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außen [Pfeile], als was erscheint es da? Als ein Gefüge von Gedanken! Das Weltenall - innerlich Licht, von außen angesehen Gedanken. Das Menschenhaupt - innerlich Gedanke, von außen gesehen Licht.
außen [Pfeile], als was erscheint es da? Als ein Gefüge von Gedanken! Das Weltenall - innerlich Licht, von außen angesehen Gedanken. Das Menschenhaupt - innerlich Gedanke, von außen gesehen Licht.
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Aktuelle Version vom 9. August 2023, 06:52 Uhr

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Vorbemerkungen

VORBEMERKUNGEN


Das Kernstück des vorliegenden Bandes bilden die drei als kleiner Kursus ge­haltenen Vorträge vom 6., 7., 8. Mai 1921 über Grundlagen einer Farbenlehre für das künstlerische Schaffen.

Was Rudolf Steiner in diesen Vorträgen von 1921 vermittelt, ist erwachsen aus seinen damals bereits vier Jahrzehnte umspannenden Bemühungen um die Erkenntnis des Farbenwesens. Eine intensive Beziehung zur Welt der Farbe zieht durch sein Lebenswerk und erhält noch eine besondere Nuance durch die Tatsache, daß die Farbenlehre Goethes zum Ausgangspunkt seines Lebens­werkes wurde.

Seine fundierte Kenntnis sowohl der Goetheschen Farbenlehre wie auch der­jenigen der Schulphysik war es, die seinen Lehrerfreund, den damals bekann­ten Goethe-Forscher Karl Julius Schröer bewog, den einundzwanzigjährigen Studenten für die Herausgabe von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften innerhalb der im Jahre 1882 von Joseph Kürschner begründeten Deutschen Nationalliteratur zu empfehlen. Mit dem Erscheinen des ersten Bandes, der morphologischen Schriften, im Jahre 1884 erwarb sich Rudolf Steiner das in den damaligen Fachkreisen sofort anerkannte Verdienst, die zentrale Bedeu­tung Goethes für die Wissenschaft des Organischen erarbeitet zu haben. In sei­ner Einleitung legte er dar, daß Goethe die Grundprinzipien der organischen Wissenschaft gefunden habe: «Lange vor Kepler und Kopernikus sah man die Vorgänge am gestirnten Himmel, diese fanden erst die Gesetze; lange vor Goethe beobachtete man das organische Naturreich, Goethe fand dessen Gesetze. Goethe ist der Kopernikus und Kepler der organischen Welt.» (Bibl.-Nr. i.)

Einige Jahre später wurde Rudolf Steiner auch zum Mitarbeiter an der großen Weimarer Goethe-Ausgabe berufen und lebte für diese Aufgabe von 1890 bis 1897 in Weimar. Unmittelbar nach seiner Übersiedlung von Wien nach Weimar erschien um die Jahreswende 1890/91 - genau hundert Jahre, nachdem Goethe selbst mit seinen Farbstudien begonnen hatte - in Kürsch­ners Nationalliteratur Rudolf Steiners Herausgabe von Goethes Farben­lehre mit einer grundlegenden Einleitung und nahezu fünfzehnhundert länge­ren und kürzeren Kommentaren. In der Einleitung heißt es unter anderem:

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«Es fällt mir natürlich nicht ein, alle Einzelheiten der Goetheschen Farben­lehre verteidigen zu wollen. Was ich aufrecht erhalten wissen will, ist nur das Prinzip. Aber es kann auch hier nicht meine Aufgabe sein, die zu Goethes Zeit noch unbekannten Erscheinungen der Farbenlehre aus seinem Prinzipe abzuleiten. Sollte ich dereinst das Glück haben, Muße und Mittel zu besitzen, um eine Farbenlehre im goetheschen Sinne ganz auf der Höhe der modernen Errungenschaften der Naturwissenschaft zu schreiben, so wäre in einer solchen allein die angedeutete Aufgabe zu lösen. Ich würde das als zu meinen schön­sten Lebensaufgaben gehörig betrachten.»

Diese Farbenlehre konnte Rudolf Steiner nie schreiben. Noch im Jahre 1903 fehlten dazu, wie Marie Steiner in ihrem Vorwort zur ersten Ausgabe der Farbvorträge berichtet, die Mittel. Später wiederum fehlte durch die Aufgaben, die ihm aus der anthroposophischen Bewegung in immer größerer Fülle erwachsen waren, die nötige Muße. Dafür aber gab er - in einem ge­wissen Sinne vielleicht weit über eine damals im Auge gehabte Farbenlehre hinausreichend in seinen Vorträgen und Farbskizzen eine Fülle von An­regungen, deren Zusammenschau die Ausarbeitung einer völlig neuen Farben­lehre einmal ermöglichen könnte.

Nachdem mit dem Abschluß der Weimarer Zeit im Jahre 1897 noch Goethes «Materialien zur Gesdtichte der Farbenlehre» bei Kürschner erschienen waren, erfolgte mit dem öffentlichen Eintreten für die Anthroposophie vom Jahre 1902 ab der Schritt, der von den Farben der physischen Welt zu den Farben der seelisch-geistigen Welt führte. Innerhalb der Darstellung des geisteswis­senschaftlichen Schulungsweges in den Schriften «Theosophie» und «Wie er­langt man Erkenntnisse der höheren Welten?» beginnen die Schilderungen der aurischen, «selbstleuchtenden» Farben, wie sie im spirituellen Wahrnehmen erlebt werden.

Einige Jahre darauf setzen dann auch die praktischen Bemühungen um eine neue Malweise ein, die der künstlerischen Darstellung geistiger Geheimnisse gerecht werden kann. Im ersten Mysteriendrama «Die Pforte der Einwei­hung» (1910) malt der Maler Johannes Thomasius so, daß die «Formen» als «der Farbe Werk» erscheinen. Immer wieder kommt Rudolf Steiner später auf diese Formulierung, auf diese Forderung, aus der Farbe, aus der Inner­lichkeit der Farbe selbst heraus zu malen, zurück. Ein Jahr später, 1911, ent­steht in diesem Sinne sein erstes eigenes Bild für die Staffelei des Malers Tho­masius im zweiten Mysteriendrama «Die Prüfung der Seele». Von diesem Bild sagt Thomasius:

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Im zarten Ätherrot der Geisteswelt Versucht ich, Unsichtbares zu verdichten, Empfindend, wie die Farben Sehnsucht hegen, Sich geistverklärt in Seelen selbst zu schauen.

Bei der Inszenierung der Uraufführung stellte die Darstellerin der Thomasius-Gestalt an Rudolf Steiner die Frage nach einem solchen Bild. Und auf ihre Bitte hin greift Rudolf Steiner zum Pinsel. In Temperafarben entsteht nun - nachdem man von ihm bisher nur zeichnerische Skizzen kannte - ein malerisches Kunstwerk, das den Beginn des neuen Stiles: Die Form soll der Farbe Werk sein - bedeutet. Das Bild ist unter der Bezeichnung «Lichtesweben» im Originalformat reproduziert erhältlich.

Für die Mysterienspiele wurde auf dem Dornacher Hügel das erste Goetheanum errichtet (1913-1922/23). Die beiden Kuppeln wurden nach den Skiz­zen und Farbangaben Rudolf Steiners mit Pflanzenfarben von einer Gruppe von Malern ausgemalt. Mit dem Vortrag vom 26. Juli 1914 über die schöpfe­rische Welt der Farbe begann Rudolf Steiner diese Künstler darauf hinzuwei­sen, wie, um zur Innerlichkeit der Farben zu gelangen, diese moralisch zu erleben sind. Das für die Kuppelmalereien zu bewältigende Neue bestand in der Aufgabe, zu versuchen, durch eine entsprechende Malweise das «aurische Selbstleuchten» zu erreichen. Daß diese neue malerische Auffassung in einer gewissen Entsprechung zur menschlichen Aura zu suchen ist, darauf deutete er auch in Vorträgen über den Bau hin; einmal in Dornach am 21. Oktober 1917, deutlicher jedoch noch in dem Berliner Vortrag vom 3. Juli 1918, in dem es heißt: «Wir haben es ja, indem wir den geistigen Inhalt der Welt gemalt haben, nicht mit Gestalten zu tun, die man sich von einer Lichtquelle aus beleuchtet denkt, sondern mit selbstleuchtenden Gestalten. Also es ist eine ganz andere Art in der malerischen Auffassung, die da hineingebracht werden mußte. Wenn man zum Beispiel die Aura eines Menschen malt, so malt man sie ja nicht so, wie man eine physische Gestalt malt, die man so malt, daß man Licht und Schatten so verteilt, wie die Lichtquelle das Objekt beleuchtet. Bei der Aura dagegen hat man es mit einem selbstleuchtenden Objekt zu tun; dadurch ist der Charakter der Malerei ein ganz anderer» (Bibl.-Nr. 181). Die damals noch ganz naturalistisch geschulten Maler hatten es trotz aller Hingabe an ihre Aufgabe schwer, diesen Intentionen gerecht zu werden. So kam es, daß Rudolf Steiner auf ihr Ersuchen hin von 1917/18 bis zum Ok­tober 1919 selber in der kleinen Kuppel malte. Dieses einmalige große Werk imaginativer Kunst, «geistige Geheimnisse zu malen aus dem Innerlichen der

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der Farbengebung und aus dem Innerlichen des Hell-Dunkels heraus» (Vor­trag 17. Januar 1917, Bibl.-Nr. 292), wurde durch den Brand des Baues in der Silvesternacht von 1922 auf 1923 vernichtet.

Kurz nach Vollendung der Kuppelmalereien im Spätherbst 1919 wurde Ru­dolf Steiner von den Lehrern der damals eben gegründeten Freien Waldorfschule in Stuttgart gebeten, ihnen zur Verlebendigung des Physikunterrichtes Vorträge über die Licht- und Wärmeerscheinungen zu halten. So gab er in zwei Kursen «Geisteswissensdtaftliche Impulse zur Entwicklung der Physik» (Lichtkurs, Jahreswende 1919/20, Bibl.-Nr. 320; Wärmekurs, März 1920, Bibl.-Nr. 321). In diesen beiden Kursen setzt nun Rudolf Steiner auch an, Wege zur exakten wissenschaftlichen Weiterbildung der Farbenlehre zu wei­sen. Er hoffte damals, daß aus dem Kreise der fachlich entsprechend geschul­ten anthroposophischen Wissenschaftler diese Ansätze experimentell begrün­det ausgearbeitet würden. Er sprach dies am 24. Februar 1923 in diesem Kreise aus, indem er sagte: «Nun kann unter Zugrundelegung dieses Kurses eine Wärmelehre geschrieben werden, so wie man gewohnt ist, eine Wärme­lehre zu schreiben; es kann eine Optik unter Zugrundelegung des Kurses über Lichtlehre geschrieben werden; so daß die Physiker sehen würden, daß es mög­lich ist, solche Kapitel auf diese Weise anthroposophisch zu behandeln ..., daß man mit Zugrundelegung dieser Prinzipien eine Wärmelehre, eine Optik anthroposophisch schreibt. Das habe ich deutlich ausgesprochen.»

Es bestand damals die Hoffnung, daß in einem bald nach diesen beiden Kursen in Stuttgart begründeten wissenschaftlichen Forschungsinstitute mit einer physikalischen Abteilung, in dem dann auch neue Versuche zur Pflanzenfarbenherstellung gemacht wurden, in dieser Richtung gearbeitet werden könnte. Bald schon wurde jedoch dieses Forschungsinstitut ein Opfer der da­maligen schweren Wirtschaftskrise und mußte noch zu Lebzeiten Rudolf Stei­ners aufgelöst werden.

Nachdem vom Januar 1920 an Rudolf Steiner in Lichtbildervorträgen über den Baugedanken von Dornach und seinen eigenen malerischen Versuch in der kleinen Kuppel zu sprechen begonnen hatte, kam es auf die Bitte von damals am Goetheanum tätigen Malern hin im Mai 1921 zu den drei Vorträgen über das Wesen der Farben. In Weiterführung Goethescher Erkenntnisart, für wel­che Wissenschaft und Kunst aus einer Quelle entspringen, beginnt Rudolf Stei­ner nun eine Betrachtungsweise des Farbigen, welche zum Theoretischen auch das Praktisch-Technische selber ins Künstlerische hebt. Aus dieser Erkenntnis­art war ja auch der Goethesche Metamorphosengedanke entsprungen, den

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Rudolf Steiner stets als eine der größten, bedeutendsten Erscheinungen des neueren Geisteslebens betrachtete und den er so tiefgehend weiterzubilden vermochte, daß in Formen und Farben des ersten Goetheanum und in der Eurythmie sich ein neuer Stil der Kunst entfalten konnte. Insbesondere in der neuen Bewegungskunst Eurythmie, in der jede Bewegung als hell oder dunkel, jede Seelen- und Lautstimmung als farbig zu empfinden ist, wurde ein verinnerlichtes, gesetzmäßiges Farben-Metamorphoseerleben geboren.

Und ein Metamorphosegeschehen lebt auch bis in die subtilen maltechni­schen Angaben hinein in den drei Vorträgen über das Wesen der Farbe, in denen vor allem die Unterscheidung der Bild- und Glanzfarben als völlig neue Begriffe in die Farbenlehre eingeführt werden. Die Betrachtung von Mineral, Pflanze, Tier und Mensch in ihren differenzierten farbigen Qualitäten und die Umwandlung von Glanz- in Bild- und von Bild- in Glanzfarben gibt dem Maler die Möglichkeit, eine Lasurtechnik auszubilden, deren farbige Prozesse den Stufen der Naturreiche entsprechen.

Auch die bedeutsame Frage, wodurch erscheint die Materie in Farben? -deren Beantwortung im Grunde genommen «in der gebräuchlichen Erkenntnis der Gegenwart nirgends zu finden ist», wird in den drei Vorträgen behandelt. Denn diese Frage - die auch in Goethes Farbenlehre «nicht eigentlich berührt wird», weil Goethe aus einer «gewissen Ehrlichkeit seiner Erkenntnis» her­aus und «mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln» einfach noch nicht habe vordringen können bis zu dem Problem: «Wie fixiert sich die Farbe an der Körperlichkeit?» , sei im «eminentesten Sinne» gerade auch «eine Frage der Kunst, der Malerei».

Und Rudolf Steiner stellt dar, wie die anthroposophische Geistesforschung heute diese Frage beantworten könne dadurch, daß sie den Zusammenhang des irdischen Daseins mit den kosmischen Schöpfermächten erkennen kann, aufzeigen kann, wie die verschiedenen Sternenkräfte, wie Sonne und Mond das Irdisch-Farbige bewirken.

In geisteswissenschaftlicher Gesetzmäßigkeit behandelt daher auch der den drei Farbvorträgen vorangehende Vortrag vom 5. Mai 1921 das Thema «Das Ich und die Sonne - Der Mensch innerhalb der Sternenkonstellation» und der auf die drei Vorträge folgende Vortrag vom 13. Mai 1921 das Thema «Vom Mondenaustritt bis zur Mondenzurückkunft». Im letzteren Vortrag greift Rudolf Steiner nochmals auf seine Farbvorträge zurück, indem er betont, wie sehr der Gedanke ernst genommen werden müsse, daß die Erkenntnis der Farbe aus der abstrakten Physik heraufzuholen sei in ein Gebiet, in dem

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Phantasie und Empfindung des Künstlers mit einem geistig-wissenschaftlichen Hineinschauen in die Welt, welches das Farbenwesen begreift, zusammenwir­ken könne, «so daß tatsächlich eine Farbenlehre begründet werden kann, die allerdings weit weg liegt von den Denkgewohnheiten der heutigen Wissen­schaft, die aber durchaus eine Grundlage sein kann für das künstlerische Scharfen».

Ein Jahr darauf, 1922, wurde Rudolf Steiner von der Malerin Henni Geck, die am Goetheanum Malkurse gab, um eine Art Schulungsgang für den Mal­unterricht gebeten. Daraus entstanden in der Zeit von 1922 bis 1924 seine dreiundzwanzig Schulungsskizzen für Maler (vgl. Seite 243).

Und in dem gleichen Zeitraum entstanden für den Malunterricht an der Fortbildungsschule - später «Friedwartschule» - am Goetheanum weitere acht Pastellskizzen.

In dieser Zeit wird auch in den Vorträgen wiederum das Farbenwesen be­handelt, insbesondere im Jahre 1923. In diesen Vorträgen, die zum Ergän­zungsteil des vorliegenden Bandes gehören, finden sich grundlegende Aus­führungen über Farbentherapie, Farbenperspektive, das Schöne und das Häß­liche und die Begriffe Maß, Zahl und Gewidit in der Malerei. In die Welt der Hierarchien und das Wesen des Regenbogens führt der Vortrag vom 4. Januar 1924.

In dem letzten Schaffensjahr Rudolf Steiners entstanden noch fünf Aqua­relle, die damals bei Eurythmieaufführungcn zu den Programmen ausgestellt wurden. Da sie Malerei und nicht Skizze sind, kann an ihnen unmittelbar angesdiaut werden, wie in dem Fluten der Farben, in Klang, Bewegung und Gleichgewicht die Form sich erbildet, wie die «Form» der «Farbe Werk» sein kann.

Von den Aquarellen und den anderen Farbskizzen liegt der größte Teil in Farbdrucken im Originalformat vor. Eine Zusammenschau dessen, was Ru­dolf Steiner auf dem Gebiete der Farbenlehre und Malerei an Anregungen gegeben hat, ist in Vorbereitung.

Die Herausgeber

Vorwort zur ersten Ausgabe von 1929

Das Wesen der Farben


Grundzüge

einer geisteswissenschaftlichen Farbenlehre

für das künstlerische Schaffen

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VORWORT zur ersten Ausgabe von 1929


Wie bei der Herausgabe anderer für einen Schülerkreis gesprochenen Vorträge, so muß als Begleitwort auch zu diesen am Goetheanum den Malern gegebenen Erörterungen über das Wesen der Farbe hervor­gehoben werden, daß sie nicht eine für den Druck gedachte Arbeit dar­stellen, sondern daß sie aus dem Erleben des Augenblicks mit seinen Aufgaben und Forderungen herausgeboren sind. Sie sind lebendiges Gespräch des Lehrers mit den Schülern, in sich hineinbeziehend das­jenige, was an Fragen und Wünschen innerhalb des Schülerkreises lebte, auch an Unklarheiten, die wiederholte Verdeutlichung erheischen. Die Vorträge wurden stenographiert - und wir wissen ja, wie bei lebhaft und feurig gesprochenen Worten es nicht zu umgehen ist, daß manche Nuance überhört oder verschoben wird. Aber in ihrer unmittelbaren Frische sind sie den vielen Tausenden von Lernenden am Werke Rudolf Steiners mehr wert als irgendeine pedantisch umgestellte Stilisierung. So unterwerfe ich mich denn wieder der mir obliegenden Verpflichtung, in dieser Form des an den Zuhörer gerichteten Wortes den unermeßlich reichen Nachlaß Rudolf Steiners mit seinen gewaltigen Impulsen der Neubelebung für fast jedes Gebiet des Wissens, der Art und Kunst unserer gegenwärtigen Menschheit zugänglich zu machen.

Die wunderbaren Farbenfluten in den beiden Kuppeln des verbrann­ten Goetheanums sind nicht mehr - Herostrat konnte triumphieren -, die Gedanken und Impulse aber werden mit verdoppelter Kraft aus diesem Feuerbrande heraus wirken. Die in Skizzen hinterlassenen An­deutungen für die Komposition und Farbengebung und die von Rudolf Steiner entworfenen Programmbilder zu den künstlerischen Auffüh­rungen am Goetheanum erscheinen nun allmählich in schönen Farb­druckverfahren.

Als Rudolf Steiner im Sommer 1903 in einer Reihe von Stunden über Farbenlehre an Hand einer Kerzenflamme und eines Bogens Papier mir die Entstehung von Gelb und Blau aus Licht und Finsternis heraus demonstrierte, da leuchteten seine Augen wie in glücklicher Identifizierung mit dem Wesen dessen, was er sprach, und er sagte: «Wenn ich jetzt zehntausend Mark hätte, um die nötigen Instrumente anzu­schaffen, würde ich der Welt die Wahrheit der Goethcschen Farbenlehre beweisen können.»

Es fehlten damals die zehntausend Mark, und die gegebenen An­regungen und Richtlinien wurden von Schülern Rudolf Steiners auf­gegriffen, denen es gelingen möge, den Beweis zu erbringen.

Dieser Wunsch Rudolf Steiners - Goethes Farbenlehre, Goethes Na­turanschauung zum Ausgangspunkt der Begründung einer geistigen Weltanschauung zu nehmen, führt uns zurück bis in die Anfänge der achtziger Jahre. Und zwischen 1883 und 1897 erschienen seine Einlei­tungen zu Goethes naturwissenschaftlichen Werken in Kürschners Aus­gabe.

Die Dogmatik der naturwissenschaftlichen Anschauung und die Ver­härtung des philosophischen Gedankens brachte es mit sich, daß dieser Ruf nicht genügend beachtet wurde. Rudolf Steiner mußte andere Wege betreten, um die Starrheit des heutigen Denkens zu brechen und es vom steifen Formenzwang zu lösen.

Was er getan hat, läßt sich am besten ausdrücken durch Worte, die in einem seiner Mysteriendramen ausgesprochen werden:

Es ward ihm klar, daß Geisteswissenschaft nur wahrhaft gut begründet werden könne, Wenn Sinn für Wissenschaft und strenges Denken Durch Künstlergeist von steifer Formensucht Befreit und innerlich erkraftet werden Zum wahren weltverwandten Sein-Erleben.

Das war die Tat Rudolf Steiners. Und die Künstler können an seinem zündenden Weltenfeuer erleben, wie das Tote wieder lebendig wird und wie die Keimkräfte alles Lebens sich urgewaltig regen, wenn man die starren Wände unseres toten Intellekts durchbricht, die uns vom schöpferischen Worte trennen.

Marie Steiner

Das Farberlebnis - Die vier Bildfarben Dornach, 6. Mai 1921

DAS WESEN DER FARBEN

Erster Vortrag, Dornach, 6. Mai 1921


Das Farberlebnis - Die vier Bildfarben


Die Farben, von denen wir in diesen drei Tagen sprechen wollen, sie beschäftigen den Physiker - von dieser Seite der Farben wollen wir diesmal nicht sprechen -, sie beschäftigen aber auch, oder sollten wenig­stens beschäftigen, den Psychologen, den Seelenforscher, und sie müssen ja vor allen Dingen beschäftigen den Künstler, den Maler. Und wenn wir uns umsehen in den Anschauungen, die sich bis in die Gegenwart herein über die Farbenwelt gebildet haben, so werden wir etwa konsta­tieren müssen, daß zwar dem Seelenforscher zugestanden wird, daß er dies oder jenes über die subjektiven Erlebnisse mit den Farben zu sagen habe, daß aber das doch keine eigentliche Bedeutung haben könne für die Erkenntnis des Objektiven der Farbenwelt, welche Erkenntnis eigentlich nur dem Physiker zukomme. Und erst recht gesteht man der Kunst nicht zu, irgend etwas über das Wesen der Farben und des Far­bigen im objektiven Sinne zu entscheiden. Die Menschen sind eben ge­genwärtig weit, weit weg von dem, was Goethe etwa meinte mit dem oftmals zitierten Ausspruche: «Wem die Natur ihr offenbares Geheim­nis zu enthüllen anfängt, der empfindet eine unwiderstehliche Sehnsucht nach ihrer würdigsten Auslegerin, der Kunst.»

Einem Menschen, der nun wirklich im Künstlerischen drinnensteht wie Goethe, kann es keinen Augenblick zweifelhaft sein, daß dasjenige, was der Künstler über die Farbenwelt zu sagen hat, durchaus mit dem Wesen des Farbigen zusammenhängen müsse. Man behandelt das Far­bige ja zunächst im gewöhnlichen trivialen Leben nach den Oberflächen der Gegenstände, die sich uns als farbig darstellen, nach den Eindrücken, die wir in der Natur vom Farbigen haben. Man gelangt dann dazu, das Farbige in einem gewissen Sinne, ich möchte sagen fluk­tuierend, durch den bekannten prismatischen Versuch zu erhalten, und man verschafft sich oder sucht sich zu verschaffen auf manche andere Art noch irgendwelche Einblicke in die Welt des Farbigen. Man hat

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eigentlich dabei immer im Auge, daß man das Farbige zunächst nach dem subjektiven Eindruck beurteilen soll. Sie wissen, eine lange Zeit war es in der Physik Sitte, man könnte auch sagen Unsitte, zu sagen: Was wir als eine farbige Welt wahrnehmen, das ist eigentlich nur für unsere Sinne vorhanden, während draußen in der Welt die objektive Farbe nichts anderes darstelle als eine gewisse Wellenbewegung des feinsten Stoffes, den man Äther nennt.

Wer allerdings sich unter den Definitionen, den Erklärungen, die auf diese Weise gegeben werden, auch etwas vorstellen will, der kann nichts anfangen mit einem solchen Begriff, daß dasjenige, was er als den Farbeindruck kennt, was er als Farbeindruck als sein Erlebnis hat, irgend etwas zu tun haben soll mit irgendeinem bewegten Äther. Aber man hat eben immer nur, wenn man von der Farbe, von der Qualität der Farbe spricht, den subjektiven Eindruck im Auge, und man sucht nach irgend etwas Objektivem. Dann aber kommt man ganz von der Farbe ab. Denn in all den Ätherschwingungen, die da ersonnen werden -ersonnen sind sie ja in Wirklichkeit , liegt natürlich nichts mehr von dem, was unsere farbige Welt ist. Und man muß, gerade wenn man in das Objektive der Farben hineinkommen will, versuchen, sich an die Welt der Farben selbst zu halten. Man muß versuchen, nicht heraus­zugehen aus der Welt des Farbigen. Dann kann man hoffen, einzudrin­gen in dasjenige, was eigentlich das Wesen der Farbe ist.

Wollen wir einmal versuchen, uns zu vertiefen in etwas, was uns von der ganzen weiten, mannigfaltigen Welt durch die Farbe gegeben sein kann. Und da wir eindringen wollen in das Wesen des Farbigen, so müssen wir schon, da wir ja bei der Farbe etwas empfinden, gewisser­maßen die ganze Betrachtung heraufheben in unser Empfindungsleben. Wir müssen versuchen, unser Empfindungsleben zu fragen über das­jenige, was als Farbiges in unserer Umwelt lebt. Und wir werden am besten in einem gewissen Sinne ideell experimentierend zunächst vor­gehen, damit wir nicht nur die im allgemeinen ja schwierig zu analysie­renden, gegebenen Vorgänge haben, die sich uns nicht so eklatant, nicht so radikal zeigen, daß wir gleich auf das Wesentliche kommen.

Nehmen Sie einmal an, ich würde versuchen, vor Sie hinzumalen auf die Fläche eine Grünheit, also ich würde die Fläche bedecken mit einer

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grünen Farbe. Nun, wenn ich das tue, so würde also eine Fläche dann irgendwie mit einer grünen Farbe bedeckt erscheinen. Ich bitte Sie, hier abzusehen von demjenigen, was sich nicht ergeben kann - man malt ja gewöhnlich nicht grün auf schwarz. Ich will aber nur das Schematische Ihnen hier vorführen. [Es wird gezeichnet.]

Wenn wir einfach aus der Farbe heraus uns empfindungsgemäß an­regen lassen, können wir irgend etwas, was wir weiter gar nicht zu definieren brauchen, an dem Grün als solchem erleben. Und niemand wird jetzt im Zweifel darüber sein, daß wir dasselbe, was wir an einem solchen Grün erleben können, natürlich auch erleben müssen, wenn wir die grüne Pflanzendecke der Erde uns anschauen. Wir werden das, was wir an dem reinen Grün erleben, auch an der Pflanzendecke der Erde dadurch erleben, daß diese Pflanzendecke eben grün ist. Wir müssen absehen von allem übrigen, was sonst uns diese Pflanzendecke noch dar­bietet, wir wollen nur auf die Grünheit sehen. Und nehmen wir jetzt an, ich stelle mir vor das Seelenauge diese Grünheit.

Wenn ich in diese Grünheit nun etwas hineinmale, so kann ich das mit den verschiedensten Farben hineinmalen. Wir wollen uns einmal drei Farben vor das Auge führen.

Ich habe also hier eine Grünheit, hier die zweite Grünheit, hier die dritte Grünheit. Stellen Sie sich nun vor, ich male hier ins erste irgend­wie hinein in die Grünheit ein Rotes; ich male im zweiten Fall in die Grünheit hinein eine Art Phrsichblütfarbe - nun, ich habe sie nicht, aber nehmen wir das -, und ich male zum dritten hinein ein Blaues.

Sie werden nun zugeben müssen, daß rein empfindungsgemäß durch dasjenige, was ich da getan habe, in den drei Fällen etwas ganz Ver­schiedenes geschehen ist, und daß ein gewisser Empfindungsgehalt da ist, wenn ich diese rote Form, oder was es immer ist, im Grünen drinnen wiedergebe, oder die pfirsichblütige Form in dem Grünen drinnen wieder­gebe, oder gar die blaue Form in dem Grünen drinnen wiedergebe. Es wird sich nun darum handeln, daß wir in irgendeiner Weise ausdrücken den Empfindungsgehalt, der sich uns da vor das Seelenauge hinstellt.

Wenn man so etwas ausdrücken will, so wird man versuchen müssen, es irgendwie zu umschreiben, denn man wird natürlich mit abstrakten Definitionen außerordentlich wenig erreichen können. Nun, damit wir

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zu einer Unischreibung kommen, versuchen wir einfach etwas hinein-zuphantasieren in dasjenige, was wir uns da vorgemalt haben. Neh­men wir einmal an, ich hätte im ersten Falle wirklich die Empfindung erregen wollen einer grünen Pflanzendecke, und ich zeichne rote Men­schen hinein. Ob ich diese nun im Antlitz rot mache und der Haut nach rot mache, oder ob ich sie rot ankleide, das ist ja ganz gleich. Hier [in das erste Grün] male ich rote Menschen hinein, hier in das zweite Grün male ich pfirsichblütige Menschen hinein - was ungefähr mit dem menschlichen Inkarnat stimmen würde -, und hier [in das dritte Grün] male ich blaue Menschen hinein. So daß ich also dieses jetzt nicht mache, um irgend etwas der Natur nachzubilden, sondern nur, um mir einen Empfindungskomplex vor die Augen führen zu können von dem, was da eigentlich vorliegt.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten diesen Anblick: über eine grüne Wiese gingen rote Menschen, oder über eine grüne Wiese gingen pfir­sichblütige Menschen, oder es gingen gar blaue Menschen über die grüne Wiese - in allen drei Fällen ein durch und durch verschiedener Emp­findungskomplex! Wenn Sie das erste sehen, dann werden Sie sich sagen: Diese roten Menschen, die ich da drinnen sehe in dem Grün, auf der grünen Wiese, die beleben mir die ganze grüne Wiese. Die Wiese ist noch grüner dadurch, daß die roten Menschen darübergehen. Es wird das Grün noch gesättigter, noch lebendiger dadurch, daß die roten Men­schen da drinnen gehen. Und ich werde wütend werden, wenn ich mir diese Menschen so anschaue, wie sie da sind als rote Menschen. Das ist eigentlich ein Unsinn, werde ich sagen, das kann es gar nicht geben. Ich müßte eigentlich diese roten Menschen wie Blitze machen; sie müßten sich bewegen. Denn ruhige rote Menschen in einer grünen Wiese, die wirken aufregend in ihrer Ruhe, denn sie bewegen schon durch ihre rote Farbe, sie verursachen etwas auf der Wiese, was eigentlich unmöglich ist, in der Ruhe festzuhalten. Also, ich muß in ganz bestimmte Empfindungskomplexe hineinkommen, wenn ich eine solche Vorstellung überhaupt vollziehen will.

Das [beim zweiten Grün] geht ganz gut. Die Menschen, die so sind wie diese Pfirsichblütigen, die können [ruhig] da drinnenstehen; wenn sie stundenlang stehen, so geniert mich das weiter nicht. So daß ich in

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meiner Empfindung merke: Diese pfirsichblütigen Menschen, die haben eigentlich kein besonderes Verhältnis zur Wiese, sie regen die Wiese nicht auf, machen sie nicht noch grüner, als sie ist, sind ganz neutral zur Wiese. Sie können stehen wo sie wollen, sie genieren mich nicht da drinnen. Sie taugen überall hinzu. Sie haben kein inneres Verhältnis zur grünen Wiese.

Ich gehe zum dritten über: Ich sehe mir die blauen Menschen in der grünen Wiese an. Das [Blaue], nicht wahr, das hält nicht einmal an; das hält gar nicht an. Denn dieses Blaue der Menschen in der grünen Wiese, das dämpft mir diese ganze grüne Wiese ab. Die Wiese wird abgelähmt in ihrer Grünheit. Sie bleibt gar nicht grün. Versuchen Sie es nur einmal, sich in richtiger Phantasie vorzustellen, auf einer grünen Wiese blaue Menschen herumgehend oder überhaupt blaue Wesen -es können ja auch blaue Geister sein, die da herumwandeln -, versuchen Sie das einmal: sie hört ja auf, grün zu sein, sie nimmt selber etwas Bläulichkeit an, wird selber bläulich, hört auf, grün zu sein. Und wenn sich diese blauen Menschen da lange auf dem Grün aufhalten, dann kann ich mir das überhaupt gar nicht mehr vorstellen. Dann habe ich die Vorstellung: da muß irgendwo ein Abgrund sein, und die blauen Menschen nehmen mir die Wiese weg, tragen sie fort, werfen sie in den Abgrund hinein. Das geht so wenig, daß es gar nicht dableiben kann, denn eine grüne Wiese kann gar nicht dableiben, wenn blaue Menschen dastehen; die nehmen sie mit, die führen sie hinweg.

Sehen Sie, das ist Farbenerlebnis. Man muß dieses Farbenerlebnis haben können, sonst wird man nichts machen können aus dem, was die Welt der Farben überhaupt ist. Wenn man das kennenlernen will, was seine schönste, seine bedeutsamste Anwendung in der Phantasie erlebt, dann muß man auch in der Lage sein, ich möchte sagen, im Be­reiche der Phantasie eben zu experimentieren. Man muß sich fragen können: Was wird aus einer grünen Wiese, wenn rote Menschen darauf herumgehen? - Sie wird noch grüner, sie wird ganz real in ihrer Grün­heit. Das Grün fängt förmlich an zu brennen. Aber die roten Menschen, sie verursachen um sich herum ein solches Leben in der Grünheit, daß ich mir das nicht ruhig vorstellen kann; sie müssen eigentlich herum­laufen. Und würde ich das Bild wirklich malen, so könnte ich nicht

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ruhige Leute, die dastehen, rot malen, sondern ich müßte so malen, daß ich . . . [Lücke im Text]. Wie im Reigen bewegen sie sich. Ein Reigen mit roten Menschen gemalt, würde sich auf einer grünen Wiese machen lassen. Dagegen können Menschen, die nicht rot angezogen sind, die ganz sich in das Inkarnat kleiden würden, in alle Ewigkeit auf der grünen Wiese stehen. Sie sind eben ganz und gar neutral zum Grün, sind absolut gleichgültig der grünen Wiese; die bleibt, wie sie ist. Nicht um die geringste Nuance ändert sie sich. Aber die blauen Menschen, die laufen mir mit der Wiese davon, denn die ganze Wiese verliert ihre Grünheit durch die blauen Menschen.

Man muß natürlich vergleichsweise reden, wenn man von Farben­erlebnissen spricht. Man kann nicht wie der Philister von Farbenerleb­nissen reden, denn da kommt man nicht an das Farbenerlebnis heran. Man muß vergleichsweise reden. Aber nicht wahr, schließlich redet ja schon der gewöhnliche Philister vergleichsweise, wenn er sagt: eine Billardkugel stößt die andere. - Hirsche stoßen, und Ochsen und Büffel stoßen in Wirklichkeit, aber Billardkugeln stoßen nicht in Wirklichkeit. Dennoch spricht man in der Physik von «Stoßen», weil man überall analoge Anlehnungen braucht, wenn man überhaupt anfangen will zu reden.

Nun, das gibt uns sozusagen die Möglichkeit, in der Welt der Farbe als solcher etwas zu sehen. Es ist etwas drinnen, was wir werden auf­suchen müssen als das Wesen der Farbe.

Nehmen wir einmal eine ganz charakteristische Farbe - wir haben sie hier schon ins Auge gefaßt -, nehmen wir eben die Farbe, die uns in unserer Umgebung zur Sommerszeit am reizvollsten entgegenkommt: die grüne Farbe. Sie kommt uns an der Pflanze entgegen. Und wir sind schon einmal gewöhnt, dieses Grün der Pflanze als Eigentümlichkeit der Pflanze anzusehen. Nicht wahr, so verbunden mit dem Wesen einer Sache wie die Grünheit mit der Pflanze, empfinden wir eigentlich etwas anderes nicht. Wir empfinden keine Notwendigkeit, daß gewisse Tiere, die grün sind, auch wirklich nur grün sein könnten; wir haben immer den Untergedanken, sie könnten auch anders als grün sein. Aber bei der Pflanze haben wir einmal die Vorstellung, daß die Grünheit zu ihr ge­hört, daß die Grünheit etwas ihr Eigentümliches ist. Versuchen wir gera­de an der Pflanze einmal einzudringen in das objektive Wesen der Farbe, währenddem sonst nur das subjektive Wesen der Farbe gesucht wird.

Was ist die Pflanze, die uns also gewissermaßen darlebt das Grüne? Nun, Sie wissen ja, daß geisteswissenschaftlich betrachtet, die Pflanze ihren Bestand eigentlich dadurch hat, daß sie neben ihrem physischen Leib den Ätherleib hat. Dieser Ätherleib ist dasjenige, was eigentlich lebt in der Pflanze. Aber dieser Ätherleib ist nicht grün. Das Wesen, das die Pflanze grün macht, ist eben schon im physischen Leib der Pflanze gelegen, so daß das Grün zwar der Pflanze ureigentümlich ist, aber doch nicht das eigentliche Urwesen der Pflanze ausmachen kann. Denn das eigentliche Urwesen der Pflanze liegt im Ätherleib; und hätte die Pflanze keinen Ätherleib, so wäre sie ein Mineral. In ihrem Minera­iischen lebt sich uns die Pflanze eigentlich dar durch das Grün. Der Ätherleib ist ganz anders gefärbt. Aber der Ätherleib lebt sich uns durch das mineralisch Grüne an der Pflanze dar. Wenn wir in bezug auf den Ätherleib die Pflanze betrachten, wenn wir sie in ihrer Grünheit in bezug auf den Ätherleib betrachten, ja, dann müssen wir sagen: Setzen wir auf die eine Seite das eigentliche Wesen der Pflanze, das Ätherische, und setzen wir auf die andere Seite, indem wir es in abstracto abtren­nen, die Grünheit, so ist das wirklich so - wenn wir die Grünheit her­ausnehmen aus der Pflanze -, als wenn wir bloß ein Abbild von etwas machen. In dem, was ich da als Grünes herausgezogen habe aus dem Ätherischen, habe ich eigentlich nur ein Bild der Pflanze, und dieses Bild ist - das ist der Pflanze eigentümlich - notwendig grün. Also, ich bekomme eigentlich die Grünheit im Bilde der Pflanze. Und indem ich der Pflanze die grüne Farbe ganz wesentlich zuschreibe, muß ich dem Bilde der Pflanze diese Grünheit zuschreiben, und in der Grünheit muß ich das besondere Wesen des Pflanzenbildes suchen.

Sehen Sie, da sind wir auf etwas sehr Wesentliches gekommen. Nie­mand wird verfehlen, wenn er irgendwo eine Ahnengalerie sieht in einem alten Schlosse - man kann sie ja jetzt vorläufig noch sehen -, zu sagen: Das sind nur die Bilder der Ahnen, das sind nicht die wirklichen Ahnen. - Nicht wahr, sie stehen in der Regel nicht da, die Ahnen; es sind nur die Bilder der Ahnen. Aber auch wenn wir das Grün der Pflanze sehen, so haben wir nicht das Wesen der Pflanze, geradesowenig

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wie wir in den Ahnenbildern die Ahnen haben. Wir haben in dem Grün, was da vor uns auftritt, nur das Bild der Pflanze. Und nun bedenken Sie einmal, daß die Grünheit eben der Pflanze eigentümlich ist, daß die Pflanze unter allen Wesen eben das eigentliche Wesen des Lebens ist. Nicht wahr, das Tier hat Seele, der Mensch hat Geist und Seele. Die Mineralien haben kein Leben. Die Pflanze ist das Wesen, welches gerade dadurch charakteristisch ist, daß es Leben hat. Die Tiere haben noch dazu die Seele. Die Mineralien haben noch nicht die Seele. Der Mensch hat dazu den Geist. Wir können weder vom Menschen, noch vom Tier, noch vom Mineral sagen, daß sein Wesen das Leben ist; es ist eben etwas anderes das Wesen. Bei der Pflanze ist das Wesen das Leben; die grüne Farbe ist das Bild. So daß ich eigentlich ganz im Objektiven drinnenbleibe, wenn ich sage:

Grün stellt dar das tote Bild des Lebens.

Sehen Sie, jetzt habe ich auf einmal für eine Farbe - wir wollen induktiv vorgehen, wenn wir uns gelehrt ausdrücken wollen - so etwas bekommen, wodurch ich diese Farbe objektiv in die Welt hineinstellen kann. Ich kann sagen, geradeso wie ich, wenn ich eine Photographie bekomme, sagen kann, diese Photographie ist die von Herrn N., ge­radeso kann ich auch sagen: Wenn ich Grün habe, so stellt mir das Grün das tote Bild des Lebens dar. Ich reflektiere jetzt nicht bloß auf den subjektiven Eindruck, sondern ich komme darauf, daß das Grün das tote Bild des Lebens ist.

Nehmen wir diese Farbe hier, das Pfirsichblüt. Genauer will ich lieber sprechen von der Farbe des menschlichen Inkarnates, das ja natürlich bei den verschiedenen Menschen nicht ganz gleich ist, aber wir kommen da zu einer Farbe, die ich eigentlich im Grunde meine, wenn ich von Pfirsichblüt spreche . . . [Lücke ich Text]. Pfirsichblüt: also menschliches Inkarnat, menschliche Hautfarbe. Wir wollen einmal versuchen, auf das Wesen dieser menschlichen Hautfarbe zu kommen. Man sieht ja diese menschliche Hautfarbe gewöhnlich nur von außen. Man sieht den Men­schen an, und dann sieht man diese menschliche Hautfarbe von außen. Aber es fragt sich, ob auch ein Bewußtsein von dieser menschlichen Hautfarbe als ein Erkennen von innen, so ähnlich, wie wir das bei dem

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Grün der Pflanze getan haben, erlangt werden kann. Nun, das kann allerdings auf die folgende Weise erlangt werden.

Wenn der Mensch wirklich richtig versucht, sich vorzustellen, daß er innerlich durchseelt ist und dieses sein Durchseeltsein übergehend denkt in seine physisch-leibliche Gestaltung, so kann er sich vorstellen, daß das, was ihn durchseelt, sich in irgendeiner Weise in die Gestaltung hinein ergießt. Er lebt sich aus, indem er sein Seelisches hineinergießt in seine Gestalt, in dem Inkarnat. Was damit gesagt ist, können Sie sich am besten vielleicht dadurch vor die Seele führen, daß Sie sich einmal Menschen anschauen, bei denen das Seelische aus der Haut, aus der äußeren Gestalt etwas zurücktritt, bei denen das Seelische nicht, sagen wir, durchseelt die Gestalt. Wie werden denn diese Menschen? Die wer­den grün! Leben ist in ihnen, aber sie werden grün. Sie sprechen von grünen Menschen, und Sie können dieses eigentümliche Grün im Teint, wenn die Seele sich zurückzieht, sehr gut wahrnehmen. Dagegen werden Sie, je mehr der Mensch diese besondere Nuance des Rötlichen annimmt, das Erleben dieser Nuance in ihm merken. Beobachten Sie nur einmal Temperament, Humor bei grünen Menschen und bei denjenigen, die ein wirklich frisches Inkarnat haben, so werden Sie sehen, da erlebt sich die Seele in dem Inkarnat. Was da nach außen strahlt in dem Inkarnat, das ist nichts anderes als der sich als Seele in sich erlebende Mensch. Und wir können sagen: Was wir da im Inkarnat als Farbe vor uns haben, es ist das Bild der Seele, richtig das Bild der Seele. Aber gehen Sie [noch so] weit in der Welt herum, [Sie werden finden]: für dasjenige, was als menschliches Inkarnat auftritt, müssen wir das Pfirsichblüt wählen. Sonst finden wir es ja eigentlich nicht an äußeren Gegenständen. Wir können es ja auch nur durch alle möglichen Kunstgriffe in der Malerei erreichen; [denn] dasjenige, was da als menschliches Inkarnat auftritt, ist schon Bild des Seelischen, aber es ist, daran kann ja gar kein Zweifel sein, nicht selber seelisch. Es ist das lebendige Bild der Seele. Die Seele, die sich erlebt, erlebt sich im Inkarnat. Es ist nicht tot, wie das Grün der Pflanze, denn wenn der Mensch die Seele zurückzieht, so wird er grün: dann kommt er bis zum Toten. Aber ich habe in dem Inkarnat das Lebendige. Also:

Pfirsichblüt stellt dar das lebendige Bild der Seele.

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Wir haben also Bild im ersten und Bild im zweiten Falle.

Sie sehen, ich bin zu einer anderen Farbe gegangen. Wir versuchen objektiv das Farbige festzuhalten, nicht bloß den subjektiven Eindruck zu erwägen und dann irgendwelche Wellenbewegungen und so weiter zu erfinden, die dann objektiv sein sollen. Man kann es ja, ich möchte sagen, mit Händen greifen, daß es ein Unding ist, das menschliche Er­leben von dem Inkarnat zu trennen. Es ist ein anderes Erleben im Leib­lichen, wenn das Inkarnat frisch ist, als wenn der Mensch ein Grünling wird. Es ist schon ein innerliches Wesen, das sich in der Farbe wirklich darlebt.

Und nun nehmen wir dasjenige, was wir hier als drittes gehabt haben, das Blau, dann werden wir uns sagen: Dieses Blau können wir zunächst nicht eigentümlich finden einem solchen Wesen, wie es die Pflanze ist, der das Grün eigentümlich ist; wir können nicht so über das Blau spre­chen, wie wir sprechen konnten über das pfirsichblütartige Inkarnat beim Menschen. Bei den Tieren finden wir nicht solche Farben, die so ureigentümlich sind den Tieren, wie die Menschen und die Pflanzen ureigentümlich haben Inkarnat und Grünheit. Also mit dem Blau kön­nen wir zunächst nicht in dieser Weise der Natur gegenüber etwas anfangen. Aber wir wollen doch vorschreiten, wir wollen doch einmal sehen, ob wir vielleicht noch weiter im Aufsuchen des Wesens der Farbe kommen können.

Wir haben zunächst die Möglichkeit, da wir über das Blau nicht gehen können, zu den hellen Farben hinzugehen; aber damit wir leichter, schneller vorwärtskommen, nehmen wir gerade dasjenige, was uns be­kannt ist als das Weiß. Wir können zunächst nicht sagen, daß irgend­einem Wesen der Außenwelt dieses Weiß eigentümlich ist. Wir könnten uns ja an das Mineralreich wenden, aber wir wollen doch versuchen, uns auf eine andere Weise von dem Weißen eine objektive Vorstellung zu machen. Und da können wir sagen: Wenn wir das Weiße vor uns haben und es dem Lichte aussetzen, wenn wir das Weiße einfach be­leuchten, so haben wir die Empfindung: dieses Weiße hat eine gewisse Verwandtschaft zum Lichte. Aber das bleibt zunächst eine Empfindung. Es wird aber in dem Augenblicke mehr als eine Empfindung, wenn wir uns an die Sonne halten, die uns zunächst ja deutlich wenigstens gegen

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das Weiß hin nuanciert erscheint, und auf die wir zurückführen müssen alles, was Beleuchtung ist in unserer Welt zunächst von der Natur aus. Wir können sagen: Was uns als Sonne erscheint, was sich als Weißes dar­lebt, was aber zu gleicher Zeit seine innere Verwandtschaft mit dem Lichte darlebt, das hat die Eigentümlichkeit, daß es uns überhaupt durch sich selber nicht auf dieselbe Art wie eine äußere Farbe erscheint. Eine äußere Farbe erscheint uns an den Dingen. Und so etwas wie die Weiße der Sonne, welche uns das Licht repräsentiert, erscheint uns nicht un­mittelbar an den Dingen. Wir werden später eingehen auf jene Art von Farbe, die man etwa an Papier und Kreide und dergleichen als weiß bezeichnen kann, aber da werden wir eben einen Umweg machen müs­sen. Zunächst, wenn wir uns ans Weiße heranwagen, so müssen wir sagen: Wir werden zunächst durch das Weiße zum Lichte als solchem geführt. Wir brauchen ja, um diese Empfindungen ganz auszubilden, nichts anderes zu tun, als etwa uns zu sagen: Das polarische Gegenbild des Weißen ist das Schwarze.

Daß das Schwarze die Dunkelheit ist, daran zweifeln wir nicht mehr; so werden wir das Weiße sehr leicht identifizieren können mit der Hel­ligkeit, mit dem Lichte als solchem. Kurz, wir werden schon, wenn wir die ganze Betrachtung in das Empfindungsgemäße heraufheben, die innige Beziehung des Weißen und des Lichtes finden. Wir werden auf die Frage dann noch näher eingehen in den nächsten Tagen.

Wenn wir nun über das Licht selber nachdenken, und wenn wir nicht versucht sind, an den Newton-Popanz uns zu halten, sondern wenn wir die Dinge unbefangen beobachten, so werden wir uns sagen: Farben sehen wir schon. Zwischen der Weiße, die als Farbe auftritt, und dem Licht muß es eine besondere Bewandtnis haben. Wir wollen also das eigentliche Weiß zunächst ausschalten. Aber anders als von den anderen Farben wissen wir vom Lichte als solchem. Fragen Sie sich einmal, ob Sie das Licht eigentlich wahrnehmen. Sie würden ja gar nicht Farben wahrnehmen, wenn Sie nicht im durchleuchteten Raume wären. Das Licht macht Ihnen die Farben wahrnehmbar; aber Sie können nicht sagen, daß Sie das Licht ebenso wahrnehmen wie die Farben. Das Licht ist ja in dem Räume, wo Sie eine Farbe wahrnehmen. Es liegt in dem Wesen des Lichtes, die Farben wahrnehmbar zu machen. Aber nicht so,

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wie wir das Rot, Gelb, Blau sehen, sehen wir das Licht. Das Licht ist überall, wo es hell ist, aber wir sehen nicht das Licht. Es muß das Licht überall fixiert sein an etwas, wenn wir es sehen sollen. Es muß behalten werden, es muß zurückgeworfen werden. Die Farbe ist an der Ober­fläche der Dinge, das Licht aber - wir können nicht sagen, daß es irgend­wo haftet -, das Licht ist etwas durch und durch Fluktuierendes. Aber wir selbst, wenn wir des Morgens aufwachen und vom Lichte durch­strahlt und überstrahlt werden, dann fühlen wir uns in unserem eigent­lichen Wesen, wir fühlen eine innige Verwandtschaft des Lichtes mit unserem eigentlichen Wesen. Und wenn wir in der Nacht in tiefer Fin­sternis aufwachen, fühlen wir: Da können wir nicht zu unserem eigent­lichen Wesen kommen, da sind wir wohl gewissermaßen in uns zurück­gezogen, aber wir sind durch die Verhältnisse etwas geworden, was sich selber nicht in seinem Elemente fühlt. Und wir wissen auch: Das, was wir vom Lichte haben, es ist ein Zu-uns-Kommen. Es widerspricht dem nicht, daß der Blinde es nicht hat. Er ist dafür organisiert, und auf die Organisation kommt es an. Wir haben zum Lichte das Verhältnis, das unser Ich zur Welt hat, aber doch wieder nicht dasselbe; denn wir kön­nen nicht sagen, daß dadurch, daß das Licht uns erfüllt, wir schon zum Ich kommen. Aber dennoch, das Licht ist notwendig, damit wir zu die­sem Ich kommen, wenn wir sehende Wesen sind.

Was liegt da eigentlich vor? Wir haben in dem Lichte, von dem wir gesagt haben, daß es sich im Weiß hinstellt - wie gesagt, die innere Beziehung wollen wir dann noch kennenlernen -, dasjenige, was uns eigentlich durchgeistigt, was uns zu unserem eigenen Geiste bringt. Es hängt unser Ich, daß heißt, unser Geistiges, mit diesem Durchleuchtet­sein zusammen. Und wenn wir diese Empfindung nehmen - es muß eben alles, was im Licht und in der Farbe lebt, als Empfindung zunächst gefaßt werden -, so werden wir sagen: Es ist ein Unterschied zwischen dem Lichte und demjenigen, was sich im Ich als Geist darlebt. Und dennoch, es gibt uns das Licht etwas von unserem eigenen Geiste. - Wir werden in einer solchen Weise durch das Licht ein Erlebnis haben, daß das Ich sich eigentlich innerlich erleben kann am Lichte.

Wenn wir das alles zusammenfassen, so können wir nicht anders sagen als: Das Ich ist geistig, es muß sich aber seelisch erleben; es erlebt

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sich seelisch, indem es sich durchleuchtet fühlt. Und das jetzt in eine Formel gefaßt, werden Sie sehen:

Weiß oder Licht stellt dar das seelische Bild des Geistes.

Es ist natürlich, daß ich Ihnen diese dritte Stufe aus lauter Empfin­dung habe zusammensetzen müssen. Aber versuchen Sie, nachdem diese Formel jetzt gewonnen ist, sich immer mehr und mehr hineinzudenken in die Sache und Sie werden sehen, es liegt wirklich etwas in dem:

Grün stellt dar das tote Bild des Lebens,

Pfirsichblüt stellt dar das lebende oder lebendige Bild der Seele,

Weiß oder das Licht stellt dar das seelische Bild des Geistes.

Und jetzt gehen wir zum Schwarz oder zur Finsternis. Da werden Sie schon verstehen, daß ich vom Weißen und vom Hellen, vom Lichte sprechen kann im Zusammenhange mit der Beziehung, die besteht zwi­schen der Finsternis und dem Schwarzen. Nehmen wir also jetzt das Schwarz. Ja, und nun versuchen Sie einmal mit dem Schwarzen, mit der Finsternis etwas anzufangen! Sie können etwas anfangen. Es ist ja zweifellos das Schwarze sehr leicht sogar in der Natur zu finden, so als eine Eigentümlichkeit, als eine wesenhafte Eigentümlichkeit von etwas, wie das Grüne eine wesenhafte Eigenheit ist von der Pflanze. Sie brau­chen nur die Kohle sich anzusehen. Und um sich noch erhöht das vorzu­stellen, daß da das Schwarze irgend etwas mit der Kohle zu tun hat, stellen Sie sich vor, daß die Kohle auch ganz hell und durchsichtig sein kann: dann ist sie allerdings ein Demant. Aber so bedeutsam ist das Schwarz für die Kohle, daß, wenn sie nicht schwarz wäre, sondern weiß und durchsichtig, sie ein Demant wäre. So stark wesenhaft ist das Schwarz für die Kohle, daß eigentlich die Kohle ihr ganzes Kohlen­dasein der Schwärze verdankt. Also die Kohle verdankt ihr finsteres, schwarzes Kohlendasein eben der schwarzen Finsternis, in der sie er­scheint. Geradeso wie die Pflanze ihr Bild irgendwie hat in dem Grü­nen, so hat die Kohle ihr Bild in dem Schwarzen.

Aber versetzen Sie sich selbst jetzt in das Schwarze: Alles ist absolut schwarz um Sie herum - die schwarze Finsternis -, da kann in einer

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schwarzen Finsternis ein physisches Wesen nichts machen. Leben wird aus der Pflanze vertrieben, indem sie zur Kohle wird. Also das Schwarze zeigt schon, daß es dem Leben fremd ist, daß es dem Leben feindlich ist. An der Kohle zeigt sich das; denn die Pflanze, indem sie verkohlt, wird schwarz. Also Leben? Da ist nichts zu machen im Schwarzen. Seele? Es vergeht uns die Seele, wenn das grausige Schwarz in uns ist. Aber der Geist blüht, der Geist kann durchdringen dieses Schwarze, der Geist kann sich da drinnen geltend machen.

Und wir können sagen: Im Schwarzen - und versuchen Sie es nur einmal, die Schwarz-Weiß-Kunst, das Hell-Dunkel auf der Fläche daraufhin zu prüfen, wir werden darauf noch zurückkommen -, da bringen Sie eigentlich, indem Sie auf die weiße Fläche das Schwarz daraufmalen, den Geist in diese weiße Fläche hinein. Gerade in dem schwarzen Strich, in der schwarzen Fläche durchgeistigen Sie das Weiße. Den Geist können Sie in das Schwarz hineinbringen. Aber es ist das einzige, was in das Schwarz hineingebracht werden kann. Und dadurch bekommen Sie die Formel:

Schwarz stellt dar das geistige Bild des Toten.

Wir haben jetzt einen merkwürdigen Kreislauf bekommen für die objektive Wesenheit der Farben. Wenn wir uns den Kreislauf darstel­len, haben wir immer in der Farbe irgendwie ein Bild. Farbe ist unter allen Umständen nichts Reales, sondern Bild. Und wir haben einmal das Bild des Toten, einmal das Bild des Lebens, das Bild der Seele, das Bild des Geistes [siehe Zeichnung]. Wir bekommen also, indem wir so herumgehen: Schwarz, das Bild des Toten; Grün, das Bild des Lebens; Pfirsichblüt, das Bild der Seele; Weiß, das Bild des Geistes. Und will ich das Eigenschaftswort dazu haben, das Adjektiv, dann muß ich immer von dem Vorhergehenden ausgehen: Schwarz ist das geistige Bild des Toten; Grün ist das tote Bild des Lebens; Pfirsichblüt ist das lebende Bild der Seele; Weiß ist das seelische Bild des Geistes.

Ich bekomme in diesem Zirkel, in diesem Kreise die Möglichkeit, auf gewisse Grundfärbungen, Schwarz, Weiß, Grün und Pfirsichblüt, hin­zuweisen, indem immer das Frühere mir das Eigenschaftswort für das Spätere andeutet: Schwarz ist das geistige Bild des Toten; Grün ist das

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tote Bild des Lebenden; Pfirsichblüt ist das lebende Bild der Seele; Weiß ist das seelische Bild des Geistes.

Wenn ich also die Reiche der Natur nehme, das tote Reich, das lebende Reich, das beseelte Reich, das geistige Reich, dann steige ich auf - geradeso wie ich aufsteige vom Toten zum Lebenden, zum See­lischen, zum Geistigen -, so steige ich auf: Schwarz, Grün, Pfirsichblüt, Weiß. Sie sehen, so wahr ich aufsteigen kann vom Toten durch das Leben zum Seelischen, zum Geistigen, so wahr ich da die Welt habe, die um mich herum ist, so wahr habe ich diese Welt um mich herum in ihren Bildern, indem ich aufsteige: Schwarz, Grün, Pfirsichblüt, Weiß. Wirklich, so wahr es ist, daß der Konstantin und der Ferdinand und der Felix und so weiter die wirklichen Ahnen sind und ich aufsteigen kann durch diese Ahnenreihe, so wahr kann ich durch die Bilder weiter­gehen und habe die Bilder dieser Ahnenreihe. Ich habe eine Welt vor mir: mineralisches, pflanzliches, tierisches, geistiges Reich, insofern der Mensch das Geistige ist. Ich steige auf durch die Wirklichkeiten; aber die Natur gibt mir selbst die Bilder dieser Wirklichkeiten. Sie bildet sich ab. Die farbige Welt ist keine Wirklichkeit, die farbige Welt ist schon in der Natur selber Bild: und das Bild des Toten ist das Schwarze,

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das Bild des Lebenden ist das Grüne, das Bild des Seelischen ist das Pfirsichblüt, das Bild des Geistes ist das Weiß.

Das führt uns hinein in die Farbe in bezug auf das Objektive der­selben. Das mußten wir heute voraussetzen, indem wir weitergehen wollen, um in die Natur der Farbe, in das Wesenhaftc der Farbe hinein­zudringen. Denn es nützt nichts, zu sagen: Die Farbe ist ein subjektiver Eindruck. - Das ist der Farbe höchst gleichgültig. Dem Grün ist es höchst gleichgültig, ob wir da hingehen und es anglotzen; aber es ist ihm nicht gleichgültig, daß sich das Lebende, wenn es sich seine eigene Farbe gibt, wenn es sich nicht durch das Mineralische tingiert und in der Blüte farbig erscheint und so weiter, wenn das Lebende in seiner eigenen Farbe erscheint, es sich nach außen grün abbilden muß. Das ist etwas, was objektiv ist. Ob wir es anglotzen oder nicht, das ist etwas ganz Subjektives. Aber daß das Lebende, wenn es als Lebendes er­scheint grün erscheinen muß, grün sich abbilden muß, das ist ein Objek­tives.

Ja, das ist dasjenige, was ich heute voraussetzen wollte . . . [Lücke im Text.]

Nun, morgen werden wir wiederum um halb neun Uhr den Fort­setzungsvortrag über die Farbenlehre haben.

Bildwesen und Glanzwesen der Farben Dornach, 7. Mai 1921

DAS WESEN DER FARBEN

Zweiter Vortrag, Dornach, 7. Mai 1921

Bildwesen und Glanzwesen der Farben


Wir versuchten gestern das Wesen der Farben in einem gewissen Sinne zu erfassen und haben auf unserem Wege gefunden: Weiß, Schwarz, Grün und Pfirsichblütfarbe. Und zwar haben wir sie so gefunden, daß wir sagen konnten: Diese Farben sind Bilder, sind schon innerhalb der Welt mit dem Bildcharakter vorhanden. Aber wir haben gesehen, daß es sich darum handelt, daß irgendein Wesenhaftes gewissermaßen auf­gefangen werde von einem anderen, damit der Bildcharakter der Farbe entstehe. Wir haben gesehen, daß zum Beispiel das Lebende von dem Toten aufgefangen werden muß und im Toten dann das Bild des Le­benden, das Grün entsteht. Ich werde heute noch einmal ausgehen von dem, was sich uns da gestern als Ergebnis herausgestellt hat, und zwar in der Art, daß ich unterscheiden werde zwischen dem gewisser­maßen Empfangenden und dem Gebenden, demjenigen, in dem sich das Bild gestaltet, und dem Veranlasser des Bildes. Dann werde ich etwa die folgende Gliederung vor Sie hinstellen können, werde sagen können: Ich unterscheide - Sie werden den Ausdruck verstehen, wenn Sie das Ganze zusammennehmen, was wir gestern gemacht haben -, ich unterscheide den Schattenwerfer von dem Leuchtenden. Ist der Schattenwerfer der Geist, empfängt der Geist dasjenige, was ihm zu­geworfen wird; ist der Schattenwerfer der Geist, und ist das Leuch­tende - es ist ein scheinbarer Widerspruch, aber in Wirklichkeit ist es kein Widerspruch -, und ist das Leuchtende das Tote, dann bildet sich im Geiste als Bild des Toten, wie wir gesehen haben, das Schwarz [siehe Schema]. Ist der Schattenwerfer das Tote, und ist das Leuchtende das Lebendige wie bei der Pflanze, dann bildet sich, wie wir gesehen haben, das Grün. Ist der Schattenwerfer das Lebendige, das Leuchtende das Seelische, dann haben wir gesehen, bildet sich als Bild das Pfirsichblüt. Ist der Schattenwerfer das Seelische, das Leuchtende der Geist, dann bildet sich als Bild das Weiß.

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Sie sehen also, wir haben diese vier Farben bekommen mit dem Bild­charakter. Wir können also sagen: Wir haben ein Schattenwerfendes, ein Leuchtendes, und bekommen das Bild. Wir bekommen also hier vier Farben - Sie müssen nur Schwarz und Weiß zu den Farben rechnen -, wir bekommen hier vier Farben mit Bildcharakter: Schwarz, Weiß, Grün, Pfirsichblütfarbe.


Schattenwerfer Leuchtende Bild

Geist Tote Schwarz

Tote Lebendige Grün

Lebendige Seelische Pfirsichblüt

Seelische Geist Weiß


Nun gibt es ja, wie Sie wissen, andere sogenannte Farben, und wir müssen auch für sie das Wesen suchen. Wir werden dieses in der Weise suchen, daß wir uns wiederum nicht durch abstrakte Begriffe, sondern empfindungsgemäß der Sache nähern, und da werden Sie sehen, daß wir zu einer gewissen empfindungsgemäßen Auffassung des anderen Farbigen kommen, wenn wir das Folgende einmal uns vor Augen führen.

Denken Sie sich ein ruhiges Weiß. Wir wollen in dieses Weiß, in dieses ruhige Weiß von den zwei entgegengesetzten Seiten verschiedene Farben hereinstrahlen lassen. Wir wollen von der einen Seite in dieses ruhige Weiß Gelb hereinstrahlen lassen, und wir lassen von der anderen Seite Blau hineinstrahlen. Aber Sie müssen sich vorstellen, daß wir ein ruhiges Weiß haben, und daß wir in dieses ruhige Weiß - es kann ein ruhender weißer Raum sein - von der einen Seite Gelb und von der anderen Seite Blau hereinstrahlen lassen. Wir bekommen dann Grün. [Es wird gezeichnet.]

Wir bekommen also auf diese Weise Grün. Wir müssen den Vorgang wirklich genau vor unsere Seele führen: Wir haben ein ruhiges Weiß, in das wir von beiden Seiten einstrahlen lassen, von der einen Seite Gelb, von der anderen Seite Blau, und bekommen das Grün, das wir von dem anderen Gesichtspunkte aus eben schon gefunden haben.

Sehen Sie, so wie wir jetzt das Grün gesucht haben, so können wir

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nicht, wenn wir im Lebendigen des Farbenwerdens uns bewegen, das Pfirsichblüt suchen. Wir müssen das Pfirsichblüt auf eine andere Weise suchen. Wollen wir das Pfirsichblüt suchen, dann könnten wir das etwa auf folgende Weise tun. Denken Sie sich, ich male das Folgende hin: Ich male hier ein Schwarz, darunter ein Weiß, wieder ein Schwarz, darunter ein Weiß und würde so fortgehen, Schwarz, Weiß . . . Aber nun denken Sie sich, dieses Schwarze und Weiße wäre nicht ruhig, son­dern es bewegte sich ineinander, es wellte ineinander. Also das ist das Gegenteil von dem, was hier oben war: hier habe ich ein ruhendes Weiß gehabt und lasse von beiden Seiten einstrahlen, so daß die Strahlung eine fortgehende Tätigkeit ist von links und rechts [Gelb und Blau]. Jetzt nehme ich Schwarz und Weiß. Ich kann das natürlich zunächst nicht malen, aber denken Sie sich diese ineinanderwellend. Und so wie ich vorhin von links und rechts habe strahlen lassen Gelb und Blau, so lassen Sie sich jetzt dieses Gewellte, in dem fortwährend Schwarz und Weiß ineinanderspielt, das lassen Sie sich bitte durchglänzen, durch­strahlen von Rot. Ich würde es etwa bekommen, wenn ich es jetzt ein­fach verschmieren würde. Wenn ich die richtige Nuance hätte wählen können, so würde ich durch dieses Ineinanderwellen von Schwarz und Weiß, in das ich das Rot hineinglänzen lasse, das Pfirsichblüt bekom­men.

Sie sehen, wie wir die ganz verschiedene Entstehung aufsuchen müs­sen. Das eine Mal müssen wir ein ruhiges Weiß nehmen - also in der Skala, die wir hier schon haben, müssen wir eine von den Bildfarben zugrunde legen, und zwei andere Farben, die wir noch nicht haben, müssen wir einstrahlen lassen. Hier aber müssen wir anders verfahren. Hier müssen wir zwei von den Farben, die wir hier haben, Schwarz und Weiß, nehmen, wir müssen sie in Bewegung bringen und müssen dann eine Farbe nehmen, die wir noch nicht haben, nämlich das Rot, und müssen es einstrahlen lassen durch das bewegte Weiß und Schwarz. Sie sehen damit auch etwas, was Ihnen, wenn Sie das Leben beobachten, auffallen wird. Das Grün haben Sie in der Natur; das Pfirsichblüt haben Sie eigentlich nur, so wie ich es meine - wie ich gestern ausein­andergesetzt habe -, beim ganz gesunden, gesund durchseelten Men­schen in seinem Organismus. Und wir bekommen [in der Malerei] nicht

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leicht, sagte ich, die Möglichkeit, überhaupt diese Farbennuance dar­zustellen. Denn sehen Sie, man könnte sie eigentlich nur darstellen, wenn man Weiß und Schwarz in Bewegung darstellen könnte und dann sie durchstrahlen ließe von dem roten Scheine. Man müßte also eigent­lich einen Vorgang malen. Dieser Vorgang ist ja auch vorhanden im menschlichen Organismus; da ist niemals Ruhe, da ist alles in Bewe­gung, und dadurch entsteht eben [im Inkarnat] diese Farbe, von der wir hier sprechen. Diese Farbe aber können wir nur annäherungsweise erreichen. Daher sind ja die meisten Porträts eigentlich nur Masken, weil dasjenige, was nun wirklich als das Inkarnat vorhanden ist, im Grunde genommen nur durch allerlei Annäherungsversuche versinnlicht werden kann; aber erreicht werden könnte es ja nur, wenn wir fort­während ein Auf- und Abwellen von Schwarzem und Weißem hätten, das durch das Rote durchstrahlt wäre, durchscheint wäre.

