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Was die menschliche Seele im gewöhnlichen Bewußtsein während des Erdendaseins erlebt, drückt sich aus in Denken, Fühlen und Wollen. Den eigentlichen realen Hintergrund für dieses Denken, Fühlen und Wollen müssen wir aber in dem suchen, was ich in diesen Tagen hier charakterisiert habe als den astralischen menschlichen Organismus und als die Ich-Wesenheit. Nun habe ich gezeigt, wie der denkende Seelenteil in einer gewissen Beziehung steht zur Kopforganisation, und wie der fühlende Seelenteil in einer etwas andersgearteten Beziehung steht zu der rhythmischen Organisation des Menschen, zum Atmungsrhyth­mus, Zirkulationsrhythmus und zu anderen rhythmischen Vorgängen im Menschenwesen. In einer viel loseren Weise steht der Willensteil der menschlichen Seele in Verbindung mit dem physischen und dem äthe­rischen menschlichen Organismus.
Was die menschliche Seele im gewöhnlichen Bewußtsein während des Erdendaseins erlebt, drückt sich aus in Denken, Fühlen und Wollen. Den eigentlichen realen Hintergrund für dieses Denken, Fühlen und Wollen müssen wir aber in dem suchen, was ich in diesen Tagen hier charakterisiert habe als den astralischen menschlichen Organismus und als die Ich-Wesenheit. Nun habe ich gezeigt, wie der denkende Seelenteil in einer gewissen Beziehung steht zur Kopforganisation, und wie der fühlende Seelenteil in einer etwas andersgearteten Beziehung steht zu der rhythmischen Organisation des Menschen, zum Atmungsrhyth­mus, Zirkulationsrhythmus und zu anderen rhythmischen Vorgängen im Menschenwesen. In einer viel loseren Weise steht der Willensteil der menschlichen Seele in Verbindung mit dem physischen und dem äthe­rischen menschlichen Organismus.


Wenn wir studieren, wie der denkende Seelenteil mit der Kopforga­nisation in Verbindung steht, so kommen wir darauf, daß er gewisser­maßen ganz an die Kopforganisation hingegeben ist; er ist gewisser­maßen in die Kopforganisation umgebildet. Die Kopforganisation bildet ein physisches und ätherisches Abbild des denkenden Seelen-teiles; so daß man, wenn der Mensch im wachen Tagesleben wirklich denkt, den Vorgang des Denkens an sich nicht eigentlich schauen kann, sondern in seinem Abbilde in den physischen und ätherischen Vorgän­gen des Gehirns und des übrigen Nervensystems suchen muß. Deshalb ist ja auch für diesen physischen Teil der Seelenerkenntnis die Gehirnanatomie und -physiologie die eigentliche Domäne, weil man so recht schon im Aufbau des Gehirns und dadurch auch in den Vorgängen des Gehirns deutlich die Abbilder dessen sehen kann, was im Denken vor sich geht. Nicht in derselben Weise an den physischen und ätherischen Organismus hingegeben und auch nicht in diesen eingeflossen ist der
Wenn wir studieren, wie der denkende Seelenteil mit der Kopforga­nisation in Verbindung steht, so kommen wir darauf, daß er gewisser­maßen ganz an die Kopforganisation hingegeben ist; er ist gewisser­maßen in die Kopforganisation umgebildet. Die Kopforganisation bildet ein physisches und ätherisches Abbild des denkenden Seelenteiles; so daß man, wenn der Mensch im wachen Tagesleben wirklich denkt, den Vorgang des Denkens an sich nicht eigentlich schauen kann, sondern in seinem Abbilde in den physischen und ätherischen Vorgän­gen des Gehirns und des übrigen Nervensystems suchen muß. Deshalb ist ja auch für diesen physischen Teil der Seelenerkenntnis die Gehirnanatomie und -physiologie die eigentliche Domäne, weil man so recht schon im Aufbau des Gehirns und dadurch auch in den Vorgängen des Gehirns deutlich die Abbilder dessen sehen kann, was im Denken vor sich geht. Nicht in derselben Weise an den physischen und ätherischen Organismus hingegeben und auch nicht in diesen eingeflossen ist der


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Aktuelle Version vom 20. Oktober 2023, 13:22 Uhr

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RUDOLF STEINER

VORTRÄGE

VORTRÄGE VOR MITGLIEDERN
DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT

Die Philosophie, Kosmologie
und Religion
in der Anthroposophie

Zehn Vorträge, gehalten in Dornach
vom 6. bis 15. September 1922
«Französischer Kurs»

GA 215

1962

Inhaltsverzeichnis


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ERSTER VORTRAG Dornach, 6. September 1922 Die drei Schritte der Anthroposophie

Gestatten Sie, daß ich, bevor ich mit meinem heutigen Vortrag beginne, die verehrten Anwesenden auf das allerherzlichste begrüße, begrüße aus jenem Geiste heraus, der hier in diesem Goetheanum herrschen soll und von dem auch all diejenige Arbeit getragen werden soll, die in diesem Goetheanum verrichtet wird. Es soll dies ja sein ein Geist, der nicht aus einer menschlichen Einseitigkeit hervorgeht, sondern aus dem vollen, umfassenden Menschentum. Und das kann so sein, daß auf der einen Seite hier dasjenige, was gegeben wird, was erarbeitet wird, stammt aus wissenschaftlicher Erkenntnis, aus Kunst und religiöser Hingebung. Auf der anderen Seite soll dieser Geist sein der des freien, weitherzigen und weitseelischen Menschentums.

Dieser Geist nun hat es sein sollen, auf dem als auf dem besten Grundstein 1913 begonnen wurde, dieses Goetheanum zu bauen. Und wir haben es ja zustande gebracht, daß in der Zeit, als ganz Europa und weite Gebiete über Europa hinaus in Fehde lagen, in schweren Feindschaften untereinander waren, daß hier aus einem freien, um­fassenden Menschentum alle Nationen Europas in Dornach zusammen­gearbeitet haben. Hier hat die internationale Arbeit niemals aufgehört. Auf diese Tatsache darf ich wohl heute ganz besonders hinweisen, weil ich die Begrüßung, die ich Ihnen hiermit bringe, aus diesem inter­nationalen Geiste heraus bringen will. Was hier erarbeitet werden soll, kann ja aus keinem anderen Geiste heraus erarbeitet werden, denn nur dieser Geist allseitigen universell freien Menschentums kann auch wirkliche spirituelle Wissenschaft, spirituelle Kunst und wahrhafte Religion bringen, die an sich allein spirituell und internatio­nal sein kann. Dieser Geist gibt aber auch, ich denke, jene Weite des Herzens, die in der Lage ist, jeden Menschen liebevoll zu empfangen und zu begrüßen. Und so soll es dieser Geist sein, der hier im Goethe­anum waltet, aus dem heraus ich die ersten Begrüßungsworte spreche.

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Sie müssen deshalb herzlich gemeint sein. In dieser Herzlichkeit möchte [ch den Wunsch aussprechen, daß es uns in den nächsten Tagen gelingen möge, auf den verschiedensten Gebieten der Wissenschaft und des Lebens einiges hier zusammen zu arbeiten, zu besprechen, das ein jeg­licher, der hierher hat kommen wollen, mit einer gewissen Befriedigung wiederum nach Hause trägt.

Wenn wir, die wir hier seit Jahren im Goetheanum arbeiten, in der Lage sein werden, den Gedanken hervorzurufen, daß man nach einem solchen Besuche doch wiederum immer mit einiger Freude zurückblickt auf das, was man hier erlebt hat, so wird dies diejenigen, die hier am Goetheanum wirken, mit ganz besonderer Befriedigung erfüllen. In diesem Sinne lassen Sie mich Sie begrüßen, Ihnen danken dafür, daß Sie hierher gekommen sind. Und lassen Sie mich den Wunsch ausspre­chen, daß dieser Besuch auch Ihnen zu einiger Befriedigung dienen möge.

Hier soll, wie schon angedeutet worden ist, spirituelle Erkenntnis getrieben werden als eine Grundlage für die Befruchtung des Lebens nach seinen verschiedenen Seiten. Die spirituelle Erkenntnis, welche hier in diesem Goetheanum gesucht werden soll, sollte nicht verwech­selt werden mit mancherlei, was heute in der Welt als Okkultismus getrieben wird, oder auch mit mancherlei, wofür man heute den Namen Mystik anwendet. Dieser Okkultismus, der vielfach heute getrieben wird, ist im Grunde genommen dem Geiste unserer Zeit, dem Geiste des wirklichen modernen Lebens doch zuwiderlaufend. Denn dieser Geist des wirklichen modernen Lebens ist doch gegeben durch die Entwickelung der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in der neueren Zeit. Was hier als spirituelle Erkenntnis getrieben wird, soll durchaus rechnen mit dem, was dem Geiste moderner naturwis­senschaftlicher Erkenntnis im strengsten Sinne des Wortes entspricht. Dasjenige, was heute oftmals Okkultismus genannt wird, fußt auf alten Traditionen; es herrscht in ihm nicht ein unmittelbarer Geist der Gegenwart. Alte Traditionen werden herübergeholt. Da aber die Men­schen der Gegenwart nicht aus denselben seelischen Untergründen heraus die entsprechenden Erkenntnisse entfalten können, so kann man sagen, diese alten Traditionen sind oftmals mißverstanden und als

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mißverstandene in laienhafter Weise heute von diesen oder jenen wie eine die menschliche Seele befriedigen sollende Erkenntnis vorgebracht worden.

Mit solchem, zum Teil mißverstandenem, traditionellem Okkultis­mus hat das, was hier getrieben wird, ebensowenig zu tun wie mit dem, was zuweilen sogar von wissenschaftlicher Seite her gesucht wird auch als eine Art Okkultismus, indem man die gewöhnlichen wissenschaft­lichen Methoden des sinnlichen Beobachtens und Experimentierens nachahmt für eine Erforschung des übersinnlichen Gebietes. Man ver­kennt dabei, daß diejenigen Methoden des naturwissenschaftlichen Forschens, die sich in den letzten Jahrhunderten entwickelt haben, ganz ausgezeichnet ausgebildet worden sind für die Erkenntnis der äußeren sinnlichen Wirklichkeit, daß sie gerade deshalb ungeeignet sind als Forschungswege hinauf in das übersinnliche Gebiet.

Auf der anderen Seite wird vielfach heute von mystischer Vertie­fung, von mystischem inneren Erleben gesprochen. Auch da hat man es oftmals mit nichts anderem zu tun als mit einem Sichversenken in die Seelenerlebnisse alter Mystiker, mit einem Erneuern solcher Seelener­lebnisse, und doch im Grunde genommen wiederum nur mit etwas, das in einer gewissen unklaren Selbstschau zu einer fragwürdigen Erkennt­nis führt.

Ich wollte auf diese Dinge nur hindeuten, um von der Verwechslung desjenigen, was hier in diesem Goetheanum getrieben wird, mit dem, was manchmal in so laienhafter, dilettantischer, wenn auch durchaus gutgewollter Weise getan wird, zu warnen. Hier soll eine wissenschaft­liche Methode für die Erkenntnis des Übersinnlichen ausgebildet wer­den, so streng, so exakt, so wissenschaftlich, wie dies für die wissen­schaftlichen Methoden heute auf dem Gebiete des Naturforschens ver­langt wird. Man kann nur dann in das übersinnliche Gebiet hinauf-gelangen, wenn man nicht stehenbleibt bei den Forschungswegen, die bloß für das Sinnliche geeignet sind. Man kann aber nicht wissenschaft­lich in die übersinnlichen Welten hinaufgelangen, wenn man aus einem anderen Geiste heraus verfährt als der ist, der sich so tüchtig bewährt hat für das Gebiet der sinnlichen Wirklichkeit. Nur einige einleitende Andeutungen über Absichten und Ziele der hier getriebenen

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spirituellen Wissenschaft möchte ich heute geben. Daher wird die nähere Auseinandersetzung über das, was ich heute andeuten will, erst in den nächsten Tagen gegeben werden können. Hinweisen möchte ich zu-nächst darauf, daß es sich hier zum Zwecke der Erforschung übersinn-licher Welten darum handelt, aus den Tiefen der Menschenseele heraus diejenigen Kräfte zu suchen, die als Erkenntniskräfte in das Übersinn-liche so eindringen können, wie die Kräfte der äußeren Sinne in die physisch-sinnliche Welt. Was dem Geistesforscher zunächst obliegt, das ist, seinen Seelenblick hinzulenken auf die seelisch-geistige Organi­sation in ihm, die an das Übersinnliche herandringen kann. Dadurch unterscheidet sich der Geistesforscher von dem Naturforscher. Dieser nimmt die menschliche Organisation wie sie ist, wendet sie auf die Natur an, und verwendet diese Exaktheit dazu, Ergebnisse über die Tatsachen der äußeren Natur zu gewinnen.

Der Geistesforscher kann, gerade wenn er zunächst auf dem Boden richtiger naturwissenschaftlicher Erkenntnisse steht, nicht so vorgehen. Er muß zuerst den Blick auf das seelisch-geistige Erkenntnisorgan, ich darf es vielleicht nennen das «Geistesauge», lenken. Aber dieser Blick, der zunächst das geistige Auge zubereitet, entwickelt, der muß so sein, daß vor ihm exakt die innere Gesetzmäßigkeit dieses geistigen Auges liegt, wie exakt zum Beispiel vor dem Mathematiker ein mathemati­sches Problem oder vor dem Experimentator der Inhalt seines Experi­mentes liegt. Diese von dem Forscher an sich selbst vorzunehmende Arbeit, erst die Vorbereitung zur Wissenschaft, das ist in der Geistes-forschung das Wesentliche. Und so, wie der Mathematiker oder Natur-forscher im Aufsuchen von Ergebnissen exakt ist, so muß der Geistes-forscher exakt sein im Zubereiten seiner geistig-seelischen Organisation, die dann, wie im Sinnlichen das Auge oder das Ohr, die Tatsache wahr­nimmt.

Exakt muß die hier gemeinte spirituelle Forschung sein; exakt ist Mathematik oder Naturwissenschaft. Aber ich möchte sagen: wo mit der Exaktheit Naturwissenschaft aufhört, da fängt Geistesforschung mit dieser Exaktheit erst an. Geistesforschung muß exakt sein in bezug auf die Bearbeitung der eigenen Menschlichkeit, so daß alles dasjenige, was getan wird am Menschen selbst, damit er ein Geistesforscher werde,

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exakt verrichtet wird und gewissermaßen durch exakte und vor der Wissenschaft gerechtfertigte Arbeiten das geistige Auge darstellt, wenn es mit der Geistesforschung beginnt, wenn es an die Tatsache der über­sinnlichen Welt herantritt. Während bei dem, was man oftmals Mystik nennt, das innere Seelische in einer ziemlichen Unklarheit behandelt wird, muß bei wirklicher Geistesforschung jeder kleinste Schritt mit solcher innerer Klarheit und Durchschaubarkeit behandelt werden wie sonst das, was der Mathematiker vor sich hat in einem mathemati­schen Problem. Dann wird herbeigeführt eine Art Erwachen, ein Er­wachen auf einer höheren Stufe des Bewußtseins, vergleichbar mit dem Erwachen, das wir sonst erleben, wenn wir aus dem gewöhnlichen Schlafe herauskommen, um die sinnliche Welt um uns herum zu haben.

Wenn ich insbesondere bei der Geistesforschung, die hier gemeint ist, von Exaktheit spreche, so bezieht sich dieses Wort Exaktheit auf die exakte, wissenschaftliche Vorbereitung dessen, was im Menschen-For­schen vorangehen muß: die Organisation geistig-seelischer Art. Das ist es, was in exakter Durchschaubarkeit zunächst vor dem Geistesfor­scher sein muß. Dann beginnt er seine Blicke hinein zu tun in die Welt der übersinnlichen Tatsachen.

Das soll zunächst nur ein vorbereitender Hinweis sein. Weil in der Vorbereitung der eigentlichen übersinnlichen geistigen Anschauung diese Exaktheit angestrebt wird, darf wohl, wenn man die Art des Geist-Anschauens, die hier gemeint ist, hellsichtige Clairvoyance nennt, von exakter Clairvoyance gesprochen werden. Das soll das spezifisch Eigentümliche der Geistesforschung sein, die hier gepflegt wird, daß sie beruht auf der methodisch exakten Clairvoyance. Die Exaktheit der Clairvoyance soll das Charakteristische der hier gemeinten Geistes-forschung sein.

Von diesem Gesichtspunkte aus möchte man mit der hier getriebenen spirituellen Forschung nicht nur ein eng umgrenztes Gebiet beurteilen, sondern etwas erarbeiten, wohinein alle übrigen Wissenschaften und Lebensformen der Gegenwart münden. Nicht nur soll das, was hier spirituell erarbeitet wird, ein geistiger Überbau der naturwissenschaft-lichen Anschauung sein, sondern es sollen auch diejenigen Erkenntnis-gebiete, die im Geiste dieser naturwissenschaftlichen Anschauung in

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der modernen Zeit von der Menschheit erarbeitet worden sind, herauf­geführt werden in das Spirituelle, damit sie gewissermaßen durch das, was spirituelle Forschung geben kann, gekrönt werden.

Ich möchte als Beispiel nur die Medizin anführen. Die Medizin wird in der Art, wie sie heute aus naturwissenschaftlicher Erkenntnis heraus aufgebaut ist, wie sie ja mit bewunderungswürdigem Resultate dasteht, voll anerkannt von dem, was hier als spirituelle Erkenntnis getrieben wird. Aber es ist möglich, dasjenige, was heute aus rein äußerer An­schauung für die Medizin erarbeitet ist, weiterzuführen durch den Geist einer exakten Clairvoyance. Dann erst ergibt sich eigentlich die ganze Fruchtbarkeit auch des rein naturwissenschaftlich Medizini­schen, das heute getrieben wird. Ebenso möchte man auf spirituelle Art hier eine Erkenntnis gewinnen, welche das Künstlerische ins Geistige hineinzuführen in der Lage ist. Und ein Künstlerisches wird hier ange­strebt, das ebenso in spiritueller Art aus der Gesamtnatur des Menschen hervorgeht, wie das, was hier als Erkenntnis angestrebt wird. Und ein religiöses, ein soziales Element soll hier gepflegt werden so, daß sich das Religiöse und das Soziale wie etwas Selbstverständliches aus der errun­genen spirituellen Erkenntnis ergeben.

Die spirituelle Erkenntnis, die hier gesucht wird, soll den ganzen Menschen ergreifen und aus dem ganzen Menschen kommen, nicht aus einer einzelnen menschlichen Fähigkeit. Deshalb ist es so mit dieser Erkenntnis, daß sie alle Gebiete des theoretischen wie des praktischen Lebens einmünden lassen will in das spirituelle Leben, so daß dadurch erst ein Vollmenschliches. ein Universell-Menschliches erreicht wer­den soll.

Von diesem Gesichtspunkte aus möchte ich Ihnen in diesen Vorträ­gen in der Hauptsache über drei Gebiete der Erkenntnis sprechen, um an diesen drei Beispielen zu erläutern, inwiefern aus dem Geiste der gegenwärtigen Wissenschaftlichkeit in den Geist der höheren, spirituel­len Wissenschaftlichkeit hineingeführt werden kann. Ich möchte in diesen Vorträgen Ihnen sprechen von Philosophie, von Kosmologie und von Religion in der Art, wie sie durch Anthroposophie eine gewisse spirituelle Gestalt gewinnen sollen.

Philosophie war einst die universelle Erkenntnis, die in ältesten Zeiten

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dem Menschen Aufschluß gegeben hat über alle einzelnen Wirklich­keitsgebiete des Daseins. Philosophie war nicht eine spezielle Wissen­schaft. Philosophie war die universelle Wissenschaft, und alle anderen Wissenschaften, die wir heute pflegen, haben sich ja im Grunde genom­men aus der Substanz der Philosophie, wie sie noch in Griechenland war, heraus gebaut. Daneben ist nun in der neueren Zeit eine besondere, eine spezielle Philosophie entstanden, die in einer gewissen Summe von Ideen lebt. Es ist nur das Eigentümliche eingetreten, daß diese Philo­sophie, aus der im Grunde genommen alle anderen Wissenschaften herausgewachsen sind, nun in die Lage gekommen ist, ihr eigenes Dasein gegenüber den anderen Wissenschaften rechtfertigen zu müssen. Die anderen Wissenschaften, die doch aus der Philosophie herausgewachsen sind, beschäftigen sich mit diesem oder jenem anerkannten Wirklich­keitsgebiet. Das Wirklichkeitsgebiet ist für die Sinne oder für die Be­obachtung oder für das Experiment da.

Man kann die Berechtigung, sich wissenschaftlich, erkenntnismäßig damit zu befassen, nicht bezweifeln. Trotzdem alle diese einzelnen Gebiete herausgeboren sind aus der Philosophie, ist die Philosophie heute genötigt, ihr eigenes Dasein zu rechtfertigen, zu sagen, warum sie eine gewisse Summe von Ideen entwickelt, und ob diese Ideen nicht vielleicht ganz unwirklich sind, sich auf gar keine Wirklichkeit bezie­hen, nur etwas menschlich Ausgedachtes sind. Denken wir nur einmal, wie viele harte Denkarbeit heute darauf verwendet wird, jene Ideen, die übrigens schon einen sehr abstrakten Charakter angenommen haben, die man heute Inhalt der Philosophie nennt, so zu rechtfertigen, daß sie noch in einer gewissen Weise in der Welt ein Ansehen genießen. Sie haben die Wissenschaften erzeugt; diese sind, ich möchte sagen, wohl-akkreditiert gegenüber ihren einzelnen Wirklichkeitsgebieten. Philoso­phie dagegen ist heute nicht akkreditiert. Sie muß eigentlich ihr Dasein als gerechtfertigt erst erweisen. Davon konnte im alten Griechenland nicht einmal die Rede sein. Da fühlte der Mensch, der nur überhaupt bis zur Philosophie sich hinentwickelte, die Wirklichkeit des Philoso­phierens so, wie der gesunde Mensch die Wirklichkeit des Atmens fühlt. Wenn dagegen der heute Philosophierende seine Philosophie überschaut, dann empfindet er die Abstraktheit, das Kalte, das Nüchterne

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der Ideen, die er in der Philosophie entwickelt. Er fühlt sich nicht recht robust in der Wirklichkeit drinnen stehend. Nur der im chemi­schen Laboratorium, im physikalischen Laboratorium oder in der Kli­nik Arbeitende hat, möchte ich sagen, etwas in der Hand. Wer heute phflosophische Ideen in sich trägt und ausführt, der fühlt sich oftmals meilenweit von der Wirklichkeit weg entfernt.

Dazu kommt ein anderes. Es ist tief begründet, daß Philosophie nicht einen Namen trägt, der bloß auf theoretisches Erkennen hinweist. Liebe zur Weisheit ist Philosophie. Liebe ist etwas, was nicht bloß im Verstande und in der Vernunft, sondern was in der ganzen menschli­chen Seele, in dem ganzen menschlichen Gemüt wurzelt. Ein umfas­sendes seelisches Erleben, das Liebeserleben, hat der Philosophie den Namen gegeben. Der ganze Mensch soll gewissermaßen engagiert sein, indem er Philosophie entwickelt. Und man kann ja schließlich nicht lieben, lieben im wahren Sinne des Wortes dasjenige, was bloß theore­tisch, nüchtern und kalt ist. Wenn Philosophie Liebe zur Weisheit ist, so setzt das voraus bei denen, die Philosophie in dieser Weise erlebt haben, daß auch diese Sophia, diese Weisheit, etwas Liebenswürdiges, etwas Wirkliches, Wesenhaftes sei, etwas, dessen Dasein man ja nicht erst beweisen soll. Denn schließlich, denken Sie: wenn jemand als Mann ein weibliches Wesen oder als Weib ein männliches Wesen lieben sollte, es aber erst nötig fände, das Dasein des oder der Geliebten zu bewei­sen - nicht wahr, ein ganz absurder Gedanke! Aber bei der Philoso­phie in ihrem heutigen Sinne ist das nicht anders. Es ist, ich möchte sagen, aus der Philosophie als einem Warmen, herzlich vom Menschen Aufgenommenen, in seiner Existenz Selbstverständlichen etwas Ab­straktes, Kaltes, Nüchternes, Theoretisches geworden. Woher kommt das?

Wenn man, nicht mit äußerer Geschichte, sondern mit innerlich erlebter und erfühlter Geschichtserkenntnis zu dem Ursprunge des philosophischen Lebens zurückgeht, dann findet man: Philosophie hat eben urspünglich im Menschen nicht so gelebt, wie sie heute in ihm lebt. Heute läßt der Mensch im Grunde genommen, wenn er wissenschaft­lich denkt, nur dasjenige gelten, was durch die sinnliche Beobachtung oder durch das auf dem Felde des Sinnlichen erarbeitete Experiment

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erworben ist. Das Erworbene wird dann durch den Verstand zusam­mengefaßt. Was auf diese Weise erworben ist, das ist erworben durch den physischen Menschen. Die Sinne sind physische Organe, sind ein­gebettet im physischen Menschen. Das, was der physische Menschen­körper erkenntnismäßig erwirbt, wird heute wissenschaftlich aner­kannt. Mit dem aber kann man auch nur herangelangen bis zum physischen Menschen selbst. In diesem physischen Menschen kann nicht dasjenige gefunden werden, was die Alten als Philosophie angeschaut haben. Wie gesagt, kann ich heute nur einleitend sprechen und werde das, worauf ich hindeute, in den nächsten Tagen weiter auseinanderzu­setzen haben; aber eben hindeuten muß ich doch darauf, daß das, was noch in der Blütezeit der griechischen Philosophie Philosophie genannt worden ist, diese innerlich in der Seele erlebte geistige Substanz, nicht in dem physischen Menschenleib erlebt worden ist, sondern in einer menschlichen Organisation, die als ein ätherischer Mensch den physi­schen Menschenleib durchsetzt.

Wir kennen in unserer heutigen Wissenschaft eigentlich nur den physischen Menschen. Wir kennen ja nicht jenen Leib, der als ein feiner ätherischer durchsetzt den physischen Menschenleib, in dem der grie­chische Philosoph seine Philosophie erlebt hat. In dem physischen Leib erleben wir das Atmen, erleben wir den Sehvorgang. Aber so, wie wir diese physische Menschenorganisation vor uns haben, so ist im Men­schen auch ein ätherischer Körper, ein ätherischer Mensch. Schauen wir auf den physischen Körper hin, so schauen wir etwa den Atmungs-vorgang, können uns physikalisch oder biologisch den Sehvorgang klarmachen. Schauen wir auf den übersinnlichen ätherischen Menschen, so schauen wir auf das, in dem im griechischen Sinne philosophiert worden ist. Die griechische Menschheitskonstitution war noch so, daß sich der Mensch erfühlte, erlebte in seinem ätherischen Organismus. Und indem er den ätherischen Organismus so anstrengte, so in Tätigkeit überführte, wie man den physischen Organismus zum Beispiel beim Atmen oder beim Sehen in Tätigkeit überführt, entstand im ätherischen Menschen Philosophie. So, wie wir niemals im Zweifel darüber sein können, daß das wirklich ist, was wir als Atmungsvorgang haben, weil wir uns unseres physischen Leibes bewußt sind, so konnte der Grieche

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niemals im Zweifel darüber sein, daß das, was er als Philosophie erlebte, als Weisheit, die er liebte, daß das in der Wirklichkeit wurzelt, denn er war sich seines ätherischen Leibes bewußt. Er war sich bewußt, daß das, was philosophiert, in seinem ätherischen Leibe vor sich geht; er war sich darüber klar.

Der moderne Mensch hat für seine Erkenntnis den ätherischen Leib verloren; er weiß nicht, daß er einen ätherischen Leib hat. Die tradi­tionelle Philosophie ist dadurch eine Summe von abstrakten Ideen, daß sie als Wirklichkeit nur ansehen kann, was man als Wirklichkeit erlebt, worin man sich philosophisch betätigt. Hat man aber für die Erkennt­nis den ätherischen Menschen verloren, dann hat man auch die Wirk­lichkeit der Philosophie verloren. Man fühlt sie als abstrakt; man fühlt die Notwendigkeit, ihr Dasein zu erweisen.

Denken Sie sich, der Mensch wüchse in einen noch robusteren, dich­teren, materielleren Organismus hinein als sein physischer ist. Dann würde zum Beispiel der Atmungsvorgang sich allmählich für dieses robustere Erleben sehr verfeinert ausnehmen, und zuletzt würde der Mensch nichts mehr wissen von dem, was jetzt unser physischer Leib ist, so, wie heute der moderne Mensch nichts weiß von seinem ätheri­schen Leib. Dann würde das Atmen, der Atmungsvorgang, eine Theorie sein, eine Summe von Ideen, und man würde erst «beweisen» müssen, daß das Atmen eine Wirklichkeit ist, wie man heute beweisen muß, daß die Philosophie in einem Wirklichen wurzelt. Der Zweifel an der Wirklichkeit desjenigen, was man lieben soll in der Philosophie, der ist entstanden dadurch, daß der ätherische Leib aus der Erkenntnis des Menschen verloren worden ist. Denn im ätherischen Leib, nicht im physischen Leib, wird die Wirklichkeit der Philosophie erlebt.

Soll daher wiederum Philosophie als Wirklichkeit empfunden wer­den, so muß erst die Erkenntnis des ätherischen Menschen aufkommen. Dann wird aus der Erkenntnis des ätherischen Menschen wiederum ein richtiges philosophisches Erleben kommen können.

Diese Erkenntnis des ätherischen Menschen zu vermitteln soll der erste Schritt der Anthroposophie sein. Ich will in drei Abschnitten vor­gehen und möchte jetzt Herr Dr. Sauerwein bitten, zu übersetzen. Nach der Übersetzung werde ich fortfahren.

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In der Philosophie hat der Mensch zunächst ein inneres Erlebnis seiner selbst, das Erlebnis seines ätherischen Körpers. Seit die Mensch­heit begonnen hat nachzudenken, fühlte sie aber auch das Bedürfnis, den einzelnen Menschen einzugliedern in den ganzen Kosmos, in das Universum. Der Mensch braucht nicht nur eine Philosophie, der Mensch braucht auch eine Kosmologie. Er will verstehen, wie er als dieser Einzelne, der dasteht innerhalb seines Organismus an einem be­stimmten Ort der Erde, an einem bestimmten Orte der Welt, inwiefern er dem ganzen Weltenall angehört, inwiefern er sich aus diesem ganzen Weltenall herausentwickelt hat.

In den ältesten Zeiten der Menschheitsentwickelung fühlte sich der Mensch als ein Glied des ganzen Kosmos. Allein als physischer Mensch kann man sich nicht als ein Glied des ganzen Kosmos fühlen. Was man als physischer Mensch im Erleben zwischen Geburt und Tod in sich trägt, das gehört dem unmittelbaren Leben der physisch-sinnlichen Umgebung an. Darüber hinaus hat der Mensch sein seelisches Innen­leben. Dieses seelische Innenleben ist etwas durchaus anderes als das, was der Mensch in seinem physischen Körper aus der physisch-sinnli­chen Umgebung in sich trägt. Indem der Mensch sich fühlen, sich emp­finden, sich wissen will als ein Glied des ganzen Kosmos, als ein Glied des Universums, muß er auch sein seelisches Innenleben als Teil, als Glied des Universums empfinden, fühlen, wissen.

In ältesten Zeiten der Menschheitsentwickelung waren die Menschen wirklich imstande, nicht nur durch dasjenige, was man mißverständlich heute Anthropomorphismus nennt, sondern durch ein inneres An­schauen im Universum, im Kosmos, Seelisches, Inneres zu schauen. Da konnten die Menschen das, was in ihnen selbst inneres seelisches Leben war, so als ein Glied des seelischen und geistigen Lebens im Univer­sum anschauen, wie man das physisch-sinnliche körperliche Leben des Menschen als einen Teil des natürlichen, des sinnlichen Daseins ansehen kann.

Aber die Menschen haben in der neuesten Zeit in exakter Weise nur das naturwissenschaftliche Erkennen ausgebildet, das auf Sinnesbe­obachtung und Experiment gegründet ist, und auf jenes Denken, das sich nur auf Sinnesbeobachtung und Experiment stützt.

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Aus dem, was man auf diese Weise als naturwissenschaftliche Ergeb­nisse gewonnen hat, bildete man, indem man die einzelnen Ergebnisse zusanimenfaßte, ein universelles Wissen. Aus den einzelnen Ergebnissen der Naturwissenschaft bildete man eine Kosmologie. Allein diese Kos­mologie enthält bloß das Bild von sinnlich- wirklichen Tatsachen, im Denken zusammengefaßt. Man bildet sich das Bild eines Universums, aber die einzelnen Teile, die einzelnen Glieder in diesem Bilde sind nur die erkannten Gesetze der sinnlich-physischen Tatsachen.

In diesem Bilde, das die naturwissenschaftliche Kosmologie der neue­ren Zeit ausgebildet hat, ist nicht so wie in der Kosmologie der Alten auch das seelische, das geistige Leben darinnen, sondern es ist nur das­jenige darinnen, was naturwissenschaftlich angeschaut werden kann, die sinnliche Welt. In diesem Bilde, das als Kosmologie in der neueren Zeit dasteht, kann sich der Mensch zwar seinem physischen Leibe nach wiederfinden, nicht aber seinem seelischen Innenleben nach.

In alten Zeiten konnte man das seelische Innenleben aus dem Bilde der Kosmologie herausholen. Aus dem auf Naturwissenschaft gebauten kosmologischen Bilde kann man das seelische Innenleben nicht heraus­holen. Aber das hängt wiederum damit zusammen, daß die moderne Erkenntnis nicht in derselben Weise auf das geistig-seelische Innenleben hinschauen kann, wie es eine alte, primitive Einsicht gekonnt hat. Was tut denn die moderne Erkenntnis, wenn sie von Seelischem im Leibe spricht? Sie spricht von den Erscheinungen, von den inneren Er­lebnissen des Denkens, Fühlens und Wollens, und man sieht das seeli­sche Innenleben so an, daß es ein Ausfluß ist von dem, was in dem Gedanklichen, im Gefühlten, im Gewollten sich vereinzelt und durch­einander auslebt. Man macht sich ein Bild, in dem Denken, Fühlen und Wollen als Tatsache des seelischen inneren Lebens eine Rolle spielen.

Wenn man das seelisch-geistige Jnnenleben so betrachtet, kann man dieses Bild niemals davor schützen, daß gesagt werden muß: Ja, was du da erkennst und verzeichnest als ineinanderfließendes Denken, Fühlen, Wollen, das entsteht mit der Geburt, mit dem Keimesleben, entwickelt sich mit dem Kinde und geht mit dem Tode zugrunde. - Es gibt keine Möglichkeit einer wissenschaftlichen Einsicht, die dieses Bild eines see­lischen Lebens davor schützen könnte, so angesehen zu werden, daß

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dieses seelische Leben mit dem Tode verschwindet. Denn in der Tat: dieses Denken, Fühlen und Wollen erscheint zwischen Geburt und Tod innig verbunden mit dem physisch-körperlichen Leibesleben. Und ebenso, wie wir die Glieder wachsen sehen, so sehen wir das Denken, das Fühlen heranwachsen. Wie wir den Körper verkalken und dem physischen Niedergang entgegengehen sehen, so sehen wir mit dem Körperlichen die Erscheinungen des Denkens, Fühlens und Wollens sich allmählich ablähmen.

Was den alten Anschauungen eigen war, das war eine Erkenntnis des seelischen Innenlebens, die sich hinaushob über dasjenige, was im bloßen Denken, Fühlen und Wollen lebt. Man sah hin auf eine Grundlage des seelischen Innenlebens, die sich im Denken, Fühlen und Wollen nur verbirgt, von der Denken, Fühlen und Wollen der Abglanz sind. Den­ken, Fühlen und Wollen sehen wir entstehen und sich weiterentwickeln zwischen Geburt und Tod. Was darunter liegt, wovon Denken, Fühlen und Wollen der äußere Abglanz ist, das sah ein älteres, primitives hell­sichtiges Erkennen als die astralische Wesenheit des Menschen.

So, wie man zunächst den ätherischen Menschen als einen übersinn­lichen Menschen im physischen Menschen erkennt, so kann man im physisch-ätherischen Menschen den astralischen Menschen als ein höheres Glied erkennen. Dieser astralische Mensch besteht nicht in Denken, Fühlen und Wollen; er liegt dem Denken, Fühlen und Wollen zugrunde. Er ist das, was aus geistig-seelischen Welten sich hereinlebt in das Dasein, das wir zwischen Geburt und Tod verbringen. Dieser astralische Mensch ist das, was sich mit dem physischen und ätheri­schen Körper umkleidet zwischen Geburt und Tod, und das wiederum nach dem Tode in eine geistig-seelische Welt hinaus geht. Dieser astra­lische Mensch ist dasjenige im Menschen, dem gegenüber Geburt und Tod nur Erscheinungsformen sind.

Denken, Fühlen und Wollen kann man nur innerhalb der physischen Organisation des Menschen verstehen und nur finden zwischen Geburt und Tod. Da entwickelt es sich, da lähmt es sich allmählich ab, da ver­schwindet es auch. Was als astralische Wesenheit dem Denken, Füh­len und Wollen, diesem seelischen Innenleben zugrunde liegt, das geht über den physischen und über den ätherischen Menschen hinaus; es

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läßt sich eingliedern in eine kosmische, in eine universelle Welt. Das ist nicht eingeschlossen innerhalb der physischen Organisation des Menschen.

Wir brauchen, um zu einer umfassenden Kosmologie zu kommen, eine Erkenntnis des ätherischen und astralischen Menschen, von dem Denken, Fühlen und Wollen ein Abglanz sind. Aber Denken, Fühlen und Wollen stehen in der einzelnen menschlichen Individualität da, lassen sich nicht kosmisch eingliedern. Dasjenige aber, was ihnen als Hintergrund zugrunde liegt, was in ihnen zwischen Geburt und Tod verborgen ist, was nur einer primitiven oder exakten Clairvoyance zu­gänglich ist, das läßt sich einem geistigen Kosmos eingliedern, von dem der physisch-sinnliche Kosmos nur das Abbild ist.

Die moderne Kosmologie ist nur ein Überbau über naturwissen­schaftliche Forschungsergebnisse, eine Zusammenschließung dessen, was als Tatsache in dem Physisch-Sinnlichen da ist. In das Bild einer solchen Kosmologie läßt sich das Innenleben des Menschen nicht ein-gliedern, aber man hat nur eine solche Kosmologie, weil die moderne Erkenntnis überhaupt nicht ein Bild des astralischen Menschen gibt. Wer das seelische Leben nur als eine Zusammensetzung von Denken, Fühlen und Wollen erkennt, der kann dieses seelische Leben nicht ge­schützt denken über Geburt und Tod hinaus. Erst, wenn man vom Denken, Fühlen und Wollen fortschreitet zu dem, was sich in ihnen verbirgt, zu dem astralischen Menschen, kommt man zu jenem Mensch­lichen, das nicht mehr an den physischen Leib gebunden ist und das sich in den Kosmos, in das geistig-seelische Universum eingegliedert denken läßt. Aber man wird niemals einen solchen geistigen Kosmos wieder­finden, nachdem man ihn verlassen hat, weil man die Erkenntnis des astralischen Menschen verloren hat. Man wird niemals einen solchen geistigen, einen solchen seelischen Kosmos im Bilde aufbauen können, wenn man nicht erst wiederum zum Bilde des astralischen Menschen gelangt.

Die Möglichkeit einer Kosmologie, welche wieder Geistig-Seelisches enthält, hängt ab von dem Aufbau einer Erkenntnis des astralischen Menschen. Wir werden entweder nur eine äußerliche Kosmologie haben, die Sinnlich-Physisches umfaßt - dann wird der Mensch nicht

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mitumfaßt werden von dieser Kosmologie. Wir haben eine solche sinn­lich-physische Kosmologie bekommen, weil die Erkenntnis des astrali­schen Menschen verlorengegangen ist. Wird die Erkenntnis des astra­lischen Menschen wieder errungen, dann ist auch die Möglichkeit einer Kosmologie vorhanden, die ein Bild des Kosmos enthält, das den Men­schen mitumfaßt.

So handelt es sich darum, daß man dazu gelangt, eine Erkenntnis des astralischen Menschen zu entwickeln. Dann wird dadurch auch wieder errungen werden können eine wahre, den Menschen mitumfassende Kosmologie.

Das soll der zweite Schritt der Anthroposophie sein. Wie es sich mit dem dritten Schritt verhält, werde ich, nachdem Dr. Sauerwein so gut war, den zweiten Teil zu übersetzen, im dritten Abschnitt meines Vor­trags besprechen.

Außer dem, daß sich der Mensch, wie etwa im philosophischen Erle­ben, in sich zusammengefaßt erlebt, und daß er sich erlebt, wie es die Kosmologie darstellt, als ein Glied des Kosmos, außer dem erlebt sich der Mensch als in einer Wesenheit, durch die er sowohl gegenüber seiner eigenen physischen Körperlichkeit wie gegenüber dem Kosmos, dem er als ein Glied angehört, selbständig ist. Unabhängig von sich als seiner Leiblichkeit, unabhängig von seiner Gliedlichkeit gegenüber dem Kos­mos fühlt sich der Mensch, wenn er auf sich als den eigentlichen Geistes-menschen hinweist, auf den eigentlich gegenwärtig nur hingedeutet wird, wenn wir das Wörtchen Ich aussprechen.

Wenn wir das Wörtchen Ich aussprechen, so meinen wir doch das­jenige in unserer Wesenheit, das weder von unserem physischen Leibe, noch von unserem ätherischen Körper, noch von unserem astralischen Körper, insofern wir durch diesen ein Glied des Kosmos sind, umfaßt wird, sondern was eine innerliche, auf sich selbst gestellte Wesenheit ist. Diese Wesenheit fühlen wir als einer besonderen Welt, als der göttlichen Weit angehörig, von welcher der Kosmos nur der äußere Abglanz, das äußere Abbild ist. Wir fühlen als Menschen, indem wir uns als Ich an­sprechen, daß diese Wesenheit, daß der Geistesmensch, auf den mit dem Wörtchen Ich hin gedeutet wird, mit all dem, was im Kosmos enthalten

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ist, eigentlich nur umkleidet ist, und daß auch diese physisch-sinnliche Körperlichkeit eine Umkleidung des eigentlichen Wesens ist.

Indem der Mensch in älteren Zeiten durch ein gewisses innerliches, wenn auch primitives Schauen, diese sowohl von der eigenen Leiblich­keit wie von dem Kosmos unabhängige Menschen-Wesenheit erlebte, wußte er sich einer göttlichen Welt angehörig. Aber er wußte sich auch zwischen Geburt und Tod herausgestellt aus dieser göttlichen Welt; er wußte sich zwischen Geburt und Tod eingekleidet in einen physischen Leib. Er wußte sich zwischen Geburt und Tod hineingestellt in den seelisch-physischen Kosmos. Er wußte sozusagen, daß seine eigentliche Wesenheit, seine Ich-Wesenheit, hier durch das Kosmische, durch das Physisch-Leibliche verborgen ist, und er suchte nach einer Vereinigung dieser Ich-Wesenheit mit der göttlichen Welt, der doch diese Ich-We­senheit angehört.

Damit gelangte der Mensch gerade in primitiveren, in älteren Zeiten mit dem innerlich geschauten Erlebnis der Ichheit über den physischen, über den ätherischen Körper und über seine astralische Wesenheit hin­aus in das Erfühlen des Ichs, und er gelangte zu einer Vereinigung, religio, mit der göttlichen Welt. Das religiöse Leben war dasjenige, in welches die Erkenntnis, die eine philosophische war, die eine kosmolo­gische war, einmündete. Der Mensch fand sich gewissermaßen vereinigt mit dem, wovon ihn sein eigener Leib trennte, wovon ihn der äußerlich angeschaute, sinnlich-seelische Kosmos trennte. Er fand sich vereinigt mit dieser göttlichen Welt im religiösen Erleben. Das religiöse Erleben war die höchste Blüte des Erkenntniserlebens.

Aber wovon war dieses religiöse Erleben auf primitiven Stufen der Menschheitsentwickelung abhängig? Es war abhängig von einem wirk­lichen inneren Erleben der Ichheit, des eigentlichen Geistesmenschen. Nur wenn das Ich erlebt wird, kann für dieses Ich auch wiederum ersehnt und erlebt werden die Vereinigung mit der göttlichen Welt: das religiöse Empfinden.

Was aber ist der modernen Erkenntnis das Ich geworden, der eigent­liche Geistesmensch? Der modernen Erkenntnis ist das Ich dasjenige geworden, wodurch als in einer abstrakten Idee die Tatsachen des Den­kens, des Fühlens und Wollens zusammengefaßt werden. Eine Art kosmisches

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oder höchstens irgendein anderes zusammenfassendes Formel­haftes aus Denken, Fühlen und Wollen, jedenfalls etwas sehr Abstrak­tes ist nun das Ich geworden. Selbst Philosophen kommen zu einer Beschreibung, zu einer Charakteristik des Ichs, indem sie die Erlebnisse des Denkens, Fühlen und Wollens wie in einem Abstraktum zusam­menfassen.

Aber in dem, was man so als eine Zusammenfassung von Denken, Fühlen und Wollen im Ich hat, darin hat man nichts gefunden, was nicht jede Nacht, wenn der Mensch schläft, widerlegt wird. Nehmen Sie die Charakteristiken der modernen Philosophen, zum Beispiel ßergsons, vom Ich. Sie werden in diesen Charakteristiken überall nur etwas finden, was in jedem Schlafe widerlegt wird, denn das, was von diesen Begriffen, von diesen Ideen vom Ich aufgenommen wird, das wird im Schlafe ausgelöscht. Die Realität widerlegt diese Definitionen, diese Charakteristiken vom Ich! Und das, was ich hier sage, wird nicht dadurch aus der Welt geschafft, daß man etwa sagt, gedächtnismäßig werde nach dem Schlafe wieder angeknüpft an das Ich. Es handelt sich nicht um Interpretationen, es handelt sich um Tatsachen. Das heißt aber: Die moderne Erkenntnis, auch die feinst-philosophische, hat eine Erkenntnis des Ichs, des eigentlichen Geistesmenschen, verloren, damit aber auch den Erkenntnisweg zum Religiösen.

So hat es sich denn herausgebildet, daß in der neueren Zeit neben die Erkenntnis, die sich nur erstreckt auf die dem Menschen in Beobachtung und Experiment erreichbare Welt, sich hinstellen die Traditionen, die man in einem wirklichen wahren religiösen Leben früherer Zeiten ein­mal gehabt hat, die man historisch aufnimmt, zu denen man aber den Erkenntnisweg nicht mehr hat, daher nur an sie glaubt. So stellen sich für den modernen Menschen, der die Erkenntnis nicht hingelangen lassen will bis zum religiösen Erleben, Wissen und Glauben nebeneinan­der. Aller Glaubensinhalt, der heute existiert, war einmal ein alter Erkenntnisinhalt, der nur als Reminiszenz heraufgebracht wird, indem die Tradition sich ihn erhalten hat. Es gibt keinen Glaubensinhalt, der nicht Reminiszenz eines alten Erkenntnisinhaltes ist. Und weil man heute die lebendige Anschauung, die Anschauung durch exakte Clair­voyance von dem wahren Ich, das nicht von jedem Schlafe abgelähmt

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wird, sondern das dem Schlafzustand und dem Wachzustand zugrunde liegt, weil man die exakte, clairvoyante Erkenntnis des Ichs nicht hat, deshalb hat man auch nicht die Fortsetzung des Erkenntnisweges in den religiösen Weg hinein und stellt den Glauben, der eigentlich nur alte Traditionen als Reminiszenzen wieder heraufbringt, neben das Wissen hin.

Daß heute das, was einstmals Einheit war - Erkenntnis der physi­schen Welt und Erkenntnis der göttlichen Welt -, daß das zerfällt in zwei äußerlich nebeneinanderstehende Gebiete, Wissen und Glauben, das rührt davon her, daß die alte, primitive hellseherische Anschauung von dem wahren Ich - das nicht so charakterisiert wird, daß jeder Schlaf es auslöscht, sondern das angeschaut wird als die Grundlage des Menschen, auch wenn der Schlaf Denken, Fühlen und Wollen aus-löscht-, daß diese alte Erkenntnis verlorengegangen ist und daß die exakte Clairvoyance noch nicht vörgeschritten ist zu der Anschauung der wirklichen Ichheit des Menschen: des Geistesmenschen.

Erst, wenn wiederum eine exakte Clairvoyance bis zur Anschauung der wahren Ichheit des Menschen fortschreiten will - wie sie fort­schreiten muß zur Anschauung des ätherischen Wesens des Menschen, des astralischen Wesens des Menschen -, dann wird eine geradlinige Fortsetzung von der Erkenntnis der äußeren Welt zu der Erkenntnis der göttlichen Welt stattfinden. Dann wird wiederum einmünden Wis­senschaft in das religiöse Leben.

Wir haben darum die Spaltung zwischen Wissen und Glauben, weil wir die lebendige, clairvoyante Anschauung des wahren Ichs, des vier­ten Gliedes der menschlichen Wesenheit, verloren haben. Deshalb ist es auch die Aufgabe des neueren Geisteslebens, diese Erkenntnis des wah­ren Ichs durch exakte Clairvoyance wiederum herbeizuführen. Dann wird sich wieder der Weg ergeben, aus der Welterkenntnis heraus zur Gotteserkenntnis weiterzuschreiten, aus der Weltauffassung heraus wie­der zum religiösen Leben zu kommen, und den Glauben nur zu betrach­ten als eine besondere höhere Art des Wissens, nicht als etwas spezifisch vom Wissen Verschiedenes.

Was wir also nötig haben, ist die Möglichkeit einer wirklichen Ich-Erkenntnis. Daraus ergibt sich dann auch die Möglichkeit eines neuen

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religiösen Erlebens. Diese Ich-Erkenntnis so herbeizuführen, daß sie dasteht innerhalb der spirituellen Wissenschaft wie die vorhin charak­terisierte Erkenntnis des ätherischen Menschen, der nicht im physischen Menschenkörper wahrgenommen wird, wie die Erkenntnis des astra­lischen Menschen, der über Geburt und Tod erhaben ist, so auch die Erkenntnis des Ichs, das über Schlafen und Wachen erhaben ist, als der Hintergrund von Schlafen und Wachen, - diese Erkenntnis herbeizu­führen und damit die Erneuerung des Lebens zu bewirken, das soll nun der dritte Schritt der Anthroposophie sein. Auf diese Weise soll sich organisch ergeben von dem Gesichtspunkt anthroposophischer For­schung aus:

eine moderne Philosophie durch die exakte clairvoyante Erkenntnis des ätherischen Leibes,

eine den Menschen umfassende Kosmologie durch eine klare Erfas­sung der astralischen Wesenheit des Menschen,

eine Erneuerung des religiösen Lebens durch eine exakte clairvoyante Erfassung des wahren, über Schlaf und Wachen erhabenen menschli­chen Ichs.

Von diesem Gesichtspunkte aus werde ich mir erlauben, in den näch­sten Vorträgen Philosophie, Kosmologie und Religion weiter zu betrachten.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

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ZWEITER VORTRAG Dornach, 7. September 1922 Seelenübungen des Denkens, Fühlens und Wollens

Philosophie ist nicht so entstanden, wie sie in der gegenwärtigen Zeit weitergeführt wird. Sie wird in der Gegenwart so weitergeführt, daß sie eine Summe, ein Zusammenhang von Ideen ist, deren innerer sub­stantieller Wirklichkeitsgehalt von den Philosophen nicht erlebt wird, sondern für den man eine theoretische Begründung sucht, daß er sich auf eine Wirklichkeit beziehe. Dadurch ist der Philosoph nicht in der Lage, in so unmittelbarer Art seine Ideen an der Wirklichkeit zu erwei­sen, wie man das irgendeinem vorliegenden Wirklichen gegenüber immer tun kann. Über ein vorliegendes Wirkliches können die Men­schen ganz gewiß einzelne Illusionen haben, aber man wird sich leicht verständigen, wenn man davor steht. In der Philosophie kann man die Ideen, die eigentlich doch nur aus der Tradition genommen werden - trotzdem man anderes glaubt -, in verschiedener Weise auf die Wirk­lichkeit beziehen, weil man diese Wirklichkeit nicht erlebt. Und so entstehen die verschiedenen voneinander abweichenden philosophi­schen Systeme, bei denen es so ist, daß eigentlich keines in seiner absoluten Gültigkeit erwiesen werden kann, weil man immer gegen die Gründe, die für das eine oder das andere System vorgebracht werden, entgegengesetzte Gründe vorbriilgen kann, um es zu widerlegen. Und da nur eine relative Richtigkeit vorliegt, kann man sagen, der Bewei­sende und der Widerlegende haben zumeist ein gleiches Recht. Auf diese Art kann man in der Gegenwart zwar zu einem von dem einen oder anderen Philosophen abweichenden Philosophieren kommen, aber zu nichts, das unmittelbar als Wirkliches gefühlt würde und das in ebensolcher Unmittelbarkeit überzeugend wirken könnte.

Philosophie ist hervorgegangen aus einem ganz anderen Bewußt­seinszustande als dem des abstrakten Denkens, in dem sie heute erarbeitet wird. Man muß dazu kommen, wiederum in diesem Bewußt­seinszustande mit der Seele zu leben. Da aber die Menschheit mittlerweile

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in ihrer Evolution fortgeschritten ist, kann man den alten Bewußtseinszustand, aus dem die Philosophie entstanden ist, nicht etwa wieder herübernehmen. Man muß zwar ein Ahnliches erreichen, wenn man heute eine Philosophie haben will, aber doch wiederum ein ganz anderes.

