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= DER KREISLAUF DES MENSCHEN DURCH DIE SINNEN-, SEELEN- UND GEISTESWELT Öffentlicher Vortrag, Wien, 19. März 1910 =
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= MAKROKOSMOS UND MIKROKOSMOS Die große und die kleine Welt Seelenfragen, Lebensfragen, Geistesfragen #SE119-032 ERSTER VORTRAG Wien, 21. März 1910 =
MAKROKOSMOS UND MIKROKOSMOS Die große und die kleine Welt Seelenfragen, Lebensfragen, Geistesfragen #SE119-032  
 
= ERSTER VORTRAG Wien, 21. März 1910 =
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Aktuelle Version vom 6. August 2023, 08:01 Uhr

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DER KREISLAUF DES MENSCHEN DURCH DIE SINNEN-, SEELEN- UND GEISTESWELT Öffentlicher Vortrag, Wien, 19. März 1910

#G119-1962-SE009 - Makrokosmos und Mikrokosmos

#TI

DER KREISLAUF DES MENSCHEN DURCH DIE

SINNEN-, SEELEN- UND GEISTESWELT

Öffentlicher Vortrag, Wien, 19. März 1910

#TX

Der Vortrag vom letzten Donnerstag war dazu bestimmt, die Wege zu charakterisieren, durch die der Mensch in die geistigen Welten hineinge-langen kann, und es wurde versucht zu zeigen, wie schon eine gewöhn­liche Beobachtung der aufeinanderfolgenden Erscheinungen unseres Lebenslaufes zwischen der Geburt und dem Tode Gesetze, große Gesetze zeigt, welche auf eine hinter der physischen Welt hegende geistige Welt weisen, und es wurde skizzenhaft charakterisiert, wie dann der Mensch selber in diese geistige Welt hineingelangen kann.

Heute soll in großen Umrissen ein Kapitel aus jenen Erkenntnissen be­sprochen werden, welche der Geistesforscher auf dem vorgestern charakteri­sierten Wege erlangen kann. In noch höherem Grade natürlich als in dem vorgestrigen Vortrage könnte alles heute Gesagte wie eine Art Phantasterei betrachtet werden. Nach den Auseinandersetzungen von vorgestem darf aber wohl vorausgesetzt werden, daß das heute einfach in Form einer schlichten Erzählung Vorzubringende als eine Summe von Forschungs­resultaten angesehen werde, welche sich durch die Betrachtung der höheren Welten eben ergeben. Also einfach schlicht erzählt soll heute werden, was der Mensch an Erlebnissen hat, wenn er nach dem Tode durch die verschle­denen Welten fortschreitet, durch die er zu gehen bestimmt ist.

Der Anfang soll gemacht werden an denjenigen Punkte der menschli­chen Lebensentwickelung, an welchem der Mensch steht, wenn er durch die Pforte des Todes schreitet, wenn er also in der Art, wie das gestern charakterisiert worden ist, seinen physischen Leib ablegt und in ein anderes, in ein geistiges Dasein aufsteigt. Dasjenige, was der Mensch zunächst erlebt unmittelbar beim Durchschreiten der Todespforte, nach dem Ablegen des physischen Körpers, das soll zunächst ins Auge gefaßt werden.

Der erste Eindruck, den unser astralischer Leib und unser Ich haben, nachdem der Tod des Menschen eingetreten ist, ist dieser, daß der Mensch zurückblicken kann auf sein eben verflossenes Leben, das zwischen der Geburt und dem Tode abgelaufen ist, zurückblicken kann in einem umfassenden

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Erinnerungstableau. Die einzelnen Ereignisse des letzten Lebens, die längst dem geistigen Blick entschwunden sind, treten sozusagen mit allen Einzelheiten an diesem wichtigen Wendepunkte des Lebens vor die Seele hin. Und wenn wir uns fragen: Wie ist so etwas möglich? - dann können wir dasjenige, was sich dem hellsichtigen Auge darbietet, uns wenigstens dadurch begreiflich machen, daß wir hinweisen aufjene allbekannten Augen­blicke des Lebens, von denen diejenigen erzählen, die einmal in Lebens­gefahr waren, etwa einem Absturz in den Bergen oder dem Ertrinken nahe waren. Sie erzählen, daß ihnen in einem solchen Augenblicke das ganze ver­flossene Leben wie in einem großen Gemälde vor Augen stand. Was so er-zählt wird, kann von der Geisteswissenschaft durchaus bestätigt werden.

Woher kommt es denn, daß in einem solchen Augenblicke das ganze ver­flossene Leben wie in einem großen Gemälde vor Augen steht? Das kommt davon her, daß dasjenige, was man vom Menschen mit physischen Augen sehen, mit physischen Händen greifen kann, was man also den physischen Leib des Menschen nennt, eben durchzogen und durchtränkt ist von demjenigen, was man Äther- oder Lebensleib nennen kann. Es ist dies das zweite und zwar schon ein unsichtbares Glied der menschlichen Wesenheit, das den physischen Leib in der Zeit zwischen der Geburt und dem Tode daran hindert, den ihm eingepflanzten physischen und chemischen Kräfien und Gesetzen zu folgen. Sozusagen unser treuer Kämpfer gegen den Zerfall des physischen Körpers ist dieser Äther- oder Lebensleib, dieser zweite Leib des Menschen.

Nun kann es ja verständlich sein, daß für einen physischen Blick, daß für die physische Wissenschaft mit dem Eintritte des Todes die gesamte mensch­liche Wesenheit auch diesem Tode verfallen scheint; denn dajenige, was durch die Pforte des Todes hindurchschreitet, das dann jene Eindrücke hat, die eben geschildert werden sollen, das ist nur für eine geistige Erkenntnis, nur für ein heilsichtiges Auge vorhanden. Alles dasjenige aber, was nur für die geistige Erkenntnis vorhanden ist, muß notwendigerweise dem physi­schen Blick als ein Nichts erscheinen. Ewig wird es ja so sein, daß die tiefe Charakteristik des Goetheschen Faust bleiben wird, jene Charakteristik, welche in Mephistopheles den Vertreter einer Weltanschauung zeigt, die nur auf das äußere, physische Dasein geht und in alledem, was jenseits dieses physischen Daseins zu erreichen ist durch geistige Erkenntnis, solch

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ein Nichts erblickt. Ewig wird aber auch deijenige, der eine Ahnung und eine Erkenntnis davon hat, daß im Menschenwesen Kräfte schlummern, die entwickelt werden können, entwickelt werden können so, daß geistige Welten in diese menschliche Seele hereinbrechen, wir Licht und Farbe in das operierte Auge des Blindgeborenen hereinbrechen, ewig wird diese menschliche Seele, die von solcher höherer Erkenntnis etwas ahnt, dem Materialismus die Worte erwidern, die Faust dem Mephistopheles erwidert:

In deinem Nichts hoff' ich das All zu finden.

So müssen wir auch zu dem Nichts der materialistischen Gesinnung und Anschauung gehen, wenn wir dasjenige ergreifen wollen, was durch die Pforte des Todes hindurchgeht und da seine Eindrücke hat, wenn keine physischen Werkzeuge, keine physischen Organe mehr da sind, durch die eine äußere Welt vermittelt werden kann. Dieses Nichts des Materialisten, dieses Grundwesen der menschlichen Natur für den spirituelleil Blick, das hat jenes gewaltige Erinnerungstableau vor sich, in dem eingeschlossen sind alle einzelnen Erlebnisse des letzten Daseins, ebenso eingeschlossen sind, ja im höheren Sinne eingeschlossen sind als nach jenem Schock, den ein Mensch erlebt, wenn er in Lebensgefahr schwebt, wenn er etwa dem Er­trinken nahe ist. Was ist denn eigentlich geschehen mit einem Menschen, der vor einer Lebensgefahr steht? Durch den Schock, den er erlitten hat, ist sein Äther- oder Lebensleib für eine kurze Weile gelockert worden aus seinem physischen Leibe heraus. Nun ist aber dieser Äther- oder Lebens-leib beim Menschen - ausdrücklich sei es gesagt: beim Menschen - der Träger auch der Erinnerung, des Gedächtnisses, und im gewöhnlichen Leben, wenn dieser Äther- oder Lebensleib eingesclaaltet ist dem physischen Leib, dann ist der physische Leib wie eine Art Hemmnis, wie eine Art Hindernis für das Herausheben aller einzelnen Erinnerungen, aller einzelnen Gedächt­nisvorstellungen. Wenn aber der Äther- oder Lebensleib durch einen solchen Schock für eine kurze Weile aus dem physischen Leib herausgehoben ist, dann tritt das Leben in einem Erinnerungsgemälde vor die Seele, und wir haben dann bei einem solchen Menschen in dem Momente des Ertrinkens durchaus eine Art von Analogon zu demjenigen, was unmittelbar nach dem Tode da ist, wenn der Äther- oder Lebeusleib mit allen seinen Kräften frei geworden ist, da ja der physische Leib im Tode abgelegt ist.

Das ist das eine Erlebnis, nachdem der Mensch die Pforte des Todes durchschritten

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hat. Wir müssen es aber noch genauer charakterisieren. Dieses Er­lehins ist ganz eigentümlicher Art. Es ist nämlich diese Erinnerung nicht so, daß wir die Ereignisse des eben verflossenen Lebens genau in derselben Art erleben, wie wir sie im letzten Leben durchgemacht haben. Im Leben ma­chen auf uns die Ereignisse des Tages den Eindruck der Lust, den Eindruck der Freude, den Eindruck des Schmerzes, den Eindruck des Leides. In einer Weise treten sie an uns heran, daß wir mit ihnen Sympathie und Antipathie haben. Kurz, diese Ereignisse erregen unsere Gefühlswelt, spornen uns wohl auch an, unseren Willen, unsere Begierde in dieser oder jener Weise zu be­tätigen. Das alles, was Lust und Leid, Freude und Schmerz, was Sympathie und Antipathie ist, was Interesse an äußeren Erscheinungen des Daseins ist, alles das ist für jene Zeit, die eben jetzt besprochen worden ist, aus der menschlichen Seele wie ausgelöscht, und es steht das Erinnerungsbild da, wirklich wie ein Bild. Wenn wir ein Bild vor uns haben, wo eine Szene vorgestellt wird, wo wir furchtbar leiden würden - wir ertragen sie objektiv, neutral, wenn sie uns auf dem Bilde dargestellt wird. So aber tritt uns auch das Erinnerungsbild des ganzen Lebens vor die Seele: Wir erleben es ohne Teilnahme, die wir sonst im Leben gehabt haben.

Das ist das eine. Das andere ist, daß der Mensch nunmehr etwas erlebt unmittelbar nach dem Durchschreiten der Todespforte, mit dem er zwischen emer neuen Geburt und dem Tode nur in sehr geringem Maße bekannt geworden ist, wenn er nicht selber ein Geistesforscher geworden ist. Im Leben sind wir immer außerhalb der Dinge, außerhalb der Wesenheiten, die um uns herum sind. Die Tische, die Stühle sind außerhalb unser, die über das Feld ausgebreitete Pflanzenflur ist außerhalb unser. Der Eindruck unmittelbar nach dem Tode ist der, als ob unser Wesen sich ergießen würde über alles das, was außerhalb unser ist. Wir tauchen gleichsam in die Dinge unter, wir fühlen uns eins mit ihnen. Das Gefühl des Ausbreitens und

-dehnens und -weitens der Seele tritt auf, ein Verschmelzen mit den Dingen, die in der äußeren Umgebung sind als Bilder. Dieses Erlebnis dauert - so zeigt uns die Geistesforschung mit denjenigen Methoden, von denen wir gesprochen haben - verschieden lang; allein es ist im allgemeinen ein kurzes Erlebnis nach dem Tode. Wir können heute sogar schon davon sprechen, nachdem genauere hellseherische Forschungen über diese Sache vorliegen, wie lange die Zeitdauer für den einzelnen Menschen je nach seiner Individualität

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ist. Sie wissen, daß verschiedene Menschen im normalen Lebens-zustande verschieden lang sich wach erhalten können, wenn es sein muß, ohne daß sie übermannt werden vom Schlafe. Der eine Mensch kann meinetwillen drei, vier, fünf Tage wachen, der andere kann es nur durch sechsunddreißig Stunden und so weiter. Solange der Mensch im allgemeinen im normalen Zustand des Lebens durchschnittlich sich hat wach erhalten können, ohne daß er vom Schlafe niedergezwungen wurde, so lange ungefähr dauert auch durchschnittlich dieses Erinnerungstableau. Also es ist nach Tagen zu berechnen und ist für die verschiedenen Menschen verschieden.

Dann, wenn dieses Erinnerungstableau zu Ende gegangen ist, wenn es all­mählich verblaßt ist - denn es zeigt ein Nach-und-nach-Dunkelwerden -, da fühlt der Mensch so etwas, wie wenn sich in ihm zurückzögen gewisse Kräfte und etwas, was bisher in seiner Natur war, ausgestoßen würde. Das­jenige, was da ausgestoßen wird, ist nun em zweiter Leichnam des Menschen, ein unsichtbarer Leichnam; es ist dasjenige im Menschen, was er von seinem Äther- oder Lebensleib nicht mitnehmen kann durch die folgenden Erleb­nisse in der seelischen Welt. Während also der physische Leichnam vorher schon abgestoßen und zu seinen physischen Stoffen und Kräften' zurückge­kehrt ist, wird jetzt ausgepreßt der Äther- oder Lebensleib, der sich verteilt in diejenige Welt, die wir die Ätherwelt nemien, die nun wiederum ein Nichts ist für denjenigen, der allein materialistisch sehen und denken kann, die aber alles durchwebt und durchlebt für denjenigen, dessen geistige Augen geöffiiet sind. Nun bleibt aber aus diesem ausgepreßten Äther- oder Lebens-leib etwas zurück, was man bezeichnen kann wie eine Essenz, wie einen Extrakt alles dessen, was erlebt worden ist. Gleichsam die in einen Keim zusammengedrängten Erlebnisse des letzten Daseins zwischen Geburt und Tod, die bleiben nunmehr mit demjenigen, was der Mensch ist, vereint. Also die Frucht des letzten Lebens, zusammengedrängt, die bleibt bestehen.

Was hat nun der Mensch an sich im weiteren Verlaufe seines nachtod­lichen Lebens? Der Mensch behält dasjenige, was wir den Träger seines Ichs, was wir sem Ich überhaupt nennen; aber eingehüllt ist dieses Ich zunächst von demjenigen, was wir als das dritte Glied der menschlichen Wesenheit nach dem physischen und dem Äther- oder Lebensleib charakterisiert haben, ein-gehüllt ist dieses Ich von dem astralischen Leib. Wir könnten sagen, daß der

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astralische Leib des Menschen der Träger ist von Lust und Leid, von Freude und Schmerz, von Trieben, Begierden und Leidenschaften. Von alledem, was des Tags über also als Lust und Leid, als Triebe, Begierden und Leiden­schaften durch unsere Seele zuckt, was des Abends hinuntergeht in ein unbe­stimmtes Dunkel, davon ist der astralische Leib der Träger, und jede Nacht verlassen Ich und astralischer Leib den physischen und den Äther- oder Lebensleib des Menschen, die dann im normalen Verlaufe des Lebens im Bette liegen bleiben. Jetzt haben wir nach dem Tode vereint das Ich und den astralischen Leib mit jener Lebensessenz, von der wir eben sagen konnten, daß sie als Frucht oder Keim aus dem Äther- oder Lebensleib extrahiert worden ist. Mit diesen Gliedern seines Wesens tritt nun der Mensch weiter die Wanderung an durch die sogenannte seelische Welt.

Wollen wir verstehen, was uns der geistige Blick des Menschen über diese Welt enthüllen kann, dann können wir zunächst ausgehen davon, daß wir uns doch klar machen, daß dieser astralische Leib es ist, welcher der Träger ist von allem, was Genuß, was Lust, was Interesse an den Dingen um uns herum ist. Ja, der astralische Leib ist der Träger aller Genüsse, Begierden, aller Schmerzen und Leiden, auch der niedrigsten Begierden, der Begierden, die zum Beispiel bloß mit unserer Emährung verknüpft sind. Der physische Leib, er ist ein Gefüge von physischen und chemischen Kräften und Geset­zen. Der physische Leib ist es nicht, der Lust und Genuß empfindet gegen­über irgendwelchen Nahrungs- und Genußmitteln, das ist der astralische Leib des Menschen. Der physische Leib gibt nur die Werkzeuge her, damit wir uns solche Genüsse, die im astralischen Leib sich abspielen, verschaffen können. Derjenige nun, der einen Begriff davon erhalten hat, daß dieser astralische Leib des Menschen etwas Reales, etwas Wirkliches ist, nicht bloß eine Funktion, ein Ergebnis des Zusammenwirkens der physischen und che­mischen Vorgänge, der wird sich auch nicht verwundern, wenn gesagt wird, daß in dem Augenblicke des Todes, wenn der physische Leib abgelegt ist, der astralische Leib nicht gleich die Sehnsucht nach den Genüssen ver­liert. Das tut er in der Tat nicht. Nehmen wir einen krassen Fall, meinet-willen einen Menschen, der im Leben ein Feinschmecker war, der Genuß ge­habt hat an leckeren Speisen. Was ist mit dem Tode für ihn eingetreten? Die Möglichkeit hat er verloren - weil er die physischen Werkzeuge abgelegt hat -, sich die Genüsse in seinem astralischen Leib zu verschaffen. Aber die

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Begierde nach diesen Genüssen ist in seinem astralischen Leib verblieben. Die Folge davon ist, daß der Mensch nunmehr in bezug auf diese Genüsse in derselben Lage ist - wenn auch durch andere Gründe -, in der er etwa in einem weniger eklatanten Fall ist, wenn er im physischen Leben in einer Gegend ist, wo er brennenden Durst leidet und weit und breit nichts ist, was diesen Durst löschen kann. Nach dem Tode ist kein Nahrungs-, kein Genußmittel da; da leidet der astralische Leib einen brennenden Durst, weil die physischen Organe nicht da sind, durch die dieser Durst befriedigt wer-den kann. Die Werkzeuge sind abgelegt, aber die Begierde nach diesen Genüssen ist im astralischen Leib verblieben. Die Folge davon ist, daß der Mensch nunmehr in bezug auf diese Genüsse in derselben Lage ist: der astralische Leib leidet einen brennenden Durst. Im astralischen Leib sind noch alle jene Triebe, Begierden und Leidenschaften, die nur durch die physischen Werkzeuge befriedigt werden können. Daher ist es begreiflich, emfach aus dieser logischen Erwägung heraus, was der Geistesforscher auf diesem Gebiet sagen muß: Der Mensch macht, nachdem er seinen Äther-oder Lebensleib abgelegt hat, eine Zeit durch, in der er sich in bezug auf sein innerstes Wesen abgewöhnen muß alle Selinsuchten, alle Begierden, welche nur durch die physischen Werkzeuge des physischen Leibes befrie­digt werden können. - Das ist die Zeit der Läuterung, der Reinigung, in der ausgerissen werden müssen aus dem astralischen Leib alle Selinsuchten nach irgend etwas, was dem Menschen nur verschafft werden kann dadurch, daß er seine physischen Werkzeuge in Tätigkeit versetzt.

Wir werden es begreiflich fmden, daß wiederum,je nach der Individualität des Menschen, die Zeit verschieden sein wird, die durchgemacht werden muß behufs dieser Läuterung, behuis dieses Ausreffiens der Begierden, die nur nach der physischen Welt gehen. Der Mensch macht aber auch diese Zeit so durch, daß sie nicht etwa bloß nach Tagen zählt, sondern daß sie nach den Forschungen der Geisteswissenschaft ungefähr ein Drittel des Lebens in der physischenwelt in Anspruch nimmt, das zwischen Geburt und Tod verlaufen ist. Es ist das begreiflich für denjenigen, der tiefer hinein­zublicken vermag, daß ungefähr ein Drittel des Lebens von der Läuterungs­zeit in Anspruch genommen wird. Wenn man das menschliche Leben über­blickt, so fmdet man, daß dieses menschliche Leben zwischen Geburt und Tod deutlich zerfällt in drei Drittel. Das erste Drittel ist dazu da, daß sich

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die von Anfang an durch die Geburt ins Dasein tretenden Anlagen und Fähigkeiten des Menschen hindurcharbeiten durch die Hindernisse der physischen Welt. Eine Art aufsteigenden Lebens ist im ersten Drittel vorhanden. Der Mensch ergreift allmählich als geistiges Wesen Besitz von seinen physischen Organen. Dann kommt das nächste Lebensdrittel, das ungefähr dauert vom 21. bis zum 42. Lebensjahre durchschnittlich. Das erste dauert bis zum 21. Lebensj ahr. Dieses zweite Lebensdrittel nimmt in An­spruch die Entwickelung all derjenigen Kräfte, die der Mensch dadurch entfalten kann, daß er mit seinem Innern, mit seinem Seelischen inWechsel­wirkung tritt mit der Außenwelt. Da hat er bereits die Organe seines pliysi­schen und Äther- oder Lebensleibes plastisch gestaltet, da hat er an ihnen kein Hindernis mehr. Er ist ausgewachsen. Sein Seelisches tritt in un­mittelbare Beziehung zur Außenwelt. Das dauert so hange, bis der Mensch beginnen muß, wiederum zu zehren von seinem physischen und Äther- oder Lebensleib, und das geschieht dann für die übrige Zeit seines Lebens. Da saugt der Mensch wiederum auf dasjenige, was er nach und nach plastisch gestaltet hat in seiner Jugend. Wir konnten darauf aufmerksam machen, welcher wunderbare Zusammenhang zwischen Jugend und Alter besteht. Wenn während derjenigen Zeit, während welcher das innere mensch­liche Wesen plastisch gestaltet an den Organen des Menschen, der Mensch gewisse Eigenschaften sich aneignet, wenn er in dieser Zeit in der Seele überwunden hat mancherlei Zomesregungen, wenn er durchgemacht hat dasjenige, was wir das Gefühl der Andacht nennen, so kommt das gerade im letzten Drittel des Lebens in seiner Wirkung zum Ausdruck. Es geht das im mittleren Dritte] wie in einem verborgenen Strom dahin. Und dasjenige, was wir überwundenen Zorn nennen, kommt im Alter als gerechte Milde zum Vorschein, so daß im überwundenen Zorn die Ursache liegt zur Milde. Und aus der Stimmung der Andacht, die wir hegen in jungen Jahren, kommt am Ende des Lebensjene Eigenschaft, die wir erblicken an denjenigen Menschen, die in eine Gemeinschaft treten können, ohne daß sie viel sagen, und wie segnend wirken.

Deutlich ist des Menschen Leben in drei Drittel geteilt. Im ersten Drittel arbeitet sich der Mensch durch den physischen Leib hindurch; im letzten Lebensdrittel zehrt er wiederum am physischen Leib; im mittleren ist sozu­sagen das Seelische sich selbst überlassen. Dieser mittleren Zeit nun muß

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auch, wie es begreiflich scheinen kann, die Läuterungszeit entsprechen. Da ist ja die Seele frei vom physischen Leib und Äther- oder Lebensleib, da steht sie zu ihrer geistigen Umgebung in einem ähnlichen Verhältnis wie im zweiten Lebensdrittel.

Daher können Sie verstehen, was nicht erschlossen, was nicht durch Folge­rungen die Geisteswissenschaft behauptet, sondern durch den unmittelbaren Eindruck, den der geistige Blick von den geistigen Tatsachen hat. Was also der Geistesforscher vermag, das können wir uns logisch begreiflich machen, wenn wir einen Blick auf das gewöhnliche Leben werfen. Wir können aber auch verstehen, daß, trotzdem die angegebene Zeit eine Durchschnittszahh ist, bei dem einen Menschen die Zeit der Läuterung länger dauern wird, bei dem andern kürzer. Länger wird sie bei demjenigen dauern, der mit all seinen Leidenschaften hingegeben ist an das bloß sinnliche Dasein, der kaum etwas anderes kennt als die Befriedigung durch jene Genüsse, die an die physischen Organe des Leibes gebunden sind. Wer aber im gewöhnlichen Leben durch ein Eindringen in die Kunst, in die Erkennmistatsachen durch das Physische schon hindurchizuschauen vermag auf dasjenige, was durch den Schleier des Physischen hindurelidringt an geistigen Geheimnissen des Daseins, wer auch nur ahnend die Offenbarungen des Geistes durch den Schleier des Physischen ergreift, für den wird die Läuterungszeit kürzer dauern, denn er wird vorbereitet durch die Pforte des Todes gehen, vorbe­reitet für alles dasjenige, was eben nur aus der geistigenWelt an Befriedigung kommen kann.

Hier haben wir also eine Zeit, die der Mensch durchlebt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, die sich wesentlich unterscheidet von der nach Tagen zählenden Zeit unmittelbar nach dem Tode. Während wir in dieser nach Tagen zählenden Zeit ein neutrales Erinnerungstableau haben, dem gegenüber all unser Interesse und unsere Teilnahme Verstummen, haben wir gerade in der Läuterungszeit alles dasjenige in unserer Seele, was uns durch Sehnsucht nach Genuß, durch Sehnsucht nach Begierde hingezogen hat zu unseren Erlebnissen. Gerade das Gefühlsleben, das Empfindungsleben, das ist es, was da in der Seele abläuft während dieser Läuterungszeit.

Nun zeigt uns aber allerdings die Geistesforschung eine merkwürdige Eigentümlichkeit dieser Läuterungszeit. So sonderbar es khngt, es ist doch wahr: Diese Läuterungszeit verläuft nämlich von rückwärts nach vorne, so

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daß wir den Eindruck haben, daß wir das letzte Jahr unseres physischen Lebens zuerst, dann das vorletzte, das drittletzte nachher durchleben. Und wir durch]eben, also uns läuternd, also uns reinigend, unser Leben wie in emem Spiegelbild, wir durchlaufen es so, daß es erscheint, als ob es von dem Tode bis zur Geburt gehen würde, und am Ende der Läuterungszeit stehen wir im Moment der Geburt. Zuerst das Alter, dann das mittlere Alter, bis zurück zur Ililidheitszeit durchlaufen wir das Leben.

Nun braucht sich niemand zu denken, daß dies durchaus nur eine schreck­liche Zeit ist, nur eine solche Zeit, in der man brennenden Durst erlebt, in der man Sehnsuchteii durchmacht. Das alles ist gewiß da; aber es ist nicht das einzige. Wir durchleben auch alles dasjenige, was wir zwischen der Geburt und dem Tode schon an Geistigem durchgemacht haben, wir durchleben auch die guten Ereignisse des Lebens so, daß wir sie gleichsam im Spiegelbild wiederum vor uns haben. Wie das ist, wird uns gleich, indem wir diese Zeit noch genauer betrachten, vor die Seele treten. Nehmen wir an, ein Mensch wäre im 60. Lebensjahre gestorben. Dann durchlebt er zu­erst das 59., dann das 58., das 57. Lebensjahr und so weiter; er durchlebt nur alles rückwärtslaufend in einer Art von Spiegelbild. Das bleibt nämlich, daß wir uns fühlen wie über die Dinge und Wesenheiten der Welt ergossen, wie in allen Wesenheiten und Dingen darinnen. Nehmen wir nun die Tat­sache, daß wir in einem Leben, das also bis zum 6o. Jahre gedauert hat, im 40.Jahrejemandem eine Beleidigung zugefügt hätten. Da durchleben wir also zwanzigJahre mit einer dreifachen Geschwindigkeit zurück. Wenn wir beim 40. Jahre angekommen sind, dann durchleben wir jenen Schmerz, den wir dem andern zugefügt haben, aufs neue, aber wir erleben nicht dasjenige, was wir damals durchgemacht hatten, sondern dasjenige, was er durchge-macht hatte. Wenn wir aus einem Rachegefühl oder aus einer Zornesauf­wallung heraus jemandem Schmerz zugefügt haben und wir dann nach dem Tode, rückwärtsschauend, zu diesem Momente kommen, dann fühlen wir nicht unsere Befriedigung, die wir durchgemacht haben, sondern das­jenige, was der andere erlebt hat. Wir sind im Geiste in ihn hineinversetzt. Und so ist es mit allem, was wir im Rückwärtswandern durchleben. Wir durchleben alles dasjenige, was wir an Wohltaten, was wir an Guttaten im Leben ausgestreut haben, in den wohltätigen Wirkungen, die es in unserer Umgebung verursacht hat.

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Dies durchleben wir mit jener Seele, die sich gleichsam ausgegossen fühlt in die ganze Umwelt. Das ist nicht ohne Wirkung, sondern der Mensch, indem er alles durchlebt, nimmt von all diesen Situationen des Durch-lebens gewisse Marken, gewisse Eindrücke mit. Wir können dies etwa folgendermaßen charakterisieren. Aber ich bemerke ausdrücklich, daß man diese Dinge mit Worten eigentlich nur vergleichsweise charakterisieren kann, denn Sie können verstehen, daß unsere Worte geprägt sind für die physische Welt und eigentlich nur auf diese physische Welt im rechten Sinne anwendbar sind. Gebrauchen wir doch dieseWorte - und wir könnten uns sonst ja nicht verständigen über all die geheimnisvollen Welten, die dem geistigen Auge sich erschließen - dann müssen wir uns bewußt sein, daß diese Worte nur einen annähernden Sinn haben. Dasjenige, was da also durchlebt wird, kann nur so charakterisiert werden: Wenn der Mensch wahrnimmt den Schmerz, den er einem andern zugefügt hat, wenn er diesen Schmerz nach dem Tode nacherlebt, dann fühlt er ihn wie ein Entwickelungshemm­nis. Er sagt sich etwa empfmdend in seiner Seele: Was wäre ich geworden, wenn ich dem andern diesen Schmerz nicht zugefügt hätte? Dieser Schmerz ist etwas, was mein ganzes Wesen zurücltliält von einem Grad von Voll­kommenheit, den es sonst hätte erreichen können. - Und so sagt sich der Mensch bei allem, was er an Irrtum und Lüge, an Häßlichem verbreitet hat in seiner Umgebung: Das sind Entwickelungshindemisse, etwas, was ich mir selber in den Weg meiner Vervollkommnung gelegt habe. - Und daraus formt sich eine Kraft in der menschlichen Seele, die dahin geht, daß der Mensch in jenem Zustande, in dem er jetzt lebt zwischen dem Tode und emer neuen Geburt, aufnimnit die Sehnsucht, aufiiimnit dieWillensimpulse, diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Das heißt, Stück für Stück nehmen wir in der Rückwärtswanderung Impulse auf, im kommenden Leben das wieder gutzumachen, wiederum auszugleichen, was wir uns selber an Hindernissen in den Weg gelegt haben.

Daher dürfen wir uns auch nicht dem Glauben hingeben, daß dajenige, was wir da durchmachen, bloß Leiden sei. Leid und Entbehrung ist es gewiß, und schmerzlich ist es, wenn wir all das auf unsere eigene Seele geladen sehen, was wir selber verursacht haben; aber wir erleben es doch so, daß wir froh sind, es erleben zu dürfen, weil wir nur dadurch jene Kraft auf­nehmen können, die uns befähigt, jene Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

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Und so addieren sich zusammen alle diese Impulse, die wir während der Läuterungszeit aufnehmen, und wenn wir zurückgekommen sind bis zum Anfang unseres letzten Lebens, dann ist eine mächtige Summe da, die in uns als ein ungeheurer Drang lebt, in einem neuen Leben, in den folgen­den Daseinsstufen alles dasjenige auszugleichen, was auszugleichen ist in dem charakterisierten Sinne. Mit der Kraft also, unseren Willen küuftighin so zu entfalten, daß für alles Unrechte, Häßliche, Schlimme, das wir getan haben, der Ausgleich geschaffen wird, mit dieser Kraft sind wir ausgerüstet am Ende der Läuterungszeit. Das ist eine Kraft, von der der Mensch etwa eine Ahnung bekommen kann, wenn er sich durch eine weise Selbsterkennt­nis damit bekannt macht, welche Gewissensbisse es ihm verursacht, wenn er zurückdenkt an das, was er diesem oder jenem angetan hat. Aber alles das bleibt im Leben bloß Gedanke. Ein mächtiger Schaffensdrang wird es in der Läuterungszeit zwischen Tod und einer neuen Geburt. Und mit diesem Schaffensdrang ausgestattet geht der Menschjetzt in ein neues Leben ein: in das eigentlich geistige Leben.

Wenn wir dieses geistige Leben, das der Mensch nach der Läuterungszeit betritt, verstehen wollen, dann können wir das auf die folgende Art. Es ist schwer, die ganz andersartigen Erlebnisse, welche der Geistesforscher hat, wenn er prüft das Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, die ganz andersartigen wesenhaften Eindrücke, die sich mit nichts vergleichen lassen, was das Auge in der Sinnenwelt sehen und der an das Gehirn gebun­dene Verstand denken kann, einzufangen in die Worte unserer Sprache; aber man kann sich auffolgendeWeise etwa eine Vorstellung von demjeni­gen verschaffen, was wie eine neue Welt dem Geistesforscher durch seinen Einblick in die geistige Welt aufgehen kann. Wenn Sie uni sich sehen und begreifen wollen die Welt, verstehen wollen dasjenige, was um Sie herum ist, dann tun Sie das dadurch, daß Sie denken, daß Sie sich Vorstellungen bilden von den Dingen, die um Sie herum sind. Es würde nun ein jeder etwas logisch Absurdes sich vorstellen müssen, wenn er denken würde, man könne Wasser aus einem Glas herausschöpfen, in dem keines drinnen ist. Aber genau so wäre es, wenn Sie sich vorstellen würden, daß Sie aus einer Welt Gedanken, Gesetze herausholen, herausschöpfen könnten, in der keine Gedanken, keine Gesetze sind. Alles menschliche Wissen, alle menschliche Erkenntnis wäre eitel Träumerei, wäre nichts anderes als eine Phantastik,

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wenn die Gedanken, die wir zuletzt in unserm Geist ausformen, nicht den Dingen zugrunde lägen, so daß die Dinge aus diesen Gedanken zunächst herausgegossen sind. Alle diejenigen, welche da glauben, daß die Gedanken nur etwas sind, was der menschliche Geist bildet, was nicht den Dingen zugrunde liegt als eigentliche Wirkens- und Schaffenskräfte der Dinge, die sollten nur gleich überhaupt alles Denken aufgeben; denn die Gedanken, die also gebildet würden, ohne daß sie einer äußeren Gedankenwelt ent­sprechen, die wären eitel Hirngespinste. Einzig und allein derjenige denkt real, derjenige stellt sich sein Denken in entsprechender Art vor, der da weiß, daß die Gedanken, die wie in einem Spiegel in unserem Innern die äußere Welt wieder aufwecken, daß diese Gedanken der Dinge in der äußeren Welt sind und daß aus dieser Gedankenwelt alle Dinge ursprünglich hervorgesprossen sind.

So also ist zwar für uns Menschen der Gedanke das letzte, das wir ergrei­fen von den Dingen, den Dingen aber liegt er als ihr erstes zugrunde. Der schöpferische Gedanke liegt den Dingen zugrunde, aber die Gedanken der Menschen, durch die der Mensch zuletzt erkennt, unterscheiden sich doch m einer gewissen, sehr bedeutungsvollen Beziehung von den schöpferi­schen Gedanken draußen. Wenn Sie in die menschliche Seele hineinzu­blicken versuchen, dann werden Sie sich sagen: Wie auch dieses menschliche Denken herumschweifen mag in dem Horizont der Gedanken und Vorstel­lungen, solange der Mensch denkt, solange er durch seine Gedanken die Geheimnisse der Dinge zu ergründen versucht, solange nehmen sie sich aus wie etwas, dem ferne liegt alles Schöpferische. - Das ist das Eigenartige der menschlichen Gedanken, daß sie das prodnktive, das schöpferische Element, das in den Gedanken draußen, die die Welt durchweben und durchleben, enthalten ist, verloren haben. Diejenigen Gedanken, die die Welt draußen durchsetzen, werden durchzogen mit dem Element, das im menschlichen Inneren heraufsprießt wie ein geheimnisvoller Untergrund unseres Daseins. Das wissen Sie ja, daß Ihre Vorstellungen, wenn sie umgegossen sein sollen m den Willen, dann untertauchen müssen in die Untergründe des mensch­lichen Wesens, daß der Gedanke selber noch nicht durchzogen ist von dem Willen. Wenn aber der Gedanke draußen in der Welt wirkt, dann ist er durchzogen und durchwebt vom Willen. Und das eben ist das eigenartige des Geistes, der objektiv draußen die Dinge durchwirkt, daß er schöpferisch

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ist. Dadurch ist er aber nicht mehr nur Gedanke, dadurch ist er Geist. Der Gedanke der menschlichen Natur ist dadurch zustande gekommen, daß der Wille aus dem Geist herausgepreßt ist und daß dieser wie ein Reflex erst aus dem Menschen heraus erscheint. Für den geistigen Blick zeigt er sich draußen nirgends von dem Schöpferischen getrennt.