Ich habe Ihnen hier aus dem Wesen der Sache heraus einen gewissen Unterschied in bezug auf das Farbige angedeutet. Ich habe Ihnen an­gedeutet, wie man sich bedienen kann der Farben, die wir als Bildfarben haben; wie wir das eine Mal eine - das Weiß - verwenden können als ruhend, und indem wir die zwei Farben - von denen, die wir noch nicht haben - hineinscheinen lassen, eine andere Bildfarbe bekommen: das Grün.

Nun können wir zwei von den Farben nehmen, Schwarz und Weiß, die sich ineinander bewegen, und wir lassen sie durchscheinen von einer Farbe, die wir noch nicht haben, und wir bekommen die andere Farbe, das Pfirsichblüt. In ganz verschiedener Weise also bekommen wir Grün und Pfirsichblüt. Das eine Mal brauchen wir das Rot als Schein, das andere Mal brauchen wir das Gelb und Blau als Schein. Nun werden wir des weiteren auf das Wesen dieses Farbigen kommen können, wenn wir noch ein anderes überlegen.

Wenn wir die Farben nehmen, die wir gestern gefunden haben, so können wir das Folgende sagen: Grün gestattet uns eigentlich immer durch seine eigene Wesenheit, daß wir es mit bestimmten Grenzen machen. Grün läßt sich gewissermaßen begrenzen; es ist uns nicht anti-pathisch, wenn wir eine grüne Fläche anstreichen und ihr Grenzen geben. Aber denken Sie sich das einmal mit Pfirsichblüt gemacht. Das l

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läßt sich gewissermaßen nicht mit malerischer Empfindung vereinigen: Pfirsichblüt mit Grenzen. Pfirsichblüt läßt sich eigentlich nur als eine Stimmung auftragen, ohne daß man auf Grenzen reflektiert, ohne daß man es eigentlich darauf absieht, Grenzen zu haben. Man kann ja das schon, wenn man Farbenempfindung hat, erleben. Denken Sie sich zum Beispiel irgendein Grünes: man kann sich ganz gut Spieltische mit grünem Überzug denken. Weil das Spiel eine begrenzt pedantische Tätigkeit ist, etwas Urphiliströses ist, läßt sich solch eine Einrichtung denken, ein Zimmer mit Spieltischen, die grün überzogen sind. Aber ich meine, es wäre zum Davonlaufen, wenn einen jemand zu Tarockpartien auf lila eingelegten Tischen einlüde. Dagegen läßt sich sehr wohl zum Beispiel in einem lila Zimmer, das also sein ganzes Innere lila austapeziert hat, in dem läßt sich sehr wohl, sagen wir, mystisch reden, im besten und im schlechtesten Sinne. Die Farben sind in dieser Beziehung zwar nicht antimoralisch, aber amoralisch. Also wir merken, daß da aus der Natur der Farbe selber etwas folgt, daß die Farbe einen innerlichen Charakter hat, wodurch sich also das Grüne begrenzen läßt; das Lila, das Pfirsichblüt, das Inkarnat ins Unbestimmte verschwim­men will.

Versuchen wir einmal, die Farben, die uns gestern nicht vor die Seele getreten sind, von diesem Gesichtspunkte aus zu erfassen. Nehmen wir das Gelbe. Nehmen wir die ganze innere Wesenheit des Gelben, wenn wir das Gelbe als Fläche auftragen. Ja, sehen Sie, das Gelbe als Fläche aufgetragen mit Grenzen, das ist eigentlich etwas Widerliches, das kann man im Grunde genommen nicht ertragen, wenn man Kunstgefühl hat. Die Seele erträgt nicht eine gelbe Fläche, welche begrenzt ist. Da muß man das Gelbe da, wo Grenzen sind, schwächer gelb machen, dann noch schwächer gelb, kurz, man muß ein sattes Gelb in der Mitte haben, und das muß gegen schwaches Gelb ausstrahlen. [Es wird gezeichnet.] An­ders kann man sich das Gelbe im Grunde genommen gar nicht vorstel­len, wenn man es aus seiner eigenen Wesenheit heraus erleben will. Das Gelbe muß strahlen, das Gelbe muß durchaus in der Mitte gesättigt sein und strahlen, es muß sich verbreiten und im Verbreiten muß es weniger satt, muß es schwächer werden. Das ist, möchte ich sagen, das Geheimnis des Gelben. Und wenn man das Gelbe begrenzt, so ist das eigentlich so,

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wie wenn man über die Wesenheit des Gelben lachen wollte. Man sieht immer den Menschen drinnen, der das Gelbe begrenzt hat. Es spricht nicht das Gelbe, wenn es begrenzt ist, denn das Gelbe will nicht be­grenzt sein, das Gelbe will nach irgendeiner Seite hin strahlen. Wir werden gleich nachher zwar einen Fall sehen, wo das Gelbe gestattet, begrenzt zu sein, aber der Fall wird uns gerade zeigen, wie es unmög­lich ist, das Gelbe als solches seiner inneren Wesenheit nach zu begren­zen. Es will strahlen.

Nehmen wir dagegen das Blaue. Denken Sie sich eine blaue Fläche gleichmäßig aufgetragen. Man kann sich so eine blaue Fläche gleich­mäßig aufgetragen denken, aber das hat etwas, was uns aus dem Menschlichen hinausführt. Wenn Fra Angélico blaue Flächen gleich­mäßig aufträgt, so ruft er gewissermaßen ein Überirdisches in die irdi­sche Sphäre herein. Er gestattet sich, das Blau dann gleichmäßig auf­zutragen, wenn er das Überirdische in die irdische Sphäre hereinspielen läßt. Er würde sich nicht gestatten, in der Menschheitssphäre eine gleich­mäßig blaue Fläche zu haben; denn das Blau als solches, durch seine eigene Wesenheit, durch seinen eigenen Charakter, gestattet nicht eine glatte blaue Fläche. Da muß schon ein Gott eingreifen, wenn das Blau wirklich gleichmäßig aufgetragen sein soll. Das Blaue fordert durch seine innere Wesenheit das genaue Gegenteil vom Gelben. Es fordert nämlich, daß es vom Rande nach innen einstrahlt. Es fordert, am Rande am gesättigtsten und im Inneren am wenigsten gesättigt zu sein. [Es wird gezeichnet.] Dann ist das Blaue in seinem ureigenen Elemente, wenn wir es am Rande gesättigter und im Inneren weniger gesättigt machen. Dadurch unterscheidet es sich von dem Gelben. Das Gelbe will in der Mitte am gesättigtsten sein und dann auslaufen. Das Blau, das staut sich an seinen Grenzen und rinnt in sich selber, um so einen Stau­wall um ein helleres Blau herum zu machen. Dann offenbart es sich in seiner ureigenen Natur, dieses Blau.

Wir kommen da überall, ich möchte sagen, zu Empfindungen, Sehn­süchten, die die Seele hat, wenn sie den Farben entgegentritt. Und wenn diese erfüllt werden, das heißt, wenn der Maler wirklich dem entgegen­kommt, wenn er also so malt, daß er aus der Farbe heraus malt, was die Farbe selber fordert, wenn er also sich denkt: Jetzt hast du den

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Pinsel in das Grüne eingetaucht, jetzt mußt du ein bißchen Philister werden, mit scharfen Härchen das Grün aufmalen; wenn er denkt: Jetzt malst du das Gelbe, das mußt du ausstrahlen lassen, da mußt du dich in den Geist versetzen, in den strahlenden Geist; wenn er, indem er das Blau malt, denkt: Ich ziehe mich in mich selbst zusammen, ich ziehe mich in mein eigenes Inneres und bilde gewissermaßen eine Kruste um mich, und so male ich auch, indem ich dem Blau eine Art von Kruste gebe, dann lebt er in der Farbe drinnen, dann malt er auf das Bild das­jenige, was die Seele sich eigentlich wünschen muß, wenn sie sich dem Wesen der Farbe hingibt.

Natürlich kommt, sobald man ins Künstlerische hineingeht, das in Betracht, was dann die ganze Sache modifiziert. Ich mache Ihnen hier

Kreise, die ich ausfülle mit Farbigem. Aber man kann natürlich andere Figuren, andere Ausfließungen haben. Man wird dann zum Beispiel ein Gelbes, das man, sagen wir, schmal anfängt, dann erweitert, in dem Schmalen anders strahlen lassen als in der Erweiterung. Aber es muß das Gelbe immer irgend etwas überstrahlen, es muß das Blaue immer an einer Stelle angebracht sein, wo gewissermaßen die Sache sich in sich selbst zusammenzieht. Das Rote, das ist, ich möchte sagen, der Ausgleich zwischen beiden.

Wir können das Rote durchaus als irgendeine Fläche fassen. Wir fassen es am besten, wenn wir es unterscheiden von dem Pfirsichblüt, worinnen es ja, wie wir vorhin gesehen haben, in einer gewissen Weise steckt als Schein. Nehmen Sie die beiden Nuancen nebeneinander, das

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annähernde Pfirsichblüt und das Rote. Wenn Sie das Rote seinem Wesen nach wirklich auf die Seele wirken lassen, wie ist Ihnen da? Es ist Ihnen so, daß Sie sich sagen: Dieses Rote wirkt auf mich als ruhige Röte. Das ist beim Pfirsichblüt nicht der Fall. Das will auseinander, das will sich weiter verbreiten. [Es wird gezeichnet.] Da ist ein feiner Unterschied zwischen dem Rot und dem Pfirsichblüt. Das Pfirsichblüt strebt auseinander, das will eigentlich immer dünner und dünner wer­den, bis es sich verflüchtigt hat. Das Rote bleibt, aber es wirkt durchaus als Fläche; es will weder strahlen noch sich inkrustieren, es will weder strahlen noch sich stauen, es bleibt; es bleibt in ruhiger Röte; es will sich nicht verflüchtigen, es behauptet sich. Das Lila, das Pfirsichblüt, das Inkarnat, behauptet sich eigentlich nicht, das will immerfort neu gestal­tet werden, weil es sich verflüchtigen will. Das ist der Unterschied zwischen dieser Farbe, dem Pfirsichblüt, die wir schon haben, und dem Roten, das zu denjenigen Farben gehört, die wir noch nicht haben. Aber wir haben jetzt drei Farben zusammen: das Blau, das Rot und das Gelb.

Wir haben gestern gefunden die vier Farben Schwarz, Weiß, Pfirsich­blüt und Grün; jetzt stehen Rot, Blau und Gelb vor uns, und wir haben versucht, uns in diese drei Farben empfindungsgemäß hineinzufinden, wie sie in die anderen hineinspielen: Wir haben das Rote hineinspielen lassen in ein bewegtes Schwarz-Weiß; wir haben das Gelb und Blau hineinspielen lassen in ein ruhiges Weiß, und wir werden leicht den Unterschied finden, wenn wir jetzt auf das eingehen, was uns da vor die Seele getreten ist. Wir haben nicht die Möglichkeit, bei den Farben, die wir gestern gefunden haben, solche Unterschiede zu machen, wie wir jetzt zwischen Gelb, Blau und Rot gemacht haben. Wir waren heute gezwungen, indem wir das Pfirsichblütige entstehen ließen, Schwarz und Weiß, aber in sich konsolidiert, ineinander sich verwandeln [sich verweilen?] zu lassen. Wir müssen es aber lassen, Schwarz und Weiß, es sind Bilder, die können sich ineinander verwandeln [verweilen?], aber wir müssen es lassen. Das Pfirsichblüt müssen wir auch lassen. Es verflüchtigt sich von selber, aber wir können nichts mit ihm anfangen, wir sind ohnmächtig gegen dieses Verflüchtigen. Und es selber kann auch nichts machen: das ist seine Natur, daß es sielt verflüchtigt. Das Grün

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begrenzt sich, das ist seine Natur. Aber das Pfirsichblüt verlangt nicht, daß es in sich selber differenziert wird, sondern daß es gleichartig bleibt wie das Rot. Es will nicht in sich differenziert werden, denn es würde sogleich die Differenzierung aufheben und sich verflüchtigen. Es würde sogleich - gleichmachen. Wenn Sie sich irgendein Pfirsichblüt denken und da drinnen solche Knollen [es wird gezeichnet], nun, nicht wahr, es wäre scheußlich! Es würde sofort diese Knollen auflösen, denn es strebt nach gleichartiger, nach gleichmäßiger Stimmung, dieses Pfirsich­blüt. Wenn man im Grün noch extra ein Grün hat, so ist es eine Sache für sich. Es ist das Grüne einmal dasjenige, was gleichmäßig aufgetra­gen sein will und sich begrenzen will. Wir können uns ein strahlendes Grün nicht denken. Nicht wahr, Sie können sich einen strahlenden Stern denken, aber nicht gut einen strahlenden Laubfrosch; es wäre ein Wi­derspruch zu einem Laubfrosch, wenn er strahlen würde. Nun, das ist auch mit dem Pfirsichblüt und Grün der Fall.

Schwarz und Weiß müssen wir, wenn wir sie überhaupt zusammen­bringen wollen, ineinanderwellen lassen als Bilder, wenn auch als be­wegte Bilder. Das ist anders bei den drei Farben, die wir heute gefunden haben.

Wir haben gesehen: Das Gelbe will durch seine eigene Natur an seinen Rändern schwächer und immer schwächer werden, es will aus­strahlen; das Blaue will sich einstauen, und das Rote will gleichmäßig sein, keine Grenzen haben, aber als gleichmäßig ruhiges Rot wirken. Es will, wenn wir so sagen dürfen, weder strahlen noch sich stauen, es will in sich gleichmäßig wirken, es will die Mitte halten zwischen Strahlen und Stauen, zwischen Verfließen und Stauen. Das ist die Wesenheit des Roten.

Also Sie sehen, es ist ein Grundunterschied zwischen dem, was in sich gewissermaßen entweder ruhig oder bewegt ist, ruhig wie das Grün, oder bewegt wie das Lila, oder abgeschlossen wie Schwarz und Weiß. Wenn wir diese Farben irgendwie zusammenbringen wollen, müssen wir sie als Bilder zusammenbringen. Und bei dem anderen, was wir gefunden haben als Rot, Gelb und Blau - Rot, Gelb und Blau nach innerer Regsamkeit, innerer Beweglichkeit -, die unterscheiden sich von der inneren Beweglichkeit des Lila. Das Lila will sich auflösen - das

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ist nicht eine innere Beweglichkeit -, es will sich verflüchtigen. Das Rot, das ist zwar ruhig, es ist die zur Ruhe gekommene Bewegung, aber wir können, wenn wir es anschauen, nicht ruhen an einem Punkt: wir wol­len es als Fläche haben, als gleichmäßige Fläche, die aber unbegrenzt ist. Beim Gelb und beim Blau haben wir gesehen, wie es sich in sich differenzieren will.

Rot, Gelb und Blau sind etwas anderes als Schwarz, Weiß, Grün und Pfirsichblüt. Das sehen Sie daraus: Rot, Gelb und Blau haben im Ge­gensatz zu diesen Farben, die Bildcharakter haben, einen anderen Charakter, und wenn Sie das, was ich über sie gesagt habe, nehmen, dann werden Sie das Wort, das ich für diesen anderen Charakter dieser Farben gebrauche, gerechtfertigt finden. Ich habe die Farben Schwarz, Weiß, Grün und Pfirsichblüt Bilder, Bildfarben genannt. Ich nenne die Farben Gelb, Rot und Blau: Glänze, Glanzfarben. Schwarz, Weiß, Grün, Pfirsichblüt entstehen als Bilder. In Gelb, Blau und Rot erglän­zen die Dinge; sie zeigen ihre Oberfläche nach außen, sie erglänzen. Das ist das Wesen, und das ist der Unterschied im Farbigen:

Schwarz, Weiß, Grün, Pfirsichblüt haben Bildcharakter, sie bilden etwas ab. In Gelb, Blau und Rot erglänzt etwas.

Gelb, Blau, Rot: das ist die Außenseite des Wesenhaften. Grün, Pfirsichblüt, Schwarz, Weiß sind immer hingeworfene Bilder, sind im­mer etwas Schattiges.

So daß wir sagen könnten: Schwarz, Grün, Pfirsichblüt und Weiß sind im Grunde genommen im weitesten Sinne die Schattenfarben. Der Schatten des Geistes in das Seelische ist Weiß. Der Schatten des Toten in den Geist ist Schwarz. Der Schatten des Lebendigen in das Tote ist Grün. Der Schatten des Seelischen in das Lebendige ist Pfirsichblüt. Schatten oder Bilder ist etwas Verwandtes.

Dagegen in Blau, Rot, Gelb haben wir es zu tun mit dem Leuchten­den, nicht mit dem Schattigen, mit demjenigen, wodurch das Wesen sich nach außen ankündigt. So daß wir hier in dem einen Fall Bilder oder Schatten haben. In den Farben Rot, Blau und Gelb haben wir dagegen das, was Modifikationen des Leuchtenden sind. Daher nenne ich sie Glanz. Es erglänzen, es erstrahlen die Dinge in gewisser Weise. Daher haben diese Farben ihrer eigenen Wesenheit nach in sich die

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Natur des Strahlenden: das Gelb das Ausstrahlende, das Blau das Ein­strahlende, das in sich Zusammenstrahlende, das Rot die Neutralisation von beiden, das gleichmäßig Strahlende. Dieses gleichmäßig Strahlende, in das bewegte Weiß und Schwarz hineinscheinend, hineinglänzend, gibt Pfirsichblüt. In das ruhende Weiß auf der einen Seite hineinglänzen lassen das Gelbe, auf der anderen Seite hineinglänzen lassen das Blaue, gibt Grün.

Sehen Sie, hier trifft man auf Dinge auf, die die Physik - Sie können alles, was es heute an Physik über die Farben gibt, nehmen - chaotisch, ganz chaotisch durcheinanderwirft. Da schreibt man einfach die Skala auf: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett. Man denkt nicht, was da ineinanderspielt: Im Roten ein Glanz. Gehen wir nun die Skala entlang, so hört das Glänzende immer mehr und mehr auf, und wir kommen in eine Farbe hinein, in ein Bild, in eine Schattenfarbe, in das Grün. Wir kommen wiederum zu einem Glanz, der jetzt entgegen­gesetzter Art ist von dem anderen Glanz, zu dem sich stauenden Glanz, indem wir nach dem Blauen hinübergehen. Und dann müssen wir ganz aus dem Physischen heraus, aus der gewöhnlichen Farbenskala heraus, um zu dem zu kommen, was man eigentlich gar nicht anders darstellen kann als in Bewegung. Weiß und Schwarz durchscheint, durchstrahlt, durchglänzt von dem Roten, das gibt Pfirsichblüt.

Wenn Sie das gewöhnliche Schema der Physiker nehmen, dann müs­sen Sie sagen: Nun ja, Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett. Sehen Sie, da[gegen] gehe ich aus von einem Glanz, gehe in die eigent­liche [Bild-] Farbe hinein, gehe hier wiederum zu einem Glanz über und käme jetzt erst [wieder] zu einer [Bild-]Farbe.

Ja, wenn ich das Band nicht so machen würde, wie es auf dem phy­sischen Plan ist, sondern wenn ich es wenden würde, wie es dann in der nächsthöheren Welt ist; wenn ich die warme Seite des Spektrums und die kalte Seite des Spektrums so wenden würde, daß ich es eigent­lich so zeichnen würde [siehe Zeichnung]: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett; wenn ich das, was im Farbenband in einer Linie ausgebreitet ist, hier zusammenbringen würde, dann würde ich hier [oben] mein Pfirsichblüt bekommen. Ich komme also wiederum zur Farbe zurück. Farbe oben, Farbe unten, Glanz rechts, Glanz links; nur

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liegt da [oben] noch geheimnisvoll zugrunde das andere der Farben, Schwarz und Weiß. Sie sehen, wenn ich mit dem Weißen jetzt hier herauffahren würde [von unten nach oben], würde es im Grün drin-nenstecken, da kommt ihm das Schwarze hier [von oben nach unten] entgegen, nun fangen sie hier in der Mitte an zu raufen: so geben sie mit dem roten Schein zusammen das Pfirsichblüt. Ich muß mir also ein Weiß, ein Schwarz denken, hier übereinandergreifend und ineinander-spielend, und auf diese Weise bekomme ich eine kompliziertere Far­benzusammenstellung, die aber dem Wesen der Farben mehr entspricht als dasjenige, was Sie in den Physikbüchern finden.

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Nun sagen wir - Glanz; aber Glanz führt uns darauf, daß etwas glänzt. Was glänzt denn? Ja, sehen Sie, wenn wir das Gelb haben, da brauchen Sie ja nur das folgende - aber Sie müssen das mit der Emp­findung, nicht mit dem abstrahierenden Verstände als Erwägung an­stellen - sich vor die Seele zu stellen, brauchen sich nur zu sagen: Indem ich das Gelb empfange, werde ich von dem Gelben eigentlich so berührt, daß es innerlich in mir weiterlebt. Das Gelb lebt innerlich in mir weiter. Bedenken Sie, das Gelbe macht uns heiter. Heiter sein, heißt aber im Grunde genommen, sich mit einer größeren inneren seelischen Leben­digkeit im Inneren erfüllen. Wir werden also eigentlich mehr nach un­serem Ich hin gestimmt durch das Gelbe. Wir werden durchgeistet, mit anderen Worten. Wenn Sie also das Gelbe in seiner Urwesenheit neh­men, wie es nach außen hin verschwimmt, und wenn Sie sich vorstellen, es glänzt nun, weil es ein Glanz ist, nach Ihrem Inneren, und wenn es in Ihrem Inneren als Geist aufglänzt, so werden Sie sagen müssen:

Das Gelb ist der Glanz des Geistes.

Blau, das Sich-innerlich-Zusammennehmen, das Sich-Stauen, das Sich-innerlich-Erhalten, es ist der Glanz des Seelischen.

Das Rot, das gleichmäßige Erfülltsein des Raumes, es ist der Glanz des Lebendigen.

Das Grün ist das Bild des Lebendigen, und das Rot ist der Glanz des Lebendigen. Das zeigt sich Ihnen ja wunderschön, wenn Sie versuchen, ein Rot auf einer weißen Fläche anzusehen, ein ziemlich gesättigtes Rot; sdtauen Sie dann rasch weg, so sehen Sie das Grün als Nachbild, so sehen Sie dieselbe Fläche als grünes Nachbild. Das Rot glänzt in Sie herein; es bildet sein eigenes Bild im Inneren. Was ist aber das Bild des Lebendigen im Inneren? Sie müssen es ertöten, um ein Bild zu haben. Das Bild des Lebendigen ist das Grün. Es ist kein Wunder, daß das Rote als Glanz, wenn es in Sie hineinglänzt, das Grün als sein Bild gibt.

So daß wir also eben diese drei ganz andersartigen Farbennaturen bekommen. Es sind die aktiven Farbennaturen. Es ist dasjenige, was glänzt, was gewissermaßen in seiner Wesenheit die Differenzierung hat; die anderen Farben sind ruhige Bilder. Wir haben etwas hier, was den Analogon hat im Kosmos. Wir haben im Kosmos den Gegensatz von Tierkreisbildern, die ruhige Bilder sind, und das den Kosmos Differen­zierende

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in den Planeten. Es ist nur ein Vergleich, aber ein Vergleich, der innerlich sachlich begründet ist. Wir können sagen: Wir haben in Schwarz, Weiß, Grün und Pfirsichblüt etwas, was wie das Ruhende wirkt. Selbst wenn es in Bewegung ist, wenn es ineinanderfließt, so muß es noch innerlich ruhig sein, wie beim Schwarz-Weißen im Pfirsich­blüt. Und wir haben in den drei Farbennuancen, im Rot, Gelb und Blau, ein innerlich Bewegtes, ein Planetarisches. Ein Fixsternhaftes in Schwarz, Weiß, Pfirsichblüt und Grün; ein Planetarisches in Gelb, Blau und Rot. Gelb, Blau und Rot nuancieren die anderen Farben. Das Weiße wird nuanciert durch Gelb und Blau zum Grün; das Pfirsichblüt wird nuanciert durch das Rote, indem es hineinglänzt in das ineinan-derwirkende Weiß und Schwarz.

Sie sehen hier förmlich den Farbenkosmos. Sie sehen die Welt als Farbe in ihrem Ineinanderwirken, und Sie sehen, daß wir wirklich zu den Farben gehen müssen, wenn wir die Gesetzmäßigkeiten des Far­bigen studieren wollen. Wir müssen nicht von den Farben weggehen zu etwas anderem hin, sondern wir müssen in den Farben selber bleiben. Und wenn wir eine Auffassung für die Farben haben, dann kommen wir schon dazu, in den Farben selber dasjenige zu sehen, was ihre gegen­seitige Beziehung ist, was in ihnen das Glänzende, Leuchtende ist, was in ihnen das Schattige, Bildgebende ist.

Bedenken Sie, was das für die Kunst bedeutet. Wir haben den Künst­ler, der weiß, wenn er es mit Gelb, Blau und Rot zu tun hat, so zaubert er auf sein Bild etwas, was einen innerlich aus sich heraus aktiven Cha­rakter hat, was sich selber Charakter gibt. Wenn er mit Pfirsichblüt und Grün auf Schwarz und Weiß arbeitet, da weiß er, daß er in der Farbe schon den Bildcharakter gibt. Eine solche Farbenlehre ist durch­aus innerlich so lebendig, daß sie von dem Seelischen aus unmittelbar in das Künstlerische übergehen kann. Und wenn Sie so die Wesenheit der Farbe ergreifen, daß Sie der Farbe es selber ankennen, möchte ich sagen, was sie will: wenn Sie erkennen, daß das Gelb eigentlich in der Mitte gesättigt sein will und verfließen will nach dem Rande, weil das die eigene Natur des Gelben ist - ja, dann muß man etwas machen, wenn man das Gelb fixieren will, wenn man irgendwo eine gleichmäßige gelbe Fläche haben will. Was macht man da? Es muß in das Gelb etwas

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hineinspielen, es muß etwas hinein in das Gelb, was dem Gelb seinen ureigenen Charakter, seinen eigenen Willen wegnimmt. Es muß das Gelb schwer gemacht werden. Wie kann das Gelb schwer gemacht wer­den? Indem man etwas in das Gelb hineintut, was ihm die Schwere gibt. Es wird goldfarbig. Da haben Sie das Gelbe entgelbt, gewissermaßen gelb gelassen, aber ihm seine Wesenheit getilgt. Machen Sie in ein Bild einen Goldgrund, dann dürfen Sie es gleichmäßig über die Fläche hin machen, aber Sie haben dem Gelb Schwere gegeben, innerliche Schwere. Sie haben ihm seinen eigenen Willen genommen. Sie halten es in sich fest.

Daher empfanden alte Maler, die für solche Dinge eine Empfindung hatten, daß sie in dem Gelben den Glanz des Geistes haben. Also sie schauten hinauf zum Geistigen, dem Glanz des Geistes im Gelben. Aber sie wollten den Geist hier auf der Erde haben. Sie mußten ihm Schwere geben. Machten sie einen Goldgrund, wie Cimabue, dann gaben sie dem Geistigen Wohnung auf der Erde, dann hatten sie im Bilde gewisser­maßen das Himmlische vergegenwärtigt. Und die Gestalten durften herauskommen aus dem Goldgrunde, durften sich entwickeln auf dem Goldgrunde als dasjenige, was Geschöpf ist des Geistigen. Diese Dinge haben eben durchaus eine innerliche Gesetzmäßigkeit. Sie sehen also, wenn wir das Gelbe als Farbe behandeln, so will es aus sich selber in der Mitte satt sein und zerfließen. Wollen wir es in gleichmäßiger Fläche festhalten, dann müssen wir es metallisieren. Und damit kom­men wir zu dem Begriff der metallisierten Farbe und zu dem Begriff der stofflich festgehaltenen Farbe, von der wir dann morgen weiter­sprechen wollen.

Aber Sie sehen, die Farben muß man zuerst in ihrem flüchtigen Cha­rakter erfassen, dann kann man erst die Farbe auch am Körperlichen, am äußerlich Dinglichen erfassen. Und zu dem wollen wir dann morgen schreiten . . .

Sehen Sie, es ist damit zugleich in dem, was ich angedeutet habe, ein Weg gegeben, das Materialisierte der Farben zu erkennen in dem physikalischen Farbenband. Das geht links und rechts im Grunde ins Unendliche, das heißt ins Unbestimmte. Im Geiste und im Seelischen schließt sich alles zusammen. Da müssen wir das Farbenband zusam­menfassen. Und erziehen wir uns dazu, nicht nur Pfirsichblüt zu sehen,

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sondern das Bewegte des Inkarnats zu sehen, erziehen wir uns dazu, uns das Inkarnat nicht nur vom Menschen zeigen zu lassen, sondern in ihm zu leben, empfinden wir die Erfüllung unseres Leibes mit unserer Seele selber als Inkarnat, so ist dieses der Eintritt, das Tor in eine geistige Welt, dann kommen wir in die geistige Welt hinein. Es ist die Farbe dasjenige, was sich hinuntersenkt bis zu der Oberfläche der Kör­per, es ist die Farbe auch dasjenige, was den Menschen von dem Ma­teriellen erhebt und in das Geistige hineinführt.

Wie gesagt, davon wollen wir dann morgen weitersprechen.

Farbe und Materie - Malen aus der Farbe Dornach, 8. Mai 1921

DAS WESEN DER FARBEN

Dritter Vortrag, Dornach, 8. Mai 1921


Farbe und Materie - Malen aus der Farbe


Wir haben das Farbige unterschieden dadurch, daß wir bekommen ha­ben aus dem Wesen der Farben heraus Schwarz, Weiß, Grün und die Pfirsichblütfarbe als Bilder schon innerhalb des farbigen Wesens als solchem, und wir mußten von diesem Bildwesen der Farbe unterschei­den, was ich als das Glanzwesen der Farben bezeichnet habe und was uns entgegentritt im Blau, im Gelb, im Rot. Und wir haben gesehen, wie gerade Blau, Gelb und Rot gewisse innere, man möchte fast sagen, Willenseigenschaften haben dadurch, daß sie eben ein Glänzendes, ein Scheinendes sind. Man nimmt ja, wie Sie wissen, die Farbe wahr als sogenannte spektrale Farbe, wie wir sie am Regenbogen sehen, wo wir die Farbe als solche wahrnehmen, und wir nehmen die Farbe wahr an den Körpern. Und wir wissen ja auch, daß wir uns als Malerfarben der Körper bedienen müssen, ihrer körperlichen Bestandteile, der Mi­schungen und so weiter, wenn wir die Kunst der Farbe, die Malerei, üben wollen. Da werden wir denn geführt auf jene bedeutsame Frage, die eigentlich im Grunde genommen eine Frage ist, deren Antwort in der gebräuchlichen Erkenntnis der Gegenwart nirgends zu finden ist, wir werden geführt auf die Frage: Wie verhält sich das Farbige als solches, das wir ja als ein Fluktuierendes kennengelernt haben, ent­weder als Bild oder als Schein, als Glanz, wie verhält sich das zu der Körperlichkeit, zu der Materie? Wodurch erscheint uns die Materie als solche in Farben?

Diejenigen, die sich mit Goethes «Farbenlehre» beschäftigt haben, werden vielleicht wissen, wie diese Frage auch in Goethes «Farben­lehre» nicht eigentlich berührt wird, bei Goethe aus einer gewissen Ehrlichkeit seiner Erkenntnis heraus, weil er mit den ihm zur Ver­fügung stehenden Mitteln einfach nicht vordringen konnte bis zu dem Problem: Wie fixiert sich die Farbe an der Körperlichkeit? - Dennoch ist diese Frage auch im eminentesten Sinne eine Frage der Kunst, der

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Malerei. Denn indem wir malen, führen wir ja sozusagen selbst, wenig­stens für die Beschauung, dieses Phänomen aus. Wir fixieren die Farbe, und suchen durch die fixierte Farbe den Eindruck des Malerischen her­vorzurufen. Also gerade wenn wir mit der Betrachtung des Farben­wesens heraufdringen wollen in die Malerei, so muß uns dieses farbige Erscheinen des materiellen Wesens interessieren. Da sich nun schon einmal in der neueren Zeit die Physiker auch des Farbenwesens bemäch­tigt haben und die Farbenlehre als einen Teil der Optik ansehen, so finden wir ja auch, ich möchte sagen, der neueren Physik würdige Er­klärungen über das Farbenwesen der Körper. Wir finden da zum Bei­spiel die ja recht würdige Erklärung: Warum ist ein Körper rot? Ein Körper ist rot, weil er alle anderen Farben verschluckt und nur das Rote zurückwirft. - Es ist das eine der neueren Physik würdige Erklä­rung, denn sie ist ungefähr nach dem logischen Grundsatze gebildet: Warum ist ein Mensch dumm? Aus dem Grunde ist er dumm, weil er alle Gescheitheit in sich verschluckt und nur das Dumme nach außen ausstrahlt. - Wenn man dieses Prinzip der Physik, das in der Farben­lehre ja allgemein üblich ist, auf das übrige Leben anwendet, so sehen Sie, kommen solche interessanten Dinge zustande.

Goethe war, wie gesagt, in dieser Beziehung ehrlicher. Er verfolgte sein Problem, soweit es mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln möglich war. Da machte er in einem gewissen Sinne halt vor der Frage: Wie wird das Materielle farbig?

Nun erinnern wir uns, wie wir zunächst zu dem Bildcharakter der vier ersten Farben gekommen sind, die uns entgegengetreten sind. Wir haben gesehen, daß wir da eigentlich immer ein Wesen haben, das seinen Schatten oder sein Bild in einem Medium zustande bringt. Wir haben gesehen, wie das Lebendige in dem Toten sein Bild bildet und wie dadurch das Grün entsteht. Wir haben dann gesehen, wie das Seelische in dem Lebendigen sein Bild gibt und wie dadurch die Pfirsichblütfarbe entsteht. Wir haben gesehen, wie das Geistige im Seelischen sich ab­bildet, wie dadurch das Weiß entsteht, und endlich wie das Tote im Geistigen sich abbildet, und haben gesehen, wie dadurch das Schwarz entsteht.

Nun, da haben wir eigentlich die Summe desjenigen, was im Farbigen

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den Bildcharakter hat. Das andere hat den Glanzcharakter. Dieser Bildcharakter tritt uns ja in der objektiven Welt am anschaulichsten entgegen im Grün. Das Schwarze und Weiße sind gewissermaßen die Grenzfarben, die ja aus diesem Grunde von vielen überhaupt nicht mehr als Farben angesehen werden. Beim Pfirsichblüt haben wir ge­sehen, daß es eigentlich nur in der Bewegung zu erfassen ist. So daß wir in dem Grün zunächst das haben, was den eigentlichen Bildcharakter abgibt. Und wir hätten damit die in der Außenwelt fixierte eigent­liche Farbe, aber fixiert, wie wir gesehen haben, im Pflanzenreiche. Wir haben im Pflanzenreiche also eigentlich den Urcharakter des fixierten Farbigen als Bild zum Ausdrucke gebracht. Nun handelt es sich darum, vielleicht einmal an dem pflanzlichen Grün den Charakter, das Wesen­hafte des Grüns überhaupt zu untersuchen. Da müssen wir das Problem schon gegenüber demjenigen, was heute gewöhnlich anerkannt wird, erweitern.

Wir wissen aus unserer «Geheimwissenschaft im Umriß», wie das Pflanzliche dasjenige ist, was sich eigentlich gebildet hat während des vorigen Metamorphosezustandes unserer Erde. Aber wir wissen auch, daß dazumal das Feste noch nicht vorhanden war. Wir müssen also sagen, wenn wir an das Wesen des Pflanzlichen herantreten, daß wir im Pflanzlichen etwas haben, was zuerst sich während der vorhergehen­den Metamorphose unserer Erdenentwickelung gebildet hat, was dann sich umgestaltet hat innerhalb unserer Erdenentwickelung, und wir wissen ja ferner, daß sich dieses Pflanzliche während der alten Monden-entwickelung gestaltet haben muß im Flüssigen, denn das Feste als solches war damals nicht vorhanden. Im Flüssigen können wir davon sprechen, daß das Farbige als Flutendes dieses Flüssige durchsetzt. Da braucht es sich nicht zu fixieren, höchstens an der Oberfläche. Allein an der Oberfläche beginnt ja das Flüssige bereits sich dem Festen zu nähern. Und so könnten wir, wenn wir zurückblicken auf den früheren Metamorphosezustand unserer Erde, uns sagen: Wir haben es da in der Pflanzenbildung zu tun mit dem fluktuierenden Grün oder über­haupt mit dem fluktuierenden Farbigen, und mit dem, was eigentlich ein flüssiges Element ist. Und erst während der Erdenentwickelung können ja die Pflanzen, wie Sie aus meiner «Geheimwissenschaft» ent­nehmen

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können, ihre feste Form angenommen haben, sich das Minera­lische eingegliedert haben. Es kann sich in dem Pflanzlichen dasjenige gebildet haben, was sie zu begrenzten Wesen macht, nicht zu fluk­tuierenden Wesen, so daß also erst während der Erdenbildung das, was wir heute als Pflanze bezeichnen, vorhanden ist. Da also erst muß die Farbe an der Pflanze den Charakter angenommen haben, den wir heute an dieser Pflanze eben wahrnehmen, da muß sie erst das fixierte Grün geworden sein.

Nun trägt die Pflanze aber nicht bloß - wenigstens im allgemeinen -dieses Grün an sich, sondern Sie wissen, wie die Pflanze als solche über­geht während ihrer Metamorphose in anderes Farbenwesen, wie die Pflanze gelbe, blaue, weiße Blüten hat, rote Blüten hat, wie auch die Früchte - nehmen Sie zum Beispiel eine Gurke -, wie die Früchte, wenn sie grün sind, übergehen ins Gelbliche. Und das kann Ihnen schon eine oberflächliche Beobachtung ergeben, was eigentlich da wirkt, wenn die Pflanze eine andere Farbe als das Grün annimmt.

Wenn die Pflanze eine andere Farbe als das Grün annimmt - Sie können leicht darauf kommen , da ist innerhalb desjenigen, was mit dem Werden dieser anderen Farbe zusammenhängt, die Sonne wesent­lich, das unmittelbare Sonnenlicht. Bedenken Sie nur einmal, wie die Pflanzen, wenn sie dem Sonnenlicht ihre Blüten nicht entgegenhalten können, sich sogar verstecken, zusammenrollen und so weiter. Und wir werden also eine Beziehung, schon oberflächlich eine Beziehung finden können zwischen dem Nichtgrüngefärbtsein gewisser Pflanzenteile und der Sonne. Die Sonne, ich möchte sagen, metamorphosiert das Grün. Sie ist es also, die in das Grün eingreift, die das Grün in einen anderen Zustand bringt. Wenn wir die mannigfaltige Färbung des Pflanzlichen mit einem Himmelskörper - wie gesagt, schon durch eine oberflächliche Betrachtung - in Beziehung bringen, so wird es uns doch nicht schwer fallen, die Aussagen der «Geheimwissenschaft» nun auch zu Rate zu ziehen und zu fragen: Was hat sie nun aus ihren Beobachtungen heraus zu sagen über etwaige andere Beziehungen des pflanzlichen farbigen Wesens zu den Gestirnen?

Und da müssen wir uns nun fragen: Was für eine Gestirnoffenbarung ist denn von der größten Wirksamkeit auf die Erde? Was ist denn für

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ein Gestirn da, welches etwa der Sonne entgegenwirken könnte, welches also dasjenige im Pflanzenwesen hervorbringen könnte, was das Son­nenlicht wiederum gewissermaßen metamorphosiert, vernichtet, in an­dere Farben überführt? Was ist da, was innerhalb der pflanzlichen Welt das Grün bewirken kann?

Wir kommen zu demjenigen Himmelskörper, der zunächst für uns das polarische Gegenbild der Sonne darstellt, wir kommen an den Mond. Und Geisteswissenschaft kann uns auch - ich will das heute nur andeuten -, indem sie auf alle die Eigenschaften des Mondenlichtes gegenüber dem Sonnenlicht hinweist, indem sie vor allen Dingen dar­auf hinweist, wie das Mondenlicht in das Sonnendunkel hineinwirkt, sie kann den Zusammenhang zwischen dem Grün der Pflanze und eben diesem Mondenwesen ebenso konstatieren, wie man den Zusammen­hang des übrigen Farbenwesens der Pflanzen mit der Sonne zu kon­statieren hat. Und so haben wir denn, wenn wir das Pflanzliche vor uns haben, ein Ineinanderwirken vom Mondlichen und Sonnlichen vor uns. Wir haben aber zugleich eine Erklärung dafür, warum das Grün Bild wird, warum das Grün nicht auch an der Pflanze glanzlich ist wie die übrigen Farben. Die übrigen Farben an der Pflanze sind glanzlich, haben scheinenden Charakter. Haben Sie nur Empfindung dafür und sehen Sie sich einmal die Blütenfarben an: sie scheinen einem entgegen. Vergleichen Sie es mit dem Grün: es ist an der Pflanze fixiert. Sie sehen darinnen ja nichts anderes als einen Abdruck desjenigen, was Sie im Kosmos wahrnehmen. Das Sonnenlicht scheint; das Mondenlicht ist das Bild des Sonnenlichtes. So finden Sie das Lichtbild, das Bild, die Farbe als Bild wiederum in dem Grün der Pflanze. Und Sie haben also in der Pflanze durch die Sonne die Farbe des Glanzes, und Sie haben die Farbe der Fixierung, die Farbe des Bildes in dem Grün.

Diese Dinge lassen sich nicht mit den groben Begriffen des Physika­lischen irgendwie erfassen. Diese Dinge müssen in die Region der Emp­findungswelt gehoben und mit der durchgeistigten Empfindung begriff cn werden. Dann aber ergibt sich von selber das Heraufheben desjenigen, was wir in solcher Art verstanden haben, in das Künstlerische. Und die Physik hat ja auch mit ihren Methoden, mit denen sie in der angedeu­teten Weise an die Farbcnwelt grob herangetreten ist, alles Künstlerische

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aus der Farbenbetrachtung herausgetrieben, so daß in der Tat der Künstler mit dem, was die Physik über die Farbenwelt zu sagen hat, nicht das mindeste anzufangen weiß.

Wenn wir aber so die Farbenwelt der Pflanze betrachten, daß wir wissen: Da spielt das Kosmische mit, da haben wir in der Farbengestal­tung der Pflanze ein Zusammenwirken der Sonnen- und Mondenkräfte vor uns -, dann haben wir das erste Element vor uns, durch das wir begreifen können, wie die Farbe gewissermaßen an einem Objekte, allerdings zunächst an dem vegetabilen Objekte, sich fixiert, wie sie zur Körperfarbe wird. Sie wird zur Körperfarbe dadurch, daß aus dem Kosmos herein nicht der Glanz wirkt, sondern daß aus dem Kosmos hereinwirkt schon das Bild als solches. Wir haben es also in der Pflanze zu tun mit demjenigen Grün, das dadurch Bild wird, daß einmal inner­halb der Erdenentwickelung sich der Mond von dieser Erde abgetrennt hat. In dieser Abtrennung des Mondes von der Erde haben wir den eigentlichen Ursprung des Grünen in der Pflanzenwelt zu suchen. Denn dadurch kann nun die Pflanze nicht mehr demjenigen, was Monden­kräfte in der Erde selbst sind, ausgesetzt sein, sondern sie empfängt aus dem Kosmos Bildcharakter.

Sehen Sie, die Empfindung kennt dieses kosmische Wechselverhältnis in bezug auf das Pflanzliche durchaus, und wir werden, wenn wir unsere Empfindung befragen, aus dieser Empfindungswelt heraus durch ein künstlerisches Erfassen des Farbenwesens uns diesem grünen und sonstigen farbigen Charakter des Pflanzenwesens gut nähern können. Es ist etwas Eigentümliches: Wenn Sie zurückgehen in der Malerei, in der Geschichte der Malerei, so werden Sie finden: Die Maler, die in früheren Epochen groß gewesen sind, sie malen Menschen, menschliche Situationen, aber sie malen wenig die äußere Natur; sie malen wenig die äußere Natur, insoferne sie von der Pflanzenwelt erfüllt ist. Man wird natürlich auch dafür leicht eine Trivialerklärung finden können. Man wird die Trivialerklärung finden können, daß es in alten Zeiten ja nicht so üblich war, die Natur zu beobachten und daß man sie daher auch nicht gemalt hat. Das ist aber natürlich eine bloß triviale Erklä­rung, obwohl die heutige Menschheit mit solchen trivialen Erklärungen leicht zufrieden ist.

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Was da zugrunde liegt, ist vielmehr ein ganz anderes. Das Land­schaftsmalen kommt eigentlich in derjenigen Zeit herauf, in der Ma­terialismus und Intellektualismus die Menschen ergreifen, in der immer mehr und mehr ein abstraktes Wesen sich der menschlichen Zivilisation und Kultur bemächtigt. Man kann sagen: Die Landschaftsmalerei ist eigentlich erst ein Produkt der letzten drei bis vier Jahrhunderte. Be­rücksichtigt man das, dann wird man sich auch sagen müssen: Erst in den drei bis vier letzten Jahrhunderten ist der Mensch in seiner ganzen Seelenverfassung dazu gekommen, dasjenige Element zu ergreifen, das ihn befähigt, die landschaftliche Natur zu malen. Warum?

Wenn wir die Bilder alter Zeiten anschauen, so werden wir darauf kommen, daß diese Bilder älterer Zeiten eigentlich alle einen ganz bestimmten Charakter tragen. Gerade wenn wir die Unterscheidung machen - wir wollen darüber dann noch genauer reden -, gerade wenn wir im Farbigen die Unterscheidung machen zwischen dem Bildcharak­ter und dem Glanzcharakter, dann finden wir, daß die alten Maler in ihrer Malerei diese Unterscheidung nicht machen. Und namentlich ist bei diesen alten Malern keine Rücksicht genommen, so wie wir das gestern fordern mußten, auf diese innere Willensnatur der Farben-glanze. Die alten Maler berücksichtigen das nicht überall, daß das Gelb einen verschwimmenden Rand fordert. Sie berücksichtigen es dann, wenn sie ihre Malerei mehr in das Geistige heraufführen; aber sie berücksichtigen es nicht, wenn sie die gewöhnliche Welt malen. Sie berücksichtigen auch nicht im Blauen, was wir von dem Blauen gefor­dert haben; im Rot schon eher. Sie können das an gewissen Bildern von Leonardo und auch anderen, von Tizian zum Beispiel sehen. Aber im ganzen können wir doch sagen: Diesen Unterschied von Bild und Glanz im Farbenwesen machen die alten Maler nicht. Warum? Sie stehen zu der Farbenwelt in einer anderen Beziehung; sie fassen auch dasjenige, was im Farbenwesen Glanz ist, als Bild; dem geben sie im Malen Bild­charakter. Wenn man aber dem, was in der Farbenwelt Glanz ist, Bild­charakter gibt, wenn man alles im Farbenwesen zum Bilde macht, dann kann man keine Pflanzenlandschaft malen. Warum nicht?

Nun, wenn Sie eine Pflanzenlandschaft malen wollen, und sie soll wirklich den Eindruck des Lebendigen machen, dann müssen Sie die

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Pflanzen selber sowohl in ihrem Grün wie in ihren einzelnen Farben etwas dunkler machen, als sie wirklich sind. Sie müssen also das Grün der Pflanze etwas dunkler machen, als die Pflanze selber ist. Sie müssen überhaupt eine grüne Fläche dunkler machen, als sie ist. Sie müssen auch das, was Rot oder Gelb in der Pflanzenwelt ist, dunkler machen, als es wirklich ist. Dann aber müssen Sie, nachdem Sie in dieser Weise die Farbe im Bildcharakter festgehalten und etwas dunkler gemacht haben, als sie wirklich ist, dann müssen Sie das Ganze mit einer Stimmung überziehen, und diese Stimmung, die muß in einer gewissen Weise eine gelblich-weißliche Stimmung sein. Sie müssen also das Ganze in einem gelblich-weißlichen Licht halten, dann bekommen Sie eigentlich erst in der richtigen Weise das heraus, was die Pflanze ist. Sie müssen einen Schein malen über dem Bildwesen. Sie müssen also zum Glanzcharakter der Farbe übergehen, Sie müssen den Glanzcharakter der Farbe haben.

Und ich bitte Sie auch, betrachten Sie von diesem Gesichtspunkte aus das ganze Streben der modernen Landschaftsmalerei, betrachten Sie, wie sie probiert hat, immer mehr und mehr dahinterzukommen, welches eigentlich das Geheimnis des Malens des Vegetabilischen ist. Malt man das Vegetabilische so, wie es draußen ist, man bekommt es nicht heraus. Das Bild macht nicht den Eindruck des Lebendigen. Das Bild macht erst den Eindruck des Lebendigen, wenn Sie die Pflanzen dunkler malen als sie in ihren Farben sind, und darüber den Schein, etwas Gelblich-Weißes, also Leuchtendes darübergießen. Weil die alten Meister dieses Scheinmalen, dieses Malen der durchleuchteten Luft in dieser Weise nicht gepflegt haben, konnten sie überhaupt nicht an die Landschaft heran. Das ist es, was Sie insbesondere gegen das Ende des 19. Jahr­hunderts in der Malerei so bemerken, wie gesucht wird nach der Mög­lichkeit, das Landschaftliche zu erfassen. Freilichtmalerei, alles Mögliche ist ja aufgetaucht, um das Landschaftliche zu erfassen. Sie erfassen es nur dann, wenn Sie sich eben dazu entschließen, das Vegetabilische in seinen einzelnen Farbennuancen dunkler zu malen und es dann mit dem Glänze, der ein Gelblich-Weiß ist, zu überziehen. Natürlich müssen Sie das nach den Farbenstimmungen und so weiter machen. Dann kom­men Sie darauf, wirklich auf die Leinwand oder auf irgendeine andere Fläche das zu malen, was Ihnen den Eindruck des Lebendigen gibt. Das

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ist eine Sache der Empfindung, und diese Empfindung führt Sie dahin, daß man dasjenige, was darüber flutet, dieses Darüberflutende mit­malen muß als den Ausdruck des scheinenden Kosmos, dessen, was aus dem Weltenall herunter sich als Glanz auf die Erde ergießt. Anders kann man nicht hinter das Geheimnis des Pflanzenmalens, also der von der Vegetation bedeckten Natur, kommen.

Wenn Sie dieses beachten, dann werden Sie auch einsehen, daß aus dem Farbenwesen selber heraus im Grunde genommen alles das gesucht werden muß, was man in der Malerei erreichen will. Was hat man denn schließlich in der Malerei für Mittel? Man hat die Fläche, Leinwand oder Papier oder was immer, und auf der Fläche muß man bildhaft dasjenige fixieren, was da ist. Wenn aber etwas sich nicht bildhaft fixie­ren läßt, wie das Pflanzenwesen, so muß man wenigstens dem Scheine nach auch den Glanzcharakter darüber ergießen.

Sehen Sie, da sind wir noch immer nicht angekommen bei den ver­schieden gefärbten Mineralsubstanzen, bei den leblosen Gegenständen. Bei den leblosen Gegenständen tritt uns insbesondere auch die Not­wendigkeit entgegen, die Sache mit der Empfindung zu erfassen. Die Farbenwelt läßt sich nicht mit dem Verstände bewältigen. Wir müssen die Sache mit der Empfindung erfassen. Und nun bitte ich Sie einmal, sich zu überlegen, ob irgend etwas im Farbenwesen selber drinnen ist, was Ihnen das zeigt. Nun, malt man Unorganisches, also Wände oder irgendwelche leblose Gegenstände, so muß man fragen: Ist da eine Not­wendigkeit, das, was man da malt, aus der Farbe heraus zu verstehen, in der Anschauung selbstverständlich aus der Farbe heraus zu ver­stehen? Es ist eine starke Notwendigkeit! Denn bedenken Sie einmal, was erträglich und was nicht erträglich ist. Nicht wahr, wenn ich auf eine weiße Fläche einen schwarzen Tisch male, das ist etwas ganz Erträgliches. Wenn ich einen blauen Tisch male - denken Sie sich einmal ein Zimmer gemalt ganz mit blauen Möbeln -, wenn Sie ästhetische Empfindung haben, werden Sie es unerträglich finden. Ebensowenig können Sie eigentlich ein Zimmer mit gelben oder roten Möbeln, eben ein gemaltes Zimmer, ausstaffieren. Sie können, wie gesagt, schwarze Tische auf weißem Grunde meinetwillen malen; es bleibt ja beim bloßen Zeichnen, aber man kann das. Und eigentlich kann man unmit­telbar

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auf das Papier oder auf die Leinwand nur dasjenige hinfixieren, wodurch ein Unorganisches, ein Lebloses herauskommen soll, das zu­nächst schon in seiner Farbe den Bildcharakter hat. Man muß also sich fragen: Was gestatten denn die Farben Schwarz, Weiß, Grün und Pfirsichblüt, was gestatten denn diese an unlebendigen Gegenständen? Aus der Farbe heraus muß das geholt werden, was zu malen möglich ist. Und dann bleibt es noch immer so, daß, wenn man nun aus der Farbe heraus malt, also aus der Farbe, die auch Bild ist, man eigentlich noch immer nicht den leblosen Gegenstand hat. Man würde da das bloße Bild haben. Die Farbe ist schon Bild; man würde also das bloße Bild haben. Man würde doch nicht hervorrufen die Vorstellung des Stuhles, sondern man würde das Bild des Stuhles haben, wenn man ihn aus der bloßen Farbe heraus malen müßte, die Bild ist.

Was muß man also tun? Man muß versuchen, dem Bilde, wenn man Lebloses malt, den Charakter des Glanzes zu geben. Das ist es, worauf es ankommt. Man muß demjenigen, was Bildcharakter hat in der Farbe, dem Schwarzen, dem Weißen, dem Grünen und dem Pfirsichblütenen, man muß ihm inneren Leuchtcharakter geben, das heißt, den Glanz­charakter geben. Dann aber kann man dasjenige, was man in dieser Weise zum Glänze belebt hat, nun auch kombinieren mit den anderen Glänzen, mit Blau, Gelb und Rot. Sie müssen also diejenigen Farben, die Bildcharakter haben, ihres Bildcharakters entkleiden, müssen ihnen Glanzcharakter geben. Das heißt, der Maler muß eigentlich immer, wenn er Unorganisches malt, im Sinne haben, daß eine gewisse Leucht­quelle, eine matte Leuchtquelle in den Dingen selber drinnenliegt. Er muß sich seine Leinwand oder sein Papier in einem gewissen Sinne als solches Leuchtendes denken. Hier braucht er in der Fläche den Schein des Lichtes, den er darauf zu malen hat. Wenn er Unorganisches, Leb­loses malt, so muß er im Sinne, in seiner Seelenverfassung haben, daß eine Art von Leuchtendem den unorganischen Gegenständen unterliegt, daß also seine Fläche in einem gewissen Sinne durchsichtig ist und von innen heraus leuchtet.

Nun, da kommen wir, indem wir malen, beim Fixieren der Farbe, beim Hinzaubern der Farbe auf die Fläche, darauf, daß wir gewisser­maßen der Farbe den Charakter des Zurückleuchtens geben müssen,

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des Zurückglänzens, sonst zeichnen wir, sonst malen wir nicht. Wenn man, wie es ja die neuere Menschheitsentwickelung fordert, immer weiter und weiter dazu vordringen wird, aus der Farbe selbst heraus das Gemalte zu holen, dann wird man eben diesen Versuch immer weiter und weiter treiben müssen: die Natur, die Wesenheit der Farbe zu enträtseln, um gewissermaßen die Farbe zur Umkehr zu zwingen, wenn sie Bild ist, wiederum anzunehmen ihren Glanzcharakter, sie also innerlich leuchtend zu machen. Wenn wir es anders malen, so bekom­men wir dennoch nichts erträglich Gemaltes aus der unlebendigen Natur heraus. Eine Wand, die nicht dazu gebracht ist, so bestrichen zu werden mit der Farbe, daß sie innerlich leuchtet, eine solche Wand ist im Ma­lerischen keine Wand, sondern nur das Bild der Wand. Wir müssen die Farben zum innerlichen Leuchten bringen. Dadurch werden sie in einem gewissen Sinne mineralisiert. Daher wird man auch immer mehr und mehr den Übergang finden müssen, nicht von der Palette herunter zu malen, wo man bloß die Fläche mit der materiellen Farbe beschmiert, wo man niemals das innerliche Leuchten in der richtigen Weise wird hervorrufen können, sondern man wird immer mehr und mehr zum Malen aus dem Tiegel übergehen müssen. Man wird nur mit der Farbe malen müssen, die, indem sie wässerig ist, den Schein des Fluktuieren­den bekommen hat. Und es ist im allgemeinen eigentlich ein unkünst­lerisches Element in das Malen eingezogen, indem man übergegangen ist zum Malen von der Palette weg. Es ist eine materialistische Malerei von der Palette weg, ein Nichtverstehen der innerlichen Natur der Farbe, die eigentlich niemals als solche vom materiellen Körper ver­schluckt wird, sondern die im materiellen Körper lebt und aus dem materiellen Körper hervorkommen muß. Daher muß ich sie, wenn ich sie auf die Fläche hinmache, zum Leuchten bringen.

Sie wissen, wir haben für unseren Bau versucht, diese Leuchtkraft dadurch hervorzurufen, daß wir Pflanzenstoffe verwendet haben, welche am leichtesten dazu zu bringen sind, dieses innerliche Leuchten zu entwickeln. Wer nun Empfindung hat für diese Dinge, der wird gut sehen, wie eigentlich, allerdings in verschiedenen Graden, die gefärbten Mineralien dieses innerliche Leuchten zeigen, welches wir hervorzuzau­bern versuchen, wenn wir das Mineral malen wollen. Indem wir das

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Mineral aus der Farbe heraus, nicht nach dem Modell, nicht natura­listisch malen wollen, sondern aus der Farbe heraus erschaffen wollen, lernen wir, wie es nötig ist, das Mineralische im innerlich Leuchtend­werden zu erfassen. Ja, wie wurde denn das Mineral innerlich leuch­tend? Wenn wir das gefärbte Mineral haben, so erscheinen uns die Farben, indem das Mineral vom Sonnenlichte bestrahlt wird. Das Son­nenlicht macht da viel weniger, als es in der Pflanze macht. An der Pflanze zaubert das Sonnenlicht die außer dem Grün vorkommenden Farben hervor. Am gefärbten Mineral, am gefärbten leblosen Gegen­stand überhaupt, haben wir vom Sonnenlicht nichts anderes, als daß wir eben im Finstern, wo alle Katzen grau oder schwarz sind, eben nicht die Farben sehen; es macht uns erst die Farben sichtbar. Aber der Grund der Farbe ist ja im Inneren. Warum ist er im Inneren? Wie kommt er da hinein? Da sind wir wiederum bei dem Problem, von dem wir eigentlich heute ausgegangen sind.

Nun habe ich Sie, um Sie auf das Pflanzengrün zu führen, auf den Mondenaustritt verweisen müssen, wie Sie ihn beschrieben finden in meiner «Geheimwissenschaft». Ich muß Sie nunmehr verweisen auf die anderen Austritte, welche innerhalb der Erdenevolution stattgefunden haben.

Wenn Sie verfolgen, das, was ich in meiner «Geheimwissenschaft» in bezug auf die Erdenentwickelung dargestellt habe, so werden Sie finden: Diejenigen Weltenkörper, die die Erde umgeben und die zu ihrem Planetensystem gehören, waren ja, wie Sie wissen, im Zusammenhange mit der ganzen Erde, mit dem ganzen Erdenplaneten; sie sind hinaus­gedrungen, geradeso wie der Mond hinausgedrungen ist. Allerdings hängt das nun mit dem Sonnensein zusammen. Aber im allgemeinen, wenn wir bloß auf die Erde schauen, können wir dieses als ein Hinaus­treten ansehen. Sehen Sie, mit diesem Hinaustreten der anderen Planeten hängt nun die innere Färbung der leblosen Gegenstände als solchen zusammen. Das Feste wird farbig, kann farbig werden dadurch, daß die Erde von denjenigen Kräften, die noch in ihr gewesen sind, als die Planeten mit ihr verbunden waren, von diesen Kräften befreit wird, daß sie von außen aus dem Kosmos wirken und dadurch an den ge­färbten mineralischen Körpern die innere Kraft des Farbigen hervor­rufen.

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Das ist tatsächlich dasjenige, was die Mineralien haben von dem, was fortgegangen ist und nun vom Kosmos hereinwirkt. Wir sehen, es ist ein viel verborgeneres Geheimnisvolles als im Grün der Pflanzen. Aber wir haben da etwas, was eben deshalb, weil es verborgen ist, auch tiefer in das Wesen hineingreift, daher nicht nur das pflanzliche Lebendige, sondern das leblos Mineralische ergreift, sich da hinein­drängt. Und so werden wir geführt - das soll hier eben also nur wiederum angedeutet werden -, so werden wir geführt, wenn wir die Färbung der Körper betrachten wollen, allerdings auf etwas, worauf die heutige Physik keine Rücksicht nimmt. Wir werden geführt wiederum auf die Wirkung im Kosmos. Wir können nicht die Farbig­keit des Leblosen irgendwie erklären, wenn wir nicht wissen, daß dieses Farbige zusammenhängt mit demjenigen, was sich die Erdenkörper als innere Kräfte zurückbehalten haben, indem die anderen Planeten sich aus dem Erdenwesen herausgezogen haben.

Was wir zu erklären haben zum Beispiel als das Rötliche bei irgend­einem Mineralischen, das haben wir zu erklären durch das Zusammen­wirken der Erde mit irgendeinem Planeten zum Beispiel mit dem Mars oder mit dem Merkur. Was wir zu erklären haben als das Gelbliche in dem Mineralischen, das haben wir zu erklären durch das Zusammen­wirken der Erde etwa mit dem Jupiter oder mit der Venus und so weiter. Daher wird die Farbigkeit des Mineralischen immer ein Rätsel bleiben, solange man sich nicht wiederum entschließen wird, die Erde, gerade um sie auch in Farbigkeit zu verstehen, in Zusammenhang zu denken mit dem Außerirdischen im Kosmos.

Sehen Sie: Wollen wir bis zu dem Lebendigen kommen, dann müssen wir zum Sonnenlichte, zum Mondlichte greifen, und kommen da gerade zu der einen grünen Farbe, die sich fixiert an der Pflanze, und zu den Pflanzenfarben, die dann aus der Pflanze heraus Schein werden, Glanz werden. Wollen wir aber dasjenige, was aus dem Inneren der Sub­stanzen uns entgegenleuchtet, wollen wir also dasjenige, was von dem sonst fluktuierenden Spektralen in dem Inneren der Körper sich fest­setzt, wollen wir das verstehen, dann müssen wir uns erinnern, daß einmal dasjenige, was heute kosmisch ist, im Innern der Erde war und damit der Ursprung desjenigen ist, daß auch Fluktuierendes, gewissermaßen

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schweres Fluktuierendes sich in der Erde findet. Wir müssen gerade dasjenige, was sich unter der Oberfläche des Mineralischen verbirgt, in seiner Ursache außerhalb der Erde suchen. Das ist das Wesentliche, worauf es ankommt. Was an der Oberfläche der Erde sich findet, das ist leichter aus dem Irdischen selber zu erklären als dasjenige, was unter der Oberfläche der Erde sich findet. Was unter der Oberfläche der Erde sich findet, was im Inneren des Erdigen ist, was im Inneren des Festen ist, das muß vom Außerkosmischen erklärt werden. Und so erglänzen uns denn die mineralischen Bestandteile unserer Erde in den­jenigen Farben, die sie zurückbehalten haben von dem, was in den Planeten herausgetreten ist. Und wiederum stehen diese Farben unter dem Einflusse der entsprechenden Planeten der kosmischen Umgebung.

Damit hängt es zusammen, daß wir, indem wir die Farbe, das Leb­lose auf der Fläche malerisch fixieren, daß wir gewissermaßen mit dem Lichte hinter die Fläche gehen müssen, daß wir die ganze Fläche durch­geistigen müssen, daß wir ein geheimnisvolles inneres Licht machen müssen. Ich möchte sagen: Wir müssen dasjenige, was uns von den Planeten herunterstrahlt, hinter die Fläche, auf die wir das Bild fixie­ren, zu bringen suchen; hinter diese Fläche müssen wir es bringen im Malerischen, damit dieses Malerische in uns organisch den Eindruck überhaupt des Wesenhaften macht, nicht des bloß Bildhaften. Und so wird es, um das Unlebendige zu malen, darauf ankommen, die Farben zu durchgeistigen. Was ist denn das aber?

Erinnern Sie sich an das Schema, das ich Ihnen gegeben habe, wo ich gesagte habe: Es ist dasjenige, was schwarz ist, schließlich das Bild des Toten im Geistigen. Wir schaffen dem Scheine nach das Geistige und bilden darinnen ab das Tote. Und indem wir es färben, indem wir es durch und durch zum Glänze machen, rufen wir das Wesenhafte hervor. Das ist tatsächlich der Vorgang, der für das Unlebendige bezüglich des Malens oder im Malen eingehalten werden muß.

Und jetzt werden Sie finden, daß wir wieder in das Tierreich herauf­gehen können. Sehen Sie, wenn Sie eine Landschaft malen wollen, in der das Tierreich besonders wirkt - wiederum, es kann nur in der Emp­findung dieses erfaßt werden -, wollen Sie tierisches Wesen in die Land­schaft hineinbringen, dann müssen Sie die Farbe, die die Tiere sonst

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haben, etwas heller malen, als sie wirklich ist, und Sie müssen darüber ein leises bläuliches Licht verbreiten. Sie müssen also, wenn Sie eventuell irgendwelche, sagen wir, rote Tiere - es mag ja selten vorkommen -, rote Tiere malen wollen, so müßten Sie dann einen leise bläulichen Schimmer darüber haben, und Sie müßten überall da, wo Sie an das Tier herankommen aus der Vegetation heraus, den gelblichen Schimmer in den bläulichen herüberführen.

Sie müßten das im Übergang motivieren; dann werden Sie die Mög­lichkeit gewinnen, das Tierische zu malen, sonst nicht, sonst wird es immer den Eindruck des unlebendigen Bildhaften machen. So daß wir sagen können: Wenn wir das Unlebendige malen, so muß es ganz Glanz sein, es muß von innen heraus leuchten. Wenn wir das Lebendige, das Pflanzliche malen, dann muß es erscheinen als Glanzbild. Wir malen zuerst das Bild, malen sogar so stark, daß wir, sagen wir, abweichen von der natürlichen Farbe. Wir geben also den Bildcharakter, indem wir etwas dunkler malen, bringen dann den Glanz darüber: Glanzbild. Malen wir das Beseelte oder auch das Tierische, dann müssen wir den Bildglanz malen. Wir müssen nicht zum vollständigen Bild übergehen. Wir erreichen das dadurch, daß wir heller malen, also das Bild in den Glanz herüberführen, aber darüber geben wir dasjenige, was in gewis­sem Sinne die reine Durchsichtigkeit trübt. Dadurch erreichen wir den Bildglanz.

Und gehen wir in das Durchgeistigte herauf, gehen wir bis zum Men­schen, dann müssen wir uns aufschwingen, das reine Bild zu malen.


Unlebendiges: Glanz

Pflanzliches: Glanzbild

Beseelt, Tierisches: Bildglanz

Durchgeistigt, Mensch: Bild


Das haben eben die Maler getan, welche noch nicht die äußere Natur gemalt haben; sie haben eben das reine Bild geschaffen. Und da kommen wir also dann zum vollständigen Bilde. Das heißt, wir müssen dann auch diejenigen Farben umfassen, die uns als Glänze entgegengetreten sind in den Bildern. Das geschieht dadurch, daß wir ihnen in einem ge­wissen

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Sinne ihren Glanzcharakter nehmen, wenn wir an den Men­schen herankommen; wir behandeln sie als Bilder. Das heißt, wir streichen die Fläche gelb an und versuchen das in irgendeiner Weise zu motivieren. Die gelbe Fläche will eigentlich am Rande gewissermaßen ausgefranst sein, verwischt sein. Bei nichts sonst ist es gestattet, das Gelbe anders zu haben, als daß man es am Rande verwischt. Wenn man den Menschen malt, kann man es seines eigentlichen Farbenwesens ent­kleiden und zum Bilde machen. Und auf diese Weise verwandelt man dann die Glanzfarben in Bildfarben, kommt dadurch ins Menschliche herauf und braucht sich um nichts zu kümmern, wenn man den Men­schen malt, als um die bloße Durchsichtigkeit des Mediums.

Nur allerdings muß man da erst recht das Gefühl entwickeln für das­jenige, was nun aus der Farbe wird, wenn sie in den Bildcharakter über­geht. Sie sehen, man kommt in der Tat durch das ganze Farbenwesen durch - auch insoferne sich dieses Farbenwesen in der Malerei zum Ausdrucke bringt -, wenn man sich eine Empfindung dafür erwirbt, was der Unterschied ist zwischen dem Bildhaften und dem, was im Glänze lebt. Das Bildhafte nähert sich eigentlich mehr dem Gedank­lichen, und je mehr wir im Bildhaften weiterschreiten, desto mehr nähern wir uns dem Gedanklichen. Wenn wir einen Menschen malen, können wir eigentlich nur unsere Gedanken von ihm malen. Aber dieser Gedanke von ihm, der muß eben wirklich anschaulicher Gedanke sein. Der muß sich in der Farbe ausleben. Und man lebt in der Farbe, wenn man zum Beispiel in der Lage ist, irgendwo eine gelbe Fläche an­zubringen und sich zu sagen: die müßte eigentlich ausgefranst sein; ich verwandle sie ins Bild, ich muß sie also durch die angrenzenden Farben modifizieren. Ich muß es also gewissermaßen auf meinem Bilde ent­schuldigen, daß ich der gelben Farbe nicht ihren Willen lasse.

