wenn all sein Leben, das er sonst in seinem ganzen Leibe hatte, in sein Blut ginge, wie wenn das Blut durchdrungen würde von Kräften und an die Haut drückte. Während er also vor der einen Bildsäule glauben mußte, zum frostigen Skelett zu werden, mußte er vor der anderen Bildsäule glauben, daß sein ganzes inneres Leben in Hitze zugrunde gehe und er lebe in seiner ausgespannten Haut. Und dieses Erleben des ganzen Menschen, an dessen Oberfläche gedrückt, das führte den Schüler dazu, die Einsicht zu bekommen, sich zu sagen: Du verspürst dich, du empfindest dich, du erlebst dich so, wie du wärest, wenn von allem im Kosmos allein die Sonne auf dich wirkte. -Und der Schüler lernte auf diese Weise die kosmische Sonnenwirkung in ihrer Verteilung erkennen. Er lernte erkennen die Beziehung des Menschen zur Sonne. Und er lernte erkennen, daß der Mensch nur des­halb in Wirklichkeit nicht so ist, wie er sich jetzt unter der suggestiven Wirkung der Sonnenstatue vorkam, weil andere Kräfte von anderen Weltenecken aus diese Wirkung modifizieren. In solcher Art lernte sich der Schüler einleben in den Kosmos. Und wenn der Schüler die sugge­stive Wirkung der Mondenstatue empfand, wenn er also innerlich das Frostige hatte der Erstarrung, die winterliche Landschaft erlebte - bei der Sonnenstatue erlebte er sommerliche Landschaft im Geiste, wie aus sich selbst erzeugt -, dann fühlte der Mensch, wie er wäre, wenn nur die Mondenwirkungen da wären.

Sehen Sie, in der Gegenwart, was weiß man denn eigentlich da von der Welt? Man weiß von der Welt, daß die Zichorie blau ist, daß die Rose rot ist, der Himmel blau ist und so weiter. Aber das sind ja keine erschütternden Eindrücke. Die berichten nur von dem Allernächsten, das in der menschlichen Umgebung ist. Der Mensch muß in einem intensiveren Maße mit seiner ganzen Wesenheit zum Sinnesorgan wer­den, wenn er die Geheimnisse des Weltenalls kennenlernen will. Und es wurde eben durch die suggestive Wirkung der Sonnenstatue sein Wesen in seinem ganzen Blutumlauf konzentriert. Der Mensch lernte sich als Sonnenwesen kennen, indem er diese suggestive Wirkung in

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sich erlebte. Und der Mensch lernte sich als Mondenwesen kennen, in­dem er die suggestive Wirkung der weiblichen Statue erlebte. Und dann konnte er aus diesen seinen inneren Erlebnissen heraus sagen, wie Sonne und Mond auf den Menschen wirken, so wie heute der Mensch nach dem Erlebnis seines Auges sagen kann, wie die Rose wirkt, nach dem Erlebnis seines Ohres, wie der Ton cis wirkt und so weiter. Und so erlebten die Schüler dieser Mysterien noch in den nachatlan­tischen Zeiten das Eingegliedertsein des Menschen in den Kosmos. Das wurde für sie eine unmittelbare Erfahrung.

Nun, dasjenige, was ich Ihnen erzählt habe, ist eine kurze Skizze dessen, was in ganz grandioser Weise bis in die ersten Jahrhunderte der christlichen Entwickelung herein an den Mysterien in Hybernia von den Schülern erlebt worden ist als kosmisches Erlebnis, indem man an das Sonnen- und an das Mondenerlebnis herangeführt wurde.

In ganz anderer Weise waren die Erlebnisse, welche die Schüler durchzumachen hatten in den Ephesischen, den kleinasiatischen Ephe­sischen Mysterien. In diesen Ephesischen Mysterien erlebte man in ganz besonders intensiver Weise mit seinem ganzen Menschen dasjenige, was dann später einen paradigmatischen Ausdruck gefunden hat in den Anfangsworten des Johannes-Evangeliums: «Im Urbeginne war das Wort. Und das Wort war bei Gott. Und ein Gott war das Wort.»

In Ephesus wurde der Schüler nicht vor zwei Statuen geführt, son­dern vor eine, vor die eine Statue, die ja bekannt ist als die Artemis von Ephesus. Und indem der Schüler sich identifizierte mit dieser Sta­tue, die voller Leben war, die überall von Leben strotzte, lebte sich der Schüler in den Weltenäther ein. Er hob sich hinaus mit seinem ganzen inneren Erleben und Empfinden vom bloßen Erdenleben, er hob sich in das Erleben des Weltenäthers hinein. Und ihm wurde das Folgende klar. Ihm wurde zunächst vermittelt, was eigentlich die menschliche Sprache ist. Und an der menschlichen Sprache, also dem menschlichen Abbild, dem menschlichen abbildlichen Logos gegenüber dem Welten-, dem kosmischen Logos, an dem wurde ihm klargemacht, wie das Wel­tenwort schöpferisch durch den Kosmos webt und wallt.

Ich kann wiederum die Sache nur skizzieren. Sie ging so vor sich. Der Schüler wurde besonders aufmerksam darauf gemacht, wirklich

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zu erleben, was da geschieht, wenn der Mensch spricht, wenn er dem Atmungsaushauch das Wort einprägt. Der Schüler wurde zum Erleben dessen geführt, wie dasjenige, was er da durch seine eigene innere Tat in Leben überführt, in dem luftigen Elemente geschieht, daß aber mit dem, was im luftigen Elemente geschieht, zwei andere Vorgänge ver­bunden sind.

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Stellen wir uns vor, dies sei der Aushauch (siehe Zeichnung, hellblau>, dem eingeprägt würden gewisse Wortgebilde, die der Mensch spricht. Während dieser Aushauch, zu Worten geformt, aus unserer Brust nach außen strömt, geht nach unten die rhythmische Schwingung über in das ganze wäßrige, in das flüssige Element, das den menschlichen Organismus durchzieht (tiefblau). So daß der Mensch beim Sprechen in der Höhe seines Kehlkopfes, seiner Sprachorgane, die Luftrhythmen hat; parallel aber geht mit diesem Sprechen ein Durchwellen und Durchwogen des Flüssigkeitsleibes in ihm. Die Flüssigkeit, die unter­halb der Sprachregion ist, kommt in Schwingungen, schwingt mit im Menschen. Und das ist es ja im wesentlichen, daß wir das, was wir sprechen, begleiten vom Fühlen. Und würde nicht mitschwingen das

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wäßrige Element im Menschen, die Sprache ginge neutral nach außen, gleichgültig nach außen; der Mensch würde nicht mitfühlen mit dem Gesprochenen. Nach oben aber, nach dem Kopf, geht das Wärme-Ele­ment (rot>, und es begleiten die Worte, die wir dem Aushauche einprägen, die nach oben strömenden Wärmewellen, die unser Haupt durchdringen, und die da bewirken, daß wir die Worte mit Gedanken begleiten.

So daß, wenn wir sprechen, wir es zu tun haben mit dreierlei: mit Luft, Wärme, Wasser oder Flüssigkeit. Dieser Vorgang, der erst ein Gesamtbild dessen gibt, was im menschlichen Sprechen webt und lebt, dieser Vorgang wurde zum Ausgangspunkt genommen bei dem Schüler von Ephesus. Und dann wurde ihm klargemacht, wie dieses, was da im Menschen sich abspielt, ein vermenschlichter Weltenvorgang ist, wie in einer gewissen älteren Zeit die Erde selber so gewirkt hat, daß in ihr nun nicht das luftförmige, aber das wäßrige, das flüssige Element, jenes flüssige Element, von dem ich gestern gesprochen habe als flüch­tig-flüssiges Eiweiß, in einer solchen Wellenbewegung war. So wie dann im Menschen im Kleinen die Luft beim Aushauche ist, wenn er spricht, so war dereinst das die Erde als Atmosphäre umgebende flüchtig-flüs­sige Eiweiß. Und das ging dann über, so wie hier (hell) das luftförmige in das Wärme-Element, in eine Art Luftelement, und unten in eine Art erdigen Elementes. So daß, wie bei uns in unserem Körper durch das flüssige Element die Gefühle entstehen, so entstanden in der Erde die Erdenbildungen, die Erdenkräfte, alles dasjenige, was in der Erde wirkt und wellt an Kräften. Und es entstand darüber im luftigen Element dasjenige, was webende kosmische Gedanken sind, die da schaffend wirken im Irdischen.

Das war ein majestätischer, gewaltiger Eindruck, den der Mensch in Ephesus bekam, wenn er aufmerksam darauf gemacht wurde, daß in seiner Sprache der mikrokosmische Nachklang dessen lebt, was ein­mal makrokosmisch war. Und der Schüler von Ephesus fühlte, indem er sprach, in dem Erlebnis des Sprechens eine Einsicht in das Wirken des Weltenwortes, wie es einstmals sinnvoll das flüssig-flüchtige Ele­ment bewegte, wie es oben grenzte an die schaffenden Weltengedanken, unten an die entstehenden Erdenkräfte.

So lebte sich der Schüler ein in das Kosmische, indem er in richtiger

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Weise sein eigenes Sprechen verstehen lernte: In dir ist der menschliche Logos. Der menschliche Logos wirkt aus dir während deiner Erdenzeit, und du bist als Mensch der menschliche Logos. - Denn in der Tat, durch dasjenige, was nach unten strömt im flüssigen Elemente, werden wir als Mensch geformt aus der Sprache heraus; durch dasjenige, was nach oben strömt, haben wir unsere menschlichen Gedanken während un­serer Erdenzeit. - Aber ebenso, wie in dir das Menschlichste der mikro-kosmische Logos ist, so war einstmals der Logos im Urbeginn, und war bei Gott, und war selber ein Gott.

Das wurde in Ephesus gründlich, weil durch den Menschen und am am Menschen selber, verstanden.

Sehen Sie, wenn Sie sich nun solch eine Persönlichkeit anschauen wie diejenige, die sich hinter dem Namen Gilgamesch verbirgt, dann müssen Sie das Gefühl bekommen, daß diese ja lebte in dem ganzen Milieu, in der ganzen Umgebung, die ausstrahlte von den Mysterien. Denn alle Kultur, alle Zivilisation war in früheren Zeiten Ausstrah­lung der Mysterien. Und wenn ich Ihnen Gilgamesch nenne, so war er, als er noch in seiner Heimat Erek war, zwar nicht in die Mysterien von Erek selber eingeweiht, wohl aber in einer Zivilisation drinnen, die substantiell durchsetzt war von dem, was man empfinden konnte durch diese Beziehung zum Kosmos. Und dann wurde von ihm etwas erlebt bei dem Zug nach dem Westen, was ihn direkt bekannt machte allerdings nicht mit den hybernischen Mysterien, so weit kam er nicht, aber gewissermaßen mit dem, was gepflegt wurde in einer Kolonie der hybernischen Mysterien, ich sagte Ihnen, im heutigen Burgenlande war diese Kolonie. Das lebte in der Seele dieses Gilgamesch. Das bildete sich weiter aus in dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt, das nun folgte, und für das dann beim nächsten Erdenleben in Ephesus selber die Vertiefung der Seele stattfand.

Nun, für beide Persönlichkeiten, von denen ich gesprochen habe, fand eine solche Vertiefung der Seele statt. Da brandete gewisser­maßen aus der allgemeinen Zivilisation an die Menschenseelen dieser Persönlichkeiten etwas in Realität heran, in starker, intensiver Realität noch, was seit der homerischen Zeit in Griechenland im wesentlichen schon nur noch schöner Schein war.

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Gerade in Ephesus drüben, an jener Stätte, an der ja auch Heraklit lebte und an der noch so viel von alter Realität empfunden wurde bis in die spätere griechische Zeit herein, bis ins sechste, fünfte Jahrhundert der vorchristlichen Zeit, gerade in Ephesus konnte man noch nach­empfinden die ganze Realität, in der einstmals die Menschheit gelebt hat, als sie noch in unmittelbarer Beziehung zu dem Göttlich-Geistigen stand, als noch Asia nur der unterste der Himmel war, in dem man noch in Verbindung stand mit den oberen Himmeln, die daran grenz­ten, weil in Asia die Naturgeister erlebt wurden, darüber die Angeloi, Archangeloi und so weiter, darüber die Exusiai und so weiter. Und so kann man sagen: Während schon in Griechenland selbst die Nach­klänge nur sich herausbildeten an dasjenige, was einstmals Realität war, während dasjenige, was Wirklichkeit war, sich umwandelte in die Bilder der Heroensagen, an denen noch deutlich zu merken ist, daß sie hinweisen auf ursprüngliche Realitäten, während in Griechenland das dramatische Element, ursprüngliche Realitäten, in Aischylos Leben ge­wann, war es eigentlich in Ephesus noch immer so, daß man, in das tiefe Dunkel der Mysterien getaucht, Nachklänge jener alten Reali­täten empfand, in denen der Mensch in unmittelbarem Zusammen-hange mit der göttlich-geistigen Welt lebte. Und das ist ja das Wesent­liche des Griechentums, daß der Grieche in die dem Menschen näher­liegenden Mythen und in die dem Menschen näherliegende Schönheit und Kunst getaucht hat, also ins Abbild getaucht hat dasjenige, was einstmals im Zusammenhange mit dem Kosmos eben vom Menschen erlebt werden konnte.

Und nun müssen wir uns vorstellen, wie, als nun schon auf der einen Seite diese griechische Zivilisation auf ihrem Höhepunkte angelangt war, als sie stolz zurückgewiesen hatte sogar dasjenige, was, wie in den Perserkriegen, noch nachstoßen wollte von alter asiatischer Reali­tät, als sie auf der einen Seite auf ihrem Höhepunkte angelangt war, aber auf der anderen Seite schon im Sturze war, wie das Persönlich­keiten erlebten, die in ihren Seelen deutlich die Nachklänge desjenigen trugen, was einstmals göttlich-geistige irdische Realität in Geist, Seele und Leib des Menschen war.

Und so müssen wir uns vorstellen, daß eigentlich Alexander der

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Große und Aristoteles in einer Welt lebten, die ihnen doch nicht ganz konform war, die eigentlich tragisch für sie war. Das Eigentümliche ist, daß in Alexander und in Aristoteles Menschen lebten, die eine andere Beziehung zum Geistigen hatten als ihre Umgebung, die, trotzdem sie sich nicht viel kümmerten um die Samothrakischen Mysterien, dennoch in ihrer Seele eine große Verwandtschaft hatten mit dem, was in den Samothrakischen Mysterien mit den Kabiren vorging. Das hat man lange Zeit gefühlt, im Mittelalter noch nachgefühlt. Und man muß schon sagen - darüber machen sich die Menschen heute ganz falsche Vor­stellungen - ,wie noch im Mittelalter, bis herein ins dreizehnte, vierzehnte Jahrhundert, bei einzelnen Menschen aller Stände ein deutliches geisti­ges Anschauen wenigstens auf dem Gebiete war, das man einstmals im alten Oriente drüben Asia genannt hat. Und das im frühen Mittelalter von einem Priester gedichtete Sie brauchen nur das Folgende sich vor die Seele zu stellen. Wir haben im Alexanderlied des Pfaffen Lamprecht ja eine wunderbare Schilderung, eine wunderbare Schilderung etwa der folgenden Art:

Jedes Jahr, wenn der Frühling kommt, und man geht nach einem Wald hinaus und kommt an den Waldesrand, da wo an diesem Waldesrand Blumen wachsen, und wo zu gleicher Zeit die Sonne so steht, daß von den Waldesbäumen der Schatten fällt auf die am Waldesrande wach­senden Blumen, da sieht man, wie im Schatten der Waldesbäume im Frühling aus den Blumenkelchen hervorkommen die geistigen Blumen-kinder, die an den Waldesrändern Tänze und Reigen führen. - Und man erkennt ganz deutlich, daß in dieser Schilderung des Pfaffen Lamprecht durchschimmert etwas von einer wirklichen Erfahrung, von einer Erfahrung, die Menschen der damaligen Zeit noch machen konn­ten; daß sie nicht in die Wälder hinausgingen, um in prosaischer Weise zu sagen: Da ist Gras, da sind Blumen, da fangen die Bäume an -

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sondern wenn sie sich dem Walde näherten, dann trat ihnen, wenn die Sonne hinter dem Walde stand und der Schatten über die Blumen her fiel, im Schatten der Waldesbäume von den Blumen aus entgegen die ganze Welt von Blumengeschöpfen, die da waren für sie, bevor sie den Wald betraten, wo sie ja dann im Walde die anderen Elemen­targeister wahrnahmen. Aber dieser Blumenreigen, der erschien dem Pfaffen Lamprecht als das, was er besonders gern schildern wollte. Und es ist immerhin bedeutsam, daß, als der Pfaffe Lamprecht die Alexanderzüge schildern wollte, er diese Schilderung durchsetzte und durchströmte - noch im zwölften Jahrhundert, Anfang des zwölf­ten Jahrhunderts -, durchsetzte und durchströmte mit Schilderungen der Natur, die überall das Sich-Offenbaren der Elementarreiche in sich schließen. Das Ganze ist getragen von dem Bewußtsein: Wenn man schildern will, was da vorging einstmals in Makedonien, als die Alex­anderzüge nach Asien begannen und als Alexander von Aristoteles unterrichtet wurde, wenn man das schildern will, so kann man es nicht schildern, indem man die prosaische Erde ringsherum beschreibt, son­dern man kann es allein schildern, wenn man hinzunimmt zu der prosaischen Erde die Reiche der elementarischen Wesenheiten.

Aber sehen Sie, wenn Sie heute ein Geschichtswerk lesen - es ist ja ganz berechtigt für die gegenwartige Zeit -, nun ja, dann lesen Sie eben: Alexander hat gegen den Rat seines Lehrers Aristoteles, dem er ungehorsam war, die Mission sich eingebildet, er müsse die Barbaren mit den zivilisierten Menschen versöhnen und müsse eine Durchschnitts­kultur etwa hervorrufen, die bestehen sollte aus den zivilisierten Grie­chen, aus den Hellenen, aus den Makedoniern und den Barbaren. Das ist zwar für die heutige Zeit richtig, aber dennoch, gegenüber der Wahr­heit, der wirklichen Wahrheit ist es eben läppisch. Und man empfängt den Eindruck des Großartigen, wenn man sieht, wie der Pfaffe Lamp-recht, indem er die Alexanderzüge schildert, diesen Alexanderzügen ein ganz anderes Ziel setzt. Und es kommt einem vor, als ob dasjenige, was ich eben geschildert habe als das Hereinragen der Natur-Elementar-reiche, des Geistigen der Natur in das Physische der Natur, als ob dies eben bloß die Introduktion sein sollte. Denn was ist das Ziel der Alex­anderzüge im Alexanderlied des Pfaffen Lamprecht?

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Alexander kommt bis an die Pforte des Paradieses! Das ist zwar ins Christliche der damaligen Zeit umgesetzt, aber es entspricht eigent­lich in einem hohen Maße, wie ich weiter ausführen werde, der Wahr­heit. Denn die Alexanderzüge waren nicht bloß gemacht, um Erobe­rungen zu vollziehen, oder gar gegen den Rat des Aristoteles, um die Barbaren mit den Hellenen zu versöhnen, sondern die Alexanderzüge waren durchsetzt von einem wirklichen hohen geistigen Ziel, und sie waren impulsiert aus dem Geiste heraus. Und wir lesen dann beim Pfaffen Lamprecht' der also, man kann sagen, fünfzehn Jahrhunderte, nachdem Alexander gelebt hat, in seiner Art mit großer Hingebung diese Alexanderzüge schildert, wir lesen, daß Alexander bis an die Pforte des Paradieses kommt, aber in das Paradies selber nicht hineinkommt, weil, wie der Pfaffe Lamprecht meint, nur derjenige in das Paradies hineinkommt, der die rechte Demut hat. Aber Alexander konnte in der vorchristlichen Zeit noch nicht die rechte Demut haben, denn die rechte Demut konnte erst das Christentum in die Menschheit hineinbringen. Immerhin, wenn man nicht in engherzigem' sondern in weitherzigem Sinn so etwas auffaßt, so sehen wir, wie der christliche Pfaffe Lamp-recht etwas von dem Tragischen der Alexanderzüge empfindet.

Nun, ich wollte Sie mit dieser Schilderung des Alexanderliedes nur aufmerksam darauf machen, daß es nicht überraschend zu sein braucht, wenn man gerade an diesem Beispiel der Alexanderzüge einsetzt, um das Vorhergehende und Nachherige der Menschheitsgeschichte des Abendlandes in seiner Angliederung an das Morgenland zu schildern. Denn dasjenige, was dabei als Empfindung zugrunde liegt, war noch, wie Sie sehen, bis zu einer verhältnismäßig späten Zeit des Mittelalters nicht nur als eine allgemeine Empfindung vorhanden, sondern in so konkreter Weise vorhanden, daß dieses Alexanderlied entstehen konnte, das nun eigentlich wirklich in einer großartig dramatischen Weise schildert, was nun durch die beiden Seelen, die ich Ihnen charak­terisiert habe, sich abgespielt hat. Durchaus weist dieser Punkt der makedonischen Geschichte auf der einen Seite weit in die Vergangen­heit zurück, auf der anderen Seite weit in die Zukunft hinein. Und man muß vor allen Dingen dabei berücksichtigen, daß über all dem, was bei Aristoteles und Alexander vorhanden ist, weltgeschichtliche Tragik

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schwebt. Schon äußerlich verrät sich diese weitgeschichtliche Tragik. Sie verrät sich dadurch, daß ja durch die besonderen Verhältnisse, durch die besonderen weitgeschichtlichen Schicksalsverhältnisse von Aristo­teles nur der kleinste Teil der Schriften in das europäische Abendland gekommen sind und dann von der Kirche weiter gepflegt worden sind. Es sind eigentlich im wesentlichen nur die logischen und die ins Logische gekleideten Schriften. Wer aber heute noch sich vertieft in das Wenige, was von den naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles erhalten ist, der wird bei Aristoteles sehen, wie gewaltig seine Einsicht noch war in den Zusammenhang des Kosmos mit dem Menschen. Ich möchte Sie da nur auf eines aufmerksam machen.

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Wir sprechen heute ja auch vom irdischen Elemente, vom wäßrigen Elemente, vom luftigen Elemente, vom feurigen oder Wärme-Elemente, und dann von dem anderen, dem Äther. Wie stellt Aristoteles die Sache dar? Er stellt die Erde dar, die feste Erde (siehe Zeichnung, weiß), die flüssige Erde, Wasser (hellrot), die Luft (blau), das Ganze mit dem

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Feuer durchdrungen und vom Feuer umgeben (tiefrot). Aber so reicht für Aristoteles die Erde bis zum Monde hinauf. Und vom Kosmos herein, von den Sternen herein bis zum Monde - also nicht mehr in den irdischen Bereich, aber bis zum Monde, bis hierher -, vom Tier­kreis, von den Sternen herein reicht räumlich-kosmisch der übrige Äther (weiß). Der Äther reicht bis zum Monde herunter.

Das lesen ja auch heute noch die Gelehrten in den Büchern, die über Aristoteles geschrieben werden. Aristoteles selber aber sagte seinem Schüler Alexander immer wieder und wiederum: Jener Äther, der da außerhalb des Irdisch-Wärmehaften ist, also der Lichtäther, chemische Äther, Lebensäther, war auch einstmals mit der Erde verbunden. Das alles ging bis zur Erde herein. Als aber der Mond sich zurückzog in der alten Entwickelung, da zog sich der Äther von der Erde zurück. Und - so meinte Aristoteles zu seinem Schüler Alexander - so ist das­jenige, was äußerlich räumlich tote Welt ist, auf der Erde zunächst nicht vom Äther durchzogen. Aber wenn zum Beispiel der Frühling naht, dann bringen die Elementargeister von dem Monde für die­jenigen Wesen, die entstehen - die Pflanzen, die Tiere, die Menschen -den Äther aus dem Mondenbereiche gerade wiederum in diese Wesen hinein, so daß der Mond das Gestaltende ist.

Stand man vor der einen, der weiblichen Gestalt in Hybernia, so empfand man das ganz lebhaft, wie der Äther eigentlich nicht der Erde angehört, sondern von den Elementargeistern alljährlich, so weit er notwendig ist zur Enstehung der Wesen, auf die Erde heruntergebracht wird.

Es gab auch für Aristoteles tiefe Einsichten in den Zusammenhang des Menschen mit dem Kosmos. Die Schriften, die davon handelten, hat der Schüler Theophrast nicht nach dem Westen kommen lassen. Nach dem Orient ging einiges von diesen Schriften zurück, wo noch Ver­ständnis für solche Dinge war. Und da kam es dann durch Nordafrika und Spanien, durch Juden und Araber kam es nach dem Westen von Europa und stieß in der Weise, wie ich das noch schildern will, mit den Ausstrahlungen, mit den Zivilisationsausstrahlungen der Mysterien von Hybernia zusammen.

Aber das, was ich Ihnen bis jetzt charakterisiert habe, war ja nur der

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Ausgangspunkt für die Lehren, die Aristoteles dem Alexander gab. Die bezogen sich durchaus auf inneres Erleben. Und wenn ich, ich möchte sagen, in etwas kohlezeichnender Darstellung die Sache gebe, so muß ich folgendes sagen: Alexander lernte durch Aristoteles gut kennen, daß dasjenige, was draußen in der Welt lebt als das irdische, das wäßrige' das luftige, das feurige Element, auch im Menschen drinnen lebt, daß der Mensch in dieser Beziehung ein wirklicher Mikrokosmos ist, daß in ihm, in seinen Knochen, das irdische Element lebt, daß in seiner Blutzirku­lation und in alle dem, was Säfte in ihm sind, Lebenssäfte sind, das wäßrige Element lebt; daß in ihm das luftige Element in der Atmung und Atmungserregung wirkt, in der Sprache wirkt, daß das feurige Element in den Gedanken lebt. Alexander wußte sich noch in den Ele­menten der Welt lebend. Aber indem man sich in den Elementen der Welt lebend fühlte, fühlte man auch noch seine innige Verwandtschaft mit der Erde. Heute reist der Mensch nach Ost, nach West, nach Nord, nach Süd: er empfindet nicht, was da eigentlich alles auf ihn einströmt, denn er sieht ja nur dasjenige, was seine äußeren Sinne wahrnehmen, und er sieht ja nur, was die irdischen Substanzen in ihm wahrnehmen, nicht was die Elemente in ihm wahrnehmen. Aber Aristoteles konnte den Alexander lehren: Wenn du auf der Erde nach dem Osten ziehst, ziehst du immer mehr und mehr hinein in ein dich austrocknendes Element. Du ziehst in das Trockene hinein (siehe Zeichnung).

Sie müssen sich das nicht so vorstellen, daß, wenn man nach Asien hinüberzieht, man ganz austrocknet. Es ist natürlich das so, daß es feine Wirkungen sind, aber Wirkungen, die durchaus nach den Anlei­tungen des Aristoteles Alexander in sich empfand. Er konnte sich in Makedonien sagen: Ich habe einen gewissen Grad von Feuchtigkeit in mir; der vermindert seine Feuchtigkeit, indem ich nach Osten hin-überziehe. - So fühlte er mit der Wanderung auf der Erde die Konfi­guration der Erde, wie man fühlt, sagen wir, wenn man einen Men­schen berührt, über irgendeinen Teil seines Körpers streichelnd fährt, wie der Unterschied ist zwischen Nase und Augen und Mund. So nahm eine solche Persönlichkeit, wie die geschilderte, noch wahr, wie der Unterschied ist, wenn man sich erlebt, indem man immer mehr und mehr in das Trockene hineinkommt, und wie man sich erlebt, wenn

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man nach der anderen Seite, nach dem Westen, in das Feuchte hinein­kommt.