In diesen Geist, der in sich zusammengeschlossen enthält Willen und Ge­danken, tritt der Mensch wie in eine neue Welt ein, wenn er nach dem Tode seine Läuterungszeit durchgemacht hat. Und so, wie wir hier in die­ser Welt, die wir durchlaufen zwischen Geburt und Tod, leben umgeben von den Eindrücken unserer Sinne, umgeben von alledem, was unser Ver­stand denken kann, wie wir hier also von der physischen Welt umgeben und umschlossen sind, also ist der Mensch nach der Läuterungszeit überall umschlossen von der schöpferischen, geistigen Welt. Und er ist innerhalb dieser schöpferischen, geistigen Welt, er steckt darinnen und gehört dazu. Das ist auch dasjenige, was jetzt als ein erstes Erlebnis auftritt, wenn die Läuterungszeit durchlaufen ist: Der Mensch fühlt sich nicht in einer Welt, die ihn umstellt mit einem Horizont von Dingen, die er wahrnehmen kann, sondern er fühlt sich in einer Welt, wo er durch und durch schöpferisch ist. - Alles dasjenige nun, was der Mensch im letzten Leben und auch schon in den früheren Leben, soweit es noch nicht verarbeitet ist, in sich aufge­nommen hat, was insbesondere in dem geschilderten Extrakt seines Äther-oder Lebensleibes ist, was in ihm ist, zurückgeblieben in seinem astralischen Leib, als jener gewaltige Impuls, der ausgleichen will die Hindernisse, die bemerkt worden sind, aUes dasjenige, was so im Menschen ist, das fühlt sich jetzt produktiv, das fühlt sich jetzt schöpferisch.

Nun ist das Leben innerhalb der Produktivität immer etwas, was am besten bezeichnet wird mit dem Ausdruck Seligkeit oder Beseligung. Sie können schon im gewölinhehen Leben vergleichsweise das beseligende Ge­fühl auf einer niedrigeren Stufe beobachten, wenn Sie das Huhn sitzen sehen auf dem Ei, es ausbrütend. In der Produktion selber liegt die wärmende Beseligung. Noch in einem höheren Sinne kann man diese Beseligung der Produktion wahrnehmen, wenn der Künstler dasjenige, was in seiner Seele reif geworden ist, umsetzen kann in die materielle Außenwelt, wenn er produzieren kann. Von demjenigen, wovon nian auf diese Weise annähernd eine Vorstellung gewinnen kann, ist das ganze menschliche Wesen jetzt

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durchdrungen beim Durchgang durch die geistige Welt. Was arbeitet da der Mensch hinein in die geistige Welt? Er arbeitet hinein in die geistige Welt alles dasjenige, was er eben an Früchten, an Extrakt aus dem letzten und anderen vorangegangenen Leben gewonnen hat, wovon wir vorgestern sagen konnten, daß es zwar als Erlebnis an unsere Seele herangetreten ist, daß es der Mensch aber in dem Leben zwischen Geburt und Tod, weil er an dem physischen und Äther- oder Lebensleib eine Grenze hat, zunächst in sich behalten muß, das der Mensch nicht in seine Gesamtwesenheit hinein-arbeiten kann. Jetzt ist der physische und der Äther- oder Lebensleib nicht da, jetzt arbeitet er in rein geistiger Substantiahtät, jetzt prägt er ihr alles das ein, was er in dem letzten Leben zwar erlebt hat, was er aber wegen der Begrenztheit seines physischen und Äther- oder Lebensleibes da nicht in sich selber hineinarbeiten konnte.

Wenn wir uns nunmehr um die Länge der Zeit bekümmern, in der der Mensch also produktiv dasjenige, was er im letzten Leben gewonnen hat, ins Geistige hineinarbeitet, dann müssen wir uns vor allen Dingen fragen:

Hat denn dieses Gesetz der wiederholten Erdenleben, auf das wir hingedeutet haben, einen gewissen Sinn? - Ja, das hat einen gewissen Sinn, und dieser Sinn zeigt sich dadurch, daß der Mensch, wenn er eine Verkörperung durch-gemacht hat, in einem neuen Leben nicht etwa dann erscheint, wenn er dieselben Erlebnisse wieder durchmachen kann, sondern er erscheint erst dann wieder, wenn sich die irdische Außenwelt mittlerweile so verändert hat, daß er völlig neue Erlebnisse durchmachen kann. Derjenige, der nun ein wenig nachdenkt über die Entwickelung, wird finden, daß schon in bezug auf das Physische die Erdenphysiognomie von Jahrtausend zu Jahr­tausend sich beträchtlich ändert. Denken Sie einmal nach, wie es etwa aus­gesehen haben mag hier, wo jetzt diese Stadt liegt, zur Zeit Christi, wie es da ganz anders war, wie dieser Erdenfleck sich verändert hat; und denken Sie daran, wie sich dasjenige, was wir moralische, intellektuelle und sonstige geistige Entwickelung der Menschlieit nennen, im Laufe weniger Jahr­hunderte ändert. Denken wir daran, was unsere Kinder etwa vor wenigen Jahrhunderten in den ersten Lebensjahren in sich aufgenommen haben, und denken wir daran, was sie heute in den ersten Lebensjahren verarbei­ten. Die Erde ändert ihre Physiognomie, und nach einer bestinamten Zeit kann der Mensch die Erde wieder betreten und da ist alles so verändert, daß

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er nun Neues erleben kann. Wenn der Mensch Neues erleben kann, dann erst betritt er diese Welt von neuem.

Die Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt ist dadurch bestimmt, daß der Mensch, wenn er, sagen wir, in irgendeinem Jahrhundert sich ver­körpert hat, hineinwächst durch die Geburt in ganz bestimmte vererbte Verhälmisse.Wir wissenja, daß wir uns den menschlichen Wesenskern, das Geistig-Seelische des Menschen nicht so vorstellen dürfen, als ob es zusam­menaddiert wäre aus demjenigen, was die Eigenschaften der Eltern, Vor­eltern, Urgroßeltern und so weiter sind. Wir haben betont, daß ebenso­wenig wie der Regenwurm aus dem Schlamm herauswächst, die mensch­liche Seele aus dem Physischen entsteht. Seelisches entsteht aus Seelischem, wie Lebendiges aus Lebendigem. Wir haben betont, daß uns diese mensch­liche Seele zurückweist auf ein früheres Leben und daß sie durch die Geburt so ins Dasein tritt, daß sie die vererbten Eigenschaften zusammengezogen zeigt. Indem wir aber das vor die Seele rücken, müssen wir uns auch klar sem, daß, wenn wir also auf ein früheres Leben zurückblicken, wir aus die­sem früheren menschlichen Leben hereintragen durch die Geburt diejenigen Eigenschaften, welche sich im Verlaufe zwischen dem Tode und einer neuen Geburt nach und nach entfalten. Wir nehmen dann durch die Pforte des Todes dasjenige mit, was wir zwischen der Geburt und dem Tod neu gewonnen haben, was wir aus einem früheren Leben noch nicht haben schöpfen können. So daß wir - das ist ja auch schon hervorgehoben worden -durch die Pforte des Todes nunmehr tragen alles dasjenige, was im letzten Leben Stück für Stück gewonnen worden ist. Das können wir nun, wenn wir das Leben im Geiste durchmachen zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, nur dadurch wiederum in einem neuen Verhältnis enifalten, daß wir nicht darauf angewiesen sind in diesem neuen Dasein, die vererbten Verhältnisse wiederzufinden, die wir im früheren Dasein hatten. Im frühe­ren Dasein hatten wir m unsere Seele hereingezogen gewisse Eigenschaften der Ahnen. Wir würden nichts Neues in einem neuen Dasein antreffen, wenn wir die Eigenschaften der Ahnen in derselben Weise vorfinden wür­den. Haben wir uns also in einem bestimmten Jahrhundert verkörpert, dann müssen wir, damit wir auch nach dieser Richtung in eineni neuen Dasein uns ausleben können, so lange durch die geistige Welt durchschreiten, bis sich alle jene vererbten Eigenschaften verloren haben, zu denen wir uns

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früher hingezogen fühlten, zu denen wir uns so lange hingezogen fühlen würden, solange sie da sind. Es hängt unsere Wiederverkörperung davon ab, daß diejenigen Eigenschaften, welche durch die Geschlechter sich hin-durchgezogen haben, verschwunden sind. Blicken wir also hinauf zu unseren ursprünglichen Ahnen - man kann dies mit dem geistigen Blick sehr leicht -, dann finden wir bei unseren Eltern, Großeltern, Urgroßeltern und so weiter gewisse Eigenschaften, die sind heruntergetragen bis zu unse­rem jetzigen Dasein. Wir treten in die geistige Welt. Da verbleiben wir, bis verschwunden sind in der Vererhungslinie all die Eigenschaften, zu denen wir uns in dieser Verkörperung hingezogen fühlten. Das dauert aber viele Jahrhunderte, und zwar zeigt die Geistesforschung, daß die Zeit so viele Jahrhunderte dauert, daß wir etwa sagen können, es verlaufen sich gewisse vererbte Eigenschaften, die sich von Generation zu Generation ziehen. Ungefähr siebenhundert Jahre dauert es, dann sind die Eigenschaften, die sich von Generation zu Generation ziehen, so weit verschwunden, daß wir sagen können: Was wir damals bei den Ahnen fanden, das hat sich ver­flüchtigt. - Jetzt aber müssen sich Eigenschaften so weit ausbilden, daß sie neuerdings siebenhundert Jahre durchlaufen. Und wir kommen dahin, zweimal siebenhundert Jahre als die Zeit angeben zu können - sie ist natür­lich nur eine Durchschnittszahl, sie zeigt sich aber der Geistesforschung als diejenige Zeit, die da verläuft zwischen dem Tod und einer neuen Geburt bis die Seele durch eine neue Geburt wiederum ins Dasein tritt.

Nun müssen wir uns vor allen Dingen darüber unterrichten, daß hinauf-ragt in diese geistige Welt alles dasjenige, was hier auf der Erde schon geistig ist. Wir haben ja gerade zum Verständnis der geistigen Welt hervorgehoben, daß dasjenige, was wir in unseren Geist hereinnehmen, draußen in der geistigen Welt schöpferisch ist. Wir haben gesehen, daß wir selber in einer gewissen Weise in dieser schöpferischen Welt mit unserem Schöpferischen drinnen sind. Diese geistige Welt, die draußen schöpferisch ist, sie spiegelt sich in einer gewissen Weise in unserer eigenen Seele. Insofern unsere eigene Seele Geistiges erlebt, ein geistiges Leben durchläuft, sind auch die geistig-seelischen Erlebnisse unseres Innern Bürger der geistigen Welt. Wie die geistige Welt in die physische herunterragt, so ragt unsere geistige Welt hinauf in die allgemeine geistige Welt. Dadurch aber ist uns nicht nur er­klärlich, wenn die Geistesforschung behauptet, dasjenige, was am Menschen

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ist in bezug auf seine verschiedenen Wesensglieder, legt ab die äußeren Hüllen, und es bleibt das Geistige und wächst hinauf in die produktive geistige We]t, sondern es ist uns auch erklärlich, daß auch die geistigen Verhältnisse, alles Seelische, was sich hier in der physischen Welt abspielt, die äußeren Hullen ablegt und in die geistige Welt hinauflebt. Nehmen wir die Liebe, die die Mutter hat zu ihrem Kinde. Diese wächst aus der physi­schen Welt heraus. Sie trägt zunächst einen animalischen Charakter. Es sind Sympathien, welche Mutter und Kind verbinden, welche eine Art von physischer Kraftwirkung sind. Dann aber läutert sich dasjenige, was aus der physischen Welt herauswächst, es veredelt sich die Liebe der beiden Wesen­heiten; seelisch-geistig wird immer mehr und mehr diese Liebe. Alles, was der physischen Welt entspringt, wird ebenso abgeworfen im Tode wie die äußeren Hüllen. Dafür bleibt aber auch alles dasjenige, was in dieser physisch-menschlichen Hülle an Seelischem, an Geistigem in dieser Liebe aufgebaut wird, ebenso wie das menschliche Innere selbst in die geistige Welt hinein bestehen, so daß die Liebe zwischen Mutter und Kind fortlebt in der geisti­gen Welt. Da finden sie sich wiederum, jetzt nicht mehr begrenzt durch die Schranken der physischen Welt, sondern in jener geistigen Umgebung, wo wir nicht die Dinge außer uns haben, sondern wo wir in den Dingen leben und weben und sind. Daher muß man sich dasjenige, was da herrscht in der geistigen Welt, als das Resultat der in der physischen Welt begründeten Liebe und Freundschaftsverhältnisse vorstellen; man muß sie sich so vor­stellen, daß viel inniger verbunden sind diejenigen, die geistig sich ver­bunden haben, wie die Bande, die geschlungen werden in der physischen Welt, die Bande der Liebe, der Freundschaft und ihr ähnliche, sich hinauf-leben in die geistige Welt. Und fast sinnlos ist es, zu fragen, ob wir die­jenigen, mit denen wir in Liebe und Freundschaft zusammenleben in der physischen Welt, nach dem Tode wieder erblicken. Wir erblicken sie nicht nur, sondern wir leben in ihnen; wir sind sozusagen über sie ergossen. Und dasjenige, was innerhalb der Schranken der Sinnenwelt gewoben wird, das erhält erst seinen rechten Sinn, seine rechte Bedeutung, wenn wir mit dem geistigen Teil davon in die geistigeWelt hinaufwachsen.

So sehen wir die Vergeistigung nicht nur des Menschen, sondern der Menschheit in ihren edelsten Beziehungen in dem geistigen Lande, das der Mensch durchlebt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Da bilden.

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sich aber auch all die Impulse, die der Mensch hineingetragen hat in die geistige Welt, in lebendige Urbilder um. Wir sahen ja, daß der Mensch hin-einging in die geistige Welt mit einer Essenz des Äther- oder Lebensleibes, das heißt mit all den Erlebnissen, die er nicht in sein Inneres hat aufnehmen können zwischen der Geburt und dem Tode. Wir sehen den Menschen ein­treten in die Geisteswelt mit jenem mächtigen Impulse, der ihn ausgleichen läßt, was er Unrechtes getan hat. Das webt der Mensch zusammen zu einem geistigen Urbild. Und die Zeit, die er verbringt in einer geistigen Welt, die verläuft so, daß dieses Urbild immer mehr und mehr gewoben wird so, daß es die Früchte aus dem vorhergehenden Leben und den Drang, den Willen zur Ausgleichung seines Unrechtes, des Häßlichen, das er getan hat, immer mehr und mehr einverwoben erhält. Und so ist der Mensch in jener Zeit auf der einen Seite fähig, alles das, was er in früheren Leben an Fähig­keiten sich erworben hat, jetzt in den Leib, der ihm bei der Wiederver­körperung zur Verfügung gestellt wird, plastisch hineinzugestalten, hin-einzugestalten alles das, was er in seinem früheren Leben zwar gewinnen konnte, was er aber nicht hineinweben konnte; so daß sich der Mensch innerlich durchdringt mit dem, was er an Früchten aus dem früheren Leben mitgebracht hat und es zu Fähigkeiten umgestaltet für das neue Leben. Aber außerdem wird der Mensch dadurch, daß er in sein Urbild hineinverwoben hat den Drang, den Impuls, auszugleichen, was er Unrechtes, Häßliches, Böses getan hat, angezogen von Verhältnissen, wird er gedrängt in Verhält­nisse, die ihm gestatten, jenes Unrecht, jenes Häßliche auszugleichen. Wir treten mit dem Willen durch die Geburt ins Dasein, in solche Verhältnisse hineinzukommen, die uns gestatten, durch einen Ausgleich dessen, was aus-geglichen werden muß, Unvollkommenheiten aus unserem Leben auszu­scheiden. So suchen wir durch einen verborgenen Willen in entsprechenden Fällen den Schmerz auf, wenn wir aus unserm vorgeburthchen Drang heraus die unbewußte Erkenntnis haben, daß nur die Überwindung dieses Schmer­zes uns gewisse Hindernisse, die wir uns früher in den Weg gelegt haben, hinwegräumen kann.

So sehen wir, wie der Mensch durch die geistige Welt schreitet, in der er schon vor der neuen Geburt plastisch ausgestalten kann seinen physischen Leib, und durch die neue Geburt wieder in die sinnliche Welt hineinichrei­tet. Und jetzt sehen wir auch, wie dasjenige, was wir hineingewoben haben

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in unser Urbild, sich erst nach und nach mit unserem Leben nach der Geburt vereinigt. Denn der kennt das Leben nicht, der da glaubt, daß im Kinde bloß im Innern liegt, was sich an Trieben, Fähigkeiten, Seelenver­mögen für das Leben ausbildet. Wer das Leben richtig betrachten kann, sieht den Menschen durch die Geburt ins Dasein treten und sieht, wie der Mensch erst nach und nach sich selber im Leben findet, wie der Mensch in den erstenJahren keineswegs schon vollständig im Innern das hat, was er werden kann. Wir können das Leben viel besser verstehen, wenn wir sagen: Der Mensch vereinigt sich erst nach und nach mit demjenigen, was er als ein geistiges Urbild in dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt gewoben hat und mit dem er zusammenwächst, bis er im freien Wechsel­spiel der Außenwelt gegenübertritt. - Wer das Leben ohne Vorurteile be­trachtet, der kann sehen, wie der Mensch noch von der geistigen Atmo­sphäre umschwebt wird, die er sich gewoben hat zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, und wie er sich nach und nach an sein eigenes Urbild anpaßt, das er noch nicht verwoben hat mit seiner Körperlichkeit, die er bei der Geburt mitbringt. Während das Tier schon von der Geburt an verwoben ist mit seinem Urbild, sehen wir den Menschen individuell und bestimmt erst hineinwachsen in das Urbild, das er sich durch die wiederholten Erden-leben bis zu diesem letzten herauf selber gewoben hat. Und wir verstehen dann das sinnliche Leben des Menschen am besten, wenn wir es so fassen, daß wir sagen: es ist uns wirklich wie die Schale eines Tieres, die wir am Wege finden. Solange wir sie begreifen wollen als bloß zusammengebaut, meinetwegen aus Schlamm, so lange wird uns diese Schale nicht begreiflich werden können. Wenn wir aber voraussetzen, daß dasjenige, was an der Schale Schicht für Schicht sich abgelagert zeigt, ausgeschieden ist von dem Innern eines Tieres, das diese Schale verlassen hat, dann verstehen wir das Gebilde. - Das Leben des Menschen zwischen der Geburt und dem Tode, wir verstehen es nicht, wenn wir es bloß aus sich selber begreifen wollen, wenn wir es so begreifen wollen, daß wir bloß dasjenige, was in der unmittel­baren Umgebung ist, zusammenziehen. Da können wir lange sagen, daß der Mensch sich anpaßt an Umgebung, Volk, Familie: uns wird, ebenso­wenig wie uiis die Austernschale ohne Auster begreiflich wird, dieses menschliche Leben begreiflich sein, wenn wir es nur als aus seiner unnättel­baren Umgebung herausgebildet betrachten. Hell und klar wird es aber,

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wenn wir voraussetzen können, daß der Mensch aus einer geistigen und seelischen Welt kommt und daß er in dieser geistigen und seelischen Welt die Errungenschaften, den Extrakt, die Früchte früherer Leben verarbeitet hat, und daß er sem neues Dasein mit Hilfe dieser Verarbeitung neugestaltet. So wird uns das Leben selbst erst durch dasjenige, was über dem Leben liegt, so wird uns die physische Welt erst durch die geistige und seelische Welt begreiflich.

Dies ist der Kreislauf des Menschen durch die Sinnen-, Seelen- und Gei­steswelt. Erblicken wir den Menschen so, dann haben wir in seinem Sinnen-leben gleichsam nur einen Teil seines vollständigen Lebenskreislaufes. Und unsere Erkenntnis ist dann, wenn wir sie so im rechten Sinne betrachten, nicht bloß eine theoretische Erkenntnis, die uns dieses oder jenes sagt wie die äußere Wissenschaft, sondern sie ist eine Erkenntnis, die uns zu gleicher Zeit objektiv zeigt, wie das Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt Sinn und Bedeutung erhält, indem dasjenige, was wir hier einsam­meln, in einer höheren Welt seine Verarbeitung findet. Aus solcher Er­kenntnis ersprießt uns Wissenschaft für das Leben, Willenskraft für das Leben, sprießt uns Sinn und Bedeutung, Zuversicht und Hoffnung für das Leben.Wir brauchen einer solchen Erkenntnis nicht etwa bloß zuzuschreiben, daß wir trostlos blicken in vergangene Leben, von denen wir etwa sagen:

Nun, da wird behauptet, daß wir unseren Schmerz uns selber zubereitet haben. Zu dem Schmerz wird noch diese Trostlosigkeit hinaugefügt! -Nein, wir können uns sagen: Dieses Gesetz ist nicht bloß ein solches, das auf die Vergangenheit weist, sondern auch ein solches das in die Zukunft weist, das uns zeigt, daß überwundener Schmerz Kraftzuwachs ist, den wir verwerten im neuen Leben, und je mehr wir arbeiten, je mehr wir Schmerz überwunden haben, desto stärker wird unsere Kraft sein. -Im Glück kann man im höheren Sinn nur leiden. Das Glück ist eine Er­füllung aus früheren Leben. Im Schmerz kann man Kräfte ausbilden, und die durch die Überwindung im Schmerz ausgebildeten Kräfte bedeuten eine Steigerung für das zukünftige Leben. Und wir schreiten getrost durch die Pforte des Todes, wenn wir wissen, daß der Tod ins Leben hereingebracht sein muß, damit sich dieses Leben von Stufe zu Stufe steigern kann. Damit erscheint es wohl gerechtfertigt, wenn gesagt wird: Geisteswissenschaft in diesem Sinne ist nicht allein eine Theorie, sie ist Saft und Kraft für das

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Leben, indem dasjenige, was unmittelbar in unser ganzes seelisches Dasein einfließt, dieses gesund und kräftig und stark macht. - Geisteswissenschaft ist dasjenige, was bewahrheitet die Worte, die einem jeden Geistesforscher und wohl jedem Menschen, der etwas eralint von der geistigen Welt, in der Seele leben müssen als Wahrworte, als Leitworte für sein sich steigerndes, gesundes und kraftvolles Leben, das selbst in der Überwindung der Schmer­zen Kraftsteigerung erblickt, bewahrheitet die Worte:

Rätsel an Rätsel stellt sich im Rauni,

Rätsel an Rätsel läuft in der Zeit;

Lösung bringt der Geist nur,

Der sich ergreift

Jenseits von Raumesgrenzen

Und jenseits vom Zeitenlauf.

MAKROKOSMOS UND MIKROKOSMOS Die große und die kleine Welt Seelenfragen, Lebensfragen, Geistesfragen #SE119-032

ERSTER VORTRAG Wien, 21. März 1910

#G119-1962-SE031 - Makrokosmos und Mikrokosmos

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MAKROKOSMOS UND MIKROKOSMOS

Die große und die kleine Welt

Seelenfragen, Lebensfragen, Geistesfragen

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ERSTER VORTRAG

Wien, 21. März 1910

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In diesem Vortragszyklus soll ein Überblick gegeben werden über die geisteswissenschaftlichen Forschungen, welche uns in den Stand setzen, die wichtigsten Rätsel des menschlichen Lebens zu durchschauen, soweit das möglich ist nach Maßgabe derjenigen Bedingungen und Grenzen, die einem Begreifen der höheren Welten in unserer Zeit nun schon einmal gesetzt sind. Und zwar soll ein solcher Überblick dieses Mal so gegeben werden, daß von Näherliegendem ausgegangen und von diesem Näherliegenden aus der Aufstieg versucht wird in immer höhere Gebiete des Daseins und in immer verborgenere Rätsel des menschlichen Lebens. Nicht so sehr soll dieses Mal in der Darstellung von irgendwelchen feststehenden, wie Dog­men sich ausnehmenden Begriffen und Ideen ausgegangen werden, sondern es soll in möglichst einfacher Weise zuerst Bezug genommen werden auf dasjenige, wasjeder Mensch als etwas auch dem gewöhnlichen Leben Nahe­liegendes empfinden muß.

Geistesforschung, Geisteswissenschaft überhaupt beruht ja darauf, daß vorausgesetzt wird, derjenigen Welt, in der wir zunächst leben, die uns zu­nächst bekannt ist, liege eine andere, sagen wir, die geistige Welt zugrunde, und in dieser geistigen Welt, welche unserer sinnlichen und bis zu einem gewissen Grade auch unserer seelischen Welt zugrunde liegt, haben wir die eigentlichen Ursachen, die Bedingungen zu demjenigen zu suchen, was in der sinnlichen und in der seelischen Welt eigenthch vorgeht. Nun ist es ja wohl allen hier Anwesenden bekannt, und es ist berührt worden in den ein-leitenden öffentlichen Vorträgen, daß es bestimmte Methoden gibt, die der Mensch auf sein Seeleuleben anwenden kann und durch die er gewisse Fähigkeiten seiner Seele, die im gewöhnlichen, normalen Leben schlum­mern, wachrufen kann, so daß er den Augenblick der Einweihung oder Initiation erlebt, durch den er eine neue Welt, eben die Welt der geistigen Ursachen, der geistigen Bedingungen für die sinnliche und seelische Welt so um sich herum hat, wie etwa der bis dahin Blinde nach der Operation die Welt der Farben und die Welt des Lichtes um sich herum hat. Von dieser Welt, die also eigentlich diejenige ist, die wir von Stunde zu Stunde in diesem

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Zyklus von Vorträgen immer mehr und mehr aufsuchen wollen, von dieser Welt geistiger Tatsachen und geistiger Wesenheiten ist ja der Mensch im heutigen normalen Leben getrennt. Und zwar ist der Mensch getrennt von dieser geistigen Welt nach zwei Seiten hin: nach derjenigen Seite hin, die wir die äußere nennen können, aber auch nach derjenigen Seite hin, die wir die innere nennen können.

Wenn der Mensch den Blick in die Außenwelt richtet, so sieht er in dieser Außenwelt dasjenige, was sich zunächst seinen Sinnen darbietet. Er sieht Farben, Licht, er hört Töne, er nimmt Wärme und Kälte wahr, Gerüche, Geschmäcke und so weiter. Das ist diejenige Welt, die den Menschen zu­nächst umgibt. Stellen wir uns einmal diese um uns liegende Welt vor, wie sie sich ausbreitet vor unseren Sinnen, so können wir sagen: an ihr haben wir zunächst eine Art von Grenze, denn durch unmittelbare Wahrnehmung, durch nnmittelbares Erleben kann der Mensch nicht hinter diese Grenze schauen, die ihm gegeben ist durch die sich vor ihm ausbreitende Farben-und Lichtwelt, durch die Welt der Töne, Gerüche und so weiter. Er kann nicht hinter dieser Grenze wahrnehmen. Wir können es uns ja ganz, ich möchte sagen, trivial anschaulich machen, wie wir da nach außen hin eine Grenze haben. Wir sehen uns eine meinetwillen blau bestrichene Fläche an. Was zunächst hinter dieser blau bestrichenen Fläche sich befindet, das sieht der Mensch unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht. Nun ja, gewiß! Ein Trivialling könnte einwenden, man braucheja bloß dahinterzuschauen. Aber so verhält es sichja nicht in bezug auf diejenige Welt, die um uns herum aus­gebreitet ist. Gerade durch dasjenige, was wir wahrnehmen, deckt sich uns eme äußere geistige Welt zu, und wir können höchstens empfinden, daß wir m Farbe und Licht, in Tönen, in Wärme und Kälte und so weiter äußere Offenbarungen einer dahinterhegenden Welt haben. Aber in einem gege­benen Augenblick können wir nicht durch die Farben, durch die Lichter, durch die Töne hindurch wahrnehmen, hindurch erleben dasjenige, was hinter ihnen ist. Wir müssen die ganze geistige Außenwelt eben durch diese ihre Offenbarungen wahrnehmen. Denn Sie brauchen sichja nur ein wenig zu überlegen, so werden Sie auch durch eiufachste Logik sich sagen können:

Wenn auch zum Beispiel unsere gegenwärtige Physik oder andere wissen­schaftliche Bestrebungen hinter der Farbe bewegte Äthermaterie sehen, es kostet doch nur ein wenig Überlegung, um sich zu sagen, daß dasjenige,

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was da hinter der Farbe angenommen wird, etwas von dem Denken iiur Hinzugedachtes, etwas nur Erschlossenes ist. Niemand kann dasjenige, was zum Beispiel die Physik erläutert als Schwingungen, als Bewegungen, von denen die Farbe eine Wirkung sei, direkt wahrnehmen. Niemand kann zu­nächst sagen, ob dasjenige, was da hinter den sinnlichen Eindrücken sein soll, irgendeiner Wirklichkeit entspricht. Es ist zunächst etwas bloß Gedach­tes. Wie ein Teppich breitet sich diese äußere sinnliche Welt aus, und wir haben dann die Empfmdung, daß hinter diesem Teppich der äußeren Sinnes­welt etwas ist, in das wir zunächst mit der äußeren Wahrnehmung nicht ein­dringen können.

Da haben wir die eine Grenze. Die andere finden wir, wenn wir in uns selber hineinblicken. In uns selber finden wir eine Welt von Lust und Leid, von Freude und Schmerz, von Leidenschaften, Trieben, Begierden und so weiter; wir finden in uns alles dasjenige, was wir mit einem anderen Worte unser Seeleuleben nennen.Wir fassen dieses Seelenleben gewöhnlich so zu­sammen, daß wir sagen: Ich empfinde diese Lust, ich empfinde diesen Schmerz, ich habe diese Triebe, ich habe diese Leidenschaften. Aber wir haben wohl auch die Empfindung, daß hinter diesem Seelenleben sich irgend etwas verbirgt, daß dahinter irgend etwas steht, was ebenso durch unsere Seelenerlebrisse verdeckt wird, wie irgend etwas Äußeres verdeckt wird durch die sinnlichen Wahrnehmungen. Denn wer sollte sich darüber täuschen, daß Lust und Leid, Freude und Schmerz und all die anderen Seelenerlebnisse wie aus einem Unbekannten des Morgens beim Aufwachen aufsteigen, daß der Mensch ihnen in einer gewissen Weise hingegeben ist. Und wer könnte, wenn er in gewisser Selbstschau das alles vor sich hinstellt, dann leugnen, daß da in ihm selber etwas Tieferes, etwas ihm zunächst Ver­borgenes sein muß, das wie aus sich herausströmen läßt unsere Lust und unser Leid, Freude und Schmerz und all unsere Seelenerlebnisse, die zunächst ebenso Offenbarungen sind eines Unbekannten, wie die äußeren sinnlichen Wahrnehmungen Offenbarungen sind eines Unbekannten.

Nun fragen wir uns einmal: Wenn zwei solche Grenzen da sind, wenig­stens zunächst vermutungsweise da sein können, haben wir als Menschen doch gewisse Möglichkeiten, diese Grenzen in irgendeiner Weise zu durch­dringen? Gibt es für den Menschen irgend etwas in seinem Erleben, durch das er sozusagen den äußeren Teppich der Walrrnehmungen durchdringt,

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wie wenn er ein Häutchen durchdringen würde, das ihm etwas zudeckt, und gibt es ebenso etwas, was tiefer in das menschliche Innere hineinführt, hinter unsere Lust, hinter unseren Schmerz, hinter unsere Freude, hinter unsere Leidenschaft und so weiter? Können wir gleichsam einen Ruck weiter in die Außenwelt gehen, und können wir einen Ruck weiter in die Innenwelt gehen?

Nun gibt es ja zwei Erlebnisse, durch die in der Tat so etwas bewirkt wird, daß der Mensch sozusagen die Haut nach außen und den Widerstand nach innen in einer gewissen Weise besiegen kann. Wodurch kann sich uns zeigen, daß so etwas wie das äußere Häutchen, wie der äußere Sinnesteppich von uns in einer gewissen Weise zerrissen wird und wir in eine Welt ein­dringen, die verdeckt ist durch diesen Schleier des äußeren Sinnesteppichs? Wie kann sich uns das zeigen? Das kann sich uns zeigen, wenn wir in ge­wissen Lebensvorgängen etwas haben, was wir als neue Erlebnisse bezeich­nen müssen gegenüber den gewöhnlichen Erlebnissen des Tages. Wenn es so etwas gibt, was ganz neue Erlebnisse sind, was der Mensch gewöhnlich nicht wahrnehmen kann, und wenn der Mensch während solcher Erlebnisse auch das Gefühl haben kann, daß die äußeren Wahrnehmungen, die uns durch die Sinne zukommen, hinunterschwinden, daß also der äußere Sinnes-teppich gleichsam zerrissen wird, wenn das irgendwie der Fall wäre, dann könnten wir sagen, wir dringen etwas in diese hinter unseren Sinneswahr­nehmungen hegende Welt ein.

Nun gibt es zunächst ein solches Erlebnis. Nur hat dieses Erlebnis einen ganz beträchtlichen Nachteil für das menschliche Gesamtleben. Dieses Er­lebnis ist dasjenige, was man, und zwar sei jetzt der Ausdruck im eigent­lichen Sinne des Wortes gemeint, gewöhnlich die Ekstase nennt. Die Ekstase, die einen Augenblick den Menschen, wenn wir so sagen dürfen, vergessen läßt, was um uns herum ist an Eindrücken der Sinnenwelt, die den Menschen so weit bringt, daß er für Augenblicke des Daseins nichts sieht von dem­jenigen, was an Farbe, Licht, an Tönen, Gerüchen und so weiter rings um ihn herum ist, daß er unempfänglich wird für die gewöhnlichen sinnlichen Eindrücke. Dieses Erlebnis der Ekstase kann unter gewissen Umständen allerdings den Menschen so weit bringen, daß er neue Erlebnisse hat, Erleb­nisse, die in das gewöhnliche Tageserleben nicht hereinfallen. Wohlgemerkt, es soll durchaus nicht diese Ekstase hier als etwas Erstrebenswertes hingestellt

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werden, sondern sie soll nur geschildert werden als etwas, was möglich ist. Man darf auch nicht jedes gewöhnliche Außer-sich-Sein als eine Ekstase bezeichnen. Denn es ist zweierlei möglich. Das eine ist, daß der Mensch, wenn er die Empfänglichkeit verliert für die äußeren sinnlichen Eindrücke, einfach in einer Art Ohnmachtszustand ist, in dem sich um ihn herum an Stelle der Sinneseindrücke schwarze Dunkelheit ausbreitet. Das ist sogar für den normalen Menschen im Grunde genommen zunächst das beste. Aber es gibt eine Ekstase, und wir werden im Laufe der Vorträge schon hören, welche Bedeutung solch eine Ekstase hat, durch welche nicht bloß schwarze Dunkelheit sich ausbreitet uni den Menschen herum, sondern durch welche sich dieses Feld schwarzer Dunkelheit sozusagen bevölkert mit einer Welt, die der Mensch früher gar nicht gekannt hat. Sagen Sie nicht, das kann eine Welt der Illusion sein, eineWelt der Täuschung. Schön, es sei zunächst eine Welt der Illusion, eine Welt der Täuschung. Nennen Sie es meinetwillen eine Summe von Nebelbildungen oder sonstwie, darauf kommt es jetzt nicht an, sondern es kommt darauf an - seien es Illusionen, seien es Bilder, was immer -, daß es in der Tat eine Welt sein kann, die der Mensch bisher nicht gekannt hat. Der Mensch kann sichja dann fragen: Bin ich denn imstande, nach alledem, was ich mir an Fähigkeiten bisher ange­eignet habe, mir aus meinem gewöhnlichen Bewußtsein heraus solche Dinge selber aufzubauen? - Wenn die Bilderwelt, die er da sieht, so ist, daß der Mensch sich sagen kann: Ich bin unfähig, nach meinen bisherigen Fähig­keiten, eine solche Welt aufzubauen - dann ist ihm klar, daß ihm diese Welt von irgendwoher gegeben sein muß. Ob ihm in ihr irgendein gewalti­ger Weltenzauberer Blendwerk vorzaubert oder ob sie eine Realität ist, darüber sei hier noch nichts ausgemacht, darüber wollen wir später die Ent­scheidung fällen. Jetzt kommt es nur darauf an, daß es Zustände gibt, in denen der Mensch Welten sieht, die ihm bisher unbekannt waren.

Nun ist aber dieser ekstatische Zustand mit einem ganz besonderen Nach­teil für den normalen Menschen verbunden. Der Mensch kann nämlich auf natürliche Weise in diesen ekstatischen Zustand nicht anders kommen als dadurch - und das zeigt sich zugleich im Erlebnis der Ekstase-, daß dasjenige, was er sonst sein Ich nennt, sein starkes inneres Selbst, wodurch er alle ein­zelnen Erlebnisse immer zusammenhält, wie ausgelöscht ist. Der Mensch, der in Ekstase ist. ist wirklich wie außer sich, sein Ich ist wie unterdrückt.

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Er ist wie ausgegossen und ausgeflossen in die neue Welt, mit der sich da die schwarze Finstemis bevölkert. So also haben wir zunächst das eine Erlebnis zu schildern, und ich schildere ein Erlebnis, das unzählige Menschen gehabt haben und haben können; wie sie es haben können und gehabt haben, davon im Verlaufe der Vorträge Weiteres. Und wir haben also ein Zweifaches in die­sem Erlebnis der Ekstase. Das eine ist: Es schwinden die Eindrücke der Sinne; dasjenige, was der Mensch sonst als Sinnesteppich wahmimmt, das ist ausgelöscht. Ausgelöscht ist aber auch dasjenige, was der Mensch sonst immer als ein Erlebnis hat: Ich höre diesen Ton, ich sehe diese Farbe. - Die­ses Ich erlebt er niemals im Zustande der Ekstase; er unterscheidet sich in der Ekstase nicht von den Gegenständen. Dadurch bleibt es auch zunächst noch unbestimmt, ob man es mit einer äußeren Wirklichkeit oder mit Blend­werk zu tun hat. Denn im Grunde genommen ist es nur das Ich, das die Entscheidung treffen kann, ob man es zu tun hat mit Gaukelei oder mit emer Realität.