Der alte Bewußtseinszustand, aus dem die Philosophie gewonnen worden ist, und durch den der Philosoph die eigene Tätigkeit der ätherischen Organisation erlebt hat, war halb unbewußt. Dieser Be­wußtseinszustand hatte gegenüber dem modernen Bewußtsein, in dem wir wissenschaftlich denken, etwas Traumhaftes. Was uns für eine neue Philosophie als Ideal vorschweben muß, das ist, wieder eine Philosophie im ätherischen Leibe erleben zu können, aber nicht in jener traumhaften Weise, wie sie in den alten Zeiten erlebt worden ist. Man muß sich nur klar sein, daß diese Träume der alten Philosophen nicht in derselben Weise Träume waren, wie heutige Träume sind. Heutige Träume sind bildhafte Vorstellungen, bei denen aber der Wirklich­keitsgehalt nirgends durch den Inhalt der Traumvorstellungen verbürgt ist. Diese Vorstellungen können allerlei Lebens-Reminiszenzen sein; sie können sich auf Vorgänge des physischen Organismus beziehen. Man hat niemals in der Traumvorstellung selbst einen überzeugenden Hinweis auf eine Wirklichkeit. Das war bei jenem Bewußtseinszu-stande, aus dem in alten Zeiten die Philosophie erarbeitet worden ist, anders. Bildhaft waren auch diese Vorstellungen, aber sie traten in solcher Weise auf, daß im Bilde zugleich eine völlige Verbürgung vorhanden war für eine Wirklichkeit geistiger Art, ätherischer Art, auf die das Bild deutet. Diesem traumhaften, halbbewußten Seelenzustande können wir uns heute nicht hingeben. Unsere wissenschaftliche Vor­stellungsweise fordert, daß wir in vollbewußter Art denken, überhaupt in vollbewußter Art in der Seele leben, wenn wir erkenntnismäßig arbeiten wollen. Wir müssen daher, um eine neue Philosophie zu gewinnen, ein Vorstellen herbeiführen, welches im ätherischen Orga­nismus verläuft, aber zugleich vollbewußt ist, wie das wissenschaftliche Denken, das wir in der Mathematik oder in der Naturwissenschaft anwenden.

Ein solches vollbewußtes, bildhaftes Denken, das sich auf eine ätherische

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Wirklichkeit bezieht, erringen wir uns heute innerhalb der anthroposophischen Forschung durch ein meditatives inneres Seelen-üben. Diese meditativen Übungen bestehen im wesentlichen darin, daß die Seele sich konzentriert auf einen leicht überschaulichen Vorstel­lungsinhalt. Das Ausführliche über dieses Meditieren werde ich in den folgenden Vorträgen noch zu beschreiben haben. Sie finden es auch in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und in meiner «Geheimwissenschaft im Umriß». Hier will ich nur das prinzipiell sagen, daß es sich darum handelt, alle Seelenkräfte zusam­menzuziehen, von allem übrigen, das Eindrücke von außen oder innen macht, abzusehen, zu abstrahieren und die Seelenkräfte ruhen zu lassen auf einer leicht überschaulichen Vorstellung. Wenn man eine solche meditative Übung, die im einzelnen Falle nur kurz zu sein braucht, immer wieder und wieder durch Monate, vielleicht durch Jahre wie­derholt mit der nötigen Energie und Ausdauer, so kommt man dazu, eines Tages zu bemerken, daß man in seinem seelisch-geistigen Leben völlig unabhängig wird von dem physischen Organismus, daß man tatsächlich jetzt einsehen kann: Wenn ich im physischen Organismus denke, so bediene ich mich dieses physischen Organismus'; zwar ver­läuft das Denken selbst nicht im physischen Organismus, aber dieser physische Organismus gibt durch seine feinere Organisation ein Abbild dieses Denkens; dadurch wird es mir bewußt.

Ohne den physischen Organismus kann das Denken des gewöhn­lichen Bewußtseins nicht vollzogen werden. Daher ist das gewöhnliche Bewußtsein an den physischen Organismus gebunden. So klar man einsieht, daß alles gewöhnliche Denken nur mit Hilfe des physischen Organismus vor sich geht, so klar wird es einem, daß man in dem Meditieren eine bildhaft-denkerische Tätigkeit ausübt, indem man durch Meditation, durch jenes immer wiederkehrende Ruhen der Seele auf einem leicht überschaubaren Vorstellungsinhalt, frei geworden ist in seiner inneren Seelentätigkeit von dem physischen Leibe. Und jetzt erlebt man um sich herum eine Bildwelt, die in bezug auf diese Bild­haftigkeit ähnlich ist derjenigen der alten Denker, die daraus ihre Philosophie gewonnen haben, die aber bei durchaus klarer Besonnen­heit erlebt wird wie jede klare Vorstellung im naturwissenschaftlichen

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Beobachten und Experimentieren. Jetzt bekommt man in dieser Bilder­welt, die man so vor sich hat, eine Überschau über diejenigen Kräfte im eigenen Menschen, die als Wachstumskräfte seit der Geburt gewirkt haben, die unseren Organismus immer größer und größer werden ließen. Man bekommt auch eine Überschau über die Kräfte, die im Stoffwechsel, in der Ernährung und in den Verdauungsvorgängen wirken. Man bekommt, mit anderen Worten, in Bildvorstellung eine völlige Überschau über die Lebenskräfte, die aus der geistig-ätherischen Welt heraus den Menschen durchsetzen und als ein besonderer ätheri­scher Organismus ihn eigentlich aufbauen, seine Form und sein Leben bewirken. Wieder ersteht in dem Menschen das, aber vollbewußt, was traumhaft bei den Urphilosophen vorhanden war, von denen dann in einer mehr abstrakten Form die späteren Philosophen nur das aufge­nommen haben, was man heute vielfach als Philosophie kennt. Man steigt, mit anderen Worten, auf zu der Stufe übersinnlicher Erkennt­nis, die man bezeichnet als die imaginative Erkenntnis, als die Erkennt­nis der Imagination. Im imaginativen Erkennen überschaut man also die eigenen Wachstums- und Lebenskräfte.

Aber was man da als ätherischen oder Lebensorganismus überschaut, ist nicht in so strenger Weise getrennt von der ätherischen Außenwelt, wie man im sinnlichen Anschauen das Objektive von dem Subjektiven trennt. Im sinnlichen Anschauen weiß ich: Der Gegenstand ist dort -ich bin hier. Im ätherischen imaginativen Anschauen wächst sozusagen der eigene ätherische Organismus mit dem Atherischen des Kosmos zusammen; man fühlt sich in gleicher Art in seinem eigenen ätherischen Organismus und im Ätherischen des Kosmos darinnen. Was man nun da erlebt durch den Zusammenfluß des eigenen ätherischen Organismus und des ätherischen Webens und Treibens im Kosmos, das ist man nun imstande, in scharf konturierte Bildvorstellungen zu bringen und es dann auch in menschliche Sprache zu kleiden und so auszudrücken, daß es in der menschlichen Sprache erscheinen kann. Auf diese Weise kann man wieder eine Philosophie gewinnen.

Diese Philosophie kann also dadurch wieder erarbeitet werden, daß der Mensch sich aufschwingt zur Ausbildung des imaginativen Den­kens. Wenn aber der imaginative Denker, der Denker auf der Stufe der

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exakten Clairvoyance, die man eben Imagination nennen kann, seine Erkenntnisse in der Sprache und in Gedankenformen zum Ausdruck bringt, dann ist die Sache so gefaßt, daß der, welcher nun nicht selber imaginativ vorstellen kann, in das gewöhnliche Bewußtsein, in das Vollbewußtsein des gewöhnlichen Denkens das, was der Philosoph sagt, herübernehmen kann. Und dadurch, daß es anders ist, wird es auch anders empfunden, anders gefühlt und erlebt. Es wird aber jene Wirklichkeit durch die sprachliche Mitteilung und durch die Auf­nahme des sprachlich Mitgeteilten auch im gewöhnlichen Bewußtsein erlebt, jene Wirklichkeit, die der imaginative Denker seinen Worten dadurch verleihen kann, daß er seine Vorstellungen aus der wirklichen ätherischen Welt heraus schöpft.

So kann wieder eine Philosophie gewonnen werden, die aus der äthe­rischen Welt, aus dem menschlichen ätherischen Organismus, aus dem ätherischen Kosmos heraus gewonnen ist, die auf den Zuhörer so wirkt, daß er im Aufnehmen mit dem gewöhnlichen gesunden Menschenver­stande erfühlt: Das ist aus der übersinnlichen, zunächst ätherischen Wirklichkeit herausgeholt. - Und so wird, wenn das imaginative Denken errungen wird, für die Welt auch wieder eine wahre, die Wirklichkeit verbürgende Philosophie gewonnen werden.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Für die Kosmologie muß das meditative Leben erweitert werden. Es kann dies dadurch geschehen, daß die Seele sich daran gewöhnt, nicht nur mit dem ganzen Umfange ihrer Kräfte auf einer überschaubaren Vorstellung oder einem überschaubaren Vorstellungskomplex zu ruhen und immer wieder und wieder zu ruhen, um in eine gesteigerte, inten­sive Tätigkeit hineinzukommen, die zuletzt losgerissen wird vom phy­sischen Organismus und im rein Ätherischen verläuft; sondern es muß die Seele auch dazu kommen, solche Vorstellungen, auf denen sie ruht, wiederum aus dem Bewußtsein zu entfernen. Die Seele muß dazu kommen, in derselben willkürlichen Art Vorstellungen, auf die sie sich vollständig konzentriert, anwesend sein zu lassen im Bewußtsein, und sie dann wieder aus dem Bewußtsein zu entfernen und in einen Zustand zu kommen, in welchem bloßes Wachsein, bloßes Vollbewußtsein vorhanden

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ist, ohne einen seelischen Inhalt, der auf eine solche Art erwor­ben ist, wie der sinnliche Inhalt oder wie der Denkinhalt. Die Seele muß wach sein, aber von allen den Inhalten nichts in sich haben, die man durch das gewöhnliche Bewußtsein erwirbt.

Wenn die Seele also bei völligem Wachsein nach der Meditation einen leeren Bewußtseinszustand herbeiführt und eine gewisse Stärkung mit innerlicher Kraft in dem Aufrechterhalten dieser Leerheit der Seele bei völligem Wachsein erreicht, dann kommt es zuletzt dahin, daß in das leere Bewußtsein hineinfließt ein geistig-seelischer kosmischer In­halt, den man bisher überhaupt nicht gekannt hat, eine neue geistige Welt, eine geistige Außenwelt. Das ist dann die Stufe der Inspiration, die sich anreiht an die Stufe der übersinnlichen Erkenntnis durch Ima­gination.

Hat man diese Fähigkeit, in das leer gemachte Bewußtsein hereinzu­bekommen durch Inspiration einen geistig-seelischen kosmischen In­halt, dann bekommt man auch herein jene Organisation, die ich gestern genannt habe den astralischen Organismus des Menschen, jenen astra­lischen Organismus, der gelebt hat in einer geistig-seelischen Welt, bevor er heruntergestiegen ist auf die Erde und sich mit einem physi­schen und ätherischen Leib umkleidet hat. Man lernt das seelisch-geistige Leben des eigenen Menschen vor dem Keimesleben, vor der Geburt kennen. Man lernt die astralische Organisation kennen, die wiederum im Tode den physischen Menschen verläßt und in der geistig-seelischen Welt weiterlebt. Man lernt also in inspirierter Erkenntnis den astralischen Organismus kennen, der sich im gewöhnlichen Be­wußtsein durch Denken, Fühlen und Wollen auslebt.

Damit lernt man aber auch zugleich den geistigen Kosmos kennen. Wie man durch seine Sinne und durch das an die Sinne gebundene Denken den physischen Kosmos vor sich hat, so hat man jetzt den geistigen Kosmos vor sich; nur ist das, was sich aus diesem geistigen Kosmos heraus mit der physischen Menschenorganisation, auch mit der ätherischen Menschenorganisation abspielt, viel realer, als die sinnli­chen Wahrnehmungseindrücke, die man sonst im gewöhnlichen Be­wußtsein erhält. Man kann schon sagen: Was da durch Inspiration in den Menschen hereinfließt, wodurch er zu einem von seinem Leibe

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unabhängigen Seelenleben kommt, das läßt sich vergleichen mit dem Einatmen des realen Sauerstoffes. Man erlangt auch jetzt durch diese inspirierte Erkenntnis ein genaueres Durchschauen gerade dessen, was menschlicher Atmungsprozeß ist, und des Prozesses, der sich etwa als der Blutzirkulationsprozeß in rhythmischer Art anschließt an den Atmungsprozeß. Man erhält eine wirkliche Anschauung des rhythmi­schen Menschen, aller rhythmischen Vorgänge im Menschen durch inspirierte Erkenntnis. Man erlangt eine Anschauung, wie die astra­lische Organisation im rhythmischen Menschen arbeitet. Man erlangt ferner eine Anschauung, wie der astralische Organismus in seiner Ein-kleidung in den physischen und ätherischen Organismus mit dem Atmungswesen, überhaupt mit der ganzen rhythmischen Organisation zusammenhängt, sich gerade in den Rhythmus der Atmungs- und Blut­zirkulation hineinfindet.

Dadurch aber ist man auch in der Lage, erkenntnisgemäß zu durch­schauen, was beim Menschen im physischen und ätherischen Organis­mus nur Vererbung ist, was den Vererbungsgesetzen unterliegt, die irdisch sind, und was sich der Mensch mitbringt aus der übersinnlichen, aus der kosmischen, aus der außerirdischen Welt als seelisches und geistiges Wesen, das hereinkommt in die irdische Welt und sich mit dem physischen und ätherischen Organismus nur umkleidet, oder vielleicht besser gesagt, sich in dieselben einkleidet. Man kann dann unterschei­den zwischen dem, was vererbte Eigenschaften im Menschen sind und dem, was er sich aus einer geistigen Welt in sein physisches Dasein herein mitgebracht hat.

In dem, was man nun durch seine astralische Organisation und durch ihr Abbild in den rhythmischen Menschenprozessen erkennt, hat man etwas, was man in den geistigen Kosmos, den man um sich hat und der einem durch Inspiration gegeben ist, jetzt eingliedern kann: man ge­langt zu einer Kosmologie, die den Menschen umfassen kann. Man gelangt zu einem kosmischen Bilde, das die Art und Weise enthält, wie der astralische Menschheitsorganismus mit dem Ich - von dem ich gleich nachher sprechen werde - auf den Wellen und Wogen der Atmung und der übrigen rhythmischen Vorgänge in den physischen Organismus einzieht. Man sieht den Kosmos in seiner tatsächlichen

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Gesetzmäßigkeit sich durch die menschlichen rhythmischen Prozesse in den Menschen hinein fortsetzen. Man gelangt zu einer Kosmologie, durch die man den astralischen Organismus versteht, durch die man aber auch die rhythmischen Vorgänge im einzelnen Menschen versteht.

Dadurch wird die inspirierte Erkenntnis zum Quell einer wirklich modernen Kosmologie, die sich wiederum messen kann mit der alten Kosmologie, die durch ebenfalls traumhafte Seelenkräfte den Menschen in einer ähnlichen Weise eingegliedert hat in den ganzen Kosmos, in eine seelisch-geistige kosmische Welt. Das aber, was in der inspirierten Erkenntnis errungen wird, das wird wiederum im vollen Bewußtsein errungen und kann dann in seinem Abglanz in dem menschlichen äthe­rischen Leibe angeschaut werden. Es ist so, daß das, was man in der Inspiration erlebt, sich in Bildern projiziert auf den ätherischen Leib, und so verbindet sich das in der Inspiration aus dem Kosmos heraus Gewonnene mit dem, was als Phantasie in der Betätigung des ätheri­schen Leibes erlebt wird. Das aus dem Kosmos Inspirierte, das in einer gewissen Weise innerlich beweglich ist, kann nicht gleich in scharfe Konturen gebracht werden, sondern erst, wenn es sich verbindet mit dem, was im ätherischen Leibe als Phantasie erlebt wird. Dann aber kann auch die Kosmologie in scharfe Konturen gebracht werden und es entsteht dadurch eine dem modernen Menschen völlig angemessene kosmische Philosophie, eine philosophische Kosmologie, die in dieser Weise ausgebildet ist durch einen Zusammenfluß von inspirierter Er­kenntnis mit demjenigen, was im ätherischen Leibe bildhaft in Imagi­nationen erlebt wird. Eine solche Kosmologie habe ich zu geben ver­sucht in meinem Buche «Geheimwissenschaft im Umriß», das ja auch ins Französische als «Occulte Science» übersetzt worden ist.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Um das religiöse Leben erkenntnismäßig zu begründen, ist eine wei­tere Ausbildung des meditativen Lebens, der Seelenübungen notwendig. Nur muß dieses meditative Leben, müssen diese Seelenübungen jetzt ausgedehnt werden auf den menschlichen Willen. Bisher ist mehr ge­kennzeichnet worden eine Art von Seelenübungen, welche durch eine besondere Ausbildung des Gedankenlebens sich auszeichneten. Es muß

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nun auch das seelische Leben, insofern es sich im Willen offenbart, für den Geistesforscher losgelöst werden von dem Leben des physischen Organismus, von dem Leben des ätherischen Organismus. Das ge­schieht, indem der Wille in einer Weise angewendet wird, wie er sonst im gewöhnlichen Bewußtsein nicht angewendet wird. Ich will das an einem Beispiele charakterisieren.

Man versuche, Vorgänge der äußeren Welt, die man sonst so verfolgt, wie sie - das Frühere zuerst, das Spätere nachher - aufeinander-folgen, die man so auch mit dem Denken verfolgt, man versuche, diese Vorgänge in rückläufiger Art so vorzustellen, daß man das Letzte zuerst, dann das unmittelbar Vorhergehende, dann das weiter Vorher­gehende bis zum Ersten hin rückläufig vorstellt. Dadurch führt man durch eine Willensanstrengung in der Seele dasjenige aus, was man im gewöhnlichen Bewußtsein nicht ausführt. Im gewöhnlichen Bewußt­sein folgt man mit dem Willen, der im Denken lebt, dem Verlauf der äußeren Vorgänge. Durch dieses Rückwärtsdenken, Andersdenken, als der Tatsachenverlauf in der Natur ist, reißt man den Willen los von dem physischen und ätherischen Organismus, und dadurch verbindet man den Willen, der sonst nur ein Abglanz des astralischen Organismus ist, mit diesem astralischen Organismus. Und da der astralische Orga­nismus durch die anderen Meditationen herausgeht aus dem physischen und ätherischen Organismus, so nimmt man den Willen mit hinaus aus dem physischen Organismus in die spirituelle Welt draußen. Indem man so den Willen aus dem eigenen Organismus im astralischen Leibe heraustreibt, nimmt man auch das, was der eigentliche Geistesmensch oder das Ich ist, so mit hinaus aus dem physischen und ätherischen Organismus, daß man nun mit dem Ich und mit dem astralischen Orga­nismus in der spirituellen Welt mit den spirituellen Wesenheiten zusam­menleben kann. So wie man in der physischen Welt in seinem eigenen Leibe allein lebt, so lernt man jetzt durch eine solche Ausbildung des Seelenlebens zusammenzuleben draußen, in der spirituellen Außenwelt, mit allen den Wesenheiten, die sich zuerst geoffenbart haben in der Jmagination und in der Inspiration. Dadurch gelangt man dazu, ein von der eigenen Körperlichkeit unabhängiges Leben in der geistigen Welt zu führen.

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Solche Übungen können noch dadurch verstärkt werden, daß der Wille in einer anderen Art angestrengt wird, und je mehr Anstrengung zu dieser Evolution des Willens notwendig ist, desto besser ist es für das Erleben der geistigen Welt außerhalb des physischen und ätherischen Organismus. Man kann Gewohnheiten, die man hat, umwandeln, in­dem man sich vollbewußt vornimmt: Diese oder jene Gewohnheit, die du seit vielen Jahren hast, gestaltest du durch eine energische Aufwen­dung des Willens in einer anderen Weise aus, daß sie in vier, fünf oder zehn Jahren so umgewandelt ist, daß du mit Bezug auf diese Gewohn­heit als ein anderer Mensch erscheinst. - Es können kleine, unbedeu­tende Gewohnheiten sein, vielleicht sogar jene kleinen, unbedeutenden Gewohnheiten, die so fortleben, ohne daß man sie viel bedenkt. Wenn man an ihnen arbeitet, sind sie am richtigsten für die Art der übersinn­lichen Erkenntnis, die ich jetzt charakterisiere. Zum Beispiel hat man gewisse Schriftformen. Man nimmt sich mit aller Energie vor: Man eigne sich einen anderen Schriftduktus an als der ist, der einem gewohnt ist und den man seit seiner Kindheit an sich ausgebildet hat. - Wenn man sich so durch Jahre hindurch solchen Willensübungen hingibt, wird die Seele zuletzt stark genug, um in der spirituellen Außenwelt, außerhalb des physischen und ätherischen Organismus, mit den spiri­tuellen Wesenheiten draußen zu leben, mit den Menschenseelen zu leben, entweder bevor sie in das physische Dasein heruntergetreten sind, oder nachdem sie durch den Tod gegangen sind und nun in der geistigen Welt leben, ehe sie wieder ins physische Dasein zurückkehren, oder auch mit denjenigen geistigen Wesenheiten zu leben, die nur in der geistigen Welt sind und diese Welt so bewohnen, daß sie nicht, wie die Menschen, sich in einen ätherischen und physischen Organismus ein­kleiden.

Auf diese Art gelangt man dazu, mit seinem Seelisch-Geistigen in derjenigen Welt zu leben, wo das erlebt wird, was den Inhalt des reli­giösen Bewußtseins ausmacht. Man gelangt vollbewußt in diejenige Welt hinein, die von den alten Religionslehrern als die göttliche Welt den Menschen mitgeteilt worden ist, damals durch ein mehr traum­haftes Hineinleben, jetzt durch ein so vollbewußtes Hineinleben, wie wir das Vollbewußtsein nur ausbilden in der Mathematik oder in der

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exakten Naturwissenschaft der modernen Zeit. Man gelangt auf diese Weise dazu, die dritte Stufe der übersinnlichen Erkenntnis, die wahre Intuition auszubilden.

Durch diese wahre Intuition, durch die man erlernt, in der göttlich­geistigen Welt zu leben, kann man die Erfahrungen aus dieser göttlich­geistigen Welt herüberholen, um sie zum Inhalt des religiösen Bewußt­seins zu machen. Wiederum ist es so, daß man ein Wesentliches in der menschlichen Natur erkennen lernt: wie der Mensch mit seinem wahren Ich und mit seinem astralischen Organismus leben kann in einer rein geistigen, spirituellen Welt. Man erlangt jetzt eine Anschauung davon, wie der Mensch im Wachzustande und wie er im Schlafzustande ist. Man kommt dazu, einzusehen, wie während des Wachzustandes das Ich und der astralische Organismus sich hineinkleiden in dasjenige, was ich vorhin als Atmungs- und Zirkulationsvorgänge, als rhythmische Vorgänge geschildert habe, wie aber, indem das Ich sich ein Abbild schafft im physischen Organismus, einbezogen werden in diese Abbild­lichkeit die Stoffwechselvorgänge, die in der Zirkulation des Blutes leben. Das, was der Mensch im gewöhnlichen Bewußtsein sein Ich nennt, ist nur ein schwacher Abglanz seines wahren Ichs. Das wahre Ich wurzelt in der eben charakterisierten geistig-göttlichen Welt. Im gewöhnlichen Bewußtsein wird dieses Ich dadurch wahrgenommen, daß das Zirkulationssystem des Menschen durchzogen wird von den Stoffwechselvorgängen. In diesen in der Zirkulation selbst pulsieren­den Stoffwechselvorgängen wird dasjenige gespürt, empfunden und gefühlt, was das gewöhnliche Bewußtsein als das Ich wahrnimmt. Das aber ist nur ein schwacher Abglanz des wahren Ichs.

Im Wachzustande lebt im Stoffwechsel, der da kreist in dem rhyth­mischen Menschen, das Abbild dieses Ichs. Das heißt, es lebt das wirk­liche Ich, aber das gewöhnliche Bewußtsein hat nur das durch den Stoffwechsel bewirkte Abbild in sich. Wenn aber der menschliche phy­sische und ätherische Organismus das, was im Atmungs- und Zirkula­tionsprozesse geschieht und vom Stoffwechsel durchdrungen wird, wenn der physische und ätherische Organismus - wie es im Schlaf­zustande der Fall ist - die Kräfte dieses rhythmischen Menschen selber brauchen, dann lebt das wahre Ich mit dem astralischen Leibe in der

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spirituellen Außenwelt. Dann versorgen die Atmung und die Zirkula­tion mit dem darin pulsierenden Stoffwechsel den physischen und den ätherischen Organismus für sich, und das wahre Ich und die astralische Organisation haben einen Bestand neben dem physischen und dem ätherischen Organismus in der spirituellen Welt. Man schaut diese ab­wechselnden Zustände durch die wahre Intuition, wie der physische und ätherische Organismus Atmungs- und Blutzirkulation mit dem darin enthaltenen Stoffwechsel brauchen, um ihre Kräfte zu erneuern. Während dieser Zeit halten sich das wahre Ich und der astralische Organismus in der spirituellen Welt auf, haben dort Bestand. Und dann, wenn die Kräfte des physischen und ätherischen Organismus durch den rhythmischen Menschen so weit regeneriert sind, daß weitere rhythmische Prozesse nicht notwendig sind, dann kehren astralischer Leib und Ich zurück und durchsetzen den Stoffwechsel, der im At­mungs- und Blutzirkulationsprozesse pulsiert, und der Mensch ist dann wieder ein wacher Mensch.

So schaut man hin, wie das wahre Ich und der astralische Organismus im Stoffwechsel pulsieren. So lernt man diejenige Welt erkennen, welche die alten Religionen als die göttliche Welt bezeichneten, in der das Ich des Menschen, das wahre Ich, seine ihm ureigene Heimat hat. Und da das, was man so in der Intuition erfaßt, sich wiederum in Spie­gelbildern ergibt - an dem physischen, an dem ätherischen Leibe, wie eben in einem Spiegel -, so kann man auch das, was in der rein spiri­tuellen Welt unabhängig von aller Körperlichkeit des Menschen erfah­ren wird, wieder in Worte bringen, kann es in Bildern, in Begriffen zum Ausdruck bringen. Dann kann es wiederum von dem gesunden Men­schenverstande aufgefaßt werden, kann gefühlt und empfunden wer­den, kann im menschlichen Gemüt erlebt werden und bildet dann den Inhalt des religiösen Bewußtseins, der damit erkenntnismäßig begrün­det ist.

Es ist nicht für jeden Menschen notwendig, durch Intuition sich hineinzuleben in die göttlich-geistige Welt. Das muß derjenige tun, der ein Geistesforscher wird. Wenn aber der Geistesforscher das, was er in der göttlich-geistigen Welt erfährt, auf die eben charakterisierte Art in Worte kleidet, dann nimmt das solche Formen an, daß man an dem,

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was auf diese Art zur Offenbarung kommt, im gewöhnlichen Menschen mit Bewußtsein erlebt: Da werden Worte gesprochen, die sich nicht auf diese Welt beziehen, die sich aber mit der Kraft der ihnen inne­wohnenden Wirklichkeit im menschlichen Gemüte ausleben; und das ist die Kraft, mit der religiös auf das Bewußtsein das wirkt, was durch die Geistesforschung aus der geistigen Welt herausgeholt wird durch das intuitive Erleben dieser geistig-göttlichen Welt.

Wenn die Menschheit wiederum zu einem ursprünglichen, auf Er­kenntnis begründeten religiösen Leben kommen will, dann muß sie das gelten lassen, was der Geistesforscher durch wahre Intuition als seine Erlebnisse in der göttlich-geistigen Welt aus dieser zu verkünden ver­mag. Dann wird Religion wieder zurückkehren zu dem, was sie einst war. Jede Religion war an ihrem Ausgangspunkte Offenbarung aus der göttlich-geistigen Welt heraus, Offenbarung derjenigen Erlebnisse, die mit den Wesenheiten in der spirituellen Welt gemacht werden können, mit jenen Wesenheiten, die sich vorher der imaginativen und inspirier­ten Erkenntnis offenbaren, mit denen man aber erst in der Intuition zusammenkommt.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Das Denken, welches in Abstraktionen leben kann und das wir vor­zugsweise heute im wissenschaftlichen Forschen anwenden, das wir unserem Beobachten und Experimentieren zugrunde legen, ist eigent­lich erst im Laufe der Menschheitsentwickelung erworben worden. Es war nicht bei denjenigen Menschen vorhanden, aus denen jene alten philosophischen Forscher und Religionslehrer hervorgingen, welche die alte Philosophie, die alte Kosmologie, das alte religiöse Leben begrün­det haben und von denen vieles in einer Art Tradition sich erhalten hat. Damals waren vorhanden halbbewußte, traumhafte imaginative, in­spirierte, intuitive Erlebnisse. Aus diesen heraus wurden die alten Er­kenntnisse auf den verschiedensten Gebieten gewonnen, und eigentlich erst seit dem Entstehen der neueren Naturwissenschaft haben wir das, was wir heute als das abstrakte Denken erleben. Man darf nicht glauben, daß dieses abstrakte Denken nur vorhanden ist bei den wis­senschaftlichen Arbeitern. Es wird heute aufgenommen durch die gewöhnlichen

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Schulen und vom einfachsten, primitivsten Menschen, der noch fern von aller städtischen Bildung draußen auf dem Lande lebt.

So, wie das menschliche Bewußtsein durch dieses abstrakte Denken in der gesamten zivilisierten Welt ist, so war es noch im achten, neunten nachchristlichen Jahrhundert in keinem Teile der Menschheit. Überall lebte das, was aus den drei anderen Bewußtseinszuständen heraus ge­wonnen worden ist. Aber jene Vollbewußtheit, welche wir heute als den wahren Ausdruck des Menschlichen auffassen müssen, die konnte nur dadurch errungen werden, daß das abstrakte Denken, das heute eine Zierde des wissenschaftlichen Lebens ist, sich dem menschlichen Leben eingegliedert hat. Mit anderen Worten: Ein Denken in der Weise, daß man sich dazu der physischen Menschenorganisation bedient und diese physische Organisation zum Denken braucht, wie das heute der Fall ist, ein solches Denken hat es in den älteren Zeiten nicht gegeben. Da dachte der Mensch nur mit demjenigen in seiner Organisation, was ätherische, was astralische, was Ich-Organisation war. Durch das, was sich aus Imagination, Inspiration und Intuition offenbarte, wurden ihm die Gedanken mitgegeben. So ist es heute noch bei Menschen, die durch irgendwelche Umstände, die wir noch erwähnen wollen, eine Art Hellsehen haben, das nicht das moderne exakte Hellsehen ist, son­dern das aus alten Zuständen vererbtes, traumhaftes Hellsehen ist. Solche Personen können niemals ihre seelischen Erlebnisse kontrol­lieren, aber sie können sie haben, so haben, wie die Menschen älterer Epochen sie hatten. Dann ist man manchmal erstaunt, welche scharfen Gedanken solchen Menschen in ihren traumhaften Visionen mitgegeben werden, Gedanken, denen manchmal eine weit geistreichere Logik zu­grunde liegt, als sie sich selbst ein heutiger Philosoph machen kann. Das sind eben die Gedanken, die aus der geistigen Welt heraus offenbart werden. Einzig solche Gedanken gab es in älteren Zeiten der Mensch­heitsentwickelung, geoffenbarte Gedanken.

Das abstrakte Denken, das man heute allein kennt, ist mit dem Werkzeug des physischen Leibes erarbeitet. Es wird erlebt mit dem Werkzeuge des physischen Leibes, und das ist das Charakteristikon dessen, was die Menschheit in ihrer neueren Zeit, wo sie zu ihrem Voll-bewußtsein aufgestiegen ist, sich errungen hat. Ein mit dem physischen

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Leibe errungenes Denken ist eigentlich gegenüber der geistigen Welt ein deplaciertes Denken. Denn gerade durch das, was ich eben charak­terisiert habe, zeigt sich das Denken als angehörig der geistigen Welt. Es ist jetzt deplaciert, wenn sich der Mensch in seinem Denken der physischen Organisation bedient. Dadurch lebt das Denken in einem Element, das nicht sein ureigenes Element ist. Aber dadurch erlangt der Mensch auch in diesem Denken etwas, das er niemals erlangen könnte, wenn das Denken nur als Offenbarung aus Imagination, Inspiration und Intuition sich ergeben könnte. Dadurch, daß das Denken durch den physischen Organismus erarbeitet wird, hat es in seinem substan­tiellen Gehalt nichts in sich von der geistigen Welt. Es ist im Grunde genommen eine Tätigkeit, die bloß im physischen Organismus ausge­übt wird. Mit anderen Worten: Dieses abstrakte Denken erlebt nichts Wirkliches; es ist wie herausgepreßt, herausfiltriert aus der Imagina­tion. Was erlebt wird, ist Schein. Was wir im abstrakten Denken erleben, ist Schein-Erleben gerade dadurch, daß wir vollbewußt werden in diesem Denken.

Zweierlei konnen wir in diesem Denken erleben: einmal kann das­jenige, was wir in diesem abstrakten Denken als Schein-Erleben haben und was nicht selbst darauf Anspruch macht, etwas auszudrücken, Ab­bild der objektiven Natur werden. Dadurch erst hat der Mensch das errungen, worauf er heute so stolz ist: eine objektive Naturwissen­schaft. Die Naturvorgänge draußen könnten von einem eigenen, mit Eigensubstanz erfüllten Denken nicht in einer objektiven Darstellung gegeben werden. Wir können solche Beschreibungen, wie sie in alten Zeiten von den Naturvorgängen gegeben sind, nicht als objektive Naturwissenschaft anerkennen. Gerade, indem das Denken nur ein Scheinleben hat, bildet sich im Scheinleben die äußere Welt ab. In einem Denken, das nicht eine eigene Substanz hat, erscheint bildhaft die Substanz der äußeren Naturvorgänge. So verdankt die Menschheit in ihrem Fortschritt dem Umstande, daß sie sich ihr Vollbewußtsein in einem denkerischen Schein-Erleben errungen hat, die objektive Natur­wissenschaft. Es wurde der Zeitraum, in welchem das abstrakte Den­ken heraufkam, auch die Zeit, in der die objektive Naturwissenschaft errungen worden ist.

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Ein Zweites, das der Mensch diesem Aufschwunge zum abstrakten Denken verdankt, ist sein Erleben der Freiheit. Was man als moralische Impulse erlebt durch Imagination, Inspiration und Intuition, auch wenn man es so erlebt wie in alten Zeiten, traumhaft - wo es immer durch die Träume, die Instinkte und Emotionen des Organismus erlebt wurde, indem es ein Impuls zum Handeln wurde -, das übt immer auf den Menschen einen Zwang aus. Was immer man seinem Organis­mus als Trieb in seinem Handeln zugrunde legen muß, das treibt einen, zwingt einen da- und dorthin. Und das, was aus einer wirklichen äthe­rischen Welt herausgeholt wird in der Imagination als moralische Im­pulse, das zwingt mich; man kann nicht anders, als ihnen folgen. Ebenso ist es mit dem, was aus der Inspiration und aus der Intuition stammt. Nimmt aber der Mensch, indem er zwischen Geburt und Tod das Scheinleben des abstrakten Denkens erlebt - des reinen Denkens, das nichts ist als Denken, aber das durch den physischen Organismus ausgeführt wird -, nimmt er in dieses Denken die moralischen Impulse herein, so leben diese in dem reinen Denken, das nur ein Scheinleben hat und zu nichts zwingen kann, das ebensowenig zu etwas zwingen kann, wie Spiegelbilder zu etwas zwingen können. Was in der Wirk­lichkeit stößt, das zwingt mich; was aber bloß ein Scheinleben hat wie das, was wir im reinen Denken erleben, das kann einen Menschen nicht zwingen. Da muß ich mich selber entschließen, wenn ich ihm folgen will. Damit ist zu gleicher Zeit in diesem Schein-Erleben des Denkens die Möglichkeit der menschlichen Freiheit gegeben. Und indem mora­lische Impulse, die in der geistigen Welt wurzeln, hereinkommen und den Menschen erfüllen in diesem Schein erlebenden Denken, werden sie zu freien Impulsen.

Zweierlei also verdankt der Mensch seinem Aufschwunge zu dem Schein-Erleben im Denken: das Zeitalter der objektiven Naturwissen­schaft und das Erringen der wirklichen Freiheit. Diese Beziehungen habe ich ebenso, wie ich das Erheben in die übersinnlichen Welten in dem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», in meiner «Geheimwissenschaft» und in der «Theosophie» darstellte, so habe ich versucht, das Erringen des Freiheitsbewußtseins in der moder­nen Zeit in meiner «Philosophie der Freiheit» nach seiner Grundlegung

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hin darzustellen. So können wir sagen: In dem Zeitalter, in welchem der Mensch sein Vollbewußtsein dadurch errungen hat, daß das Den­ken heruntergeströmt ist bis zum physischen Organismus und sich des­sen bedient, in dem Zeitalter hat dieses Denken abgelehnt das alte traumhafte Hellsehen, durch das einmal eine alte Philosophie, eine alte Kosmologie und das alte religiöse Leben begründet wurden. Der Mensch hat dadurch die Möglichkeit erlangt, in der physischen Orga­nisation zwischen Geburt und Tod objektive Naturwissenschaft aus­zubilden. Er hat weiter die Möglichkeit erlangt, Freiheit auszubilden. Aber er steht heute an dem Punkt, wo er den Weg wieder beschreiten muß hinauf in die übersinnliche Welt - unter Beibehaltung seines Vollbewußtseins - in vollbewußter Imagination, Inspiration und Intuition, um zu dem, was er in objektiver Naturwissenschaft und Frei­heit erleben kann, hinzu zu erringen eine auf Erkenntnis der übersinn­lichen Welt gebaute neue Philosophie, eine neue Kosmologie und ein neues religiöses Leben. Sie genügen dem modernen Menschen in der­selben Weise als Offenbarung einer übersinnlichen Welt, wie er durch seine Vollbewußtheit innerhalb der sinnlichen Welt befriedigt ist durch die Erringung der objektiven Naturwissenschaft und der Freiheit.

Damit ist auf der einen Seite durch die Kennzeichnung von Freiheit und objektiver Naturwissenschaft, auf der anderen Seite durch die Kennzeichnung einer modernen spirituellen Wissenschaft zugleich cha­rakterisiert, wie die Menschheit aus dem gegenwärtigen Zeitalter in die Zukunft hinein fortschreiten muß, damit sie durch die Erringung einer übersinnlichen Erkenntnis sich einfügen kann in den von der Welten-ordnung geforderten wahren Menschheitsfortschritt.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

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DRITTER VORTAG Dornach, 8. September 1922 Imaginative, inspirierte und intuitive Erkenntnismethoden

Durch die Meditationsübungen, die zur imaginativen Erkenntnis füh­ren sollen, wird das gesamte seelische Innenleben des Menschen ver­wandelt. Ebenso werden verwandelt die Beziehungen der Menschen-seele zur umliegenden Welt. Es handelt sich ja darum, daß Meditieren in dem Sinne, wie es in den letzten Vorträgen hier gemeint war, besteht in einem Konzentrieren aller Seelenkräfte auf einen bestimmten, leicht überschaulichen Vorstellungskomplex. Es ist wichtig, daß man dies ins Auge faßt: ein leicht überschaulicher Vorstellungskomplex, ein solcher, auf den das Geistig-Seelische des Menschen in der unmittelbaren Ge­genwart alle Aufmerksamkeit verwenden kann, so daß während des Ruhens der Seele auf diesem Vorstellungskomplex nichts in sie einfließt von irgendwie unterbewußten oder unbewußten oder irgendwie aus der Erinnerung heraufspielenden Seeleneindrücken.

Man muß, wenn die imaginative Erkenntnis in der richtigen Weise herbeigeführt werden soll, beim Meditieren den ganzen Vorstellungs­komplex, dem man sich mit allen Seelenkräften hingibt, so vor sich haben wie etwa ein mathematisches Problem, so daß in das Meditieren nichts hineinspielt von gefühlsbetonten Vorstellungen oder von wil­lensdurchzogenen Vorstellungen. Wenn man sich einem mathemati­schen Problem hingibt, weiß man in jedem Augenblick, daß man mit der Seelentätigkeit in dem verharrt, was man unmittelbar vor dem Seelenauge hat. Man weiß, daß nichts Emotionelles, nichts Gefühlsmäßiges, keine Reminiszenzen aus dem verflossenen Leben in das hineinkommen dürfen, was man sich vorstellt und was zur Urteilsfäl­lung in dem betreffenden Problem führt. In einer solchen Seelenverfas­sung muß man auch sein bei dem richtigen Meditieren.

Dann ist es am besten, wenn man sich möglichst einem solchen Vor­stellungskomplex hingibt, der einem ganz neu ist, von dem man weiß,

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daß man ihn ganz gewiß noch niemals gedacht hat. Denn wenn man einfach aus der Erinnerung etwas heraufholen würde, so könnte man ja gar nicht wissen, was da alles an unbewußten, gefühlsmäßigen Impul­sen hineinspielt. Es ist daher für den Meditanten außerordentlich gut, wenn er sich von einem erfahrenen Geistesforscher raten läßt, denn dieser wird darauf sehen, daß der Meditierende einen Vorstellungs­inhalt habe, über den er ganz gewiß bisher nicht gedacht haben kann; so daß dasjenige, was nunmehr meditiert wird, zum ersten Male in das Bewußtsein eintritt, nichts Erinnerungsmäßiges, nichts von Instink­tivem hineinspielen kann und nur das Geistig-Seelische bei diesem Meditieren engagiert ist.

Wenn dann eine solche Meditation, die an einem Tage nur kurz zu sein braucht, immer wiederholt wird, dann kommt endlich ein Seelen-zustand zustande, der den Menschen ganz deutlich fühlen läßt: Jetzt lebst du in einer inneren Tätigkeit, die sich losgelöst hat von dem phy­sischen Leibe; jetzt lebst du in einer Tätigkeit, die anders ist, als wenn du deine Denktätigkeit oder deine Gefühls- oder Willenstätigkeit innerhalb des physischen Leibes auslösest. - Was einem da besonders entgegentritt, das ist, daß man deutlich fühlt: Man lebt in einer von der physischen Körperlichkeit getrennten Welt. - Man lebt sich eben all­mählich in die ätherische Welt hinein und das fühlt man daran, daß der eigene Organismus, der physische Organismus, den Charakter einer relativen Objektivität annimmt. Man schaut gewissermaßen von außen auf diesen physischen Organismus hin, so wie man sonst vom Innern dieses physischen Organismus auf äußere Gegenstände schaut. Aber was im inneren Erleben zeigt, daß das Meditieren von Erfolg begleitet war, das ist, daß die Gedanken gewissermaßen dichter werden, daß sie nicht nur den Charakter tragen, den sie sonst haben, nämlich den des Abstrakten, sondern daß man in den Gedanken etwas erlebt, was ähn­lich ist den Wachstumskräften, die einen vom kleinen Kinde zum erwachsenen Menschen gemacht haben, oder den Kräften, die täglich in einem tätig sind, wenn der Stoffwechsel den Leib versorgt.

Das Denken nimmt durchaus einen realen Charakter an. Und gerade weil das Denken einen realen Charakter annimmt, so daß man sich jetzt in dem Denken fühlt, wie man sich früher in seinen Wachstumsprozessen

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oder in seinen Lebensprozessen gefühlt hat, gerade aus dem Grunde muß dieses imaginative Denken auf die eben beschriebene Art erworben sein. Denn wenn man es so erworben hätte, daß Unbewußtes, vielleicht sogar Körperliches beim Meditieren mitgespielt hätte, so würden jene Kräfte, jene Realitäten, die man jetzt im übersinnlichen Denken erlebt, auch wiederum zurückspielen in den physischen und in den ätherischen menschlichen Organismus. Sie würden sich dort verei­nigen mit den Wachstumskräften, mit den Ernährungskräften, und man würde, indem man dann in einem solchen realen Denken verharrt, seinen physischen und seinen ätherischen Organismus verändern. Das darf aber auf keine Weise sein! Alle Tätigkeit, die man zum Ziele dieser imaginativen Erkenntnis ausführt, alle diese Kräfte müssen lediglich angewendet werden auf das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt und sie dürfen in keiner Weise eingreifen in den physischen oder ätheri­schen Organismus. Diese beiden müssen völlig unverändert bleiben, so daß der Mensch, wenn er sich eine dahingehende Fähigkeit erwirbt, indem er jetzt gewissermaßen mit seinem Denken in der ätherischen Welt schwebt, zurückblickt mit seinem Denken auf seinen unveränder­ten physischen Leib. Der ist so geblieben, wie er war; da greift dieses ätherische Denken nicht ein.

Man fühlt sich also mit diesem ätherischen Denken ganz außerhalb seines physischen Leibes, aber es muß dieses Außerhalbstehen stets durch freie Willkür wieder abgewechselt werden können mit dem völ­ligen Drinnenstehen im physischen Organismus. Wer in der richtigen Weise durch Meditation das imaginative Erkennen herbeigeführt hat, der muß in dem einen Augenblick in diesem ätherischen Denken sein können, das sich innerlich wie ein Wachstums-, wie ein Ernährungs­prozeß erlebt und sich durchaus wie etwas Reales innerlich fühlt, und er muß im nächsten Augenblicke wieder, indem dieses Denken ver­schwindet, zurückkehren können in seinen physischen Leib und mit seinen Augen so sehen können, wie er gewöhnlich sieht, muß mit seinen Ohren so hören können, wie er sonst hört, muß so tasten können wie sonst. Dieses in völlig freier Willkür mögliche Hin- und Herschweben zwischen einem Sein im physischen Leibe und außerhalb desselben im Ätherischen muß stets herbeigeführt werden können. Dann ist ein richtiges

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imaginatives Denken erreicht. Wie das nun wirkt, möchte ich im zweiten Teile des Vortrages darlegen.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Für den, der ein Geistesforscher werden will, ist notwendig, daß er lange Zeit hindurch in systematischer Weise die mannigfaltigsten Übungen durchmacht. Durch das, was ich soeben prinzipiell angedeutet habe, wird man aber immerhin dazu kommen, das ätherische Denken so weit zu erleben, daß man das, was ein Geistesforscher an Aussagen macht, kontrollieren kann, obwohl diese Kontrolle auch durch den gewöhnlichen gesunden Menschenverstand durchaus möglich ist, wenn er nur unbefangen und vorurteilslos genug ist.

Man muß das Meditieren, wenn es in der richtigen Weise zu einem Erfolg führen soll, unterstützen durch gewisse andere Seelenübungen Vor allen Dingen müssen immer mehr und mehr solche Seeleneigen­schaften ausgebildet werden wie Charakterstärke, innere Wahrhaftig­keit, eine gewisse Seelenruhe und vor allen Dingen eine völlige Beson­nenheit; das muß immer wiederholt werden: eine Besonnenheit, die so­wohl die Meditationsübungen selbst wie dann auch alles, was in ihrer Folge als exaktes Hellsehen unternommen wird, in einer solchen Seelen-stimmung und Seelenverfassung verrichten läßt, wie man beim Mathe­matisieren ist. Wenn man solche Eigenschaften wie Charakterstärke, innere Wahrhaftigkeit, Besonnenheit, eine gewisse Seelenruhe gewohn­heitsmäßig hat, dann ist der Meditationsvorgang imstande, wenn er immer wieder wiederholt wird - bei dem einen dauert es nach seinen Anlagen vielleicht nur wenige Wochen, bei manchem kann es Jahre dauern -, seine Ergebnisse dem ganzen physischen und ätherischen Menschenorganismus einzuprägen, so daß der Mensch wirklich zu einer solchen inneren Tätigkeit im imaginativen Erkennen kommt, wie er sonst in einer Tätigkeit ist durch seinen physischen Leib im sinnlichen Anschauen der Welt und im Denken durch den Körper.

Wenn der Mensch ein solches imaginatives Erkennen erlangt hat, dann ist er zunächst imstande, den eigenen Lebenslauf, den er von Kindheit auf bis zum gegenwärtigen Augenblicke durchlebt hat, wie in einer Einheit, wie in einem Zeittableau zu überschauen. Man hat ein

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fortwährendes innerlich bewegtes Werdendes vor sich als seinen eige­nen Lebenslauf. Das ist aber, indem man durch das imaginative Erken­nen diesen Lebenslauf jetzt betrachtet, nicht etwa gleich dem, was man sonst wie Erinnerung an das Leben vor sich hat, sondern was man nun vor sich hat, ist so real, wie eben die Wachstums-, die Lebenskräfte sind, die aus dem Körper des kleinen Kindes heraus die ganze seelische Kon­figuration treiben, dann im weiteren Verlaufe das Denken und so weiter treiben. Alles, was sich da innerlich herausarbeitet, was die Entwicke­lung des ätherischen Organismus des Menschen im Laufe des Lebens ist, das überschaut man. Von dem, was man so überschaut und was viel realer ist als das Tableau der Erinnerungen, von dem sind die Erinne­rungen, die in das gewöhnliche Bewußtsein eintreten, nur wie eine Art Abglanz, wie eine obere Welle, die aufgeworfen wird von Tiefenvor­gängen, in die man jetzt eindringt, Tiefenvorgängen des Lebens, äthe­rischen Vorgängen, die sonst gar nicht ins Bewußtsein eintreten, uns aber gestalten, formen, uns im Leben werden lassen von unserer Geburt bis zum gegenwärtigen Augenblick.

Diese Tatsachen, diese Prozesse treten vor dem imaginativen Be­wußtsein auf. Das gibt dem Menschen eine wirkliche Selbsterkenntnis zunächst seines irdischen Lebens. Wie man zur Selbsterkenntnis des außerirdischen Lebens kommt, wird sich uns noch in den nächsten Tagen zeigen. Denn eigentlich besteht der erste Schritt des übersinnli­chen Erkennens darin, daß einem das eigene Ätherleben, wie man es von der Kindheit bis zum gegenwärtigen Augenblick verbracht hat, in seinem übersinnlichen Charakter entgegentritt. Man lernt sich dadurch erst richtig verstehen, und was man auf diese Weise erlebt, das spiegelt sich wiederum durch den eigenen physischen und ätherischen Organis­mus so, daß man in dem, was man auf diese Weise als die eigenen äthe­rischen Vorgänge erlebt, etwas hat, was einem zeigt, wie der gesamte ätherische Kosmos sich im einzelnen Menschen auslebt, wie die äußere ätherische Welt, ich möchte sagen, weiter wellt und schwingt in dem ätherischen Organismus des Menschen.

Jetzt kann man sagen, daß man das, was man so erlebt, in sprachlich­begriffliche Form kleiden kann, und aus dem imaginativen Erleben der Welt in dem ätherischen Menschen kann eine wahre Philosophie entstehen.

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Was man so erlebt, bleibt aber für das gewöhnliche Bewußtsein durchaus unbewußt. Voll in dieser Tätigkeit, in die sich da der Mensch durch das imaginative Erkennen einfügt, lebt eigentlich nur das ganz kleine Kind, bevor es sprechen gelernt hat. Denn indem es sprechen lernt, indem sich die Sprache im Seelenleben herausbildet, sondern sich aus den allgemeinen Wachstums- und sonstigen Lebenskräften jene Kräfte ab, die dann als abstraktes Denken erlebt werden. Das Kind hat dieses abstrakte Denken noch nicht. Die Metamorphose eines Teiles der Wachstums- und Lebenskräfte zu Denkkräften hat sich noch nicht vollzogen. Daher ist das Kind gegenüber dem Kosmos in einer Tätig­keit, in die man sich wieder zurückversetzt fühlt durch das imaginative Erkennen, nur, daß das Kind es unbewußt erlebt. Der imaginative Denker erlebt es vollbewußt in klarer Besonnenheit.

Für den Menschen, der nicht das imaginative Denken erringt, ist es unmöglich, dasjenige zu überschauen, was da spielt zwischen dem menschlichen ätherischen Organismus und dem Ätherischen im Kos­mos. Das Kind kann es nicht schauen, obwohl es das unmittelbar erlebt, weil es noch kein abstraktes Denken hat; der Mensch mit dem gewöhn­lichen Bewußtsein kann es nicht schauen, weil er sein abstraktes Den­ken noch nicht durch Meditation vertieft hat. Vertieft er es durch Meditation, dann schaut er vollbewußt im Grunde genommen jenes Wechselspiel des ätherischen menschlichen Organismus mit dem Äthe­rischen im Kosmos, in dem noch ungeteilt das ganz kleine Kind lebt. Und so möchte man den paradoxen Satz aussprechen: Der allein ist ein wirklicher Philosoph, der als reifer Mensch wiederum in seiner Seelen­verfassung zum ganz kleinen Kinde werden kann, der aber die Gabe sich erworben hat, diese Seelenverfassung des kleinen Kindes in einem wacheren Zustande zu erleben, als das Wachsein des gewöhnlichen Bewußtseins ist, und wiederum heraufzuholen in sein ganzes Seelen-leben das, was man war als ganz kleines Kind, bevor man durch die Sprache zum abstrakten Denken übergegangen ist. Und das, was man so erlebt, vollbewußt überschauen, das gibt den Philosophen der mo­dernen Zeit. Der Philosoph der modernen Zeit lebt in der - vollbe-wußten - Verfassung des ganz kleinen Kindes, bevor es sprechen gelernt hat.