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Die anderen Differenzierungen, die erleben die Menschen, wenn auch grob, noch heute. Gegen Norden erleben sie ja das Kalte, gegen Süden das Warme, das Feurige. Aber jenes Zusammenspiel von feucht-kalt, wenn man nach dem Nordwesten hinüberkam, das fühlen die Menschen nicht mehr. Aristoteles machte rege in Alexander, was Gilgamesch er­lebt hat, als er den Zug nach dem Westen hinüber unternommen hatte. Und die Folge davon war, daß im unmittelbaren inneren Erleben der Schüler das wahrnehmen konnte, was nun eben erlebt wird in der Zwischenzone zwischen feucht und kalt nach Nordwesten hin: Wasser. Und es ist durchaus nicht nur eine mögliche, sondern eine sehr wirkliche Redensart für einen solchen Menschen wie Alexander, daß er nicht sagte: Dahin geht der Zug, nach Nordwesten - sondern: Dahin geht der Zug, wo das Element des Wassers die Oberherrschaft führt. - In der Zwischenzone zwischen feucht und warm liegt das Element, wo die Luft die Oberherrschaft führt. So war es in den alten griechisch­chthonischen Mysterien gelehrt, so war es in den alten Samothraki­schen Mysterien gelehrt, so war es von Aristoteles seinem unmittelbaren

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Schüler gelehrt. Und in der Zwischenzone zwischen kalt und trocken, also gegen Sibiren zu von Makedonien aus, wurde die Region der Erde erlebt, wo die Erde selbst, das Irdische die Oberherrschaft führte, das Element Erde, das Feste. In der Zwischenzone zwischen warm und trocken, also gegen Indien hin, wurde jene Region der Erde erlebt, wo vorherrschte das Feuerelement. Und so war es, daß der Schüler des Aristoteles nach Nordwesten zeigte und sagte: Da empfinde ich herwirkend auf der Erde die Wassergeister. - Daß er nach Süd­westen zeigte und sagte: Da her empfinde ich die Lufigeister. - Daß er nach Nordwesten zeigte, und da die Geister der Erde vorzugsweise heranschweben sah. Daß er nach Südosten zeigte, gegen Indien zu, und die Geister des Feuers heranschweben oder in ihrem Elemente sah. Und Sie empfinden jene tiefe Verwandtschaft gegenüber dem Natür­lichen und gegenüber dem Moralischen, wenn ich jetzt am Schlusse sage, es entstand in Alexander die Redensart: Ich muß aus dem kalt-feuchten Elemente heraus mich ins Feuer stürzen, den Zug nach Indien unternehmen! - Das war eine Redensart, die ebenso an Natürliches anknüpfte' wie sie anknüpfte an Moralisches, wovon wir dann morgen sprechen wollen. Aber ich wollte Sie hineinführen anschaulich in das­jenige, was da lebte. Denn in dem, was da verhandelt wurde zwischen Alexander und Aristoteles, sehen Sie zu gleicher Zeit sich spiegeln den ganzen Umschwung in der weltgeschichtlichen Entwickelung. Man konnte noch im intimen Unterricht in der damaligen Zeit sprechen von den großen Mysterien der vergangenen Zeit. Dann nahm die Mensch­heit nur mehr das Logische, das Abstrakte, die Kategorien auf, wäh­rend sie das andere zurückstieß. Daher deuten wir damit zugleich auf einen ungeheuren Umschwung in der weltgeschichtlichen Entwickelung der Menschheit, auf einen allerwichtigsten Punkt in dem ganzen Her­gang der europäischen Zivilisation in ihrem Zusammenhange mit dem Orient. Davon dann morgen weiter.

FÜNFTER VORTRAG Dornach, 28. Dezember 1923

#G233-1962-SE077 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

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FÜNFTER VORTRAG

Dornach, 28. Dezember 1923

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Unter den alten Mysterien nimmt dasjenige von Ephesus eine ganz besondere Stellung ein. Ich habe ja mit jenem Entwickelungselemente in der Geschichte des Abendlandes, das sich anknüpft an den Namen des Alexander, auch dieses Mysteriums von Ephesus gedenken müssen. Man begreift den Sinn der neueren und älteren Geschichte nur, wenn man eingeht auf den Umschwung, den das Mysterienwesen, von wel­chem ja alle älteren Zivilisationen ausgegangen sind, erfahren hat vom Orient herüber nach dem Okzident, nach Griechenland also zunächst. Und dieser Umschwung besteht in dem Folgenden.

Sehen Sie, wenn man in alle älteren Mysterien des Morgenlandes hineinschaut, überall bekommt man den Eindruck: Da sind die Myste­rienpriester in der Lage, große bedeutsame Wahrheiten aus ihren Schauungen an ihre Schüler zu offenbaren. Ja, in je ältere Zeiten man zurückgeht, desto mehr sind diese Priesterweisen imstande, in den Mysterien die unmittelbare Gegenwart der Götter selber, der geistigen Wesenheiten, welche die planetarischen Welten, welche die Erden-erscheinungen lenken, hervorzurufen, so daß die Götter wirklich da waren.

Der Zusammenhang des Menschen mit dem Makrokosmos, er ent­hüllte sich ja in verschiedenen Mysterien auf eine ähnlich großartige Weise, wie ich sie Ihnen gestern für die Mysterien vön Hybernia dar­gestellt habe, und auch für dasjenige, was noch Aristoteles Alexander dem Großen zu sagen hatte. Vor allen Dingen lag aber das vor in allen altorientalischen Mysterien, daß das Moralische, die moralischen Impulse nicht streng geschieden waren von den natürlichen Impulsen. Indem Aristoteles den Alexander nach Nordwesten wies, wo die Gei­ster des Wasserelementes die herrschenden waren, kam von dort nicht bloß ein physischer Impuls, wie heute vom Nordwesten der Wind oder andere rein physische Dinge kommen, sondern es kamen auch morali­sche Impulse mit den physischen Impulsen. Das Physische und das Moralische war eines. Das konnte es sein, weil überhaupt durch jene

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Erkenntnisse, welche in diesen Mysterien gegeben wurden, der Mensch sich mit der ganzen Natur - er nahm ja den Geist der Natur wahr -als eine Einheit fühlte. Da ist zum Beispiel eines in dem Verhältnis des Menschen zur Natur, das etwa gerade in der Zeit liegt, die verflos-sen ist zwischen der Lebenszeit des Gilgamesch und der Lebenszeit jener Individualität, zu der er in seiner nächsten Inkarnation wurde in der Nähe des Mysteriums von Ephesus. Gerade in der Zeit finden wir noch ganz lebendig eine Anschauung über den Zusammenhang des Menschen mit der Geistnatur. Dieser Zusammenhang ist der folgende. Durch alles das, was da der Mensch kennenlernte über die Wirkung der Elementargeister in der Natur, über die Wirkung der intelligenten Wesenheiten in den planetarischen Vorgängen, kam der Mensch zu der Überzeugung: Da draußen sehe ich überall ausgebreitet die Pflanzen­welt, die grünende, die sprießende, die sprossende, die fruchtende Pflanzenwelt. Da sehe ich die einjährigen Pflanzen auf der Wiese, auf dem Felde, die im Frühling heranwachsen, die im Herbste wieder ver­gehen; da sehe ich jahrhundertelang wachsende Bäume, welche Rinde und Holz außen bekommen und mit ihren Wurzeln weit in die Erde hineinreichen. Das alles, was da draußen wurzelt in den einjährigen Kräutern und Blumen, was da wächst mit festen Impulsen hinein in die Erde, das habe ich als Mensch einmal in mir getragen.

Sehen Sie, heute fühlt der Mensch, wenn irgendwo in einem Raume Kohlensäure ist, die durch die Atmung der Menschen entstanden ist:

Diese Kohlensäure habe ich mit ausgeatmet. - Das fühlt der Mensch, daß er in den Raum die Kohlensäure hineingeatmet hat. Der Mensch ist ja heute, ich möchte sagen, nur noch in einem geringen Zusammen-hange mit dem Kosmos. In dem luftigen Teile seines Wesens, in der Luft, die der Atmung und den sonstigen Luftprozessen' die im Organismus vor sich gehen, zugrunde liegt, da ist der Mensch ganz im lebendigen Zusammenhange mit der großen Welt, mit dem Makrokosmos. Er kann hinschauen auf die ausgeatmete Atemluft, auf die Kohlensäure, die in ihm war und die jetzt draußen isti Aber so, wie der Mensch heute -er tut es ja nicht, aber er könnte es - hinschaut auf die ausgeatmete Kohlensäure, so schaute der Mensch, der in den orientalischen Myste­rien entweder eingeweiht war oder aufgenommen hatte die Weisheit,

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die aus den orientalischen Mysterien nach außen geströmt ist, die ganze Pflanzenwelt an. Er sagte sich: Ich schaue zurück in der Weltenent­wickelung auf eine alte Sonnenzeit. Da habe ich die Pflanzen noch in mir getragen. Und dann habe ich sie herausströmen lassen in die weiten Kreise des Erdenseins. Aber als ich die Pflanzen noch in mir trug, als ich noch jener Adam Kadmon war, der die ganze Erde umfaßte und die Pflanzenwelt mit, da war diese ganze Pflanzenwelt noch etwas Wässerig-Luftiges. 1

Der Mensch sonderte von sich ab diese Pflanzenwelt. Wenn Sie sich vorstellen, Sie würden die Größe erlangen der ganzen Erde und dann nach innen absondern Pflanzliches, das nun im wäßrigen Elemente sich metamorphosierend entsteht, vergeht, heranwächst, anders wird, verschiedene Gestalten eben annimmt, dann würden Sie in Ihr Gemüt heraufrufen, wie es einmal war. Und daß es einmal so war, das sagten sich diejenigen, die etwa in der Gilgamesch-Zeit im Oriente drüben ihre Bildung aufgenommen hatten. Und schauten sie dann auf das Pflanzenwachstum auf den Wiesen hin, dann sagten sie sich: Wir haben die Pflanzen abgesondert in einem früheren Stadium unserer Entwicke­lung, aber die Erde hat die Pflanzen aufgenommen. Das Wurzelhafte ist ihnen erst von der Erde verliehen worden, ebenso alles dasjenige, was das Holzige ist, was die Baumesnatur des Pflanzenhaften ist. -Aber das allgemein Pflanzenhafte, das hat der Mensch von sich ab­gesondert, und das ist von der Erde aufgenommen worden. Eine innige Verwandtschaft fühlte der Mensch mit allem Pflanzlichen.

Nicht eine gleiche Verwandtschaft fühlte der Mensch mit dem hö­heren Tierischen, denn er wußte, er konnte sich nur dadurch an die Erde heranarbeiten, daß er überwunden hat die tierische Bildung, daß er zurückgelassen hat auf seinem Entwickelungswege die Tiere. Die Pflanzen hat er bis zur Erde mitgenommen, sie dann der Erde über­geben, so daß die Erde sie in ihren Schoß aufnahm. Er wurde für die Pflanzen auf der Erde der Vermittler der Götter, der Vermittler zwi­schen den Göttern und der Erde.

Daher fühlten solche Menschen, die nun wirklich jenes große Er­lebnis hatten, das man skizzenhaft ganz einfach darstellen kann (siehe Zeichnung): Der Mensch kommt an die Erde heran aus dem Weltenall

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(gelb). Die Zahl kommt ja nicht in Betracht, da, wie ich schon gestern sagte, die Menschen ineinanderstaken. Er sondert alles Pflanz-liche ab, und die Erde nimmt das Pflanzliche auf und gibt ihm das Wurzelhafte. - So fühlte der Mensch, wie wenn er mit dem Pflanzen-wachstum gewissermaßen die Erde umschlungen hätte (grün), und wie wenn die Erde dankbar gewesen wäre für dieses Umschlungenwerden und aufgenommen hat dasjenige, was ihr der Mensch an wäßrig­luftigen Pflanzenelementen zuhauchen konnte. Und diejenigen, die solches fühlten, die fühlten sich in bezug auf dieses Pflanzenbringen zur Erde als innig verwandt mit dem Gotte, mit dem Hauptgotte des Merkur. Durch diese Empfindung, man habe selber die Pflanzen auf die Erde gebracht, kam man in eine besondere Beziehung zu dem Gotte Merkur.

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Dagegen fühlte man gegenüber den Tieren: man konnte sie nicht mit auf die Erde bringen, man mußte sie absondern, man mußte sich frei­machen von ihnen, sonst hätte man die menschliche Gestalt nicht in der richtigen Weise entwickeln können. Man schob gewissermaßen die Tiere von sich ab, so daß die Tiere eben weggeschoben wurden vom Menschen

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(rot) und dann für sich eine Entwickelung durchmachen mußten auf einer niedrigeren Stufe, als der Mensch selber steht. So fühlte sich auf der einen Seite der alte Mensch gerade der Gilgamesch-Zeit und der folgenden Zeit hineingestellt zwischen das Tierreich und das Pflan­zenreich. Dem Pflanzenreich gegenüber fühlte er sich als der Träger, der die Erde sozusagen besamt hat in Vertretung der Götter. Dem Tierreich gegenüber fühlte er sich so, also ob er es von sich abgestoßen hätte, um Mensch zu werden ohne die Belastung mit den Tieren, die dadurch verkümmert sind. Der ganze ägyptische Tierdienst hängt übri­gens mit dieser Anschauung zusammen. Vieles in Asien drüben von jenem tiefen Mitleid, das man da findet gegenüber den Tieren, hängt damit zusammen. Und es war eben eine großartige Naturanschauung, die so fühlte die Verwandtschaft des Menschen mit der Pflanzenwelt auf der einen Seite, mit der tierischen Welt auf der anderen Seite. Der Tierwelt gegenüber fühlte man die Befreiung, der pflanzlichen Welt gegenüber fühlte man die innige Verwandtschaft mit ihr. Man fühlte als Mensch die Pflanzenwelt als ein Stück von sich selber, und man fühlte die Erde in inniger Liebe, weil die Erde dieses Stück Menschen­tum, das die Pflanzen sind, in sich aufgenommen hat, in sich einwur­zeln ließ, ja sogar aus ihrem Material sie mit Rinde überzog in den Bäumen. Überall war Moralisches in der Beurteilung der physischen Umwelt vorhanden. Man ging an die Pflanzen der Wiese heran und empfand in dieser Weise nicht nur das natürliche Wachstum, sondern eine moralische Beziehung des Menschen zu diesem Wachstum. Man empfand den Tieren gegenüber wieder eine moralische Beziehung: man hat sich über sie hinausgerungen.

Also eine großartige Geistnatur-Anschauung strömte aus von diesen Mysterien drüben im Oriente. Mysterien waren dann auch, aber mit einer weit weniger realen Geistnatur-Anschauung, in Griechenland. Die griechischen Mysterien sind grandios, gewiß, aber sie unterscheiden sich ganz wesentlich von den orientalischen Mysterien. Es ist eben alles so in den orientalischen Mysterien, daß der Mensch sich eigentlich nicht auf der Erde fühlt durch sie, sondern sich angegliedert fühlt an den Kosmos, an das Weltenall. In Griechenland war auch das Mysterien-wesen zuerst auf der Stufe angekommen, wo der Mensch sich mit der

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Erde in Verbindung fühlte. Daher war dasjenige, was im Oriente ent­weder erschien oder empfunden wurde in den Mysterien, die wesen­haft geistige Welt selber. Man schildert eben die absolute Wahrheit, wenn man sagt: In den altorientalischen Mysterien erschienen die Götter selber unter den Priestern, die da opferten und die Gebete verrichteten. -Die Mysterientempel waren zu gleicher Zeit die irdischen Gaststätten der Götter, wo die Götter eben das den Menschen schenkten durch die Priesterweisen, was sie ihnen an Himmelsgütern zu schenken hatten. In den griechischen Mysterien erschienen nur mehr die Bilder der Götter, die Abbilder, etwas wie die Schattenbilder; wahrhafte, echte Bilder, aber wie Schattenbilder, nicht mehr die göttlichen Wesenheiten, nicht mehr die Realitäten, sondern die Schattenbilder. So daß der Grieche eine ganz andere Empfindung hatte als derjenige, welcher der alten orien­talischen Kultur angehörte. Der Grieche hatte die Empfindung: Es gibt Götter, aber den Menschen ist nur möglich, Bilder von diesen Göt­tern zu haben, so wie man in der Erinnerung die Bilder der Erlebnisse hat, nicht mehr die Erlebnisse selber.

Das war die tiefe Grundempfindung, die aus den griechischen My­sterien heraus kam, daß die Griechen die Empfindung hatten, sie haben etwas wie Erinnerungen an den Kosmos, nicht die Erscheinungen des Kosmos selber, Bilder vom Kosmos, Bilder der Götter, nicht die Götter selber, Bilder von den Vorgängen auf Saturn, Sonne, Mond, nicht mehr die lebendige Verbindung mit dem, was real war auf Saturn, Sonne, Mond, wie der Mensch etwa die reale Verbindung mit seiner Kindheit hat. Und diese reale Verbindung mit Sonne, Mond, Saturn hatten eben die Menschen der orientalischen Zivilisation aus ihren Mysterien her­aus. So hatte das Mysterienwesen der Griechen etwas Bildhaftes. Es erschienen eben die Schattengeister der göttlich-geistigen Wirklichkeit. Aber das hatte etwas bedeutsames anderes gebracht. Denn sehen Sie, es gab noch einen Unterschied zwischen den orientalischen Mysterien und den griechischen.

Bei den orientalischen Mysterien war es doch immer so, daß wenn man irgend etwas von dem Großartigen, Gigantischen, das man da erfahren konnte, wissen wollte, man erst die rechte Zeit abzuwarten hatte. Da war es so, daß man irgend etwas nur erfahren konnte, wenn

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man den Opferdienst' der dazu gehörte, also gewissermaßen die über­sinnlichen Experimente, im Herbste machte, andere im Frühling, an­dere zur Hochsommerszeit, andere im tiefen Winter. Und wiederum, es war möglich, daß zu irgendeiner Zeit, die man dadurch als die rich­tige erkannte, daß die Mondkonstellation eine bestimmte war, irgend­welchen Göttern geopfert wurde. Dann erschienen sie in den Myste­rien. Man kam zu ihren Offenbarungen. Dann mußte man wiederum, sagen wir, dreißig Jahre warten, bis wiederum dieselbe Gelegenheit war, daß irgendeine Götterwesenheit sich in den Mysterien zeigte. Zum Beispiel alles dasjenige, was sich auf Saturn bezog, konnte nur alle drei­ßig Jahre irgendwie in den Bereich der Mysterien treten, alles, was sich auf den Mond bezog, ungefähr immer in achtzehn Jahren, und so weiter. So daß die Priesterweisen der orientalischen Mysterien die grandiosen, gigantischen Erkenntnisse und Anschauungen, die sie ge­wannen, eben nur in Abhängigkeit von Zeit und Raum und allem möglichen bekamen. Man bekam zum Beispiel ganz andere Offen­barungen tief in Berghöhlen drinnen, andere Offenbarungen auf den Gipfeln der Berge. Man bekam andere Offenbarungen, wenn man irgendwie tiefer in Asien drüben war, oder an der Küste war, und dergleichen. Also eine gewisse Abhängigkeit von Raum und Zeit auf der Erde, das war das Charakteristische gerade der Mysterien des Orients.

In Griechenland waren die großen gigantischen Realitäten dahin-geschwunden. Bilder waren noch da. Aber die Bilder konnte man jetzt haben nicht in Abhängigkeit von Jahreszeit oder Jahrhundertlauf oder dem Orte, sondern die Bilder konnte man haben, wenn man diese oder jene Exerzitien machte, diese oder jene persönlichen Opfer brachte. Wenn man dann auf einer gewissen Stufe der Opfer und der persön­lichen Reife angekommen war, dann konnte man deshalb, weil man das als Mensch erreicht hatte, die Wahrnehmungen der Schatten der großen Weltereignisse und Weltwesenheiten haben.

Das ist der große Umschwung im Mysterienwesen vom alten Orient nach Griechenland herüber, daß die alten orientalischen Mysterien untergeordnet waren den Bedingungen von Erdenort und Erdenraum, daß die griechischen Mysterien diejenigen waren, wo der Mensch in

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Betracht kam mit dem, was er den Göttern entgegenbrachte. Der Gott kam sozusagen in seinem Schattenbilde, in seinem Spektrum, wenn der Mensch gewürdigt werden konnte durch die Vorbereitungen, die er dazu gemacht hatte, daß der Gott im Spektrum zu ihm kam. Da­durch sind die griechischen Mysterien wirklich die Vorbereitung der neueren Menschheit geworden.

Nun, mitten drinnen zwischen den alten orientalischen und den griechischen Mysterien stand das von Ephesus. Es hatte eben seine be­sondere Stellung. Denn in Ephesus konnten jene, die dort die Einwei­hung gewannen, durchaus noch etwas von den gigantischen, majestäti­schen Wahrheiten des alten Orients erfahren. Sie wurden noch berührt von dem inneren Empfinden und Fühlen des Zusammenhanges des Menschen mit dem Makrokosmos und dem göttlich-geistigen Wesen des Makrokosmos. Oh, in Ephesus war noch viel von dem wahrzu­nehmen, was überirdisch war. Und die Identifizierung mit der Artemis, mit der Göttin des Mysteriums von Ephesus, die brachte eben noch jenen lebendigen Zusammenhang: Die Pflanzenwelt ist die deine, die Erde hat sie nur aufgenommen. Die Tierwelt hast du überwunden, du hast sie zurücklassen müssen. Du mußt möglichst mit Mitleid schauen auf die Tiere, die auf dem Wege zurückbleiben mußten, damit du Mensch werden konntest. - Dieses Sich-eins-Fühlen mit dem Makro-kosmos, das wurde noch aus den unmittelbaren Erlebnissen, noch aus den Realitäten dem Eingeweihten von Ephesus überliefert.

Aber es war in Ephesus schon als dem ersten Mysterium, das gegen das Abendland zugekehrt war, die Unabhängigkeit von den Jahres­zeiten oder von dem Jahrhundertlauf, kurz, von Ort und Zeit auf Erden. In Ephesus kam es schon an auf die Exerzitien, die der Mensch machte, auf die Art und Weise, wie er sich durch Opferung und Hin­gabe an die Götter reif gemacht hatte. So daß in der Tat das Myste­rium von Ephesus auf der einen Seite durch den Inhalt der Mysterien-wahrheiten noch hinweist nach dem alten Oriente, und dadurch, daß es schon herangerückt war an die menschliche Entwickelung, an das Men­schentum, war das Mysterium von Ephesus wiederum dem Griechen-tun schon zugeneigt. Es war sozusagen das letzte Mysterium der Grie­chen im Osten, wo noch die alten gigantischen Wahrheiten an die Menschen

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herantraten, herantreten konnten. Denn im Osten waren sonst die Mysterien schon in die Dekadenz gekommen.

Wo die alten Wahrheiten sich am längsten erhalten haben, das ist in den Mysterien des Westens. Von Hybernia kann man noch erzählen Jahrhunderte nach der Entstehung des Christentums. Aber ich möchte sagen: Die Geheimnisse von Hybernia' sie sind im Grunde genommen doppelt geheimnisvoll. - Denn sehen Sie, das, was ich Ihnen gestern erzählt habe von diesen zwei Statuen, wovon die eine eine Sonnen-, die andere eine Mondesstatue ist, eine männliche und eine weibliche Statue ist, diese Geheimnisse von den Statuen sind heute so, daß sie selbst aus der sogenannten Akasha-Chronik noch schwer zu erforschen sind. Es ist verhältnismäßig gar nicht schwierig für denjenigen, der in diesen Dingen geschult ist, heranzukommen an die Bilder der orien­talischen Mysterien und aus dem Astrallichte heraus diese Bilder zu holen. Aber kommt man oder will man an die Mysterien von Hybernia herankommen, will man sich ihnen nähern im Astrallichte, so bekommt man zunächst etwas wie eine Betäubung. Es schlägt einen zurück. Sie wollen selbst in den Akasha-Nachbildungen sich heute nicht mehr sehen lassen, trotzdem sie am längsten bestanden haben in ursprüng­licher Echtheit, diese irischen, diese hybernischen Mysterien.

Nun bedenken Sie: Berührt von den hybernischen Mysterien war ja die Individualität, die in Alexander dem Großen steckte, während der Gilgamesch-Zeit, während des Zuges nach dem Westen bis in die Ge­gend des heutigen Burgenlandes. Es lebte in dieser Menschenindividua­lität, und lebte auf eine sehr alte Art, in der Zeit, in der eben durch­aus noch starke Anklänge in diesem Westen waren an die atlantische Zeit. Das war nun durch den seelischen Zustand, der zwischen dem Tode und einer neuen Geburt verfließt' hindurchgetragen. Dann waren die beiden Freunde, Eabani und Gilgamesch, wiederum eben gerade in Ephesus, um dort mit einer großen Bewußtheit dasjenige zu erleben, was mehr oder weniger noch unbewußt, unterbewußt im Zusammen-hange mit der göttlich-geistigen Welt vorher während der Gilgamesch­Zeit erlebt worden war. Aber es war während der ephesischen Zeit ein verhältnismäßig ruhiges Leben, ein Verdauen, Verarbeiten desjenigen, was in früheren bewegteren Zeiten in die Seelen hineingezogen war.

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Nun muß man bedenken: Bevor diese Individualitäten wiederum erschienen in der Dekadenz der Griechenzeit, in dem Aufblühen der makedonischen Zeit, was war da über Griechenland hinweggegangen! Dieses Griechenland der alten Zeit, das im Grunde genommen sich über das Meer hinüber ausdehnte und auch Ephesus umfaßte, bis tief nach Kleinasien hineinging, dieses Griechenland, das hatte eben in den Schattenbildern durchaus noch den Nachklang der alten Götterzeit. Im Schatten wurde der Zusammenhang des Menschen mit der geistigen Welt wohl erlebt. Aber aus dem Schatten arbeitete sich das Griechen­tum allmählich heraus, und wir sehen ja stufenweise, wie sich die grie­chische Zivilisation aus einer sozusagen göttlichen Zivilisation in eine rein irdische hineinarbeitet.

Oh, die wichtigsten Dinge des geschichtlichen Werdens werden ja gar nicht berührt in dem, was heute ganz materialistisch äußere Ge­schichte ist! Wichtig für die ganze Auffassung des Griechentums ist das allerdings, weil nur mehr ein Schattenbild da war in der griechischen Zivilisation von der alten Göttlichkeit, in der der Mensch zusammen-hing mit den übersinnlichen Welten, dann allmählich herauskam aus der Göttlichkeit und zu dem Gebrauche seiner eigenen, ganz individuell persönlichen geistigen Fähigkeiten kam. Das ging stufenweise vor sich. Wir können es den Dramen des Aeschylos noch ansehen, wie da das­jenige, was noch gefühlt wird von der alten Götterzeit, wie das nun noch auftritt in künstlerischem Bilde. Aber kaum kommt Sophokles, so reißt schon sozusagen der Mensch sich ab von diesem Sich-zusammen-Fühlen mit dem göttlich-geistigen Dasein. Und dann, dann tritt etwas ein, was an einen Namen geknüpft ist, der ganz gewiß nicht hoch genug zu schätzen ist von einem gewissen Gesichtspunkte aus; aber es gibt ja verschiedene Gesichtspunkte in der Welt.

Sehen Sie, in älteren griechischen Zeiten hatte man wahrhaftig nicht notwendig, Geschichte aufzuzeichnen. Wozu denn? Es war ja die leben­dige Abschattung da des wichtigen Vergangenen. Die Geschichte las man ab in demjenigen, was sich in den Mysterien zeigte. Da waren die Schattenbilder, die lebendigen Schattenbilder. Was sollte man denn aufschreiben als Geschichte? Da kam die Zeit, wo diese Schattenhilder hinuntergingen in die untere Welt, wo das menschliche Bewußtsein sie

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nicht mehr aufnehmen konnte. Da entstand zuerst der Drang, nun Ge­schichte aufzuschreiben. Da kam der erste Prosaiker der Geschichte, Herodot, herauf. Und man könnte von da an viele Namen nennen, immer zielt das daraufhin, sozusagen herauszureißen die Menschheit aus dem Göttlich-Geistigen, sie hinzustellen in das rein Irdische. Aber immerhin war über diesem ganzen Irdischwerden während des Grie­chentums ein Glanz, ein Glanz, von dem wir morgen hören werden, daß er eben nicht auf das Römertum und nicht auf das Mittelalter übergegangen ist. Ein Glanz war da. Den Schattenbildern, auch den in der Abenddämmerung der griechischen Zivilisation verglimmenden Schattenbildern spürte man es noch an, empfand man es an, daß sie göttlichen Ursprungs waren.