Diese zwei Erlebnisse gehen also in der Ekstase parallel: der Verlust oder wenigstens die Herabminderung des Ich-Gefühis, bis zu hohem Grade Herabminderung des Ich-Gefühls, und auf der andern Seite das Hinschwin­den der äußeren Sinneswahrnehmung. Die Ekstase zeigt also wirklich, daß in der Tat wie abbröckelt, wie sich in sich auflöst der Teppich der Sinneswelt, und daß unser Ich, das wir sonst fühlen, wie wenn es sich stößt an der Haut, an dem Teppich der äußeren Sinneswelt, durchfließt durch die sinnlichen Wahrnehmungen und nun in einer Welt von Bildern lebt, die ihm etwas Neues darstellen. Denn das ist das Charakteristische, daß in der Ekstase der Mensch Wesenheiten und Begebenheiten kennenlernt, die ihm früher unbekannt waren, die er nirgends finden würde, wie weit er auch mit seinem sinnlichen Anschauen und mit dem Kombinieren über die sinn­lichen Tatsachen gehen würde; das ist das Wesentliche also, daß der Mensch Neues kennenlernt. In welchem Verhältnis das zur Welt steht, werden wir in den späteren Vorträgen noch kennenlernen.

So sehen wir in der Ekstase etwas wie ein Durchbrechen der äußeren Grenze, die dem Menschen gegeben ist. Ob wir in der Ekstase in eine wahre Welt kommen, ob diese Welt diejenige ist, von der wir vermuten, daß sie als Geistiges zugrunde liegt unserer sinnlichen Welt, das wird sich eben zeigen.

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Nun fragen wir nach der andern Seite, ob wir auch sozusagen hinter unsere innere Welt kommen können, hinter die Welt unserer Lust, unseres Leides, unserer Freude, unseres Schmerzes, unserer Leidenschaften, Triebe und Begierden. Auch da gibt es einen Weg. Es gibt wiederum Erlebnisse, welche hinausführen aus dein Bereich des Seelenlebens, wenn wir dieses immer mehr und mehr in sich selbst vertiefen. Der Weg, der da beschritten wird, ist derjenige, den Sie ja auch kennen, es ist der Weg der sogenannten Mystik, der Weg vieler Mystiker. Das mystische Vertiefen besteht darin, daß der Mensch zunächst ablenkt seine Aufmerksamkeit von den äußeren Eindrücken, daß er sich dafür aber umsomehr hingibt den eigenen inneren Seelenerlebnissen, daß er versucht, insbesondere aufzumerken auf dasjenige, was er in sich selber erlebt. Solche Mystiker, die die Kraft haben, nicht zu fragen nach den äußeren Veranlassungen ihres Interesses, ihrer Sympathie und Antipathie, nicht zu fragen nach den äußeren Veranlassungen ihres Schmerzes, ihrer Lust, sondern die lediglich auf dasjenige sehen, was da an Erlebnissen in der Seele auf und ab flutet, solche Mystiker dringen in der Tat auch tiefer in das Seeleuleben ein. Sie haben dann ganz bestimmte Er­lebnisse, welche sich unterscheiden von den gewöhnlichen seelischen Erleb­nissen.

Ich schildere nun wiederum etwas, was unzählige Menschen gehabt haben und noch haben können. Ich schildere zunächst nur die Erfahrungen, die dann naheliegende Erfahrungen sind, wenn der Mensch nur ein wenig über das normale Erleben hinausschreitet. Solche Erfahrungen bestehen zum Beispiel darin, daß der Mystiker, der sich versenkt, gewisse Gefühle und Empfmdungen in sich selber umprägt, zu ganz anderen macht. Sagen wir zum Beispiel, wenn der gewöhnliche, normale Mensch, der im Leben steht und der sehr weit entfernt ist von irgendwelchem mystischen Erleben, durch einen anderen Menschen einen Schlag erhält, der ihm weh tut, dann richtet sich gewöhnlich sein Gefühl gegen diesen andern Menschen. Das ist ja das Natürliche im Leben. Derjenige nun, der mystisch in sich selber sich ver­senkt, der bekommt durch sein Versenken selber ein anderes Gefühl über einen solchen Schlag. Also wohlgemerkt, ich schildere eine Erfahrung; ich sage nicht, es soll so sein; ich schildere dasjenige, was gewisse Menschen, und es gibt deren viele, erleben. Sie bekommen das Gefühl in sich: Du hättest diesen Schlag auf keinen Fall erhalten, wenn du nicht selber irgendeinmal

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durch eine Tat in deinem Leben ihn verschuldet hättest. Es würde einfach der Mensch dir nicht in den Weg gebracht worden sein, wenn du nicht irgend etwas getan hättest, was die Ursache zu diesem Schlage ist. Du kannst daher nicht berechtigterweise dein Gegengefühl gegen diesen Men­schen richten, der eigenthch nur durch die Weltereignisse dir in den Weg geführt worden ist, damit du den Schlag verspüren kannst, den du verdient hast. - Solche Menschen bekommen dann, wenn sie alle ihre verschiedenen Seelenerlebnisse ganz außerordentlich vertiefen, auch ein gewisses Gesamt-gefühl über das gesamte Seelenleben, und dieses Gesamtgefühl läßt sich etwa so charakterisieren. Sie sagen sich: Ich habe viel Leid, viel Schmerz in mir, aber dies, dies habe ich selber irgendeinmal verursacht. Ich muß irgendwelche Dinge getan haben, ich muß mich irgendwie verhalten haben. Wenn es mir nicht erinnerlich ist, daß ich es in diesem Leben getan habe, nun, so ist es ja ganz klar, daß es eben ein anderes Leben gegeben haben muß, wo ich die Dinge getan habe, die ich jetzt ausgleiche durch mein Leid, durch meine Schmerzen.

Es ist also so, daß durch dieses Hinuntersteigen der Seele in sich selber die Seele ihre bisherigen Empfmdungen zu anderen macht und daß sie sozu­sagen mehr nun auf sich selbst legt, mehr in sich sucht, was sie früher in der Welt gesucht hat. Denn man sucht mehr in sich, wenn man sagt: Der Mensch, der mir den Schlag versetzt hat, ist mir in den Weg gebracht wor­den, weil ich selbst die Ursache dazu gegeben habe - als wenn man seine Empfindungen nach außen richtet. Und so kommt es, daß solche Menschen Immer mehr und mehr in das eigene Innere ablagern, gleichsam das innere Seelenleben immer mehr und mehr verdichten. Das heißt: Ebenso wie der Ekstatiker durch den Teppich der äußeren Sinneswelt hindurchdringt und in eine Welt hineinblickt von Wesenheiten und Tatsachen, die ihm bisher unbekannt waren, so dringt der Mystiker unter sein gewöhnliches Ich hinunter. Denn dieses gewöhnliche Ich wendet sich gegen den Schlag, der von außen kommt; der Mystiker aber dringt durch zu etwas, was diesem Ich zugrunde liegt, zu etwas, was die eigentliche Veranlassung gegeben hat zu dem Schlage. Damit gelangt der Mystiker allerdings dahin, daß er all­mählich die Außenwelt ganz aus dem Auge verliert. Er verliert überhaupt den Begriff der Außenwelt nach und nach und es vergrößert sich ihm gleichsam wie zu einer ganzen Welt sein eigenes Ich, dasjenige, was in seinem

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Innern ist. Ebensowenig wie wir heute zunächst schon entscheiden wollen, ob die Welt des Ekstatikers eine Reahtät ist oder eine Phantasie, irgendein Blendwerk, ebensowenig wollen wir heute schon darüber entscheiden, ob dasjenige, was da der Mystiker in seiner Seele findet unter dem Schleier der gewöhnlichen Seelenerlebnisse, irgend etwas ist, was eine Realität ist oder nicht, ob er es selber ist, der verursacht hat, was sich ihm als Schmerz dar­stellt. Vielleicht ist das auch nur eine Träumerei, aber es ist ein Erlebnis, das der Mensch tatsächlich haben kann. Darauf kommt es an. Jedenfalls dringt da der Mensch auf der andern Scite in eineWelt ein, die ihm bisher unbekannt war. Das ist das Wesentliche wiederum. So dringt der Mensch nach der einen und nach der anderen Seite in eine Welt ein, die ihm bisher unbe -kannt war, nach außen und nach innen.

Nun wird derjenige, der sich überlegt, was eben gesagt worden ist, daß der Mensch sein Ich verliert, wenn er Ekstatiker wird, sich sagen müssen:

Dieser ekstatische Zustand ist somit nicht etwas, was für den gewöhnlichen Menschen etwas ganz Vorzügliches ist. Denn alle menschliche Orientierung in der Welt, alle Möglichkeit, in der Welt unsere Mission zu vollziehen, beruht darauf, daß wir in unserem Ich einen festen Mittelpunkt unseres Wesens haben. Wenn uns die Ekstase die Möglichkeit nimmt, dieses Ich zu fühlen, dieses Ich zu erleben, dann haben wir uns durch die Ekstase zu­nächst selber verloren. Wenn nun der Mystiker auf der anderen Seite alles hineinschiebt in das Ich, wenn er das Ich sozusagen zu dem All, das wir empfinden, macht, dann hat das einen anderen Nachteil. Dann hat das den Nachteil, daß wir alle Ursachen zu demjenigen, was geschieht in der Welt, zuletzt in uns suchen würden, und daß wir auch wiederum die Orientierung in der Welt verlieren würden. Denn würden wir das in Taten umsetzen, so würden wir niemals etwas anderes tun als uns selber beladen mit lauter Schuld und uns nicht in das richtige Verhältnis zur Außenwelt setzen können.

So also verlieren wir nach beiden Richtungen hin, mit der gewöhnlichen Ekstase und als gewöhnliche Mystiker, die Fähigkeit der Orientierung in der Welt. Daher ist es gut, dürfen wir sagen, daß der Mensch sich sozusagen nach zwei Richtungen fortwährend stößt. Wenn der Mensch nach außen hin mit seinem Ich sich entfaltet, so stößt er sich an den Sinneswahrnehmun­gen. Die lassen ihn nicht durch bis zu dem, was hinter dem Schleier des Sinnenteppichs liegt, und das ist zunächst gut für den Menschen, denn dadurch

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kann er im normalen Verhalten sein Ich aufrechterhalten. Und auf der anderen Seite lassen ihn auch die Seelenerlebmise im normalen Verhal­ten nicht durch unter das Ich hinunter, unterjene Gefühle des Ich, die eben zum normalen Orientieren führen. Der Mensch ist eingeschlossen zwischen zwei Grenzen: er geht eine Weile hinaus in die Welt und wird da begrenzt; er geht hinein in das Seelenleben und erfährt, was wir Lust und Leid, Freude und Schmerz und so weiter nennen, aber er dringt im normalen Leben eben nicht weiter als bis zu demjenigen, was ihm eine Orientierung im Leben möglich macht.

Nun ist das, was da geschildert worden ist, sozusagen der Vergleich des gewöhnlichen Zustandes mit den abnormen Zuständen, die eben in Ekstase oder in emer sich selbst verlierenden Mystik zu fmden sind. Aber es gibt im ganz gewöhnlichen Menschenleben etwas viel, viel Deutlicheres über diese Grenzen, von denen gesprochen worden ist, zu beobachten. Und das finden wir zunächst gegenüber der äußeren Grenze in dem gewöhnlichen Wechselzustand, den wir durchmachen in vierundzwanzig Stunden, den Wechselzustand zwischen Wachen und Schlafen.

Was tun wir eigentlich mit dem Schlafen? Nun, mit dem Schlafen machen wir in der Tat genau dasselbe in einer gewissen Beziehung, was wir jetzt als einen abnormen Zustand geschildert haben in der Ekstase: wir gehen mit unserem eigentlichen inneren Leben nach außen; wir verbreiten den inneren Menschen in die Außenwelt. Das ist in der Tat der Fall. So wie wir unser Ich gleichsam ergießen in der Ekstase, wie wir in der Ekstase unser Ich verlieren, so verlieren wir im Schlafe unser Ich-Bewußtsein. Aber wir verlieren mehr im Schlafe, und das ist nun das Gute. In der Ekstase verlieren wir nur das Ich, aber wir behalten eine Welt um uns herum, eine Welt, die wir allerdings vorher nicht gekannt haben, eine Welt von meinetwillen bisher uns unbekannten Bildern, von geistigen Tatsachen und Wesenheiten. Im Schlafe fehlt uns auch diese Welt, im Schlafe ist auch diese Welt nicht vorhanden. Somit also unterscheidet sich der Schlafvon der Ekstase dadurch, daß der Mensch zum Auslöschen seines Ich auch noch dasjenige auslöscht, was man überhaupt Wahrnehmungsfähigkeit nennt. Ob sie nun physisch oder geistig ist, im Schlafe löscht der Mensch die Fähigkeit, irgend etwas wahrzunehmen, überhaupt aus. Während er in der Ekstase bloß das Ich aus-löscht, löscht er im Schlafe auch noch die Wahrnehmungsfähigkeit aus

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oder, wie wir mit Recht sagen, er löscht das Bewußtsein aus. Es ist das Bewußtsein aus seinem menschlichen Erleben herausgegangen. Er hat hin-ergossen in die Welt eben nicht bloß das Ich, sondern er hat dieser Welt auch übergeben sein Bewußtsein. Dasjenige also, was im Schlafe für den Menschen zurückbleibt, das ist etwas, aus dem das Bewußtsein und das Ich heraus sind. Somit haben wir im schlafenden Menschen, den wir im gewöhnlichen Leben vor uns haben, der uns zurückbleibt in der sinnlichen Welt, etwas vor uns, was sich entledigt hat seines Bewußtseins und seines Ich. Und wohin ist das Bewußtsein und ist das Ich gegangen? Wir können sogar auch diese Frage, nach der Schilderung der Ekstase, beantworten. Wenn die Ekstase bloß eintritt und nicht der Schlaf, dann ist um uns eine Welt von geistigen Wesenheiten und Tatsachen. Nehmen wir nun an, wir schälen auch noch unser Bewußtsein heraus zu dem Ich, wir geben auch unser Bewußtsein auf:

in demselben Augenblick tritt die schwarze Finsternis um uns herum auf -wir schlafen. So haben wir im Schlafe hingegeben unser Ich, wie in der Ekstase auch, und noch dazu unser Bewußtsein. Und das charakterisiert den Schlaf: Dasjenige, was der Träger unserer Bewußtseinserscheinungen ist, das geben wir auch dahin. Das ist unser astrahscher Leib; der ist ergossen in jene Welt hinein, die uns erst in der Ekstase erschienen ist in geistigen Wesenheiten und Tatsachen. Daher können wir sagen: Der Schlaf des Menschen ist eine Art Ekstase, in der der Mensch nicht bloß mit seinem Ich außer seinem Leibe ist, sondern in der er auch mit seinem Bewußtsein außer seinem Leibe ist. Dasjenige, was wir Ich nennen, das haben wir in der Ek­stase hingegeben. Das ist ein Glied der menschlichen Erlebnisse. Im Schlaf kommt noch ein anderes hinzu, der Träger unserer Bewußtseinserscheinun­gen. Da haben Sie einen zunächst ganz aus dem gewöhnlichen Leben ge­nommenen Begriff dessen, was man in der Geisteswissenschaft astralischen Leib nennt. Nehmen Sie die Ekstase, so sagen Sie: Das Ich ist dasjenige, was in dieser Ekstase aus dem physischen Leib herausgeht. Wollen Sie nun auch noch eine Art Charakterisierung dessen haben, was man astralischen Leib nennt, so ist das dasjenige, was im Schlafe zu dem Ich noch hinzuge­geben ist und was ausgelöscht hat die Möglichkeit, ein Bewußtsein zu ha­ben, weil es herausgegangen ist.

So haben wir den Menschen darzusteilen zunächst als einen Zusammen­hang von demjenigen, was im Bette liegen bleibt während des Schlafes;

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das wollen wir jetzt nicht weiter untersuchen. Im Bette bleibt etwas hegen, das man äußerlich wahrnimmt. Aber etwas ist außer diesem schlafenden Menschen; etwas ist hingegeben an eine Welt, die zunächst eine Welt des Unbekannten ist. Hingegeben ist ein Glied der menschlichen Wesenheit, das auch in der Ekstase hingegeben ist: das ist das Ich. Hingegeben ist aber auch ein zweites Glied der menschlichen Wesenheit, das in der Ekstase noch nicht hingegeben ist, und das ist der astralische Leib des Menschen.

Nun zeigt uns also der Schlaf eine Art von Spaltung der menschlichen Wesenheit. Der eigentlich innere Mensch, das menschliche Bewußtsein und das menschliche Ich trennen sich von dem äußeren Menschen ab, und das­jenige, was im Schlafe eintritt, das ist das, daß der Mensch in einen Zustand kommt, in dem er nichts mehr weiß von all den Tageserlebnissen, in dem er nichts mehr in seinem Bewußtsein hat von demjenigen, was durch die äußeren Eindrücke in dieses Bewußtsein eintritt. Der Mensch ist im Schlafe als innerer Mensch an eine Welt hingegeben, von der er eben kein Bewußt­sein hat; er ist in eine Welt ausgegossen, von der er nichts weiß. Nun be­zeichnet man aus einem gewissen Grunde, den wir noch zur Genüge kennen­lernen werden, diejenige Welt, in der nunmehr der Mensch ist, der innere Mensch, derjenige Mensch also, der sein Ich hat und der seinen astralischen Leib oder sein Bewußtseinsglied hat, diese Welt, in der der Mensch aber so ist, daß er vergessen hat alle Eindrücke des Tages, als den Makrokosmos, als die große Welt. So daß wir also sagen, und das sei zunächst eine Andeu­tung, wir werden die Berechtigung dieses Ausdruckes noch kennenlernen:

Der Mensch ist, während er schläft, an den Makrokosmos hingegeben, in den Makrokosmos ausgegossen.

In diesen Makrokosmos ausgegossen ist der Mensch auch schon während der Ekstase; nur weiß er da etwas von diesem Makrokosmos. Das ist das eigenartige der Ekstase, daß der Mensch etwas erlebt, seien es Bilder, seien es Wirklichkeiten, was ausgebreitet ist um ihn herum, etwas, was sozusagen einen gewaltig großen Raum einnimmt und an das er sich wie hinverloren glaubt. Das erlebt er in der Ekstase. Er erlebt mit seinem Ich etwas wie ein Verlorensein dieses Ichs, dafür aber ein Hingegossensein in ein Reich, das er bisher nicht gekannt hat. Dieses Hingegossensein in eine Welt, die sich unterscheidet von der gewöhnlichen Alltagswelt, wo man sich nur an seinen Körper hingegeben fühlt, dieses Hingegebensein an eine solche Welt berechtigt

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schon von vornherein zu sprechen von einer großen Welt, von einem Makrokosmos, im Gegensatz zur kleinen Welt, in der wir mit unse­rem gewöhnlichen Tageserlebnis leben. Da fühlen wir uns in unsere Haut eingeschlossen. Das ist zunächst nur die oberflächlichste Charakteristik die­ser Leibeswelt. Wir sind dann, wenn wir in Ekstase sind, wie hineingewach­sen in die große Welt, in den Makrokosmos, wo auf Schritt und Tritt irgendwelche phantastische Gestalten vor uns aufsteigen - phantastische Ge­stalten, weil sie nicht ähnlich sind mit den Dingen in der physischen Welt. Wir können uns nicht von ihnen unterscheiden, wir können nicht das Gefühl haben, daß wir nicht es selber sind, die in allen Menschen drinnen leben; wir fühlen uns ausgedehnt in eine große Welt, in den Makrokosmos. Das ist dasjenige, was in der Ekstase vorliegt. Und wenn wir so die Ekstase fassen, dann können wir heute auch, wenigstens vergleichsweise, uns einen Begriff davon machen, warum wir unser Ich in der Ekstase verlieren.

Denken Sie sich einmal dieses menschliche Ich verglichen mit einem Tropfen irgendeiner gefärbten Flüssigkeit. Nehmen wir nun an, wir haben eIn ganz kleines Gefäß, gerade groß genug, daß es diesen Tropfen auf­nehmen kann, so wird dieser Tropfen seiner Farbe nach zu sehen sein. Wenn wir nun diesen Tropfen nehmen und ihn vielleicht in ein großes Bassin ver­teilen, das ganz mit Wasser angefüllt sei, da ist dann derselbe Tropfen im Wasser, aber wahrzunehmen ist nichts mehr von ihm. Wenn Sie diesen Vergleich anwenden auf das Ich, das sich ausdehnt in die große Welt, in den Makrokosmos, sich einfach hinergießt in der Ekstase über den Makro-kosmos, so können Sie sich vorstellen, daß es sich immer schwächer und schwächer fühlt, indem es immer größer und größer wird. Indem es sich hinergießt über den Makrokosmos, verliert es die Fähigkeit, sich selbst wahrzunehmen, wie der Tropfen sich verliert in dem großen Bassin. So begreifen wir, daß mit dem übergehen des Menschen an eine große Welt das Ich sich verliert. Es istja da; es ist nur ausgegossen über diese große Welt, daher weiß es nichts von sich.

Aber im Schlaf tritt noch etwas anderes Wichtiges für den Menschen ein. Das ist, daß der Mensch ja, solange er ein Bewußtsein hat - und das ist in der Ekstase der Fall -, handelt. Nun hat er ein Bewußtsein, aber nicht das sich orientierende Ich. Er handelt also außer seinem Ich. Er kontrolliert nicht seine Handlungen, er ist wie hingegeben an dasjenige, was die Eindrücke

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seines Bewußtseins sind. Das ist das Wesentliche der Ekstase, daß der Mensch zu irgendeinem Tun kommt und daß, wenn man einen solchen Menschen, der in der Ekstase handelt, von außen kontrolliert, man ihn wie ausgewechselt findet. Man fmdet, er ist nicht eigentlich er; er handelt wie unter lauter anderen Eindrücken, und weil dasjenige, was er da sieht, in der Regel eine Vielheit ist - denn in der Ekstase treten viele Ereignisse auf -, so Ist er bald an diese, bald anjeneWesenheit hingegeben und macht den Ein­druck einer zerrissenen Wesenheit. Das ist das Charakteristische des Ekstati­kers und das ist die Gefahr der Ekstase. In der Ekstase ist zwar der Mensch an eine geistige Welt hingegeben, aber an eine geistige Welt der Vielheit, die ihn in einer gewissenWeise in bezug auf seine innereWesenheit zerreißt.

Nun aber, wenn wir den Schlafbetrachten,so müssen wir doch wohl schon aus der Schilderung gemerkt haben - es soll nicht etwa alles angegeben wer­den, was wir an Gründen anführen können dafür, daß die Welt der Ekstase eine Realität ist, sondern nur einer der Gründe, und zwar der schwächste, daß diejenige Welt, die wir auslöschen, doch in einer gewissen Weise eine Realität hat. Man kann eine Welt so lange leugnen, solange man keine Wir­kungen von ihr verspürt. Sie können mit jemandem vor einer Wand stehen. Der Betreffende behauptet: Hinter der Wand steht einer. - Sie können das für sich so lange nicht glauben, solange der hinter der Wand nicht klopft; aber sobald der klopft, so operieren Sie nicht mit der gesunden Vernunft, wenn Sie ableugnen, daß einer hinter der Wand stehe. Sobald Sie Wir­kungen von einer Welt wahrnehmen, so hört die Möglichkeit auf, diese Welt als bloße Phantasie anzusehen. Gibt es nun Wirkungen aus derjenigen Welt heraus, die wir in der Ekstase noch sehen, die im Schlaf aber für den gewöhnlichen, normalen Menschen ausgelöscht ist? Nun, von der Wirkung aus dieser Welt heraus kann sieh jeder überzeugen, wenn er am Morgen aufwacht. Wenn man am Abend einschläft, ist man müde, man hat Kräfte sozusagen verbraucht. Diese müssen ersetzt werden. Mit Kräften, mit denen man abends nicht einschläft, wacht man des Morgens au£ Während welcher Zeit hat man sie sich also angeeignet? Nun, man hat sie sich ange-eignet während derjenigen Zeit, die verflossen ist vom Einschlafen bis zum Aufwachen. Also während man hingegeben ist im Schlaf mit astrallschem Leib und Ich an diejenige Welt, die man in der Ekstase noch sieht, die im Schlafe aber für den gewöhnlichen, normalen Menschen ausgelöscht ist,

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saugt man aus dieser Welt selber heraus diejenigen Kräfte, die man braucht für das Tagesleben. Die kommen aus dieser Welt heraus. Man braucht den Schlaf; weil man aus dieser selben Welt, die man in der Ekstase sieht, im Schlafe aber nicht, diejenigen Kräfte heraussaugen niuß, die man für das Tagesleben braucht. Was Sie sich für genauere Vorstellungen darüber machen, das ist für unseren heutigen Zweck zunächst gleichgültig; aber wichtig ist es, daß diese Welt, die wir sehen in der Ekstase, die aber für das gewöhnliche Bewußtsein im Schlafe ausgelöscht ist, sich darstellt als die­jenige Welt, aus der die Kräfte herausströmen, mit der wir die Müdigkeit wegsehaffen, die am Abend da ist. Das ist also gerade so wie bei dem Klopfen-den in unserem Beispiel, der hinter der Wand steht, den wir zwar nicht sehen, von dem wir aber Wirkungen wahrnehmen. Wir nehmen an jedem Morgen wahr die Wirkungen derjenigen Welt, die wir in der Ekstase sehen und im Schlafe nicht sehen. Wo aber eine Welt ist, die Wirkungen zeigt, da können wir auch nicht mehr von ihrer Irreahtät sprechen. Die Welt, die wir in der Ekstase sehen, die aber im Schlafe ausgelöscht ist für das ge­wöhnliche Bewußtsein, sie zeigt uns Wirkungen in das gewöhnliche Tages-leben herein. Also werden wir nicht mehr von ihrer Irrealität sprechen können.

So also sprechen wir davon, daß wir aus derselbenWelt, in die wir hinein­schauen in der Ekstase und die für das gewöhnliche Bewußtsein ausgelöscht ist im Schlafe, für das Tagesleben die stärkende Kraft heraussaugen. Das aber machen wir unter ganz besonderen Umständen. Wir machen es unter den Umständen, daß wir uns selber, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, bei diesem Heraussaugen der Kräfte, bei diesem Ergießen der Kräfte aus emer geistigen Welt, dabei nicht zuschauen. Das ist das Wesentliche des Schlafes, daß wir in dem Schlaf etwas vollbringen, und daß wir uns bei dieser Tätigkeit nicht zuschauen. Wenn wir uns zuschauen würden bei die­ser Tätigkeit, so würden wir uns überzeugen, daß wir im heutigen normalen Menschenleben es viel schlechter machen würden als wir es machen, wenn wir nicht dabei sind. Aber es gibt ja schon im gewöhnlichen Alltagsleben Dinge, von denen man sagen muß für manche Menschen: Finger weg davon! - Denn sie machen die Dinge nur schlechter, wenn sie sie auch nur anrühren. In derselben Lage ist der Mensch, wenn die Kräfte durch den nächtlichen Schlaf ersetzt werden müssen, die am Tage vorher verbraucht

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worden sind. Wäre der Mensch dabei, könnte er sich zuschauen bei jener schwierigen Operation, die da vollzogen wird, wenn die verbrauchten Kräfte wieder ersetzt werden, könnte er selber mittun, nun, da würde etwas Schönes herauskommen; da würde er die ganze Prozedur gründlich ver­derben, weil er eben heute noch nicht fähig ist dazu. So also tritt tatsächlich das Segensvolle ein, daß der Mensch in dem Augenblicke, wo er, wenn er selbst dabei wäre, an seiner Fortentwickelung etwas verderben kann, das Bewußtsein entrissen bekommt, daß er sein eigenes Dasein vergißt.

So also schreiten wir, indem wir in den Makrokosmos hinausschreiten im Einschlafen, durch das Vergessen unseres eigenen Daseins in diese große Welt, in den Makrokosmos hinein. Der Mensch tritt jeden Abend beim Einschlafen aus seiner kleinen Welt, aus seinem Mikrokosmos in die große Welt, in den Makrokosmos hinaus und vereinigt sich, indem er seinen astralischen Leib und sein Ich ausgießt in den Makrokosmos, mit diesem Makrokosmos, mit der großen Welt. Aber weil er im heutigen Verlaufe seines Lebens nur fähig ist, in der Welt des Tageslebens zu wirken, so hört sein Bewußtsein auf in dem Momente, wo er den Makrokosmos betritt. Das drückte die Geheimwissenschaft immer dadurch aus, daß sie sagte:

Zwischen dem Leben im Mikrokosmos und dem Leben im Makrokosmos liegt der Strom der Vergessenheit. Der Mensch dringt auf dem Strom der Vergessenheit in den Makrokosmos, in die große Welt, indem er mit dem Einschlafen aus dem Mikrokosmos in den Makrokosmos hinüberlebt. So können wir also sagen, daß der Mensch, wenn er des Abends einschläft, hinübertritt in eine andere Welt, in den Makrokosmos, in die große Welt, und daß dieses Hinübertreten sich so charakterisiert, daß der Mensch zwei Glieder seiner Wesenheit an diese große Welt, an den Makrokosmos, jede Nacht abgibt.

Nun betrachten wir demgegenüber den Moment des Aufwachens. Die­ser Moment des Aufwachens besteht darin, daß der Mensch wiederum an-fängt zu erleben erstens seine Lust, sein Leid, seine Freude, seinen Schmerz, alles das, was er an Trieben und Begierden und so weiter in den verflossenen Tagen erlebt hat. Das erlebt er heute nach und nach wieder; das ist das Erste. Das Zweite aber, das ihm wiederersteht beim Aufwachen, das ist sein Ich-Bewußtsein. Also es treten heraus aus dem unbestimmten Dunkel des menschlichen Erlebens während des Schlafens mit dem Aufwachen die

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Seelenerlebnisse und das Ich. Nun haben wir, wenn der Mensch aufwacht, einmal uns zu sagen: Ja, hätte der Mensch nur dasjenige an sich, was in der Nacht im Bette hegen geblieben ist, während er schläft, dann würde der Mensch nicht Schmerz leiden, er würde nicht Freude und Lust und alles dasjenige, was seine Seelenerlebnisse sind, erleben können. - Das könnte er nicht, der Mensch. Denn dasjenige, was da liegt im Bette, ist im wahren Sinn des Wortes wie eine Pflanze: es lebt wie eine Pflanze, es erlebt nicht solche Erlebnisse wie Freude und Schmerz und so weiter. Aber dasjenige, was der innere Mensch ist, das erlebtja in der Nacht auch nicht solche Erleb­nisse! Und dennoch, dieser innere Mensch ist der Träger der Seelenerleb­nisse. Nicht dasjenige, was im Bette liegt, hat Leid und Schmerz, hat Lust und Freude, sondern dasjenige, das beim Einschlafen hinausgegangen ist in die große Welt, in den Makrokosmos. Der astrallsche Leib und das Ich sind die Träger von Lust und Leid, von Freude und Schmerz und so weiter. Daraus können wir ersehen, daß notwendig ist zu dem Erleben von Lust und Leid, von Freude und Schmerz, von Trieben, Begierden, Leidenschaften, von Sympathie und Antipathie noch etwas anderes, als daß der astralische Leib der Träger davon ist. Im gewöhnlichen normalen Menschenleben ist es notwendig zum Erleben dessen, was der Mensch in seinem Innern hat, daß er untertaucht in dasjenige, was der äußere Mensch ist, was eben im Bette liegengeblieben ist. Wenn der Mensch nicht untertaucht in dasjenige, was eben im Bette liegengeblieben ist, so fühlt er nicht seine inneren Seelen-erlebnisse. Wir können also sagen: Dasjenige, was wir ausgegossen haben in der Nacht in den Makrokosmos, in die große Welt, das wird uns im nor­malen menschlichen Leben dadurch erst wahrnehmbar, das stellt sich uns als unser Leben hin dadurch, daß wir des Morgens untertauchen in das, was im Bette liegengeblieben ist.

Nun ist das wiederum ein Zweifaches, in das wir da untertauchen. Das eme, in das wir da untertauchen, wenn wir des Morgens aufwachen, ist dasjenige, was wir sozusagen nur erleben als inneres Leben. Wir erleben während des Tages die auf- und abwogenden Empfindungen und Gefühle, die Interessen, die Sympathien und Antipathien, wir erleben die Seelen-erlebnisse. Wir können sie während der Nacht nicht erleben, sondern wir können sie nur erleben, wenn wir uns gleichsam stoßen, wenn wir ein­tauchen in dasjenige, was im Bette liegengeblieben ist während des Schlafes.

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Aber wenn wir da hineintauchen, dann erleben wir nicht nur unsere Seelen-erlebnisse, sondern wir erleben auch die äußere Welt der Sinneseindrücke. Wir erleben nicht nur die Freude zum Beispiel an der Rose, wir erleben auch das Rot der Rose. Die Freude an der Rose ist ein inneres Erlebnis; das Rot der Rose ist etwas, was draußen ist. So ist es mit allem, was wir erleben während des gewöhnlichen Tagwachens. Überall erleben wir ein Zwei-faches: Wir tauchen unter in unsere Leiblichkeit, und indem wir unter-tauchen, spiegeln sich uns entgegen, kommen uns entgegen wie ein Echo unsere Inneren Seeleneriehnisse; aber auch eine äußere Welt tritt auf, wenn wir beim Aufwachen untertauchen in das, was im Bette während des Schlafes liegengeblieben ist. Daher muß dasjenige, was im Bette hegt im Schlafe, aus zwei Gliedern bestehen: ein Glied muß gleichsam spiegeln das­jenige, was wir innerlich erleben, und ein Glied muß uns möglich machen, gleichsam uns selbst zu durchdringen und in die Außenwelt hinaus als eine wirkliche zu sehen. Also es kann keine Emlieit sein, was im Bette liegenge­blieben ist während des Schlafes; es muß ein Zweifaches sein. Wäre nur eines da, so würden wir, wenn wir hineinschlüpfen beim Aufwachen, nur eine innere Welt erleben, oder wir würden nur eine äußere Welt erleben. Es würde ein Tableau vor uns ausgebreitet sein, oder aber es würde keines aus­gebreitet sein, wir würden aber innerlich auf- und absteigen haben Lust und Leid, Freude und Schmerz und so weiter. Wir haben aber beides, nicht nur das eine oder das andere. Wir tauchen da ein in den äußeren Menschen, der im Bette liegenbleibt während des Schlafes, und zwar tauchen wir so ein, daß wir eine innere Welt vor uns hingezaubert finden und eine äußere Welt. Wir tauchen also nicht in eine Einheit, sondern in eine Zweiheit ein. So wie es eine Zweiheit war, was wir ausgegossen haben in den Makro-kosmos mit dem Einschlafen, so dringen wir beim Aufwachen in den Mikro-kosmos ein, und dieser ist ebenfalls eine Zweiheit. Das eine ist die Ursache davon, daß wir ein inneres Seelenleben erleben, das nennen wir den Äther-oder Lebensleib; und dasjenige, was uns befähigt, ein äußeres Tableau zu erleben, das ist der physische Leib. So ist dasjenige, was im Bette liegt während des Schlafes, aus zwei Gliedern bestehend, aus dem physischen Leib und dem Äther- oder Lebensleib. Würden wir nur in den physischen Leib eindringen, wenn wir des Morgens aufwachen, so würden wir einem äußeren Tableau gegenüberstehen, aber wir wären innerlich leer und öde,

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wir hätten keine Lust, keinen Schmerz, kein Interesse an all dem, was da um uns ist und vorgeht, wir stünden kalt und seelenlos dem Tableau gegenüber. So wäre es, wenn wir bloß in unsern physischen Leib einzögen. Wenn wir bloß in unseren Äther- oder Lebensleib einzögen, dann würden wir keine Außenwelt vor uns haben, sondern wir würden eine Welt von Lust und Leid, von Freude und Schmerz und so weiter haben, die auf- und absteigen würde; wir würden es keiner Außenwelt zuschreiben können, wir hätten einfach eine Gefühlswelt, die auf- und absprudelte.

Daraus sehen wir, daß wir dann, wenn wir des Morgens beim Aufwachen untertauchen in unseren äußeren Menschen, in ein Zweigliedriges unter-tauchen, untertauchen in ein solches, das wir bezeichnen als einen Spiegeler unserer Innenwe]t, den Äther- oder Lebensleib, und untertauchen in das­jenige, was wir bezeichnen als den Verursacher des äußeren Sinnenteppichs, des äußeren Tableaus, das ist der physische Leib.

Damit haben wir gezeigt aus wirklich vorhandenen Erlebnissen heraus, daß wir ein gewisses Recht haben, beim Menschen zu sprechen von einer viergliedrigen Wesenheit, von vier Gliedern der menschlichen Wesenheit, von denen zwei Glieder im Schlafe dem Makrokosmos, der großen Welt, angehören, das Ich und der astrahsche Leib. Im Wachen gehören diese zwei Glieder der menschlichen Wesenheit, das Ich und der astralische Leib, dem Mikrokosmos an, der kleinen Welt, die in die menschliche Haut einge­schlossen ist. So verläuft das menschliche Leben so, daß der Mensch wechsel­weise lebt im Mikrokosmos und im Makrokosmos. Jeden Morgen tritt er in den Mikrokosmos ein. Das ist diejenige Welt, die als Mensch vor uns steht, die kleine Welt, und diese kleine Welt, die als Mensch vor uns steht, die ist tatsächlich die Ursache alles dessen, was wir im normalen Zu­stand vor uns haben. Denn der Äther- oder Lebensleib ist die Ursache, daß wir ein Innenleben vor uns haben. Diese kleineWelt, der Mikrokosmos, ist die Ursache unserer täglichen Erlebnisse vom Morgen, wenn wir auf­wachen, bis zum Abend, wenn wir einschlafen. Und die Tatsache, daß wir im Schlafe mit unserem astralischen Leibe und dem Ich ausgegossen sind in die ganze große Welt, in den Makrokosmos, wie ein Tropfen ausgegossen ist in den Inhalt eines großen Bassins, das ist die Ursache, daß wir im Momente, wo wir hinaustreten aus dem Mikrokosmos, aus der kleinen Welt, durch­gehen müssen durch den Strom der Vergessenheit.