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Das ist das Paradoxe, was, wie ich denke, ganz besonders deutlich machen kann, wie sich die Menschenseele tatsächlich innerhalb des modernen Geisteslebens zu einer wirklichen, realen philosophischen Seelenverfassung aufschwingen wird.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Zu einer vollständigen übersinnlichen Erkenntnis ist notwendig die Erweiterung der meditativen Übungen zu demjenigen, was zur Inspira­tion führen kann. Man kommt dazu, wenn man nicht nur jenes Ruhen der Seele auf Vorstellungskomplexen übt, wie es bisher beschrieben worden ist, sondern wenn man - prinzipiell ist das auch schon in diesen Tagen erwähnt worden - auch das Fortschaffen solcher durch Meditation oder infolge der Meditation ins Bewußtsein getretener Bilder vermag. So, wie man durch völlig freie Willkür die Bilder des imaginativen Erkennens herbeigeführt hat, so muß man auch in die Lage kommen, diese Bilder wiederum aus dem Bewußtsein, aus dem Seelenleben fortzuschaffen. Es ist eine größere Energie der Seele not­wendig, um Bilder, die entweder durch das meditative Leben oder infolge desselben auftreten, wieder fortzuschaffen, als etwa, um Vor­stellungen fortzuschaffen, die ins Bewußtsein eingetreten sind entweder aus dem Gedächtnis heraus oder aus der gewöhnlichen sinnlichen An­schauung. Man braucht mehr Kraft, um meditative Vorstellungen, imaginative Bilder aus dem Bewußtsein fortzuschaffen als solche ge­wöhnliche Vorstellungen. Aber diese stärkere Kraft, welche die Seele anwenden muß, ist notwendig zum Fortschreiten in der übersinnlichen Erkenntnis.

Man erlangt diese Kraft, indem man sich immer mehr und mehr bemüht, wenn die imaginativen Bilder aufgetreten sind, das Bewußt­sein davon frei zu machen und nichts anderes ins Bewußtsein eintreten zu lassen. Dadurch tritt das auf, was man nennen kann ein blosses Wachsein, ohne daß irgendein Seeleninhalt da ist. Dieses bloße Wach-sein führt dann zur Inspiration. Denn wenn die Seele auf diese Weise durch die starke Kraft ihrer Selbstbefreiung von imaginativen Bildern zum leeren Bewußtsein gekommen ist, dann strömen die geistigen Inhalte des Kosmos in diese leergewordene aber wache Seele ein. Dann

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hat man nach und nach vor sich und um sich einen geistigen Kosmos, wie man als sinnlicher Mensch im gewöhnlichen Bewußtsein einen physisch-sinnlichen Kosmos um sich hat.

Das, was man jetzt im geistigen Kosmos erlebt, stellt sich einem so dar, daß es auf dasjenige zurückweist, was man in der Sinneswelt erlebt hat. Man hat in der Sinneswelt erlebt Sonne, Mond, Planeten, Fixsterne und anderes Tatsächliches eben der physisch-sinnlichen Welt. Indem man jetzt den geistigen Kosmos aufzufassen vermag durch das leer­gewordene Bewußtsein, indem man die Inspiration durchmacht, erlebt man die Offenbarung des geistigen Wesens der Sonne, die Offenbarun­gen des geistigen Wesens des Mondes, des geistigen Wesens der Planeten und der Fixsterne. Und wiederum muß es so sein, daß der Mensch in freier Willkür das, was er im Geistigen als Kosmos erlebt, zurückbezie­hen kann auf das, was er durch seinen physischen Leib als physisch-sinnlichen Kosmos erlebt hat. Man muß sagen können: Ich erlebe jetzt ein geistiges Wesenhaftes, das sich offenbart; das muß ich beziehen als den «Sonnengeist» auf das, was ich in der physisch-sinnlichen Welt als die physisch-sinnliche Sonne erlebe; und ich erlebe ein geistig-seelisches Wesen, das sich offenbart, und ich muß es als das geistige Wesen des Mondes zurückbeziehen können auf das, was ich in der physisch-sinn­lichen Welt als den Mond erlebe, und so weiter.

Wiederum muß der Mensch frei sich hin- und herbewegen können, aber indem er gleichzeitig in der geistigen Welt und in der physisch-sinnlichen drinnen ist. Er muß sich mit seinem Seelenleben frei hin- und herbewegen können zwischen den geistigen Offenbarungen des Kosmos und zwischen dem, was er als physisch-sinnliche Offenbarungen inner­halb des physischen Erdenlebens zu erleben gewohnt ist. Wenn man so das Geistige der Sonne bezieht auf das Physische der Sonne, das Geistige des Mondes auf das Physische des Mondes und so weiter, so ist das ein ähnlicher Seelenvorgang, als er etwa vorliegt, wenn man eine neue Wahrnehmung hat und sich an etwas erinnert, was man früher erlebt hat. Wie man etwas, was einem in einer neuen Wahrnehmung entgegen­tritt, um es sich zu verdeutlichen mit dem zusammenbringt, was man schon erlebt hat, so bringt man im wirklich freien inspirativen Leben dasjenige, was man als Offenbarungen kosmischer geistiger Wesenheiten

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erlebt, mit dem zusammen, was man innerhalb der physisch­sinnlichen Welt erlebt hat. Es ist hier so, als ob das Erleben im Geistigen neue Ahnungen gäbe an das, was man früher in der Sinneswelt durch seinen physischen Leib erlebt hat. Und man muß die volle Besonnen­heit haben, diesen höheren Grad der übersinnlichen Erkenntnis, der etwas Überwältigendes hat, in derselben ruhigen Seelenverfassung zu erleben, wie das Zusammenbringen einer neuen Wahrnehmung mit einer alten Erinnerung.

Dieses Erleben durch Inspiration unterscheidet sich ganz wesentlich von demjenigen, was man früher hat haben können als bloße Imagina­tion. Mit der Imagination lebt man in der ätherischen Welt. Man fühlt sich in dieser ätherischen Welt so lebend, wie man sich sonst in seinem physischen Leibe gefühlt hat. Aber man fühlt die ätherische Welt als eine Summe von allerdings mehr rhythmischen Vorgängen, als ein Vibrieren im Weltenäther, das man aber durchaus in Begriffen, in Ideen zu deuten in der Lage ist. Man fühlt eben im ätherisch-imaginativen Erleben ein Allgemeingeschehen, man fühlt übersinnliche, ätherische Tatsachen. In der Inspiration fühlt man nicht bloß solche ätherische übersinnliche Tatsachen, die ineinander übergehen, sich metamorpho­sieren, die auch alle möglichen Formen annehmen; sondern jetzt fühlt man durch die Inspiration, wie in dieser ätherischen wogenden Welt, in dieser rhythmisch vibrierenden Welt wie auf den Wellen eines äthe­rischen Weltenmeeres wirkliche Wesenheiten schweben und sich betä­tigen. Man fühlt so, was einen an die Sonne erinnert, was an den Mond, an die Planeten und Fixsterne erinnert und auch an die physischen Erdendinge erinnert, an Mineralien und Pflanzen. und das alles in dem Weltenäther drinnen.

So fühlt man den astralischen Kosmos. Was man hier in der physisch-sinnlichen Welt nur seiner Außenseite nach hat, das erkennt man jetzt wieder in seinem geistigen Dasein, wesenhaft. Und man erlangt auch eine Anschauung von der inneren Wesenheit des menschlichen Organis­mus, sowohl der ganzen Form des menschlichen Organismus wie der Formen der einzelnen Organe, Lunge, Herz, Leber und so weiter. Denn alles, was dem menschlichen Organismus Form und Leben gibt, das rührt nicht bloß - das sieht man jetzt - von dem her, was draußen

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im physischen Kosmos um uns herum ist und tätig ist, sondern es rührt von dem her, was innerhalb dieses physischen Kosmos als geistige Wesenheiten - als Sonnenwesenheit, Mondwesenheit, als Tier- und Pflanzenwesenheiten - das physische Geschehen und das ätherische Geschehen durchseelt und durchgeistigt, und was dann so wirkt, daß es dem menschlichen Organismus Leben und Form gibt. Man begreift die Form und das Leben des physischen Organismus erst dann, wenn man zur Inspiration aufgestiegen ist.

Was man da erlebt, das bleibt dem gewöhnlichen Bewußtsein voll­ständig verborgen. Das würde man mit dem gewöhnlichen Bewußtsein nur wahrnehmen können, wenn man nicht nur durch seine Augen sehen, mit seinen Ohren hören, mit seinem Geschmacksorgan schmecken könnte, sondern wenn der Atmungsprozeß, das Ein- und Ausatmen, ein Wahrnehmungsvorgang wäre, wenn wir im Ein- und Ausströmen des Atems so etwas hätten wie einen Wahrnehmungsvorgang, in dem wir innerlich im ganzen Organismus das Ein- und Ausströmen der Atemluft erleben würden. Weil das so ist, hat eine gewisse orientalische Schule, die Yogaschule, das Atmen zu einem Erkenntnisprozeß umgebildet, in einen Wahrnehmungsprozeß metamorphosiert. Dadurch, daß die Yoga-Philosophie das Atmen zu einem bewußten, wenn auch halb träume­rischen Erkenntnisprozeß umbildet, also im Atmungsprozeß etwas erleben will, wie wir es im Sehen und Hören erleben, dadurch bildet sie in der Tat eine Kosmologie aus, eine Einsicht, wie die geistigen Wesen­heiten des Kosmos in den Menschen hereinwirken, und wie sich der Mensch als ein Glied des geistigen Kosmos erlebt. Aber solche Yoga-vorschriften auszuüben widerspricht derjenigen Form der menschlichen Organisation, welche die abendländische Menschheit in der Gegenwart angenommen hat. Solche Yogaübungen waren der menschlichen Orga­nisation nur iii einem älteren Zeitabschnitt möglich, und was heute Yogis ausführen, ist im Grunde genommen schon in der Dekadenz.

Für einen ganz bestimmten, ich möchte sagen «mittleren» Zeitraum der Erdenmenschheitsentwickelung war es sozusagen der menschlichen Organisation angemessen, durch solche Yoga-Übungen den Atmungs-prozeß zu einem Bewußtseins-, Erkenntnisprozeß zu machen und auf diese Art eine traumhafte, aber immerhin geltende Kosmologie auszubilden.

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Was in jener Zeitepoche für die damals gebildete, im damaligen Sinne «wissenschaftliche» Menschheit zu einer richtigen Kosmologie geführt hat, das muß auf einer höheren Stufe von dem gegenwärtigen Menschen mit seiner körperlichen und seelischen Verfassung wiederum erreicht werden, aber nicht in jenem halb träumerischen, halb unbe­wußten Zustande wie damals, sondern in vollbewußter Art, wie ich es beschrieben habe, als ich über die Inspiration sprach. Würde der abend­ländische Mensch Yoga-Übungen ausführen, so würde er unter allen Umständen, eben wegen seiner ganz anderen Organisation, mit solchen Atmungsübungen seine physische und seine ätherische Organisation nicht unberührt lassen, sondern verändern. Und in seinen Erkenntnis-prozeß träte das hinein, was aus seinem physischen und ätherischen Organismus käme und was sich als ein Unobjektives in die Kosmologie hineinmischen würde. Aber geradeso, wie man als Philosoph die aller-erste Kindheit in das Seelenleben wiederum heraufholen muß, aber sie vollbewußt durchschauen muß, so muß man jene Seelenverfassung, die für die Menschheit in bezug auf Kosmologie geltend war, als das Yoga-System sich anwenden ließ, wieder in das Seelenleben heraufrufen, aber man muß sie in voller Besonnenheit erleben, im Vollbewußtsein, in einem höheren Wachen, als das gewöhnliche Wachen ist.

So kann man also sagen: Der moderne Philosoph muß im voller­wachten Zustande die kindliche Seelenverfassung des einzelnen Men­schen wieder heraufrufen in seine Seelenverfassung, und der Kosmo­loge im modernen Sinne muß die Seelenverfassung einer mittleren Epoche der Erdenmenschheitsentwickelung wieder heraufrufen, aber jetzt wiederum im vollbewußten Zustande. Einen individuellen Seelen-zustand muß zur Vollbewußtheit bringen der moderne Philosoph. Ein Seelenzustand, der einmal bei den Kosmologen einer früheren Mensch­heit da war, er muß in vollbewußter Art heraufgerufen werden von dem modernen Kosmologen. Kind werden in vollbewußtem Zustande, bedeutet Philosoph sein; Yoga-Mensch, wie er einmal im Verlaufe der ganzen Menschheitsentwickelung in einem mittleren Zeitraum leben konnte, das Wiederheraufrufen dieses Zustandes und dessen Ver­wandlung in Vollbewußtheit bedeutet im heutigen Sinne Kosmologe werden.

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Was es bedeutet, religiöser Mensch zu sein, möchte ich im letzten Teile schildern.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Ich habe gestern geschildert, wie die dritte Stufe der übersinnlichen Erkenntnis, die wahre Intuition, durch Willensübungen zu erreichen ist, durch solche Willensübungen, die Sie im genaueren nachlesen kön­nen in den gestern genannten Schriften, und die auch noch im einzelnen in den nächsten Tagen geschildert werden sollen. Hier wird der Mensch in eine Seelenverfassung gebracht, die als traumhafter Seelenzustand bei jener Menschheit vorhanden war, die als erste, als Urmenschheit, auf unserer Erde im Beginne der Menschheitsentwickelung lebte. Nur war bei dieser Urmenschheit eine traumhafte, eine halb unbewußte, instinktive Intuition vorhanden.

Diese Intuition muß der moderne Erkenner des religiösen Lebens wiederum zur Vollbewußtheit bringen. Die mehr instinktive Intuition der Urmenschheit tritt allerdings wie ein Nachklang noch bei einzelnen Menschen der Gegenwart auf, die das ausleben, was sie instinktiv-intuitiv in ihrer Umgebung als geistige Kräfte wahrnehmen, mit denen sie wie in der Außenwelt leben. Sie verwenden diese Intuitionen, die Nachklänge der traumhaften Intuitionen der Urmenschheit sind, im dichterischen, im künstlerischen Schaffen. Diese Intuitionen spielen auch eine Rolle bei dem, was erste wissenschaftliche Einfälle sind; sie spielen im heutigen Phantasieleben der Menschheit eine außerordent­lich große Rolle.

Was hier als die wahre, vollbewußte Intuition beschrieben wird und was auf die gestern dargestellte Weise erreicht wird, ist etwas ganz anderes. Der Urmensch hatte ja eine ganz andere Seelenverfassung als der moderne Mensch. Er lebte gewissermaßen in der ganzen Außenwelt, in Wolken und Nebel, in Sternen, Sonne und Mond, in der Pflanzenwelt wie im Tierreich; er lebte in alledem fast mit derselben Intensität, wie er in seinem eigenen Leibe sich lebend fühlte. Es ist außerordentlich schwierig, diese Seelenverfassung der Urmenschheit heute wieder für das gewöhnliche Bewußtsein anschaulich zu machen. Aber alles, was äußerlich historisch erkannt werden kann, weist uns

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zurück auf eine solche Seelenverfassung der Urmenschheit. Sie war dadurch begründet, daß der Urmensch nun nicht eigentlich seine kör­perlichen Zustände so im Unbewußten liegen hatte wie wir moderne Menschen. Wir moderne Menschen leben nicht mehr mit unserer Ernäh­rung, mit unserem Wachstum, mit den Vorgängen in unserem physi­schen Organismus. Ausgebreitet über dieses Erleben, das ganz im Unbewußten verbleibt, webt das mehr oder weniger bewußte Seelen-leben in Wollen und Fühlen oder das ganz bewußte Seelenleben im Vorstellen. Aber unter dem, was wir da unmittelbar erleben als Vor­stellen, Fühlen und Wollen, ist dasjenige, was der menschliche physi­sche Organismus vollbringt und was dem gewöhnlichen Bewußtsein ganz unbewußt bleibt.

Beim Urmenschen war das wesentlich anders. Er erlebte als Kind nicht solche deutliche Vorstellungen wie wir. Sein Vorstellen war vielfach fast träumerisch, und erst recht im Unbestimmten verschwim­mend war sein Gefühlsleben, wenn auch vehement. Das Gefühlsleben der Seele war viel ähnlicher einem körperlichen Schmerz oder einer körperlichen Lust, als es heute beim modernen Menschen der Fall ist. Dafür aber fühlte es der Urmensch in der Kindheit, wie er wuchs. Er fühlte sein Wachsen als Leibes- und Seelenleben, und er fühlte noch als Erwachsener, wie die Nahrungsmittel in ihm ihre Wege im Stoffwech­sel nehmen, wie das Blut zirkuliert und den Nahrungssaft durch den Organismus trägt. Wer mit einer Organisation ausgerüstet ist, wie ich sie gestern in ihrem Werden geschildert habe, kann auch heute noch eine Anschauung, wenn auch auf einer niederen Stufe, von diesem kör­perlichen Erleben des Urmenschen haben, wenn er beobachtet, wie, nachdem sie gegrast haben, Kühe liegen, die verdauen, die den Stoff­wechsel in seiner besonderen Regsamkeit erleben. Es ist ein körperlich­seelisches Leben in diesen Wesen, das geradezu wie das Hineinschwin­gen und innerliche Aufleuchten von kosmischen Vorgängen erscheint. Sie erleben ein innerliches Wohlgefühl im Verdauen, im Ernähren, im Herumtragen der Nahrungsstoffe durch die Blutzirkulation, und man braucht nicht einmal Hellseher zu sein, um es der ganzen äußeren Verfassung, der Geste dieser Tiere anzusehen, wie sie mit ihrem Tier-bewußtsein ihre Verdauung verfolgen.

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So verfolgte der Urmensch, als er in die Erdentwickelung eintrat, seine physischen Prozesse, die unmittelbar vereinheitlicht waren, eine Einheit bildeten mit den seelischen Prozessen. Dadurch, daß er sein eigenes physisches Innere so erlebte, konnte der Urmensch auch die Außenwelt fast ebenso intensiv körperlich-seelisch erleben, wie er sich, wenn ich mich so ausdrücken darf, in seiner Lunge, in seinem Herzen, in den Vorgängen des Magens, der Leber und so weiter fühlte. So fühlte er sich in dem zuckenden Blitze, in dem rollenden Donner, in der sich verwandelnden Wolke, in dem sich verändernden Mond. Er lebte da die Zeiträume mit, das Wachsen des Mondes, so wie er die Vorgänge seiner Verdauung erlebte. Es war ihm dieses Äußere fast so ein Inneres wie sein eigenes Innere. Und das, was man innerlich erlebt, war ihm so wie das, was er im dahinfließenden Strome und so weiter erlebte. Das Wellenspiel des Stromes war ihm ein innerlicher Vorgang, den er miterlebte, in den er untertauchte, wie er in seine eigene Blut­zirkulation untertauchte.

So lebte sich der Urmensch in die Außenwelt hinein, daß ihm die Außenwelt ebenso erscheinen mußte - sie ist ja auch so - wie das eigene Innere. Man nennt das heute Animismus. Man mißversteht aber damit heute vollständig, was da eigentlich zugrundeliegt, indem man den Animismus so ansieht, als ob der Mensch das, was er in sich erlebte, in die Außenwelt hinausprojiziert hätte. Was er in der Außenwelt erlebte, das war eine ganz elementare Tatsache seines Bewußtseins, so selbstverständlich, wie uns die Bedeutung der Farben- und Tonerschei­nungen ist. Man darf nicht annehmen, daß der Urmensch in einer besonders phantasievollen Weise dasjenige in die Außenwelt hinein­geträumt hat, was uns von ihm als Bewußtseinsinhalte berichtet wird. Er nahm es wirklich wahr, in einer so selbstverständlichen Weise, wie wir es heute tun. Die sinnliche Anschauung ist nur ein Umwandlungs-produkt dieser ursprünglichen Anschauung des Urmenschen, der tat­sächlich in der Außenwelt das wahrnahm, was im ätherischen, im astra­lischen Kosmos diejenigen Wesenheiten vollbringen, die den Kosmos in Tätigkeit, schaffend, erhalten. Das nahm er wahr, wenn auch wie im Träumen, ganz dumpf, aber er nahm es wahr, und dieses Wahr­nehmen war zugleich der Inhalt seines religiösen Bewußtseins. Der

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Urmensch hatte eine gewisse Seelenverfassung gegenüber der Umwelt, aber diese Seelenverfassung steigerte sich so, daß er im ganzen ihn umgebenden Kosmos zugleich die geistigen Wesenheiten wahrnahm, mit denen er sein eigenes Menschenwesen verwandt fühlte. Für ihn war in seiner Anschauung die Verbindung gegeben, die wir in abgeleiteten Formen in unserem religiösen Bewußtsein haben. Für ihn war das reli­giöse Bewußtsein nur die höhere Stufe seines primitiven Erkennens.

Wenn man ein neues religiöses Bewußtsein auf wahrer Erkenntnis begründen will, so kann man auch nicht anders, als sich wieder in diese Seelenverfassung der Urmenschheit zurückzuversetzen. Nur darf sie beim modernen Menschen nicht traumhaft, nicht halbbewußt sein, sondern sie muß wacher sein als das gewöhnliche Bewußtsein, aufge­wacht, so wie ich es für das Erringen der wahren Intuition geschildert habe, wo wir in der Tat die Fähigkeit erringen, mit unserem eigenen Ich aus uns herauszugehen und in die anderen geistigen Wesenheiten des Kosmos so unterzutauchen und so mit ihnen zu leben, wie wir im physischen Erdenleben in unserem physischen Organismus leben. Wir tauchen im Erdenleben unter in den physischen Organismus; wir tau­chen in der wahren intuitiven Erkenntnis mit unserem Ich unter in die geistigen Wesenheiten des Kosmos. Wir leben mit ihnen und erringen uns dadurch die Verbindung unseres Ichs mit der Welt, der eigentlich dieses Ich angehört. Denn dieses Ich ist Geistwesen, wie die anderen Geistwesen, auf die ich eben hindeutete, und wir erringen auf unmittel­bare Weise die Verbindung mit den Geistern, zu denen wir selbst gehö­ren, durch ein religiöses Bewußtsein. Ein dumpfes, instinktives religiö­ses Bewußtsein war dem Urmenschen gegeben. Was des Urmenschen Seelenverfassung war, das müssen wir wieder heraufholen und in Voll-bewußtheit erleben. Dann werden wir eine religiöse Erkenntnis, eine Erkenntnisreligion für den modernen Menschen gewinnen.

Wie wir die Seelenverfassung der Kindheit wieder heraufholen müssen und in Vollbewußtheit tauchen müssen, wenn wir moderner Philosoph werden wollen, wie wir die Seelenverfassung der Mensch­heit einer mittleren Epoche, die den Atmungsprozeß in traumhafter Art zu einem wahrnehmenden Erkenntnisprozeß machen konnte, wie wir diese Seelenverfassung wieder heraufheben in unsere eigene und in

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Vollbewußtheit tauchen müssen, um im modernen Sinne Kosmologen zu werden, so müssen wir auch die Seelenverfassung des Urmenschen in bezug auf sein Verhältnis zur Außenwelt wieder in uns heraufholen und in Vollbewußtheit tauchen, damit wir zu einer Erkenntnisreligion im modernen Sinne des Wortes kommen können. Die Seelenverfassung der Kindheit in Vollbewußtheit wieder zu erleben, ist die Vorausset­zung wirklicher moderner Philosophie; eine abgelaufene mittlere Menschheitsepoche, in welcher der Atmungsvorgang zu einem Wahr­nehmungsprozeß werden konnte, in Vollbewußtheit wieder in unse­rem Seelenleben zu erleben, ist die Voraussetzung der modernen Kos­mologie; und die Seelenverfassung gar der Urmenschheit - der ersten Menschheit auf dieser Erde, die noch mit den Göttern in unmittelbarer Verbindung stand - wieder in die gegenwärtige Seelenstimmung des modernen Menschen heraufzuheben, sie darin regsam zu machen und in Vollbewußtheit zu tauchen, das ist die Voraussetzung einer Erkennt­nisreligion für den modernen Menschen.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

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VIERTER VORTRAG Dornach, 9. September 1922 Erkenntnisgrundlagen einer wahren Philosophie, Kosmologie und Religion

Die Übungen, um zur Inspiration zu kommen, welche ich charakteri­siert habe, sind eigentlich für eine weitergehende übersinnliche Er­kenntnis doch nur Vorübungen. Man kommt allerdings durch diese Übungen dazu, den eigenen menschlichen Lebenslauf in der Art, wie ich es charakterisiert habe, schauen zu können, das schauen zu können, was sich als ätherische Tatsachenwelt hinter dem Denken, dem Fühlen und dem Wollen des Menschen in der Weite des Erdendaseins entfaltet. Man kommt dann durch das Fortschaffen derjenigen Bildanschauun­gen, die entweder in der Meditation oder infolge der Meditation im Bewußtsein gewonnen werden, man kommt durch diese Herstellung des leeren Bewußtseins auch dazu, die ätherische Wesenheit des Kosmos und die darin waltenden geistigen Wesenheiten in ihren Offenbarungen kennen zu lernen. Allein, wenn man in dieser Weise nur das mensch­liche Seelenleben kennen lernt, also die astralische Organisation des Menschen, so wird einem zunächst klar, was in der Vererbungsentwik­kelung für die physische Organisation des Menschen vorliegt, mit anderen Worten, was der Mensch in den fortlaufenden Vererbungs-tatsachen von seinen Vorfahren für den physischen Leib ererbt. Man bekommt auch eine Anschauung darüber, was in dem ätherischen Orga­nismus vom Kosmos herein gewirkt wird, was dann nicht der Verer­bung unterliegt, sondern was sich der Vererbung entwindet und eine Bedeutung hat für die menschliche Individualität, was also den Men­schen schon in seinem ätherischen Leib und in seiner astralischen Orga­nisation frei macht von dem, was er von seinen Vorfahren ererbt, von denen er seinen physischen Leib bekommt.

Es ist außerordentlich wichtig, auf diese Art genau zu der Unter­scheidung zwischen demjenigen zu kommen, was im fortlaufenden Strome der physischen Vererbung von den Vorfahren auf die Nachkommen

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übertragen wird und was dagegen aus der ätherisch-kosmi­schen Welt heraus dem menschlichen Individuum gegeben wird, wodurch dieses menschliche Individuum eigentlich erst persönlich, individuell ist und sich den vererbten Merkmalen entwindet. Dieses klar zu durchschauen, ist insbesondere wichtig für die Erziehungs­wissenschaft, für die Pädagogik; und gerade durch solche Erkenntnisse, auf die hier hingedeutet wird, können bedeutsame Grundlagen für den Pädagogen gewonnen werden. Ich darf dabei vielleicht verweisen auf das Büchelchen, das vorhanden ist in der Fassung von Albert Steffen über den Pädagogischen Kursus, den ich hier in Dornach zu Weih­nachten vorigen Jahres gehalten habe, und auch auf das, was in der letzten Juli/August-Nummer der englischen Zeitschrift «Anthropo­sophy» enthalten ist, das auch mit Bezug auf das Erziehungswesen interessant ist.

Was an inspirierter Erkenntnis durch die charakterisierten Übungen entwickelt wird, macht den Menschen nur bekannt mit der astralischen Organisation des Erdenlebens. Man lernt erkennen, was man als geistig­seelisches Wesen in seiner Entwickelung ist von der Geburt bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt, aber von dem, was man auf diese Weise erkennt, ist man aus diesen Erkenntnissen heraus noch nicht in der Lage, zu sagen, daß es mit dem Erdenlauf beginnt und auch mit dem Erdenlebenslauf endigt. Man kommt da sozusagen zu dem Geistig-Seelischen in seinem Erdenleben, aber man kommt nicht dazu, dieses Geistig-Seelische als ein Ewiges, als den ewigen Wesenskern des Men­schen zu durchschauen. Dazu ist notwendig, daß die Übungen im Fortschaffen der durch die Meditation herbeigeführten Bilder fort­gesetzt und erweitert werden so, daß die Seele immer kräftiger und energischer wird in diesem Fortschaffen. Dieses Weiterführen kann zunächst in nichts anderem bestehen als in fortdauerndem energischem Üben. Man muß immer und immer wieder sich anstrengen, solche Bilder, die durch das imaginative Bewußtsein entweder herbeigeführt oder geschaffen werden, mit einer Kraft aus dem Bewußtsein fortzu­schaffen, so daß das Bewußtsein ein leeres wird. Nach und nach ver­stärkt sich die Kraft der Seele in diesem Fortschaffen so, daß sie zuletzt eine so große ist, daß man jenes eine große Bild des Lebenslaufes selbst

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seit der Geburt, das man durch Imagination vor die Seele hingestellt erhält, nun auch wegschaffen kann.

Also wohlgemerkt: Es ist möglich, die Übungen für das Fortschaffen eines Seeleninhaltes und für die Herstellung eines leeren Bewußtseins so weit fortzuführen, daß die Seele so stark wird, auch von dem eigenen Lebenslauf zu abstrahieren. Und in diesem Moment, wo man dazu stark genug ist, lebt man in einem Bewußtsein, das nicht mehr vor sich hat den physischen Organismus, nicht mehr vor sich hat den ätheri­schen Organismus, damit aber auch alles dasjenige nicht mehr vor sich hat von der Welt, was durch den physischen und durch den ätherischen Organismus aufgenommen wird. Für dieses Bewußtsein ist nicht vor­handen die Sinneswelt mit allen ihren Sinneseindrücken, für dieses Bewußtsein ist aber auch nicht vorhanden die Summe alles ätherischen Geschehens im Kosmos, zu dem man sich ja erst durch das imaginative Erkennen aufgeschwungen hat. Man hat also alles das weggeschafft. Dadurch ist ein höherer Grad der Inspiration innerhalb der Menschen-seele herbeigeführt. Was dann durch diesen höheren Grad der Inspira­tion auftritt, das ist der Zustand der Seele, in welchem sie war in einer geistig-seelischen Welt, bevor sie durch die Empfängnis, durch das embryonale Leben, durch die Geburt herabgestiegen ist in einen menschlichen physischen Organismus. Man gelangt also auf diese Weise zu einer Anschauung des vorirdischen Daseins der Menschenseele. Man schaut hinein in diejenigen Welten, in denen die Seele war, bevor sie hier auf der Erde, ich möchte sagen, das erste Atom eines Physischen mit der Empfängnis überliefert erhalten hat. Man schaut zurück in die Entwickelung dieser Menschenseele in der geistig-seelischen Welt, man lernt das präexistente Leben dieser Menschenseele kennen. Damit erst hat man die eine Seite der Ewigkeit des menschlichen Seelenkernes ergriffen. Und wenn man das ergriffen hat, dann hat man im Grunde genommen erst die wahre Natur der menschlichen Ich-Wesenheit, des Geistesmenschen, erkannt. Der ist also erst jener Inspiration zugäng­lich, die auch abstrahieren kann nicht nur von dem eigenen physischen Leib und seinen Eindrücken, sondern auch von dem eigenen Atherleib als Lebenslauf und seinen Eindrücken.

Ist man bis zu dieser Erkenntnis der präexistenten Menschenseele

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in ihrem rein geistig-seelischen Dasein vorgeschritten, dann kann man auch eine Anschauung erhalten von dem, was eigentlich das Denken ist, das Vorstellen, das wir als Menschen in der Seele für das gewöhnliche Bewußtsein im Erdendasein haben. Durch die Fähigkeiten und Kräfte des gewöhnlichen Bewußtseins kann man auch bei der sorgfältigsten Selbstanschauung der Seele nicht dazu kommen, die Wesenheit des Denkens oder des Vorstellens zu durchschauen.

Soll ich nun klarmachen, wie sich für diese Inspiration die Wesenheit des menschlichen irdischen Vorstellens darstellt, so muß ich mich eines Bildes bedienen, aber dieses Bild spricht die volle Realität aus. Denken Sie sich einen menschlichen Leichnam. Dieser Leichnam hat noch die Formen, die der Mensch im Leben gehabt hat. Die Organe sind noch so gegliedert, wie der Mensch sie im Leben gegliedert hatte. Dennoch müssen wir sagen, wenn wir den Leichnam anschauen: Er ist nur der Rest desjenigen, was der lebendige Mensch war. Aber wenn wir diesen Leichnam nun seiner Wesenheit nach studieren, müssen wir uns sagen: So wie er als Leichnam vor uns liegt, kann er keine ursprüngliche Wirk­lichkeit haben. Er ist nicht denkbar als etwas, das so entsteht, wie er als Leichnam ist; er kann nur als Rest eines lebendigen Organismus da sein. Der lebendige Organismus muß zuerst dagewesen sein. Die Formen des Leichnams, die Glieder, alles weist nicht nur auf den Leichnam hin, sondern auf das, aus dem der Leichnam geworden ist. Und wer den Leichnam in dem Zusammenhang des Lebens richtig anschaut, der wird durch den Leichnam verwiesen auf das, aus dem der Leichnam gewor­den ist, auf den lebendigen Menschen. Die Natur, der wir den Leich­nam übergeben, kann diesen nur zerstören. Sie kann ihn nicht als sol­chen aufbauen. Wollen wir auf die aufbauenden Kräfte im Leichnam sehen, so müssen wir auf den lebendigen Menschen hinschauen.

Auf einer anderen Stufe, in einer ähnlichen Weise enthüllt sich für die inspirierte Erkenntnis die Wesenheit desjenigen Denkens oder Vor­stellens, das wir im gewöhnlichen Bewußtsein haben. Dieses ist nämlich eigentlich ein Leichnam, wenigstens etwas, das fortwährend im Erden-leben in das Leichnamhafte des Seelischen übergeht. Das lebendige Denken war vorhanden, als der Mensch noch nicht sein Erdendasein hatte, sondern in der geistig-seelischen Welt ein geistig-seelisches Wesen

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war. Da war dieses Denken und Vorstellen etwas ganz anderes; da war es ein Lebendiges im Geistesgeschehen. Und was wir als unsere Denk-kraft im gewöhnlichen Bewußtsein haben, das ist ein Übriggebliebenes von jenem Geistig-Lebendigen, das wir waren, bevor wir auf die Erde herabstiegen. Das ist übriggeblieben, sowie der Leichnam von dem leben­digen physischen Menschen übrigbleibt. Wie der Anschauung am Leich­nam sich enthüllt, daß der Leichnam zurückführt auf den lebendigen Menschen, so stellt sich dem, der durch die inspirierte Erkenntnis jetzt auf das ersterbende, beziehungsweise schon tote Denken oder Vorstellen der Seele sieht, ihm stellt sich dar, wie er dieses Denken als den Leichnam des eigentlichen «Denkwesens» behandeln muß, wie er dieses irdische Denken zurückführen muß auf ein übersinnliches, lebensvolles Denken.

Das ist es, was uns auch qualitativ das Verhältnis eines Teiles unseres Seelenlebens zu unserem vorgeburtlichen, rein geistig-seelischen Dasein enthüllt. Wir lernen einfach auf diese Weise wirklich erkennen, was das gewöhnliche Vorstellen und Denken bedeutet, wenn wir es zurückbe-ziehen auf seine lebendige Wesenheit, die nicht innerhalb des Erden-daseins zu finden ist, die im Erdendasein eben nur einen Abglanz hat. Und dieser Abglanz ist das gewöhnliche Denken oder Vorstellen. Daher steht dieses gewöhnliche Denken oder Vorstellen mit seiner Abstraktheit im Grunde genommen der wahren Wirklichkeit fern, wie der Leichnam des Menschen der wahren menschlichen Wirklichkeit fernsteht. Wenn wir von der Abstraktheit, von der bloßen Intellek­tualität des Denkens sprechen, dann ist es eben so, daß wir dunkel fühlen: So wie uns dieses Denken im gewöhnlichen Bewußtsein ent­gegentritt, ist es nicht das, was es sein sollte; es ist aus etwas geworden, in dem eigentlich seine wahre Natur liegt. Das ist das außerordentlich Wichtige: daß eine wahre Erkenntnis nicht bloß in allgemeinenRedens­arten, sondern in konkreten Bildern dasjenige, was der Mensch hier im physischen Leibe erlebt, zu beziehen versteht auf seinen ewigen Wesens-kern, so wie es jetzt mit dem Denken, mit dem Vorstellen des gewöhn­lichen Bewußtseins geschehen ist. Dann gewinnt eigentlich erst die Anschauung über die Bedeutung der Imagination und Inspiration das rechte Licht, denn dann weiß man, daß das tote oder ersterbende Den­ken im Grunde genommen durch jene Übungen, die man macht, um die

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Inspiration herbeizuführen, wiederum belebt wird, belebt wird inner­halb des physischen Erdendaseins. Inspirierte Erkenntnis erwerben ist also im Grunde genommen Belebung des ersterbenden Denkens. Da­durch wird man nicht etwa vollständig zurückversetzt in das vorge­burt[iche Dasein, aber man bekommt durch die seelische Anschauung ein wirkliches Bild dieses vorgeburtlichen Daseins, von dem man weiß, daß es nicht hier auf der Erde entstanden ist, sondern daß es herein-leuchtet aus einem vorirdischen menschlichen Dasein in dieses Men­schendasein. Man erkennt es an dem Bilde, daß es das Erkenntniszeug­nis ist für den Zustand der menschlichen Seele im vorirdischen Dasein.

Welche Bedeutung dies hat für die philosophische Erkenntnis, soll im nächsten Teil dieses Vortrages auseinandergesetzt werden.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Wie man auf diese Art in der Lage ist, die wahre Wesenheit des Denkens und Vorstellens des gewöhnlichen Bewußtseins zu erforschen, so kann man auch durch die hier gemeinte übersinnliche Erkenntnis die Wesenheit, die hinter dem Wollen steckt, zur Anschauung bringen. Nur ist dazu notwendig nicht bloß die höhere Erkenntnis der Inspiration, sondern die höhere Erkenntnis der Intuition, die ich gestern charak­terisiert habe und von der ich sagte, daß, um sie auszubilden, gewisse Willensübungen notwendig sind. Wenn man diese Willensübungen ausführt, gelangt man dazu, die eigene seelisch-geistige Wesenheit hin­auszutragen sowohl aus dem physischen wie aus dem ätherischen Orga­nismus. Man trägt sie hinaus in die Geisteswelt selbst. Die eigene Wesenheit als Ich-Mensch und als astralische Organisation trägt man hinaus in die geistige Welt. Man lernt auf diese Art erkennen, was es bedeutet, außerhalb seines physischen und seines ätherischen Organis­mus zu leben. Man lernt erkennen, in welchen Zustand die Menschen-seele kommt, wenn sie den physischen und den ätherischen Organismus abgeworfen hat. Das aber heißt nichts Geringeres als: man bekommt auf diese Weise ein Vorgesicht desjenigen, was sich mit dem Menschen abspielt, wenn er durch das Ereignis des Todes geht.

Durch das Ereignis des Todes werden der physische und der äthe­rische Organismus abgestreift. Sie werden so abgestreift, daß sie in der

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Form, die sie im Erdendasein getragen haben, nicht mehr die Umklei­dung des Menschen bilden können. Was aber dann mit dem eigentlichen menschlichen Wesenskern geschieht, das lernt man in der intuitiven Erkenntnis schon im Vorgesicht kennen, wenn man mit seinem Geistes-menschen, statt daß man in seinem physischen Leibe ist, draußen ist in der Welt der geistigen Wesenheiten. Denn das ist man. Durch die intui­tive Erkenntnis kommt man in die Lage, außerhalb seiner physischen und ätherischen Organisation so in anderen geistigen Wesenheiten drinnen zu sein, wie man sonst hier im Erdenleben in seinem physischen und in seinem ätherischen Leib drinnen ist. Was man also durch die Intuition bekommt, ist ein Erlebnisbild dessen, was man durchzu­machen hat, wenn man durch das Ereignis des Todes geht. Erst in dieser Art ist eine wirkliche Anschauung zu gewinnen von dem, was der Idee der unsterblichen Menschenseele zugrunde liegt. Diese Menschenseele ist - das lehrt schon die inspirierte Erkenntnis - nach der einen Seite ungeboren. Nach der anderen Seite ist sie unsterblich.

Das lehrt die Intuition. Auf diese Art aber, da man durch sie die wahre Wesenheit des menschlichen ewigen Wesenskernes kennen lernt, insofern er ein Leben nach unserem physischen Tode zu führen hat, lernt man auch dasjenige erkennen, was hinter dem menschlichen Wollen steckt. Was hinter dem menschlichen Denken steckt, ist soeben charakterisiert worden; das ist durch die Inspiration erkennbar. Was hinter dem menschlichen Wollen steckt, wird erkennbar, wenn man durch Willensübungen die Intuition herbeiführt. Dann enthüllt sich einem das Wollen so, daß hinter ihm etwas ganz anderes steckt, von dem das Wollen des gewöhnlichen Bewußtseins lediglich der Abglanz ist. Dann zeigt sich nämlich, daß das Wollen etwas hinter sich hat, das in gewissem Sinne ein jüngeres Glied des menschlichen Seelenlebens ist. Wenn wir vom Denken und vom Vorstellen als einem Ersterbenden, ja als von einem schon Toten sprechen und es ansehen als den älteren Teil der menschlichen Seele, dann müssen wir demgegenüber das Wollen als den jüngeren Teil der Menschenseele ansprechen. Wir können sagen, daß das Wollen, beziehungsweise das, was als eigentliches Seelisches hinter dem Wollen steckt, sich zu dem Denken so verhält wie ein junges Kind zu einem Greise. Nur ist, wenn wir auf Kind und Greis hinschauen,

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in der menschlichen Organisation die Greisenorganisation eigentlich zeitlich nach der kindlichen Organisation vorhanden; im Seelischen dagegen bestehen das Kindliche und das Greisenhafte neben­einander. Die Seele hat ihr Alter und ihre Jugend, ja sogar ihren Tod und ihre Geburt fortwährend in sich.

Gegenüber einer solchen, von Inspiration und Intuition getragenen Seelenerkenntnis, die ganz konkret ist, ist das, was man heute Psycholo­gie nennt, etwas außerordentlich Abstraktes, denn diese beschreibt ein­fach Denken und Wollen. Die wirkliche Seelenerkenntnis dagegen kann darauf hinweisen: wenn das Wollen alt ist, dann wird es ein Denken, und das altgewordene, ja erstorbene Denken hat sich aus einem Wollen entwickelt. Man lernt so wirklich das seelische Leben kennen, lernt auch hinschauen auf die Tatsache, daß dasjenige, was sich uns in diesem Erdenleben als ein Denken enthüllt, in einem früheren Erdenleben ein Wollen war, und was in diesem Erdenleben ein Wollen, also noch etwas Junges im Seelenleben ist, das wird im späteren Erdenleben ein Denken.

So lernt man auf diese Weise hineinschauen in die Seele und lernt sie eigentlich erst wirklich kennen. Dann enthüllt sich einem der wollende Teil der Menschenseele als etwas, was ein embryonales Leben führt. Wenn wir mit dem, was wir als ein Wollen in uns haben, hinausgehen in die geistige Welt, dann haben wir eine jugendliche Seele, die uns durch ihren eigenen Charakter darüber belehrt, daß sie eigentlich ein Kind ist. Und ebensowenig, wie wir von einem Kinde annehmen kön­nen, daß es nicht weiter wachse zum Greise hin, wenn es nicht gerade krank ist, ebensowenig können wir von dem, was wir als jugendliche Seele erkennen, nun annehmen - das enthüllt uns die Intuition -, daß sie sich mit dem Tode auflöst, denn sie hat ja erst ihr embryonales Leben erreicht. Wir lernen durch die Intuition kennen, wie sie mit dem Todes-moment hinausgeht in die geistige Welt. Das heißt, wirklich den ewigen Wesenskern des Menschen erkennen nach seiner Ungeborenheit und nach seiner Unsterblichkeit. Demgegenüber arbeitet die moderne Phi­losophie nur in Ideen, die dem gewöhnlichen Bewußtsein entnommen sind. Was heißt das aber: Ideen, die dem gewöhnlichen Bewußtsein entnommen sind? Nun, wir können es ja aus dem Angeführten sehen:

das sind tote Seelenwesenheiten.

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Wenn also diese mit Ideen des gewöhnlichen Bewußtseins arbeitende Philosophie den denkenden Teil der Seele richtig anschauen will, um zu Ergebnissen zu kommen, so wird sie, wenn sie unbefangen genug dazu ist, rein durch die Untersuchung dessen, was im Denken und Vor­stellen des gewöhnlichen Bewußtseins vorliegt, sich sagen: Das erklärt sein Dasein nicht aus sich selber -, gerade so, wie man bei einem Leich­nam sich sagen muß: Der kann nicht aus einem Leichnam entstanden sein, der muß aus etwas anderem entstanden sein. - Die Physiologie weist durch Anschauung darauf hin. Die Philosophie sollte aus dem, was hier durch Intuition vorliegt, den Schluß ziehen: Gerade deshalb, weil das gewöhnliche Denken und Vorstellen einen ersterbenden Cha­rakter hat, darf ich bei ihm auf ein Vorhergehendes schließen. - Was die Inspiration durch Anschauung ergründet, das kann die Philosophie durch logische Schlüsse, durch Dialektik, das heißt auf indirekte, be­weisende Art, finden.

Was müßte also eine Philosophie tun, die innerhalb des gewöhnlichen Bewußtseins stehen bleiben will? Sie müßte sagen: Wenn ich mich nicht zu irgendeiner übersinnlichen Erkenntnis aufschwingen will, müßte ich wenigstens analysieren, was im gewöhnlichen Bewußtsein vorliegt. -Und wenn sie es unbefangen macht, findet sie, daß das Denken und Vorstellen des gewöhnlichen Bewußtseins etwas Leichnamhaftes hat. Sie müßte also sagen: Weil das etwas ist, was seine Wesenheit nicht aus sich selbst erklärt, darf ich darauf schließen, daß die wirkliche Wesen­heit der Sache vorangeht. - Dazu gehört aber allerdings jene Unbe­fangenheit in der Analyse der Seele, die erkennt, daß das Denken und Vorstellen etwas Leichnamhaftes hat. Aber diese Unbefangenheit ist möglich. Denn nur Befangenheit erkennt im Denken, wie es dem gewöhnlichen Bewußtsein gegeben ist, etwas Lebendiges. Unbefangen­heit enthüllt dieses Denken als etwas, was für sich selber abgestorben ist. Deshalb sagte ich auch im vorigen Vortrage: Es ist ganz gut möglich, in das erstorbene Denken den Inhalt der Naturwissenschaft hereinzunehmen. Das auf der einen Seite.

Die intellektualistische Philosophie kann also nur auf indirektem Wege zu einem Erkennen des ewigen Wesenskernes des Menschen kom­men, und zwar nur durch das Erkennen dessen, was dem Erdenleben

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gegenüber als ein Vorangehendes zu betrachten ist. Wenn dann eine solche Philosophie nicht nur auf das Denken eingeht, wenn sie nicht nur intellektualistisch sein will, sondern auch eingeht auf ein inneres Erleben des Wollens, überhaupt der anderen Seelenkräfte, die im Weltenzusammenhange jünger sind als das Denken, dann kann eine solche Philosophie sich eine Vorstellung machen von dem Wechselspiel zwischen dem Denken und dem Wollen. Sie kommt dann auf der einen Seite zu dem logischen Schluß von dem Zusammenhang des ersterben­den Denkens zu dem vorirdischen Seelendasein, das sie nicht anschauen kann, das sie seiner Wesenheit nach nicht erkennen kann, auf das sie aber schließen kann als auf etwas, das in einem Unbekannten da ist. Und wenn sie eingeht auf das Wollen oder auf die Gemütskräfte und das Wechselspiel zwischen dem Denken und den Gemütskräften erlebt, dann wird sie darauf kommen, nicht nur ein Ersterbendes, sondern auch ein Embryonales im Wollen zu erkennen. Das können Sie, wenn Sie es nur unbefangen in die entsprechenden Worte kleiden, sogar bei Bergson finden. An der Art, wie er spricht, wie er philosophiert, merkt man bei ihm den Impuls, den er selber empfindet, und durch dessen Empfindung er sich selber hineinversetzt in die Erkenntnis eines ewigen Wesenskernes der Menschenseele. Aber da Bergson es ablehnt, zu einer übersinnlichen Erkenntnis zu kommen, so gelangt er nur zu einer Erkenntnis des menschlichen Wesenskernes, insofern er sich im Erden­leben offenbart; und er kann eigentlich nicht aus seiner Philosophie bündige Beweise bekommen für Ungeborenheit und Unsterblichkeit. Aber er charakterisiert auf der einen Seite, was alt geworden ist, als Denken - wenn er es auch anders benennt - und als Leichnamhaftes sich hinüberlegend über die Sinnesanschauungen. Auf der anderen Seite fühlt er - durch die lebendige Art, wie er es charakterisiert - das Embryonale im Wollen, in das er sich lebendig versetzen kann und dem man anfühlt: Es ist ein Ewiges darinnen. Aber er kommt auf diese Art doch nur zu der Charakteristik des geistig-seelischen Wesenskernes des Menschen im Erdenleben, nicht darüber hinaus.

So kann man sagen: Alle bloß auf das gewöhnliche Bewußtsein hauende Ideen-Philosophie kann, wenn sie unbefangen ist, durch eine Analyse des Denkens und Wollens auf einem indirekten Wege nur zu

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einem Schlusse darüber kommen, daß die Seele ein ungeborenes und unsterbliches Wesen ist, aber nicht zu einer direkten Anschauung dar­über. Diese direkte Anschauung, das heißt die Erfüllung der Ideen-Philosophie, die Anschauung der wirklichen ewigen Wesenheit der Seele, die kann nur gewonnen werden durch Imagination, Inspiration und Intuition, wie sie hier geschildert wurden. Daher wird ein wirk­licher Inhalt über das Ewige der Menschenseele, wenn er auch heute in der Philosophie auftritt, doch nur traditionell aus älteren traumhaften Erkenntnissen geschöpft sein, wenn es auch die Philosophen oft nicht wissen, und glauben, daß sie es aus sich selbst herausholen. Dieser Inhalt kann durchzogen sein von Dialektik und Logik. Aber eine wirkliche Erneuerung des philosophischen Lebens ist davon abhängig, daß das Geistesleben der Gegenwart anerkennt vollbewußte Imagination, voll-bewußte Inspiration, vollbewußte Intuition, und daß es diese Erkennt­nismethoden nicht nur anerkennt, sondern deren Ergebnisse für das philosophische Leben auch wirklich verwendet.

Wie sich das für Kosmologie und Religion ausnimmt, werde ich in den nächsten beiden Teilen der Betrachtung zu erläutern versuchen.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Wenn Sie bedenken, daß man erst durch eine höhere Inspiration zur Anschauung des ewigen Wesenskernes des Menschen kommt, wie dieser Wesenskern im außerirdischen Dasein ist, so werden Sie sich sagen:

Erst durch diese höhere Inspiration und - mit Rücksicht auf das, was ich über Intuition gesagt habe - erst durch die Intuition kann der Mensch sich selber eigentlich erkennen. Also er kann das, was aus dem Kosmos in sein eigenes Wesen hereinspielt, erst durch die höhere Inspi­ration und durch die Intuition erkennen. Wenn er dasjenige, in das der Kosmos hereinspielt, nämlich sich selbst, eigentlich erst in Inspiration und Intuition kennen lernt, so kann eine wirkliche Kosmologie - das heißt ein Bild des Kosmos, das den Menschen nach seiner totalen Wesenheit mitumfaßt - erst entstehen innerhalb der inspirierten und intuitiven Erkenntnis. Dadurch erst erlangt der Mensch eine Anschau­ung von dem, was auch in seinem Erdendasein an seinem physischen und an seinem ätherischen Organismus arbeitet.

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In diesem physischen und ätherischen Organismus ist ja das Geistig­Seelische des Menschen nicht nur verborgen, sondern es ist während des Erdendaseins für das wache Tagesleben geradezu umgewandelt, meta­morphosiert. Ebensowenig, wie die Wurzel eine Pflanze in ihrer wirk­lichen Gestalt wiedergeben kann, ebensowenig kann eine Betrachtung des physischen und des ätherischen Organismus eine Anschauung von dem ewigen Wesenskern des Menschen geben. Diese gewinnt man nur, wenn man hineinschaut in das, was vom Menschen vor der Geburt und nach dem Tode liegt. Erst dann aber kann man die wahre Wesenheit des Menschen, die man außerhalb des Erdendaseins zu konstatieren hat, auf einen Kosmos beziehen. Daher hat auch das moderne Geistes­leben in der Zeit, in welcher es irgendeine Clairvoyance abgelehnt hat, gar nicht die Möglichkeit gehabt, zu einer Kosmologie zu kommen, die den Menschen mitumfaßt, wie ich es schon angedeutet habe, wie es aber insbesondere aus dem ersichtlich sein muß, was ich heute geschildert habe. Dennoch hat man von philosophischer Seite immer in früheren Zeiten, noch im Beginne des vorigen Jahrhunderts, namentlich aber am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, als einen Teil der Philoso­phie eine, wie man sagte, «rationelle Kosmologie» ausgebildet.

Diese rationelle Kosmologie, die ein Teil der Philosophie sein sollte, wurde von den Philosophen auch nur mit Hilfe des gewöhnlichen Bewußtseins ausgebildet. Aber wenn man schon mit der gewöhnlichen Philosophie die eben charakterisierten Schwierigkeiten hatte, zur wah­ren Wesenheit der Seele vorzudringen, so wird man verstehen, daß es ganz unmöglich ist, einen wirklichen Inhalt für eine Kosmologie zu gewinnen, die den Menschen mitumfaßt, wenn man sich nur in den Ideen des gewöhnlichen Bewußtseins bewegen will. Die rationelle Kos­mologie, welche die Philosophen noch bis vor kurzer Zeit ausgebildet haben, lebte daher ihrem Inhalte nach in Wahrheit von den aus der Tradition empfangenen kosmologischen Ideen, die von der Menschheit gewonnen worden sind, als noch ein traumhaftes Hellsehen vorhanden war, und die nur erneuert werden können durch das, was hier als exakte Clairvoyance geschildert wird. Die Philosophen haben auch auf diesem Gebiete nicht gewußt, daß sie eigentlich Anleihen machten bei der alten Kosmologie. Sie bekamen gewisse Ideen; diese nahmen sie auf aus der

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Geschichte der Kosmologie und glaubten, sie hätten diese Ideen aus sich selber heraus produziert. Aber was sie herausbrachten, waren nur logische Zusammenhänge, durch die sie die alten Ideen zusammenstell­ten und etwa eine neue Systematik brachten. So entstanden solche Kosmologien in früheren Zeiten als Teil der Philosophie, aber da man kein lebendiges Verhältnis mehr hatte zu dem, was man als Ideen auf­nahm, was man aus dem alten Hellsehen herübernahm, so wurden die Ideen der Kosmologien immer abstrakter.