Auf diese Weise sehen Sie, wie in der Tat es möglich ist, aus der Farbe heraus zu malen; wie es möglich ist, die Farbenwelt als solche als etwas anzusehen, was sich im Fortgange unserer Erdenentwickelung so ent­wickelt, daß zunächst das Farbige als Glanz vom Kosmos die Erde bestrahlt. Dann, indem dasjenige, was in der Erde ist, aus der Erde heraustritt und wiederum zurückstrahlt, wird die Farbe verinnerlicht an dem Gegenstande. Und wir folgen diesem Erleben im Farbigen,

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diesem Kosmischen im Farbigen folgen wir erlebend, und wir bekom­men dadurch die Möglichkeit, in der Farbe selber zu leben. Es ist ein Leben in der Farbe, wenn ich die Farbe im Wasser aufgelöst im Tiegel habe, wenn ich erst, indem ich den Pinsel eintauche und an die Fläche herangehe, sie erst da in die Fixation, in das Feste überführe; während es nicht ein Leben in der Farbe ist, wenn ich mit der Palette dastehe und Farben ineinander verschmiere, wo ich die Farben schon ganz materiell auf der Palette drauf habe und sie dann auf die Fläche hinüberschmiere. Dadurch lebe ich nicht in der Farbe, sondern ich lebe außerhalb der Farbe. Ich lebe in der Farbe, wenn ich sie erst aus dem flüssigen Zustand in den festen Zustand überführen muß. Da erlebe ich gewissermaßen dasjenige, was die Farbe selber erlebt hat, indem sie aus dem alten Mondenzustand zu der Erde sich herüberentwickelt hat und sich da erst fixiert hat. Denn ein Festes kann nur mit der Erde entstehen. Da ent­steht wiederum ein Verhältnis zur Farbe. Ich muß mit der Farbe seelisch leben, ich muß mich mit dem Gelben freuen können, an dem Roten seine Würde oder seinen Ernst empfinden, ich muß mit dem Blauen seine sanfte, ich möchte sagen, ins weinerliche hercinwirkende [herein­bringende?] Stimmung mitmachen können. Ich muß die Farbe durch­geistigen können, wenn ich sie zu innerlichen Fähigkeiten bringen will. Ich darf nicht ohne dieses geistige Verständnis für die Farbe malen, insbesondere dann nicht, wenn ich Unorganisches malen will, wenn ich Lebloses malen will. Das bedeutet nicht, daß man symbolisch malen soll, das bedeutet nicht, daß man das ganz Unkünstlerische entfalten soll: diese Farbe bedeutet das, und jene bedeutet das andere. Es handelt sich nicht darum, daß die Farben etwas anderes bedeuten als sich selbst; aber es handelt sich darum, daß man mit der Farbe leben kann.

Das Leben mit der Farbe hat aufgehört, als man von der Tiegelfarbe überging, hört überall auf, wo man von der Tiegelfarbe übergeht zu der Palettenfarbe. Und wegen dieses Überganges von der Tiegelfarbe zur Palettenfarbe hat man ja alle die Kleiderstöcke, die von den Porträt­malern auf die verschiedenen Leinwände allmählich hingemalt worden sind. Es sind Puppen, Kleiderstöcke und dergleichen; es ist gar nichts innerlich wirklich Lebendiges. Das Lebendige kann nur gemalt werden, wenn man mit der Farbe wirklich zu leben versteht.

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Das sind solche Andeutungen, die ich Ihnen hier in diesen drei Vor­trägen geben wollte. Natürlich könnten sie ins Unermeßliche noch er­weitert werden. Das kann bei einer anderen Gelegenheit geschehen, wird in der Zukunft geschehen. Gegenwärtig wollte ich nur einige An­deutungen geben, einen Anfang mit solchen Betrachtungen machen.

Sehen Sie, etwas, was man am häufigsten hört, das ist ja das, daß die Künstler eine förmliche Furcht haben vor allem Wissenschaftlichen, daß sie sich nicht von der Erkenntnis, von der Wissenschaft in ihre Kunst hineinpfuschen lassen wollen. Schon Goethe hat - obwohl er durchaus noch nicht auf die inneren Gründe des Farbigen hat kommen können, aber die Elemente dazu hat er geliefert -, schon Goethe hat über diese Furcht vor dem Theoretischen bei den Malern sehr richtig gesagt: «Man fand bisher bei den Malern eine Furcht, ja eine entscheidende Abneigung gegen alle theoretische Betrachtungen über die Farbe und was zu ihr gehört, welches ihnen jedoch nicht übel zu deuten war. Denn das bisher sogenannte Theoretische war grundlos, schwankend und auf Empirie hindeutend. Wir wünschen, daß unsre Bemühungen diese Furcht einiger­maßen vermindern und den Künstler anreizen mögen, die aufgestellten Grundsätze praktisch zu prüfen und zu beleben.»

Wenn man in der richtigen Weise erkennend vorgeht, erhebt sich das, was man erkennt, aus dem Abstrakten in das konkrete Künstlerische herauf, und insbesondere ist das bei einem so fluktuierenden Elemente der Fall, wie es die Farbenwelt ist. Und es ist nur an der Dekadenz unserer Wissenschaft selber gelegen, daß die Künstler mit Recht eine solche Furcht vor dem Theoretischen haben. Dieses Theoretische ist ein bloß Materiell-Intellektuelles, dieses Theoretische, das uns insbesondere in der modernen physikalischen Optik entgegentritt. Das farbige Ele­ment ist ein Fluktuierendes, bei dem man am besten wünschen möchte, daß der Maler nicht einmal die Farbe so verfestigt, wie er sie auf der Palette verfestigt, sondern sie in ihrem flüssigen Zustande im Tiegel läßt. Wenn dann aber der Physiker kommt und seine Striche auf die Tafel zeichnet und sagt, aus dem . . . läuft da das Gelbe, dort das Violette heraus - so ist das auch zum Davonlaufen, diese Betrachtung. Das gehört nicht in die Physik hinein. Die Physik soll es bei dem bloßen im Raume Ausgebreiteten des Lichtes lassen. Das Betrachten des Farbigen

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kann überhaupt nicht geschehen ohne in das Seelische herauf­gehoben zu werden. Denn es ist eine bloße törichte Rederei, wenn man sagt: Das Farbige ist ein Subjektives, welches . .. [Lücke im Text]. Und wenn man namentlich dann etwa dazu übergeht, zu sagen - wobei man sich vom Ich nichts Genaues vorstellt -: draußen wäre irgendeine ob­jektive Veranlassung, und die wirkte auf uns, auf unser Ich -, so ist das Unsinn. Das Ich selber ist in der Farbe drinnen. Es ist das Ich und auch der menschliche Astralleib gar nicht von dem Farbigen zu unterscheiden, sie leben in dem Farbigen und sind insoferne außer dem physischen Leib des Menschen, als sie mit dem Farbigen draußen verbunden sind; und das Ich und der astralische Leib, sie bilden im phyischen Leibe und im Ätherleibe die Farben erst ab. Das ist es, worauf es ankommt. So daß die ganze Frage nach der Wirkung eines Objektiven des Farbigen auf ein Subjektives ein Unsinn ist. Denn in der Farbe drinnen liegt schon dasjenige, was Ich, was astralischer Leib ist, und mit der Farbe herein kommt das Ich und der astralische Leib. Die Farbe ist der Träger des Ichs und des astralischen Leibs in den physischen und in den Äthcrleib hinein. So daß die ganze Betrachtungsweise einfach umgekehrt und um­gewendet werden muß, wenn man zu der Realität vordringen will.

Also dasjenige, was da hineingekrochen ist in die Physik und was die Physik mit ihren Strichen und Linien umfängt, das muß wieder heraus. Es müßte geradezu zunächst einmal eine Periode eintreten, wo man es verschmäht, überhaupt zu zeichnen, wenn man in der Physik von der Farbe spricht, wo man versuchen soll, die Farbe in ihrem Fluktuieren, in ihrem Leben zu erfassen.

Das ist es, worauf es ankommt. Dann kommt man schon ganz von selbst heraus aus dem Theoretischen in das Künstlerische. Dann liefert man eine Betrachtungsweise des Farbigen, die der Maler aufgreifen kann; weil, wenn er sie mit sich selbst vereinigt, wenn er ganz drinnen lebt in einer solchen Betrachtungsweise, dann eine solche Betrachtungs­weise in seiner Seelenverfassung kein theoretisches Denken ist, sondern es ist ein Leben in der Farbe selber. Und indem er in den Farben lebt, läßt er sich von den Farben jedesmal die Antwort geben auf die Frage: Wie sollen sie fixiert werden?

Darauf kommt es an, daß man mit den Farben Zwiegespräche führen

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kann, daß sie einem selber sagen, wie sie auf der Fläche sein wollen. Das ist es, was eine Betrachtungsweise, die überhaupt in die Wirklichkeit hineindringen will, auch durchaus ins Künstlerische herüberhebt. Unsere Physik hat uns diese Betrachtungsweise ruiniert. Deshalb muß heute mit aller Entschiedenheit betont werden: Solche Dinge, die vor allen Dingen in die Psychologie und in die Ästhetik hineinführen, dürfen nicht weiter von der physikalischen Betrachtung korrumpiert werden, sondern es muß verstanden werden, daß hier eine ganz andere Art und Weise der Anschauung eingreifen muß. Im Goetheanismus sehen wir die geistigen Elemente, die seelischen Elemente. Dieser Goetheanismus muß weiter ausgebildet werden. Er hat zum Beispiel noch nicht die Un­terscheidung der Farben als Bilder und als Glänze. Wir müssen den Goetheanismus lebendig denken, um immer weiter und weiter zu kom­men. Das können wir nur durch Geisteswissenschaft.

DIE SCHÖPFERISCHE WELT DER FARBE Dornach, 26. Juli 1914

II Ergänzungen aus dem Vortragswerk


DIE SCHÖPFERISCHE WELT DER FARBE

Dornach, 26. Juli 1914


Lassen Sie uns heute die Betrachtungen, die wir hier angestellt haben über künstlerische Gegenstände, etwas fortsetzen. Es sollen ja Betrach­tungen sein, die uns dienen können bei den Gedanken, mit denen wir die Arbeit, die uns hier obliegt, durchdringen müssen. Wenn wir das­jenige, was wir gewissermaßen als unsere Aufgabe, ganz primitiv erst, beginnen, mit richtigen Gedanken begleiten wollen, dann kann es von Wichtigkeit sein, manches uns vor die Seele zu führen, was aus der Be­trachtung der menschlichen Kunstleistungen und ihres Zusammen­hanges mit der Menschheitskultur überhaupt unsere Seele beeindrucken kann.

Herman Grimm, der geistvolle Kunstbetrachter des 19. Jahr­hunderts, hat einen, man möchte sagen, radikal klingenden Ausspruch in bezug auf Goethe getan. Er hat nämlich gesagt, wann erst die Zeit kommen werde, in der die Menschheit das Allerwichtigste bei Goethe richtig einsehen würde. Er hat diesen Zeitpunkt in das Jahr 2000 verlegt. Nicht wahr, es ist doch eine hübsche Zeit, die nach dieser Anschauung verlaufen soll, bis die Menschheit soweit gekommen sein wird, daß sie, nach dieser Ansicht, das Allerwichtigste bei Goethe verstehe. Und man kann ja auch, gerade wenn man auf unsere Zeit blickt, nicht die Neigung empfinden, einem solch radikalen Ausspruch zu widersprechen. Denn was sieht Herman Grimm als das Wichtigste bei Goethe an? Nicht daß Goethe Dichter war, daß er dieses oder jenes einzelne Kunstwerk geschaffen hat, sondern das sieht er als das Wichtigste an, daß er alles, was er geschaffen hat, aus dem ganzen vollen Menschen her­aus geschaffen hat, daß allen Einzelheiten seines Schaffens die Impulse des vollen Menschentums zugrunde lagen. Und man darf sagen, daß unsere Zeit recht weit entfernt ist von dem Begreifen desjenigen, was zum Beispiel eben in Goethe lebte als volles Menschentum. Selbst­verständlich will ich gar nicht, indem ich dieses ausspreche, auf die ja oftmals gerügte spezialistische Betrachtungsweise der Wissenschaft ver­weisen. Die spezialistische Betrachtungsweise der Wissenschaft ist auf

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der einen Seite eine gewisse Notwendigkeit. Aber viel eingreifender als das Spezialistentum der Wissenschaft ist etwas anderes, ist das Spe­zialistentum unseres Lebens! Denn dieses Spezialistentum unseres Lebens führt dahin, daß immer weniger und weniger die einzelne Seele, die in diesen oder jenen speziellen Vorstellungs- oder Empfin­dungskreis eingerammt ist, die andere Seele, die wiederum in etwas anderem sich spezialisiert, verstehen kann. Und gewissermaßen Spe­zialistenseelen sind gegenwärtig alle Menschen. Ganz besonders aber tritt uns entgegen diese Anschauung von der Spezialistenseele, wenn wir die Kunstentwickelung der Menschheit betrachten. Und gerade deshalb ist es notwendig - wenn es auch nur in primitiven Anfängen geschehen kann -, daß in einer Weise, auf die aufmerksam gemacht werden konnte schon in früheren Vorträgen, wieder eine Art von Zu­sammenfassung des ganzen Geisteslebens stattfindet. Und aus dieser Zusammenfassung des ganzen Geisteslebens wird dasjenige, was die künstlerische Form ist, hervorgehen. Wir brauchen gar nicht eine sehr weit ausgreifende Betrachtung anzustellen, um das, was gesagt worden ist, zu belegen. Ich möchte, weil wir ja vielleicht uns am besten ver­ständigen, wenn wir von etwas Naheliegendem ausgehen, auf ein ganz kleines Stück jener völlig unverständigen und oftmals so lächerlichen Angriffe gegen unsere Geistesströmung verweisen, die gegenwärtig so zahlreich sich überall geltend machen.

Man findet es so billig da, wo man uns vor der Welt - man darf heute schon sagen, mit völlig aus der Luft Gegriffenem - anschwärzen will, zugleich etwa hinzuweisen darauf, daß wir uns vergangen haben damit, daß wir da oder dort unsere Räumlichkeiten in einer Weise gestalten, wie wir das für unseren Sinn angemessen finden. Man wirft uns vor, daß wir da oder dort unsere Versammlungslokale mit far­bigen Wänden auskleiden, und man ergeht sich ja hinlänglich schon über die, wie man sagt, «Wunderlichkeit» unseres «Johannesbaues», von der man sagt, daß sie ja für eine wirkliche Theosophie - so drückt man sich aus - doch völlig unnötig sei. Ja, man betrachtet in gewissen Kreisen eine «wahre Theosophie» als einen von allerlei dunklen Ge­fühlen durchzogenen Seelenmischmasch, der ein wenig schwelgt darin, daß die Seele in sich ein höheres Ich entfalten könne, dabei aber nichts

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anderes als egoistische Gefühle im Auge hat. Und vom Standpunkt dieses Seelenmischmasches, dieser unklaren Duselei, findet man es über­flüssig, wenn sich ausleben soll das, was eine geistige Strömung ist, in der äußeren Form, wenn diese äußere Form auch eingeständlich eine anfängliche, primitive sein muß. Man denkt in diesen Kreisen, man könne ja überall, wo man sich befindet, über diesen Seelenmischmasch, über dieses unklare Duseln von dem göttlichen Ich im Menschen, schwätzen. Wozu sei es denn notwendig, daß da in Angriff genommen wird allerlei Ausleben in diesen oder jenen sonderbaren Formen?

Nun, meine lieben Freunde, es ist ja durchaus nicht die Anforderung zu stellen, daß solche Leute, die so etwas als Vorwurf drechseln, auch wirklich denken können; diese Anforderung kann man heute wirklich an die wenigsten Menschen stellen. Aber wir müssen doch über man­cherlei Punkte vollständig zur Klarheit kommen, damit wir die ent­sprechenden Fragen in der eigenen Seele wenigstens richtig beantwor­ten können.

Ich möchte Ihren geistigen Blick hinlenken auf einen Künstler, der zu Ende des 18. Jahrhunderts mit einer gewissen starken Begabung in das Kunstleben eingetreten ist als zeichnender, als malender Künstler: Carstens. Ich will durchaus nicht über den Wert der Carstenschen Kunst sprechen, kein Bild seines Wirkens und auch nicht seine Bio­graphie entrollen, meine lieben Freunde, sondern ich möchte nur auf­merksam machen, daß in Carstens, wenn nicht eine große malerische, so doch eine große zeichnerische Kraft steckte. Wenn man nun in die Seele dieses Carstens hineinblickt, den Blick wendet auf seine künst­lerische Sehnsucht, so kann man gerade bei ihm in einer gewissen Weise sehen, man möchte sagen, wo es fehlte. Er möchte den Stift an­setzen, er möchte Ideen zeichnen, malerisch verkörpern, nur ist er nicht in der Lage, in der noch, ich will sagen, Raffael oder Leonardo waren, oder um aus dem Gebiet der Dichtkunst ein Beispiel zu geben, in der Dante war. Raffael, Leonardo, Dante, sie lebten in einer vollen, in einer inhaltsvollen und zu gleicher Zeit in den Menschenseelen wirklich lebenden Kultur darinnen, in einer Kultur, die die Menschenseele um­spannte. Wenn Raffael Madonnen malte, so hatte das einen tieferen Grund. Es lebte das, was eine Madonna ist, in den menschlichen

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Herzen, in den menschlichen Seelen, und - im edelsten Sinn sei das Wort ausgesprochen - aus der Seele des Publikums heraus strömte etwas entgegen den Schöpfungen dieser Künstler. Wenn Dante die menschliche Seele entführte bis in die geistigen Gebiete, so brauchte er doch nur seinen Inhalt, seinen Stoff zu nehmen unter demjenigen, was in gewisser Welse erklang in jeder menschlichen Seele. Man möchte sagen, diese Künstler hatten in der eigenen Seele etwas, was als Sub­stanz in der allgemeinen Kultur vorhanden war. - Man nehme irgend­ein, und sei es ein noch so abgelegenes Werk der damaligen wissen­schaftlichen Kultur in die Hand, man wird finden, daß für diese wissenschaftliche Kultur überall doch Anknüpfungspunkte, Hin­lenkungspunkte waren zu demjenigen, was in allen Seelen, selbst bis in die untersten Kreise hinein, lebendig war. Die Gelehrten derjenigen Kulturkreise, aus denen Raffael seine Madonnen schuf, standen der Idee der Madonna durchaus anerkennend und so gegenüber, daß diese Idee der Madonna in ihnen lebte. Und so erscheinen die Schöpfungen der Kunst wie ein Ausdruck des allgemeinen, einheitlichen Geistes­lebens. Das ist, was in einem einzelnen Menschen wiederum bei Goethe aufgetreten ist, in der Weise, wie es an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert sein konnte. Das ist es, was in unserer Zeit so wenig ver­standen wird, daß Herman Grimm, wie gesagt, das Jahr 2000 ab­warten wollte, bis einigermaßen ein solches Verständnis sich wiederum für die Welt eröffnet.

Fragen wir aber wieder bei Carstens an. Er nimmt Homers Ilias, und dasjenige, was er da liest an Vorgängen, das prägt er dann den Formen, die sein Stift schafft, ein. Ja, denken Sie, wie anders das 18. Jahrhundert und der Anfang des 19. Jahrhunderts zu den Gestalten Homers stand als etwa die Seele des Raffael zu den Gestalten der Madonna oder der anderen Motive dieser Zeit! Man möchte sagen, der Inhalt der Kunst war für die großen Epochen der Kunst ein selbst­verständlicher, weil er aus dem floß, was die Herzen der Menschen im Innersten bewegte. Im 19. Jahrhundert begann die Zeit, wo der Künstler anfangen mußte, die Inhalte dessen, was er schaffen wollte, zu suchen. Wir haben es schnell erlebt, daß der Künstler gewisser­maßen zu einer Art Kultureremiten geworden ist, der es im Grunde

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genommen nur mit sich selbst zu tun hat, bei dem man sich fragt: Wie ist das Verhältnis zu seiner Gestaltenwelt bei ihm selber? - Man könnte die Geschichte der menschlichen Kunst des 19. Jahrhunderts aufrollen, um zu sehen, wie es in dieser Beziehung mit der Kunst ist.

Und so ist es dann gekommen, daß jenes nicht nur kühle, sondern kalte Verhältnis der Menschheit zur Kunst eingetreten ist, das gegen­wärtig besteht. Man denke sich heute einen Menschen in einer modernen Stadt, der durch eine Bildergalerie oder Bilderausstellung geht. Ja, meine lieben Freunde, da schaut nicht auf ihn dasjenige, was seine Seele bewegt, dasjenige, womit er innerlich vertraut ist, sondern da schaut etwas ihm entgegen, was, radikal ausgedrückt, in einem ge­wissen Sinne für ihn zu einer Summe von Rätseln wird, die er erst lösen kann, wenn er sich einigermaßen vertieft in das besondere Ver­hältnis, das dieser oder jener Künstler zur Natur oder zu irgend etwas anderem hat. Da stehen wir vor lauter individuellen Rätseln oder Aufgaben. Und während man glaubt - das ist das Bedeutsame an der Sache -, während man glaubt künstlerische Rätsel zu lösen, löst man eigentlich im höchsten Maße fortwährend unkünstlerische Aufgaben, nämlich psychologische Aufgaben, der Art, wie der oder jener Künstler heute die Natur anschaut oder Aufgaben der Weltanschauung oder dergleichen Aufgaben, die aber gar nicht in Betracht kommen, wenn man sich in die großen Kunstepochen vertieft. Da kommen wirkliche künstlerische Aufgaben in Betracht, auch für den Beschauer, wirkliche ästhetische Aufgaben, weil das Wie etwas ist, was dem Künstler zu schaffen macht, während das Was nur die Substanz ist, etwas ist, was ihn umfließt, in das er eingetaucht ist. - Man könnte sagen: Unsere Künstler sind gar keine Künstler mehr, sie sind Weltbetrachter von einem besonderen Standpunkte aus, und was sie da beschauen, was ihnen da auffällt, je nach ihrem Temperament, das gestalten sie. Das sind aber psychologische Weltanschauungsaufgaben, Aufgaben der Ge­schichtsbetrachtung und so weiter; aber das Wesentliche der künst­lerischen Wie-Betrachtung, das ist etwas, was unserer Zeit fast voll­ständig abhanden gekommen ist. Vielfach fehlt das Herz für solche künstlerische Wie-Betrachtung.

Ein gut Stück Schuld an alledem, worauf mit wenigen Worten auf­merksam

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gemacht worden ist, hat unsere vom Grunde aus theoretische Weltanschauung. So praktisch die Menschen in bezug auf Industrie, Technik, kommerzielle Verhältnisse geworden sind, so eminent theore­tisch sind sie in bezug auf ihr Denken über die Welt geworden, in bezug auf die Vorstellungen, die sie sich über die Welt machen. Eine Brücke zwischen dem, was zum Beispiel unsere heutige Wissenschaft betrachtet, und dem, was der Künstler als seine Weltbetrachtung hat, ist nicht nur schwer zu schlagen, sondern es haben auch die wenigsten das Bedürfnis, sie zu schlagen. Und ein Wort, wie das von Goethe: Kunst ist die Manifestation geheimer Naturgesetze, die ohne sie nie­mals zum Ausdruck kommen könnten -, ist für unsere Zeit völlig un­verständlich, wenn auch dieser oder jener glaubt, es zu verstehen. Denn unsere Zeit hält fest an den alleräußerlichsten, den allerabstraktesten Naturgesetzen, an den Naturgesetzen, die sich schon, man möchte sagen, an das Mathematische, an das abstrakteste Mathematische über­all anlehnen, und will nicht gelten lassen irgendeine Vertiefung in die Wirklichkeit, die über das Abstrakt-Mathematische, oder das, was dem Abstrakt-Mathematischen ähnlich gebildet ist, hinausgeht. Und so ist es denn kein Wunder, wenn unserer Zeit eigentlich verloren­gegangen ist jenes lebendige Element der Seele, welches in den Welt­zusammenhängen wirksam jene Substantialität empfindet, die heraus­quellen muß aus diesen Weltenzusammenhängen, wenn Kunst ent­stehen soll.

Aus wissenschaftlichen Begriffen, auch aus den abstrakt-theosophi-schen Begriffen wird sich niemals eine Kunst, höchstens eine stroherne Allegorie oder ein steifer Symbolismus entwickeln lassen, aber keine Kunst. Dasjenige, was die heutige Zeit denkt, was Vorstellung über die Welt ist, ist an sich schon unkünstlerisch, strebt danach, unkünst­lerisch zu werden. Die Farben - was sind sie für unsere wissenschaft­liche Betrachtung geworden? Schwingungen des Abstraktesten in der Materie, des Äthers; Schwingungen des Äthers von so und so viel Wellenlänge und so weiter. Man stelle sich nur einmal vor, wie weit entfernt die Wellen des schwingenden Äthers, die heute unsere Wissen­schaft sucht, sind von dem unmittelbar Lebendigen der Farben. Wie ist es da anders möglich, als daß man eigentlich völlig vergißt, auf dieses

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Lebendige, auf dieses Unmittelbare der Farbe, wirklich zu achten. Wir haben bereits zum Schlüsse der letzten hier angestellten Betrachtung darauf hingewiesen, wie dieses Element des Farbigen im Grunde ge­nommen ein Flutendes, Lebendiges ist, in dem wir auch lebendig mit unseren Seelen darinnen leben. Und hingewiesen habe ich darauf, daß kommen wird eine Zeit, in der man den lebendigen Zusammenhang der flutenden Farbenwelt mit dem, was sich äußerlich als gefärbte Wesen und Gegenstände zeigt, wiederum einsehen wird.

Dem Menschen ist es deshalb schwer, weil der Mensch aus dem Grunde, daß er während der Erdenevolution sein Ich auszubilden hat, aus diesem flutenden Farbenmeer gleichsam zu einer reinen Ich-Betrach­tung heraufgestiegen ist. Mit dem Ich erhebt sich der Mensch aus dem flutenden Farbenmeer; die Tierwelt steht noch voll darin in diesem flutenden Farbenmeer, und daß das eine oder andere Tier dieses oder jenes, grünes, braunes, rotes, schwarzes, weißes Gefieder oder Woll­haar hat, das hängt zusammen mit dem ganzen Verhältnis der Seele dieses Tieres zu dem flutenden Farbenmeer. Das Tier betrachtet die Gegenstände mit seinem Astralleib, wie wir mit dem Ich sie betrachten, und es fließt ein in diesen Astralleib das, was an Kräften in den Gruppen­seelen der Tiere vorhanden ist. Unsinn ist es, zu glauben, daß das Tier, auch die höheren Tiere, die Welt so sieht, wie der Mensch sie sieht. Aber völlig unverständlich ist in diesem Punkt das Richtige dem Ge­genwartsmenschen. Der Gegenwartsmensch glaubt, wenn er bei einem Pferde steht, daß das Pferd ihn genauso sieht, wie er das Pferd sieht. Was ist natürlicher für den Gegenwartsmenschen, als zu glauben, daß, weil das Pferd Augen hat, das Pferd ihn geradeso sieht wie er das Pferd. Und doch ist dies eben ein völliger Unsinn. Denn geradeso­wenig wie der Mensch ohne Hellsehen einen Engel sieht, würde das Pferd ohne Hellsehen einen Menschen sehen, denn der Mensch ist für das Pferd einfach nicht da als physisches Wesen, sondern nur als geistiges Wesen, und nur weil das Pferd mit einem gewissen Hellsehen begabt ist, nimmt das Pferd das für ihn engelhafte Menschenwesen wahr. Was das Pferd an dem Menschen sieht, ist etwas ganz anderes, als was wir an dem Pferde sehen. Wie wir Menschen herumwandeln, sind wir auch für die höheren Tiere recht gespenstige Wesen. Wenn

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einmal die Tiere reden könnten, ihre eigene Sprache, nicht so, wie man jetzt die Tiere «sprechen» läßt, sondern in ihrer eigenen Sprache, dann würde der Mensch schon sehen, daß es dem Tier gar nicht einfällt, die Menschen als gleichartige Wesen zu betrachten, sondern als höher­stehende, als gespensterartige Wesen. Wenn sie ihren eigenen Leib als aus Fleisch und Blut bestehend ansehen, so werden sie ganz gewiß den Menschen nicht als aus Fleisch und Blut bestehend ansehen. Wenn man das ausspricht heute, so klingt das für die Gehirne der Gegenwart selbstverständlich wie der reinste Unsinn, so weit ist die Gegenwart von der Wahrheit entfernt.

In das Tier flutet herein durch seinen eigentümlichen Zusammen­hang zwischen Astralleib und Gruppenseele die Empfänglichkeit für das lebendig Schöpferische der Farbe. Und geradeso wie wir einen Gegenstand, der in uns Begierde erregt, anschauen und dann den Ge­genstand ergreifen mit einer Bewegung der Hand, so ist es beim Tier in dem Gesamtorganismus so, daß das unmittelbar Schöpferische in der Farbe einen Eindruck macht, und das fließt in die Federn oder Wolle hinein, und das färbt das Tier. Ich habe es schon früher aus­gesprochen, daß unsere Zeit nicht einmal einsehen kann, warum der Eisbär weiß ist; die weiße Farbe ist das Ergebnis aus seiner Umgebung heraus, und daß der Eisbär sich «weißt», bedeutet bei ihm auf einer anderen Stufe ungefähr dasselbe, als wenn der Mensch mit einer Be­wegung die Hand ausstreckt und eine Rose pflückt, gegenüber der Be­gierde. Das lebendig Produktive der Umgebung wirkt auf den Eis­bären so, daß es in ihm Triebhaftes auslöst und er sich «durchweißt».

Für den Menschen ist eben dieses lebendige Weben und Wesen im Farbigen dadurch in die Untergründe gegangen, daß er sein Ich aus­zubilden begonnen hat. Niemals hätte der Mensch sein Ich ausbilden können, wenn er so lebendig in dem Farbenmeer drinnengeblicben wäre, daß er zum Beispiel über dem Eindruck einer gewissen Röte, sagen wir der Morgenröte, den Trieb entwickeln würde, diese Morgenröte pro­duktiv-imaginativ einzuprägen gewissen Teilen seiner Haut. Solches war noch vorhanden während der alten Mondenzeit. Da wirkte, sagen wir, die Betrachtung von einem solchen Naturschauspiel wie Morgen­röte noch so, daß sie das, was dazumal der Mensch war, beeindruckte

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und die Widerspiegelung des Eindrucks in die Eigenfärbung gleichsam zurückgeworfen wurde, die Wesenheit des damaligen Menschen durch­drang und sich dann nach außen wiederum an gewissen Stellen seines Leibes ausdrückte. Dieses Drinnenstehen, dieses lebendige Drinnen-stehen mit dem Leibe in dem flutenden Farbenmeer, das mußte für den Menschen während seiner Erdenzeit verlorengehen, damit er in seinem Ich seine eigene Weltanschauung entwickeln könne. Und der Mensch mußte in seiner Gestalt neutral werden gegenüber dem flutenden Far­benmeer. Die Hautfarbe des Menschen, so wie sie auftritt in den ge­mäßigten Zonen, ist im wesentlichen der Ausdruck des Ich, der Aus­druck der absoluten Neutralität gegenüber den äußeren flutenden Farbenwellen, sie ist eine Folge des Emporsteigens über das flutende Farbenmeer. Aber nehmen wir schon die primitivste Erkenntnis, die wir auf dem Boden der Geisteswissenschaft gewonnen haben, meine lieben Freunde, so werden wir uns erinnern, daß es des Menschen Auf­gabe ist, den Weg wiederum zurückzufinden.

Physischer Leib, Ätherleib und Astralleib, sie haben sich ausgebildet während der Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit, das Ich während der Erdenzeit. Der Mensch muß die Möglichkeit finden, den Astralleib wiederum zu vergeistigen, wiederum zu durchdringen mit dem, was das Ich sich erarbeitet. Und indem der Mensch den Astralleib ver­geistigt und so den Weg zurückfindet, muß er wiederum finden das flutende Farbenwellen und Farbenwogen, aus dem er emporgestiegen ist zur Entwickelung des Ich, so wie der Mensch, wenn er aus dem Meer emporgestiegen ist, um sich schaut, was draußen ist. Und wir leben wirklich schon in einer Zeit, in der beginnen muß - wenn nicht das Mitleben des Menschen mit der Welt überhaupt absterben soll - dieses Untertauchen in die geistigen Fluten der Naturgewalten, das heißt, der hinter der Natur liegenden Geistgewalten. Wir müssen wiederum die Möglichkeit gewinnen, nicht bloß die Farben anzuschauen und sie da oder dort als Äußeres aufzustreichen, sondern wir müssen die Mög­lichkeit finden, mit der Farbe zu leben, die innere Lebekraft der Farbe mitzuerleben. Das können wir nicht, wenn wir bloß malerisch stu­dieren, wie diese oder jene Farbe da oder dort spielt, indem wir die Farbe anglotzen; das können wir nur, wenn wir wiederum untertauchen

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mit der Seele in die Art, wie Rot, wie Blau zum Beispiel flutet; wenn uns das Farbenfluten unmittelbar lebendig wird. "Wir können es nur, meine lieben Freunde, wenn wir in die Lage kommen, dasjenige, was in der Farbe ist, so zu beleben, daß wir nicht etwa Farbensymbolik treiben - das wäre natürlich der verkehrteste Weg -, sondern daß wir das, was schon in der Farbe ist, was in der Farbe drinnen ist, wie in dem Menschen, der lacht, die Kraft des Lachens drinnen ist, wirklich entdecken. Das können wir aber nur - da das eben eingetreten ist, worauf aufmerksam gemacht worden ist: daß der Mensch mit seinem-Ich gleichsam emporgestiegen ist auch aus der flutenden Farbenwelt -, wenn wir den Weg zurück suchen zur flutenden Farbenwelt. Wenn der Mensch heute nichts anderes erlebt, als, ich will sagen, hier rot, hier blau, so wie man heute die Empfindung des Roten und des Blauen oft­mals hat, wenn der Mensch das Rot und das Blau so erlebt, daß er einfach empfindet: hier die rote, hier die blaue Fläche [es wurde ge­zeichnet], dann kann er niemals vorrücken zu dem lebendigen Mit­erleben mit dem eigentlichen Wesen des Farbigen. Noch weniger kann er es natürlich, wenn er das Innere mit dem Verstandesmäßigen um­kleidet und hinter dem Rot diese, hinter dem Blau jene Symbole emp­findet. Das würde noch weniger zum Erleben des Farbenelementes führen. Dasjenige, worum es sich handelt, das ist, daß wir unsere ganze Seele hinzugeben verstehen demjenigen, was aus der Farbe zu uns spricht. Dann werden wir, indem wir dem Rot gegenübertreten, etwas empfinden wie ein Aggressives gegenüber uns selbst, etwas, was uns wie eine Attacke entgegengeht, etwas, was uns attackiert. Da kommt es heraus, wo das Rot ist, da kommt es auf uns zu. Wenn alle Damen rot gekleidet wären und herumgingen auf der Straße, so würde derjenige, der eine feine Empfindung für das Rot hat, ganz im stillen glauben können, daß sie alle über ihn herfallen könnten, schon wegen ihrer Kleidung. Das Rot, es hat etwas Aggressives, etwas uns Ent­gegenkommendes. Das Blau, es hat etwas, was von uns fortgeht, was uns verläßt, dem wir mit einer gewissen Wehmut nachblicken, viel­leicht mit Sehnsucht nachblicken.

Wie weit man in der Gegenwart schon entfernt ist von einem solch lebendigen Verständnis des Farbigen, das kann aus etwas ersehen werden,

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auf das ich schon aufmerksam gemacht habe: Bei dem ausgezeich­neten Künstler Hildebrand wird ausdrücklich hervorgehoben, daß man ja die Farbe eben an der Fläche habe, und daß man weiter nichts habe als die Farbe auf der Fläche darauf; daß da nichts wäre als eben die mit der Farbe überstrichene Fläche; daß das etwas anderes wäre mit der Farbe als mit einer Form, die uns zum Beispiel Distanzen wieder­gibt. Die Farbe gibt uns aber mehr als Distanzen, und daß das selbst ein Künstler wie Hildebrand nicht empfindet, das muß man als ein tiefes Symptom für die ganze Art in unserer Gegenwart anschauen. Es ist unmöglich, in die lebendige Natur der Farbe sich einzuleben, wenn man nicht übergehen kann von der Ruhe unmittelbar zur Bewegung, wenn man nicht unmittelbar sich klar ist: die rote Scheibe hier kommt auf dich zu, die blaue entfernt sich von dir, in entgegengesetzter Rich­tung bewegen sie sich. Und man kommt immer weiter, wenn man sich vertieft in dieses Lebendige der Farbe. Man kommt dazu, einzusehen, daß, wenn wir zum Beispiel zwei farbige Kugeln von dieser Art hätten, wir gar nicht mehr, wenn wir an die Farbe Glauben haben, uns vorstellen könnten, daß diese zwei Kugeln ruhig stehenbleiben; das kann gar nicht vorgestellt werden. Es wäre schon eine Ertötung des lebendigen Empfindens, wenn das vorgestellt würde, denn unmittelbar geht die lebendige Empfindung darin über, daß sich die rote und die blaue Kugel umeinander drehen, die eine auf den Betrachter zu, die andere von dem Betrachter ab. Und dasjenige, was an einer Figur rot gemalt ist, im Gegensatz zu dem, was blau gemalt ist, das stellt sich so zu dem Blau, daß wirklich durch die Farbe selbst Leben und Be­wegung in das Figurale kommt. Und aufgenommen wird das Figurale von der lebendigen Welt dadurch, daß es in der Farbe leuchtet.

Wenn Sie Formen vor sich haben, so ist die Form allerdings das Ruhende, die Form bleibt stehen, sie steht da. Aber in dem Moment, wo die Form Farbe hat, in dem Moment hebt sich durch die innere Be­wegung der Farbe die Form aus der Ruhe heraus, und es geht der Wirbel der Welt, der Wirbel der Geistigkeit durch die Form hindurch. Färben Sie eine Form, so beleben Sie sie unmittelbar mit dem, was in der Welt Seele, Weltenseele ist, weil die Farbe nicht der Form allein gehört, weil die Farbe, die Sie der einzelnen Form erteilen, diese Form

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hineinstellt in den ganzen Zusammenhang ihrer Umgebung, ja, in den ganzen Zusammenhang der Welt. Man möchte sagen, man muß emp­finden, wenn man eine Form färbt: Jetzt gehst du der Form entgegen so, daß du sie mit Seele begabst. - Seele hauchen Sie ein der toten Ge­stalt, wenn Sie sie mit Farben beleben.

Man braucht nur ein wenig näherzutreten diesem lebendigen inneren Weben der Farben, dann wird man empfinden, wie wenn man nicht gerade sich ihnen unmittelbar gegenüberstellte, sondern als wenn man etwas darüber- oder darunterstehe; wie selber wiederum die Farbe innerlich lebendig wird. Für den Abstraktling, für denjenigen, der die Farbe anglotzt und sie nicht lebendig durchlebt, für ihn kann sich eine rote Kugel um eine blaue herumbewegen, und er hat nicht das Bedürf­nis, irgendwie die Bewegung zu ändern. Er mag ein großer Mathema-tikus, ein so großer Metaphysikus als möglich sein, aber mit der Farbe versteht er nicht zu leben, weil die Farbe wie ein Totes für ihn von einem Ort zum anderen geht. Das tut sie nicht in Wirklichkeit, wenn man mit ihr lebt: die Farbe strahlt, sie ändert sich in sich, und es wird unmittelbar eine Farbe, das Rot, wenn sie schreitet, sich bewegt, etwas vor sich hertreiben wie Orangeaura, wie Gelbaura, wie Grünaura. Und bewegt sich die andere, die blaue Farbe, so wird sie vor sich hertreiben anderes. - Es ist leider nicht möglich hier, weil ich die Farben nicht habe, in entsprechender Weise das wirklich vollständig genau zu zeichnen, genau zu machen.

So haben Sie hier eine Art von Farbenspiel. Sie haben dasjenige, was, man möchte sagen, wird, indem man die Farben miterlebt, so, daß das Rot wie attackierend, daß das Blau wie weggehend ist, daß man das Rot empfindet wie etwas, vor dem man davonlaufen möchte, dem man ausweichen möchte, das Blau wie etwas, dem man mit Sehnsucht nach­geht. Und könnte man unmittelbar das empfinden an der Farbe, könnte man es miterleben mit der Farbe, daß Rot und Blau in der geschilder­ten Weise lebendig und beweglich wird, so würde man tatsächlich auch innerlich mit dem lebendig sich bewegenden Farbenflutigcn mitgehen, man würde in der Seele gleichzeitig die wie im Wirbel übereinander sich lagernden Attacken und Sehnsuchten, das Fliehen und das hingebungs­volle Gebet, die hintereinander vorübergehen, man würde sie in seiner

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Seele nachempfinden. Und würde man dies, in künstlerischer Weise selbstverständlich ausgeführt, zu einem Detail machen an einer Form­gestalt, so würde man diese Formgestalt, die als Formgestalt ruhend ist, der Ruhe entreißen. In dem Augenblick, wo man zum Beispiel hier sich vorstellt, es wäre eine Formgestalt und man würde das darauf malen, so würde man, während die Form ruhig vor einem steht, hier ein leben­diges Weben haben, das nicht bloß der Gestalt angehört, das aber den Kräften und dem webenden Wesen um die Gestalt herum mit angehört; das würde man haben. Man entreißt dadurch - durch Seele, das Mate­rielle der Gestalt seiner bloßen Ruhe, seiner bloßen Gestaltigkeit. Es müßte einmal so etwas, möchte man sagen, von den schöpferischen Elementarmächten der Welt in diese Welt hineingemalt werden; denn all das, was der Mensch empfangen soll an Sehnsuchtsgewalten, ist et­was, was sich etwa in dem Blauen ausleben könnte. Das müßte der Mensch auf der einen Seite in seinem Haupte gestaltet tragen, und alles das, was in dem Roten ausgedrückt ist, das müßte der Mensch in der Gestalt haben, daß es hinaufflutet aus dem Organismus bis zum Gehirn. Und diese zwei Strömungen sind tätig im menschlichen Gehirnbau. Äußerlich die Welt - das, nach dem der Mensch Sehnsucht hat, und das immer überflutet wird durch das, was aus dem eigenen Leib aufwärts führt. Bei Tage ist es so, daß dasjenige, was in der blauen Hälfte ist, stärker flutet als dasjenige, was in der rot-gelben Hälfte ist. Bei Nacht ist es umgekehrt mit dem menschlichen physischen Organismus. Und ein getreues Abbild von diesem hier ist das, was wir gewöhnlich die zwei­blättrige Lotusblume nennen, die tatsächlich ebensolche Beweglichkeit und ebensolche Farbigkeit zeigt für den Betrachter. Und niemand wird je das, was in der Gestaltenwelt als das Produktive lebt, als der obere Teil des menschlichen Hauptes, richtig durchschauen können, wenn er nicht imstande ist, dieses verborgene Farbenfluten, das beim Menschen eben «verborgenes» Farbenfluten ist, wiederum zu verfolgen.

Es muß, meine lieben Freunde, das Bestreben der Kunst werden, in das elementare Leben wieder unterzutauchen; die Kunst hat lange genug angeschaut, die Natur studiert, lange genug versucht, allerlei Rätsel der Natur zu lösen und in den Kunstwerken dasjenige in einer anderen Form wiederzugeben, was durch das Eindringen in die Natur

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geschaut werden kann. Dasjenige aber, was in den Elementen lebt, das ist auch der heutigen Kunst noch ein Totes. Die Luft ist tot, das Wasser ist tot, das Licht ist tot, so wie sie heute gemalt werden, die Form ist tot, so wie sie heute von der Skulptur geboten wird. Eine neue Kunst wird aufgehen, wenn die Menschenseele lernen wird, sich in das Ele­mentare, das lebendig ist, zu versenken und zu vertiefen. Man kann gegen das polemisieren, man kann meinen, daß man das nicht solle; da polemisiert aber nur die menschliche Trägheit dagegen. Denn entweder wird der Mensch sich mit seinem vollen Menschentum einleben in das Elementarische, die Elementargewalten, wird Geist und Seele des Äuße­ren aufnehmen, oder es wird die Kunst immer mehr und mehr zu der Eremitenarbeit der einzelnen Seele werden, wodurch ja recht Inter­essantes für die Psychologie dieser oder jener Seele zum Vorschein kom­men kann, wodurch aber niemals das erreicht werden wird, was die Kunst einzig und allein erreichen kann. Man redet noch sehr, sehr von Zukunft, wenn man diese Dinge ausspricht, aber dieser Zukunft, ihr müssen wir gleichsam entgegengehen mit dem durch die Geisteswissen­schaft befruchteten Auge, sonst sehen wir nur in das Tote, Absterbende der Menschenzukunft hinein.

Deshalb ist es, daß ein innerer Zusammenhang gesucht werden muß zwischen alledem, was auf unserem Boden an Formen und Farben ge­schaffen wird, und demjenigen, was unsere Seele im allermeisten In­neren bewegt als unsere geistige Erkenntnis, als dasjenige, was für uns im Geiste lebt, so wie in Raffael die Madonnen lebten und er deshalb der Künstler der Madonnen werden konnte; weil die Madonnen in ihm lebten, so in ihm lebten, wie sie lebten bei dem Gelehrten, bei dem Ackerbauer, bei dem Handwerker seiner Zeit. Deshalb wurde er der wirkliche Künstler der Madonnen. Nur wenn es uns gelingt, lebendig in die Formen hineinzubringen, rein künstlerisch, ohne Symbolik, ohne Allegorie, dasjenige, was in unserer Weltanschauung lebt nicht als ab­strakte Gedanken, nicht als tote Erkenntnis, nicht als abstraktes Wis­sen, sondern als lebendige Substanz der Seele, dann ahnen wir etwas von dem, was mit dieser Kunstentwickelung, auf die eben hingedeutet worden ist, eigentlich gemeint ist.

Daher muß eine Einheit sein, wie sie etwa, man möchte sagen, durch

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ein besonderes Karma bei Goethe vorhanden war, zwischen dem, was geschaffen wird äußerlich, und demjenigen, was die Seele in ihrem tief­sten Wesen durchdringt. Brücken müssen geschlagen werden zwischen dem, was für heute noch abstrakte Idee ist in dem Inhalt der Geistes­wissenschaft, und demjenigen, was aus unserer Hand, aus unserem Meißel, aus unserem Pinsel herauskommt. An dem Schaffen dieser Brücken hindert heute eine vielfach äußerliche, eine abstrakte Kultur, die nicht lebendig werden läßt, was gemacht wird. Dann ist es begreif­lich, daß der durchaus unbegründete Glaube auftaucht, daß geistige Er­kenntnis das Künstlerische ertöten könnte. Es hat gewiß in vielen vieles ertötet; all die toten Allegoristereien und das Symbolisieren, all das Nachfragen: Was bedeutet dieses, was bedeutet jenes? - Ich habe schon darauf aufmerksam gemacht, daß man nicht immer fragen soll: Was bedeutet dieses? Was bedeutet jenes? - Sowenig der Kehlkopf «etwas bedeutet», sowenig wir nach seiner «Bedeutung» zu fragen haben, son­dern so wie er das lebendige Organ ist für die menschliche Sprache, so müssen wir das, was in den Formen, was in den Farben lebt, als das lebendige Organ der geistigen Welt betrachten. Solange wir uns auf unserem Boden noch nicht gründlich abgewöhnt haben, nach Symbolen und Allegorien zu fragen, solange wir noch Mythen und Sagen allego­risch und symbolisch auslegen, statt den lebendigen Hauch des durch den ganzen Kosmos webenden Geistes zu verspüren und einzusehen, wie lebendig eindringt in die Gestalten der Mythen- und Märchenwelt das, was im Kosmos lebt, so lange kommen wir nicht zur wahren gei­stigen Erkenntnis.

Aber ein Anfang muß gemacht werden! Er wird unvollkommen sein. Niemand soll glauben, daß wir den Anfang als das Vollkommene schon ansehen. Aber der Einwand ist ebenso töricht wie manche andere Ein­wände, die die Gegenwart gegen unsere Geistesströmung macht, daß nichts zu tun habe mit dieser Geistesströmung dasjenige, was mit un­serem Bau gewollt wird. Was die Leute meinen behaupten zu können, das wissen wir schon selber. Daß all das Gefasel vom «höheren Ich», all die Gefühlsduselei, die von der «Vergöttlichung der Menschenseele» redet, daß all das selbstverständlich auch unter den gegenwärtigen äußeren Formen gefaselt werden kann, das, meine lieben Freunde, wissen

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wir schon auch. Und daß man auch, um Geisteswissenschaft in ihrem ideellen und begrifflichen Charakter zu treiben, überall sich befinden könne, das wissen wir selbstverständlich auch. Daß aber Geisteswissen­schaft, lebendig in die Seelen ergossen, eine Umgebung fordert, die anders ist als diejenige, die von der absterbenden Kultur geliefert wird, das empfinden wir über die bloß ideell betriebene Geisteswissenschaft hinaus. Und jene Binsenwahrheit, daß man auch in anderen Zimmern als denjenigen, die mit unseren Formen lebendig sind, im ideellen Sinne Geisteswissenschaft treiben könne, das braucht uns wahrhaftig nicht von der äußeren Welt erst zugerufen zu werden. Aber ernst, ernster und immer ernster, meine lieben Freunde, muß dasjenige werden, was als das Ideal unserer Geisteswissenschaft uns in die Seele sich ergießen muß. Und wir brauchen noch vieles, um diesen Ernst, diese Triebkraft, diese innere seelische Triebkraft voll und ganz in uns aufzunehmen. Leicht kann man über diese Geisteswissenschaft und ihr Ausleben in der äußeren Welt so sprechen, daß man dadurch nicht das Wesen und den Nerv dieser Geisteswissenschaft trifft. Wenn man jetzt oftmals sieht, wie die stärksten Angriffe formiert werden gegen unsere geistige Strö­mung, wie sie gleichsam nur so auf uns niederhageln, dann hat man eine merkwürdige Empfindung. Man liest diese oder jene Angriffe und man muß sich sagen, wenn man bei gesunden Sinnen ist: Was wird denn da eigentlich geschildert? Allerlei Phantastereien werden geschildert, die nicht das geringste mit uns zu tun haben! Und die werden dann an­gegriffen. So wenig Sinn ist in der Welt vorhanden, ein neues geistiges Element aufzunehmen, daß diese Welt eine nicht ähnliche, sondern ganz unähnliche Karikatur entwirft und dann von dieser unähnlichen Kari­katur spricht und gegen sie zu Felde zieht. Es gibt sogar Menschen, die glauben, man solle das Zeug widerlegen. Man kann sich dagegen wen­den, aber man kann nicht widerlegen irgend etwas, was sich jemand ausdenkt, und was keine Ähnlichkeit hat mit dem, was er schildern will. Aber welcher Sinn für Wahrheit und Wahrhaftigkeit solchen Dingen zugrunde liegt, darauf müssen wir wohl in unseren Seelen achten, meine lieben Freunde, denn dadurch können wir stark werden in demjenigen, was uns aus der Geisteswissenschaft ersprießen soll, was aus der Geistes­wissenschaft, ich möchte sagen, sich verlebendigend, äußerlich im ma­teriellen

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Dasein zutage treten soll. Daß die Welt nicht toleranter ge­worden ist, daß sie nicht verständiger geworden ist, zeigt sich gerade in der Stellung, die die Welt heute einnimmt gegenüber dieser Geistes­wissenschaft. Nicht verständiger, nicht toleranter ist die Welt geworden.

Vielleicht bei nichts mehr als bei dem Vertiefen in solche Probleme, wie das Farbenproblem ist, können wir sozusagen unser intimeres Zu­sammenschließen der'Seele mit der Geisteswissenschaft feiern. Denn wir gelangen wirklich, indem wir das Lebendige der Farbenfluten selbst miterleben, wir gelangen, man möchte sagen, aus unserer eigenen Ge­stalt heraus und erleben mit das kosmische Leben. Farbe ist Seele der Natur und des ganzen Kosmos, und wir nehmen Anteil an dieser Seele, indem wir das Farbige miterleben. - Solche Hindeutungen möchte ich heute gemacht haben, um das nächste Mal weiter noch in das Wesen der Farbenwelt und das Wesen der Malerei einzugehen.

Meine lieben Freunde, ich mußte gerade diese Betrachtungen etwas durchsetzen mit einigen Hinweisen auf die ja von allen Seiten jetzt so über uns hereinkommenden Angriffe, die von einer Welt kommen, die nun wirklich eigentlich im Grunde genommen nichts von dem verstehen kann, um was es sich in unserer geisteswissenschaftlichen Bewegung handelt. Man möchte nur wünschen, meine lieben Freunde, daß die­jenigen, die innerhalb unserer Bewegung stehen, gerade durch eine Ver­tiefung nach allen Seiten, in der Richtung unserer Geistesströmung die Möglichkeit finden, zurechtzukommen gegenüber einer Tatsache, die ja wirklich eigentlich symptomatisch ist in unserer Zeit: das Herein­brechen von Unwahrhaftigkeit und Unwahrheit in der Auffassung des­jenigen, was versucht, sich in die geistige Welt hineinzustellen. An uns wird es gewiß nicht liegen, unsere geistige Strömung wie etwas Eremi­tisches von der Welt abzuschließen; soviel die Welt davon haben will, wird sie haben können. Aber das, was sie wird nehmen müssen, wenn sie verstehen will unsere Richtung, das ist das Einheitliche in der gan­zen Menschennatur, wodurch jede Einzelheit der menschlichen Leistung aus dieser ganzen Menschennatur hervorgeht.

Dasjenige, was ich gesagt habe, habe ich im Grunde genommen auch nicht als Angriff gegen die Gegenwart gesagt, sondern ich habe es mit einer gewissen Wehmut gesagt, weil man sieht, daß, je weiter sich unser

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Wollen und unser Streben in unserer Strömung ausbreitet, um so bös­williger - wirklich, vielleicht nicht bewußt, aber mehr oder weniger unbewußt böswillig - sich die Gegenkräfte erheben; und weil noch nicht genugsam verbreitet ist, auch in unseren Reihen, die Art, wie man solche Dinge zu beurteilen hat, wie man doch auf den Standpunkt ernsthaftig sich zu stellen hat, daß etwas Neues, ein neuer Anfang mit unserer Be­wegung zunächst wenigstens gemeint ist. Was über das «Meinen» hin­ausliegt, es wird gewiß kommen. Auch wir können mit unserem Bau doch nur etwas «meinen». Diejenigen, die mehr können werden als «meinen» in dieser Richtung, sie werden kommen - wenn auch viel­leicht um die Zeit erst, von der Herman Grimm annimmt, daß man Goethe in vollem Sinne verstehen werde. Zum Verständnis eines solchen Satzes gehört eine gewisse Bescheidenheit, und die hat ja auch das Gei­stesleben der Gegenwart wenig. Geisteswissenschaft ist recht geeignet, uns diese Bescheidenheit, zugleich mit dem Ernst der Sache, in der Seele nahezubringen.

Einen betrübenden Eindruck macht dasjenige, was gerade jetzt von allen Seiten gegen unsere Geistesströmung auftritt, da die Welt anfängt, etwas davon zu sehen. Solange sie bloß geistig da war, konnte die Welt nichts sehen, jetzt, da sie etwas sehen kann, was sie nicht versteht, jetzt fängt sie an, ich möchte sagen, aus allen Löchern heraus ihre mißtönen­den Klänge zu blasen. Und das wird immer stärker und stärker werden. Aber, machen wir uns das klar, so werden wir allerdings zunächst mit Wehmut, mit einer gewissen Wehmut erfüllt werden, aber die Kraft wird uns wachsen, einzutreten für das, was wir nicht bloß als Über­zeugung, sondern als Leben aufnehmen. Auch da wird Ätherisch-Le­bendiges die Menschenseele durchdringen, und was leben wird in der Menschenseele, wird noch mehr sein als theoretische Überzeugung, auf die die Gegenwartsmenschen heute noch so stolz sind. Derjenige, der solchen Ernst in seine Seele aufnimmt, der wird mit diesem Ernst auch die Zuversicht aufnehmen, daß die Wurzeln unserer Welt, daß die Wurzeln unseres Menschendaseins, wenn sie im Geistigen gesucht wer­den, uns tragen können, und man braucht in der einen Zeit mehr, in der anderen weniger eine solche Zuversicht. Und ist es Wehmut, von der gesprochen werden kann, wenn man von dem Verhältnis unserer

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Geistesströmung zu dem Echo, das sie in der Welt findet, spricht, ist das Wehmut, so muß aus der Stimmung dieser Wehmut die Stimmung der Kraft hervorgehen, von der Ihnen gesprochen worden ist, die aus der Erkenntnis stammt, daß des Menschen Lebensquellen im Geiste sind, und daß der Geist den Menschen herausführen wird aus alldem, worüber er, als über Disharmonie, nur Wehmut empfinden kann. Aus dieser Stimmung der Kraft wird man auch Stärke empfangen.

Mußte man von geistigen Angelegenheiten vielleicht ja gerade heute mit einer noch größeren Wehmut in der Brust sprechen, als die Wehmut ist, die eben jetzt wegen der Diskrepanz zwischen dem, was wir in unserer geistigen Bewegung wollen, und dem, was als Echo aus der Welt ihr entgegentönt, in uns fließt: es werden die Disharmonien der Welt in anderer Weise ablaufen, wenn die Menschheit einmal einsehen wird, was das geistige Licht vermag in den Menschenherzen anzuzünden, das wir mit unserer Geisteswissenschaft meinen. Und wenn wir auf das hinblicken, was einen heute mit Wehmut in den Geschicken Europas erfüllt, dann ist die Wehmut gegenüber unserer Bewegung nur eine kleine. Wie von solcher Wehmut durchdrungen, im Grunde genommen wie von Wehmut durchbebt, habe ich diese Worte zu Ihnen gesprochen, aber zugleich durchdrungen von der lebendigen Uberzeugung, daß, was auch in naher oder ferner Zeit an Schmerzlichem der europäischen Menschheit bevorstehen mag, in uns doch die Zuversicht leben kann, die hervor­geht aus der lebendigen Erkenntnis, daß der Geist den Menschen durch alle Wirrnisse siegreich hindurchführen wird. Wahrhaftig, wir dürfen auch in Tagen der Wehmut, in Stunden, die ein so ernstes Gesicht uns zeigen wie diese, ja, wir dürfen nicht nur, wir müssen von den heiligen Angelegenheiten unserer Geisteswissenschaft sprechen, denn den Glau­ben dürfen wir haben, daß, so klein sich die Sonne dieser Geisteswissen­schaft heute noch zeigt, sie wachsen und immer mehr wachsen wird und immer leuchtender und leuchtender werden wird, eine Friedenssonne, eine Sonne der Liebe und Harmonie über die Menschen hin.

Das sind auch ernste Worte, meine lieben Freunde, aber solche, die uns berechtigen, an die engeren Angelegenheiten der Geisteswissenschaft gerade dann so recht seelenhaft, so recht herzhaft zu denken, wenn Stunden des Ernstes zu unseren Fenstern hineinschauen.

DAS MORALISCHE ERLEBEN DER FARBEN- UND TONWELT.. Dornach, 1. ]anuar 1915

DAS MORALISCHE ERLEBEN DER

FARBEN- UND TONWELT ALS VORBEREITUNG ZUM KÜNSTLERISCHEN SCHAFFEN


Dornach, 1. ]anuar 1915


Ein jegliches Ding, eine jegliche Tatsache der Welt und auch ein jeg­liches Verhalten des Menschen, sie haben alle zwei Seiten, sie bilden gleichsam zwei polarische Gegensätze.

Gestern hatte ich Sie aufmerksam darauf zu machen, wie aus dem empfindenden Verständnis unserer geisteswissen­schaft­lichen Weltan­schauung in die Menschenseele hineinkommen sollen Ehrfurcht und Hingebung gegenüber den geistigen Welten. Die andere Seite zu diesem ehrfürchtig-hingebungsvollen Verhalten ist das energische Arbeiten an der eigenen Innerlichkeit, das energische In-die-Hand-Nehmen der Evolutionsfaktoren der eigenen Seele, das Daraufschauen, daß wir unsere Erlebnisse, die wir durchmachen innerhalb unserer Erfahrungen, immer dazu verwenden, etwas an ihnen zu lernen, ein wenig vorwärts­zukommen in bezug auf die Kräfte unseres Inneren, damit wir was uns auch im Leben begegnen, was auch um uns herum vorgehen mag, ob es uns leicht oder schwer verständlich ist - immer der Gefahr ent­gehen, uns selber zu verlieren. Daß wir immer die Möglichkeit haben, uns zu erhalten, daß wir aus uns selber die Kraft gewinnen können, Verständnis zu entwickeln für dasjenige, was uns oftmals in dem, was als Äußeres an uns herantritt, unverständlich erscheinen kann, daß wir die Ehrfurcht vor Dingen, wie sie gestern erwähnt worden sind, so stark auf die eigene Evolution der Seele wirken lassen mögen, daß diese Seele ein richtiges Verständnis gegenüber dem Weltendasein gewinnen könne: das, meine lieben Freunde, möchte ich Ihnen heute am Beginn des Jahres als den Neujahrsgruß sagen. Ich möchte folgen lassen der Erinnerung an die Ehrfurcht die Erinnerung an das energische Arbeiten an unserem Inneren. Ein Symbolum für diese Folge der Erinnerung ist es, daß uns in dieser Neujahrsnacht der volle Mond aus dem Weltenall herein­scheint. Wäre es umgekehrt gewesen, würden wir den Jahresbeginn mit dem Neumonde haben, so würde ich recht getan haben, die Erinnerun­gen in der umgekehrten Reihenfolge an Ihre Herzen heranzubringen.

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Dann hätte ich gestern das Jahr geschlossen mit der Erinnerung an die Kraft der inneren Evolution und hätte heute folgen zu lassen gehabt die Erinnerung an die Ehrfurcht.

Daß ein solches Symbolum, wie es uns erglänzt aus dem Makro­kosmos, wirklich beachtet wird, das ist dasjenige, was wiederum immer mehr und mehr als etwas Wichtiges angesehen werden soll. Und wenn wir ruhige Augenblicke in diesem Jahr haben, dann lassen wir diesen Wink auf uns wirken, lassen ihn so wirken, daß es in diesem Jahr von besonderer Bedeutung sein kann, sich zuerst einmal zu überlegen, was die Kraft der Ehrfurcht aus uns machen kann, und dann sich zu über­legen, was die Kraft der inneren Erhaltung, Bewahrung der inneren Seelenenergie aus uns machen soll.

Aus der Sternenschrift ist uns diese Reihenfolge für dieses Jahr ge­boten, und die Welt wird wiederum einsehen nach und nach, daß das Lesen in der Sternenschrift für den Menschen doch eine Bedeutung hat. So suchen wir auch in diesen Einzelheiten zu beachten das große Gesetz des menschlichen Daseins, Einklang zu erstreben zwischen dem Makro­kosmos und dem Mikrokosmos. Der Makrokosmos drückt sich ja in der Mondphase in diesen Tagen für uns auf die elementarste Weise aus, und den Einklang mit diesem Makrokosmos in unserem Mikrokosmos finden wir, wenn wir uns demgemäß verhalten in dem Ablaufe dieses Jahres, das unter so schmerzlichen Tatsachen geboren worden ist.

Wenn Sie das beachten, was wie ein Grundton durch die Ausein­andersetzungen der letzten Tage hindurchgegangen ist, so wird es Ihnen das sein, daß wir in bezug auf die gerade uns wichtigen Tatsachen, die uns wichtig geworden sind durch die geisteswissenschaftlichen Betrach­tungen, in einer Zeit des Umschwungs, gewissermaßen in einer Zeit der Hoffnung leben, in einer Zeit, wo uns Ahnungen aufgehen sollen, wie es im weiteren Verlaufe der menschlichen Kulturentwickelung auf der Erde werden soll, wie ein Umschwung stattfinden soll von einer rein materialistischen zu einer spirituellen Weltauffassung. Das aber, was hiermit angedeutet worden ist, kann nicht in einem vollen Umfange wirklich eintreten, wenn es nicht alle Gebiete des Lebens ergreift und vor allen Dingen die geistigen Gebiete des Lebens in hohem Maße erfaßt.

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Schon haben wir erkennen können aus mancherlei Andeutungen, wie das wirkliche gefühlsmäßige, nicht bloß verstandesmäßige Erfassen der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung auch einen Umschwung im künstlerischen Schaffen und im künstlerischen Genießen zur Folge haben muß, daß gleichsam einfließen können die Kräfte, die uns kommen aus der geisteswissenschaftlichen Anschauung für das künstlerische Erfassen der Welt. Haben wir ja gerade versucht, mit unserem Bau eine Art Im­puls anzudeuten für wenigstens einen kleinen Teil desjenigen, was aus geisteswissenschaftlichen Impulsen hineinfließen kann in das künstle­rische Gestalten, in das, was wir künstlerisch vor uns haben können.

Eine Zeit können wir vor uns sehen, wenn wir voll untertauchen in die Empfindungen und Gefühle, die uns hervorgehen können aus der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung, eine Zeit, wo der Weg zum Künstlertum in vieler Beziehung ein anderer werden wird, als er in der abgelaufenen Zeit war, wo er ein viel lebensvollerer sein wird, wo das, was Mittel des künstlerischen Schaffens ist, viel intensiver erlebt werden wird von der Menschenseele, als es in abgelebten Zeiten erlebt worden ist, wo Farbe und Ton viel intimer von der menschlichen Seele durchlebt werden, gewissermaßen von der menschlichen Seele moralisch-spirituell durchlebt werden können, und wo in den Schöpfungen der Künstler uns entgegentreten werden gleichsam die Spuren der Erlebnisse der Künstlerseelen im Kosmos.

Im wesentlichen war das Verhalten des künstlerisch Schaffenden und des künstlerisch Genießenden in der abgelaufenen Epoche eine Art äußeren Anschauens, ein Appellieren an das, was von außen an den Künstler herantreten kann. Das Angewiesensein auf die Natur und auf das Modell für das äußere Anschauen ist immer größer und größer geworden. Nicht soll etwa in einer einseitigen Weise hingewiesen wer­den auf ein Verlassen der Natur, auf ein Verlassen der äußeren Wirk­lichkeit in der Kunst der Zukunft. Das sei ferne. Hingewiesen soll wer­den auf ein noch intensiveres Beisammensein mit der äußeren Welt, auf ein so starkes Zusammensein, daß es sich nicht bloß erstreckt auf den äußeren Eindruck der Farbe, des Tones und der Form, sondern auch auf dasjenige, was man hinter dem Tone, hinter der Farbe, hinter den Formen erleben kann, was sich offenbart in Farbe, Ton und Form.

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In dieser Beziehung werden die Menschenseelen bedeutungsvolle Entdeckungen machen in der Zukunft. Sie werden wirklich ihr mora­lisch-spirituelles Wesen verbinden mit demjenigen, was der Sinnen­schein uns bringt. Eine unendliche Vertiefung der Menschenseele kann auf diesem Gebiete vorausgesehen werden. Nehmen wir einmal zu­nächst als Grundlage eine Einzelheit. Wir nehmen einfach den Fall, daß wir unseren Blick auf eine gleichmäßig in stark zinnobrigem Rot leuch­tende Farbenfläche richten, und wir nehmen ferner an, daß wir dazu gelangen, alles übrige, das um uns herum ist, zu vergessen, uns zu kon­zentrieren ganz auf das Erleben dieser Farbe, so daß wir diese Farbe nicht bloß als etwas vor uns haben, das auf uns wirkt, sondern so, daß wir diese Farbe als etwas haben, worin wir selber sind, daß wir eins werden mit dieser Farbe. Wir werden dann gleichsam die Empfindung haben können: Du bist jetzt in der Welt, du bist selbst in dieser Welt ganz Farbe geworden, das Innerste deines Seelenwesens ist ganz Farbe geworden, wo du auch hinkommen magst in der Welt mit deiner Seele, wirst du als roterfüllte Seele hinkommen, du wirst überall in Rot, mit Rot und aus Rot leben. - Dies aber wird man bei intensivem Seelen­leben nicht erleben können, ohne daß die entsprechende Empfindung übergeht in ein moralisches Erleben, in wirkliches moralisches Erleben.

Wenn man so gleichsam die Welt durchschwimmt als Rot, identisch geworden ist mit dem Rot, wenn einem also selbst die Seele und auch die Welt ganz rot ist, so wird man nicht umhin können, in dieser rot gewordenen Welt, mit der man selber rot ist, zu empfinden, als wenn diese ganze Welt im Rot zugleich uns durchsetzt mit der Substanz des göttlichen Zornes, der uns von allen Seiten entgegcnstrahlt für alles dasjenige, was an Möglichkeiten des Bösen und der Sünde in uns ist. Wir werden uns gleichsam in dem unendlichen roten Raum wie in einem Strafgerichte Gottes empfinden können, und unser moralisches Empfin­den wird wie eine moralische Empfindung unserer Seele im ganzen unendlichen Raum sein können. Und wenn dann die Reaktion kommt, wenn irgend etwas auftaucht in unserer Seele, wenn wir uns also im unendlichen Rot erleben, ich könnte auch sagen, im einzigen Rot erleben, so kann es nur so sein, daß man es bezeichnen möchte mit dem Worte: Man lernt beten. Wenn man im Rot erleben kann das Erstrahlen und

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Erglühen des göttlichen Zornes mit allem, was an Möglichkeiten des Bösen in der menschlichen Seele liegen kann, und wenn man im Rot erfahren kann, wie man beten lernt, dann ist das Erleben mit dem Rot unendlich vertieft. Dann können wir auch verspüren, wie sich das Rot formend in die Räumlichkeit hineinstellen kann.