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Nun können wir uns noch die Frage vorlegen: Wodurch kann denn der Mensch in einer gewissen Weise, wenn er mystisch sich vertieft, jenen Zu­stand herbeiführen, welchen wir im Aufang unseres Vortrags charakteri­siert haben? - Wir haben die Ekstase verstanden dadurch, daß da das Ich ausgegossen ist in den Mikrokosmos und der astralische Leib im Mikro­kosmos darinnengeblieben ist. Wenn wir so die Sache fassen, so verstehen wir die Ekstase. Die Ekstase ist einfach ein Ergossensein des Ichs in den Makrokosmos, während der astralische Leib im Mikrokosmos drinnenge­blieben ist. Worin besteht denn nun dasjenige, was wir im Anfing der heuti­gen Betrachtung als einen mystischen Zustand geschildert haben? Dieser mystische Zustand besteht in folgendem: Unser Leben nämlich in dem physischen und in dem Äther- oder Lebensleib, im Mikrokosmos, in der kleinen Welt, vom Morgen beim Aufwachen bis zum Abend beim Ein-schlafen, ist ein höchst Eigentümliches. Wir gehen nicht etwa in unseren Äther- oder Lebensleib und in unseren physischen Leib wirklich hinunter des Morgens beim Aufwachen, so daß wir den Ätherleib und den physischen Leib wahrnehmen würden; wir nehmen nicht das Innere unseres physischen und unseres Ätherleibes wahr, trotzdem wir hineinsteigen. Dasjenige, was unser physischer und unser Ätherleib möglich machen, das ist unser Seelen-leben und unser äußeres Wahrnehmen; das erniöglichen uns diese beiden Glieder der menschlichen Wesenheit. Warum nehmen wir denn unser Seelenleben wahr, wenn wir des Morgens aufwachen? Gerade aus dem Grunde nehmen wir unser Seelenleben wahr, weil uns der Äther- oder Lebensleib nicht gestattet, wirklich sein Inneres wahrzunehmen. Geradeso­wenig wie uns der Spiegel gestattet, dasjenige zu sehen, was hinter ihm ist und uns gerade deshalb ermöglicht, uns selber darin zu sehen, so ist es mit unserem Äther- oder Lebensleib. Unser Ätherleib spiegelt unser Seelen-leben zurück. Er läßt uns nicht dasjenige, was in ihm drinnen ist, wahr­nehmen, sondern er spiegelt uns unser Seelenleben zurück. Weil er es uns zurückspiegelt, so erscheint er uns als der eigentliche Verursacher unseres Seelenlebens. Also er erweist sich für uns im normalen Leben als innerlich undurchdringlich, wir durchblicken sein Inneres nicht. Das ist gerade das eigenartige des menschlichen Äther- oder Lebensleibes, daß wir nicht in ihn hineindringen, sondern daß er uns unser eigenes Seelenleben zurückwirft. Das aber ist heim Mystiker der Fall durchjene starke Ausbildung des Seelenlebens.

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Durch dasjenige, was er an innerer Versenkung erlebt, gelingt es ihm bis zu einem gewissen Grade, in diesen Äther- oder Lebensleib hinein­zudringen, nicht bloß das Spiegelbild zu sehen, sondern sich tatsächlich ein­zubohren in den Ätherleib. Und dadurch, daß er sich in diese kleine Welt, in diesen Teil der kleinen Welt, des Mikrokosmos, einbohrt, erlebt er in sich selber dasjenige, was sonst der Mensch im normalen Zustande über die Außenwelt ergossen er]ebt. Er erlebt, während sonst der Mensch zum Bei­spiel einen Schlag abwehrt, daß er sich gleichsam in sich hineinbohrt und die Ursache zu dem Schlage in sich selber sucht. Der Mystiker also bohrt sich bis zu einem gewissen Grade in seinen Ätherleib hinein, er tritt unter jene Schwelle durch, durch welche sonst das Seelenleben gespiegelt wird in Lust und Leid, in Freude und Schmerz und so weiter. Da dringt der Mystiker durch, dringt also in das Innere seines Äther- oder Lebensleibes hinein. Und das sind in gewissem Sinne Vorgänge in seinem eigenen Ätherleib, welche der Mensch erlebt, wenn er jene Schwelle durchschreitet, durch welche sonst das Seelenleben gespiegelt wird. Dann aber, wenn er diese Schwelle überschreitet, erlebt der Mystiker in der Tat etwas, was in gewissem Sinne ähnlich ist dem Verlust des Ichs durch die Ekstase. Das Ich ist gleichsam verdünnt worden, indem der Mensch es bei der Ekstase hinausergossen hat in den Makrokosmos, in die ganze große Welt. Jetzt, bei der mystischen Versenkung, bohrt der Mensch sein eigenes Innere in den Ätherleib hinein. Dadurch verdichtet es sich jetzt. Und in der Tat erlebt der Mensch diese Verdichtung seines Ichs dadurch, daß dasjenige aufhört, was beim gewöhn­lichen Ich das Herrschende ist, nämlich das Orientierungsvermögen durch den an das Gehirn gebundenen Verstand und die Sinne, und daß er durch gewisse innere Gefühle die Impulse erhält zu seinem Handeln. Beim Mystiker ist alles so, was aufsteigt, tiefstes inneres Erlebnis, weil die Dinge direkt aus seinem Äther- oder Lebensleib herauskommen, die der andere nur wie gespiegelt im Ätherleib erhält. Das sind die Gründe, warum der Mysti­ker solch starke innere Erlebnisse hat, weil er sich einbohrt in dasjenige, was das Innere seines Äther- oder Lebensleibes ist.

Während also der Ekstatiker sich verbreitet über den Mikrokosmos, ver­engt sich der Mystiker mit seiner inneren Wesenheit in den Mikrokosmos hinein. Und nun zeigt sich etwas höchst Merkwürdiges. Wenn man nämlich als Ekstatiker gewisse Ereignisse und Wesenheiten draußen sieht, oder wenn

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man als Mystiker gewisse Gefühle innerlich erlebt, die man sonst nicht er­leben kann, so stehen die beiden Erlebnisse in einem gewissen Verhältnis, in einem Verhältnis, das man in sehr einfacher Weise charakterisieren kann, wenn man sagt: Unsere Welt, die wir sehen mit unseren Augen und die wir hören mit unseren Ohren, erregt in uns gewisse Gefühle von Lust und Schmerz und so weiter, das fühlen wir, daß das im normalen Leben zusam­mengehört. Der eine Mensch kann sich mehr freuen über die Dinge und Geschehinsse der Außenwelt, der andere weniger; aber das sind Gradunter­schiede, das sind keine solchen Unterschiede wie die Unterschiede in dem furchtbaren, vehementen Schmerz und wiederum in den Verzückungen des Mystikers gegenüber dem gewöhnlichen Erleben. Da sind allerdings ge­waltige Unterschiede vorhanden zwischen demjenigen, was der gewöhn­liche Mensch erleben kann, und demjenigen, was der Mystiker erlebt an inneren Seligkeiten und an inneren Verzückungen und Qualen. Das ist ein gewaltiger Unterschied in der Quahtät, geradeso wie ein gewaltiger Unter­schied ist zwischen demjenigen, was die Augen sehen und die Ohren hören, und demjenigen, was der Ekstatiker wahrnimmt, wenn er einer Welt hin­gegeben ist, die nicht ähnlich ist der Sinnenwelt. Wenn man den Ekstatiker aber beschreiben lassen würde seine Welt und dann den Mystiker anhörte und ihn beschreiben lassen würde seine Seligkeiten und Verzückungen und Qualen, dann würde man sagen können: Ja, durch solche Wesenheiten und Tatsachen, wie sie der Ekstatiker sieht, kann dasjenige hervorgerufen wer­den, was der Mystiker erlebt. Wenn man auf der anderen Seite den Mystiker hören würde, dann würde man sagen: Damit so etwas überhaupt möglich ist, dazu reicht die Welt des gewöhnlichen Menschen nicht aus, dazu müßte eine andere Welt da sein; und dann könnte man sagen, der Ekstatiker be­schreibe diese Welt.

So ist die Welt des Mystikers real. Subjektiv real, das heißt so, daß er sie wirklich sieht, sind auch die Wesenheiten des Ekstatikers. Ob sie nun ob­jektiv real sind oder nicht, das lassen wir heute dahingestellt sein. Das eine aber können wir heute sagen: Illusion oder Wirklichkeit, gleichgültig - der Ekstatiker sieht eine Welt, eine Welt, die anders ist, als dasjenige ist, was man m der sinnhchen Welt wahrnehmen kann. Der Mystiker erlebt Gefühle, Seligkeiten, Verzückungen und Qualen, die sich mit nichts vergleichen lassen, was der gewöhnliche Mensch erlebt. - Beide Welten sind für gewisse

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Menschen da. Nur sieht der Mystiker nicht die Welt des Ekstankers Lnid erlebt nicht der Ekstatiker die Welt des Mystikers. Beide Welten sind unabhängig voneinander. Ein Dritter aber kann die eine der beiden Welten durch die andere begreifen. Das ist ein höchst sonderbares Verhältnis, daß sich eine Welt durch die andere erklärt, daß die beiden Welten zusammen-stimmen, daß die Welt des Mystikers zu der Welt des Ekstatikers in einem gewissen Verhältnis steht: so wie wenn dieWelt des Mystikers sicb herschrei-ben würde von unbekannten Ursachen, die er in denWirkungen erlebt, und wie wenn die Welt des Ekstatikers zwar ihn selbst, weil er sich seines Ichs entäußert, ganz kalt läßt, so nimmt sich die Welt des Ekstatikers aus; aber man muß sagen: Wie er sie beschreibt, wenn ein gewöhnliches menschliches Wesen das erleben würde, dann würde diese Welt so erschütternd wirken, daß eben gerade jene inneren Seelenerlebnisse da sein mußten. die der Mystiker erlebt.

Damit haben wir auf einen Zusammenhang hingewiesen zwischen der Welt des Mystikers und der des Ekstatikers und haben gezeigt, wie der Mensch sozusagen stößt an die Welt des Geistes nach außen und stößt an die Welt des Geistes nach innen.

Das, was wir heute nur beschrieben haben, wird für Sie noch in der Luft hängen. Es wird nun unsere Aufgabe sein, die Frage zu beantworten: In-wieweit können wir überhaupt in eine reale Welt hineingelangen, wenn wir den Teppich der äußeren Sinneswelt durchdringen? Inwieweit ist es mög­lich, über die Welt des Ekstatikers hinauszukommen, um in eine wahre Welt nach außen hineinzudringen? Und inwieweit ist es möglich, unter die innere Welt des Mystikers hinunterzudringen in eine Welt, die unter dem menschlichen Ich liegt, um auch da etwas Wahres zu fmden? - Die Wege, die in die geistige Welt hineinführen durch Makrokosmos und Mikrokos­mos, die werden wir in den nächsten Tagen immer genauer und genauer zu beschreiben haben.

ZWEITER VORTRAG Wien, 22. März 1910

#G119-1962-SE056 - Makrokosmos und Mikrokosmos

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ZWEITER VORTRAG

Wien, 22. März 1910

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Im allgemeinen ist schon angedeutet worden, welches das Verhältnis ist zwischen dem Wachzustand und dem Schlafzustand des Menschen, und es ist gesagt worden, daß der Mensch aus dem Schlafzustand heraus sich die Kräfle holt, die er während des Wachzustandes braucht, um sein Seelen-leben aufzubauen. Nun sind diese Dinge eigentlich viel komplizierter, als man gewöhnlich denkt, und wir werden heute einiges Genauere über den Unterschied zwischen dem menschlichen Wach- und dem Schlafzustand vom Gesichtspunkte der Geistesforschung aus zu sagen haben. Ich bemerke nur gleichsam nebenbei, wie in einer Art Parenthese, daß wir hier davon absehen können, all die mehr oder weniger interessanten Hypothesen zu berühren oder aufzuzählen, welche die Physiologie der Gegenwart aufge­stellt hat, um den Unterschied zwischen Schlaf- und Wachzustand zu er-klären. Das könnte ja sehr leicht geschehen, würde uns aber nur von der eigenthchen geisteswissenschafilichen Betrachtung dieser Zustände ablenken. Es braucht höchstens gesagt zu werden, daß ja die gewöhidiche heutige Wissenschaft, wenn sie den Menschen im Schlafzustande vor sich hat, eigenthch nur das vom Menschen betrachtet, was in der physischen Welt zurückgeblieben ist, was wir gestern charakterisieren konnten als den physischen Leib und den Äther- oder Lebensleib des Menschen. Dieser physischen Wissenschaft ist ja vollständig fremd - und man braucht sie deshalb nicht abzuurteilen, sie hat ein gewisses Recht, ihren Standpunkt in einseitiger Weise geltend zu machen -, dasjenige, was nur eine Wirklichkeit bedeuten kann für die Geistesforschung, für den geöffneten Blick des Sehers, was sich im Einschlafen herausbewegt aus dem Äther- oder Lebens-leib und dem physischen Leib des Menschen, und was wir gestern charak­terisieren konnten als das menschliche Ich und den astralischen Leib. Dieses menschliche Ich und der astralische Leib, sie sind also, während der Mensch schläft, in einer geistigen Welt, während sie dann, wenn der Mensch wacht, m der physischen Welt sind, gleichsam untergetaucht in den physischen Leib und den Äther- oder Lebensleib.

Nun wollen wir einmal diesen schlafenden Menschen betrachten. Es ist

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ja ganz natürlich, daß für das nonnale menschliche Bewußtsein der Schlaf­zustand etwas Einheitliches ist, das man nicht weiter untersucht; daß man sich im gewöhnlichen Leben nicht besonders frägt Ja, wenn nun der Mensch in der Nacht in einer geistigen Welt ist, sind es dann mehrere Einflüsse, gleichsam mehrere Kräfte, die sich auf seine leibbefreite Seele geltend ma­chen, oder ist es nur eine einheitliche Kraft? Ist der Mensch, indem er in der geistigen Welt ist, nur einer Kraft ausgesetzt, die die geistige Welt ganz durchdringt, oder können wir unterscheiden zwischen verschiedenen Kräf­ten, denen der Mensch während des Schlafzustandes ausgesetzt ist? - Ja, wir können nun ganz genau verschiedene Einflüsse voneinander unter­scheiden; die sich auf den Menschen geltend machen, während er schläft -wohlgemerkt, also jetzt nicht auf das geltend machen zunächst, was im Bette liegenbleibt, sondern auf dasjenige, was sich als das eigentlich Seelische des Menschen, als sein astralischer Leib und Ich herausbegeben hat aus diesem äußeren Menschen, der im Bette liegenbleibt

Nun wollen wir einmal durch naheliegende Erfahrungen und Tatsachen hinführen auf die verschiedenen Einflüsse, die auf den schlafenden Menschen ausgeübt werden. Dasjenige, was der Mensch im Einschlafen erlebt, braucht er nur emmal genau zu beobachten, dann kann er an sich bemerken, daß gleichsam jene ilmere Aktivität, die innere Tätigkeit zu erlahmen beginnt, durch die er während des Tagwachens seine Glieder bewegt, durch die er alles dasjenige ausführt, was wir nennen können: mit Hilfe unserer Seele unseren Leib in Bewegung versetzen. Wer ein wenig Selbstschau halten wird im Momente des Einschlafens, der wird merken, daß so etwas eintritt wie die Empfindung: Ich kannjetzt nicht mehrjene Herrschaft auasüben über meine äußeren Werkzeuge; es beginnt sich der inneren Seelentätigkeiten eine Art von Olinmacht zu bemächtigen. - Der Mensch wird zunächst sich unfähig fühlen, durch seinen Willen die Bewegung seiner Glieder zu lenken. Dann wird bei ihm im Momente des Einschlafens zuerst eintreten, daß er keine Herrschaft ausüben kann über das, was wir die Sprache nennen. Das ist ja das erste, was der Mensch fühlt nach jenem wie ohnmächtigen Zu­stand, seine Glieder zu bewegen, daß er sich unfähig fühlt, die Herrschaft auszuüben über die Sprache. Dann fühlt der Mensch nach und nach auch, wie ihm die Möglichkeit entschwindet, mit der Außenwelt überhaupt in irgendeinen Zusammenhang zu treten. Alle die Eindrücke des Tages, sie

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schwinden dann nach und nach dahin. Dasjenige, was also zuerst dahin­schwindet, ist die Fähigkeit, die Glieder und namentlich die Sprachwerkzeuge zu bewegen. Dann hören nach und nach die Empfindungsfähigkeiten für den Geschmack und den Geruch und zu allerletzt die Fähigkeit des Hörens auf In diesem allmählichen Ohnmächtigwerden der inneren Seelentätigkeit verspürt der Mensch dieses Heraustreten aus seiner leiblichen Hülle.

Damit haben wir aber schon einen ersten Einfluß charakterisiert, welcher auf den Menschen gewirkt wird während des Schlafzustandes. Wir haben jenen Einfluß charakterisiert, der den Menschen gewissermaßen heraustreibt aus seinen Leibern. Es wird derjenige, der Selbstschau hält, verspüren, wie das eine Macht ist, die über ihn kommt, denn im gewöhnlichen normalen Zustand des Lebens befiehlt sich ja der Mensch nicht: Du sollst jetzt ein­schlafen, du sollst jetzt aufhören zu sprechen, zu schmecken, zu riechen, zu hören -, sondern das ist etwas, was sich über den Menschen gleichsam geltend macht. Das ist der erste Einfluß aus jener Welt, in der der Mensch des Abends untertaucht, das ist der Einfluß, der ihn sozusagen heraustreibt aus seinem physischen Leib und Äther- oder Lebensleib. Aber wenn dieser Einfluß allein sich geltend machen würde während des Schlafes, was würde dann mit dem Menschen geschehen? Dann würde beim Menschen nor­malerweise immer das eintreten, was wir nennen können: den absolut ruhi­gen, durch nichts gestörten Schlaf Diesen absolut ruhigen, durch nichts gestörten Schlaf kennt ja der Mensch im normalen Leben. Er ist derjenige Zustand, in den der Mensch also versetzt wird durch den ersten der Ein­flüsse, die wir für das Schlafen feststellen können. Aber wir wissen ja, daß im gewöhnlichen normalen Leben keineswegs nur dieser normale, durch mchts gestörte Schlaf vorhanden ist, sondern, daß vorhanden ist eine zwei­fache Möglichkeit, daß dieser Schlaf in einer anderen Form sich geltend macht. Wir kennen alle einen Zustand, den wir als den Traumzustand be­zeichnen, wo sich mehr oder weniger chaotische oder mehr oder weniger deutliche Bilder, Traumbilder, hereindrängen in das Schlafleben. Würde nur der erste Einfluß geltend sein auf den menschlichen Schlaf, der den Men­schen wie herausreißt in eine geistige Welt hinein, dann würde immer nur dasjenige vorhanden sein können, was wir einen durch keinen Traum ge­störten Schlaf nennen. Das ist ein anderer Einfluß nämlich, der sich dann geltend macht, wenn der gewöhnliche Schlaf durch den Traumzustand

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unterbrochen wird. So daß wir unterscheiden können jenen Einfluß, wel­cher das Bewußtsein einfach auslöscht, indem er uns heraustreibt aus unserer äußeren Leibeshülle, und jenen Einfluß, der uns in dem leibfreien Zustande die Traumwelt vor die Seele gaukelt, der wie hineindrängt in unser Schlaf-leben die Welt des Traumes.

Das ist aber nicht die einzige Art, wodurch der normale Schlaf beim Menschen eine andere Gestalt annehmen kann. Es gibt noch eine dritte Art. Diese dritte Art tritt allerdings nur bei einer geringen Anzahl von Menschen auf, aber ein jeder weiß, daß sie immerhin bei einer gewissen Anzahl von Menschen vorhanden ist, und diese dritte Art ist diese, wenn nun der Mensch anfängt, ohne daß er ein Bewußtsein davon hat wie beim Tag, aus dem Schlafheraus zu sprechen oder gewisse Handlungen zu vollführen. Gewöhn­lich weiß ja dann der Mensch am Tage nichts von den Antrieben, die ihn zu solchen Schlafhandlungen geführt haben. Es kann sich solches Handeln im Schlaf bis zu demjenigen steigern, was im gewöhnlichen Leben das Nacht-wandeln genannt wird. Da ist nur in einzelnen Fällen vorliegend, daß der Mensch etwa auch, während er nachtwandelt, in seinen Schlafzustand ge­wisse Träunie hereingerückt hat. In der Mehrzahl der Fälle ist das gar nicht vorhanden, sondern da handelt und spricht der Schlafwandler, ohne daß er in seinem Seelenleben Träume hat. Er handelt tatsächlich in gewissem Sinne wie ein Automat, er handelt unter dunklen Antrieben, deren er sich nicht einmal traumhaft bewußt zu sein braucht. Diese Antriebe, wo der Mensch aus dem Schlafe heraus gewissermaßen mit der Außenwelt in Berührung tritt wie während des Tageslebens - nur ist es während des Tageslebens bewußt und während der Nacht unterbewußt -, diese Handlungen unter­liegen einem dritten Einfluß, welcher während des Schlafes auf den Menschen tätig ist.

So können wir für den Schlafzustand drei deutlich zu unterscheidende Einflüsse auf dasjenige, was wir den inneren Menschen nennen, der von dem äußeren während des Schlafes getrennt ist, konstatieren. Diese drei Einflüsse, denen der Mensch ausgesetzt ist während des Schlafes, sind immer da, und die Geisteswissenschaft kann durch Mittel, die wir noch kennenlernen wer­den im Laufe der Vorträge, wirklich erforschen, daß sie beijedem Menschen vorhanden sind. Nur überwiegt bei der weitaus größten Anzahl der Men­schen der erste Einfluß so, daß sie doch den größten Teil ihrer Schlafenszeit

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in traumlosem ruhigem Schlaf verbringen. Dann tritt ja fast für alle Men­schen der zweite Einfluß immerhin ab und zu ein, daß sich in ihr Schlaf-bewußtsein hereindrängt der Traumzustand. Aber diese beiden Zustände wirken für die weitaus meisten Menschen so stark, daß das Sprechen und Handeln aus dem Schlafe heraus zu den Seltenheiten gehört. Aber es ist der Einfluß, der beim Nachtwandler auftritt, bei jedem Menschen vorhanden. Nur sind die anderen zwei Einflüsse beim Schlafwandler dann so zurückge­drängt, daß sie sich nicht geltend machen. Der dritte Einfluß wird so stark bei ihm, daß er die beiden anderen übertönt und die Herrschaft gewinnt über die beiden anderen Einflüsse, während bei den anderen Menschen eben die zwei anderen Einflüsse so stark sind, daß der dritte Einfluß den Menschen nicht abtreibt zu irgendwelchen Handlungen, daß er gar nicht zur Geltung kommt. Aber vorhanden ist er bei jedem Menschen. Jeder Mensch ist dazu veranlagt, diesen drei Einflüssen zu unterliegen.

Diese drei Einflüsse hat man nun immer in dem Forschen der Geistes-wissenschaft von einander unterschieden, und wir müssen innerhalb des Seelenlebens des Menschen drei Gebiete annehmen, welche so sind, daß das eine Gebiet mehr dem einen, das zweite Gebiet mehr dem zweiten und das dritte mehr dem dritten Einfluß unterliegen kann. Die Seele des Menschen ist also ein dreigeteiltesWesen, denn sie kann dreierlei Einflüssen unterliegen. Nun bezeichnet man denjenigen Teil der menschlichen Seele, welcher dem ersten charakterisierten Einfluß unterliegt, der überhaupt die menschliche Seele heraustreibt aus den Leibeshüllen, in der Geisteswissenschaft als die Empfindungsseele. Denjenigen Teil der Seele, auf welchen sich der Einfluß geltend macht, der an zweiter Stelle charakterisiert worden ist, der die Traumbilder hereindrängt in das menschliche Seelenleben während der Nacht, den bezeichnet man als Verstandes- oder Gemütsseele. Und denjeni­gen Teil der menschlichen Seele, der also für die meisten Menschen über­haupt seine eigenartige Natur im Schlafesleben gar nicht so recht kundgibt, weil die beiden anderen Einflüsse überwiegen, bezeichnet man als Bewußt-seinsseele. So haben wir während der Schlafenszeit des Menschen drei Ein­flüsse zu unterscheiden, und die drei Glieder des Seelenlebens, die diesen drei Einflüssen unterliegen, unterscheiden wir als Empfindungsseele, als Ver­standes- oder Gemütsseele und als Bewußtseinsseele. Wenn also der Mensch durch die eine Macht, die wir geschildert haben, in den traumlosen ruhigen

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Schlaf versetzt wird, dann geschieht aus der Welt heraus, in die er eintritt, cm Einfluß auf seine Empfindungsseele. Wenn der Mensch seinen Schlaf durchsetzt erhält mit den Bildern der Traumwelt, dann geschieht ein Ein­fluß auf seine Verstandes- oder Gemütsseele, und wenn er gar anfängt, in der Nacht zu sprechen oder aus dem Schlafe heraus zu handeln, dann ge­schieht ein Einfluß auf seine Bewußtseinsseele.

Nun haben wir aber damit trotzdem nur die eine Seite des menschlichen Seelenlebens während des Schlafes geschildert. Wir müssen auch noch die andere Seite dieses Schlaflebens schildern, die nuin gewissermaßen in dem Ent­gegengesetzten besteht. Wir haben nämlich den einscli]afenden Menschen betrachtet. Betrachten wir jetzt den aufwachenden Menschen, der aus dem Schlafesleben wiederum in die physische Welt zurückkehrt. Was ist denn da eigentlich vorliegend mit dem Menschen, der am Morgen beim Auf­wachen wiederum in die physische Welt zurückkehrt? Am Abend war es so, daß ihn eine gewisse Macht herausgetrieben hat aus seinem physischen Leib und seinem Äther- oder Lebensleib. Diese Macht ist am Abend da­durch befähigt zum Heraustreiben, weil der Mensch ihr zuerst unterliegt. Er unterliegt im späteren Stadium seines Schlafes den beiden anderen Ein­flüssen, den Einflüssen auf die Verstandes- oder Gemütsseele und auf die Bewußtseinsseele. Wenn aber diese Einflüsse stattgefunden haben, dann ist ja der Mensch etwas anderes, als er vorher war. Der Mensch verändert sich während des Schlaflebens, und die Veränderung zeigt sich einfach dadurch, daß der Mensch am Abend ermüdet ist und heraus muß aus seinen Leibes-hüllen, und daß er am Morgen nicht mehr ermüdet ist und die Fähigkeit hat zurückzukehren. Dasjenige, was mit ihm während des Schlafes geschehen ist, gibt ihm die Fähigkeit, wiederum zurückzukehren und die physische Welt zu betrachten. Derselbe Einfluß ist es nun, welcher sich in gewissen abnormen Zuständen in unserer Traumwelt geltend niacht, welcher da ist während des ganzen Schlaflebens auch dann, wenn keine Träume vorhan­den sind, und es ist der dritte Einfluß beim Menschen vorhanden, der beim Nachtwandler zum Vorschein kommt und der bei anderen Menschen sich nur nicht auslebt. Diese beiden Einflüsse machen sich geltend außer jenem ersten Einfluß. Wenn sich letztere beiden Einflüsse, derjenige auf die Ver­standes- oder Gemütsseele und der auf die Bewußtseinsseele, geltend ge­macht haben, dann ist der Mensch gestärkt und gekräftigt, er hat aus der

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geistigen Welt heraus jene Kräfte gesogen und gezogen, welche er braucht im nächsten Tagesleben, um die äußere physische Welt wiederum zu er­kennen und zu genießen. Es ist also vorzugsweise der Einfluß auf die Ver­standes- oder Geniütsseele und auf die Bewußtseinsseele, die den Menschen in der Nacht kräftigen. Dann ist es aber, wenn er geleräftigt ist, derselbe Einfluß - nur macht er sich jetzt in umgekehrter Weise geltend -, welcher den Menschen am Morgen beim Aufwachen wieder zurückführt in seinen physischen und Ätherleib hinein. Dieselbe Macht, die den Menschen des Abends herausgetrieben hat, bringt ihn des Morgens wieder zurück: der Einfluß auf die Empfindungsseele. Alles, was wir als den Inhalt der Empfin­dungsseele bezeichnen müssen, war am Abend ermattet, müde. Wie fühlen wir in unserer Empfindungsseele am Abend? Das können wir uns leicht vor die Seele stellen: Wenn wir frisch in das Tagesleben hineinleben, dann niachen die Eindrücke der physischen Welt, die Eindrücke von Farbe, Licht, alle Gegenstände um uns herum einen Eindruck, so daß sie uns interessieren, uns mit Sympathie und Antipathie erfüllen, daß sie uns Freude, Lust, Schmerz bereiten. Wir sind hingegeben an die äußere Welt. Was Freude, Schmerz, Leid, Lust fühlt, was in uns Interesse nimmt an den äußeren Ge­genständen, das ist gleichsam in uns entzündet, wenn wir also mit unseren Empfindungen hingegeben sind an die äußere Welt. Das ist eben die Emp­findungsseele. Und diese lebendige Teilnahme an der äußeren Welt fühlen wir gelähmt, indem wir die Notwendigkeit des Einschlafens fühlen. Das­selbe, was wir am Abend gelähmt fühlen, fühlen wir am Morgen gestärkt, erfrischt. Wir wachsen hinein in den gewöhnlichen Tageszustand, wir fühlen, daß dieselben Erscheinungen der Empfindungsseele, die am Abend wie gelähmt worden sind, wiederum frisch auftreten, in erneuerter Gestalt sich geltend machen. Daraus erkennen wir aber, daß es dieselbe Macht ist, die uns am Abend herausgeführt hat und die am Morgen die erwachende Seele wiederum in den Leib hineinführt, denn was wir am Abend sozusagen ersterben fühlen, fühlen wir am Morgen wie neugeboren. Sie hat den­selben Charakter, nur bewegt sie sich das eine Mal in der einen, das andere Mal in der entgegengesetzten Richtung.

Wenn wir uns eine Zeichnung machen wollen von demjenigen, was da eintritt, so können wir dies so machen. Ich bemerke ausdrücklich, daß das eine schematische Zeichnung sein soll. Ich will denMoment des Einschlafens,

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den Moment, wo der Mensch herausgetrieben wird in das Unterbewußtsein hinein, dadurch bezeichnen, daß ich hier einen Punkt setze, und das Hinein­begeben in den Schlafzustand dadurch, daß ich eine solche Linie nach oben zeichne, und das Aufwachen am Morgen wie ein Zurückkonimen aus dem Zustande, in dem der Mensch während der Nacht ist. Den Gang des Lebens während des Tages würde ich dann mit dieser unteren Linie bezeichnen und das Hineingehen wiederum in den Schlafzustand mit dieser Linie, so daß wir mit dieser Schleifeniinie zunächst charakterisiert haben würden den Zustand des Wachens, dann den Zustand des Schlafens. Der obere Teil soll den Zustand des Schlafens bezeichnen, der untere den des Wachens. Dann können wir, wenn wir den Moment des Einschlafens ins Auge fassen, sagen, es wirkt aus der geistigen Welt heraus hier eine Kraft, die uns hineinzieht; die wollen wir bezeichnen mit dem ersten Drittel dieser Linie. Wenn wir in Träume verflilien, wollen wir den Einfluß, der dann auf unsere Verstandes-oder Gemütsseele ausgeübt wird, mit dem zweiten Drittel der Linie bezeichnen.

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Jenen Zustand, wo eine Kraft wirken würde auf die Bewußtseinsseele, diesen dritten Einfluß, den würden wir bezeichnen mit dem dritten Teile des Viertels der gesamten Linie. Wir würden dann gleichsam am Morgen dieselbe Kraft haben, die uns hier hineingezogen hat, wie eine uns aus dem Schlafleben herausstoßende und in das Tagesleben hineinführende Kraft. Das würde entsprechen derselben Kraft, die auf die Empfindungsseele wirkt. Und in derselben Weise würden wir hier haben jene Kraft, die auf die Ver­standes- oder Gemütsseele wirkt. Und hier der ganze Raum, sowohl der erste wie der zweite Teil, würde den Einfluß auf die Bewußtseinsseele be­deuten. So daß der Mensch während der Nacht sozusagen eine Art von Kreislauf durchläuft. Indem er sich vom Einschlafen gleichsam in die Mitte jenes Zustandes bewegt, die zwischen Einschlafen und Aufwachen liegt, bewegt er sich jenem Einfluß zu, wo am stärksten wirkt die Kraft auf seine Bewußtseinsseele. Von jenem Punkt ab bewegt er sich wieder der Kraft entgegen, die wiederum auf seine Empflndungsseele wirkt und ihn in den Wachzustand zurückbringt.

Wir haben also drei Kräfte, die auf den Menschen während des Schlaf­zustandes wirken. Diese drei Kräfte haben seit alten Zeiten in der Geistes­wissenschaft ganz bestimante Namen, und ich bitte Sie jetzt bei diesen Namen nichts anderes zunächst zu denken, als was eben geschildert worden ist. Sie kennen diese Namen natürlich, aber ich bitte Sie, an gar nichts ande­res zu denken als an Namen, die den betreffenden Kräften gegeben werden, die in der Nacht auf diese drei Teile der menschlichen Seele wirken. Denn in der Tat ist es so: Wenn Sie zurückgehen würden in der Geisteswissen­schaft, so waren diese drei Namen diesen drei Kräften gegeben und die Bedeutung, die Sie heute kennen für diese Namen, sind nicht ursprünglich, sondern entlehnt den anderen Bedeutungen. Ursprünglich sind diese Namen geltend für diese drei Dinge. Diejenige Kraft, die auf die Empfindungsseele beim Einschlafen und Aufwachen wirkt, bezeichnete man mit einem Namen, welcher eben in einer der alten Sprachen sich decken würde mit dem Worte Mars. Mars ist nichts anderes als ein Name für diejenige Kraft, die auf die Empfindungsseele wirkt, welche des Abends den Menschen heraustreibt aus seinen Leibeshüllen und des Morgens wiederum hinein-schickt. Diejenige Kraft, welche wirkt auf die Verstandes- oder Gemütsseele, welche also sozusagen in getrennten Partien wirkt - wenn der Mensch eingeschlafen

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ist, fängt sie an zu wirken und kurz bevor er aufwacht, wirkt sie wiederuin; sie ist jene Kraft, welche die Welt der Träume hineintreibt in die Verstandes- oder Gemütsseele -, diese Kraft führt den Namen, der sich decken würde mit dem Worte Jupiter. Und diejenige Kraft, welche in besonderen Verhälmissen den Menschen zum Nachtwandler machen würde, die also während des Schlafzustandes auf des Menschen Bewußt­seinsseele wirkt, die trägt im Sinne der alten Geisteswissenschaft den Namen Saturn. So daß man also im Sinne der Geisteswissenschaft redet, wenn man sagen würde, Mars hat den Menschen eingeschläfert, Mars hat den Menschen aufgeweckt, Jupiter hat dem Menschen Träume in seinen Schlaf geschickt, und der dunkle finstere Saturn ist bei den Menschen, die seinem Einflusse nicht widerstehen können, die Ursache, daß er sie in ihrem Schlafe aufrüttelt und zu unbewußten Handlungen verführt. Bei diesen Namen dürfen Sie also nicht denken, was Sie im Sinne der gewöhnlichen Astronomie denken können. Vorläufig wollen wir ihre ursprünglichen Bedeutungen nehmen, die durchaus geistiger Art sind, nach denen sie Kräfte bezeichnen, welche auf den Menschen wirken, wenn er außer seinem physischen Leib und seinem Äther- oder Lebensleib in der geistigen Welt ist, in der er sich befuidet, während er schläft.