Man sehe sich nur einmal die philosophischen Bücher früherer Zeiten an in den Kapiteln, die über die Kosmologie sprechen, und man wird finden, wie abstrakt und im Grunde genommen leer diese Ideen sind, die da über Weltenwerden, über Weltenende und so weiter entwickelt werden. Man kann sagen, die Ideen sind herübergenommen worden. In uralten Zeiten waren diese Ideen lebendig, weil der Mensch ein lebendiges Verhältnis hatte zu dem, was diese Ideen ausdrückten. All­mählich waren diese Ideen dünn und abstrakt geworden und man charakterisierte nur in außerlicher Weise, was eine Kosmologie ent­halten soll, die nicht nur auf die äußere Naturordnung geht, die den Menschen seiner ganzen Wesenheit nach mitumfassen kann und die auf das Geistig-Seelische des Kosmos geht. In dieser Beziehung hat der außerordentlich geistvolle Emile Boutroux bedeutsame Charakteristi­ken gegeben, wie zu einer Kosmologie zu kommen sei. Da aber auch er nur auf das bauen will, was das gewöhnliche Bewußtsein umfassen kann, so kam er auch nur zu einer abstrakten Kosmologie.

So wurden die Kosmologien immer leerer und leerer an wirklichem Inhalt, wurden eine Summe von abstrakten Ideen und Charakteristi­ken. Daher ist es kein Wunder, daß diese rationelle Kosmologie all­mählich sehr in Mißkredit gekommen ist. Die Naturforscher kamen herauf, welche die Natur so durchforschen konnten, als Triumph der Naturwissenschaft, wie das in der neueren Zeit geschehen ist. Sie können Naturgesetze formulieren, aus Beobachtung und Experiment eine innere Regelmässigkeit der Natur konstatieren und daraus eine naturalistische Kosmologie zusammenstellen. Was man so aus den Ideen über die äußere Natur als naturalistische Kosmologie zusammen-stellte, hatte zwar nun einen Inhalt, den äußeren sinnlichen Inhalt.

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Gegen den kam die inhaltlose rationelle Kosmologie, welche die Philo­sophen konstruierten, nicht auf. Sie kam daher in Mißkredit; man ließ sie allmählich fallen und spricht deshalb nicht mehr von einer rationel­len, das heißt bloß logisch erschlossenen Kosmologie, sondern man begnügt sich jetzt mit einer naturalistischen Kosmologie, die aber den Menschen nicht mitumfaßt.

So kann man sagen: Gerade die Kosmologie lehrt, noch mehr als die gewöhnliche Philosophie, wie man wiederum zur Imagination, Inspi­ration und Intuition seine Zuflucht nehmen muß. Die Philosophie kann wenigstens die Menschenseele beobachten und sie findet bei unbefan­gener Beobachtung des Denkens, das als Ersterbendes auf etwas anderes hinweist, daß außerhalb des ganzen Menschendaseins etwas liegt, was den Menschen innerlich umfaßt; und ebenso kann sie über den Tod hinausweisen. Also kann die Philosophie wenigstens aus Schlüssen, die aus dem reichen Seelenleben des Denkens, Fühlens und Wollens gezo­gen sind, ihre Abstraktionen reich und mannigfaltig machen. Das ist noch möglich. Die Kosmologie als geistige Wissenschaft kann nur begründet werden, wenn man ihr einen Inhalt auch aus der geistigen Anschauung heraus gibt. Da kann man nicht einmal mehr auf einen Inhalt schließen. Will man einen Inhalt haben, muß man ihn aus den alten hellseherischen Anschauungen entlehnen, wie man ihn in den traditionell übernommenen Ideen hatte, oder man muß auf eine neue Art, wie es dargestellt worden ist, wiederum dazu kommen.

Ist also die Philosophie noch in der Lage, den logischen Weg durch­machen zu können, so ist eine Kosmologie dazu nicht mehr in der Lage. Daher hat sie auch nach und nach als rationelle Kosmologie, die nur auf das gewöhnliche Bewußtsein bauen konnte, ihren Inhalt und damit ihren Kredit verloren. Und wollen wir wieder über die naturalistische Kosmologie hinaus zu einer neuen Kosmologie kommen, die den Men­schen in seiner Totalität umfaßt, so müssen wir uns dazu bequemen, durch Inspiration und Intuition dasjenige im Menschen anzuschauen, in das der geistige Kosmos sich hereinspiegelt. Mit anderen Worten:

Noch mehr als die Philosophie ist die Kosmologie darauf angewiesen, daß das neue Geistesleben die Methoden der vollbewußten Imagina­tion, Inspiration und Intuition anerkennt, und nicht nur diese Metho­

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den anerkennt, sondern die Ergebnisse dieser Methoden auch für eine wirkliche Kosmologie verwendet.

Was für die Religion von dieser Seite aus zu sagen ist, soll dann im letzten Teile dargestellt werden.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Zu einer erkenntnismäßigen Grundlage des religiösen Lebens ist not­wendig, daß die Erlebnisse, die der geistige Mensch unter den geistigen Wesenheiten machen kann, in das Erdenleben hereingetragen und innerhalb desselben geschildert werden. Man hat es in diesen Erlebnis­sen mit etwas zu tun, was dem irdischen Leben völlig unähnlich ist, von ihm ganz verschieden ist. Man hat es mit etwas zu tun, worinnen der Mensch eigentlich nur außerhalb des irdischen Lebens steht, was daher auch nur erfaßt werden kann mit denjenigen Menschenkräften, die ganz unabhängig sind von dem physischen und ätherischen mensch­lichen Organismus, die also ganz gewiß nicht innerhalb des gewöhn­lichen Bewußtseins liegen können. Nur wenn dieses gewöhnliche Bewußtsein zu hellseherischen Fähigkeiten aufsteigt, kann es Schilde­rungen derjenigen Erlebnisse entwerfen, die der Mensch in der rein geistigen Welt macht. Daher ist eine «rationelle Theologie», eine Tlieo­logie, welche sich bloß auf das gewöhnliche Bewußtsein stützen will, in einer noch übleren Lage als eine «rationelle Kosmologie».

Die rationelle Kosmologie hat immerhin noch etwas, was wenigstens hereinleuchtet in das menschliche Erdendasein, da ja - allerdings auf indirekte Weise, auf einem Umwege - auch der physische und der ätherische Mensch etwas in ihrer Form, in ihrem Leben bewirkt werden von geistigen Wesenheiten. Die Erlebnisse aber, die der Mensch in reinen Geisteswelten hat und die durch exakte Intuition erfahren wer­den können, sie können nicht irgendwie aus dem gewöhnlichen Be­wußtsein erschlossen werden, wie es in der Philosophie der Fall ist. Sie können auch nicht einmal geahnt werden, sondern sie können heute, wo man alles, was menschliche Erkenntnis ist, aus dem gewöhnlichen Be­wußtsein heraus gestalten will, in einer noch deutlicheren Weise als dies bei den kosmologischen Ideen der Fall ist, nur traditionell aus jenen Zeiten übernommen werden, in denen die Menschen in traumhaftem

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Hellsehen sich hineingelebt haben in die geistigen Welten und in diese irdische Welt das herübergetragen haben, was sie dort erlebt haben.

Wenn sich jemand einbildet, er könne irgendwie in Ideen, die nur auf Grundlage des gewöhnlichen Bewußtseins errichtet sind, irgend etwas aussagen über die Wesenheit dessen, was der Mensch in der Gotteswelt erlebt, so irrt er sich gewaltig. Daher ist die Theologie immer mehr und mehr dazu gkommen, eine Art historischer Theologie zu bilden, und dabei noch mehr als die Kosmologie nur die alten, in einem früheren Hellsehen erworbenen Ideen über das Gottesreich aufzunehmen. Diese werden dann durch Logik und Dialektik in ein System gebracht. Man glaubt dann, etwas elementar Ursprüngliches darin zu haben, aber es ist doch nur als Systematik das Eigentum derjenigen, die diese Theo­logie bearbeitet haben. Es ist ein historisches Produkt, zuweilen in neue Formen gegossen. Aber alles, was an wirklichem Inhalt vorhanden ist, das ist bei denen, die nur aus dem gewöhnlichen Bewußtsein schöpfen wollen, eben der Tradition, der Geschichte entlehnt. Dadurch aber ist das, was einzelne Philosophen, die in früheren Zeiten eine rationelle Kosmologie ausgebildet haben und auch als rationelle Theologie noch ausbilden wollten, noch mehr in Mißkredit gekommen. Dort ist die rationelle Kosmologie in Mißkredit gekommen gegenüber der natura­listischen Kosmologie; hier, auf religiösem Gebiete, ist die rationelle Theologie in Mißkredit gekommen gegenüber dem, was sich als rein historische Theologie herausbildete, die auf die reine Wirklichkeit ver­zichtete, auf das, was unmittelbares Hervorbringen von Ideen über die geistige Welt ist, von einem Erleben der geistigen Welt.

Dieses unmittelbare Verhältnis, diese lebendigen Beziehungen zu dem Erleben in der geistigen Welt waren der neueren Menschheit eigentlich schon in dem Zeitalter hingeschwunden, als im Mittelalter die Gottesbeweise aufkamen. Solange ein unmittelbares Verhältnis zu dem im Gottesreich Erlebten vorhanden war, redete man nicht von dialektischen oder logischen Gottesbeweisen. Die Gottesbeweise selbst sind ein Beweis dafür, daß, als sie aufkamen, das lebendige Verhältnis zum Gottesreich erstorben war. Im Grunde genommen hatte die scho­lastische Theologie recht, die sagte: Die gewöhnliche Vernunft ist nicht imstande, etwas auszusagen über das Gottesreich; sie kann nur die

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Ideen, die schon da sind, verdeutlichen, in ein System bringen. Sie kann nur etwas beitragen, um die Lehrgestalt in eine dem Menschen annehm­bare Form zu bringen.

In der neueren Zeit können wir beobachten, wie aus dieser Ohn­macht des gewöhnlichen Bewußtseins, über das Gottesreich etwas aus­zumachen, zwei Verirrungen entstanden sind. Da sind auf der einen Seite die Wissenschafter, die über Religion, über Gott reden wollen, die aber die Ohnmacht des gewöhnlichen Bewußtseins gegenüber dem Gottesreich fühlen und dann bloß eine Religions-Geschichte begrün­den. Ein religiöser Gehalt kann in der unmittelbaren Gegenwart auf diese Weise nicht hervorgebracht werden. Daher betrachtet man die bestehenden Religionen oder die bestandenen Religionen geschichtlich. Was betrachtet man da eigentlich? Man betrachtet das, was einmal als religiöser Gehalt da war durch das alte traumhafte intuitive Hell sehen. Oder man betrachtet das vom religiösen Leben in der Gegenwart, was noch als Rest aus dem alten traumhaft hellseherischen Zustande sich erhalten hat. Das bezeichnet man als Religionsgeschichte und verzich­tet völlig auf die Hervorbringung eines eigenen religiösen Lebens.

Andere wieder merken, daß dieses gewöhnliche Bewußtsein, dieses klare Alltagsbewußtsein im Menschen doch ohnmächtig ist, irgend etwas auszusagen über die Erlebnisse im rein geistigen Gottesreich. Daher wendet man sich an die mehr unterbewußten Regionen der Men­schenseele, an die Gefühlswelt, an gewisse mystische Fähigkeiten, und spricht von einem unmittelbaren, elementaren Gott-Erleben. Das ist ja heute sehr verbreitet, daß man von einem unmittelbaren, elementaren Gott-Erleben spricht. Ja, gerade die Vertreter dieses elementaren Gott­Erlebens sind für den Zustand der Geistesverfassung der Gegenwart besonders charakteristisch. Sie fliehen mit aller Macht die Möglichkeit, ihr Gottesbewußtsein in klare Ideen, die logisch gestaltet sind, zu bringen. Sie machen lange Ausführungen darüber, daß eben dieses die wahre Religion nach ihrer Meinung enthaltende elementare Gott-Erle­ben nicht in logische Beweise gebracht werden könne, daß man darauf verzichten müsse, den religiösen Gehalt in intellektualistischen Formen auszudrücken. Solche Vertreter eines elementaren Gottesbewußtseins geben sich aber doch nur Illusionen hin, denn das, was irgendwo in

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einer Seelenregion erlebt wird, kann auch in klare Ideen gebracht wer­den. Und stellt man nach dem Muster dieser Leute die Theorie auf, der religiöse Gehalt verliere, wenn er in klare Ideen umgesetzt wird, so zeigt man damit, daß man sich nicht einem wirklichen, sondern nur einem erträumten Ideengehalt hingegeben hat. Es ist ganz besonders charakteristisch für die Gegenwart in bezug auf das religiöse Lehen, daß man an etwas appelliert, das, wenn es zur Klarheit gebracht wer­den soll, eigentlich in den Irrtum verfällt.

Daraus geht ganz besonders hervor, daß wir zur Erneuerung der Er­kenntnisgrundlage des religiösen Lebens nur gelangen können, wenn wir eine Erkenntnismethode nicht abweisen, die hineinführen kann in die lebendige Anschauung des Erlebens des Geistesmenschen und der geistigen Wesenheiten. Gerade für die erkenntnismäßige Grundlegung der Religion brauchen wir diese Erkenntnismethode ganz besonders. Denn für die Religion kann das gewöhnliche Bewußtsein höchstens Erkenntnisse systematisieren oder verdeutlichen oder in eine Lehrge­stalt bringen; finden kann es sie nicht. Sonst muß sich die Religion beschränken auf das bloß traditionelle Aufnehmen des aus ganz ande­ren menschlichen Seelenverfassungen in früheren Zeiten Hervorgegan­genen. Damit müßte sie sich beschränken auf das, was dem an moderner Wissenschaft herangeschulten Bewußtsein niemals genügen würde.

Daher muß für die erkenntnismäßige Grundlegung der Religion ein Satz ausgesprochen werden, den ich heute schon für andere Gebiete ausgesprochen habe, der aber für die einzelnen Zweige ganz besonders ausgesprochen werden muß. Ich muß ihn zum dritten Male jetzt für die erkenntnismäßige Grundlegung der Religion aussprechen:

Soll das religiöse Leben aus den geistigen Bedürfnissen der Gegen­wart heraus erneuert werden und eine lebendige Anfachung erfahren, so muß das Geistesleben der Gegenwart vollbewußte imaginative, inspirierte und intuitive Erkenntnis anerkennen - und insbesondere für das religiöse Gebiet nicht nur anerkennen, sondern für den leben­digen religiösen Gehalt muß dieses unser modernes Geistesleben diese geisteswissenschaftlichen Ergebnisse auch in entsprechender Weise ver­wenden.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

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FÜNFTER VORTRAG Dornach, 10. September 1922 Schlaferlebnisse der Seele

In der neuesten Zeit ist die Idee des Unbewußten aufgetaucht und es wird von ihr in der Psychologie sehr viel gesprochen. Man verweist in die Region des Unbewußten alles das im menschlichen Seelenleben, das von dem gewöhnlichen Bewußtsein nicht erreicht, nicht beobachtet, nicht erklärt werden kann. Und wenn man von diesem Unbewußten spricht, dann setzt man doch voraus, daß dasjenige, wovon man eigent­lich meint, es müsse ein Unbekanntes bleiben, Kräfte in sich enthält, die hereinwirken in das bewußte Seelenleben. Das Auftauchen dieser Idee des Unbewußten verdankt man allein dem Umstande, daß in der neue­ren Zeit eine gewisse Skepsis, ja ein Gefühl der Ohnmacht eingetreten ist gegenüber der Bewältigung der eigentlichen philosophischen, kos­mologischen und Religionsprobleme. Die Erkenntnis, welche hier als imaginative, inspirierte und intuitive Erkenntnis geschildert worden ist, hat nun aber die Aufgabe, einzudringen in dieses unbestimmte Reser­voir, das als «Unbewußtes» in der neueren Wissenschaft so vielfach figuriert. Durch diese übersinnliche Erkenntnis sollen ja gerade die kon­kreten Tatsachen, welche dem gewöhnlichen Bewußtsein nicht zugäng­lich sind, durch das Erreichen anderer Bewußtseinszustände, in denen eine andere Seelenverfassung und deshalb auch eine andere Wahrneh­mungsfähigkeit da sind, erforscht werden. Ich möchte Ihnen heute ein Beispiel solcher Erforschung eines unbewußten Seelengebietes darstel­len, nämlich die Erlebnisse, welche die Menschenseele durchmacht zwischen Einschlafen und Aufwachen.

Was mit der Menschenseele im Schlafzustande vorgeht, bleibt für das gewöhnliche Bewußtsein ein richtiges Unbewußtes. Allein man soll nur nicht glauben, daß die Erlebnisse der Seele während des Schlaf-zustandes weniger bedeutungsvoll, weniger einschneidend in das Leben des Menschen seien als die Zustände, die Erlebnisse während des Wachbewußtseins. Gewiß, für das äußere Erdenleben, für unser Schaffen

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und Arbeiten, für den äußeren Fortschritt der Menschheit kommt vor allen Dingen das wache Tagesleben in Betracht. Für die Konfiguration, für das Werden des eigenen menschlichen Inneren kommen aber vor allem die reichen Erlebnisse des Schlafzustandes in Betracht. Diese reichen Erlebnisse des Schlafzustandes, wenn sie auch unbewußt blei­ben, sind deshalb doch real, und sie spielen in ihren Nachwirkungen herein in das wache Tagesleben. Nicht nur ist die allgemeine Seelen-stimmung des Menschen vom Aufwachen bis zum Einschlafen durch­setzt und durchzogen von den Nachwirkungen des Schlaflebens, son­dern auch der physische und der ätherische Organismus, die ja durchkraftet sind von dem astralischen Organismus und von dem eigentlichen Geistesorganismus, dem Ich-Organismus, auch sie werden während des Wachlebens beeinflußt von den Nachwirkungen des Schlaflebens.

Die Erscheinungen stellen sich für das gewöhnliche Bewußtsein zu­nächst so dar, daß die äußere Sinneswahrnehmung abdämmert, daß sie zuletzt ganz erlöscht, daß ein solches Erlöschen auch stattfindet für das Denken, Fühlen und Wollen, und daß, mit Ausnahme jenes Über­gangszustandes, in welchem sich die Träume ereignen, der Mensch in einen bewußtlosen Zustand versinkt. Aber was während dieses bewußt­losen Zustandes mit der Seele vor sich geht, das ist - das muß ja wohl betont werden - etwas durchaus Reales, und was dem gewöhnlichen Be­wußtsein in dieser Beziehung unbewußt bleibt, das kann die imaginative, die inspirierte, die intuitive Erkenntnis beleuchten. So will ich Ihnen denn heute die Erlebnisse der Seele während des Schlafzustandes, die unbe­wußt bleiben, zunächst wenigstens skizzenhaft so schildern, wie Imagi­nation, Inspiration und Intuition das dem gewöhnlichen Bewußtsein Unbewußte schauen können. Ich werde Ihnen also die Erlebnisse der Seele vom Einschlafen bis zum Aufwachen so schildern, als ob sie bewußt erlebt werden; denn sie werden von der höheren Erkenntnis bewußt erlebt. Nicht, als ob die Seele die ganze Nacht unbewußt wäre; aber auch auf das, was sonst unbewußt bleibt, kann eben in dem Zu­stande der Imagination, Inspiration und Intuition hingeschaut werden, so daß es beleuchtet werden kann und offenbar wird. Da zeigt sich dann das Folgende.

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Indem der Mensch zunächst in den Schlafzustand eintritt, hört die Sinneswelt um ihn herum auf, für die Seele da zu sein. Der Mensch dringt ein in ein solches inneres Erleben, das in sich undifferenziert ist, in einem gewissen Sinne unbestimmt ist. Die Seele fühlt sich - ich sage: sie «fühlt» sich; sie fühlt sich nicht, aber wenn sie sich bewußt wäre, würde sie sich fühlen -, fühlt sich vergrößert wie in einem weitausge­breiteten Nebel. Es ist in diesem innerlichen Erfühlen und Erleben zunächst für den ersten Zustand des Schlafes nicht Subjekt und nicht Objekt zu unterscheiden. Es sind auch nicht einzelne Erscheinungen und Tatsachen zu unterscheiden, es ist ein allgemeines Erfühlen eines, wie gesagt, nebelhaften Weltempfindens, und man fühlt dieses nebel­hafte Weltempfinden wie sein eigenes Dasein. Nun tritt aber zugleich in dem schlafenden Menschen das auf, was man nennen könnte ein tiefes Bedürfnis, in der göttlichen Wesenheit der Welt zu ruhen. In dieses Ausfließen des Erlebens in einem allgemeinen undifferenzierten Zustande mischt sich hinein eine unbestimmte Sehnsucht - man muß das Wort doch gebrauchen -, «in Gott zu ruhen». Wie gesagt schildere ich so, als ob die unbewußt erlebten Ereignisse bewußt durchgemacht würden. So ist für die Seele gewissermaßen versunken die äußere Tages-welt, alles, was sie durch die Sinne bekommt; versunken sind auch alle die Antriebe, durch welche die Seele im Körper fühlt, alle die Antriebe, durch welche die Seele ihre Willensimpulse durch den Körper durch-sendet. Vorhanden ist zunächst ein allgemeines Welt-Erfühlen mit einer Gottessehnsucht.

In diesen Zustand, der als der erste nach dem Einschlafen eintritt, können sich die Träume hineinmischen, Träume, welche entweder Bilder, symbolische Bilder äußeren Erlebens sind, Erinnerungsvorstel­lungen, symbolische Bilder innerer körperlicher Zustände und so weiter, oder Träume, in die sich auch hineinmischen können gewisse wahre Tatsachen der geistigen Welt, ohne daß der nur mit dem gewöhnlichen Bewußtsein behaftete Träumer eine deutliche Erkenntnis von dem erwerben könnte, was diese Träume eigentlich enthalten. Auch für den­jenigen, der durch imaginative Erkenntnis - denn durch diese kann man es schon - in diesen Seelenzustand hineinschaut, sind die Träume nicht etwa eine Aufhellung des inneren Tatbestandes, sondern eher eine

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Art Verhüllung der reinen Wahrheit. Denn diese reine Wahrheit in bezug auf das, was hier gemeint ist, kann von dem Menschen doch nur erkannt werden, wenn er durch Seelenübungen, wie sie geschildert worden sind, in der entsprechenden Weise sich in freiem Willen darauf vorbereitet. Nur als Erfolg dieser Seelenübungen kann das reine An­schauen auch dieses ersten Schlafzustandes auftreten.

Wenn man nun durch eine solche entsprechende Erkenntnis auf diesen ersten Schlafzustand hinblickt, wenn man ihn durchschaut, dann stellt er sich heraus, nicht ganz gleich, aber sehr ähnlich den unbe­wußten Erlebnissen in der allerersten Kindheit. Geradeso, wie wenn der Mensch imstande wäre, die Erlebnisse der ersten Kindheit, die aber unbewußt bleiben, sich zum Bewußtsein zu bringen und sie hineinzu­gießen in diejenigen Begriffe und Ideen des gewöhnlichen Bewußtseins, welche die Philosophie bearbeitet - dann würden diese Ideen der Philosophie ja Realität gewinnen, man würde sich in die Philosophie als in etwas Reales erheben -, so kann man auch sagen, daß in dem ersten Stadium eines jeden Schlafzustandes der Mensch zum unbewuß­ten Philosophen wird, zu dem wird, was er im wachen Tagesbewußtsein an Ideen, dialektischen und logischen Gesetzen in seiner Seele verar­beitet. Könnte man das mit Wirklichkeitserleben durchsetzen, das in den Weltennebel der ätherischen Welt Ausgeflossensein und die Sehnsucht der Seele, in Gott zu ruhen, könnte man diese beiden Seelenerlehnisse sich zum Bewußtsein bringen und hineingießen in die abstrakten philosophischen Ideen, so würden diese lebendig werden, und die Philosophie würde etwa das sein, was sie in Griechenland vor Sokrates war, und was sie in älteren Menschheitszeiten war, nämlich inneres Wirklichkeitserleben.

Wir haben nun zwei Stadien der Menschheitsentfaltung kennen ge­lernt: das Stadium der allerersten Kindheit, das, wenn es zum Bewußt­sein gebracht wird, darstellen würde die Realität der philosophischen Ideen; und wir haben jetzt verzeichnen können das Erlebnis des ersten Schlafzustandes, das sehr ähnlich ist dem unbewußten Kindheitserleb­nis und das ebenfalls, wenn es zum Bewußtsein gebracht wird, der im Wachzustande errungenen Philosophie Wirklichkeitserleben gibt.

Das ist die Schilderung der ersten, nicht sehr lange dauernden Zustände,

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wie sie der Mensch durchmacht vom Einschlafen bis zum Auf­wachen.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Nachdem die Menschenseele eine Zeitlang in dem geschilderten Zu­stande während ihres Schlafes war, setzt sich dieser Zustand in einen anderen hinein fort. Diese zweite Etappe des Schlafes stellt sich so dar, daß der Mensch statt des Erlebens im eigenen physischen und ätheri­schen Organismus, wie er es bei Tage hat, eine Art Erleben hat so, daß er den Kosmos, den er sonst bei Tage um sich hat, in sich fühlt. Und während in der ersten Etappe des Schlafes kein deutliches Unterschei­den im Erleben der Seele da ist zwischen Subjekt und Objekt, wird jetzt immer mehr und mehr diese Unterscheidung bedeutungsvoll, nur, daß der Mensch während des Schlafes gewissermaßen in den umge­kehrten Zustand gekommen ist als während des Wachens. Er fühlt sich jetzt, erlebt sich im Kosmos und schaut zurück als auf ein Objektives auf seinen physischen und seinen ätherischen Organismus. So, wie er im Tagesbewußtsein seine Organe - Lunge, Leber, Herz und so wei­ter - in sich dumpf erlebt, so erlebt er jetzt während des Schlafzustan-des den kosmischen Inhalt in sich; er wird gewissermaßen seelisch selber Kosmos. Nicht, als ob er sich zum ganzen Kosmos ausdehnte, sondern er erlebt etwas wie eine Nachbildung des Kosmos in sich. Aber die erste unbewußte Erfahrung, die jedoch durchaus real ist, ist ein, ich möchte sagen, Zersplittertsein dieses inneren Erlebens der Seele, ein Verteiltsein der Seele auf viele Einzelheiten einer Mannigfaltigkeit. Die Seele erlebt sich nicht als Einheit, sie erlebt sich als eine Vielheit. So wie wir, wenn wir uns während des Tages erlebten, uns nicht als dieser einheitliche Mensch, sondern als eine Vielheit von Augen, Ohren, Lun­ge, Leber und so weiter im Gehirn erleben würden und vermissen würden die Einheit, so erlebt man gewissermaßen die kosmischen Ingredienzien, ohne während des Schlafes ihre Einheit zunächst zu er­leben. Das bewirkt einen Zustand der Seele, den man, wenn er bewußt wäre, bezeichnen müßte als eine die Seele durchsetzende Angstlichkeit, als Angst. Wie gesagt, wenn man ihn im bewußten Erleben darstellen will, so stellt sich dieser Zustand als Angstzustand dar. Aber die Seele

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erlebt real das, was so an objektiven Vorgängen dieser nächtlichen Angst zugrunde liegt, wie etwa im Tagesleben die organischen Vor­gänge des physischen und ätherischen Organismus demjenigen zu­grunde liegen, was die Seele als von innen kommende Angstlichkeit da oder dort erleben könnte. Es sind in der Tat die Ereignisse, die, man möchte sagen, angstmachende Ereignisse sind, durch die sich da die Seele durchzuleben hat.

In diesem Stadium des Schlafes zeigt sich nun das Hineinwirken von Vorkomrunissen des Tageslebens in das Schlafleben. Für den modernen Menschen, der nach dem Mysterium von Golgatha lebt, zeigen sich da die Nachwirkungen dessen, was er während des Tageslebens durch-macht an religiöser innerer Hingabe zu dem Christus und zu dem My­sterium von Golgatha. Alles Hinblicken und Hinschauen, alle Vereh­rung und Anbetung, die man für den Christus und für das Mysterium von Golgatha im wachen Tagesleben entwickelt, sind von einer Nach­wirkung in diese zweite Etappe des Schlaflebens hinein. Für diejenigen Menschen, die im Erdendasein vor dem Mysterium von Golgatha leb­ten, war das anders. Sie bekamen von ihren religiösen Führern entspre­chende Mittel, religiöse Verrichtungen, deren Wirkungen sie hinein-nehmen konnten in das Schlafleben und die so wirkten, daß diese Angstlichkeit im Schlafzustande nach und nach überwunden wurde. Für den Menschen, der nach dem Mysterium von Golgatha lebt, ist es so, daß seine innere Verbindung mit dem Christus Jesus, sein Gefühl der Zugehörigkeit zu dem Christus Jesus, die religiösen Verrichtungen, die er an den Christus Jesus richtet, überhaupt sein ganzes Verhältnis zu dem Christus Jesus und das tatsächliche Ausleben dieses Verhältnisses, daß dies alles nun hineinwirkt in das Schlafleben und gewissermaßen jene Angstlichkeit überwinden hilft, welche die Seele bedrückt.

Wie gesagt, schildere ich so, wie sich die Dinge vor dem inspirierten Bewußtsein ausnehmen, wie sie aber als real durchaus von der Seele erlebt werden. Daher stelle ich Begriffe auf, die eigentlich Begriffe des bewußten Lebens sind, aber die realen korrespondierenden Prozesse sind durchaus im Leben der Seele da. Wir begegnen in der Tat, wenn wir bei Tage ein Verhältnis zu dem Christus entwickelt haben, während dieser zweiten Etappe des Schlaflebens der führenden Macht des Christus.

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Diese führende Macht des Christus ist es, durch welche wir die die Seele bedrückende Angstlichkeit überwinden. Und es entwickelt sich heraus aus dieser Angstlichkeit ein kosmisches Verhältnis zur Welt. Es stehen infolge der Entwickelung dieses Verhältnisses vor der Seele, aber eigentlich so, daß die Seele dies als ihr Innenleben erlebt, die Bewe­gungen des Planetensystems unseres Sonnenkosmos. Nicht, als ob die Seele sich während dieses Schlaflebens in die planetarische Welt hinaus ausdehnte, aber eine innere Nachbildung der planetarischen Welt lebt sich in der Seele aus. Sie erlebt tatsächlich den planetarischen Kosmos in einer Nachbildung. Wenn auch dasjenige, was die Seele also in jeder Nacht wie einen inneren kleinen Globus, Himmelsglobus, erlebt, nicht in das Bewußtsein des Tageslebens hereinstrahlt, so strahlt es doch in die Wirklichkeit des Tageslebens hinüber, und es lebt weiter vom Auf­wachen bis zum Einschlafen im physischen und im ätherischen Orga­nismus. Wenn wir nämlich den physischen und den ätherischen Orga­nismus in dem Atmungssystem, in dem Blutzirkulationssystem, in dem ganzen rhythmischen System durchschauen, so leben darin, begleitend die Atmungsströmungen, begleitend die Blutzirkulation, Reize, Im­pulse, welche in das wache Leben hereinwirken aus demjenigen, was als planetarisches inneres Erleben zwischen Einschlafen und Auf­wachen von der Seele erlebt wird; so daß in der Tat während des Wachens in unserem Atmen, in unserer Blutzirkulation als nachwir­kender Reiz die Planetenbewegungen unseres Sonnensystems pulsieren. Und während des Schlafzustandes - wo der astralische und der Ich-Organismus außerhalb des physischen und des ätherischen Organismus sind, das erweist sich ja durch eine solche Beobachtung - da wirken die Planetenbewegungen nicht unmittelbar, da werden sie von der Seele außerhalb des physischen und des ätherischen Organismus erlebt. Aber im Innern des schlafenden physischen Organismus zittern nach, vi­brieren nach diese Reize, die von der vorhergehenden Nacht kommen, die während des Tages Atmungsprozesse und Blutzirkulation durch-pulsiert haben. Während der folgenden Nacht ist dann eine Nachwir­kung von ihnen da, und am nächsten Morgen erneuern sich diese Reize wiederum als die Folge dessen, was die Seele in der Nacht als innere Nachbildung des planetarischen Kosmos erlebt hat.

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Neben diesem kosmischen Erleben tritt aber noch etwas anderes in dieser zweiten Etappe des Schlaflebens auf: Die Seele bekommt ein deutliches Erleben von allen den Beziehungen zu Menschenseelen, die sie jemals in den verschiedenen Erdenleben gehabt hat. Wir haben ja in unserem Inneren die «Zeichen» von allen den Beziehungen, die wir jemals in den aufeinanderfolgenden Erdenleben zu Menschenseelen gehabt haben. Diese alle treten in einer gewissen bildhaften Weise jetzt vor die Seele. Die Seele erlebt, wenn auch unbewußt, aber real alles, was sie einmal im Rechten oder Unrechten mit anderen Menschen zu tun gehabt hat. Und ebenso erlebt sie werdend ihre Erlebnisse zu geistigen Wesenheiten, die den Kosmos bewohnen und die niemals in einem physischen Körper leben, die also gegenüber dem physischen Menschenleben immer ein übersinnliches Dasein leben. Die Menschen-seele lebt sich also während des Schlafes auch hinein in ein reiches Netz von Beziehungen zu den Menschenseelen, zu denen sie solche Beziehun­gen angeknüpft hat. Diese Beziehungen erscheinen wiederum, und ebenso erscheint alles das, was in diesen Beziehungen geblieben ist als die Nachwirkung von Recht oder Unrecht, das man Menschen getan hat, Gutes und Böses, was man ihnen zugefügt hat. Kurz, was gewor­denes Schicksal des Menschen ist, stellt sich in diesem Stadium des Schlafes vor die Seele hin.

Was eine ältere Philosophie Karma genannt hat, tritt in diesem Schlafzustande jede Nacht vor die Menschenseele. Und wenn die pla­netarischen Erlebnisse als Reize fortwirken in Atmung und Blutzirku­lation, also im physischen und ätherischen Organismus des Menschen, dann zeigt sich für den, der durch die inspirierte Erkenntnis solches zu beobachten vermag, daß dieses Erleben der wiederholten Erdenleben auch hinüberspielt in das Tagesbewußtsein, wenn es auch in diesem nicht unmittelbar gegenwärtig ist. Für die inspirierte Erkenntnis, die das anschaut, was da die Seele erlebt, ist dann die Tatsache der wieder­holten Erdenleben einfach gegeben, denn die wiederholten Erdenleben stellen sich in der Anschauung der Inspiration unmittelbar im Zusam­menhange mit demjenigen dar, was man schaut an Beziehungen zu Menschen, die man je gehabt hat. Indem man diese Beziehungen über­schaut, stellt sich einem die Entwickelung durch die wiederholten

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Erdenleben dar. Die eine Beziehung schaut man, die in ein bestimmtes Erdenleben zurückweist, die andere, die in ein anderes weist und so weiter. Ebenso stellt sich das Karma als eine Tatsache vor den Men­schen hin.

Was so während des Schlafes von der Seele erlebt wird, das wirkt in das Tagesbewußtsein in der Weise herein, daß die allgemeine Seelen-stimmung des Menschen, die als dumpfes Erfühlen seiner selbst wäh­rend des Tages spielt, abhängig ist von dem, was wir in dieser Etappe des Schlaflebens durchmachen. Ob wir uns glücklich oder unglücklich im dumpfen Innendasein fühlen, ob wir uns frisch oder ermattet fühlen, das ist im weiten Umfange eine Folge dessen, was in diesen geschilder­ten Zuständen während des Schlafes erlebt wird. Und so befinden wir uns während dieser Etappe des Schlafzustandes tatsächlich in dem Kosmos draußen, wenn auch das, was wir als Innenleben in der Seele erleben, eine Nachbildung des Kosmos ist, und wenn auch das, was wir über die wiederholten Erdenleben und über das Karma erleben, in Bildern, in Nachbildungen vor die Seele tritt. In dem, was wir da als solche Nachbilder, kosmische und schicksalgemäße Nachbilder vor der Seele stehend haben, ist das enthalten, was des Menschen Innensein im Kosmos genannt werden kann. Und wenn man das, was man auf diese Weise durch die inspirierte Erkenntnis erringen kann, nun, indem man es zurückstrahlen läßt ins gewöhnliche Bewußtsein, in Begriffe und Ideen faßt, dann hat man damit die wirkliche, auch den ganzen Men­schen umfassende Kosmologie. Diese Kosmologie ist dann eine erlebte Kosmologie. Wir können sagen: Der Mensch lernt, wenn er mit Be­wußtsein diese Etappe des Schlaflebens zurückstrahlt, sich selber er­kennen als ein Glied der kosmischen Ordnung, wobei diese kosmische Ordnung sich planetarisch auslebt, also gewissermaßen als kosmische Naturordnung.

Aber jetzt tritt innerhalb der kosmischen Ordnung auch die morali­sche Weltordnung auf. Es ist nicht so wie hier im Erdendasein, daß wir auf der einen Seite die Naturordnung haben, die ihre eigene Gesetz­mäßigkeit hat und moralfrei ist, und auf der anderen Seite die morali­sche Weltenordnung, die nur in der Seele erlebt wird für das Erden-dasein, sondern wir haben eine einheitliche Welt vor uns. Was wir als

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planetarischen Kosmos erleben, ist durchlebt und durchgeistigt von moralischen Impulsen in fortströmender Entwickelung. Wir leben zu­gleich in einem natürlichen und in einem moralischen Kosmos.

Sie erkennen die volle Bedeutung dieser Nachtereignisse auch für das Tagesleben. So können wir sagen, daß für die äußere Konfiguration des Menschen das, was die Seele zwischen Einschlafen und Aufwachen im Kosmos erlebt, wesentlicher und bedeutungsvoller ist als das, was sie während des wachen Tageslebens vor sich hat; denn sowohl die phy­sischen und ätherischen Lebensfunktionen wie das moralische Sichbe-finden sind Ergebnisse des kosmischen Erlebens zwischen Einschlafen und Aufwachen.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Die dritte Etappe des Schlaflebens ist dadurch zu charakterisieren, daß das Erleben innerhalb des planetarischen Kosmos allmählich über­geht in ein Erleben der Fixsternwelt, so daß im Innenleben der Seele die Fixsternwelt in einer Art Nachbildung erlebt wird, aber so, daß nicht etwa Nachbildungen jener äußeren Sinnesbilder der Fixstern-konstellationen vorhanden sind, wie wir sie vor uns haben im wachen Tagesleben, sondern die Seele lebt sich ein in diejenigen Wesenheiten, von denen in den früheren Betrachtungen gesagt worden ist, daß die Intuition sie als die entsprechenden geistigen Wesenheiten für die Sterne erkennt. Wir erleben hier in der Sinneswelt die sinnlichen Bilder der Sterne im physischen Bewußtsein. Wenn die Intuition, wie ich es geschildert habe, übergeht in die geistige Welt, so erkennt sie wiederum in gewissen geistigen Wesenheiten dasjenige, wofür die Sonne und die anderen Fixsterne nur die physischen Nachbilder für unsere Tages­Sinneserkenntnisse sind. Innerhalb dieser geistigen Wesenheiten der Sterne lebt die Seele in der dritten Etappe des Schlafzustandes. Sie fühlt Nachbilder der Sternkonstellationen, das heißt aber eigentlich der Ver­hältnisse, welche zwischen den Betätigungen der geistigen Sternwesen bestehen. Sie erlebt solche Konstellationen.

In älterer traumhafter Wissenschaft hat man insbesondere das Her­einleben der Fixsternkonstellationen und des Tierkreises geschildert. Um diese handelt es sich ja hauptsächlich im seelischen Erleben des

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Schlafzustandes. Man bekommt in der Sinneswelt viel mehr ein Ent­sprechendes, ein Korrespondierendes für die entsprechenden einzelnen geistigen Wesenheiten, wenn man die Sternbilder ins Auge faßt statt die einzelnen Sterne. So lebt sich die Seele zwischen Einschlafen und Auf­wachen, wenn sie frei vom physischen und ätherischen Leib ist, so frei, daß sie diese beiden als Objekte vor sich hat, wie wir sonst die äuße­ren Sinnesdinge als Objekte vor uns haben, so lebt sich die Seele tatsächlich als eine geistige Wesenheit in einen Kosmos von geistigen Wesenheiten hinein. Was sie da unbewußt durchmacht, das kann die intuitive Erkenntnis beleuchten. Aber was da durchgemacht wird, hat auch seine Nachwirkung in das wache Tagesleben herein, indem im wesentlichen die Konstitutionsart der menschlichen Gesundheit, der Gesamtheit der Gesundheit und der Frische des menschlichen Leibes -nicht der Seele, wie im ersten Stadium des Schlafes - eine Nachwir­kung desjenigen ist, was die Seele jeweilig während der Nacht unter den Sternenwesen durchmacht.

Aber insbesondere stellt sich vor die Seele hin, sobald es erlebt wird, wenn auch nicht bewußt, das ganze Ereignis der Geburt im weitesten Sinne, das heißt das Hereinziehen der Seele durch die Empfängnis und durch das Keimesleben in einen physischen Menschenleib. Und wie­derum stellt sich vor die Seele das Verlassen des Leibes im Tode, der Übergang in die geistig-seelische Welt von seiten des Geisteswesens des Menschen. Dasjenige also, was die Wahrheit ist über die Ereignisse Geburt und Tod, das stellt sich wirklich jede Nacht vor die Menschen-seele hin. Und auch das ist eine Nachwirkung dieser Nachterlebnisse, daß der Mensch während des Tageslebens ein inneres dumpfes Gefühl hat: Geburt und Tod bedeuten im menschlichen Leben nimmermehr das, als was sie sich nur für die Sinnesbeobachtung darstellen. Es ist einfach nicht richtig, daß der Mensch, wenn er ein gesundes Bewußtsein hat, glauben kann, Geburt und Tod seien in Wirklichkeit nur dieje­nigen Ereignisse, als die sie sich im äußeren Sinnesleben darstellen. Es ist nicht wahr, daß der Mensch diesen Glauben nur deswegen nicht hat, weil er sich in seiner Phantasie ausmalt, ein ewiges Wesen zu sein, ein Dasein zu haben über den Tod hinaus. Nein, daß der Mensch dies nicht glauben kann, das rührt davon her, weil in das Tagesleben herein in

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der Form eines dumpfen Gefühls über die Welt und das Menschenleben dasjenige hereinstrahlt, was die Seele allnächtlich erlebt als Bild des Hereinziehens des Menschen aus einer geistigen Welt in das Erdenleben und des Wiederhinausziehens des Menschen in die geistige Welt.

Es ist also, was während des wachen Tageslebens als religiöse Sehn­sucht, als religiöses Bewußtsein auftritt, eine Nachwirkung des Sternen­erlebens der Seele während der Nacht. Und es ist dieses, was ich eben geschildert habe, die Etappe des tiefsten menschlichen Schlafes. Der Mensch lebt also eigentlich aus seinem Schlafe heraus sein religiöses Tageserfühlen aus. Ebenso, wie durch ein aus einem voll entwickelten Bewußtsein in Intuitionen gefaßtes, von Intuitionen durchzogenes Urmenschheitserleben erkenntnismäßig das religiöse Leben heute be­gründet werden kann, ebenso kann gesagt werden, daß diese religiöse Erkenntnis gewonnen werden kann, wenn die menschliche übersinn­liche Intuition das Stadium des tiefsten Schlafes erkenntnismäßig be­leuchtet; denn das, was in den Tiefen des Schlafes ruht, war zugleich auch die das Göttliche bewahrende Quelle. Und da unser Tagesbewußt­sein nur ein Abglanz ist von den Bewußtseinsmöglichkeiten, die es für den Menschen gibt, so erscheint eben auch das, was der Mensch als natürliches religiöses Gefühl in sich trägt, als ein solcher Abglanz des­sen, was in Glorie und Großartigkeit, wenn auch unbewußt, im dritten Stadium des Schlaflebens von der Seele durchgemacht wird. Der Mensch taucht ins Schlafleben unter nicht nur, um seinen ermüdeten Körper zu erholen, nicht nur, um sich die Reize aus dem Schlafe zu holen, die seine Atmung und seine Blutzirkulation brauchen, nicht nur, um die anderen Anregungen, die er braucht, sich aus der geistigen Welt zu erwerben; sondern auch das, was den Menschen religiös durchzieht, dringt hinauf an die Oberfläche der Seele, an die bewußte Tagesregion aus den tiefen Unterschichten, durch welche das menschliche Seelen-leben zwischen dem Einschlafen und Aufwachen hindurchströmt.

Man möchte sagen: So wie der Mensch während des ersten Stadiums des Schlafes, ähnlich wie in der ersten Kindheit, ein philosophisches Leben lebt - so paradox dies für das Bewußtsein der Gegenwart klin­gen mag -, so wie er im zweiten Stadium des Schlafes ein kosmolo­gisches Leben lebt, so lebt er im dritten Stadium des Schlafes ein

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gottdurchtränktes Leben. Der Mensch muß dann aus diesem dritten Stadium des Schlafzustandes wieder zurückkehren zum Tagesbewußt­sein.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Aus dem letzten Stadium des Schlafes kehrt der Mensch, indem er die angeführten Stadien in umgekehrter Reihenfolge durchmacht, wie­der zum wachen Tagesbewußtsein zurück. Zunächst ist der Mensch ja als Seele, als Geist, außerhalb seines physischen und seines ätherischen Organismus, und man muß, indem man das Phänomen des Schlafes vollständig erkennen will, in intuitiver Erkenntnis sich die Frage beantworten: Warum wird der Mensch wiederum zu seinem physischen und ätherischen Organismus zurückgezogen? Welcher Impuls waltet da? Man erkennt diesen Impuls, wenn man genügend weit die intui­tive Erkenntnis des Schlafes fortsetzt. Man erkennt dann - so wie man jene Geistwesenheiten erkennt, welche dem Sonnenfixstern und den Konstellationen der anderen Fixsterne entsprechen - als Impuls dafür diejenigen Geistwesenheiten, deren Nachbildung in unserer physischen Sinneswelt der Mond ist. Die Kräfte des Mondes durchset­zen ja unseren ganzen Kosmos. Und wenn wir durch die Intuition nicht nur das physische Dasein des Mondes, sondern auch das geistige Korre­lat dieses physischen Daseins erkennen, dann finden wir in diesen gei­stigen Wesenheiten, die dem physischen Mondendasein entsprechen, eben jene Wesen, welche in ihrem Zusammenwirken die Impulse ab­geben, die uns, wenn wir das tiefste Stadium des Schlafes erreicht haben, wieder zurückbringen in unseren physischen und in unseren ätherischen Leib. Es sind überhaupt die Mondenkräfte, welche den astralischen und den Ich-Organismus des Menschen binden an den physischen und den ätherischen Organismus.

In jeder Nacht, in der die Seele aus der geistigen Welt einziehen will in einen physischen und ätherischen Organismus, muß sie sich einfügen in die Strömungen der Mondenkräfte. Es kommt dabei - das wird Ihnen ja natürlich erscheinen - nicht in Betracht, ob Neumond oder Vollmond ist. Denn auch dann, wenn der Mond als Neumond sinnlich nicht sichtbar ist, wirken dennoch durch den Kosmos diejenigen Kräfte,

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welche die Seele aus den geistigen Welten zurückbringen in den phy­sischen und ätherischen Organismus, obwohl den Verwandlungen, die das sinnliche Mondenbild durchmacht und als Halbmond, Vollmond und so weiter gesehen werden, obwohl diesen sinnlichen Metamorpho­senbildern Vorgänge in dem seelischen Wesen des Mondes entsprechen, die allerdings etwas zu tun haben mit dem Geist des Menschen und der Menschenseele im physischen und ätherischen Organismus. Man möchte sagen, die besondere Konfiguration des Zusammenhanges zwi­schen dem Seelisch-Geistigen und dem Physisch-Ätherischen des Men­schen ist bedingt durch diejenigen Kräfte, die im Kosmos walten und weben und die ihren sinnlichen Ausdruck bekommen in jenem Sinnes-wesen, das wir in dem Mondenwesen in seinen verschiedenen Metamor­phosen vor uns haben.

So können wir auch in die verborgenen Seiten des menschlichen Wachlebens und Schlaflebens hineinblicken und uns darüber unterrich­ten, was den Menschen am Morgen wieder zurückbringt in das wache Tagesleben. Er kehrt durch die selben Stadien in umgekehrter Folge wieder zurück. Und indem er durch das letzte Stadium durchgeht, das von Gottessehnsucht durchtränkt ist, mischen sich wiederum die Träume in das Schlafleben hinein, und der Mensch geht allmählich wieder in seinen physischen und ätherischen Organismus unter.

Warum der Mensch, wenn er durch die Pforte des Todes geht, diesen Mondenkräften nicht mehr unterliegt, inwiefern er sich ihnen entzieht, indem er dann für lange Zeit in die geistige Welt eintritt, dieses, sowie überhaupt die Geheimnisse der Geburt, des Todes und der wiederholten Erdenleben zu betrachten wird dann im wesentlichen der Inhalt des nächsten und des übernächsten Vortrages sein.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

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= SECHSTER VORTRAG Dornach, 11. September 1922 Der Übergang vom seelisch-geistigen Dasein in der

Aus den Darstellungen, die ich über inspiriertes und intuitives Erken­nen gegeben habe, wird ersichtlich geworden sein, daß es für das menschliche Innere, für das Geistig-Seelische des Menschen ein kos­misches Erleben gibt. Ich konnte gestern darauf hinweisen, daß ein solches kosmisches Erleben des Menschen vorhanden ist im Schlafzu­stande, nur daß es für das gewöhnliche Bewußtsein eben unbewußt bleibt. Der Mensch erlebt kosmisch, aber er weiß im gewöhnlichen Bewußtsein nichts davon. Man kann sagen, während der Mensch im sinnlichen Erfahren im physischen Erdendasein sich erlebt in seinem physischen und ätherischen Leib und das, was dieser physische und ätherische Leib als Organe in sich haben, als sein Innenwesen ansieht, wird während des kosmischen Erlebens, wie es zum Beispiel beim Schlafe geschieht, eine Nachbildung kosmischer Wesenheiten als Innen­leben erfahren; so daß man tatsächlich sagen kann: schon für den ge­wöhnlichen Schlafzustand wird die gewöhnliche Innenwelt des Men­schen eine Außenwelt. Der Mensch hat einfach, wenn er schläft, den physischen und den ätherischen Leib, die sonst sein Wesen ausmachen, als eine Außenwelt vor sich; und das, was in der sinnlichen Beobach­tung Umwelt, Kosmos ist, das wird in einem gewissen Sinne zu einer Innenwelt.

Nur besteht während des Schlafzustandes in dem astralischen Men­schen, in dem Ich-Menschen, ein fortlaufender Wunsch, wiederum in den physischen Leib zurückzukehren. Dieser Wunsch wird ganz beson­ders regsam in demjenigen Stadium des Schlafes, das ich gestern als das tiefste bezeichnet habe, als den Schlaf, wenn ich ihn nach der gestrigen Charakteristik so nennen darf, mit dem «Fixsternbewußtsein». Dieser Wunsch, wieder in den physischen und in den ätherischen Leib zurück­zukehren, hängt natürlich damit zusammen, daß lebensvoll während

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des Schlafzustandes vorhanden bleiben, da sind in der Welt der phy­sische und der ätherische Leib. Und daß der Mensch wiederum zurück­kehren will, eine Begierde in sich entwickelt, wieder zurückzukehren, das wird in ihm angefacht, wie ich gestern ausgeführt habe, durch die im Kosmos wirksamen geistigen Mondenkräfte.

Wenn man Geisteswissenschaft, Anthroposophie, in richtiger Weise verstehen will, muß man sich klar darüber sein, daß die einzelnen Ver­hältnisse von den verschiedensten Gesichtspunkten aus dargestellt wer­den müssen. Es könnte zum Beispiel jemand einmal hören, daß ich gesagt habe: Der Grund, warum der Mensch wiederum am Morgen in den physischen und in den ätherischen Leib zurückkehren will, liegt darin, daß die Seele sich zurücksehnt, den Wunsch hat, zurückzukeh­ren. - Dann könnte jemand sagen: Diese Rückkehr hängt von den Mondenkräften ab. - Beides ist richtig, nur daß eben der Zusammen­hang besteht, daß der Wunsch, wieder mit dem physischen Organismus verbunden zu werden, angefacht wird während des kosmischen Erle­bens durch die Mondenkräfte, die eben auch den menschlichen astra­lischen und den Ich-Organismus zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen durchsetzen. Diese Mondenkräfte, das heißt ihr geistiges Korrelat, können nun nicht tätig sein, wenn der Mensch im vorirdi­schen Dasein ist, also bevor er aus der geistig-seelischen Welt herunter-gestiegen ist und sich in einen physischen Menschenleib eingekleidet hat. Wenn der Mensch im vorirdischen Dasein in einem rein geistigen Kosmos ist, so ist da zunächst keine Beziehung vorhanden zu einem physischen und zu einem ätherischen Organismus, denn diese sind nicht da. Während des Schlafes jedoch warten gewissermaßen der physische und der ätherische Organismus, wiederum durchseelt und durchgeistigt zu werden von dem eigentlichen inneren Menschen.