Wir können es dann begreifen, wie wir erleben können ein Wesen, das von sich Gutes ausstrahlt, das erfüllt ist mit göttlicher Güte und göttlicher Barmherzigkeit, ein Wesen, das wir hineinempfinden wollen in den Raum. Dann werden wir die Notwendigkeit fühlen, dieses Hin­einempfinden in den Raum der göttlichen Barmherzigkeit, der gött­lichen Güte, zur Form aus der Farbe heraus sich gestalten zu lassen. Wir werden das Bedürfnis empfinden, abwehren zu lassen die Räumlichkeit, so daß die Güte, die Barmherzigkeit ausstrahlt. Bevor sie da war, war es so zusammengezogen, ganz konzentriert im Mittelpunkt, und jetzt stellt sie sich hinein, diese Güte und Barmherzigkeit, in den Raum, und wie Wolken auseinandergetrieben werden, so treibt sie das zurück, treibt es auseinander, so daß es vor der Barmherzigkeit weicht und wir das Gefühl bekommen: das mußt du verlaufend rot machen. Und dann werden wir das Gefühl bekommen: Hier in der Mitte werden wir eine Art Rosaviolett schwach andeuten müssen als hineinstrahlend in das auseinanderstiebende Rot [siehe Zeichnung].

Wir werden dann mit unserer ganzen Seele bei einem solchen Sich-Formen der Farbe dabei sein. Wir werden mit unserer ganzen Seele etwas nachempfinden, was die Wesen empfunden haben, die insbeson­dere zu unserem Erdenwerden gehören, die, als sie zu dem Elohimdasein aufgestiegen waren, gelernt haben, aus den Farben heraus die Formenwelt zu gestalten. Wir werden lernen, etwas zu empfinden von dem Schöpferischen der Geister der Form, die uns als Geister die Elohim sind, und wir werden dann begreifen, wie die Formen der Farbe Werk sein können, was angedeutet worden ist in unserem ersten Mysterium. Wir werden auch etwas begreifen davon, wie gleichsam die Fläche der Farbe für uns etwas wird, was überwunden werden muß, weil wir mit der Farbe in das Weltenall gehen. Wenn das bei einer starken Wunsch­entwickelung auftritt, dann kann eine solche Empfindung entstehen, wie diejenige ist, die in Stradcr lebt in dem Augenblicke, wo er das

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Ebenbild des Capesius sieht und sagt: «Die Leinwand, ich möchte sie durchstoßen.»

Wenn Sie ein solches Mysterienspiel nehmen, dann werden Sie ja sehen, wie in diesen Mysterienspielen versucht worden ist, wirklich so etwas künstlerisch hinzustellen, wie es sich vor uns hinstellt, wenn unsere Seele versucht, sich aufnehmen zu lassen von den kosmischen Kräften, wenn sie mitfühlt mit den Geistern des Kosmos. Das war wirklich der Anfang aller Kunst. Dann aber mußte die materialistische Zeit kommen und diese mit ihrer göttlichen Nuancierung auftretende alte Kunst, bei der das Geistige als Innerliches durch die Materie sich offenbart, mußte sich verwandeln in die sekundäre, materialistische Afterkunst, die im wesentlichen die Kunst der materialistischen Zeit ist, jene Kunst, welche nicht schaffen, sondern nur nachschaffen kann. Es ist das Zeichen alles Sekundär-Künstlerischen, alles Afterkünst­lerischen, daß es nur nachschaffen kann, daß es Vorwürfe braucht zum Nachschaffen, und daß es nicht primär zugleich mit dem Stoffe die Form erzeugt.

Nehmen wir ein anderes. Nehmen wir an, wir machten dasselbe, was wir hier mit der roten Fläche gemacht haben, mit einer mehr orange­farbenen

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Fläche. Wir werden da ganz andere Erfahrungen machen mit der orangefarbenen Fläche. Wenn wir uns in sie versenken und eins werden mit derselben, so werden wir nicht jene Empfindungen haben können von einem Entgegensteuern dem göttlichen Zorn, sondern wir werden das Gefühl haben, daß das, was uns da entgegensteuert, höch­stens nur noch im schwachen Maße das Seriöse des Zornes hat, daß es aber etwas ist, was sich uns mitteilen will, was uns nicht bloß strafen will, sondern was uns mit innerer Kraft ausrüsten will.

Indem wir hineingehen in die Welt und eins geworden sind mit der Orangefläche, bewegen wir uns so, daß wir mit jedem Schritt, den wir weiterkommen, fühlen: Durch diese Empfindung im Orange, durch die­ses Leben in den Orangekräften werden wir uns so in die Welt hineinkraften, daß wir stärker und stärker werden, daß uns nicht bloß das Strafgericht zerschellt, sondern daß das, was da aus dem Orange an uns herankommt, nicht bloß strafend kommt, sondern ein Stärkendes ist. So leben wir uns mit dem Orange hinein in die Welt. Wir lernen dann die Sehnsucht, das Innere der Dinge zu ergreifen und es mit uns selber zu vereinigen. Wir lernen durch das Leben im Rot beten. Wir lernen durch das Leben im Orange die Erkenntnis, die Sehnsucht nach der Erkenntnis des inneren Wesens der Dinge.

Wenn es eine gelbe Fläche ist, und wir machen dasselbe, dann fühlen wir uns in diesem Erleben des Gelben wie, ich möchte sagen, an den Anfang unseres Zeitenzyklus versetzt. Wir fühlen: Jetzt lebst du in den Kräften, aus denen du geschaffen worden bist, als du deine erste Erdeninkarnation antratest. - Das, was man ist durch das ganze Erden­dasein hindurch, fühlt man verwandt mit dem, was einem entgegen­kommt aus der Welt, in die man selber das mit einem identisch gewor­dene Gelb trägt.

Und identifiziert man sich mit Grün und geht mit dem Grün durch die Welt, was man dadurch besonders leicht haben kann, daß man ver­sucht, die Augen über eine grüne Wiese schweifen zu lassen, den Blick über dieselbe auszubreiten, und versucht nun, von allem übrigen ab­zusehen, sich ganz zu konzentrieren auf die grüne Wiese, unterzutau­chen in die grüne Wiese, das Grün als die Oberfläche eines Farbenmeeres zu betrachten und dann unterzutauchen in das Grün: wenn man so

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versucht zu leben in der Welt, dann erlebt man ein innerliches Kräf­tigerwerden in dem, was man in der einen Inkarnation ist. Man erlebt ein innerliches Gesundwerden, aber zu gleicher Zeit auch ein innerliches Egoistischerwerden, ein Angeregtsein der egoistischen Kräfte im eigenen Inneren.

Würde man dasselbe mit einer blauen Fläche machen, so würde man durch die Welt gehen, indem man das Bedürfnis empfindet, mit dem Blau immer weiter und weiter fortzuschreiten, den Egoismus in sich zu überwinden, gleichsam makrokosmisch zu werden, Hingabe zu ent­wickeln. Und man würde sich beglückt finden, wenn man in dieser Vorstellung bleiben könnte durch das einem Entgegenkommen der gött­lichen Barmherzigkeit. Wie begnadet von göttlicher Barmherzigkeit würde man sich fühlen, wenn man also durch die Welt geht.

So lernt man erkennen die innere Natur des Farbigen. Und wie ge­sagt, eine Zeit können wir vorausahnen, wo die Vorbereitung, die der Maler als Künstler durchmachen wird, ein solches moralisches Erleben in der Farbe bedeuten wird, wo viel innerlicher, viel intimer, als es jemals in alten Zeiten der Fall gewesen ist, das Erleben sein wird, das vorbereitet zum künstlerischen Schaffen. Denn das sind nur einzelne Andeutungen, die ich hier gebe, die noch weiter ausgebildet werden in der Zukunft. Sie werden mit einem kolossalen Sinn für das künstlerische Schaffen die Seele des Menschen ergreifen und lebendig machen können, während das sich Hereinbewegen der materialistischen Kulturentwicke­lung in unser modernes Zeitalter hinein die Seele ausgedörrt hat, passiv gemacht hat. Durch innere Kraft müssen die Seelen wiederum angeregt werden, erfaßt werden müssen sie von den inneren Kräften der Dinge. Dieses spezifische Beispiel, das ich gebraucht habe, sind die Farben, die in der Welt fluten.

In einer ganz ähnlichen Weise wird die Vertiefung und Belebung des menschlichen Seelenlebens durch die Tonwelt eintreten. Das We­sentliche der abgelaufenen Periode in bezug auf diesen Punkt ist ja, daß der Mensch einen Ton als solchen erlebt, und dann das Verhältnis von einem Ton zu einem anderen. In der Zukunft wird der Mensch mit seinem Erleben hinter den Ton gehen können. Er wird gleichsam den Ton wie ein Fenster betrachten, durch das er in die geistige Welt hineintritt,

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und dann wird es nicht von jenem unbestimmten Fühlen abhän­gen, wie Ton an Ton sich setzt, zu Melodien zum Beispiel, sondern hinter den einzelnen Tönen wird die Seele wiederum moralisch-spiri­tuell erleben durch den Ton hindurch. Wie durch ein Fenster wird die Seele in die spirituelle Welt eindringen. Die Geheimnisse des einzelnen Tones werden sich in diesem Erleben des einzelnen Tones hinter dem Ton enthüllen.

Wir sind noch weit entfernt von diesem Gefühle, daß wir durch jeden Ton wie durch ein Fenster aus der sinnlichen Welt in die spiri­tuelle Welt hineinsteigen können. Aber dies wird kommen. Wir werden den Ton empfinden wie eine Öffnung, welche die Götter gemacht haben aus der jenseits von uns liegenden spirituellen Welt in diese physisch­sinnliche Welt hinein, und wir werden hineinsteigen durch den Ton aus der physisch-sinnlichen Welt in die spirituelle Welt. Wir werden zum Beispiel durch eine Prim, die wir absolut empfinden, nicht etwa in An­lehnung an frühere Töne der Tonskala, erfühlen, wie wir hineinsteigen aus der Sinnenwelt in die spirituelle Welt, und zwar auf eine gefahr­volle Weise. Die Gefahr liegt darinnen, daß dieses Hineinsteigen uns droht ganz gefangenzunehmen, daß uns die Prim wie mit furchtbarer Saugekraft durch das Fenster des Tones holen will, uns ganz verschwin­den lassen will in der spirituellen Welt. Wir werden empfinden, wenn wir also die Prim als eine Absolute empfinden, daß wir spirituell noch zu schwach sind in der physisch-sinnlichen Welt und daß wir aufgesogen werden von der spirituellen Welt, wenn wir durch dieses Fenster ge­stiegen sind. Das wird die moralische Empfindung sein, die wir haben können beim Aufsteigen in die spirituelle Welt durch die Prim. Aber das charakterisiere ich jetzt nur so einfach, das wird eine ganz differen­zierte, unendlich mannigfaltige Einzelheiten in sich enthaltende Emp­findung sein, die wir da erleben.

Wenn wir dann durch die Sekund wie durch ein Fenster hineinstei­gen aus der physischen Welt in die spirituelle Welt, werden wir emp­finden so, wie wenn es drüben in der geistig-spirituellen Welt Mächte gäbe, die sich gleichsam unserer Schwachheit erbarmen, die sagen: Nun ja, du warst schwach in dieser physisch-sinnlichen Welt! Wenn du nur durch die Prim hineinsteigst in die geistige Welt, so muß ich dich auf­lösen,

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muß dich aufsaugen, muß dich zersplittern oder zerschellen. Wenn du aber durch die Sekund hereinsteigst, will ich dir etwas ent­gegenbringen aus der geistigen Welt und dich erinnern an etwas, was auch drüben ist. - Das Eigentümliche ist, wenn wir durch die Sekund aus der physischen in die spirituelle Welt hineinsteigen, als ob eine Summe von Tönen, eine Anzahl von Tönen uns entgegentönte, die ei­nen in Empfang nehmen. In eine völlig stumme Welt tritt man ein, wenn man durch die absolute Prim eintritt in die spirituelle Welt. In eine Welt, in der, wenn man so hinhört, leise verschieden hohe Töne er­klingen, die einen trösten wollen über die Schwachheit, kommt man, wenn man durch die Sekund eindringt. So aber muß man eindringen, wie man natürlich nicht eindringen darf durch ein Fenster in ein physisch-sinnliches Haus, denn da würde einen der Eigentümer son­derbar anschauen, wenn man durch das Fenster einträte und das ganze Fenster mitnähme. In der geistigen Welt muß man das aber tun, muß die Töne mitnehmen und, mit ihnen identifiziert, ganz drüben leben in dem Jenseits des Häutchens, das uns von der physisch-sinnlichen Welt trennt, in dem eben die Fenster vorzustellen sind, welche die Töne sind.

Wenn man durch die Terz in die geistige Welt eingeht, so wird man das Gefühl einer starken, einer stärkeren Schwäche noch haben. Wenn man so die spirituelle Welt betritt, wird man fühlen, daß man eigent­lich recht schwach war in der physisch-sinnlichen Welt in bezug auf deren spirituellen Inhalt. Aber man wird in bezug auf die Terz - man ist ja Ton geworden, man ist jetzt selber Terz geworden - fühlen, daß da drüben Freunde sind, die nicht selber Terzen sind, die aber heran­kommen, je nachdem man in der physisch-sinnlichen Welt beschaffen war. Während es bei dem Eindringen durch die Sekunde wie ein leises Erklingen vieler Töne ist, in denen man so im allgemeinen lebt, wenn man durch sie eindringt, werden einem durch die Terz entgegenkom­men gleichsam befreundete Töne. Diejenigen, die Komponisten werden wollen, werden insbesondere durch die Terz eindringen müssen, denn da werden sich ergeben die Tonfolgen, Tonkompositionen, welche an­regen werden ihr künstlerisches Schaffen. Nicht immer dieselben Ton­freunde werden einem entgegenkommen, sondern ihre Art wird davon abhängen, wie man in der Stimmung, im Erleben, im Temperamente,

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kurz in der ganzen Verfassung des Lebens war, wenn man also durch die Terz in das geistige Leben eintritt: eine unendliche Mannigfaltig­keit der Tonwelt wird sich da ergeben.

Dringt man durch die Quart in die geistige Welt ein, dann wird man eine merkwürdige Erfahrung machen: die Erfahrung, daß jetzt aller­dings von keiner Seite andere Töne auftauchen, daß aber dasjenige, was schon aufgetaucht ist, was man durch die Erfahrungen mit der Terz durchgemacht hat, in leicht kommenden Erinnerungen in der Seele lebt. Und man wird finden, indem man so weiterlebt mit seinen Tonerin­nerungen, wenn man eingedrungen ist durch die Quart in die spirituelle Welt, daß diese Tonerinnerungen immer andere Färbungen annehmen, daß sie bald sich entwickeln zu hellster Helligkeit und Heiterkeit, bald sich herabstimmen zur äußersten Traurigkeit, bald sonnig hell, bald traurig untertauchend bis zur Grabesruhe. Das Temperieren der Stimme, das Hinauf- und Hinuntergehen des Tones, kurz, der Verlauf in der Stimmung eines Tonwerkes wird sich ergeben durch diesen Weg, durch diese Tonerinnerungen.

Die Quint wird mehr subjektive Erfahrungen und Erlebnisse er­geben, sie wird anregend, bereichernd auf das seelische Erleben wirken. Sie wird gleichsam wie ein Zauberstab wirken, der die Geheimnisse der Tonwelt drüben aus unergründlichen Tiefen hervorzaubert.

Solche Erlebnisse wird man haben, wenn man mit den Dingen, mit den Erscheinungen der Welt nicht bloß so verkehrt, daß man sie an­schaut, anhört, sondern so, daß man sie innerlich erlebt. Durch diese Art des Erlebens, namentlich an Farben und Tönen, aber auch an den Formen, kurz, an dem Künstlerischen muß der Weg gefunden werden, den die Menschheit gehen muß, um überhaupt aus dem bloß äußerlichen Sich-Verhalten zu den Dingen und ihrem Verlaufe - was das Kenn­zeichen eines materialistischen Zeitalters ist - herauszukommen und in die innerlichen Tiefen der Dinge, in ihre Geheimnisse zu dringen.

Dann wird über den Menschen kommen ein Bewußtsein, ein unge­heuer bedeutungsvolles Bewußtsein von seinem Zusammenhang mit den für das materialistische Bewußtsein unterbewußten göttlich-geistigen Kräften, die ihn führen und leiten durch die Welt. Und dann wird vor allen Dingen so etwas auftreten wie ein innerliches Erleben

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jener Kräfte, die zum Beispiel den Menschen hinüberleiten von einer Inkarnation zur anderen.

Wenn wir eine Lokomotive nicht heizen, so kann sie nicht einen Eisenbahnzug vorwärtsziehen. Die Kräfte müssen fortwährend an­geregt werden, die das Geschehen in der Welt herbeiführen. So müssen auch die Kräfte angeregt werden, welche den Menschen vorwärtstrei­ben. Und es geschieht das auch. Aber lernen muß der Mensch, sich in Verbindung zu wissen mit diesen Kräften.

Ich konnte einmal folgende bemerkenswerte Erfahrung machen. Es war ein Rechtsgelehrter, ein Advokat, der ganz berühmt war, an dem Orte, wo ich eine Zeitlang lebte; ein außerordentlich berühmter Ad­vokat, dem die Leute förmlich zugelaufen sind und von dem sie die Meinung hatten, daß er die schwierigsten Prozesse gewinnen müsse. Es war das auch in vielen Fällen geschehen. Seine advokatorische Dialek­tik war eine außerordentlich große, und die Leute, die ihn kannten, hatten die größte Verehrung für diese advokatorische Dialektik. Da wurde ihm einmal ein schwieriger Prozeß eines reichen Mannes über­geben. Es hing das Verhängtwerden einer großen Strafe von dem Aus­gang des Prozesses für diesen reichen Mann im Verurteilungsfalle ab. Der Advokat bot die alleräußerste Dialektik, die wunderbarste Advo­katengeschicklichkeit auf. Er hielt eine lange Rede, und das Auditorium hatte durchaus den Eindruck, wenn die Geschworenen - es handelte sich um ein Geschworenengericht - jetzt den Angeklagten nicht freisprechen, dann weiß man eigentlich gar nicht mehr, was advokatorische Kunst noch entwickeln könnte. Alle diejenigen, welche das gehört hatten, was an ungeheuerlicher Geschicklichkeit von dem Advokaten geleistet wor­den war, hatten durchaus den Eindruck, die Geschworenen würden sich jetzt zurückziehen und den Angeklagten freisprechen.

Nun war aber bei dem Gerichte nicht nur ein geschickter Rechts­anwalt, sondern auch ein geschickter Vorsitzender des Gerichtshofes, und obgleich die Stunde noch nicht so weit vorgerückt war, daß das Urteil nicht mehr hätte gefällt werden können, so sagte der Vorsitzende doch: Wir wollen heute die Sitzung abbrechen und sie morgen fort­setzen. - Am nächsten Tag, vormittags, sollte also die Sitzung der Geschworenen sein und dadurch hatten die Geschworenen über Nacht

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Zeit, die Sache noch einmal durchzudenken. Der nächste Tag kam. Dieses «Verschleppen über Nacht», wie er es nannte, war dem Advo­katen schon recht unangenehm gewesen. Die Sitzung begann, die Geschworenen zogen sich zurück, alles wartete in größter Spannung auf ihr Wiedererscheinen, in allergrößter Spannung aber war der betreffende Advokat. Nach einer Viertelstunde schon kamen die Geschworenen zurück, und als der Advokat die Geschworenen nach so kurzer Zeit aus dem Beratungszimmer zurückkehren hörte, fiel er in Ohnmacht. Ja, er fiel in Ohnmacht. Er erholte sich wieder, wurde gestützt von einem seiner Freunde. Der Angeklagte war wirklich verurteilt worden. Aber das erfuhr der Advokat erst, nachdem er sich von der Ohnmacht wieder erholt hatte.

Was konnte man nun sagen, wenn man den Verlauf der Tatsachen äußerlich betrachtete, nach dem, was sich der menschlichen Anschauung darbot? Man konnte sagen: Der Advokat ist ein sehr ehrgeiziger Mann, denn ihm lag so viel an dem Gewinnen dieses Prozesses, daß er vor der Urteilsverkündung das Bewußtsein verlor. Als er sah, daß die Ge­schworenen nur so lange sich beraten hatten, war es für ihn sicher, daß der Angeklagte verurteilt würde, denn hätten sie ihn freigesprochen, so würden sie natürlich viel längere Zeit gebraucht haben.

So war aber die Sache nicht, so hätte sie sich nur für die äußere An­schauung darstellen können. Es lag gleichsam eine andere Schicht von Ereignissen hinter dem, was ich jetzt erzählt habe. Diese andere Schicht oder Geschichte ist diese: Der betreffende Advokat war erfaßt wor­den - ich kannte ihn ja gut - in einer Zeit, die vor diesem Prozesse lag, von dem. was man nennen kann den Spielteufel. Er nahm die Gelder, die ihm als Depot anvertraut waren, und spielte damit an der Börse. Es war eine reine Leidenschaft für ihn, und er war kurz vor dem Be­ginne dieses Prozesses so weit, daß er große Geldbeträge, die ihm an­vertraut gewesen, verspielt hatte. Versprochen aber war ihm, daß er, wenn er den Prozeß gewinnt, so viel bekommen würde, daß er unge­fähr die Differenz ausgleichen konnte.

Er fiel also nicht in Ohnmacht aus bloß gekränktem Ehrgeiz, sondern er fiel in Ohnmacht, als nach einer Viertelstunde die Geschworenen mit einem Schuldurteil herauskamen, weil tatsächlich seine Existenz ver­nichtet

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war. Denn nun konnte er niemals mehr daran denken, dasjenige, was er an Depotgeldern verspielt hatte, wieder zu ersetzen. Seine ganze Existenz hing also an dem Ausgange dieses Prozesses. Er fiel in Ohn­macht als symbolische Andeutung dafür, daß er jetzt für diese Inkarna­tion überhaupt vernichtet war. Er mußte dann nach Amerika fliehen und hat ein nicht sehr beneidenswertes Dasein für den Rest seiner In­karnation in Amerika durchzumachen gehabt.

Wir sehen an einem solchen Falle das Folgende. Wir sehen, daß sehr häufig im Leben das Urteil fehlgeht, denn es hätte ganz gut Menschen geben können, die niemals etwas erfahren hätten von dem, was hinter dem Prozesse spielte. Wenn diese nur den dialektisch so geschulten Advokaten bei dem Prozesse gehört und gesehen hätten, wie er in Ohn­macht fiel, so hätten sie sehr wohl urteilen können: Es gibt Leute, die so ehrgeizig sind, daß sie bei einer verfehlten Rede das Bewußtsein verlieren. - Bei diesem Urteil hätte man bleiben können.

Um hier richtig urteilen zu können, mußte man also noch eine Schicht mehr der Tatsachen wissen. Für viele Dinge muß man sogar viele Schichten mehr wissen, denn sonst kann man Recht haben in bezug auf die eine Schicht, die man übersieht, und dennoch ein falsches Urteil fällen. Das ist das Äußerliche. Aber die Sache hat noch einen weiteren Hintergrund. Der Mann mußte doch auch einen Weg finden von dieser Inkarnation in die nächste hinein. Und so haben wir hier ein Beispiel, wie die weise Weltenlenkung gleichsam die Kräfte in die Seele hinein­versetzt, die notwendig sind, um die Seele von der einen Inkarnation in die nächste hinüberzuleiten. Der Mann war in einen solchen Lebens­konflikt gekommen, daß ihm dieser Lebenskonflikt die Existenzmög­lichkeit verzehrt hatte. Es war eine furchtbare Lage geschaffen; es war damit die Lage geschaffen, daß keine Kräfte mehr vorhanden waren, die ihn hinüberbringen konnten in die nächste Inkarnation. Es war aber auch die Lage geschaffen, daß in sein Bewußtsein solche Kräfte nicht gebracht werden konnten. Da mußte denn der Fall eintreten, daß das Bewußtsein kurz ausgelöscht wurde. Und in der Zeit, wo das Bewußtsein in der Menschenseele für kurze Zeit ausgelöscht wird, kann das Mannigfaltigste von äußerer Spiritualität in die Menschenseele hin­eindringen. In diesem Momente drangen also Kräfte in ihn hinein, die

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geeignet sind, ihm wiederum den Impuls, den Antrieb für den Über­gang in die nächste Inkarnation zu geben. Natürlich geschieht das Geben des Antriebes, des Impulses in der verschiedenartigsten Weise. Das was ich geschildert habe, war so ein besonderer Fall.

Diese Antriebe sind immer da. Aber ich wollte Ihnen damit nur zeigen, wie des Menschen bewußtes Leben an einen unbewußten Ver­lauf geknüpft ist, und wie es wirklich im bewußten Verlaufe Punkte gibt, wo das Bewußtsein zerpreßt wird, damit aus dem Unbewußten etwas hereinkommen kann. Diese unbewußten Augenblicke brauchen manchmal nicht lang zu sein, es können kurze, ohnmachtähnliche Zu­stände sein. Dennoch kann ungeheuer vieles in solchen Momenten an spi­rituell-vitalen Kräften in die menschliche Natur hineinstrahlen, sowohl an guten, als auch an bösen Kräften, die zu dem oder jenem fähig sind.

Dieses letztere Beispiel und dasjenige, was ich darin ausführen will, führte ich an aus dem Grunde, um zu zeigen, wie in der Weltbetrach­tung die Menschheit versuchen muß, Zusammenhänge zu beachten, die für eine materialistische Welterfassung bedeutungslos sind.

Man wird dahin kommen, die Lebenszusammenhänge allmählich so zu durchschauen, daß man die Augenblicke erkennt, in denen das Spiri­tuelle an jeden Menschen herantritt. Man wird in Zukunft die Welt nicht mehr so eindeutig darstellen, wie man es jetzt macht, indem man sie aus den materiellen Ursachen erklärt, sondern man wird sie in Zu­kunft so darstellen, daß man das Materielle an den richtigen Ort stellen wird, gleichzeitig aber auch erkennen wird, daß noch mehr da ist als die bloße materielle Erscheinung, und daß durch die materielle Erschei­nung durchblickt das Spirituelle.

Haben wir in den Farben und Tönen Fenster gesehen, durch die wir hindurchsteigen, geistig, in die spirituelle Welt hinein, so bringt uns das Leben wiederum Fenster, durch weldie die geistige Welt in unsere physische Welt hineintritt. Die Ohnmacht des Advokaten war ein solches Fenster. Deuten wir richtig dieses Ereignis, so müssen wir sagen: Es strömt durch dieses Fenster spirituelles Leben zu uns herein. Wir sehen, hier spielen Kräfte in uns hinein, die wir nicht bloß sinnlich deuten können. Es gibt also Fenster in den Tönen, durch die wir aus der physisch-sinnlichen Welt in die spirituelle Welt hineinsteigen. Und

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es gibt wieder Fenster, durch die, wenn wir stehenbleiben in der phy­sisch-sinnlichen Welt, das Spirituelle zu uns hineinsteigt.

Merken wir das nicht, daß das Spirituelle durch solche Fenster zu uns hineinsteigt, ja, dann ist es so, wie wenn ein Mensch, der nicht lesen kann, ein schönes Buch aufschlägt. Er hat dasselbe vor sich wie einer, der lesen kann, aber wer nicht lesen kann, der sieht da ein Krickselkracksel auf dem weißen Papier, das er nicht deuten kann, er kann es höchstens beschreiben. Nur derjenige, welcher lesen kann, ist in der Lage, in diesem Buche vielleicht ein Schicksal oder eine Weisheit zu verfolgen, die hineingelegt worden sind in diese sonderbaren Zeichen. Derjenige, der die Welterscheinungen nicht lesen kann, steht eben wie ein Analphabet des Kosmos vor den Erscheinungen. Der aber, der lesen kann, liest den Verlauf der geistigen Welt aus diesen Dingen. Das für die jetzige materialistische Zeit Charakteristische ist, daß die Menschen durch den Materialismus dem Kosmos gegenüber Analphabeten sind, und zwar nahezu hundertprozentige. In einer Zeit, wo man so stolz darauf ist, daß man die Prozente der Analphabeten in den Kulturlän­dern so sehr vermindert hat, steuert man mit Begeisterung dem An­alphabetismus in kosmischer Beziehung entgegen.

Diesen kosmischen Analphabetismus aufzuheben, ist die Aufgabe der Geisteswissenschaft. Jetzt gibt es wenige Menschen, die Analphabeten sind im gewöhnlichen Sinne. Die Menschen waren in den Zeiten des alten Hellsehens viel weniger Analphabeten des Geistes. Aber das soll uns alles nicht stolz machen. Wahr ist es, wenn wir unsere Aufgabe in der geisteswissenschaftlichen Strömung ahnen, daß wir aus Analpha­beten Lesende des Kosmos werden sollen. Aber wir sollen die Demut dabei nicht verlieren, denn so wie die Zeit heute ist, sind wir noch sehr stark in der Notwendigkeit der Elementarschule. Wir kommen kaum schon zu einem wirklichen Lesen, sondern nur zu einer Art von Buch­stabieren. Aber wir können doch ergriffen sein von dem Umwandlungs­impuls, der dadurch für die Menschheitsentwickelung hereinbricht. Und wenn wir davon ergriffen werden, dann stellen wir uns in der richtigen Weise zu dem, was sozusagen die Zeichen der Zeit von uns fordern, stellen uns als richtige Glieder der geisteswissenschaftlichen Weltanschauungsströmung in diese hinein.

LICHT UND FINSTERNIS ALS ZWEI WELT-ENTITÄTEN Dornach, 5. Dezember 1920

LICHT UND FINSTERNIS

ALS ZWEI WELT-ENTITÄTEN


Dornach, 5. Dezember 1920


Aus den gestrigen Darlegungen wird Ihnen hervorgegangen sein, daß man die Welt einseitig betrachtet, wenn man sie so betrachtet, wie das in besonders hervorragender Weise bei Hegel zum Vorschein kommt, wenn man sie so betrachtet, als ob sie durchzogen wäre von dem, was man den kosmischen Gedanken nennen kann. Ebenso einseitig betrach­tet man die Welt, wenn man das Grundgefüge willensartiger Natur denkt. Es ist das die Idee Schopenhauers, die Welt willensartiger Natur zu denken. Wir haben gesehen, daß auch diese besondere Neigung, möchte ich sagen, die Welt anzusehen, sie als Gedankenwirkung anzusehen, hinweist auf die westliche Menschennatur, die mehr nach der Gedan­kenseite hin tendiert. Wir haben ja nachweisen können, wie Hegels Gedankenphilosophie eine andere Gestalt in den westlichen Weltan­schauungen hat, und wie in Schopenhauers Empfindungen die Neigung lebt, die eigentlich den Menschen des Orients eigen ist, was sich ja darin zeigt, daß Schopenhauer die besondere Vorliebe für den Buddhismus, überhaupt für orientalische Weltanschauung hat.

Nun ist im Grunde genommen jede solche Betrachtungsweise nur zu beurteilen, wenn man sie von jenem Gesichtspunkte aus überschauen kann, den die Geisteswissenschaft gibt. Von diesem Gesichtspunkte aus erscheint allerdings eine solche Zusammenfassung der Welt unter dem Gesichtspunkte des Gedankens oder unter dem Gesichtspunkte des Willens als etwas Abstraktes, und es ist ja insbesondere die neuere Zeit der Menschheitsentwickelung, die, wie wir öfter betont haben, noch zu solchen Abstraktionen neigt. Geisteswissenschaft muß die Menschheit wiederum zurückbringen zu einem konkreten Auffassen, zu einem wirklichkeitsgemäßen Auffassen der Welt. Aber gerade einem solchen wirklichkeitsgemäßen Auffassen der Welt werden die inneren Gründe erscheinen können, warum solche Einseitigkeiten Platz greifen. Das, was solche Menschen sehen, wie Hegel, Schopenhauer, die ja immerhin große, bedeutende, geniale Geister sind, das ist natürlich durchaus in der Welt vorhanden; es muß nur in der richtigen Weise angeschaut werden.

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Wir wollen uns heute zunächst einmal klar werden darüber, daß wir in uns als Menschen den Gedanken erleben. Wenn also der Mensch von seinem Gedankenerlebnis spricht, so hat er dieses Gedankenerlebnis unmittelbar. Er könnte dieses Gedankener­lebnis natürlich nicht haben, wenn nicht die Welt von Gedanken durchsetzt wäre. Denn wie sollte der Mensch, indem er die Welt sinnlich wahrnimmt, aus seinem sinn­lichen Wahrnehmen heraus den Gedanken gewinnen, wenn der Ge­danke nicht in der Welt als solcher vorhanden wäre.

Nun ist aber, wie wir ja aus anderen Betrachtungen wissen, die mensch­liche Hauptesorganisation so gebaut, daß sie eben besonders fähig ist, den Gedanken hereinzunehmen aus der Welt. Sie ist aus den Gedanken heraus geformt, aus den Gedanken heraus gebildet. Die menschliche Hauptesorganisation aber weist uns ja zu gleicher Zeit nach dem vori­gen Erdenleben hin. Wir wissen, daß das menschliche Haupt eigentlich das metamorphosische Ergebnis der vorigen Erdenleben ist, während die menschliche Gliedmaßenorganisation auf die künftigen Erdenleben hinweist. Grob gesprochen: Unseren Kopf haben wir dadurch, daß unsere Gliedmaßen aus dem vorhergehenden Erdenleben sich zum Kopf metamorphosiert haben. Unsere Gliedmaßen, wie wir sie jetzt an uns tragen, mit alledem, was zu ihnen gehört, werden sich metamorphosieren zu dem Haupte, das wir in dem nächsten Erdenleben an uns tragen werden. In unserem Haupte arbeiten ja gegenwärtig, vorzugs­weise in dem Leben zwischen Geburt und Tod, die Gedanken. Diese Gedanken sind, wie wir auch gesehen haben, zugleich die Umgestaltung, die Metamorphose desjenigen, was in unseren Gliedmaßen in dem vorigen Erdenleben als Wille wirkte. Und dasjenige wiederum, was als Wille wirkt in unseren gegenwärtigen Gliedmaßen, das wird zum Gedanken umgebildet sein in dem nächsten Erdenleben.

Wenn Sie das überschauen, können Sie sich sagen: Der Gedanke, er erscheint eigentlich als dasjenige, was in der Menschheitsevolution fort­dauernd als Metamorphose aus dem Willen hervorgeht. Der Wille er­scheint eigentlich als dasjenige, was gewissermaßen der Keim des Ge­dankens ist. - So daß wir sagen können: Es entwickelt sich der Wille allmählich in den Gedanken hinein. Was zuerst Wille ist, wird später Gedanke. Wenn wir Menschen uns betrachten, so müssen wir, wenn

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wir uns als Hauptesmenschen ansehen, zurückblicken auf unsere Vor­zeit, indem wir in dieser Vorzeit den Willenscharakter hatten. Wenn wir nach der Zukunft schauen, müssen wir uns gegenwärtig den Wil­lenscharakter in unseren Gliedmaßen zuschreiben und müssen sagen: Das wird in der Zukunft dasjenige, was in unserem Haupte ausgebildet wird, der Gedankenmensch. Aber wir tragen fortwährend diese beiden in uns. Wir sind gewissermaßen bewirkt aus dem Weltenall dadurch, daß sich in uns der Gedanke aus der Vorzeit mit dem Willen, der in die Zukunft hinein will, zusammenorganisiert.

Nun wird das, was so den Menschen gewissermaßen aus dem Zu­sammenfluß von Gedanke und Wille organisiert, deren Ausdruck dann die äußere Organisation ist, das, was den Menschen gewissermaßen so durchorganisiert, besonders anschaulich, wenn man es vom Standpunkte geisteswissenschaft­licher Forschung betrachtet.

Derjenige, der sich hinaufentwickeln kann zu den Erkenntnissen der Imagination, der Inspiration, der Intuition, der sieht ja am Menschen nicht bloß den äußerlich sichtbaren Kopf, sondern er sieht objektiv dasjenige, was durch das Haupt Gedankenmensch ist. Er sieht gewisser­maßen auf die Gedanken hin. So daß wir sagen können: Mit denjenigen Fähigkeiten, die dem Menschen als die zunächst normalen zukommen zwischen Geburt und Tod, zeigt sich das Haupt in der Konfiguration, in der es eben einmal da ist. Durch die entwickelte Erkenntnis in Ima­gination, Inspiration, Intuition wird auch das Gedanklich-Kraflliche, was ja der Hauptesorganisation zugrunde liegt, was von den früheren Inkarnationen herüberkommt, sichtbar, wenn wir uns dieses Aus­druckes in übertragenem Sinne bedienen. Wie wird es sichtbar? So, daß wir für dieses Sichtbarwerden, für dieses selbstverständlich geistig­seelische Sichtbarwerden nur den Ausdruck brauchen können: es wird wie leuchtend.

Gewiß, wenn die Menschen, die durchaus auf dem Gesichtspunkte des Materialismus stehenbleiben wollen, solche Sachen kritisieren, dann sieht man sogleich, wie stark der gegenwärtigen Menschheit die Emp­findungsfähigkeit fehlt, um aufzufassen, was mit solchen Dingen eigent­lich gemeint ist. Ich habe deutlich genug in meiner «Theosophie» und in anderen Schriften darauf hingewiesen, daß es sich darum handelt,

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daß natürlich nicht eine neue physische Welt, gewissermaßen eine neue Auflage der physischen Welt erscheint, wenn in Imagination, Inspira­tion, Intuition hingeschaut wird auf das, was der Gedankenmensch ist. Aber dieses Erlebnis ist eben durchaus dasselbe, was man der physischen Außenwelt gegenüber am Lichte hat. Genau gesprochen müßte man sagen: Der Mensch hat am äußeren Lichte ein gewisses Erlebnis. Das­selbe Erlebnis, das der Mensch durch die sinnliche Anschauung des Lich­tes in der äußeren Welt hat, hat er gegenüber dem Gedankenelemente des Hauptes für die Imagination. So daß man sagen kann: Das Gedan­kenelement, objektiv geschaut, wird als Licht geschaut, besser gesagt, als Licht erlebt. - Wir leben, indem wir denkende Menschen sind, im Lichte. Das äußere Licht sieht man mit physischen Sinnen; das Licht, das zum Gedanken wird, sieht man nicht, weil man darinnen lebt, weil man es selber ist als Gedankenmensch. Man kann dasjenige nicht sehen, was man zunächst selber ist. Wenn man heraustritt aus diesen Gedan­ken, wenn man in die Imagination, Inspiration eintritt, dann stellt man sich ihm gegenüber, und dann sieht man das Gedankenelement als Licht. So daß wir, wenn wir von der vollständigen Welt reden, sagen können: Wir haben das Licht in uns; nur erscheint es uns da nicht als Licht, weil wir darinnen leben, und weil, indem wir uns des Lichtes bedienen, in­dem wir das Licht haben, es in uns zum Gedanken wird. - Sie bemäch­tigen sich gewissermaßen des Lichtes; das Licht, das Ihnen sonst draußen erscheint, das nehmen Sie in sich auf. Sie differenzieren es in sich. Sie arbeiten in ihm. Das ist eben Ihr Denken, das ist ein Handeln im Lichte. Sie sind ein Lichtwesen. Sie wissen nicht, daß Sie ein Lichtwesen sind, weil Sie im Lichte drinnen leben. Aber Ihr Denken, das Sie entfalten, das ist das Leben im Lichte. Und wenn Sie das Denken von außen an­schauen, dann sehen Sie durchaus Licht.

Denken Sie sich nun das Weltcnall [siehe Zeichnung]. Sie sehen es - bei Tag natürlich - vom Lichte durchströmt, aber stellen Sie sich vor, Sie sähen dieses Weltenall von außen an. Und jetzt machen wir das Umgekehrte. Wir haben soeben das Menschenhaupt gehabt, das im Innern den Gedanken in seiner Entwickelung hat, und äußerlich Licht schaut. Im Weltenall haben wir Licht, das sinnlich angeschaut wird. Kom­men wir aus dem Weltenall heraus, betrachten wir das Weltenall von

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außen [Pfeile], als was erscheint es da? Als ein Gefüge von Gedanken! Das Weltenall - innerlich Licht, von außen angesehen Gedanken. Das Menschenhaupt - innerlich Gedanke, von außen gesehen Licht.



Das ist eine Art der Anschauung des Kosmos, die Ihnen ungemein nützlich und aufschlußreich sein kann, wenn Sie sie verwerten wollen, wenn Sie wirklich auf solche Dinge eingehen. Es wird Ihr Denken, Ihr ganzes Seelenleben viel beweglicher werden, als es sonst ist, wenn Sie lernen, sich vorzustellen: Würde ich aus mir herauskommen, wie es ja fortwährend der Fall ist, wenn ich einschlafe, und zurückschauen auf mein Haupt, also auf mich als Gedankenmenschen, so sähe ich mich leuchtend. Würde ich aus der Welt, aus der durchleuchteten Welt her­auskommen, die Welt von außen sehen, so würde ich sie als ein Gedan­kengebilde sehen. Ich würde die Welt als Gedankenwesenheit wahr­nehmen. - Sie sehen, Licht und Gedanke gehören zusammen, Licht und Gedanke sind dasselbe, nur von verschiedenen Seiten gesehen.

Nun ist aber der Gedanke, der in uns lebt, eigentlich dasjenige, was aus der Vorzeit herüberkommt, was das Reifste in uns ist, das Ergebnis früherer Erdenleben. Was früher Wille war, ist Gedanke geworden,

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und es erscheint der Gedanke als Licht. Daraus werden Sie empfinden können: Wo Lichte ist, ist Gedanke, aber wie? Gedanke, in dem eine Welt fortwährend erstirbt. Eine Vorwelt, eine vorzeitige Welt erstirbt im Gedanken, oder anders ausgesprochen, im Lichte. Das ist eines der Weltengeheimnisse. Wir schauen hinaus in das Weltenall. Es ist durch­strömt vom Lichte. Im Lichte lebt der Gedanke. Aber in diesem gedan­kendurchdrungenen Lichte lebt eine ersterbende Welt. Im Lichte erstirbt fortwährend die Welt.

Indem so ein Mensch wie Hegel die Welt betrachtet, betrachtet er eigentlich das fortwährende Ersterben der Welt. Diejenigen Menschen werden ganz besonders Gedankenmenschen, welche zum Sinkenden, Ersterbenden, Sich-Ablähmenden der Welt eine besondere Neigung haben. Und im Ersterben wird die Welt schön. Die Griechen, die inner­lich eigentlich durch und durch von lebendiger Menschenwesenheit waren, nach außen hatten sie ihre Freude, wenn in dem Ersterben der Welt die Schönheit erglänzte. Denn in dem Lichte, in dem die Welt erstirbt, erglänzt die Schönheit der Welt. Die Welt wird nicht schön, wenn sie nicht sterben kann, und indem sie stirbt, leuchtet sie, die Welt. So daß es eigentlich die Schönheit ist, welche aus dem Lichtesglanze der fortwährend ersterbenden Welt erscheint. So betrachtet man das Weltenall qualitativ. Mit Galilei hat die neuere Zeit begonnen, die Welt quantitativ zu betrachten, und man ist heute besonders stolz darauf, wenn man, wie es überall in unseren Wissenschaften geschieht, wo man es nur tun kann, die Naturerscheinungen durch die Mathematik, also durch das Tote begreifen kann. Hegel hat allerdings inhaltsvollere Be­griffe verwendet zum Begreifen der Welt, als die mathematischen es sind; aber für ihn war besonders anziehend das Reifgewordene, das Ersterbende. Man möchte sagen: Hegel stand der Welt so gegenüber wie ein Mensch, der einem Baum gegenübersteht, der gerade strotzend von Blütenentfaltung ist. Im Momente, wo die Früchte sich entfalten wollen, aber noch nicht da sind, wo die Blüten zum äußersten gekom­men sind, da wirkt in dem Baum die Lichtesgewalt, da wirkt in dem Baum dasjenige, was lichtgetragener Gedanke ist. So stand Hegel vor allen Erscheinungen der Welt. Er betrachtete die äußerste Blüte, das­jenige, was sich ganz und gar ins Konkreteste entfaltet.

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Schopenhauer stand anders vor der Welt. Wenn wir den Schopenhauerschen Impetus prüfen wollen, dann müssen wir auf das andere im Menschen schauen, auf dasjenige, was beginnt. Es ist das Willens­element, das wir in unseren Gliedmaßen tragen. Ja, das erleben wir eigentlich so - ich habe öfter darauf hingewiesen -, wie wir die Welt erleben im Schlafe. Wir erleben es unbewußt, das Willenselement. Kön­nen wir denn auch dieses Willenselement irgendwie so von außen anschauen, wie wir den Gedanken von außen anschauen? Nehmen wir den Willen, irgendwie in einem menschlichen Gliede sich entfaltend, und fragen wir uns, wenn wir den Willen nun von der anderen Seite anschauen würden, wenn wir also vom Standpunkte der Imagination, der Inspiration, der Intuition den Willen betrachten: Was ist denn das Parallele im Anschauen gegenüber dem, daß wir den Gedanken als Licht schauen? Wie schauen wir den Willen, wenn wir ihn mit der ent­wickelten Kraft des Anschauens, der Hellsichtigkeit betrachten? Wenn wir den Willen mit der entwickelten Kraft des Anschauens, der Hell­sichtigkeit betrachten, dann wird auch etwas erlebt, was wir äußerlich sehen. Wenn wir den Gedanken mit der Kraft des Hellsehens betrach­ten, wird Licht erlebt, Leuchtendes erlebt. Wenn wir den Willen mit der Kraft des Hellsehens betrachten, so wird er immer dicker und dicker, dieser Wille, und er wird Stoff. Wäre Schopenhauer hellsichtig gewesen, so würde dieses Willenswesen als ein Stoffautomat vor ihm gestanden haben, denn das ist die Außenseite des Willens, der Stoff. Innerlich ist der Stoff Wille, wie das Licht innerlich Gedanke ist. Und äußerlich ist der Wille Stoff, wie der Gedanke äußerlich Licht ist. Deshalb konnte ich auch bei früheren Betrachtungen darauf hinweisen: Wenn der Mensch in seine Willensnatur mystisch hinuntertaucht, so glauben die­jenigen, die eigentlich mit der Mystik nur Faxen treiben, in Wirklich­keit aber nach dem Wohlbefinden, nach dem Erleben des ärgsten Egois­mus streben, dann glauben solche In-sich-Hineinschauer, sie würden den Geist finden. Aber wenn sie weit genug kämen mit diesem In-sich-Hineinschauen, würden sie die wahre stoffliche Natur des Menschen­inneren entdecken. Denn es ist nichts anderes als ein Untertauchen in den Stoff. Wenn man in die Willensnatur untertaucht, da enthüllt sich einem die wahre Natur des Stoffes. Die Naturphilosophen in der Gegenwart

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phantasieren ja nur, wenn sie sagen, daß der Stoff aus Mole­külen und Atomen bestehe. Die wahre Natur des Stoffes findet man, wenn man mystisch in sich untertaucht. Da findet man die andere Seite des Willens, und die ist Stoff. Und in diesem Stoff, also in dem Willen enthüllt sich im Grunde genommen dasjenige, was fortwährend be­ginnende, keimende Welt ist.

Sie schauen hinaus in die Welt: Sie sind vom Licht umflossen. In dem Lichte erstirbt eine vorzeitige Welt. Sie treten auf den harten Stoff auf - die Stärke der Welt trägt Sie. In dem Lichte erstrahlt gedanklich die Schönheit. In dem Erglänzen der Schönheit erstirbt die vorzeitige Welt. Die Welt geht auf in ihrer Stärke, in ihrer Kraft, in ihrer Gewalt, aber auch in ihrer Finsternis. In Finsternis geht sie auf, die zukünftige Welt, im Stofflich-willensartigen Elemente.

Wenn die Physiker einmal ernsthaft reden werden, dann werden sie sich nicht jenen Spekulationen hingeben, in denen heute von den Atomen und Molekülen gefaselt wird, sondern sie werden sagen: Die äußere Welt besteht aus Vergangenheit, und im Inneren trägt sie nicht Moleküle und Atome, sondern Zukunft. Und wenn man einmal sagen wird: Uns erscheint strahlend die Vergangenheit in der Gegenwart, und die Vergangenheit hüllt die Zukunft überall ein -, dann wird man von der Welt richtig reden, denn die Gegenwart ist überall nur dasjenige, was Vergangenheit und Zukunft zusammen wirken. Die Zukunft ist dasjenige, was eigentlich in der Stärke des Stoffes liegt. Die Vergangen­heit ist dasjenige, was in der Schönheit des Lichtes erglänzt, wobei Licht für alles Sich-Offenbarende gesetzt ist, denn natürlich, auch was im Tone erscheint, was in der Wärme erscheint, ist hier unter dem Lichte gemeint.

Und so kann sich der Mensch nur selber verstehen, wenn er sich auf­faßt als Zukunftskern, der umhüllt ist von dem, was ihm von der Ver­gangenheit herrührt, von der Lichtaura des Gedankens. Man kann sagen: Geistig gesehen ist der Mensch Vergangenheit, wo er in seiner Schönheitsaura erstrahlt, aber eingegliedert ist dieser Vergangenheits­aura, was als Finsternis sich beimischt dem Lichte, das aus der Vergan­genheit herüberstrahlt, und was in die Zukunft hinüberträgt. Das Licht ist dasjenige, was aus der Vergangenheit herüberstrahlt, die Finsternis,

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was in die Zukunft hinüberweist.

Das Licht ist gedanklicher Natur, die Finsternis ist willensartiger Natur. Hegel war dem Lichte zugeneigt, das sich entfaltet in dem Wachstumsprozesse, in den reifsten Blüten. Schopenhauer ist als Weltenbetrachter wie ein Mensch, der vor einem Baume steht und eigentlich keine Freude hat an der Blütenpracht, son­dern der eine innerliche Anstachelung hat, nur zu warten, bis da aus den Blüten überall die Keime für die Früchte hervorsprießen. Das freut ihn, daß da drinnen Wachstumskraft ist, das stachelt ihn an, es wässert sich ihm der Mund, wenn er daran denken kann, daß da aus der Pfir-sichblüte die Pfirsiche werden. Er wendet sich von der Lichtnatur dem zu, was ihn von innen ergreift, was sich aus der Lichtnatur der Blüte entfaltet als dasjenige, was stofflich auf seiner Zunge zerfließen kann, was sich als Früchte in die Zukunft hinüberentwickelt. Es ist tatsächlich die Zwienatur der Welt, und man betrachtet die Welt nur richtig, wenn man sie in ihrer Zwienatur betrachtet, denn dann kommt man darauf, wie diese Welt konkret ist, während man sie sonst nur in ihrer Ab­straktheit betrachtet. Wenn Sie hinausgehen und sehen sich an die Bäume in ihrer Blüte, dann leben Sie eigentlich von der Vergangenheit. Also Sie betrachten die Frühlingsnatur der Welt und Sie können sich sagen: Was Götter in vergangenen Zeiten hineingewirkt haben in diese Welt, das offenbart sich in der Blütenpracht des Frühlings. Sie betrach­ten die fruchtende Welt des Herbstes, und Sie können sagen: Da beginnt eine neue Göttertat, da fällt ab, was aber weiterer Entwickelung fähig ist, was in die Zukunft sich hincinentwickelt.

So handelt es sich darum, daß man nicht bloß durch Spekulation ein Bild der Welt sich erwirbt, sondern daß man innerlich mit dem ganzen Menschen die Welt ergreift. Man kann tatsächlich in der Pflaumenblüte, ich möchte sagen, die Vergangenheit ergreifen, in der Pflaume die Zu­kunft erfühlen. Was einem in die Augen hereinscheint, das hängt innig zusammen mit dem, aus dem man geworden ist aus der Vergangenheit heraus. Was einem auf der Zunge im Geschmack zerschmilzt, das hängt innig zusammen mit demjenigen, aus dem man wiederersteht, wie der Phönix aus seiner Asche, in die Zukunft hinein. Da ergreift man die Welt in Empfindung. Und nach solchem «in Empfindung die Welt er­greifen» hat eigentlich Goethe getrachtet bei allem, was er in der Welt erschauen,

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empfinden wollte. Er hat zum Beispiel hingeschaut nach der grünen Pflanzenwelt. Er hatte ja nicht, was man heute als Geisteswis­senschaft haben kann, aber indem er die Grünheit der Pflanzenwelt anschaute, hatte er doch in der Grünheit der Pflanze, die noch nicht ganz bis zum Blütenhaften sich entfaltet hatte, dasjenige, was in die Gegenwart hereinragt von dem eigentlich Vergangenen des Pflanzen­haften; denn in der Pflanze erscheint schon die Vergangenheit in der Blüte; aber, was noch nicht ganz so vergangen ist, das ist die Grünheit des Blattes.

Sieht man die Grünheit der Natur, so ist das gewissermaßen etwas, was noch nicht so weit erstorben ist, was noch nicht so von der Ver­gangenheit ergriffen ist [siehe Zeichnung grün]. Das aber, was nach der Zukunft hinweist, ist dasjenige, was aus dem Finstern, aus dem Dunkeln herauskommt. Da, wo das Grün zum Bläulichen abgestuft ist, da ist das, was sich in der Natur als das Zukünftige erweist [blau].



Dagegen da, wo wir gewiesen werden in die Vergangenheit, wo das­jenige liegt, was reift, was die Dinge zum Blühen bringt, da ist die Wärme [rot], wo das Licht sich nicht nur aufhellt, sondern wo es sich innerlich durchdringt mit Kraft, wo es in die Wärme übergeht. Nun müßte man das Ganze eigentlich so zeichnen, daß man sagt: Man hat das Grüne, die Pflanzenwelt - so würde Goethe empfinden, wenn er es auch noch nicht in Geisteswissenschaft oder Geheimwissenschaft um­gesetzt hat -, daranknüpfend die Finsternis, wo sich das Grüne bläulich abstuft. Das sich Aufhellende, von Wärme Erfüllende aber, das würde sich wiederum anschließen nach der oberen Seite hin. Da steht man aber selbst als Mensch, da hat man als Mensch innerlich das, was man in der grünen Pflanzenwelt äußerlich hat, da ist man innerlich als

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menschlicher Ätherleib, wie ich oftmals gesagt habe, pfirsichblütfarbig. Das ist auch die Farbe, die hier erscheint, wenn das Blau in das Rote übergreift. Das ist man aber selber. So daß man eigentlich, wenn man in die farbige Welt hinaussieht, sagen kann: Man steht selber in dem Pfirsichblütigen drinnen, hat gegenüber das Grün. Das bietet sich einem


dann objektiv in der Pflanzenwelt dar. Man hat auf der einen Seite das Bläuliche, Finstere, auf der anderen Seite das Helle, Rötlich-Gelb­liche. Aber weil man in dem Pfirsichblütigen drinnen ist, weil man da drinnen lebt, kann man das zunächst im gewöhnlichen Leben ebenso­wenig wahrnehmen, wie man den Gedanken als Licht wahrnimmt. Was man erlebt, das nimmt man nicht wahr, deshalb läßt man da das Pfirsichblüt aus und sieht nur auf das Rot hin, das man auf der einen Seite erweitert, und nach dem Blau hin, das man nach der anderen Seite er­weitert; und so erscheint einem solch ein Regenbogenspektrum. Das ist aber nur eine Täuschung. Das wirkliche Spektrum würde man bekom­men, wenn man dieses Farbenband kreisförmig biegen würde. Man biegt es in der Tat gerade, weil man als Mensch in dem Pfirsichblütigen drinnensteht, und so übersieht man nur von Blau bis zu Rot und von Rot bis zu Blau durch das Grün die farbige Welt. In dem Augen­blicke, wo man diesen Aspekt haben würde, würde jeder Regenbogen

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als Kreis erscheinen, als in sich gebogener Kreis, als Rolle mit Kreisdurchschnitt.

Das letzte habe ich nur erwähnt, um Sie darauf aufmerksam zu machen, daß so etwas wie die Goethesche Naturanschauung durchaus zu gleicher Zeit eine Geistanschauung ist, daß sie dem geistigen An­schauen voll entspricht. Wenn man an Goethe, den Naturforscher, her­antritt, so kann man sagen: Er hat eigentlich noch keine Geisteswissen­schaft, aber er hat die Naturwissenschaft so betrachtet, daß es ganz im Sinne der Geisteswissenschaft ist. Was uns aber heute ganz wesentlich sein muß, das ist dieses, daß die Welt einschließlich des Menschen ein Durchorganisieren von Gedankenlicht, Lichtgedanken mit Willensstoff, Stoff wille ist, und daß dasjenige, was uns konkret entgegentritt, in der verschiedensten Weise aufgebaut oder mit Inhalt durchzogen ist aus Gedankenlicht, Lichtgedanken, Stoffwille, Willensstoff.

So muß man qualitativ den Kosmos betrachten, nicht bloß quanti­tativ, dann kommt man mit diesem Kosmos zurecht. Dann gliedert sich aber auch hinein in diesen Kosmos ein fortwährendes Ersterben, ein Ersterben der Vorzeit im Lichte, ein Aufgehen der Zukunft in der Finsternis. Die alten Perser nannten aus ihrem instinktiven Hellsehen heraus, das, was sie als die ersterbende Vorzeit im Lichte fühlten, Ahura Mazdao, was sie als die Zukunft im finsteren Willen fühlten, Ahriman.

Und nun haben Sie diese zwei Welt-Entitäten, das Licht und die Finsternis: im Lichte den lebenden Gedanken, die ersterbende Vorzeit; in der Finsternis den entstehenden Willen, die kommende Zukunft. Indem wir so weit kommen, daß wir den Gedanken nicht mehr in seiner Abstraktheit bloß betrachten, sondern als Licht, den Willen nicht mehr in seiner Abstraktheit betrachten, sondern als Dunkelheit, ja in seiner materiellen Natur betrachten, indem wir dazu kommen, die Wärme­inhalte zum Beispiel des Lichtspektrums als mit der Vergangenheit, die Stoffseite, die chemische Seite des Spektrums mit der Zukunft zusam­menfallend betrachten zu können, gehen wir aus dem bloßen Ab­strakten ins Konkrete heraus. Wir sind nicht mehr solche ausgedörrte, pedantische, bloß mit dem Kopfe arbeitende Denker, wir wissen, das, was da in unserem Kopfe drinnnen denkt, ist eigentlich dasselbe, was uns als Licht umflutet. Und wir sind nicht mehr solche vorurteilsvolle

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Menschen, daß wir an dem Lichte bloß Freude haben, sondern wir wissen: In dem Lichte ist der Tod, eine ersterbende Welt. Wir können an dem Lichte auch die Weltentragik empfinden. Wir kommen also aus dem Abstrakten, aus dem Gedanklichen in das Flutende der Welt hinein. Und wir sehen in dem, was Finsternis ist, den aufgehenden Teil der Zukunft. Wir finden sogar das darinnen, was solche leiden­schaftliche Naturen wie Schopenhauer aufstachelt. Kurz, wir dringen aus dem Abstrakten ins Konkrete hinein. Weltengebilde entstehen vor uns, statt bloßer Gedanken oder abstrakter Willensimpulse.

Das haben wir heute gesucht. Das nächste Mal werden wir in dem, was sich uns heute merkwürdig konkretisiert hat - der Gedanke zum Licht, der Wille zur Finsternis -, suchen den Ursprung von Gut und von Böse. Wir dringen also von der Innenwelt in den Kosmos hinein und suchen im Kosmos wiederum nicht bloß in einer abstrakten oder religiös-abstrakten Welt die Gründe für Gut und Böse, sondern wir wollen sehen, wie wir durchbrechen zu einer Erkenntnis von Gut und Böse, nachdem wir den Anfang damit gemacht haben, daß wir den Gedanken in seinem Lichte ergriffen, den Willen in seinem Finster­werden erfühlt haben. Davon dann das nächste Mal weiter.

DAS LEBEN IM LICHT UND IN DER SCHWERE Dornach, 10. Dezember 1920

DAS LEBEN IM LICHT UND IN DER SCHWERE


Dornach, 10. Dezember 1920


Es hat sich bei unseren letzten Auseinandersetzungen hier gehandelt um die Möglichkeit, auf der einen Seite im Reiche des Natürlichen das­jenige zu sehen, was in einer gewissen Weise zusammenhängt mit dem Moralischen, mit dem Seelischen, und auf der anderen Seite im Seeli­schen wiederum zu sehen, was im Natürlichen vorhanden ist. Gerade auf diesem Gebiete steht ja eigentlich die Menschheit der Gegenwart vor einem, man möchte sagen, beunruhigenden Rätsel. Nicht nur, daß vorliegt, was ich jetzt auch in öffentlichen Vorträgen öfter zur Sprache gebracht habe, daß der Mensch auf der einen Seite, wenn er die Natur­gesetze auf das Weltenall anwendet und hinsieht auf die Vergangen­heit, sich sagen muß: Hervorgegangen ist alles, was wir in unserer Umgebung haben, aus irgendeinem Urnebelzustande, also etwas rein Materiellem, das sich dann in irgendeiner Weise differenziert, um­gestaltet hat, und aus dem die Wesen des mineralischen, des pflanz­lichen, des tierischen Reiches hervorgegangen sind, aus dem auch der Mensch hervorgegangen ist. Dieses wird in einer gewissen Weise, wenn auch in anderer Form als im Anfange, als rein Physisches, auch am Ende des Weltenalls wiederum da sein. Dann aber wird das, was in uns als Moral geboren wird, unsere Ideale, im Grunde genommen verklungen und vergessen sein und da sein wird der große Kirchhof des Physischen, und keine Bedeutung wird innerhalb dieses physischen Endzustandes das haben, was als seelische Entwickelung in dem Menschen aufgestie­gen ist, weil es ja nur eben eine Art Schaumblase war. Das einzige Reale wäre dann dasjenige, was physisch aus einem Urnebel zur stärksten Dif­ferenzierung der verschiedenen Wesen sich entwickelt, um dann wieder­um zurückzukehren in den allgemeinen schlackenartigen Weltzustand.

Solch eine Anschauung, zu der doch derjenige kommen muß, der in ehrlicher Weise, das heißt, daß er ehrlich gegen sich selbst ist, zur natür­lichen Weltanschauung der Gegenwart sich bekennt, solch eine An­schauung kann niemals eine Brücke bauen zwischen dem Physischen und dem Moralisch-Seelischen. Daher braucht solch eine Anschauung

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immer, wenn sie nicht ganz materialistisch sein und eigentlich in den materiellen Vorgängen das einzige der Welt sehen will, immer eine Art gewissermaßen aus der Abstraktion hervorgeholter zweiter Welt, die, wenn man als für die Wissenschaft gegeben nur die erste Welt aner­kennt, dann dem Glauben allein gegeben wäre. Und dieser Glaube, der ergeht sich ja darinnen, daß er seinerseits wiederum denkt: Dasjenige, was in der Menschenseele als Gutes ersteht, das kann doch nicht ohne Ausgleich in der Welt bleiben; es muß gewisse Mächte geben, welche - wenn man das auch noch so philosophisch denkt, so kommt es dann auf dasselbe heraus - das Gute belohnen und das Böse bestrafen und so weiter. Es gibt ja durchaus in unserer Zeit Menschen, welche sich zu den beiden Anschauungen bekennen, trotzdem sie ohne Brücke neben­einander dastehen. Es gibt Menschen, welche auf der einen Seite sich alles dasjenige sagen lassen, was die rein naturwissenschaftliche Welt­anschauung darbietet, die mitgehen mit der Kant-Laplaceschen Theorie vom Urnebel, mitgehen mit alledem, was vorgebracht wird für einen schlackenartigen Endzustand unserer Entwickelung, und die dann auch wiederum sich zu irgendeiner religiösen Weltanschauung bekennen: daß gute Werke irgendwie ihre Belohnung finden, böse Sünder bestraft werden und dergleichen. Es rührt die Tatsache, daß es in unserer Zeit zahlreiche Menschen gibt, die sowohl das eine wie das andere ihrer Seele darbieten lassen, davon her, daß in unserer Zeit so wenig wirk­liche Aktivität der Seelen da ist, denn wenn diese innere Aktivität der Seelen da wäre, so könnte man nicht einfach aus derselben Seele heraus auf der einen Seite eine Weltordnung annehmen, welche ausschließt die Realität des Moralischen, und doch auf der anderen Seite wiederum irgendwelche Mächte annehmen, welche das Gute belohnen und das Böse bestrafen.

Vergleichen Sie mit dem, was aus der Denk- und Empfindungsbe­quemlichkeit zahlreicher Menschen der Gegenwart dasteht ohne Brücke, die moralische und die physische Weltanschauung, vergleichen Sie mit dem so etwas, wie ich es das letzte Mal hier auseinandersetzte als ein Ergebnis der Geisteswissenschaft. Ich konnte hinweisen darauf, daß wir um uns herum zunächst die Welt der Lichterscheinungen erblicken, daß wir also in der äußeren Natur hinschauen auf alles das, was durch dasjenige

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uns erscheint, was wir als Licht ansprechen. Ich konnte Sie darauf hinweisen, wie man zu sehen hat in alledem, was als Licht ringsherum um uns existiert, das, was sterbende Weltgedanken sind, also Welt­gedanken, die einstmals in urferner Vergangenheit Gedankenwelten be­stimmter Wesenheiten waren, Gedankenwelten, aus denen heraus dazu­mal Weltwesenheiten erkannt haben ihre damaligen Weltengeheimnisse. Was dazumal Gedanken waren, das leuchtet uns heute entgegen, indem es gewissermaßen Gedankenleiche ist, eben Weltgedanke ist, der stirbt: das leuchtet uns entgegen als Licht. - Sie brauchen nur meine «Geheim­wissenschaft im Umriß» aufzuschlagen und die entsprechenden Seiten zu lesen, um zu wissen, daß, indem wir in urferne Vergangenheiten zurückblicken, der Mensch so, wie wir ihn heute als Wesen auffassen, nicht vorhanden war. Es war ja nur eine Art Sinnesautomat zum Bei­spiel während der Saturnzeit vorhanden von dem Menschen. Sie wissen aber auch, daß dazumal das Weltenall bewohnt war, wie es jetzt auch ist. Aber dazumal eben haben andere Wesen, die dieses Weltenall be­wohnten, den Rang innerhalb dieses Weltenalls eingenommen, den heute der Mensch einnimmt. Wir wissen ja, daß diejenigen Geister, die wir Archai nennen oder Urbeginne, daß diese Wesenheiten während der alten Saturnzeit auf der Menschheitsstufe gestanden haben. Sie waren Menschen nicht so, wie die Menschen heute sind, aber sie standen auf der Menschheitsstufe. Bei einer ganz anderen Konstitution stan­den sie eben doch auf der Menschheitsstufe. Erzengel standen auf der Menschheitsstufe während der alten Sonnenzeit und so weiter.

Wir blicken also zurück in urferne Vergangenheiten und sagen uns: Wie wir jetzt als denkende Wesen durch die Welt gehen, so gingen diese Wesenheiten dazumal als denkende Wesen mit dem Menschheitscharak­ter durch die Welt. Was in ihnen dazumal gelebt hat, ist aber äußerer Weltengedanke geworden. Und das, was in ihnen dazumal gedanklich gelebt hat, so daß es von außen nur zu sehen gewesen wäre als ihre Lichtaura, das wird dann im Weltenumkreis gesehen, erscheint in den Lichttatsachen, so daß wir in den Lichttatsachen sterbende Gedanken­welten zu sehen haben. In diese Lichttatsachen spielt ja nun hinein die Finsternis, und gegenüber dem Lichte lebt sich allerdings in der Finster­nis dasjenige aus, was seelisch-geistig der Wille genannt werden kann,

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was auch mit einer mehr orientalischen Wendung der Sache die Liebe genannt werden kann. So daß, wenn wir in die Welt hinaussehen, wir auf der einen Seite die Leuchtewelt sehen, wenn ich so sagen darf; aber wir würden diese Leuchtewelt, die ja den Sinnen immer durchsichtig wäre, nicht sehen, wenn sich nicht in ihr die Finsternis wahrnehmbar machte. Und in dem, was als Finsternis nun die Welt durchdringt, haben wir auf der ersten Stufe des Seelischen das zu suchen, was in uns als Wille lebt. So wie die Welt draußen als ein Zusammenklang angesehen werden kann von Finsternis und Licht, so kann auch unser eigenes Inneres, insoweit es im Räume zunächst sich ausbreitet, als Licht und Finsternis angesehen werden. Nur für unser eigenes Bewußtsein ist das Licht Gedanke, Vorstellung, die Finsternis in uns Wille, wird zur Güte, zur Liebe und so weiter.