Und inmitten von all dem, wie die Zufluchtsstätte' wo man Auf­klärung fand über all das, was da in Griechenland, ich möchte sagen, in Fragmenten der Kultur vorhanden war, inmitten von all dem stand Ephesus. Heraklit, viele der größten Philosophen, auch Platon, Pytha­goras, sie alle haben noch von Ephesus gelernt. Ephesus war wirklich dasjenige, was bis zu einem gewissen Punkte bewahrt hatte die alten orientalischen Weistümer. Und auch diejenigen Individualitäten, die in Aristoteles und Alexander dem Großen waren, in Ephesus konnten sie erfahren, etwas später als Heraklit, was dann noch an altem Wissen in den orientalischen Mysterien war, das als Erbstück geblieben ist dem Mysterium von Ephesus. Innnig verbunden insbesondere mit der Alex­anderseele war dasjenige, was in Ephesus an Mysterienwesen lebte. Und nun geschah eines jener historischen Ereignisse, von denen die Triviallinge annehmen, daß sie ein äußerer Zufall sind, die aber gerade tief, tief begründet sind in den inneren Zusammenhängen der Mensch­heitsentwickelung.

Um die Bedeutung dieses historischen Ereignisses einsehen zu können, rufen wir uns das Folgende einmal vor die Seele. Denken Sie daran, daß ja in den beiden Seelen, in der Seele desjenigen, der dann Aristo­teles wurde, und desjenigen, der Alexander der Große wurde, zunächst das lebte, was innerlich verarbeitet war aus uralter Zeit heraus, dann das lebte, was in Ephesus ihnen ungeheuer wertvoll geworden war. Ich möchte sagen, ganz Asien, aber in der Form, in der es griechisch

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geworden war in Ephesus, lebte in den beiden, insbesondere in der Seele desjenigen, der später Alexander der Große geworden ist. Nun stelle man sich auch den Charakter vor - ich habe ihn geschildert aus der Gilgamesch-Zeit - und man denke sich, daß sich ja nun im leben­digen Verkehr zwischen Alexander und Aristoteles das Wissen, das an den alten Orient und an Ephesus gebunden war, wiederholte, aber in der neuen Form des Wissens wiederholte. Man stelle sich das nur vor. Man stelle sich vor, was hätte werden müssen, wenn das gigantische Dokument, das eigentlich in diesen Seelen mit einer ungeheuren Inten­sität gelebt hat, wenn dieses gigantische Dokument, das Mysterium von Ephesus, dagewesen wäre, wenn also auch in der Alexander-Inkar­nation Alexander das Mysterium von Ephesus noch angetroffen hätte! Man stelle sich das vor, und man würdige dann die Tatsache, daß an dem Tage, an dem Alexander geboren wurde, Herostrat die Brand-fackel in das Heiligtum von Ephesus geworfen hat, so daß der Dianen­tempel von Ephesus an dem Tage, an dem Alexander geboren wurde, durch Frevlerhand abgebrannt ist. Es ward nicht mehr befunden auf Erden dasjenige, was gerade geknüpft war an seine Denkmal-Doku­mente. Das war nun nicht da, das war im Grunde genommen allein jetzt als historische Mission in der Seele des Alexander und in seinem Lehrer Aristoteles.

Und nun verbinden Sie dasjenige, was da in ihnen als Seelisches lebte, mit dem, was ich gestern, als wie aus der Konfiguration der Erde heraus folgend, in der Mission Alexanders des Großen zeigte. Und nun werden Sie verstehen können, daß ja mit Ephesus wie ausgelöscht war dasjenige, was im Orient real, reale Offenbarung des Göttlich-Geistigen war. Die anderen Mysterien waren im Grunde genommen nur noch Dekadenz-Mysterien, in denen Traditionen aufbewahrt wurden, wenn auch manchmal sehr lebhafte Traditionen, und Traditionen, die in be­sonders veranlagten Naturen allerdings hellseherische Kräfte hervor­riefen. Aber die Großartigkeit, das Gigantische der alten Zeit war nicht da. Mit Ephesus war ausgelöscht dasjenige, was aus Asien lebendig her­übergekommen war. Nun würdigen Sie den Entschluß in der Seele Alexanders des Großen: Diesem Orient, der verloren hat dasjenige; was er einst hatte, muß es wenigstens gebracht werden in der Form,

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in der es in Griechenland im Schattenbilde sich bewahrt hat! - Damit entstand der Gedanke Alexanders des Großen, hinüberzuziehen nach Asien, so weit als nur gezogen werden konnte, um das, was der Orient verloren hatte, ihm im Schattenbilde in der griechischen Kultur wieder­um zu bringen.

Und nun sehen wir, wie mit diesem Zug Alexanders des Großen tat­sächlich in einer ganz wunderbaren Weise nicht eine Kultureroberung gemacht wird, wie man nicht versucht, irgendwie Hellenentum in einer äußeren Weise dem Orientalen zu bringen, sondern Alexander der Große nimmt überall nicht nur die Sitten des Landes an, sondern er ist überall imstande, aus dem Herzen, aus den Gemütern der Menschen heraus zu denken. Als er nach Ägypten, nach Memphis kommt, wird er als ein Befreier von all dem geistigen Sklavenzeug angesehen, das bis dahin geherrscht hat. Das Perserreich durchdringt er mit einer Kul­tur, mit einer Zivilisation, zu der die Perser niemals imstande gewesen sind. Bis nach Indien dringt er vor. Den Plan faßt er, den Ausgleich, die Harmonisierung zu bewirken zwischen hellenischer und orientali­scher Zivilisation. Überall gründet er Akademien. Die bedeutsamsten für die Nachwelt sind ja dann die Akademien, die er in Alexandria, in Nordägypten, gründete. Aber das Allerwichtigste ist, daß er überall in Asien drüben große und kleine Akademien gründet, in denen dann in der folgenden Zeit die Werke des Aristoteles, auch die Traditionen des Aristoteles gepflegt werden. Und das hat durch Jahrhunderte in Vorderasien weitergewirkt, so weitergewirkt, daß, ich möchte sagen, immerfort noch wie im schwachen Nachbilde sich das wiederholt hat, was Alexander inaugurierte. Alexander hat zunächst in einem mäch­tigen Stoß das Naturwissen drüben in Asien gepflanzt bis nach Indien hinein - durch seinen frühen Tod war er noch nicht imstande, bis nach Arabien zu kommen -, das war sein Hauptziel; bis nach Indien hinein, bis nach Ägypten hinein, überallhin verpflanzte er das, was er als Naturgeist-Wissen von Aristoteles aufgenommen hatte. Und er hat es überall so hingestellt, daß es fruchtbar werden konnte dadurch, daß die Menschen, die es aufnehmen sollten, es als ihr Eigenes empfanden, nicht als ein fremdes Hellenisches, das ihnen aufgetragen werden sollte. Es konnte tatsächlich nur eine so feuersprühende Natur wie

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Alexander der Große dies bewirken, was da bewirkt worden ist. Denn immerdar kamen Nachschübe. Viele Gelehrten der späteren Zeit gin­gen wiederum von Griechenland hinüber, und insbesondere war es eine der Akademien - außer Edessa war es die Akademie von Gondi­shapur -, welche durch Jahrhunderte hindurch immer wieder und wiederum Nachzüge aus Griechenland erfahren hat.

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Da wurde das Ungeheure vollzogen, daß dasjenige, was vom Oriente herübergekommen war (hell und rote Flammen), was in Ephesus ge­stoppt worden ist durch die Brandfackel des Herostrat (rot>, daß das von seinem Schattenbilde, das in Griechenland war, zurück beleuchtet wurde bis zum letzten Akt, als durch oströmische Tyrannei die grie­chischen Philosophenschulen geschlossen wurden im sechsten nachchrist­lichen Jahrhunderte, und die letzten der griechischen Philosophen sich hinüberflüchteten nach der Akademie von Gondishapur.

Es war dieses Ineinanderarbeiten dasjenige, was vorangegangen war, dasjenige, was zurückgeblieben war (siehe Zeichnung, grünlich, rot). Dadurch war in der Tat in dieser Mission, wenn auch mehr oder weniger unbewußt, aber es war darinnen, daß ja in einer gewissen

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Weise in Griechenland die Welle des Zivilisationslebens angekommen war auf eine luziferische Art, in Asien drüben sie zurückgeblieben war auf eine ahrimanische Art; in Ephesus war der Ausgleich. Und Alex­ander wollte, da Ephesus physisch an seinem Geburtstage zugrunde gegangen war, ein geistiges Ephesus, das seine Sonnenstrahlen über Orient und Okzident ausstrahlen sollte, begründen. In tieferem Sinne lag dem Wollen Alexanders zugrunde, ein geistiges Ephesus zu begrün­den über Vorderasien bis nach Indien hinein, über das ägyptische Afrika, über den Osten von Europa.

Man kann nicht die geschichtliche Entwickelung der abendländischen Menschheit verstehen, wenn man diesen Hintergrund nicht hat. Denn bald nachdem dies geschehen war, nachdem hier versucht worden war, das uralt-ehrwürdige Ephesus auf breitem Raum auszubreiten, wurde im Grunde genommen in Alexandrien in Ägypten, wenn auch in mat­ten Schriftzeichen, dasjenige bewahrt, was in leuchtenden weiten Lettern einmal vorhanden war in Ephesus. Und nachdem geblüht hat diese Nachblüte von Ephesus, machte sich ja geltend weiter im Westen drü­ben das Römertum, das nun eine ganz andere Welt ist, das nichts mehr zu tun hat mit den griechischen Schattenbildern, sondern das im mensch­lichen Wesen eben nur die Erinnerungen an diese alten Zeiten zurück-behält. Daher ist der wichtigste Einschnitt, der in der Geschichte stu­diert werden kann, der, als nach dem Brande von Ephesus begründet werden soll durch Alexander ein geistiges Ephesus, das dann zurück­geschoben wird von denjenigen, was sich weiter im Westen geltend macht, zuerst als Römertum, dann als Christentum und so weiter. Und man versteht die Entwickelung der Menschheit nur, wenn man sich sagt: So wie wir sind mit unserer Art, den Verstand aufzufassen, mit unserer Art, aus dem Willen heraus zu wirken, mit unserer Gemüts­stimmung, so können wir zurückschauen in das alte Rom. Da versteht man alles. Aber man kann nicht zurückschauen nach Griechenland, nicht nach dem Oriente. Da muß man in Imaginationen schauen, dazu ist geistiges Schauen notwendig.

Ja, nach Süden dürfen wir schauen auch im geschichtlichen Werden mit dem gewöhnlichen, nüchtern prosaischen Verstande, nicht aber nach dem Osten. Denn wenn wir nach dem Osten schauen, müssen wir in

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Imaginationen schauen: hinten auf dem Hintergrunde die mächtigen Mysterientempel des uralten Asiens der nachatlantischen Zeit, wo die Priesterweisen jedem ihrer Schüler seinen Zusammenhang mit dem Göttlich-Geistigen des Kosmos klarlegten, wo eine Zivilisation war, wie sie, wie ich Ihnen geschildert habe, in der Gilgamesch-Zeit aufge­nommen werden konnte. Dann müssen wir sehen, indem wir über Asien zerstreut diese wunderbaren Tempel schauen, wie im Vorder-grunde Ephesus steht, bewahrend noch vieles von dem, was schon ab­geblaßt war in den über Asien zerstreuten Tempeln, vieles von dem noch bewahrend, aber schon ins Griechentum übergegangen. Schon braucht der Mensch nicht mehr auf die Sternkonstellationen und Jah­reszeiten zu warten und auf seine eigenen Lebensalter, um die Offen­barungen der Götter zu empfangen in Ephesus, sondern schon kann er durch dasjenige, was er, wenn er reif ist, opfert, an Exerzitien macht, sich den Göttern nahen, so daß sie gnadevoll zu ihm kommen. Und nun sehen wir in einer Welt, die durch dieses Bild wiedergegeben wird, in der Heraklit-Zeit, vorbereitet die Persönlichkeiten, von denen ich Ihnen gesprochen habe, nun sehen wir 356, am Geburtstage Alexanders des Großen, die Feuerflammen auflodern aus dem Tempel von Ephe­sus. Alexander der Große wird geboren, findet seinen Lehrer Aristoteles. Und es ist, wie wenn aus diesen zum Himmel aufsteigenden Feuer-flammen von Ephesus heraus ertönen würde für diejenigen, die ver­stehen konnten: Begründet ein geistiges Ephesus, wo in den Weiten das alte physische Ephesus wie sein Mittelpunkt, wie sein Zentrum in der Erinnerung dastehen kann.

Und so sehen wir dieses Bild des alten Asiens mit seinen Mysterien-stätten, im Vordergrunde Ephesus, brennend, seine Schüler, und gleich­zeitig fast, in etwas späterer Zeit, die Alexanderzüge, die das, was Griechenland im Fortschritte der Menschheit geben konnte, hinüber-trugen, so daß im Bilde nach Asien kam, was Asien an Realität ver­loren hatte.

Und indem wir da hinüberschauen, unsere Imagination beflügelt sein lassen von dem, was sich da als Ungeheures ergibt, sehen wir zurück auf den wahrhaften alten Abschnitt der Geschichte, den man imagina­tiv fassen muß. Und dann sehen wir erst im Vordergrunde sich erheben

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die römische Welt, die Welt des Mittelalters, die Welt, die bis zu uns herein geht. Und alle anderen Einteilungen - Altertum, Mittelalter und Neuzeit, oder wie sonst die Gliederungen heißen -, die rufen im Grunde genommen nur falsche Vorstellungen hervor. Dieses Bild allein, das ich jetzt vor Sie hingestellt habe, kann Ihnen, wenn Sie es tiefer und immer tiefer verfolgen, einen wirklichen Einblick geben auch in die Geheimnisse, die sich bis zum heutigen Tage in dem Werden der europäischen Geschichte ergeben haben. Davon dann morgen weiter.

SECHSTER VORTRAG Dornach, 29. Dezember 1923

#G233-1962-SE094 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

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SECHSTER VORTRAG

Dornach, 29. Dezember 1923

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Die Zeit drei bis vier Jahrhunderte vor dem Mysterium von Golgatha, drei bis vier Jahrhunderte nachher, was einen Zeitraum von sedis bis acht Jahrhunderten gibt, diese Zeit ist für das Verständnis der Ge-schichte des Abendlandes in ihrem Anschlusse an das Morgenland ganz besonders wichtig. Das Wesentliche der Ereignisse> von denen ich in den vergangenen Tagen gesprochen habe, und die da gipfelten im Auf­treten des Aristotelismus und in den Alexanderzügen von Makedonien nach Asien hinüber, das Wesentliche dieser Ereignisse ist, daß sie eine Art von Abschluß bilden für jene Zivilisation des Orients, die noch ganz und gar getaucht war in die Impulse des Mysterienwesens.

Der letzte Abschluß sozusagen dieser noch echten, reinen Mysterien-Impulse des Orienst war ja der frevlerische Brand von Ephesus. Und wir haben es dann zu tun mit demjenigen, was sozusagen für Europa, für Griechenland, dann übrig bleibt an Mysterientradition, an Schat­tenbildern, möchte ich sagen, der alten gottdurchdrungenen Zivilisa­tion. Und vier Jahrhunderte nach dem Mysterium von Golgatha können wir sozusagen sehen durch ein anderes Ereignis, was noch vor­handen war von den Trümmern des Mysterienwesens. Wir können es sehen an Julianus Apostata. Julianus Apostata, der römische Kaiser, wird im vierten Jahrhunderte in dasjenige eingeweiht, in das man eben eingeweiht werden konnte, von einem der letzten Hierophanten der Eleusinischen Mysterien. Das heißt, Julianus Apostata erfuhr eben so viel von dem, was die älteren Göttergeheimnisse des Orienst waren, als im vierten nachchristlichen Jahrhunderte in den Eleusinien noch zu erfahren war. Damit haben wir den andern Punkt eines gewissen Zeit­alters, an dessen Ausgangspunkt wir den Brand von Ephesus sehen. An dem Tage des Brandes von Ephesus ist der Geburtstag Alexanders des Großen. Wir haben am Ende dieser Epoche stehend, 363, den Todestag, den gewaltsamen Tod Julianus Apostatas drüben in Asien. Man möchte sagen: Mitten drinnen in diesem Zeitraume steht das Mysterium von Golgatha. Und nun sehen wir uns einmal an, wie sich

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dieser Zeitraum, den ich eben begrenzt habe, eigentlich ausnimmt in der ganzen Entwickelungsgeschichte der Menschheit. Wir haben ja jetzt die merkwürdige Tatsache vor uns liegen, daß, wenn wir zurück­schauen wollen jenseits dieses Zeitraumes in die Entwickelung der Menschheit hinein, wir etwas tun müssen in unserem Anschauen, das sehr ähnlich ist einem anderen. Nur bringen wir die beiden Dinge oft­maIs nicht zusammen.

Erinnern Sie sich, wie ich genötigt war, darzustellen in meiner «Theo­sophie» die Welten, die für uns in Betracht kommen: die physische Welt, daran grenzend eine Übergangswelt, die Seelenwelt, und dann als die Welt, in die nur Eintritt gewinnen kann der höchste Teil des Menschen, das Geisterland. Und wenn man absieht von den besondern Eigentümlichkeiten dieses Geisterlandes, das gegenwärtig der Mensch durdimacht zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, wenn man so auf die allgemeinen Eigentümlichkeiten dieses Geisterlandes sieht, dann ist es so, daß wir in ganz ähnlicher Weise, wie wir umorientieren müs­sen unsere Seelenverfassung, um dieses Geisterland zu begreifen, um-orientieren müssen unsere Seelenverfassung, um dasjenige zu begreifen, was jenseits dieses Zeitpunktes liegt. Mit den Begriffen und Vorstellun­gen, die auf die heutige Welt anwendbar sind, sollen wir nur ja nicht glauben, dasjenige verstehen zu können, was hinter dem Brande von Ephesus liegt. Da muß man andere Ideen und Begriffe ausbilden, die einem eben gestatten, hinzuschauen auf Menschen, die noch wußten, daß sie, so wie der Mensch im Atmungsprozesse mit der äußeren Luft, so durch seine Seele fortdauernd mit den Göttern zusammenhängt.

Und nun, sehen wir uns an diese Welt, die gewissermaßen ein irdi­sches Devachan, ein irdisches Geisterland ist, denn die physische Welt nutzt nichts für diese Welt. Dann haben wir jene Zwischenzeit von meinetwillen 356 vor Christus bis 363 nach Christus. Und was liegt nun jenseits davon? Jenseits davon, gegen Asien hin, jenseits gegen Europa zu liegt die Welt, aus der die gegenwärtige Menschheit eben im Be­griffe ist herauszukommen, so wie die alte Menschheit aus der orien-talischen Welt über die griechische ins Römerreich hineingekommen ist (siehe Zeichnung). Denn dasjenige, was durch die Jahrhunderte des Mittelalters bis in unsere Zeiten herein sich als Zivilisation entwickelt

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hat, das ist eine Zivilisation, welche sich gebildet, entfaltet hat abge­sehen von dem eigentlichen Innern des Mysterienwesens, welche sich entwickelt hat auf der Grundlage dessen, was der Mensch mit seinen Begriffen und Vorstellungen ausbilden kann. In Griechenland hatte es sich schon vorbereitet seit Herodot, der in äußerlicher Weise die Tat­sachen der Geschichte beschrieben hat und nicht mehr an das Geistige oder wenigstens nur höchst mangelhaft an das Geistige herangetreten ist. Dann bildet sich das immer mehr und mehr aus. Aber in Griechen-land bleibt immer noch etwas von dem Hauche jener Schattenbilder, die an das geistige Leben erinnern sollten. In Rom dagegen beginnt jenes Zeitalter, dem die Menschheit der Gegenwart noch verwandt ist, jenes Zeitalter, das in einer ganz anderen Weise eine Seelenverfassung hat, als selbst diejenige Griechenlands noch war. Nur solch eine Per­sönlichkeit wie Julianus Apostata empfindet etwas wie eine unbesieg­liche Sehnsucht nach der alten Welt, und er läßt sich mit einer gewissen Ehrlichkeit in die Eleusischen Mysterien einweihen. Aber es hat keine Erkenntniskraft mehr, was er da bekommt. Und vor allen Dingen, er entstammt einer Welt, die mit dem Inneren der Seele nicht mehr er­greifen kann, was da an Traditionen aus dem Mysterienwesen des Orients vorhanden war.

Die heutige Menschheit wäre nimmermehr entstanden, wenn eben nicht auf Asien Griechenland, Rom gefolgt wäre. Die heutige Menschheit

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ist jene Menschheit, die auf Persönlichkeit, auf die individuelle Persönlichkeit des Einzelnen gebaut ist. Die orientalische Persönlich­keit, die orientalische Menschheit war nicht auf die individuelle Per­sönlichkeit des Einzelnen gebaut. Der Einzelne fühlte sich als ein Glied des fortlaufenden göttlichen Prozesses. Die Götter hatten ihre Absich­ten mit der Erdenentwickelung, die Götter wollten dies oder jenes; daher geschah dies oder jenes hier unten auf der Erde. Im Willen der Menschen wirkten inspirierend die Götter. Alles dasjenige, was die machtvollen Persönlichkeiten, auf die ich Ihnen Ilingedeutet habe, im Orient getan haben, war Götter-Inspiration. Die Götter wollten und die Menschen taten. Und die Mysterien waren geradezu da in den älteren Zeiten, dieses Götterwollen und Menschentum in die richtigen Geleise zu bringen.

Erst in Ephesus war das anders geworden. Da waren, wie ich Ihnen sagte, die Mysterienschüler auf ihre eigene Reife, nicht mehr aufjahres­zeitenlauf angewiesen. Da war zuerst die erste Spur von Persönlichkeit aufgetreten. Da hatten auch Aristoteles und Alexander der Große in früheren Inkarnationen den Impuls der Persönlichkeit empfangen. Aber nun kam die Zeit, die ihre Morgendämmerung da hat, wo Julia­nus Apostata die letzte Sehnsucht bekommt, ein Mensch des Mysterien-wesens des Orients zu sein. Nun kommt die Zeit, in der es in der menschlichen Seele ganz anders wird, als es selbst in Griechenland war.

Stellen Sie sich noch solch einen Menschen vor, der in den Ephesi­schen Mysterien etwa seine Schulung erlangt hat. Nicht durch die Ephe­sischen Mysterien, sondern dadurch, daß er in jener Zeit lebte, war es so in seiner Seele. Sehen Sie, wenn heute ein Mensch sich besinnt, wie man sagt, auf was kann er sich besinnen? Er kann sich besinnen auf irgend etwas, was er persönlich seit seiner Geburt erlebt hat. Da ist ein Mensch von einem bestimmten Alter; er besinnt sich auf dasjenige, was er vor zwanzig, dreißig Jahren erlebt hat. Die innere Gedankenbesin­nung führt nicht weiter als in das persönliche Leben. So war es nicht bei den Menschen, die zum Beispiel noch die ephesische Zivilisation mitmachten. Wenn diese nur eine Spur jener Schulung hatten, die in Ephesus zu erlangen war, dann kam es, indem sie sich besannen, daß auftauchten in ihrer Seele, wie heute die Erinnerungen an das persönliche

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Leben auftauchen, die Ereignisse des vorirdischen Daseins und auch die Ereignisse, die der Erdenentwickelung in den einzelnen Rei­chen der Natur vorangegangen sind: Mondenentwickelung, Sonnen-entwickelung. Da konnte man in sich hineinschauen, und man schaute Kosmisches, Verbindung des Menschen mit Kosmischem, gleichsam das Hängen des Menschen an dem Kosmischen. Das, was in der mensch­lichen Seele lebte, war Selbsterinnerung.

Wir können also sagen: Wir haben da ein Zeitalter, jenes Zeitalter, in dem man in Ephesus erleben konnte die Weltgeheimnisse. Da war ein Erinnern der Menschenseele an die Vorzeit im Kosmos. Diesem Er­innern ging voran ein wirkliches Drinnenleben in der Vorzeit. Es blieb davon einfach ein Hineinschauen in die Vorzeit. In der Zeit, von der das Gilgamesch-Epos erzählt, da können wir nicht sagen: Erinnerung der Menschenseele an die Vorzeit im Kosmos; da müssen wir sagen: ein Erleben der Vorzeit in der Gegenwart. - Nun kommt jener Zeitraum von Alexander bis Julianus Apostata. Wir wollen ihn zunächst aus­lassen. Und dann kommen wir zu dem Zeitalter, aus dem die abend­ländische Zivilisation des Mittelalters und der Neuzeit herausgewach-sen ist. Da gab es nicht mehr ein Erinnern der Menschenseele an die Vorzeit im Kosmos, nicht mehr ein Erleben der Vorzeit in der Gegen­wart, sondern da gab es nur noch Tradition.

1. Erleben der Vorzeit in der Gegenwart

2. Erinnern der Menschenseele an die Vorzeit im Kosmos

3. Tradition

Man konnte dasjenige aufschreiben, was geschehen ist. Geschichte entstand. Diese Geschichte beginnt mit dem römischen Zeitalter. Den­ken Sie sich den gewaltigen Unterschied! Denken Sie sich die Zeit, die mitgemacht wurde von den älteren ephesischen Schülern. Die brauch­ten keine Geschichtsbücher. Aufschreiben dasjenige, was geschehen ist, wäre ihnen lächerlich erschienen. Denn man mußte nachdenken, ge­nügend tief nachdenken, dann kam herauf aus dem Untergrunde des Bewußtseins dasjenige, was geschehen ist. Und kein moderner Medikus war da, der das als Psychoanalyse darstellte, sondern es war gerade das Entzücken der Menschenseele, in dieser Weise heraufzuholen aus einem lebendigen Erinnern dasjenige, was einstmals da war.

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Dann kam die Zeit, in der die Menschheit als solche vergessen hatte und notdürftig aufschreiben mußte dasjenige, was geschehen ist. Aber während die Menschheit das verkümmern lassen mußte, was früher in der Menschenseele kosmische Erinnerungskraft war, während die Menschheit stümperhaft anfangen mußte aufzuschreiben die Welt-ereignisse, Geschichte zu schreiben und so weiter, während der Zeit entwickelte sich im menschlichen Inneren das persönliche Gedächtnis, die persönliche Erinnerung. Jedes Zeitalter hat seine besondere Mis­sion, seine besondere Aufgabe. Sie haben hier die andere Seite des­jenigen, was ich schon in den allerersten Vorträgen so dargelegt habe, daß das Zeitengedächtnis auftrat. Dieses Zeitengedächtnis hatte seine erste Wiege in Griechenland, entwickelte sich aber dann eben durch die römisch-romanische Kultur in das Mittelalter herein bis in die Neu­zeit herauf. Und daß zur Zeit des Julianus Apostata schon durchaus die Keime gelegt waren zu dieser Persönlichkeitskultur, dafür ist eben ein Beweis, daß es Julianus Apostata im Grunde genommen nichts mehr genützt hat, daß er sich in die Eleusinischen Mysterien einweihen ließ.

Nun kommt also die Zeit, in der der Mensch im Abendlande vom dritten, vierten nachchristlichen Jahrhundert an bis in unsere Zeit her­ein während seines Erdenlebens ganz außerhalb der geistigen Welt lebt, die Zeit, in der er in bloßen Begriffen und Ideen, in Abstraktionen lebt. In Rom werden selbst die Götter zu Abstraktionen. Es kommt die Zeit, in der die Menschheit nichts mehr weiß von dem lebendigen Zusam­menleben mit der geistigen Welt. Die Erde ist nicht mehr Asia, das unterste Gebiet der Himmel, die Erde ist eine Welt für sich, und die Himmel sind ferne, sind abgedämpft im menschlichen Anschauen. So daß man sagen kann: Die Persönlichkeit entwickelt der Mensch unter dem Einflusse desjenigen, was als römische Kultur über das Abendland gekommen ist.