Ein solcher physischer und ätherischer Organismus sind im vorirdi­schen Dasein des Menschen nicht vorhanden. Aber etwas anderes ist dann vorhanden: Der Mensch erlebt in einem gewissen Stadium dieses vorirdischen Daseins eine Art Kosmos, die er eben auch als seine Innen-welt erlebt. Er fühlt sich gewissermaßen selber als ein Kosmos. Aber dieser Kosmos ist in diesem vorirdischen Dasein etwas anderes als der Kosmos, der uns zwischen der Geburt und dem Tode für die sinnliche

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Beobachtung umgibt. Jener Kosmos, der da in einem gewissen Stadium des vorirdischen Daseins erlebt wird, ist nämlich eine Art kosmischer Keim des späteren physischen Menschenorganismus, desjenigen phy­sischen Menschenorganismus, in den sich der Mensch einkleiden muß, wenn er zum Erdendasein heruntersteigt. Stellen Sie sich vor erweitert alles, was der Mensch als physischen Organismus im Erdenleben an sich hat, als ein Unermeßliches erweitert, sagen wir: die Lungen, die Leber, alle Prozesse - natürlich als Kräfte, nicht als physisch-materielle Or­gane -, also die Lungenprozesse, ebenso die Herzprozesse und so weiter erweitert, ins kosmisch Unermeßliche erweitert - das erlebt der Mensch, nur daß er dann diesen Kosmos mit seiner Seele umfaßt, daß er diesen Kosmos zugleich als Innenleben hat.

Wenn ich sage: Der Mensch erlebt seinen späteren physischen Orga­nismus als «Keim», so muß natürlich der Unterschied hervorgehoben werden zwischen dem Gebrauch des Wortes Keim hier für das geistige Dasein und im anderen Falle für das physische Erdendasein. Wenn man im physischen Erdendasein von Keim spricht, so meint man irgend etwas Kleines, das sich dann entfaltet und ein großer Organismus wird. Wenn ich jedoch jetzt davon spreche, daß der Keim des menschlichen physischen Leibes als ein Kosmos erlebt wird im vorirdischen Dasein, so ist dieser kosmische Keim unermeßlich groß, zieht sich immer mehr und mehr zusammen und wird zuletzt klein. Man muß natürlich be­rücksichtigen, daß in diesem Falle, wenigstens für das Geistige, zu­nächst für das vorirdische Dasein, der Ausdruck «groß» im Verhältnis zu dem späteren «klein» in bildlicher Art gebraucht ist, denn im vor-irdischen Dasein wird eben nicht so räumlich erlebt wie hier im sinn­lich-physischen Dasein. Es wird alles qualitativ erlebt. Der Raum, so wie wir ihn aus unserer Sinneswelt kennen, ist eigentlich nur für diese Sinneswelt vorhanden. Nur um sich zu verdeutlichen, um aus der Men­schensprache etwas nehmen zu können, was auch diese rein geistigen Verhältnisse des vorirdischen Daseins charakterisiert, kann zum Zwecke der Veranschaulichung diese Unterscheidung auch ganz gut genommen werden. So können wir eben sagen, der kosmische Men­schenkeim ist groß und zieht sich immer mehr und mehr zusammen und erscheint dann zuletzt klein im physischen Organismus des Menschen.

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So müssen wir uns also vorstellen: Der Mensch hat im vorirdischen Dasein nicht etwa einen solchen Sternenanblick vom Kosmos, wie wir ihn hier im physischen Dasein haben, sondern er hat einen Kosmos um sich. Dieser Kosmos enthält geistig-seelische Wesenheiten. Aber der Mensch fühlt sich mit diesen geistig-seelischen Wesenheiten verbunden, er fühlt diese gewissermaßen in sich. Er fühlt sein Seelisches umfänglich ausgedehnt über diesen Kosmos. Dieser Kosmos ist eben nichts anderes als der zum Universum erweiterte spätere menschliche physische Leib. Der Mensch erlebt also seine spätere Innenwelt als eine kosmische Außenwelt, die er aber mit seinem Inneren miterlebt. Daher kann man sagen: Dieser ganze Kosmos - ich möchte ihn den Menschen-Kosmos nennen -, dieser Menschen-Kosmos, den der Mensch als sein Eigenes erlebt, der ist sein individuelles Dasein. Aber zu gleicher Zeit erlebt der Mensch mit das Leben anderer Wesenheiten, anderer Menschenseelen und anderer geistiger Wesenheiten, die nicht in ein physisches Erden-dasein kommen. Der Mensch lebt sich hinüber in andere Wesenheiten, so daß er gleichzeitig eine Art Universum für sich selbst erlebt und eine Art Zusammensein mit anderen Wesenheiten. Ich möchte dieses Zu­sammensein mit anderen Wesenheiten für dieses Stadium des vorirdi­schen Daseins eine tätige Intuition nennen, eine reale, eine erlebte Intuition. Was man sonst in der übersinnlichen Erkenntnis der Intui­tion nachbildet, das ist für dieses vorirdische Dasein lebendiges Dasein.

Während nun der Mensch im Schlafzustande in einer Nachbildung des Kosmos in der Art lebt, wie ich es gestern beschrieben habe, also auch seinen physischen Organismus ebenso wie seinen ätherischen Or­ganismus außer sich hat - aber als fertige, vollendete -, hat er im vor-irdischen Dasein den werdenden physischen Organismus als sein Wesen, ich kann jetzt nicht einmal sagen «außer» sich, sondern in sich. Aber dieses In-sich ist zugleich ein Außer-sich, und sein Leben besteht in einem tätigen Arbeiten, in einem seelisch-geistigen Arbeiten an dem Werden dieses Organismus. Während wir hier im physischen Dasein unser Arbeiten so einrichten, daß die äußeren Sinnesdinge zielvoll ver­ändert, verwandelt werden, während wir selbst hier im physischen Dasein mit den Sinnesdingen verwandelt werden, arbeiten wir in unse­rem vorirdischen Dasein unseren physischen Organismus zurecht. Wir

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gliedern ihm dasjenige ein, was dann weisheitsvolles Zusammenwirken der Organe sowie der Organe mit dem Seelischen und des Seelischen mit dem Geistigen im Erdendasein sein muß. Wir leben in einem Uni­versum, dessen Werden darin besteht, daß es zielvoll hingestaltet wird auf unseren künftigen Erdenorganismus.

Dadurch, daß wir nicht nur mit unseren Anschauungen, sondern mit unserer seelischen und geistigen Tätigkeit in diesem Universum drinnen sind, dadurch haben wir in diesem vorirdischen Zustande ein Bewußt­sein. Weil der physische und der ätherische Organismus während des Schlafzustandes fertig sind, vollendet sind, deshalb ist der Schlaf be­wußtlos, denn wir können an dem Fertigen während des Schlafes nicht arbeiten, sondern wir erleben es, wie ich es gestern beschrieben habe. Im vorirdischen Zustande ist alles, was unsere Verbindung darstellt mit dem werdenden Universum - das sich aber immer mehr und mehr zusammenzieht, um später unser physischer Organismus zu werden -, ist alles Kraft, es ist innere Regsamkeit, die sich als eine andere Form des Bewußtseins auslebt, als das Bewußtsein des Erdenlebens ist. Aber es ist ein vollbewußter, ja hell-bewußterer Zustand als der, welcher in unserem Erdenleben im physischen Dasein zustande kommt. Wir erle­ben dieses unser eigenes Hinarbeiten auf das spätere Erdenleben. Ja, wenn wir hier im Erdendasein unseren physischen Organismus betrach­ten etwa so, wie der äußere Anblick oder die physische Anatomie oder Physiologie ihn uns vor Augen stellen, dann können wir ihn nicht recht mit der Herrlichkeit, mit der Großartigkeit und der Majestät des Uni­versums, das als Sternenwelt, als Wolkenwelt und so weiter um uns ist, vergleichen. Dasjenige aber, was in diesen physischen Menschenorga­nismus zusammengezogen ist, das ist dann, wenn es von der Menschen-seele im vorirdischen Dasein so als Universum angeschaut wird, größer, ist gewaltiger, majestätischer als der Kosmos, der als physischer Kosmos im Erdendasein um uns herum ist. Denkt man sich alles, was im phy­sischen Menschenorganismus materialisiert steckt, was also in dem Menschen, der hier auf der Erde steht, verborgen ist, weil es zusam­mengezogen und durch das Materielle verdeckt ist, denkt man sich dies alles ins Geistige umgesetzt, so hätte man an ein Universum zu denken, mit dem sich das physische hier, trotz aller seiner Sterne, seiner Sonnen

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und so weiter, an Größe, an Gewaltigkeit und Majestät auch nicht im entferntesten messen kann.

Wir leben uns in das irdische Dasein herein aus einer geistigen, vor­irdischen Anschauung, die einen großen, gewaltigen Inhalt hat. Und alles, woran wir jemals hier auf der Erde auch an höchster Kulturarbeit mittun können, das ist eine Kleinigkeit gegenüber demjenigen, woran der Mensch während seines vorirdischen Daseins mittut. Ich sage: mit-tut, denn unzählige geistige Wesenheiten der verschiedensten Hierar­chien arbeiten mit dem Menschen an der Herstellung dieses wunder­baren Gebildes, das den physischen Organismus darstellt. Und dieses Arbeiten ist, wenn es eben als solches betrachtet wird, ein beseligendes Arbeiten. Es wird wahrhaftig nicht auf etwas Kleines, Unbedeutendes hingedeutet, wenn auf die Frage: Was tut der Mensch zwischen dem Tode und einer neuen Geburt in seinem vorirdischen Dasein? die Ant­wort gegeben wird: In einem gewissen Stadium arbeitet er mit den Geistern des Kosmos an der Zusammenfügung, an der inneren weis­heitvollen Ausgestaltung eines physischen Menschenleibes, indem er ihn als universellen Keim vorgestaltet. Dies ist schon gegenüber dem Erdendasein ein Himmelsdasein. Nur ist alles das, was da geschieht, in diesem physischen Erdenorganismus, in den der Mensch eingekleidet ist, in unermeßlichen Tiefen verborgen, und es gehört das einmal für das gewöhnliche Bewußtsein zu dem Verborgensten gerade der mensch­lichen physischen Organisation. Das ist die Tragik des Materialismus, daß er glaubt, die Materie zu erkennen, daß er immerdar von der Materie und ihren Gesetzen spricht. Aber in aller Materie lebt ein Geist, und er lebt nicht nur so, daß wir ihn herauswickeln können im Augen­blick, sondern er lebt so darinnen, daß, wenn wir ihn entdecken wollen, wir zurückschauen müssen in ganz andere Zeiten und Erlebnisarten. Wovon der Materialismus am wenigsten kennt, das ist der materielle physische Menschenorganismus. Es mußte erst der Materialismus ent­stehen, damit die komplizierten materiellen Gebilde des physischen Erdendaseins so verborgen bleiben, wie sie für die sonst bewunderns­würdige Naturwissenschaft der heutigen Zeit gegenwärtig verborgen sind.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

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Die Etappe des vorirdischen Erlebens, die ich soeben beschrieben habe, kann man auch dadurch charakterisieren, daß man sagt: Der Mensch erlebt dasjenige, was er als seine Umgebung hat, was zugleich sein eigenes Wesen ist, als ein Zusammensein zwischen ihm selbst und dem geistigen Universum. Aber das geistige Universum ist eben ein Zusammenhang von wirklichen, in sich lebendigen geistigen Wesen, in deren Kreisen sich der Mensch fühlt als Seele und als Geist. Dieses im höchsten Grade lebendige und helle Bewußtsein beginnt nun in einem bestimmten Zeitpunkt sich nach und nach zu verdunkeln, abzudäm­mern. Nicht, als ob es etwa dann als ein schwaches Bewußtsein erlebt wird, aber gegenüber der Helligkeit und der Klarheit und Intensität in einem gewissen Zustande des vorirdischen Daseins dämmert es herab. Wenn ich durch eine Imagination dasjenige beschreiben soll, was ein sehr bedeutsames und intensives Erlebnis ist, so könnte ich es so aus­drücken: Der Mensch fängt in einem bestimmten Punkte dieses vor-irdischen Daseins an, sich zu sagen: Ich habe um mich, zugleich als meine Wesenheit, gesehen andere göttlich-geistige Wesenheiten. Jetzt kommt mir vor, als ob diese göttlich-geistigen Wesenheiten anfingen, nicht mehr ganz ihre Gestalt zu zeigen. Jetzt kommt mir vor, wie wenn sie eine äußere Bildhaftigkeit annehmen würden, in die sie sich ein­kleiden. Jetzt kommt mir vor, wie wenn die Wesenheiten sternenhaft werden würden, so wie ich die Sterne im vorigen Erdenleben durch physische Anschauung kennengelernt habe. Noch nicht sind sie Sterne, aber Geist-Wesenheiten scheinen mir auf dem Wege zum Sternendasein zu sein. - Es ist eine Empfindung, wie wenn sich die eigentliche Geist-welt von dem Menschen etwas zurückzöge und immer mehr und mehr zurückzöge, und nun ein Abbild dieser Geistwelt, als eine kosmische Offenbarung derselben, vor dem Menschen stünde. An die Stelle des intuitiven tätigen Miterlebens der geistigen Welt tritt so etwas wie das Inspiriertwerden mit einem kosmischen Abbilde dieser geistigen Welt.

Parallel mit dieser Anschauung geht ein seelisches inneres Erleben:

daß der Mensch gewissermaßen erleben muß, wie sich die geistige Welt in ihrer ureigenen Lebendigkeit zurückzieht und ihm nur ihre Offen­barung zuteil wird. Das erweckt in seiner Seele im vorirdischen Dasein ein Erlebnis, das ich mit einem Ausdruck, der dem physischen Erdenleben

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entlehnt ist, bezeichnen möchte als ein Entbehren, das sich auch äußert, wieder mit einem physischen Erdenausdruck beschrieben, als ein Begehren desjenigen, was man «im Verlieren» ist. Man hat es in den ersten Stadien noch nicht verloren, aber man ist im Verlieren dessen, was man vorher hatte. In dem Maße, als man in diesem Stadium des Verlierens ist, entsteht innerlich ein Entbehren des in Verlust Kom­menden und ein Begehren danach. Man will es wiederhaben.

In diesem Stadium des vorirdischen Daseins ist es nun, daß die Men­schenseele für die geistigen Mondenkräfte zugänglich wird. Dieses Entbehren und Begehren präpariert die Menschenseele, für die geistigen Mondenkräfte im Kosmos zugänglich zu sein. Vorher waren diese geistigen Mondenkräfte wie nicht vorhanden für den Menschen. Jetzt, wo der geistige Kosmos abzudämmern beginnt, entsteht eine Zusam­menbindung desjenigen, das kosmisch durch das Universum vibriert als Mondenkräfte, und der Wunschkräfte, die als Begehren und Ent­behren im Menschen auftauchen. Und in demselben Maße, in dem sich der früher in innerer geistiger Lebendigkeit darstellende Kosmos in eine bloße Offenbarung verwandelt, in demselben Maße, in dem die früher tätige lebendige Intuition eine tätige lebendige Inspiration wird, in demselben Maße bewirken die Mondenkräfte, daß ein eigenes Inne­res des Menschen auftritt, und der Mensch sich nicht im Universum bloß fühlt, so daß Subjekt und Objekt für ihn eigentlich nicht vorhan­den sind, sondern wo alles subjektiv ist. Er hat in anderen Wesenheiten drinnen gelebt, aber während dies bisher der Fall war, beginnt jetzt wieder für den Menschen Subjekt und Objekt eine Bedeutung zu haben. Er fühlt ein inneres seelisches subjektives Dasein, das ihm die Monden­kräfte zubereiten, und was Offenbarung des Kosmos ist, das fängt er jetzt an, als eine objektive Außenwelt zu fühlen.

Wenn ich wiederum mit irdischen Ausdrucksformen das bezeichnen will, was eigentlich in diesem vorirdischen Dasein vorhanden ist, so könnte ich sagen, in dieser so durch die Mondenkräfte mit einer Inner-lichkeit begabten Menschenseele entsteht etwa der lebendige Gedanke:

Ich muß ihn haben, diesen physischen Leib, nach dem dasjenige hin-tendiert hat, woran ich selber mitgearbeitet habe als an einem kosmi­schen, geistigen Keim. - Und der Mensch wird auf diese Weise reif,

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zum Erdendasein herunterzusteigen. Die Entbehrung und das Begeh­ren, in Verbindung mit den Mondenkräften, die machen ihn reif, eben gerade das Erdendasein zu begehren, nach dem Erdendasein sich herunter zu wünschen, welcher Wunsch eben die Nachwirkung des früheren Arbeitens an dem universellen, kosmischen Geistteil des phy­sischen Leibes ist. Ich habe schon gestern gesagt: Die Mondenkräfte stellen immer dasjenige dar, was den Menschen wiederum für das Erdenleben präpariert. Während des Schlafzustandes stellen sie das­jenige dar, was den Menschen wiederum ins Erdenleben zurücktreibt. Im vorirdischen Dasein ist der Mensch zunächst in einer gewissen Etappe seines Erlebens, wie ich eben dargestellt habe, ohne Zusam­menhang mit diesen Mondenkräften; aber er kommt in die Monden­kräfte hinein, und in demselben Maße entsteht in ihm die Geneigtheit, sich dem Erdenleben wieder zuzuwenden. Wenn auch der physische Erdenleib und der ätherische Erdenorganismus noch nicht da sind, so sind doch in ihm die Nachklänge von demjenigen da, was er als das kosmisch-geistige Vorstadium des physischen Erdenleibes selber erar­beitet hat.

Über die weiteren Vorgänge bis zum Erdenleben hin werde ich dann gleich nachher sprechen.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Wenn ich in der Art, wie ich im Zusammenhange mit der inspirierten und intuitiven Erkenntnis die Verhältnisse des totalen Menschenlebens in den vorangehenden Tagen charakterisiert habe, weitersprechen soll, so muß ich nun sagen: Was der Mensch in der heute zuerst charakteri­sierten Etappe seines vorirdischen Daseins im klaren, hellen Bewußtsein erlebt, das ist dasjenige, was dann im irdischen Dasein im Abbilde, im gefühls- und gemütsmäßigen Abbilde nacherlebt wird in der religiösen Anlage, in dem Fühlen eines Zusammenhanges des Menschen mit dem göttlichen Weltengrunde. Denn wenn der Mensch sich selber als Seele im vorirdischen Dasein Rechenschaft geben will darüber, wie diese Art und Weise der Seele sich hier in das Erdendasein hineinstellt, so könnte man sagen, in dem Augenblick, wo der Mensch von dem Miterleben eines lebendigen geistigen Kosmos übergeht zu dem Erleben dessen

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bloßer Offenbarung unter dem Einfluß der Mondenkräfte, da müßte sich der Mensch in diesem Momente seines vorirdischen Daseins sagen: Ich gehe von einem gottdurchtränkten Dasein über zu einem kosmi­schen Dasein; ich beginne jetzt, jenes helle kosmische Bewußtsein, das ich universell früher entwickelt habe, unter dem Einfluß der Monden­kräfte zu einem mehr innerlichen Bewußtsein zusammenzuziehen. -Ich sagte, es wird das helle kosmische Bewußtsein abgedämmert; aber je mehr es abgedämmert wird, desto mehr entsteht im Inneren der Menschenseele ein subjektives Bewußtsein, dem die Offenbarung des Kosmos als ein Objektives gegenübersteht. Und so können wir sagen: Der Mensch geht über zu einer Inspiration, in der er sich weiß als ein Glied des Kosmos. Er erlebt Kosmologie in dieser zweiten Etappe des vorirdischen Daseins.

Was der Mensch im Erdenleben als Streben nach einer kosmologi­schen Weisheit an sich trägt, das ist ebenso eine Nachwirkung dieser eben charakterisierten Erlebnisse des vorirdischen Daseins, wie das religiöse Bewußtsein Nachwirkung ist des zuerst geschilderten Sta­diums, des gottdurchdrungenen Bewußtseins. Diese Dinge werden im vorirdischen Dasein durchlebt. Sie haben ihre Nachwirkungen im irdi­schen Dasein, in dem sie als religiöse, beziehungsweise als kosmologische Veranlagung der Menschenseele sich darstellen, und sie werden - in der Art, wie ich das gestern geschildert habe - jede Nacht wieder aufge­frischt. Sie sind da, indem der Mensch geboren ist im irdischen Dasein. Er bringt sie als Anlagen mit; sie verdunkeln sich in der Aufeinander­folge von Tag und Nacht, aber jede Nacht werden sowohl die kosmolo­gischen Neigungen des Menschen wieder angefacht aus dem Erleben der Planetenwelt, der Sternenwelt - wie ich es dargestellt habe - und ebenso wird das gottdurchdrungene Dasein wieder angefacht, wie ich es gestern für das letzte Stadium des Schlafes dargestellt habe. Daher könnte man sagen: Will der Mensch zu einer erkenntnismäßigen Grundlage des religiösen Lebens kommen und will er zu einer Erkennt­nisgrundlage für Kosmologie kommen, so muß er im vollbewußten Erdendasein Bilder desjenigen hervorrufen können, was auf die geschil­derte Weise im vorirdischen Dasein erlebt wird.

In dem Stadium, in dem der Mensch von den Mondenkräften ergriffen

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wird, in dem die äußere universelle Welt, die früher das Universum seines eigenen physischen Leibes war, nur in der Offenbarung noch erscheint, in diesem Augenblick tritt dasjenige ein, was ich nennen möchte: dem Menschen entfällt überhaupt der Zusammenhang mit demjenigen, was früher sein Menschenuniversum war. Dieser univer­selle Keim des physischen Leibes, an welchem der Mensch so lange mitgearbeitet hat, entfällt ihm. Er hat ihn nicht in einem gewissen Stadium des vorirdischen Erlebens. Es stellt sich dann die Sache so dar, daß er ein Inneres hat, angefacht von den Mondenkräften, durchzuckt und durchz9gen von der Begierde nach Erdenleben, umgeben von Bil­dern jetzt einer geist-kosmischen Welt. Wenn der Mensch jetzt geistig­seelisch nach diesen Bildern greift, so durchsticht er sie. Die Realität ist nicht mehr da, die Realität ist der Menschenseele im vorirdischen Dasein an einer bestimmten Etappe ihres Erlebens entfallen. Die Seele hat die Realität dieses Menschenuniversums nicht mehr um sich und in sich. Und kurz darauf, nachdem dem Menschen diese universelle Realität entfallen ist, kurz darauf tritt auf der Erde die Konzeption, die Empfängnis für den physischen Leib ein, der nun übernommen wird, zusammengezogen übernommen wird von dem Geist-Universum, und weitergebildet wird im Laufe der physischen Vererbungsevolution. Was der Mensch lange Zeit in der geistigen Welt universell herange­bildet hat, das entfällt ihm, und es taucht wieder auf, indem die Kon­zeption des physischen Menschenleibes unten auf der Erde ausgeführt wird. Die Prozesse, die der Mensch geistig oben durchgemacht hat, an denen er mittätig war, sie finden unten auf der Erde ihre physische Fortsetzung. Das bleibt dem Menschen zunächst jetzt auch in seinem vorirdischen Geistdasein ein Unbewußtes. Das geht da unten auf der Erde vor sich. Da hinunter ist gewissermaßen sein geist-physischer Organismus geströmt, zieht sich zusammen in den kleinen physischen Menschenleib. Da ist das ganze majestätische Universum zusammen­gezogen und durchsetzt und durchdrungen von demjenigen, was die physische Vererbung hinzubringt. Und das, was der Mensch früher als Realität gehabt hat, das hat er jetzt nur in Bildern um sich: gewisser­maßen eine kosmische Erinnerung an die kosmische Realität des Arbei­tens am physischen Organismus.

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In dieser Zeit seines vorirdischen Erlebens wird der Mensch reif, in alles das, was er da als Bilder seines Menschenuniversums um sich hat, in denen keine Realität mehr steckt, in diese Bilder von allen Seiten des Kosmos das Atherische hereinzuziehen. Der Kosmos enthält auch ein Ätherisches, einen Äther-Kosmos. Aus dem kosmischen Äther zieht nun der Mensch in diese seine kosmische Bildwelt das Ätherische her­ein. Er zieht es zusammen; er füllt das, was nur noch als kosmische Erinnerung in ihm ist, mit Weltenäther aus, den er zusammenzieht, und er bildet sich so seinen ätherischen Organismus. Der Mensch bildet seinen ätherischen Organismus in der Zeit, in der ihm der physische Organismus entfallen ist, in der der physische Organismus unten seine Fortsetzung findet durch die Konzeption in der physischen Verer­bungsevolution, und der Mensch kleidet sich ein in seinen ätherischen Organismus.

Jetzt ist alles das, was an Entbehrungen und Begehren, an Wunsch nach dem Erdenleben in der Seele lebt, das ist jetzt mit übergegangen in die ätherische Organisation. Diese ätherische Organisation ist ja gewöhnt, weil sie die physische Organisation des Kosmos durchdringt, zusammenzusein mit der physischen Leibesorganisation. Durch alles das entstehen die Kräfte, die nun den Menschen wiederum hinunter-ziehen zu dem, was ihm vorher kosmisch unbewußt war. Der jetzt mit dem ätherischen Leib umkleidete seelisch-geistige Mensch strebt durch seinen Wunsch hinunter zu dem, was der physische Organismus unten auf der Erde geworden ist, den er selber erst in seiner Geistgestalt vor­bereitet hat. Das gibt dann die Vereinigung des Geistig-Seelischen nach den geschilderten Erlebnissen mit dem physischen Leib.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Ich glaube, daß deutlich geworden ist, wo in diesem letzten Stadium des vorirdischen Erlebens, das ich geschildert habe und das dem irdischen Erleben unmittelbar vorangeht, die Grenze ist zwi­schen dem, was der Menschenseele vorirdisch bewußt ist und was ihr unbewußt ist. Bewußt ist dasjenige, was die Mondenkräfte in der Menschenseele als Subjektives bewirkt haben; bewußt ist das univer­selle Tableau, das nur noch in Bildern vorhanden ist wie eine kosmische

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Rückerinnerung an das Arbeiten am Menschenuniversum, und bewußt ist das, was vor sich geht als Zusammenziehen der Kräfte aus dem Weltenäther zu dem menschlichen ätherischen Organismus. Unbewußt bleibt alles das, was - wenn ich mich des Ausdruckes bedienen darf -unten auf der Erde vor sich geht mit dem physischen Menschenorga­nismus, der eben erst jetzt durch seine physische Metamorphose sich herausgebildet hat, und der durch die Konzeption in der physischen Vererbungsevolution weitergebildet wird. Aber es findet da, wie ich angedeutet habe, eine Vereinigung des letzten kosmisch Bewußten mit diesem Unbewußten statt, ein Untertauchen in dieses Unbewußte.

Damit erlischt das kosmische Bewußtsein, und es tritt auf in dem ganz kleinen Kinde etwas wie eine unbewußte Erinnerung an das, was im vorirdischen Dasein erlebt worden ist. Eine unbewußte, aber tätige Erinnerung ist dann im intensiven Arbeiten des ganz kleinen Kindes, unbewußt natürlich. Diese tätige Erinnerung braucht als eine noch undifferenzierte oder sehr wenig differenzierte Materie das mensch­liche Gehirn und den übrigen menschlichen Organismus. Schon wäh­rend des embryonalen Zustandes, während dessen die erwähnte Ver­einigung nach und nach geschieht, aber auch noch später, nach der Geburt, arbeitet der Mensch als ein Plastiker an der Ausbildung des Gehirns und der übrigen Organe. Die unbewußte, aber tätige Erinne­rung an das vorirdische Dasein arbeitet am intensivsten in den ersten Kindesjahren am menschlichen Organismus. Das Wesentlichste ist allerdings schon früher vorbereitet worden und realisiert sich im Nach­wirken, aber es muß noch vieles hineingearbeitet werden in diesen zum physischen Menschenleib zusammengezogenen kosmisch-physischen Geistorganismus. Das ist zwar ein Widerspruch, aber aus dem Zusam­menhang, den ich heute vor Ihnen entwickelt habe, ist das zu verstehen. In diesen Organismus ist noch vieles hineinzuarbeiten. Es arbeitet also die unbewußte, aber tätige kosmische Erinnerung an dem Säugling eine innere Menschenplastik.

Könnte dasjenige, was im letzten Stadium des vorirdischen Daseins bewußt erlebt wird, hereingeholt werden ins Erdendasein, dann würde die bloße Ideenphilosophie den übersinnlichen Inhalt haben. Denn gerade das, was als das Hereinspielen des Kosmisch-Ätherischen in die

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Bilder des Menschenorganismus sich erweist, das gibt eine wirklich lebendige philosophische Anschauung. Nur daß, wenn das so ist, dieser philosophischen Anschauung trotz aller Lebendigkeit etwas fehlt. Sie entspricht ja einem Stadium des vorirdischen Erlebens, wo der Mensch gerade seinem physischen Organismus entfremdet ist, wo der physische Organismus ihm unbewußt ist. Das gibt auch der lebendigsten Philo­sophie, zum Beispiel der, die aus dem traumhaften Hellsehen uralter Zeiten entstanden ist, etwas Erdenfremdes. Weil nämlich gerade die Philosophie, wenn sie lebendig ist, einem Erleben entspricht, dem das Erdenleben entfallen ist, deshalb hat die Philosophie immer auch eine starke Sehnsucht, das Erdenwirken zu begreifen; aber sie fühlt sich auch immer als über dem Erdendasein schwebend. Die Philosophie hat immer etwas Idealistisches, das heißt nicht von Irdischem Getragenes, gerade wenn sie recht innerlich lebendig ist. Eigentlich ist man nur Philosoph im letzten Stadium des vorirdischen Erlebens. Man müßte sich hier im Erdenleben erinnern an das, was im letzten Stadium des vorirdischen Lebens selbstverständlich bewußt ist. Da ist man richtiger Philosoph, wie man richtiger Kosmologe etwas vorher ist, wo man die kosmischen Offenbarungen vor sich hat, aber wo die kosmischen We­senheiten sich schon von einem zurückgezogen haben, und wie man richtiger religiöser Erkenner ist in dem ersten vorirdischen Stadium, das ich heute geschildert habe. Aber weil beim Säugling eine unbe­wußte, aber tätige Erinnerung auftritt, so durfte ich in den letzten Tagen hier auch sagen: Wenn man das, was unbewußt beim Säugling auftritt, in die Ideenphilosophie hereinziehen und zur Vollbewußtheit bringen könnte, würde auch Philosophie entstehen. Das ist ganz natur­lich, weil das, was der Säugling erlebt, die unbewußte Erinnerung dessen ist, was im letzten vorirdischen Stadium vor der Vereinigung mit dem physischen Menschenleib von der Seele erlebt wird.

So müssen Religionserkenntnis, Kosmologie und Philosophie, wenn sie richtig sein sollen, dennoch Gaben aus der übersinnlichen Welt sein. Nur wenn sie das wiederum werden und als solche von dem Menschen erkannt werden, werden sie wiederum als Religionserkenntnis, als Kos­mologie, als Philosophie auch die Menschheit in ihren geistigen Bedürf­nissen voll befriedigen.

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Heute habe ich versucht, Ihnen diejenigen Dinge zu schildern, die mit dem Mysterium der Geburt zusammenhängen. Ich werde in den folgenden Tagen die andere Seite darzustellen haben, dasjenige, was mit dem Mysterium des Todes zusammenhängt, um das Bild immer mehr und mehr zu vervollständigen, das uns darstellen soll, wie das geistig Wertvollste hier im Erdendasein eben sein muß ein Abglanz, ein Abbild, eine Wirkung dessen, was der Mensch erleben, erkennen, erfahren kann im übersinnlichen Dasein, weil er nicht bloß ein sinn­liches Erdenwesen, sondern ein seelisch-geistiges übersinnliches Wesen ist, daher auch der Geistwelt, der Seelenwelt angehört und, wenn er sich vollständig als Mensch in seinem Menschendasein in jedem Sta­dium des Sinnlichen erfühlen will, auch das Übersinnliche in sein Dasein hereinbeziehen muß.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

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SIEBENTER VORTRAG Dornach, 12. September 1922 Christus in seinem Zusammenhang mit der Menschheit und das Rätsel des Todes

Es wurde gestern versucht, auseinanderzusetzen, wie der Übergang des Menschen aus der geistigen Welt, in der er selber als ein geistig-seeli­sches Wesen im vorirdischen Dasein verweilt, in diese physische Erde ist. Dieses Verständnis des ewigen Wesenskernes des Menschen aus der Anerkennung des vorirdischen Daseins ist nun durchaus notwendig, wenn man das ganz wesenhafte Eingreifen des Christus und des Myste­riums von Golgatha in die Entwickelung der Erdenmenschheit sich vor die Seele stellen will. Denn man muß, um zu einem Verständnis des eigentlichen Wesens des Mysteriums von Golgatha zu kommen, doch verfolgen können, wie mit diesem Ereignis ein Wesen der geistigen Welten, der Christus, aus außerirdischen Regionen in das Erdendasein selbst herabgestiegen ist als eine Wesenheit, die vorher nur in denjeni­gen Regionen war, in denen wir selbst unser vorirdisches Dasein zubringen, wie diese Wesenheit dann heruntergestiegen ist und in dem Menschen Jesus eine irdische Gestaltung und ein irdisches Wirken ange­nommen hat.

Will man zu einem solchen Verständnisse des Christus kommen und des Mysteriums von Golgatha im Zusammenhange mit dem Ereignisse der Geburt des Menschen, von dem ich gestern skizzenhaft gespro­chen habe, so muß man vor allen Dingen berücksichtigen, daß die menschliche Seelenverfassung, das innere menschliche Erleben im Ver­laufe der Menschheitsentwickelung auf Erden eine sehr bedeutungs­volle Wandlung, sehr bedeutsame Veränderungen durchgemacht hat. Heute wird ja die Sache oftmals so angesehen, als ob diejenige Seelenverfassung und diejenigen Bewußtseinsformen, in welchen der heutige Mensch im Wachzustande und auch im Schlafzustande ist, immer in der Menschheit dagewesen wären, wenigstens im wesentlichen so, seit es eine Geschichte der Menschheit gibt. Höchstens, daß man im naturwissenschaftlich-kosmologischen

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Weltbilde zurückweist auf primitive, halb tierähnliche Gestaltungen der früheren Menschheit - wir werden davon noch zu sprechen haben -, in denen natürlich auch das mensch­liche Innere anders vorgestellt werden müsse in bezug auf Denken, Fühlen und Wollen als das eines heutigen Menschen. Aber auf die Wandlungen, welche das Menschheitsbewußtsein, die ganze innere Seelenverfassung des Menschen seit den Urzeiten der Erdenentwicke­lung durchgemacht hat, weist man heute außerordentlich wenig hin, und doch liegt da etwas unermeßlich Wichtiges und Wesenhaftes vor.

Wenn wir in sehr alte Zeiten der Menschheitsentwickelung zurück­gehen - wir brauchen nicht bis zu den Urzeiten der Erdenentwickelung zu gehen, sondern nur etwa bis in das zweite, dritte Jahrtausend vor dem Mysterium von Golgatha -, so finden wir, daß damals die Men­schen ein ganz anderes Bewußtsein, eine ganz andere innere Seelenver­fassung gehabt haben als später. Jener schroffe Unterschied, der beim gegenwärtigen Menschen besteht zwischen Wachen und Schlafen, war zwar auch vorhanden, allein er war nicht das einzige im menschlichen täglichen Bewußtseinswechsel. Heute kennt der Mensch nur den Wach-zustand und den Schlafzustand, zwischendurch die Träume. Aber von diesen Träumen muß man sagen, daß zwar in ihnen ein Bewußtseins-inhalt vorhanden ist, der aber vielfach trügerisch ist, und daß jeden­falls dieser Bewußtseinsinhalt der Träume nicht auf irgendeine Wirklichkeit hinweist, die der Mensch ohne weiteres durch sein Tages-bewußtsein unmittelbar kontrollieren kann; mittelbar ja gewiß. Aber außer diesen drei Bewußtseinszuständen, von denen der eine, der Traumzustand, ein sehr fragwürdiger ist, wenigstens für die Erkennt­nis, war bei den Menschen eines älteren Zeitalters ein Zwischenzustand vorhanden, der nicht der Traumzustand von heute war, der nicht ein so volles Wachen war, wie das heutige Wachen, der aber auch nicht ein volles Schlafen oder halbbewußtes Träumen war, wie es heute da ist, sondern ein bildhaftes «Wach-Träumen», könnte man sagen. In diesem Wach-Träumen liefen Bilder ab, wie in unserem Wach-Bewußtsein Gedanken ablaufen. So liefen in gewissen Zeiten bei einer älteren Menschheit im Bewußtsein Bilder ab. Diese Bilder waren in ihren For­men allerdings den Traumbildern von heute ahnlich, aber das, was sie

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enthielten, wies auf eine ganz ausgesprochene übersinnliche Wirklich­keit hin, wie unsere Wahrnehmungen auf eine physische Wirklichkeit hinweisen. Wie wir wissen, wenn wir ein physisches Wesen mit Farben und Formen wahrnehmen, daß dies ein physisch Wirkliches ist, so erlebte der frühere Mensch Bilder, die sich ebenso frei im Bewußtsein bewegten und ebenso leicht waren wie unsere Traumbilder, die aber durch ihren Inhalt einen Hinweis auf eine geistige Wirklichkeit selber verbürgten. So wie wir heute, wenn das Auge etwas wahrnimmt, ganz bestimmt wissen: da ist etwas Physisch-Sinnliches draußen in der Welt, so wußte der frühere Mensch, wenn solche Bilder von einer bestimmten Art in seinem Bewußtsein abliefen, er nimmt etwas Geistig-Wirkliches wahr.

Unter diesem, was der Mensch einer älteren Zeitepoche als Geistig-Wirkliches erlebte, war auch ein Nachklang des vorirdischen Daseins. Der Mensch dieser Zeitepoche hatte einfach jeden Tag in seiner Seele innere Erlebnisse, die ihm ein voller Beweis dafür waren: Du warst, bevor du dein Erdendasein angetreten hast, in einem geistig-seelischen Dasein, in einer rein geistigen Welt. - Und jeden Tag wußte das dieser einer älteren Zeitepoche angehörende Mensch. So war für diese Men­schen etwas völlig Klares die Annahme eines ewigen Wesenskernes des Menschen und einer Welt, die außerirdisch ist, der der Mensch ebenso angehört, wie der irdischen. Und diejenigen, die in jenen älteren Zeiten als die Initiierten der Mysterien in diesen ganzen Sachverhalt auch noch eingeweiht waren in seinen tieferen Gestaltungen, die konnten dann zu denjenigen, die ihre Bekenner waren, aus ihrer Initiationswis­senschaft heraus so sprechen, daß diese Bekenner, diese Gläubigen, zu der Überzeugung kommen konnten, daß sie in einen Nachklang ihres vorirdischen Daseins hineinschauen und damit zu gleicher Zeit in eine geistige Welt, der der Mensch angehört mit seinem ewigen Wesenskern; das ist eine Gnade des geistigen Wesens, dem als seinem physischen Abbilde die physische Sonne entspricht. - So konnte also der Bekenner zur alten Mysterienweisheit sich sagen: Ich schaue zur Sonne hinauf, aber diese äußere physische Sonne ist nur ein Abbild eines geistigen Sonnenwesens. Dieses geistige Sonnenwesen durchdringt die geistige Welt, aus der ich selber zum irdischen Dasein heruntergestiegen bin,

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und die Kraft dieses Sonnenwesens hat meiner Seele für das Erden-dasein dasjenige mitgegeben, was bewirkt, daß ich unter den Erlebnis­sen meiner Seele während der Erdenzeit auch das habe, durch das ich im Rückblicken auf mein vorirdisches Dasein des ewigen Wesenskernes in meiner Seele gewiß bin.

Wer also in älteren Zeiten, unterstützt durch die Kraft seiner Ein­geweihten, die Gnade des Sonnenwesens empfand und damit durch sein Bildbewußtsein von seinem vorirdischen Dasein und damit von seinem ewigen Wesenskern wußte, für den war der Menschentod auf Erden noch kein besonderes Rätsel. Denn von diesem Menschentod wußte er: Der betrifft nur den physischen Menschenorganismus. -Aber er kannte etwas in sich, was zu diesem physischen Menschenor­ganismus erst heruntergestiegen ist. Der Tod wurde für ihn nur ein Ereignis, von dem dasjenige, was er ja durch seine äußere Bewußtseins-form kannte, nicht berührt wurde. Dieses war also die Seelenverfassung der Menschen in einer sehr alten Zeitepoche, in jenen Zeitepochen, die dem Mysterium von Golgatha vorangegangen sind. Da lag im Grunde genommen vor einem nach innen gewendeten Blick, der zu der Gnade des Sonnenwesens sich hinaufarbeitete, das Geheimnis der Geburt offenbar, und da war im Zusammenhange mit dem Durchschauen dieses Geheimnisses der Geburt das Rätsel des Todes noch nicht in solcher Art vorhanden, wie es für die späteren Menschen dann vor­handen war.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische]

Dieses in Bildern lebende Bewußtsein im Zusammenhang mit dem, was es für die übrige Seelenverfassung bewirkte, stellte die menschliche Seele jener älteren Menschheit so vor sich hin, daß jenes aktive, inten­sive Ichbewußtsein, welches die heutige Menschheit hat, in jener älte­ren Zeit eben noch nicht vorhanden war. Der Mensch hatte einen Einblick in seinen ewigen Wesenskern, nicht aber ein ausgesprochenes inneres Fühlen seiner Ich-Wesenheit. Das hätte er auch nicht erlangt, wenn die Gabe jenes älteren Bildbewußtseins geblieben wäre. Aber diese Gabe jenes älteren Bildbewußtseins hörte auf. Gerade in derjeni­gen Zeit, in der das Mysterium von Golgatha innerhalb der Menschheitsentwickelung

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heranrückte, dämmerte dieses Bildbewußtsein immer mehr und mehr ab. Und immer mehr stellte sich dann jener Zustand ein, wie ihn das gewöhnliche Bewußtsein heute noch erlebt in dem Unterschiede zwischen Schlafen und Wachen als schroffe Gegensätze und in der dazwischen liegenden fragwürdigen Traumwelt. Die Men­schen hatten also jenes Stück der Selbsterkenntnis verloren, das in unmittelbarer Anschauung hinwies auf das vorirdische Dasein und damit auf den ewigen Wesenskern des Menschen. Aber gerade das war notwendig, um immer mehr und mehr zum vollen Ichbewußtsein zu kommen. Zwar trat in jener mittleren Zeit der Menschheitsentwicke­lung zur Zeit des Mysteriums von Golgatha das volle Ichbewußtsein noch nicht auf bei der gesamten Menschheit, aber es bereitete sich langsam vor. Damit war aber auch vor die Menschheit in vollem Um­fange und in starker Intensität hingestellt das Rätsel des Todes, denn die Menschheit wußte jetzt durch einen unmittelbaren Eindruck nichts von derjenigen Welt, aus der sie heruntergestiegen ist in das irdische Dasein.

In der Zeit, in der die Menschheitsentwickelung dieses Stadium durchmachte, erschien nun, aus derselben Welt heruntersteigend, aus der die Menschenseele immer durch die Geburt heruntersteigt, der Christus und vereinigte sich durch die Ereignisse von Palästina mit dem Menschen Jesus. Und diejenigen, die in jener Zeit noch alte Traditionen, namentlich aber alte Methoden aus den Initiationsstätten her bewahrt hatten, Methoden, die allerdings nur noch ein Rest der alten Initiation waren, die aber doch auch in ihrem abgeschwächten Zustande zu einem Wissen darüber führten, wie es in der geistigen Welt aussieht und welchen Zusammenhang der Mensch mit dieser geistigen Welt hat -diese Initiierten konnten zu der Menschheit so sprechen, daß sie denen, die es aufnehmen wollten, sagten: Das Sonnenwesen, das früher den Menschen begnadet hat mit dem Anschauen eines Nachklanges eines vorirdischen Daseins und das seinen physischen Abglanz in der phy­sischen Sonne hat, dieses Sonnenwesen ist herabgestiegen. Denn in dem Menschen Jesus wohnte oder hat gewohnt dieses Sonnenwesen. Es hat menschlichen Körper angenommen, um von dieser Zeit an nun nicht bloß mit der geistigen Welt in Verbindung zu stehen, die der Mensch

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zwischen dem Tode und einer neuen Geburt durchmacht, sondern um in der Menschheitsevolution der Erde selber mitzuleben.

Aus den Resten der alten Initiation heraus haben also die Initiierten, die Zeitgenossen des Mysteriums von Golgatha waren, über das Geheim­nis Christi zu denjenigen gesprochen, die es aufnehmen wollten, die Vertrauen hatten zu diesen Initiierten Und es konnten die Menschen, die dieses Vertrauen hatten, lernen, wie der Christus in einen Erdenleib eingetreten ist, um jetzt nicht durch irgend etwas Lehrhaftes, sondern durch seine Tat den Menschen jenes Rätsel zu lösen, das eben erst jetzt in voller Intensität über die Menschheit gekommen ist: das Rätsel des Todes. Darauf haben eben diese Initiierten die Menschen verwiesen: daß der Christus gekommen ist, um auf Erden das Rätsel des Todes in entsprechender Weise für den Menschen zu lösen. Denn in der Zeit, in welcher das Mysterium von Golgatha im Erdbereich stattfand, hat man vor allen Dingen durch den Besitz jener Reste alter Initiations­methoden gesprochen von der geistigen Wesenheit des Christus, wie sie sich ausnimmt in der geistigen Welt selber. Den Weg hat man beschrie­ben, den der Christus, der früher niemals zum Erdendasein herunter-gestiegen war, aus der geistigen Welt zur Erde herunter genommen hatte. In allen diesen Betrachtungen der initiierten Zeitgenossen des Mysteriums von Golgatha hat das die Hauptlehre gespielt, wie der Christus seinen Weg zu dem Menschen Jesus herunter genommen hat und selber in dem Jesus Mensch gewesen ist. Da hat man nicht etwa bloß auf den historischen Jesus hingeschaut und gefragt: Was ist dieser historische Jesus inmitten der Menschheitsentwickelung? - Diesen Jesus hatte das gewöhnliche Bewußtsein allerdings vor sich. Die Zeitgenos­sen hatten ihn zum Teil vor sich, die Späteren hatten ihn durch die historische Tradition vor ihrem physisch-sinnlichen Bewußtsein. Aber das, was von älterer Initiationswissenschaft vorhanden war bei denen, die etwas über die geistigen Welten wußten, das konnte sagen: Das­jenige Wesen, das einstmals als das hohe Sonnenwesen, als der Spender der Gnade, die ich geschildert habe, angesehen worden ist, das hat seinen Weg genommen zum Menschen Jesus auf Erden. Das ist durch die Ereignisse von Golgatba gegangen; das ist - weil für den Menschen in seinem Bewußtsein die Möglichkeit aufgehört hat, hineinzuschauen

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in das vorirdische Dasein und dadurch das Rätsel des Todes eigentlich damit zu lösen, daß man es gar nicht empfand - jenes hohe Sonnen-wesen, das den Menschen die Kraft, den Tod auf Erden zu besiegen, mitgegeben hat in diesem Erschauen des Nachklanges aus dem vorirdi­schen Dasein. Das ist heruntergestiegen selbst in das irdische Dasein, hat Menschengestalt angenommen, ist durch das Mysterium von Gol­gatha gegangen, um durch den Sinn dieses Ereignisses den Menschen hier auf Erden von außen herein das wiederzugeben, was es ihnen früher für das Innere des Seelenlebens als einen Nachklang an das vorirdische Dasein im Bildbewußtsein hat mitgeben können. -So etwa sprachen die initiierten Zeitgenossen des Mysteriums von Gol­gatha.

Der Mensch war früher begnadet, in seinem Bewußtsein eine Kraft zu haben, durch die er seinen ewigen Wesenskern im Hinschauen auf ein vorirdisches Dasein unmittelbar erleben konnte. Der Mensch mußte sich weiterentwickeln. Er entwickelte ein klares Erden-Ichbewußtsein, das nur an der sinnlichen Welt entzündet und herausgebildet werden kann. Dadurch muß zurückgedämmt werden jenes alte Bewußtsein, durch das der Mensch früher seinen ewigen Wesenskern erkannte. Aber jenes Wesen, das ihn diesen ewigen Wesenskern aus der geistigen Welt herein einst hat erkennen lassen, das hat nach seinem Herabstieg auf die Erde vollbracht das Mysterium von Golgatha, damit der Mensch im Anschauen und im Verstehen dieses Mysteriums von Golgatha von außen her dasjenige erleben kann, was er früher von innen her erlebt hat. Von dem Christus auf Erden soll der Mensch dasjenige weiter erleben, was er früher durch den Christus aus der geistigen Welt herein erlebt hatte.

Was dieses in bezug auf die weitere Evolution der Menschheit dann für eine Bedeutung hatte, werde ich im dritten Teil der heutigen Be­trachtung berichten.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Die Reste alter Initiationsmethoden, durch die es den Zeitgenossen des Mysteriums von Golgatha, wenn sie initiiert waren oder auch noch Nachfolgern derselben, möglich war, in sachgemäßer Weise von dem

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Herabsteigen des Christus zu reden und von dem Wege, den er bis zu seinem Herabstieg in den Menschen Jesus genommen hat, diese Reste pflanzten sich fort, indem sie immer mehr und mehr abdämmerten in der Kraft der Menschheit, bis in das vierte nachchristliche Jahrhundert. Im vierten nachchristlichen Jahrhundert hörten die alten Initiations-methoden auf, in der menschlichen Organisation in rechter Art Kräfte hervorzurufen, die einwandfreie Einsichten in die geistige Welt erga­ben. Die Menschheit trat zunächst in eine Periode ihrer Entwickelung ein, in der sie im wesentlichen angewiesen war auf jene Erkenntnisse und Anschauungen, die nur aus der Sinnenwelt gewonnen werden können und aus dem Denken, das auf den Eindrücken und Beobach­tungen der Sinnenwelt gebaut ist. Diese durch einige Jahrhunderte dauernde Periode der Menschheitsentwickelung brachte das zustande, was ich eben angedeutet habe als die Entwickelung, als die Entfaltung des Ichbewußtseins.

Man kann Geschichte nicht richtig studieren, wenn man nicht die Zeit vom vierten nachchristlichen Jahrhundert ab bis etwa in das fünf­zehnte Jahrhundert hinein gerade in der zivilisierten Menschheit dar­aufhin anzusehen vermag, wie sich das Ichbewußtsein allmählich herausgestaltet. Gewiß, Vorläufer in der Gestaltung dieses Ichbewußt­seins waren auch schon früher vorhanden, aber im wesentlichen ist ein großer Unterschied zwischen selbst dem gebildetsten, dem gelehrtesten Menschen des vierten, fünften Jahrhunderts und jenem des fünfzehnten oder sechzehnten Jahrhunderts. Wer hineinschauen kann - ich möchte nicht einmal sagen in die Seele des Augustinus, in dem das Ichbewußt­sein in seinem Heranreifen recht anschaulich, nämlich seelenanschau-lich studiert werden kann -, sondern wer hineinschauen kann in die Seele zum Beispiel des Scotus Erigena aus dem neunten Jahrhundert, der sieht, wie da jenes Ichbewußtsein, das später dem einfachsten Menschen eigen ist, sich erst herausbildet, sich herausbildet, indem zugleich jenes alte Anschauen aufhört, durch das man zum Beispiel dasjenige ausbilden konnte, was Alchimie war: ein Durchsetzen des­jenigen, was Augen sehen, mit demjenigen, was die Seele in den Dingen erlebte. Das rein sinnliche Anschauen, als Grundlage der menschlichen Erkenntnis, erstand ja erst etwa im fünfzehnten Jahrhundert. Aber es

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hat sich herausgebildet. Und in dieser Hinlenkung des Menschen auf die rein sinnliche Anschauung, die dann einen Gipfel erreichte im Zeit­alter Kopernikus', Galileis und Giordano Brunos, in diesem Hinlenken auf die sinnliche Welt bildete sich zugleich das Sinnesbewußtsein, das Ichbewußtsein aus.

Dieses Ichbewußtsein aber ließ das Hineinschauen in die geistigen Welten gewissermaßen hinunterfallen in dunkle Tiefen. Was alte Mysterienanschauung, Initiationserkenntnis war, das dämmerte mit dem vierten nachchristlichen Jahrhundert hinunter und fand kaum eine Fortsetzung in der weiteren Zivilisation der Menschheit. Denn die sehr verborgene Fortsetzung blieb der äußeren, auch der gelehrten abendländischen Menschheit fast ganz unbekannt. In dem allgemeinen Bildungsleben, Zivilisationsleben, war eine Initiationswissenschaft eigentlich nicht wirksam. Dadurch konnte sie auch nicht wie in den ersten christlichen Jahrhunderten - wenn es auch Reste waren, so doch noch Reste der alten Initiationswissenschaft - über den Weg des Christus aus den geistigen Welten zur Erdenmenschheit hin aufklären. Und es stand vor der Menschheit, auch vor der gelehrten Menschheit, daher nur der historische Jesus, jener Jesus, von dem die Geschichte berichtete, die jedoch nicht hinzufügte, weder im menschlichen An­schauen noch durch eine Initiationsbelehrung, zu diesem historischen Jesus das Bild des Christus, der mit ihm verbunden war.

Daher konnte die kirchliche Entwickelung für diese Jahrhunderte nichts anderes tun, als ihre Gläubigen immer wieder und wieder auf den historischen Jesus zu verweisen, lebendig zu machen das Bild des historischen Jesus. Aber über alles, wovon noch in den ersten christli­chen Jahrhunderten diejenigen sprechen konnten, die von der geistigen Welt etwas Wirkliches wußten, über alles das konnte jetzt unmittelbar nichts Wirkliches gewußt werden. Nur das, was in der Tradition von den Zeiten her bewahrt war, als es noch solche Menschenseelen gegeben hat, die aus der Initiationswissenschaft heraus etwas über die geistige Welt wirklich wußten, nur das, was sich aus der Tradition aus altem christlichem Wissen bewahrt hatte, konnte als Dogmen über den Chri­stus von der Kirche hingestellt werden, und nicht wurde hingewiesen auf solche, die noch eine Anschauung hatten von dem geistigen Inhalt

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dieser Dogmen, sondern diese Dogmen wurden zum Gegenstand eines bloßen Glaubens gemacht.