Sie sehen, da bekommen wir eine Weltanschauung, in der nicht das, was in der Seele ist, nur seelisch ist, und das, was draußen in der Natur ist, nur natürlich ist, da bekommen wir eine Weltanschauung, innerhalb welcher das, was draußen in der Natur ist, das Ergebnis ist früherer moralischer Vorgänge, wo das Licht sterbende Gedankenwelten sind. Daraus aber ergibt sich auch für uns: Wenn wir unsere Gedanken in uns tragen, so sind diese zunächst ja auch, indem sie als Gedanken in uns leben, der Kraft nach ausgelöst von unserer Vorzeit. Aber wir durchdringen fortwährend von unserem übrigen Organismus aus die Gedanken mit dem Willen. Denn gerade das, was wir reinste Gedanken nennen, sind Reste aus alter Vergangenheit, durchdrungen vom Willen. So daß auch das reine Denken - ich habe das in der Neuauflage meiner «Philosophie der Freiheit» sehr energisch ausgesprochen - vom Willen durchzogen ist. Das aber, was wir da in uns tragen, das geht in ferne Zukünfte hinüber, und in fernen Zukünften wird das, was jetzt in uns als erster Keim veranlagt ist, in den äußeren Erscheinungen leuchten. Es werden dann Wesen sein, welche so in die Welt hinausblicken, wie wir jetzt von der Erde in die Welt hinausblicken, und diese Wesen werden sagen: Uns erglänzt um uns herum eine Natur. Warum erglänzt sie uns so, wie sie uns erglänzt? Weil auf der Erde in einer bestimmten Weise von Menschen Taten vollbracht worden sind, denn das, was wir jetzt um uns herum erblicken, das ist das Ergebnis desjenigen, was die

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Erdenmenschen in sich als Keim getragen haben. - Wir stehen jetzt da, blicken in die äußere Natur hinaus. Wir können dastehen wie trockene, nüchterne Abstraktlinge, können, so wie die Physiker es tun, das Licht und seine Erscheinungen analysieren: wir werden diese Erscheinungen innerlich kalt als Laboratoriumsmenschen analysieren; dadurch wird manches sehr Schöne, Geistreiche herauskommen, aber wir stehen dann nicht als Vollmenschen der äußeren Welt gegenüber. Wir stehen nur als Vollmenschen der äußeren Welt gegenüber, wenn wir empfinden können das, was uns in der Morgenröte, was uns im blauen Himmels­firmament, was uns in der grünen Pflanze erscheint, wenn wir empfin­den können das, was wir in der plätschernden Welle wahrnehmen denn es bezieht sich ja das Licht nicht nur auf das durch das Auge wahrnehmbare Licht, sondern ich gebrauche den Ausdruck Licht hier für alle Sinneswahrnehmungen. In dem, was wir da um uns herum wahrnehmen, was sehen wir da? Wir sehen eine Welt, die allerdings unsere Seele erheben kann, die in einer gewissen Weise für unsere Seele sich als die offenbart, die wir haben müssen, damit wir überhaupt in eine sinnvolle Welt sinnvoll hinausblicken können. Wir stehen nicht als Vollmensch da, wenn wir dieser Welt bloß gegenüberstehen so, daß wir sie trocken als Physiker analysieren. Wir stehen als Vollmensch dieser Welt erst gegenüber, wenn wir uns sagen: Das, was da leuchtet, was da tönt, das ist im letzten Abnehmen dasjenige, was vor langen Zeiten in urferner Vergangenheit Wesen in ihren Seelen ausgebildet haben; denen müssen wir dankbar sein. - Wir blicken dann nicht hinaus wie trockene Physiker in die Welt, wir blicken hinaus mit Dankes­gefühlen gegenüber denjenigen Wesenheiten, die so und so viele Jahr­millionen, sagen wir, während der alten Saturnzeit so gelebt haben als Menschen, wie wir heute als Menschen leben, und die so gedacht und empfunden haben, daß wir heute die herrliche Welt um uns herum haben. Das ist ein bedeutsames Ergebnis einer wirklichkeitsgesättigten Weltanschauung, indem sie uns dazu führt, in die Welt nicht nur hin­auszusehen als trockener Nüchterling, sondern voller Dankbarkeit für diejenigen Wesen, die in grauester Vergangenheit durch ihr Denken, durch ihre Taten bewirkt haben, was für uns in unserem Umkreise die uns erhebende Welt ist. Man stelle sich das nur mit der nötigen Intensität

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vor, man erfülle sich mit dieser Vorstellung des Verpflichtetseins zum Danke für die urfernen Vormenschen, darum, weil sie uns unsere Umgebung gemacht haben. Man erfülle sich mit diesem Gedanken, und man bringe es dann noch über die Seele, sich zu sagen: Wir müssen unsere Gedanken und Empfindungen in der entsprechenden Weise ein­richten, in einer Weise, die uns als moralisches Ideal vorschwebt, damit diejenigen Wesen, die nach uns kommen, auf eine Umwelt sehen kön­nen, für die sie uns ebenso dankbar sein müssen, wie wir dankbar sein können unseren urfernen Vorfahren, die jetzt im buchstäblichen Sinne in bezug auf ihre Wirkungen als Leuchtegeister uns umgeben. Wir sehen heute eine leuchtende Welt; sie war vor Jahrmillionen eine moralische Welt. Wir tragen in uns eine moralische Welt; sie wird nach Jahrmillio­nen eine Leuchtewelt sein.

Sehen Sie, zu dieser Weltempfindung führt eine vollwertige Welt­anschauung. Eine nicht vollwertige Weltanschauung, sie führt zwar zu allerlei Ideen und Begriffen, zu allerlei Theorien über die Welt, aber sie füllt den vollen Menschen nicht aus, denn sie läßt seine Empfindung leer. Dies hat allerdings seine recht praktische Seite, obwohl der heutige Mensch die Praxis davon noch kaum einsieht. Aber derjenige, der es mit der heutigen Welt ehrlich meint, der weiß, daß er sie nicht in den Niedergang hineinfahren lassen darf; der möchte hinblicken auf eine Schule und Hochschule der Zukunft, wo die Menschen nicht um acht Uhr morgens hineingehen mit einem gewissen lässig gleichgültigen Gefühl, und um elf oder zwölf oder ein Uhr herauskommen mit demselben lässig gleichgültigen Gefühl, höchstens mit einem kleinen Stolz darüber, daß sie wieder einmal so und so viel gescheiter geworden sind - nehmen wir an, sie seien es geworden. Nein, man kann den Blick lenken in eine Zukunftsperspektive, in welcher diejenigen, die da herausgehen um elf oder zwölf oder ein Uhr, zu gleicher Zeit mit ins Universelle hinaus­gehenden Gefühlen gegenüber der Welt die Lehrstätten verlassen, in­dem in ihre Seelen gepflanzt wird neben der Gescheitheit das Gefühl gegenüber der werdenden Welt, das Dankbarkeitsgefühl gegenüber der urfernen Vergangenheit, in der Wesen gewirkt haben, die unsere uns umgebende Natur so gestaltet haben, wie sie ist, und das Gefühl der großen Verantwortlichkeit, die wir haben, weil unsere moralischen

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Impulse in uns später scheinende Welten werden. Es bleibt selbstver­ständlich ein Glaube, wenn man den Leuten sagen will: Real ist der Urnebel, real ist die Zukunftsschlacke, dazwischen machen sich Wesen moralische Illusionen, die als Schaum in ihnen aufsteigen. Das letztere sagt dann der Glaube nicht; er müßte es sagen, wenn er ehrlich wäre. Ist es nicht etwas wesentlich anderes, wenn der Mensch sich sagt: Ja, dasjenige, was Vergeltung ist, das gibt es, denn die Natur ist selber so angelegt, daß diese Vergeltung eintritt: deine Gedanken werden schei­nendes Licht. Es offenbart sich die moralische Weltordnung. Das, was zu der einen Zeit moralische Weltordnung ist, ist zu der anderen Zeit physische Weltordnung, und was in irgendeiner Zeit physische Welt­ordnung ist, war in einer anderen Zeit moralische Weltordnung. Alles Moralische ist dafür bestimmt, ins Physische herauszutreten. Braucht der Mensch, der die Natur geistig ansieht, noch extra einen Beweis für eine moralische Weltordnung? Nein, in der geistig durchschauten Natur liegt selber die Rechtfertigung der moralischen Weltordnung. Zu diesem Bilde steigt man auf, wenn man eben den Menschen, ich möchte sagen, in seinem Vollmenschentum betrachtet.

Gehen wir aus von einer Erscheinung, durch die wir alle jeden Tag hindurchgehen. Wir wissen, Einschlafen und Aufwachen beruhen dar­auf, daß der Mensch in seinem Ich und seinem astralischen Leibe sich loslöst von dem physischen Leib und dem Ätherleib. Was bedeutet denn das eigentlich mit Bezug auf den Kosmos? Stellen wir uns vor, phy­sischen Leib, Ätherleib, astralischen Leib und Ich miteinander für das Wachen verbunden. Nun stellen wir sie uns für das Schlafen getrennt vor: Was ist nun der, ich möchte sagen, kosmische Unterschied zwi­schen beiden? Sehen Sie, wenn Sie auf den Schlafzustand sehen, dann erleben Sie in diesem Schlafzustande das Licht. Dadurch, daß Sie das Licht erleben, erleben Sie die sterbende Gedankenwelt der Vorzeit. Und indem Sie gewissermaßen erleben die sterbende Gedankenwelt der Vor­zeit, werden Sie geneigt, eine Empfänglichkeit zu haben, das Geistige, wie es in die Zukunft hinein sich erstreckt, wahrzunehmen. Daß der Mensch heute nur eine dumpfe Wahrnehmung davon hat, das ändert ja nichts an der Sache. Das, was uns jetzt wesentlich ist, das ist, daß wir in diesem Zustande empfänglich sind für das Licht.

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Wenn wir nun untertauchen in den Leib, da werden wir jetzt inner­lich seelisch - wenn ich sage innerlich seelisch, so bedeutet das, daß wir eben Seelen sind und keine Waagen -, seelisch werden wir empfänglich, indem wir in den Leib untertauchen, im Gegensatz zum Lichte, für die Finsternis. Aber dies ist nicht ein bloß Negatives, sondern wir werden noch für etwas anderes empfänglich. So wie wir im Schlafen empfänglich waren für das Licht, so werden wir im Aufwachen empfänglich für die Schwere. Ich sagte, wir sind keine Waage; wir werden nicht empfäng­lich für die Schwere, indem wir unsere Körper abwiegen, aber indem wir in unsere Körper untertauchen, werden wir innerlich seelisch emp­fänglich für die Schwere. Wundern Sie sich nicht, daß das zunächst etwas Unbestimmtes hat, wenn es ausgesprochen wird. Für das eigent­liche seelische Erleben ist das gewöhnliche Bewußtsein ebenso schlafend im Wachen, wie es schlafend ist im Schlafe. Im Schlafe nimmt der Mensch im heutigen normalen Bewußtsein nicht wahr, wie er im Lichte lebt. Im Wachen nimmt er nicht wahr, wie er in der Schwere lebt. Aber so ist es: das Grunderlebnis des schlafenden Menschen ist das Leben im Lichte. Er ist im Schlafe seelisch nicht empfänglich für das Schwere, für die Tatsache der Schwere. Die Schwere ist gewissermaßen von ihm ge­nommen. Er lebt in dem leichten Lichte. Er weiß nichts von der Schwere. Er lernt die Schwere erkennen erst innerlich, zunächst unterbewußt. Aber der Imagination ergibt sich das sogleich: er lernt die Schwere er­kennen, indem er in seinen Leib untertaucht.

Das zeigt sich für das geisteswissenschaftliche Forschen in der folgen­den Weise. Wenn Sie zur Erkenntnisstufe der Imagination sich hinauf­erhoben haben, dann können Sie den Ätherleib einer Pflanze beob­achten. Sie werden, wenn Sie den Ätherleib einer Pflanze beobachten, das innere Erlebnis haben: Dieser Ätherleib der Pflanze, der zieht sie fortwährend hinauf, der ist schwerelos. Wenn Sie dagegen den Äther­leib eines Menschen betrachten, so hat der Schwere, auch für die ima­ginative Vorstellung. Sie haben einfach das Gefühl: er ist schwer. Und von da aus kommt man dann dazu, zu erkennen, daß zum Beispiel der Ätherleib des Menschen etwas ist, was, wenn die Seele darinnen ist, dieser Seele die Schwere überträgt. Aber es ist ein übersinnliches Urphänomen. Schlafend lebt die Seele im Lichte, lebt daher in Leichtigkeit.

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Wachend lebt die Seele in der Schwere. Der Leib ist schwer. Diese Kraft überträgt sich auf die Seele. Die Seele lebt in der Schwere. Das bedeutet etwas, was nun sich ins Bewußtsein überträgt. Denken Sie an den Mo­ment des Aufwachens, worin besteht er? Wenn Sie schlafend sind - Sie liegen im Bette, Sie rühren sich nicht, der Wille ist abgelähmt. Allerdings, es sind auch die Vorstellungen abgelähmt, aber die Vorstellungen sind auch nur deshalb abgelähmt, weil der Wille abgelähmt ist, weil der Wille nicht in Ihren eigenen Leib schießt, nicht sich der Sinne bedient, deshalb sind die Vorstellungen abgelähmt. Die Grundtatsache ist die Ablähmung des Willens. Wodurch wird der Wille regsam? Dadurch, daß die Seele Schwere fühlt durch den Leib. Dieses Zusammenleben mit der Seele, das gibt im irdischen Menschen die Tatsache des Willens. Und das Aufhören des Willens vom Menschen selber, es tritt ein, wenn der Mensch im Lichte ist.

Damit haben Sie die zwei kosmischen Kräfte, Licht und Schwere, als die großen Gegensätze im Kosmos hingestellt. In der Tat, Licht und Schwere sind kosmische Gegensätze. Wenn Sie sich den Planeten vor­stellen: die Schwere zieht zum Mittelpunkte, das Licht weist vom Mittel­punkte hinweg in das Weltenall hinaus [Pfeile], Man denkt sich das









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Licht nur ruhend. In Wahrheit ist es vom Planeten hinausweisend. Wer die Schwere eben als eine Kraft denkt der Anziehung, also newtonisch, der denkt ja eigentlich ziemlich stark materialistisch, denn er denkt sich, daß eigentlich so irgend etwas von einem Dämon oder dergleichen da drinnen in der Erde sitzt, mit einem Strick, den man allerdings nicht sieht, und der zieht den Stein an. Man spricht ja von einer Anziehungs­kraft, die wohl niemand jemals woanders nachweisen kann als in der Vor­stellung. Aber man spricht von dieser Anziehungskraft. Nun, versinn­lichen mögen sich ja die Leute diese Sache nicht, aber sie mögen also newtonisch von der Anziehungskraft sprechen. In der westlichen Kultur wird das einmal so sein, daß dasjenige, was da überhaupt da ist, in ir­gendeiner Weise sinnlich vorgestellt sein muß. Also einer könnte den Leuten sagen: Nun, ihr mögt die Anziehungskraft vorstellen so, wie einen unsichtbaren Strick; dann aber müßt ihr wenigstens das Licht vor­stellen wie solch ein Abschwingen, wie ein Abschleudern. Man müßte das Licht dann als eine Abschleuderkraft vorstellen. Für denjenigen, der mehr in der Realität stehenbleiben will, für den genügt es, wenn er einfach den Gegensatz, den kosmischen Gegensatz von Licht und Schwere einsehen kann.

Und nun, sehen Sie, auf dem, was ich jetzt sagte, beruht vielerlei gerade mit Bezug auf den Menschen. Wenn wir auf das alltägliche Ereignis des Einschlafens und Aufwachens gesehen haben, so sagen wir: Beim Einschlafen begibt sich der Mensch aus dem Felde der Schwere heraus in das Feld des Lichtes. Indem er in dem Felde des Lichtes lebt, bekommt er, wenn er lange genug ohne Schwere gelebt hat, wiederum eine lebhafte Sehnsucht, von der Schwere sich umfangen zu lassen, und er kehrt zu der Schwere wiederum zurück, er wacht auf. Es ist ein fort­währendes Oszillieren zwischen Leben im Lichte und Leben in der Schwere, Aufwachen und Einschlafen. Wenn jemand seine Empfin­dungsfähigkeiten feiner entwickelt, so wird er unmittelbar als ein persönliches Erlebnis dieses empfinden können, das gewissermaßen Aufsteigen aus der Schwere in das Licht, und das wiederum In-Anspruchgenommen-Werden von der Schwere beim Aufwachen.

Aber jetzt stellen Sie sich doch etwas anderes vor, jetzt stellen Sie sich vor, der Mensch ist als Wesen zwischen Geburt und Tod an die Erde

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gebunden. Er ist dadurch an die Erde gebunden, daß in diesem Zustande zwischen Geburt und Tod seine Seele, wenn sie eine Zeitlang im Lichte gelebt hat, immer wiederum den Hunger nach der Schwere bekommt, zurückkehrt in den Zustand der Schwere. Wenn - wir werden davon noch weiter sprechen - ein Zustand eingetreten ist, durch den dieser Hunger nach Schwere nicht mehr da ist, dann wird der Mensch immer mehr und mehr dem Lichte folgen. Das tut er bis zu einer gewissen Grenze [siehe Zeichnung, rot]. Er folgt bis zu einer gewissen Grenze


dem Lichte, und wenn er an der äußersten Peripherie des Weltenalls angekommen ist, dann hat er verbraucht, was ihm die Schwere gegeben hat zwischen Geburt und Tod, dann beginnt eine neue Sehnsucht nach der Schwere, und er tritt seinen Weg wiederum zurück an [siehe Zeich­nung, weiß] zu einer neuen Verkörperung. So daß also auch in jener Zwischenzeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, um die Mitter­nachtsstunde des Daseins, eine Art Hunger nach der Schwere auftaucht. Das ist zunächst der allgemeinste Begriff für das, was der Mensch erlebt als Sehnsucht, zu einem neuen Erdenleben zurückzukehren. Nun aber,

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während der Mensch zu einem neuen Erdenleben zurückkehrt, wird er durchzugehen haben durch die Sphäre der benachbarten, der anderen Himmelskörper. Die wirken auf ihn in der verschiedensten Weise, und das Resultat dieser Wirkungen bringt er sich dann, indem er durch die Empfängnis in dieses physische Leben eintritt, in dieses physische Leben mit. Daraus ersehen Sie, daß es schon eine Bedeutung hat, danach zu fragen: Wie stehen die Sterne in den Sphären, durch die der Mensch zurückschreitet? - Denn je nachdem der Mensch seine Sternensphäre durchschreitet, formt sich in verschiedener Weise seine Sehnsucht nach der Erdenschwere. Nicht nur die Erde strahlt gewissermaßen eine be­stimmte Schwere aus, nach der sich der Mensch wieder zurücksehnt, son­dern auch die anderen Himmelskörper, deren Sphäre er durchschreitet, indem er gegen ein neues Leben sich hinbewegt, sie wirken auf ihn mit ihrer Schwere. So daß der Mensch, indem er zurückkehrt, allerdings in verschiedene Lagen kommen kann, die es rechtfertigen, daß man zum Beispiel folgendes ausspricht: Der auf die Erde zurückkehrende Mensch sehnt sich wiederum danach, zu leben in der Erdenschwere. Aber er pas­siert zunächst die Sphäre des Jupiter. Jupiter strahlt auch eine Schwere aus, aber eine solche, welche geeignet ist, der Sehnsucht nach der Erden­schwere ein gewisses Freudiges hinzuzustimmen. Es wird also nicht nur die Sehnsucht nach der Erdenschwere in der Seele leben, sondern diese Sehnsucht wird eine freudige Stimmungsnuance empfangen. Der Mensch passiert die Sphäre des Mars. Er sehnt sich nach der Erden­schwere. Eine freudige Stimmung ist bereits in ihm. Mars wirkt auch mit seiner Schwere auf ihn, pflanzt ein, impft ein gewissermaßen der nach der Erdenschwere sich freudig sehnenden Seele die Aktivität, in diese Erdenschwere sich hineinzubegeben, um das nächste physische Leben zwischen Geburt und Tod kraftvoll zu benutzen. Jetzt ist die Seele schon so weit, daß sie in ihren unterbewußten Tiefen den Impuls hat, deutlich sich zu sehnen nach der Erdenschwere und die irdische Inkarnation kraftvoll zu benützen, so daß die sich sehnende Freude, die freudige Sehnsucht mit Intensität zum Ausdrucke kommt. Der Mensch passiert noch die Sphäre der Venus. Es mischt sich diesem nach Kraft tendierenden freudigen Sehnen ein liebevolles Erfassen der Lebens­aufgaben bei.

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Sie sehen, wir sprechen von verschiedenen Schweren, die von Weltenkörpern ausgehen, und bringen sie in Zusammen, was in der Seele leben kann. Wir suchen wiederum, in dem wir in den Weltenraum hinausblicken, das räumlich-physisch ausgebreitete zu gleicher Zeit auszusprechen. Wenn wir wissen, daß in der Schwere Willenhaftes lebt und wenn wir auf der anderen Seite wissen, daß dem Willen das Licht entgegengesetzt ist, dürfen wir sagen: Vom Mars strahlt Licht zurück, vom Jupiter strahlt Licht zurück, von der Venus strahlt Licht zurück; in den Schwerekräften lebt zu gleicher Zeit die Modifikation durch das Licht. Wir wissen, im Lichte leben sterbende Weltgedanken, in den Schwerekräften leben werdende Welten durch Willenskeime. Das alles durchstrahlt die Seelen, indem sie durch den Raum sich bewegen. Wir betrachten die Welt physisch, wir betrachten sie zu gleicher Zeit moralisch. Es ist ein Physisches und ein Moralisches nicht nebeneinander vorhanden, sondern nur in seiner Beschränktheit ist der Mensch geneigt, zu sagen: Auf der einen Seite ist das Physische, auf der anderen Seite das Moralische. - Nein, das sind nur verschiedene Anblicke, das ist in sich einheitlich. Die Welt, die sich zum Lichte hin entwickelt, entwickelt sich zu gleicher Zeit zur Vergeltung, zur sich offenbarenden Vergeltung hin. Sinnvolle Weltenordnung offenbart sich aus der natürlichen Weltenordnung heraus.

Man muß sich klar sein darüber, daß man zu einer solchen Welt­anschauung nicht durch eine philosophische Interpretation kommt, son­dern daß man hineinwächst, indem man allmählich lernt, durch Geistes­wissenschaft die physischen Begriffe zu vergeistigen; dadurch morali­siert sie sich von selber. Und wenn man lernt, hindurchzusehen durch die Welt des Physischen in die Welt, in welcher das Physische aufgehört hat und das Geistige vorhanden ist, so erkennt man: da ist das Mora­lische darinnen.

Sehen Sie, es könnten wirklich aus gewissen Vorstellungen Menschen heute schon darauf kommen - ich will das jetzt nur zum Schlüsse Ihnen vorführen, obwohl es außerhalb der Denkweise der meisten von Ihnen liegt -, ich möchte sagen, ganz gelehrt sich das vor die Seele zu führen, was ich eben gesagt habe. Sie haben also diese Linie, die keine Ellipse ist, sondern die sich von der Ellipse dadurch unterscheidet, daß sie hier

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ausgebogen ist [Zeichnung links] - am Bau sehen Sie häufig diese Linie, die Ellipse wäre ja etwa so [punktiert]. Das ist aber nur eine spezielle Gestalt dieser Linie; diese Linie kann nämlich auch, wenn man mathematische Gleichung verändert, diese Form annehmen [Lemniskate]. Das ist dieselbe Linie wie die andere. Das eine Mal fahre ich so


herum und schließe hier; nun, unter gewissen Voraussetzungen fahre ich aber nicht so hinauf bis zum obersten, sondern so herum und kehre dann um zurück und schließe unten. Aber dieselbe Linie hat noch eine andere Form. Da muß ich, wenn ich hier anfange, auch hier nur schein­bar schließen; jetzt muß ich aus der Ebene heraus, aus dem Raum heraus, muß hier herüber, komme hier wiederum zurück. Jetzt muß ich wiederum aus dem Raum heraus, muß sie hier fortsetzen, die Linie, und schließe sie unten. Es ist nur die Linie etwas modifiziert. Das sind nicht zwei Linien, das ist nur eine Linie, es hat auch nur eine mathematische Gleichung; das ist eine einzige Linie, nur daß ich aus dem Raume herausgehe. Wenn man diese Vorstellung fortsetzt, so ist nämlich noch das andere möglich: ich kann einfach diese Linie nehmen [Lemniskate], aber diese Linie kann ich mir auch so vorstellen, daß ihre Hälfte im Raume herinnen liegt; indem ich hier herumkomme, muß ich aus dem Raume heraus. Ich muß aus dem Raume heraus, dann mache ich es so fertig: hier ist die andere Hälfte, aber nur ist sie außerhalb des gewöhnlichen Raumes, sie liegt nicht im gewöhnlichen Raum herinnen. Sie ist auch da. #G291x-1980-SE139

Und wenn man diese Vorstellungsweise, die durchaus heute zum Bei­spiel Mathematiker haben könnten, wenn sie wollten, wenn man diese Vorstellungsweise ausbilden würde, so würde man zu der anderen Vor­stellung kommen vom Hinausgehen aus dem Raum und vom Wieder­hineinkommen in den Raum. Das ist durchaus etwas, was der Realität entspricht. Denn jedesmal, wenn Sie sich etwas vornehmen, so denken Sie das Vorgenommene; bevor Sie wollen, gehen Sie aus dem Raum heraus, und wenn Sie die Hand bewegen, gehen Sie wiederum in den Raum herein. Zwischendurch sind Sie aus dem Raum heraußen, da sind Sie auf der anderen Seite des Raumes.

Diese Vorstellung muß man durchaus entwickeln - von der anderen Seite des Raumes. Dann kommt man zu der Vorstellung des wirklich Übersinnlichen, dann kommt man vor allen Dingen aber zur Vorstel­lung des Moralischen in seiner Realität. Das Moralische in seiner Reali­tät kann von der heutigen Weltanschauung so schwer vorgestellt wer­den, weil die Leute durchaus alles, was sie vorstellen wollen, im Räume vorstellen wollen, nach Maß, Gewicht und Zahl bestimmen wollen, während in der Tat die Wirklichkeit an jedem Punkte, möchte ich sagen, des Raumes über den Raum hinausgeht und wiederum zum Raum zu­rückkehrt. Es gibt Leute, die stellen sich ein Sonnensystem vor, im Sonnensystem Kometen, da sagen sie: Der Komet erscheint, dann macht er eine riesige lange Ellipse durch und dann kommt er nach langer Zeit wieder. - Das ist für viele Kometen nicht wahr. Das ist so, daß Kome­ten erscheinen, sie gehen hinaus, zerstieben hier, hören auf, bilden sich aber von der anderen Seite wiederum, bilden sich von hier wiederum und kommen von daher zurück, beschreiben überhaupt Linien, die gar nicht zurückkehren. Warum? Weil die Kometen aus dem Räume hin­ausgehen und an einer ganz anderen Stelle wiederkommen. Das ist durchaus im Kosmos möglich, daß irgendwie aus dem Räume hinaus die Kometen zerstieben und an einer anderen Stelle im Raum wieder­kommen.

Ich werde Sie in der Fortsetzung dieser Betrachtungen morgen nicht etwa weiter quälen mit den Vorstellungen, die ich Ihnen in den letzten zehn Minuten vorgeführt habe, weil ich weiß, daß sie dem Vorstellungs­kreis einer großen Anzahl von Ihnen ferne liegen würden. Aber ich

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muß doch manchmal darauf hinweisen, daß diese Geisteswissenschaft, wie sie hier gepflegt wird, rechnen könnte mit den allerausgebildetsten wissenschaftlichen Vorstellungen, wenn dazu die Gelegenheit vorhanden wäre, wenn mit anderen Worten die Möglichkeit vorhanden wäre, das­jenige, was heute geistlos betrieben wird, namentlich in den sogenann­ten exakten Wissenschaften, mit Geist wirklich zu durchdringen. Diese Möglichkeit ist leider nicht vorhanden; insbesondere die Dinge wie die Mathematik und so weiter werden heute zumeist in der geistlosesten Weise betrieben. Und daher ist schon einmal Geisteswissenschaft, wie ich neulich beim öffentlichen Vortrag in Basel auch betonte, vorläufig darauf angewiesen - was ihr viele zum Vorwurf machen, die nun ge­lehrt sein wollen -, vor gebildeten Laien sich geltend zu machen. Wür­den die Gelehrten nicht so faul sein gegenüber geistigen Betrachtungen, so hätte Geisteswissenschaft nicht nötig, sich bloß vor gebildeten Laien geltend zu machen, denn sie kann mit den höchsten wissenschaftlichen Vorstellungen rechnen und rechnet bis zu diesen höchsten wissenschaft­lichen Vorstellungen auch mit voller Exaktheit, weil sie sich ihrer Ver­antwortlichkeit bewußt ist.

Allerdings, die Wissenschafter, die benehmen sich ja diesen Dingen gegenüber in einer höchst eigentümlichen Weise. Sehen Sie, da ist ein gelehrter Herr - ich habe neulich schon im öffentlichen Vortrag auf ihn aufmerksam gemacht -, der hat offenbar gehört, daß hier in Dornach Hochschulkurse gehalten worden sind. Vorher hat er nämlich etwas von der Waldorfschule gehört und hat, wie es scheint, in den «Waldorf-Nachrichten» meine Eröffnungsrede für die Waldorfschule und noch ei­nen anderen Aufsatz gelesen. In der Eröffnungsrede habe ich aus dem Zusammenhange heraus einen Pädagogen genannt, der für vieles ein Gesinnungsgenosse jenes Gelehrten ist. Bei solch einer Gelegenheit wer­den die Herren, die so oftmals der Anthroposophie vorwerfen, sie könnte zu Suggestion oder Autosuggestion führen, gleich hypnotisiert, weil sie hören: Da wurde einer erwähnt, der ist ein wissenschaftlicher Gesin­nungsgenosse von mir. - Da wurde denn der Herr ganz aufmerksam. Nun wurde es ihm offenbar schwül von alledem, was an den Dornacher Hochschulkursen geleistet wurde. Deshalb konnte er sich doch nicht ent­wehren, folgendes zu schreiben: «Auf den Hochschulkursen der An­throposophen

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in Dornach bei Basel, die im Herbst d. J. stattgefunden haben, ist die Hoffnung ausgesprochen worden, daß von hier aus große, starke Ideen eine neue Entwicklung unseres Volkes einleiten und ihm neues Leben einhauchen würden. Wer die ethischen Grundlagen dieser Bewegung auf ihren wahren Wert prüft, kann diese Hoffnung nicht teilen, falls nicht diese Grundlagen einer kritischen Prüfung unter­worfen werden, wozu die vorstehenden Zeilen Veranlassung geben wollen.»

Nun, warum sind diese «vorstehenden Zeilen» eigentlich geschrieben? Also die Hochschulkurse, ihre ethische Grundlage muß geprüft, einer Kritik unterzogen werden, denn die müssen irgend etwas zu tun haben mit dem, was nun solch ein Herr zu deklamieren hat, was er nennt den moralischen Tiefstand, denn er beginnt seinen Aufsatz, den er über­schrieben hat «Ethische Irrlehre»: «In Zeiten eines moralischen Tief­standes, wie ihn das deutsche Volk wohl noch nicht erlebt hat, ist es doppelt not, die großen Landmarken der Moral, wie sie von Kant und Herbart aufgerichtet worden sind, zu verteidigen und sie nicht zu­gunsten relativistischer Neigungen verrücken zu lassen. Das Wort des Freiherrn von Stein, daß ein Volk nur stark bleiben kann durch die Tugenden, durch welche es groß geworden ist, lebendig zu halten, muß heute zu den ersten Aufgaben inmitten der Auflösung aller moralischer Begriffe gerechnet werden.»

Nun datiert der Mann die Auflösung der moralischen Begriffe seit dem Kriege und findet eines sehr bemerkenswert: «Daß an dieser Auf­lösung eine Schrift des Führers der Anthroposophen in Deutschland, des Dr. Rudolf Steiner, beteiligt ist, muß besonders beklagt werden, da man den idealistischen Grundzug dieser Bewegung, die auf eine starke Verinnerlichung des Einzelmenschen hinzielt» - das hat er nämlich aus ein paar Aufsätzen der «Waldorf-Nachrichten» entnommen -, «nicht leugnen, und in seinem Plan der Dreigliederung des sozialen Körpers, der in Nr. 222 des Tags besprochen wurde, gesunde, das Volkswohl fördernde Gedanken finden kann. Aber in der Schrift Die Philosophie der Freiheit (Berlin 1918) überspannt er seine individualistische Ein­stellung in einer Weise, die zur Auflösung der sozialen Gemeinschaft führen und deshalb bekämpft werden muß.»

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Also Sie werden sehen: 1918 ist aus dem moralischen Tiefstand, der sich aus dem Krieg ergeben hat, die «Philosophie der Freiheit» geschrie­ben worden! Der gute Mann hat selbstverständlich jahrzehntelang, als die «Philosophie der Freiheit» da war, sich nicht darum gekümmert, nur die letzte Auflage, nämlich 1918, gelesen, so genau, daß er nicht ent­nahm, wie alt dieses Buch ist, daß es ganz gewiß aus der Zeit stammt, in der er davon geredet hat, wie herrlich weit wir es gebracht haben, zu welcher Klärung, wo er noch lange nicht von moralischem Tiefstand ge­sprochen hat: Nun also! So weit ist die Gewissenhaftigkeit dieser Jugendbildner. Der Mann ist nicht nur Professor für Philosophie, son­dern vor allen Dingen Pädagoge. Er hat also nicht bloß an Universitä­ten zu unterrichten, sondern Kinder pädagogisch zu erziehen. Und er ist selber so gut erzogen, daß er die Schrift als 1918 geschrieben empfindet, die «Philosophie der Freiheit». Daher ist es ihm auch ein Leichtes, über den Zweck dieser Schrift zu berichten. Bedenken Sie doch die Situation: 1893 erscheint die «Philosophie der Freiheit». Die Ideen entstehen also damals. Wenn man also annimmt, daß damals die «Philosophie der Freiheit» erschienen ist, welchen Sinn haben dann die folgenden Worte, die geradezu die Kulmination des ganzen Aufsatzes bilden: «Diese freien Menschen des Dr. Steiner sind aber bereits keine Menschen mehr. Sie sind in die Welt der Engel schon auf Erden eingetreten. Die Anthro­posophie hat ihnen dazu verholfen.»

Nun bitte ich Sie: 1893 erscheint die «Philosophie der Freiheit», ver­öffentlicht mit der Absicht, für die Menschen eine Ethik zu liefern, zu der ihnen die Anthroposophie verhilft: «Müßte es nicht eine unsagbare Wohltat mitten in den mannigfachen Wirrnissen des Erdenlebens sein, sich in solche Umgebung versetzen zu lassen? Angenommen, daß es einer kleinen Schar gelingt, alles Menschliche von sich abzustreifen und in ein reineres Dasein einzugehen, in dem volles Ausleben den wahrhaft Freien jenseits von Gut und Böse erlaubt ist - was bleibt für die breite Masse des Volkes, die mit den materiellen Nöten und Sorgen des Lebens aufs engste verflochten ist, übrig?» Sie sehen also, die Sache wird so dar­gestellt, als ob die «Philosophie der Freiheit» erschienen wäre in Berlin 1918, und die Anthroposophie dazu da wäre, um jene Menschen, die in der «Philosophie der Freiheit» dargestellt sind, auszubilden!

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Mit dieser Gewissenhaftigkeit schreiben unsere Gelehrten heute über die Dinge. Es ist dieselbe Gewissenhaftigkeit, mit der ein Doktor der Theologie schreibt, daß hier eine neun Meter hohe Christus-Statue fa­briziert wurde, oben mit luziferischen Zügen und unten mit tierischen Merkmalen, wogegen die Tatsache steht, daß jene Christus-Statue oben ein rein menschliches ideales Gesicht hat und unten noch ein Holzklotz ist, nämlich überhaupt noch nicht da ist. Das wird nicht nur so beschrie­ben, als ob es ihm von irgend jemand mitgeteilt worden wäre, diesem Doktor der Theologie, sondern so schreibt er, als ob er diese Tatsache konstatiert hätte, wie wenn er selber dagewesen wäre. Da wird man eben erinnert an jene Anekdote, die ich in Basel im Vortrage öffentlich erwähnt habe, wie jemand konstatiert, abends, wenn er nach Hause kommt, ob er nüchtern oder betrunken ist: Man legt sich ins Bett und einen Zylinder vor sich auf die Bettdecke; sieht man ihn einfach, ist man nüchtern, sieht man ihn doppelt, so ist man betrunken. Man muß min­destens in jenem Zustande sein, wenn man dasjenige, was hier als Christus-Statue gemacht wird, so sieht, wie es jener Doktor der Theo­logie gesehen hat.

Aber man kann, abgesehen von diesen Angriffen, in diesem Falle doch die Frage aufwerfen: Was sind das für Theologen? Was sind das für Christen? Was sind das für Jugendbildner, die solch eine Beziehung zur Wahrheit und Wahrhaftigkeit haben, und wie muß eine Wissen­schaft aussehen, die mit einem solchen Gefühl für Wahrheit und Wahr­haftigkeit versehen ist? Solche Wissenschaft wird aber heute eigentlich von den meisten Menschen auf Lehrkanzeln und in Büchern vertreten, von solcher Wissenschaft lebt die Menschheit.

Unter allen anderen Aufgaben, die sie hat, hat Geisteswissenschaft auch die Aufgabe, unsere geistige Atmosphäre zu reinigen von jenen Dünsten der Unwahrhaftigkeit, der Verlogenheit, die nicht etwa bloß im äußeren Leben herrscht, die heute bewiesen werden kann bis in die Tiefe der einzelnen Wissenschaften hinein. Und wiederum von diesen Tiefen geht dann dasjenige aus, was im sozialen Leben so verheerend wirkt. Der Mut muß aufgebracht werden, um in diese Dinge mit dem richtigen Lichte hineinzuleuchten. Dazu ist aber allerdings notwendig, daß man sich erst erwärmen kann für eine Weltanschauung, die nun

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wirklich die Brücke schlägt zwischen der moralischen Weltordnung und der physischen Weltordnung, indem die leuchtende Sonne zugleich an­gesehen werden kann wie die Konzentration untergehender Gedanken­welten, und dasjenige, was aus den Tiefen der Erde heraufsprudelt, zu­gleich angesehen werden kann als die Vorbereitung dessen, was in die Zukunft hinüberlebt, keimhaft, willensmäßig, die Welt willensmäßig durchdringend.

DIE ZWEI GRUNDGESETZE DER FARBENLEHRE IN MORGENRÖTE, ABENDRÖTE UND HIMMELSBLÄUE, Dornach, 21. Februar 1923

DIE ZWEI GRUNDGESETZE DER FARBENLEHRE IN MORGENRÖTE, ABENDRÖTE

UND HIMMELSBLÄUE

GESUNDHEIT UND KRANKHEIT IM ZUSAMMENHANG MIT DER FARBENLEHRE

Fragenbeantwortung für die Arbeiter am Goetbeanumbau, Dornach, 21. Februar 1923


Damit die letzte Frage noch richtig beantwortet wird, will ich doch, so gut es geht, einiges über die Farben sagen.

Die Farben kann man eigentlich nicht verstehen, wenn man nicht das menschliche Auge versteht, denn der Mensch nimmt die Farben ganz und gar nur durch das Auge wahr. Wie er sonst die Farben noch wahr­nimmt, das weiß er nicht, denn er nimmt doch nicht allein durch das Auge die Farben wahr. Stellen Sie sich zum Beispiel einen Blinden vor. Ein Blinder fühlt sich anders in einem Raum, der beleuchtet ist, als in einem Raum, der dunkel ist. Aber das ist so schwach, daß es der Blinde nicht wahrnimmt. Es ist eine so schwache Sache; es hat für ihn aber doch eine große Bedeutung, doch er nimmt es nicht wahr. Auch der Blinde könnte zum Beispiel nicht immer im Keller leben; da würde ihm das Licht fehlen. Und es ist ein Unterschied, ob man einen Blinden zum Bei­spiel in einen hellen Raum, der gelbe Fenster hat, bringt, oder ob man ihn in einen dunklen Raum oder meinetwillen auch in einen helleren Raum bringt, der blaue Fenster hat. Das wirkt ganz anders auf das Leben; die gelbe Farbe und die blaue Farbe, die wirken ganz anders auf das Leben ein. Aber das sind Dinge, die man erst verstehen lernt, wenn man begriffen hat, wie sich das Auge zu der Farbe verhält.

Nun werden Sie ja vielleicht aus dem, was ich Ihnen bisher dar­gestellt habe, gesehen haben, daß das Allerwichtigste im Menschen zwei Dinge sind. In seinem ganzen Organismus sind zwei Dinge das Aller­wichtigste. Das erste ist das Blut; denn würde der Mensch das Blut nicht haben, so müßte er sofort sterben. Er würde nicht sein Leben in jedem Augenblick erneuern können, und das Leben muß in jedem Augenblick erneuert werden. Also, denken Sie sich das Blut aus dem Körper fort, dann ist der Mensch ein toter Gegenstand. Aber auch wenn Sie sich die

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Nerven fortdenken, so könnte der Mensch zwar geradeso ausschauen, wie er ausschaut, aber er würde kein Bewußtsein haben; er würde nichts vorstellen können, nichts fühlen können, würde sich nicht bewegen können. Wir müssen uns also sagen: Daß der Mensch ein bewußter Mensch ist, dazu braucht er die Nerven. Daß der Mensch überhaupt leben kann, dazu braucht er das Blut. Also das Blut ist das Organ des Lebens; die Nerven sind das Organ des Bewußtseins.

Aber jedes Organ hat Nerven und hat Blut. Und das menschliche Auge ist ja eigentlich im Grunde genommen wirklich ein ganzer Mensch und hat Nerven und Blut, und zwar so, daß, wenn Sie sich vorstellen, hier kommt das Auge aus dem Kopfe heraus (siehe Zeichnung), so breiten sich in diesem Auge die Blutäderchen aus. Viele Blutäderchen breiten sich aus. Und dann breiten sich viele Nerven aus. Also Sie sehen, was Sie in der Hand haben, Nerven und Blutströmungen, das haben Sie auch im Haupte.


Nun ist es im Auge so: ja, denken Sie sich einmal, auf das Auge wirkt die Außenwelt, die beleuchtet ist. Sehen Sie, Sie können sich am besten die Außenwelt vorstellen, die beleuchtet ist. Allerdings, am Tage ist die Außenwelt, in der Sie herumgehen, beleuchtet. Aber es ist schwer, von dieser ganz beleuchteten Außenwelt einen Begriff zu bekommen. Einen wahren Begriff bekommen Sie, wenn Sie sich die halbbeleuchtete Außenwelt am Morgen und Abend vorstellen, wo Sie die Morgen- und Abendröte um sich herum sehen. Die Morgen- und Abendröte sind be­sonders lehrreich.

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Denn, was ist bei der Morgen- und Abendröte eigentlich vorhanden? Stellen Sie sich einmal den Sonnenaufgang vor (siehe Zeichnung). Die Sonne kommt herauf. Wenn die Sonne heraufkommt, dann kann sie noch nicht geradehin auf Sie leuchten. Ich zeichne jetzt den scheinbaren Lauf, wie wir es sehen; in Wirklichkeit bewegt sich die Erde, und die Sonne steht still, aber das macht ja nichts. Also die Sonne schickt zuerst ihre Strahlen hierher, und dann hierher. Wenn Sie also da stehen, sehen Sie bei der Morgenröte nicht die Sonne, sondern Sie sehen die beleuchte­ten Wolken. Da sind Wolken. Auf diesen Wolken sitzt eigentlich das Licht.


Nun, meine Herren, was ist das eigentlich? Das ist sehr lehrreich. Weil die Sonne noch nicht ganz heroben ist, ist es hier noch dunkel; um Sie herum ist es ja noch dunkel, und da, in der Ferne, sind die von der Sonne beleuchteten Wolken. Kann man das verstehen? Sie sehen also, wenn Sie da stehen, durch die Dunkelheit, die um Sie herum ist, dort die beleuchteten Wolken. Sie sehen Licht durch die Dunkelheit. So daß wir sagen können: Bei der Morgenröte - und bei der Abendröte ist es ja ebenso - sieht man Licht durch Dunkelheit. Und Licht durch Dunkel­heit gesehen, das können Sie an der Morgen- und Abendröte sehen, sieht rot aus. Licht durch Dunkelheit gesehen, sieht rot aus. Also wir können sagen: Wenn man Licht durch Dunkelheit sieht, so sieht das rot aus. Licht durch Dunkelheit gesehen ist rot.

Jetzt will ich Ihnen etwas anderes sagen. Denken Sie sich, Sie haben

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die Morgenröte bereits vorbei, sind am Tage, sehen zum Beispiel, wie es heute der Fall ist, frei in die Luft. Was sehen Sie da draußen? Sie sehen den sogenannten blauen Himmel. Er ist zwar nicht da, aber Sie sehen ihn doch. Das geht zwar bis in alle Unendlichkeit fort, aber Sie sehen doch, wie wenn er sich wie eine blaue Schale um die Erde herum­legen würde. Warum ist das?

Nun, Sie brauchen sich nur zu überlegen, wie es da draußen ist im weiten Weltenraum: es ist nämlich finster. Der weite Weltenraum ist finster. Die Sonne scheint nur auf die Erde, und dadurch, daß um die Erde Luft ist, dadurch verfangen sich die Sonnenstrahlen und machen hier Licht, namentlich wenn sie durch die wässerige Luft scheinen. Aber draußen in dem weiten Weltenraum ist es absolut schwarz, dunkel. So daß, wenn man bei Tag da steht, man ins Dunkel hineinschaut, und man müßte eigentlich schwarz sehen. Aber man sieht es nicht schwarz, sondern blau, weil es ringsherum beleuchtet ist von der Sonne. Die Luft und das Wasser in der Luft, die sind beleuchtet.

Da sehen Sie also ganz klar Finsternis durch das Licht durch. Sie schauen durch das Licht durch, durch die Beleuchtung durch in die Fin­sternis hinein. Also wir können sagen: Finsternis durch Licht ist blau.

Da haben Sie die zwei Grundgesetze der Farbenlehre, die Sie einfach an der Umgebung ablesen können. Wenn Sie die Morgen- und Abend­röte richtig verstehen, so sagen Sie sich: Licht durch Dunkelheit oder Licht durch Finsternis gesehen, ist rot. Wenn Sie am Tag hineinschauen in den schwarzen Himmelsraum, sagen Sie sich: Dunkelheit oder Fin­sternis durch Licht gesehen - weil es rings um Sie herum beleuchtet ist -, ist blau.

Sehen Sie, diese ganz natürliche Anschauung, die hat man immer gehabt, bis die Menschen «gescheit» geworden sind. Diese Anschauung, daß Licht durch Dunkelheit rot ist, Dunkelheit durch Licht blau ist, die haben die Alten gehabt, in Asien drüben, als sie noch so gescheit waren, wie ich es Ihnen letzthin einmal beschrieben habe. Diese Anschauung haben noch die alten Griechen gehabt. Diese Anschauung hat man noch durch das ganze Mittelalter hindurch gehabt, bis die Menschen gescheit geworden sind, bis so um das 14., 15., 16., 17. Jahrhundert herum. Und als sie gescheit geworden sind, da haben sie angefangen, nicht mehr auf

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das Natürliche zu gehen, sondern allerlei künstliche Wissenschaften aus­zudenken. Und einer derjenigen, der eine besonders künstliche Wissen­schaft über die Farben ausgedacht hat, das ist der Engländer Newton. Newton, der hat aus der Gescheitheit heraus - Sie wissen, wie ich jetzt das Wort Gescheitheit gebrauche, nämlich ganz im Ernst -, der hat sich aus der besonderen Gescheitheit heraus etwa so gesagt: Schauen wir den Regenbogen an - denn nicht wahr, wenn man gescheit wird, schaut man nicht dasjenige an, was natürlich ist, was jeden Tag er­scheint, Morgen- und Abendröte, sondern wenn man gescheit wird, schaut man das besonders Seltene an, dasjenige, was man erst verstehen sollte, wenn man schon weiter gekommen ist -, aber nun, der Newton sagte also: Schauen wir den Regenbogen an. Im Regenbogen sieht man nun sieben Farben, nämlich Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett. Es sind sieben Farben, die sieht man so nacheinander im Regen­bogen (es wird gezeichnet). Wenn Sie den Regenbogen anschauen, kön­nen Sie diese sieben Farben ganz einfach unterscheiden.

Nun hat Newton einen künstlichen Regenbogen gemacht, dadurch, daß er sein Zimmer verdunkelt hat, finster gemacht hat, das Fenster zu­geschlagen hat mit einem schwarzen Papier und in das Papier ein klei­nes Loch hinein gemacht hat. Da hatte er einen ganz kleinen Licht­streifen. Nun tat er in diesen Lichtstreifen das hinein, was man ein Prisma nennt, ein Glas, das so ausschaut, so ein dreieckiges Glas, und






hinter dem stellte er einen Schirm auf. So hatte er dort das Fenster mit dem Loch, diese kleine Lichtströmung, das Prisma, und dahinter den Schirm. Da erschien nun auch der Regenbogen; da erschien nun auch Rot, Orange, Gelb, Grün, Indigo, Violett, alle diese Farben. Was sagte sich nun Newton? Newton sagte sich: Da kommt das weiße Licht herein;

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mit dem Prisma kriege ich die sieben Farben des Regenbogens. Also sind die sieben Farben des Regenbogens schon in dem weißen Licht drinnen, und ich brauche sie nur herauszulocken. - Sehen Sie, das ist die einfachste Erklärung. Man erklärt etwas dadurch, daß man sagt: Es ist in dem, aus dem ich es heraushole, schon drinnen.

In Wirklichkeit hätte er sich sagen müssen: Dadurch, daß ich nicht eine richtige Glasplatte, sondern ein Prisma, also ein Glas mit einer solchen spitz zusammenlaufenden Fläche [dem Schirm] gegenüber­stelle, wird auf der einen Seite, wenn ich so hingucke, Licht durch Dunkelheit rot gemacht, da erscheint die rote Farbe, und auf der ande­ren Seite wird Dunkelheit durch Licht blau gemacht, da erscheint die blaue Farbe. Und was dazwischen ist, sind eben Abstufungen. Das hätte er sich sagen müssen.

Aber es ging um diese Zeit in der Welt alles darauf hinaus, so zu er­klären, daß man eigentlich nur alles da drinnen schon suchte, woraus man es eigentlich erklären sollte. Nicht wahr, das ist ja das Allereinfachste. Wenn man zum Beispiel erklären soll, wie der Mensch ent­steht, so sagt man: Nun ja, der ist schon im Ei der Mutter drinnen, da entwickelt er sich nur heraus. Das ist eine feine Erklärung, indem man sich sagt . . . (Lücke im Text.) - Wir haben es, wie Sie gesehen haben, nicht so gut. Wir müssen den ganzen Weltenraum zu Hilfe nehmen, der dann das Ei aus der Mutter erst herausbildet. Aber die Naturwissen­schaft geht darauf aus, alles da hinein . . . (Lücke im Text.) Newton hat also gesagt: Die Sonne enthält schon alle Farben, wir brauchen sie nur herauszuholen.

Aber so ist es gar nicht. Wenn die Sonne Rot erzeugen soll durch die Morgenröte, muß sie erst auf die Wolken scheinen, und wir müssen durch die Dunkelheit das Rot sehen. Und wenn der Himmelsraum blau erscheinen soll, so ist das gar nicht von der Sonne, denn da scheint die Sonne nicht herein, da ist es schwarz, finster, und das Blau sehen wir durch die erhellte Luft der Erde. Da sehen wir also Finsternis durch Licht = Blau.

Worauf es hinauskommt, das ist: man sollte eine ordentliche Physik machen, wo man dann sehen könnte, wie beim Prisma auf der einen Seite Licht durch Dunkelheit, auf der anderen Seite Dunkelheit durch

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Licht gesehen wird. Das ist aber den Leuten zu unbequem. Sie finden es am besten, wenn man sagt: Alles ist im Licht drinnen, und man holt es nur heraus. - Dann kann man auch sagen: Einst gab es in der Welt ein riesiges Ei, da war schon die ganze Welt drinnen, und aus dem holen wir alles heraus! - So hat es Newton mit den Farben gemacht. Aber in Wirklichkeit kann man das Geheimnis der Farben durchaus immer sehen, wenn man in der richtigen Weise die Morgenröte und die Him­melsbläue versteht.

Nun muß man nur weiter die ganze Sache im Verhältnis zu unserem Auge betrachten, und überhaupt zu dem ganzen Menschenleben. Sie wissen ja alle, daß es ein Wesen gibt, das durch das Rot, wo also das Licht durch die Dunkelheit wirkt, besonders aufgeregt wird: das ist der Stier. Der Stier wird bekanntlich durch das Rot furchtbar aufgeregt. Das wissen Sie auf der einen Seite. Und so ein bißchen etwas von der Stiernatur hat ja der Mensch auch. Er wird zwar nicht durch das Rot direkt aufgeregt, aber Sie werden sofort wahrnehmen, daß der Mensch, wenn er immerfort bei rotem Lichte lebt, dann schon auch ein bißchen aufgeregt wird. Er wird ein bißchen stierhaft. Ich habe sogar Dichter ken­nengelernt, die haben nicht dichten können, wenn sie ihre gewöhnliche Körperverfassung hatten; da haben sie sich immer in Zimmer gesetzt, wo sie über die Beleuchtungskörper solch einen roten Schirm drüber ge­macht haben. Nachher sind sie aufgeregt geworden und haben dichten können. Nun, der Stier wird wild; der Mensch kann auf diese Weise sogar dichterisch werden, wenn er sich dem Rot aussetzt! Es kommt nur darauf an, ob man es von außen oder innen tut, dieses Beleben zum Dichten! Das ist auf der einen Seite der Fall.

Auf der anderen Seite werden Sie auch wissen, daß wenn die Men­schen, die solche Sachen durchschauen, andere Menschen, die es nicht durchschauen, besonders zahm, so recht demütig machen wollen, die blaue Farbe anwenden, oder die schwarze Farbe, direkt schwarz. So wird zum Beispiel, wenn im Katholizismus der Advent kommt, wo die Menschen demütig werden sollen, die Kirche, aber vor allem die Meß­gewänder blau gemacht. Die Menschen werden zahm, demütig. Der Mensch fühlt sich dann innerlich mit in der demutsvollen Stimmung. Besonders wenn der Mensch sich zuerst ausgetobt hat wie ein Stier, wie

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zum Beispiel bei der Fastnacht das der Fall sein konnte, dann läßt man darauf die richtige Fastenzeit folgen, und nicht nur dunkle Gewänder, [sondern sogar] schwarze Gewänder. Da wird dann der Mensch über sein Austoben zahm. Nur sollte dort, wo man sogar zwei Fastnachts­sonntage hat, auch die Fastenzeit aufs Doppelte ausgedehnt werden! Ich weiß nicht, ob das geschieht. Aber Sie sehen daraus, daß das auf den Menschen in ganz verschiedener Weise wirkt, ob er das Licht durch das Dunkle wahrnimmt, also das Rote, oder ob er Finsternis, Dunkelheit durch das Licht wahrnimmt, also das Blaue.

Betrachten Sie nun das Auge. Da drinnen haben Sie Nerven und Blut. Wenn das Auge auf das Rote schaut, also sagen wir, auf die Mor­genröte oder überhaupt auf etwas Rotes schaut, was erlebt da das Auge? Sehen Sie, wenn das Auge auf das Rote schaut, dann werden im Auge diese ganz feinen Blutäderchen von dem roten Licht durchzogen. Und dieses rote Licht hat die Eigentümlichkeit, daß es das Blut immer ein bißchen zerstört. Es zerstört aber den Nerv mit, denn der Nerv kann auch nur leben, wenn er vom Blut durchzogen ist. Wenn das Auge dem Rot gegenübersteht, wenn das Rot hereinkommt, dann wird immer das Blut im Auge etwas zerstört, der Nerv mit zerstört. Der Stier empfindet einfach, wenn er dem Rot gegenübersteht: Donnerwetter, da wird mir ja mein ganzes Blut zerstört im Kopf! Da muß ich mich wehren dagegen! -Da wird er wild, weil er sich sein Blut nicht zerstören lassen will.

Nun, dies ist aber sehr gut, wenn nicht gerade beim Stier, aber beim Menschen und bei anderen Tieren. Denn wenn wir nun ins Rote schauen und unser Blut etwas zerstört wird, dann wirkt auf der anderen Seite der ganze Körper so, daß wir wieder besser den Sauerstoff ins Auge hineinleiten, damit das Blut wieder hergestellt werden kann.

Bedenken Sie, was da für ein wunderbarer Vorgang geschieht: Wenn Licht durch Dunkelheit, also Rot, gesehen wird, so wird zunächst Blut zerstört, Sauerstoff aus dem Körper gesogen und das Auge belebt durch den Sauerstoff. Und jetzt wissen wir an unserem eigenen Lebhaftwerden im Auge: da ist Rot draußen. Aber damit wir dieses Rot wahrnehmen können, muß uns zuerst im Auge ein bißchen das Blut zerstört werden, der Nerv zerstört werden. Wir müssen ins Auge Leben hineinschicken, das heißt Sauerstoff hineinschicken. Und an unserem eigenen Aufleben

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des Auges, an diesem Aufwachen des Auges merken wir: da draußen ist Rot.

Nun, sehen Sie, dadurch, daß der Mensch also richtig das gerötete Licht wahrnimmt, daß der Mensch immer richtig das gerötete Licht auf­nehmen kann, darauf beruht ja eigentlich auch seine Gesundheit. Denn der Sauerstoff, der da aus dem Körper aufgenommen wird, der belebt dann den ganzen Körper, und der Mensch selber bekommt eine gesunde Gesichtsfarbe. Er kann richtig sich beleben.

Das ist nicht nur bei dem der Fall, dessen Auge gesund ist und der sieht, sondern das ist auch bei dem der Fall, dessen Auge nicht gesund ist und der nicht sieht; denn das Licht wirkt durch die hellen Farben; dann wird er belebt im Kopfe, und diese Belebung, die wirkt wiederum auf den ganzen Organismus und gibt ihm eine gesunde Farbe. So daß wir, wenn wir im Lichte leben und richtig das Licht aufnehmen können, dann die gesunde Farbe kriegen.

Es ist also schon sehr wichtig, daß der Mensch nicht in finsteren Räumen aufgezogen wird, wo er tot und demütig werden könnte, son­dern daß der Mensch in hellen, rötlichen oder gelblichen Räumen auf­gezogen wird, wo er den Sauerstoff, den er im Inneren hat, auch wirk­lich durch das Licht richtig verarbeitet. Daraus sehen Sie aber, daß alles, was mit dem Roten zusammenhängt, beim Menschen eigentlich mit der Entwickelung des Blutes zusammenhängt. Der Nerv wird eigentlich, wenn wir Rot wahrnehmen, zerstört.

Jetzt denken Sie sich, wir sehen Finsternis durch Licht, also Blau. Die Finsternis zerstört uns das Blut nicht; die Finsternis läßt uns das Blut unzerstört. Der Nerv bleibt also auch unzerstört, weil sein Blut in Ordnung bleibt. Die Folge davon ist, daß der Mensch sich innerlich so

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recht wohl fühlt. Weil das Blut und der Nerv nicht angegriffen werden vom Blau, fühlt sich der Mensch innerlich so recht wohl. Und beim Demütigmachen, da ist eigentlich etwas Raffiniertes dabei. Wenn näm­lich, sagen wir, da oben am Altare die Priester in den blauen Gewän­dern oder in den schwarzen Gewändern sind und unten die Leute sitzen, dann werden ihnen durch die blauen Gewänder, wenn sie immer hin­gucken, die Blutadern und die Nerven in dem Auge nicht zerstört, und natürlich fühlen sie sich furchtbar wohl darinnen. Es ist eigentlich auf das Wohlbefinden der Leute berechnet. Glauben Sie nur nicht, daß man das nicht weiß! Denn die haben ja noch die alte Wissenschaft. Die neuere Wissenschaft ist ja erst bei den aufgeklärten Menschen entstanden, bei solchen aufgeklärten Menschen wie zum Beispiel Newton.

Und so können wir sagen: Das Blau ist dasjenige, was dem Menschen innerliches Wohlbehagen bereitet, wo er sich sagt - das ist alles un­bewußt, aber innerlich sagt er sich: Da kann ich leicht leben, in dem Blau. Da fühlt sich der Mensch innerlich, während er bei dem Roten fühlt, als ob in ihn etwas eindringen würde. Man könnte sagen beim Blau: Der Nerv bleibt unzerstört, und der Körper schickt sein Wohl­gefühl ins Auge und dadurch in den ganzen Körper.

Sehen Sie, das ist der Unterschied zwischen den blauen Farben und den roten Farben. Und Gelb ist ja nur eine Abstufung des Roten, und Grün ist eine Abstufung des Blauen. So daß man sagen kann: Je nach­dem Nerv oder Blut im Menschen tätig ist, je nachdem empfindet er mehr rot, oder er empfindet mehr blau.

Sehen Sie, das kann man nun auf die Farbkörper anwenden. Wenn ich also versuchen will, für die Malerei ein Rot, eine rote Farbe richtig zu erzeugen, so muß ich eine Farbe erzeugen, die diejenigen Stoffe ent­hält, welche den Menschen anregen, innerlich Sauerstoff zu entwickeln. Und da kommt man nach und nach darauf, daß man eigentlich rote Farbe bekommt für die Malerei, wenn man versucht, die Stoffe der Außenwelt darauf zu prüfen, wieviel Kohlenstoff sie enthalten. Wenn ich den Kohlenstoff in der richtigen Weise mit anderen Substanzen zu­sammen verwende, bekomme ich das Geheimnis des Rotmachens meiner Malerfarbe heraus. Wenn ich also Pflanzen verwende, um Malerfarben zu bekommen, so kommt es vor allen Dingen darauf an, daß ich meine

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Vorgänge, also Zerkleinerung, Verbrennung und so weiter, so einrichte, daß ich in der richtigen Weise dann in der Malerfarbe den Kohlenstoff darinnen habe. Wenn ich den Kohlenstoff in der richtigen Weise darin­nen habe, so bekomme ich die helle, die rötliche Farbe heraus. Wenn ich dagegen namentlich solche Stoffe habe, die viel Sauerstoff haben - also nicht Kohlenstoff, sondern Sauerstoff -, wenn es mir gelingt, den Sauer­stoff als Sauerstoff hineinzukriegen, so bekomme ich die mehr dunklen Farben, also das Blau heraus.

Wenn ich das Lebendige in der Pflanze erkenne, so kann ich von dem auch wirklich meine Farben erzeugen.

Denken Sie sich, ich nehme eine Sonnenblume. Die ist ganz gelb, hat also eine helle Farbe. Gelb ist nahe dem Roten: Licht durch Dunkelheit gesehen. Wenn ich nun eine Sonnenblume so behandle, daß ich den rich­tigen Vorgang, der in der Blüte sitzt, noch in meine Malerfarbe irgend­wie hereinbekomme, dann habe ich eine gute gelbe Farbe, der das äußere Licht nicht viel anhaben kann; denn die Sonnenblume, die Blüte, die hat schon der Sonne das Geheimnis, Gelb zu erzeugen, gestohlen. Bekomme ich also denselben Vorgang, der in der Blüte der Sonnenblume sitzt, richtig in meine Malerfarbe hinein, so kann ich, wenn ich sie dick genug kriege, das Gelb ordentlich auftragen.

Nehme ich aber eine andere Pflanze, zum Beispiel die Zichorie, die blau blüht - diese blaue Blume, die an den Wegrändern wächst; sie wächst ja auch hier -, wenn ich diese blaue Pflanze habe, und ich will aus der Blüte heraus eine Malerfarbe bereiten, so kann ich das nicht; ich bekomme nichts von ihr. Dagegen [bekomme ich etwas von ihr], wenn ich die Wurzel in der richtigen Weise behandle; da sitzt drinnen der Vorgang, der eigentlich die Blüte blau macht.

Wenn Gelb in der Blüte ist, so geht in der Blüte selber das vor, was Gelb macht; wenn aber Blau in der Blüte ist, so sitzt der Vorgang in der Wurzel und er drängt sich nur hinauf gegen die Blüte. Da muß ich also aus der Indigopflanze, wo ich ein dunkleres Blau bekomme, oder aus der Zichorie, aus dieser blauen Blume, wenn ich eine blaue Maler­farbe herstellen will, die Wurzel verwenden. Die muß ich chemisch so weit bringen, daß sie mir die blaue Farbe abgibt.

Und auf diese Weise kann ich durch ein wirkliches Studium darauf

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kommen, wie ich aus der Pflanze die Malerfarben kriege. Das kann ich auf dem Wege von Newton nicht, der einfach sagt: Nun ja, in dem Sonnenlicht ist alles drinnen, ich muß es nur herausholen. Das kann man höchstens auf die Geldbörse anwenden. Alles, was ich ausgebe für einen Tag, muß ich morgens drinnen haben in der Geldbörse. So stel­len es sich die ganz gescheiten Leute vor, wie einen Sack, in dem alles drinnen ist. Das ist aber nicht der Fall.

Man muß wissen, wie zum Beispiel das Gelb in der Sonnenblume drinnen ist oder in dem Löwenzahn. Man muß wissen, wie das Blau in der Zichorie drinnen ist. Die Vorgänge, die Zichorien- oder Indigo­blau machen, liegen in der Wurzel; während die Vorgänge, die die Sonnenblume oder den Löwenzahn gelb machen, in der Blüte liegen. Und so muß ich in einer lebendig gewordenen Chemie den Blüten­prozeß der Pflanze nachahmen und bekomme die helle Farbe. Ich muß den Wurzelprozeß der Pflanze nachahmen und erhalte da die dunkle Farbe.

Sehen Sie, das, was ich Ihnen da erzählt habe, ist auf der einen Seite das, was sich dem wirklichen menschlichen Verstand ergibt, wäh­rend im Grunde genommen diese Geschichte beim Regenbogen mit dem Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett keine Wirklichkeit ist.

Nun hat sich in der Geschichte das so abgespielt, daß, als Goethe lebte, überhaupt schon alle Leute an dasjenige geglaubt haben, was Newton gelehrt hat: Die Sonne ist der große Sack, und da stecken die sogenannten sieben Farben drinnen. Die braucht man nur herauszukitzeln, da kommen sie zum Vorschein. Das haben alle Leute ge­glaubt. Das ist gelehrt worden, wird ja heute noch gelehrt.

Goethe, der war nun so, daß er nicht gleich alles geglaubt hat, son­dern er wollte sich so ein bißchen überzeugen von den Dingen, die überall gelehrt werden. Sonst sagen die Menschen: Wir sind nicht autoritätsgläubig. Aber wenn es darauf ankommt, das zu glauben, was an den Lehrstühlen gelehrt wird, dann sind die Leute natürlich heute furchtbar autoritätsgläubig, glauben alles, was gelehrt wird. Goethe hat nun nicht alles ohne weiteres glauben wollen und hat sich deshalb die Apparate, mit denen man das beweist, also solch ein Prisma und

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ähnliche Apparate, ausgeliehen von der Universität in Jena, hat also sich gedacht: Jetzt werde ich das auch einmal machen, was die Profes­soren vormachen, und sehen, wie es eigentlich ist.

Nun ist Goethe nicht gleich dazu gekommen und hat die Apparate ziemlich lange bei sich gehabt, ohne daß er dazu gekommen ist. Er hatte gerade anderes zu machen in der Zeit. Und da ist dem Hofrat Büttner, der die Apparate wieder gebraucht hat, die Zeit zu lang ge­worden, und er wollte die Apparate wieder abholen lassen. Da hat Goethe gesagt: Jetzt muß ich geschwind die Geschichte machen! - und hat doch wenigstens, als er schon beim Einpacken war, durch das Prisma geschaut. Er sagte sich: Die weiße Wand muß dann schön in Regenbögen erscheinen, wenn ich da durchschaue; statt Weiß muß da Rot, Gelb, Grün und so weiter erscheinen. - Er hat also durchgeguckt und freute sich schon, daß er nun die ganze Wand in diesen bunten Farben sehen werde, aber er sah nichts: Die Wand ist weiß wie früher, die Wand ist einfach weiß. Da war er natürlich aufs höchste über­rascht. Was ist denn da dahinter, fragte er sich. Und sehen Sie, aus diesem ist seine ganze Farbenlehre hervorgegangen. Er hat gesagt: Man muß die ganze Sache jetzt noch einmal kontrollieren. Die Alten haben gesagt: Licht durch Dunkelheit gesehen = Rot, Finsternis durch Licht = Blau; wenn ich das Rot etwas abstufe, wird Gelb; wenn ich das Blau bis zum Rot hinaufsteigere, so wird das Blau Grün nach der einen Seite, Violett nach der anderen Seite. Das sind Abstufungen. Und er hat nun seine Farbenlehre, und zwar besser, als sie früher im Mittelalter vorhanden war, ausgearbeitet.

Und nun haben wir heute eine Physiker-Farbenlehre mit dem Sack, aus dem die sieben Farben herauskommen, die überall gelehrt wird, und wir haben eine Goethesche Farbenlehre, die richtig das Himmels­blau versteht, richtig die Morgen- und Abendröte versteht, wie ich es Ihnen selber jetzt erklärt habe.

Aber es gibt einen gewissen Unterschied zwischen der Newtonschen Farbenlehre und der Goetheschen Farbenlehre. Den merken zunächst die anderen Menschen nicht; denn die anderen Menschen, die schauen auf der einen Seite auf die Physiker hin. Da wird ihnen die Newtonsche Farbenlehre gelehrt, die steht überall in den Büchern. Man kann

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sehr gescheit sich nun ausmalen, wie da Rot, Orange, Gelb, Grün und so weiter beim Regenbogen erscheint. Nun ja, da ist die Sache nicht so, daß ein Prisma da ist! Aber man denkt nicht weiter nach . . . [Lücke im Text.] Die Newtonianer wissen es schon, aber sie gestehen sich es nicht ein. Wenn man nämlich durchschaut durch den Regen auf der einen Seite, da sieht man durch den von der Sonne beleuchteten Regen die Finsternis, sieht auf der Seite das Blau des Regenbogens. Dann sieht man aber auch vorne die Fläche, wo man Licht sieht durch die Dunkel­heit durch, und sieht auf der anderen Seite das Rote. Also man muß alles nach dem einheitlichen Prinzip erklären: Licht durch Dunkelheit ist rot, Finsternis durch Licht ist blau.

Aber wie gesagt, auf der einen Seite sehen die Leute, wie ihnen die Physiker alles erklären, und auf der anderen Seite gucken die Leute Gemälde an, wo die Farben verwendet sind. Nun ja, da fragen sie dann nicht weiter, wie das ist mit dem Rot und Gelb und so weiter, bringen die zwei Dinge nicht zusammen.