Nun, wenn der Mensch am Morgen aufgewacht ist - ich habe einen Punkt hingezeichnet zu diesem Aufwachen aus dem Grunde, weil ja der Mensch mit dem Aufwachen in der Tat in eine ganz andere Welt tritt -, was geschieht denn, wenn der Mensch aufwacht? Da wird er in eine Welt versetzt, die eigentlich der heutige normale Mensch allein als die seinige an­sieht, in welcher ihm von außen entgegentreten die Eindrücke auf seine Sinne. Diese Eindrücke auf seine Sinne, die werden auf ihn so bewirkt, daß er nicht hinter die sinnlichen Eindrücke hinschauen kann. Sie sind einfach da, sie treten, wenn er des Morgens aufwacht, vor seine Seele hin. Wir wer­den schon hören, woher sie kommen; jetzt müssen wir uns klar sein darüber, daß, wenn der Mensch aufwacht, der ganze Teppich der Sinneswelt vor ihm ausgebreitet ist. Aber mit diesem Teppich ist noch etwas anderes für den Menschen da, nämlich, daß er nicht nur mit seinen Sinnen wahrnimmt diese äußere Welt, sondern daß er dann, wenn er dieses oderjenes von dieser äußeren Welt wahrnimmt, immer eigentlich etwas dabei empfindet. Wenn auch bei irgendeiner Farbe, sagen wir, die Lust sehr gering ist, es ist ein

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innerer seelischer Vorgang, eine gewisse Empfindung da. Denn jeder wird sich klar sein, daß auf ihn die violette Farbe anders wirkt als die rote und die blaue anders als die grüne. Alle äußeren Sinneseindrücke wirken so, daß sie mnerliche Zustände hervorrufen. Alles dasjenige, was so die äußeren Sinnes-eindrücke hervorrufen, das gehört eigentlich der Empflndungsseele an, während wir den Grund im Menschen, warum er die Sinneseindrücke empfangen kann, den Empfindungsleib nennen. Der Empfindungsleib ist schuld daran, daß der Mensch, sagen wir, Gelb sieht. Die Empfindungs­seele ist schnld daran, daß er über dieses Gelb dieses oder jenes empfindet. Wir müssen haarscharf unterscheiden: Dasjenige, was uns von außen vor die Seele gezaubert wird, das verursacht der Empfindungsleib; dasjenige, was wir innerlich dabei erleben, Lust und Leid oder irgendeine Nuance von jenem Eindruck, den die violette Farbe macht, das gehört zur Emp­findungsseele. Also beginnt des Morgens die Empfmdungsseele hingegeben zu sein an die Eindrücke des Empfindungsleibes, wir könnten auch sagen, die Eindrücke der Außenwelt. Dasselbe also, was in der Nacht dem Mars-einfluß ausgesetzt war, die Empflndungsseele, das wird vom Aufwachen an den Eindrücken der äußeren Welt ausgesetzt, das ist hingegeben an die sinnliche Welt. Nun bezeichnen wir diese gesamte Sinnenwelt im Sinne der Geisteswissenschaft, insofern sie in unserer Empfindungsseele hervorruft gewisse Zustände von Lust und Leid, von Freude und Schmerz, wiederum mit einem besonderen Namen. Ich bitte wiederum, nichts anderes sich darunter zu denken, als was eben charakterisiert wird; jetzt haben wir bei diesem Namen zu denken dasjenige, was auf unsere Empfindungsseele als Einfluß sich geltend macht aus dem äußeren Teppiche der Sinneswelt heraus, so daß dieser uns nicht gleichgültig und kalt läßt, sondern uns mit gewissen Empfindungen erfüllt. Diesen Einfluß auf unsere Empfindungsseele, der stattfindet aus der physisch-sinnlichen Welt heraus, den bezeichnet man als die Kraft der Venus. So daß wir, ebenso wie wir den Einfluß auf die Emp­findungsseele nach dem Einschlafen als Mars bezeichnet haben, diesen Ein­fluß nach dem Aufwachen als Venuskraft bezeichnen.

Ebenso findet aber aus der physischen Welt heraus ein Einfluß statt auf unsere Verstandes- oder Gemütsseele, während sie während des Tages unter­getaucht ist in den leiblichen Hüllen. Das ist ein anderer Einfluß; das ist derjenige Einfluß, durch den wir uns entziehen den äußeren Eindrücken der

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Sinneswelt und diese verarbeiten können. Merken Sie, daß das ein Unter­schied ist, das Erleben in der Empfindungsseele und das Erleben in der Ver­standes- oder Gemütsseele: die Empfindungsseele erlebt nur solange etwas, so lange der Mensch der Außenwelt hingegeben ist; sie empfindet eben die Eindrücke der Außenwelt. Wenn aber der Mensch während des Tagwachens einmal eine Weile gar nicht achtgibt auf die Eindrücke der Außenwelt, sondern sie verarbeitet in seiner Seele, wenn er darüber nachdenkt und das­jenige, was als Eindrücke von Lust und Leid, von Freude und Schmerz ge­kommen ist, nachklin gen läßt ohne die äußeren Eindrücke, dann ist der Mensch seiner Verstandesseele hingegeben, so daß diese also etwas mehr Selbständiges ist gegenüber der Empfindungsseele. Diejenigen Einflüsse nun, die es möglich machen während des Tageslebens, daß der Mensch nicht nur sozusagen immer dasteht, seine Augen offen und anglotzend den äußeren Sinnesteppich, sondern daß er seine Aufmerksamkeit abwenden kann von alledem und Gedanken formen kann, durch die er kombiniert die Eindrücke der Außenwelt und sich selbständig machen kann gegenüber den Einflüssen der Außenwelt, diese Einflüsse bezeichnen wir als die Kraft des Merkur. So daß wir also sagen können: Wie in der Nacht auf unsere Verstandes-oder Gemütsseele die Jupitereinflüsse sich geltend machen, so machen sich während des Tages die Merkureinflüsse geltend auf unsere Verstandes-oder Gemütsseele. - Merken Sie, daß eine gewisse Korrespondenz besteht zwischen den Einflüssen des Jupiter und des Merkur. Die Einflüsse des Jupiter zum Beispiel sind beim heutigen normalen Menschen so, daß sie als Traumbilder in sein Seelenleben hereindrängen, die entsprechenden Ein­flüsse während des Tages, die Merkureinflüsse, wirken als seine Gedanken, als seine inneren Erlebnisse. Dort bei den Jupitereitiflüssen weiß der Mensch im Traume nicht, woher die Dinge eigentlich kommen; während des Tagesbewußtseins, bei den Merkureinflüssen, weiß er es aber. Es sind auch innerliche Vorgänge, die in der Seele ablaufen als innere Bilder. Das ist die Korrespondenz zwischen den Einflüssen des Jupiter und des Merkur.

Nun gibt es aber auch solche Einflüsse, die während des Tages auf die Bewußtseinsseele wirken. Was ist denn eigentlich für ein Unterschied zwi­schen Empfindungsseele und Verstandes- oder Gemütsseele und Bewußt­seinsseele? Nun, die Empfindungsseele macht sich geltend, wenn wir die Dinge einfach anglotzen. Entziehen wir uns für eine Weile den Eindrücken

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der Außenwelt, geben wir nicht acht auf sie und verarbeiten wir sie, dann sind wir hingegeben unserer Verstandes- oder Gemütsseele. Wenn wir jetzt das Verarbeitete nehmen und uns wiederum in Beziehung setzen mit der Außenwelt, dann sind wir hingegeben unserer Bewußtseinsseele. Wenn Ihnen zum Beispiel vor Augen steht der Blumenstrauß hier: Solange Sie ihn bloß anschauen und das Weiß der Rose in Ihnen Gefühle auslöst, dann sind Sie hingegeben Ihrer Empfindungsseele. Wenn ich nun aber das Auge abwende und gar nicht mehr den Blumenstrauß sehe, sondern darüber nachdenke, dann bin ich hingegeben meiner Verstandes- oder Gemütsseele. Da ver­arbeite ich die Eindrücke, die ich erhalten habe oder durch Kombination finden kann. Wenn ich jetzt deshalb, weil mir der Blumenstrauß gefallen hat und ich die Eindrücke, die er auf mich gemacht hat, verarbeitet habe, mir sage, ich möchte jemandem eine Freude damit machen, wenn ich ihn dann nehme und also zur Tat übergehe, wenn ich aus mir, aus der Ver­standes- oder Gemütsseele herausgehe, dann trete ich über in die Bewußt-seinsseele. Durch sie bringe ich mich wiederum mit der Außenwelt in Be­ziehung. Und das ist eine dritte Kraft, die im Menschen sich geltend macht, die ihn befähigt, nicht nur in sich zu verarbeiten die Eindrücke der Außen­welt, sondern wieder mit der Außenwelt in Beziehung zu treten.

Merken Sie, daß wiederum eine Beziehung besteht zwischen diesem Wirken der Bewußtseinsscele im Wachen und dem Wirken der Bewußt­seinsseele im Schlafen. Wir haben gesagt, wenn ein solcher Einfluß im Schlaf­zustand vorhanden ist, dann geht der Mensch über in das Nachtwandeln, er spricht und handelt im Schlafe. Nur, wenn er im Schlafe wirkt, so daß der Mensch bei Nacht wandelt, wird er durch die Kraft des dunklen Saturn getrieben, bei Tage aber handelt er bewußt. Dasjenige, was während des Tageslebens auf die menschliche Bewußtseinsseele wirkt, damit sie nun wirkt aus dem gewöhnlichen Leben heraus, dasjenige, wodurch der Mensch zu dieser Selbständigkeit kommen kann, das ist dasjenige - vergessen Sie wiederum, was Sie bisher unter diesem Worte sich vorgestellt haben -, was man im Sinne der Geisteswissenschaft bezeichnet als die Kraft des Mondes. Sie werden schon verstehen, warum diese Dinge gerade so sind, vorläufig wollen wir diese Namen als Benennungen behalten. Das ist also die Kraft, die man bezeichnet als die Kraft des Mondes.

So haben wir also das menschliche Seelenleben verfolgt durch den

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Schlaf- und durch den Wachzustand. Wir haben gefunden, daß es in drei voneinander getrennte Glieder zerfällt, daß es dreierlei Einflüssen unterliegt. Wenn der Mensch in der Nacht hingegeben ist derjenigen Welt, die wir bezeichnen müssen als die geistige Welt, dann ist er hingegeben den Kräften, die also in der Geisteswissenschaft zu bezeichnen sind als Mars, Jupiter und Saturn. Wenn er während des Tagwachens sein Seelenleben entfaltet durch die Empfindungsseele, durch die Verstandes- oder Gemütsseele und durch die Bewußtseinsseele, dann ist er hingegeben an diejenigen Kräfte, die be-zeichnet werden in der Geisteswissenschaft als Venus-, Merkur- und Mond-kräfte.

Damit haben wir des Menschen täglichen Weg bezeichnet, den Weg, den er innerhalb von vierundzwanzig Stunden durchmißt. Nun wollen wir, ohne uns vorläufig etwas Besonderes dabei zu denken, heute schon eine andere Reihe von Erscheinungen danebenstellen, eine Reihe von Erschei­nungen, welche gewöhnlich unter dem Gesichtspunkte betrachtet wird, welchen wir heute einnehmen wollen. Aber ich bitte ja, diesen Zyklus so zu betrachten, daß seine einzelnen Vorträge zusammengehören und daß im Anfang manches gesagt wird, was erst später seine richtige Beleuchtung finden muß. Ich werde alsojetzt etwas neben diese Erscheinungsreihe hinzu-stellen haben, was einem ganz anderen Gebiete angehört und was wir aus gewissen Gründen neben diese Erscheinungsreihe hinstellen. Wir stellen es hin aus Gründen, die sich im Laufe der Vorträge schon ergeben werden.

Sie kennen alle den Gang der Erde aus der gewöhnlichen astronomischen Wissenschaft, und wir wollen jetzt einmal, nur so ganz annähernd im allge­meinen, den Gang der Erde um die Sonne betrachten und was dazu gehört. Wenn wir diesen Gang der Erde um die Sonne und auch dazu den Gang der anderen Planeten, die zur Sonne gehören, so betrachten, wie sie ge­wöhnlich in den gebräuchlichen heutigen wissenschaftlichen Abhandlungen betrachtet werden, dann ist diese Betrachtung für die Geisteswissenschaft nur der aller-, allererste Anfang. Für die Geisteswissenschaft ist nämlich dasjenige, was sich in der äußeren physischen Welt vollzieht, ein Gleichnis, ein äußeres Bild für innere geistige Vorgänge, und dasjenige, was wir lernen aus der gewöhnlichen elementaren Astronomie, was wir gewohnt worden sind, von Kindheit auf zu lemeii über unser Planetensystem, das läßt sich vergleichen mit Bezug auf dasjenige, was ihm in Wirklichkeit zugrunde

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liegt, mit dem Lernen, das ein Kind vollzieht, wenn es den Gang der Uhr kennenlernt. Wenn Sie diesen Gang der Uhr dem Kinde verständlich machen wollen, so machen Sie ihm klar, daß da auf dem Zifferblatte zwölf Ziffern und zwei Zeiger sind, daß der eine von diesen langsam geht und der andere schneller. Sie machen dem Kinde klar, was konventionell die zwölf Ziffern und die zwei Zeiger bedeuten, und Sie machen ihin klar, was da konventionell festgestellt ist, damit das Kind lernt Ihnen zu sagen, daß, wenn der eine Zeiger über dieser Ziffer steht und der andere über jener, es meinetwillen 1/2 10 Uhr ist. Es würde das aber noch nicht viel bedeuten, wenn das Kind nur wüßte, die Uhr so zu beschreiben. Das Kind muß mehr lernen; das Kind muß lernen, zum Beispiel, wenn des Morgens der eine Zeiger über 6 und der andere Zeiger über 12 steht, daß das für eine gewisse Zeit des Jahres bedeutet, daß die Sonne aufgeht. Es muß dasjenige, was sich auf dein Zifferblatt der Uhr ausdrückt, auf andere große Ereignisse beziehen lernen. Das heißt, das Kind muß lernen, die Verhälmisse der Welt anzusehen als das, worauf es ankommt, und in demjenigen, was die Uhr ausdrückt, gleichsam nur ein Gleichnis, ein Bild für die Verhälmisse der Welt. So lernt der Mensch, wenn er der großen Welt gegenüber ein Kind ist, daß sich in der Mitte unseres Sonnensystems die Sonne befindet, daß dann herumgeht zuerst dasjenige, was man als den Planeten Merkur bezeichnet, dann, was man als Venus bezeichnet; daß dann herumgehen Erde mit dein Monde, dann Mars, Jupiter und Saturn. Die anderen wollen wir jetzt unberück­sichtigt lassen. Also dasjenige, was man so lernt in der äußeren Astronomie, was Sie zum Beispiel da weiter im Kalender lesen können - wenn Sie einen solchen haben, der die einzelnen Himmelserscheinungen angibt -, daß in gewissen Monaten der Saturn oder der Mars und so weiter da und dort zu finden sind, wenn Sie diesen Gang der einzelnen Planeten lernen, lernen die gegenseitige Stellung derselben in bestimmten Jahreszeiten, dann hat man so viel gelernt über den Himmelsraum, als ein Kind gelernt hat, welches so viel weiß, daß, wenn der eine Zeiger über der einen Ziffer steht und der andere über der anderen, es 1/10 Uhr ist.

Nun kann man zu alledem noch etwas hinzulernen. So wie das Kind hin­zulernen kann, auf welche Verhältnisse des Lebens sich die Verhältnisse des Zifferblattes beziehen, so kann man nun diejenigen Weltenkräfte, die als unsichtbare in unseren Raum hereinwirken, als das hinter der großen

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Weltenuhr Stehende betrachten, und dasjenige, was unser Sonnensystem ist mit den verschiedenen Stellungen der Planeten, wie der eine Planet zum andern steht, das drückt in ähnlicher Weise aus das Verhälmis zu gewissen Mächten des Makrokosmos, sozusagen dasjenige, was man zuschreiben könnte einer mächtigen Weltenuhr. Mso man kann von dieser Uhr unseres Planetensysteins übergehen zu den großen geistigen Weltenverhältnissen. Dann wird einem ein jeder Stand der Planeten in unserem Sonnensystem der Ausdruck werden für etwas, was man als dalaterstehend annehmen kann. Man wird sagen können: Also gibt es Gründe, warum zum Beispiel Venus einmal in einem solchen Verbälmis zu Jupiter steht und ein anderes Mal in einem andern. Es gibt Gründe zu sagen: Diese Dinge sind hingestellt durch dahinterliegende göttlich-geistige Mächte, geradeso wie es Gründe gibt, warum die Uhr in einer bestimmten Weise konstruiert ist. - Da er­weitert sich uns der Gedanke von den Bewegungen im Sonnensystem zu einem sinnvollen Ganzen; denn sonst erscheint ja demjenigen, der sinnvoll betrachten will das ganze Sonnensystem, dieses so, als wenn einer aus gar keinem andern Grunde die Uhr gebaut hätte als sozusagen nur zum Spaße. So ähnlich würde das sein, wenn einer das Planetensystem gebaut hätte, ohne daß etwas dahinter steht. Wir können also sagen, das Planetensystem wird für uns zu einer Art von Weltenulir, zu einem Ausdrucksmittel für dasjenige, was hinter den betreffenden Bewegungen und einzelnen Körpern unseres Sonnensysteins wirklich steht.

Nun betrachten wir einmal zunächst diese Weltenuhr für sich, betrachten wir sie, damit uns nicht gar zu sehr Vorwürfe gemacht werden von der außeren Wissenschaft, so - wir könnten sie auch anders betrachten -, wie man es in der äußeren elementaren Wissenschaft gewohnt ist.

Vorher will ich noch sagen, daß der Gedanke, als ob sich dieses Planeten-system selbst aufgebaut hätte, sehr leicht zu widerlegen ist. Sie haben ja alle erlebt, daß Ihnen in der Schule die Entstehung des Planetensystems darge­stellt worden ist. Es ist Ihnen da etwa gesagt worden: Da war einnlal ein riesiger Weltennebel ins Rotieren gekommen, und dann hat sich abgespalten in der Mitte die Sonne und rings herum die Planeten. - Wie könnte auch jemandem ein Zweifel daran kommen, daß die Geschichte so entstanden ist, wie es gelehrt wird in den Schulen, da man die Sache experimentell zeigt. Man zeigt so hübsch, nicht wahr, wie man ein kleines Tröpfchen von irgendeiner

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Substanz nimmt; man schneidet ein kleines Blatt, das durchgelegt werden kann durch die Äquatorebene des Tropfens, steckt dann von oben eine Stecknadel hinein und bringt das Ganze in eine Flüssigkeit, in der es schwimmt, und versetzt es durch die Stecknadel ins Rotieren. Da kann man sogar zeigen, wie durch das Rotieren die äußeren Tröpfchen sich abspalten, wie in der Mitte ein größerer Tropfen bleibt und wie die kleineren um die-sen herumrotieren. Da kann man natürlich sehr leicht zeigen: Nun ja, da haben wir ja die Sache ganz im Kleinen; wir haben ein Planetensystem dar-gestellt! -Wie sollte jemand zweifeln daran, daß das im Großen so geschehen ist? Derjenige allerdings, der gewissermaßen ein Spitzbube wäre, der würde sagen: Aber verehrter Herr Lehrer, Sie haben eines vergessen, Sie haben ja etwas vergessen, was ja sonst sehr schön ist zu vergessen, aber in dem Falle geht es halt nicht, Sie haben sich selber vergessen. Schön, Sie haben ja da oben gedreht! - Man dürfte logischerweise nicht das Allerwichtigste ver­gessen. Man müßte mindestens voraussetzen, daß ein riesiger Herr Lehrer im Weltenraume säße und das ganze Sonnensystem zum Rotieren gebracht hätte. Denn man wird logischerweise bei der Anwendung des Vergleiches mcht etwas weglassen dürfen, was wesentlich ist zum Zustandekommen der Sache. Das ist ganz klar. Also weist das Experiment hin auf etwas, was außer der Sache liegt. Daraus können wir also schon schließen, daß hinter dem­jenigen, was da rotiert im Weltenraume draußen, was da geschieht für das äußerliche Auge, etwas steht. Geradeso wie der Herr Lehrer hinter dem rotierenden Ö]tropfen steht beim Experimente, so stehen eben Kräfte und Mächte hinter dem ganzenWeltengebäude, das wir da in unserem Sonnen­system vor uns haben.

Und nun wollen wir dieses Sonnensystem einmal sozusagen äußerlich betrachten. Da brauchen wir uns nur einmal in der Mitte die Sonne aufzu­zeichnen. Wir lassen zunächst die Erde herumrotieren. Von Einzelheiten will ich absehen. Wir wissen, daß die Erde im Laufe eines Jahres also um die Sonne diese Bewegung ausführt. Wir wissen nun aber auch, daß unsere Erde zu einer bestimmten Zeit des Jahres zum Beispiel hier steht und zu einer bestimmten Zeit hier. Wir wissen dann, daß um die Erde herum rotiert der Mond. Also ich werde hier den Mond zeichnen. Wir wissen ferner, daß näher der Sonne herumrotiert derjenige Körper, den man gewöhnlich als Merkur bezeichnct, dann derjenige, den man als Venus bezeichnet. Wir

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wissen dann, daß ferner außerhalb unserer Erde herumrotieren die Körper, die man bezeichnet als Mars - die Verhältnisse sind natürlich nicht richtig, darauf kommt es aber hier nicht an -, als Jupiter, als Saturn. Die anderen Planeten wollen wir heute einstweilen unberücksichtigt lassen. Und jetzt nehmen wir einmal den Stand der Erde so, wie das natürlich sehr selten der Fall sein wird, daß die Erde bei ihrem Gang um die Sonne so liegt, daß die Sonne hier ist und die Erde hier, daß dann weiter von der Erde und von der Sonne entfernt sich befinden Mars, Jupiter und Saturn (siehe Zeichnung).

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Wenn wir nun annehmen, daß unsere Erde gerade so steht, daß sie zwischen Mars und Sonne zu stehen kommt, dann haben wir uns zu denken, daß in dem Raum zwischen Erde und Sonne enthalten sind dasjenige, was man ge­wöhnlich nennt Venus und dasjenige, was man nennt Merkur. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, daß in bezug auf die Bezeichnung dieser beiden Planeten im Laufe der Zeit eine Umänderung stattgefunden hat. Was man heute Merkur nennt, wurde früher Venus genannt, und was man heute Venus nennt, wurde früher Merkur genannt. Daher müssen Sie sich diese Bezeichnungen also umgekehrt denken, so daß das den heutigen Bezeich­nungen nicht mehr entspricht. Man muß dasjenige, was der Sonne näher liegt, als Venus bezeichnen, was ihr ferner liegt, als Merkur. Dann kommt

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der Mond. Wenn Sie sich aber jetzt denken würden die andere Stellung, so daß die Erde auf die andere Seite der Sonne zu liegen kommt, so würden Sie, wenn Sie von der Erde zur Sonne gehen, bekommen zunächst den Mond, dann nach der alten Bezeichnung dasjenige, was Merkur ist, dann dasjenige, was Venus ist, dann weiter jenseits der Sonne Mars, Jupiter und Saturn. Und Sie würden nun, wenn Sie diese Aufeinanderfolge betrachten und die Erde weglassen, Sonne, Venus, Merkur, Mond, Mars, Jupiter, Saturn haben. Sie können nun, wenn Sie diese verschiedenen Körper ver­binden, so daß die Sonne als Kreuzungspunkt zu bezeichnen wäre, dieselbe Schleifeulinie bekommen, die ich früher als die schematische Linie für die Tageserlebnisse des Menschen bezeichnet habe. Das heißt, es gibt eine Stel­lung im ganzen Sonnensystem, die ja natürlich meistens nicht vorhanden ist, aber die doch möglich ist, wo die verschiedenen Planeten so angeordnet sind, daß, wenn man ihre heutigen Namen zu den betreffenden Planeten hinzuschreiben würde, eine Raumanordnung sich ergäbe, die genau ent­spräche dem Schema des Tageslaufes des Menschen, wenn man den Moment des Aufwachens und des Einschlafens als den Mittelpunkt hier bezeichnet.

# Bild s. 74

So also können wir merkwürdigerweise in unser Planetensystem dieselben Verhältnisse einzeichnen, welche wir schematisch einzeichnen können in den Tageslauf des Menschen. Und da können Sie jetzt vorläufig eine Per­spektive gewinnen, daß der Anordnung unseres Planetensysteins gewaltige Kräfte zugrunde liegen können - wir sagen heute vorläufig: können -,

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welche das ganze große System, diese große Weltenuhr, so regeln im Raum, wie sich in der Zeit im Verlaufe von vierundzwanzig Stunden unser per­sönliches Leben regelt. Und es wird Ihnen dann der Gedanke nicht mehr absurd erscheinen, daß im Makrokosmos gewaltige, große Kräfte wirlilich analog sind den Kräften, die uns einschlafen und aufwachen machen, die uns während des Tages und der Nacht geleiten. Und aus einem solchen Ge­danken heraus ist in der alten Wissenschaft entstanden die ähnliche Benen­nung der Planeten mit den Kräften, die auf uns selber wirken, indem man sagte: Die Kraft, die da draußen im Makrokosmos, in der großen Welt den Mars herumtreibt um die Sonne, hat Ähnlichkeit, ist von verwandtem Charakte? mit derjenigen Kraft, die uns einschlafen macht. Diejenige Kraft, welche draußen im Makrokosmos die Venus herumtreibt, ist verwandt mit der Kraft, welche unsere Empfindungsseele während des Tages regelt. Der weit entfernte, daher schwach hereinwirkende Satum, er nimmt sich aus in seiner Wirkung im Raume des Sonnensysteins ähnlich wie jene schwache Kraft, die nur in besonderen Fällen zur Auswirkung kommt auf die Bewußt­seinsseele, die nur wirkt bei dem Nachtwandler. Und der der Erde ganz nahe stehende Mond, er wird von einer Kraft herumgetrieben um unsere Erde, welche ähnhch ist der Kraft, die uns selber regelt bei unseren bewußten Taten des Tageslebens, die eigentlich diejenigen sind, welche uns am aller­nächsten liegen. - Da haben Sie schon äußerliche Anhaltspunkte, daß die Raumesentfernung etwas bedeute, was sich in einer gewissen Beziehung ausdrückt in unserem eigenen zeidichen Menschenleben. Wir werden in viel tiefere Verhältnisse in bezug auf diese Dinge eindringen, heute sollte nur die Aufmerksamukeit darauf hingelenkt werden. Wenn Sie aber nur ober­flächlich in Betracht ziehen, daß der Saturn der am weitesten entfernte Planet ist, der die geringste Wirkung auf unsere Erde hat, so können Sie das damit vergleichen, wie die dunklen Saturnkräfte nur schwach wirken auf den schlafenden Menschen. Und dasjenige, was die nächste Kraft ist, was Kraft ist, die den Jupiter heruintreibt um die Sonne, das ist zum Beispiel auch etwas, was in bezug auf die Entfernung von der Sonne sich vergleichen läßt mit demjenigen, was ja auch verhältnismäßig selten in unser Leben hereintritt, die Traumeswelt. Da haben Sie ein merkwürdiges Entsprechen desjenigen, was Menschenleben ist, was Tagesmenschenleben ist, das wie ein Mikro-kosmos ist zu demjenigen, was sich draußen im Raume abspielt in der großen

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Weltenuhr, was als Kraft wirkt in dem Umtreiben der einzelnen Planeten um ihre Sonne im Makrokosmos, in der großen Welt.

Sie sehen daraus, daß in der Tat die Welt viel komplizierter ist, als man gewöhnlich glaubt, und daß wir, wenn wir in uns blicken als Menschen, tatsächlich nur dann zurechtkommen, nur dann unsere Menschlichl:eit be­greifen können, wenn wir alles dasjenige, was in unserer Menschlichkeit mit der großen Welt verwandt ist, in Betracht ziehen. Und aus dem Grunde, weil sie das gewußt haben, die Geistesforscher aller Zeiten, haben sie die entsprechenden Benennungen gewählt für die Erscheinungen und für die einzelnen Dinge der großen Welt, welche für dasjenige, was in uns selber, in unserer scheinbar so kleinen, in den Raum eingeschlossenen, in die Haut eingeschlossenen Welt, was in der Leiblichkeit des Menschen vorgeht.

Ich konnte Ihnen heute sozusagen nur von ferne hindeuten auf ein ge­wisses Entsprechen des Mikrokosmos des Menschen mit dem Makrokosmos, näiniich mit unserem Sonnensystem. Ich konnte Ihnen an etwas, was ja eine Äußerlichkeit ist, nämlich an einer schematischen Linie, die sich ein­zeichnen läßt in das Tagesleben des Menschen ebenso wie in das Sonnen­system, wenn die Planeten gewisse Stellungen haben, anschaulich machen, daß es auch da eine solche Entsprechung gibt. Wir haben gleichsam nur ganz von ferne hingedeutet auf Wesenheiten, die unseren Raum durch-wirken und die aus ihren Kräften heraus in einer ähnlichen Weise die Be­wegungen des Weltensysteins uhrmäßig regeln, wie geregelt ist der Gang der Zeiger unserer gewöhnlichen Taschen- oder Wanduhr im Sinne der äußeren physischen Weltverhältnisse. Wir haben nur einen Blick an die Grenzen jener Gebiete geworfen, wo wir hoflen können, daß sich uns er-schließen ganze Geisteswelten. Und sie werden sich uns erschließen, diese Geisteswelten. Wir werden die Aufgaben haben, in den kommenden Vor­trägen nicht nur das Gleichnis, gleichsam die Weltemizeiger als die Planeten kennenzulernen, sondern wir werden Gelegenheit haben, auf die Wesen­heiten selber hinzudeuten, welche den ganzen Gang des Sonnensystems in Bewegung gebracht haben, welche die Planeten uni die Sonne bewegen und welche verwandt sich zeigen mit demjenigen, was im Menschen selber vorgeht. Und so werden wir begreifen, wie der Mensch als Mikrokosmos, als kleine Welt herausgeboren ist aus dem Makrokosmos, der großen Welt.

DRITTER VORTRAG Wien, 23. März 1910

#G119-1962-SE077 - Makrokosmos und Mikrokosmos

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DRITTER VORTRAG

Wien, 23. März 1910

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Mit dem gestrigen Vortrage - das möchte ich bemerken, damit kein Mißverständnis entsteht - sollte nichts nach irgendeiner Richtung hin jetzt schon bewiesen werden, sondern es sollte am Schlusse nur darauf hingedeutet werden, daß aus gewissen Wahrnehmungen heraus die Geistesforscher der verflossenen Zeiten sich veranlaßt gesehen haben, mit gleichwertigen Namen gewisse Vorgänge und Dinge des Himmelsraumes oder unseres Planeten-systems zu bezeichnen und mit denselben Namen andere Vorgänge in unserem eigenen täglichen und nächtlichen Erleben. Es war also der Vor­trag mehr darauf berechnet, sozusagen Begriffe herbeizuschaffen, wie wir sie brauchen werden für unsere nächsten Darstellungen. Überhaupt müssen die Vorträge, die in diesem Zyklus gehalten werden, als ein Ganzes ange­sehen werden, und die ersten Vorträge sind in weitestem Umfange eigentlich dazu bestimmt, erst die Ideen und Begriffe herbeizutragen für die Erkennt­nisse der geistigen Wehten, die dann in den folgenden Vorträgen mitgeteilt werden sollen. Auch heute werden wir in gewisser Beziehung noch an Naheliegendes anknüpfen, um allmählich aufzusteigen zu fernerliegeuden geistigen Gebieten.

Wir haben in den ersten Zykhusvorträgen gesehen und konnten darüber auch schon einiges entnehmen aus den beiden öffentlichen Vorträgen, daß der Mensch in bezug auf seine innere Wesenheit, also in bezug auf dasjenige, was wir auseinandergehegt haben in das eigentliche Ich und den astralischen Leib des Menschen, in seinem Schlafzustand hebt in einer geistigen Welt und beim Aufwachen zurückkehrt in dasjenige, was während des Schlafzustandes im Bett liegenbleibt, in seinen physischen Leib und in seinen Äther- oder Lebensleib. Nun wird sich ja jedem, der das Leben betrachtet, bald zeigen, daß bei diesem Übergang aus dem schlafenden in den wachenden Zustand eigendich eine vollständige Änderung des Erlebens eintritt. Dasjenige, was wir erleben im wachenden Zustande, istja durchaus nicht eine Anschauung oder eine Erkenntnis, die wir gewinnen von den beiden Gliedern der mensch­lichen Natur, in die wir beim Aufwachen untertauchen. Wir tauchen unter in unseren Äther- oder Lebeusheib und in unseren physischen Leib, aber wir

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lernen sie während des Wachzustandes durchaus nicht so kennen, daß wir sie etwa von innen aus anschauen. Was weiß denn der Mensch im gewöhn­lichen Leben davon, wie von innen betrachtet sein Äther- oder Lebeusleib und sein physischer Leib aussehen. Das ist ja gerade das Wesentliche bei den Erlebnissen des Wachzustandes, daß wir unsere eigene Wesenheit, so wie sie in der physischen Welt drinnensteht, von außen betrachten und nicht von innen. Wir sehemi unseren eigenen physischen Leib mit denselben Augen von außen an, mit denen wir die übrige physische Welt ansehen. Wir betrachten unser eigenes Wesen während des Wachzustandes niemals von innen, son­dern immer nur von außen. Wir lernen uns also selber als Menschen im Grunde genommen nur von außen kennen, durch Anschauung, als ein Wesen der Sinneswelt. Wenn wir den Zustand genau ins Auge fassen, der sich als Übergangszustand vom Schlafen zum Wachen charakterisieren läßt, so müssen wir sagen: Wie wäre es denn, wenn wir nun wirklich beim Unter-tauchen in den Äther oder Lebeusleib und in den physischen Leib uns von mnneu betrachten würden? - Wir müßten dann etwas ganz anderes sehen. Was wir dann sehen würden, das würden die intimen Er]ebnisse sein, die der Mystiker sucht und auf die wir schon ein wenig hingedeutet haben. Der Mystiker sucht die Aufmerksamkeit von der äußerenWelt abzulenken, sucht zum Schweigen zu bringen alles dasjenige, was auf sein Auge eindringt, sucht wirklich hinunterzusteigen in sein inneres Wesen. Aber wenn wir von diesen Erlebnissemi des Mystikers zunächst absehen, so können wir sagen:

Wir sind im Leben davor behütet, in dieses unser inneres hineinzusehen, denn in demselben Moment, wo wir aufwachen, wird unser Blick abgelenkt auf die äußere Welt. - So daß also das Aufwachen so beschrieben werdcn kann, daß inan sagt: Statt daß wir uns von innen anschauen, wird im Moment des Aufwachens unser Blick abgelenkt auf die äußere Welt, auf den Sinnen­teppich um uns herum, und unser eigener physischer Leib gehört ja zu diesem äußeren Sinnenteppich, wenn wir ihn im Wachen betrachten. - Es entgeht uns also im wachenden Zustande die Möglichkeit, uns selber von innen aus zu betrachten. Es ist, wie wenn wir durch einen Strom geführt würden: Wenn wir schlafen, sind wir diesseits des Stromes, wenn wir auf­gewacht sind, sind wir jenseits des Stromes. Würden wir diesseits des Stro­mes etwas wahrnehmen können, dann würden wir, wie wir später sehen werden, unseren astralischen Leib und unser Ich beurteilen können; dann

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würden wir sie wahrnehmen, wie wir bei Tag die äußeren sinnlichen Gegen­stände wahrnehmen. Aber wir sind wiederum davor behütet, dieses unser inneres im Schlafzustand wahrzunehmen, denn wenn wir einschlafen, er­lischt die Möglichkeit des Wahmehinens, es erlischt das Bewußtsein.

So ist tatsächlich eine scharfe Grenze gezogen zwischen unserer inneren und unserer äußeren Welt. Die überschreiten wir mit dem Einschlafen und Aufwachen, aber keine Grenzüberschreitung können wir machen, ohne daß uns eigentlich etwas entzogen wird. Wenii wir die Grenze überschreiten beim Einschlafen, so hört unser Bewußtsein auf, und wir können die geistige Welt nicht mehr beobachten. Beim Aufwachen wird unser Bewußtsein sogleich auf die äußere Welt abgelenkt, und wir können das Geistige, das uns selber zugrunde liegt, nicht mehr beobachten, denn es wird unser Be­wußtsein eben in Anspruch genommen von den äußeren Erlebnissen. Das­jenige, was wir da überschreiten, was uns das Geistige verdunkelt in dem Momente, wo wir aufwachen, was uns dieses Geistige nur erkennen läßt wie durch einen Schleier, das ist nichts anderes als etwas, was sich einschiebt zwischen unsere Empfmdungsseele und unseren Äther- oder Lebensleib und unseren physischen Leib. Da schiebt es sich hinein. Die letzteren zwei Glieder verdeckt uns etwas, und dasjenige, was uns sie zudeckt im Aufwachen, was uns da geistig nicht hineinichauen läßt, das nennen wir Empfindungsleib. Dieser ist die Ursache, daß wir den äußeren Sinnenteppich sehen. In dem Augenblicke, wo wir aufwachen, wird der Empfmdungsleib in Anspruch genommen von dem äußeren Sinnesteppich, und wir können nicht in uns selber hineinschauen. So stellt sich dieser Empfmdungsleib wie eine Grenze hin zwischen dem, was geistig der Sinnenwelt zugrunde liegt, und unser Erleben.

Wir werden sehen, daß das notwendig ist für das menschiiche Leben, denn dasjenige, was der Mensch sehen würde, wenn er durch diesen Strom bewußt bindurchgehen würde, das kann der Mensch im normalen Verlaufe seines Lebens zunächst nicht sehen. Warum kann er es nicht sehen? Er kann es deshalb nicht sehen, weil er es nicht aushalten würde, weil er sich erst vorbereiten muß, es zu sehen. Und die mystische Entwickelung besteht eigentlich nicht darin, daß man mit Gewalt eindringt in die Welt unseres eigenen Äther- oder Lebeusleibes und unseres physischen Leibes, sondern sie besteht darin, daß nian sich erst vorbereitet, daß man sich erst reif macht,

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dasjenige zu sehen, was man dann sehen kann, wenn man bewußt durch diesen Strom hindurchgeht. Was würde mit dein Menschen geschehen -darauf soll vorbereitend jetzt hingewiesen werden, der unvorbereitet hinab-tauchen wollte in sein Inneres, der also beim Aufwachen nichts sehen wollte, keine äußere Welt, der nicht die Aufmerksamkeit abgelenkt erhalten würde auf eine äußere Welt, sondern der eindringen wollte in seine eigene innere Welt, in dasjenige, was geistig unserem Äther- oder Lebensleib und unserem physischen Leib zugrunde liegt? Nun, mit einem solchen Menschen würde geschehen, daß er in seiner Seele erleben würde ein Gefühl mit einer unge­heuren Stärke, das man im gewöhnlichen Leben nur kennt in ganz geringer Abschwächung. Ein Gefühl, das man im gewöhnlichen Leben nur schwach kennt, das würde den Menschen überkommen, wenn er mit voller Aufmerk­salnkeit beim Aufwachen in sein Inneres hineinsteigen könnte. Aus einer Art Vergleichung werden Sie zunächst - und es soll wieder nichts bewiesen werden, sondern es sollen nur Begriffe gewonnen werden - den Begriff erhalten können von diesem Gefühl.