Geradeso wie an die Geisteswelt, das Geisterland, das oben ist, unten eine Seelenwelt angrenzt, so grenzt nun auch der Zeit nach das­jenige an diese geistige orientalische Welt an, was die Zivilisation des Abendlandes ist: eine Art Seelenwelt. Und diese Seelenwelt zeigt sich eigentlich direkt bis in unsere Tage herein. Aber die Menschheit merkt heute in ihren meisten Exemplaren noch nicht, daß tatsächlich ein

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mächtiger Umschwung im Gange ist. Einzelne der Freunde, die mich öfter hören, werden wissen, daß ich nicht gern davon spreche, daß ein Zeitalter ein Übergangszeitalter ist, denn es ist eben jedes Zeitalter ein Übergangszeitalter, nämlich vom Früheren zum Späteren. Es kommt nur darauf an, von was zu was der Übergang stattfindet. Aber gerade mit dem, was ich Ihnen gesagt habe, ist hingedeutet darauf, daß dieser Übergang so ist, wie wenn man vom Geisterland in die Seelenwelt und von da erst in die physische Welt kommt. Oh, es gab noch immer in der Zivilisation, die bisher sich entwickelt hat, gewisse geistige Anklänge! Selbst im Materialismus verrieten sich gewisse geistige An­klänge. Der eigentliche Materialismus auf allen Gebieten, er ist erst seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts da, und er wird noch von den wenigsten Menschen in seiner ganzen Bedeutung verstanden. Aber er ist da mit einer riesigen Kraft, und es ist heute eine Übergangs-zeit zu einer dritten Welt, die wirklich von der vorhergehenden so verschieden ist, wie diese vorhergehende römische von der orientali­schen verschieden ist.

Nun, ich möchte sagen, es ist gewissermaßen ein Zeitraum ausgespart worden zwischen Alexander und Julianus, und in die Mitte dieses Zeitraumes hinein fällt das Mysterium von Golgatha. Dieses Myste­rium von Golgatha wird von der Menschheit nicht mehr so empfangen wie zur Zeit, da die Menschen die Mysterien begriffen haben, sonst würde man ja ganz andere Vorstellungen von dem Christus gehabt haben, der in dem Menschen Jesus von Nazareth gelebt hat. Aber nur wenige Menschen, die in die Mysterien eingeweihten Zeitgenossen des Mysteriums von Golgatha, hatten noch solche Vorstellungen. Die weit­aus größte Zahl der abendländischen Menschheit hatte keine Vorstel­lungen, um spirituell das Mysterium von Golgatha zu begreifen. Daher war die erste Art, wie das Mysterium von Golgatha auf Erden Platz gegriffen hat, die durch äußere Tradition, durch die äußere Überlie-ferung. Nur in Eingeweihtenkreisen in den allerersten Jahrhunderten war es so, daß man auch spirituell begreifen konnte, was mit dem Mysterium von Golgatha geschehen war.

Aber etwas anderes war noch da, wovon ich schon zu einigen von Ihnen in kurz vorangegangenen Vorträgen gesprochen habe. Drüben

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in Hybernia, in Irland, waren die Nadiklänge der alten atlantischen Weisheit. In den Mysterien von Hybernia, die ich Ihnen vorgestern skizziert habe, waren für den Schüler in den zwei suggestiven Gestal­ten die Möglichkeiten vorhanden, scharf so die Welt zu sehen, wie sie die alten Atlantier gesehen haben. Und streng in sich abgeschlossen, in eine Atmosphäre von ungeheurem Ernst gehüllt, waren diese My­sterien von Hybernia. Sie waren da in den Jahrhunderten vor dem Mysterium von Golgatha, sie waren auch da zur Zeit des Mysteriums von Golgatha. Drüben in Asien ging vor sich das Mysterium von Gol­gatha, in Jerusalem spielte sich dasjenige ab, was dann traditionell historisch mitgeteilt wird in den Evangelien. Aber ohne daß irgend­ein menschlicher Mund eine Nachricht überbracht hätte, ohne daß irgendeine andere Verbindung dagewesen wäre, wußte man hellsichtig in den Mysterien von Hybernia in dem Momente, als das Mysterium von Golgatha sich tragisch vollzog, daß in Palästina das reale Myste­rium von Golgatha vor sich ging. In den Mysterienstätten von Hyber­nia vollzog sich das symbolische Bild gleichzeitig. Man lernte dort nicht durch Tradition, man lernte dort kennen das Mysterium von Golgatha auf spirituelle Art. Und während sich das großartigste, majestätischeste Ereignis in Palästina in äußerer physischer Tatsächlichkeit zugetragen hat, hatten sich in den Mysterien von Hybernia jene Kulthandlungen vollzogen, durch die dort im Astrallichte ein lebendes Bild des Myste-riums von Golgatha da war.

Sie sehen, wie die Dinge verkettet sind, wie tatsächlich, ich möchte sagen, eine Art Wellentales da ist, in dem der alte Zusammenhang mit den Göttern schwindet.

Im Morgenlande korrumpiert sich diese alte Götteranschauung nach dem Brande von Ephesus. In Hybernia ist sie vorhanden, bleibt sie vorhanden, bis sie, aber da erst in der nachchristlichen Zeit, auch da verschwindet. Und es entwickelt sich alles dasjenige, was vom Myste­rium von Golgatha ausstrahlt, durch Tradition, durch mündliche Über-lieferung. Es entwickelt sich überhaupt im Abendlande eine Zivilisa­tion, die nur auf mündliche Überlieferung rechnet, oder aber später auf eine äußere Naturforschung, auf eine rein sinnliche Naturforschung, was ja auf dem Gebiete der Natur entspricht der bloßen Überlieferung,

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der schriftlichen oder mündlichen Überlieferung auf geschichtlichem Gebiete.

So daß man sagen kann: Hier ist die Zivilisation der Persönlichkeit. Das Spiritualistische, das Mysterium von Golgatha wird noch historisch überliefert, nicht mehr geschaut (siehe Zeichnung, Seite 104). Man stelle sich das nur lebhaft vor, stelle sich vor, wie in der Zeit nach Julianus Apostata sich da eine Kultur mit Ausschluß des Spirituellen ausbreitet. Erst am Ende des neunzehnten Jahrhunderts, vom Ende der siebziger Jahre an, kam sozusagen ein neuer Ruf aus geistigen Höhen an die Menschheit heran. Es begann jenes Zeitalter, das ich oftmals als das Michael-Zeitalter charakterisiert habe. Heute will ich es von dem Ge­sichtspunkte aus charakterisieren, daß ich sage: Es kam jenes Zeitalter, wo der Mensch, wenn er bleiben will beim alten Materialismus - und ein großer Teil der Menschheit will zunächst dabei bleiben -, dann aber in furchtbare Abgründe hineinkommen wird. Es wird der Mensch, wenn er zunächst bleibt beim alten Materialismus, unbedingt ins Unter-menschliche hinunterkommen. Er kann sich nicht auf der menschlichen Höhe erhalten. Um sich aber auf der menschlichen Höhe zu erhalten, muß der Mensch seine Sinne eröffnen - das ist unbedingte Notwendig­keit vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts ab - den spirituellen Offenbarungen, die seither wiederum zu haben sind.

Es waren gewisse geistige Mächte am Werke, die in der Persönlich­keit des Herostrat, ich möchte sagen, nur ihren äußeren Ausdruck gefunden haben. Herostrat war sozusagen der letzte Degen, den vor-streckten gewisse geistige Mächte von Asien. Und als Herostrat die Brandfackel in den Tempel von Ephesus hineinschleuderte, waren hinter ihm, gewissermaßen ihn nur haltend als das Schwert oder als die Fort­setzung der Brandfackel, dämonische Wesenheiten, welche im Grunde genommen vorhatten, kein Spirituelles hinüberzulassen in diese euro­päische Zivilisation.

Dem, sehen Sie, widersetzten sich Aristoteles und Alexander der Große. Denn was geschah denn nun eigentlich? Durch die Alexander-züge wurde nach Asien hinübergetragen dasjenige, was Naturwissen des Aristoteles war, und überall breitete sich aus dieses Naturwissen. Alexander hatte überall drüben in Asien, nicht nur in Alexandria in

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Aigypten, Akademien gegründet, in denen er die alte Weisheit fest­setzte, so daß diese alte Weisheit da war und lange Zeit gepflegt wurde. Immerzu konnten die griechischen Weisen kommen und fanden dort ihre Zufluchtsstätte. Naturwissen wurde durch Alexander nach Asien getragen.

Europa konnte dieses tiefere Naturwissen zunächst in aller Ehrlich­keit nicht vertragen. Es wollte nur äußeres Wissen, äußere Kultur, äußere Zivilisation. Daher nahm von dem, was im Aristotelismus war, sein Schüler Theophrast dasjenige, was man dem Abendlande über­geben konnte. Aber in dem steckte noch immer außerordentlich viel. Die mehr logischen Schriften des Aristoteles bekam das Abendland. Aber das ist nun eben das Eigentümliche des Aristoteles, daß er sich doch anders liest, selbst da, wo er abstrakt und logisch ist, als andere Schriftsteller. Man versuche es nur einmal mit innerer, spiritueller, auf Meditation gegründeter Erfahrung, den Unterschied herauszufinden zwischen dem Lesen des Plato und dem Lesen des Aristoteles. Wenn ein moderner Mensch mit einer wirklichen, richtigen geistigen Empfin­dung auf Grundlage einer gewissen Meditation Plato liest, dann fühlt er nach einiger Zeit so, wie wenn sein Kopf etwas höher als der phy­sische Kopf wäre, wie wenn er etwas herausgekommen wäre aus sei­nem physischen Organismus. Es ist das unbedingt der Fall bei dem­jenigen, der nicht nur ganz trocken Plato liest.

Bei Aristoteles ist das anders. Bei Aristoteles wird man niemals die Empfindung gewinnen können, daß man durch die Lektüre außer dem Körper kommt. Aber wenn man den Aristoteles auf Grundlage einer gewissen meditativen Vorbereitung liest, dann wird man das Gefühl haben: er arbeitet gerade in dem physischen Menschen. Der physische Mensch kommt gerade durch Aristoteles vorwärts. Es arbeitet. Es ist nicht eine Logik, die man bloß betrachtet, sondern es ist eine Logik, die innerlich arbeitet. Aristoteles ist doch noch um ein Stück höher als alle die Pedanten, die hinterher gekommen sind und Logik aus dem Aristoteles gebildet haben. Aristoteles' logische Werke sind in einer gewissen Beziehung nur dann richtig aufgefaßt, wenn sie als Medita­tionsbücher aufgefaßt werden. So daß ein Merkwürdiges vorliegt. Denken Sie sich einmal: Wenn auf das Abendland einfach übergegangen

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wären von Makedonien nach dem Westen, nach Mitteleuropa und Südeuropa, die naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles, sie würden in einer Weise aufgenommen worden sein, die unheilvoll ge­wesen wäre. Gewiß, die Menschen hätten manches aufgenommen, aber es wäre unheilvoll geworden. Denn dasjenige, was naturwissenschaft­lich - ich habe eine Probe davon gegeben - Aristoteles dem Alexander zu überliefern hatte, das mußte aufgefaßt werden mit Seelen, die doch noch berührt worden waren von dem Wesen der ephesischen Zeit, der vor dem Brande von Ephesus liegenden Zeit. Die konnte man nur drüben in Asien finden oder im ägyptischen Afrika. So daß durch die Alexanderzüge hinübergegangen war nach Asien die Naturwesenheits­Erkenntnis und -Einsicht (rot, orange), und in abgeschwächter Gestalt kam sie später durch alle möglichen Züge über Spanien herüber nach Europa, aber in einem sehr durchgesiebten, abgeschwächten Zustande (gelb, siehe Zeichnung Seite 108).

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Dasjenige aber, was direkt herübergekommen war, das waren die logischen Schriften des Aristoteles, war das Denkerische des Aristoteles. Und das lebte fort, lebte fort in der mittelalterlichen Scholastik.

Ja, und jetzt haben wir diese zwei Strömungen. Immer haben wir

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auf dem Grunde der mitteleuropäischen Einsichten dasjenige, was, ich möchte sagen, unansehnlich in weiten Kreisen von sogar etwas primi­tiven Menschen sich weiter fortpflanzt. Sehen Sie nur einmal, wie die Saat, die Alexander einstmals nach Asien hinübergetragen hat, die auf allen möglichen Wegen erst über Arabien und so weiter, dann aber auch auf dem Landwege durch die Kreuzfahrer nach Europa gekom­men war, wie das überall lebt, aber unansehnlich, an verborgenen Stätten. Dahin kommen Leute wie Jakob Böhme, wie Paracelsus, wie zahlreiche andere, die das aufnehmen, was auf solchen Umwegen in die breiten primitiven Kreise Europas gekommen ist. Wir haben eine volkstümliche Weisheit hier übermittelt, viel mehr, als man gewöhnlich glaubt. Die lebt. Und sie rinnt manchmal in solche Reservoirs wie Valentin Weigel, wie Paracelsus, wie Jakob Böhme, wie viele andere, deren Namen viel weniger genannt werden; reichlich hingedrängt auf dasjenige, was da in Europa spät erst angekommener Aristotelismus war oder ist, lebt es in Basilius Valentinus und so weiter. In Klöstern lebte eine wirkliche alchemistische Weisheit, die aber nicht bloß auf-klärte über einige Verwandlungen der Stoffe, die aufklärte über innerste Eigentümlichkeiten der menschlichenVerwandlungen selber imWelten­all. Und die anerkannten Gelehrten beschäftigen sich mit einem aller­dings entstellten, durchgesiebten, verlogisierten Aristoteles; aber dieser Aristoteles, mit dem sich die Scholastik und später die Wissenschaft beschäftigen als Philosophie, dieser Aristoteles wird doch dem Abend-lande zum Segen. Denn erst im neunzehnten Jahrhundert, als man nichts mehr versteht von Aristoteles, als man den Aristoteles nur noch studiert, als ob man ihn lesen sollte, als ob man nicht ihn üben sollte, als ob er nicht ein Meditationsbuch wäre, erst im neunzehnten Jahr­hundert kommt es dahin, daß die Menschen nichts mehr haben von Aristoteles, weil er nicht mehr in ihnen wirkt und lebt, sondern weil sie ihn bloß noch studieren, weil er nicht ein Übungsbuch ist, sondern ein Studienobjekt. Bis ins neunzehnte Jahrhundert herein war er ein Übungsbuch. Aber sehen Sie, im neunzehnten Jahrhundert geht ja alles so, daß dasjenige, was früher Übung war, was Können war, nun sich umwandelt in abstraktes Wissen.

In Griechenland - nehmen wir diese andere Linie, durch die sich die

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Sache auch charakterisiert -, in Griechenland hat man Vertrauen dazu, daß aus dem ganzen Menschen heraus noch das kommt, was der Mensch als Einsicht hat. Der Lehrer ist der Gymnast. Aus dem ganzen Menschen in seiner körperlichen Bewegung, in der die Götter wirken, kommt das zustande, was dann gewissermaßen heraufkommt und zu menschlicher Einsicht wird. Der Gymnast ist der Lehrer. In Rom tritt später an die Stelle des Gymnasten der Rhetor. Da ist schon etwas abstrahiert vom ganzen Menschen, aber es ist wenigstens noch etwas da, was zusammenhängt mit einem Tun des Menschen in einem Teil des Organismus. Was wird alles bewegt, wenn wir reden! Wie lebt das Reden in unserem Herzen, in unserer Lunge, bis in unser Zwerch-fell und weiter hinunter! Es lebt nicht mehr so intensiv im ganzen Menschen, wie dasjenige, was der Gymnast getrieben hat, aber es lebt immerhin in einem großen Teil des Menschen. Und die Gedanken sind dann nur ein Extrakt aus dem, was im Reden lebt. Der Rhetor tritt an die Stelle des Gymnasten. Der Gymnast hat es mit dem ganzen Menschen zu tun. Der Rhetor hat es nur noch zu tun mit dem, was gewissermaßen die Gliedmaßen schon ausschließt und also aus einem Teil des Menschen herauf in den Kopf dasjenige schickt, was Einsicht ist. Und die dritte Stufe, die kommt erst in der Neuzeit herauf: das ist der Doktor, der nichts mehr abrichtet als den Kopf, der nur mehr auf die Gedanken sieht. Es ist ja so geworden, daß sozusagen noch im neunzehnten Jahrhundert an einzelnen Hochschulen Professoren der Eloquenz ernannt worden sind, aber sie haben diese Professur nicht mehr ausüben können, weil es nicht mehr üblich war, etwas zu geben auf das Reden, weil alles nur noch denken wollte. Die Rhetoren star­ben aus. Diejenigen, die nur noch das Geringste am Menschen ver-traten, die Doktoren, die nur noch den Kopf vertraten, die wurden die Führer der Bildung.

Und so war es wirklich, als der echte Aristoteles lebte, Übung, Askesis, Exerzitium, was aus dem Aristoteles folgte. Und diese zwei Strömungen verblieben sogar. Derjenige, der nicht ganz jung ist und der bewußt mitgemacht hat, was sich abspielte bis in die letzten Jahr­zehnte des neunzehnten Jahrhunderts, der weiß schon, wenn er so etwas herumgekommen ist in der Art, wie etwa der Paracelsus unter

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dem Landvolke herumgegangen ist, der weiß schon, daß schließlich die letzten Überreste mittelalterlichen Volkswissens, aus denen Jakob Böhme, aus denen Paracelsus geschöpft hat, da waren bis in die sieb­ziger, achtziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts hinein. Und schließlich, auch das ist wahr: Namentlich innerhalb gewisser Orden und im Leben gewisser enger Kreise hat sich ein gewisser Aristotelismus der Praxis, der inneren Seelenpraxis auch noch erhalten bis in die letz­ten Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts herein. Und man darf schon sagen: Man konnte noch kennenlernen auf der einen Seite die letzten Ausläufer desjenigen, was von Alexander vom Aristotelismus hinüber nach Asien getragen worden war, was auf der anderen Seite durch Vorderasien, Afrika, über Spanien herübergekommen ist und dann in solchen Leuten wie Basilius Valentinus und in Späteren auf-lebte als volkstümliche Weisheit, aus der ja auch Jakob Böhme, Para-celsus und zahlreiche andere geschöpft haben. Es ist auf anderem Wege auch wiederum zurückgekommen durch die Kreuzfahrer. Aber es war da in den breiten Massen des Volkes, und man konnte es noch finden. Man konnte noch in den letzten Jahrzehnten des neunzehnten Jahr­hunderts sagen: Gott sei Dank, daß da noch, wenn auch kaum erkenn­bar, wenn auch korrumpiert, die letzten Ausläufer desjenigen lebten, was als alte Naturwissenschaft durch die Alexanderzüge nach Asien hinübergetragen worden ist. Was da noch von alter Alchemie, von alter Erkenntnis und den Zusammenhängen der Natursubstanzen und Na­turkräfte auf ganz merkwürdige Weise im primitiven Volkstume lebte, das waren die letzten Nachklänge. Heute sind sie erstorben, heute sind sie nicht mehr da, sind nicht mehr zu finden, ist in ihnen nichts mehr zu erkennen.

Ebenso war da bei gewissen einzelnen Leuten, die man kennen­lernen konnte, aristotelische Geistesschulung. Heute ist sie nicht mehr da. Es war bewahrt dasjenige, was dazumal nach dem Osten hinüber-getragen war (rot), und dasjenige, was auf dem Umwege von Aristo­teles' Schüler Theophrastus nach dem Westen hinübergetragen war (blau). Dasjenige aber, was nach dem Osten hinübergetragen war, das war wiederum zurückgekommen. Und man kann sagen: In den sieb­ziger, achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts konnte angeknüpft

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werden mit neuem, unmittelbarem spirituellem Erkennen an dasjenige, was in den letzten Ausläufern anknüpfte an jene Ereignisse, die ich Ihnen geschildert habe. Das ist ein wunderbarer Zusammen­hang, denn man sieht daraus, daß die Alexanderzüge und der Aristote­lismus da waren, um den Faden mit dem alten Spirituellen aufrecht zu erhalten, um Einschläge zu haben in dasjenige, was materielle Kultur werden sollte, Einschläge zu haben, die gerade reichen, bis neue spiri­tuelle Offenbarungen kommen sollen.

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Sehen Sie, unter solchen Gesichtspunkten nimmt es sich ja wirklich so aus, und es ist dies wahr, daß scheinbare Unfruchtbarkeiten sich gerade als außerordentlich bedeutungsvoll im geschichtlichen Werden der Menschheit erweisen. Man kann leicht davon sprechen, daß die ganze Alexander-Expedition nach Asien und Ägypten hinüber dennoch verflutet wäre. Sie ist nicht verflutet. Man kann sagen, daß der Aristo­telismus im neunzehnten Jahrhundert aufgehört hat. Er hat nicht auf­gehört. Beide Strömungen haben gereicht bis dahin, wo es möglich ist, ein neues spirituelles Leben zu beginnen.

Ich habe Ihnen ja an verschiedenen Orten öfter gesagt, daß dieses neue spirituelle Leben gerade am Ende der siebziger Jahre des neunzehnten

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Jahrhunderts begonnen werden konnte in den ersten Andeu­tungen, und dann mit dem Ende des Jahrhunderts immer mehr und mehr. Heute haben wir die Aufgabe, den vollen Strom des geistigen Lebens, der, ich möchte sagen, von den Höhen zu uns kommt, aufzu­fangen. Und so stehen wir heute drinnen in einem wirklichen Übergang der geistigen Menschheitsentfaltung. Und werden wir uns nicht bewußt dieser merkwürdigen Zusammenhänge und dieser Anknüpfung an Früheres, dann schlafen wir eigentlich gegenüber den wichtigsten Er­eignissen, die sich um uns herum im geistigen Leben abspielen. Und wieviel wird eigentlich heute wirklich geschlafen gegenüber den aller-wesentlichsten Ereignissen! Anthroposophie sollte aber da sein, um den Menschen zu erwecken.

Und ich glaube, für alle diejenigen, die jetzt hier bei dieser Weih­nachtstagung versammelt sind, gibt es einen Impuls einer möglichen Er­weckung. Sehen Sie, wir stehen ja unmittelbar vor dem Tage und wer­den uns in dieser Tagung eben bis zu dem Jähren dieses traurigen Er­eignisses hindurdifinden müssen, wir stehen vor jenem Tage, da die furchtbaren Feuergarben aufloderten, die das Goetheanum verzehrten. Und mag nun die Welt denken wie sie will über dieses Feuer-Verzehren des Goetheanum, in der Entwickelung der anthroposophischen Bewe­gung bedeutet dieser Brand etwas Ungeheures. Aber man beurteilt ihn doch nicht in seiner vollen Tiefe, wenn man nicht hinschaut auf der einen Seite, wie diese physischen Feuerflammen dazumal aufschlugen, als in merkwürdiger Art - ich werde davon noch sprechen in den näch­sten Tagen - von den Orgelpfeifen, von anderem Metallischem das sengende Metallische in die Flammen hineinloderte, so daß diese merk­würdigen Färbungen der Flammen entstanden. Dann mußte man die Erinnerung mit hinübernehmen in das verflossene Jahr. Aber in dieser Erinnerung muß leben die Tatsache, daß Physisches Maja ist, daß wir die Wahrheit aus den Feuerflammen in dem geistigen Feuer zu suchen haben, das wir nunmehr anzufachen haben in unseren Herzen, in unse­ren Seelen. Aufgehen sollte uns in dem physisch brennenden Goethe­anum das geistig wirksame Goetheanum.

Ich glaube nicht, daß das in vollem weltgeschichtlichen Sinne ge­schehen kann, wenn man nicht sieht auf der einen Seite das uns teuer

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gewordene Goetheanum in der furchtbaren gigantischen Flamme auf-lodern, und im Hintergrunde den anderen frevelhaften Brand von Ephesus, wo Herostrat die Brandfackel hineinwarf, geleitet von dämo­nischen Mächten. In dem Zusammenempfinden desjenigen, was da im Vordergrunde und desjenigen, was im Hintergrunde steht, wird man vielleicht doch ein Bild gewinnen können, das tief genug in unser Herz hineinschreiben kann, was wir vor einem Jahre verloren haben, und was wir mit allen Kräften wieder erbauen müssen.

SIEBENTER VORTRAG Dornach, 30. Dezember 1923

#G233-1962-SE111 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

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SIEBENTER VORTRAG

Dornach, 30. Dezember 1923

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Der letzte große Einschnitt in der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit ist der ja oftmals erwähnte im ersten Drittel des fünfzehn­ten Jahrhunderts etwa, wo der Übergang stattfindet von dem, was man nennt die Entwickelung der Verstandes- oder Gemütsseele in die Be­wußtseinsseele hinein. Wir leben ja in einem Zeitalter, in dem in der Menschheit vorzugsweise die Entwickelung der Bewußtseinsseele statt­findet, und in diesem Zeitalter ist verlorengegangen eine wirkliche Ein­sicht in den Zusammenhang des Menschen mit den tieferen Impulsen und Kräften der Natur, das heißt des Geistes in der Natur. Wir reden heute sogar, wenn wir vom Menschen und seiner physischen Konstitu­tion reden, zum Beispiel von den chemischen Stoffen, wie sie der Che­miker heute feststellt als sogenannte Elemente. Aber es hat für die Erkenntnis des Menschen ungefähr nicht mehr Wert, zu wissen, daß irgendein Nahrungsmittel Kohlenstoff, Stickstoff und so weiter ent­hält, als für die Mechanik der Uhr, zu wissen, daß diese Uhr aus Glas und meinetwillen Silber und einigen anderen Stoffen noch besteht. All dieses, was das Substantielle zurückführt auf diese äußerste stoffliche Abstraktion, Wasserstoff, Sauerstoff und so weiter, liefert im Grunde genommen keine wirkliche Erkenntnis des Menschen. Geradeso wie der Mechanismus der Uhr erkannt werden muß aus einem Kräfte­system-Zusammenhange, so muß die Wesenheit des Menschen erkannt werden aus der Art und Weise, wie die verschiedenen Impulse der Welt, die in den Reichen der Natur verteilt sind, die in anderer Weise in der Welt wirken, nun im Menschen gerade zur Geltung kommen. Aber dasjenige, was verhältnismäßig noch, wenn auch schon degene­riert, doch so vorhanden war, daß instinktiv gut angelegte Naturen bis ins vierzehnte, fünfzehnte Jahrhundert etwas damit machen konn­ten, das ist, mit Ausnahme einiger Menschen wie Paracelsus, Jakob Böhme und so weiter, nach und nach völlig verlorengegangen: ein wirkliches Hineinblicken in den Zusammenhang des Menschen mit der Welt.

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Was weiß zum Beispiel die neuere Wissenschaft, die sich allmählich seit dem fünfzehnten Jahrhundert herausgebildet hat, über die Bezie­hung, sagen wir, der pflanzlichen, der tierischen Welt zum Menschen! Sie untersucht eben die Pflanzen auf ihre chemischen Bestandteile, und versucht dann irgendwie die Bedeutung dieser chemischen Bestandteile auf den Menschen zu studieren; versucht dann eventuell, sich Vorstel­lungen zu bilden - meistens unterläßt sie es auch - über die Wirkung der Substanzen auf den gesunden und kranken Menschen. Aber all dies liefert im Grunde nur Erkenntnis-Finsternis um den Menschen. Es handelt sich heute durchaus darum, wenn man auf Grundlage ge­schichtlicher Einsicht in Menschenerkenntnis vorzurücken geneigt ist, die Beziehungen des Menschen zur außermenschlichen Natur wiederum kennenzulernen.

Bis zu dem letzten großen Umschwung, bis ins fünfzehnte Jahrhun­dert herein, haben die Menschen ein deutliches Gefühl davon gehabt, welch großer Unterschied besteht zwischen Metallen in der äußeren Natur und Metallen, die in irgendeiner Weise zum Vorschein kommen, wenn man das Substantielle des Menschen, das Stoffliche des Menschen ins Auge faßt, sagen wir zum Beispiel das Eisen in seinen verschiedenen Bindungen im menschlichen Organismus, oder die Magnesia oder der­gleichen. Für dieses, daß es solche Metalle gibt, die sich auch zeigen, wenn man den menschlichen Organismus selber untersucht, und solche Metalle, die in der äußeren Natur vorhanden sind, die sich nicht fin­den zunächst, wenn man den menschlichen Organismus untersucht, für diesen Unterschied in der Metallität der Erde hatte man bis ins fünf-zehnte Jahrhundert eine tiefe, gründliche Empfindung. Denn man sagte sich: Der Mensch ist ein Mikrokosmos. In irgendeiner Weise findet sich in ihm alles, was sich draußen in der Welt im Makrokosmos findet. -Dies ist ja nicht irgendein allgemeines abstraktes Prinzip, sondern es folgt für den, der irgendwie jemals der Initiationswissenschaft nahe-getreten ist, als mit dem Wesen des Menschen und dem Wesen der Welt notwendig verbunden. Denn man kommt nur zu einer wirklichen Er­kenntnis des Menschen, wenn man die ganze Natur mit allen ihren Impulsen und substantiellen Inhalten zusammenträgt; dann bekommt man ein Bild, eine Imagination vom Wesen des Menschen. Und in diesem

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Bilde, in dieser Imagination störte es, wenn man irgend etwas draußen in der Natur hätte, das im Menschen selber sich nicht finden könnte. - So dachte eine Persönlichkeit, die im Beginne, sagen wir, noch des neunten, zehnten, elften nachchristlichen Jahrhunderts Natur-forscher war. Aber man wußte ja damals auch, daß dasjenige, was der Mensch aufnimmt durch seine physische Ernährung, nur ein Teil dessen ist, wodurch der Mensch seine physische Organisation und überhaupt seine Organisation unterhält, vielleicht gar nicht einmal der wichtigste.