Ja, meine Herren, der Maler muß sie zusammenbringen. Derjenige, der malen will, muß sie zusammenbringen. Der muß nicht nur wissen: Da ist ein Sack, und da sind alle Farben drinnen - denn den Sack hat er ja nicht, nirgends -, sondern er muß aus der lebendigen Pflanze oder anderen lebendigen Stoffen das Richtige herausbekommen, damit er seine Farben richtig mischen kann, muß verstehen ... [Lücke im Text.] Deshalb ist der Zustand heute so, daß die Maler wirklich nachdenken, es gibt auch Maler, die nicht nachdenken, die einfach sich ihre Farben kaufen; aber die Maler, die nachdenken, wie sie diese Farben bekom­men und wie sie diese Farben verwenden sollen, die sagen: Ja, mit der Goetheschen Farbenlehre, da ist etwas anzufangen. Die sagt uns etwas. Mit der Newtonschen, mit der Physiker-Farbenlehre können wir Maler nichts anfangen. - Also das Publikum, das bringt eben das Malen und die physikalische Farbenlehre nicht zusammen, aber der Maler! Und der liebt daher auch die Goethesche Farbenlehre. Der Maler sagt sich: Ach Gott, um die Physiker, um die kümmern wir uns nicht; die sagen etwas auf ihrem eigenen Gebiet. Die mögen tun, was sie wollen. Wir halten uns an die alte und an die Goethesche Farbenlehre. - Nur be­trachten die Maler sich als Künstler und betrachten sich nicht wirklich

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so, daß sie nun eingreifen müssen in die Lehren der Physiker. Das ist ja auch unbequem. Da kommen Gegnerschaften und so weiter.

So liegen heute die Sachen zwischen dem, was über die Farben in den Büchern steht, und dem, was wahr ist. Bei Goethe war es einfach die Verteidigung der Wahrheit, was ihn dazu getrieben hat, gegen die Newtonsche und die ganze moderne Physik sich aufzulehnen. Und man kann nicht wirklich die Natur verstehen, ohne daß man auch zur Goetheschen Farbenlehre kommt. Und deshalb ist es ganz natürlich, daß in einem Goetheanum auch die Goethesche Farbenlehre verteidigt wird. Aber dann, wenn man nicht nur auf irgendwelchem religiösen oder sitt­lichen Gebiete bleibt, sondern nun auch noch eingreift in die einzelnsten Teile der Physik, so hat man auch noch die Meute der Physiker auf sich.

Also, Sie sehen, die Verteidigung der Wahrheit, die ist schon etwas, was in der heutigen Zeit außerordentlich schwierig ist. Aber Sie sollten sich nur einmal davon unterrichten, auf welche komplizierte Weise die Himmelsbläue erklärt wird von den heutigen Physikern! Natürlich, wenn ich von einem falschen Prinzip ausgehe, und ich will dann das Einfache erklären, daß der schwarze Weltenraum blau erscheint durch die Helligkeit durch, dann muß ich eine furchtbar komplizierte Erklä­rung daraus machen. Und erst Morgen- und Abendröte! Diese Kapitel beginnen meist so, daß da steht: Ja, das Himmelsblau kann man eigent­lich heute noch nicht richtig erklären; man könnte sich dies oder jenes vorstellen. - Ja, mit alledem, was die Physiker haben mit ihrem kleinen Loch, über das sich Goethe so lustig gemacht hat, durch das sie ins Zim­mer herein das Licht kommen lassen, um mit der Finsternis das Licht zu untersuchen, mit alledem kann man eben die einfachste Sache nicht erklären. Und so kommt es dahin, daß man überhaupt nichts mehr von der Farbe versteht.

Versteht man, daß die Blutzerstörung und dadurch gerade die Be­lebung . . . (Lücke im Text) - denn wenn ich zerstörtes Blut in mir habe durch das Licht, so rufe ich allen Sauerstoff in mir auf, und ich belebe mich, da kommt die Gesundheit des Menschen zustande. Habe ich Dunkelheit um mich oder immerfort Bläuliches, ja, dann will ich mich immerfort beleben; dann belebe ich mich zuviel und werde gerade durch das Beleben blaß, weil ich zuviel Leben in mich hineinschoppe. Und so

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kann man auf der einen Seite die gesunde Rötung des Menschen ver­stehen aus der Sauerstoffaufnahme, wenn der Mensch richtig dem Lichte sich aussetzt, und man kann die Blaßheit verstehen aus der fortwähren­den Aufnahme von Kohlensäure. Kohlensäure, das Gegenteil von Sauerstoff, die will nun in meinen Kopf herein. Das macht mich nun ganz blaß.

Heute haben Sie in Deutschland zum Beispiel fast lauter blasse Kin­der. Aber man muß verstehen, daß das von zuviel Kohlensäure her-


rührt. Und wenn der Mensch zuviel Kohlensäure entwickelt - Kohlen­säure besteht aus einer Verbindung von Kohlenstoff und Sauerstoff -, dann verwendet er den Kohlenstoff, den er in sich hat, zuviel zum Kohlensäurebilden. Also Sie haben dann in einem solchen blassen Kinde allen Kohlenstoff, den es in sich hat, fortwährend in Kohlensäure ver­wandelt. Dadurch wird es blaß. Was muß ich tun? Ich muß ihm etwas beibringen, wodurch dieses ewige Kohlensäure-Entwickeln im Inneren verhindert wird, wodurch der Kohlenstoff zurückbleibt. Das kann ich machen, wenn ich ihm etwas kohlensauren Kalk gebe. Dadurch werden dann, wie ich Ihnen von einem ganz anderen Gesichtspunkte aus gesagt habe, die Funktionen wiederum angeregt, und der Mensch behält den Kohlenstoff, den er braucht, verwandelt ihn nicht fortwährend in Koh­lensäure.

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Und dadurch, weil die Kohlensäure aus Kohlenstoff und Sauerstoff besteht, kommt der Sauerstoff in den Kopf hinauf und be­lebt die Kopfprozesse, die Lebensprozesse. Wenn der Sauerstoff aber an die Kohlensäure abgegeben wird, werden die Lebensfunktionen unterdrückt.

Bringe ich also zum Beispiel einen blassen Menschen in eine Gegend, wo er viel Licht hat, dann wird er angeregt, nicht seinen Kohlenstoff fortwährend an die Kohlensäure abzugeben, weil das Licht den Sauer­stoff in den Kopf hinaufsaugt. Dann wird er wieder eine gesunde Farbe kriegen. Ebenso kann ich durch den kohlensauren Kalk das anregen, indem ich den Sauerstoff erhalte, so daß der Mensch den Sauerstoff zu seiner Verfügung hat.

So muß alles ineinandergreifen. Man muß von der Farbenlehre aus Gesundheit und Krankheit begreifen können. Das können Sie nur von der Goetheschen Farbenlehre aus, weil die einfach auf naturgemäße Weise in der Natur drinnensteht, niemals mit der Newtonschen Farben­lehre, die einfach etwas Ausgedachtes ist, und die gar nicht in der Natur drinnensteht, die eigentlich die einfachsten Erscheinungen, Morgen- und Abendröte und den blauen Himmel, nicht erklären kann.

Nun möchte ich Ihnen aber noch etwas sagen. Denken Sie sich jetzt die alten Hirtenvölker, die also ihre Herden hinausgetrieben haben und dann im Freien geschlafen haben. Die waren während ihres Schlafes gar nicht einmal dem blauen, sondern dem dunklen Himmel ausgesetzt. Und da droben sind die unzähligen, leuchtenden Sterne [es wird ge­zeichnet]. Nun denken Sie sich also den dunklen Himmel, und da drauf


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unzählige leuchtende Sterne, und da drunten den schlafenden Men­schen. Von dem dunklen Himmel, da geht jetzt aus der Prozeß der Beruhigung des Menschen, des innerlichen Wohlseins im Schlafe. Der ganze Mensch wird von der Finsternis durchdrungen, so daß er inner­lich ruhig wird. Der Schlaf geht von der Finsternis aus. Aber da schei­nen auf den Menschen diese Sterne. Und überall, wo ein Sternenstrahl hinscheint, da wird der Mensch innerlich ein bißchen aufgeregt. Da geht vom Körper aus ein Sauerstoff strahl. Und diesen Sternenstrahlen kom­men lauter Sauerstoffstrahlen entgegen, und der Mensch wird innerlich ganz von solchen Sauerstoffstrahlen durchzogen. Und er wird innerlich ein Sauerstoff-Spiegelbild vom ganzen Sternenhimmel.

Also die alten Hirtenvölker haben den ganzen Sternenhimmel auf­genommen in ihre beruhigten Körper wie in Bildern, in Bildern, die der Sauerstoffverlauf in sie eingezeichnet hat. Dann wachten sie auf. Und sie hatten den Traum von diesen Bildern. Und sie hatten daraus ihre Sternenwissenschaft. Da haben sie dann diese wunderbare Sternen­wissenschaft ausgebildet. Sie haben nicht den Traum so gehabt, daß der Widder einfach so und so viel Sterne habe, sondern sie haben wirklich das Tier Widder gesehen, den Stier gesehen und so weiter, und haben dadurch in sich in Bildern den ganzen Sternenhimmel gefühlt.

Das ist dasjenige, was uns von den alten Hirtenvölkern als eine dich­terische Weisheit geblieben ist, die manchmal außerordentlich viel ent­hält, was heute noch lehrreich sein kann. Und verstehen kann man das, wenn man weiß: Der Mensch läßt einem jeden Lichtstrahl, einem jeden Sternenstrahl einen Sauerstoffstrahl entgegenstrahlen, wird ganz Him­mel, ein innerer Sauerstoffhimmel.

Und des Menschen inneres Leben ist ja ein Leben im Astralleib, denn er erlebt während des Schlafes den ganzen Himmel. Uns ginge es schlecht, wenn wir nicht von diesen alten Hirtenvölkern abstammen würden. Alle Menschen stammen nämlich von alten Hirtenvölkern ab. Wir haben noch immer, bloß durch Erbschaft, einen inneren Sternen­himmel zur Erkenntnis. Wir entwickeln das noch immer, obwohl schlechter als die Alten, und wir haben im Schlaf, wenn wir im Bette liegen, noch immer so eine Rückerinnerung an die Art und Weise, wie einmal der alte Hirte so im Felde gelegen hat und den Sauerstoff in

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sich hereinbekommen hat. Wir sind nicht mehr Hirten, aber haben noch etwas geerbt, haben auch noch etwas, können es nur nicht so schön aus­drücken, weil es schon abgeblaßt und abgedämmert ist. Aber die ganze Menschheit gehört eben zusammen. Und wenn man das, was der Mensch heute noch in sich trägt, erkennen will, muß man zurückgehen in die alten Zeiten. Alle Menschen auf der Erde sind überall von diesem Hir­tenstadium ausgegangen und haben eigentlich in ihren Leibern dasjenige geerbt, was noch von diesen Hirtenvölkern stammen konnte.

VON DER RAUMPERSPEKTIVE ZUR FARBEN PERSPEKTIVE Dornach, 2. Juni 1923

VON DER RAUMPERSPEKTIVE

ZUR FARBEN PERSPEKTIVE

Dornach, 2. Juni 1923


Gestern versuchte ich zu zeigen, wie anthroposophische Anschauung der Welt dazu führen muß, Künstlerisches wiederum in intensiverer Weise in die Zivilisation der Menschheit aufzunehmen, als dies unter dem Einflüsse des Materialismus, oder des Naturalismus, wie er sich im Künstlerischen zum Ausdrucke bringt, geschehen kann. Ich habe ver­sucht zu zeigen, wie, wenn ich mich so ausdrücken darf, der anthroposo­phische Blick die Erzeugnisse der Architektur, die ardiitektonische Form empfindet, und wie eine Kunst, die man heute eigentlich gar nicht als solche empfindet, bei der man lächelt, wenn man von ihr als Kunst spricht, wie die Bekleidungskunst empfunden wird. Dann habe ich noch aufmerksam darauf gemacht, wie der Mensch selbst in seiner Ge­staltung künstlerisch erfaßt werden kann, indem ich darauf hingewie­sen habe, wie das menschliche Haupt kosmisch bedingt ist und dadurch auf den ganzen Menschen in seiner Art hinweist.

Versuchen wir noch einmal, wichtige Momente dieser dreifach künstlerischen Anschauung der Welt vor uns hinzustellen. Wenn wir auf die architektonischen Formen sehen, so müssen wir in ihnen im Sinne der gestrigen Ausführungen etwas erblicken, was die Menschen­seele gewissermaßen erwartet, wenn sie in irgendeiner Weise, insbeson­dere durch den Tod, den physischen Leib verläßt. Sie ist, so sagte ich, während des physischen Erdenlebens gewöhnt, durch den physischen Leib in räumliche Beziehung zur Umgebung zu treten. Sie erlebt die Raumesformen, aber diese Raumesformen sind eigentlich nur Formen der äußeren physischen Welt. Indem nun die Menschenseele zum Bei­spiel mit dem Tode die physische Welt verläßt, sucht sie gewissermaßen dem Raum ihre eigene Form aufzudrücken. Sie sucht jene Linien, jene Flächen, überhaupt alle jene Formen, durch die sie aus dem Raume herauswachsen und in die geistige Welt hineinwachsen kann. Und dies sind im wesentlichen die architektonischen Formen, insofern die architektonischen Formen als künstlerische in Betracht kommen. So daß wir eigentlich immer blicken müssen auf das Verlassen des menschlichen

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Leibes durch die Seele und ihre Bedürfnisse nach ihrem Verlassen in bezug auf den Raum, wenn wir das eigentlich Künstlerische der Archi­tektur verstehen wollen.

Um das eigentlich Künstlerische der Bekleidung zu verstehen, habe ich auf die Bekleidungsfreudigkeit primitiver Völker hingewiesen, die noch wenigstens eine allgemeine Empfindung davon haben, daß sie aus der geistigen in die physische Welt heruntergestiegen sind, in den phy­sischen Leib untergetaucht sind, aber sich sagen als Seele: In diesem physischen Leibe finden wir etwas anderes als Umhüllung, als wir emp­finden können gemäß unserem Aufenthalte in der geistigen Welt. - Da entsteht das instinktive, empfindungsgemäße Bedürfnis, in solchen Far­ben und in solchen, wenn ich mich so ausdrücken darf, Schnitten eine Umhüllung zu suchen, die der Erinnerung aus dem vorirdischen Dasein entspricht. Bei primitiven Völkern sehen wir also in der Bekleidung gewissermaßen die ungeschickte Formung, ungeschickte Gestaltung des astralischen Menschenwesens, das der Mensch an sich gehabt hat, bevor er ins irdische Dasein heruntergestiegen ist. So sehen wir gewissermaßen in der Architektur immer einen Bezug auf das, was die Menschenseele erstrebt, wenn sie den physischen Körper verläßt. Wir sehen in der Bekleidungskunst, soweit diese als Kunst empfunden wird, dasjenige, was die menschliche Seele erstrebt, nachdem sie aus der geistigen Welt in die physische untertaucht.

Wenn man dann so recht empfindet, was ich gestern zuletzt dargestellt habe, wie der Mensch in seiner Hauptesbildung ist, die eine Metamor­phose seiner Leibesbildung außer dem Haupte aus dem vorigen Erden­leben ist, wenn man empfindet, wie das eigentlidie Ergebnis dessen, was sozusagen in der Himmelsheimat, in der geistigen Heimat durch die Wesen der höheren Hierarchien aus dem Kräftezusammenhang des vorigen Erdenlebens gemacht worden ist, dann hat man die mannig­faltigste Umwandelung des menschlichen Hauptes, den oberen Teil des menschlichen Hauptes sich zum Verständnis gebracht. Wenn man da­gegen alles das, was dem Mittelhaupte angehört, Nasenbildung, untere Augenbildung, richtig versteht, so hat man dasjenige, was aus der gei­stigen Welt in der Formung des Hauptes herüberkommt, schon an­gepaßt der Brustbildung des Menschen. Die Form der Nase steht in Beziehung

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zur Atmung, also zu dem, was eigentlich dem Brustmenschen angehört. Und wenn wir den unteren Teil des Hauptes, Mundbildung, Kinnbildung, richtig verstehen, so haben wir schon auch in dem Haupte einen Hinweis auf die Anpassung ans Irdische. So kann man aber den ganzen Menschen verstehen. Man kann in jeder Wölbung des Ober­hauptes, im Vorspringen oder Zurücktreten der unteren Schädel-, das heißt der Gesichtspartien, in alledem fühlen, wie in der Formung das übersinnliche Menschenwesen sich unmittelbar für das Auge darlebt. Und man kann dann jenes intime Verhältnis fühlen, welches das menschliche Oberhaupt, die Wölbung überhaupt, zu den Himmeln hat, dasjenige, welches die mittlere Partie des Gesichtes zu dem Umkreis der Erde hat, gewissermaßen zu alledem, was die Erde als Luft und als Ätherbildung umkreist, und man kann empfinden, wie in der Mund-

und Kinnbildung, die einen inneren Bezug zu dem ganzen Gliedmaßen­system des Menschen haben, zum Verdauungssystem, schon das an die Erde Gefesseltsein des Menschen sich ausdrückt. Man kann so rein künstlerisch den ganzen Menschen verstehen und stellt ihn als einen Abdruck des Geistigen in die unmittelbare Gegenwart hinein.

So kann man sagen: In der Plastik, in der Bildhauerkunst schaut man den Menschen geistig an, wie er in die Gegenwart hineingestellt ist, während die Architektur auf das Verlassen des Leibes durch die Seele hinweist und die Bekleidungskunst auf das Hineinziehen der Seele in den Leib. - Es weist gewissermaßen die Bekleidungskunst auf ein Vor­zeitliches in bezug auf das Erdenleben, die Architektur auf ein Nach­zeitliches in bezug auf das Erdenleben. Daher geht die Architektur, wie ich gestern ausgeführt habe, von Grabbauten aus. Dagegen die Plastik weist auf die Art und Weise, wie der Mensch in seiner Erdenform un­mittelbar am Geistigen teilnimmt, wie er das Irdisch-Naturalistische fortwährend überwindet, wie er in jeder seiner einzelnen Formen und in seiner ganzen Gestaltung der Ausdruck des Geistigen ist. Damit sind aber diejenigen Künste angeschaut, welche etwas mit Raumesformen zu tun haben, welche also hinweisen müssen auf die Verteilung des Verhältnisses der menschlichen Seele zur Welt durch den physischen Raumesleib.

Steigen wir noch um eine Stufe näher in das Raumlose herab, dann

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kommen wir von der Plastik, von der Bildhauerei in die Malerei hin­ein. Die Malerei wird nur richtig empfunden, wenn man mit dem Material der Malerei rechnen kann. Heute, im fünften nachatlantischen Zeitalter, hat die Malerei im gewissen Sinne gerade am klarsten, am stärksten den Charakter angenommen, der ins Naturalistische hinein­führt. Das zeigt sich am allermeisten dadurch, daß ein tieferes Ver­ständnis für das Farbige eigentlich in der Malerei verlorengegangen ist, und das malerische Verständnis in der neueren Zeit so geworden ist, daß es, ich möchte sagen, eigentlich ein verfälschtes plastisches Verständnis ist. Wir möchten heute den plastisch, den bildhauerisch empfundenen Menschen auf die Leinwand malen. Dazu ist auch die Raumesperspek­tive gekommen, die eigentlich erst im fünften nachatlantischen Zeit­raum heraufgekommen ist, die durch die Perspektive Linie ausdrückt, irgend etwas ist hinten, etwas anderes ist vorne, das heißt, sie will auf die Leinwand das räumlich Gestaltete zaubern. Damit wird von vorn­herein das erste, was zum Material des Malers gehört, verleugnet, denn der Maler schafft nicht im Räume, der Maler schafft auf der Fläche, und es ist eigentlich ein Unsinn, räumlich empfinden zu wollen, wenn man als erstes in seinem Material die Fläche hat.

Nun glauben Sie durchaus nicht, daß ich in irgendeiner phantasti­schen Weise mich gegen das räumliche Empfinden wende, denn in Rau­mesperspektive auf die Fläche hinzaubern, das war notwendig in der Entwickelung der Menschheit, das ist selbstverständlich, daß das einmal heraufgekommen ist. Aber es muß auch wiederum überwunden werden. Nicht als ob wir in der Zukunft die Perspektive nicht verstehen sollten. Wir müssen sie verstehen, aber wir müssen auch wiederum zur Farb­perspektive zurückkehren können, Farbperspektive wieder haben kön­nen. Dazu wird freilich nicht nur ein theoretisches Verständnis not­wendig sein, denn aus keinerlei Art von theoretischem Verstehen kommt eigentlich der Impuls zum künstlerischen Schaffen, sondern da muß schon etwas Kräftigeres, etwas Elementareres wirken als nur ein theore­tisches Verstehen. Das kann aber auch sein. Und dazu möchte ich Ihnen erstens nahelegen, wiederum einmal dasjenige anzuschauen, was ich über die Farbenwelt hier einmal gesagt habe, und was dann Albert Steffen in so wunderbarer Weise in seiner Art wiedergegeben hat, so

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daß die Wiedergabe viel besser zu lesen ist als das, was ursprünglich hier gegeben worden ist. Das kann im «Goetheanum» nachgelesen wer­den. Nun, das ist das erste. Das andere ist aber, daß ich einmal folgende Fragen vor Ihnen behandeln mödite. Wir sehen draußen in der Natur Farben. An den Dingen sehen wir Farben, an den Dingen, die wir zählen, die wir abwägen mit der Waage, die wir messen, kurz, die wir physikalisdi behandeln, an denen sehen wir Farben. Aber die Farbe, das müßte den Anthroposophen nach und nach ganz klar geworden sein, ist eigentlich ein Geistiges. Nun sehen wir sogar an Mineralien, das heißt an denjenigen Wesen der Natur, die zunächst nicht geistig sind, so wie sie uns entgegentreten, Farben. Die Physik hat sich das in der neueren Zeit immer einfacher und einfacher gemacht. Sie sagt: Nun ja, die Farben, die können nicht an dem Tot-Stofflichen sein, denn die Farben sind etwas Geistiges. Also sind sie nur in der Seele darinnen, und draußen ist erst recht etwas Tot-Stoffliches, da vibrieren stoffliche Atome. Die Atome tun dann ihre Wirkungen auf das Auge, auf den Nerv oder auf noch etwas anderes, was man dann unbestimmt läßt, und dann leben in der Seele die Farben auf. - Das ist nur eine Ver­legenheitserklärung.

Damit uns die Sache ganz klar wird, oder ich meine, damit sie an einem Punkt erscheint, wo sie wenigstens klar werden kann, betrachten wir einmal die farbige tote Welt, die farbige mineralische Welt. Wir sehen, wie gesagt, die Farben an dem rein Physikalischen, an dem rein Physischen, das wir zählen, das wir messen, das wir mit der Waage sei­nem Gewicht nach bestimmen können. Daran sehen wir die Farbe. Aber alles das, was wir mit der Physik an den Dingen wahrnehmen, das gibt keine Farbe. Sie können noch so viel herumrechnen, herumbestimmen mit Zahl, Maß und Gewicht, mit denen es der Physiker zu tun hat, Sie kommen nicht an die Farbe heran. Deshalb brauchte auch der Physiker das Auskunftsmittel: Farben sind nur in der Seele.

Nun möchte ich mich durch ein Bild erklären, das ich in der folgen­den Weise gestalten möchte. Denken Sie sich einmal, ich habe in meiner linken Hand ein rotes Blatt, in meiner rechten Hand ein, sagen wir, grünes Blatt, und ich mache vor Ihnen mit dem roten Blatte und mit dem grünen Blatte bestimmte Bewegungen. Ich decke einmal das Rot

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mit Grün, das andere Mal das Grün mit Rot zu. Ich mache solche Be­wegungen abwechselnd hin und her. Und damit die Bewegung etwas charakteristischer ist, mache ich es so, ich bewege das Grün so herauf, das Rot so herab, so daß ich außerdem die Bewegung so mache. Sagen wir, das habe ich heute vor Ihnen ausgeführt. Jetzt lassen wir drei Wo­chen vergehen, und nach drei Wochen bringe ich nun nicht ein grünes und ein rotes Blatt hierher, sondern zwei weiße Blätter, und ich mache dieselben Bewegungen damit. Nun wird Ihnen einfallen, der hat, trotz­dem er jetzt weiße Blätter hat, vor drei Wochen bestimmte Wahrneh­mungseindrücke hervorgerufen, die mit einem roten und mit einem grünen Blatt hervorgerufen waren. Und nehmen wir jetzt an, ich will aus Höflichkeit sagen, daß alle von Ihnen eine so lebhafte Phantasie haben, daß, trotzdem ich nun die weißen Blätter bewege, Sie durch Ihre Phantasie, durch Ihre erinnernde Phantasie dasselbe Phänomen vor sich sehen, das Sie vor drei Wochen mit dem roten und dem grünen Blatt gesehen haben. Sie denken gar nicht daran, so lebhaft ist Ihre Phantasie, daß das nur weiße Blätter sind, sondern, weil ich dieselben Bewegungen mache, sehen Sie dieselben Farbenharmonisierungen, die ich vor drei Wochen mit dem roten und mit dem grünen Blatt hervorgerufen habe. Sie haben das vor sich, was vor drei Wochen vor Ihnen war, trotzdem ich nicht wiederum ein rotes und ein grünes Blatt habe - ich habe gar keine Farben vor Ihnen zu entwickeln -, aber ich führe dieselben Gesten, die­selben Bewegungen aus, die ich vor drei Wochen ausgeführt habe.

Sehen Sie, etwas Ähnliches liegt draußen in der Natur vor, wenn Sie, sagen wir, einen grünen Edelstein sehen. Nur ist der grüne Edelstein nicht angewiesen auf Ihre seelische Phantasie, sondern er appelliert an die in Ihrem Auge konzentrierte Phantasie, denn dieses Auge, dieses menschliche Auge ist mit seinen Blut- und Nervensträngen aus Phan­tasie aufgebaut, es ist das Ergebnis wirksamer Phantasie. Und indem Sie den grünen Edelstein sehen, können Sie ihn, weil Ihr Auge ein phantasievolles Organ ist, gar nicht anders sehen als so, wie er vor un­ermeßlich langer Zeit geistig aus der grünen Farbe aus der geistigen Welt heraus aufgebaut ist. In demselben Momente, wo der grüne Edel­stein Ihnen entgegentritt, versetzen Sie Ihr Auge zurück in weit zu­rückliegende Zeiten, und das Grüne erscheint Ihnen deshalb, weil da­mals

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göttlich-geistige Wesenheiten diese Substanz durch die Grünfarbe im Geistigen aus der geistigen Welt heraus erschaffen haben. In dem Augenblick, wo Sie grün, rot, blau, gelb an Edelsteinen sehen, schauen Sie zurück in unendlidi ferne Vergangenheiten. Wir sehen nämlich gar nicht, wenn wir Farben sehen, bloß das Gleichzeitige, wir sehen, wenn wir Farben sehen, in weite Zeitperspektiven zurück. Wir können nämlich einen gefärbten Edelstein gar nicht bloß gegenwärtig sehen, ebensowenig wie wir, wenn wir unten am Fuß eines Berges stehen, meinetwillen oben eine Ruine, die am Gipfel ist, in unserer unmittel­baren Nähe sehen können. Weil wir eben von dem ganzen Faktum entfernt sind, müssen wir sie perspektivisch sehen.

Wenn nun ein Topas uns entgegentritt, können wir ihn nicht bloß im gegenwärtigen Augenblicke sehen; wir müssen hineinschauen in eine Zeitperspektive. Und indem wir, veranlaßt durch den Edelstein, in die Zeitperspektive hineinsehen, sehen wir auf den Urgrund des Erden­schaffens vor der lemurischen Epoche unserer Erdenentwickelung hin und sehen aus dem Geistigen heraus den Edelstein erschaffen, sehen ihn dadurch farbig. Da tut unsere Physik etwas ungeheuerlich Absurdes. Sie setzt diese Welt vor uns hin und dahinter schwingende Atome, welche die Farben in uns bewirken sollen, während es die vor unendlich langen Zeiten schaffenden göttlich-geistigen Wesenheiten sind, die in den Far­ben der Gesteine aufleben, die eine lebendige Erinnerung an ihr vor­zeitliches Schaffen erregen. Wenn wir die leblose Natur farbig sehen, so verwirklichen wir im Verkehr mit der leblosen Natur eine Erinne­rung an ungeheuer weit zurückliegende Zeiten. Und jedesmal, wenn im Frühling vor uns der grüne Pflanzenteppich der Erde auftaucht, so schaut derjenige, der dieses Auftauchen des Grünen in der Natur ver­stehen kann, nicht bloß Gegenwart, er schaut zurück in jene Zeit, da während eines alten Sonnendaseins aus dem Geistigen heraus die Pflan­zenwelt geschaffen worden ist und dieses Herausschaffen aus dem Gei­stigen in Grünheit geschah. Sie sehen, richtig sehen wir das Farbige in der Natur, wenn uns das Farbige anregt, vorzeitlidies Götterschaffen in dieser Natur zu schauen.

Dazu brauchen wir aber zunächst künstlerisch die Möglichkeit, mit der Farbe zu leben. Also zum Beispiel, wie ich öfter angedeutet habe #G291x-1980-SE171

und wie Sie es in den betreffenden Vorträgen im «Goetheanum» nach­lesen können, braudrt man die Möglichkeit, die Fläche als solche zu empfinden, wenn ich die Fläche mit Blau bestreiche, das Sich-Entfernen nach rückwärts; wenn ich sie mit Rot oder Gelb bestreiche, das Sich-Nähern nach vorwärts. Denn Farbenperspektive, nicht eine Linien­perspektive ist dasjenige, was wir uns wieder erobern müssen: Empfin­dung der Flädie, des Fernen und des Nahen nicht bloß mit der Linien­perspektive, die eigentlich immer durch eine Verfälschung das Plastische auf die Fläche zaubern will, sondern das Farbige auf der Fläche sich intensiv, nicht extensiv, fernend und nahend. So daß ich in der Tat gelb-rot male, wenn ich andeuten will, etwas ist aggressiv, etwas ist auf der Fläche, was mir gewissermaßen entgegenspringen will. Ist etwas in sich ruhig, fernt es sich von mir, geht es nach rückwärts, ich male es blau-violett. Intensive Farbenperspektive! Studieren Sie die alten Maler, Sie werden überall finden, es war selbst bei den Malern der frühen Renaissancezeit noch durchaus ein Empfinden für diese Farben­perspektive vorhanden. Sie ist aber überall vorhanden in der Vorrenaissancezeit, denn erst mit dem fünften nachatlantischen Zeitraum ist die Linienperspektive an die Stelle der Farbenperspektive, der inten­siven Perspektive getreten.

Damit gewinnt die Malerei aber ihre Beziehung zum Geistigen. Es ist schon merkwürdig, sehen Sie, heute denken die Menschen haupt­sächlich nach, wie können wir den Raum noch räumlicher machen, wenn wir über den Raum hinauskommen wollen? Und sie verwenden in die­ser materialistischen Weise eine vierte Dimension. Aber so ist diese vierte Dimension gar nicht vorhanden, sondern sie ist so vorhanden, daß sie die dritte vernichtet, wie die Schulden das Vermögen vernichten. Sobald man aus dem dreidimensionalen Raum herauskommt, kommt man nicht in einen vierdimensionalen Raum, oder man kommt meinet­willen in einen vierten dimensionalen Raum, aber der ist zweidimensio­nal, weil die vierte Dimension die dritte vernichtet und nur zwei übrigbleiben als reale, und alles ist, wenn wir uns von den drei Dimen­sionen des Physischen zum Ätherischen erheben, nach den zwei Dimen­sionen orientiert. Wir verstehen das Ätherische nur, wenn wir es nach zwei Dimensionen orientiert denken. Sie werden sagen, aber ich gehe

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doch auch im Ätherischen von hier bis hierher, das heißt nach drei Dimensionen. Nur hat die dritte Dimension für das Ätherische keine Bedeutung, sondern Bedeutung haben nur immer die zwei Dimensionen. Die dritte Dimension drückt sich immer durch das nuancierte Rot, Gelb, Blau, Violett aus, wie ich es auf die Fläche bringe, ganz gleichgültig, ob idi die Fläche hier habe oder hier, da ändert sich im Ätherischen nicht die dritte Dimension, sondern die Farbe ändert sich, und es ist gleich­gültig, wo ich die Fläche aufstelle, ich muß nur die Farben entsprechend ändern. Da gewinnt man die Möglichkeit, mit der Farbe zu leben, mit der Farbe in zwei Dimensionen zu leben. Damit aber steigt man auf von den räumlichen Künsten zu den Künsten, die wie die Malerei nun zweidimensional sind, und überwindet das bloße Räumliche. Alles, was in uns selber Gefühl ist, hat keine Beziehung zu den drei Raumdimen­sionen, nur der Wille hat zu ihnen Beziehung, das Gefühl nicht, das ist immer in zwei Dimensionen beschlossen. Daher finden wir, dasjenige, was gefühlsmäßig in uns ist, [das ist] der Möglichkeit nach wiederzugeben in dem, was die Malerei in zwei Dimensionen darleben kann, wenn wir die zwei Dimensionen wirklich richtig verstehen.

Sie sehen, man muß sich aus dem dreidimensionalen Materiellen her­auswinden, wenn man sich von der Architektur, der Bekleidungskunst und der Plastik zu dem Malerischen herauf entwickeln will. Damit hat man in der Malerei eine Kunst, von der man sagen kann, der Mensch kann das Malerische innerlich seelisch erleben, denn wenn er malerisch schafft oder malerisch genießt, so ist es zunächst innerlich seelisch erlebt. Aber er erlebt eigentlich das Äußerliche. Er erlebt es in Farbenperspek­tive. Es ist gar kein Unterschied mehr zwischen innen und außen. Man kann nicht sagen, wie man bei der Architektur sagen muß, die Seele möchte die Formen schaffen, die sie braucht, wenn sie in den Körper hineinschaut. In der Plastik möchte die Seele Formen gestalten in dem bildhauerisch-gestalteten Menschen, wo der Mensch sich in einer ihm naturgemäßen Weise sinnvoll in den Raum hineinstellt in der Gegen­wart. In der Malerei kommt das alles nicht in Betracht. In der Malerei hat es eigentlich gar keinen Sinn, davon zu sprechen, irgend etwas ist drinnen oder draußen, oder die Seele ist innen und außen. Die Seele ist immerfort im Geistigen, wenn sie in der Farbe lebt. Es ist sozusagen das freie Bewegen

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der Seele im Kosmos, was in der Malerei erlebt wird. Es kommt nicht in Betracht, ob wir das Bild innerlich erleben, ob wir es außen sehen, wenn wir es, abgesehen von der Unvollkommenheit der äußeren Farbmittel, farbig sehen.

Dagegen kommen wir völlig in dasjenige hinein, was die Seele als Geistiges, als Geistig-Seelisches erlebt, wenn wir ins Musikalische kom­men. Da müssen wir aus dem Raum vollständig heraus. Das Musikali­sche ist linienhaft, eindimensional. Es wird auch eindimensional in der Zeitenlinie erlebt. Aber es wird so erlebt, daß der Mensch dabei zugleich die Welt als seine Welt erlebt. Die Seele will weder etwas geltend ma­chen, was sie braucht, wenn sie untertaucht ins Physische oder wenn sie das Physische verläßt, die Seele will dasjenige erleben im Musikalischen, was in ihr jetzt auf Erden seelisch-geistig lebt und vibriert. Studiert man die Geheimnisse der Musik, so kommt man darauf, ich habe das schon einmal hier ausgesprochen, was eigentlich die Griechen, die sich auf solche Dinge wunderbar verstanden, mit der Leier des Apollo meinten. Dasjenige, was musikalisch erlebt wird, ist die verborgene, aber dem Menschen gerade eigene Anpassung an die inneren harmo­nisch-melodischen Verhältnisse des Weltendaseins, aus denen er heraus­gestaltet ist. Wunderbare Saiten im Grunde genommen, die nur eine metamorphosiert Wirksamkeit haben, sind seine Nervenstränge, die von dem Rückenmark auslaufen. Das ist die Leier des Apollo, dieses Rückenmark, oben im Gehirn endigend, die einzelnen Nervenstränge nach dem ganzen Körper ausdehnend. Auf diesen Nervensträngen wird der seelisch-geistige Mensch gespielt innerhalb der irdischen Welt. Das vollkommenste Instrument dieser Welt ist der Mensch selber, und ein Musikinstrument außen zaubert die Töne in dem Maße für den Men­schen als künstlerische hervor, insofern der Mensch in dem Erklingen der Saiten eines neuen Instrumentes zum Beispiel etwas fühlt, was mit seiner eigenen, durch Nervenstränge und Blutbahnen erfolgten Konsti­tution, seinem Aufbau, zusammenhängt. Der Mensch, insofern er ein Nervenmensch ist, ist innerlich aus Musik aufgebaut, und er empfindet die Musik künstlerisch, insofern irgend etwas, was musikalisch auftritt, mit dem Geheimnis seines eigenen musikalischen Aufbaues zusammen­stimmt.

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Da also appelliert der Mensch an sein auf der Erde lebendes Seelisch-Geistiges, wenn er sich dem Musikalischen hingibt. In demselben Maße, in dem anthroposophische Anschauung die Geheimnisse der inneren geistig-seelischen Menschennatur entdeckt, werden sie gerade auf das Musikalische befruchtend wirken können, nicht theoretisch, sondern auf das musikalische Schaffen. Denn bedenken Sie, daß es wirklich nicht ein Theoretisieren ist, wenn ich sage: Schauen wir hinaus auf die leblose stoffliche Welt. Indem wir sie farbig sehen, ist das Farbigsehen die kos­mische Erinnerung. - An vorzeitlich wirkenden Göttern lernen wir ver­stehen durch richtiges anthroposophisches Anschauen, wie in den Edel­steinen, in den farbigen äußeren Gegenständen, überhaupt durch die Farben, sich die Götter in ihrem Urschaffen in Erinnerung rufen. Wer­den wir gewahr, daß die Dinge deshalb farbig sind, weil Götter sich durdi die Dinge aussprechen, dann ruft das jenen Enthusiasmus hervor, der aus dem Erleben in dem Geistigen hervorgeht. Das ist kein Theore­tisieren, das ist etwas, was die Seele unmittelbar mit innerer Kraft durchziehen kann. Nicht ein Theoretisieren über die Kunst geht daraus hervor. Künstlerisches Schaffen und künstlerisches Genießen selber kann dadurch angeregt werden. So ist die wahre Kunst überall ein Be­ziehungsuchen des Menschen zum Geistigen, sei es zu dem Geistigen, das er erhofft, wenn er mit der Seele aus dem Leibe geht, sei es mit dem Geistigen, das er sich erinnernd bewahren möchte, wenn er in den Leib untertaucht, sei es zu dem Geistigen, mit dem er sich verwandt fühlt, da er sich nicht verwandt fühlt mit dem bloßen Natürlichen seiner Um­gebung, sei es, daß er sich fühlt in dem Geistigen, ich möchte sagen mehr in der Welt im Farbigen, wo das Innen und Außen aufhören, wo die Seele gewissermaßen durch den Kosmos schwimmend, schwebend sich bewegt, im Farbigen ihr eigenes Leben im Kosmos fühlt, wo sie überall sein kann durch das Farbige. Oder es fühlt die Seele auch noch innerhalb des Irdischen ihre Verwandtschaft mit dem Kosmisch-Seelisch-Geistigen wie im Musikalischen.

Nun kommen wir herauf zum Dichterischen. Manches, was ich in bezug auf alte Zeiten dichterischer Empfindungen, wo das Dichterische noch ganz künstlerisch war, gesagt habe, kann uns darauf aufmerksam machen, wie dieses Dichterische empfunden worden ist, als man noch

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lebendige Beziehungen zu der geistig-seelischen Welt hatte. Ich habe schon gestern gesagt, darstellen, wie Hinz und Kunz sich auf dem Marktplatze von Klein-Griebersdorf bewegen, wäre für wirklich künst­lerische Zeiten nicht etwas Vernünftiges gewesen, denn da geht man nach dem Marktplatz von Klein-Griebersdorf und schaut sich Hinz und Kunz an, und ihre Bewegungen, ihre Gespräche sind noch immer reicher als diejenigen, die man dann beschreiben kann. Bei den Griechen der eigentlichen griechischen Künstlerzeit wäre das ganz absurd erschienen, so die Leute vom Marktplatz und in ihren Häusern zu schildern. Man hat aus dem Naturalismus heraus ein merkwürdiges Streben gehabt, auf dem Theater ganz und gar, sogar in der Szenerie nur Naturalistisdies nachzubilden. Geradesowenig wie es eigentlich Malerei wäre, wenn man nicht auf der Fläche malte, sondern in den Raum hinein die Farbe in irgendeiner Weise gestalten wollte, so ist es auch nicht Bühnenkunst, wenn man nicht die Bühnenmittel, die ganz bestimmte, gegebene sind, wirklich künstlerisch versteht. Denken Sie, wenn man wirklich natura­listisch sein wollte, müßte man eigentlich nicht aus der Bühne ein solches Zimmer machen und da den Zuschauer haben. Ein solches Zimmer könnte man nicht madien, denn solche Zimmer gibt es nicht, man würde doch im Winter erfrieren darinnen. Man macht Zimmer, die von allen vier Seiten abgeschlossen sind. Wollte man ganz naturalistisch spielen,







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müßte man die Bühne auch zumachen und dahinter spielen. Ich weiß nicht, wie viele Leute dann Theaterbillets kaufen würden, aber das wäre mit Berücksichtigung von allem Naturalistisch-Realen dieBühnen-kunst, wenn man auch die vierte Wand hätte. Das ist natürlich etwas extrem gesprochen, aber es ist durchaus richtig.

Nun brauche ich Sie nur auf eines hinzuweisen, auf das ich oftmals hingewiesen habe. Homer beginnt seine Iliade damit, daß er sagt: «Singe, o Muse, vom Zorn mir des Peleiden Achilleus.» - Das ist keine Phrase, das ist so, daß Homer tatsächlich das positive Erlebnis hatte, daß er sich zu überirdischer göttlich-geistiger Wesenheit zu erheben hat, die sich seines Leibes bedient, um Episches künstlerisch zu gestalten. Episches bedeutet die oberen Götter, die als weiblich empfunden wur­den, weil sie die Befruchtenden waren, die eben als weiblich, als Musen empfunden wurden. Er hat die oberen Götter aufzusuchen, sich mit seiner Menschenwesenheit den oberen Göttern zur Verfügung zu stellen, um dadurch das Gedankliche des Kosmos in den Ereignissen zum Aus­druck bringen zu lassen. Sehen Sie, das ist das Epische, die oberen Göt­ter sprechen lassen, indem man ihnen seinen eigenen Menschen zur Verfügung stellt. Homer beginnt: «Singe, o Muse, vom Manne, dem Vielgereisten.» - Er meint den Odysseus. Es würde ihm gar nicht ein­fallen, bloß den Leuten etwas vormachen zu wollen, was er selber aus­gedacht hat oder selber gesehen hat. Denn warum sollte er denn das? Das kann sich jeder selber machen. Homer will durchaus diesen Homer-Organismus den oberen göttlich-geistigen Wesenheiten zur Verfügung stellen, daß sie ausdrücken, wie sie den Menschenzusammenhang auf der Erde sehen. Daraus entstellt die epische Dichtung.

Und die dramatische Dichtung? Nun, sie ging hervor - wir brauchen nur an die voräschyleische Periode zu denken - aus der Darstellung des aus den Tiefen heraufwirkenden Gottes Dionysos. Zuerst ist es die einzige Person des Dionysos, dann der Dionysos und seine Helfer, der Chor, der sich herumgruppiert, um gleichsam ein Reflex zu sein des­jenigen, was nicht Menschen tun, sondern was eigentlich die unterirdischen Götter tun, die Willensgötter, die sich der menschlichen Gestalten bedienen, um auf der Bühne nicht Menschenwillen, sondern Götter­willen agieren zu lassen. Erst allmählich mit dem Vergessen des Zusammenhanges

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des Menschen mit der geistigen Welt wurde auf der Bühne aus dem Götterwirken durch die Menschen reines Menschenwirken. Dieser Prozeß hat sidi noch in Griechenland vollzogen zwischen Äschylos, wo wir noch überall die göttlichen Impulse durch die Menschen durchdringen sehen, bis zu Euripides, wo schon die Menschen auftreten als Menschen, aber doch noch immer mit überirdischen Impulsen, möchte man sagen, denn das eigentlich Naturalistische war erst der neueren Zeit möglich.


Aber der Mensch muß den Weg zurück zum Geistigen auch in der Didttung wiederum finden. So daß wir sagen können: Das Epische wendet sich an die oberen Götter. Das Dramatische wendet sich an die unteren Götter, das wirkliche Drama sjeht die unter der Erde liegende Götterwelt auf die Erde heraufsteigen. Der Mensch kann sich zum Werkzeug für das Agieren dieser unteren Götterwelt machen. Da haben

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wir, wenn wir gewissermaßen als Mensch in die Welt hinausschauen, in der Kunst durchaus dasjenige, was, ich möchte sagen, unmittelbar drau­ßen naturalistisdi ist. Dagegen haben wir im Dramatischen aufsteigend die untere geistige Welt. Wir haben im Epischen sich herabsenkend eine obere geistige Welt. Die Muse, die heruntersteigt, um durch das Haupt des Menschen sich des Menschen zu bedienen und als Muse zu sagen, was die Menschen auf Erden vollbringen oder was überhaupt im Weltenall vollbracht wird, ist episch. Heraufsteigen aus den Tiefen der Welt, sich der menschlichen Leiber bedienen, um den Willen agieren zu lassen, der unterirdischer Götterwille ist, das ist Dramatik.

Man möchte sagen: Haben wir die Fluren des Erdendascins, so haben wir wie aus den Wolken heruntersteigend die göttliche Muse der epi­schen Kunst; wie aus den Tiefen der Erde heraufsteigend, herauf­qualmend, heraufrauchend, die dionysisch-unterirdisdien göttlich­geistigen Mächte, die willensmäßig durch die Menschen nach oben wirken. Aber überall müssen wir durdi die Erdenflur hindurchsehen, wie gewissermaßen vulkanisch das Dramatische heraufsteigt, wie sich mit segnendem Regen von oben nach unten das Epische senkt. Und was auf gleichem Niveau mit uns sich vollzieht, wo wir gewissermaßen die äußersten Boten der oberen Götter empfindend zusammenwirken sehen mit den unteren Göttern auf gleichem Niveau mit uns, wo gewisser­maßen Kosmisches - aber nicht theoretisch philiströs empfunden, son­dern in aller Gestaltlichkeit empfunden - von unten sich reizen läßt, froh machen läßt, lachen machen läßt, jauchzen machen läßt durch nymphisches Geistig-Feuriges von oben, da in der Mitte wird der Mensch lyrisch. Er empfindet nicht das von unten nach oben steigende Drama­tische, nicht das von oben nach unten sich senkende Epische, sondern das mit ihm in gleichem Niveau lebende Lyrische, das feinsinnig Gei­stige, das nicht zum Walde herabregnet, auch nicht von unten in dem Vulkan heraufbricht und die Bäume spaltet, sondern das, was in den Blättern säuselt, was in den Blüten erfreut, was im Winde hinweht. All das, was auf gleichem Niveau uns im Materiellen das Geistige ahnen läßt, so daß unser Herz schwellt, unser Atem freudig erregt wird, unsere ganze Seele aufgeht in dasjenige, wofür die äußeren Natur­erscheinungen als Zeichen stehen eines Geistig-Seelischen, das mit uns

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auf gleichem Niveau ist: da west und webt das Lyrische, das, man möchte sagen, mit einem frohen Antlitz hinaufblickt zu den oberen Göttern, das mit einem etwas getrübten Antlitz hinunterblickt zu den unteren Göttern, das sich ausbilden kann nach der einen Seite, indem es lyrisch ist, zum Dramatisch-Lyrischen, das auf der anderen Seite sich beruhigen kann zum Episch-Lyrischen, welches aber immer ein Lyrisches dadurch ist, daß der Mensch den Umkreis der Erde gewisser­maßen mit seinem mittleren Menschen erlebt, seinem Gefühlswesen, in welchem er das mit ihm im Umkreise der Erde Wesende erlebt.

Sehen Sie, man kann eigentlich nicht anders, wenn man wirklich in das Geistige der Welterscheinungen hineinkommt, als allmählich die vertrackt-abstrakten Vorstellungen übergehen zu lassen in lebendiges, farbiges, gestaltiges Weben und Wesen. Ganz unversehens, möchte ich sagen, wird die ideenmäßige Darstellung zur künstlerischen Darstel­lung, weil dasjenige, was um uns herum ist, im Künstlerischen lebt. Es ist deshalb durchaus immer das Bedürfnis da, aufzuwecken diese im­pertinent abstrakten Begriffsbestimmungen - physischer Leib, Äther­leib, Astralleib, all das, was da begrifflich ideell ist, dieses impertinent geradlinig, dieses impertinent philiströs Definierbare, dieses schauder­haft wissenschaftlich zu Bestimmende -, das abzustufen in die künst­lerische Farbe und Form. Das ist ein inneres, nicht bloß ein äußeres Bedürfnis des Anthroposophischen.

Daher darf die Hoffnung ausgesprochen werden, daß die Mensch­heit wirklich aus dem Naturalismus heraus sich entphilistert, ent-pedantisiert, entbotokudisiert. Sie steckt im Philistertum, in der Pe­danterie, in dem Botokudentum mit dem Abstrakten, mit dem Theoretischen, mit dem bloß Wissenschaftlichen, mit dem sogenannten Praktischen - denn wirklich praktisch ist das ja nicht - tief darinnen und braucht Schwung. Und ehe nicht dieser Schwung da ist, kann eigentlich Anthroposophie nicht recht gedeihen, denn in einem un­künstlerischen Elemente wird sie kurzatmig. Sie kann frei nur atmen in einem künstlerischen Elemente. Wird sie richtig verstanden, wird sie auch zum Künstlerischen führen, ohne daß sie vom Erkenntnismäßigen nur irgend etwas im Geringsten weggibt.

GEIST UND UNGEIST IN DER MALEREI TIZIANS «HIMMELFAHRT MARIA» Dornach, 9. Juni 1923

GEIST UND UNGEIST IN DER MALEREI TIZIANS «HIMMELFAHRT MARIA»

Dornach, 9. Juni 1923


Heute möchte ich noch einiges zu den Vorträgen hinzufügen, die ich in den letzten Tagen hier gehalten habe. In früheren Vorträgen habe ich des öfteren von einem Genius der Sprache gesprochen. Und Sie wissen schon aus meinem Buche «Theosophie», wie dann, wenn im anthro-posophischen Zusammenhange von geistiger Wesenheit gesprochen wird, wirkliche geistige Wesenheit gemeint ist, wie also auch in dem, was mit dem Genius der Sprache bezeichnet wird, eine wirkliche geistige Wesenheit für die einzelnen Sprachen gemeint ist, in die der Mensch sich hineinlebt, und die ihm gewissermaßen aus geistigen Wel­ten die Kraft gibt, seine Gedanken, die zunächst als tote Erbschaft der geistigen Welt in ihm als Erdenwesen vorhanden sind, auszudrücken. Deshalb wird es gerade im anthroposophischen Zusammenhange ganz angemessen sein, in dem, was als Gestaltungen in der Sprache auftritt, einen Sinn zu suchen, der in einem gewissen Grade sogar vom Men­schen unabhängig aus geistigen Welten herkommt.

Nun habe ich auch darauf schon aufmerksam gemacht, in welch eigentümlicher Weise wir das eigentliche Element des Künstlerischen, des Schönen, und sein Gegenteil bezeichnen. Wir sprechen von dem Schönen und sprechen von seinem Gegenteil in den einzelnen Sprachen, von dem Häßlichen. Würden wir das Schöne in ganz entsprechender Weise bezeichnen wie das Häßliche, so müßten wir, da das Gegenteil von Haß die Liebe ist, nicht vom Schönen sprechen, sondern etwa vom Lieblichen. Wir müßten dann sagen das Liebliche, daß Häßliche. Wir sprechen aber von dem Schönen und von dem Häßlichen und machen aus dem Sprachgenius heraus einen bedeutsamen Unterschied, indem wir das eine und sein Gegenteil in dieser Weise bezeichnen. Das Schöne, wenn wir es zunächst in der deutschen Sprache nehmen - für andere Sprachen müßte ein ähnliches aufgesucht werden -, ist als Wort ver­wandt mit dem Scheinenden. Dasjenige, was schön ist, scheint, das heißt, trägt sein Inneres an die Oberfläche. Das ist ja das Wesen des

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Schönen, daß es sich nicht verbirgt, sondern daß es sein Inneres an die Oberfläche, an die äußere Gestaltung trägt. So daß schön dasjenige ist, was sein Inneres in seiner äußeren Gestaltung zur Offenbarung bringt, das Scheinende, dasjenige, was Schein ausstrahlt, so daß der Schein das in die Welt Ausstrahlende, das Wesen offenbart. Würden wir in die­sem Sinne von dem Gegenteil des Schönen sprechen wollen, so müssen wir sagen: das Sich-Verbergende, das Nichtscheinende, dasjenige, was sein Wesen zurückhält und in seiner äußeren Hülle nicht nach außen offenbart, was es ist. Wenn wir vom Schönen sprechen, bezeichnen wir also etwas objektiv. Würden wir ebenso objektiv von dem Gegenteil des Schönen sprechen, so würden wir es mit einem Worte bezeichnen müssen, welches das Sich-Verbergende, das «nach außen anders Aus­sehende als es ist», heißen würde. Aber da gehen wir von dem Ob­jektiven ab, gehen an das Subjektive heran und bezeichnen dann unser Verhältnis zu dem, was sich verbirgt, und finden, das, was sich ver­birgt, können wir nicht lieben, müssen es hassen. Dasjenige also, was uns ein anderes Antlitz zeigt, als es ist, ist das Gegenteil des Schönen. Aber wir bezeichnen es sozusagen nicht aus demselben Untergrund un­seres Wesens heraus, wir bezeichnen es aus unserer Emotion heraus als das, was uns hassenswert ist, weil es sich verbirgt, weil es sich nicht offenbart.

Wenn wir also auf die Sprache hinlauschen, dann kann uns gerade der Sprachgenius sich offenbaren. Und wir müssen uns fragen: Was streben wir denn eigentlich an, wenn wir durch die Kunst das Sdiöne, im weitesten Sinne natürlich, anstreben? Was streben wir da eigentlich an? Schon in der Tatsadie, daß wir aus dem Sprachgenius heraus für das Schöne ein Wort wählen müssen, das aus uns herausgeht - für das Gegenteil gehen wir nicht aus uns heraus, bleiben wir in uns, bleiben bei unseren Emotionen, beim Hassen -, schon darin, daß wir aus uns herausgehen müssen, zeigen wir an, daß im Schönen eine Beziehung zum außer uns befindlichen Geistigen ist. Denn, was scheint denn? Dasjenige, was wir mit den Sinnen sehen, braucht uns nicht zu schei­nen, das ist da. Das, was uns scheint, was also im Sinnlichen aus­strahlt, sein Wesen im Sinnlichen ankündigt, ist das Geistige. Wir fassen also, indem wir von dem Schönen als Schönem objektiv sprechen,

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das künstlerisch Schöne von vornherein als ein Geistiges, das sich durch die Kunst in der Welt darlebt, offenbart. Es obliegt einmal der Kunst, das Scheinende zu erfassen, die Ausstrahlung, die Offenbarung dessen, was als Geist die Welt durchwebt und durchlebt. Und alle wirkliche Kunst sucht das Geistige. Selbst wenn die Kunst, wie es auch sein kann, das Häßliche, das Widerwärtige darstellen will, so will sie nicht das Sinnlich-Widerwärtige darstellen, sondern das Geistige, das in dem Sinnlich-Widerwärtigen sein Wesen ankündigt. Es kann das Häßliche schön werden, wenn das Geistige sich im Häßlichen scheinend offenbart. Aber es muß eben so sein, es muß die Beziehung zum Geistigen immer da sein, wenn ein Künstlerisches schön wirken soll.

Nun, sehen Sie, betrachten wir von diesem Gesichtspunkte ausgehend einmal eine Einzelkunst, sagen wir die Malerei. Wir haben sie in den letzten Tagen betrachtet, insofern die Malerei das Geistig-Wesenhafte durch die erfaßte Farbe, also durch das Scheinen in der Farbe offenbart. Man kann sagen, in jenen Zeiten, in denen man eine wirkliche innere Erkenntnis von dem Farbigen gehabt hat, hat man sich auch in der richtigen Art dem Sprachgenius überlassen, um das Farbige in die welt­liche Beziehung zu setzen. Wenn Sie in alte Zeiten zurückgehen, in denen es ein instinktives Hellsehen von diesen Dingen gegeben hat, da werden Sie zum Beispiel Metalle finden, die so empfunden wurden, daß sie ihr inneres Wesen in ihrer Farbe offenbaren, aber nicht nach Irdischem benannt wurden. Zwischen den Benennungen der Metalle und den Planeten ist ein Zusammenhang, weil man sich, wenn ich es so ausdrücken darf, geschämt hätte, das, was sich durch die Farbe aus­drückt, nur als ein Irdisches zu bezeichnen. Die Farbe betrachtete man in dem Sinne als ein Göttlich-Geistiges, das den irdischen Dingen nur verliehen ist in dem Sinne, in dem ich das vor einigen Tagen hier aus­einandergesetzt habe. Wenn man das Gold in der Goldfarbe empfand, dann sah man in dem Golde nicht allein ein Irdisches, sondern man sah in der Goldfarbe die sich aus dem Kosmos ankündende Sonne. Also ein über die Erde Hinausgehendes sah man im vorhinein, wenn man die Farbe auch an einem irdischen Dinge empfand. Erst indem man zu den lebendigen Dingen hinaufging, schrieb man den lebendigen Dingen ihre eigene Farbe zu, weil die lebendigen Dinge sich dem Geiste nähern, #G291x-1980-SE183

also da auch Geistiges scheinen darf. Und bei den Tieren empfand man, daß sie ihre eigenen Farben haben, weil Geistig-Seelisches in ihnen un­mittelbar erscheint.

Nun können Sie aber in ältere Zeiten zurückgehen, in denen man nidn äußerlich, sondern innerlich künstlerisch empfunden hat. Sehen Sie, man kommt da überhaupt zu keiner Malerei. Nicht wahr, einen Baum grün anzustreichen, einen Baum zu malen - es ist fast dumm, wenn man sagt, einen Baum malen - einen Baum malen und grün an-streidien, das ist doch keine Malerei; denn es ist schon aus dem Grunde keine Malerei, weil, was man auch im Nachahmen der Natur vollbringt, schöner, wesenhafter doch die Natur immer ist. Lebensvoller ist doch immer die Natur. Es ist gar keine Veranlassung, dasjenige nachzuah­men, was draußen in der Natur ist. Aber das tut auch der wirkliche Maler nicht. Der wirkliche Maler benützt den Gegenstand dazu, um, sagen wir, die Sonne darauf scheinen zu lassen, oder um irgendeinen Farbenreflex aus der Umgebung zu beobachten, um das Ineinander-weben und -leben von Hell-Dunkel über einem Gegenstande aufzu­fangen. Es gibt also der Gegenstand, den man malt, eigentlich immer nur die Veranlassung dazu. Man malt natürlich niemals, sagen wir, eine Blume, die vor dem Fenster steht, sondern man malt das Licht, das zum Fenster hereinscheint und das man so sieht, wie man es durch die Blume sieht. Man malt also eigentlich das gefärbte Licht der Sonne. Das fängt man auf. Und die Blume ist nur die Veranlassung zum Auffangen die­ses Lichtes.

Wenn man an den Menschen herangeht, kann man das sogar noch geistiger. Die menschliche Stirne zu nehmen und sie anzustreichen wie eine menschliche Stirne - wie man glaubt, daß man eine menschliche Stirne sieht -, ist eigentlich Unsinn, ist keine Malerei. Aber wie eine menschliche Stirne den so und so einfallenden Sonnenstrahlen sich aus­setzt, wie da im Glanzlicht ein dumpfes Licht erseheint, wie da das Hell-Dunkel spielt, - also alles das, wozu der Gegenstand die Veran­lassung gibt, das, was im Augenblicke vorübergeht, und was man nun in Beziehung zu einem Geistigen zu setzen hat, das mit Farbe und Pinsel aufzufangen, das ist die Aufgabe des Malenden.

Wenn man malerisches Empfinden hat, so ist es einem, sagen wir,

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wenn man ein Interieur sieht, durchaus nicht darum zu tun, den Men­schen, der etwa vor einem Altar kniet, anzuschauen. Ich habe einmal mit jemandem eine Ausstellung besucht. Da haben wir einen Menschen gesehen, der vor einem Altar kniete. Man sah ihn von hinten. Der Maler hatte sich die Aufgabe gestellt, bei einem Fenster hereindringen­des Sonnenlicht gerade so aufzufangen, wie es sich auf dem Rücken des Menschen ausnimmt. Ja, der Mann, der mit mir ging, das Bild an­zuschauen, sagte: Mir wäre es lieber, wenn man den Menschen von vorne sehen würde! - Ja, nicht wahr, da ist nur stoffliches, da ist nicht künstlerisdies Interesse. Er wollte, daß der Maler ausdrückte, was das für ein Mensch ist und so weiter. Aber dazu hat man nur eine Berech­tigung, wenn man dasjenige ausdrücken will, was sich durch die Farbe wahrnehmen läßt. Wenn ich einen Menschen auf einem Krankenbette darstellen will, in einer bestimmten Krankheit, und ich studiere die Gesichtsfarbe, um nun das Scheinen der Krankheit durch das Sinnliche zu erfassen, so kann das künstlerisch sein. Wenn ich auch darstellen will, sagen wir, in Totalität, inwiefern der ganze Kosmos im mensch­lichen Inkarnat, in der menschlichen Flcischfarbe zur Darstellung, zur Offenbarung kommt, kann das auch künstlerisch sein. Wenn ich aber den Herrn Lehmann nachmache, wie er da vor mir sitzt, erstens gelingt mir das nicht, nicht wahr, und zweitens ist es keine künstlerische Auf­gabe, sondern künstlerisch ist, wie ihn die Sonne bescheint, wie das Licht abgelenkt wird dadurch, daß er buschige Augenbrauen hat. Also auf das kommt es an, wie die ganze Welt auf das Wesen wirkt, das ich male. Und das Mittel, wodurch ich das erreiche, ist Flell-Dunkel, ist die Farbe, ist das Festhalten von einem Augenblick, der eigentlich vorübergeht und den zu fixieren ich mir in der gestern geschilderten Weise die Be­rechtigung hole.

Solche Dinge hat man in denjenigen Zeiten, die gar nicht so weit von den unsrigen zurückliegen, durchaus empfunden, indem man sich gar nicht vorstellen konnte, daß man eine Maria, eine Gottesmutter ohne verklärtes Gesicht darstellt, das heißt ohne ein Gesicht, das durch das Licht überwältigt wird und das aus der gewöhnlichen Menschenver­fassung durch die Überwältigung des Lichtes herauskommt. Man konnte sie nicht anders vorstellen als in einem roten Gewände und im blauen

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Mantel, weil nur dadurch die Gottesmutter in der riditigen Weise in das irdische Leben hineingestellt wird, in dem roten Gewände mit allem Emotionellen des Irdischen, im blauen Mantel das Seelische, das sie mit dem Geistigen umwebt, und in dem verklärten Gesichte das Durch­geistigte, das von dem Lichte als der Offenbarung des Geistes über­wältigt wird. Aber das faßt man nicht richtig künstlerisch, solange man es nur noch so fühlt, wie ich es jetzt ausgesprochen habe. Ich habe es jetzt gewissermaßen in das Unkünstlerische übersetzt. Künstlerisch fühlt man es erst in dem Augenblicke, wo man aus dem Rot heraus und aus dem Blau heraus und aus dem Lichtmäßigen heraus, indem man das Licht in seinem Verhältnis zu den Farben und zu der Dunkel­heit als eine Welt für sich erlebt, schafft, so daß man eigentlich also nichts anderes mehr hat als die Farbe, und die Farbe einem so viel sagt, daß man aus der Farbe und dem Hell-Dunkel herausholen kann die Jungfrau Maria.

Dann allerdings muß man mit der Farbe zu leben wissen, muß einem die Farbe etwas sein, womit man lebt. Es muß einem die Farbe etwas sein, was sich von dem schwer Materiellen emanzipiert hat. Denn das schwer Materielle widerstrebt eigentlich der Farbe, wenn man sie künst­lerisch gebrauchen will. Daher widerstrebt es der ganzen Malerei, mit Palettfarben zu malen. Die werden immer so, daß sie noch eine Schwere zeigen, wenn man sie auf die Fläche gebracht hat. Auch kann man mit der Palettfarbe nicht leben. Man kann nur mit der flüssigen Farbe leben. Und in dem Leben, das sich zwischen dem Menschen und der Farbe entwickelt, wenn er die Farbe flüssig hat, und in jenem eigentümlichen Verhältnis, das er hat, wenn er die flüssige Farbe nun auf die Fläche bringt, da entwickelt sich ein Farbenleben, da erfaßt man tatsächlich aus dem Farbigen heraus, da wird die Welt aus der Farbe [erfaßt]. Erst dann entsteht das Malerische, wenn man in der Farbe das Scheinen, das Hin-sich-Offenbaren, das Hinstrahlende als ein Lebendiges erfaßt, und aus dem hinstrahlenden Lebendigen nun eigentlich erst das auf der Fläche zu Gestaltende herausschafft. Es wird schon von selber eine Welt daraus. Denn, verstehen Sie die Farbe, dann verstehen Sie ein Ingrediens der ganzen Welt.

Sehen Sie, Kant hat einmal gesagt: Gebt mir Materie, und ich will

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euch eine Welt daraus schaffen. - Nun, Sie hätten sie ihm lange geben können, die Materie, Sie können ganz sicher sein, er hätte keine Welt daraus gemacht, denn aus der Materie läßt sich keine Welt schaffen. Aber mehr schon läßt sich eine Welt sdiaffen aus dem wogenden Werk­zeuge der Farben. Da läßt sich schon eine Welt schaffen, weil jede Farbe ihr unmittelbares, ich möchte sagen, persönlich-verwandtschaftliches Verhältnis zu irgendeinem Geistigen der Welt hat. Und heute ist uns eigentlich, mit Ausnahme der primitiven Anfänge, die im Impressio­nismus und so weiter und namentlich im Expressionismus gemadu wer­den, die aber eben Anfänge sind, überhaupt der Begriff des Malens, die Tätigkeit des Malens mehr oder weniger gegenüber dem allgemeinen Materialismus der Zeit verlorengegangen. Denn meistens malt man heute nidit, sondern man ahmt Gestalten durch eine Art Zeichnung nach und streicht dann die Fläche an. Aber das sind angestrichene Flä­chen, das ist nicht gemalt, das ist nicht aus dem Farbigen und aus dem Hell-Dunkel heraus geboren.

Man darf allerdings die Dinge nicht mißverstehen. Wenn einer wild wird und einfach die Farben nebeneinander bastelt und glaubt, er trifft dasjenige, was idi die Zeichnung überwinden genannt habe, dann trifft er ganz und gar nicht das, was ich gemeint habe. Denn ich meine nicht mit dem Überwinden der Zeichnung, keine Zeichnung haben, sondern die Zeichnung aus der Farbe herausholen, sie herausgebären aus der Farbe. Und die Farbe gibt schon die Zeichnung, man muß nur in der Farbe zu leben wissen. Dieses Leben im Farbigen führt dann den wirk­lichen Künstler dazu, ganz absehen zu können von der übrigen Welt und seine Kunstwerke aus dem Farbigen heraus zu gebären.

Sie können zum Beispiel zurückgehen, sagen wir, zu Tizians «Him­melfahrt der Maria». Da haben Sie ein Kunstwerk, das, ich möchte sagen, im Überschnappen des alten Kunstprinzips besteht. Da ist nicht mehr jenes lebendige Erleben der Farbe vorhanden, das man bei Raffael, namentlich aber bei Leonardo noch hat, da ist aber noch eine Art Tra­dition vorhanden, daß man nicht gar zu stark aus diesem Leben in der Farbe herauswächst. Erleben Sie einmal diese «Himmelfahrt Maria» von Tizian. Wenn Sie sie sich anschauen, so können Sie sagen, da schreit das Grün, da schreit das Rot, das Blau. Ja, aber dann sehen Sie das

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einzelne an. Wenn Sie das Zusammensprechen, möchte ich sagen, der einzelnen Farben selbst bei Tizian nehmen, so haben Sie noch eine Emp­findung davon, wie er in dem Farbigen lebte und wie er wirklich in diesem Falle alle drei Welten aus dem Farbigen heraus bekommt. Sehen Sie sich nur die wunderbare Stufenfolge der drei Welten an. Unten die Apostel, die das Ereignis der Himmelfahrt Maria erleben. Sehen Sie sidi an, wie er sie aus der Farbe heraus schafft. Man sieht in den Farben, wie sie an die Erde gefesselt sind, aber man empfindet keine Schwere der Farben, sondern man empfindet nur das Dunkle der Farben an dem unteren Teile des Tizianschen Bildes, und im Dunkel erlebt man das an die Erde Gefesseltsein der Apostel. In der ganzen Farbenbehandlung der Maria erlebt man das Zwischenreich. Sie hängt nodi nach unten mit der Erde zusammen. Sehen Sie auf dem Bilde einmal nach, wenn Sie Gelegenheit dazu haben, wie sich das dumpf Dunkle von unten hinein­lebt als Farbe in die Färbung der Maria, und wie dann das Licht überwiegt, wie das oberste, das dritte Reich schon im vollen Lichte empfängt, möchte ich sagen, das Haupt der Maria, mit vollem Lichte überglänzend, hinaufhebend das Haupt, währenddem Füße und Beine noch nach unten durch die Farbe gefesselt sind. Sehen Sie sich an, wie unteres Reich, Zwischenreich und himmlisches Höhenreich, dieser Emp­fang der Maria durch Gott Vater, im inneren Erleben der Farbe wirklich abgestuft ist. Sie können sich sagen, um dieses Bild zu verstehen, muß man eigentlich alles andere vergessen und nur auf die Farbe hin die ganze Sache anschauen, denn aus der Farbe heraus ist hier die Drei­stufigkeit der Welt geholt, nicht gedanklich, nicht intellektualistisch, sondern ganz künstlerisch. Und man kann sagen: Es ist wirklich so, daß zum Malerischen es notwendig ist, diese Welt des strahlenden Scheines, des sidi strahlenden Offenbarens in Hell-Dunkel und in der Farbe zu erfassen, um auf der einen Seite dasjenige abzuheben, was irdisch-materiell ist, um das Künstlerische von diesem Irdisch-Materiel­len abzuheben und doch es wiederum nicht zum Geistigen hinaufkom­men zu lassen. Denn würde man es zum Geistigen hinaufkommen lassen, wäre es nicht mehr Schein, dann wäre es Weisheit. Aber die Weisheit ist nicht mehr künstlerisch, die Weisheit hebt es schon hinauf in das ungestaltete Reich des Göttlichen.