Es gibt im Menschen dasjenige, was man Schamgefühl nennt. Dieses Schamgefühl besteht ja darin, daß der Mensch, wenn er sich in seiner Seele schämt irgendeiner Sache, die Aufmerksamkeit der anderen ablenken will von dem betreflenden Dinge oder der betreffenden Eigenschaft, der ge­genüber er sich schämt. Dieses Schamgefühl für etwas, was im Menschen ist und was er nicht zur Offenbarung bringen will, ist eine schwache An­deutung von jenem Gefühl, das zu ungeheuerster Stärke wachsen würde, wenn der Mensch beim Aufwachen bewußt in sein eigenes Innere hinein-steigen würde. Es würde dieses Gefühl sich mit einer solchen Gewalt der menschlichen Seele bemächtigen müssen, daß der Mensch es über alles, was da ihm entgegentreten könnte, ausgegossen empfinden würde. Und vor allen Dingen, wenn er sich selber vergleichen würde mit demjenigen, was ihm da in der Welt wahrnehmbar wird, würde er mit diesem Scham­gefühl ein Erlebnis haben, das sich vergleichen läßt mit nichts anderem als:

er würde fühlen, wie wenn er in Feuer zugrunde gehen würde. Wie eine Art Verbrennen würde dieses Schamgefühl auf ihn wirken. Warum würde es so auf den Menschen wirken? Dieses Schamgefühl würde so auf den Menschen wirken, weil der Mensch empfinden würde in diesem Augen­blick, wie eigentlich sein physischer Leib und sein Äther- oder Lebeusleib

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im Verhältnis zu demjenigen, was er als Seelenwesen ist, vollkommen sind. Davon, wie der physische Leib und der Äther- oder Lebeusleib im Verhält­ms zu demjenigen, was der Mensch als Seelenwesen ist, vollkommen sind, kann man sich auch durch gewöhnliche Logik schon einen Begriff machen. Derjenige, der rein äußerlich durch die physische Wissenschaft durchdringt den Wunderban, sagen wir, des menschlichen Herzens oder des menschlichen Gehirns in allen Einzelheiten,ja, der nur meinetwillen durchdringt ein Stück des menschlichen Kuochensystems mit seinem wunderbaren Bau, der wird schon fühlen können, wie unendlich weise und vollkommen dieser mensch­liche Leib eingerichtet ist. Wenn man nur ein einzelnes Stück Knochen nimmt und es beobachtet in seinem feinen Netzwerk mit all seinen Balken, wie es eingerichtet ist in weiser Art, sagen wir zum Beispiel ein Stück Ober­schenkeiknochen, so sehen wir, daß die Balken so gefügt sind, daß mit dem geringsten Aufwand von Materie die größte Kraft erzeugt wird, die den Oberleib des Menschen trägt. Wenn man das nimmt und den wunderbaren Bau des menschlichen Herzens und Gehirns, dann kann man schon eine Ahnung erhalten von dem, was man erleben würde, wenn man das Ganze von innen durchschaut, wie es aus Weisheitsurgründen hervorgequollen ist. Und vergleicht man damit, was der Mensch als Seeleuwesen ist, das heißt, was er ist in bezug auf seine Genüsse, Leidenschaften und Begierden, so braucht man nur den Gedanken zu fassen, wie der Mensch eigentlich darauf aus ist, zu ruinieren den wunderbaren Bau des physischen Leibes. Er ent­faltet sein ganzes Leben lang seine Begierden, Triebe und Leidenschaften, und alle gehen im Grunde genommen darauf aus, den Wunderbau des physischen Herzens und Gehirns zu ruinieren. Dasjenige, was man im tri­vialen Leben beobachten kann, wenn der Mensch dadurch, daß er sich dem Genusse dieser oder jener Genußmittel hingibt, sein Herz und sein Gehirn zugrunde richtet, das sind ja sozusagen nur die trivialen Anfänge; wenn man ins feinere hineinsehen würde, so würde man das ganze Leben der Seele beobachten müssen als eine Zerstörungstätigkeit für den Wunderbau des menschlichen Äther- oder Lebeusleibes und des physischen Leibes. Das alles aber würde vor der nienschlichen Seele lebendig stehen, wenn sie bewußt hinabsteigen würde in ihren Äther- oder Lebeusleib und in ihren physischen Leib. Und es würde etwas ungeheuer Niederschinetterndes, etwas Auflösen-des für den Menschen haben, wenn er nun bewußt vergleichen könnte,

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was er in seiner Seele ist und was die weise Weltenftarung aus demjenigen gemacht hat, in das er jeden Morgen bei dem Aulwacheu hinuntertaucht. Daher wird er davor behütet, in bewußter Weise hinunterzusteigen in den Weisheitsbau, in den geheimnisvollen Bau seines Innern, er wird abgelenkt auf das, was sich als äußerer Sinnesteppich vor seinen Sinnen den ganzen Tag über ausbreitet. Er kann nicht hineinschauen in sein Inneres.

Aus dem Vergleich der menschlichen Seele mit demjenigen, was sie wahrnehmen würde, wenn sie geistig wahrnehmen würde, was zugrunde liegt dem physischen und Äther- oder Lebeusleib, aus diesem Vergleich würde sich ergeben eben dasjenige, was charaktetisiert worden ist als Scham­gefühl. Und diesem Vergleich wird vorgearbeitet durch alle jene Seelen-erlebnisse, die der Mystiker durcbmacht, bevor er fähig wird, hinunterzu­steigen in sein Inneres. Es sind namentlich die Erlebnisse des Mystikers, die in seiner Seele hervorrufen den denkbar stärksten Vorsatz, seine Seele selber als unbedeutend, als schwach zu empfinden, als so zu empfinden, daß sie einen unendlichen Weg der Vervollkommnung vor sich hat, um das zu erreichen, was erst einen Vergleich möglich erscheinen läßt mit dem weis­heitsvollen Bau, in den sie eindringt beim Aufwachen. Daher muß der Mystiker namentlich die Empfindungen der Demut und der Vervoll­kommnungssehnsucht auf seine Seele wirken lassen, damit sie ihn vorberei­ten, den Vergleich dadurch auszuhalten, daß er sich sagt: Gewiß, jetzt, wenn ich das anschaue, was ich bin im Vergleich zu demjenigen, was die weise Welteulenkung aus mir gemacht hat, muß ich vor schmerzlicher Scham fast im Feuer verbrennen. - Dasjenige, was das Schamgefühl erzeugt, ist ja im Äußeren die Schamröte. Diese würde aber zu einer solchen Stärke auswach­sen, daß sie wirklich ein seelisch brennendes Feuer würde, wenn nicht der Mystiker das durchmachen würde, um sich reif zu machen, so daß er sich sagt: Nun ja, jetzt fühle ich mich so gering als möglich gegenüber demjeni­gen, was ich werden kann, aber ich versuche in mich die starke Kraft hineinzuentwickeln, die mich fähig machen wird, wirklich auch als geistiges Wesen dem zu entsprechen, was die weise Welteulenkung in meine Leib­lichkeit hineingebaut hat. - So empfindet der Mystiker. Und wenn man nur einige Gefühle von ihm schildert, dann kann man etwa das folgende sagen. Man kann sagen: Dem Mystiker wird begreiflich gemacht von dem geistigen Lehrer, daß er zunächst fühlen muß ein Gefühl der Demut, das

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sozusagen bis ins Unendliche geht. - Dieses Gefühl läßt sich etwa so schil­dern. Man kann demjenigen, der angehender Mystiker ist, sagen: Sieh dir einmal die Pflanze an. Diese Pflanze wurzelt in dem Boden. Der Boden bietet ihr ein Reich dar, das niedriger ist als das Pflanzenreich. Die Pflanze kann aber nicht leben ohne dieses Reich, das zunächst für ein niedrigeres genom­men werden muß. Wenn die Pflanze sich hinunterneigt zu dem minerali­schen Reich, dann kann sie sagen: Diesem niedrigeren Reich, aus dem ich hervorgewachsen bin, dem verdanke ich mein Dasein. - Aber dann kann der Mensch allmählich aufsteigen und kann, indem er auf das Tier blickt, sich sagen: Das Tier verdankt dem Pflanzenreich das Dasein. Es müßte, wenn es seiner Stellung im Weltenbau sich bewußt werden würde, in Demut sich zum niedrigeren Reiche herniedersenken und sagen: Dir verdanke ich mein Dasein. - Und so der Mensch, der auf einer gewissen Höhe angelangt ist; er müßte sagen: Eigentlich könnte ich diese Stufe nicht erreicht haben, wenn nicht alles dasjenige, was unter mir ist, sich in der entsprechenden Weise entwickelt hätte. -Wenn der Mensch solche Gefühle auf seine Seele wirken läßt, dann kommt in sie die Stimmung, wie er eigentlich allem nach, was er ist, Grund hat, nicht nur zu irgend etwas von dem, was ihn äußerlich um­gibt, aufzublicken, sondern hinunterzublicken zu dem, was unter ihm ist, und mit Dank zu schauen auf dasjenige, was unter ihm ist. Wenn das so recht in der Seele sich verbreitet, was man die Erziehung zur Demut nennen kann, dann wird die Seele durchflosseu und durchdrungen von diesem Demutsgefühl, das zuletzt wirklich empfindungsgerniß dazu führt, sich so zu denken, daß man einen unendlichen Weg vor sich hat. um voll­kommener zu werden.

Alles, was jetzt gesagt worden ist, kann nicht erschöpft werden mit Be­griffen und Ideen. Wenn man das könnte, dann wäre der Mystiker bald fertig. Aber es läßt sich nicht erschöpfen mit Begtiffen und Ideen, sondern es läßt sich nur erleben. Nur derjenige, der immer wieder und wiederum erlebt solche Gefühle, die aus dem Vergleich mit untergeordneten Wesen stammen, der verbreitet über seine Seele die Gruudstimmung, die not­wendig ist für den Mystiker.

Dann muß der Mensch jenes Gefühl entwickeln, welches ihn befähigt, dasjenige, was sich ihm in den Weg stellen kann, wenn er vollkommener und immer vollkommener werden will, zu ertragen. Ergebenheitsgefühl

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muß er demgegenüber entwickeln, was er ertragen soll, um sich einer ge­wisseu Stufe der Vollkommenheit zu nähern. Es muß durch lange Zeiten ein solcher, der Mystiker werden will, in sich das Gefühl ausbilden, daß man nur durch Überwindung von Leid die starken Kräfte entwickelt, die man braucht, um die Seele aus jenem Zustand herauszubringen, in dem sie sich schwach fühlen muß gegenüber demjenigen, was eine weise Welten-lenkung in den Äther- oder Lebeusleib und in den physischen Leib gelegt hat. Da muß die Seele auf sich wirken lassen jene Empfindung, durch die sie sich immer wiederum sagt: Wenn auch noch so viel Schmerzen mich treffen werden, ich will aufrecht stehen ihnen gegenüber, ich will nicht wanken; denn wenn ich nur das genießen würde, was mir das Leben an Glück bringt, dann würde ich niemals die starke Kraft, die die menschliche Seele ent­wickeln kann, wirklich entwickeln. - Kräfte werden durch die Überwin­dung von Hindernissen erlangt, nicht dadurch, daß man einen Zustand ein­fach hinnimmt. Nur dadurch werden die Kräfte gestählt, daß man sie au-spannt in der Überwindung von Hindernissen, daß der Mensch bereit ist, Leid und Schmerz mit Ergebung zu ertragen. Das ist etwas, was der Mystiker in seiner Seele entwickelt, wenn er sich bereit machen will, hinunterzustei­gen in das eigene Innere.

Das alles, was da durchzumachen ist, kann selbstverständlich der Mensch im normalen Leben nicht durchniachen, und niemand darf glauben, daß an den gewöhnlichen Menschen das Ansinnen gestellt wird durch irgend­eine Geisteswissenschaft, daß er solche Übungen durchmacht. Dasjenige, was hier geschildert wird, ist nicht etwas, was Forderungen aufstellt, sondern es geschieht, um zu erzählen, was diejenigen, die freiwillig eine Summe von solchen Erlebnissen auf sich nehmen, aus ihrer Seele machen können. Sie können aus ihrer Seele machen ein Wesen, das fähig ist, hinunterzusteigen in dieses menschliche Innere. Im normalen Verlauf des Lebens stellt sich aber zwischen das, was man als Mystiker erleben kann im Innern, und das, was man wirklich in der äußeren Welt erlebt, der Empfindungsleib des Menschen hinein und behütet den Menschen davor, daß er unvorbereitet in sein Inneres hineinsteigt und sozusagen vor Schamgefühl verbrennen würde. Dieses, was da den Menschen behütet, unvorbereitet in sein Inneres hineinzusteigen, kann er natürlich im normalen Verlauf des Lebens nicht erfahren, denn da dringt er schon an die Grenze der geistigen Welt. Diese

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Grenze der geistigen Welt muß der Geistesforscher, der in das menschliche Innere hineinschauen will, allerdings überschreiten. Der Geistesforscher muß also lundurchschreiten durch den Strom, der das gewöhnliche, normale menschliche Bewußtsein ablenkt von dem Inneren auf das Äußere. Dieses gewöhnliche, normale menschliche Bewußtsein wird behütet, in einem un­reifen Zustand hineinzugelangen in das nienschliche Innere, wird behütet davor, im Feuer der eigenen Scham zu verbrennen. Die Macht, welche da den Menschen jeden Morgen beim Aufwachen behütet, hineinzusteigen in das eigentliche Innere, kann der Mensch nicht sehen. Es ist die erste geistige Wesenheit, welcher begegnet der echte, wirkliche Geistesforscher; an der muß er vorbeikommen. Er muß vorbeikommen aujenerWesenheit, welche ihn dadurch behütet vor dem innerlichen Verbrennen, vor dem innerlichen Brande. Er muß vorbeikommen an derjenigen Wesenheit, die ablenkt sein Nach-innen-Schauen auf die Außenwelt, auf den äußeren Sinnenteppich. Die Wirkung dieser Wesenheit verspürt also das normale Bewußtsein. Sehen kann es sie nicht, denn es ist schon die erste geistige Wesenheit, an der wir vorbeikommen müssen, wenn wir in die geistige Welt eindringen wol­len. Und diese geistige Wesenheit, welche jeden Morgen beim Menschen steht und ihn davor behütet, in unreifem Zustand sein eigenes Innere geistig zu schauen, nennen wir in der Geisteswissenschaft den kleinen Hüter der Schwelle. An diesem kleinen Hüter der Schwelle vorbei führt der Weg in ihe geistige Welt hinein.

So haben wir zunächst an ganz naheliegenden Erlebnissen des Tages unser Bewußtsein hingeführt bis zu der Grenze, wo wir ahnen können, was der Geistesforscher sieht als den kleinen Hüter der Schwelle. Beschreiben wollen wir diesen kleinen Hüter der Schwelle später, denn wir wollen ausgehen von Bekanntem und allmählich dem Unbekannten uns nähern. Darnit also ist auch schon angedeutet, daß wir ja unser wahres Wesen eigentlich im Tagesbewußtsein, im Wachzustand gar nicht sehen. Und wenn wir unser eigenes Wesen im Sinne der beiden letzten Vorträge den Mikrokosmos nen­nen, die kleine Welt, dann können wir sagen: Wir sehen den Mikrokosmos eigentlich niemals in seiner wahren geistigen Gestalt, sondern wir sehen das­jenige, was uns eben unsere menschliche Wesenheit im normalen Zustand zunächst von diesem Mikrokosmos zeigt. - Es ist also wirklich etwas, was sich vergleichen läßt mit einer Art von Spiegelbild. Wie wir da unser Bild

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sehen und nicht uns selber, so sehen wir den Mikrokosmos, das eigentliche Wesen des Menschen, wenn wir im Tagesbewußtseia sind, nicht selber. Wir sehen ein Spiegelbild davon, wir sehen den Mikrokosmos im Spiegel­bild.

Sehen wir denn den Makrokosmos in seiner Wirklichkeit? Wenn wir uns jetzt erheben wollen - in einer anderen Weise als gestern - vom Mikrokos­mos zum Makrokosmos, dann können wir wiederum ganz naheliegende tägliche Erlebnisse vor unsere Seele hinstellen. Sehen wir jetzt ab von dem, was der Mensch an sich selber erlebt im Verlaufe von vierundzwanzig Stun­den; sehen wir auf die trivialsten Erlebnisse hin, die der Mensch in der sinn­lichen Außenwelt erlebt. In der sinnlichen Außenwelt erlebt der Mensch auch einen Wandel zwischen Tag und Nacht, nur tritt ihm der jetzt in der Außenwelt entgegen. Er erlebt, wie des Morgens die Sonne aufgeht, wie sie des Abends untergeht. Er erlebt, wie ihm das Sonnenlicht zunächst beleuch­tet all die Gegenstände um ihn herum. Was ist es denn, was der Mensch vom Sonnenaufgang zum Sonnenuntergang sieht? Im Grunde genommen sieht er die Gegenstände gar nicht, sondern er sieht das Sonnenhcht, das sie ihm zurückwerfen. Einen Gegenstand im Finstern sehen wir nicht, wie er sich darstellen würde, wenn er nicht beleuchtet ist. Nehmen wir das Auge als Repräsentanten für die übrigen Sinne. Einen Gegenstand, wie er sich dar­stellt, wenn nicht die Sinne geweckt sind, einen Gegenstand so in seinem unbeleuchteten Zustand kennt der Mensch zunächst nicht. Es wird am an­schaulichsten, wenn wir beim Auge bleiben. Der Mensch nimmt im Grunde genommen die Sonnenstrahlen wahr. Er nimmt nicht die Gegenstände wahr, sondern die reflektierten Sonnenstrahlen.Das geschieht vom Morgen bis zum Abend. Aber der Mensch sieht im Grunde genommen während des Tages nur in einer sehr unvollkommenen Art dasjenige, was die Ursache davon ist, daß er die äußeren Dinge sieht. Wenn Sie nur die äußeren Sinne nehmen, also für die Sonne das Auge, so finden Sie, daß, wenn Sie in die Sonne sehen, Ihr Auge geblendet wird. Sie werden die Sonne niemals in ihrem vollen Glanze wahrnehmen können. Dasjenige, dem Sie verdanken, daß Sie über­haupt bei Tag eine äußere Sinneswelt wahrnehmen, das blendet Sie, wenn Sie es direkt wahrnehmen wollen. Und das ist nur ein Bild, ein Gleichnis für die Art, wie wir uns zur äußeren Sinneswelt verhalten. Die Ursache, warum wir die Dinge wahrnehmen, sehen wir niemals. Wir sehcn die

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wahrgenommenen Dinge, können uns aber nicht zu demjenigen erheben, was uns die Dinge wahrnehmbar macht. Das blendet uns wie die Sonne, wenn wir sie als den Grund der Sichtbarkeit der Gegenstände wahrnehmen wollen. So geht es uns mit der äußeren Sonne während des Tages in einer ganz ähnlichen Weise, wie es uns beim Aufwachen mit unserem eigenen Inneren geht. Wir leben in unserem eigenen Inneren. Die Kräfte, die im eigenen Inneren sind, befähigen uns eben, zu leben und die Außenwelt wahrzunehmen, aber unsere Aufmerksamkeit wird abgelenkt von dem eige­nen Inneren auf die Außenwelt. So ist es mit der Sonne; sie befähigt uns, die Dinge wahrzunehmen, aber sie bleudet uns, wenn wir sie selber wahr­nehmen wollen.

Aber wir können auch alles, was mit der Sonne in einer gewissen Weise verbunden ist, was sonst zur Sonne gehört, während des Tages nicht wahr­nehmen. Wir nehmen das wahr, was unsere Erde uns zeigt in dem reflektier­ten Sonnenlichte. Wenn wir in den Weltenraum hinaussehen, so sehen wir das nicht, was wir gestern angeführt haben als zu unserem Sonnensystem gehörig. Zu unserem Sonnensystem gehört nicht bloß die Sonne, zu ihm gehören auch die Planeten. Ihr Anblick ist uns während des Tages entzogen. Die Sonne blendet uns also nicht nur für sich selbst während des Tages, sondern auch so weit, daß wir die Planeten nicht sehen können. Wir schauen in den Raum hinaus und wissen: Wenn da draußen auch die Planeten sind, die zu unserem Sonnensystem gehören, sie entziehen sich unserem Anblick, unserer Erkenntnis. - Wir können also sagen: Geradeso wie sich uns bei Tage unser eigenes Innere entzieht, wie sich uns bei Nacht die geistige Welt entzieht, wenn wir im gewöhnlichen Schlafzustand sind, so entziehen sich bei Tag, wenn wir den Blick hinausrichten und den Sinnesteppich über­schauen, die Ursachen für unser sinnliches Wahrnehmen. - Dasjenige, was eigentlich der Sonne zugrunde liegt, was die Sonne verbindet mit den übri­gen Körpern des Sonnensysteins, mit den Wesenheiten, die wir sehen in ihrem äußeren Ausdrucke, in demjenigen, was wir Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn und so weiter nennen,was da lebendiges Zusammenwirken ist zwischen der Sonne und diesen Körpern, das entzieht sich uns. Was wir wahrnehmen, ist eine Wirkung des Sonnenlichtes. Und wenn wir jetzt diesen Zustand vergleichen mit dem Zustand, in dem die Welt um uns ist in der Nacht vom Untergang der Sonne bis zum Aufgange, so können wir

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in einer gewissenWeise wahrnehmen, was zu unserem Sonnensystem gehört, wir können den Blick auf den wunderbar gestirnten Himmel hinausrichten. Dieser wunderbar gestirnte Himmel kann uns unter anderen Sternen den Anblick der Planeten darbieten, insoweit sie jeweilig sichtbar sind. Aber während wir dies, was zu unserem Sonnensystem gehört, am nächtlichen Himmel sehen können, entzieht sich uns die Sonne selber, ist für uns die Sonne unsichtbar. So daß wir sagen müssen: Dasjenige, was uns bei Tage unsere Sinneswelt sichtbar macht, das nimmt uns in der Nacht die Möglich­keit, es zu betrachten. Es entzieht sich uns, es hüllt sozusagen unsere ganze Sinneswelt ein in Unwahmehinbarkeit, und wir erblicken höchstens das­jenige, was zu unserer Sonne gehört, was an planetarischen Welten mit unserer Sonne selber verbunden ist.

Gibt es nun - diese Frage kann jetzt wiederum durch einen Vergleich auf­geworfen werden - eine Möglichkeit, sozusagen für den Nachtzustand etwas Ähnliches herzustellen, wie es der Zustand des Mystikers ist für das Hinab­steigen in die Inneuwelt, so wie wir es beschrieben haben? Gibt es etwas Ähnliches? Die heutige Zeit hat nicht viel Bewußtsein von diesem Ähnli­chen, das es da gibt. Aber es gibt dieses Ähnliche. Es besteht darin, daß der Mensch, wie der Mystiker gewisse Eigenschaften der Demut und der Er­gebenlieit entwickelt, gewisse andere Eigenschaften entwickelt, andere Eigenschaften, die wir etwa uns dadurch begreiflich machen können, daß wir zunächst die einfachste dieser Eigenschaften uns vor die Seele führen. Wir wollen wiederum von irgendeiner ganz einfachen Eigenschaft aus­gehen. Der Mensch hat sie im normalen Leben nur schwach, geradeso wie er das Schamgefühl nur schwach hat, aber er hat sie. Wenn der Mensch dieses Gefühl, das er im gewöhnlichen Leben nur schwach hat und das wir gleich charakterisieren werden, ins Ungeheure vergrößert, dann macht er sich in der Tat bereit, nächtlich etwas ganz anderes zu erleben als im nor­malen Bewußtsein. Und dieses Gefühl, das der Mensch da in sich entwickeln muß, ist das folgende. Sie wissen alle, daß wir im Frühling anders empfinden können als im Herbst. Eine gesund wirkende Seele wird im Frühling anders empfinden als im Herbst. Es wird eine gesunde Seele anders empfinden, wenn im Frühling die Knospen an den Bäumen hervorsprießeu und uns sozusagen das Versprechen geben von der Schönheit und Herrlichkeit des Sommers. Es ist etwas, was sich in unsere Seele gießt von aufwachender

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Hoffnung, wenn wir den Frühling herankommen sehen. Es ist dieses Gefühl schwach entwickelt bei dein gewöhnlichen normalen Menschen, aber es ist doch vorhanden. Und wenn wir dann dem Herbst zu leben, dann kann dieses Gefühl, das im Frühling da ist als Hoffnung für den Sommer, das wie ein Erwachen der Seele sich ausnimmt, sich verwandeln in ein Wehmuts­gefühl, wenn wir die Bäume sich entlauben sehen, wenn wir sehen, wie an Stelle jener Bäume unserer Umgebung, die uns den Sommer hindurch den wunderbaren Anblick von Blumensträußen gezeigt haben, kzhle kehr­besenartige Gebilde treten. Da verwandelt sich unser Seelenleben; es wird durchzogen von dem, was wir nennen können Wehmut des Herzens. Also wir kömien im Verlaufe des Jahres, wenn wir mitgehen mit den Erscheinun­gen des äußeren Lebens, einen Kreislauf in unserer Seele durchmachen. Und da beim Menschen diese Gefühle, die eben charakterisiert worden sind in dem Frühlings- und Herbstgefühle, im normalen Leben nur schwach ent­wickelt sind, so fühlt der Mensch auch die Steigerung des Frühlingsgeiühles, wenn es dem Sommer zugeht, nicht von selbst in entsprechendem Maße, und er fühlt nicht das Verwandeln der Wehmut des Herbstes in ein noch ganz anderes Gefühl, wenn die Erde völlig in ihrem Winterkleid um uns herum sich ausbreitet.

In solchen Gefühlen wurden einmal die Geistesschüler erzogen - und werden noch heute erzogen -, welche den entgegengesetzten Weg der Mystiker gehen wollen. Während der Mystiker in sein Inneres hinunter-geführt wird, wird derjenige, der das Gegenbild des Mystikers darstellen will, hinausgeführt in den Kreislauf der großen Natur und so erzogen, daß er mitlebt die Ereignisse der großen Natur. Seine Seele wird allmählich so behandelt, daß er dasjenige, was mm im gewöhnlichen Leben schwach fühlt im Frühling mit der aufwachenden Natur, in starkem Maße fühlt; daß er mitempfinden lernt das ganze Aufsprießen der Vegetation im Früh­ling. Wenn er sich da ganz hineinzuversetzen vermag, sich selbst zu ver­gessen vermag und mit der Frühlingsnatur mitzuleben vermag, dann wird dieses Erleben gegen den Sommer hin etwas ganz besonderes noch. Da wird es von der erwachenden Hoffnung im Frühling zu einem völligen Auf-jauchzen im Sommer. Dazu wird derjenige, der sozusagen ein umgekehrter Mystiker ist, erzogen: er wird in das Aufjauchzen in den Sommer hinein erzogen. Und wiederum, wenn der Mensch so weit ist, daß er in Selbstvergessenheit,

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ins höchste gesteigert, die Wehmut des Herbstes erlebt hat, dann kann er auch fähig werden, die Steigerung zu erleben gegen den Winter zu, die von der Wehmut bis zum Mitempfinden des Todes der ganzen Natur in der Wintermitte hin sich eben steigert.

So wurden unter anderem erzogen diejenigen Schüler, welche mitge­macht haben den Empfindungsunterricht in den alten nordischen Mysterien, die heute der Außenwelt schon nur mehr der Tradition nach, nur äußerlich bekannt sind. Da wurden die Schüler so erzogen, daß sie durch besondere Methoden lernten, den jährlichen Gang der Natur in ihrem Empfinden, in ihrem Fühlen mitzumachen. Und alles das, was dein Schüler zum Beispiel im Sommer zur Zeit der Johannisuacht gezeigt worden ist, das war etwas, was ein Mitjauchzen mit der ganzen Natur bedeutete. Die Johannisuacht war eine Feier, welche eben zeigen sollte diese Steigerung, die die erwachen­den Frühlingsempfindungen erleben können, wenn man zu der Stufe geht, den ganzen Sommer mit seiner Lebeusfülle mitzuerleben. Und was in der Winterwende erlebt wurde, wozu die Schüler da erzogen wurden, das war dasjenige, was sie mitempfanden als die hinsterbende Natur, unendlich steigernd das Gefühl des Herbstes.

So waren es Empfiiidungserlebnisse, die in der Tat in dieser Stärke kaum mehr von dem heutigen Menschen erlebt werden können. Denn der heutige Mensch ist durch die Fortschritte seines intellektuellen Lebens der letzten Jahrhunderte im wesentlichen unfähig gemacht jener großen, gewaltigen Erlebnisse, welche ursprünglichere Naturen, namentlich die ursprüngliche-ren Naturen des europäischen Festlandes, des europäischen mittleren Gebie­tes und der nördlichen und westlichen Gebiete Europas, durchmachen konnten in ihren besten Repräsentanten. Dann aber, wenn so etwas durch­gemacht worden war, zeigte sich in der Tat für diejenigen Menschen, die also ihre inneren Seelenerlebnisse gesteigert hatten, etwas sehr Eigentüm­liches. Sie erlangten eine bestimmte Fähigkeit. Wie der Mystiker die Fähig­keit hat, in sein eigenes Inneres hinunterzusteigen, so haben wir hier eine ganz bestimmte Fähigkeit. So sonderbar das auch klingt, es ist aber der Fall -ich schildere nur Dinge, welche unzählige Menschen erlebt haben und noch erleben können -: es erlebte die Seele die Fähigkeit, die Materie zu durch­schauen, das heißt nicht bloß das zu sehen, was man als Oberfläche wahr­nimmt, sondern durch diese hindurchzuschauen, vor allen Dingen die

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Fähigkeit, durch unsere Erde hindurchzuschauen, wenn die Erde sonst die Sonne der Außenwelt verdeckt.

Das nannte man in den alten Mysterien das Schauen der Sonne um Mitter­nacht. Allerdings konnte die Sonne in ihrer größten Fülle und Herrlichkeit nur dann geschaut werden, wenn man sich mit seiner Seele in der Winter­sonneuwende jenem Zustande genähert hatte, wo sozusagen der ganze äußere Sinnesteppich abgestorben war. Dann hatte man die Fähigkeit er­rungen, die Sonne jetzt nicht zu sehen als eine blendende Weseuheit, wie sie bei Tag erscheint, sondern alles Blendende an der Sonne war abgeschwächt zu schauen. Das Blendende an der Sonne hatte aufgehört, man sah über­haupt die Sonne nicht mehr als physische draußen, sondern als geistiges Wesen. Man sah dadurch, daß man diese Fähigkeit erlangt hatte, den Son­nengeist. Was als physische Wirkung wie eine Blendung wirkt für uns, war ausgelöscht durch die Materie der Erde. Diese war aber durchsichtig geworden, und sie ließ nur das Geistige der Sonne durch. Aber mit diesem Schauen der Sonne war etwas wesentlich anderes verbunden, mit diesem Schauen der Sonne zeigte sich jetzt etwas höchst Merkwürdiges. Es zeigte sich nämlich jetzt in seiner Wahrheit dasjenige, worauf wir gestern in ab­strakter Weise hingedeutet haben: daß tatsächlich eine lebendige Wechsel­wirkung besteht zwischen all dem, was zu unserem Sonnensystem gehört als Planeten, und der Sonne selber. Es zeigte sich, daß fortdauernd Ströme gehen von den Planeten zur Sonne und von der Sonne zu den Planeten. Kurz, es zeigte sich da draußen geistig etwas, was sich vergleichen läßt mit etwas im Leben, was jeder kennt, nämlich mit dem Zirknlieren des Blutes im menschlichen Leibe. Wie das Blut von dem Herzen zu den Organen geht und von den Organen wiederum zurück zum Herzen in lebendigem Kreis­lauf, wenn Sie sich das vorstellen als lebendigen Blutkreislauf, so zeigte sich die Sonne als der Mittelpunkt lebendiger Geistesströmangen, welche von der Sonne zu den Planeten und von den Planeten zurück zur Sonne fließen. Das Ganze, was wir sonst Sonnensystem nennen, zeigte sich als lebendiges geistiges System; wir erblicken dann in der Tat unser Sonnensystem als dasjenige, wovon das Äußere wirklich nur ein Gleichnis ist. Und alles, was sich da andeutet in den einzelnen Planeten, ist etwas, was hindeutet auf das große, geistige Erlebnis, das jetzt geschildert worden ist, wie die Uhr hin­deutet auf die äußeren Lebensverhältnisse, wenn sie die Zeit anzeigt.

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Was jetzt geschildert worden ist, was der Mensch erleben lernt dadurch, daß er seine Empfindungsfähigkeit steigert, das entzieht sich als das Geistige des Weltenraumes dem gewöhnlichen Tagesanblicke. Es wird auch dem nächtlichen Anblick verdeckt. Denn was sieht der Mensch in der Nacht mit semen gewöhnlichen Fähigkeiten, wenn er hinaufsieht in den Himmels-raum? Da sieht er im Grunde genommen ebenso nur die Außenseite, wie von seinem eigenen inneren Erleben, so daß dasjenige, was wir am Sternen-himmel sehen, der Leib ist eines Geistigen, das zugrunde liegt. Wie wir, wenn wir auf unseren Leib mit unseren Augen sehen, den äußeren Ausdruck des Geistigen in uns sehen, so sieht der Mensch, wenn er des Nachts den gestirn­ten Himmel sieht, allerdings einen wunderbaren Bau, aber dieser ist der materielle Leib des kosmischen Geistes, der sich durch diesen Leib ausspricht in seinen Bewegungen und in alledem, was uns als äußere Tatsache entgegen­tritt. Und wieder ist es so, daß für das gewöhnliche menschliche Bewußtsein sozusagen ein Schleier vorgezogen wird, ein Schleier sich ausbreitet vor alles das, was der Mensch sehen würde, wenn er geistig durchschauen würde, wie es jetzt geschildert worden ist, was sich ihm im Raume darbietet. Wie wir behütet werden vor unserem eigenen Innern, so werden wir im ge­wöhnlichen Leben behütet vor dem Schauen des Geistigen, das der äußeren materiellen Welt zugrunde liegt. Wenn wir im gewöhnlichen Leben stehen, so breitet sich eben das, was wir den Sinnesschleier nennen, aus vor dem, was geistig zugrunde hegt.

Warum geschieht dies nun? Es gibt wiederum ein Gefühl, das sofort auf­treten würde, wenn die Menschen das Geistige so ohne weiteres sehen wür­den, das sie erst nachjener Vorbereitung sehen sollen, die geschildert worden ist - die die entgegengesetzte Art ist vom Mystiker -, wenn sie ohne Vorbe­reitung herantreten würden an den Geist der großen Welt. Da würden sie das erleben, was man nur ausdrücken könnte mit dem Wort: verwirrender Schreck, oder schreckenvollste Verwirrung. Denn die Erscheinungen sind so großartig und gewaltig, daß die menschlichen Begriffe, die wir uns heute aneignen, wenn wir noch so viel erlernen, zunächst wahrhaftig nicht hin-reichen, um diesen verwirrenden Anblick vor sich zu haben, und der Mensch würde vor dieser schreckvollen Verwirrung von einem Gefühle ergriffen werden, das eine ungeheure Steigerung dessen ist, was der Mensch sonst nur schwach hat, von einer Steigerung des Angst- und Furchtgefühles in

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ungeheurem Maße. So wie der Mensch von Scham verbrannt werden würde, wenn er in sein eigenes Innere hinuntersteigen würde ohne Vorbe­reitung, so würde er, wenn er sich in die Außenwelt hineinleben würde ohne Vorbereitung, ertrinken vor der Furcht, weil er in ein Labyrinth ge­führt wird. Nur dann, wenn die Seele sich zunächst vorbereitet durch solche Begriffe, welche über das gewöhnliche Leben hinausführen schon im physi­schen Erleben, dann kann sie nach und nach eben sich vorbereiten auf den verwirrenden Anblick. Heute ist es ja durch das intellektuelle Leben nicht möglich - das wurde schon angedeutet -, daß der Mensch durchmacht, was eine ursprüngliche Bevölkerung vom nördlichen und westlichen Europa durchmachen konnte durch eine Steigerung der Frühlings- und Herbst-empfindungen, denn das intellektuelle Leben war in jener Zeit nicht so verbreitet wie heute. Heute denken die Menschen ganz, ganz anders als damals. Das Denken war dazumal noch nicht ausgebildet. Die Intellektuah­tät entwickelte sich erst nach und nach. Und mit der Entwickelung der Intellektualität ging für den Menschen auch die Möglichkeit verloren, solches durchzumachen. Aber der Mensch kann es in einer gewissen Bezie­hung im Spiegelbilde durchmachen, durchmachen auf eine indirekte Weise dadurch, daß er nicht diese Empfindungen an den äußeren Naturvorgängen selbst erlebt, sondern an den Schilderungen und Beschreibungen, welche ihm aus geistigem Schauen heraus über die große Welt in geistigen Zusam­menhängen gegeben werden.