Nun, nahe liegt es ja, aufzusteigen von der physischen Ernährung zu der Atmung, die ja auch ein Stoffwechsel ist. Aber weiter aufzu-steigen fällt dem heutigen Menschen nicht ein. Dem Naturforscher vor dem fünfzehnten Jahrhundert war es klar, daß der Mensch, wenn er sein Auge anwendet zum Wahrnehmen, nicht bloß sieht mit dem Auge, sondern daß durch das Auge während des Wahrnehmepro­zesses in unendlich feiner Verteilung Substantielles aus dem Weltenall aufgenommen wird. Und so durch das Auge, so durch das Ohr, so aber auch durch andere Organisationsbestandteile des Menschen. Und als etwas Allerwichtigstes sah man an, daß der Mensch dasjenige, was er nicht in grober Weise in sich enthält, sagen wir zum Beispiel Blei, daß er das aufnimmt aus der unendlich feinen Verteilung, in der es vor­handen ist da, wo man es zunächst nicht vermutet. Blei ist ein Metall, das der Mensch zunächst nachweisbar nicht in sich hat. Aber Blei ist ein Metall, das ausgebreitet ist, in sehr großer Verdünnung ausgebreitet ist im ganzen, für den physischen Menschen in Betracht kommenden Kosmos. Und das Blei nimmt der Mensch auf aus dem Kosmos durch viel feinere Prozesse, als es der Atmungsprozeß ist. Der Mensch son­dert fortwährend in peripherischer Richtung von sich Substanz ab. Sie schneiden sich nicht nur die Nägel, sondern Sie sondern von der Haut fortwährend Substanz ab. Aber das ist nicht nur ein Fortgehen, son­dern während die Substanz fortgeht, wird andere Substanz aufge­nommen.

Sehen Sie, in diesen Gedankengängen lebte so ein Naturforscher des neunten, zehnten, elften, zwölften Jahrhunderts noch im Mittelalter. Für ihn war es ja noch nicht die Waage, waren es noch nicht die groben Meßinstrumente, durch die er bestimmte, wie die Substanzen, wie die

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Kräfte wirken, sondern es war ein Eingehen auf die inneren Qualitäten der Natur, auf die inneren Impulse der Natur und den Zusammen­hang der Natur mit dem Menschen. Dadurch wußte man viele Dinge bis zu diesem fünfzehnten Jahrhundert, die man anfangen wird müs­sen, wiederum zu wissen, denn im Grunde genommen weiß man heute über den Menschen gar nichts.

Wir sagen ja zunächst, indem wir die Konstitution des Menschen aufsuchen, um, ich möchte sagen, eine Art Klassifizierung, eine Art allgemeinen Plan zu geben: Der Mensch ist zusammengesetzt aus dem physischen Leib, dem ätherischen Leib, dem astralischen Leib, dem Ich oder der Ich-Organisation. - Gut, das sind ja zunächst Worte. Es ist gut, wenn man bei diesen Worten anfängt; ein bißchen etwas kann jeder sich darunter vorstellen. Aber will man diese Dinge gebrauchen in der Lebenspraxis, will man sie namentlich gebrauchen in der Heil-kunde, die ja die wichtigste Lebenspraxis ist, die aus der Erkenntnis des Menschen folgen kann, dann kann man bei den Worten nicht stehenbleiben, dann muß man eingehen auf dasjenige, was die Worte mit einem wirklichen Inhalte ausfüllt. Da fragen wir zunächst: Phy­sischer Leib - wie kommen wir zu einer Vorstellung des physischen Leibes? - Sie werden gleich nachher sehen, warum ich diesen Begriff entwickle. Wie kommen wir zu einer Vorstellung des physischen Lei­bes? Nun, wenn wir irgendeinen Gegenstand auf der Erde haben außer dem Menschen, sagen wir einen Stein: er fällt auf die Erde. Wir sagen, er ist schwer, er wird von der Erde angezogen, er hat ein Gewicht. Wir finden noch andere Kräfte, die wirken. Wenn der Stein sich zum Kristall bildet, wirken in ihm formbildende Kräfte. Die sind aber ver­wandt den irdischen Kräften. Kurz, wir haben, indem wir um uns blicken in der Welt, Stoffe, die dem irdischen Wesen unterworfen sind. Halten wir das fest: Wir haben Stoffe, die dem irdischen Wesen unter­worfen sind.

Wer solche Dinge nicht ordentlich ins Auge faßt, der wird kommen und wird einem ein Stück Kohle zeigen, schwarze Kohle. Was ist das in Wirklichkeit? Es ist dies schwarze Kohle nur in der Nähe der Erde, denn in dem Augenblicke, wo man diese Kohle auch nur eine verhält­nismäßig kurze Strecke von der Erde weg hätte, ware sie nicht mehr

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so. Alles, was an ihr die Kohle zur Kohle macht, sind die Kräfte der Erde. Sie können also sagen: Wenn ich hier die Erde habe, dann sind die Kräfte der Erde hier im Irdischen, aber auch in jedem Gegenstande, den ich hier auf Erden habe. Und der physische Leib des Menschen ist zwar sehr zusammengesetzt, aber im Grunde genommen auch ein Gegenstand, der diesen physischen Kräften der Erde unterworfen ist, den Kräften, die vom Erdenmittelpunkte kommen (siehe Zeichnung, Seite 124). Das ist physischer Leib des Menschen, was unterworfen ist den Kräften, die vom Erdenmittelpunkte kommen (Pfeile nach auswärts). - Nun sind auf der Erde aber auch andere Kräfte. Diese Kräfte kommen vom Umkreis (Pfeile einwärts). Denken Sie sich einmal, ich gehe in ganz unbestimmte Weiten hinaus. Dann wirken von den unbestimmten Weiten her Kräfte gerade umgekehrt den Kräften der Erde. Die wirken von überall herein. Ja, es gibt solche Kräfte, die von überall herein-wirken, die von allen Richtungen der Welt überall hereinwirken gegen den Mittelpunkt der Erde zu. Man kann eine ganz bestimmte konkrete Vorstellung von diesen Kräften bekommen, und zwar auf folgende Art.

Die wichtigste Substanz, die dem Organismus zugrunde liegt, dem pflanzlichen, dem tierischen, dem menschlichen Organismus, ist das Ei­weiß. Das Eiweiß liegt aber auch zugrunde dem Keim eines neuen pflanzlichen, tierischen, menschlichen Organismus. Von einer Keimzelle geht das aus, von einer befruchteten Keimzelle, was sich als pflanzlicher, tierischer, menschlicher Organismus entwickelt. Die Substanz ist das Eiweiß. Man stellt sich heute vor, weil man überall phantasiert, statt wirkliche Wissenschaft zu treiben: Das Eiweiß, das ist halt eine kom­pliziert zusammengesetzte Substanz aus, wie man sagt, Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Schwefel, etwas Phosphor - recht kompliziert zusammengesetzt. - So daß man eigentlich schon das Ideal einer Zusammbnsetzung, wie der Atomist denkt, im Eiweiß hat. Man müßte ganz kompliziert da die Atome und Moleküle hineinzeichnen. Und dann, dann bildet sich im Muttertier oder in der Mutterpflanze dieses komplizierte Eiweißmolekül, oder wie man es nennen will; das entwickelt sich dann weiter, und es entsteht das neue Tier daraus durch reine Vererbung.

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Aber das ist ja alles vor dem geistigen Blicke der reine Unsinn. In Wirklichkeit ist es so, daß das Eiweiß des Muttertieres nicht kompli­ziert zusammengesetzt ist, sondern völlig korrumpiert wird und chao­tisch wird. Das Eiweiß, das der Körper in sich sonst enthält, das ist noch einigermaßen geordnet, aber ein Eiweiß, das der Fortpflanzung zugrunde liegt, das ist gerade dadurch ausgezeichnet, daß es innerlich völlig chaotisch durcheinandergerüttelt ist, daß die Materie vollständig zurückgeführt wird ins Chaos, gar keine Struktur mehr hat, sondern eben ein Haufen von Substanz ist, die dadurch, daß sie ganz in sich zerschlissen, zerfetzt, zerstört ist, nicht mehr der Erde unterworfen ist. Solange das Eiweiß noch irgendwie innerlich zusammenhält, so lange ist es den zentralen Kräften der Erde unterworfen. In dem Augenblick, wo das Eiweiß innerlich zerklüftet wird, kommt es unter den Einfluß der ganzen Weltensphäre. Die Kräfte wirken von überaliher herein, und es entsteht das kleine Eiweißklümpchen, das der Fortpflanzung zugrunde liegt, als ein Abbild des ganzen, zunächst uns überschaubaren Weltenalls. Jedes einzelne Eiweißklümpchen ist ein Abbild des ganzen Weltenalls, weil die Eiweißsubstanz zerklüftet, zerstört, ins Chaos übergeführt wird und dadurch gerade als Weltenstaub geeignet ge-macht wird, dem ganzen Kosmos unterworfen zu werden. Davon weiß man heute nichts mehr.

Heute glaubt man: Nun ja, das alte Huhn, das hat eben das kom­plizierte Eiweiß. Es wird in das Ei hineingebracht. Dann entsteht das neue Huhn, das ist das fortgesetzte, weiterentwickelte Eiweiß. Dann wird wiederum Keimsubstanz, und so geht das weiter von Huhn zu Huhn. - Aber so ist es eben nicht. Jedes Mal, wenn der Übergang von einer Generation zu der nächsten ist, wird das Eiweiß ausgesetzt dem

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ganzen Kosmos. So daß wir sagen müssen: Wir haben auf der einen Seite die irdischen Substanzen, die unterworfen sind den irdischen zen­tralen Kräften, aber wir können sie in gewissen Verhältnissen auch unterworfen denken den Kräften, die von den Grenzen des Weltenalls her überall hereinwirken. Diese Kräfte, die letzteren, das sind nun die­jenigen, die im menschlichen Ätherleib wirken; der ist unterworfen den Kräften des Kosmos. - Sehen Sie, jetzt haben wir reale Vorstellungen vom physischen Leib und Ätherleib. Stellen Sie sich jetzt aufrecht, und fragen Sie: Was ist Ihr physischer Leib? - Er ist derjenige, der den Kräften unterworfen ist, die vom Mittelpunkt der Erde ausgehen.

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Was ist Ihr Ätherleib? - Es ist dasjenige an Ihnen, was den Kräften unterworfen ist, die von überall her aus der Peripherie hereinkommen. Sie können es auch zeichnen (siehe Zeichnung>. Denken Sie einmal:

Wir haben hier den Menschen. Sein physischer Leib ist derjenige, der,

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wenn es da dem Mittelpunkt der Erde zugeht (rot), den Kräften unter­worfen ist, die nach dem Mittelpunkte der Erde gehen. Sein Ätherleib ist der (grün), welcher den Kräften unterworfen ist, die überall von dem Ende des Weltenalls hereinkommen. Jetzt haben wir ein Kräfte-system im Menschen: die Kräfte, die hinunterziehen, die eigentlich in allen Organen sind, welche senkrecht stehen, und diejenigen Kräfte, die von außen hereinkommen, die eigentlich in dieser Weise tendieren (siehe Pfeile). Das können Sie aus der Form des Menschen förmlich ablesen, wo die eine Art und die andere Art mehr vertreten ist. Wenn Sie die Beine studieren, so werden Sie sagen: Die Beine haben ihre Form selbstverständlich aus dem Grunde, weil sie den Erdenkräften mehr angepaßt sind. Der Kopf ist mehr den Kräften der Peripherie angepaßt

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(gelb). - Ebenso können Sie die Arme studieren. Das ist ganz interessant. Halten Sie die Arme an den Körper angedrückt: sie sind unterworfen den Kräften, die nach dem Mittelpunkte der Erde hingehen.

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Haben Sie die Arme in lebendiger Bewegung, dann unterwerfen Sie selber Ihre Arme den Kräften, die von überallher aus der Peri­pherie hereinkommen.

Sehen Sie, das ist der Unterschied zwischen Beinen und Armen. Die Beine sind eindeutig unterworfen den zentralen Kräften der Erde, die Arme sind nur bedingungsweise in einer gewissen Haltung unterwor­fen den zentralen Kräften der Erde. Der Mensch kann sie herausheben aus den zentralen Kräften der Erde und hineinfügen in die Kräfte, die wir die ätherischen nennen, die von der Peripherie überall herkommen. So kann man aber auch für die einzelnen Organe wirklich überall sehen, wie diese Organe eingefügt sind dem Weltenall.

Nun haben Sie physischen Leib, Ätherleib. Was ist es aber mit dem astralischen Leib? Im Raume gibt es ja keine dritte Art von Kräften mehr. Die gibt es nicht mehr. Der astralische Leib, der hat seine Kräfte von außerhalb des Raumes. Der ätherische Leib hat sie von der Peri­pherie überall herein, der astralische Leib, der empfängt sie von außer­halb des Raumes.

Man kann geradezu an gewissen Stellen der Natur aufsuchen, wie sich die physischen Kräfte der Erde hineinfügen in die ätherischen Kräfte, die von allen Seiten herankommen. Denken Sie einmal: Eiweiß, das ist zunächst in der physischen Erde vorhanden. Solange im Eiweiß chemisch irgendwie konstatierbar sind Schwefel, Kohlenstoff, Sauer­stoff, Stickstoff, Wasserstoff, so lange ist das Eiweiß eben den physi­schen Erdenkräften unterworfen. Kommt das Eiweiß in die Sphäre der Fortpflanzung, dann wird es herausgehoben aus den physischen Kräften. Die Kräfte des Umfanges des Weltenalls beginnen auf das zerklüftete Eiweiß zu wirken, und es entsteht neues Eiweiß als Abbild des ganzen Weltenalls.

Aber sehen Sie, manchmal stellt sich folgendes heraus: Die Zerklüf-tung kann nitht weit genug gehen. Es kann Eiweiß-Substanz da sein, die müßte, damit zum Beispiel bei irgendeinem Tiere Fortpflanzung geschehen kann, im abgelegten Ei zerklüftet werden können, damit sie sich fügen kann den Kräften des ganzen Weltenalls. Aber das Tier ist in irgendeiner Weise verhindert, solche Eiweiß-Substanz zur Fortpflan­zung zu liefern, die einfach sich einfügen kann in den ganzen Makrokosmos.

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Fortpflanzungsfähige Eiweiß-Substanz muß sich in den ganzen Makrokosmos einfügen. Das Tier, sagen wir, ist verhindert, fortpflan-zungsfähige Eiweiß-Substanz ohne weiteres zu bilden, zum Beispiel die Gallwespe. Was tut daher die Gallwespe? Die Gallwespe legt ihr Ei in irgendeinen Pflanzenteil hinein. Sie haben überall diese Gallen an den Eichen, an anderen Bäumen, wo die Gallwespen ihre Eier ab­legen. Dann sehen Sie an dem Blatt zum Beispiel diese merkwürdigen Gallen: da drinnen ist ein Gallwespen-Ei. Warum geschieht das so?

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Warum wird da das Ei der Gallwespe, sagen wir, in das Eichenblatt hineingelegt, so daß dieser Gallapfel entsteht, in welchem aber das Ei drinnen ist, das sich jetzt entwickeln kann? Frei könnte es sich nicht ent­wickeln. Das ist aus dem Grunde, weil das Pflanzenblatt in sich einen ätherischen Leib hat. Der ist angepaßt dem ganzen Weltenäther, und der kommt zu Hilfe dem Ei der Gallwespe. Das Ei der Galiwespe kann allein sich nicht helfen. Daher legt es die Gallwespe in einen Pflanzen-teil hinein, wo schon Ätherleib drinnen ist, der sich fügt dem ganzen Weltenäther. Also die Gallwespe kommt an die Eiche heran, um ihre Eiweiß-Substanz zur Zerklüftung zu bringen, damit die Weltenperi­pherie auf dem Umwege durch das Eichenblatt, durch die Eiche, wirken kann, während das bloße Gallwespen-Ei zugrunde gehen müßte, denn es kann nicht zerklüftet werden, es hält zu fest zusammen.

Sehen Sie, das gibt eine Möglichkeit, sogar hineinzusehen, wie merk­würdig in der Natur gearbeitet wird. Aber diese Arbeit, die ist auch sonst in der Natur vorhanden. Denn nehmen Sie an, das Tier sei nicht nur nicht fähig, Keimsubstanz zu liefern, die dem Weltenäther ausge­setzt werden kann zur Fortpflanzung, sondern das Tier sei nicht imstande,

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in sich selbst beliebige Stoffe in innere Nahrungsmittel zu ver­wandeln, zur inneren Ernährung zu verwenden. Naheliegend ist ja gleich das Beispiel der Biene. Die Biene kann nicht alles fressen. Die Biene kann nur dasjenige fressen, was ihr von der Pflanze schon zu-erteilt wird. Nun aber sehen Sie sich etwas sehr Merkwürdiges an. Die Biene geht an die Pflanze heran, sucht sich den Honigsaft, nimmt ihn auf, verarbeitet ihn in sich, baut dasjenige auf, was wir so bewundern müssen bei der Biene, baut auf den ganzen Wabenbau, den Zellenbau im Bienenstock. Wir schauen auf diese zwei ganz merkwürdigen, wun­derbaren Vorgänge hin, auf die Biene, die draußen auf der Blume sitzt, den Blumensaft saugt, dann hineingeht in den Bienenstock und aus sich heraus im Zusammenhange mit anderen Bienen die Wachszellen auf-erbaut, um sie mit Honig zu füllen. Was geschieht denn da? Sehen Sie, diese Zellen müssen Sie der Form nach ansehen. Sie sind so geformt (siehe Zeichnung), da ist die eine, die zweite daran und so weiter.

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Es sind kleine Zellen, deren Hohlräume so geformt sind, wie, aus­gefüllt allerdings mit Substanz, etwas anders geformt, wie geformt sind die Quarzkristalle, die Kieselsäurekristalle. Wenn Sie ins Gebirge gehen und die Quarzkristalle ansehen, so können Sie sie auch sozeich­nen. Sie kriegen zwar eine etwas unregelmäßige, aber eine ähnliche Zeichnung wie bei den Bienenzellen, die nebeneinander sind. Nur sind die Bienenzellen aus Wachs, der Quarz ist aus Kieselsäure.

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Geht man der Sache nach, so findet man: Unter dem Einflusse des allgemeinen Ätherischen, Astralischen wurde in einer bestimmten Zeit der Erdenentwickelung mit Hilfe der Kieselsäure der Quarzkristall in den Gebirgen gebildet. Da sehen Sie einmal Kräfte, die aus dem Umkreis der Erde herankommen, die wirken als ätherisch-astralische Kräfte, die Quarzkristalle im Kiesel aufbauend. Sie finden sie überall draußen in den Gebirgen, finden ganz wunderbare Quarzkristalle, diese sechseckigen Gebilde. Das, was da diese Quarzkristalle sind, das sind als Hohlräume die Bienenzellen in den Bienenstöcken. Die Biene holt nämlich aus der Blume dasjenige heraus, was einstmals da war, um die sechseckigen Quarzkristalle zu machen. Das holt die Biene aus der Blume heraus und macht durch ihren eigenen Körper Nachbil­dungen der Quarzkristalle. Da geht zwischen der Biene und der Blume etwas Ähnliches vor wie das, was einstmals draußen im Makrokosmos vorgegangen ist.

Ich erwähne diese Dinge, damit Sie sehen, wie notwendig es ist, nicht bloß hinzuschauen auf dieses ganz jämmerlich Abstrakte, das in Kohlenstoff, Stickstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und so weiter vorhan­den ist, sondern daß es notwendig ist, hinzuschauen auf die wunder­baren Gestaltungsprozesse, auf die inneren intimen Beziehungen in der Natur und in den Naturvorgängen. Und solches lag wirklich einmal instinktiv der Wissenschaft zugrunde. Das ist verlorengegangen im Laufe der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit gegen das fünf­zehnte Jahrhundert hin. Das muß wiedererobert werden. Wieder müs­sen wir in die intimen Beziehungen des natürlichen Daseins und seines Verhältnisses zum Menschen hineingelangen. Nur dann, wenn wieder­um solche Beziehungen erkannt werden, wird eine wirkliche Einsicht in den gesunden und kranken Menschen wiederum da sein können. Sonst bleibt es bei aller Heilmittellehre lediglich beim Probieren, ohne daß man den inneren Zusammenhang einsieht.

Es ist eine Art unfruchtbarer Periode von dem fünfzehnten Jahr­hundert bis heute in der Entwickelung des menschlichen Geistes dage­wesen. Diese unfruchtbare Periode hat auf die Menschheit gedrückt. Denn diese unfruchtbare Periode, wo man Pflanzen anschaute, Tiere anschaute, Menschen anschaute, Mineralien anschaute und eigentlich

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von allem nichts mehr wußte, diese Periode hat den Menschen über­haupt herausgebracht aus allem Weltzusammenhang. Und schließlich ist er eingetreten in jenes Chaos, in dem er heute gegenüber der Welt lebt, wo er sich nicht mehr in irgendeinem Zusammenhang weiß mit der Welt. In der Zeit, in der solche Dinge überlegt wurden, wußte ja der Mensch: Jedes Mal, wenn Fortpflanzung geschieht, spricht der ganze Makrokosmos. In dem fortpflanzungsfähigen Keim oder Samen entsteht ein Abbild des ganzen Makrokosmos. Da ist die große Welt draußen, aber im kleinsten Keim ist ein Ergebnis der Wirkungen, die von überallher von der großen Welt kommen.

Im Menschen wirken nun zusammen zunächst diejenigen Kräfte, die die physisch-zentralen Kräfte der Erde sind. Sie wirken in allen Men-schenorganen. Aber es wirken ihnen überall entgegen die Kräfte, die von überallher kommen, die ätherischen Kräfte. Sehen Sie sich irgend­wie die Leber an, die Lunge, Sie begreifen sie zunächst nur, wenn Sie wissen: Da wirken die Kräfte zusammen, die aus dem Mittelpunkt der Erde kommen, und jene, die überall aus dem Umkreis der Welt her­kommen. - Dann aber werden gewisse Organe durchsetzt vom Astral­leib, von der Ich-Organisation noch, während andere Organe weniger von diesen höheren Gliedern durchsetzt werden, der Mensch im schla­fenden Zustande überhaupt in sich nicht seinen astralischen Leib und seine Ich-Organisation hat. Nehmen Sie einmal an, irgendein Organ, die Lunge (siehe folgende Zeichnung, rechts oben): Durch irgend etwas ist das eingetreten, daß die Kräfte, die überall aus dem Weltenall her-einkommen (Pfeile), zu stark auf die menschliche Lunge wirken. Sie werden die Lunge krank machen, weil ein gewisser harmonischer Gleichgewichtszustand bestehen muß zwischen dem, was in der Lunge wirkt vom Mittelpunkt der Erde aus, und dem, was von allen Seiten des Unkreises kommt. Gelingt es Ihnen nun, zu wissen, wie Sie mine­ralische Substanzen finden können, welche den zu stark wirkenden Ätherkräften ein Gegengewicht in der Lunge geben, dann haben Sie das Heilmittel, wodurch Sie die zu stark wirkenden ätherischen Kräfte eliminieren. Und so kann auch das Umgekehrte vorliegen: Die ätheri­schen Kräfte können zu schwach werden, die physischen Kräfte, die vom Mittelpunkte der Erde aus wirken, würden zu stark. Sie werden

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im Umkreise des Pflanzenreiches suchen, was auf den Menschen so wirken kann, daß es verstärkt die ätherischen Kräfte durch irgendein Organ, und Sie bekommen das entsprechende Heilmittel.

Es ist unmöglich, durch die bloße Betrachtung des physischen Leibes allein irgendwie auch nur das geringste Heilmittel zu finden, denn der physische Menschenleib hat an sich gar keinen Grund, etwas zu sagen über seine Konstitution. Denn der sogenannte normale Prozeß, der in ihm vorgeht, ist ein Naturprozeß, aber der Krankheitsprozeß ist auch ein Naturprozeß. Wenn Sie eine sogenannte normale Leber haben, haben Sie eine Leber, in der Naturprozesse vor sich gehen. Wenn Sie aber eine Leber haben, in der ein Geschwür ist, haben Sie auch eine Leber, in der Naturprozesse vor sich gehen. Der Unterschied kann nie­mals aus dem physischen Leib gefunden werden. Aus dem physischen Leib kann man nur die Tatsache konstatieren, daß es das eine Mal anders ausschaut als das andere Mal, aber über die Ursache kann man nichts wissen. Haben Sie ein Geschwür in der Leber, so werden Sie

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nur dann die Ursache der Geschwürbildung finden, wenn Sie wissen, daß in einem solchen Fall zum Beispiel der astralische Leib viel mäch­tiger in die Leber eingreift, als er eingreifen sollte. Sie müssen den astralischen Leib, der bei einer Geschwürbildung der Leber stark ein­greift in die Leber, wiederum aus ihr austreiben. Und so gibt es über­haupt keine Möglichkeit, real zu sprechen über den gesunden und kranken Menschen, wenn man nicht über den physischen Leib hinaus in die höheren Glieder der Menschennatur geht. So daß man eigentlich sagen kann: Eine Heilmittellehre wird es überhaupt wiederum erst geben, wenn man über den physischen Leib des Menschen hinausgehen wird, denn das Wesen der Krankheit ist einfach nicht einzusehen aus dem physischen Menschenleib heraus.

Ich habe diesmal nur die Absicht, die Dinge in historischer Beziehung darzustellen. Aber es ist eben so, daß, als immer mehr und mehr ver­glommen ist, was aus alten Zeiten in die neue heraufgetragen worden ist, überhaupt jegliche Menschenkenntnis verlorenging. Und heute ste­hen wir vor der Notwendigkeit, wiederum Menschenkenntnis zu er­werben. Diese Menschenkenntnis wird sich nur erwerben lassen, wenn wir wiederum die Beziehung des Menschen zu den umliegenden Natur-reichen zu fassen vermögen.

Gehen wir einmal von der Ich-Organisation des Menschen aus. Hat man zunächst, sagen wir, durch imaginative Erkenntnis aus der Initia­tionswissenschaft eine Anschauung von der menschlichen Ich-Organisa­tion, dann kann man sich fragen: Zu was im heutigen menschlichßn Organismus steht denn diese Ich-Organisation in besonderer Bezie­hung? - Diese Ich-Organisation steht in besonderer Beziehung zu dem­jenigen, was im Menschen mineralisch ist. Wenn Sie daher ein Minera­lisches, ein wesentlich Mineralisches aufnehmen, zum Beispiel Salz auf die Zunge bringen, sogleich ist es die Ich-Organisation, die sich über dieses Mineralische hermacht. Dann wird das Mineralische weiterbeför­dert, kommt in den Magen, kommt in die Ich-Organisation, bleibt dabei, auch wenn die Salzsubstanz im Magen ist; die Ich-Organisation bleibt dabei. Das Salz geht weiter, macht ja allerdings Veränderungen durch, geht durch den Darm, geht weiter: niemals wird Ihr Salz von der Ich-Organisation verlassen. Die benehmen sich wie recht zusam­mengehörige

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Dinge, die Ich-Organisation und das Salz, das in den Menschen hineinkommt.