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Man möchte deshalb sagen: Beim wirklichen Künstler, der so etwas darstellt wie Tizian in seiner «Himmelfahrt Maria», hat man oben, wenn man dieses Empfangen der Maria, besser noch gesagt, des Haup­tes der Maria durch den Gott Vater ansieht, das Gefühl, jetzt dürfte man da nicht mehr weitergehen im Behandeln des Lichtes. Gerade hart an der Kippe ist das. In dem Augenblicke, wo man anfängt weiter­zugehen, verfällt man in das Intellektualistische, das heißt in das Un­künstlerische. Da darf man nicht mehr irgendwie einen Strich noch, möchte ich sagen, hinaus machen über dasjenige, was nur im Lichte, nicht in der Kontur angedeutet ist. Denn im Augenblicke, wo man zu stark in die Kontur hineingeht, wird es intellektualistisch, das heißt unkünstlerisch. Nach oben wird das Bild in der Tat so, daß es in der Gefahr schwebt, unkünstlerisch zu sein. Die Maler nach Tizian sind auch gleich dieser Gefahr verfallen. Sehen Sie sich noch bis zu Tizian hin die Engel an. Nicht wahr, wenn wir da in die himmlische Region hinaufkommen, kommen wir zu den Engeln. Sehen Sie sich an, wie da sorgfältig verhütet ist, aus der Farbe herauszugehen. Da können Sie immer noch zu den Engeln sagen in der Vortizianischen Zeit, audi in gewissem Sinne bei Tizian, wenn Sie wollen: Könnten dies nicht auch Wolken sein? - Wenn Sie das nämlich nicht können, wenn Sie nicht können zwischen diesem Sein und Schein wenigstens noch im unklaren sein, wenn Sie schon ganz ins Sein hineinkommen, ins Sein des Gei­stigen, dann hört es auf künstlerisch zu sein.

Kommen Sie ins 17. Jahrhundert herüber, so wird das gleich anders. Da wirkt sdion der Materialismus selbst in die Darstellung des Gei­stigen hinein. Da sehen Sie schon alle die, ich möchte sagen, mit einer gewissen nicht künstlerischen, sondern routinierten Verve in allen mög­lichen Verkürzungen hingemalten Engel, zu denen Sie nicht mehr sagen können: Könnten das nicht auch Wolken sein? - Ja, da wirkt schon das Nachdenken, da hört das Künstlerische schon auf.

Und wiederum, schauen Sie sich unten die Apostel an, dann haben Sie schon das Gefühl, eigentlich künstlerisch ist auf der «Himmelfahrt Maria» nur die Maria. Oben beginnt die Gefahr, daß es übergeht in das rein Weisheitsvolle, das Gestaltlose. Erringt man wirklich dieses, daß man das Gestaltlose noch hält, daß es auch gestaltlos ist, so wird das

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gerade, ich möchte sagen, nach der einen Seite, nach dem einen Pol die Vollendung des Künstlerischen, weil es ein kühn Künstlerisches ist, weil man sich vorwagt bis zum Apostel Erdenschwere in sich haben. Es muß etwas anderes eintreten. Da be­ginnt auch stark das Element des Zeichnens einzugreifen. Das können Sie gerade auf dem charakterisierten Bilde bei Tizian sehen, es beginnt stark das Zeichnen einzugreifen. Warum denn?

Ja, man kann in dem Braun, was also schon aus der Farbe eigentlich herausgeht, das Schöne nicht mehr so darstellen wie an der Maria, daAbgrund, wo die Kunst aufhört, wo man die Farben verschwimmen läßt vom Lichte, wo man, wenn man weiter­gehen wollte, nur anfangen könnte zu zeichnen. Aber zeichnen ist nicht malen. Also da nach oben nähert man sich dem Weisheitsvollen. Und man ist ein um so größerer Künstler, je mehr man das Weisheitsvolle noch hereinbekommt in das Sinnliche, je mehr man, wenn ich mich wie­derum konkret ausdrücken will, die Möglichkeit hat, daß die Engel, die man malt, dennoch auch als geballte Wolken angesprochen werden können, die so und so im Lichte schimmern und dergleichen.

Geht man aber von dem Unteren des Bildes durch das eigentlich Schöne, die Maria selbst, die nun wirklich hinaufschwebt ins Weisheits­gebiet hinein, so ist Tizian in der Lage, sie schön zu gestalten, weil sie noch nicht angekommen ist, sondern eben erst hinaufschwebt. Da erscheint all das so, daß man das Gefühl hat, wenn sie noch ein bißchen sich hinaufschwingt, dann muß sie in die Weisheit hinein. Da hat die Kunst nichts mehr zu sagen. Aber wenn wir etwas weiter hinuntergehen, kom­men wir zu den Aposteln, und bei den Aposteln sagte ich Ihnen: Der Künstler sucht durch die Farbengebung das Erdengefesselte der Apostel darzustellen. - Aber da kommt er in die andere Gefahr hinein. Würde er seine Maria noch weiter herunten haben, so könnte er sie nicht in der sich innerlich selber tragenden Schönheit darstellen. Denn wenn die Maria etwa da unten wäre - man würde den Zweck nicht einsehen -, unter den Aposteln sitzen würde, ja, da könnte sie nicht so ausschauen, wie sie in der Mitte zwischen Himmel und Erde ausschaut. So könnte sie gar nicht ausschauen. Denn sehen Sie, unten stehen die Apostel in ihrer bräunlichen Färbung, da paßt die Maria nicht hinein. Denn wir können eigentlich nicht stehenbleiben dabei, daß unten die

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muß etwas, was nicht mehr ganz ins Schöne hineinfällt, dargestellt werden. Und es muß schön sein dadurch, daß etwas anderes, als was eigentlich schön ist, sich offenbart. Sehen Sie, säße die Maria da unten oder stünde die Maria unter diesen Aposteln in derselben Färbung, dann würde das eigentlich beleidigend sein. Schrecklich beleidigend wäre das. Ich rede jetzt nur von diesem Bilde, ich sage nicht, daß überall die Maria, wenn sie auf der Erde steht, künstlerisch beleidigend sein muß, aber auf diesem Bilde wäre es ein Faustschlag ins Gesicht für den­jenigen, der das künstlerisch anschaute, wenn da unten die Maria stünde-. Warum? Sehen Sie, stünde sie da unten in der Färbung der Apostel, so müßte man nämlich sagen, die Maria wurde von dem Künstler dar­gestellt als tugendhaft. So stellt er in der Tat die Apostel dar. Wir kön­nen gar keine andere Vorstellung haben, als daß die Apostel in ihrer Tugendhaftigkeit hinaufschauen. Aber das dürfen wir von der Maria nicht sagen. Bei der ist das so selbstverständlich, daß wir nicht ihre Tugend ausdrücken dürfen. Es wäre gerade so, wie wenn wir Gott tugendhaft darstellen wollten. Wo etwas selbstverständlich ist, wo es etwas wird, was das Sein selber ist, da darf es nicht bloß im äußeren Scheine dargestellt werden. Deshalb muß die Maria entschweben, muß in einer Region sein, wo sie über das Tugendhafte erhaben ist, wo man in dem, was da in der Farbe erscheint, von ihr nicht sagen kann, sie ist tugendhaft, so wenig man von dem Gotte selber sagen dürfte, er sei tugendhaft. Er kann höchstens selber die Tugend sein. Aber das ist schon ein abstrakter Satz, das geht schon in die Philosophie. Das hat mit der Kunst nichts zu tun. Aber bei den Aposteln unten ist es so, daß wir sagen müssen: Da gelingt es dem Künstler, durch die Farbenbehandlung selbst in den Aposteln die tugendhaften Menschen darzustellen. Sie sind tugendhaft.

Suchen wir wiederum der Sache durch den Sprachgenius nahe zu kommen. Tugend, was heißt denn eigentlich tugendhaft sein? Tugend­haft sein, das heißt tauglich sein; denn Tugend hängt mit taugen zusam­men. Taugend, tauglich sein, zu etwas taugen, das heißt einer Sache gewachsen zu sein, eine Sache zu vermögen, eine Sache zu können, das heißt tugendhaft sein. Aber es kommt natürlich schließlich darauf an, was man im Zusammenhange mit tugendhaft meint, wie es zum Beispiel

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Goethe auch dargestellt hat, der von einer Dreiheit spricht: Weis­heit, Schein und Gewalt, das heißt Tugendhaftigkeit in diesem Sinne. Schein = das Schöne, Kunst. Weisheit = dasjenige, was Erkenntnis wird, gestaltlose Erkenntnis. Tugend, Gewalt = dasjenige, was nun wirklich tauglich ist, was etwas vermag, dessen Walten etwas bedeutet.

Sehen Sie, diese Dreiheit ist von altersher so verehrt worden. Ich konnte begreifen, als ein Mann mir vor einer ziemlich großen Anzahl von Jahren sagte, ihm wächst schon zum Hals heraus, wenn die Leute von dem Wahren, Schönen und Guten sprechen, denn jeder, der irgendwo eine Phrase,eine idealistische Phrase sagen will,der spricht von dem Wah­ren, Schönen und Guten. - Aber man kann auf ältere Zeiten zurückver­weisen, in denen diese Dinge mit allem menschlichen Anteil, mit allem menschlichen Seeleninteresse erlebt worden sind. Und dann, möchte ich sagen, sieht man, aber in der Weise des Schönen, des Künstlerischen, auf dem Tizianschen Bilde oben die Weisheit, aber eben noch nicht nur Weis­heit, sondern so wie sie noch scheint, so daß sie noch künstlerisch ist, daß sie gemalt ist; in der Mitte die Schönheit; und unten die Tugend, das Taugliche. Nun darf man aber das Taugliche ein wenig nach seiner inneren Wesenheit, seiner Bedeutung fragen. Wenn man diesen Dingen nachgeht, so kommt man durch den Sprachgenius auf die Tiefe der unter den Menschen schaffenden Sprachseele. Geht man nur äußerlich zu Werke, so könnte einem etwa einfallen, wie ein Verwachsener ein­mal in der Kirche war und eine Predigt angehört hat, wo der Prediger in einer äußeren phrasenhaften Weise seiner Gemeinde auseinander­setzte, wie alles in der Welt gut und schön und zweckmäßig ist. Der Verwachsene wartete an der Kirchentüre, und als der Prediger heraus­ging, fragte er ihn: Sie haben gesagt, alles ist auf der Welt seiner Idee nach gut, bin ich auch gut gewachsen? Da sagte der Pfarrer: Für einen Verwachsenen bist du sehr gut gewachsen! - Nun ja, nicht wahr, wenn man in dieser Weise äußerlich die Dinge betrachtet, dann wird man nicht in die Tiefen dringen. Unsere heutige Betrachtungsweise nämlich geht auf unzähligen Gebieten in so äußerlicher Weise vor. Die Men­schen füllen sich heute ganz an mit solchen äußerlichen Charakteri­stiken, namentlich mit so äußerlichen Definitionen, wissen gar nicht, wie sie sich im Kreise mit ihren Ideen herumdrehen.

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Bei dem Tugendlichen handelt es sich nicht darum, daß wir über­haupt zu etwas taugen, sondern daß wir zu etwas Geistigem taugen, daß wir uns in die geistige Welt als Mensch hineinstellen. Der ist im richtigen Sinne der Tugendhafte, der ein ganzer Mensch dadurch ist, daß er das Geistige in sich zur Verwirklichung, nicht bloß zur Offen­barung, zur Verwirklichung durch den Willen bringt. Da kommt man dann aber in eine Region hinein, die zwar im Menschlichen liegt, die auch in das Religiöse hineingeht, die aber nicht mehr in dem Gebiete des Künstlerischen liegt, am wenigsten in dem Gebiete des Schönen. Alles ist in der Welt polarisch gestaltet. Daher kann man gerade an dem Tizianschen Bilde sagen: Nach oben setzt er sich ohne weiteres der Gefahr aus, aus dem Schönen hinauszukommen, wo er über die Maria hinausgeht. Da ist er am Abgrund der Weisheit. Nach unten ist er am anderen Abgrund. Denn sobald wir das Tugendliche darstellen, das, was der Mensch als durch seine eigene Wesenheit aus dem Geistigen heraus verwirklichen soll, kommen wir wiederum aus dem Schönen, aus dem Künstlerischen heraus. Versuchen wir den eigentlich tugend­haften Menschen zu malen, so dürfen wir das nur dadurch tun, daß wir irgendwie die Tugend in dem äußeren Schein charakterisieren, meinetwillen in der Kontrastierung mit dem Laster. Aber die künst­lerische Darstellung der Tugend zeigt eigentlich keine Kunst mehr, in unserer Zeit ist es schon ein Herausfallen aus dem Künstlerischen.

Aber wo ist nicht überall in unserer Zeit ein Herausfallen aus dem Künstlerischen, wenn, ich möchte sagen, einfach Lebensverhältnisse roh naturalistisch wiedergegeben werden, ohne daß die Beziehung zu dem Geistigen wirklich da liegt. Ohne diese Beziehung zu dem Gei­stigen gibt es kein Künstlerisches. Daher ist in unserer Zeit dieses Stre­ben im Impressionismus und Expressionismus, nun wiederum zum Geistigen zurückzukehren. Wenn das auch vielfach ungeschickt ist, wenn das auch vielfach ein bloßer Anfang ist, so ist es dennoch mehr als dasjenige, was unkünstlerisch mit dem Modell in einer roh natura­listischen Weise arbeitet. Und wenn Sie den Begriff des Künstlerisch-Schönen in dieser Weise fassen, dann werden Sie zum Beispiel auch das Tragische unterbringen können, das Tragische überhaupt in seinem künstlerischen Hereingreifen in die Welt fassen können.

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Der Mensch, der sich nach seinen Gedanken richtet, der intellektualistisch sein Leben führt, kann nie tragisch werden. Und der Mensch, der ganz tugendhaft lebt, kann auch eigentlich nie tragisch werden. Tragisch werden kann der Mensch, der in irgendeiner Weise zum Dä­monischen, das heißt, zum Geistigen hinneigt. Es fängt eine Persön­lichkeit, ein Mensch erst an tragisch zu werden, wenn das Dämonische im Guten oder im Schlimmen in irgendeiner Weise in ihm vorhanden ist. Nun stehen wir heute im Zeitalter des freiwerdenden Menschen, wo der Mensch als dämonischer Mensch eigentlich ein Anachronismus ist. Das ist der ganze Sinn des fünften nachatlantischen Zeitraumes, daß der Mensch aus dem Dämonischen herauswächst zum freien Men­schen. Aber indem der Mensch ein freier Mensch wird, hört sozusagen die Möglichkeit des Tragischen auf. Wenn Sie die alten tragischen Ge­stalten, selbst noch die meisten Shakespearischen tragischen Gestalten nehmen, so haben Sie das innerlich Dämonische, welches zum Tragischen führt. Da, wo der Mensch die Erscheinung eines Dämonisch-Geistigen ist, wo das Dämonisch-Geistige durch ihn strahlt, sich offenbart, wo der Mensch gewissermaßen das Medium des Dämonischen wird, ist das Tragische möglich gewesen. In diesem Sinne wird das Tragische mehr oder weniger aufhören müssen, denn die freigewordene Menschheit muß sich von dem Dämonischen losmachen. Heute tut sie das noch nicht. Sie fällt erst recht ins Dämonische hinein.

Das ist aber einmal die große Zeitaufgabe, die Zeitmission, daß die Menschen aus dem Dämonischen herauswachsen und in das Freie hin­einwachsen.

Aber wenn wir die inneren Dämonen als diejenigen Gestalten, die uns zu tragischen Persönlichkeiten machen, loswerden, werden wir das Äußerlich-Dämonische um so weniger los. Denn in dem Augenblicke, wo der Mensch mit der Außenwelt in Beziehung tritt, fängt auch für den neueren Menschen etwas Dämonenartiges an. Unsere Gedanken müssen immer freier und freier werden. Und wenn, wie ich es in meiner «Philosophie der Freiheit» dargestellt habe, die Gedanken die Impulse für den Willen werden, wird auch der Wille frei. Das sind auch die polarischen Gegensätze, die frei werden können, die freien Gedanken, der freie Wille. Aber dazwischen liegt das übrige Menschliche, das mit

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dem Karma zusammenhängt. Und ebenso wie das Dämonische einmal zum Tragischen geführt hat, so wird gerade beim modernen Menschen das Erleben des Karma zur tiefen innerlichsten Tragik führen können. Die Tragödie wird aber erst blühen können, wenn die Menschen das Karma erleben werden. Solange wir bei unseren Gedanken bleiben, so lange können wir frei sein. Wenn wir die Gedanken in Worte klei­den, gehören die Worte nicht mehr uns. Was kann aus einem Worte, das ich ausgesprochen habe, alles werden! Es wird von dem anderen aufgenommen. Er umgibt es mit anderen Emotionen, mit anderen Empfindungen. Das Wort lebt weiter. Indem das Wort durch die Men­schen der Gegenwart fliegt, wird es eine Gewalt, die aber vom Men­schen ausgegangen ist. Das ist sein Karma, durch das er mit der Welt zusammenhängt, das sich wiederum zurück auf ihn entladen kann. Da kann schon durch das Wort, das sein eigenes Dasein führt, weil es nicht uns angehört, weil es dem Sprachgenius angehört, das Tragische werden. Wir sehen gerade heute die Menschheit, ich möchte sagen, überall in der Anlage zu tragischen Situationen durch die Überschätzung der Sprache, durch die Überschätzung des Wortes. Die Völker gliedern sich nach den Sprachen, wollen sich gliedern nach den Sprachen. Das gibt die Grundlage zu einer Riesentragik, die noch in diesem Jahrhundert über die Erde hereinbrechen wird. Das ist die Tragik des Karma. Wenn wir sprechen können von der abgelebten Tragik als einer Tragik der Dämonologie, müssen wir von der Tragik der Zukunft sprechen als von der Tragik des Karma.

Die Kunst ist ewig, ihre Formen wandeln sich. Und wenn Sie dies nehmen, daß überall eine Beziehung zum Geistigen vom Künstlerischen aus da ist, werden Sie verstehen, daß das Künstlerische doch etwas ist, wodurch man sich sowohl schaffend wie genießend mit in die Geistes­welt hineinstellt. Wer ein wirklicher Künstler ist, kann in einsamer Wüste sein Bild schaffen. Einerlei ist es ihm, wer das Bild von Erden­menschen anschaut, ob es überhaupt jemand anschaut, denn er hat in einer anderen Gemeinschaft geschaffen, er hat in der geist-göttlichen Gemeinschaft geschaffen. Götter haben ihm über die Schultern geblickt. Er hat in der Gesellschaft von Göttern geschaffen. Was liegt dem wah­ren Künstler daran, ob sein Bild irgendein Mensch bewundert oder

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nicht. Deshalb kann man Künstler sein in voller Einsamkeit. Aber auf der anderen Seite kann man nicht Künstler sein, ohne in die Welt, die man dann auch ihrer Geistigkeit nach betrachtet, das eigene Geschöpf wirklich hineinzustellen, so daß es darinnen lebt. In der Geistigkeit der Welt muß es leben, das Geschöpf, das man in sie hineinstellt. Vergißt man diesen geistigen Zusammenhang, dann wandelt sich auch die Kunst, aber sie wandelt sich mehr oder weniger in Unkunst.

Sehen Sie, es läßt sich eigentlich künstlerisch nur schaffen, wenn man das Kunstwerk im Weltenzusammenhang darinnen hat. Dessen waren sich jene alten Künstler bewußt, die zum Beispiel ihre Bilder an die Kirchenwände gemalt haben, denn da waren diese Bilder die Führer für die Gläubigen, für die Bekenner, da wußten die Künstler, das steht darinnen in dem Erdenleben, insoweit dieses Erdenleben von dem Gei­stigen durchsetzt ist.

Man kann sich kaum etwas Schlimmeres denken, als wenn man, statt für so etwas, nun für Ausstellungen schafft. Im Grunde genommen ist es ja das Schrecklichste, durch eine Bilderausstellung zum Beispiel oder eine Skulpturausstellung zu gehen, wo alles mögliche durcheinander hängt oder nebeneinander steht, was gar nicht zusammengehört, wo es eigentlich sinnlos ist, daß das eine neben dem anderen ist. Indem das Malen den Obergang gefunden hat vom Malen für die Kirche, für das Haus, zum Bilde, schon da, möchte ich sagen, verliert es den richtigen Sinn. Wenn man in den Rahmen hinein etwas malt, kann man sich wenigstens noch vorstellen, man schaut durch ein Fenster heraus, und das, was man sieht, das ist draußen, aber es ist schon nichts mehr. Aber nun gar für Ausstellungen malen! Man kann nicht weiter darüber reden. Nicht wahr, eine Zeit, die überhaupt in Ausstellungen etwas sieht, etwas Mögliches sieht, hat eben den Zusammenhang mit der Kunst verloren. Und Sie sehen einfach an dem, was alles an geistiger Kultur zu geschehen hat, um wiederum den Weg zum Geistig-Künstlerischen zurückzufinden. Die Ausstellung zum Beispiel ist durchaus zu über­winden. Gewiß, bei einzelnen Künstlern ist der Abscheu vor der Aus­stellung vorhanden, aber wir leben heute in einer Zeit, wo der einzelne nicht viel vermag, wenn nicht das Urteil des einzelnen in eine Welt­anschauung eingetaucht wird, die wiederum die Menschen so in ihrer

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Freiheit, in voller Freiheit durchsetzt, wie einstmals in unfreieren Zei­ten Weltanschauungen die Menschen durchsetzt haben und dazu geführt haben, daß wirkliche Kulturen entstanden, während wir heute keine wirklichen Kulturen haben.

An dem Aufbau von wirklichen Kulturen und damit auch an dem Aufbau von wirklich Künstlerischem muß aber eine geistige Weltan­schauung arbeiten, daran das höchste Interesse haben.

MASS, ZAHL UND GEWICHT..Dornach, 29. Juli 1923

MASS, ZAHL UND GEWICHT - DIE SCHWERELOSE FARBE ALS FORDERUNG DER NEUEN MALENTWICKELUNG

Dornach, 29. Juli 1923


Der Mensch wechselt während seines irdischen Daseins in den Bcwußtseinszuständen, die wir ja auch in diesen Tagen schon von manchen Gesichtspunkten aus betrachtet haben, zwischen den Zuständen des völligen Wachens, des Schlafens und des Träumens. Und ich habe ja gerade bei dem kleinen Vortragszyklus während der Delegiertenver­sammlung die ganze Bedeutung des Träumens auseinanderzusetzen versucht. Wir wollen uns heute einmal zunächst die Frage vorlegen: Gehört es zum Wesentlichen des Menschen, als irdisches Wesen in diesen drei Bewußtseinszuständen zu leben?

Wir müssen uns klar sein darüber, daß innerhalb des irdischen Da­seins nur der Mensch in diesen drei Bewußtseinszuständen lebt. Das Tier lebt ja in einem wesentlich anderen Wechsel. Jenen tiefen traum­losen Schlaf, den der Mensch die größte Zeit hindurch hat zwischen dem Einschlafen und Aufwachen, hat das Tier nicht, dagegen hat auch das Tier nicht das vollständige Wachsein, das der Mensch hat zwischen dem Aufwachen und Einschlafen. Der tierische Wachzustand ist eigent­lich dem menschlichen Träumen etwas ähnlich. Nur sind die Bewußt­seinserlebnisse der höheren Tiere bestimmter, gesättigter, möchte ich sagen, als die flüchtigen menschlichen Träume. Aber auf der anderen Seite ist das Tier niemals in jenem hohen Grade bewußtseinslos, wie der Mensch das im tiefen Schlafe ist.

Das Tier unterscheidet sich daher nicht in demselben Maße von seiner Umgebung wie der Mensch. Das Tier hat nicht in dieser Weise eine Außenwelt und Innenwelt, wie der Mensch sie hat. Das Tier rechnet sich eigentlich, wenn wir in menschliche Sprache übersetzen, was als ein dumpfes Bewußtsein in den höheren Tieren lebt, mit seinem ganzen Innenwesen zur Außenwelt mit.

Wenn das Tier eine Pflanze sieht, dann ist nicht zunächst für das Tier die Empfindung da: es ist außen eine Pflanze, und ich bin im Inneren ein geschlossenes Wesen, sondern für das Tier ist ein starkes inneres

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Erlebnis von der Pflanze da, eine unmittelbar sprechende Sympathie oder Antipathie. Das Tier empfindet gewissermaßen dasjenige, was die Pflanze äußert, in seinem Inneren mit. Daß in unserem heutigen Zeitalter die Menschen so wenig beobachten können, was sich nicht in ganz grober Weise der Beobachtung ergibt, dieser Umstand nur ist es ja, der sie verhindert, einfach an dem Getriebe, an dem Gehaben des Tieres schon zu sehen, daß das so ist, wie ich es gesagt habe.

Nur der Mensch hat dieses scharfe, deutliche Unterscheiden zwischen seiner Innenwelt und der äußeren Welt. Warum anerkennt der Mensch eine äußere Welt? Wodurch kommt der Mensch dazu, überhaupt von einer Innenwelt und von einer Außenwelt zu sprechen? Er kommt dadurch dazu, daß er mit seinem Ich und mit seinem astralischen Leibe jedesmal im Schlafzustand außerhalb seines physischen und seines Ätherleibes ist, daß er sozusagen seinen physischen und Ätherleib sich selbst überläßt im Schlaf, und bei denjenigen Dingen ist, die Außenwelt sind. Wir teilen ja während unseres Schlafzustandes das Schicksal der äußeren Dinge. So wie Tische und Bänke, Bäume und Wolken während des Wachzustandes außerhalb unseres physischen und Ätherleibes sind, und wir sie deshalb als Außenwelt bezeichnen, so sind unser eigener astralischer Körper und unser eigenes Ich während des Schlafes der Außenwelt angehörig. Und wenn wir mit unserem Ich und mit unserem astralischen Leibe während des Schlafes der Außenwelt angehören, da geschieht etwas.

Um einzusehen, was da geschieht, wollen wir zunächst einmal von dem ausgehen, was eigentlich geschieht, wenn wir in einem ganz nor­malen Wachzustande der Welt gegenüberstehen. Da sind die Gegen­stände außer uns. Und es hat ja allmählich das wissenschaftliche Denken der Menschen es dahin gebracht, als sicher für diese physischen Dinge der Außenwelt nur das anzuerkennen, was man messen, wägen und zählen kann. Der Inhalt unserer physischen Wissenschaft wird ja be­stimmt nach Gewicht, nach Maß, nach Zahl.

Wir rechnen mit den Rechnungsoperationen, die einmal für die irdi­schen Dinge gelten, wir wägen die Dinge, wir messen sie. Und was wir durch Gewicht, Maß und Zahl bestimmen, das gibt eigentlich das Phy­sische. Wir würden einen Körper nicht als einen physischen bezeichnen,

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wenn wir ihn nicht irgendwie mit der Waage in seiner Realität nach­weisen könnten. Dasjenige aber, was zum Beispiel Farben sind, was Töne sind, was selbst Wärme- und Kälteempfindungen sind, was also die eigentlichen Sinneswahrnehmungen sind, das webt so hin über den schweren, meßbaren, zählbaren Dingen. Wenn wir irgendein physisches Ding bestimmen wollen, so ist das, was seine eigentliche physische Wesenheit ausmacht, eben dasjenige, was sich wägen, zählen läßt, wo­mit der Physiker eigentlich bloß zu tun haben will. Von Farbe, von Ton und so weiter sagt er: Ja, da geschieht eben draußen etwas, was auch mit Wägen oder Zählen zu tun hat. - Er sagt ja selbst von den Farbenerscheinungen: Da draußen sind schwingende Bewegungen, die machen einen Eindruck auf den Menschen, und diesen Eindruck, den bezeichnet der Mensch, wenn das Auge ihn bestimmt, als Farbe, wenn das Ohr ihn bestimmt, als Ton und so weiter. - Eigentlich könnte man sagen: Mit allen diesen Dingen - Ton, Farbe, Wärme und Kälte - weiß der Physiker heute nichts anzufangen. Er betrachtet sie eben als Eigen­schaften dessen, was sich mit der Waage, mit dem Maßstab oder durch die Rechnung bestimmen läßt. Es haften gewissermaßen die Farben an dem Physischen, es entringt sich dem Physischen der Ton, es wellt heraus aus dem Physischen die Wärme oder Kälte. Man sagt: Dasjenige, was ein Gewicht hat, das hat die Röte, oder es ist rot.

Wenn der Mensch nun in dem Zustand zwischen Einschlafen und Aufwachen ist, da ist es mit dem Ich und mit dem astralischen Leibe anders. Da sind die Dinge nach Maß, Zahl und Gewicht zunächst über­haupt nicht da. Nach dem irdischen Maß, Zahl und Gewicht sind die Dinge nicht da. Da haben wir nicht Dinge um uns herum, wenn wir schlafen, die man abwiegen kann, so sonderbar es erscheint, wir haben auch nicht Dinge um uns herum, die man zählen kann, oder die man messen kann unmittelbar. Einen Maßstab könnte man nicht anwenden als Ich und als astralischer Leib im Schlafzustande.

Aber was da ist, das sind, wenn ich mich so ausdrücken darf, die frei schwebenden, frei webenden Sinnesempfindungen. Nur daß der Mensch im gegenwärtigen Zustand seiner Entwickelung nicht die Fähigkeit hat, die frei schwebende Röte, die Wellen des frei webenden Tones und so weiter wahrzunehmen.

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Will man schematisch die Sache zeichnen, so könnte man das so ma­chen. Man könnte sagen: Hier auf Erden haben wir wägbare feste Dinge [siehe Zeichnung, violett], und an diesen wägbaren festen Din­gen haftet gewissermaßen die Röte, die Gelbe, also dasjenige, was die Sinne an den Körpern wahrnehmen. Wenn wir schlafen, dann ist die Gelbe frei schwebendes Wesen, die Röte ist frei schwebendes Wesen, nicht haftend an solchen Schwerebedingungen, sondern frei webend und schwebend. Ebenso ist es mit dem Ton: nicht die Glocke klingt, sondern das Klingen webt.

Und nicht wahr, wenn wir in unserer physischen Welt herumgehen, irgend etwas sehen, so heben wir es auf; dann ist es eigentlich erst ein Ding, sonst könnte es auch eine Augentäuschung sein. Das Gewicht muß hinzukommen. Daher ist man so geneigt, etwas, was im Physischen erscheint, ohne daß man es als schwer empfindet - wie die Farben des Regenbogens , als eine Augentäuschung zu betrachten. Wenn Sie heute ein Physikbuch aufschlagen, so ist es so, daß man da erklärt: Das ist eine Augentäuschung. - Als das eigentlich Reale sieht man den Regen­tropfen an. Und da zeichnet man Linien hinein, die eigentlich gar nichts

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bedeuten für das, was da ist, aber die man sich so durch den Raum hin denkt; man nennt sie dann Strahlen. Aber die Strahlen sind gar nicht da. Dann sagt man: Das Auge projiziert sich das hinaus. - Dieses Pro­jizieren ist ja überhaupt etwas, was in einer sehr sonderbaren Weise heute in der Physik angewendet wird. Also ich greife die Vorstellung auf: Wir sehen einen roten Gegenstand. Um uns zu überzeugen, daß es keine Augentäuschung ist, heben wir ihn, und er ist schwer: dadurch verbürgt er seine Realität.

Derjenige, der sich nun im Ich und im astralischen Leibe außerhalb des physischen und des Ätherleibes bewußt wird, der kommt auch end­lich darauf, daß so etwas da drinnen schon ist in diesem frei schweben­den und frei webenden Farbigen, Tönenden; aber es ist anders. Es ist in einem so frei schwebenden Farbigen die Tendenz, in die Weiten der Welt hinaus sich zu entfernen; es hat eine entgegengesetzte Schwere. Diese Dinge der Erde, die wollen da herunter nach dem Mittelpunkt der Erde [siehe Zeichnung Seite 200, Pfeile abwärts], jene [Pfeile auf­wärts] wollen frei hinaus in den Weltenraum.

Und es ist auch schon so etwas Ähnliches da wie ein Maß. Man kommt nämlich darauf, wenn man irgendwo, sagen wir, eine kleine rötliche Wolke hat, und diese kleine rötliche Wolke ist meinetwillen eingesäumt


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von einem mächtigen gelben Gebilde: Dann mißt man, aber nicht mit dem Maßstab, sondern qualitativ mißt man mit dem Roten, mit dem stärker Scheinenden das schwächer scheinende Gelbe. Und so wie Ihnen der Maßstab sagt: Das sind fünf Meter -, so sagt Ihnen hier das Rote

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[siehe Zeichnung]: Wenn ich mich ausbreiten würde, gehe ich fünfmal in das Gelbe hinein. Ich muß mich weiten, ich muß mächtiger werden, dann werde ich auch gelb. - So geschehen die Messungen hier.

Noch schwieriger ist das Zählen hier klarzumachen, weil wir beim irdischen Zählen ja doch zumeist nur Erbsen oder Äpfel zählen, die gleichgültig nebeneinander liegen. Und wir haben immer das Gefühl, wenn wir aus der Eins zweie machen, so ist es dieser Eins eigentlich ganz gleichgültig, daß noch eine Zwei neben ihr ist. Im menschlichen Leben wird es ja schon anders; da ist es zuweilen so, daß Eins auf das Zwei angewiesen ist. Doch das geht ja auch schon in das Geistige hinein. Aber bei der eigentlichen physischen Mathematik ist es immer den Einteilun­gen gleichgültig, was sich zu ihnen gesellt. Das ist hier nicht der Fall.

Wenn hier irgendwo eine Eins [siehe Zeichnung] ist von einer be­stimmten Art, so fordert das irgendwelche, sagen wir, drei oder fünf andere, je nachdem es ist. Das hat immer inneren Bezug zu den anderen, da ist die Zahl eine Realität. Und wenn ein Bewußtsein anfängt dar­über, wie es ist, wenn man mit dem Ich und mit dem astralischen Leib da draußen ist, dann kommt man schon auch dahin, etwas wie Maß, Zahl und Gewicht zu bestimmen, aber nach entgegengesetzter Art.

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Und dann, wenn einem das Schauen und Hören da draußen nicht mehr ein bloßes Schwimmeln und Schwummeln von Rot und Gelb und Tönen ist, sondern wenn man anfängt, auch da drinnen die Dinge so geordnet zu empfinden, dann beginnt das Wahrnehmen der geistigen Wesenheiten, die sich in diesen frei schwebenden Sinnesempfindungen verwirklichen, realisieren. Dann kommen wir hinein in die positive geistige Welt, in das Leben und Treiben der geistigen Wesenheiten. Wie wir hier auf Erden hineinkommen ins Leben und Treiben der irdischen Dinge, indem wir sie mit der Waage, mit dem Maßstab, mit unserer Rechnerei bestimmen, so kommen wir dadurch, daß wir uns aneignen das bloß qualitative, entgegengesetzte Schwersein, das heißt, mit Leich­tigkeit sich ausdehnen wollen im Weltenraum, das Messen von Farbe durch Farbe und so weiter, hinein in das Erfassen von geistigen Wesen­heiten. Solche geistigen Wesenheiten durchsetzen nun auch alles das, was draußen in den Reichen der Natur ist.

Mit dem wachen Bewußtsein sieht der Mensch nur die Außenseite der Mineralien, der Pflanzen, der Tiere. Aber bei dem, was in allen diesen Wesen der Naturreiche lebt als Geistiges, bei dem ist der Mensch, wenn er schläft. Und wenn er dann beim Aufwachen wiederum in sich zurückgeht, dann behalten sein Ich und sein astralischer Leib gewisser­maßen die Neigung, die Affinität zu den äußeren Dingen und veran­lassen den Menschen, daß er eine Außenwelt anerkennt. Wenn der Mensch eine Organisation hätte, die nicht zum Schlaf eingerichtet wäre, so würde er nicht eine Außenwelt anerkennen. Es kommt natürlich nicht darauf an, daß einer an Schlaflosigkeit leidet. Denn ich sage nicht, wenn der Mensch nicht schläft, sondern wenn der Mensch nicht eine Organisation hätte, die zum Schlafen eingerichtet wäre. Es handelt sich um das Eingerichtetsein zu etwas. Daher wird ja auch der Mensch krank, wenn er an Schlaflosigkeit leidet, weil das eben seiner Wesenheit nicht angepaßt ist. Aber die Dinge sind eben so: Gerade dadurch, daß der Mensch schlafend verweilt bei dem, was in der Außenwelt ist, bei dem, was er dann wachend seine Außenwelt nennt, dadurch kommt er auch zu einer Außenwelt, zu einer Anschauung von der Außenwelt.

Dieses Verhältnis des Menschen zum Schlaf, das gibt den irdischen Wahrheitsbegriff. Inwiefern? Nun, wir nennen es Wahrheit, wenn wir

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im Inneren ein Äußeres richtig nachbilden können, wenn wir ein Äuße­res richtig im Inneren erleben. Dazu aber bedürfen wir der Einrichtung des Schlafes. Wir würden gar keinen Wahrheitsbegriff haben, wenn wir nicht die Einrichtung des Schlafens hätten. So daß wir sagen können: Dem Schlafzustand verdanken wir die Wahrheit. Wir müssen, um uns der Wahrheit der Dinge hinzugeben, mit den Dingen auch unser Dasein in einer gewissen Zeit verbringen. Die Dinge sagen uns von sich nur dadurch etwas, daß wir während des Schlafens mit unserer Seele bei ihnen sind.

Anders ist es mit dem Traumzustand. Der Traum ist ja, wie ich Ihnen in dem kleinen Zyklus während der Delegiertenversammlung ausge­führt habe, verwandt mit der Erinnerung, mit dem inneren Seelenleben, mit dem, was ja vorzugsweise in der Erinnerung lebt. Wenn der Traum frei schwebende Ton-Farbenwelt ist, so sind wir noch halb draußen aus unserem Leibe. Wenn wir ganz untertauchen, dann werden dieselben Kräfte, die wir webend-lebend im Traume entfalten, Erinnerungskräfte. Da unterscheiden wir uns nicht mehr in derselben Weise von der Außen­welt. Da fällt unser Inneres zusammen mit der Außenwelt, da leben wir mit unseren Sympathien und Antipathien so stark in der Außen­welt, daß wir nicht die Dinge als sympathisch oder antipathisch emp­finden, sondern daß die Sympathien und Antipathien selber sich bild-haftig zeigen.

Hätten wir nicht die Möglichkeit zu träumen und die Fortsetzung dieser Traumeskraft in unserem Inneren, so hätten wir keine Schönheit. Daß wir überhaupt Anlagen für die Schönheit haben, das beruht dar­auf, daß wir träumen können. Für das prosaische Dasein müssen wir sagen: Wir verdanken es der Traumeskraft, daß wir eine Erinnerung haben; für das künstlerische Dasein des Menschen verdanken wir der Traumeskraft die Schönheit. Also: Traumzustand hängt zusammen mit der Schönheit. Die Art, wie wir ein Schönes empfinden und ein Schönes schaffen, ist nämlich sehr ähnlich der webenden wirkenden Kraft des Träumens.

Wir verhalten uns beim Erleben des Schönen, beim Schaffen des Schönen - nur eben unter Anwendung unseres physischen Leibes - ähn­lich, wie wir uns verhalten außer unserem physischen Leibe, oder halb

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verbunden mit unserem physischen Leibe, beim Träumen. Es ist eigent­lich zwischen dem Träumen und dem Leben in Schönheit nur ein kleiner Ruck. Und nur weil in der heutigen materialistischen Zeit die Menschen so grob veranlagt sind, daß sie diesen Ruck nicht bemerken, ist so wenig Bewußtsein vorhanden von der ganzen Bedeutung der Schönheit. Man muß im Traume sich dem notwendig hingeben, um dieses Freischweben und -weben zu erleben. Während dann, wenn man sich der Freiheit, dem inneren Willkürgebaren hingibt, also nach dem Ruck lebt, man nicht mehr die Empfindung hat, daß es dasselbe ist wie das Träumen, da es nur unter Anwendung der Kräfte des physischen Leibes eben das­selbe ist.

Die heutigen Menschen werden lange nachdenken, was man in älte­ren Zeiten gemeint hat, wenn man «Chaos» gesagt hat. Es gibt die mannigfaltigsten Definitionen von Chaos. In Wirklichkeit kann das Chaos nur so charakterisiert werden, daß man sagt: Wenn der Mensch in einen Bewußtseinszustand kommt, wo das Erleben der Schwere, des irdischen Maßes, gerade aufhört, und die Dinge anfangen, halb leicht zu werden, aber noch nicht hinaus wollen in das Weltenall, sondern noch sich in der Horizontale, im Gleichgewicht erhalten, wenn die festen Grenzen verschweben, wenn also noch mit dem physischen Leib, aber schon mit der Seelenkonstitution des Träumens das webende Unbe­stimmte der Welt geschaut wird, dann schaut man das Chaos. Und der Traum ist bloß das schattenhafte Heranschweben des Chaos an den Menschen.

In Griechenland noch hatte man die Empfindung: Schön machen kann man eigentlich die physische Welt nicht. Die physische Welt ist halt Naturnotwendigkeit, sie ist, wie sie ist. Schön machen kann man nur dasjenige, was chaotisch ist. Wenn man das Chaos in den Kosmos wandelt, dann entsteht die Schönheit. Daher sind Chaos und Kosmos Wechselbegriffe. Man kann den Kosmos - das bedeutet eigentlich die schöne Welt - nicht aus den irdischen Dingen herstellen, sondern nur aus dem Chaos, indem man das Chaos formt. Und dasjenige, was man mit irdischen Dingen macht, ist bloß ein Nachahmen im Stoffe des ge­formten Chaos.

Das ist so bei allem Künstlerischen der Fall. Von diesem Verhältnis

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Schlafzustand:

Traumzustand:

Wachzustand:


Das aber widerspricht nicht dem, was ich in diesen Tagen gesagt habe, daß, wenn man das Irdische verläßt und hinauskommt in den Kosmos, man veranlaßt ist, auch die irdischen Begriffe fallenzulassen, um von moralischer Weltenordnung zu sprechen. Denn die moralische Welten­ordnung, die ist im Geistigen ebenso vorherbestimmt, notwendig vor­herbestimmt, wie hier auf Erden die Kausalität. Nur ist sie eben dort geistig: die Vorbestimmung, das In-sich-bestimmt-Sein. Also da ist kein Widerspruch.

Aber für die menschliche Natur müssen wir uns klar sein: Wollen wir die Idee der Wahrheit haben, dann müssen wir uns an den Schlaf­zustand wenden; wollen wir die Idee der Schönheit haben, dann müssen wir uns an den Traumzustand wenden; wollen wir die Idee der Güte haben, dann müssen wir uns an den Wachzustand wenden.

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Der Mensch hat also, wenn er wach ist, nicht eine Bestimmung zu seinem physischen und ätherischen Organismus nach der Wahrheit, son­dern die Bestimmung nach der Güte. Da müssen wir also erst recht auf die Idee der Güte kommen.

Nun frage ich Sie: Was erstrebt denn die Wissenschaft der Gegen­wart, wenn sie den Menschen erklären will? Sie will ja nicht aufsteigen, indem sie den wachen Menschen erklären will, von der Wahrheit durch die Schönheit zur Güte, sie will ja alles nach einer äußeren kausalen Notwendigkeit, die nur der Idee der Wahrheit entspricht, erklären. Da kommt man gar nicht zu dem, was im Menschen wachend webt und lebt, da kommt man nur zu dem, was der schlafende Mensch höchstens ist. Wenn Sie daher heute Anthropologien lesen und es mit wachem Auge tun, wach für die Seeleneigentümlichkeiten und Kräfte der Welt, dann bekommen Sie folgenden Eindruck. Sie sagen sich: Das ist ja alles recht schön, was uns da erzählt wird von der heutigen Wissenschaft über den Menschen. Aber wie ist denn dieser Mensch eigentlich, von dem uns diese Wissenschaft erzählt? Er liegt fortwährend im Bett. Er kann nämlich nicht gehen. Bewegen kann er sich nicht. Die Bewegung zum Beispiel wird absolut gar nicht erklärt. Er liegt fortwährend im Bett.

Der Mensch, den die Wissenschaft erklärt, der kann nur als ein im Bett liegender Mensch erklärt werden. Es geht gar nicht anders. Die Wissenschaft erklärt nur den schlafenden Menschen. Wenn man ihn in Bewegung bringen will, dann müßte man das mechanisch tun. Deshalb ist sie auch ein wissenschaftlicher Mechanismus. Da muß man in diesen schlafenden Menschen eine Maschinerie hineinbringen, die diesen Plump­sack, wenn er aufstehen soll, in Schwung bringt und abends wiederum in das Bett legt.

Also diese Wissenschaft sagt uns überhaupt nichts vom Menschen, der da herumgeht in der Welt, der da webt und lebt, der da wacht. Denn was ihn in Bewegung setzt, das ist enthalten in der Idee der Güte, nicht in der Idee der Wahrheit, die wir von den äußeren Dingen zu­nächst gewinnen. Das ist etwas, was ziemlich wenig bedacht wird. Man hat das Gefühl, wenn einem der heutige Physiologe oder der heutige Anatom den Menschen beschreibt, daß man gerne sagen möchte: Wach

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auf, wach auf, du schläfst ja, du schläfst! Die Leute gewöhnen sich unter dem Einfluß dieser Weltanschauung eben den Schlafzustand an. Und was ich immer charakterisieren mußte: daß eigentlich die Menschen alles Mögliche verschlafen, das ist, weil sie von der Wissenschaft be­sessen sind. Heute ist ja - weil die populären Zeitschriften alles überall hinaustragen - auch schon der Ungebildete von der Wissenschaft beses­sen. Es hat nie so viel Besessene gegeben als heute, sie sind von der Wissenschaft besessen. Es ist ganz eigentümlich, wie man reden muß, wenn man die realen Verhältnisse der heutigen Zeit zu schildern hat. Man muß in ganz andere Töne verfallen als in diejenigen, die heute gang und gäbe sind.

So ist es ja auch, wenn nun der Mensch ein wenig von den Materia­listen in die Umgebung hineingestellt wird. Als die materialistische Hochflut war, da haben die Leute solche Bücher geschrieben, wie zum Beispiel eines, das austönte in einem bestimmten Kapitel, in dem es heißt: Der Mensch ist eigentlich an sich nichts. Er ist das Ergebnis des Sauerstoffes der Luft, er ist das Ergebnis des Kältegrades oder des Wär­megrades, unter dem er ist. Er ist eigentlich - so endet pathetisch diese materialistische Schilderung - ein Ergebnis jedes Zuges der Luft.

Geht man auf eine solche Beschreibung ein und stellt man sich den Menschen vor, der das wirklich ist, was der materialistische Forscher da beschreibt, dann ist es nämlich im höchsten Grade ein Neurastheniker. Die Materialisten haben nie andere Menschen beschrieben. Wenn sie schon nicht bemerkten, daß sie eigentlich den Menschen schlafend schil­derten, wenn sie sozusagen aus der Rolle gefallen sind und weitergehen wollten, haben sie nie andere Menschen beschrieben als hochgradige Neurastheniker, die schon am nächsten Tag sterben müssen vor lauter Neurasthenie, die gar nicht leben können. Denn den lebendigen Men­schen hat eben diese Epoche der Wissenschaft niemals ergriffen.

Da liegen die großen Aufgaben, welche die Menschen aus den Zu­ständen der Gegenwart wiederum herausführen müssen in solche Zu­stände, unter denen das weitere Leben der Weltgeschichte einzig und allein möglich ist. Was gebraucht wird, das ist ein Eindringen in die Geistigkeit. Es muß der andere Pol gefunden werden zu dem, was erlangt worden ist. Was ist denn eigentlich erlangt worden gerade im

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Laufe des für die materialistische Weltanschauung gloriosen 19. Jahr­hunderts? Was ist denn erlangt worden?

In einer wunderbaren Weise - es kann ganz aufrichtig und ehrlich gesagt werden - ist es gelungen, die äußere Welt nach Maß, Zahl und Gewicht zu bestimmen als irdische Welt. Darin hat das 19. Jahrhundert und der Beginn des 20. Jahrhunderts Großartiges, Gewaltiges geleistet. Aber die Sinnesempfindungen, die Farben, die Töne, die flattern so herum im Unbestimmten. Die Physiker haben ja ganz aufgehört, von Farben und Tönen zu reden; sie reden von Luftschwingungen und Ätherschwingungen, die sind ja nicht Farben und auch nicht Töne. Die Luftschwingungen sind doch keine Töne, sondern sie sind höchstens das Medium, auf dem die Töne sich fortpflanzen. Und es ist gar keine Erfassung da von dem, was die Sinnesqualitäten sind. Dazu muß man erst wiederum kommen. Eigentlich sieht man heute nur, was mit der Waage, mit dem Maßstab, mit der Rechnung sich bestimmten läßt. Das andere ist einem entschwebt.

Und wenn nun die Relativitätstheorie auch die Ihnen gestern be­schriebene grandiose Unordnung hineinbringt in das, was sich messen, wägen, zählen läßt, dann zerklüftet sich alles, dann geht alles ausein­ander. Aber schließlich, an gewissen Grenzen scheitert schon diese Rela­tivitätstheorie. Nicht gegenüber den Begriffen - mit den irdischen Begriffen entkommt man der Relativitätstheorie nicht; das habe ich an einem anderen Orte schon einmal auseinandergesetzt -, aber mit der Realität entkommt man immer den Relativitätsbegriffen. Denn was sich messen, zählen, wägen läßt, das geht durch Maß, Zahl und Gewicht ganz bestimmte Beziehungen ein in der äußeren sinnlichen Wirklichkeit.

Es war in Stuttgart, da hat einmal ein Physiker, oder eine Reihe von Physikern Anstoß genommen an der Behandlung der Relativitäts­theorie von Seiten der Anthroposophen. Dann hat er in einer Diskussion das einfache Experiment vorgeführt, daß es eigentlich ganz gleichgültig ist, ob ich hier die Zündholzschachtel habe und mit dem Zündholz darüber streiche: es brennt; oder ob ich das Zündholz festhalte und mit der Schachtel darüber streiche: dann brennt es auch. Es ist relativ.

Gewiß, hier ist es noch relativ. Und in bezug auf alles, was auf einen Newtonschen Raum bezogen wird, oder auf einen Euklidischen Raum,

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ist das alles relativ. Aber sobald jene Realität in Betracht kommt, die als Schwere, als Gewicht auftritt, da geht es nicht mehr so leicht, wie der Einstein es sich vorgestellt hat, denn da treten dann reale Verhält­nisse auf. Man muß da wirklich wiederum paradox reden. Die Rela­tivität läßt sich eben dann geltend machen, wenn man die ganze Wirk­lichkeit mit Mathematik und Geometrie und Mechanik verwechselt. Aber wenn man auf die wahre Wirklichkeit eingeht, dann geht das nicht mehr. Denn es ist ja schließlich doch nicht bloß relativ, ob man den Kalbsbraten ißt, oder ob der Kalbsbraten einen ißt! Mit der Zünd­holzschachtel läßt sich das machen, hin- und herzufahren, aber den Kalbsbraten muß man essen, man kann sich nicht von dem Kalbsbraten aufessen lassen. Es sind eben da Dinge, die diesen Relativitätsbegriffen Grenzen setzen. Diese Dinge sind so, daß wenn sie nun nach außen erzählt werden, man sagen wird: Da ist nicht das geringste Verständnis für diese ernste Theorie. - Aber die Logik ist doch schon so, wie ich sie sage: Es ist nicht anders, ich kann es nicht anders machen.

Also es handelt sich darum, zu sehen, wie man durch die Berück­sichtigung des Gewichtes - also dessen, was eigentlich die physischen Körper macht -, wie man da in der Wirklichkeit, möchte ich sagen, Farben, Töne und so weiter nirgendwo unterbringt. Aber mit dieser Tendenz entfällt einem etwas außerordentlich Wichtiges. Es entfällt einem nämlich das Künstlerische. Indem wir immer physikalischer und physikalischer werden, nimmt das Künstlerische von uns Abschied. Kein Mensch wird heute in dem, was die Physikbücher schildern, noch eine Spur von Kunst finden. Da ist nichts mehr von Kunst, da muß alles, alles heraus. Es ist ja schauderhaft, heute überhaupt ein Physik­buch zu studieren, wenn man noch eine Spur von Schönheitsgefühl hat. Dadurch, daß alles, woraus die Schönheit gewoben wird, aus Farbe und Ton, dadurch, daß das alles vogelfrei wird, daß es nur anerkannt wird, wenn es an den schweren Dingen haftet, gerade dadurch entfällt den Menschen die Kunst. Heute entfällt sie einem. Und je physischer die Menschen werden, desto unkünstlerischer werden sie! Denken Sie doch einmal: Wir haben eine großartige Physik. Dazu bedarf es wahrhaftig nicht des Zurechtweisens der Gegner, daß man auf anthroposophischem Felde sagt: Wir haben eine großartige Physik. - Aber die Physik lebt

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von der Verleugnung des Künstlerischen. Sie lebt in jedem einzelnen von der Verleugnung des Künstlerischen, denn sie ist angelangt bei einer Art, die Welt zu behandeln, bei der sich der Künstler gar nicht mehr kümmert um den Physiker.

Ich glaube zum Beispiel nicht, daß der Musiker heute großen Wert darauf legt, die physikalischen Theorien der Akustik zu studieren. Das ist ihm zu langweilig, es kümmert ihn nicht. Der Maler wird auch nicht gern diese schreckliche Farbenlehre, die in der Physik enthalten ist, studieren. Er wendet sich in der Regel, wenn er sich überhaupt um Farben kümmert, noch zur Goetheschen Farbenlehre. Aber die ist ja falsch nach der Ansicht der Physiker. Die Physiker drücken ein Auge zu und sagen: Nun ja, das ist ja nicht so wesentlich, ob der Maler eine richtige oder eine falsche Farbenlehre hat. Es ist eben so, daß unter der physikalischen Weltanschauung von heute die Kunst zugrunde gehen muß. Nun müssen wir uns die Frage vorlegen: Warum war denn in älteren Zeiten eine Kunst da?

Wenn wir in ganz alte Zeiten zurückgehen, in die Zeiten, in denen die Menschen noch ein ursprüngliches Hellsehen hatten, da war es so, daß nämlich die Menschen nicht so viel merkten von Maß, Zahl und Gewicht in den irdischen Dingen. Es kam ihnen gar nicht so sehr auf Maß, Zahl und Gewicht an, sie gaben sich mehr den Farben, den Tönen der irdischen Dinge hin.

Denken Sie doch nur einmal, daß ja die Chemie erst seit Lavoisier mit dem Gewicht rechnet; das ist etwas mehr als hundert Jahre! Das Gewicht wurde ja erst angewendet auf eine Weltanschauung am Ende des 18. Jahrhunderts. Es war eben bei der älteren Menschheit das Be­wußtsein nicht vorhanden, daß alles nach irdischem Maß, Zahl und Gewicht bestimmt werden muß. Man war mit seinem Gemüte hin­gegeben dem Farbenteppich der Welt, den Tonwebungen und -wellun­gen; nicht den Luftschwingungen, sondern den Tonwellungen und -webungen, denen war man hingegeben. Man lebte darin, auch indem man in der physischen Welt lebte.

Aber welche Möglichkeit hatte man denn dadurch, daß man in die­sem schwerefreien sinnlichen Wahrnehmen lebte? Dadurch hatte man die Möglichkeit, wenn man zum Beispiel an den Menschen herankam,

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den Menschen gar nicht so zu sehen, wie man ihn heute sieht, sondern man sah sich den Menschen an wie ein Ergebnis des ganzen Weltenalls. Der Mensch war mehr ein Zusammenfluß des Kosmos. Er war mehr ein Mikrokosmos als dasjenige, was innerhalb seiner Haut da auf die­sem kleinen Fleck Erde steht, wo der Mensch steht. Man dachte sich im Menschen mehr ein Abbild der Welt. Da flössen die Farben von allen Seiten so zusammen, gaben dem Menschen die Farben. Die Welten­harmonie war da, durchtönte den Menschen, gab dem Menschen die Gestalt.

Und von der Art und Weise, wie alte Mysterienlehrer zu ihren Schü­lern sprachen, kann ja die Menschheit heute kaum etwas verstehen. Denn wenn heute ein Mensch das menschliche Herz erklären will, so nimmt er einen Embryo und sieht, wie da die Blutgefäße sich aussacken, und wie da ein Schlauch zunächst entsteht und dann das Herz sich all­mählich formt. Ja, so haben die alten Mysterienlehrer zu ihren Schülern nicht gesagt! Das hätte ihnen nicht viel wichtiger geschienen, als wenn man sich einen Strumpf strickt, weil ja schließlich der Vorgang so ganz ähnlich ausschaut. Dagegen haben sie etwas anderes als ein ungeheuer Wichtiges hervorgehoben. Sie haben gesagt: Das menschliche Herz ist ein Ergebnis des Goldes, das im Lichte überall lebt, und das von dem



Weltenall hereinströmt und eigentlich das menschliche Herz bildet. Sie haben die Vorstellungen gehabt: Da webt durch das Weltenall das Licht, und das Licht trägt das Gold. Überall im Lichte ist das Gold, das

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Gold webt und lebt im Lichte. Und wenn der Mensch im irdischen Leben steht, dann ist sein Herz - Sie wissen ja, nach sieben Jahren ändert es sich - nicht aus den Gurken und aus dem Salat und aus dem Kalbsbraten aufgebaut, die der Mensch inzwischen gegessen hat, son­dern da wußten diese alten Lehrer: das ist aus dem Golde des Lichtes aufgebaut. Und die Gurken und der Salat, die sind nur die Anregung dazu, daß das im Lichte webende Gold vom ganzen Weltenall das Herz aufbaut.

Ja, die Leute haben anders geredet, und man muß sich dieses Gegen­satzes bewußt werden, denn man muß ja wieder lernen, so zu reden, nur eben auf einer anderen Bewußtseinsstufe. Dasjenige, was zum Bei­spiel auf dem Gebiete der Malerei einmal da war, was dann verschwun­den ist, wo man noch aus dem Weltenall heraus gemalt hat, weil man noch nicht die Schwere hatte, das hat seine letzte Spur zurückgelassen -sagen wir zum Beispiel bei Cimabue und namentlich bei der Inkoncn-malerei der Russen. Die Ikone ist noch aus der Außenwelt, aus dem Makrokosmos gemalt; sie ist gewissermaßen ein Ausschnitt aus dem Makrokosmos. Dann aber war man einmal bei der Sackgasse angelangt. Da konnte man nicht weiter, weil einfach für die Menschheit diese An­schauung nicht mehr da ist. Hätte man malen wollen die Ikone mit innerem Anteil, nicht bloß aus der Tradition und aus dem Gebet heraus, dann hätte man wissen müssen, wie man das Gold behandelt. Die Be­handlung des Goldes auf dem Bilde, das war ja eines der größten Ge­heimnisse der alten Malerei. Heraufzubringen dasjenige, was am Men­schen gestaltet ist, aus dem Hintergrunde des Goldes, das war die alte Malerei.

Es liegt ein ungeheurer Abgrund zwischen Cimabue und Giotto. Denn Giotto begann bereits mit dem, was dann Raffael auf besondere Höhe gebracht hat. Cimabue hatte es noch durch Tradition, Giotto wurde schon halber Naturalist. Er merkte: Die Tradition wird nicht mehr innerlich in der Seele lebendig. Jetzt muß man den physischen Menschen nehmen, jetzt hat man nicht mehr das Weltenall. Man kann nicht mehr aus dem Golde heraus malen, man muß aus dem Fleische heraus malen.

Das ist endlich so weit gekommen, daß ja schließlich die Malerei zu

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dem übergegangen ist, was sie im 19. Jahrhundert vielfach gehabt hat. Die Ikonen, die haben ja gar keine Schwere, die Ikonen sind «herein-gescheint» aus der Welt; die haben ja keine Schwere. Man kann sie nur heute nicht mehr malen, aber wenn man sie in ursprünglicher Gestalt malte, hätten sie überhaupt kein Gewicht.

Giotto fing zuerst an, die Dinge so zu malen, daß sie Gewicht haben. Daraus wurde dann, daß alles, was man malt, auch auf dem Bilde Gewicht hat, und man streicht es dann von außen an; so daß sich die Farben zu dem verhalten, was gemalt ist, wie der Physiker erklärt, daß die Farbe da an der Oberfläche durch irgendeine besondere Wellen­schwingung entsteht. Es hat die Kunst schließlich auch mit dem Ge­wichte gerechnet. Nur fing Giotto das in ästhetisch-künstlerischer Weise an, und Raffael brachte es dann auf die höchste Höhe.

So daß man sagen kann: Da ist das Weltenall gewichen aus dem Menschen, und der schwere Mensch wurde dasjenige, was man jetzt nur noch sehen konnte. Und weil noch die Gefühle der alten Zeit da waren, so wurde sozusagen das Fleisch möglichst wenig schwer, aber es wurde schwer. Und da entstand die Madonna als Gegensatz der Ikone: die Ikone, die kein Gewicht hat, die Madonna, die ja Gewicht hat, wenn sie auch schön ist. Die Schönheit hat sich noch erhalten. Aber Ikonen sind überhaupt nicht mehr malbar, weil der Mensch sie nicht erlebt. Und es ist eine Unwahrheit, wenn die Menschen heute glauben, daß sie Ikonen erleben. Daher auch die Ikonenkultur eben in eine ge­wisse sentimentale Unwahrheit eingetaucht war. Das ist eine Sack­gasse in der Kunst, das wird schematisch, das wird traditionell.

Die Malerei Raffaels, die Malerei, die sich eigentlich auf dem auf­baut, was Giotto aus dem Cimabue gemacht hat, diese Malerei, die kann nur so lange Kunst bleiben, solange noch der alte Glanz der Schönheit auf sie strahlt. Gewissermaßen waren es die sonnigen Rc-naissancemaler, die noch etwas empfunden haben von dem im Lichte webenden Gold und wenigstens ihren Bildern den Glanz gaben, mit dem im Lichte webenden Gold sie von außen überstrahlen ließen.

Aber das hörte auf. Und so ist der Naturalismus geworden. Und so sitzt heute die Menschheit künstlerisch zwischen zwei Stühlen auf der Erde, zwischen der Ikone und der Madonna, und ist darauf angewie­sen,

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dasjenige zu entdecken, was die reine webende Farbe, der reine webende Ton ist, mit ihrem entgegengesetzten Gewicht, entgegengesetzt der Meßbarkeit, der wägbaren Zählbarkeit. Wir müssen lernen, aus der Farbe heraus zu malen. Treffen wir das heute versuchsweise auch noch so anfänglich und schlecht, es ist unsere Aufgabe, aus der Farbe heraus zu malen, die Farbe selber zu erleben, losgelöst von der Schwere die Farbe selber zu erleben. In diesen Dingen muß man bewußt, auch künstlerisch bewußt, vorgehen können.

Und wenn Sie sich ansehen, was erstrebt wurde in den einfachen Versuchen unserer Programme, dann werden Sie sehen: da ist, wenn es auch nur ein Anfang ist, eben doch der Anfang gemacht, die Farben loszubekommen von der Schwere, die Farbe als ein in sich selbst tra­gendes Element zu erleben, zum Sprechen zu bringen die Farben. Wenn das gelingt, dann wird gegenüber der unkünstlerischen physikalischen Weltanschauung, die alle Kunst ausdampfen läßt, aus dem freien Ele­mente der Farbe, des Tones eine Kunst geschaffen, die wiederum frei ist von Schwere.

Ja, wir sitzen auch zwischen zwei Stühlen, zwischen der Ikone und der Madonna, aber wir müssen aufstehen. Dazu hilft uns die physische Wissenschaft nicht. Ich habe Ihnen gesagt: Man muß ja immer liegen­bleiben, wenn man nur die physische Wissenschaft anwendet auf den Menschen. Nun müssen wir aber aufstehen! Dazu brauchen wir wirk­lich Geisteswissenschaft. Die enthält das Lebenselement, das uns hin­trägt von der Schwere zur schwerelosen Farbe, zur Realität der Farbe, von dem Gebundensein selbst schon im musikalischen Naturalismus zu der freien musikalischen Kunst und so weiter.

Auf allen Gebieten sehen wir, wie es sich handelt um ein Sich-Auf-raffen, um ein Erwachen der Menschheit. Das ist es, daß wir aufneh­men sollten diesen Impuls zum Erwachen, zum Hinausschauen, zum Erblicken dessen, was ist und was nicht ist, und wo überall die Auf­forderungen liegen, weiter vorzuschreiten. Deshalb war es, daß ich eigentlich jetzt vor dieser Sommerpause, die durch die englische Reise bedingt ist, wollen mußte, sowohl bei der Delegiertenversammlung wie jetzt in diesen Tagen, gerade mit solchen Betrachtungen abzu­schließen, wie ich sie Ihnen gebracht habe. Diese Dinge gehen schon an

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den Nerv unserer Zeit. Und das ist notwendig, daß man das andere so hereinscheinen läßt in unsere Bewegung, wie ich versucht habe es anzudeuten.

Ich habe geschildert, wie der Philosoph der Neuzeit dazu gekom­men ist, sich zu gestehen: Wozu führt denn dieser Intellektualismus? Eine Riesenmaschine zu bauen, die man in den Mittelpunkt der Erde versetzt, um von da aus die Erde in alle Räume des Weltenalls hinaus­zusprengen! Er gestand sich, daß das so ist. Die anderen gestehen es sich nicht!

Und so habe ich versucht an den verschiedensten Stellen - zum Bei­spiel als ich Ihnen gestern zeigte, wie die Begriffe, die noch vor dreißig, vierzig Jahren da waren, heute durch die Relativitätstheorie aufgelöst werden, einfach hinschmelzen wie der Schnee an der Sonne -, so habe ich versucht, Ihnen zu zeigen, wie überall die Aufforderungen liegen, zur Anthroposophie doch wirklich hinzustreben. Denn es sagt doch der Philosoph Eduard von Hartmann: Wenn die Welt so ist, wie wir uns sie vorstellen müssen - das heißt, wie er sie nach dem Sinn des 19. Jahrhunderts vorstellt -, dann müssen wir eigentlich, weil wir es nicht in ihr aushalten können, sie in den Weltenraum hinaussprengen, und es handelt sich nur darum, daß wir einmal so weit sind, daß wir es ausführen können. Diese Zeit müssen wir herbeisehnen, wo wir die Welt in alle Weiten des Universums versprengen können. - Vorher sorgen dann noch die Relativisten dafür, daß die Menschen keine Be­griffe mehr haben! Raum, Zeit, Bewegung lösen sich auf, dann kann man ohnedies schon so in Verzweiflung kommen, daß man unter ge­wissen Voraussetzungen das höchste Befriedigende schon sieht in diesem Hinaussprengen in das ganze Universum. Aber man muß sich eben in klarer Weise bekanntmachen mit dem, was als gewisse Impulse in un­serer Zeit liegt.

DIE HIERARCHIEN UND DAS WESEN DES REGENBOGENS Dornach, 4. Januar 1924

Im Anschluß an dasjenige, was ich Ihnen vorzubringen hatte in dem Kursverlauf während unserer Weihnachtstagung, möchte ich in diesen drei Vorträgen, die nun an den Abenden werden zu halten sein, eini­ges von dem sagen, was die auf die Erforschung des geistigen Lebens hingehende Entwickelung in der neueren Zeit betrifft. Es wird ja viel­fach gerade unter dem Namen der Rosenkreuzerei und anderer okkulter Bezeichnungen von dieser neueren geisteswissenschaftlichen Entwickelung gesprochen, und ich möchte einmal das Innere dieser Erforschung des geistigen Lebens hier Ihnen schildern. Dazu wird not­wendig sein, daß wir heute einleitend etwas über die ganze Art der Vorstellungen sagen, die sich etwa um das 9., 10., 11. nachchristliche Jahrhundert festsetzte und dann allmählich verschwand, eigentlich erst am Ende des 18. Jahrhunderts, sich sogar noch erhalten hat bei einzelnen Nachzüglern im 19. Jahrhundert. Also ich möchte heute nicht historisch vorgehen, sondern ich möchte eine Summe von durch gewisse Persönlichkeiten innerlich erlebten Vorstellungen vor Ihre Seele hinstellen. Man denkt ja gewöhnlich gar nicht, wie anders die ganze Vorstellungswelt vor einer verhältnismäßig kurzen historischen Zeit war bei denjenigen, die sich zu den erkennenden Menschen ge­rechnet haben - wie ganz anders, als heute. Heute spricht man von chemischen Stoffen, siebzig oder achtzig chemischen Stoffen, und wird sich gar nicht bewußt, daß eigentlich wirklich furchtbar wenig damit gesagt ist, wenn man einen Stoff als Sauerstoff, als Stickstoff und so weiter bezeichnet. Denn Sauerstoff ist ja nur etwas, was vorhanden ist unter bestimmten Voraussetzungen, unter bestimmten Voraus­setzungen von Wärmezuständen, von anderen Zuständen gerade des irdischen Lebens. Es kann doch unmöglich eigentlich ein vernünftiger Mensch mit irgend etwas den Begriff der Realität verbinden, was bei Erhöhung einer Temperatur um soundso viele Grade nicht mehr in demselben Maße, in derselben Weise vorhanden ist, wie es gerade eben

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unter den Bedingungen vorhanden ist, in denen der Mensch als phy­sischer Erdenmensch lebt. Und gerade solche Begriffe, solche Vorstel­lungen, die Tendenz über das Relative des Daseins hinauszugehen zu einem wirklichen Dasein, dieses Ziel lag eben dem Forschungsleben der ersten Zeit des Mittelalters, der mittleren Zeit des Mittelalters durch­aus zugrunde.