In der Zeit, in der sich mit Bezug auf die Sinneswelt das Wissen immer mehr und mehr ausbildete und vertiefte, wurde neben dieses Wissen von der Sinneswelt hingestellt ein Glaubensinhalt, ein Dogmen-gehalt, der nur durch eine äußerliche Festsetzung an die Jesusgestalt anknüpfte, die eben durch die äußere Geschichte vor dem gewöhnlichen Bewußtsein der Menschheit dastand und diese Gestalt angenommen hatte. Dieses Verhalten fand ja dann seine Fortsetzung auch durch das siebzehnte, achtzehnte, neunzehnte Jahrhundert und hatte endlich sogar zu einer auch noch christlich sein wollenden Theologie geführt, die nur noch auf den Menschen Jesus hinweisen wollte, weil der nur durch die historische Tradition vor dem gewöhnlichen Bewußtsein dastand. Aber in der Zwischenzeit hatte dasjenige Bewußtsein, welches das Ich-Erlebnis ausgebildet hatte, das sich umgesehen hatte in den Gesetzmäßigkeiten der Sinneswelt, immer weniger und weniger Nei­gung, sich an den festgestellten Glaubensinhalt zu halten. Gerade bei den führenden Menschenpersönlichkeiten, bei denen sich dieses neue Bewußtsein am meisten ausgebildet hatte, emanzipierte man sich von den Neigungen zum Glaubensinhalt, vom Christus. Und so kam es, daß namentlich stark im neunzehnten Jahrhundert die auch christlich sein wollende Theologie heraufkam, die den Christus über dem Jesus völlig für die Erkenntnis verloren hatte, die nur noch von dem Jesus von Nazareth sprach, die den Jesus erkennen wollte als einen der Menschen, vielleicht auch als den vorzüglichsten, der sich in die Menschheitsent­wickelung hineingestellt hat.

Hatte man in den ersten christlichen Jahrhunderten aus den Resten der alten Initiationsweisheit heraus, wenn vom Mysterium von Golga­tha gesprochen wurde, den Weg zu beschreiben gesucht, den man fand von der Anschauung der Christuswesenheit angefangen bis zu der Ver­körperung dieser Christuswesenheit in dem Jesus von Nazareth, ging man für das Verständnis des Mysteriums von Golgatha in diesen ersten christlichen Jahrhunderten von dem Christus aus, um zu dem Jesus zu kommen, so ging man jetzt von dem Jesus aus, den man zunächst als Menschen anschaute, und wollte dann von dem Jesus aus zu dem Christus

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kommen. Das aber nahm naturgemäß den Weg, daß man zuletzt sich nur seine Ohnmacht entweder gestand oder auch nicht gestand, von dem historischen, für das gewöhnliche Bewußtsein vorhandenen Jesus-Wesen, von dem «schlichten» Jesus-Wesen in Palästina aufzu­steigen zu dem Christus. So hat die Theologie eines Teiles der Mensch­heit den Christus über dem Jesus verloren.

Dies kann erst anders werden durch die moderne Initiation, durch jene Initiation, die ich in diesen Tagen in ihren Hauptzügen charakte­risiert habe, die zur Imagination, Inspiration und Intuition in einer neuen Form führen kann. Durch diese neue Initiationsweisheit ist es wiederum möglich, über das bloße historische Jesusbild hinaus zu einem unmittelbaren Anschauen des vorirdischen Menschendaseins und der Welt, in der dieses vorirdische Menschendasein verläuft, zu kommen, und damit auch den Christus in seiner außerirdischen Geistwesenheit anzuschauen, also wiederum von dem Christus aus den Jesus und damit das Mysterium von Golgatha zu verstehen. Damit kann der Weg, zu dem die moderne Theologie geführt hat und der über dem Jesus den Christus verloren hat, wiederum umgelenkt werden. Man kann wie­derum aus der geistigen Anschauung heraus den Christus erkennen und durch die Erkenntnis des Christus den Jesus, in welchem der Christus Mensch geworden war, anschauen und hinschauen mit der im Geiste gewonnenen Christus-Erkenntnis auf das Mysterium von Golgatha. Durch anthroposophische Anschauung muß der Christus, der für einen Zweig der modernen Theologie schon verlorengegangen ist, wiederum gewonnen werden. Was das für die innere Entwickelung des Menschen zu bedeuten hat, will ich in dem vierten Teile dieser heutigen Betrach­tung berichten.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Es ist schon gesagt worden, daß durch das Heraufleuchten des Ich­bewußtseins das Rätsel des Todes sich vor die Menschenseele hinstellte. Dieses Rätsel des Todes mußte sich ja vor diese menschliche Seelen-verfassung hinstellen aus dem Grunde, weil, indem das Ich mit voller Klarheit im inneren seelischen Erleben anwesend wurde, dadurch der physische Menschenorganismus die eigentliche Grundlage für dieses

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menschliche gewöhnliche Bewußtsein geworden ist. Dieses Ich-durch­tränkte Bewußtsein hat zu seiner Grundlage den physischen Menschen­Organismus, und der Mensch lernte instinktiv fühlen, wie nur dasjenige in sein seelisches Erleben hereingeht, das zur Grundlage diesen physi­schen Menschenorganismus hat. Er hatte ja jetzt durch unmittelbares Bildbewußtsein keine Anschauung von seinem ewigen Wesenskerne. Gerade durch das, was ihm ein Höchstes für das Erdendasein gab, sein Ichbewußtsein, gerade dadurch wurde er auf seinen physischen Leib verwiesen, wurde darauf verwiesen, wie ihm sein physischer Leib aus seiner Konstitution heraus das volle Ich-durchtränkte Bewußtsein auf­leuchten ließ.

In diesem Bewußtsein läßt sich nicht sagen: Wir haben etwas innen in unserer Seele, das wir durch die Pforte des Todes tragen. - Gerade das, was die Gnade des hohen Sonnenwesens einer älteren Menschheit gab an Rückblick auf das vorirdische Dasein, das strahlte ja in das gewöhnliche Bewußtsein dasjenige hinein, was über den Tod auch hin-ausweisen konnte. Jetzt war das Bewußtsein gerade dadurch besonders klar geworden, daß es in seinem ganzen Umfange ein Erlebnis des physischen Menschenorganismus geworden ist. Damit aber war es für den Menschen nur noch möglich zu sagen: Du hast Kräfte in dir, die dir dein Bewußtsein erhellen, dir dein Bewußtsein erleuchten, die aber von dem physischen Leibe kommen. Dieser physische Leib zerfällt mit dem Tode. In demjenigen, von dem du weißt in deinem gewöhnlichen Bewußtsein, verspürst du nichts von etwas, was dich hinübertragen kann in eine andere Welt. Mag es so etwas geben - aber du verspürst, du weißt durch dein gewöhnliches Bewußtsein nichts von einem solchen Dasein.

Diese Rätselhaftigkeit des Todes war allerdings mit einer besonderen Intensität, als die Menschen in bezug auf diese Dinge noch sensitiver waren, hervorgetreten in den ersten christlichen Jahrhunderten. Allein die Initiierten hatten den Menschen hingewiesen auf das Mysterium von Golgatha, und in den folgenden Jahrhunderten hatte die christ­liche Entwickelung in ihren Führern dem Menschen durch die Glau­bensdogmen einen Hinweis gegeben auf das Mysterium von Golgatha. Was sollte dieses Mysterium von Golgatha dem Menschen sein?

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Wer ein inneres menschliches Verhältnis zu dem Christus gewinnen kann, wer hinblicken kann in Anerkennung und Bejahung zu dem Mysterium von Golgatha, der muß in sein Bewußtsein etwas herein-nehmen, das ihm keine Sinneswelt geben kann. Gerade der, der am allermeisten in die Konstitution der Sinneswelt hineinschaut, kommt ja aus dieser Konstitution der Sinneswelt nur zu einer Widerlegung des Mysteriums von Golgatha, denn mit keinem Sinnenverständnis kann man das Mysterium von Golgatha verstehen. Kann man es jedoch in sein Herz aufnehmen, ist man dennoch in der Lage, als Mensch ein im Gemüte wurzelndes Verständnis für dieses einmal im Erdenlaufe sich vollziehende, nur aus dem Geiste heraus verständliche Ereignis zu fassen, so reißt man sich in diesem seinem gewöhnlichen Bewußtsein heraus aus dem bloßen Sinnesverständnis, das gerade das Ichbewußt-sein in seiner besonderen Klarheit und Intensität ausmacht.

Keiner, der nur innerhalb der Sinneswelt stehenbleiben will, kann zu einem Verständnisse des Mysteriums von Golgatha kommen. Verzich­tet man dagegen auf ein Verständnis in der Art, wie man dies aus der Sinneswelt erfahren kann gegenüber dem Mysterium von Golgatha, und bekommt man dennoch ein Verhältnis der Gläubigkeit, ein Ver­hältnis der Anerkennung, ein Verhältnis des verehrungsvoll andächti-gen Aufschauens zu dem Mysterium von Golgatha, bekommt man ein Verständnis dafür, was der Christus der Menschheit geworden ist durch sein Herabsteigen aus einem geistigen Dasein in das Erdenleben, dann reißt man sich in seinem irdischen Bewußtsein durch das, was gerade durch das sinnliche Verständnis als ein Höchstes erworben wird, heraus aus dem bloßen Sinnesverständnis. Dadurch läßt man keimen, entfaltet man in diesem gewöhnlichen Bewußtsein eine Kraft, die nicht durch natürliches Entwickeln des Menschen im Bewußtsein sein kann. Man muß sich innerlich mehr vertiefen, man muß das Bewußtsein intensi­vieren, wenn man zu dem Sinnesverständnis innerlich soviel Kraft aufbringen will, daß das Mysterium von Golgatha in seiner geistigen Bedeutung für die Seelenverfassung des Menschen eine Wahrheit sein kann. Und mit diesem auf das sinnliche Verständnis verzichtenden Wahrheit-Anerkennen des Mysteriums von Golgatha, mit diesem An­erkennen, daß der Christus in dem Jesus wirklich auf Erden gewesen

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ist, daß mit dem Mysterium von Golgatha mitten im irdischen Dasein eine himmlische, eine außerirdische Tatsache sich vollzogen hat, die bleibende Bedeutung gewonnen hat, mit der Anerkennung dieser Wahrheit ersetzt man jetzt diejenige Kraft, die im natürlichen Bewußt­sein einmal vorhanden war, doch jetzt nicht mehr vorhanden ist.

Einmal war im natürlichen Bewußtsein die Kraft vorhanden, hinzu-schauen auf das vorirdische Dasein und aus diesem Hinschauen heraus die Bewußtseinskraft zu gewinnen, die Seele hindurchzutragen durch die Pforte des Todes. Das, was so nicht mehr da war, sollte nun in die Seele einziehen durch das Mysterium von Golgatha und durch jene Erkraftung, die in der Seele stattfinden konnte, wenn man sich zu der Wahrheit des Mysteriums von Golgatha durch inneres Seelenerleben bekennt. Dann konnte, indem in einem selber lebendig wurde das Pau­linische Wort «Nicht ich, sondern der Christus in mir», dann konnte einen der Christus mit der Kraft, die von seinem Mysterium von Golga­tha ausstrahlte, hinwegtragen über dasjenige, in das der physische Tod den Menschen allein durch sein Bewußtsein hineinversetzen konnte. Dadurch konnte man wieder eine Kraft gewinnen, von der man wußte:

mit dieser Kraft läßt sich über die Pforte des Todes hinauskommen.

Wie sich die Geheimnisse des Todes, als der andere Pol der Geheim­nisse der Geburt, von denen ich gestern gesprochen habe, im Zusam­menhange mit der Christuswesenheit weiter schildern lassen, davon wird morgen die Rede sein. Heute möchte ich aber diese Betrachtung dadurch abschließen, daß ich auf dasjenige hinweise, was schon in den ersten christlichen Jahrhunderten, als das ganze Rätsel des Todes sich vor die Menschenseele stellte, ein alter Initiierter zu denen sagte, vor denen schon das ganze Todesrätsel stand. Er sagte: Sehet hin auf das Stadium des menschlichen Leibes, wo der Mensch zu dem Gebrauch des Ichbewußtseins bereits gekommen ist; in diesem Stadium deckt einem der physische Menschenleib zu die gesamte menschliche Wesenheit. Wo der Mensch zur Entfaltung seines Ichbewußtseins kommt, da ist er so beschaffen, daß er durch den physischen Leib und bloß in dem physi­schen Leib niemals zum Ergreifen desjenigen Wesens in ihm kommen könnte, das dem Geiste angehört. Sehet hin - so sagte also ein solcher Initiierter in den ersten christlichen Jahrhunderten zu seinen Bekennern -,

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sehet hin auf den physischen menschlichen Organismus: da, wo ihr in das Stadium kommt, wo der physische Leib das Höchste für das Ichbewußtsein zu bringen hat, da erweist er sich als unvollkommen. Dieser physische Menschenorganismus ist daher krank, denn gesund wäre er nur, wenn er dem Menschen ein Bewußtsein geben könnte von seiner geistigen Bedeutung. Dieser physische Organismus hat sich so entwickelt, daß in ihm die Krankheit gegenüber dem Geistesleben von Anfang an war. Da ist der Christus heruntergestiegen in das Mysterium von Golgatha, nicht nur als ein Lehrer, sondern als der Seelenarzt, der den Menschen von der Seele aus heilt für das, was an seinem physischen Organismus krank ist.

So haben diese Initiierten der ersten christlichen Jahrhunderte, die von der heutigen Theologie nicht mehr anerkannt werden, deren An­denken man sogar verschüttet hat, den Christus hingestellt als den Seelenarzt, als den Heiler, als den Heiland der Menschheit. Dadurch haben sie ihn in den Sinn der ganzen Erdenentwickelung versetzt, indem sie gezeigt haben, wie die Erdentwickelung der Menschheit in einer absteigenden Linie verläuft, bis zur völligen Erkrankung des physischen Organismus gegenüber den höchsten Aufgaben des mensch­lichen Bewußtseins, und bis zum Eingreifen des göttlichen Heilandes als Seelenarzt mit Bezug auf die menschliche Seelenverfassung gegen­über einer geistig-göttlichen Welt. So bekam durch die Initiierten der ersten christlichen Jahrhunderte die Anschauung von dem Christus einen tiefen Sinn: Christus als der Seelenarzt der Welt, als der Heiler der Menschheit, als der Heiland.

Auf Grund von alledem kann man sagen: Wenn man das, was die Initiierten einer alten Zeit, bevor das Mysterium von Golgatha auf der Erde eingetreten war, weiteren Menschheitskreisen, zu denen diese Leh­ren Zugang fanden, sagen konnten von einem geistigen, einem göttli­chen Dasein, das alles sinnliche Dasein durchsetzt und ihm zugrunde liegt, wenn man das im modernen Bewußtsein wiederum ganz lebendig macht durch eine imaginative Einsicht, dann wird das, was sonst abstrakte Gedankenphilosophie ist, nicht nur in dem Sinne belebt, wie ich das in den letzten Tagen hier charakterisiert habe, sondern es wird dann abstrakte Gedankenphilosopbie auch durchchristlicht. Und in

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derjenigen Erkenntnis, in der die moderne Imagination den Menschen wiederum hinführt zu einer Erkenntnis der geistigen Welt, durchchrist­licht sich die Philosophie, und es kann in die Menschheit einziehen, was einst in der alten Menschheit da war: das Bewußtsein von dem göttlich-geistigen Vater alles physischen Daseins. Dieses göttliche Vater-Bewußtsein war es im wesentlichen, zu dem mit der übrigen Menschheit die alten vorchristlichen Initiierten hinstrebten. Der höchste Initiations-grad war der, wo der Initiierte als der «Vater» repräsentierte in den Mysterien den göttlich-geistigen Weltenvater.

Macht man diese Anschauung in sich rege, dann entsteht das, was man eine christliche Philosophie nennt. Und lernt man dadurch des weiteren durch die moderne Inspiration das kennen, was mit den Resten einer alten Inspiration schon vorahnend die Initiierten der ersten christlichen Jahrhunderte gesagt haben, so lernt man erkennen, wie ein geistig-göttliches Wesen, der Christus, aus geistigen Welten sich in die Erdenevolution der Menschheit hineinversetzt und den Mittelpunkt dieser Erdenevolution bildet. Man bringt einen sinnvollen Geist in die Erdenevolution der Menschheit und in ihre Gesetzmäßigkeit dadurch hinein, daß man durch das Mysterium von Golgatha diese Erdenevolu­tion der Menschheit anknüpfen lernt an den Kosmos, indem man zu dem kosmischen Christuswesen hinaufzusehen vermag. Wie der Himmel sich weiter um die Erdenevolution gekümmert hat, wie der Kosmos weiter für die Angelegenheiten der Menschheit gesorgt hat, das lernt man erkennen, und das erweitert denjenigen Charakter der Kosmologie, den ich hier schon charakterisiert habe, den Charakter einer geistigen Kos­mologie, zu dem einer christlichen Kosmologie.

Und wenn dann der Mensch im Sinne des Paulinischen Wortes «Nicht ich, sondern der Christus in mir» ein lebendiges Verhältnis zu dem Christus und dem Mysterium von Golgatha gewinnt, dann führt ihn der Christus dadurch, daß er ihm über das Rätsel des Todes hinweg-hilft, hinein in ein erneuertes Leben im Geiste, und man lernt den neuen Geist kennen, der jetzt wiederum der Menschheit klarmachen soll, daß es über die physische Welt hinaus eine sie regelnde, ordnende, sie durch­pulsende geistige Welt gibt. Man lernt, als von Christus ausgehend, die Sendung des heilenden, von Christus selbst geheiligten Geistes kennen;

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man lernt als die Grundlage einer neuen Religionserkenntnis das Mysterium des Heiligen Geistes kennen.

Die Trinität, von der so lange als von einem Dogma gesprochen worden ist, geht wieder lebendig vor dem Menschen auf. Und hinblik­kend auf die vorchristlichen Mysterien kann man sagen: In ihnen lebte der Vatergott, der auch für uns die Weltbedeutung beibehält; durch das Mysterium von Golgatha trat der Menschheit nahe der Sohnesgott in Christus, und als das, was der Sohnesgott in die Mensch­heit hineingebracht hat, der Zusammenhang mit dem heilenden, mit dem Heiligen Geist. Die Trinität wird wieder eine anschaulich leben­dige, kein Dogma. Durch die Verlebendigung des Vaterbewußtseins ersteht eine durchchristete Philosophie, durch die Verlebendigung des Sohnesbewußtseins ersteht eine durchchristete Kosmologie, und in An­lehnung an das, was der Christus unter dem heilenden Geist verstanden hat und über die Menschheit gnadenvoll ergossen hat, ersteht eine neue, erkenntnismäßige Grundlage einer christlichen Religion.

Anknüpfend an eine solche christliche Philosophie, an eine christ­liche Kosmologie und an eine christliche Religionserkenntnis wollen wir dann über das Geheimnis des Todes im Zusammenhang mit der Christuswesenheit und dem Verlaufe der Menschheitsentwickelung morgen weitersprechen.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

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ACHTER VORTRAG Dornach, 13. September 1922 Das gewöhnliche und das höhere Bewußtsein

Indem ich dazu übergehe, in den nächsten Vorträgen Ihnen zu schil­dern das Problem des Todes des Menschen, der Seelenunsterblichkeit im Zusammenhange mit dem Christus und der Entwickelung des Chri­stentums, wird es heute notwendig sein, daß ich einiges von dem, was ich hier schon vorgebracht habe, von einem anderen Gesichtspunkte aus noch einmal beleuchte.

Wenn wir auf die beiden Zustände sehen, die im täglichen Menschen­leben abwechseln, den Wachzustand und den Schlafzustand, dann tritt uns zunächst für das gewöhnliche Bewußtsein das entgegen, daß der Mensch während des Schlafzustandes ausgeschaltet hat seine Sinneswahrnehmung, aber auch gewissermaßen ausgelöscht hat, was er im Seelenleben als Denken, Fühlen und Wollen erlebt. Alles, was wir im Wachzustande als Menschen zusammenfassen als unser «Selbst», ist eigentlich im Schlafzustande ausgelöscht.

Das, was hier ausgelöscht ist, wird nun Stück für Stück durch die Imagination, Inspiration und Intuition wiederum entzündet. Zuerst muß sich die Meditation, um das imaginative Denken hervorzurufen, an das gewöhnliche Denken wenden. Ich habe dargestellt, wie man Gedanken verwendet, um meditierend zur imaginativen Erkenntnis zu kommen. Gerade mit Bezug auf das Problem des Todes ist es not­wendig, daß noch einmal klarer dasjenige hingestellt wird, was die Initiations-Erkenntnis auf ihrem Wege erlebt, weil dadurch eben erst anschaulich wird, in welches Verhältnis der Mensch zu seinem physi­schen Leib und zu seinem geistig-seelischen Wesen mit dem Eintritt des Todes kommt.

Wenn man in der Art, wie ich es geschildert habe, das Denken behandelt, so macht man zuerst die Erfahrung, daß, indem man sich mit seiner ganzen Seele außerhalb des physischen Organismus fühlt, man eigentlich eine Weile nicht denken kann. Das Denken entfällt

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einem gewissermaßen für eine kurze Weile. Es gehört ein gewisser Mut dazu, eine innere Energie und auch eine gewisse Geistesgegenwart, um diesen Moment in voller Besonnenheit zu erleben. Dann aber bemerkt man, wie man aufwachend in sich eine viel stärkere seelische Aktivität erlebt, als man früher gehabt hat. Das Denken beginnt wiederum. Der Fortschritt liegt also so, daß man zuerst das gewöhnliche Bewußtsein hat - ich bemerke ausdrücklich: dieses gewöhnliche Bewußtsein bleibt bei dem wirklichen Imaginieren erhalten -, aber man muß ja immer sich hinüberleben in den anderen Zustand und sich wieder zurückleben. In diesem anderen Zustande aber - für das gewöhnliche Bewußtsein behält man natürlich das gewöhnliche irdische Bild -, in diesem anderen Zustande, in den man eintreten kann, verliert man gewisser­maßen die Fähigkeit, Gedanken hervorzubringen; aber es tritt beim weiteren Meditieren eine stärkere Aktivität auf, und man bekommt jetzt ein stärkeres inneres Gedankenerleben. Und während für das gewöhnliche Bewußtsein die Gedanken so erlebt werden, daß sie zu­meist Gedanken über die äußere Sinneswelt sind und Erinnerungsge­danken, dumpfe Gedanken, die aus allerlei Gefühlserlebnissen und Emotionen heraufkommen, hat man jetzt ein Denken, durch das man in der Art, wie ich es auch schon geschildert habe, den eigenen Lebens­lauf, den man hier auf der Erde von der Geburt bis jetzt verbracht hat, in aktiven Gedanken in das Bewußtsein aufnehmen kann, und zwar ist es eine tiefere Schicht des Lebenslaufes, um die es sich da handelt. Ich habe schon gesagt, es sind nicht die Erinnerungen, die man auch im gewöhnlichen Bewußtsein hat, sondern es ist eine tiefere Schicht. Man sieht tatsächlich hinein in ein ätherisches Geschehen, das den physischen Organismus aufbaut, durchsetzt und durchdringt und ihn immer durchdrungen hat. Alles, was sich da vollzogen hat seit der Geburt, indem im physischen Organismus Wachstum bewirkt wurde, die einzelnen Organe plastisch ausgebildet wurden, unsere denkerischen Fähigkeiten, unsere Gefühlsfähigkeiten und unsere Willensfähigkeiten aus den Tiefen der Organisation heraufgeholt wurden, alles, was im Zusammenhange mit einem realen Leben, das sonst dem Bewußtsein verborgen ist, das schießt auf in Form von aktiven, innerlich erlebten substantiellen Gedanken. Man geht also gewissermaßen von dem gewöhnlichen

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Denken über einen Abgrund hinüber zu einem Denken, das den eigenen Ätherleib erlebt.

Man muß, indem man in dieser Weise das imaginative Denken enthüllt, sehr stark darauf achten, was einem für die Momente, wo man in diesem imaginativen Denken ist, entfällt. Das erste, was einem ent­fällt, sind eigentlich die Erinnerungen. Man hat die Erinnerungen im gewöhnlichen Bewußtsein, aber neben dem gewöhnlichen Bewußtsein entwickelt sich dieses andere, das imaginative Bewußtsein. In diesem gibt es keine Erinnerungen. Wie das ist, bitte ich Sie, durch folgendes sich klar zu machen: Auch wenn man sich erinnert, wie in allen Erleb­nissen des gewöhnlichen Bewußtseins, lebt man eigentlich in der Gegen­wart. Man nimmt das wahr, was gegenwärtig vor einem steht, man denkt Gedanken über das Gegenwärtige, und wenn man sich erinnert an Vergangenes, so hat man ja auch im gegenwärtigen Augenblick ein Bild, das nur auf die Vergangenheit hinweist. Also das gewöhnliche Bewußtsein erlebt Gegenwart. Das imaginative Bewußtsein erlebt den eigenen Lebenslauf so, daß die einzelnen Partien auf einmal übersehen werden, wie wenn also die Dinge, die in der Zeit sind, so wären wie im Raume, nämlich nebeneinander. Wie man sonst in der Sinneswahrneh­mung ein Ding neben dem anderen gleichzeitig erlebt, so erlebt man seine eigene irdische Vergangenheit: gleichzeitig. Die Zeit wird wie der Raum. Die Geschehnisse, die man im dreißigsten, achtzehnten, zehnten, siebenten, fünften Jahre erlebt hat, stehen da vor der Seele; nebeneinan­der stehen sie.

Dadurch unterscheiden sich diese Erlebnisse des imaginativen Be­wußtseins von denen des gewöhnlichen Bewußtseins. Das gewöhnliche Bewußtsein lebt in der Gegenwart; für die Vergangenheit hat es nur die Erinnerung. Das imaginative Bewußtsein durchlebt Zeiten, aber so, daß die Zeiten vor der Seele auf einmal stehen. Die Erinnerungen, die Erinnerungsgedanken, sagte ich, entfallen einem zuerst. Es ist in der Tat so: Das, was einem im gewöhnlichen Bewußtsein außerordentlich viel im Leben hilft, nämlich, daß man ein Gedächtnis hat, daß man Erinnerungen hat, das hat man im imaginativen Bewußtsein nicht. Man behält selbstverständlich, weil man den natürlichen Menschen neben sich hat, das Erinnerungsvermögen im gewöhnlichen Menschen

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so, wie es vorhanden war; aber für das, was man neu hat, also den gewöhnlichen menschlichen Lebenslauf, hat man keine Erinnerung. Nehmen Sie an, ein Imaginierender erlebt in einem bestimmten Augen­blick seinen Lebenslauf. In drei Tagen will er ihn wieder erleben. Da kann er sich nicht zurückerinnern an das, was er heute erlebt hat. Er muß wieder dieselben Verrichtungen machen, die ihn dazu führen, den Lebenslauf zu erleben. Er muß sich wieder hin-üben zu diesem Er­leben. Geradeso, wie ein reales physisches Ding nicht einfach für die Erinnerung einem da sein kann, sondern man wieder zu ihm hingehen muß, so kann man auch das, was man jetzt erlebt, nämlich seinen ätherischen Leib, nicht bloß durch die Erinnerung hervorrufen, denn es ist ein Reales; es muß immer wieder neu hervorgerufen werden.

Das ist etwas, was viele, die solche Seelenübungen machen, ent­täuscht. Sie nehmen ihre Übungen in Angriff, erreichen auch etwas, können etwas schauen. Sie glauben, daß ihnen nun dieses Schauen bleibt, daß sie es immer wieder in der Erinnerung hervorrufen können. Sie können es nicht, und sie sind enttäuscht. Es müssen immer wieder Anstrengungen gemacht werden, um die Erlebnisse innerlich neuer­dings zu produzieren. Ein Beispiel dafür: Nehmen Sie an, einer, der aus der neueren Meditationswissenschaft heraus spricht, hält einen Vortrag. Er hält ihn so, daß er nicht alles in abstrakte Ideen umgesetzt hat, sondern er wird aus der lebendigen Anschauung heraus reden. Daher kann er sich nicht so vorbereiten, daß er etwas, was er im Konzept hat, auswendig lernen würde. Man kann auswendig lernen die Dinge, die sich auf die physische Welt beziehen, aber man kann nicht die Dinge auswendig lernen, die sich auf ein imaginatives Bewußtsein beziehen, denn diese müssen immer wieder aufs neue produziert werden. Man kann sich auch vorbereiten, aber dieses Vorbereiten ist eine Art von Üben.

Es ist so, wie wenn Sie durch ein Üben sich eine Fähigkeit aneig­nen. So hilft Ihnen das Durchmeditieren, das Durchüben für das, was Sie aus der übersinnlichen Welt hervorbringen wollen. Aber produziert werden muß es, wenn es wirklich aus der geistigen Welt heraus leben soll, im unmittelbaren Augenblick. Es muß entstehen im unmittelbaren Augenblick. Dann hat es in seinem Ausdruck, in seiner Formulierung

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den unmittelbaren Nachklang des Spirituellen. Sie verzeihen, wenn ich dabei als etwas Persönliches dieses vorbringe: Ich habe schon über ein Thema dreißig-, vierzigmal gesprochen. Es hilft mir gar nichts zu meiner Erleichterung, das dreißigste Mal über ein Thema zu sprechen. Es ist genau so schwer wie beim ersten Male; es handelt sich dabei immer wiederum um denselben Prozeß. Was man braucht, um eine Grundlage für dieses Produzieren zu haben, das ist Sammlung, Ruhe, damit aus der beruhigten Seele das Produzieren hervor­gehen kann. Vielleicht wäre es nicht nötig, aber um mich zu ver­deutlichen, möchte ich da noch die Bemerkung machen, daß in dieser Beziehung ein Auditorium gegen den, an den es Anspruch macht, daß er aus der spirituellen Welt etwas vorträgt, oftmals gerade­zu grausam ist, indem - selbstverständlich sind die Anwesenden immer ausgenommen -, was bei einem professoralen Vortrag ganz gut gehen mag, bei einem spirituellen Vortrag vorher alle möglichen Zuhörer kommen und alle möglichen Fragen stellen, und gar keine Rücksicht darauf nehmen, daß im nächsten Augenblick Dinge aus der spirituellen Welt herausgeholt werden sollen.

So habe ich versucht, das subjektive Erlebnis des Imaginierens Ihnen darzustellen. Dadurch, daß man in sich weiß, wie dieses aktive, dieses lebendige Denken, das nun den eigenen Lebenslauf zum Inhalt hat, hinauftaucht, dadurch weiß man auch, was seiner Wesenheit nach das gewöhnliche Denken ist. Man kann jetzt, vom imaginierenden Bewußt­sein aus, auf dieses gewöhnliche Denken zurückschauen, und da kommt man zu der Erkenntnis: Dieses gewöhnliche Denken hat ja in sich gar keine Realität. In Wirklichkeit imaginiert nämlich jeder Mensch. Er imaginiert unbewußt und hat dieses substantielle Denken in sich. Aber weil er die Seelenkräfte nicht genügend verstärkt hat, deshalb ist er seelisch zu schwach, um das, was da in ihm drinnen ist, ins Bewußtsein heraufzuholen, und so ergreift er, wenn er denken will, immer seinen physischen Leib. Der wird ihm die Grundlage für das gewöhnliche Denken. Aber was entsteht da eigentlich? Nun, indem diese innere Aktivität, die ein unbewußtes Imaginieren ist, auch beim gewöhnlichen Bewußtsein, sich an den physischen Organismus wendet, schlüpft sie in diesen physischen Organismus hinein. Das, was man nicht weiß, was

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unbewußt bleibt, was dann in der imaginativen Erkenntnis als aktives Denken heraufleuchtet, das schlüpft beim gewöhnlichen Bewußtsein in den physischen Organismus hinein, bedient sich desselben, und es wird nun als das, was es ist und das nicht weiß, weil es unbewußt bleibt, zurückgeworfen als innere Spiegelbilder. Das sind die gewöhnlichen Gedanken. Sie haben ebensowenig eine Realität, wie Spiegelbilder eine Realität haben gegenüber den Dingen, die vor dem Spiegel stehen. Es wird uns etwas zurückreflektiert von unserem physischen Leib, und das sind die Gedanken, die ins gewöhnliche Bewußtsein kommen, lediglich Spiegelbilder. Wer sie daher erlebt, diese Gedanken, der erlebt in ihnen kein Substantielles. Es ist kein Saft und keine Kraft in diesen Gedanken des gewöhnlichen Bewußtseins. In dem Augenblick dagegen, wo das aktive Denken im Imaginieren eintritt, da ist Substanz im Denken. In jedem imaginierten Gedanken ist Substanz, ist Saft und Kraft drinnen. Man weiß: Man lebt mit diesem imaginierten Denken in einer solchen Kraft, wie die ist, die uns vom Kinde auf zum erwachsenen Menschen gemacht hat.

Es ist eben der Übertritt von der gewöhnlichen Wirklichkeit zuerst in die ätherische Wirklichkeit, wenn man sich zum imaginativen Den­ken hindurchringt. Dadurch aber bekommt man jetzt den ersten Anflug zu einer Erkenntnis des physischen Leibes. Man sieht den physischen Leib an wie einen Spiegelapparat, der einem die Gedanken zurückwirft. Damit fängt man an, an das Problem des Todes heranzutreten, denn ehe man nicht seinen physischen Leib als Objekt hat, kann man nicht an das Problem des Todes herantreten. Ist der Mensch nach dem Tode noch wesenhaft vorhanden, so ist er ganz gewiß nicht in seinem phy­sischen Leibe vorhanden. Und so muß man, wenn man während des Lebens das Problem des Todes lösen will, den physischen Leib so außer sich haben und ihn objektiv anschauen, wie man ihn relativ im Tode neben sich, außer sich hat. Das ist die Charakteristik dessen, wie man im ersten Anhub zu einer Lösung des Problems des Todes kommt. Was man dazu weiter braucht, soll im zweiten Teile unserer heutigen Be­trachtung dargestellt werden.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

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Durch eine solche Erkenntnis, wie ich sie Ihnen geschildert habe, kommt der Mensch in die Lage, wirklich beurteilen zu können, wie sich das Seelisch-Geistige im Menschen zu dem Körperlich-Physischen verhält. Erst dadurch, daß man mit der imaginativen und auch mit den folgenden Erkenntnismethoden des übersinnlichen Anschauens objek­tiv überschauen kann den physischen Organismus, den ätherischen Organismus und das Seelisch-Geistige, erst dadurch kann man auch erkennen, wie sich in den verschiedenen Lagen des Lebens die beiden Teile verhalten. Daher ist es von unermeßlicherWichtigkeit,zu berück­sichtigen, daß bei derjenigen übersinnlichen Erkenntnis, von der ich hier spreche, der Mensch das gewöhnliche Bewußtsein, das er sonst im tagwachen Leben hat, neben allen sonstigen Erkenntniserlebnissen bei­behält. Wenn man also, schon im imaginativen Bewußtsein, irgend etwas aus seinem Lebenslauf vor sich hat, zum Beispiel die Art und Weise, wie, als man noch ein Kind im neunten oder zehnten Lebensjahr war, damals gewisse Anlagen aus den Wachstumsverhältnissen heraus sich gezeigt haben, wie moralische Neigungen und so weiter aufgetreten sind, so schaut man das ja an, indem man die Einheit des Physischen und des Seelischen in diesem neunten oder zehnten Lebensjahre vor sich hat. Man schaut hin, was sich da im Organismus mit dem neunten oder zehnten Lebensjahre abgespielt hat. Man muß aber daneben das gewöhnliche Bewußtsein beibehalten, das heißt, man muß jetzt das Hinschauen auf das neunte, zehnte Lebensjahr haben, das einem etwas überliefert, was sonst ganz unbewußt bleibt, und man muß andererseits sogleich durch Willkür den Übergang dazu finden, wie im gewöhnli­chen Bewußtsein vorzustellen die Erinnerungen, die einen zurückver­weisen in der ganz gewöhnlichen Art auf sein neuntes, zehntes Lebens­jahr. Man muß immer das eine mit dem anderen vergleichen können:

höheres Bewußtsein und gewöhnliches Bewußtsein. So, wie man im gewöhnlichen Bewußtsein von dem einen Gedanken zum anderen hin­übergeht, so muß man von dem im imaginativen Bewußtsein Erlebten zu dem im gewöhnlichen Bewußtsein Erlebten herüber- und hinüber­gehen.

Diese Charakteristik des hier gemeinten höheren Bewußtseins ist ganz besonders wichtig. Alle diejenigen, welche die anthroposophische

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Forschung nur von außen beurteilen, glauben oftmals, was als Imagination auftritt könne abgewiesen werden wie irgendein Bewußt­seinsinhalt eines Visionärs, eines Halluzinanten. Man muß aber den radikalen Unterschied bemerken, der zwischen der richtigen Imagi­nation und der Vision besteht. Die Vision liefert allerdings dem Men­schen auch einen bildhaften Inhalt, aber der Mensch geht ganz auf in seiner Vision. Während er diese Vision hat, hat sich sein Bewußtsein hinüberverwandelt in diese Vision, und er kann nicht willkürlich von der Vision zum gewöhnlichen Bewußtsein hin und zurück. Der Imagi­nierende dagegen hat nicht sein gewöhnliches Bewußtsein in eine Vision hineinverwandelt, sondern er hat das gewöhnliche Bewußtsein berei­chert um die Imagination. Es ist einfach zu dem, was man im gewöhn­lichen Bewußtsein schon hat, das Imaginierte hinzugetreten. Daher weist gerade der Imaginierende das gewöhnliche Visionserlebnis weit von sich, aber er kann auch einsehen, in welcher Lebenssituation der Visionar ist. Denn wer die hier gemeinte Höhe des Erkennens erlangt hat, kann ganz genau anschauen, wie die Seele innerlich aktiv ist, wie sie sich des physischen Organismus bedient, damit er ihr die Gedanken zurückspiegele. Der Imaginierende und Inspirierte kennt die Art des Verhältnisses der Seele zum physischen Leibe im gewöhnlichen norma­len Bewußtsein. Deshalb kann er auch den Visionär beurteilen. Beim Visionär ist das der Fall, daß die Seele nicht etwa freigeworden ist vom physischen Leibe. Der Imaginierende weiß, was das heißt: frei sein der Seele vom physischen Leibe, denn er hat die Seele wirklich herausgeholt aus dem physischen Leib und zur Aktivität getrieben. Wenn er aber den Visionär anschaut, so steckt bei diesem die Seele tiefer im physi­schen Leibe drinnen als sonst, wenn sie im gewöhnlichen Bewußtsein die Außenwelt wahrnimmt.

Das ist der Unterschied zwischen dem Imaginierenden und dem Visionär: Der Visionär taucht in seine Körperfunktionen tiefer ein, als man im gewöhnlichen Leben in sie eintaucht, während bei dem Imagi­nierenden ein wirkliches Heraustreten aus dem physischen Organismus der Fall ist, und es bleibt daneben der gewöhnliche Bestand der Seele in dem physischen Organismus bewußt erhalten. Wenn man diesen Unterschied nicht in seiner ganzen eminenten Bedeutung durchschaut,

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wird man immer das, was man in einer scharfen Kontrolle durch das gewöhnliche Denken neben sich hat, die Imagination, verwechseln eben mit dem visionären Leben, das gar keine Kontrolle neben sich hat, wo einfach der Mensch tiefer in seinen physischen Leib hinuntersteigt, so daß, was ihm als seine Visionen erscheint, vielleicht nur die Indispo­sitionen seiner Leber oder seines Magens sind, die er schon im gewöhn­lichen Leben hat, aber jetzt ist er in diese Indispositionen untergetaucht. Der Imaginierende dagegen hat in seinen Imaginationen nichts mit seinen Organen zu tun, aber er schaut bewußt hin auf einen Teil der Seele, der vorher unbewußt war. So führt das imaginierende Bewußt­sein nicht von dem gewöhnlichen Bewußtsein ab und zu etwas Visionä­rem hin, wie manche glauben, sondern die Schulung, die Übung zum imaginativen Bewußtsein ist gerade ein Gegenmittel gegen alles unkon­trollierbare Visionäre. Man entwickelt sich nicht nach der Richtung der Visionen hin, sondern nach der entgegengesetzten Richtung: frei zu werden vom physischen Organismus, zu dem physischen Organismus in der Imagination selbst das Seelische, zunächst das Ätherische, benut­zen zu können, um zu einem substantiellen Erleben zu kommen. Im gewöhnlichen Leben ist das Substantielle der physische Leib, und was man über den physischen Leib hinaus hat, sind im Denken Spiegelbilder, die keine Substanz haben, die nicht eine innere wirkliche Aktivität haben. Gerade an dem Gegensatz der übersinnlichen Schauungen, wie sie hier gemeint sind, zu dem visionären Leben kann dasjenige ganz besonders deutlich werden, was eben unter dem Imaginierten, unter dem Inspirierten und unter der Intuition im höheren Bewußtsein hier gemeint ist.

Wiederum sehen Sie dann, wie man durch eine solche Erkenntnis allmählich lernt, welches das Verhältnis des Seelisch-Geistigen zum Physisch-Leiblichen ist. Man sieht ein, wie ein visionäres Leben dann entsteht, wenn bei jemandem im Erdendasein die Seele tiefer herunter-steigt in den physischen Leib. Man sieht aber auch ein, was es heißt, außerhalb seines Leibes sein, und wie dann das seelische Erleben ist, wenn man außerhalb seines Leibes ist. Durch dieses psychisch-geistige Erleben außerhalb seines Leibes empfindet man und erlebt man vor, wie man leben muß, wenn man keinen physischen Leib mehr hat. Es

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handelt sich darum, das Problem des Todes innerhalb des physischen Erdendaseins zu lösen, indem man in einem Dasein leben muß, in dem man ist, wenn man einen physischen Leib nicht mehr hat. - Ich bitte Sie, zu begreifen, daß es mein Bestreben ist, zu zeigen, wie mit aller Vorsicht des Denkerischen charakterisiert werden kann diese Hinlen­kung zum Problem des Todes; denn das Problem des Todes wird ja heute vielfach in einer laienhaften Weise behandelt. Aber es soll an­schaulich werden, wie gerade in der anthroposophischen Forschung beim Behandeln dieses Problems alle Vorsicht des Denkens, die man nur verlangen kann, wirklich auch angewendet wird. Deshalb habe ich nicht davor zurückgeschreckt, den heutigen Vortrag etwas «exakter» zu gestalten, damit für das Erfassen des Problems des Todes eine gute Grundlage da ist. Weiteres darüber soll im dritten Teile der heutigen Betrachtung folgen.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Wenn man im Aufsteigen zur imaginativen, inspirierten Erkenntnis und so weiter eine Anschauung bekommt des Seelisch-Geistigen auf der einen Seite, des Physisch-Körperlichen auf der anderen Seite, so kann man für jede Lebenssituation des Menschen - so sagte ich - über­schauen, in welchem Verhältnis das Seelisch-Geistige zum Physisch-Leiblichen steht. Ich habe vor einigen Tagen hier charakterisiert, wie im Herabsteigen aus der seelisch-geistigen Welt der Mensch an dem Zustandekommen seines eigenen physischen Organismus arbeitet, wie dieser ihm dann entfällt, und wie er ihn durch Konzeption und Geburt wieder auf eine andere Weise findet. Da habe ich weiter dargestellt, wie sich das Problem der Geburt ausnimmt, wenn man es anschaut vom Gesichtspunkte des vorirdischen Daseins. Wollen wir jetzt einmal in diesem Moment mehr in das Erdendasein hereinschauen, denn dieses Erdendasein stellt sich ja hinein zwischen das Ereignis der Geburt und das Ereignis des Todes, und wenn man allmählich zum Verständnis des Todes kommen will, muß man durch das Erdendasein hindurch den Tod knüpfen können an die Geburt, beziehungsweise an die Empfäng­nis des Menschen.

Gerade, wenn man überblickt, wie das Seelisch-Geistige des vorirdischen

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Daseins sich verhält zu dem, was man als physischen Leib wäh­rend des Erdenlebens an sich hat, dann kommt man darauf, zu sehen, wie ein Teil des Geistig-Seelischen - ein Teil, den man auch im vorirdi­schen Dasein hat - eigentlich sich vollständig umwandelt durch die Empfängnis und Geburt hindurch. Es verschwindet eigentlich dieser eine Teil des seelisch-geistigen Daseins. Er ist noch da im vorirdischen Dasein; es ist derjenige Teil, aus dem sich das Denken entwickelt hat. Er ist da im vorirdischen Dasein, aber er verschwindet als Seelisch-Geistiges in dem Zeitpunkt, in dem man die Erde betritt. Reste sind noch da beim ganz kleinen Kinde, aber allmählich verschwindet dieser Teil des seelisch-geistigen Lebens ganz. Was ist mit ihm geschehen?

Der Teil, der da verschwindet, hat sich umgewandelt in Leben und Form der menschlichen Kopforganisation. Also man verstehe es recht:

Es ist nämlich durchaus unrichtig, wenn jemand glaubte, das ganze Seelisch-Geistige des Menschen sei als solches einmal da im vorirdischen Dasein; dann würde ihm auf der Erde mit dem Leibe, mit dem Körper eine Art Haus gegeben, und dann ziehe das Seelisch-Geistige da hinein und wäre dann dort drinnen. Es ist durchaus unrichtig, für den Teil der Seele, den ich jetzt meine, so zu denken. Dieser Teil klingt ab, ver­schwindet und verwandelt sich in ein wirklich Physisch-Materielles, das unsere Kopforganisation ist. Leben und Form unserer Kopforga­nisation ist eine physische Metamorphose eines Geistig-Seelischen unse­res vorirdischen Daseins. Sehen Sie sich Ihre Kopforganisation an -und ich meine jetzt nicht bloß den Kopf, der einem wegkommt, wenn man enthauptet wird, sondern den Kopf mit seinem ganzen inneren Gehalt, mit allen den Nervensträngen, die da hineingehen, auch mit der Blutzirkulation, insofern sie Kopfblutzirkulation ist -, das alles ist ein Umwandlungsprodukt eines Teiles des vorirdischen Daseins des Menschen. In diese Kopforganisation hinein verschwindet dieser Teil des vorirdischen seelischen Lebens. Und dadurch, daß wir in unserer Kopforganisation eine richtige Umwandlung dessen haben, was wir in unserem vorirdischen Leben haben, deshalb, weil wir in dem mensch­lichen Haupt ein richtiges physisches Abbild unseres vorirdischen Daseins anschauen, deshalb ist dieser Kopf ein richtiger Spiegel, um Gedanken zu reflektieren. Dadurch ist er es geworden, daß er aus den

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erlebten Gedanken des vorirdischen Daseins heraus sich geformt und belebt hat als Physisches. Dadurch ist er ein Spiegel für diejenigen Gedanken, die wir uns an den Wahrnehmungen bilden.

Dagegen taucht, ich möchte sagen, auf der anderen Seite des Seelen­lebens derjenige Teil der Seele auf, der in dem Menschen durch Empfängnis und Geburt schreitet, nicht sich verwandelt in einen phy­sischen Leib, sondern der nur in eine lose Verbindung mit unserer Stoffwechsel- und Gliedmaßen-Organisation kommt. Das ist derjenige Teil des Seelenlebens, den man im gewöhnlichen Bewußtsein in seinem Abglanz als Wollen erlebt. Vergleichen Sie das Wollen mit dem Vor­stellungsleben, mit dem Denken. Im Denkleben sind wir eigentlich als Mensch immer vollbewußt, wenn wir wachen. Ja, «Wachen» heißt eigentlich, in Vorstellungen leben. So ist es nicht mit dem Wollen. Neh­men Sie das einfachste Wollen: Sie heben einen Arm oder eine Hand. Was haben Sie zunächst davon im wachen Bewußtsein? Sie haben im wachen Bewußtsein zuerst den Gedanken: Ich hebe die Hand. Dann geht etwas vor, das in den Tiefen Ihrer Menschheitsorganisation sich abspielt. Sie erleben allerdings allerlei unbestimmte Gefühle, auch Emotionsreste und dergleichen, aber das, was Sie wieder klar und völlig wach erleben, ist der Erfolg: der Arm ist aufgehoben. Sie können es anschauen. Was zwischen diesen beiden Zuständen in den Tiefen des Organismus als die eigentliche Wesenheit des Wollens vor sich geht, bleibt dem gewöhnlichen Bewußtsein so unbewußt, wie die Gescheh­nisse während des Schlafes. Wir wachen in unserem Gedankenleben; in unserem eigentlichen Willensleben schlafen wir, auch wenn wir wachen.

Dieses partielle Schlafesleben, das sich in unserem Wollen darstellt, ist also ein Schlaf, der auch unseren Wachzustand durchsetzt. Wir schlafen immer in einem Teil der Seele, auch wenn wir wach sind, in dem Teil der Seele nämlich, in dem das Wollen wurzelt. Das ist aber gerade derjenige Teil der Seele, der nicht in physische Organisation sich umwandelt, wenn er durch Empfängnis und Geburt des Menschen schreitet. Der eine Teil der Seele erscheint wiederum hier in der phy­sischen Welt nach der Geburt als die menschliche Kopforganisation. Der Gliedmaßen- und Stoffwechselorganismus ist nun nicht ein direk­tes Abbild des anderen Teiles der Seele, sondern der ist aus der physischen

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Welt herausgeboren, und in einer losen Weise hat sich der andere Teil der Seele mit ihm verbunden, so daß also dieser Gliedmaßen-Stoff­wechselorganismus nicht das spiegelt, was die Seele erlebt. Daher schläft der Mensch in bezug auf sein Wollen und auch in bezug auf seinen Gliedmaßen- und Stoffwechselmenschen. Er schläft in dieser Bezie­hung, auch wenn er wacht. Und für das übersinnliche Anschauen ist dieser Teil der Seele, wenn man ihn im Zusammenhange mit dem phy­sischen Organismus betrachtet, ganz ähnlich, wie das Ich und der astra­lische Leib, die ganze Seele, vom Einschlafen bis zum Aufwachen im ganzen physischen Organismus sind. Der Mensch ist eben ein viel korn­plizierteres Wesen als man gewöhnlich meint. Es gibt gewisse Darstel­lungen des Übersinnlichen, die reden einfach davon: Wenn der Mensch wacht, dann ist sein Seelisch-Geistiges in seinem physisch-ätherischen Organismus drinnen; wenn er schläft, ist es draußen. - Aber so einfach ist die Sache nicht, denn so kann man höchstens reden in bezug auf die Kopforganisation, nicht aber in bezug auf die übrige Organisation des Menschen. Denn in bezug auf diese übrige Organisation ist ein Teil des Seelenlebens schlafend, auch wenn der Mensch wacht.

Diesen Teil des Seelenlebens, der da schläft und der nur in ganz bestimmten Vorstellungen aus dunklen Tiefen der menschlichen Orga­nisation heraufschlägt, diesen Teil bekommt man als Anschauung in dem Moment vor sich, wo man bis zur Intuition aufsteigt; denn diese Intuition ist, wie ich dargestellt habe, ein Ergebnis von Willensübungen. Man lernt dadurch in das hineinschauen, was sonst im Wachleben immer verhüllt ist, man lernt in die Mysterien des menschlichen Wol­lens hineinschauen. Auch für das Wachleben ist das menschliche Wollen ein Mysterium, das zum Teil die Inspiration offenbart, das aber erst die Intuition enthüllt. Und so paradox es klingt: Wenn es einmal der Mensch dahin gebracht hat, die wahre Wesenheit seines eigenen Wol­lens zu durchschauen, so durchschaut er auch die göttlich-geistige Welt. In der Kopforganisation steckt in physischer Verwandlung die geistige Welt; da ist überhaupt nicht viel von geistiger Welt zu entdecken. Der menschliche Kopf ist eigentlich das Ungeistigste am Menschen. Aber in der übrigen Organisation steckt das unveränderte Seelenleben, wie es auch ist, wenn der Mensch im vorirdischen Dasein ohne eine physische

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und ohne eine ätherische Organisation ist. In diesem, was unter dem Wollen lebt, da ist der Mensch auch zwischen Geburt und Tod durch­aus Geist, so daß man durch die Intuition sehen kann, wie es nun mit diesem Geist ist.