Sehen Sie, so ist es nicht, wenn Sie zum Beispiel ein Spiegelei essen, überhaupt etwas von Zusammenhalt mit der Eiweiß-Substanz. Da kümmert sich nur ein wenig die Ich-Organisation, wenn Sie die Spiegelei-Substanz auf der Zunge haben. Dann kümmert sich schon sehr wenig der astralische Leib noch darum, während es hinunter-schlüpft in den Magen. Dann geht es weiter; dann wirkt intensiv der Ätherleib, dann der physische Leib. Diese zerklüften in Ihnen selber die Eiweiß-Substanz, die Sie mit dem Spiegelei in Ihren Organismus hineinbekommen. Und jetzt wird das Spiegelei in Ihnen selber ganz mineralisch gemacht. Es wird zerklüftet. Alles Lebendige wird aus ihm ausgetrieben. Es wird in Ihnen zerklüftet. An den Darmwänden hört diese äußerlich aufgenommene Eiweiß-Substanz auf, irgendwie noch Eiweiß zu sein, wird ganz mineralisch. Da geht es nun über, jetzt wieder in die Ich-Organisation, und von da aus wird das mineralisierte Eiweiß von der Ich-Organisation aufgenommen.

Und so können wir immer sagen: Die Ich-Organisation gibt sich nur mit Mineralischem ab. Aber jedes Mineralische wird durch die Ich-Organisation im menschlichen Organismus etwas anderes, als es außer­halb ist. Es darf nichts im menschlichen Organismus so bleiben, wie es außerhalb dieses menschlichen Organismus ist. Dafür muß die Ich-Organisation in radikaler Weise sorgen. Nicht nur, daß solche Sub­stanzen wie, sagen wir, Kochsalz und dergleichen, von der Ich-Organi­sation erfaßt und innerlich zu etwas ganz anderem gemacht werden, als sie äußerlich sind, sondern es darf nicht einmal, wenn der Mensch von einem gewissen Wärmezustande umgeben ist, der äußere Wärme-zustand den Menschen irgendwie durchdringen. Sie dürfen nicht Ihre Finger ausgefüllt haben von dem, was sich als äußere Wärme aus­breitet. Die Wärme darf auf Sie nur als Reiz wirken, und Sie müssen die Wärme, die Sie in sich haben, selber erzeugen. In dem Augenblick, wo Sie bloß Gegenstand sind, sich nicht Ihre Wärme oder Kälte selber erzeugen, sondern wo irgendwo in Ihnen die Wärme so weiterwirkt, wie zum Beispiel bei irgendeinem äußeren Gegenstande, da werden Sie krank von der äußeren Wärme selbst, nicht einmal bloß von der

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Substanz, sondern von der äußeren Wärme. Denken Sie sich einmal, da wäre irgendein Tuch oder ein Schwamm, und da wäre ein Ofen. Die Ofenwärme, die darf ganz ruhig sich ausbreiten, durch das Tuch oder den Schwamm durchgehen. Das Tuch oder der Schwamm setzt nur fort, was da als Ofenwärme sich ausbreitet. Das darf die Ofenwärme nicht tun, wenn sie bis zur Haut kommt. Wenn die Ofenwärme den Sinnenreiz ausübt, dann muß die Reaktion kommen: die Innenwärme muß von innen aus erzeugt werden. Erkältungszustände beruhen ge­rade darauf, daß man nicht sich bloß reizen läßt, um seine innere Eigen-wärme zu erzeugen, sondern daß man die äußere Kälte etwas unter die Haüt kommen läßt, so daß man sich selber nicht in die Welt stellt als der voll tätige Mensch, der sich mit seinem Wirken, seinen Impulsen selbst ausfüllt, sondern der sich wie einen Gegenstand hinstellt und durch sich die Wirkungen der Außenwelt durchziehen läßt. Das ist das Wesen der Ich-Organisation, daß es in sich aufnimmt das Mineralische, aber es innerlich ganz und gar ändert, in etwas anderes verwandelt.

Erst wenn wir gestorben sind, ist das Mineralische wiederum Mine­ralisches der äußeren Natur. Während wir auf der Erde leben, das Mineralische innerhalb unserer Haut haben, verändert die Ich-Organi­sation das Mineralische fortwährend. Das Pflanzliche, das wir aufneh­men, wird durch die astralische Organisation, durch den astralischen Leib fortwährend verändert. So daß wir sagen können: Die Ich-Organi­sation des Menschen metamorphosiert gründlich um alles Mineralische, nicht nur das fest Mineralische, auch das Wäßrige, auch das Luftför­mige, auch das Wärmeartige. - Man kann ja natürlich, wenn man grob spricht, sagen: Hier irgendwo ist Wasser. Ich trinke. Ich habe das Wasser jetzt in mir. - Aber in dem Augenblicke, wo mein Organismus das Wasser aufnimmt, ist das, was ich in mir habe, durch meine Ich-Organisation nicht mehr dasselbe, was das äußere Wasser ist. Das ist es erst wiederüm, wenn ich es ausschwitze oder auf eine andere Art zu Wasser mache. Innerhalb meiner Haut ist Wasser nicht Wasser, sondern ist etwas, was lebendige Flüssigkeit ist.

In dieser Weise muß immer unendlich vieles umgedacht werden. Ich konnte Ihnen heute nur kleine Andeutungen geben. Aber wenn Sie das durchdenken, wenn Sie wissen, wie das Eiweiß zerklüftet werden

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muß, um in die Wirkung des ganzen Makrokosmos zu kommen, wie das Wasser, das ich trinke, innerlich lebendige Flüssigkeit ist, nicht mehr das unorganische Wasser, sondern von Ich-Organisation durch-drungenes Wasser ist, wenn Sie bedenken, indem Sie Kohl essen:

Draußen ist es Kohl, innerlich nimmt der astralische Leib sogleich den Kohl in sich auf - wenigstens den wirklichen, den physischen Kohl -und verändert ihn in etwas ganz anderes - so kommen wir hier an die Betrachtung außerordentlich bedeutsamer Vorgänge, dringen vor bis zu der Anschauung, daß wir in unserem Stoffwechsel Vorgänge haben, die nur um eine gewisse Stufe der Entwickelung verschieden sind von den Stoffwechselprozessen, die wir im Gehirn haben, die das Ner­vensystem da ausmachen und so weiter. Darüber werde ich dann mor­gen weiterreden, um an diesen Vorgängen nun den ganz radikalen Unterschied der Menschheit noch des zwölften nachchristlichen Jahr­hunderts und des zwanzigsten Jahrhunderts hervorzuheben, um davon her dann die Notwendigkeit zur Einsicht zu bringen, wie im weiteren Fortschritt für den gesunden und kranken Menschen neue Impulse kommen müssen, damit nicht alle Menschenkenntnis überhaupt ver­loren gehe und man nichts mehr wisse über den gesunden wie über den kranken Menschen. Davon also morgen dann weiter.

ACHTER VORTRAG Dornach, 31. Dezember 1923

#G233-1962-SE129 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

#TI

ACHTER VORTRAG

Dornach, 31. Dezember 1923

#TX

Wir stehen heute in dem Zeichen einer schmerzlichen Erinnerung, und wir wollen dasjenige, was wir gerade heute zum Inhalte dieses Vor-trags zu nehmen haben, durchaus in das Zeichen dieser schmerzlichen Erinnerung stellen. Der Vortrag, den ich in unserem alten Bau gerade vor einem Jahre halten durfte: diejenigen von Ihnen, die anwesend waren, werden sich daran erinnern, wie er den Weg genommen hat, von der Schilderung irdischer natürlicher Verhältnisse ausgehend, hin­auf in die geistigen Welten und die Offenbarungen dieser geistigen Welten aus der Schrift der Sterne; wie dann die Möglichkeit vorhan­den war, das menschliche Herz, die Menschenseele, den menschlichen Geist in Zusammenhang zu bringen ihrem ganzen Wesen nach mit dem, was gefunden werden kann, wenn man den Weg hinaus nimmt aus dem Irdischen nicht nur in die Sternenweiten, sondern in dasjenige, was durch die Sternenweiten wie eine Weltenschrift das Geistige ab-bildet. Und das Letzte, was ich hinschreiben durfte auf die Tafel in jenem Raum, der uns dann bald darauf genommen ward, ging durch­aus darauf hinaus, die menschliche Seele hinaufzuheben in geistige Höhen. Damit war eigentlich gerade an jenem Abend unmittelbar an-geknüpft an dasjenige, dem ja unser Goetheanun-Bau durch seine ganze Wesenheit gewidmet sein sollte. Und von dem, woran damals ange­knüpft worden ist, lassen Sie mich zunächst heute wie in einer Fort­setzung gerade des Vortrages, der vor einem Jahre hier gehalten wor­den ist, sprechen.

Wenn in der Zeit, die dem Brande von Ephesus vorangegangen ist, die Rede war von den Mysterien, dann sprachen alle diejenigen, welche in ihrem Gemüte etwas verstanden von dem Mysterienwesen, so, daß ihre Rede ungefähr klang: Menschliches Wissen, menschliche Weisheit hat eine Stätte, eine Heimstätte in den Mysterien. - Und wenn in jenen alten Zeiten unter den geistigen Lenkern der Welt die Rede von den Mysterien war, wenn also in übersinnlichen Welten von den Mysterien gesprochen wurde - ich darf mich dieser Ausdrücke bedienen, obwohl

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sie natürlich nur in figürlicher Weise die Art bezeichnen, wie von den übersinnlichen Welten herunter gedacht und wie gewirkt wird in die sinnlichen -, wenn also in den übersinnlichen Welten gesprochen wurde von den Mysterien, da klang ungefähr die Rede so: In den Mysterien errichten die Menschen Stätten, wo wir Götter die opfernden Menschen finden können, die uns verstehen im Opfer. Denn in der Tat, das war allgemeines Bewußtsein der alten Welt, derer, die da wußten in der alten Welt, daß sich in den Mysterienstätten Götter und Menschen begegneten, und daß alles dasjenige, was die Welt trägt und hält, ab­hängt von dem, was sich abspielt in den Mysterien zwischen den Göt­tern und zwischen den Menschen.

Aber es gibt ein Wort, das ja auch äußerlich historisch überliefert ist, das aus dieser historischen Überlieferung ja ergreifend sprechen kann zum Menschenherzen, das aber besonders ergreifend spricht, wenn man es sieht aus ganz besonderen Ereignissen heraus sich formen, wie mit ehernen, aber nur für den Augenblick im Geiste sichtbaren Lettern hineingeschrieben in die Geschichte der Menschheit. Und ich meine, ein solches Wort ist immer zu sehen, wenn der geistige Blick hinzielt auf die Herostratos-Tat, den Brand von Ephesus. Man kann in diesen Feuerflammen das alte Wort finden: der Neid der Götter.

Ich glaube allerdings, daß unter den mancherlei Worten, die aus alten Zeiten überliefert sind, die im Leben alter Zeiten auf die Weise zu sehen sind, wie ich sie eben geschildert habe, in dieser physischen Welt die­ses eines der furchtbarsten ist: der Neid der Götter. In jenen alten Zeiten wurde alles mit dem Worte Gott bezeichnet, was in übersinnlichen Welten so lebte, daß es niemals nötig hat, in einem physischen Leib auf Erden zu erscheinen, und man unterschied in jenen alten Zeiten die mannigfaltigsten Göttergeschlechter. Und ganz gewiß, diejenigen gött­lich-geistigen Wesenheiten, welche so verbunden sind mit der Mensch­heit, daß der Mensch seinem innersten Wesen nach durch sie entstanden und durch den Zeitenlauf geschickt ist, diese göttlich-geistigen Wesen­heiten, die wir verspüren durch die Majestät und durch die kleinsten Erscheinungen der äußeren Natur, die wir verspüren durch dasjenige, was in unserem Innern lebt, diese göttlich-geistigen Wesenheiten kön­nen nicht neidisch werden. Aber in der alten Zeit meinte man mit dem

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Neid der Götter dennoch etwas sehr Reales. Wenn wir die Zeit verfol­gen, in der sich das Menschengeschlecht bis gegen Ephesus hin entwickelt hat, da finden wir, daß allerdings die fortgeschritteneren mensch­lichen Individuen vieles von dem, was ihnen die guten Götter gern in den Mysterien gegeben haben, an sich genommen haben. Denn wir treffen durchaus das Richtige, wenn wir sagen: Es besteht zwischen den guten Menschenherzen und den guten Göttern ein inniges Verhält­nis, das immer fester und fester gebunden wurde in den Mysterien, so daß es gewissen anderen, luziferisch-ahrimanischen Götterwesenheiten vor die Seele getreten ist, daß der Mensch immer näher und näher herangezogen wurde an die guten Gottheiten. Und es entstand der Neid der Götter auf den Menschen. - Und wir müssen es immer wieder und wiederum in der Geschichte hören, wie der nach dem Geist stre­bende Mensch, wenn er einem tragischen Geschick verfällt, in den alten Zeiten so bezeichnet wird, daß man sein tragisches Geschick zusammen-bringt mit dem Neid der Götter.

Die Griechen wußten, daß dieser Neid der Götter besteht, und sie leiteten manches von dem, was äußerlich vorging in der Menschheits-entwickelung, von diesem Neid der Götter her. Mit dem Brande von Ephesus ist eigentlich offenbar geworden, daß eine gewisse geistige Weiterentwickelung der Menschheit nur möglich ist, wenn die Men­schen sich bewußt wurden: Es gibt Götter, das heißt übersinnliche Wesenheiten, die auf den weiteren Fortschritt der Menschen neidisch sind. - Das gibt schließlich aller Geschichte, die da folgte auf den Brand von Ephesus - ich kann auch sagen, auf die Geburt des Alexander -, das besondere Kolorit. Und zu der rechten Auffassung des Mysteriums von Golgatha gehört auch dieses: Man schaue hin auf eine Welt, die erfüllt ist von dem Neide gewisser Göttergeschlechter. - Ja, die see­lische Atmosphäre, sie war eigentlich in Griechenland schon seit einer Zeit, die bald hach dem Perserkriege liegt, erfüllt von den Auswirkun­gen dieses Neides der Götter. Und dasjenige, was in der makedonischen Zeit dann getan worden ist, mußte im vollen Bewußtsein davon getan werden, daß der Neid der Götter über die Erdoberfläche hin in gei­stiger Atmosphäre waltet. Aber es wurde getan mutvoll, kühn, den Mißverständnissen der Götter und Menschen trotzend.

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Und es senkte sich hinein in diese Atmosphäre, die erfüllt war von dem Neide der Götter, die Tat desjenigen Gottes, der fähig war der größten Liebe, die in der Welt existieren kann. Man sieht das Myste­rium von Golgatha nur im rechten Lichte, wenn man zu allem übrigen auch noch das hinzufügen kann: das Bild der Wolken in der alten Welt, in Hellas, Makedonien, Vorderasien, Nordafrika, Südeuropa das Bild der Wolken, die da der Ausdruck sind des Neides der Götter. Und wunderbar wärmend, mild strahlend fällt hinein in diese wolken-erfüllte Atmosphäre die Liebe, die da strömt durch das Mysterium von Golgatha.

Das, was dazumal, wenn ich so sagen darf, eine Angelegenheit war, die sich zwischen Göttern und Menschen abspielte, sie muß sich ja in unserer Zeit, in der Zeitepoche der menschlichen Freiheit, mehr unten im physischen Menschenleben abspielen. Und man kann schon schil­dern, wie sie sich abspielt. In alten Zeiten, wenn man an die Mysterien dachte, sprach man davon auf Erden: Menschliche Erkenntnis, mensch­liche Weisheit hat in den Mysterien eine Heimstätte. - Wenn man unter den Göttern sprach, so sagte man: Wenn wir in die Mysterien hinuntersteigen, dann finden wir die Opfer der Menschen, und im opfernden Menschen werden wir verstanden.

Im Grunde genommen war der Brand von Ephesus der Beginn der­jenigen Epoche, in der das Mysterienwesen allmählich in seiner alten Form verschwand. Ich habe erzählt, wie es fortbestanden hat da und dort, grandios zum Beispiel in den Mysterien von Hybernia, wo im Kultus das Mysterium von Golgatha gleichzeitig gefeiert worden ist, während es physisch drüben in Palästina vor sich ging. Man hatte Kenntnis davon nur aus der geistigen Vermittelung zwischen Palästina und Hybernia, nicht durch physische Vermittelung. Aber dennoch, das Mysterienwesen in der physischen Welt ging immer mehr und mehr zurück. Die äußeren Heimstätten, die Begegnungsstätten waren zwi­schen Göttern und Menschen, verloren immer mehr und mehr ihre Bedeutung. Sie hatten sie fast vollständig verloren im dreizehnten, vierzehnten nachchristlichen Jahrhundert. Denn wer den Weg finden wollte zum Beispiel zum heiligen Gral, der mußte geistige Wege zu gehen verstehen. Physische Wege war man gegangen in der alten Zeit,

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vor dem Brande von Ephesus. Geistige Wege mußte man gehen im Mittelalter.

Insbesondere aber mußte man geistige Wege gehen, wenn es sich darum handelte, vom dreizehnten, vierzehnten Jahrhundert, nament­lich aber vom fünfzehnten Jahrhundert ab eine wirkliche Rosenkreu­zer-Unterweisung zu erlangen. Denn die Tempel der Rosenkreuzer waren tief verborgen für das äußere physische Erleben. Viele wirkliche Rosenkreuzer waren Besucher der Tempel, aber kein äußeres physisches Menschenauge konnte die Tempel finden. Schüler aber konnte es geben, die kamen zu diesen alten Rosenkreuzern, die da und dort wie Eremi­ten des Wissens und der heiligen Menschentat zu finden waren, zu finden waren für denjenigen, der aus mildem Augenglanz Götter-sprache vernehmen kann. Ich sage damit nichts Uneigentliches. Ich will kein Bild aussprechen, ich will durchaus eine Wirklichkeit aus­sprechen, die in der Zeit, auf die ich deute, wirklich eine recht bedeut­same Wirklichkeit war. Den Rosenkreuzer-Meister fand man, wenn man sich erst die Fähigkeit erworben hatte, im physischen milden Augenglanz die Himmelssprache vernehmen zu können. Dann fand man in anspruchslosester Umgebung, in ansprudislosesten menschlichen Verhältnissen, gerade im vierzehnten, fünfzehnten Jahrhundert in Mitteleuropa diese merkwürdigen Persönlichkeiten, die in ihrem In­nern gotterfüllt waren, die in ihrem Innern zusammenhingen mit den geistigen Tempeln, die vorhanden waren, zu welchen aber der Zugang wirklich so schwierig war wie derjenige, der als Zugang zum heiligen Gral in der bekannten Legende geschildert wird.

Dann, wenn man hinschaut auf dasjenige, was sich abspielte zwi­schen einem solchen Rosenkreuzer-Meister und seinem Schüler, dann kann man manches Gespräch belauschen, welches auch in der Form der neueren Zeit Götterweisheit auf Erden wandelnd darstellt. Die Unterweisunge'n waren durchaus tief konkret. Da wurde in seiner Einsamkeit ein Rosenkreuzer-Meister gefunden von einem Schüler, der es sich hat heiß werden lassen, ihn zu suchen und zu finden. Da schaute einer der Schüler in die mild blickenden Augen, aus denen Götter-sprache spricht, und da bekam er anspruchslos etwa die folgende Unterweisung.

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Schaue hin, mein Sohn, auf deine eigene Wesenheit. Du trägst an dir jenen Körper, den deine äußeren physischen Augen sehen. Der Mittelpunkt der Erde schickt diesem Körper die Kräfte, die ihn sicht­bar machen. Das ist dein physischer Leib. Aber schaue dich um in der Umgebung deiner selbst auf der Erde. Du siehst die Steine, sie dürfen für sich auf der Erde sein, sie sind heimatlich auf der Erde. Sie können, wenn sie eine Gestalt angenommen haben, diese Gestalt behalten durch die Erdenkräfte. Sieh den Kristall: er trägt seine Form in sich, er behält diese Form seiner eigenen Wesenheit durch die Erde. Das kann dein physischer Leib nicht. Verläßt ihn deine Seele, dann zerstört ihn die Erde, dann löst sie ihn in Staub auf. Die Erde hat keine Macht über deinen physischen Leib. Sie hat die Macht, die durchsichtigen, wunder­bar gestalteten Kristallgebilde zu bilden und zu erhalten; sie hat keine Macht, die Gestalt deines physischen Leibes zu erhalten, sie muß ihn in Staub auflösen. Nicht von der Erde ist dein physischer Leib. Dein physischer Leib ist von hoher Geistigkeit. Seraphim, Cherubim, Throne, ihnen gehört dasjenige, was Form und Gestalt deines physi­schen Leibes ist. Nicht der Erde gehört dieser physische Leib, den höchsten dir zunächst zugänglichen geistigen Mächten gehört dieser physische Leib. Die Erde kann ihn zerstören, niemals kann sie ihn aufbauen.

Und innerhalb dieses deines physischen Leibes wohnt dein ätheri­scher Leib. Es wird der Tag kommen, da dein physischer Leib von der Erde zur Zerstörung angenommen wird. Dann wird dein ätherischer Leib in den Weiten des Kosmos sich auflösen. Die Weiten des Kosmos können diesen ätherischen Leib zwar auflösen, aber nicht aufbauen. Aufbauen können ihn nur jene göttlich-geistigen Wesenheiten, die der Hierarchie der Dynamis, Exusiai, Kyriotetes angehören. Ihnen ver-dankst du deinen ätherischen Leib. Du vereinigst mit deinem physi­schen Leib die physischen Stoffe der Erde. Was aber in dir ist, wandelt die physischen Stoffe der Erde so um, daß es in ihnen ungleich wird allem, was physisch in der Umgebung des physischen Leibes ist. Dein ätherischer Leib bewegt alles dasjenige in dir, was in dir Flüssigkeit, was in dir Wasser ist. Die Säfte, die da kreisen, die da zirkulieren, sie stehen unter dem Einflusse deines ätherischen Leibes. Aber sieh dein

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Blut: Exusiai, Dynamis, Kyriotetes, sie sind es, die dieses Blut als Flüs­sigkeit durch deine Adern kreisen lassen. Du bist nur als physischer Körper Mensch. In deinem Ätherleib bist du noch Tier, aber ein Tier, das durchgeistigt wird von der zweiten Hierarchie.

Dasjenige, was ich Ihnen hier, allerdings jetzt in wenigen Worten zusammenfasse, es war der Gegenstand eines langen Unterrichtes jenes Meisters, in dessen mildem Augen-Blick der Schüler die Sprache des Himmels vernahm. Dann wurde der Schüler hingewiesen auf das dritte Glied der menschlichen Wesenheit, das wir den astralischen Leib nennen. Dem Schüler wurde klargemacht, daß dieser astralische Leib die Impulse enthält zum Atmen, zu alledem, was Luft im mensch­lichen Organismus ist, zu alledem, was als Luft pulsiert im mensch­lichen Organismus. Aber obwohl das Irdische sich bemüht, durch eine lange Zeit, nachdem der Mensch durch die Pforte des Todes gegangen ist, gewissermaßen zu rumoren im Luftartigen und für einen hellsich­tigen Blick in den atmosphärischen Erscheinungen der Erde jahrelang wahrzunehmen ist das Poltern der astralischen Leiber der Verstor­benen, so kann auch die Erde mit ihrem Umkreis doch nichts anderes tun gegenüber den Impulsen des astralischen Leibes, als sie auflösen. Denn bilden können sie nur die Wesenheiten der dritten Hierarchie, Archai, Archangeloi, Angeloi.

Und so sagte, damit den Schüler tief ins Herz treffend, der Meister:

Du gehörst deinem physischen Leibe nach, insofern du das Mineral-reich in dir aufnimmst und es veränderst, insofern du das Menschen-reich in dir aufnimmst und es verarbeitest, du gehörst den Seraphim, Cherubim, Thronen an. Insofern du ein ätherischer Leib bist, bist du im Ätherischen tierähnlich, aber du gehörst da den Geistern an, die da bezeichnet werden als die der zweiten Hierarchie: Kyriotetes, Dynamis, Exusiai, und insofern du im flüssigen Elemente waltest, ge-hörst du nidir der Erde an, sondern dieser Hierarchie. Und indem du im luftförmigen Elemente waltest, gehörst du nicht der Erde an, son­dern der Hierarchie der Angeloi. Archangeloi, Archai.

Und nachdem in genügender Weise der Schüler diese Unterweisung erhalten hatte, fühlte er sich nicht mehr als einen Angehörigen der Erde. Er fühlte gewissermaßen von seinem physischen, ätherischen,

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astralischen Leib ausgehend die Kräfte, die ihn durch die Mineraiwelt verbinden mit der ersten Hierarchie, durch die wässerige Erde verbin­den mit der zweiten Hierarchie, durch den Luftkreis verbinden mit der dritten Hierarchie. Und klar war ihm: er lebt auf der Erde lediglich durch dasjenige, was er als Wärmeelement in sich trägt. Damit aber empfand der Rosenkreuzer-Schüler die Wärme, die er in sich trägt, die physische Wärme, die er in sich trägt, als das eigentliche Irdisch-Menschliche. Und immer mehr lernte er verwandt fühlen mit dieser physischen Wärme die Seelenwärme und die Geisteswärme. Und wäh­rend der spätere Mensch immer mehr und mehr verkannt hat, wie mit dem Göttlichen zusammenhängen sein physischer Inhalt, sein ätheri­scher Inhalt, sein astralischer Inhalt durch Festes, Flüssiges, Luftförmi-ges, hat der Rosenkreuzer-Schüler dies recht gut gewußt und hat ge­wußt: das wahrhaft Irdisch-Menschliche ist das Wärmeelement. In dem Augenblicke, wo dem Schüler des Rosenkreuzer-Meisters dieses Geheim­nis vom Zusammenhange des Wärmeelementes mit dem Menschlich-Irdischen aufgegangen war, in diesem Momente wußte er sein Mensch­liches an das Geistige anzuknüpfen.

Und in jenen oftmals recht ansprudislosen Heimen, in denen solche Rosenkreuzer-Meister wohnten, da war es, daß vor dem Eintritt auf eine oftmals ungesuchte, ja wunderbar erscheinende Weise die Schüler vorbereitet wurden, indem sie aufmerksam gemacht wurden - der eine auf diese, der andere auf jene Art, es schien oftmals äußerlich ein Zufall zu sein -, indem sie aufmerksam darauf gemacht wurden: Du mußt suchen, wo sich dein Geistiges an das Kosmisch-Geistige anschlie­ßen kann. - Und wenn der Schüler jene Unterweisung, von der ich Ihnen eben gesprochen habe, erhalten hatte, dann, ja dann konnte er seinem Meister sagen: Ich gehe jetzt von dir mit dem größten Troste, der mir auf Erden hat werden können. Denn dadurch, daß du mir gezeigt hast, daß der irdische Mensch sein Element wahrhaftig in der Wärme hat, dadurch hast du mir die Möglichkeit gegeben, mit mei­nem Physischen anzuknüpfen an das Seelische und Geistige. In die festen Knochen, in das flüssige Blut, in die luftförnige Atmung bringe ich nicht hinein das Seelische. In das Wärmeelement bringe ich es hinein.

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Und eine ungeheure Ruhe war es, mit der die also Unterwiesenen in jenen Zeiten von ihren Meistern hinweggingen. Und aus der Ruhe des Antlitzes, die ausdrückte das Ergebnis des großen Trostes, aus der Ruhe des Antlitzes entwickelte sich allmählich jener milde Blick, aus dem die Sprache des Himmels sprechen kann. Und so war eine tief seelische Unterweisung im Grunde vorhanden bis in das erste Drittel des fünfzehnten Jahrhunderts herein, verborgen gegenüber jenen Vor­gängen, von denen die äußere Geschichte berichtet. Aber eine Unter­weisung fand da statt, welche den ganzen Menschen ergriffen hat, eine Unterweisung, welche die menschliche Seele an die Sphäre des Kos-misch-Geistigen hat anknüpfen lassen ihr eigenes Wesen.