Ich setze deshalb einen Ubergang vom 9. ins 10. nachchristliche Jahrhundert, weil vorher die ganzen Anschauungen der Menschen noch sehr geistig waren. Es würde zum Beispiel einem wirklich Wissenden des 9. Jahrhunderts gar noch nicht haben beikommen können, in der Annahme von Engeln oder Erzengeln oder Seraphim irgend etwas zu sehen, was an Realität nicht gleichgekommen wäre - ich meine nur an Realität - den physischen Menschen, die man mit Augen sieht. Bei den Wissenden finden Sie, daß durchaus in dieser Zeit vor dem 10. Jahrhundert von den geistigen Wesenheiten, den sogenannten Intelligenzen des Kosmos, wie von Wesenheiten gesprochen wird, nun ja, denen man eben begegnet, wenn auch die Leute gewußt haben, sie sind schon längst aus dem Zeitalter hinaus, in dem das ein allgemeines Anschauungsgut der Menschen war. Sie haben aber gewußt, unter be­sonderen Verhältnissen ist die Wirkung da. Man darf zum Beispiel durchaus nicht übersehen, daß zahlreiche Priesternaturen, katholische Priesternaturen, bis ins 9., 10. Jahrhundert im Verlauf der Verrich­tungen des Meßopfers sich ganz klar darüber waren, daß sie bei dieser oder jener Handlung des Meßopfers die Begegnung von geistigen Wesenheiten, von Intelligenzen des Kosmos gehabt haben.

Aber mit dem 9., 10. Jahrhundert verschwand allmählich aus dem Bewußtsein der Menschen der unmittelbare Zusammenhang mit den eigentlichen Intelligenzen des Weltenalls, und immer mehr und mehr tauchte auf nur das Bewußtsein von den Elementen des Kosmos, von dem Erdigen, dem Flüssigen oder Wäßrigen, dem Luftartigen, dem Wärmeartigen, dem Feurigen. So daß, ebenso wie man früher von kosmischen Intelligenzen gesprochen hat, welche die Planetenbewe­gungen regeln, die Planeten vorbeiführen an den Fixsternen und so weiter, so sprach man nunmehr, ich möchte sagen, von der unmittelbaren

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Umgebung des Irdischen. Man sprach von den Elementen der Erde, des Wassers, der Luft, des Feuers. Chemische Stoffe im heutigen Sinne beachtete man nicht. Das kam erst viel später, daß man diese beachtete. Aber sehen Sie, Sie würden sich etwas ganz Falsches vor­stellen, wenn Sie sich denken würden, daß die Wissenden selbst noch im 13., 14. Jahrhundert, ja sogar in einer gewissen Weise herein bis ins 18. Jahrhundert, sich unter Wärme, Luft, Wasser, Erde dasselbe vorgestellt hätten, was sich heute die Menschen darunter vorstellen. Heute reden die Menschen von der Wärme überhaupt nur noch als von einem Zustande, in dem die Körper sind. Von einem eigentlich Wärmeätherischen wird ja nicht mehr geredet. Aber Luft, Wasser, das ist ja für die Menschen heute, man möchte sagen, das Allerabstrakteste geworden, und es ist schon notwendig, daß man sich vertiefe in die Art, wie diese Vorstellungen einmal waren. Und so möchte ich Ihnen heute ein Bild geben, wie etwa die Redeweise bei den Wissenden in der bezeichneten Zeit war.

Ich war genötigt, als ich meine «Geheimwissenschaft» schrieb, die Entwickelung der Erde doch wenigstens ein wenig mit den gebräuch­lichen Vorstellungen der Gegenwart in Einklang zu bringen. Im 13., 12. Jahrhundert würde man sie haben anders machen können. Da würde zum Beispiel in einem gewissen Kapitel dieser «Geheimwissen­schaft» das Folgende zu finden gewesen sein. Da hätte man zunächst eine Vorstellung hervorzurufen gehabt von den Wesenheiten, die man als die Wesenheiten der ersten Hierarchie bezeichnen kann: Seraphim, Cherubim, Throne. Man würde die Seraphim charakterisiert haben als Wesenheiten, bei denen es nicht Subjekt und Objekt gibt, sondern bei denen Subjekt und Objekt zusammenfällt, die nicht sagen würden: Außer mir sind Gegenstände - sondern: Die Welt ist, und ich bin die Welt, und die Welt ist Ich - die eben nur von sich wissen, und zwar so, daß diese Wesenheiten, diese Seraphim, von sich wissen durch ein Erlebnis, von dem der Mensch einen schwachen Nachglanz hat, wenn er, nun, sagen wir, die Erfahrung macht, die ihn in eine glühende Be­geisterung versetzt.

Es ist sogar schwer manchmal, dem gegenwärtigen Menschen klar zu

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machen, was eine glühende Begeisterung ist, denn noch im Beginne des 19. Jahrhunderts wußte man besser, was glühende Begeisterung ist, als heute. Da kam es schon noch vor, daß das oder jenes Gedicht von diesem oder jenem Dichter vorgelesen worden ist, und die Leute benahmen sich vor Begeisterung so - verzeihen Sie, aber es war schon so -, daß der gegenwärtige Mensch sagen würde: Die sind ja alle wahnsinnig geworden! - So sind sie in Bewegung gekommen, so ist Wärme in sie eingezogen. Gegenwärtig erfriert man ja, gerade wenn man glaubt, die Leute sollten begeistert sein.

Und durch dieses Element der Begeisterung, das insbesondere in Mittel- und Osteuropa recht heimisch war, durch diese seelische Be­geisterung, indem dieses Element zum Bewußtsein erhoben ist, ein­heitliches Bewußtseinselement ist, hat man sich das innere Leben der Seraphim vorzustellen. Und als ein völlig abgeklärtes Element im Bewußtsein, lichtvoll, so daß der Gedanke unmittelbar Licht wird, alles beleuchtet, hat man das Bewußtseinselement der Cherubim vor­zustellen. Und als in Gnade tragend, weltentragend, das Element der Throne.

Nun, das ist solch eine Skizze. Ich könnte darüber lange noch fort­sprechen. Ich wollte Ihnen nur zunächst sagen, daß man versucht hätte in jener Zeit zunächst Seraphim, Cherubim, Throne in ihren wesen­haften Eigenschaften zu charakterisieren. Dann würde man gesagt haben: Der Chor der Seraphim, Cherubim, Throne wirkt zusammen, und zwar so wirkt er zusammen, daß die Throne einen Kern be­gründen (siehe Zeichnung; Mitte rotlila); die Cherubim lassen von diesem Kern ausströmen ihr eigenes lichtvolles Wesen (gelber Ring). Die Seraphim hüllen das Ganze in einen Begeisterungsmantel, der weithin in den Weltenraum strahlt (rote Umhüllung).

Aber das sind alles Wesenheiten in dem, was ich zeichne, in der Mitte die Throne, im Umkreis die Cherubim, in dem, was im Äußer­sten hier ist, die Seraphim. Das sind Wesenheiten, die ineinanderschweben, -tun, -denken, -wollen, die ineinanderfühlen. Das sind Wesenhaftigkeiten. Und wenn ein Wesen, das die entsprechende Emp­findungsfähigkeit gehabt hätte, nunmehr den Weg durch den Raum

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genommen hätte, wo in dieser Weise die Throne einen Kern begründet haben, die Cherubim eine Art von Umkreis, die Seraphim eine Art von Abschluß nach außen, wenn ein solches Wesen in den Bereich dieses Wirkens der ersten Hierarchie gekommen wäre, so hätte es Wärme in verschiedener Differenzierung, an verschiedenen Stellen Wärme gefühlt, da höhere Wärme, dort tiefere Wärme. Alles aber seelisch­geistig, aber so seelisch-geistig, daß das seelische Erlebnis auch zu gleicher Zeit in unseren Sinnen ein physisches Erlebnis ist, daß also, indem das Wesen sich seelisch warm fühlt, wirklich das da ist, was Sie fühlen, wenn Sie in einem geheizten Räume sind. Solch eine Zusammen­bauung von Wesenheiten der ersten Hierarchie ist einmal im Welten­all entstanden, und das bildete das saturnische Dasein. Die Wärme ist bloß der Ausdruck dafür, daß diese Wesenheiten da sind. Die Wärme ist nichts, sie ist bloß der Ausdruck dafür, daß diese Wesenheiten da sind.

Ich möchte dafür ein Bild gebrauchen, das hier vielleicht etwas auf­klärend sein kann. Denken Sie sich, Sie haben einen Menschen gern. Sie empfinden seine Gegenwart als Sie wärmend. Denken Sie sich, es

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kommt einer, der ein furchtbarer Abstraktling ist und sagt: Ja, der Mensch interessiert mich eigentlich nicht, den denke ich mir weg, mich interessiert nur die Wärme, die er verbreitet. - Aber er sagt gar nicht: Mich interessiert nur die Wärme, die er verbreitet -, sondern: Mich interessiert überhaupt nur die Wärme. - Er redet natürlich Unsinn, das verstehen Sie, denn wenn der Mensch weg ist, der die Wärme ver­breitet, dann ist die Wärme auch nicht mehr da. Die Wärme ist über­haupt nur etwas, was da ist, wenn der Mensch da ist. Sie ist an sich nichts. Der Mensch muß da sein, wenn die Wärme da ist. So müssen Seraphim, Cherubim, Throne da sein, sonst ist auch die Wärme nicht da. Die Wärme ist nur die Offenbarung der Seraphim, Cherubim, Throne.

Sehen Sie, in jener Zeit, von der ich spreche, gab es ja in der Tat bis zu den kolorierten Zeichnungen herunter das, was ich Ihnen eben jetzt beschrieben habe. Man redete so, daß man, wenn man von Ele­menten redete, vom Elemente der Wärme, darunter eigentlich Cheru­bim, Seraphim, Throne verstand. Und das ist das saturnische Dasein.

Nun ging man weiter, und man sagte sich dann: Nur die Seraphim, Cherubim, Throne haben die Macht, so etwas hervorzubringen, so etwas hinzustellen in den Kosmos. Nur diese höchste Hierarchie hat die Fähigkeit, so etwas hinzustellen in den Kosmos. Aber indem diese höchste Hierarchie im Ausgangspunkte eines Weltenwerdens so etwas hingestellt hat, konnte die Entwickelung weitergehen. Es konnten gewissermaßen die Söhne der Seraphim, Cherubim und Throne die Entwickelung weiterleiten. - Und das geschah dann auf die Weise, daß wirklich die von den Seraphim, Cherubim und Thronen hervor­gebrachten Wesenheiten der zweiten Hierarchie, die Kyriotetes, Dyna-mis, Exusiai, daß diese nun eindrangen in diesen Raum, sagen wir, der hier durch Seraphim, Cherubim und Throne saturnisch gestaltet worden war, saturnisch warm gebildet worden war. Da drangen dann die jüngeren, natürlich kosmisch jüngeren Wesenheiten ein. Diese kos­misch jüngeren Wesenheiten, wie wirkten sie? Während die Cherubim, Seraphim und Throne für sich im Elemente der Wärme sich offen­barten, so offenbarten sich die Wesenheiten der zweiten Hierarchie im

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Elemente des Lichtes. Hier (auf der Zeichnung, roter Hintergrund) das Saturnische ist dunkel, liefert Wärme. Und innerhalb der dunklen finsteren Welt des saturnischen Daseins ersteht dasjenige, was durch die Söhne der ersten Hierarchie, durch die Exusiai, Dynamis, Kyriotetes entstehen kann.

Was da entsteht innerhalb dieses saturnisch Warmen, das entsteht dadurch, daß das Eindringen der zweiten Hierarchie bedeutet ein innerliches Durchleuchtetwerden. Dieses innerliche Durchleuchtetwer­den ist verknüpft mit einer Verdichtung der Wärme. Es wird aus dem

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bloßen Wärmeelement Luft. Und wir haben auf der einen Seite ein­dringend in der Offenbarung des Lichtes die zweite Hierarchie. Aber Sie müssen sich jetzt klar vorstellen, in Wirklichkeit dringen Wesen­heiten ein. Für ein Wesen mit entsprechender Wahrnehmungsfähigkeit dringt Licht ein. Licht ist dasjenige, was die Wege dieser Wesenheiten bezeichnet. Wenn irgendwo Licht hinkommt, so entsteht unter ge­wissen Bedingungen Schatten, Finsternis, finsterer Schatten. Durch das Eindringen der zweiten Hierarchie in Form des Lichtes entstand auch

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Schatten. Was war dieser Schatten? Die Luft. Und tatsächlich, bis ins 15., 16. Jahrhundert hat man gewußt, was die Luft ist. Heute weiß man nur, die Luft besteht aus Sauerstoff, Stickstoff und so weiter, wo­mit nicht viel anderes gesagt ist, als wenn einer meinetwillen von einer Uhr weiß, sie besteht aus Glas und Silber, womit über die Uhr gar nichts gesagt ist. Es ist über die Luft gar nichts gesagt als kosmische Erscheinung, wenn man sagt, sie besteht aus Sauerstoff und Stickstoff, aber es ist viel über die Luft gesagt, wenn man weiß: Aus dem Kosmos heraus ist die Luft der Schatten des Lichtes. - So daß man also jetzt tatsächlich mit dem Eindringen der zweiten Hierarchie in das satur­nisch Warme das Eindringen des Lichtes hat (weiße Strahlen) und den Schatten des Lichtes, die Luft (grüne Schlangenlinien). Und wo das entsteht, ist Sonne. So hätte man eigentlich müssen im 13., 12. Jahr­hundert sprechen.

Nun gehen wir weiter. Die weitere Entwickelung wird nun wieder­um durch die Söhne der zweiten Hierarchie, durch Ardiai, Archange-loi, Angeloi geleitet. Diese Wesenheiten bringen ein Neues in das leuchtende Element, das zunächst durch die zweite Hierarchie ein­gezogen ist, das seinen Schatten, die luftige Finsternis nach sich ge­zogen hat - nicht die gleichgültige neutrale Finsternis, die saturnische, die einfach Abwesenheit des Lichtes war, sondern die, welche den Gegensatz des Lichtes herausgearbeitet hat. Zu dieser Entwickelung hinzu bringt die dritte Hierarchie, Archai, Archangeloi, Angeloi, durch ihre eigene Wesenheit ein Element hinein, das ähnlich ist unserem Begehren, unseren Trieben, etwas zu erlangen, nach etwas sich zu sehnen.

Dadurch kam folgendes, dadurch kam zustande, daß, sagen wir, ein Archai- oder Angeloiwesen hier hereinkam (siehe Zeichnung S. 223, Punkt auf dem Lichtstrahl rechts) und auftraf auf ein Element des Lichtes, ich möchte sagen, auf einen Ort des Lichtes. In diesem Ort des Lichtes empfing es durch die Empfänglichkeit für dieses Licht den Drang, das Begehren für die Finsternis. Es trug das Angeloiwesen das Licht in die Finsternis herein, oder ein Angeloiwesen trug die Finster­nis in das Licht herein. Diese Wesenheiten werden die Vermittler, die

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Boten zwischen Licht und Finsternis. Und die Folge davon war, daß dann dasjenige, was früher nur im Lidite erglänzte und seinen Schat­ten, die dunkle luftige Finsternis, nach sich gezogen hat, daß das an­fing in allen Farben zu schillern, daß Licht in Finsternis, Finsternis in Licht erschien. Die dritte Hierarchie ist es, die die Farbe hervor­gezaubert hat aus Licht und Finsternis.

Sehen Sie, hier haben Sie auch sozusagen etwas historisch Dokumen­tarisches vor Ihre Seele hinzustellen. In der Aristoteles-2.eh hat man noch gewußt, wenn man, ich möchte sagen, innerhalb des Mysteriums sich gefragt hat, woher die Farben kommen, daß damit die Wesen­heiten der dritten Hierarchie zu tun haben. Daher sprach es Aristote­les in seiner Farbenharmonie aus, daß die Farbe ein Zusammenwirken des Lichtes und der Finsternis bedeutet. Aber dieses geistige Element, daß man hinter der Wärme die Wesenheiten der ersten Hierarchie, hinter dem Lichte und seinem Schatten, der Finsternis, die Wesen­heiten der zweiten Hierarchie, hinter dem farbigen Aufglitzern in einem Weitenzusammenhange die Wesenheiten der dritten Hierarchie zu sehen hat, das ging verloren. Und es blieb nichts anderes übrig, als die unglückselige Newtonsche Farbenlehre, über die bis ins 18. Jahr­hundert herein die Eingeweihten gelächelt haben, und die dann das Glaubensbekenntnis derjenigen wurde, die eben physikalische Fach­leute sind.

Man muß eben wirklich von der geistigen Welt gar nichts mehr wissen, wenn man im Sinne dieser Newtonschen Farbenlehre sprechen kann. Und wenn man noch innerlich aufgestachelt ist von der geisti­gen Welt, wie es bei Goethe der Fall war, da sträubt man sich dagegen. Man stellt, wie er es getan hat, das Richtige hin und schimpft furcht­bar. Denn Goethe hat nie so geschimpft als bei der Gelegenheit, wo er über Newton zu schimpfen hatte; er schimpfte furchtbar über das unsinnige Zeug. Solche Dinge kann man ja heute nicht begreifen, aus dem einfachen Grunde, weil heute jemand vor den Physikern ein Narr ist, der nicht die Newtonsche Farbenlehre anerkennt. Aber die Dinge liegen doch nicht so, daß etwa in der Goethe-Zeit Goethe ganz allein dagestanden hätte. Unter denen, die nach außen diese Dinge aus­sprachen,

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stand er allein da, aber die Wissenden, auch noch am Ende des 18. Jahrhunderts, sie wußten eben durchaus auch, wie innerhalb des Geistigen die Farbe erquillt.

Aber sehen Sie, die Luft ist der Schatten des Lichtes. Und geradeso, wie, wenn das Licht ersteht, unter gewissen Bedingungen der finstere Schatten da ist, so ersteht, wenn Farbe da ist und diese Farbe als Realität wirkt - und das konnte sie, solange sie eindrang in das luftige Element -, so entsteht, wenn die Farbe hinsprüht im luftigen Ele­mente, wirkt im luftigen Elemente, also etwas ist, nicht bloß ein Ab­glanz ist, nicht bloß die Reflexfarbe ist, sondern eine Realität, die hinsprüht im luftigen Elemente: dann entsteht, wie durch Druck Gegendruck entsteht unter gewissen Bedingungen, aus dem realen Farbigen das flüssige, das wäßrige Element. Wie der Schatten des Lichtes Luft ist, kosmisch gedacht, so ist das Wasser der Abglanz, die Schöpfung des Farbigen im Kosmos.

Sie werden sagen: Das verstehe ich nicht. - Aber versuchen Sie nur einmal, tatsächlich das Farbige zu fassen in seinem realen Sinne. Rot -nun ja, glauben Sie, daß das Rot wirklich in seiner Wesenheit nur die



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neutrale Fläche ist, als die man es gewöhnlich anschaut? Das Rot ist doch etwas, was eine Attacke auf einen macht. Ich habe es oftmals erwähnt. Man möchte davonlaufen vor dem Rot, es stößt einen zu­rück. Das Blauviolett, man möchte ihm nachlaufen, es läuft immer vor einem davon, es wird immer tiefer und tiefer. In den Farben lebt ja alles. Die Farben sind eine Welt, und das seelische Element fühlt sich in der Farbenwelt tatsächlich so, daß es gar nicht auskommen kann ohne Bewegung, wenn es den Farben mit dem seelischen Erleben folgt.

Sehen Sie, der Mensch glotzt heute den Regenbogen an. Wenn man nur mit einiger Imagination nach dem Regenbogen hinschaut, da sieht man Elementarwesen, die am Regenbogen sehr tätig sind. Diese Ele­mentarwesen zeigen sehr merkwürdige Erscheinungen. Hier (bei Rot und Gelb) sieht man fortwährend aus dem Regenbogen herauskom­men gewisse Elementarwesen. Die bewegen sich dann so herüber. In dem Augenblicke, wo sie ankommen an dem unteren Ende des Grüns, werden sie angezogen. Man sieht sie hier verschwinden (bei Grün und Blau). Auf der anderen Seite kommen sie wieder heraus. Der ganze Regenbogen zeigt für den, der ihn mit Imagination anschaut, ein Her­ausströmen des Geistigen, ein Verschwinden des Geistigen. Er zeigt tatsächlich etwas wie eine geistige Walze, wunderbar. Und zu gleicher Zeit bemerkt man an diesen geistigen Wesenheiten, daß, indem sie da herauskommen, sie mit einer großen Furcht herauskommen, indem sie da hineingehen, gehen sie mit einem ganz unbesieglichen Mut hinein. Wenn man nach dem Rotgelb hinschaut, da strömt Furcht aus, wenn man nach dem Blauviolett hinschaut, bekommt man das Gefühl: Da lebt ja alles wie Mut, wie Courage.

Nun stellen Sie sich vor, daß nicht bloß der Regenbogen da ist, sondern wenn ich jetzt hier einen Schnitt zeichne (siehe Zeichnung, oben), und der Regenbogen so steht (um 900 gedreht), so kommen die Wesenheiten da heraus, da verschwinden sie; hier Angst, hier Mut (siehe Zeichnung S. 228). Der Mut verschwindet wiederum. So wäre jetzt das Auge gerichtet, hier ist der Regenbogen, hier ist jetzt das Rot, Gelb und so weiter. Da bekommt der Regenbogen eine Dicke. Und da werden Sie sich schon vorstellen können, daß wäßriges Element daraus

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entsteht. Und in diesem wäßrigen Element leben nun geistige Wesenheiten, die wirklich auch eine Art von Abbild sind der Wesenheiten der dritten Hierarchie.

Man kann schon sagen: Kommt man an die Wissenden des n., 12., 13. Jahrhunderts heran, so muß man solche Dinge verstehen. Sie kön­nen nicht einmal die Späteren mehr verstehen, Sie können nicht den Albertus Magnus verstehen, wenn Sie ihn lesen mit dem, was heute der Mensch weiß. Sie müssen ihn lesen mit einer Art von Wissen, daß solches Geistiges für ihn noch eine Realität war; dann verstehen Sie erst, wie er die Worte gebraucht, wie er sich ausdrückt.

Und auf diese Weise treten auf wie ein Abglanz der Hierarchien Luft, Wasser. Indem die Hierarchien selber eindringen, dringt die zweite Hierarchie ein in Form des Lichtes, die dritte Hierarchie ein in Form des Farbigen. Damit aber, daß dieses sich bildet, ist das Mon­dendasein erreicht.

Und nun kommt die vierte Hierarchie. Ich erzähle jetzt so, wie man im 12., 13. Jahrhundert gedacht hat. Nun kommt die vierte

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Hierarchie. Wir sprechen gar nicht von ihr, aber im 12., 13. Jahr­hundert hat man noch von dieser vierten Hierarchie sehr wohl ge­sprochen. Was ist diese vierte Hierarchie? Das ist der Mensch. Der Mensch selber ist die vierte Hierarchie. Aber beileibe nicht das hat man verstanden unter dieser vierten Hierarchie, was jetzt als zwei­beiniges, alterndes, so höchst sonderbares Wesen herumgeht in der Welt, denn dem eigentlich Wissenden ist dazumal gerade der gegen­wärtige Mensch als ein sonderbares Wesen vorgekommen. Sie haben gesprochen von dem ursprünglichen Menschen vor dem Sündenfall, der noch durchaus in einer solchen Form vorhanden war, daß er ebenso Macht über die Erde hatte, wie Angeloi, Archangeloi, Archai Macht über das Mondendasein, wie die zweite Hierarchie Macht über das Sonnendasein, die erste Hierarchie Macht über das Saturndasein hatte. Man sprach von dem Menschen in seinem ursprünglichen irdi­schen Dasein und konnte da von dem Menschen als der vierten Hier­archie sprechen. Und mit dieser vierten Hierarchie kam, allerdings als eine Gabe der oberen Hierarchien, aber wie etwas, was die oberen Hierarchien erst wie ein Besitztum gehabt haben, das sie gehütet haben, das sie nicht selber brauchten: es kam das Leben. Und in die farbenschillernde Welt, die ich Ihnen also in Andeutungen geschildert habe, kam das Leben hinein.

Sie werden sagen: Haben denn die Dinge nicht früher gelebt? -Meine lieben Freunde, wie das ist, können Sie am Menschen selber lernen. Ihr Ich und Ihr astralischer Leib haben nicht das Leben und wesen eben doch. Das Geistige, das Seelische braucht nicht das Leben. Erst bei Ihrem Ätherleib fängt das Leben an, und es ist das etwas äußerlich Hüllenhaftes. Und so kommt auch das Leben erst nach dem Mondendasein mit dem Erdendasein in den Bereich derjenigen Evo­lution hinein, der eben unsere Erde angehört. Die farbenschillernde Welt wurde durchlebt. Nicht nur, daß jetzt Angeloi, Archangeloi und so weiter Sehnsucht empfingen, Finsternis in Licht, Licht in Finsternis hineinzutragen und dadurch im Planeten das Farbenspiel hervorzu­rufen, sondern es trat dieses auf, innerlich zu erleben dieses Farben­spiel, es innerlich zu machen. Zu erleben, wenn Finsternis innerlich das

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Licht dominiert, Schwachheit zu fühlen, Lässigkeit zu fühlen; dagegen wenn Licht die Finsternis dominiert, Aktivität zu fühlen. Denn was ist es, wenn Sie laufen? Wenn Sie laufen, ist es eben so, daß Licht in Ihnen die Finsternis dominiert; wenn Sie sitzen und faul sind, domi­niert die Finsternis das Licht. Es ist seelisches Farbenwirken, seelisches Farbenschillern. Von Leben durchsetztes, durchströmtes Farbenschil-lern trat auf, indem die vierte Hierarchie, der Mensch, kam. Und in diesem Augenblicke des kosmischen Werdens fingen die Kräfte, die da regsam wurden im Farbenschillern, an, Konturen zu bilden. Das Leben, das die Farben innerlich abrundete, abeckte, abkantete, rief das feste Kristallinische hervor. Und wir sind im Erdendasein drinnen.

Solche Dinge, wie ich sie Ihnen jetzt dargestellt habe, die waren eigentlich die Ausgangswahrheiten jener mittelalterlichen Alchimisten, Okkultisten, Rosenkreuzer und so weiter, die, ohne daß heute die Geschichte viel von ihnen berichtet, namentlich geblüht haben vom 9., 10. bis ins 14., 15. Jahrhundert herein, und die noch die letzten Nachzügler gehabt haben, die man aber immer dann als Sonderlinge angesehen hat, bis ins 18. Jahrhundert, ja bis in den Beginn des 19. Jahrhunderts herein. Nur sind dann diese Dinge völlig zugedeckt worden. Nur hat es die moderne Weltanschauung dann dazu gebracht, folgendes zu vollführen. Denken Sie sich, hier habe ich einen Men­schen. Ich höre auf, mich für diesen Menschen zu interessieren und nehme ihm nur die Kleider ab und hänge die Kleider an einen Klei­derstock, der oben einen kopfförmigen Knopf hat, und für den Men­schen interessiere ich mich nicht weiter. Ich stelle mir weiter vor: Das ist der Mensch (siehe Zeichnung S. 231); was geht mich das an, daß in diesen Kleidern so etwas drinnenstecken kann? Das ist der Mensch (der Kleiderständer)! - Ja, sehen Sie, so kam es mit den Naturelemen­ten. Es interessiert einen nicht weiter, daß hinter der Wärme oder dem Feuer die erste Hierarchie, hinter dem Licht und der Luft die zweite Hierarchie, hinter dem sogenannten chemischen Äther, Farb­äther und so weiter und dem Wasser die dritte Hierarchie, hinter dem Lebenselemente und der Erde die vierte Hierarchie oder der Mensch ist. Bloß den Kleiderrechen her und darauf die Gewänder gehängt!

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Nun, das ist der erste Akt. Der zweite Akt, der beginnt aber dann auf Kantisch! Da beginnt der Kantianismus, da fängt man an, indem man nun den Kleiderstock hat - die Kleider hängen darauf -, nun zu philo­sophieren, was das Ding an sich dieser Kleider sein könnte. Und man kommt darauf, daß man eigentlich dieses Ding an sich der Kleider nicht erkennen kann. Sehr scharfsinnig! Natürlich, wenn man den Menschen zuerst weggenommen hat und dann den Kleiderstock mit den Kleidern hat, so kann man über die Kleider philosophieren, und dann kommt man darauf, daß man hübsche Spekulationen macht. Es ist ja eben der Kleiderstock da, nicht wahr, und da hängen die Ge­wänder daran, und da philosophiert man, entweder auf Kantisch: Das Ding an sich erkennt man nicht - oder auf Helmholtzisch, und da denkt man sich: Diese Kleider, die können doch nicht Formen haben; nun ja, da sind eben lauter kleine wirbelnde Staubkörnchen, Atome drinnen, die schlagen da an, und da werden die Kleider in ihrer Form erhalten.


Ja, so hat sich das Denken dann später entwickelt. Das aber ist abstrakt, schattenhaft. Aber in diesem Denken, in diesem Spekulieren

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leben wir ja heute; aus dem prägen wir uns heute unsere gesamte naturwissenschaftliche Anschauung. Und wenn wir nicht zugeben, daß wir atomistisch denken, so tun wir es erst recht. Denn das wird man noch lange nicht zugeben, daß es nicht notwendig ist, den Wirbeltanz der Atome da hineinzuträumen, sondern wieder den Menschen in die Kleider hineinzutun. Das aber muß eben versuchen die Wieder­aufrichtung der Geisteswissenschaft.

Ich wollte Ihnen heute in einer Anzahl von Bildern geben, wie dazumal noch gedacht worden ist, und was schon eigentlich zu lesen ist in älteren Schriften, was aber verglommen ist. Aber weil es ver­glommen ist, kommen solche interessanten Tatsachen zutage: Da hat ein nordischer Chemiker von heute eine Stelle des Basilius Valentinus wieder abgedruckt und die Sache im heutigen Sinne chemisch genom­men. Und da konnte er natürlich nichts anderes sagen - weil das so aussieht, wenn man es heute chemisch denkt, als wenn man im Labo­ratorium stünde, Retorten und andere Instrumente hätte und heutige Experimente ausführte -, da konnte er nichts anderes sagen, als daß das ein Unsinn sei, was da bei Basilius Valentinus steht. Was aber bei Basilius Valentinus steht, ist ein Stück Embryologie, eben in Bild­form ausgedrückt. Ein Stück Embryologie ist das. Wenn man einfach die heutige Denkweise anwendet, so bekommt man scheinbar einen bloßen Laboratoriumsversuch, der aber dann ein Unsinn ist. Denn im Laboratorium - wenn man nicht gerade der Wagner ist, der aber immerhin noch mehr auf den Standpunkt der früheren Jahrhunderte steht - kann man eben nicht ein Stück Embryologie ausführen.

Diese Dinge müssen heute wieder eingesehen werden. Und im Zu­sammenhange mit den großen Wahrheiten, die ich aussprechen durfte in den Tagen der Weihnachtstagung, möchte ich eben auch einiges noch sagen über die Schicksale des inneren Geisteslebens in den letzten Jahr­hunderten der Weltentwickelung.

Hinweise

HINWEISE

Zur Zusammenstellung des Bandes: Die drei Vorträge vom 6., 7., 8. Mai 1921 wur­den schon beim Erstdruck - «Das Wesen der Farben» I, II, III 1929-1931 - um einige Vorträge mit wesentlichen Ausführungen über Farbe und Malerei ergänzt. Diese Ausgabe ist seit vielen Jahren vergriffen, bildete aber eine unentbehrliche Arbeitsunterlage. Auf dringende Bitte von Malern und Pädagogen wurde die Er­weiterung auch für die Ausgabe innerhalb der Gesamtausgabe beibehalten, ob­wohl die Ergänzungsvorträge bereits in anderen Bänden der Gesamtausgabe ge­druckt vorliegen. Der Ergänzungsteil wurde jedoch gegenüber der Erstausgabe etwas verändert: einesteils erweitert um die Dornacher Vorträge vom 21.Februar, 2. und 9. Juni des Jahres 1923; andernteils wurden nicht mehr aufgenommen die Ausführungen vom 18. und 20. Mai 1923 in Kristiania (Oslo), da diese in nur ge­kürzter Form inhaltlich gleichlautend sind wie die drei eigentlichen Dornacher Farbvorträge vom Mai 1921. Auch die Notizbucheintragungen sowie die Notizen von den beiden Malstunden im Oktober 1922, die der von Julius Hebing besorgten Ausgabe von 1959 beigegeben waren, wurden nicht mehr aufgenommen; sie sollen in einer in Vorbereitung befindlichen Zusammenschau über Farbe und Malerei im Lebenswerk Rudolf Steiners erscheinen.

Die Vortrage des Ergänzungsteiles sind aus folgenden Bänden der Gesamtaus­gabe entnommen:


Dornach Bibl.-Nr.

26.Juli 1914 = 286 «Wege zu einem neuen Baustil»

1.Januar 1915 = 275 «Kunst im Lichte der Mysterienweisheit»

5., 10.Dez. 1920 = 202 «Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physischen des Menschen. Die Suche nach der neuen Isis, der göttlichen Sophia»

21. Februar 1923 = 349 «Vom Leben des Menschen und der Erde - Über das Wesen des Christentums»

2., 9.Juni 1923 = 276 «Das Künstlerische in seiner Weltmission»

29.Juli 1923 = 228 «Initiationswissenschaft und Sternenerkenntnis»

4.Januar 1924 = 233 a «Mysterienstätten des Mittelalters. Rosenkreuzertum und modernes Einweihungsprinzip - Das Osterfest als ein Stück Mysteriengeschichte der Menschheit»

Weitere Ausführungen über Farbe und Malerei finden sich auch in dem Band «Kunst und Kunsterkenntnis», Bibl.-Nr. 271. Zu der Frage «Farbenband-Farben­kreis» vgl. man noch die Ausführungen im zweiten naturwissenschaftlichen Kurs «Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik» (Wärmelehre), 8. und 9. Vortrag, Bibl.-Nr. 321; und zu der Frage der Entstehung der Farbigkeit der Pflanzen und Mineralien durch Sonnen-, Mond- und andere Planeteneinwir­kungen Vortrag Dornach 9. Juni 1923 in Bibl.-Nr. 350 «Rhythmen im Kosmos und im Menschenwesen - Wie kommt man zum Schauen der geistigen Welt?» und Vortrag Koberwitz 10. Juni 1924 in Bibl.-Nr. 327 «Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft». In bezug auf den Austritt des Mondes können außer den Schriften «Die Geheimwissenschaft im Umriß» und «Aus der Al asha-Chronik» auch noch herangezogen werden Vortrag Dornach 30. Dezember 1914 in Bibl.-Nr. 275 «Kunst im Lichte der Mysterienweisheit», und Vortrag Dornach 13.Mai 1921, der im unmittelbaren Anschluß an die drei Dornacher Farbvorträge gehalten wurde und in Bibl.-Nr. 204 «Perspektiven der Menschheitsentwickelung. Der materialistische Erkenntnisimpuls und die Auf­gabe der Anthroposophie» enthalten ist. Im Druck erschien dieser Vortrag bereits 1934 als Einzelbroschüre «Vom Mondenaustritt bis zur Mondenzurückkunft» und 1958 als Vortrag II in der Broschüre «Perspektiven der Menschheitsentwickelung».

Einfügungen in eckigeh Klammern = [] stammen von den Herausgebern.

Zu den mehrfach erwähnten italienischen Malern Fra Angelico, Cimabue, Giotto, Leonardo da Vinci, Raffael, Tizian (s. Personenregister), vgl. Rudolf Stei­ners Lichtbildervorträge I + II in «Kunstgeschichte als Abbild innerer geistiger Impulse» (13 Vorträge Dornach 1916/17), GA Bibl.-Nr. 292.

Werke Rudolf Steiners innerhalb der Gesamtausgabe (GA) werden in den Hin­weisen mit der Bibliographie-Nummer angegeben. Siehe auch die Übersicht am Schluß des Bandes.


zu Seite

21 Herostrat konnte triumphieren: Herostrat legte 356 v. Chr. den Brand zum

Tempel von Ephesus.

Sommer 1903 in einer Reihe von Stunden über Farbenlehre: Notizen aus diesen Stunden werden in der in Vorbereitung befindlichen Zusammenschau über Farbe und Malerei im Lebenswerk Rudolf Steiners erscheinen.

22.     "Es ward ihm klar, daß Geisteswissenschaft...»: Worte des Magnus Bellico-sus im 3. Mysteriendrama «Der Hüter der Schwelle», I. Bild, in GA Bibl.-Nr. 14 «Vier Mysteriendramen».

23.      Die Farben ... beschäftigen den Physiker - von dieser Seite der Farben wol­len wir diesmal nicht sprechen: Vgl. hierzu die kurze Zeit vorher gehaltenen

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beiden naturwissenschaftlichen Kurse «Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik»: Erster Kurs (Lichtlehre), GA Bibl.-Nr. 320, zweiter Kurs (Wärmelehre), GA Bibl.-Nr. 321.

23 Goethe: «Wem die Natur ...»: Vgl. «Goethes Naturwissenschaftliche Schriften», Hinweis zu S. 55, 5. Band, Sprüche in Prosa, S. 494.

25 man malt ja gewöhnlich nicht grün auf schwarz: Rudolf Steiner malte auf die schwarze Wandtafel beziehungsweise auf schwarzes Papier, das auf diese aufgespannt war.

Pfirsichhlütfarhe - nun ich habe sie nicht: Unter den gewöhnlichen Tafel­kreiden war dieser Farbton nicht dabei.

31 Aber gehen Sie [noch so] weit in der Welt herum: Dieser Passus ist in der Nachschrift nur unvollständig festgehalten und schon für den ersten Druck verbessert worden. In den Parallelausführungen des Vortrages von Kristia­nia 18. Mai 1923 heißt es über das Pfirsichblüt und das Inkarnat: «Wenn wir in die Natur hinausschauen, so finden wir das der gesunden Menschenfarbe ähnlichste in der frischen Pfirsichblüte im Frühling. Eine andere, der Men­schenfarbe, dem Inkarnat ähnliche Farbe gibt es draußen in der Natur nicht.» Vgl. GA Bibl.-Nr. 276 «Das Künstlerische in seiner Weltmission».

33 der Newton-Popanz: Bezieht sich auf die in der Wissenschaft bis heute allge­mein herrschende mechanistische Auffassung der Farbenlehre des engli­schen Physikers, Mathematikers und Astronomen Isaak Newton (1643 1727), gegen die Goethe vergeblich kämpfte. Rudolf Steiner seinerseits hat unentwegt Goethes Farbenlehre verteidigt. In seinem öffentlichen Vortrag in Berlin, 25.2.1916 (gedruckt in Bibl.-Nr. 65) sagte er: «Seit 35 Jahren, wie gesagt, bemühe ich mich, die ganze Bedeutung der Goetheschen Farben­lehre darzustellen, den ganzen Kampf der deutschen Weltanschauung, die in bezug auf die Farbenwelt in Goethe hervortritt gegen die mechanistische Auffassung, die im britischen Volkstum wurzelt bei Newton. Das Kapitel <Goethe im Recht gegen Newton», es wird auch einmal zur Geltung kom­men ...». Gemeint ist mit diesem Kapitel die Schrift von Friedrich Grävell, Goethe im Recht gegen Newton, Berlin 1857, die aufgrund von Rudolf Stei­ners Hinweisen 1922 im Verlag «Der Kommende Tag», Stuttgart, durch Günther Wachsmuth neu herausgegeben wurde. Vgl. ferner das Kapitel «Goethe, Newton und die Physiker» in Rudolf Steiners «Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften», GA Bibl.-Nr. 1 sowie die bei­den naturwissenschaftlichen Kurse, nachgewiesen im Hinweis zu Seite23.

38 voraussetzen wollte ... [Lücke im Text]: Hier machte Rudolf Steiner noch einige Bemerkungen über einen gegnerischen Artikel, die jedoch im Steno­gramm nur fragmentarisch festgehalten sind.

42 Man müßte also eigentlich einen Vorgang malen: Früher hieß es «einen Vor­gang machen». Sinngemäße Korrektur durch die Herausgeber.

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44 Fra Angelico, Giovanni Beato A., 1387-1455, seit 1407 Dominikaner in Fiesole, Italienischer Maler, berühmt auch durch seine Fresken, zum Bei­spiel im Kloster San Marco in Florenz.

49 Sehen Sie, dafgegen] gehe ich aus von einem Glanz, gehe in die eigentliche [Bild-] Farbe hinein, gehe hier wiederum zu einem Glanz über und käme jetzt erst [wieder] zu einer [Bild-} Farbe: Dieser Satz konnte im Stenogramm nur unvollkommen festgehalten werden, weshalb er in der Ausgabe von 1959 weggelassen wurde. Hier ist er mit den Ergänzungen nach der Ausgabe von 1942 wieder aufgenommen worden.

52.     daß er in der Farbe schon den Bildcharakter gibt: Gemäß Nachschrift hieß es in der 1. Ausgabe: «daß er im Bild schon das Bild gibt», was schon von Julius Hebing für die Ausgabe von 1959 sinngemäß geändert wurde.

53.     Giovanni Cimabue, 1240-1302, Italienischer Maler; gilt als der letzte und größte der unter byzantinischen Einflüssen stehenden Maler Toscanas.

Und zu dem wollen wir dann morgen schreiten ...: Hier fügte Rudolf Steiner noch hinzu: «Wir kommen damit zu dem, was eigentlich gewöhnliche Men­schen und auch noch <außergewöhnliche> Menschen wie der Professor Traub einzig und allein Farbe nennen. Die kennen nämlich nur die Farben, welche an den soliden Körpern vorhanden sind, daher sagen sie - der Profes­sor Traub sagt das [in «Rudolf Steiner als Philosoph und Theosoph», Tübin­gen 1919] -, «wenn man vom Geist spricht wie zum Beispiel vom Gedanken» - schöner Satz, nicht wahr -, <dann ist entweder der Geist gefärbt oder er ist nicht gefärbt». Ja, da liegt eben nicht die geringste Möglichkeit vor, sich zum Flüchtigen der Farbe zu erheben, sondern es liegt nur das vor, daß ein sol­cher Theologe ganz krustig am Materiellen haftet und eigentlich sofort, wenn er von Farbe spricht, wie die Katze auf die Pfoten, so sofort auf die Materialität fällt. Das ist ja überhaupt der Charakter des heutigen Theolo­gen; wenn er vom Geist spricht, so fällt er, wie die Katze auf die Pfoten, sofort in die Materie hinein.»

55 Goethes «Farbenlehre»: Siehe «Goethes Naturwissenschaftliche Schriften», herausgegeben und kommentiert von Rudolf Steiner in Kürschners «Deut­sche National-Litteratur», 5 Bde. 1884-97; photomechanischer Neudruck Dornach 1975, GA Bibl.-Nr. 1 a-3. Band III: Farbenlehre (1890) Band IV u. V (zweiter Teil des 4. Bandes): Materialien zur Geschichte der Farbenlehre; Sprüche in Prosa (1897).

Sämtliche Einleitungen Rudolf Steiners zu «Goethes Naturwissenschaftli­chen Schriften» - ohne Fußnoten - sind auch als Sonderdruck erschienen: GA Bibl.-Nr. 1. Innerhalb derselben sind für die Farbenlehre vor allem die Kapitel XV-XVII wichtig.

57 im Pflanzenreiche also eigentlich den Urcharakter des fixierten Farbigen: In den früheren Ausgaben hieß es statt «Urcharakter» «Ursprung». Im Steno­gramm jedoch ist das Wort nicht eindeutig. Wahrscheinlicher ist «Urcharak­ter» als «Ursprung».

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61 Leonardo da Vinci, 1452-1519, Italienischer Maler, Bildhauer und Baumei­ster. Vgl. auch Rudolf Steiners Vortrag Berlin, 13.2.1913 «Leodardos gei­stige Größe am Wendepunkt zur neueren Zeit», in GA Bibl.-Nr. 62 «Ergeb­nisse der Geistesforschung».

Tizian (eigentlich Tiziano Vecelli), 1477-1576, Italienischer Maler.

63 Geheimnis des Pflanzenmalens: Statt früher «Pflanzenlebens». Korrektur nach Stenogramm.

65.     für unseren Bau ... Pflanzenstoffe: Für das Ausmalen der beiden Kuppeln des ersten Goetheanum wurden Pflanzenfarben im eigenen Labor nach den Angaben Rudolf Steiners hergestellt. Vom « Anthea-Institut für Rudolf Stei-ner-Pflanzenfarbenforschung» Dornach, wurden in den dreißiger Jahren 16 Farben und ein Malmittel hergestellt und vertrieben. Seit einigen Jahren werden in der «Pflanzenfarbenwerkstatt am Goetheanum» wieder Pflan­zenfarben hergestellt.

66.     innere Kraft des Farbigen: Statt früher «innere Kraft des Kosmos». Korrek­tur nach Stenogramm.

67.     sich fixiert an der Pflanze ... Pflanzenfarben: Statt früher «Fläche» und «Flächenfarben». Korrektur nach Stenogramm.

68.     muß vom Außerkosmischen erklärt werden: Statt früher «Außerirdischen». Korrektur nach Stenogramm.

72 wird in Zukunft geschehen: In diesem Sinne haben die Vorträge keine Fortsetzung gefunden.

Anfang mit solchen Betrachtungen: Statt früher «Ubergang mit solchen Be­trachtungen». Korrektur nach Stenogramm.

Goethe hat ... sehr richtig gesagt: Entwurf einer Farbenlehre: Furcht vor dem Theoretischen, 900 (Band III, S. 317).

aus dem ... läuft da das Gelbe, dort das Violette heraus: An der Stelle der Pünktchen steht im Stenogramm ein Wort, das nicht zu entziffern ist.

im Räume Ausgebreiteten des Lichtes: Statt früher «Vorhandenen des Lich­tes». Korrektur nach Stenogramm.

73 Denn es ist eine bloße törichte Rederei, wenn man sagt: Das Farbige ist ein Subjektives, welches ... [Lücke im Text]: Vgl. hierzu Rudolf Steiners Ausführungen in seinen «Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften» (Kap.: Goethe als Denker und Forscher in «Das Urphänomen»), GA Bibl.-Nr. 1.

ein Leben in der Farbe selber: Statt früher «ein Element in der Farbe selber». Korrektur nach Stenogramm.

77 Arbeit, die uns hier obliegt: Die Errichtung des ersten Goetheanumbaues.

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77.     Hermán Grimm: Deutscher Kunsthistoriker, den Rudolf Steiner außeror­dentlich schätzte und persönlich gekannt hat. Vgl. hierzu Rudolf Steiner, «Mein Lebensgang» (1923-25), GABibl.-Nr. 28.

78.     «Johannesbau»: Bis 1918 war dies der Name des ersten Goetheanumbaues.

79f. Asmus Jakob Carstens: Deutscher Maler des 18. Jahrhunderts, der als Er­neuerer der deutschen Kunst im Anschluß an die Antike gilt; berühmt vor allem durch seine Zeichnungen. Vgl. über ihn den Aufsatz von Hermán Grimm «Secession» in «Fragmente II».

79 Raffael (eigentlich Raffaelo Santi), 1483-1520, einer der berühmtesten italienischen Maler. Vgl. auch Rudolf Steiners Vortrag Berlin, 30.1.1913 «Raffaels Mission im Lichte der Wissenschaft vom Geiste» in GA Bibl.-Nr. 62

«Ergebnisse der Geistesforschung».

Dante Alighieri: Uber das Weltbild dieses größten italienischen Dichters und sein berühmtestes Werk «Göttliche Komödie» vgl. den Vortrag Rudolf Steiners über das religiöse Weltbild des Mittelalters in Dantes «Göttliche Komödie» Düsseldorf, 11. Februar 1906 in GA Bibl.-Nr. 97, «Das christli­che Mysterium».

80 Homer (9. vorchristl. Jahrh.): Seine berühmten Dichtungen «Ilias» und

«Odyssee» sind die beiden ältesten griechischen Epen, die den Sagenkreis

des großen trojanischen Krieges behandeln.

82.     Ein Wort, wie das von Goethe: Kunst ist die Manifestation: Wörtlich: «Das Schöne ist eine Manifestation geheimer Naturgesetze, die uns ohne dessen Erscheinung ewig wären verborgen geblieben». «Sprüche in Prosa», II. Ab­teilung «Kunst» in «Naturwissenschaftliche Schriften», siehe Hinweis zu S. 55, V. Band, Seite494. - Rudolf Steiner bemerkt dazu: «Die Kunst und das Schöne sind nichts willkürlich vom Menschen Hervorgebrachtes. Sie sind höhere Formen des allgemeinen Weltprozesses, der sich ebensogut in den künstlerischen Produktionen wie in dem Fall des Steines ankündigt. Der Künstler liefert Werke, die im höchsten Sinne Naturwerke sind. Er kann nur Würdiges schaffen, wenn sich ihm Naturgeheimnisse enthüllen. Diese ver­körpert er in seinen Werken.»

83.      Wir haben bereits zum Schlüsse der letzten hier angestellten Betrachtung darauf hingewiesen: Siehe «Wege zu einem neuen Baustil», GA Bibl.-Nr. 286.

Gruppenseelen der Tiere: Siehe «Die Geheimwissenschaft im Umriß», GA Bibl.-Nr. 13, und Vortrag Berlin, 23.Januar 1908 «Die Seele der Tiere im Lichte der Geisteswissenschaft», 8. Vortrag in Bibl.-Nr. 56 «Die Erkenntnis der Seele und des Geistes».

84 Ich habe es schon früher ausgesprochen ..., warum der Eisbar weiß ist: Im Vortrag Dornach 5. Juli 1914 in GA Bibl.-Nr. 286 «Wege zu einem neuen Baustil».

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86 u. 88 hier die rote, hier die blaue Fläche [es wurde gezeichnet]: Von dieser Zeichnung ist leider keine genaue Kopie erhalten geblieben. Rudolf Steiner malte auf die Wandtafel links eine rote kreisförmige Fläche, rechts eine blaue. Der rote Kreis strahlte Rot-Orange-Gelb aus, übergehend in Grün. Auf der Seite des blauen Kreises waren blau-violette Farben. Da Rudolf Steiner nicht alle notwendigen Farben zur Verfügung hatte, war es ihm auch nicht möglich gewesen, wie es auf Seite 88 heißt, «vollständig genau zu zeichnen».

87 Bei Hildebrand wird ausdrücklich hervorgehoben: In «Das Problem der Form in der bildenden Kunst» (1893), viele Auflagen. In seiner darin vertretenen idealistischen Kunstauffassung wurde Adolf von Hildebrand stark beeinflußt von dem Kreis um K. Fiedler und Hans von Marees, mit denen er in Rom zusammentraf.

95.     was einen heute mit Wehmut in den Geschicken Europas erfüllt: Diese Worte, gesprochen am 26.Juli 1914, beziehen sich auf die ungeheure Span­nung vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 1 .August 1914.

96.     Gestern hatte ich Sie aufmerksam zu machen ... Auseinandersetzungen der letzten Tage: Bezieht sich auf die Vorträge in GA Bibl.-Nr. 275 «Kunst im Lichte der Mysterienweisheit».

100 ersten Mysterium: «Die Pforte der Einweihung» (8. Bild) in GA Bibl.-Nr. 14 «Vier Mysteriendramen».

112 Aus den gestrigen Darlegungen: Vgl. GA Bibl.-Nr. 202 «Die Brücke zwi­schen der Weltgeistigkeit und dem Physischen des Menschen - Die Suche nach der neuen Isis, der göttlichen Sophia».

112 u. 125ff. Zu den beiden Vorträgen vom 5. und 10.Dezember 1920 vgl. auch Rudolf Steiners Pastellskizze «Licht und Finsternis», 1923.

112 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 1770-1831 und

Arthur Schopenhauer, 1788-1860. Über Leben und Weltanschauung dieser beiden deutschen Philosophen vgl. Rudolf Steiner, «Die Rätsel der Philo­sophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt», GA Bibl.-Nr. 18. Über Schopenhauers Leben und Philosophie schrieb Rudolf Steiner auch in seiner Einleitung zu der von ihm besorgten Herausgabe seiner Werke, wieder ab­gedruckt in GA Bibl.-Nr. 33 «Biographien und biographische Skizzen 1894 bis 1905».

117 Galileo Galilei, 1564-1642, Begründer der modernen auf Erfahrung und Experiment beruhenden Physik. Vgl. den Vortrag Rudolf Steiners über das Leben Galileis im Lichte der Schicksalsfrage, Dornach 25. November 1916, in GA Bibl.-Nr. 172 «Das Karma des Berufes des Menschen in Anknüpfung an Goethes Leben».

140 neulich beim öffentlichen Vortrag in Basel: 2. Dezember 1920, vorgesehen für GA Bibl.-Nr. 336.

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140 ein gelehrter Herr: Professor Wilhelm Rein in Jena. Der Artikel «Ethische Irrlehren» erschien am 23. November 1920 in der Berliner Zeitung «Der Tag». Rudolf Steiner erwähnte ihn bereits in dem Basler Vortrag am 2. De­zember 1920.

in Dornach Hochschulkurse: Herbst 1920, siehe Rudolf Steiners Vorträge «Grenzen der Naturerkenntnis», GA Bibl.-Nr. 322.

in den «Waldorf-Nachrichten»: Jg. I, 1.Oktober 1919. Die Eröffnungsrede und der Artikel «Die pädagogische Grundlage der Waldorfschule» sind u. a. wieder abgedruckt in «Rudolf Steiner in der Waldorfschule. Ansprachen für Kinder, Eltern und Lehrer 1919-1924», GA Bibl.-Nr. 298.

142 1893 erscheint die «Philosophie der Freiheit»: Die erste Auflage hat als Er­scheinungsjahr 1894 eingedruckt, war aber schon Ende 1893 ausgedruckt, weshalb Rudolf Steiner als Erscheinungsjahr zumeist 1893 angibt. GA Bibl.-Nr. 4.

145 Zum Vortrag vom 21. Februar 1923: Auf den Zusammenhang von Rot und Blau mit Blut und Nerv in der Farbentherapie hatte Rudolf Steiner schon im Arztekursus (Vortrag 5.April 1920) hingewiesen. Siehe «Geisteswissen­schaft und Medizin» GA Bibl.-Nr. 312.

154 Wenn ich also Pflanzen verwende, um Malerfarben zu bekommen: Vgl. Hinweis zu Seite 65.

156. Hofrat Büttner, der die Apparate wieder gebraucht hat: Christian Wilhelm Büttner, Natur- und Sprachforscher, Professor in Göttingen, als Hofrat in Jena privatisierend, hatte Goethe seine optischen Instrumente ausgeliehen. Goethe erzählt die Geschichte in dem Abschnitt «Konfession des Verfas­sers» in «Materialien zur Geschichte der Farbenlehre» (18. Jahrhundert), siehe Hinweis zu S. 55, Band V.

157. Zu dem Abschnitt: «Aber es gibt einen gewissen Unterschied ...»: Es ist zu berücksichtigen, daß die Ausführungen über den Regenbogen, an sich schon nur andeutend, außerdem im Stenogramm nur mit Auslassungen fest­gehalten sind. In der von Rudolf Steiner innerhalb Kürschners «Deutscher National-Literatur» 1897 herausgegebenen «Farbenlehre» Goethes (siehe Hinweis zu S. 55) findet sich zu der Bemerkung Goethes über den Regenbo­gen: «Der Regenbogen ist ein Refraktionsfall, und vielleicht der komplizier­teste von allen, wozu sich noch Reflexion gesellt» als Anmerkung Rudolf Steiners: «Der Regenbogen ist das Resultat der einzelnen Erscheinungen, die in den Regentropfen bewirkt werden. Das Licht muß durch den Tropfen gehen, d. i. es wird gebrochen (Refraktion), dann aber muß es, da wir zwi­schen der Sonne und den Tropfen stehen, wieder zu uns zurückgelangen, also reflektiert werden.»

164 u. 165 Gestern versuchte ich zu zeigen: Vgl. GA Bibl.-Nr. 276 «Das Künstle­rische in seiner Weltmission», (Vortrag vom 20. Februar 1923).

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167 Albert Steffen, 1864-1963, Schweizer Dichter. Seit 1920 in Dornach. Mit Begründung der Wochenschrift «Das Goetheanum» (1921) deren Redak­teur. Weihnachten 1923 zweiter Vorsitzender der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und Leiter der Sektion für schöne Wissenschaften; von Weihnachten 1925 an erster Vorsitzender. Schriften, Dichtungen, Dra­men.

168/171 /192: Das kann im «Goetheanum» nachgelesen werden: II. Jg. Nr. 7- 9, «Vorträge Rudolf Steiners über das Wesen der Farbe», Referat von Albert Steffen. Der stenographisch-wörtliche Text Rudolf Steiners lag damals nicht gedruckt vor. Es handelt sich um die drei ersten Vorträge dieses Bandes vom 6., 7., 8.Mai 1921.

173 Leier des Apollo: Vgl. hierzu die Vorträge in GA Bibl.-Nr. 216 «Die Grund­impulse des weltgeschichtlichen Werdens der Menschheit» (3. Vortrag).

180 In früheren Vorträgen ... Genius der Sprache gesprochen: Vgl. GA Bibl.-Nr. 299 «Geisteswissenschaftliche Sprachbetrachtungen».

auch darauf schon aufmerksam gemacht: In «Die Sendung Michaels», GA Bibl.-Nr. 194.

182. in den letzten Tagen betrachtet: Vgl. Vortrag vom 2. Juni 1923, in vorliegen­dem Bande Seite 164 ff.

183. die menschliche Stirne zu nehmen: Statt früher «zu machen»; Korrektur nach Stenogramm.

dumpfes Licht: Statt früher «buntes Licht»; Korrektur nach Stenogramm.

185 Kant hat einmal gesagt: Wörtlich: «Gebt mir nur Materie, ich will euch eine Welt daraus bauen». Aus «Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels» (1755).

191. Goethe ... der von einer Dreiheit spricht: In «Das Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie». Siehe auch Rudolf Steiner «Goethes Gei­stesart in ihrer Offenbarung durch seinen Faust und durch das Märchen von der Schlange und der Lilie», GA Bibl.-Nr. 22.

192. Impressionismus und Expressionismus: Vgl. hierzu die Vorträge vom 15., 17. Februar und 5., 6. Mai 1918 in GA Bibl.-Nr. 271 «Kunst und Kunster­kenntnis».

197 u. 204 In diesen Tagen ... kleiner Vortragszyklus während der Delegierten­versammlung: Siehe «Drei Perspektiven der Anthroposophie» in GA Bibl.-Nr. 225 «Kulturphänomene».

205 Definitionen von Chaos: Vgl. hierzu Vortrag Berlin, 19. Oktober 1907 über Symbole und Zeichen als Wirkungen des Chaos, in GA Bibl.-Nr. 284/85 «Bilder okkulter Siegel und Säulen».

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209. Relativitätstheorie ... gestern beschriebene: Vgl. Vortrag vom 28. Juli 1923 in GA Bibl.-Nr. 228 «Initiationswissen­schaft und Sternenerkenntnis».

210. Albert Einstein, 1879-1955, Begründer der Relativitäts­theorie.

211. Antoine Laurent Lavoisier, 1743-1794, französischer Chemiker. Begrün­der der quantitativen Analyse in der Chemie.

213 Giotto di Bondone, 1266-1337, florentinischer Maler, Architekt und Bild­hauer. Schüler Cimabues. Wurde zum Reformator der Kunst seiner Zeit, indem er die liturgischen Formen durch freie, auf Naturanschauung begrün­dete, ersetzte.

215. in den einfachen Versuchen unserer Programme: Für die künstlerischen Auf­führungen am Goetheanum wurden seit dem Jahre 1915 von verschiedenen Malern Programme gemalt. Aus diesem Zusammenhang entstanden dann auch Programmbilder von der Hand Rudolf Steiners, auf die er hier Bezug nimmt. Siehe die Übersicht auf Seite 244.

216. Ich habe geschildert: Vgl. den Hinweis zu S. 197.

Eduard von Hartmann, 1842-1906, bekannter Philosoph des 19. Jahrhun­derts. Zahlreiche Werke. Von Rudolf Steiner in seinem Vortrag Dornach 21. Juli 1923 in GA Bibl.-Nr. 225 «Kulturphänomene» als der gescheiteste Mensch des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts charakterisiert, dem er seine eigene Schrift «Wahrheit und Wissenschaft» widmete. Vgl. auch Ru­dolf Steiner, «Mein Lebensgang», GA Bibl.-Nr. 28.

216. Zum Schluß des Vortrages vom 29.Juli 1923: Die eigentlichen Schlußworte, die sich auf Angelegenheiten der Anthroposophischen Gesellschaft bezie­hen, wurden hier weggelassen; sie sind mitenthalten in GA Bibl.-Nr. 228 «Initiationswissenschaft und Sternenerkenntnis».

217. Kursverlauf während unserer Weihnachtstagung ...in diesen drei Vorträgen: Rudolf Steiner bezieht sich hier auf die Vorträge von GA Bibl.-Nr. 233 «Die Weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung und als Grundlage der Erkenntnis des Menschengeistes».


224. Aristoteles in seiner Farbenharmonie: «Über die sinnlichen Wahrnehmun­gen», Kleine naturwissenschaftliche Schriften. Vgl. auch Goethe «Mate­rialien zur Geschichte der Farbenlehre», siehe Hinweis zu S. 55, Band IV.

225. Goethe hat nie so geschimpft als bei der Gelegenheit, wo er über Newton zu schimpfen hatte: Vgl. hierüber Hinweis zu Seite 33.

228 Albertus Magnus, 1193-1280, genannt Doctor universalis. Theologe der Hochscholastiker. Lehrte an deutschen Ordensschulen der Dominikaner, hauptsächlich in Köln und an der Universität Paris; Hauptvertreter des Ari-stotelismus unter den Scholastikern des 13.Jahrhunderts und Lehrer des Thomas von Aquino. Vgl. Rudolf Steiner, «Die Philosophie des Thomas von Aquino», GA Bibl.-Nr. 74.

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231 ein nordischer Chemiker: Theodor Svedberg, 1884-1971. Schwedischer Chemiker, «Die Materie» (1912), 1914 in Deutsch erschienen. 1926 Nobel­preisträger für Chemie.

Basilius Valentinus: Alchimist, angeblich Benediktinermönch aus dem 15. Jahrhundert. Unter seinem Namen wurden um 1600 eine Reihe alchimi­stischer Schriften von dem Ratskämmerer Joh. Thölde in Frankenhausen (Thüringen) erstmals herausgegeben. Eine Art Gesamtausgabe in 3 Bänden erschien in Hamburg 1717 und 1740. Vgl. über ihn Rudolf Steiner in GA Bibl.-Nr. 7 «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung».

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RUDOLF STEINERS SCHULUNGSSKIZZEN FÜR MALER 1922-1924 (alle im Originalformat reproduziert)


Neun Naturstimmungen (Pastelle 1922) K54.1, Mappe

Sonnenauf gang I - Sonnenuntergang I - Scheinender Mond - Bäume I (blü­hende oder fruchtende Bäume) - Bäume II (Sommerbäume) - Mondaufgang -Monduntergang - Sonnenaufgang II - Sonnenuntergang II

Vierzehn Motivskizzen (Pastelle 1922-1924)

Gruppenseelen (Der Mensch) (K 54.10)

Licht und Finsternis (Luzifer und Ahriman) (K54.ll)

Der Forscher inmitten von Marianus und Gabrilein (K 54.12)

Es werde die Weite und das Leben (K 54.13)

Der dreigliedrige Mensch (K 54.14)

Der Mensch im Geiste (K 54.15)

Der Geist im Menschen (K 54.16)

Johanni-Imagination (Rötliche Gestalt mit Sonne und Mond) (K 54.17) Druidenstein (K54.18)

Der Mensch in Beziehung zu den Planeten (K 54.19)

Elementarwesen (K 54.20)

Adam Kadmon in Frühlemurien (K 54.21)

Dreikönigs-Motiv (K 54.22)

Farbengrundlage zum «Mondenreiter» (K 54.23)


Fünf Aquarelle (Programmbilder, 1924)

Der Mondenreiter (Das Traumlied vom Olaf Ästeson) (K55.1) Neues Leben (Mutter und Kind) (K 55.2) Ostern (Drei Kreuze) (K55.3) Die Urpflanze (K55.4) Urmensch (Urtier) (K55.5)

Sieben Pastellskizzen für den Malunterricht an der Fortbildungs-, später Fried­wartschule am Coetheanum (1921-1924)

Sonnenaufgang (K52.1)

Sonnnuntergang (K 52.2)

Bäume I (Bäume in sonniger Luft) (K 52.3)

Bäume II (Bäume im Sturm) (K 52.4)

Besonnter Baum am Wasserfall (K 52.5)

Kopf-Studie (K52.6)

Madonna mit Kind (K 52.7)

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PERSONENREGISTER


Albertus Magnus (1193-1280), S. 228

Angélico, Fra Giovanni Beato A. da Fiesole (1387-1455), S. 44 Aristoteles (384-322 v. Chr.), S. 224 f.

Basilius Valentinus (angeblich Benediktiner aus dem 15. Jh.), S. 231 f.

Büttner, Christian Wilhelm (1716-1801), S. 156

Carstens, Asmus Jakob (1754-1798), S. 79f.

Cimabue, Giovanni (1240-1302), S. 53, 213

Dante Alighieri (1265-1321), S. 79

Einstein, Albert (1879-1955), S. 210

Galilei, Galileo (1564-1642), S. 117

Giotto di Bondone (1266-1337), S. 213f.

Goethe, Johann Wolfgang (1749-1832), S. 13ff., 22f., 55f., 72, 77f., 94, 120f., 156ff., 191, 225 ff.

Grimm, Hermán (1828-1901), S. 77, 94

Hartmann, Eduard v. (1842-1906), S.216

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770-1831), S. 112, 117f.

Herostrat (4. Jh. v. Chr.), S. 21

Hildebrand, Adolf (1847-1921), S. 87

Homer (9. Jh. v. Chr.), S. 80, 176 f.

Kant, Immanuel (1724-1804), S. 185

Lavoisier, Antoine Laurent (1743-1794), S. 211

Leonardo da Vinci (1452-1519), S. 61, 79, 186

Newton, Isaak (1643-1727), S. 33, 154, 225

Raffael (1483-1520), S. 79f., 186, 214

Schopenhauer, Arthur (1788-1860), S. 112, 118,124

Steffen, Albert (1884-1963), S. 167

Svedberg, Theodor (1884-1971), ohne Namensnennung: S. 231 Tizian, Vecellio (um 1477-1576), S. 61, 186f.


#G291x-1980-SE247

LITERATURHINWEIS


(GA = Rudolf Steiner Gesamtausgabe / TB = Taschenbuch)


Zur Weiterführung und Vertiefung der Darstellungen des vorliegenden Bandes sei auf folgende Ausgaben von Rudolf Steiner hingewiesen:


Schriften

Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, Sämtliche Einleitungen zu Goethes Na­turwissenschaftlichen Schriften in Kürschners «Deutsche National-Litteratur» (1883-1897), GA 1, (TB i. Vorb.) und GA la-e.

(S. v. a. GA 1, S. 284 ff. und 295 ff. und die Text-Erläuterungen in GA lc-e).

Goethes Weltanschauung (1897), GA6, TB 625 (S. 159-189).

Methodische Grundlagen der Anthroposophie 1884-1901, GA30 (S. 477 ff.).


Vorträge

Kunstgeschichte als Abbild innerer geistiger Impulse. Dreizehn Lichtbildervor­träge, Dornach zwischen dem 8. Oktober 1916 und dem 29. Oktober 1917, GA292 (Textband und Bildband).

Geisteswissenschaftliche Impulse zur EntWickelung der Physik I, Erster naturwis­senschaftlicher Kurs. Zehn Vorträge, Stuttgart 23. Dezember 1919 bis 3. Januar 1920, GA320 (Vorträge vom 24., 25., 26., 27., 30. Dezember 1919).

Geisteswissenschaftliche Impulse zur EntWickelung der Physik II, Zweiter natur­wissenschaftlicher Kurs. Vierzehn Vorträge, Stuttgart 1. bis 14. März 1920, GA321 (Vorträge vom 8., 9., 11., 12., 14. März 192C).

Vom Leben des Menschen und der Erde. Uber das Wesen des Christentums. Drei­zehn Vortrage, Dornach 17. Februar bis 9. Mai 1923, GA349 (Vortrag vom 21. Februar 1923).

außen [Pfeile], als was erscheint es da? Als ein Gefüge von Gedanken! Das Weltenall - innerlich Licht, von außen angesehen Gedanken. Das Menschenhaupt - innerlich Gedanke, von außen gesehen Licht.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.