Dieser Geist, der sich als die dem Wollen zugrunde liegende Wesen­heit für die Intuition enthüllt, stellt sich dar als der Sammler für alles, was man an intellektuellen Seelenarbeiten und -impulsen, an morali­schen Neigungen und Impulsen in der Seele während des Erdendaseins durchgemacht hat. Das wird, wie ich schon einmal von einem anderen Gesichtspunkte aus bemerkt habe, der jüngere Teil der Seele, der Seele, die sich innerhalb unseres gegenwärtigen Erdendaseins embryonal ver­hält; es wird derjenige Teil, der im Anfange eines Werdens ist. Schaut man diesen Teil der Seele, dann schaut man damit hin auf etwas im menschlichen Inneren, das dem Tode entgegenlebt so, um durch den Tod erst richtig geboren zu werden, wie die Seele im vorirdischen Da­sein dem Erdendasein entgegenlebt, um durch Konzeption und Geburt in diesem Erdenleben geboren zu werden. Unter unserem Wollen lebt der seelische Embryo, der, wenn man ihn in seinem Wesen erkennt, sein embryonales Leben darstellt und dem man es ebenso ansieht, daß er im Tode geboren wird zu einem neuen geistigen Leben, wie man es der Menschenseele im vorirdischen Dasein ansieht, daß sie mit der Geburt in das Erdenleben eintritt. So handelt es sich also darum, daß man zur Erkenntnis des physischen Daseins zunächst innerhalb des übersinnli­chen Daseins die dem Willen zugrunde liegende Seelenwesenheit kennen lernt. Damit haben wir uns wiederum einen Schritt dem Problem des Todes genähert. - Ich werde diese Betrachtung im letzten, vierten Teile abschließen, und sie wird uns dann am nächsten Tage in eine Zusam­menfassung des Problems des Todes im Zusammenhange mit dem Chri­stus-Problem führen.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Man überschaut durch eine solche Erkenntnis, wie der ewige Wesens-kern des Menschen seine Evolution hat durch vorirdisches Dasein, irdisches Dasein und Dasein nach dem Tode. Vor der unbefangenen Betrachtung ergibt sich aber nun ein gewaltiges Rätsel. Es ergibt sich

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dieses Rätsel dadurch, daß man hinschaut auf die Erwerbung des Ich­bewußtseins. Nun wird Ihnen aus dem gestrigen Vortrage hervorge­gangen sein, daß das Ichbewußtsein abhängig ist vom physischen Organismus; denn es entsteht ja im Laufe der menschlichen Erdenent­wickelung erst in dem Augenblicke, wo der Mensch im gewöhnlichen Bewußtsein sich lediglich seines physischen Organismus bedienen kann. Gerade hier lehrt die imaginative, inspirierte und intuitive Erkenntnis mit aller Deutlichkeit, daß wir als Menschen zunächst unser Ichbewußt­sein hier in der physischen Welt erwerben zwischen Geburt und Tod, und daß die Erwerbung dieses Ichbewußtseins verbunden ist mit dem Gebrauch des physischen Leibes. Der aber entfällt uns mit dem Tode.

Was die Menschheit der Erde vor der Entwickelung des Ichbewußt­seins als seelisches Leben erfahren hatte, das kann seiner ewigen Wesen­heit nach einer solchen Anschauung, wie ich sie auch heute wieder charakterisiert habe, nur so erscheinen, daß es geht vom vorirdischen Dasein durch irdisches Dasein zum nachirdischen Dasein, was ja mit anderen Worten heißt: durch wiederholte Erdenleben. Von dem aber, was als Ichbewußtsein erworben wird, liegt zunächst die völlige Bestimmtheit vor: Dieses Ichbewußtsein erwirbst du dir durch den Gebrauch des physischen Leibes, ja, du lerntest erst im Laufe der Menschheitsentwickelung - in der Zeit, als auch das Mysterium von Golgatha in diese Menschheitsentwickelung eingetreten ist - deinen physischen Leib so gebrauchen, daß das Ichbewußtsein in dir auf­leuchtete.

Daher ist es ebenso gewiß, daß, indem wir durch den physischen Organismus zum Ichbewußtsein kommen, wir fürchten müssen, daß uns dieses Ichbewußtsein mit dem Tode entfällt. Das ist eines der Probleme des Todes. Wenn wir auch schon alles das, was sich als ewiger Wesenskern uns enthüllt im Denken, Fühlen und Wollen, in seiner Ver­wandlung sehen als dasjenige, was im Denken nur im Spiegelbilde erscheint und eigentlich das verschwundene Seelenleben ist, das sich in die Kopforganisation verwandelt hat, wenn wir im Wollen den Ab­glanz desjenigen sehen, was im übrigen Menschenorganismus ein seeli­sches Embryonalleben führt, um mit dem Tode erst geboren zu werden, wenn wir in dieser Beziehung durchaus das seelische Leben durchschauen

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können, dann muß uns angst werden, und zwar nicht angst aus einer Gemütseigenschaft untergeordneter Art heraus, sondern ängstlich aus Erkenntnis müssen wir werden, wenn es sich darum handelt: Was bringen wir denn von dem physischen Organismus durch den Tod hin­durch? - Denn der physische Leib zerfällt mit dem Tode. Haben wir durch ihn unser Ichbewußtsein erworben, dann entsteht die Angst­lichkeit, die durchaus eine wissenschaftlich begründete Ängstlichkeit ist: Wie bringen wir unser Ichbewußtsein durch den Tod?

Diese Frage löst nur das Mysterium von Golgatha. Niemals könnte eine Menschheit das Ichbewußtsein durch den Tod durchtragen, wenn sich nicht dieses im physischen Leibe entwickelte Ichbewußtsein mit dem Christus verbindet, der es hält, wenn es mit dem physischen Leibe von der Menschenseele abschmelzen würde. Erworben ist das Ichbe­wußtsein durch den physischen Leib. Im Tode würde es mit dem physi­schen Leibe von der Menschenseele abschmelzen, wäre nicht im Sinne des Pauluswortes «Nicht ich, sondern der Christus in mir» dieses Ich mit dem Christus-Wesen verbunden; denn der Christus nimmt es und trägt es durch den Tod hindurch. - Wie das im einzelnen geschieht, das soll in den weiteren Vorträgen geschildert und gezeigt werden, wie der Christus diejenige Wesenheit ist, die uns unser Ichbewußtsein hin­durchretten läßt durch die Todespforte.

Erst einer anthroposophischen Forschung, wie sie hier gemeint ist, enthüllt sich die ganze Bedeutung des Christus-Problems für das menschliche Leben. Fängt ja doch die Bedeutung einer solchen Erkennt­nis schon mit der gewöhnlichen Philosophie an! Diese gewöhnliche Philosophie wird erst dann zu einem inneren Leben erweckt und erlangt erst eine Erkenntnis ihrer selbst, wenn sie aus der imaginativen Er­kenntnis heraus gespeist werden kann. Sehen Sie das an, was ich heute im Anfange meines Vortrages Ihnen dargelegt habe: Indem man durch Meditation zum imaginativen Erkennen hinüberschreitet, geht man gewissermaßen über einen Abgrund. Das Denken hört auf, ein Nicht­denken ist zwischen dem gewöhnlichen Denken und dem aktiven, lebensvollen, imaginativen Denken; ein Nichtdenken ist dazwischen. Dieses Nichtdenken haben einzelne Philosophen gefühlt, zum Beispiel Augustinus und Descartes, aber sie haben es nicht richtig deuten können.

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Sie sprechen von dem «Zweifel», der im Beginne des Philosophie­rens liegt. Dieser Zweifel, von dem Augustinus und Descartes reden, ist nur die ins gewöhnliche Bewußtsein hereingerufene Reflexion dieses Zustandes, in dem man ist im Nichtdenken zwischen dem gewöhnlichen Denken und dem imaginativen Denken. Weil weder Augustinus noch Descartes in dieses eigentliche Nichtdenken ihre Seele eingetaucht hatten, kamen sie nicht auf das wahre Erlebnis, sondern nur auf die Rückspiegelung dessen, was man erlebt, wenn einem zwischen dem gewöhnlichen Denken und dem imaginativen Denken einfach das Den­ken überhaupt entfällt, namentlich das Erinnerungsdenken entfällt. Der Zweifel des Augustinus und des Descartes ist nur das Reflexbild dieses Erlebnisses, das erst beim Übergang in das imaginative Bewußt­sein auftritt, ins gewöhnliche Bewußtsein herein. So kann man eigent­lich das, was undeutlich in der bloßen Ideen-Philosophie auftritt, richtig verstehen, wenn man es im Lichte der imaginativen Philosophie betrachtet.

Ebenso haben Sie gesehen, wie man durch die Erkenntnis, durch die man sich in den eigenen Ätherleib hineinlebt, dasjenige, was Lebenslauf ist, als eine Einheit vor sich hat, wie dasjenige nebeneinander dasteht, was in der Zeit wird als Lebenslauf. Was man sonst nacheinander sieht, das sieht man durch diese Erkenntnis ebenso nebeneinander, wie sonst die Dinge des Raumes. Das hat zum Beispiel Bergson gefühlt, indem er seine Idee von der «Dauer» ausgebildet hat. Diese Idee von der Dauer spielt in der Bergsonschen Philosophie eine große Rolle; aber so, wie er sie hat, ist es nur eine Ahnung von dem, was die Wahrheit ist. Die Wahrheit ist die imaginative Anschauung der Zeit als eines Nebenein­anders. Bergson kommt nur zur abstrakten Empfindung davon, daß, wenn man sich tiefer in die Sache hineinlebt, man über diese Welt jetzt, aber in der Gegenwart, hinauskommt, so daß man die Dauer als solche erlebt. Da aber Bergson nicht den Boden einer anthroposophischen Erkenntnis betreten will, so kommt er auch nur wieder zu einem Reflexbilde dessen, was man mit imaginativer Erkenntnis in bezug auf die Zeit als dieses Nebeneinander erlebt, und er nennt dieses Etwas, was man so als Reflexbild erlebt, die Dauer, durée. Sie spielt eine große Rolle bei Bergson.

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Überall, wo man die Philosophie anpackt, zeigt sich: Substanz, Le­bendigkeit wird sich Philosophie erst wieder erringen, wenn diese Sub­stanz auf die Weise erfaßt wird, wie sie auch heute wieder erfaßt wurde. Daß auch Kosmologie und Religionserkenntnis dadurch Substanz erhalten, habe ich schon angedeutet und werde ich auch in den nächsten Tagen im Zusammenhange mit dem Christus-Problem weiter ausfüh­ren. Da wird sich zeigen, wie im Grunde genommen für den modernen Menschen alles höhere Erkennen für seine eigene Wesenheit ein Appell ist an das Mysterium von Golgatha. Und in dem Wollen dieses Myste­riums von Golgatha, indem die Christus-Wesenheit wiederum in ihrer vollen, übersinnlichen Realität hereintritt in das Menschenbewußtsein, wird auch durch eine spirituelle Philosophie, durch eine spirituelle Kos­mologie die moderne übersinnliche Erkenntnis zu einer Grundlegung nicht nur des übersinnlichen Lebens überhaupt, sondern des spirituellen Christentums führen.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

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NEUNTER VORTRAG Dornach, 14. September 1922 Das Ereignis des Todes im Zusammenhang mit dem Christus

Das gewöhnliche irdische Seelenleben fließt ab in den innerlich erlebten Erscheinungen des Denkens, Fühlens und Wollens. In Wirklichkeit liegt dem allem zugrunde, daß mit dem Aufwachen in dem physischen Organismus des Menschen enthalten sind - wie wir in den vorange­gangenen Betrachtungen gesehen haben - ein ätherischer Organismus, ein astralischer Organismus und eine Ich-Wesenheit. Mit seinem astra­lischen Organismus und seiner Ich-Wesenheit ist der Mensch im Schlaf-zustande in einer gewissen Beziehung außerhalb seines physischen Organismus, klar gesprochen: eigentlich nur außerhalb der Kopforga­nisation des physischen Organismus. Wenn aber der Mensch im Erden-dasein in seinem Wachzustande ist, so sind ätherischer Organismus, astralischer Organismus und Ich-Wesenheit vollständig in dem physi­schen Organismus drinnen, mit ihm verbunden. Sie sind in dem phy­sischen Organismus tätig. Während des Schlafens ist die Seele in ihrem eigenen Kräftesystem nicht stark genug, um dasjenige vor das Bewußt­sein hinzustellen, was sie innerlich, im astralischen und im Ich-Orga­nismus, erlebt. Im Wachzustande kommt aber klar in das gewöhnliche Bewußtsein nur dasjenige herein, was von der Tätigkeit des ätherischen, des astralischen Organismus und der Ich-Wesenheit als Gedanken vom physischen Organismus reflektiert wird.

Wenn der Mensch in seinem Wachzustande in vollem Sinne fähig wäre, die eigene Tätigkeit seines Gesamtseelenwesens zu erleben, so würde er dasjenige erleben, was zunächst sein eigener Lebenslauf ist, das heißt das, was als das Reale des Lebenslaufes den Erinnerungen zugrunde liegt. Er würde aber auch alles das erleben, was wir kennen gelernt haben als kosmische Welten während des Schlafzustandes, wo ja das entsprechende kosmische Erleben auch unwahrgenommen, un­bewußt bleibt. Es würde, wenn der Mensch die volle Fähigkeit des Gebrauchens seines astralischen Leibes hätte, in das Wachbewußtsein

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das hereinsteigen, was der Mensch nächtlich als Abbildung der Pla­netenbewegungen erlebt. Er würde sein Atmungs- und Zirkulations­system durchströmen fühlen Nachbildungen der Planetenbewegungen. Er würde, so paradox das zunächst für das gewöhnliche Bewußtsein klingt, sagen können: Durch meine Adern strömt die Gewalt der Sonne, die sich verstärkt durch die Kraft des Mars, die sich durchdringt mit der substantiellen Kraft des Jupiter, und so weiter. - Der Mensch würde das so aussprechen können, daß er in seinem eigenen Wesen nachströmen fühlen würde die Planetenrichtungen. Und würde der Mensch seine volle Ich-Wesenheit während des Tages-Bewußtseins in sich erleben, so würde er auch den Fixsternhimmel in seiner geistigen Wesenheit sich selber durchsetzen fühlen.

Das alles fällt während des gewöhnlichen wachen Bewußtseins weg. Nicht die Tätigkeit des ätherischen Leibes kommt im Wachbewußtsein zum Erlebnis, die das dem eigenen Lebenslauf zugrunde liegende reale Geschehen bedeutet, nicht die Impulse der Planetenbewegungen, die in unseren Atmungsströmungen als Reize leben, die in unserer Blut­zirkulation pulsieren, nicht diese ganze Tätigkeit des astralischen Orga­nismus kommt im gewöhnlichen Wachbewußtsein zum Erlebnis, und auch nicht das, was sich in den Konstellationen der Fixsterne ausspricht und sich nachbildet in dem ewigen Wesenskern des Menschen, in seiner Ich-Wesenheit, was den Menschen, wenn er es erlebte, dazu veranlassen würde, zu sagen: Ich bin gottdurchdrungen. - Auch das kommt nicht im gewöhnlichen Bewußtsein zum Erlebnis, denn die Tätigkeit des ätherischen Organismus, die Tätigkeit des astralischen Organismus, die Tätigkeit der Ich-Wesenheit, die im gewöhnlichen Wachzustande aus­geführt werden, beziehen sich in dieser Weise auf den physischen Orga­nismus, wie ihn der Mensch mit dem Erwachen jeden Morgen neu um sich kleidet. Mit denjenigen Kräften jedoch, die der Mensch sich im Schlafesleben angesammelt hat aus den Sternenwelten heraus, die ihm aus den Planetenbewegungen geworden sind, durchdringt er tätig sei­nen physischen Organismus. Und gerade dadurch, daß der Mensch tätig seinen physischen Organismus durchdringt, daß diese Tätigkeit seiner drei seelischen Teile - ätherischer Organismus, astralischer Orga­nismus und Ich-Wesenheit - auf den physischen Organismus vom Aufwachen

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bis zum Einschlafen wirkt, dadurch wird der physische Orga­nismus so bearbeitet, daß in dem, was dann in ihm selber als reine Tätigkeit entsteht, die Veranlassung dazu liegt, daß sich alles Seelen­leben ausgestalten kann in den Vorstellungen, in den Gedanken, die vom physischen Leibe in die Seele zurückgeworfene Reflexbilder sind. Der Mensch hat von seinem eigenen wirkenden Lebenslauf, von den Planetenbewegungen und von der Fixsternwelt kein Bewußtsein, weil während des Wachlebens alle Tätigkeit seines Inneren auf den physi­schen Leib reflektiert wird. Dieser physische Leib trägt durch seine Sinne die Wirkungen der Außenwelt in das physische Innere hinein:

durch das Auge strömen die Erscheinungen des Lichtes herein, durch das Ohr die Erscheinungen der Tonwelt, durch den Wärmesinn strö­men die Realitäten von Wärme und Kälte herein, und so weiter. Das alles wird im physischen Organismus durch diejenige Tätigkeit, die das Seelische ausübt, als Gedanken gespiegelt, und die Seele erlebt diese Reflexgedankenwelt in ihrem klaren gewöhnlichen Bewußtsein.

So ist der Tatbestand für das seelische Erleben im gewöhnlichen Wachen. Dieses gewöhnliche Wachleben stellt an uns die Frage: Was tut denn nun eigentlich die Seele an dem physischen Organismus, damit die Gedanken als Reflexe erscheinen? - Halten wir aber dieses zu­nächst fest: Der physische Organismus ist eigentlich der Verhinderer eines Bewußtseins der Seele von den kosmischen Tatsachen, die eigent­lich in ihr nachklingen und nachwirken können. Wie im einzelnen dieses Wachbewußtsein verläuft, das soll uns gleich nachher beschäf­tigen.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Studieren wir einmal, was eigentlich diese Dreiheit von ätherischem Organismus, astralischem Organismus und Ich-Wesenheit in ihrem Zusammenwirken im physischen Kopforganismus des Menschen zu­nächst bewirken. Da stellt sich nämlich heraus, daß die Tätigkeit, welche durch diese Dreiheit am menschlichen Kopforganismus ausge­übt wird, eine abbauende ist. Würde allein der menschliche ätherische Organismus den physischen Organismus durchdringen, dann würde in dem physischen Kopforganismus auch eine fortwährende aufbauende

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Lebenstätigkeit sein; es würde sozusagen die Kopftätigkeit von Leben ganz erfüllt sein. Aber in diesem Falle käme kein physisches Bewußtsein zustande. Ein physisches Bewußtsein kommt nur dadurch zustande, daß der astralische Organismus eingreift in die Kopforganisation. Und dieser astralische Organismus ist auf dasjenige eingestellt, hinorgani­siert, das wir ja schon kennengelernt haben: er ist hinorganisiert auf das vorirdische Dasein des Menschen. Wenn ich es so ausdrücken darf:

Der astralische Organismus muß es gewissermaßen als seine Aufgabe betrachten, nicht diesen stofferfüllten physischen Organismus zu bear­beiten, sondern diesen physischen Organismus in seiner kosmischen Geistgestaltung mit seiner Tätigkeit zu erfüllen, wie er das im vorirdi­schen Dasein getan hat. Dieser astralische Organismus des Menschen ist ja ein Nachklang dessen, was die Seele getan hat aus den Geheim­nissen der Planetenbewegungen, aus den Geheimnissen der Fixstern-konstellationen heraus, um dasjenige zu gestalten, was ich in den voran­gehenden Betrachtungen genannt habe den «kosmischen Keim» des physischen Organismus. Also nicht auf die irdische Metamorpbose des physischen Organismus, sondern auf die kosmische, auf die Geistmeta­morphose des physischen Organismus hin ist die Tätigkeit des astra­lischen Organismus orientiert. Daher will der astralische Organismus, indem er im physischen Organismus tätig ist, diesen physischen Orga­nismus, insofern dieser Gehirn-, beziehungsweise Kopforganisation ist, fortwährend vergeistigen. Ja, in unserer Kopforganisation wirkt fort­während unser astralischer Organismus, um diese Kopforganisation ins Geistige umzubilden. Es kommt nicht zu einer wirklichen, äußerlich sichtbaren Umbildung, es kommt zu dem Umbildungs-Bestreben.

Dieses Bestreben aber ist fortwährend vorhanden. Fortwährend kommen durch die Kopforganisation des astralischen Organismus zu den aufbauenden Kräften der menschlichen Kopforganisation, die frisches sprudelndes Leben, aber unbewußtes Leben, in der menschli­chen Kopforganisation bewirken würden, abbauende Kräfte hinzu, die versuchen, den physischen Organismus, insofern er Kopforganisation ist, abzubauen, zu zerstören, so daß aus ihm hervorleuchten würde ein Geistorganismus; denn an den ist der astralische Leib gewöhnt vom vorirdischen Dasein her. Aber der physische Organismus leistet Widerstand.

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Er läßt sich nicht abbauen, und er führt diesen Widerstand dadurch aus, daß jedesmal, wenn gerade der Moment herbeigeführt würde, daß dieser physische Organismus des Kopfes durch die Tätig­keit des astralischen Organismus ins Unorganische zerfiele, ins Leblose überginge, daß jedesmal in diesem Moment der Schlaf eintreten muß, und dann müssen einzig und allein in dem Kopforganismus wieder die Kräfte des ätherischen Leibes tätig sein.

So ist das Wechselgeschehen zwischen Wachen und Schlafen auch dadurch zu charakterisieren, daß man sagt: Während des Wachens setzen die astralischen Kräfte die menschliche Kopforganisation fort­während dem Sterben aus. In dem Moment, wo - wenn man so sagen darf - diese Tätigkeit der abbauenden astralischen Kräfte aus dem latenten Zustande in den realen Zustand übergehen würde, in diesem Moment tritt der Schlaf ein. Das imaginative Bewußtsein der modernen Initiations-Erkenntnis kann diesen Tatbestand an dem Aussehen des ätherischen Organismus des Menschen während des Wachens und während des Schlafens bemerken.

Während des Wachens wird der ätherische Leib, der als ein Geist-geschehen den physischen Leib des Menschen durchdringt, für die Kopforganisation immer undifferenzierter. Man hat also im wachen Menschen einen ätherischen Organismus vor sich, der stark innerlich differenziert, mit komplizierten Gestaltungen ausgerüstet in denjeni­gen Partien des physischen Organismus ist, wo die Lunge, die Leber, der Magen sitzen, wo die Gliedmaßen sitzen. Dort ist der ätherische Organismus innerhalb des Wachlebens vielgegliedert. In der Kopfor­ganisation dagegen wird während des Wachlebens, je länger das wache Leben dauert, der Ätherleib immer undifferenzierter und undifferen­zierter. Er wird zuletzt einfach wie eine gleichförmige Wolke im Kopfe, weil die aufbauenden Kräfte, die sonst in diesem Ätherorganismus sind, ihre Bedeutung verlieren, und die abbauenden Kräfte des astralischen Organismus im Wachzustande ersterbend auf die Kopforganisation wirken.

Im Schlafzustande ist das ganz anders. Da sieht man mit dem imagi­nativen Bewußtsein, wie diese Differenzierungen, die mannigfaltige Vielgliederung des Ätherorganismus hineinschießt in die ätherische

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Kopforganisation. Da wird der Ätherorganismus des Kopfes ebenso gegliedert, wie während des Wachzustandes der übrige ätherische Or­ganismus. Da wachen eben während des Schlafens die Lebenskräfte, die Gestaltungskräfte, die Bildekräfte des ätherischen Organismus für den Kopf auf, und der Kopf wird eine unbewußte, aber sehr lebendige Organisation.

So sehen Sie, daß der Mensch im Erdendasein aus einem Wachbe­wußtsein in seiner Kopforganisation fortwährend den latenten Tod trägt. Die Tendenz zum Sterben ist fortwährend in der Kopforgani­sation vorhanden. Der astralische Organismus will die Kopforga­nisation fortwährend in das Geistige umsetzen. Er will sie zu einem planetarischen Bewegungsorgan machen, will sie zu einem Abbild der Sternenkonstellationen machen; er ist ein fortwährender Zerstörer der physischen Kopforganisation.

Würde man in der heutigen Wissenschaft diesen Tatbestand wissen, so würde man es überhaupt ganz unmöglich finden, in den Materialis­mus verfallen zu können. Denn was haben denn jene Leute zu sagen, welche die menschliche Totalorganisation materialistisch deuten wol­len? Sie sagen: Die organischen Vorgänge gehen eben auch im Kopfe vor sich; sie spielen sich dort als organische Lebensprozesse ab; wie sich in der Leber oder im Magen Lebensprozesse abspielen, so eben auch im Gehirn, und dieses Abspielen der Lebensprozesse im Gehirn lebt sich als Gedanke, als Seelentätigkeit aus. - Aber dies ist ja den Tatsachen gegenüber ein völliger Unsinn. Denn wir denken nicht da­durch, wir erleben im gewöhnlichen Bewußtsein die Seele nicht da­durch, daß aufbauende Lebensprozesse stattfinden, sondern dadurch, daß unser Nervensystem fortwährend in dem Zustande ist, abgebaut zu werden, daß der Tod fortwährend in uns sitzt. Waches Seelenleben im gewöhnlichen Bewußtsein haben, heißt: organische Prozesse nicht entwickeln, sondern abtöten. Die organischen Prozesse müssen erst in sich ersterben, sie müssen Platz machen der Seele, wenn sie sich im gewöhnlichen Bewußtsein entfalten wollen. Würde man das richtig einsehen, so würde man sagen müssen: Aus den organischen Prozessen kann ganz gewiß das Seelenleben nicht hervorgehen, weil diese organi­schen Prozesse erst in die Situation des Ersterbens kommen müssen. Sie

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müssen sich erst zurückziehen aus der Kopforganisation, wenn die Seele darin tätig sein will.

Das ist eben der wahre Tatbestand in bezug auf das Zusammenwir­ken der menschlichen seelischen Organisation und der menschlichen physischen Organisation. Dieser wahre Tatbestand zeigt aber auch, wie der Mensch, indem er geboren wird, sogleich in seiner Kopforgani­sation die Anlage zum Tode, zum Sterben in sich trägt. Wir lernen durch die übersinnliche Erkenntnis verstehen, daß das Sterben fort­während in uns geschehen will und nur durch den Schlaf fortwährend überwunden wird. Das einmalige Sterben, das Sterben im physischen Sinne, ist ja nur eine Summierung, ein stärkerer Prozeß gegenüber den fortwährenden, wenn ich so sagen darf atomistisch kleinen Sterbe­prozessen, die im Wachbewußtsein fortwährend stattfinden. Solange wir den physischen Organismus haben, wehrt sich dieser eben gegen sein Zerstörtwerden, das bewirkt wird durch den astralischen Orga­nismus. Das ist so mit der Kopforganisation.

Aber die astralische Organisation des Menschen hat nicht bloß diese Wirkung im Wachleben. Nur ein Teil von ihr hat diese Wirkung. Ein anderer Teil lebt sich mehr in derselben Art, wie er im vorirdischen Dasein tatig ist, auch in das irdische Dasein herein. Dieser Teil des astralischen Organismus des Menschen ist nicht in der Kopforganisa­tion tätig, sondern er ist in alledem tätig, was im Menschen rhythmi­sche Organisation ist, das heißt in denjenigen Organen des physischen Leibes, in denen sich Atmung, Blutzirkulation und die anderen rhyth­mischen Prozesse abspielen. Dieser Teil des astralischen Leibes, von dem ich jetzt spreche, lebt zwar im rhythmischen menschlichen Orga­nismus, aber er verbindet sich nicht so mit diesem physischen rhythmi­schen Organismus, wie der andere Teil, der in der Kopforganisation tätig ist. Dieser andere Teil, der in der Kopforganisation tätig ist, ergreift diese Kopforganisation so stark, daß er sie fortwährend zum Sterben, zum Tode geneigt macht, weil er sie zerklüftet. Jener Teil des astralischen Leibes dagegen, der sich mit dem rhythmischen Organis­mus im Menschen vermischt, durchsetzt diesen rhythmischen Organis­mus; er lebt in der Atmung, lebt in der Blutzirkulation, aber weil er nicht in einer so intensiven Weise die Organisation ergreift, läßt er sie

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auch in einer gewissen Beziehung unbehelligt. Er ergreift sie nicht so, daß er sie zerstören will. Dadurch kommt aber auch kein Gedanken­leben durch diese Verbindung des astralischen Organismus des Men­schen mit der rhythmischen Organisation zustande. Was als Seelisches sich auslebt, das wird reflektiert an dem fortwährend nach dem Sterben hin tendierenden physischen Kopforganismus. Das bewirkt das voll-bewußte Denken. Dasjenige aber, was immer im Durcheinanderströmen des Astralischen und der rhythmischen Organisation sich abspielt, das reflektiert sich nicht in derselben Weise, so daß es ein klares Bewußt­sein gäbe wie das Gedankenleben; das lebt sich in der unbestimmteren Art des Seelenlebens als das Gefühlsleben des Menschen aus. Das ist das Fühlen. Es entsteht also dadurch, daß der astralische Organismus im Wachleben durchpulst das Atmen, die Blutzirkulation, daß er sie aber nicht zerklüftet, nicht so tief sich in sie hineinsetzt, sondern daß durch seine Wechselwirkung mit der rhythmischen Organisation sich dasje­nige entzündet, was das Gefühlsleben des Menschen ist.

So lebt im rhythmisch-organischen Systeme etwas zwar von dem, was der Mensch im vorirdischen Dasein kosmisch erlebt hat, nur kommt es zu keinem deutlichen Bewußtsein. Das hat aber etwas ganz Bestimm­tes zur Folge. Im Unbewußten unten geht nämlich durch diese Wech­selwirkung, die ich geschildert habe, zwischen der astralischen Organi­sation und der physisch-rhythmischen Organisation fortwährend etwas vor, das nur in einem schwachen Abglanz in das volle gewöhnliche Tagesbewußtsein eintritt. Studieren wir das im einzelnen! Sagen wir, der Mensch begeht seine Tätigkeiten, seine Handlungen im physischen Dasein. Diese Handlungen, die er vollbringt, leben sich ja in ihm nicht aus wie blosse Naturerscheinungen, sondern er ist genötigt, aus einem gewissen Impuls, der aus dem Unterbewußten heraufdringt, diese Tätigkeiten als moralische oder unmoralische, als wertvolle oder nicht wertvolle, als weise oder unweise zu beurteilen. Die moralische Wer­tung, die moralische Beurteilung mischt sich hinein in das sonst amora­lische - nicht antimoralische - Gedankenleben.

Was ist das, was nun unbestimmt aus den Tiefen des seelischen Erleb­nisses heraufleuchtet und uns sagt: Diese Tätigkeit ist gut, jene Tätig­keit ist böse, diese Handlung ist weise, jene ist töricht? Das ist eine

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seelische Tätigkeit, die so geblieben ist, wie sie im vorirdischen Dasein war, die das Rhythmische des Menschen, Atmung und Blutzirkulation, durchdringt, die aber nicht voll heraufströmen kann in das Gedanken­leben, sondern es nur färbt, so daß wir im Gedankenleben auch Reflexe dieses inneren Erlebens haben, die für unsere Tätigkeit, die wir in der physischen Welt ausführen, wertvoll sind. Wir tragen nicht allein das in uns, was wir als bewußtes Gedankenurteilen in unserer Tätigkeit ausführen. Nein, in dem rhythmischen System des Menschen lebt und pulst ein astralisches Geistiges, das in einer ähnlichen Gestalt, wie es im vorirdischen Dasein schon war, für sich deutlich, für das gewöhn­liche Bewußtsein nur undeutlich, Ja oder Nein sagt zu unseren mensch­lichen Betätigungen. Da drinnen ist ein Beurteiler der Wertigkeit unserer Seele, und dieser Beurteiler lebt so real, wie unsere Seele real als denkende Seele in unserer Kopforganisation lebt.

In den älteren Zeiten der Menschheitsentwickelung suchten daher die, welche auf die alte Art zu einer höheren Erkenntnis kommen wollten, das rhythmische System, das Atmungs-, aber auch das Blutzirkulations­system sich zum Bewußtsein zu bringen. Sehen Sie sich an, was da für solche Menschen aus einer älteren, heute nicht mehr zu erarbeitenden Methode, in die geistige Welt sich einzuleben, herauskam. Da kam heraus, daß diese Menschen ihren eigenen Menschenwert aus dem, was der Kosmos in ihr Atmungsleben einschrieb, als gut oder böse ansahen, als weise oder töricht. Das Urteil über einen moralisch-natürlichen Menschen und über einen natürlich-moralischen Menschen atmete sich beim alten indischen Yogi aus dem rhythmischen System herauf in das Gehirn hinein. Er machte für eine Weile während seiner Yoga-Erkennt­nis das Gehirn zu einem Atmungsorgan und lebte mit, was der Kosmos über seine Tätigkeit sagte.

Dieses Urteil des Kosmos über unsere Tätigkeit ist ganz real in der astralischen Menschheitsorganisation. Und wenn der physische Men­schenleib mit dem Tode abgelegt ist, dann ist jenes Hindernis hinweg-geschafft, das bewirkt, daß der Mensch das, was da in seiner Atmung und Blutzirkulation lebt, nicht im Bewußtsein hat. Der physische Organismus ist etwas, was wie ein Undurchsichtiges dasjenige verdeckt, das im astralischen Organismus in der Art vor sich geht, wie ich es eben

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geschildert habe. Daher lebt sich das, was da als astralische Erlebnisse in Atmung und Blutzirkulation von der Geburt bis zum Tode lebt, über den Tod hinaus fort in der menschlichen Wesenheit. Wie das der Fall ist, das werden wir einsehen, wenn ich gleich nach der Übersetzung dieses Teiles schildere, was die menschliche Seele durchmacht, wenn sie wirklich durch die Pforte des Todes geht.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Wenn nun der physische Organismus des Menschen im Tode zerfällt, abfällt von dem menschlichen Wesen, dann bleibt zunächst dieses menschliche Wesen im ätherischen Organismus, im astralischen Orga­nismus und in seiner Ich-Wesenheit. Indem der physische Organismus für die Entfaltung der Menschenseele in das Kosmische hinaus nicht mehr ein Hindernis bietet, insofern er die Menschenseele nicht mehr zurückzieht in seine Sphäre, tritt für die Menschenseele sogleich die Möglichkeit eines kosmischen Bewußtseins auf. Diese Menschenseele hat jetzt den ätherischen Organismus an sich, ohne diesen ätherischen Organismus an einen physischen Organismus gebunden zu haben. Aber dieser ätherische Organismus ist ja, indem er auf der einen Seite den menschlichen Lebenslauf darstellt, zugleich das fortwährende Herein-spielen kosmischer Kräfte, der Kräfte des kosmischen Lebens. Indem die Menschenseele sich allmählich mit dem Ätherleibe durch den Tod durchlebt, erlebt sie in dem Ätherleibe den kosmischen Weltenäther mit. Was im kosmischen Weltenäther sich abspielt, das strömt jetzt in den ätherischen Organismus herein, denn die Abhaltung dieses Herein­strömens geschah ja bisher nur durch den physischen Organismus. Diese Abhaltung ist jetzt weg. Der ätherische Organismus ist in seinem Ge­schehen nicht so getrennt von den äußeren kosmischen Ereignissen und Tatsachen wie der physische. Was draußen im kosmischen Weltenäther vor sich geht, das strömt wirkend herein in den menschlichen ätheri­schen Organismus, und was im menschlichen ätherischen Organismus vor sich geht, das pulst hinaus in die Welt durch die ätherische Organi­sation. Der Mensch lebt sich nach dem Tode unmittelbar ein nicht nur in seinen ätherischen Organismus, sondern indem er seinen ätherischen Organismus befreit hat von der physischen Organisation, lebt er sich

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in dasjenige ein, was da fortwährend ein- und ausströmt: er lebt sich in das Kosmisch-Ätherische hinein.

Da aber die Menschenseele eine Einheit ist, wird mitgezogen in das Kosmisch-Ätherische das Astralische des Menschen und die Ich-Wesen­heit. Immer mehr und mehr leuchtet in der Menschenseele als ihr Inne­res die kosmisch-ätherische Bewußtheit auf. Aber gegenüber diesem mächtigen, großen kosmischen Bewußtsein bildet der eigene Ätherleib des Menschen nur ein ganz kleines, und in diesem ganz kleinen Ätheri­schen lebt eigentlich der Weltenäther darinnen. Daher ist es, daß die eigenen ätherischen Menschenerlebnisse, die zusammengehalten wur­den immer wieder und wieder durch die physische Organisation, nun in dem großen Weltenmeere des Ätherischen mit dem kosmischen Be­wußtsein keine Bedeutung mehr haben. Das heißt aber nichts anderes als: dieser ätherische Menschenorganismus löst sich sehr bald nach dem Tode auf. Der Mensch behält jetzt mit dem kosmischen Bewußtsein, das er sich errungen hat, seine astralische Organisation und seine Ich­Wesenheit zurück.

Aber in dieser astralischen Organisation ist die Nachwirkung des­jenigen, was diese astralische Organisation im physischen Erdendasein innerhalb des physischen Leibes erlebt hat. Ich habe ja gekennzeichnet, wie ein Teil der astralischen Organisation gewissermaßen den kosmi­schen Charakter beibehält, indem er sich nur lose vereinigt mit dem Atmungs- und Zirkulationsrhythmus. Jetzt, nachdem die physischen Organe des Atmungs- und Zirkulationsrhythmus abgeworfen sind, lebt aber dasjenige weiter, was während des physischen Erdendaseins sich da mit dem physischen Atmungs- und physischen Zirkulationsvorgang herausgebildet hat als Menscheninneres mit moralischer Qualitätswer­tung. Das lebt sich also, durchsetzt von kosmischem Bewußtsein, nach dem Tode aus. Das, was während des Erdendaseins seinen Abglanz hatte in der physischen Atmung, in der physischen Blutzirkulation, das lebt in einem kosmischen Rhythmus sich aus nach dem Tode. Ein Rhythmus ist wieder da, aber ein Rhythmus, durch den der Mensch fühlt dasjenige waltend, was er sich aus dem irdischen Dasein mitge­bracht hat an moralischer Qualitätenwertung. Er fühlt seinen astra­lischen Inhalt als moralische Qualitäten, wie sie im physischen Erdenleben

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gut oder böse geworden sind, weise oder töricht. Das ist gewisser­maßen ein innerer Pulsschlag.

In diesen inneren Pulsschlag strömt fortwährend von außen der noch nicht vom Moralischen durchströmte kosmische Vorgang ein, der sogar ein rein Kosmisches darstellt, in welchem man noch amoralisches -nicht antimoralisches - Geschehen vor sich hat, wie es seinen Abglanz hier auf der Erde in dem Naturgeschehen hat. Da unterscheiden wir nicht «gut» oder «böse», da geht alles nach neutralem Naturgeschehen vor sich. Das alles, was so vor sich geht, ist ein Abglanz eines kosmi­schen Geschehens, und dieses kosmische Geschehen schlägt rhythmisch herein in die Nachwirkung des rhythmisch-moralischen Bewertens. Der Mensch fühlt sich so in einem kosmischen Rhythmus nach dem Tode, gewissermaßen einatmend den Kosmos in seiner moralischen Unschuld, ausatmend in den Kosmos das, was er angehäuft hat in sich an moralischen Bewertungen. An die Stelle des physischen Rhythmus ist ein kos mischer Rhythmus getreten, und in diesem kosmischen Rhyth­mus erlebt die Menschenseele, wie im Kosmos, der für die äußere Natur amoralisch angelegt ist, ein moralischer Teil entsteht, der durch die menschlichen Erlebnisse hinausgetragen wird durch die Todespforte des einzelnen Menschen in den Kosmos.

Was da die Menschenseele an moralischer Bewertung ihrer Taten hinausträgt in den Kosmos durch die Todespforte, das gliedert sich in das Amoralische des Kosmos ein. In den Schoß des Kosmos wird jetzt dasjenige gesenkt, was moralische Folgen des Menschenlebens sind und durch den Tod getragen ist, und der Mensch wird durch sein Bewußt­sein, an dem ihn nichts mehr hindert, Zeuge dessen, wie sich im Schoße des amoralischen Kosmos ein moralischer Teil ausbildet für eine künf­tige Welt. Unsere Welt ist in ihrem natürlichen Abglanz moralisch neutral. Aus unserer Welt wird eine künftige Welt entstehen, die in ihrem natürlichen Abglanz nicht moralisch neutral sein wird, sondern wo alles Moralische natürlich und alles Natürliche moralisch sein wird. Den Keim dazu trägt der Mensch durch seine moralischen Taten hinein in den Kosmos. Und die große Frage steht während dieses Erlebens bewußt vor der Menschenseele: Bin ich durch die Qualitäten, die ich mir moralisch angeeignet habe, auch würdig, einmal im Weiterleben

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teilzunehmen an jenem künftigen Kosmos, der nicht mehr ein bloß natürliches Abbild haben wird, sondern der ein moralisch-natürliches Abbild haben wird?

Was von der Menschenseele an Empfindungen und Gefühlen - wir können diese Ausdrücke gebrauchen, obwohl sie nicht eigentlich das übersinnliche Erleben darstellen - nach dem Tode erlebt wird in dem geschilderten Weltenrhythmus, das ist die Bewahrheitung des morali­schen Einschlages in die physische Welt. Das gibt eine Zeitlang nach dem Tode den menschlichen Seelenerlebnissen ihre eigene Nuance. Ich habe diese Erlebnisse, die ich jetzt von einer anderen Seite aus schildere, einmal in meiner «Theosophie» geschildert und nannte sie dort die «Seelenwelt».

Aber wenn der Mensch nach dem Tode immer in diesen Erlebnissen bleiben müßte, könnte er nicht dazu kommen, richtig den Geistteil seines künftigen physischen Organismus vorzubereiten. Denn dieser Geistteil des künftigen physischen Organismus, den ich in den verflos­senen Darstellungen geschildert habe, den der Mensch in einem neuen Erdenleben an sich tragen muß, dieser Geistteil könnte nicht in gesun­der, nicht in richtiger Weise aus einem Seelenleben heraus erarbeitet werden, das behaftet ist mit den Unvollkommenheiten des Moralischen aus dem vorhergehenden Erdenleben. Daher muß eine gewisse Zeit nach dem Tode die Menschenseele eintreten in eine Welt, in der sie nur in dem gereinigten Kosmos lebt, wo herabgedämpft sind die Erlebnisse des Rhythmus, den ich eben geschildert habe; denn in diesen Rhythmus spielen hinein alle moralischen Bewertungen der Handlungen der Men­schenseele. Aus dem heraus könnte nur ein dekadenter Geistteil für den künftigen physischen Organismus gebildet werden. Ein gesunder phy­sischer Organismus kann nur gebildet werden, wenn die Seele eintreten kann in eine Welt, wo sie von den Nachwirkungen des menschlich-seelischen Erlebens aus dem vergangenen Erdenleben nicht mehr be­rührt wird, sondern wo die außermenschlichen geistigen Impulse des Kosmos wirken, wie ich es eben geschildert habe.

Diese Erlebnisse, die so im gereinigten Kosmos des Geistes von der Menschenseele erlebt werden müssen, habe ich in meinem Buche «Theo-sophie» wiederum von einer anderen Seite aus geschildert, als ich es

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hier tue. Ich habe sie dort das «Geisterland» genannt. In dieses Geister­land der Seele muß der Mensch eintreten, denn dann erst wird er fähig, an einem universell umfassenden Gestalten des Geistorganismus, der aber künftig sich metamorphosiert in den physischen Organismus, mit­zuwirken. Dem Menschen müssen für eine Zeit die Unvollkommen­heiten aus einem früheren Dasein abgenommen werden, sonst würde er in einem mißgeborenen physischen Organismus sich im nächsten Erden-leben zum Dasein bringen müssen.

So kommen wir aus einer inneren Anschauung heraus zu einer Schil­derung dessen, was der Mensch durch seine Seelenkräfte nach dem Tode im geistigen Kosmos erlebt. Mit dem astralischen Leibe trägt der Mensch natürlich das, was nun auch in seiner Ich-Wesenheit ist, in die kosmische Geistwelt hinein. Aber diese Ich-Wesenheit muß noch in einer anderen Weise bereitet werden. Das kann dann Gegenstand des morgigen Vortrages sein. Heute werde ich in einem letzten Teile noch zu schildern haben, wie sich die Gestaltung, die das Menschenwesen nach dem Tode annimmt, zu der christlichen Entwickelung und zu dem Mysterium von Golgatha verhält.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Sie werden einsehen, daß eine wahre Kosmologie nur dadurch zu­stande kommen kann, daß man in sie auch dasjenige einbezieht, was die Inspiration wissen kann über die Eingliederung eines solchen morali­schen kosmischen Keimes, wie ich ihn geschildert habe. Jede Kosmolo­gie bliebe unvollständig, die nicht wissen würde, wie der gegenwärtige Kosmos, der in der Natur einen neutralen, amoralischen Abglanz hat, einstmals durch das Leben der Menschen ein solcher werden wird, wo das Natürliche zugleich moralisch und das Moralische natürlich ist. So kann eine wahre Kosmologie auch aus diesem Grunde nur aus der Bereicherung der gewöhnlichen Erkenntnis durch Inspiration entste­hen, wie eine wahre Philosophie einen lebendigen Inhalt nur dadurch erhalten kann, daß sie die Ergebnisse der Imagination aufnimmt, wie ich das gestern auseinandergesetzt habe. Eine solche Kosmologie braucht aber auch das Christentum.

In jener Zeit, die dem Mysterium von Golgatha vorangegangen ist,

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gab es Initiierte, die nach anderen Methoden arbeiteten, als die heutige Initiation arbeiten muß. Diese alten Initiierten, die vor dem Mysterium von Golgatha lebten und die das wußten, was in den geistigen Welten vor sich geht, die der Mensch nach dem Tode betritt, diese Initiierten haben schon ihren Bekennern sagen können: Ihr tretet nach dem Tode ein in eine Seelenwelt, in der ihr den Nachklang eurer moralischen Qualitäten und der den moralischen Qualitäten ähnlich gearteten zu erleben habt; ihr könnt aber nicht mit denselben Seelenkräften, die in dieser Seelenwelt sich entfalten, in das Geisterland eintreten, denn auch wenn ihr einträtet, so würde dasjenige, was in eurem Bewußtsein als Nachwirkung der moralischen Bewertung im astralischen Organismus vorhanden ist, dumpf machen und auslöschen euer Ichbewußtsein, das Bewußtsein eures Selbstes, das ihr euch sonst nach dem Tode im Geister-lande erringen würdet.

In der physischen Welt hat sich, wie ich gesagt habe, das Ichbewußt­sein hier auf der Grundlage des physischen Organismus entwickelt. Aber gerade für die Ausarbeitung jenes Geistkeimes des Menschen mußte ein Ichbewußtsein da sein, auch in den alten Zeiten der Mensch­heitsentwickelung, beim Durchleben des Geisterlandes.

Das kann der Mensch nicht durch seine eigenen Kräfte haben - so sagten die alten Initiierten ihren Bekennern, die sie hören wollten -, das kann der Mensch nur haben, wenn in einem gewissen Momente, nachdem er durch die Seelenwelt hindurchgegangen ist, jenes hohe Geistwesen, das in der physischen Sonne seinen physischen Abglanz hat, an die Seite des Menschen tritt und ihn aus der Seelenwelt hinein-führt in das Geisterland und dort fortan sein Führer ist. Wie der Mensch hier in der physischen Welt seine physisch besten Kräfte unter dem Einfluß der physischen Sonne erlebt - so sagten die alten Initiier­ten -, so muß der Mensch an die Hand genommen werden, bildlich gesprochen, beim Übergang aus der Seelenwelt in das Geisterland, da­mit er dort seine besten Kräfte aus den Impulsen jenes Sonnenwesens haben könne, das seinen physischen Abglanz hier in der physischen Sonne hat. - So stellten die alten Initiierten als den erhabenen Begleiter der Menschenseele durch das Geisterland das geistige Sonnenwesen dar.

Und die Initiierten, die zur Zeit des Mysteriums von Golgatha und

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noch drei bis vier Jahrhunderte nachher lebten, sie sagten zu denen, die ihre Bekenner sein wollten und sie hören wollten: Durch die Art, welche die physische Entwickelung, der physische Organismus des Menschen genommen hat, ist der Mensch, nachdem er durch die Seelenwelt durch­gegangen ist, mit seinem inneren Wesen so verstrickt in das Wahrneh­men des moralischen Nachklanges, daß, wenn er auf seine eigenen Kräfte angewiesen bliebe, sein Bewußtsein sich dort verdunkelte und er den Einfluß jenes Sonnenwesens gar nicht erlangen könnte. Deshalb ist dieses Sonnenwesen selber auf die Erde herabgestiegen, hat im Leibe des Jesus von Nazareth menschliches Wesen angenommen und hat die Tat des Mysteriums von Golgatha verrichtet. Und wenn dann der Mensch auf der Erde zu demjenigen, was er durch seine Sinnesanschau­ung und durch die Entwickelung des Ichbewußtseins entfalten kann, noch hinzunimmt die Anschauung des Christus-Wesens in sein Fühlen, wie er es hier haben kann zwischen Geburt und Tod, wenn er in dieses Fühlen, das ja an den astralischen Organismus gebunden ist, aufnimmt die Anschauung des Mysteriums von Golgatha, dann übt das auf diesen astralischen Teil des Menschen - der in solcher Weise nach dem Tode weiterlebt, wie ich es geschildert habe - auch diejenige Wirkung aus, die die Nachwirkung des Verhältnisses des Erdengeschehens zum Christus und zum Mysterium von Golgatha ist. Und durch diese Nach­wirkung wird das sonst trübe und finster bleibende Bewußtsein für das Geisterland beim Übergang aus der Seelenwelt in dieses Geisterland nach dem Tode gestärkt und fähig gemacht, dasjenige in der geistigen Welt anzuschauen, was die Menschenseele zwischen dem Tode und einer neuen Geburt in die Lage bringt, den physischen Organismus in seinem Geistteile vorzubereiten.

So haben die Initiierten, welche Zeitgenossen des Mysteriums von Golgatha waren oder welche noch einige Jahrhunderte danach lebten, zu ihren Bekennern gesagt: Hat sich der Mensch dahin entwickelt, daß er durch den Tod hindurch nicht die Kraft trägt, die ihn aus der Seelen-weit in das Geisterland führen können, so ist doch der Christus auf die Erde herabgestiegen, hat die Tat von Golgatha vollbracht, und durch die Wirkung dieser Tat von Golgatha in die Menschenseele hinein können die Kräfte dieser Menschenseele so verstärkt werden, daß der

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Mensch nach dem Tode beim Übergang von der Seelenwelt in das Geisterland die kosmische Welt so reich erlebt, daß er aus ihren Impul­sen heraus den physischen Organismus seines nächsten Erdenlebens gestalten, mitgestalten kann. Durch Christi Tat wird die Menschen­seele beim Übergang aus der Seelenwelt in das Geisterland gereinigt. -So sagten die initiierten Zeitgenossen des Mysteriums von Golgatha,

wie schon die alten Initiierten gesagt haben: Durch die Führung des hohen Sonnenwesens wird die Menschenseele beim Übergang von der Seelenwelt in das Geisterland gereinigt.

Sie sehen daraus, wie das, was gerade als das Mysterium des Todes angesprochen werden muß, zusammenhängt mit der christlichen Evo­lution der Erdenmenschheit. Nach dem vierten Jahrhundert jedoch -das habe ich ja auseinandergesetzt - dämmerte jene Initiations-Erkennt­nis herab, ging verloren, welche in dieser Weise, wie ich es eben anführte, zu den Menschen, die ihre Bekenner haben werden wollen, hätte sprechen können. Aber jetzt ist wieder die Zeit da, wo eine neue Initiationswissenschaft wiederum den Zusammenhang zwischen den Menschen und dem Christus Jesus enthüllen kann. Und diese neue Initiationswissenschaft muß wieder sagen: Derjenige, der das Geheim­nis des Mysteriums von Golgatha während des Erdenlebens in sein Gefühlsleben aufnimmt, er verstärkt und erkraftet dadurch sein inneres Seelenwesen, so daß dieses beim Übergang von der Seelenwelt in das Geisterland mächtig werden kann, nicht einen solchen physischen Organismus zu bilden, wie er sonst entstehen müßte, wenn kein solcher Impuls durch ein erneuertes Christentum käme. Denn ohne diesen Impuls müßten solche Organismen in der künftigen Erdenorganisation entstehen, die krankhaft sind. Durch das erneuerte Christentum tau­chen wir ein in jenen Impuls, durch den für den Rest des Erdenlebens gesunde, kraftvolle physische Organismen entstehen können.

So hängt das, was menschliche Entwickelung durch den Tod hin­durch ist, tief zusammen mit dem Christus-Wesen, und in einer wahren Kosmologie steht der Christus als eine Weltenkraft, als eine kosmische Kraft darinnen, und seine Kraft kann angeschaut werden beim Über­gang des Menschen aus der Seelenwelt in das Geisterland nach dem Tode.

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Wie dann dasjenige, was nun auch in der Menschenseele ist und für das gewöhnliche Bewußtsein sich in dem Willen auslebt, durch den Tod hindurchgeht und zwischen Tod und neuer Geburt die Keimanlage zu gewissen Kräften werden kann, die erst im nächsten Erdenleben zum Ausdruck kommen, wie sich das Menschenschicksal, das man früher Karma genannt hat, hindurchlebt von Erdenleben zu Erdenleben, das wird die Betrachtung des nächsten Vortrages sein, die zu der heutigen Betrachtung der menschlichen Gedankenwelt und der menschlichen Gefühlswelt hinzufügen wird die Betrachtung der menschlichen Wil­lenswelt. Da wird sich aber wiederum ergeben, wie mit Bezug auf den Willensteil der Mensch seine bedeutsame Beziehung entwickeln muß zu der Christus-Wesenheit und zu dem Mysterium von Golgatha, zu der ganzen christlichen Entwickelung. Und wie wir heute den Christus hineingestellt haben in die kosmologische Entwickelung, in die wahre kosmologische Erkenntnis, so wird es uns noch obliegen, in dem mor­gigen Vortrage den Christus hineinzustellen in eine erneute, christliche Religionserkenntnis.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

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ZEHNTER VORTRAG Dornach, 15. September 1922 Das Erleben des Willensteils der Seele in seiner Wirkung bis über den Tod hinaus

Was die menschliche Seele im gewöhnlichen Bewußtsein während des Erdendaseins erlebt, drückt sich aus in Denken, Fühlen und Wollen. Den eigentlichen realen Hintergrund für dieses Denken, Fühlen und Wollen müssen wir aber in dem suchen, was ich in diesen Tagen hier charakterisiert habe als den astralischen menschlichen Organismus und als die Ich-Wesenheit. Nun habe ich gezeigt, wie der denkende Seelenteil in einer gewissen Beziehung steht zur Kopforganisation, und wie der fühlende Seelenteil in einer etwas andersgearteten Beziehung steht zu der rhythmischen Organisation des Menschen, zum Atmungsrhyth­mus, Zirkulationsrhythmus und zu anderen rhythmischen Vorgängen im Menschenwesen. In einer viel loseren Weise steht der Willensteil der menschlichen Seele in Verbindung mit dem physischen und dem äthe­rischen menschlichen Organismus.