Diese ganze geistige Stimmung, sie ist im Laufe der letzten Jahr­hunderte dahingegangen. Sie ist nicht mehr in unserer Zivilisation ent­halten. Und eine äußerliche, gottfremde Zivilisation hat sich über die Stätten ausgebreitet, die einstmals solches gesehen haben, wie ich es Ihnen jetzt eben geschildert habe. Man steht heute da mit der Erinne­rung, die ja nur im Geiste, im Astrallichte herauferschaffen werden kann, an so manche Szene, die ähnlich derjenigen ist, die ich Ihnen eben ge­schildert habe. Das gibt die Grundstinmung, die man heute hat, wenn man zurückblickt in jene Zeiten, die oftmals als so finster geschildert werden, und dann blickt in unsere Zeit. Aber bei diesem Blick geht im Herzen auf aus den geistigen Offenbarungen, die seit dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts dem Menschen werden können, die tiefe Sehnsucht, in geistiger Art wiederum zu den Menschen zu sprechen. Und die geistige Art läßt sich nicht bloß sprechen durch ab­strakte Worte, die geistige Art fordert mancherlei Zeichen, um in der umfassenden Weise zu sprechen. Und eine solche Sprache, die gefunden werden sollte für jene geistigen Wesenheiten, die zu der modernen Menschheit sprechen sollen, eine solche Sprachform waren die Formen unseres vor einem Jahre verbrannten Goetheanums. Wahrhaftig, in diesen Formen sollte weiter sprechen dasjenige, was vom Podium aus in Ideen zu den Zuhörern gesprochen worden ist. Und damit war in einer gewissen Weise mit dem Goetheanum etwas vorhanden, was wirklich an Altes in ganz neuer Form wieder erinnern konnte.

Wenn der Einzuweihende den Tempel von Ephesus betrat, dann

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wurde sein Blick gelenkt auf jene Statue, von der ich in diesen Tagen gesprochen habe, auf jene Statue, die ihm eigentlich die Worte in Herzenssprache zurief: Vereinige dich mit dem Weltenäther, und du schaust das Irdische aus Ätherhöhen. - So hat mancher Schüler von Ephesus das Irdische aus Ätherhöhen geschaut. Und ein gewisses Göt-tergeschlecht wurde neidisch. Aber gegen den Neid der Götter haben Jahrhunderte vor dem Mysterium von Golgatha dennoch mutvolle Menschen die Möglichkeit gefunden, fortzupflanzen - wenn auch in Abschwächung, so doch nur in der Abschwächung, in der es fort-wirken konnte - dasjenige, was aus uralt-heiligen Menschheits-Ent­wickelungsjahren bis zum Brande von Ephesus gewirkt hat. Und wäre unser Goetheanum ganz fertig geworden, dann wäre auch vom Ein­tritte im Westen der Blick gefallen auf jene Statue, in der der Mensch die Aufforderung gefunden hätte, sich selber als kosmisches Wesen zu wissen, hineingestellt zwischen die Mächte des Luziferischen und die Mächte des Ahrimanischen, in innerer, gottgetragener Wesensausglei-chung. Und blickte man auf die Formen der Säulen, der Architrave, so sprach das eine Sprache, eine Sprache, welche die Fortsetzung der vom Podium aus in Ideen Geistiges wie interpretierenden Sprache war. Die Worte klangen weiter entlang den Formen, die plastisch ausgestal­tet waren. Und oben in der Kuppel waren zu sehen jene Szenen, welche die Menschheitsentwickelung dem geistigen Blicke nahebringen konn­ten. Es war schon in diesem Goetheanum für den, der empfinden konnte, eine Erinnerung an den Tempel von Ephesus zu sehen.

Aber die Erinnerung wurde furchtbar schmerzlich, als auf eine gar nicht unähnliche, der alten nicht unähnlichen Weise gerade in dem Punkte der Entwickelung, in dem das Goetheanum hätte übergehen sollen durch es selbst, der Träger der Erneuerung des spirituellen Le­bens zu werden, in dem Zeitpunkte nun auch die Brandfackel in dieses Goetheanum geworfen wurde.

Meine lieben Freunde, unser Schmerz war tief. Unser Schmerz war unbeschreiblich. Aber wir faßten den Entschluß, unge hindert um das Traurigste, Tragischste, das uns hat passieren können, unsere Arbeit für die geistige Welt fortzusetzen. Denn man konnte sich in seinem Herzen sagen: Schaut man hin auf die Flammen, die aus Ephesus aufsteigen,

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so erscheint in die Flammen hineingeschrieben der Neid der Götter in einer Zeit, in der die Meiischen noch unfrei mehr dem Willen guter und böser Götter folgen mußten.

In unserer Zeit sind die Menschen organisiert zur Freiheit hin. Und vor einem Jahre, in der Silvesternacht, schauten wir hin auf die ver­zehrenden Flammen. Die rote Lohe ging gegen den Himmel. Dunkel-bläuliche, rötlich-gelbe Flammenlinien züngelten durch das allgemeine Feuermeer, von den metallischen Instrumenten herrührend, die das Goetheanum barg, ein Riesenfeuermeer mit den mannigfaltigsten far­bigen Inhalten. Und man mußte, wenn man in dieses Flammenmeer sah mit den farbigen Linien darinnen, sprechend zum Schmerze der Seele, lesen: der Neid der Menschen.

So gliedert sich dasjenige, was von Epoche zu Epoche in der Mensch­heitsentwickelung spricht, zusammen selbst im größten Unglücke. Es geht ein Faden von dem Worte, das da ausdrückt ein größtes Unglück aus der Zeit, wo die Menschen noch in Unfreiheit zu den Göttern aufsahen, aber sich freimachen sollten von der Unfreiheit, es geht ein Faden der geistigen Entwickelung von jenem Unglücke, da man ein­geschrieben sah in die Flammen: der Neid der Götter - herüber zu unserem Unglücke, wo der Mensch in sich selber die Kraft der Freiheit finden soll, und wo in die Flammen eingeschrieben war: der Neid der Menschen. In Ephesus die Götterstatue; hier im Goetheanum die Menschenstatue, die Statue des Menschheits-Repräsentanten, des Christus-Jesus, in dem wir gedachten, uns mit ihm identifizierend, in aller Demut so in der Erkenntnis aufzugehen, wie einstmals in ihrer Art auf eine heute der Menschheit nicht mehr völlig verständliche Art die Schüler von Ephesus in der Diana von Ephesus aufgingen.

Der Schmerz wird nicht geringer, wenn man im historischen Lichte schaut dasjenige, was uns der Silvesterabend im vorigen Jahre brachte. Es hat ja sollen, als ich zum letzten Mal auf dem Podium stehen durfte, das im Einklange mit dem ganzen Bau dort aufgerichtet war, es hat ja sollen der Blick der damaligen Zuhörer, der Seelenblick, hingelenkt werden auf den Aufstieg aus irdischen Gebieten in Stemengebiete, die ausdrücken den Willen und die Weisheit, das Licht des geistigen Kosmos. Ich weiß, Pate standen dazumal manche von den Geistern,

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die im Mittelalter also ihre Schüler lehrten, wie ich es Ihnen beschrieben habe. Und eine Stunde, nachdem das letzte Wort ge­sprochen war, wurde ich geholt zum Brande des Goetheanums. Und am Brande des Goetheanums verbrachten wir die Silvesternacht des vorigen Jahres.

Man braucht ja diese Worte nur auszusprechen, und Unsägliches geht vor in allen unseren Herzen, in allen unseren Seelen. Aber wenn so etwas über ein Heiliges in der Menschheitsentwickelung hinweg-gezogen ist, dann gab es immer einige, die gelobten, nach der Auf­lösung des Physischen weiterzuwirken in dem Geiste, dem das Physi­sche gewidmet war. Und ich denke, da wir versammelt sind in dem Augenblicke, da sich jährt unser Goetheanum-Unglück, so dürfen wir gedenken, daß unsere Seelen die rechte Stimmung für dieses unser Zu­sammensein haben, wenn wir uns alle geloben, das im Geiste weiter durch die Fortschrittswelle der Menschheit zu tragen, was durch physi­sche Form, physisches Bild, physische Gestaltung mit dem Goethe-anum hingestellt war, und das dem physischen Auge durch eine Hero­stratos-Tat entzogen worden ist. Am alten Goetheanum haftet unser Schmerz. Würdig werden wir nur durch dasjenige, das uns immerhin auf­erlegt ist dadurch, daß wir dieses Goetheanum bauen durften, wenn wir uns heute in der Erinnerung das Gelöbnis ablegen, jeder vor dem gött­lich Besten, das er in der Seele trägt, treu zu bleiben den geistigen Impul­sen, die ihre äußere Form in jenem Goetheanum gehabt haben. Dieses Goetheanum konnte uns genommen werden. Der Geist dieses Goethe­anums kann uns, wenn wir wirklich ehrlich und aufrichtig wollen, nicht genommen werden. Und er wird uns am wenigsten genommen, wenn wir in dieser ernst-feierlichen Stunde, die uns nur noch kurze Zeit trennt von dem Zeitpunkte, da vor einem Jahre herausloderten die Flammen aus unserem geliebten Goetheanum, wenn wir in diesem Augenblicke nicht nur den Schmerz erneut empfinden, sondern aus diesem Schmerze heraus uns geloben, jenem Geiste treu zu bleiben, dem wir diese Stätte durch zehn Jahre hindurch aufbauen durften. Dann, meine lieben Freunde, wenn dieses innere Gelöbnis uns ehrlich, aufrichtig heute aus dem Herzen quillt, wenn wir den Schmerz, das Leiden verwandeln können in den Impuls der Tat, dann werden wir

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auch das traurige Ereignis verwandeln in Segen. Der Schmerz kann dadurch nicht geringer werden, aber es obliegt uns gerade, aus dem Schmerze heraus den Antrieb zur Tat, zur Tat im Geiste zu finden.

Und so, meine lieben Freunde, schauen wir zurück auf die furcht­bare Feuerflamme, die uns mit so unsäglicher Trauer erfüllte. Fühlen wir aber heute, den besten göttlichen Kräften in uns selbst uns ange-lobend, die heilige Flamme in unseren Herzen, die geistig erleuchten und wärmen soll dasjenige, was mit dem Goetheanum gewollt war, indem wir diesen Willen forttragen durch die Fortschrittswellen der Menschheit. So wiederholen wir in diesem Augenblicke vertieft die Worte, die ich vor einem Jahre drüben ungefähr in diesem selben Zeit­punkte sprechen durfte. Damals sprach ich ungefähr: Wir leben in einem Silvester, wir müssen entgegenleben einem neuen Weltenjahr. -Oh, stünde das Goetheanum noch unter uns, diese Aufforderung könnte in diesem Momente erneut werden! Es steht nicht mehr unter uns. Sie darf gerade, weil es nicht mehr unter uns steht, wie ich glaube, mit vielfach vermehrter Kraft am heutigen Silvesterabend ausgespro­chen werden. Tragen wir die Seele des Goetheanums in das neue Weltenjahr hinüber, und versuchen wir, zu errichten in dem neuen Goetheanum dem Leibe des alten ein würdiges Dokument, ein wür­diges Denkmal.

Das, meine lieben Freunde, knüpfe unsere Herzen an das alte Goetheanum, das wir den Elementen übergeben mußten. Das knüpfe aber unsere Herzen an den Geist, an die Seele dieses Goetheanums. Und mit diesem Angelöbnis an unser bestes Wesen in uns selber wollen wir hinüberleben nicht bloß in das neue Jahr, wollen hinüberleben, tatkräftig, geisttragend, seelenführend in das neue Weltenjahr.

Meine lieben Freunde, Sie haben mich empfangen, indem Sie sich in der Erinnerung an das alte Goetheanum erhoben haben. Sie leben in der Erinnerung an dieses alte Goetheanum. Erheben wir uns jetzt zum Zeichen, daß wir uns angeloben, in dem Geiste des Goetheanum weiterzuwirken mit den besten Kräften, die wir im Bilde unseres Menschenwesens finden können. Ja, so sei es. Amen.

Und so wollen wir es halten, meine lieben Freunde, so lange wir es können, nach dem Willen, der unsere Menschenseelen verbindet mit

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den Götterseelen, denen wir treu bleiben wollen in dem Geiste, aus dem heraus wir diese Treue suchten in einem bestimmten Zeitpunkte unseres Lebens, da wir die Geisteswissenschaft des Goetheanums such­ten. Und verstehen wir, diese Treue zu halten.

NEUNTER VORTRAG Dornach, 1. Januar 1924

#G233-1962-SE143 Die weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung

#TI

NEUNTER VORTRAG

Dornach, 1. Januar 1924

#TX

Da wir nun zum letzten Mal in dieser Tagung, von der Kraftvolles, Wichtiges für die anthroposophische Bewegung ausgehen soll, zusam­men sind, lassen Sie mich wohl den letzten Vortrag so gestalten, daß er sich innerlich, dem Impulse nach, anschließt an die mancherlei Aus-blicke, die uns diese Vortragsreihe gegeben hat, daß aber auch auf der anderen Seite in einer gewissen Weise, ich möchte sagen empfindungs-gemäß; auf die Zukunft, namentlich die Zukunft des anthroposophi­schen Strebens dadurch hingewiesen werde.

Wenn man heute in die Welt hinaussieht, so bietet sich, zwar seit Jahren schon, außerordentlich viel Zerstörungsstoff. Kräfte sind am Werk, die ahnen lassen, in welche Abgründe die westliche Zivilisation noch hineinsteuern wird. Aber man möchte sagen: Wenn man gerade nach denjenigen Menschen sieht, welche gewissermaßen äußerlich die geistige Führerschaft auf den verschiedensten Gebieten des Lebens inne-haben, dann wird man bemerken, wie diese Menschen in einem furcht­baren Weltenschlafe befangen sind. - Sie denken ja ungefähr so, noch vor kurzer Zeit dachten die meisten vielleicht so: Bis ins neunzehnte Jahrhundert herein war die Menschheit in bezug auf ihre Einsichten und Anschauungen kindlich, primitiv. Dann ist die neuere Wissenschaft auf den verschiedensten Gebieten gekommen, und nun sei etwas da, was wohl in alle Ewigkeit als die Wahrheit weitergepflegt werden müsse.

Die Menschen, die so denken, leben eigentlich in einem ungeheuren Hochmut, wissen es nur nicht. Demgegenüber erscheint manchmal doch innerhalb der heutigen Menschen diese oder jene Ahnung, daß die Dinge doch nicht so sind, wie ich sie eben als in der Meinung der meisten liegend dargestellt habe.

Während ich vor einiger Zeit jene Vorträge halten konnte in Deutsch­land, die vom Wolffschen Büro organisiert waren und die eine außer­ordentlich reiche Zuhörerschaft gebracht haben, so daß schon mancher aufmerkte, wie Anthroposophie eigentlich begehrt wird, da zeigte sich unter so vielen albernen gegnerischen Stimmen eine, die ja inhaltlich

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nicht viel gescheiter als die anderen war, die aber dennoch eine merk­würdige Ahnung verriet. Sie bestand in einer Zeitungsnotiz, die an-knüpfte an einen der Vorträge, die ich in Berlin zu halten hatte. Da sagte eine Zeitungsstimme: Wenn man sich so etwas anhört - wie ich es dazumal in jenem Berliner Vortrage vorgebracht habe -, dann wird man doch aufmerksam darauf, daß nicht nur auf der Erde - ich zitiere ungefähr, wie die Notiz war -, sondern im ganzen Kosmos etwas vor­geht, was die Menschen zu einer anderen Geistigkeit aufruft, als sie vorher da war. Man sehe, daß jetzt sozusagen die Kräfte des Kosmos, nicht bloß die irdischen Impulse, von den Menschen etwas fordern; eine Art Revolution im Kosmos, deren Ergebnis eben das Streben nach neuer Geistigkeit sein müsse.

Solch eine Stimme war immerhin da, und sie war eigentlich recht bemerkenswert. Denn wahr ist es ja: Was in richtiger Art impulsieren muß dasjenige, was nunmehr von Dornach ausgehen soll, das muß, wie ich in diesen Tagen von den verschiedensten Gesichtspunkten aus be­tonte, ein Impuls sein, nicht auf der Erde entsprossen, sondern ein Im­puls, entsprossen in der geistigen Welt. Wir wollen hier die Kraft ent­wickeln, Impulsen aus der geistigen Welt zu folgen. Deshalb habe ich in diesen Abendvorträgen während dieser Weihnachtstagung von mannigfaltigen Impulsen, die in der geschichtlichen Entwickelung da waren, gesprochen, damit die Herzen aufgehen können für das Auf­nehmen geistiger Impulse, die erst einströmen sollen in die irdische Welt, die nicht von der irdischen Welt selber genommen sein sollen. Denn alles, was bisher die irdische Welt in richtigem Sinne getragen hat, war aus der geistigen Welt entsprungen. Und sollen wir etwas für die irdische Welt Fruchtbares leisten, so müssen die Impulse dazu aus der geistigen Welt geholt werden.

Das, meine lieben Freunde, regt an, hinzuweisen darauf, wie die Antriebe, die wir mitnehmen sollen aus dieser Tagung in unser ferne­res Wirken, verbunden sein müssen mit einer großen Verantwortung.

Lassen Sie uns einmal einige Minuten verweilen bei dem, was uns auferlegt ist durch diese Tagung als eine große Verantwortung. Man konnte in den letzten Jahrzehnten mit einem Sinn für die geistige Welt an mancherlei Persönlichkeiten vorbeigehen, geistig beobachtend und

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bittere Gefühle empfangend aus dieser geistigen Beobachtung für das kommende Schicksal der Erdenmenschheit. Man konnte vorbeigehen an den Mitmenschen der Erde auf jene Art, wie man es eben im Geiste kann, und diese Menschen beobachten, wenn sie schlafend ihren physi­schen und Ätherleib verlassen haben und mit ihrem Ich und mit ihrem astralischen Leib in der geistigen Welt weilen. Ja, Wanderungen anzu­stellen über die Schicksale der Iche und astralischen Leiber in den letzten Jahrzehnten, während die Menschen schliefen, das war schon die Veranlassung zu Erfahrungen, die auf schwere Verantwortlich­keiten für den, der diese Dinge wissen kann, hinweisen. Diese Seelen, die vom Einschlafen bis zum Aufwachen ihren physischen Leib und ihren Ätherleib verlassen hatten, diese Seelen sah man dann öfter herankommen an den Hüter der Schwelle.

Dieser Hüter der Schwelle in die geistige Welt ist ja im Laufe der Menschheitsentwickelung den Menschen in der mannigfaltigsten Weise vor das Bewußtsein getreten. Manche Legende, manche Sage - denn in solcher Form erhalten sich ja die wichtigsten Dinge, nicht in der Form der geschichtlichen Überlieferung -, manche Legende, manche Sage weist eben darauf hin, wie in älteren Zeiten diese oder jene Persönlich­keit dem Hüter der Schwelle begegnet ist und von ihm die Unter­weisung bekommen hat, wie sie hineinkommen soll in die geistige Welt und wiederum zurück in die physische Welt. Denn alles richtige Hinein­kommen in die geistige Welt muß begleitet sein von der Möglichkeit, in jedem Augenblicke wiederum zurückkehren zu können in die physi­sche Welt und in ihr wirklich auf beiden Beinen zu stehen als ein durch­aus praktischer, besonnener Mensch, nicht als ein Schwärmer, nicht als ein schwärmerischer Mystiker.

Das wurde im Grunde genommen gegenüber dem Hüter der Schwelle durch all die Jahrtausende des Menschenstrebens in die geistige Welt hinein verlangt. Aber insbesondere im letzten Drittel des neunzehn­ten Jahrhunderts, da sah man kaum Menschen, die im wachen Zustande an den Hüter der Schwelle herangelangten. Um so mehr aber in unserer Zeit, wo es der ganzen Menschheit historisch auferlegt ist, in irgend­einer Form am Hüter der Schwelle vorbeizukommen, um so mehr findet man, wie gesagt, bei entsprechenden Wanderungen in der geistigen

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Welt, wie die schlafenden Seelen als Iche und astralische Leiber an den Hüter der Schwelle herankommen. Das sind die bedeutungsvollen Bilder, die man heute bekommen kann: der ernste Hüter der Schwelle, um ihn herum Gruppen von schlafenden Menschenseelen, die im wa­chenden Zustande nicht die Kraft haben, an diesen Hüter der Schwelle heranzukommen, die an ihn herankommen, während sie schlafen.

Dann, wenn man die Szene sieht, die sich da abspielt, dann bekommt man einen Gedanken, der gerade verbunden ist mit dem, was ich das Aufkeimen einer notwendigen großen Verantwortung nennen möchte. Die Seelen, die so im schlafenden Zustande an den Hüter der Schwelle herankommen, sie fordern mit demjenigen Bewußtsein - für das wache bleibt es unbewußt oder unterbewußt -, das der Mensch im Schlafe hat, den Einlaß in die geistige Welt, das Hinüberwandern über die Schwelle. Und in zahllosen Fällen hört man dann die Stimme des ern­sten Hüters der Schwelle: Du darfst zu deinem eigenen Heile nicht hinüber über die Schwelle. Du darfst nicht den Einlaß gewinnen in die geistige Welt. Du mußt zurück. - Denn würde der Hüter der Schwelle solchen Seelen ohne weiteres den Einlaß in die geistige Welt gewähren, sie würden über die Schwelle hinübergehen, sie würden in die geistige Welt hineinkommen mit den Begriffen, die ihnen die heutige Schule, die heutige Bildung, die heutige Zivilisation überliefert, mit den Be­griffen und Ideen, mit denen der Mensch heute aufwachsen muß zwi­schen dem sechsten Jahre und im Grunde genommen dem Ende seines Erdenlebens.

Diese Begriffe und Ideen, sie haben die Eigentümlichkeit: wenn man mit ihnen, so wie man mit ihnen geworden ist durch die gegen­wärtige Zivilisation und Schule, in die geistige Welt eintritt, wird man seelisch paralysiert. Und man würde zurückgelangen in die physische Welt in Gedanken- und Ideenleerheit. Würde der Hüter der Schwelle nicht erst diese Seelen zurückstoßen, viele Seelen der gegenwärtigen Menschen zurückstoßen, würde er sie hinüberlassen in die geistige Welt, dann würden sie, wenn sie wiederum aufwachend zurückkommen, beim entscheidenden Aufwachen zurückkommen, das Gefühl haben:

Ich kann ja nicht denken, meine Gedanken ergreifen mein Gehirn nicht, ich muß gedankenlos durch die Welt gehen. - Denn so ist die

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Welt der abstrakten Ideen, die der Mensch heute anknüpft an alles:

man kann mit ihnen hinein in die geistige Welt, aber nicht wieder mit ihnen heraus. Und wenn man diese Szene sieht, die wirklich heute im Schlafe mehr Seelen erleben, als man gewöhnlich glaubt, dann sagt man sich: Oh, wenn es nur gelänge, diese Seelen davor zu behüten, daß, was sie im Schlafe erleben, sie nicht auch im Tode erleben müs­sen. - Denn wenn der Zustand, der so erlebt wird vor dem Hüter der Schwelle, lange genug fortdauern würde, das heißt, wenn die mensch­liche Zivilisation lange unter demjenigen bliebe, was man heute in den Schulen aufnehmen, durch die Zivilisation überliefert erhalten kann, dann würde aus dem Schlafe Leben werden. Die Menschenseelen wür­den hinübergehen durch die Pforte des Todes in die geistige Welt, aber nicht wieder eine Kraft der Ideen in das nächste Erdenleben bringen können. Denn man kann hinein mit den heutigen Gedanken in die geistige Welt, nicht aber mit ihnen wieder heraus. Man kann nur see­lisch paralysiert wieder herauskommen.

Sehen Sie, die Zivilisation der Gegenwart läßt sich begründen mit dieser Form des geistigen Lebens, die eben seit so langer Zeit gepflegt worden ist, aber das Leben läßt sich damit nicht begründen. Diese Zivilisation könnte eine Zeitlang fortgehen. Die Seelen würden eben während des Wachens nichts ahnen von dem Hüter der Schwelle, wäh­rend des Schlafens von ihm zurückgewiesen werden, damit sie nicht paralysiert würden, und zuletzt würde das bewirken, daß ein Men­schengeschlecht in der Zukunft geboren würde, welches keinen Ver­stand, keine Möglichkeit, Ideen im Leben anzuwenden, in diesem künf­tigen Erdenleben zeigte, und das Denken, das Leben in Ideen würde von der Erde verschwinden. Ein krankhaftes, bloß instinktives Men­schengeschlecht würde die Erde bevölkern müssen. Schlimme Gefühle und Emotionen allein, ohne die orientierende Kraft der Ideen, würden Platz greifen in der Menschheitsentwickelung. Ja, es ist so, daß nicht nur in der schon geschilderten Weise sich durch die Beobachtung der vor dem Hüter der Schwelle stehenden Seele, die keinen Einlaß gewinnen kann in die geistige Welt, daß nicht nur dadurch ein trauriges Bild sich darbietet dem geistig Schauenden, sondern auch noch in einer an­deren Beziehung.

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Nimmt man eine Menschenwesenheit, die nun nicht aus westlicher Zivilisation, sondern aus östlicher Zivilisation entsprungen ist, mit auf jener Wanderung, die ich charakterisiert habe, auf der man beobachten kann die schlafenden Menschenseelen vor dem Hüter der Schwelle, nimmt man eine solche östliche Menschenwesenheit mit, dann kann man von ihr die Geist-Worte wie einen furchtbaren Vorwurf gegen­über der gesamten westlichen Zivilisation erheben hören: Seht ihr, wenn das so fortgeht, wird schon, wenn die Menschen, die heute leben, neuerdings in einer Inkarnation auf Erden erscheinen, die Erde bar-barisiert sein. Die Menschen werden ohne Ideen, nur noch in Instinkten leben. So weit habt ihr es gebracht, weil ihr abgefallen seid von der alten Spiritualität des Morgenlandes.

In der Tat, für dasjenige, was Aufgabe des Menschen ist, kann ge­rade ein solcher Blick in die geistige Welt hinein, wie ich ihn geschildert habe, eine starke Verantwortlichkeit erzeugen. Und hier in Dornach muß eine Stätte sein, wo für diejenigen Menschen, die es hören wollen, gesprochen werden kann von allen wichtigen, unmittelbaren Erleb­nissen in der geistigen Welt. Hier muß eine Stätte sein, wo die Kraft gefunden wird, nicht bloß in ausspintisierender, dialektisch-empiri­scher Wissenschaftlichkeit der Gegenwart hinzudeuten darauf, daß es da oder dort solche kleinen Spuren des Geistigen gibt, sondern wenn Dornach seine Aufgabe erfüllen will, dann muß hier offen von dem, was in der geistigen Welt vorgeht geschichtlich, was in der geistigen Welt vorgeht als Impulse, die dann in das natürliche Dasein hinein­gehen und die Natur beherrschen, es muß in Dornach von wirklichen Erlebnissen, von wirklichen Kräften, von wirklichen Wesenheiten der geistigen Welt der Mensch hören können. Hier muß die Hochschule der wirklichen Geisteswissenschaft sein. Und wir dürfen fortan nicht zu­rückweichen vor den Anforderungen heutiger Wissenschaftlichkeit, die den Menschen so, wie ich es geschildert habe, schlafend vor den ern­sten Hüter der Schwelle führt. Man muß sozusagen in Dornach Kraft gewinnen können, sich - geistig sei es gemeint - Auge in Auge der gei­stigen Welt wirklich gegenüberzustehen, von der geistigen Welt zu erfahren.

Daher soll auch hier nicht in dialektischen Tiraden von dem Ungegenügenden

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der heutigen Wissenschaftstheorie gesprochen werden, sondern ich mußte darauf aufmerksam machen, in welche Lage der Mensch gegenüber dem Hüter der Schwelle durch diese Wissenschaftstheorien mit ihren Ausläufern in die gewöhnliche Schule kommt. Wenn man sich jetzt bei dieser Tagung hier einmal dies ernsthaftig gegenüber der eigenen Seele gestanden hat, dann wird diese Weihnachtstagung einen kräftigen Impuls in die Seele hineinsenden, der dann diese Seele hin-austragen kann zu kräftigem Wirken, wie es die Menschheit heute braucht, damit die nächste Inkarnation die Menschen so finde, daß sie wirklich dem Hüter der Schwelle begegnen können, das heißt, daß die Zivilisätion so werde, daß sie selbst als Zivilisation vor dem Hüter der Schwelle bestehen kann.