Deshalb müssen heute in unserer Gegenwart allerdings solche Beschrei­bungen für die Menschen geliefert werden. Solche Beschreibung - ich sage das nicht aus Unbescheidenheit, sondern weil es gefordert ist -, solche Beschreibung ist zum Beispiel geliefert in dem eben erschienenen Buch «Die Geheimwissenschaft». Da wird etwas von der Welt geschildert, was man äußerlich nicht wahrnehmen kann, und zwar aus einer Grundlage heraus -wir werden das noch sehen -, aus der so etwas geschildert werden kann; es wird geschildert etwas, was der Welt geistig zugrunde liegt. Dasjenige wird geschildert, was eben der gesehen hat, der sich aufjene Weise vorbereitet hat, welche eben dargestellt worden ist. Nehmen wir nun an, ein solches Buch werde nicht gelesen wie ein anderes Buch - dazu ist es nämlich nicht da -, sondern es werde so gelesen, daß die Begriffe und Ideen, die darin ent­halten sind, Gefühle auslösen, daß man wirklich in der vollen Stärke empfindet,

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was da anspruchslos in Begriffen und Ideen gegeben ist. Man kann das so lesen, daß man die stärksten Empfindungserlebnisse durchinacht in der Seele. Dann sind diese Empfindungserlehnisse ähnlich, wie diejenigen waren, welche in jenen nordischen Mysterien Europas erlebt worden sind.

Wir finden zum Beispiel in diesem Buche eine Schilderung alter Ver­körperungen unserer Erde, finden geschildert einen Saturn-, einen Sonnen­und einen Mondzustand. Wenn Sie das, was als Schilderungen sich da findet, mcht lesen, wie man etwas Theoretisches liest, sondern, wenn Sie mit­gehen mit dem, was da geschildert ist, wenn Sie achtgeben, wie da geschil­dert ist, so finden Sie da einen Unterschied des Stiles bei der Schilderung des alten Satummizustandes und bei der Schilderung des Sonnenzustandes und bei der des Mondzustandes. Wenn Sie dies mitmachen, dann haben Sie in der Saturnschilderung etwas von dem, was Sie wiederfinden können in der Frühlingsstimmung, und Sie haben in der Sonnenschilderung etwas, was Sie wiederfinden können in der Sommerstimmung. Es ist nicht umsonst, daß das Buch so lange hat auf sich warten lassen, denn es ist Wert darauf gelegt, daß die Sonnenschilderung so ist, daß sie in uns Gefühle wachrufen kann, welche dazu angetan sind, ähnlich zu sein den Stimmungen der Johannisnacht. Und wiederum die Mondenschilderung ist dazu angetan, Herbststimmung hervorzurufen. Und wenn wir zu dem kommen, was als Erdenentwickelung geschildert ist, dann werden wir, wenn wir alles das beachten, wie dort der ganze Stil geformt ist, eine ähnliche Stimmung haben, wie die Stimmung sein kann, wenn es gegen den 21. Dezember zu geht, wenn es gegen den Winter zu geht, gegen die Wintersonnenwend­stimmung zu. Und es ist dort sogar an der richtigen Stelle hingewiesen auf das, was da während dieser Erdenstimmung sich ergibt, während der Weihnachtsstimmung. Das kann heute gegeben werden an Stelle dessen, was der Mensch heute nicht mehr durchmachen kann, weil er eben von einem Leben in der Empfindung von früher sich erhoben hat zur Intellek­tualltät, zum Denken. Daher muß heute im Spiegel des Denkens wiederum darauf zurückgewirkt werden, was Gefühl und Empfindung ist und was sich ursprünglich an der Natur selber entzündet hat. So müssen heute die Schriften abgefaßt sein, welche wirklich dasjenige geben sollen, was in der Geisteswissenschaft gegeben werden muß; sie müssen abgelesen sein in bezug auf ihre Stimmung dein Jahresgang des Weltenwerdens. Wenn man

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nur theoretisch schildert, dann ist das ganz sinnlos, dann führt das zu nichts anderem, als daß man die geistigen Dinge sich aneignet wie die Dinge eines Kochbuches. Der Unterschied liegt nicht darin, daß man andere Dinge schildert, sondern hauptsächlich in dem Wie, in demjenigen, wie die Dinge gegeben werden. Daraus werden Sie erst sehen, was unserer Geisteswissen­schaftlichen Bewegung zugrunde liegt, und daß aus gewissen Tiefen heraus die Dinge geholt sind; daß, wie es die Aufgabe unserer Zeit ist, auf dem Umwege durch die Gedanken wiederum die Gefühle entzündet werden müssen. Wenn Sie das beachten, dann werden Sie sich sagen: Es ist heute auch die Möglichkeit gegeben, tatsächlich etwas zu finden, was uns aus der Verwirrung wiederum herausbringt.

Was ist denn eigentlich das, was da die menschliche Seele empfängt aus dem Material, das sie selber hat? Nun, wenn der Mensch sich in das Laby­rinth der geistigen kosmischen Ereignisse begeben will und sich mit einem solchen Führer hineinbegibt, so ist das etwas, auf das uns prophetisch hinge­wiesen hat die Bevölkerung, die zuerst vorbereitet hat diese Dinge. In der nördlichen elementaren, ursprünglichen Bevölkerung waren noch lange die Fähigkeiten vorhanden, die große Schrift der Natur zu lesen, zu einer Zeit, als die Griechen sich schon zu einem höheren Standpunkt der Intellektualität entwickelt hatten. Und die Griechen mußten vorbereiten dasjenige, was wir heute in höherem Maße ausbilden müssen. Es hätte eine solche «Geheim-wissenschaft» zwar in Griechenland noch nicht geschrieben werden können, aber es ist in anderer Weise demjenigen, der sich hineinwagte in das Laby­rinth der geistigen kosmischen Welt, mit der griechischen Bildung die Möglichkeit gegeben worden, einen Faden zu haben, durch den er sich wiederum zurückfinden kann. Das wird uns in der Legende von jenem Theseus, der sich mit dem Faden der Ariadne in das Labyrinth begibt, ange­deutet. Für die heutige Zeit ist dieser Ariadnefaden nichts anderes als die Begriffe, die wir in der Seele über die übersinnliche Welt ausbilden. Es ist das geistige Wissen, das uns geboten wird, damit wir mit Sicherheit hinein­gehen können in diese geistige Welt des Mikrokosmos. So soll dasjenige, was uns heute in der Geisteswissenschaft geboten wird, was zunächst nur zur Vernunft spricht, ein Ariadnefaden sein, welcher uns über alle Verwir­rung hinweghilft, in die wir kommen könnten, wenn wir unvorbereitet hineinkommen in die geistige Welt des Makrokosmos.

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So sehen wir, daß in der Tat der Mensch, wenn er den Geist in der Außen­welt finden will, ein Gebiet durchschreiten muß, das er im normalen Leben unbewußt durchschreitet; er muß jenen Strom, der ihm das Bewußtsein nimmt, bewußt durchschreiten. Wenn dann der Mensch auf sich wirken läßt entweder das, was wir gezeigt habemi als Empfindungen, die aus dem Werden der Natur selber heraus entzündet werden, oder aus Empfindungen, die erzeugt werden durch Begriffe und Ideen, die wir eben charakterisiert haben, wenn der Mensch sich also entwickelt, dann erlangt er allmählich die Fähigkeit, furchtlos an jene geistige Macht heranzutreten, welche ja zunächst unwahrnehmbar ist. Geradeso wie der innere Hüter der Schwelle, so ist dieser zweite Hüter der Schwelle, der große Hüter, der äußere Hüter der Schwelle, der vor der großen geistigen Welt steht, unwahrnehmbar für das gewöhnliche Bewußtsein. Er wird immer mehr wahrnehmbar für den, der sich in der gehörigen Weise vorbereitet. So daß derjenige, der auf dem anderen Wege hinausschreitet in die große geistige Welt, in den geistigen Mikrokosmos, vorüberkommen muß an jener geistigen Wesenheit, furcht­los vor einerjeglichen Verwirrung, die ihn treffen könnte, vorüberkommen muß vor dem großen Hüter der Schwelle, der uns auch zeigt, wie unbe­deutend wir sind und wie wir neue Organe entwickeln müssen, wenn wir m diese große Welt, in den geistigen Makrokosmos hineinwachsen wollen. Mutlos und verzagt würde der Mensch dastehen, wenn er unvorbereitet in bewußter Weise an diesen großen Hüter der Schwelle herankäme.

Nun haben wir geschildert, wie der Mensch sozusagen eingeschlossen ist in zwei Grenzen. Aufmerksam gemacht darauf haben wir schon im letzten Vortrage; heute haben wir genauer geschildert, wie der Mensch einge­schlossen ist zwischen jene zwei Tore. Vor dem einen steht der kleine Hüter der Schwelle und an dem anderen der große Hüter der Schwelle. Das eine Tor führt in den Geist des menschlichen Inneren, in den Geist des Mikro­kosmos, das andere in den Geist des Makrokosmos. Nun müssen wir uns aber auch klar darüber sein, daß aus diesem selben Makrokosmos, in den wir also hineimigeführt werden, die Kräfte kommen, welche eigentlich uns selber aufbauen. Woher ist denn das genommen, was Material ist für unseren physischen Leib und für unseren Äther- oder Lebensleib? Dasjenige, was unseren physischen Leib aufbaut, was unseren Ätherleib aufbaut, alle die Kräfte, die da zusammenströmen, um dasjenige, was so weisheitsvoll ist,

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aufzubauen, all das tritt uns wirklich ausgebreitet in der großen Welt ent­gegen. Da tritt uns, wenn wir vorbeigegangen sind an dem großen Hüter der Schwelle, nicht nur Erkenntnis entgegen. Und das ist das Zweite, was wichtig ist. Bis jetzt habe ich nur aufmerksam machen können aufjene Er­kenntnis, die man sich erwerben kann. Wenn man aber die Erkenntnisse der großen Welt erworben hat, dann hat man noch nicht seinen Eingang gehal­ten in die Wirkungen und Kräfte. Denn aus den Erkenntnissen heraus könnte unser Leib nicht aufgebaut werden; er muß aus Kräften aufgebaut werden. Wir kommen also, wenn wir an dem großen Hüter der Schwelle vorbeigekommen sind, an diesem merkwürdigen geheimnisvollen geistigen Wesen, in eine Welt unbekannter Wirkungen und Kräfte hinein. Von dieser Welt muß man zunächst auch sagen, daß der Mensch nichts davon weiß, weil sich der Schleier der Sinneswelt davor ausbreitet. Das sind aber die Kräfte, die in uns hineinilieflen, aus denen zusammengeronnen sind unser physischer und unser Äther- oder Lebensleib.

Dieses ganze Zusammenspiel, die Wechselwirkungen zwischen der gro­ßen Welt und der kleinen Welt, von Wirkungen zwischen dem, was da drinnen ist, und dem, was da draußen ist und sich durch den Sinnesschleier verbirgt, sind enthalten in dem verwirrenden Labyrinth. Da treten wir in ein lebendiges Leben hinein. Dieses lebendige Leben ist das, was wir zu­nächst auch schildern müssen, und wir wollen morgen damit beginnen, daß wir den ersten Einblick erhalten in das, was der Mensch zwar nicht wahr­nehmen kann, was sich aber in ihm doch als Wirkungen zeigt, wie wir ge­sehen haben, wenn er durch das eine oder durch das andere Tor schreitet, wenn er vorbeikommt an dem kleinen Hüter der Schwelle und an dem großen Hüter der Schwelle.

VIERTER VORTRAG Wien, 24. März 1910

#G119-1962-SE098 - Makrokosmos und Mikrokosmos

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VIERTER VORTRAG

Wien, 24. März 1910

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Es ist gestern mit dem Hinweis geschlossen worden auf die beiden Grenzen, innerhalb welcher der Mensch mit seinem normalen Bewußtsein einge-schlossen ist, und wir wollen heute damit beginnen, in einer gewissen Weise hinauszudeuten in die Gebiete, welche jenseits dieser Grenzen liegen, welche der Mensch fmdet, wenn er durch die schon angedeutete und später in die­sen Vorträgen weiter auszuftihrende Entwickelung seiner Seele das eine oder das andere der Tore durchschreitet und hinwegkommt über das­jenige, was man den kleinen, was man den großen Hüter der Schwelle nennt.

Wir wollen heute zunächst einmal versuchen, damit zurechtzukommen, wie die Erlebnisse des Menschen sind, wenn er, vorbeikommend an dem kleinen Hüter der Schwelle, bewußt heruntersteigt in sein eigenes mensch­liches Innere. Wir wissen ja, daß dieses Heruntersteigen jeden Tag im ge­wöhnlichen Leben sich wiederholt, wenn wir aufwachen, und wir haben es schon hinlänglich betont, wie in diesem Moment des Aufwachens die Un-möglichkeit sich ergibt, wirklich dasjenige zu schauen, in was man sich da als in sein eigenes Inneres hineinlebt. Wenn man nun verstehen will, in was man sich da hineinlebt, dann ist es allerdings zuerst noch notwendig, daß man sich genau vor die Seele stellt etwas, was ja in den öffentlichen Vorträ­gen kurz schon angedeutet worden ist, was uns aber fehlen würde, wenn wir es nicht ganz genau einmal uns vor die Seele stellen würden. Es ist dasjenige, was mit der ganzen menschlichen Entwickelung zusammenhängt.

Wir wissen, daß der Mensch im Laufe seines Lebens sich von Stufe zu Stufe entwickelt. Schon in dem Leben, das wir ansehen als dasjenige, das verläuft zwischen der Geburt und dem Tode, macht der Mensch eine Ent­wickelung durch, die ihn führt von den anfänglichen Lebenszuständen, in denen er geringe Fähigkeiten und Kräfte hat, zu immer weiterer und weiterer Entfaltung von Fähigkeiten, von Talenten, von Kräften. Wie geschieht diese Entwickelung im gewöhnlichen Leben eigentlich? Nun, sie geht ja so vor sich, daß, wie wir schon betont haben, Einschlafen und Aufwachen dabei eine wesentliche Rolle spielen. Wenn wir das betrachten, was der Mensch m seiner Jugend von Tag zu Tag an Erlebnissen des Erlernens durchmacht,

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und wenn wir uns vorstellen, wie sich diese Erlebnisse des Erlemens umwandeln in Fähigkeiten, in Können, dann müssen wir blicken aufden Schlafzustand, der es allein möglich macht, daß sich Erlebnisse umwandeln in der nwnschlichen Seele zu Fähigkeiten, zu Kräften. Wir nehmenjajeden Abend, wenn wir emschlafen, wirklich aus dem Tagesleben etwas mit in unsere Seele hinein, und dasjenige, was wir da mitnehmen, was sich ergibt als die Früchte unserer Erlebnisse, das weben wir um während des Schlafes; wir formen es und bilden es um, so daß es gerinnt zu unseren Fähigkeiten und Kräften. Ein anschauliches Beispiel ist ja dieses, welches sich uns ergibt, wenn wir hinblicken darauf, wie wir in unserer Jugend von Tag zu Tag uns haben anstrengen müssen, sagen wir, um schreiben zu lernen. Da haben wir mancherlei Erlebnisse an unserer Seele vorüberziehen lassen. Alle diese Erlebnisse stehen uns keineswegs vor der Seele, wenn wir heute die Feder ansetzen und die Kunst des Schreibens ausüben, um unsere Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Was wir da erlebt haben an Versuchen, diese oder jene Buchstaben zu formen, ist gleichsam zusammengeronnen in die Fähig­keit des Schreibens. Und dasjenige, was uns alle diese von Tag zu Tag ver­laufenden Erlebnisse umgewandelt hat in die Fähigkeit des Schreibens, das sitzt im Grunde in unserer Seele, kann aber nur wirken in der richtigen Weise, wenn wir sozusagen nicht dabei sind.

Daraus können wir schon schließen, daß in unserer Seele etwas ist, was höher ist als all unser bewußtes Leben. Denn wenn wir alles dasjenige, was unsere Erlebnisse sind, bloß durch unsere eigenen Kräfte umwandeln woll­ten, dann würde beim heutigen normalen Menschen noch etwas Schönes zutage gefördert werden. Es sind höhere Kräfte in uns, als diejenigen sind, die wir handhaben mit unserem bewußten Leben. Diese höheren Kräfte treten in Tätigkeit, wenn wir im unterbewußten Zustand sind. In diesem nächtlichen Leben werden Erlebnisse in Fähigkeiten umgewandelt, und die Seele wird immer reifer und reifer gemacht. So arbeitet ein tieferesWesen in uns an unserer Fortentwickelung, und dieses Wesen empfängt beim Ein­schlafen die Erlebnisse des Tages und webt sie um, so daß sie uns dann zur Verfügung stehen als Fähigkeiten in einer späteren Lebensperiode. Wir bringen uns aber aus dem Schlafe noch viel mehr heraus, als bloß dasjenige, was wir erst selbst in diesen Schlafzustand hineinversetzt haben durch unsere bewußten Erlebnisse. Wir verbrauchen vom Morgen bis zum Abend

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Kräfte, indem wir unser Seelenleben vor uns hinzaubern. Diese Kräfte fühlen wir am Abend als verbraucht in der Ermüdung. Daß uns dasjenige, was wir während des Tages verbrauchen, in der Nacht zuffießt, das fühlen wir in der Erfrischung, die wir am Morgen erleben. So fließt uns aus dem Schlafleben heraus noch eine Summe ganz anderer Kräfte als diejenigen, die sich als Früchte aus dem ergeben, was wir uns erst selber im Leben erarbeitet haben. Mso es fließt uns aus unserem Schlafleben heraus eine ganze Summe von Kräften zu, die wir brauchen für unser Tagesleben.

So entwickeln wir uns von Stufe zu Stufe, aber wir wissen doch, daß diese Entwickelung eine bestimmte Grenze hat. Bei jedem Erwachen am Morgen finden wirja denselben physischen und Äther- oder Lebensleib vor, und wir wissen, daß wir im Grunde genommen auch wenig vermögen, durch unsere eigenen Kräfte, durch unsere eigenen Erwerbungen diesen physischen, die­sen Ätherleib umzuwandeln, zu höheren Gestaltungen hinaufzubilden. Es weiß zwar jeder, der ein wenig das Leben kennt, daß ja bis zu einem ge-wissen Grade die Möglichkeit vorhanden ist, auch bis in seinen physischen Leib hinein sich umzuwandeln. Wenn wir einen Menschen beobachten, der zehn Jahre damit verbracht hat, tieferen Erkenntniserlebnissen sich hinzu­geben, solchen Erkenntniserlebnissen, die nicht äußere Theorien bleiben, sondern eingreifen in das ganze Seelenleben, die den Menschen sozusagen zu etwas anderem machen, dann können wir nach zehn Jahren uns auch eine Vorstellung bilden, wenn wir ihn vergleichen in bezug auf seine äußere Physiognomie, wie sich hineingearbeitet haben die errungenen Erkenntnisse in die Züge seines Antlitzes, wie diese anders geworden sind. Da sehen wir, wie dasjenige, was in der Seele sich entwickelt, plastisch gestaltet auch an der äußeren Leiblichkeit. Aber wir sehen auch, in wie engen Grenzen das eigentlich eingeschlossen ist, und es muß in engen Grenzen eingeschlossen sein, denn wir treffen eben an jedem Morgen unseren physischen Leib und unseren Ätherleib in der Gestalt an, die ihnen im wesentlichen gegeben war mit den Anlagen, die sie bei der Geburt mitbekommen haben. An diesen Anlagen können wir wenig ändern. Während wir verhältnismäßig viel an unserer Seele, an der intellektuellen, an der geistigen Kraft, auch an der Willenskraft unserer Seele entwickeln können, können wir an der Umge­staltung unserer äußeren Hüllen, unseres physischen und Ätherleibes im Leben zwischen der Geburt und dem Tode eigentlich wenig ändern. Aber

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es müssen dennoch während des ganzen Lebens zwischen der Geburt und dem Tode innere Kräfte tätig sein, und diese Kräfte müssen fortwährend neu angefeuert werden, wenn das Leben fortgehen soll.Wir sehen ja im Moment des Todes, was aus dem physischen Menschenleib wird, wenn nicht an ihm arbeitet zwischen der Geburt und dem Tode der Äther- oder Lebensleib. Die eigentlichen physischen und chemischen Kräfte des physischen Leibes machen sich geltend von dem Moment des Todes ab. Da wirken sie zer­setzend und auflösend auf den physischen Leib. Daß dieses, was sonst in dem Moment des Todes mit dem physischen Leib eintritt, zwischen der Geburt und dem Tode nicht stattfmden kann, daran ist der Äther- oder Lebensleib mit seinen inneren Kräften schuld. Der ist in der Zeit zwischen der Geburt und dem Tod ein treuer Kämpfer gegen den Zerfall des physischen Leibes. In jedem Momente wäre unser physischer Leib bereit zu zerfallen, wenn ihm nicht neue Kräfte aus dem Äther- oder Lebensleib heraus zuge-führt würden. Dieser Äther- oder Lebensleib aber wiederum erhält das­jenige, was er braucht, aus noch tiefer liegenden inneren Kräften, aus dem­jenigen, was wir nennen den astralischen Leib, den Träger von Lust und Leid, von Freude und Schinerz und so weiter, so daß immer an dem ent­sprechenden äußeren Leib arbeitet und baut der entsprechende innere Leib. Es wird also dajenige, was äußerlich sichtbar ist, an uns fortwährend dennoch unterhalten von den inneren Kräften. Wie da gearbeitet wird, wie der astra­lische Leib arbeitet an dem Äther- oder Lebensleib, wie wiederum der Äther-leib an dem physischen Leib arbeitet, das ist es ja gerade, was der Mensch sehen müßte, wenn er beim Aufwachen bewußt hinunterstiege in seine Leiblichkeit, und was sich ihm entzieht dadurch, daß sein Blick bei diesem FIlneinsteigen abgelenkt wird auf die äußeren Dinge und Geschehnisse.

Nun aber kann der Mensch dadurch, daß er seine Seele allmählich so ent­wickelt, daß er den Moment des Aufwachens, also das Ilineinsteigen in seine Leiblichkeit, bewußt zu erleben vermag, sich in einer gewissen Weise Kennt­nis davon verschaffen, was da in seinem Inneren wirkt und lebt, was da schafft und bildet. An dem innern Triebwerk unserer eigenen Menschlich­keit werden wir teilhaben, wenn wir uns - und jetzt sei das Wort im besten Sinne gemeint - mystisch in unser eigenes Inneres zu versenken vermögen. Was müssen wir denn da erreichen - wie wir es erreichen, davon später -, wenn wir so bewußt hinuntersteigen wollen in unser eigenes Innere? Da

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müssen wir gerade das erreichen, daß uns beim Aufwachen die äußeren Ein­drücke zunächst nicht stören. Wir müssen uns so vorbereiten, daß wir im­stande wären aufzuwachen, ohne daß im Moment des Aufwachens an unsere SeeJe herantreten die Eindrücke der Augen, die Eindrücke der Ohren und so weiter. Wir müssen uns in die Möglichkeit versetzen, aus einem anderen Bewußtseinszustand, wie er im Schlaf gegeben ist, uns hineinzuleben in das Weltendasein, in dem wir sonst leben, aber so hineinzuleben, daß wir allen Eindrücken Stillstand gebieten. Wenn wirso allen äußeren Eindrücken Still­stand gebieten,dann kommen wir vorbei an dem kleinen Hüter der Schwelle. Wie er sich ausnimmt, werden wir gleich nachher besprechen. Wir wollen jetzt für den Augenblick annehmen, wir wären an ihm vorbeigekommen, wir wären durch das Tor eingetreten, das in unser eigenes Innere führt. Wenn wir so eingetreten sind, dann lernen wir als echte, wahre Mystiker etwas kennen, wovon wir uns vorher allerdings keinen Begriff gemacht haben. Denn seien Sie sich doch darüber klar, daß zunächst die äußerlichen Beschreibungen, die in den Handbüchern gegeben werden von dem astrah­schen Leib, von dem Äther- oder Lebenileib, ja auch von dem physischen Leib, wenn er von innen gesehen wird, doch nicht viel mehr sind als ganz annähernde Beschreibungen, die im Grunde genommen zwar hindeuten können auf dasjenige, um was es sich handelt, daß aber eine wirkliche Er­kenntnis dessen, was da als astralischer Leib, als Ätherleib und als physischer Leib, in die wir hineinsteigen beim Aufwachen, vorliegt, doch erst möglich ist, wenn man geduldig lange Zeit von den verschiedensten Seiten den großen Wahrheiten sich nähert. Und so wollen wir denn heute von einer ganz bestin,,nten Seite versuchen, in diese Geheimnisse einzudringen.

Wenn der Mensch also zunächst dasjenige nicht zu sehen braucht, was von außen auf ihn wirken kann, dann lernt er etwas, sagen wir, gefühls­mäßig kennen; er lernt gefühlsmäßig kennen, daß dasjenige, was man ge­wöhnlich die Seele nennt, doch noch etwas ganz anderes ist, als was der gewöhnlichen Vorstellung von der Seele entspricht. Er lernt kennen, daß diese Menschenseele eigentlich etwas Kleines ist, daß sie aber vergleichbar ist mit etwas Großem, und daß die einzelnen Fähigkeiten, welche die mensch­liche Seele haben und innerhalb welcher sie sich entwickeln kann, gering sind gegenüber denjenigen Fähigkeiten, die jenes Große hat, dem die menschliche Seele sich ähnlich fühlen kann. Und man lernt kennen bei diesem

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Hineinsteigen in sein eigenes Innere, daß man wirklich aus einer Realität herausgekommen ist mit dem Aufwachen, daß man vom Einschlafen bis zum Aufwachen in einer anderen Welt war, in einer Welt, in welcher es Wesenhaftes gibt, was unserer Seele selber ähnlich ist, was aber alles viel größer, viel gewaltiger hat an Eigenschaften und Fähigkeiten, was unsere Seele selber hat. So recht klein fühlt sich diese Menschenseele im Moment des Aufwachens, wenn sie an dem Hüter der Schwelle vorbeigekommen ist. Da kann sie sich sagen: Ja, klein bin ich wahrhaftig, denn hätte ich jetzt m diesem Moment des Aufwachens nichts in mir, als was ich mir selber geben kann, wäre ich nicht ausgeflossen und ausgegossen gewesen in große, gewaltige Welten, welche ähnliche Fähigkeiten haben wie ich selber, nur ms Unendliche gesteigert, und hätten diese nicht in mich einströmen lassen dasjenige, was ich brauche, oh, ich würde mich jetzt ziemlich ratlos be­nehmen, wenn ich da meinem eigenen Inneren gegenübertreten sollte. -Diese Seele merkt jetzt, daß sie dajenige braucht, was die ganze Nacht hin-durch eingeströmt ist; sie merkt jetzt, daß in sie eingeströmt ist, was Ähn­lichkeit hat mit ihren eigenen drei Grundkräften.

Welches sind diese drei Grundkräfte der Seele? Sie sind erstens dajenige, was man denWillen nennt; alles, was willensartig ist, ist die eine Grundkraft der Seele, diejenige, welche uns anleitet, dieses oder jenes zu wollen im Leben. Die zweite Grundkraft der Seele ist dajenige, was Gefühl ist, die­jenige Kraft, die es zuwege bringt, daß unsere Seele von dem einen angezo-gell, von dem anderen abgestoßen wird, über das eine Freude, über das andere Schmerz empfindet. Und die dritte Grundkraft ist das eigentliche Denken, die Möglichkeit, zu Vorstellungen über die Dinge zu gelangen. Das sind die drei Grundkräfte der menschlichen Seele. Und wir wissen ja auch, daß diese drei Grundkräfte das eigentlich Wertvolle sind, dasjenige, was wir im Leben zwischen der Geburt und dem Tode ausbilden können. Wenn wir unseren Willen immer mehr und mehr ausbilden, immer stärker und stärker machen, dann werden wir Menschen, welche kraftvoll ins Leben einzugreifen vermögen. Wenn wir unsere Gefühle immer mehr und mehr ausbilden, dann werden wir Menschen, die mit immer größerer und größerer Sicherheit zu beurteilen vermögen, was in der Welt richtig oder unrichtig ist, indem wir das Richtige, das Gerechte mit Lust empfinden, das Unrichtige, das Ungerechte aber mit Schmerz. Und wenn wir unser Denken

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ausbilden, so werden wir immer mehr und mehr fähig, das zu entwickeln, was wir nennen ein weisheitsvolles Verstehen der Welt, wodurch wir uns mit Weisheit hineinfinden in die Erscheinungen der Welt. Das geschieht unser ganzes Leben hindurch zwischen der Geburt und dem Tode, daß wir an diesen drei Grundkräften der Seele arbeiten.

Wenn wir nun aber des Morgens in jenem Zustand aufwachen, der be-schrieben worden ist, wo wir an dem Hüter der Schweile vorbeigekommen sind, dann merken wir, daß alles dasjenige, was wir in unserem Leben an Willen, an Gefühl, an Denken in uns entwickeln können, eine Kleinigkeit ist gegenüber der Kraft der Gedanken, der Kraft des Fühlens und der Kraft des Wollens, die in der geistigenWelt ausgebreitet sind, aus der wir am Morgen herauskommen im Moment des Aufwachens, und wir merken, daß wir das brauchen, was wir in der Nacht eingesogen haben, denn wir würden nicht weit kommen, wenn wir nur dasjenige an Gedanken und Gefühlen und an Wollen entwickelten, was wir durch das Tagesleben entwickeln können. Da muß uns wie eine Gabe aus geistigen Welten, aus den höheren Kräften des Weltendenkens, des Weltenfühlens, desWeltenwollens die ganze Nacht über zuströmen dasjenige, was nun mit uns in unser eigenes Innere hinuntersteigt. Und dann merken wir etwas sehr Eigentümliches. Wenn wir uns zuerst be­wußt geworden sind: Wir haben eingesogen in unsere Seele Weltenwollen, Weltenfühlen, Weltendenken - dann merken wir, daß diese drei Grund-kräfte nicht dasjenige sind, was wir uns selber aus dem Leben angeeignet haben an Denken, Fühlen und Wollen, sondern etwas, was ohne unser Zutun uns zuströmt vom Einschlafen bis zum Aufwachen.

Indem wir mit unserer Seele, die sich gleichsam vollgesogen hat mit die­sen Eigenschaften, untertauchen in unsere eigene Leiblichkeit, merken wir, daß sich diese Grundkräfte verwandeln und ein anderes Gesicht bekommen. Und zwar merken wir, daß sich dasjenige, was wir in einem schwachen Ab-bilde als Willen unserer Seele kennen, was wir uns aber mitbringen aus einem viel Größeren heraus, aus einem unendlichen Maß von Weltenwillen, daß sich das im Einströmen verwandelt in etwas, was wir nennen können in unserer eigenen Seele dasjenige, was uns möglich macht, überhaupt beweg­liche Wesen zu sein, die aus ihrem Inneren heraus die Fähigkeit haben, die Glieder zu bewegen im kleinen und im großen. Es strömt in uns ein die Möglichkeit und die Fähigkeit, die wir äußerlich zutage treten sehen, wenn

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wir einen Menschen sehen, der die Arbeit des Tages mit seinen Bewegungen verrichtet. Was da in uns hineinströmt, was wir aus dem Weltenwillen her­ausnehmen, das wird äußerlich sichtbar in der Bewegung unserer Glieder, in unserer gesamten Beweglichkeit. Es wird dasjenige, was Weltenwille ist, in uns als Kraft, als innere, uns erfüllende Kraft zum Vorschein kommen. Wir sehen jetzt, wie tatsächlich die uns durchsetzende Kraft, die wir sonst nur seelenhaft verspüren, uns aus dem Weltenwillen heraus zuströmt. Jetzt wird es für uns eineWahrheit, daß derWille derWelt uns durchströmt und daß wir nur dadurch bewegliche Menschen sind, Menschen, die ihre Glieder bewegen können, Menschen, die Selbsttätigkeit haben, daß uns am Morgen zufließt Weltenwille, den wir eingesogen haben in unsere Seele im Schlaf-zustand, und daß wir diesenWeltenwillen, der in uns einströmt ani Morgen, während des Tages verbrauchen. Das fühlen wir eben nicht im gewöhn­lichen normalen Leben. Aber wenn wir an dem Hüter der Schwelle vorbei­gekommen sind, dann fühlen wir fortwirken in uns selber den ganzenWillen des Makrokosmos, da fühlen wir uns einheitlich mit dem Makrokosmos zusammengewachsen. Es ist ein unendlich bedeutsames Gefühl, das wir da durchmachen. Wie verbunden, wie eingeschaltet in den gesamten Welten-willen fühlen wir uns in diesem Momente.

Dasjenige aber, was wir im gewöhnlichen Seelenleben kennen als die Kraft des Fühlens, das haben wir aus einem gleichsam unendlichen Reservoir von Weltenfühlen herausgesogen, und das strömt jetzt in uns ein. Und das verwandelt sich merkwürdigerweise so, daß es für den, welcher zu diesem Zustand gekommen ist, innerlich so sichtbar wird in seiner Verwandlung, wie wenn ihn in diesem Weltengefühl etwas durchströmte, was sich, wenn man es vergleichen will mit etwas im Leben, nur vergleichen läßt mit dem­jenigen, was man Licht nennt. Wie wenn wir innerlich durchleuchtet wür­den, so ist es, wenn man hinblickt auf dasjenige, was in uns einströmend sich ergibt als die Wirkung des nachtlich auf enommenen Weltengefuhls Das einströmende Weltengefühl wird Licht in uns, inneres Licht, das äußerlich nicht als Licht sichtbar ist zunächst, wenn der Blick nicht hellseherisch ge­worden ist. Aber der Mensch sieht dann, wenn er an dem kleinen Hüter der Schwelle vorbeigekommen ist, daß tatsächlich dasjenige, was er braucht in seinem inneren Erleben, das Licht, nichts anderes ist als ein Ergebnis dessen, was er in der Nacht eingesogen hat als Weltengefühl. Damit sagen wir schon,

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wie der Mensch, wenn er hingegeben ist seinem eigenen Inneren, über seine Seele etwas ganz Neues erfährt. Er erfährt, was aus dem Makrokosmos ihm zuströmt und was daraus in seinem Inneren wird. Und eigentlich hat man erst dasjenige, was astralischer Leib ist, wahrhaftig und wesenhaft vor sich, wenn man also die Kräfte und Fähigkeiten der äußeren Weltenwesenheiten m sich einströmen fühlt.

Dasjenige, was die Kraft des Denkens ist, das nimmt sich dann so aus, daß es in uns wie ein Ordner, wie ein Regulator wirkt zwischen dem, was uns als Kraft der Bewegung und was uns als inneres Licht zuströmt. Zwischen diesen beiden muß sozusagen eine Art Gleichgewicht geschaffen werden, daß niemals ein unrichtiges Verhältnis entsteht zwischen dem, was als inneres Gefühl und was als Tätigkeitsdrang entsteht. Würde nicht das richtige Verhältnis sem zwischen innerem Licht und Tätigkeitsdrang, würde das Verhältnis gestört sein, dann würde dasjenige, was menschliche Leiblich­keit ist, nicht in der richtigen Weise von innen heraus versorgt werden. Wenn das eine oder das andere im Überfluß vorhanden wäre, dann müßte der Mensch zugrunde gehen. Nur beim richtigen Gleichgewicht kann der Mensch seine inneren Kräfte so entfalten, daß sie seiner äußeren Existenz in der richtigen Weise dienen.

So sehen wir arbeiten dasjenige, was uns im Schlafzustand wird, an unse­rer Innerlichkeit und sich sozusagen durcharbeiten durch unsere äußeren Hüllen. Wir sehen, was unseren äußeren Menschen vom Morgen bis zum Abend anfeuert so, daß er vollbringen kann, was er eben vollbringen soll. Wenn wir dies ins Auge fassen, dann können wir uns sagen: Es ist in der Tat unsere Seele recht klein gegenüber demjenigen, was da in der Welt ist und in das wir ausgegossen waren, während wir im Schlafzustand gewesen sind, aber es ist unsere Seele ihm doch ähnlich. So wie in unserer Seele sich nach und nach zu immer höherer und höherer Stufe entwickeln Denken, Fühlen und Wollen, so ist draußen in der unsichtbaren, übersinnlichen Welt ausgegossen das, was Weltenfühlen, Weltendenken, Weltenwollen ist.

Und dann macht man noch eine andere Erfahrung. Man macht die Er­fahrung, die sich als unmittelbares Erlebnis ergibt: Wenn auch deine Seele heute sozusagen klein ist gegenüber dieser großen Weltenseele, sie ist doch auf dem Wege, so zu werden wie diese. Ihre Fähigkeit zu denken, ihre Fähigkeit zu wollen, ihre Fähigkeit zu fühlen ist heute zwar noch klein,

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aber sie ist auf dem Wege, so zu werden, wie dieses große Weltenfühlen, Weltendenken und Weltenwollen ist. - Das ist das eine, das man erlebt. Das andere ist, daß man ganz genau weiß: Was einem da erscheint als ein ganz mächtiger Makrokosmos, als Welteufühlen, Weltendenken, Weltenwollen, das ist einstmals auch so wie unsere Seele gewesen; das hat sich aus solch kleinen Anfängen zu solch gewaltiger Größe entwickeln müssen.