Wenn wir studieren, wie der denkende Seelenteil mit der Kopforga­nisation in Verbindung steht, so kommen wir darauf, daß er gewisser­maßen ganz an die Kopforganisation hingegeben ist; er ist gewisser­maßen in die Kopforganisation umgebildet. Die Kopforganisation bildet ein physisches und ätherisches Abbild des denkenden Seelenteiles; so daß man, wenn der Mensch im wachen Tagesleben wirklich denkt, den Vorgang des Denkens an sich nicht eigentlich schauen kann, sondern in seinem Abbilde in den physischen und ätherischen Vorgän­gen des Gehirns und des übrigen Nervensystems suchen muß. Deshalb ist ja auch für diesen physischen Teil der Seelenerkenntnis die Gehirnanatomie und -physiologie die eigentliche Domäne, weil man so recht schon im Aufbau des Gehirns und dadurch auch in den Vorgängen des Gehirns deutlich die Abbilder dessen sehen kann, was im Denken vor sich geht. Nicht in derselben Weise an den physischen und ätherischen Organismus hingegeben und auch nicht in diesen eingeflossen ist der

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fühlende Teil der menschlichen Seele. Von ihm können wir sagen: Er ist bald ganz hingegeben an die Atmung, an die Blutzirkulation, strömt in sie ein, so daß er für das imaginative Schauen und für die Inspiration wie unsichtbar wird. Man schaut hin: der fühlende Teil der Seele schlüpft in die Atmungsvorgänge und in die Blutzirkulationsvorgänge hinein, dann wieder entreißt er sich ihnen, wird selbständig, hat eine eigene gestaltenbildende Tätigkeit in sich. So schlüpft gewissermaßen der fühlende Seelenteil in das Zirkulationssystem hinein, zieht sich wieder davon zurück, schlüpft wieder hinein, und so fort.

Ganz anders verhält sich der Willensteil der Seele. Er ist weder fort-dauernd hingegeben an den physischen und ätherischen Organismus, noch auch gerät er in ein abwechselndes Ausgegossensein und sich wie­der Zurückziehen, sondern er hält sich eigentlich durch seine eigenen Kräfte von dem physischen Teil und dem ätherischen Teil des mensch­lichen Organismus zurück. Er hat ein eigenes selbständiges Dasein durch seine eigenen Kräfte. Er bleibt durch diese Kräfte eigentlich im Seelischen, Geistigen, und würde es bleiben, wenn nicht etwas anderes eintreten würde. Wir können also sagen: In diesem Willensteil der Seele bleibt das Seelische immer seelisch-geistig, auch während des Erdenlebens. Und wenn man durch Intuition einen Einblick erhält in das, was hinter diesem Willensteil der Seele als das eigentlich Wirk­liche liegt, dann kann man das, was bleibende geistig-seelische Wesen­heit des Menschen ist, an diesem Willensteil studieren. Nur gibt es doch auch eine Art Hingegebensein des Willens an den physischen Organis­mus, ein Ausfließen in denselben, aber nicht, daß dies fortwährend ist, wie beim denkenden Teil der Seele, und auch nicht in rhythmischer Abwechselung, wie beim fühlenden Teil, sondern es ist folgendermaßen:

Wenn zum Beispiel unser denkender Seelenteil durch die Kopforga­nisation den Gedanken faßt, der in sich selber durch seinen Inhalt der Antrieb zu einem Wollen ist, dann geschieht nicht das, was beim blo­ßen Nachdenken geschieht. Beim Nachdenken über die Dinge der Welt, ohne daß es zu einem Wollen kommt, wird bloß die Kopforganisation engagiert, und es wird die Organisation des menschlichen Kopfes durch die Denktätigkeit in der Weise abgebaut oder wenigstens in die Neigung zum Abbau, zum Auflösen, zum Sterben gebracht, wie ich es gestern

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dargestellt habe. Fassen wir aber den Gedanken: Ich will dies oder jenes -, dann verbreitet sich die Tätigkeit, die dem denkenden Teil der Seele angehört, von der Kopforganisation aus in das Stoffwechsel-system und in das Gliedmaßensystem des Menschen hinein. Wenn ein Mensch einen Gedanken hat, der eine Willensabsicht darstellt, dann sieht man in der Intuition, wie eine astralische Tätigkeit hineinpulsiert in irgendeinen Teil der menschlichen Stoffwechselorganisation oder bis in die Gliedmaßenorganisation, und da wird dann durch einen sol­chen den Willen beabsichtigenden Gedanken nicht nur in der Kopf­organisation abgebaut, sondern es wird abgebaut auch in den Stoff­wechselorganen und in den Gliedmaßenorganen. Da entstehen durch solche Gedanken Zerstörungsprozesse. Diese Zerstörungsprozesse ver­anlassen, daß sich nun auch das, was als Reales dem Willensteil der Seele zugrundeliegt, hineinergießt in den Stoffwechselorganismus oder in den Gliedmaßenorganismus und wiederum das ausgleicht, was der Gedanke abgebaut hat, wiederum aufbaut, was durch den Gedanken abgebaut wird.

Wenn ich mich anschaulich ausdrücken will, so ist folgendes der Fall:

Ich habe den Gedanken, meinen Arm aufzuheben. Dieser Gedanke schießt aus der Kopforganisation in die Armorganisation hinein, be­wirkt dort einen Abbau, einen Zerstörungsprozeß. Man kann ihn eine Verbrennung nennen. Da wird im Lauf in meinerArmorganisation etwas zerstört. Derjenige Teil des astralischen Organismus, der dem Willens-teil der Seele entspricht, flutet nach, stellt wiederum her, was abgebaut ist, baut es wieder auf. Und in diesem Aufbauen vollzieht sich das Heben meines Armes. Es wird also das, was verbrannt ist, wiederum hergestellt, und in dieser Wiederherstellung vollzieht sich der eigent­liche Willensakt.

Nun ist in dem Teil des astralischen Organismus, der den Willens-impulsen der menschlichen Seele zugrundeliegt, auch die eigentliche Ich-Wesenheit enthalten, so daß immer, wenn eine Willensentfaltung geschieht, auch eine Entfaltung der Ich-Wesenheit vor sich geht. Indem man sieht, wie der Mensch seinen Willen entfaltet, schaut man also hinein, wie auf eine gewisse Veranlassung hin der menschliche astra­lische Organismus und die Ich-Wesenheit hineinfluten, sich hineinergießen

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in den physischen und ätherischen Organismus. Das geschieht auch, wenn eine Willensentfaltung sich abspielt, die eigentlich nicht nötig macht, daß ich meine Gliedmaßen bewege, sondern die vielleicht deren Ergänzungsteil ist, oder die vielleicht selber nur ein etwas leb­hafter Wunsch ist. Da geschieht so etwas auch, nur werden da viel innerlichere Teile des menschlichen Organismus von dem realen Wil­lensteil der Seele durchflutet.

Sie sehen, man kann ganz genau die Willensentfaltung studieren, aber man braucht dazu die Erkenntnis der eigentlichen seelischen und geistigen Wesenheit des Menschen. Ohne diese Erkenntnis kann man den Willensteil der Seele nicht studieren und eigentlich auch nicht auf die Ich-Wesenheit kommen, weil diese im Denken sich nur in einem schwachen Abbild zeigt, im Fühlen nur als ein Impuls auftritt und im Willen erst für das Erdendasein ihre wirkliche Realität hat. Abgesehen von dieser Willensentfaltung auf eine gewisse Veranlassung hin ist das­jenige, was dem menschlichen Willen als etwas Reales entspricht, im menschlichen Organismus ein fortwährendes Begehren der physischen Organisation. Man wünscht sozusagen im Willensteil der Seele, unterbewußt, eingekleidet zu sein in den Stoffwechsel- und Glied­maßenorganismus des Menschen. Wenn man dann gerade auf dieses in der menschlichen Seele näher eingeht, was ich eben beschrieben habe, so schaut man durch diesen Willensteil in Tiefen, in Untergründe des menschlichen Seelenlebens, in Vorgänge der Seele hinunter, die dem gewöhnlichen Bewußtsein sehr verborgen sind.

Ich habe ja schon ausgeführt, wie das, was da im Organismus als Abbau und Aufbau sich vollzieht, dem gewöhnlichen Bewußtsein ganz unbewußt bleibt. Aber außer diesen für die gewöhnlichen Willensim­pulseinBetrachtkommendenTätigkeitsentfaltungen derMenschenseele gibt es noch Vorgänge, unterbewußte Vorgänge im menschlichen We­sen, die sehr reale sind, aber während des Erdendaseins ihre Wellen gar nicht in das gewöhnliche Bewußtsein herauf werfen. Das sind die folgenden: Wir haben gestern gesehen, wie im Gefühlsteil der Seele unbewußt ein fortwährendes Bewerten des moralischen und moralisch-geistigen Menschen stattfindet. Das, was nur in einem schwachen Ab­glanz in das Bewußtsein heraufschlägt als Gewissensregungen, als

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Beurteilungen der eigenen Tätigkeit, das ist im Unterbewußten eine sehr bedeutsame, einschneidende Tätigkeit. Alles, was der Mensch tut, bewertet er auch in seinem unterbewußten Seelenorganismus. In diesem kommt es nur zu einer Bewertung, aber in dem, was dem Willensteil der Seele entspricht, kommt es noch zu etwas ganz anderem. Da sehen wir im Laufe des Erdenlebens, wie der astralische Leib und das Ich, die diesem Willensteil entsprechen, richtig aufbauen mit den astralischen und den Ich-Kräften des Kosmos eine ein dumpfes Leben führende innere Wesenheit des Menschen. Ja, es ist so: Indem wir innerlich unsere eigenen Fähigkeiten bewerten, gebären wir ein astralisches Wesen aus, das in uns sitzt und immer mehr und mehr wächst. Dieses Wesen enthält nun als Tatsachen jene Bewertungen, und der Gefühlsteil der Seele bewirkt nur, daß die Bewertung gewissermaßen da ist, gleichsam wie ein ideeller Vorgang oder - nach der Zeit, wo es geschehen ist - wie eine unterbewußt ideelle Erinnerung. Nach dem Geschehen entsteht in dem Willensteil etwas, was mehr ist. Das Urteil «ich habe eine böse Tat vollbracht» wird zu einem Wesen in uns. Wir haben in diesem Wesen etwas in uns, das tatsächlich realisierte Bewertung des tätigen Men­schen ist.

Nun liegt, wie Sie soeben aus der Darstellung gesehen haben, in diesem Willensteil der Seele etwas, was bleibt, was auch schon vor­handen war, bevor der Mensch aus der geistig-seelischen Welt herab­gestiegen ist in einen physisch-ätherischen Organismus. Da wirkt der Nachklang in diesem Geistteil der Seele, wiederum einen menschlichen Organismus aufzubauen, denn das war seine Tätigkeit im vorirdischen Dasein. Er wird jetzt nur gehindert, weil der physische Organismus da ist, weil die Tätigkeit sich nicht entfalten kann, denn sie stößt gewis­sermaßen überall an die Ecken und Wände des physischen Organismus, aber sie bleibt als Tendenz vorhanden. Und es gliedert sich nun ein in diese Tendenz jene Realität, die ich eben beschrieben habe: das Wesen, welches die realisierte Bewertung des moralischen und moralisch-geisti­gen Menschen darstellt; so daß wir in uns tragen ein Wesen, in dem zusammenfließen die Anregung, einen neuen Organismus zu bilden, und die realisierte moralische Bewertung. Dieses Wesen tragen wir durch die Todespforte, wenn unser physisches Erdendasein zu Ende ist.

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Aus meiner Darstellung haben Sie gesehen, daß im menschlichen Or­ganismus fortwährend abbauende und aufbauende, Sterben bewirkende und belebende, abdämpfende und erweckende Kräfte vorhanden sind. In dem denkenden Teil der Seele haben wir ablähmende, in dem wol­lenden Teil erweckende Kräfte zu sehen. Dieser Kampf zwischen Tod und Leben begleitet uns durch unser ganzes Erdendasein. Wenn wir dieses Erdendasein beschließen, so tragen wir das unbewußt ausgebil­dete Ergebnis unserer moralischen Qualitäten in eine geistige Welt hinein.

Sie haben aus den Darstellungen, die ich in diesen Tagen gegeben habe, gesehen, daß in dem Augenblick, wo der Mensch durch die Todes-pforte tritt, sein Bewußtsein, das sonst nur ein irdisches Bewußtsein war, sich zu einem kosmischen erweitert. So wie der Mensch hier auf der Erde sich einlebt in einen physischen Organismus, wie er innerhalb der Haut dieses physischen Organismus sich begrenzt fühlt, so lebt er sich in die Weiten des Kosmos ein, wenn er durch die Todespforte geht. Das, was er sonst um sich hat, wird nun sein eigener Inhalt. Sein Be­wußtsein wird ein kosmisches. Und die Frage entsteht: Wie ist die Bewertung von dem, was der moralische Mensch ist, wenn der Mensch, nachdem er durch die Pforte des Todes geschritten ist, dieses kosmische Bewußtsein aufgenommen hat und das Bestreben hat, einen neuen phy­sischen und ätherischen Organismus zu bilden? Die Antwort darauf soll im zweiten Teile der heutigen Betrachtung gegeben werden.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Bevor ich zur Beantwortung der eben aufgestellten Frage übergehen kann, habe ich noch einiges über den irdischen Lebenslauf des Menschen aus den geschilderten Verhältnissen heraus zu charakterisieren.

Sie haben gesehen, daß ein fortwährendes Abbauen und Aufbauen im menschlichen Organismus vor sich geht. Dieses Abbauen und Auf­bauen, Zerstören und Wiederbeleben findet während des ganzen Lebenslaufes zwischen Geburt und Tod statt. Indem wir denkende Seelenwesen sind, müssen wir abbauen; indem wir wollende Wesen sind, müssen wir aufbauen, und indem wir fühlende Wesen sind, voll­bringen wir ein Wechselwirken zwischen Abbauen und Aufbauen, so

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daß, was sich nach innen, seelisch, im Menschen als Denken, Fühlen und Wollen darstellt, ein Zerstören und Wiederentstehen und ein Wech­selspiel zwischen Zerstören und Wiederentstehen ist. Diese Prozesse im menschlichen Organismus, die außerordentlich kompliziert sind, sind für jedes Lebensalter anders. Anders sind sie beim Kinde, anders beim erwachsenen Menschen. Insbesondere ist es für den Erziehenden und Unterrichtenden wichtig, daß er aus einer geistigen Menschenerkennt­nis heraus dieses Wechselspiel zwischen Abbauen und Aufbauen, dieses Hineinfluten von aufbauenden Prozessen in abbauende, von abbauen­den in aufbauende, wie diese in gewissen Organisationen des Menschen fortwährend durcheinanderspielen, in ihren Wirkungen auf den Orga­nismus durchschauen kann. Denn nur dadurch kann man richtig erzie­hen und unterrichten, wenn man durchschauen kann, wie im kindlichen Organismus die aufbauenden und abbauenden Kräfte wirken, und was für eine Wirkung auf sie durch Erziehung und Unterricht ausgeübt werden kann.

Dafür nur ein Beispiel: Es ist etwas ganz anderes, ob man ein Kind gerade so viel, als ihm gut tut, oder ob man es zuviel gedächtnismäßig auswendig lernen läßt, so daß das Gedächtnis überlastet ist. Man könnte bei der Art, wie man heute das Wechselspiel zwischen aufbauenden und abbauenden Vorgängen nimmt, leicht glauben, das übe nur einen Ein­fluß auf die seelische Organisation des jungen Menschen aus. Das ist nicht der Fall. Wenn wir ein Kind zuviel auswendig lernen lassen, so bildet es in einer ungeregelten Weise Erinnerungsgedanken aus, die sich in die Kopforganisation einleben, die aber dann Unregelmäßigkeiten bewirken, indem sie sich in Willensgedanken fortsetzen, auch in den Stoffwechsel- und Gliedmaßenorganismus. Und wir können es erleben, daß wir vielleicht das Kind in einer falschen Weise in bezug auf sein Gedächtnis unterrichtet und erzogen haben, und daß sich dieser Fehler vielleicht erst im dreißigsten, vierzigsten oder fünfundvierzigsten Jahre zeigt in einer schlechten inneren Verdauung und Stoffwechselstörun-gen.

Ich führe dies nur als ein naheliegendes Beispiel an. Die Dinge sind sehr kompliziert, und es ist so, daß tatsächlich aus einer geistigen Er­kenntnis des Menschen heraus der wirkliche Pädagoge die Tragweite

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dessen, was er physisch und seelisch mit dem Kinde vornimmt, ermessen und überschauen kann. Daher kann eine wirkliche, wahre Pädagogik nur auf einer Menschenerkenntnis aufgebaut werden, die auf den phy­sischen Körperorganismus, auf Seele und Geist sieht, und die auch die Wechselwirkung dieser drei Glieder der menschlichen Totalorganisa­tion durchschaut. Eine solche Pädagogik ist innerhalb unserer anthro­posophischen Bewegung ausgebildet worden. Sie wird Realität in der Waldorfschule, auch hier in gewissen, allerdings nur fortbildungsschul-mäßigen Versuchen. Aber es ist einmal zu sagen, daß die blosse Sinnes-wissenschaft, die heute allgemein anerkannt wird, niemals eine wahre Pädagogik begründen kann, und daß daher auch eine wahre Pädagogik nur möglich wird durch eine anthroposophische Vertiefung des wissen­schaftlichen Lebens. In einigen Einzelheiten werde ich das hier ange­schlagene Thema in den Vorträgen von morgen und übermorgen dann weiter auszuführen haben.

Ferner stellt sich vor den schauenden Blick hin ein gewisses Wechsel­spiel von Abbau und Aufbau, von Zerstören und Wiederherstellen, von Ineinanderschieben zerstörender und wiederherstellender Tätigkeit im ganzen menschlichen Organismus, in den einzelnen Organen, in der einen oder anderen Weise, je nachdem, ob der Mensch mehr oder weniger gesund oder krank ist. Das Kranksein in seinen einzelnen Erscheinungen lernt man nur erkennen durch ein Verfolgen der Art und Weise, wie im ganzen menschlichen Organismus oder in irgend­einem Organ oder in einer Organgruppe Abbauprozesse die Oberhand gewinnen und dadurch der Organismus spröde, verhärtet wird, oder wie Aufbauprozesse die Oberhand gewinnen und dadurch ein wuchern-des Leben entsteht. Oder man lernt auch erkennen, wie Abbauprozesse sich in unrechtmäßiger Weise hineinschieben in Aufbauprozesse und sie durchsetzen mit nicht verarbeiteten Stoffwechselprodukten und der­gleichen. Kurz, ebenso wie es für den Erzieher wichtig ist, den normalen Verlauf dieser Aufbau- und Abbauprozesse beim Kinde beurteilen zu können, so ist es wichtig für den, der mit dem kranken Menschen zu tun hat, hineinzuschauen in die abnormen Aufbau- und Abbauprozesse.

Nun ist es so: Wenn wir die umliegende physische Welt in ihren verschiedenen Naturreichen, im Mineralreich, Pflanzenreich, zum Teil

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auch im tierischen Naturreich durchschauen, so finden wir alles durch­setzt von verborgenem Geistig-Seelischem. Wir finden zum Beispiel in irgendeiner Pflanze Aufbaukräfte, die, wenn sie in einer gewissen Weise bereitet und in den menschlichen Organismus eingeführt werden, sol­chen zerstörenden Prozessen, die krankhaft abnorme sind, entgegen­arbeiten. Kurz, man findet für abnorme Abbau- oder abnorme Aufbau-prozesse in der Natur draußen Heilmittel, und den Zusammenhang zwischen dem Heilmittel und der Krankheit kann man eben nur da­durch durchschauen, daß man in der eben charakterisierten Weise in den menschlichen Organismus hineinsieht. Durch alles das, was mit einem in einer gewissen Weise erkrankten Organismus vorgenommen werden kann, sei es, daß man ihm äußere Heilmittel zuführt, sei es, daß man ihn so behandelt, wie man ihn sonst als gesunden Organismus nicht behandelt oder wie er sich selbst nicht behandelt, sei es also, daß man in dieser Weise richtig angewandte Maßnahmen trifft oder das­jenige macht, was wir als Heileurythmie ausgeführt haben: immer wirkt man durch solche Anwendung so, daß man versucht, wuchernde Auf­bauprozesse oder über das Normalmaß hinausgehende Zerstörungspro­zesse wieder im Organismus ins Gleichgewicht zu bringen.

Sie sehen, daß die auf der bloßen Sinneswissenschaft bauende Medi­zin ergänzt und erweitert werden muß durch das, was aus der geistigen Anschauung, aus der Erkenntnis der totalen Menschenorganisation folgen kann. So, wie die Sinneswissenschaft in ihrem physiologischen, in ihrem anatomischen Teil nur die Außenseiten der menschlichen Organisation zu beurteilen vermag, so vermag sie auch nur durch ein äußerliches Probieren die Beziehung eines Heilmittels zu einer Erkran­kung zu finden. Inspiration, Imagination und Intuition bringen es dahin, den inneren Zusammenhang eines Heilmittels oder Heilpro­zesses mit dem Wesen des Krankheitsprozesses zusammenzuschauen und an die Stelle der bloß probierenden empirischen Therapie eine den Menschen und die Heilprozesse durchschauende rationelle Therapie zu setzen. Auch dieses kann ich hier nur ganz skizzenhaft andeuten, aber Sie sehen daraus, wie in dem, was als anthroposophische Erkenntnis begründet werden soll, auch der Ausgangspunkt liegt für ein weiteres Ausgestalten sowohl der Pathologie wie der Therapie nach den charakterisierten

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Gesichtspunkten, und diese Dinge haben ja bei uns innerhalb unserer Bewegung schon praktische Form angenommen. In unseren Therapeutischen Instituten in Stuttgart und hier in Arlesheim wird nicht etwa medizinischer Dilettantismus getrieben. Was heutige Medi­zin ist, wird voll anerkannt und auch angewendet; aber durchdrungen werden diese Dinge von dem, was eine Geist-Erkenntnis, eine Geistan­schauung in sie hineinlegen kann. Kritiker, die bloß auf die Sinneswis­senschaft bauen wollen, sagen heute noch, das, was diese Geisteswissen­schaft, die aus Anthroposophie heraus arbeitet, über Krankheit und Heilprozesse zu sagen hat, sei kindlich. - Nun, es ist dies ganz begreif­lich bei Menschen, die nur aus der Sinneswissenschaft heraus denken und arbeiten wollen. Aber gesagt muß doch werden, daß eben solche Menschen keine Ahnung haben von den wahren Verhältnissen, wenn sie die Dinge «kindlich» nennen, und daß dasjenige, was die Sinnes-wissenschaft anatomisch, pathologisch und therapeutisch hervorbringt, nur ein Unterbau ist für das, was sich aus der geistigen Anschauung heraus gerade für die Medizin ergibt. Und ich möchte es nicht in einem abfälligen Sinne, sondern nur in bezug auf manche Kritiker sagen:

Wenn schon etwas kindlich ist in mancher Beziehung, dann ist es die Medizin, die nur auf das Sinnesding sich aufbauen will, wobei ich nicht das Kindliche absprechen will, sondern nur darauf verweisen, wie es ergänzt wird durch das, was aus einer Geist-Erkenntnis in bezug auf den totalen Menschen herauskommt. - Wenn Sie dies bedenken, werden Sie einsehen, wie man in die Details gehen muß, wenn man die Betätigungen des ätherischen, des astralischen Organismus und der Ich-Wesenheit des Menschen im physischen Leben durchschauen will.

Im Tode legt nun der Mensch den physischen Organismus ab; der entfällt ihm. Es tritt dann ein Zustand ein, in welchem der Mensch den physischen Organismus nicht mehr an sich trägt, sondern in welchem die Ich-Wesenheit und der astralische Organismus noch den ätherischen Organismus an sich tragen. Ich habe schon ausgeführt, wie das, was den ätherischen Organismus des Menschen ausmacht, nicht streng getrennt ist durch feste Grenzen von der allgemeinen Organisation des Athe­risch-Kosmischen. Da fließt fortwährend Strömendes aus dem Kosmisch-Atherischen

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in den menschlichen ätherischen Organismus hinein und wieder hinaus. Daher ist es auch so, daß in dem Augenblick, wo der Mensch durch die Todespforte tritt, er aber noch seinen ätherischen Or­ganismus an sich hat, sein Bewußtsein sich erweitert in die ätherischen Weiten hinaus, daß er aber als sein Eigenes noch dasjenige empfindet, was sich aus dem physischen Organismus eben herausgezogen hat als sein ätherischer Organismus. Während dieses Zustandes ist der Mensch ganz hingegeben den Athererlebnissen des Kosmos, die sich für sein Be­wußtsein zuweilen zusammenziehen in das bloße Athererleben des eige­nen Organismus. Der Mensch ist, nachdem er durch die Todespforte ge­schritten ist, gewissermaßen überwältigt von dem, was ihm das kosmi­sche Bewußtsein ist. Da tritt noch nichts auf von einem bewußten Hin­schauen auf das, was ich als eine Wesenheit bezeichnet habe, die sich in uns ausbildet und die die realisierten Bewertungen des moralischen Men­schen darstellt. Wir tragen diese moralisch-geistige Wesenheit, die sich in den astralischen Organismus eingegliedert hat, durch die Todespforte durch, nehmen aber in der allerersten Zeit nach dem Tode nicht viel da­von wahr, sondern sind jetzt hingegeben, aus dem Kosmischen heraus und in dasselbe hinein, dem Lebenslauf, den wir gerade auf der Erde durchgemacht haben, denn der ist ja der Inhalt des ätherischen Leibes. Wir schauen eine Weile zurück auf den irdischen Lebenslauf, den wir eben vollbracht haben. In seinem Inneren - wie ich es in diesen Tagen schon geschildert habe, wie er sich darstellt dem imaginativen Bewußt­sein - erscheint jetzt dieser Lebenslauf unmittelbar nach dem Tode. Doch dauert dieser Zustand nur einige Tage. Er dauert ungefähr so lange, als für den einzelnen Menschen - es ist individuell verschieden -die Tageserlebnisse anregend sind zur Traumbildung.

Mit der Traumbildung ist es ja so, daß eigentlich die Träume immer unmittelbar anklingen an die Erlebnisse des soeben vergangenen Tages oder an die des zweitvergangenen oder des drittvergangenen Tages. Und ebenso, wie wir etwas träumen aus dem vergangenen Tage, dies aber in einer Gedankenassoziation mit anderen, früheren unserer Erleb­nisse steht, so kommen auch diese anderen Erlebnisse des Menschen im Traume herauf. Wir träumen zum Beispiel, daß wir gestern mit einem Menschen dies oder jenes gesprochen haben. Das gestrige Erlebnis tritt

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noch unmittelbar ins Traumleben ein. Aber wir haben mit diesem Men­schen in lebendiger Weise von jemandem geredet, den wir vielleicht vor zehn Jahren und seitdem nicht wieder gesehen haben. Indem dieses Er­lebnis sich in das Gespräch hineingesponnen hat, träumen wir von jenem Menschen allerlei herauf. Es werden eben die Träume nicht ordentlich studiert, sonst würde man diese Erlebnisse des Traumlebens kennen. Es ist nun bei den einzelnen Menschen verschieden: Der eine träumt nur, was am letzten Tage war; ein anderer träumt, was er am vorher vergangenen Tage erlebt hat; wieder ein anderer träumt, was drei, vier Tage vorher war. Und so weit diese Möglichkeit für den ein­zelnen individuellen Menschen besteht, so lange dauert der Zustand nach dem Tode, wo man noch in dem ätherischen Leibe ist. Ich könnte es auch anders charakterisieren und sagen: Es fällt die Länge dieser Zeit zusammen mit der Zeit, in der der Mensch nicht genötigt ist, zu schlafen, wo er es also aushalten kann, wach zu bleiben, durch Tage und Nächte hindurch, ohne zu schlafen. Der eine fällt schon in Schlaf, wenn er nur eine Nacht nicht geschlafen hat. Der andere kann es ver­tragen, zwei, drei oder vier Nächte hindurch zu wachen. Ebenso lange dauert dann das Erlebnis, wo der Mensch nach dem Tode noch in seinem Atherleib ist.

Dann aber kommt es so, daß wir immer mehr und mehr hingenom­men werden von unserem Bewußtsein, das sich eingelebt hat in die kosmisch-ätherische Welt. Und weil unser ätherischer Organismus jetzt nicht streng getrennt ist von der kosmisch-ätherischen Welt, so flutet er gewissermaßen in dieselbe hinaus. Und es ist so: wenn wir uns im Kosmisch-Atherischen fühlen und wieder auf unseren ätherischen Leib zurückblicken, dann kommt er uns schon größer vor. Und so geht es weiter. Schließlich haben wir den ätherischen Organismus nicht mehr, und wir leben uns nun mit dem astralischen Organismus in den Kosmos und in unser kosmisches Bewußtsein hinein. Da tritt dann im Menschen das herauf, was ich als ein «Wesen» charakterisiert habe, das die reali­sierte Bewertung der moralisch-geistigen Qualität des Menschen dar­stellt. Mit diesem Wesen fühlt man sich behaftet. Man ist also ein Zusammenfluß dessen, was sich von einem in den Kosmos hineinlebt, und dessen, zu dem man immer wieder und wieder in den Erlebnissen

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nach dem Tode zurückkehren muß, des Wesens, das eigentlich unser moralisches Fazit darstellt.

Und jetzt entsteht, weil gewissermaßen aus dem kosmischen Bewußt­sein heraus fortwährend real die ausgleichenden Kräfte wirken, eine außerordentlich starke Tendenz: Dem, was du unrichtig, töricht ge­macht hast, dem mußt du die richtige Handlung gegenüberstellen! -Deshalb bildet sich im weiteren Verlaufe desjenigen Lebens, das ich gestern als die Seelenwelt charakterisiert habe, das Hineinleben in den Rhythmus zwischen den moralisch-geistigen Qualitäten des Menschen und den kosmischen Qualitäten. In diesem Rhythmus bildet sich aus eine Summe von Tendenzen, wieder die Möglichkeit zu erleben, Aus-gleiche zu schaffen für das, was man moralisch minderwertig oder dergleichen findet. Es bildet sich die Tendenz aus: wenn man zum Beispiel einem Menschen etwas zugefügt hat, was ihn in der einen oder anderen Weise berührt hat, dann dafür eine im anderen Erdenleben ausgleichende Handlung zu schaffen. Kurz, es bildet sich der Keim des Schicksals, das durch die verschiedenen Erdenleben hindurchgeht, auf diese Weise aus. Aber zugleich wird das rein kosmische Bewußtsein sehr verfinstert, verdämmert dadurch, daß wir diesen Bestandteil in uns tragen, und es muß während des ganzen Durchganges durch die Seelenwelt die Menschenseele in einem dumpfen - wenigstens dumpfe-ren - Bewußtseinszustand bleiben, bis an sie die Notwendigkeit heran­tritt, in das Geisterland einzutreten, dasjenige abzustreifen, was sich als die geschilderte Wesenheit ergeben hat, und eine Weile rein zu leben in dem Kosmos, der amoralisch ist, in den wir nicht das mitbringen können, was wir als das Fazit unseres moralischen oder unmoralischen Geisteswesens in der Seelenwelt erlebt haben.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Wenn man diesen Übergang aus dem seelischen Erleben zu dem geistigen Erleben nach dem Tode schildern will, so kann man ihn vom Standpunkte des menschlichen Erdenlebens so darstellen, daß man sagt: Solange der Mensch durch die Seelenwelt durchgeht, das heißt, diesen Zustand erlebt vom Rhythmus des Kosmischen und des Moralisch-Geistigen, das in ihm selber im verflossenen Erdendasein war, des

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Ineinanderschlagens dieser beiden Wesenhaftigkeiten, so lange ist der Mensch mit einer Art von Hinneigung wie gebannt an sein letztes Erdenleben. Das, was er sich da mitgebracht hat als eine Wesenheit, die seine moralisch-geistigen Qualitäten darstellt, diese Wesenheit ist ja herausgeflossen aus seinem letzten Erdenleben. Er hängt mit seinen Seelentendenzen an derselben und erst, wenn er sich von diesem Hän­gen, von diesen Tendenzen innerlich freigemacht hat, kann er in das reine Erleben des Kosmos übergehen, in dem jene geistigen Wesenheiten mit ihm so zusammenleben können, daß er aus ihren Kräften für sich die Kräfte gewinnt, welche den universellen, den kosmischen Geistteil für einen kommenden menschlichen physischen Organimus ausarbeiten können.

Das ist vom Standpunkte des menschlichen Erdenerlebens aus ge­sprochen. Man kann aber dieselben Verhältnisse vom Standpunkte des kosmischen Bewußtseins und des kosmischen Erlebens aus charakteri­sieren und muß dann sagen: Nachdem der Mensch seinen ätherischen Leib abgelegt hat und während in seiner Ich-Wesenheit und in seinem astralischen Organismus in jener Art, wie ich es charakterisiert habe, noch weiterleben die Hinneigungen zum Erdenleben, da ist er innerlich durchdrungen von den geistigen Mondenkräften, die den Kosmos durchfluten. Von diesen Mondenkräften mußte ich schon bei der Gelegenheit sprechen, als ich den Schlafzustand charakterisierte. Jetzt treten sie uns im nachirdischen Dasein des Menschen wieder entgegen. Diese Mondenkräfte sind immer das, was den Menschen in eine gewisse Verbindung bringt oder bringen will mit dem Erdendasein. Hier, nach dem Tode, äußern sie sich so, daß sie den Menschen gewissermaßen nicht herauslassen wollen aus dem Erdendasein. Er hat seinen physi­schen Leib abgelegt, aber er will wieder zurück ins irdische Dasein. Das kommt davon, weil ihn die Mondenkräfte des Kosmos durchsetzen. Das gewöhnliche irdische Denken hat ja nach dem Tode aufgehört; das ist an die Kopforganisation des physischen Körpers gebunden. Der vorirdische Mensch ist in diese Kopforganisation ausgeflossen. Indem wir den menschlichen physischen Organimus abgelegt haben, hört das auf zu funktionieren, was eigentlich nur auf materielle Weise bewirkt wurde. Der Mensch ist dadurch unmittelbar, direkt, nicht mehr ein

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erdgebundenes Wesen; aber indirekt, mittelbar, ist er es dadurch, daß in ihm noch die Mondenkräfte fortwirken. Sie bringen gewissermaßen auf lange Zeit nach dem Tode noch in ihm eine Tendenz hervor, zurückzukehren zum Erdendasein, in dem er sich ein solches Wesen bereitet hat, wie er es jetzt eingeschlossen in sich enthält.

Der Mensch hat es aber nach dem Tode notwendig, sich den Monden­kräften zu entringen, über sie hinauszukommen, sich innerlich freizu­machen von den hereinflutenden und hereinwirkenden Mondenkräf­ten. Diese Mondenkräfte erhalten in ihm immer eine Art kosmischer Erinnerung an die rhythmischen Kräfte, das heißt, sie führen ihm im­mer wieder und wieder in Inspirationen und Imaginationen dasjenige vor, was in den Planetenbewegungen und in dem Verhältnis der Pla­neten zu den Fixsternen vor sich geht. Aber zurückgehalten wird der Mensch durch die Mondenkräfte von dem Erleben derjenigen geistigen Wesenheiten, die ihr physisches Abbild in den Fixsternkonstellationen haben. Und der Mensch steht nun vor der Notwendigkeit, einzutreten in eine rein geistige Welt. In diese lassen ihn die Mondenkräfte, solange sie auf ihn wirksam sind, nicht hinein. Er soll aber gewissermaßen den Kosmos, den er erlebt, nicht nur von der Seite sich anschauen, die ihm im physischen Dasein zugeneigt ist, sondern er soll sich ihn von der anderen Seite ansehen. In diesen Zustand kommt der Mensch tatsäch­lich, wenn er ein rein geistiges, kosmisches Bewußtsein entwickelt. Da kommt er in eine Lage, wo er gewissermaßen an der Peripherie des Kosmos ist. Und wie wir hier im Zentrum sind und überall hinaus-schauen in den Kosmos, so schauen wir in diesem geistigen Schauen von der Peripherie in den Kosmos hinein. Wir sehen aber jetzt nicht die physischen Abbilder der Geistwesen, um die es sich handelt, sondern wir schauen diese Geistwesen selber. Wir schauen nicht auf räumliche Weise von der Peripherie in den Kosmos hinein. Wie wir hier von einem Augenpunkte herausschauen in den Kosmos, so schauen wir dort von einer ganzen Kugelfläche aus hinein. Aber die Sache ist doch wieder räumlich. Wir schauen sie qualitativ; wir schauen hinaus in den Bereich des Fixsternhimmels und schauen uns diesen Fixsternhimmel von außen an.

In diese Unabhängigkeit von der physischen Welt, wo wir unser

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irdisches Dasein vollbringen, in diese Unabhängigkeit müssen wir zwischen dem Tode und einer neuen Geburt hineinkommen. In einer ganz anderen Weise kam der Mensch in diese Welt hinein in der Zeit der Menschheitsentwickelung, die vor dem Mysterium von Golgatha liegt, und in einer anderen Weise in derjenigen Zeit, die nach diesem Ereignis liegt. Es ist eben durchaus im Laufe der Menschheitsentwicke­lung auf Erden mit dem Innenleben des Menschen eine gewaltige Meta­morphose vorgegangen. Das Christus-Ereignis bildet einen Wende­punkt in der Entwickelung der irdischen Menschheit. Deshalb will ich heute im letzten Viertel meiner Auseinandersetzungen noch dieses Ein­treten des menschlichen Seelisch-Geistigen in das Geisterland durch die christliche Entwickelung schildern, als Beschluß des Abends.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

Ehe der Mensch die eigentliche geistige Welt betritt, das heißt, in das Zusammenleben mit anderen Menschenseelen kommt, die nicht ver­körpert sind, die auch in einem ähnlichen Zustande sind - er lebte übrigens schon früher mit solchen Seelen zusammen -, aber namentlich ehe er eintreten kann in das Zusammenleben mit denjenigen geistigen Wesenheiten höchster Art, die in den Sternenkonstellationen ihr physi­sches Abbild haben, muß er im Bereiche der Mondensphäre die Wesen­heit zurücklassen, die seine moralische Bewertung ausmacht. Er muß ohne sie in die Region eintreten, die nicht die Mondenregion, sondern die Sternenregion ist, in welcher aus dem Zusammensein mit anderen geistigen Wesenheiten höchster Art sich ihm die Kräfte in die Seele ergeben, durch die er nun wirklich den Geistteil des künftigen mensch­lichen physischen Organismus vorbereiten, erarbeiten kann.

Wenn in der Zeit vor dem Mysterium von Golgatha die alten Initi­ierten die Art und Weise charakterisieren wollten, wie sich für die damalige Menschheit dieser Übergang in das Geisterland vollzog, so mußten sie zu denen, die es hören wollten, sagen: Wenn ihr nach dem Tode übergehen sollt aus der Seelenwelt in das Geisterland, so müßt ihr das zurücklassen in der Mondensphäre, was aus euren guten und bösen Taten heraus schicksalbildend ist. Aber ihr habt durch eure eigenen Kräfte der Menschenorganisation allein nicht die Macht, den Übertritt

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zu bewirken aus der Mondensphäre in die Sternensphäre. Deshalb tritt für euch das Sonnenwesen ein, das seinen physischen Abglanz in der physischen Sonne hat. Und so wie euer äußeres Leben unter dem Ein­fluß des physischen Sonnenlichtes und der physischen Sonnenwärme vor sich geht, so nimmt dann nach dem Tode eure Wesenheit das hohe Sonnenwesen in Anspruch, befreit euch von eurem Schicksalskern und nimmt euch auf in die Sternensphäre, so daß ihr darin mit der Hilfe eueres Sonnenführers ausarbeiten könnt den Geistteil eueres künftigen physischen Organismus. Dann könnt ihr wiederum, nachdem ihr genü­gend unter Anleitung eueres Sonnenführers an der Gestaltung eueres physischen Organismus im Geistigen gewirkt habt, zum Erdenleben zurückkehren. Auf dieser Rückkehr zum Erdenleben nimmt euch auch wieder die Mondensphäre auf. In ihr findet ihr die Schicksalswesenheit, die ihr aus euerem früheren Erdenleben durch die Todespforte getragen habt. Ihr vereinigt euch mit ihr und könnt sie jetzt ganz anders beherr­schen, nachdem ihr mit dem hohen Sonnenwesen zusammen den Geist-teil eures künftigen physischen Organismus bereitet habt. Ihr könnt diesen Schicksalskern zusammenfügen mit dem, was als Kräfte in euch ist nach dem physischen Erdenorganismus hin. Ihr durchschreitet wie­derum die Mondensphäre. - Und dann erfolgt der Eintritt in das Erdenleben so, wie ich das in den vorangehenden Darstellungen geschil­dert habe.

Die Initiierten, welche Zeitgenossen des Mysteriums von Golgatha waren, oder die in den darauf folgenden Jahrhunderten bis zum dritten und vierten Jahrhundert lebten, konnten zu ihren Bekennern sagen:

Die Form, die der menschliche physische Organismus im Erdenleben annimmt, die bildet immer mehr und mehr das Ich aus. Aber der Mensch verliert die Kraft, in jene Region einzutreten, in der das hohe Sonnenwesen oben sein Führer sein könnte in den geistigen Sternen-regionen. Daher ist Christus heruntergestiegen auf die Erde, hat das Mysterium von Golgatha vollbracht. Und die Kraft, welche der Men­schenseele dadurch wird, daß sie eine Gefühlsverbindung mit dem Mysterium von Golgatha hat, diese Kraft wirkt nach dem Tode nach und entreißt die Seele dem Schicksals-Wesenskern und der Monden­sphäre, und unter der Nachwirkung des Christus bildet die Seele ihren

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künftigen physischen Organismus mit den anderen Wesen der Sternen­welt aus und findet dann wiederum den Schicksalskern, in den die Tendenz hineingelegt wird zur Schicksalsbildung der kommenden Er­denleben. Was die Menschenseele als Kraft aus dem Christus-Impuls aufgenommen hat, das befähigt sie wiederum, in der richtigen Weise durch das Geisterland durchzugehen und den Schicksalskern in der richtigen Weise aufzunehmen.

Derjenige, der heute aus der Initiationswissenschaft heraus redet, muß dazu noch das folgende sagen: Ja, es ist der Christus-Impuls, der über den Tod hinaus nachwirkt, unter dessen Einfluß der Mensch sich der Mondensphäre entringt, in die Sternen-Sonnensphäre eindringt und dort aus den Impulsen, die ihm die Wesen der Sternenwelt geben, arbeiten kann an der Herausgestaltung des physischen Organismus seines nächsten Erdenlebens. Aber er entringt sich der Mondensphäre durch die Kräfte, die er in seinem Ich aufgespeichert hat durch die Hinneigung zu dem Christus-Wesen und zu dem Mysterium von Gol­gatha. Er entringt sich der Mondensphäre in einer solchen Art, daß er nun auch in der Sternensphäre so arbeiten kann, daß er, wenn er wieder zur Mondensphäre zurückkehrt und ihm sein Schicksalskern begegnet, in einer freien Weise als eine freie Geistestat sich diesen Schicksalskern eingliedert, weil er sich sagen muß: Die Welt kann nur in der richtigen Weise verfließen, wenn der Mensch sich diesen seinen Schicksalskern eingliedert und dasjenige, was er als sein Schicksal zubereitet hat, auch in ausgleichenden künftigen Erdenleben wiederum zurechtbringt.

Das ist das wesentliche im Neu-Erleben des nachtodlichen Monden­sphären-Erlebens, daß es da im kosmischen Dasein einen Augenblick gibt, wo der Mensch in selbständiger Weise sein Schicksal, sein Karma, mit seiner fortschreitenden Wesenheit in Zusammenhang bringt. Und das irdische Abbild dieser im Überirdischen vollbrachten Tat im nach­herigen irdischen Leben ist die menschliche Freiheit, das Freiheitsgefühl während des Erdendaseins. Das richtige Verstehen der Schicksalsidee und ihr Verfolgen bis in die geistigen Welten hinauf begründet nicht eine Determinationsphilosophie, sondern eine wirkliche Philosophie der Freiheit, wie ich sie in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhun­derts in meinem Buche «Philosophie der Freiheit» zu geben hatte.

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So bringt sich der Mensch, wenn er sich einlebt in die geistigen Regio­nen nach dem Tode, eingegliedert in seinen Organismus und verbunden mit seinem Weltenschicksal mit die Nachwirkungen der Durchdrun­genheiten der geistigen Welten, die er im Geisterlande erlebt hat. Und der neuzeitliche Mensch kann erleben, indem er den Christus in sich erlebt, die Freiheit, und im Zusammenhange mit der Freiheit auch das Gefühl der Gottdurchdrungenheit, jener Gottdurchdrungenheit, die auf der Erde ein Abglanz desjenigen sein kann, was beim Durchgang durch die Sternenwelt zur Mondensphäre und in der Mondensphäre durchgemacht wird.

Die Geisteswissenschaft ringt sich hinauf zu einer Erkenntnis aller dieser Verhältnisse, indem durch Willensübungen der Seele die Intui­tion hergestellt wird. Diese Intuition war in älteren Zeiten nach der Anweisung der damaligen Initiierten so hergestellt worden, daß der Mensch vorzugsweise durch Askese seinen äußeren physischen Organis­mus abtötete. Indem er seinen äußeren physischen Organismus abtötet und ablähmt, lebt der ja unabhängige Wille, der eigentlich sonst nur ein Begehren nach dem physischen Organismus auslebt, sich mit nur umso größerer Energie aus. Durch die Askese wird der physische Orga­nismus so abgetötet, daß es dem Willen nun schwer wird, sich bei der Willensentfaltung hineinzubegeben in diesen physischen Organismus. Der Wille wird gleichsam zurückgetrieben, und je schwerer es ihm wird, sich in den physischen Organismus untertauchend hineinzuleben, umso mehr lebt er sich in die geistige Welt hinein und bildet Intuitionen aus. Das ist es, was durch die Askese hervorgerufen wurde. Aber diese alte Askese wird zu Unrecht in die neuere Zeit hinein fortgesetzt. Der menschliche physische Leib hat nach dem Mysterium von Golgatha eine Form angenommen, durch die er eine Askese nicht mehr vertragen würde, die erfolgreich wäre. Der neuere Mensch würde durch eine solche Askese zugleich seinen physischen Organismus so weit ablähmen, daß das Ichbewußtsein, das sich ja entwickeln muß, sich nicht in der richtigen Weise entwickeln könnte. Der Mensch würde dann nie zum Freiheitsbewußtsein kommen. Er würde auch nicht in einer richtigen Weise, in einer freien Weise sich mit dem Christus-Impuls verbinden können.

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Daher müssen diese Willensübungen so vorgenommen werden, daß nicht der physische Leib herabgestimmt wird, wie es in alten Zeiten geschah, sondern daß durch die Willensübungen die rein geistig-seeli­schen Fähigkeiten des Menschen verstärkt werden, so daß nicht der Leib sich der Seele entzieht, sondern die Seele sich hineinlebt in die geistigen Welten. Nicht nur das, was die alten Initiierten ihren Beken­nern zu sagen hatten als Kunde über das Erleben zwischen Tod und neuer Geburt, sondern auch das, was sie über die Übungen zu sagen hatten, die der Mensch vorzunehmen hat, um zu einer solchen Erkennt­nis zu kommen, die in diese übersinnlichen Welten hineinführt, auch diese Übungen sind im Sinne der fortschreitenden Menschheitsentwik­kelung anders geworden. Der alte Asket konnte nicht zu dem könig­lichen Freiheitsbewußtsein kommen, zu dem der moderne Mensch durch seine Organisation kommen muß. Der alte Asket konnte aber auch nicht zwischen Tod und Geburt dem Sonnenwesen begegnen, das Handlungen mit ihm vornahm, die er jetzt, nachdem der Christus das Mysterium von Golgatha vollbracht hat, selbst vornehmen kann, wo­durch er Kraft bekommt, nach dem Tode das Entsprechende auszu­führen.

So ist mit dem Eintritt des Christentums in die Menschheitsent­wickelung das religiöse Bewußtsein ein anderes geworden, weil dieses religiöse Bewußtsein der irdische Nachklang dessen ist, was der Mensch in Gottdurchdrungenheit zwischen Tod und neuer Geburt in der geisti­gen Welt zu erleben hat. Überall werden wir gerade durch die moderne Initiationswissenschaft hingeführt zu einer tieferen Erfassung der Christologie. Von einer Erneuerung des religiösen Bewußtseins durch anthroposophische Vertiefung kann man daher ebenso reden, wie in den verflossenen Tagen hier geredet worden ist von einer Erneuerung der Philosophie zu einem lebendigen philosophischen Wissen, und wie gesprochen worden ist von einer Vertiefung der Kosmologie durch Aufnahme desjenigen, was nur in der Intuition und Inspiration aus den höheren Welten erfaßt werden kann. Für die ganze Menschheit kann durch diese anthroposophische Vertiefung ein Gewinn auch in der Er­neuerung des religiösen Bewußtseins erstehen, das dadurch erst ein voll-bewußtes christliches Bewußtsein wird. Die richtige weitere Entwickelung

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des Christentums möchte die Anthroposophie mitbewirken, in dem Sinne, daß sie nicht eine neue Religion werden will, sondern helfend dastehen will zur Ausgestaltung der durch das Mysterium von Golgatha in die Welt gekommenen christlichen Religion. Diese hat in sich die Kraft, sich weiter zu entwickeln, und Anthroposophie möchte das in der richtigen Weise verstehen und für diese Weiterentwickelung eine richtige Helferin sein.

So habe ich versucht, Ihnen in diesen Vorträgen zu schildern, wie aus der Anthroposophie heraus befruchtet werden sollen Philosophie, Kosmologie und Religionserkenntnis. Selbstverständlich ist Religions­erkenntnis nicht Religion. Religion kann auch erlebt werden, wenn man bloß mit dem Gemüt in unbefangener Art an das sich hingibt, was die intuitive Erkenntnis liefert; aber verstehen kann man es im Gemüt. Und so kann von der Erneuerung einer Religionserkenntnis eine neue Vertiefung des religiösen Lebens ausgehen.

Das alles konnte ich in diesen Tagen nur skizzenhaft schildern. Selbstverständlich dringt man in diese Dinge erst vollständig ein, wenn man auch die Details kennen lernt. Dann würde sich auch manches, was in diesen Tagen skizzenhaft hat bleiben müssen, erst in seinen vollen Farben, mit allen möglichen Farbennuancen darstellen. Da­durch würde sich erst ein vollständiges Bild ergeben.

Sehr verehrte Anwesende! Ich bin, indem ich jetzt diese Vorträge beschließe, von tiefer Befriedigung erfüllt, wenn ich daran denke, daß Sie, von auswärts wirklich kommend, diesen Vorträgen folgten. Dieses Gefühl der Befriedigung veranlaßt mich, Ihnen herzlichsten Dank zu sagen für Ihre Aufmerksamkeit, insbesondere auch Herrn Dr. Sauer-wein herzlichsten Dank zu sagen für seine Mühewaltung für eine getreuliche Übersetzung und ihn zu bitten, mir jetzt auch diesen Wunsch noch zu erfüllen: diese Danksagung an ihn ebenfalls zu über­setzen, wie er das andere übersetzt hat. Ich werde mich glücklich schätzen, wenn Sie das Gefühl mit nach Hause nehmen, daß die Zeit, die Sie hier zugebracht haben, keine verlorene für Sie ist. In diesem Sinne möchte ich Ihnen den Abschiedsgruß gesagt haben.

[Es folgte die Übersetzung ins Französische.]

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HINWEISE

zu Seite:

18 und möchte jetzt Herrn Dr. Sauerwein bitten: Dr. Jules Sauerwein (geb. 1880), Publizist, Berichterstatter des «Matin». Er übersetzte später auch die drei Vor­träge in Paris am 23., 24. und 25. Mai 1924

25 zum Beispiel Bergsons: Henri Bergson, 1859-1941. Vgl. auch Rudolf Steiner «Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt», 7. Auf­lage, Gesamtausgabe, Stuttgart 1955

62 Das Bücheichen über den Pädagogischen Kurs: Der Lehrerkurs Dr. Rudolf Steiners im Goetheanum 1921 (Berichte von Albert Steffen und W. J. Stein), Stuttgart 1922, 3. erweiterte Auflage in der Gesamtausgabe vorgesehen.

73 Emile Boutroux, 1845-1921. Vgl. Rudolf Steiner «Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt», 7. Auflage, Gesamtausgabe, Stutt­gart 1955

78 ein Satz, den ich heute schon für andere Gebiete ausgesprochen habe: am glei­chen Tage sprach Rudolf Steiner vor den Arbeitern am Goetheanum («Die Er­kenntnis des Menschenwesens nach Leib, Seele und Geist», 4. Vortrag, Dornach 1957) und im Rahmen der Vorträge zur Begründung der Christengemeinschaft.

141 Bergsons idee der «Dauer»: in «Zeit und Freiheit» 1889, Deutsch Jena 1911

168 auch hier in gewissen, allerdings nur fortbildungsschulmäßigen Versuchen: die von Marie Groddeck geführte Friedwartschule der Fortbildungsschule am Goetheanum.

in den Vorträgen von morgen: siehe Rudolf Steiner: Ein Vortrag über Pädagogik während des Französischen Kurses am Goetheanum in «Der Goetheanumge­danke inmitten der Kulturkrisis der Gegenwart«, Gesammelte Aufsätze 1921 bis 1925. Gesamtausgabe Dornach 1961

178 in meinem Buche «Philosophie der Freiheit»: Die erste Auflage erschien 1894. Eine wesentlich ergänzte und erweiterte Neu-Ausgabe kam 1918 heraus.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.