Vergleichen Sie die heutige Zivilisation mit früheren Zivilisationen. In allen früheren Zivilisationen gab es Ideen, Begriffe, die zuerst hin-aufgingen nach der übersinnlichen Welt, nach den Göttern, nach der Welt, wo gezeugt, geschaffen wird, hervorgebracht wird; dann konnte man mit den Begriffen, die vor allem den Göttern gehörten im Auf-blicke, herabblicken auf die irdische Welt, um diese irdische Welt nun mit den götterwürdigen Begriffen und Ideen auch zu verstehen. Kam man mit diesen Ideen, die götterwürdig und götterwert ausgebildet waren, vor den Hüter der Schwelle, dann sagte einem der Hüter der Schwelle: Du kannst passieren, denn du bringst hinüber in die über-sinnliche Welt dasjenige, was schon während deines Erdenlebens im physischen Leibe nach der übersinnlichen Welt gerichtet ist. Dann bleibt dir bei der Rückkehr in die physisch-sinnliche Welt noch genug der Kraft übrig, um nicht gelähmt zu werden durch den Anblick der übersinnlichen Welt. - Heute entwickelt der Mensch Begriffe und Ideen, die er nach dem Genius der Zeit nur anwenden will auf die physisch-sinnliche Welt. Diese Begriffe und Ideen handeln von allem möglichen Wägbaren, Meßbaren und so weiter, nur nicht von den Göttern. Sie sind nicht götterwürdig, sie sind nicht götterwert. Deshalb donnert es den Seelen, die nun schon ganz verfallen sind dem Materialismus der götterunwerten und götterunwürdigen Ideen, deshalb donnert es ihnen, wenn sie schlafend den Hüter der Schwelle passieren, entgegen: Tritt nicht über die Schwelle! Du hast deine Ideen mißbraucht für die Sinneswelt.

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Du mußt mit ihnen deshalb in der Sinneswelt bleiben, kannst mit ihnen nicht, wenn du nicht seelisch paralysiert werden willst, in die Götterwelt eintreten.

Sehen Sie, solche Dinge müssen gesagt werden, nicht, damit man über sie spintisiert, sondern sie müssen gesagt werden, damit man sein Gemüt von ihnen durchströmen und durchdringen läßt und in die rechte Stimmung kommt, die man mitnehmen soll von dieser so ernsten Weihnachtstagung der Anthroposophischen Gesellschaft. Denn wich­tiger als alles übrige, was wir mitnehmen, wird sein die Stimmung, die wir mitnehmen, die Stimmung für die geistige Welt, die Gewißheit gibt: In Dornach wird ein Mittelpunkt geistiger Erkenntnis geschaffen werden.

Deshalb klang es heute vormittag wirklich schön, als gesprochen worden ist für ein Gebiet, das hier in Dornach gepflegt werden soll, für das Gebiet der Medizin, von Dr. Zeylmans, daß heute nicht mehr Brücken gebaut werden können von der gewöhnlichen Wissenschaft aus in dasjenige, was hier in Dornach begründet werden soll. Wenn wir das­jenige, was auf unserem Boden medizinisch erwächst, so beschreiben, daß wir den Ehrgeiz haben: Unsere Abhandlungen können bestehen vor den gegenwärtigen klinischen Anforderungen - dann, dann werden wir niemals mit den Dingen, die wir eigentlich als Aufgabe haben, zu einem bestimmten Ziele kommen, denn dann werden die anderen Men­schen sagen: Nun ja, das ist ein neues Mittel; wir haben auch schon neue Mittel gemacht.

Dasjenige, um was es sich handelt, ist, daß tatsächlich hereingenom­men werde in das anthroposophische Leben solch ein Zweig der Lebens­praxis, wie es die Medizin ist. Das habe ich wohl als eine Sehnsucht von Dr. Zeylmans heute vormittag richtig verstanden. Denn zu diesem Ziele sagte er doch: Derjenige, der heute Arzt geworden ist, sagt: Ich bin eben Arzt geworden - aber er sehnt sich nach etwas, was aus einer neuen Weltenecke heraus Impulse gibt. - Und sehen Sie, auf dem Ge­biete der Medizin soll das in eindeutiger Weise in der Zukunft von Dornach aus hier so gemacht werden, wie mancher andere Zweig des anthroposophischen Wirkens, der im Schoße des Anthroposophischen geblieben ist, eben gewirkt hat, und wie jetzt mit Frau Dr. Wegman

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als meiner Helferin ausgearbeitet wird gerade jenes ganz aus der An­throposophie herauskommende medizinische System, das die Mensch­heit braucht und das demnächst vor die Menschheit treten wird. Ebenso wird es meine Absicht sein, eine engste Beziehung zu dem ja so segens­reich wirkenden Klinisch-Therapeutischen Institut in Arlesheim, eine möglichst intime Verbindung des Goetheanum mit diesem Institute in möglichster Bälde, in kurzer Zukunft herzustellen, so daß tatsächlich dasjenige, was da gedeiht, in der wirklichen Orientierungslinie der Anthroposophie liegen wird. Das ist auch dasjenige, was Frau Dr. Weg­mans Absicht ist.

Nun, damit aber hat ja Dr. Zeylmans hingewiesen für ein Gebiet auf dasjenige, was sich der Vorstand von Dornach nun auf allen Ge­bieten des anthroposophischen Wirkens zu seiner Aufgabe machen wird. Man wird daher in der Zukunft wissen, wie die Dinge stehen. Man wird nicht sagen: Bringen wir dorthin Eurythmie; wenn die Leute zuerst Eurythmie sehen und nichts hören von Anthroposophie, da gefällt ihnen die Eurythmie. Dann vielleicht kommen sie später, und weil ihnen die Eurythmie gefallen hat und sie erfahren, daß hinter der Eurythmie die Anthroposophie steht, dann gefällt ihnen die Anthropo­sophie auch. - Oder: Man muß den Leuten zuerst die Praxis der Heil­mittel zeigen, man muß ihnen zeigen, daß das richtige Heilmittel sind; dann werden die Leute das kaufen. Dann werden sie später einmal er­fahren, da stecke die Anthroposophie dahinter, und dann werden sie auch da an die Anthroposophie herankommen.

Wir müssen den Mut haben, solch ein Vorgehen verlogen zu finden. Erst wenn wir den Mut haben, solch ein Vorgehen verlogen zu finden, es innerlich verabscheuen, dann wird Anthroposophie ihren Weg durch die Welt finden. Und in dieser Beziehung wird schon gerade das Wahr­heitsstreben dasjenige sein, was in der Zukunft von Dornach hier ohne Fanatismus, sbndern in ehrlicher, gerader Wahrheitsliebe verfochten werden soll. Vielleicht können wir gerade dadurch eben manches gut­machen, was in den letzten Jahren in so schwerer Weise gesündigt worden ist.

Mit nicht leichten, sondern ernsten Gedanken müssen wir diese Ta­gung, die zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Geselischaft

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geführt hat, verlassen. Aber ich denke, daß es für niemanden nötig geworden ist, aus dem, was sich hier abgespielt hat an Weih­nachten, Pessimismus mitzunehmen. Zwar gingen wir jeden Tag vorbei vor der traurigen Goetheanum-Ruine, aber ich denke, in jeder Seele, die hier zu der Tagung auf diesen Hügel heraufsteigend an dieser Ruine vorbeiging, ging zu gleicher Zeit durch dasjenige, was hier ver­handelt worden ist, was hier, wie man sichtlich hat bemerken können, von unseren Freunden wohl in ihren Herzen verstanden worden ist, aus alledem ging doch der Gedanke hervor: Es wird geistige Feuer-flammen geben können, die gerade als wahres Geistesleben aus dem wiedererstehenden Goetheanum zum Segen der Menschheit in der Zu­kunft hervorgehen sollen, hervorgehen sollen durch unseren Fleiß, her­vorgehen sollen durch unsere Hingabe. Und je mehr wir mit Mut zur Führung der anthroposophischen Angelegenheiten von hier weggehen, desto besser haben wir vernommen, was immerhin wie ein hoffnungs­voller Geisteszug in diesen Tagen durch unsere Versammlung gegan­gen ist. Denn gerade die Szene, die ich Ihnen geschildert habe, die so oftmals zu sehen ist: Der heutige Mensch mit der dekadenten Zivili­sation und Schule, schlafend vor dem Hüter der Schwelle - der ist eigentlich in den Kreisen der empfindenden Anthroposophen doch nicht vorhanden. Da ist doch dasjenige vorhanden, das unter Umständen nur die eine Ermahnung braucht, die eine Ermahnung, die da lautet:

Du mußt zu dem Vernehmen der Stimme aus dem Geisterland den starken Mut, dich zu dieser Stimme zu bekennen, entwickeln, denn du hast begonnen zu wachen. Der Mut wird dich wach erhalten; die Mut­losigkeit allein könnte dich zum Einschlafen führen.

Die mahnende Stimme zum Mut, die mahnende Stimme durch den Mut zum Wachsein, das ist die andere Variante, die Variante für An­throposophen im gegenwärtigen Zivilisationsleben. Die Nicht-An­throposophen hören: Bleibe draußen aus dem Geisterland, du hast mißbraucht die Ideen für die bloß irdischen Gegenstände, du hast keine Ideen gesammelt, die götterwert und götterwürdig wären. Daher wür­dest du paralysiert werden beim Wieder-Zurückkommen in die phy­sisch-sinnlische Welt. - Denjenigen Seelen, die Anthroposophenseelen sind, denen aber wird gesagt: Ihr sollt nur noch erprobt werden in

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eurem Mute zum Bekenntnis dessen, was ihr als Stimme ja durch die Neigung eures Gemütes, durch die Neigung eures Herzens wohl ver­nehmen könnt.

Meine lieben Freunde, wie es gestern Jahresfrist war, daß wir hin-schauten auf die züngelnden Flammen, die uns das alte Goetheanum verzehrten, so dürfen wir schon heute - da wir, selbst als die Flammen draußen brannten, uns hier nicht stören ließen in der Fortsetzung der Arbeit vor einem Jahre -, so dürfen wir schon heute wohl darauf hoffen, daß wir, wenn das physische Goetheanum dastehen wird, so gearbeitet haben werden, daß das physische Goetheanum bloß das äußere Symbolum ist für unser geistiges Goetheanum, das wir mit als Idee nehmen wollen, wenn wir jetzt in die Welt hinausgehen.

Den Grundstein haben wir hier gelegt. Auf diesem Grundstein soll das Gebäude errichtet werden, dessen einzelne Steine sein werden die Arbeiten, die in allen unseren Gruppen nun von den einzelnen drau­ßen in der weiten Welt geleistet werden. Auf diese Arbeiten wollen wir hinschauen jetzt und uns bewußt werden der Verantwortung, von der heute gesprochen worden ist gegenüber dem vor dem Hüter der Schwelle stehenden Menschen der Gegenwart, dem der Einlaß in die geistige Welt verwehrt werden muß.

Ganz gewiß darf es uns niemals einfallen, anders als den tiefsten Schmerz und die tiefste Trauer zu empfinden über dasjenige, was uns vor Jahresfrist passiert ist. Aber alles in der Welt - dessen dürfen wir auch eingedenk sein -, alles in der Welt, was eine gewisse Größe er-reicht hat, ist aus dem Schmerz heraus geboren. Und so möge denn unser Schmerz so gewendet werden, daß aus ihm eine kräftige, leuch­tende Anthroposophische Gesellschaft durch Ihre Arbeit, meine lieben Freunde, entstehe.

Zu diesem Zwecke haben wir uns vertieft in jene Worte, mit denen ich begonnen habe, in jene Worte, mit denen ich schließen möchte diese Weihnachtstagung, diese Weihnachtstagung, die eine Weihenacht, ein Weihefest für uns sein soll für nicht nur einen Jahresanfang, son­dern für einen Welten-Zeitenwende-Anfang, dem wir uns widmen wollen zu hingebungsvoller Pflege des geistigen Lebens:

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Menschenseele!

Du lebest in den Gliedern,

Die dich durch die Raumeswelt

In das Geistesmeereswesen tragen:

Übe Geist-Erinnern

In Seelentiefen,

Wo in waltendem

Weltenschöpfer-Sein

Das eigne Ich

Im Gottes-Ich

Erweset;

Und du wirst wahrhaft leben

Im Menschen-Welten-Wesen.

Denn es waltet der Vater-Geist der Höhen

In den Weltentiefen Sein-erzeugend:

Seraphim, Cherubim, Throne,

Lasset aus den Höhen erklingen,

Was in den Tiefen das Echo findet;

Dieses spricht:

Ex deo nascimur.

Das hören die Elementargeister

Im Osten, Westen, Norden, Süden:

Menschen mögen es hören.

Menschenseele!

Du lebest in dem Herzens-Lungen-Schlage,

Der dich durch den Zeitenrhythmus

Ins eigne Seelenwesensfühlen leitet:

Übe Geist-Besinnen

Im Seelengleichgewichte,

Wo die wogenden

Welten-Werde-Taten

Das eigne Ich

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Dem Welten-Ich

Vereinen;

Und du wirst wahrhaft lühlen

Im Menschen-Seelen-Wirken.

Denn es waltet der Christus-Wille im Umkreis

In den Weltenrhythmen Seelen-begnadend:

Kyriotetes, Dynameis, Exusiai,

Lasset vom Osten befeuern,

Was durch den Westen sich gestaltet;

Dieses spricht:

In Christo morimur.

Das hören die Elementargeister

Im Osten, Westen, Norden, Süden:

Menschen mögen es hören.

Menschenseele!

Du lebest im ruhenden Haupte,

Das dir aus Ewigkeitsgründen

Die Weltgedanken erschließet:

Übe Geist-Erschauen

In Gedanken-Ruhe,

Wo die ew'gen Götterziele

Welten-Wesens-Licht

Dem eignen Ich

Zu freiem Wollen

Schenken;

Und du wirst wahrhaft denken

In Menschen-Geistes-Gründen.

Denn es walten des Geistes Weitgedanken

Im Weltenwesen Licht-erflehend:

Archai, Archangeloi, Angeloi,

0 lasset aus den Tiefen erbitten,

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Was in den Höhen erhöret wird;

Dieses spricht:

Per spiritum sanctum reviviscimus.

Das hören die Elementargeister

Im Osten, Westen, Norden, Süden:

Menschen mögen es hören.


In der Zeiten Wende

Trat das Welten-Geistes-Licht

In den irdischen Wesensstrom;

Nacht-Dunkel

Hatte ausgewaltet;

Taghelles Licht

Erstrahlte in Menschenseelen;

Licht,

Das erwärmet

Die armen Hirtenherzen;

Licht,

Das erleuchtet

Die weisen Königshäupter.

Göttliches Licht,

Christus-Sonne,

Erwärme

Unsere Herzen;

Erleuchte

Unsere Häupter;

Daß gut werde,

Was wir

Aus Herzen gründen,

Aus Häuptern

Zielvoll führen wollen.

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So, meine lieben Freunde, traget hinaus eure warmen Herzen, in denen ihr hier eingegründet habt den Grundstein für die Anthropo­sophische Gesellschaft, traget hinaus diese warmen Herzen zu kräf­tigem, heilkräftigem Wirken in die Welt. Und Hilfe wird euch werden, daß erleuchtet eure Häupter dasjenige, was ihr jetzt alle wollt zielvoll führen können. Das wollen wir uns heute in aller Kraft vornehmen. Wir werden doch sehen: Wenn wir uns dessen würdig erzeigen, wird ein guter Stern walten über demjenigen, was von hier aus gewollt wird. Folget, meine lieben Freunde, diesem guten Stern. Wir wollen sehen, wohin uns die Götter durch das Licht dieses Sternes führen werden.

Göttliches Licht,

Christus-Sonne,

Erwärme

Unsere Herzen,

Erleuchte

Unsere Häupter.

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HINWEISE

Zu dieser Ausgabe

Zu den Vorträgen: Die Vorträge über «Die Weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung» wurden jeweils am Abend während der «Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft» gehalten. Die mit der Begründung verbundenen Vorträge, Ansprachen, die Statutenberatung und Grundsteinlegung sind veröffentlicht in GA 260.

Textunterlagen: Die Vorträge wurden von der Berufsstenographin Helene Finckh mitstenographiert, deren erste Übertragung in maschinenschriftlichen Klartext den bisherigen Ausgaben zugrunde lag. Für die 4. Auflage von 1980 wurde ein neuer Vergleich mit dem Originalstenogramm durchgeführt, der verschiedene Korrek- turen nötig machte. Wesentliche Änderungen werden am Schluß der Hinweise angeführt. Im übrigen basiert auch diese Auflage auf der Erstausgabe von Marie Steiner. Die Herausgabe der 2. und 3. Auflage besorgte Johann Waeger. Textdurch- sicht für die 5. Auflage 1991: U. Trapp.

Der Titel des Bandes entspricht dem Titel des Vortragszyklus' und stammt von Rudolf Steiner.

Die Zeichnungen im Text wurden für die erste Ausgabe von Assja Turgenieff nach den Tafelzeichnungen Rudolf Steiners in die von ihr entwickelte Strichtechnik übertragen. Für die 4. Auflage wurden die Zeichnungen auf den Seiten 24, 69, 84, 95, 100, 109 und 113 von Leonore Uhlig neu ausgeführt.

Zu den Tafelzeichnungen: Die Original-Wandtafelzeichnungen und -anschriften Rudolf Steiners bei diesen Vorträgen sind erhalten geblieben, da die Tafeln damals mit schwarzem Papier bespannt wurden. Sie werden als Ergänzung zu den Vor- trägen in einem separaten Band der Reihe «Rudolf Steiner, Wandtafelzeichnungen zum Vortragswerk» verkleinert wiedergegeben. Die in den früheren Auflagen in den Text eingefügten zeichnerischen Übertragungen sind auch für diese Auflage beibehalten worden. Auf die entsprechenden Originaltafeln wird jeweils an den betreffenden Textstellen durch Randvermerke aufmerksam gemacht.

Veröffentlichungen in Zeitschriften: Nachrichtenblatt 1926, 3. Jahrg. Nrn. 44-52; 4. Jahrg. 1927 Nrn. 1-14.

Hinweise zum Text

Werke Rudolf Steiners innerhalb der Gesamtausgabe (GA) werden in den Hinweisen mit Bibliographie-Nummer angegeben. Siehe auch die Übersicht am Schluß des Bandes.

zu Seite

24 Das Evangelium erinnert daran: Siehe Joh. 8, 6.

33 Rudolf Steiner, «Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Alter tums», GA 8.

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40 Besser ein Bettler sein in der Oberwelt...: Siehe Homer, «Odyssee», 11. Gesang, Vers 489-491; es spricht Achill in der Unterwelt. 41 In einer wunderbaren Weise hat das eigentlich Homer zum Ausdrucke gebracht: Siehe z. B. in der Ilias, 20. Gesang, Vers 424ff. 43 in Stuttgart in einem Vortragszyklus: «Okkulte Geschichte. Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge von Persönlichkeiten und Ereignissen der Weltgeschichte.» (Sechs Vorträge 1910/11). GA 126. fünf aufeinanderfolgende große Kulturzeiträume: Siehe Rudolf Steiner «Die Geheim- wissenschaft im Umriß», GA 13. - Aus den zahlreichen Darstellungen im Vortragswerk siehe z.B.: «Der Orient im Lichte des Okzidents. Die Kinder des Luzifer und die Brüder Christi», (Neun Vorträge, München 1909) GA 113. 46 jenes historisch-sagenhafte Dokument: Das Gilgamesch-Epos wurde auf zwölf Keil- schrittafeln im Hügel von Kujundschik in den Überresten eines Palastes Assurbanipals gefunden. Es geht auf ältere sumerische Vorlagen zurück, von denen Bruchstücke gefunden worden sind. 46 Erek: Die Stadt wird in der Bibel, 1. Mos. 10, 10, Erek genannt. Der Keilschrifttext nennt sie Uruk. 47 Eabani: Im Keilschrifttext Enkidu oder Engidu genannt. 52 ... daß von Pythagoras ... erzählt wird: Siehe Diogenes Laertius, «Berühmte Philoso- phen», Band II, 8. Buch, Pythagoras; siehe auch Plato u.a. Xisuthros: So gräzisierte Berossos, Priester des Bei in Babylon, der um 280 v. Chr. in griechischer Sprache eine babylonisch-chaldäische Geschichte schrieb, die aus den Tempelarchiven von Babylon geschöpft war, den sumerischen Namen Ziusudra. Im Keil- schrifttext: Utnapischtim. 56 die Mysterienstätte von Ephesus: Darüber sprach Rudolf Steiner ausführlich am 2. De- zember 1923; siehe: «Mysteriengestaltungen», (Vierzehn Vorträge, Dornach 1923), GA 232. 57 Urzustände der Erde: Siehe Rudolf Steiner «Die Geheimwissenschaft im Umriß», sowie: «Die Evolution vom Gesichtspunkte des Wahrhaftigen» (Fünf Vorträge, Berlin 1911), GA 132; und den Vortrag vom 1. Dezember 1923 in «Mysteriengestaltungen». 59 Heraklit: Herakleitos von Ephesus, um 535-475 v. Chr., vorsokratischer Philosoph. Siehe Rudolf Steiner «Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums» (Register). 60 Aristoteles, 384-322 v. Chr.; siehe Rudolf Steiner «Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt», GA 18. Alexander der Große, 556-323 v. Chr., seit 336 makedonischer König, starb in Babylon. 62 Mysterien von Hybernia: Rudolf Steiner hatte schon kurz vorher, am 7., 8. und 9. Dezember 1923 (in «Mysteriengestaltungen», GA 232) ausführlich darüber gesprochen. Der Vergleich beider Schilderungen kann zu der Frage führen, ob es sich dabei um zwei einander ausschließende Darstellungen desselben Sachverhaltes handele: Der

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Vorgang, der in den Vorträgen über «Mysteriengestaltungen» beschrieben wird - Erlebnisse von Winterimaginationen durch die Wirkung der Sonnensäule, Erlebnisse von Sommerimaginationen durch die Wirkung der Mondensäule - wird scheinbar aufge- hoben durch die Darstellung vom 27. Dezember, wo sich die Winterbilder gerade vor der Mondensäule, die Sommerbilder hingegen vor der Sonnensäule einstellen. Einem genaueren Vergleich der beiden Schilderungen ergibt sich jedoch, daß es sich um zwei verschiedene Erlebnisaspekte handelt: im vorliegenden Vortrag um Erlebnisse unmittelbar vor den beiden Bildsäulen, durch die der Schüler sich selbst als Sonnen-, bzw. als Mondenwesen kennenlernte; dagegen im Vortrag vom 8. Dezember um den allmählich sich erst einstellenden Nachklang bestimmter vor den Säulen gehabter Er- lebnisse, die dem Schüler die von außen an ihn herantretende Weltenwirkung von Sonne und Mond offenbarte. - Näheres hierzu wird in den «Beiträgen zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe», Nr. 69, ausgeführt.

73 das «Alexanderlied»: Von Lamprecht dem Pfaffen, einem fränkischen Geistlichen, um 1125 verfaßt; das erste deutsche weltliche Epos. - Die Blumenepisode: siehe innerhalb des Briefes von Alexander an die Mutter und Aristoteles, Vers 5004-5205.

77 Theophrast, 390-305 v. Chr., Schüler des Aristoteles, welcher ihn zu seinem Nachfolger als Leiter der peripatetischen Schule in Athen ernannte.

79/80 griechisch-chtonische Mysterien, samothrakische Mysterien: Vgl. die Vorträge vom 14. und 21. Dezember 1923, in «Mysteriengestaltungen», GA 232.

91 Herodotos von Halikarnassos, 5. Jahrhundert v. Chr., ältester griechischer Historiker; Geschichtsschreiber der Perserkriege.

94 durch oströmische Tyrannei: Justinian, oströmischer Kaiser von 527 bis 565, Sohn eines Bauern, sandte im Jahre 529 ein Edikt nach Athen, daß niemand mehr dort Philoso- phie lehren noch die Rechte erklären solle, worauf die sieben letzten athenischen Philo- sophen das Römische Reich verließen und nach Persien auswanderten. - Siehe Ernst von Lasaulx «Der Untergang des Hellenismus und die Einziehung seiner Tempelgüter durch die christliche Kirche», 1854; wiedererschienen in Ernst von Lasaulx, «Verschüttetes deutsches Schrifttum», hg. von H. E. Lauer, Stuttgart 1925, bes. S. 196ff. 98 Julianus Apostata: Flavius Claudius Julianus, von den Christen Apostata, der Ab- trünnige, genannt, von 361 bis 363 römischer Kaiser. - Siehe den Vortrag Berlin, 19. April 1917 in «Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha», GA 175.

99 in meiner «Theosophie»: «Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung» (1904), GA 9- - Siehe das Kapitel: Die drei Welten.

105 in kurz vorangegangenen Vorträgen: Siehe Hinweis zu S.62.

109 Jakob Böhme, 1575-1624; Theophrastus Paracelsus, 14931541; Valentin Weigel, 1533-1588. Siehe Rudolf Steiner «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geistes- lebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung», GA 7.

110 Basilius Valentinus: Alchimist des 15. Jahrhunderts, wohl Benediktinermönch in Erfurt. Unter seinem Namen wurden um 1600 eine Reihe von alchimistischen Werken ver- öffentlicht. - Siehe Rudolf Steiners Vortrag vom 26. April 1924, in «Esoterische Betrach- tungen karmischer Zusammenhänge» Band II, (Siebzehn Vorträge, Dornach 1924), GA 236.

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11Of. Gymnast ... Rhetor ... Doktor: Ausführlich sprach Rudolf Steiner darüber z.B. am 6. August 1923, in «Gegenwärtiges Geistesleben und Erziehung», (Vierzehn Vorträge, Ilkley 1923), GA 307; sowie am 24. Juli 1924 in «Der pädagogische Wert der Menschener- kenntnis in der Kulturwelt der Pädagogik» (Neun Vorträge, Arnheim 1924), GA 310.

125 das Beispie/ der Biene: Vgl. den Vortrag Dornach 1. Dezember 1923, in «Mensch und Welt. Das Wirken des Geistes in der Natur - Über das Wesen der Bienen» (Fünfzehn Vorträge für die Arbeiter am Goetheanumbau 1923, Band V), GA 351.

134 Der Vortrag ... vor einem Jahr. Dornach, 31. Dezember 1922, in «Das Verhältnis der Sternenwelt zum Menschen und des Menschen zur Sternenwelt. Die geistige Kommu- nion der Menschheit». (Zwölf Vorträge, Dornach 1922), GA 219.

143 in diesen Formen: Siehe Rudolf Steiner «Der Baugedanke des Goetheanum», Vortrag in Bern am 29. Juni 1921, GA 290, Stuttgart 1958.

148 jene Vorträge ... die vom Wolffschen Büro organisiert waren: Im Herbst, Winter und Frühjahr 1921/22 hatte die damals größte deutsche Konzertdirektion, Hermann Wolff und Jules Sachs, Berlin, Vortragsreisen mit Rudolf Steiner organisiert. In Berlin, Stutt- gart, Frankfurt, München, Köln und anderen Großstädten sprach er über die Themen: Das Wesen der Anthroposophie; Anthroposophie und Wissenschaft; Anthroposophie und Geist-Erkenntnis (Veröffentlichung vorgesehen für GA 80). Nach einem mißglück- ten Attentat in München im Mai 1922 erwies sich, daß der Schutz für den Redner nicht mehr gewährleistet war. Rudolf Steiner ging daraufhin auf keine weitere öffentliche Vortragsverpflichtung mehr ein.

155 Dr. Zeylmans: F. W. Zeylmans van Emmichoven, 1893-1961, Dr. med., holländischer Arzt und Schriftsteller, Generalsekretär der holländischen Landesgesellschaft; schrieb u.a.: «Rudolf Steiner, eine Biographie», Stuttgart 1961.

156 Ita Wegman, 1876-1943, Dr. med., studierte und praktizierte in Zürich, bevor sie 1921 das Klinisch-Therapeutische Institut (jetzt Ita Wegman-Klinik) in Ariesheim gründete. Weihnachten 1923 bis 1935 Schriftführerin des Vorstandes der Allgemeinen Anthro- posophischen Gesellschaft und Leiterin der medizinischen Sektion der Freien Hoch- schule. 1924/1925 behandelnder Arzt Dr. Steiners und Mitautorin von «Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlicher Erkenntnissen», GA 27.

159ff. Der Spruch ist hier so wiedergegeben, wie er laut Stenogramm von Rudolf Steiner gesprochen wurde. In früheren Auflagen war der Spruch nach der ersten handschrift- lichen Fassung Rudolf Steiners gedruckt. Siehe hierzu den Sonderhinweis im Band «Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft 1923/1924», GA 260, Auflage 1985, Seite 300.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.