Wenn man diese zwei Gefühle hat, dann lädt sich aus diesen beiden Ge­fühlen für den wahren, echten Mystiker auf die Seele etwas ab wie eine Frucht, und diese Frucht besteht eben darin, daß man sich sagt: Wie wäre es gekommen, wenn jenes Wesen, das da heute ausgebreitet ist in der Welt und das uns das gibt, was wir brauchen zu unserem Leben, wenn das nichts getan hätte zu seiner Entwickelung? In unendlicher Ferne der Vergangen­heit war es ebenso schwach an Gefühlskräften, an Kräften des Denkens, an Kräften des Wollens wie wir. Wenn es nichts getan hätte, um sich weiter und weiter zu entwickeln, um zu einer gewissen Höhe zu kommen, so daß es jetzt nicht mehr angewiesen ist, zu empfangen von einem Makrokosmos, sondern selbst zu geben, was wäre dann aus uns selber geworden? Nichts hätte aus uns selber werden können! Nicht da sein könnten wir! - Das ist das lebendige Gefüh], das sich auf unsere Seele legt, ein Gefühl unendlichen Dankes, wenn wir überhaupt den Wert unseres Daseins zu schätzen wissen. Ein unendliches Gefühl des Dankes überströmt uns. Dieses Gefühl des Dankes ist eine Realität für jeden echten, wahren Mystiker, ist nicht etwas, was sich auch nur im geringsten vergleichen läßt mit demjenigen, was der Mensch gewöhnlich als Dankgefühl hat. Das ist ein Gefühl, das wie be­seligend und durchseligend in unserem Inneren sich ergibt und das einmal da sein muß, denn es gehört zu den wichtigsten Erlebnissen. Was die Außen­welt heute Mystik nennt, ist gewöhnlich nichts anderes als eine Summe von Phrasen. Der echte, wahre Mystiker kennt dieses Dankgefühl, von dem aus er hinblickt auf die große Welt und sich sagt: Was wärest du, wenn nicht die Wesen, die vor dir waren und die so waren wie du, nicht alles getan hätten, um zu dieser Höhe emporzusteigen, die es möglich macht, dir jede Nacht zu geben, was du brauchst, damit es einströmen kann in deine Leib­lichkeit, die du des Morgens betrittst? - Wer dieses Gefühl des Dankes gegenüber dem Makrokosmos nicht empfunden hat, der ist auch nicht im wahren Sinne des Wortes Mystiker geworden.

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Und an dieses Gefühl des Dankes schließt sich ein anderes Gefühl an, ein Gefühl, das zu charakterisieren ist mit folgenden Worten: Wenn wir heute im Anfange der Entwickelung stehen, wie jene Wesen einstmals gestanden haben, müssen wir nicht, damit wir unser Ziel im Weltendasein erreichen, alles tun, um aus unserem kleinen Denken, Fühlen und Wollen das zu ma­chen, das einstmals nicht bloß zu nehmen braucht, sondern auch geben kann, aus dem sich ergießen kann in ähnlicher Weise dasjenige, was sich heute in uns ergießt, wenn wir im Schlafzustand an den Makrokosmos hingegeben sind? - Und dieses Gefühl gestaltet sich sozusagen zu einer Riesenverpflich­tung für die Entwickelung unserer Seele um. Wir sagen uns dann als echter, wahrer Mystiker: Du versäumst deine Pflicht, wenn du nicht alles tust, um die Kräfte deiner Seele, die heute noch in geringem Maße vorhanden sind, zu der Höhe hin zu entwickeln, zu der sie kommen können und die sich dir im Vorbild zeigt, wenn du bewußt hinaufsiehst zu demjenigen, woraus du deine Kräfte saugst. Entwickelst du dich nicht, erbost du dich und setzest du deiner eigenen Entwickelung Widerstand entgegen, dann wirst du dazu beitragen, daß einstmals nicht in ähnlicher Weise Wesen sich werden ent­wickeln können, wie du dich heute entwickelst. Dann trägst du statt zum Fortschritt, zur Neugestaltung, zur Schöpfung der Welt, zu ihrer Vemich­tung bei. - Das ist das andere Gefühl, das sich für den Mystiker ergibt, und wir sehen, daß sich dasjenige, was man sonst erlebt in der Seele, die Summe von Begierden, Trieben und Leidenschaften und so weiter in einer merk­würdigen Weise umgestaltet; daß sich dasjenige, was wir sonst empfmden, wenn wir zum Beispiel irgendein Dankgefühl haben, zu dem Gefühl des unermeßlichen Dankes gegenüber dem Makrokosmos auswächst; daß sich das, was wir als Pflicht im Lehen fühlen, gegenüber der großen Welt zu emer unermeßlichen Pflicht auswächst.

Das sind zwei Gefühle und Impulse, die unsere Seele durchströmen, wenn wir an dem Hüter der Schwelle vorbeiziehen. Und diese zwei Gefühle machen dann das aus, was es uns möglich macht, dasjenige, was wir den astralischen Leib des Menschen nennen, wirklich in seiner Wesenheit zu er­kennen. Wenn diese Gefühle in einem Menschen so leben, wie sie geschlidert worden sind, und der Mensch sich diesen Gefühlen immer mehr und mehr hingibt, dem Gefühle des Dankes und dem Gefühle der Pflicht gegenüber dem Weltenwerden, wenn er seine Seele ganz von ihnen durchströmt und

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dtirchptilst, dann geht ihm das Seherauge auf; dann steht nach und nach vor ihm sein eigener astralischer Leib, die nächste Hülle, von der er umgeben ist und die er nicht sieht, wenn er des Morgens im gewöhnlichen, normalen Bewußtsein aufwacht, die er aber wahrnehmen kann beim Herausgehen aus der Nächtlichkeit, wenn er die Geduld hat, lange genug diese Gefühle auf seine Seele wirken zu lassen. Dann aber steht vor uns die wahre Gestalt unse­res astralischen Leibes, jenes Leibes, der ja auch herausgeboren ist aus dem Makrokosmos, den wir aber selbst nicht sehen. Allerdings, wenn wir diesen astralischen Leib sehen und auch in der genügenden Stärke empfinden wol­len, was eben geschildert worden ist, wenn wir als eine Wahrheit empfmden wollen, daß allem Sinnlichen der Geist zugrunde liegt, dann müssen wir eben an dem Hüter der Schwelle vorbeikommen. Wir müssen auch noch die Kehrseite dessen wahrnehmen, was eben jetzt als die Lichtseite beschrie­ben worden ist.

Wir haben gesehen, daß alles dasjenige, was Weltenwille ist, uns durch­strömt wie mit Kraft zur Tätigkeit, daß alles das, was Weltengefühl ist, uns durchströmt wie mit Licht. Das sind die beiden Elemente, die wir brauchen; ohne diese könnten wir nicht leben. Und würde uns das nicht zugeführt, was da an Licht und Tätigkeitsdrang uns durchlebt, so würden wir als Men­schen nicht da sein können. Nun vergleichen wir mit dem, was da in uns ar­beitet, dasjenige, was sozusagen schon unser eigen ist, was wir in der Seele erar­beitet haben. Das tritt uns sehr deutlich vor das geistige Auge, was sich unsere Seele bis dahin erarbeitet hat, sagen wir, an Kräften des Denkens, an Kräften des Gefühles und an Kräften des Willens. Namentlich tritt uns deutlich vor Augen im Momente des Aufwachens, wieviel wir unterlassen haben, uns anzueignen in bezug auf starken Willen, auf eine wirkliche Intelligenz des Denkens, auf ein richtiges und angemessenes Fühlen. Das tritt uns stark vor Augen, denn es zeigt sich uns, daß alles dasjenige, was wir getan haben, um uns selber Intelligenz anzueignen, sich vereinigen kann mit demjenigen, was uns aus dem Welteufühlen heraus wie ein inneres Licht durchströmt, daß das sich sozusagen hinzu summieren kann; und daß alles das, was wir unterlassen haben in der Entwickelung unserer Intelligenz, sich wie ein Hemmschuh ausnimmt, wie etwas, was wegkommt von dem, was uns zufließen kann, was weggenommen wird, so daß uns in dem Maße weniger zufließt aus dem Licht des Weltengefühles heraus, als wir selber unterlassen

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haben, an der Entwickelung unserer Intelligenz, unserer eigenen Denlikraft zu arbeiten. Unser Denken muß sich, wenn wir wirklich fortschreiten wol­len im Weltendasein, summieren zu dem, was wir hereinsaugen aus dem Weltengefühl .

Derjenige, welcher nur kombinieren wollte diese Dinge, welcher sprechen wollte aus einer Theorie heraus, der könnte leicht versucht sein, etwas ande­res zu sagen. Der könnte nämlich glauben, daß sich die menschliche Intelli­genz summieren würde mit dem, was aus dem Weltendenken heraus kommt. Das wäre nicht wahr, das wäre eine äußerliche Kombination. So würde derjenige sprechen, der bloß aus theosophischen Theorien heraus spräche. Dem wirklichen Erlebnisse des hellseherischen Blickes entspräche das nicht. In Wahrheit summiert sich Weltenfühlen und Menschendenken. Daher werden so viele Fehler gemacht, daß oftmals nach dem, was als An­deutungen gegeben wird, kombiniert wird, und da kombiniert man Ähn­liches mit Ähnlichem. Aber die Dinge laufen nicht so, daß man mit dem menschlichen kombinierenden Denken zurechtkommt. Also Welteufühlen, wie wir es im Schlafe hereinsaugen, summiert sich mit menschlicher Iutelli­genz. Je mehr Intelligenz man hat, desto mehr erhellt sie dasjenige, was uns das Weltenfühlen als inneres Licht gibt. Gleichsam aber sehen wir in dieses Licht, in dieses Weltenfühlen einströmen sich widersetzende Dunkelheit, Finstemis, wenn wir unterlassen, etwas an der Entwickelung unseres Den­kens, unserer Intelligenz zu tun. Alle Unterlassungssünden, die der Mensch dadurch begeht, daß er zu bequem ist, seine Denkkräfte auszubilden, rächen sich dadurch, daß der Mensch seinem inneren Licht etwas entzieht, daß er diesem inneren Licht von sich aus Finsternis, Dunkelheit zusetzt. So sehen wir den Geist weben an unserem eigenen Innern.

Nun könnte jemand sagen: Das hat für mich eigendich etwas höchst Unbehagliches, wenn ich daran denken soll, daß es in der Weltentwickelung eine sonderbare geistige Strömung gibt, welche jetzt gar damit anfängt, die Menschen auf solche Dinge aufmerksam zu machen. Haben denn die Men­schen bisher nicht auch gelebt und ganz glücklich damit gelebt, daß sie sozusagen in die beiden Grenzen sich eingeschlossen haben, daß sie hübsch drinnengeblieben sind in der Spanne des Lebens, welche sich ausdehnt zwischen dem kleinen und dem großen Hüter der Schwelle? Da haben die Mächte für ihr Fortkommen gesorgt, von denen sie sich bis jetzt keine Vorstellung

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gemacht haben; könnte das nicht so weiter gehen? - Wenn sie es auch nicht so aussprechen, die Menschen von heute, so denken sie doch:

Ach, was schiert uns heute diese Weltenströmung! Wir wollen lieber bei demjenigen Leben bleiben, wie es bisher verflossen ist. Da würde man am Ende gar dazu verführt, gewahr zu werden, wie sich Licht und Finsternis in uns selber vermischen. Bisher haben die geistigen Mächte dafür gesorgt, daß die Geschichte nicht in Unordnung kam; jetzt könnten wir selber etwas darüber erfahren, und wir könnten die Geschichte in Unordnung bringen. Unterlassen wir es lieber! - Es könntejernand zu dieser Stimmung kommen, und es sind heute noch sehr viele in dieser Stimmung, daß sie sich sagen:

Wir wollen essen und trinken, die nötige Kraft im Äußeren entwickeln, aber darüber hinaus wollen wir nicht gehen, dafür lassen wir die Götter sorgen, die bisher gesorgt haben.

Es wäre das im Grunde genommen kein unvernünftiger Einwand, wenn man nur bei der Abstraktion bliebe, denn in der Tat war es bisher so, daß die Menschen genügend Kräfte bis zu ihrer gegenwärtigen Entwickelungs­stufe aus dem Schlafe haben heraussaugen können, daß dann die Kräfte da waren des Makrokosmos, von denen sich die Seele vollgesogen hatte, daß der Seele zugeführt worden ist, was diese großen geistigen Wesenheiten aufgespeichert haben. Bisher war es so. Aber man darf nicht bei Abstraktio­nen verbleiben, sondern man muß sich gerade auf diesem Felde an die Wirklichkeit halten. Und diese Wirklichkeit sieht so aus, daß sich auch die geistigen Grundbedingungen unseres Weltenlebens von Epoche zu Epoche ändern. Jene Weltenmächte, denen wir jede Nacht hingegeben sind, haben vom Anfange an, da es ein Menschenwesen gab, das sich entwickelte, auf dieses Menschenwesen gerechnet; sie haben gerechnet damit, daß auch von dem Menschenleben herauf Licht zufließt dem Licht, das von oben herunter-strömt. Daher haben sie nicht ein unversiegliches Lichtreservoir, sondern ein solches, welches allmählich abnimmt, welches allmählich immer geringere und geringere Kräfte ausströmen würde dem Menschenleben, wenn nicht aus dem Menschenleben selber durch die Arbeit am menschlichen Denken, Fühlen und Wollen und an dem Hinaufarbeiten in die höheren Welten neue Kraft, neues Licht zufließen würde dem allgemeinen Weltenlicht und Wel­tenfühlen. Und in derjenigen Zeit, in der es notwendig ist, daß wirklich die Menschen sich bewußt werden, daß sie sich nun nicht bloß überlassen dürfen

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demjenigen, was ihnen zuströmt, sondern daß sie ihrerseits mitarbeiten müssen, in der Zeit leben wir jetzt gerade. Es ist keineswegs irgendein ge­wöhnliches Ideal, das sich die Geisteswissenschaft jetzt setzt. Sie arbeitet wahrhaftig nicht so wie andere Weltenströmungen und Weltanschauungen, die begeistert sind für dieses oder jenes Ideal und die gar nicht anders können, als den anderen Menschen davon zu predigen. Ein solcher Impuls liegt bei denjenigen, welche Geisteswissenschaft heute aus der wirklichen Weltenmission heraus verkünden, nicht vor. Sondern zunächst liegt die Erkenntnis bei ihnen vor, daß gewisse Kräfte, welche im Makrokosmos sind, anfangen erschöpft zu werden, und daß wir einer Zukunft entgegengehen, in der, wenn der Mensch nicht arbeiten würde an der Entwickelung seiner eigenen Seele, zu wenig herunterflieflen würde aus diesen höheren Welten, weil das Maß der herunterfließenden Kräfte anfängt, nach und nach er­schöpft zu werden. In dieser Zeit leben wir. Deshalb muß Geisteswissen­schaft in die Welt treten. Nicht aus einem willkürlichen Impuls heraus, sondern aus der Notwendigkeit unserer Zeit heraus muß Geisteswissenschaft ins Dasein treten, damit sie die Menschen dazu bringen kann, das wieder zu ersetzen, was erschöpft ist an herunterströmenden Kräften. Aus dieser Er­kenntnis heraus zieht die Geisteswissenschaft ihre Impulse aus der Gegenwart, und sie würde heute noch nicht wirken, wenn nicht diese Tatsache vorläge, sondern sie würde ruhig wie bisher die Menschlieitsentwickelung sich selber überlassen. Aber sie sieht voraus, daß, wenn sich nicht in den nächsten Jahr­hunderten eine genügend große Anzahl von Menschen findet, die sich hinaufarbeiten in die geistigen Welten, dann das Menschengeschlecht immer weniger und weniger Kräfte herunterführen würde aus diesen geistigen Welten und die Folge würde davon sein ein Verarmen der Menschen an geistiger Kraft, eine allgemeine Verödung des menschlichen Lebens. Die Menschen würden schwach werden in bezug auf dasjenige, was sie in der Welt zu tun haben. Es würde ein Verdorren stattfmden mit dem Menschen­geschlecht wie eben mit einem Baum, der keine Lebenssäfte mehr erhält und der verholzen muß. Bis jetzt ist dem Menschengeschlecht von außen die Kraft zugeführt worden, und diejenigen, die nur das äußere Leben be­trachten, welche gedankenlos hinleben und glauben, daß nur die äußere sinnliche Welt existiert, die wissen eben nichts von den Veränderungen, die hinter dieser sinnlichen Welt sich abspielen. Und zu diesen wichtigen Veränderungen

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gehört das Versiegen der geistigen Kräfte und die Notwendig­keit, daß durch die Menschenkräfte selber solche Kräfte erzeugt werden. Wenn die Weiterentwickelung der Menschheit denjenigen überlassen bliebe, die sich nur an die äußere physische Welt halten, dann träte ein Verdorren, ein Veröden des ganzen Menschengeschlechtes auf der Erde ein.

Hier haben wir den tiefsten Punkt berührt, aus dem heraus der Geistes-wissenschafter das Bewußtsein erhält, daß verkündet werden muß Geistes­wissenschaft, damit die Menschen es in ihre eigene Entscheidung stellen können, ob sie niitwirken wollen an der Arbeit, die auf diese Art notwendig geworden ist, oder ob sie nicht mitwirken wollen. Wir werden über diesen Wendepunkt in der menschlichen Entwickelung in den folgenden Vorträ­gen noch zu sprechen haben. Jetzt aber wollen wir noch einmal den geistigen Blick zurückwenden auf dasjenige, was wir eben berührt haben. Wir wollen den Blick auf alles das wenden, was in unserer Seele an Unterlassungssünden ist, was sich uns zeigt, wenn wir bewußt hineinsteigen in unser Inneres, als Hemmung derjenigen Kräfte, die uns von oben zufließen. Alle Unter­lassungssünden des Denkens bohren sich ein in das Licht, wie die Finsternis sich einbohrt in das Licht. Und in einer ähnlichen Weise bohren sich ein in dasjenige, was uns zuteil wird, die anderen Unterlassungssünden in bezug auf unser Gefühl und auf unseren Willen. Es steht uns nicht nur das vor Augen, was uns höhere Mächte geben, sondern es steht uns das lebendig vor Augen, was unsere Seele durch ihre bisherige Entwickelung unterlassen hat und was sich wie ein mächtiger Hemmschuh hineinstellt in den ganzen Fortschritt des Lebens. Was da an uns arbeitet, was Kraft entwickelt aus dem Welten­willen, was Licht entwickelt aus dem Weltenfühlen, was Ordnung und Harmonie unseres Inneren entwickelt aus dem Weltendenken, in das stellt sich hinein dasjenige, was wir selber in unserer ganzen Ohnmacht sind da­durch, daß wir uns eben bisher nur in dem Maße entwickelt haben, wie wir uns entwickelt haben. Da stehen wir denn vor der rechten Selbsterkenntnis, und wie vor einem leuchtenden Bild erscheint als Finsternis, wie eine finstere Silhouette, dasjenige, was wir geworden sind durch unsere Unter­lassungssünden, durch das, was wir auszubessern haben an uns, dannt wir unsere Seelenkräfte in der richtigen Weise entwickeln. Dajenige, was wir nicht geworden sind, das stellt sich uns vor die Seele und zeigt sich uns sehr deutlich, indem es seine Strahlen nach drei Seiten aussendet. Nach drei

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Seiten sendet dajenige, was wir nicht geworden sind, seine Strahlen aus. Es zeigt uns zuerst, welche Hemmnisse wir dem Weltenwerden bieten da­durch, daß wir Unterlassungssünden begangen haben in bezug auf unseren Willen. Es zeigt uns, welche Hemmnisse wir bereitet haben dem Welten-werden dadurch, daß wir Unterlassungssünden in bezug auf unser Denken und unser Fühlen begangen haben. Nach diesen drei Richtungen strahlt die Unvollkommenheit unseres Wesens aus. Jede von diesen Richtungen sagt uns etwas ganz Bestimmtes.

Da haben wir zuerst dasjenige, was hemmend von uns selber in unserem Willen hineinstrahlt in den Willen, der uns durchffießt aus dem Welten-willen. Ihn hemmend, ihn zurückstauend stellt sich dar, was an Unter­lassungssünden an unserer eigenen Willensnatur haftet. Das sagt uns nun etwas, wenn wir an dieser Grenze stehen. Das sagt uns: Mit alledem, was du da unterlassen hast, wirst du gefesselt sein an die untergehenden Kräfte der Erde; das wird dich fesseln wie mit ehernen Banden an alles das, was die Erde in ihre Zerstörung hineintreibt. - Dasjenige, was wir an Unterlassungs­sünden haben in bezug auf unser Denken, das sagt uns: Weil du diese Unter­lassungssünden hast in bezug auf dein Denken, wirst du nicht die Möglich­keit fmden, eine Harmonie herzustellen zwischen deinem Willen und deinem Fühlen. - Und dasjenige, was wir an Unterlassungssünden in bezug auf unser Fühlen haben, das stellt sich so hinein in unser ganzes innere Leben, daß es uns sagt: Es wird das Weltenwerden über dich hinwegschrei­ten; du hast nichts getan, um von dir selber aus dem Weltenwerden etwas hineinzufügen. Daher wird dasjenige, was dir das Weltenwerden gegeben hat, von diesem Weltenwerden genommen, weil du nichts dazugetan hast, und dieses Weltenwerden wird so über dich hinwegschreiten, wie wenn du überhaupt nicht da gewesen wärest. - Wie hinwegfliegend über unser eigenes Dasein zeigt sich uns das Weltenfühlen, wenn wir mit ihm verglei­chen, was wir unterlassen haben in bezug auf unser eigenes Fühlen. So sehen wir gleichsam getrennt vor uns stehen all die Kräfte, mit denen wir an die Erde gefesselt sind, und all die Kräfte, welche über uns hmwegschreiten müssen, weil wir selber nichts getan haben, um ihnen selbst etwas mit auf den Weg zu geben durch unsere eigene Arbeit. Dann fühlen wir an dieser Grenze, wie die Kräfte, die uns an die Erde fesseln, und die Kräfte, die über uns hinwegschreiten, dasjenige, was unser eigenes wahres Wesen ist, auseinanderreißen.

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Wir fühlen damit alles, was wir selber in unsere Seele gelegt haben an diesen seelenzerstörenden Kräften, unsere Unterlassungssünden, in diesem mystischen Momente des Vorbeischreitens an dem kleinen Hüter der Schwelle als die Zerstörer an unserem Seelendasein.

Dieser Zerstörer steht also da, und nur eines kann uns in diesem Momente fähig machen, zu bestehen, und das ist, wenn wir uns selber das Gelöbnis geben, gegenüber demjenigen, was wir unterlassen haben, in der Zukunft nichts mehr zu unterlassen. Wir haben ja damit Anhaltspunkte erlangt, die deutlich genug sind. Diese Anhaltspunkte sagen uns im Momente unseres Vorbeischreitens vor dem kleinen Hüter der Schwelle: Diese Kräfte ziehen dich hinünter, also mußt du an deinem Willen arbeiten. Diese Kräfte wollen über dich hinwegschreiten, also mußt du an deinem Denken und Fühlen arbeiten. - Wir können selbst noch dem grauenvollen Anblick, der uns da wird, dankbar sein, denn er macht uns dieses Gelöbnis möglich, das wir uns selber ablegen können.

Das ist etwas weiteres, was zu den mystischen Erlebnissen gehört. Wenn wir erst das Dank- und Pflichtgefühl charakterisieren konnten, so können wir jetzt charakterisieren, was wir das mystische Gelöbnis nennen und was im Grunde genommen ein jeder dem Anblicke gegenüber, den er hier hat, selbstverständlich ablegt, das Gelöbnis, soviel als nur möglich ist in der Zukunft an seiner Seele zu tun, um auszubessern, was durch seine Unter­lassungen geschehen ist. Dann erhält das Leben durch dieses Erlebnis einen neuen besonderen Inhalt, einen Inhalt, der sozusagen erst der wahren Selbst­erkenntnis, der tätigen Selbsterkenntnis entspricht, die nicht nur in sich hineinbrütet, sondern die arbeitet an dem eigenen Selbst. Dieses Erlebnis kann man in einer zweifachen Weise haben. Man hat es in einer anfänglichen Weise dadurch, daß man alles verspürt, was bisjetzt beschrieben worden ist. Solange man es als Dankgefühl und als Pflichtgefühl erlebt, hat man das Gefühl: Das fehlt dir, das fesselt dich an das Dasein der Vergänglichkeit; das hast du nicht erreicht, das gibt Grund, daß das Weltenwerden über dich hinwegschreitet. - Wenn nian das alles fühlt, dann hat man es in seinem astralischen Leib erlebt. Aber wenn man es immer wieder und wiederum fühlt, dann verwandelt es sich endlich in eine ganz bestimmte Anschauung, die jetzt eine innere Anschauung, ein inneres Erlebnis ist, das dadurch ent­steht, daß wir so viel innere Kraft gesammelt haben durch unser mystisches

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Denken, Fühlen und Wollen, daß unser astralisches Erleben sich spiegelt an unserem Äther- oder Lebensleib und uns zurückgeworfen wird. Da haben wir jetzt wie eine äußere Wirklichkeit unser eigenes Gegenbild vor uns. Wir haben unser Gegenbild, das gleichsam von einem Hintergrund sich ab­hebt. Der Hintergrund zeigt uns, wie die äußeren Weltenmächte, in die wir ausgegossen sind während des Schlafes, hineinarbeiten in unsere äußeren Hüllen dasjenige, was angedeutet worden ist an Licht und Kraft. Aber von diesem Hintergrund hebt sich ab, was wir selber aus uns gemacht haben. Wie uns sonst in der äußeren Wirklichkeit Tiere, Pflanzen, Mineralien ent­gegentreten als die Gegenstände unserer drei Naturreiche, so tritt uns jetzt unser eigenes Selbst in einer realen Gestalt entgegen. Es wird uns sozusagen unser Inneres anschaulich in der Außenwelt. Vorher ist unser Blick im nor­malen Bewußtsein, als wir untertauchten in die äußeren Hüllen, abgelenkt worden auf die Außenwelt. Die äußeren Eindrücke der Sinneswelt flossen auf uns ein, damit wir nicht sehen konnten, was wir aber jetzt sehen sollen und müssen, wenn wir uns entschließen wollen, an der Entwickelung der Menschheit teilzunehmen. Ganz ähnlich wie wir sonst die Außenwelt sehen, sehen wir jetzt unser eigenes Innere. Es ist gleichsam abgemalt auf einem Hintergrund, den ich eben charakterisiert habe. Alles dasjenige, was uns an die Erde fesselt, was uns mit dem Vergänglichen verbindet, so daß wir es selber als Vergängliches zurücklassen müssen, das zeigt sich uns da in einem ganz bestimmten Bilde, in dem Bilde eines verzerrten Stieres. Wir können dieses Bild, das da das astralische Anschauen hat, mit nichts anderem ver­gleichen als mit dem Bilde eines verzerrten, uns hinunterziehenden Stieres. Alles dasjenige, was sonst Einklang schafft zwischen unserem Willen und unserem Fühlen in unserer Seele, zeigt sich uns in bezug auf seine Unter­lassuiigssünden in dem Bilde eines verzerrten Löwen. Und alles dasjenige, was über uns hinwegschreitet, wenn wir Unterlassungssünden in unserem Denken haben, alles das, was über uns hinwegschreitet, weil wir ihm nichts gegeben haben, was uns selber mitnehmen kann, das zeigt sich uns in dem Bilde eines verzerrten Adlers. Diese drei Bilder sind durchsetzt mit unserem eigenen verzerrten Ebenbild. Das zeigt im äußeren Bilde, was wir aus uns gemacht haben und was wir auszubessern haben in der Zukunft, datnit wir hinzufügen dem Weltenwerden alles dasjenige, was diesem Weltenwerden von uns aus notwendig ist. Drei Zerrbilder urid ein Zerrbild von uns selber!

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Aus der Art, wie diese drei Bilder miteinander im Verhältnis stehen, ergibt sich das Maß dessen, was wir noch an uns zu arbeiten haben.

So ungefähr ist unser Denken, Fühlen und Wollen zerspalten, wenn wir an dem kleinen Hüter der Schwelle vorbeigehen. Wahre Erkenntnis dessen, was wir geworden sind, bis zur Bildlichkeit, wahre Selbsterkenntnis steht dann vor uns, Selbsterkenntnis, die anspornend ist für unser ganzes zu­künftiges Leben. Vor dieser Selbsterkenntnis könnte man leicht zurück­schrecken. Man wird aber nur dann zurückschrecken, wenn man über­haupt glaubt, daß dajenige, was man nicht sieht, nicht da ist. Es kann ja Menschen geben, die da glauben, wenn ein Ziegelstein vom Dache herunter­fällt, so ist es nicht das Richtige, diesem Ziegelstein auszuweichen, sondern die Augen vor ihm zuzumachen. Solche Menschen kann es geben; sie gleichen aber ungefähr denjenigen, die heute sagen würden: Was uns da die Geisteswissenschaft schildert, das möchten wir lieber nicht haben. - Da­durch, daß ein Mensch diesen Anblick nicht hat, ändert sich nichts an der Sache; höchstens daß der Mensch diesen Zerstörer, weil er ihn nicht gewahr wird, wirklich seinen Zerstörer sein läßt. Die einzige Hilfe, auf diesem Punkte weiterzukommen, ist Selbsterkenntnis. Bisher haben eben immer die Weltenkräfte ausgereicht, um sozusagen die äußerste Verzerrung unseres Menschenbildes hintanzuhalten. In der Zukunft würden sie nicht aus-reichen. Alle die verzerrten Menschenbilder sind der wahre Hüter der Schwelle. - Wir selbst in unserem Gegenbild, wir erscheinen uns als der kleine Hüter der Schwelle. Wir selbst sind es, welche verhindern, daß wir vorher selbst in uns hineinsteigen können. Einzig und allein diese Erkenntnis macht es möglich, daß in der Zukunft, wo uns eben nicht mehr die nötige Kraft von oben zufließen wird, die Menschheit nicht erlalimt in ihren Kräften, immer schwächer und schwächer wird, das heißt, ihre Mission auf der Erde nicht erfüllt.

Damit sind wir von einer gewissen Seite her durch die Region gekommen, welche wir die Region unseres eigenen Empfmdungsleibes nennen können, in dem wir sonst beim Aufwachen untertauchen. Aber wenn wir im ge­wöhnlichen Leben untertauchen, wird er uns nicht bewußt, sondern unser Bewußtsein wird abgelenkt. Jetzt aber haben wir gesehen, was wir in uns selber erleben können, wenn wir die Eindrücke von außen nicht herein­lassen. Wir haben unseren Astralleib ein wenig charakterisiert - wirklich

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nur ein wenig -, wir haben ein Stück unseres menschlichen Wesens, den Empfmdungsleib, von innen aus charakterisiert, so charakterisiert, daß wir uns jetzt eine Vorstellung machen können, wie wir sind. Wir sind gekom­men bis zu der Grenze, wo unser Empfmdungsleib an den Ätherleib stößt. Da hat sich uns etwas wie ein Spiegelbild gezeigt. Es ist nur ein Bild, aber mit diesem Bild können wir zufrieden sein, denn mehr brauchen wir nicht, als daß uns in einem Bild gezeigt wird, wie wir wirklich sind. Wenn der Mensch wissen will, wie sein Gesicht aussieht, dann hat die Diskussion darü­ber gar keinen besonderen Wert, daß jemand sagen würde: Wenn du in den Spiegel siehst, dann siehst du nur ein Bild; was willst du mit diesem Bild, das eine Täuschung sein kann? - Dernjenigen genügt aber dieses Bild voll­ständig, der sein Gesicht sehen will. Man kann noch so viel diskutieren über dieses Spiegelbild, es dient seinem Zweck, es hat einen realen Wert. Wenn ein Philosoph kommen und sagen würde: Was du uns da erzählst von dem dreiköpfigen Tier mit dem Menschen in der Mitte, von dem wissen wir, daß es nur eine Einbildung ist - dann würden wir sagen: Es ist in dem­selben Sinne nur ein Spiegelbild, das von dem Äther- oder Lebensleib her-geworfen wird, wie das Bild, das der äußere Spiegel zurückwirft, aber es dient uns zur Selbsterkenntnis, und darin liegt seine Realität. - Die Gründe, die da eine äußere Philosophie vorbringen kann gegen die Wirklichkeit dessen, was das hellsichtige Bewußtsein erlebt, weiß dieses schon selber. Der Irrtum würde da beginnen, wo der Hellseher glauben würde, daß das eine andere Wirklichkeit wäre. Wenn der Hellseher nicht wüßte: Dies ist ein Bild, das dir dein eigenes Inneres zeigt - sondern wenn er glauben würde, da kommt wirklich ein vierköpfiges Wesen auf ihn zu und das erfüllt geradeso den Raum wie em physisches Wesen, dann würde der Hellseher ungefähr gleichen demjenigen Menschen, der bisher nicht gewußt hat, daß er eine bestimmte Nase hat, die ihm nicht gefällt, und sie sieht im Spiegel und nun losschlägt auf das Spiegelbild -, der da glaubt, er trifft etwas Wirk­liches. Das ist, was man sich aneignen muß: die Dinge nicht als etwas ande­res anzusehen, als was sie sind. - Sobald man irgendwie dasjenige, was heute geschildert worden ist, sozusagen als ein den Raum Erfüllendes ansieht, es nicht in der Realität betrachtet, die es haben soll für den Menschen selber als ein Gegenbild seines eigenen Inneren, dann erst verfällt man der Illu­sion. Man ist kein Mensch, der sich Halluzinztionen hingibt wenn man

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weiß, daß einem das eigene Selbst in einem solchen Bilde entgegentritt; man ist aber ein solcher, wenn man ein solches Bild für etwas anderes an-sieht, als es ist. Daher ist es so notwendig, daß man, bevor man in die geistige Welt hineindringt bis zu dem Punkt, wo man anfängt zu schauen, durch Vernünftigkeit sich zuerst die Möglichkeit verschafft hat, die Dinge in ihrem wahren Wert zu erkennen. Man soll daher niemanden hellsichtig machen, der verwechseln könnte solche Realitäten, die eine ähnliche Be­deutung haben wie die heute geschilderten, mit denen, die ähnlich wären den Realitäten des äußeren physischen Raumes. Daher wird großer Wert darauf gelegt, daß in eine wahre echte Geistesschulung niemand anders ein-treten soll, als daß er ein vernünftiges Denken hat, wodurch er immer die Bedeutung dessen, was er sieht, abzuschätzen in der Lage ist. Nicht das Schauen allein ist es, worauf es ankommt, sondern das Abschätzenlernen dessen, was man sieht, so daß man dajenige, was man sieht, auf das Richtige bezieht. Wir werden sehen, wie wir auch zu Wesenheiten kommen, die wahrhaftig da sind. Aber in dem, was wir heute geschildert haben - darüber müssen wir uns klar sein -, haben wir als Erlebnis zunächst nur, was wir als inneres Astralisches schilderten; das andere ist ein Spiegelbild unseres eigenen Inneren, das heißt, unser eigenes Inneres erscheint uns wie eine Außenwelt. Das ergibt sich in der Selbsterkenntnis. Sobald der Mensch die mystische Versenkung sucht, muß er sich klar sein darüber, daß er in jedem Falle zu einem Menschen würde, der sich Halluzinationen hingibt, wenn er beim mystischen Hineinschauen in sein Inneres Gestalten außerhalb sieht und diese für etwas anderes ansehen würde, als was ihm sein Inneres spiegelt. Zujenen wirklichen Wesenheiten kommen wir auf dem Wege, der sich uns morgen erweisen wird, der solche Spiegelbilder überschreitet, der bis in den Äther-oder Lebensleib hinuntersteigt, oder durch den Weg, der am großen Hüter der Schwelle vorbeiführt, durch den wir zu wirklichen äußeren geistigen Wesenheiten kommen.

So sind wir also heute nur zu einem Ausmessen des Stromes gekommen, der sich hineinstellt in unser Erleben im Moment des Aufwachens. Was der Mystiker in seiner Seele erfahren kann, was er anders erlebt als das normale Bewußtsein, wenn er beim Aufwachen alle Aufmerksainkeit ablenkt vom äußeren Sinnesteppich und hinuntersteigt in das eigene Innere, das wollten wir heute schildern.

FÜNFTER VORTRAG Wien, 25. März 1910

#G119-1962-SE120 - Makrokosmos und Mikrokosmos

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FÜNFTER VORTRAG

Wien, 25. März 1910

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Wir stehen heute vor einer verhältnismäßig schwierigen Aufgabe. Die ver­ehrten Zuhörer werden aber die heutigen etwas starken Zumutungen hin-nehmen, wenn gleichzeitig gesagt wird, daß wir dann schon in den nächsten Tagen wiederum Terrain gewinnen werden, auf dem wir den Boden mehr unter den Füßen fühlen. Aber wenn man in der Geisteswissenschaft nicht stehenbleiben will in bloßenAbstraktionen,wenn man sich zu denWirklich­keiten durchringen will, dann müssen zuweilen schon auch Mitteilungen willig entgegengenommen werden, welche den höheren Gebieten des geistigen Erkennens angehören. Hinzugefügt werden kann noch, daß es sich heute eben durchaus nicht handelt um irgendwelche Deduktionen, um irgendwelche bloße theoretische Ableitungen, sondern daß es sich um Dinge handelt, welche von denen immer gewußt worden sind, welche überhaupt tiefer in diese Dinge eingedrungen sind. Also um Mitteilung von Erkenntnissen bestimmter Menschen wird es sich handeln.

Wir haben gestern gesehen, wie der Mensch sich zurechtfinden könnte innerhalb dessen, was man das Innere seines astralischen Leibes nennt, wenn er beim Aufwachen bewußt untertauchen könnte in diesen seinen astrali­schen Leib, und wir haben uns einen Begriff verschafft von dem, was es heißt, vorbeizukommen an dem sogenannten kleinen Hüter der Schwelle. Nun ist eigentlich das, was gestern auseinandergesetzt worden ist, ziemlich hypothetisch, denn im normalen Leben tritt ja dieser Moment im Grunde niemals ein, daß der Mensch bewußt hineindringen würde in sein Inneres durch das bloße Aufwachen. Wir haben allerdings gesagt, daß der Mensch sich durch das, was man mystische Verseukung nennt, vorbereiten kann zu emem solchen bewußten Hineinsteigen in seine äußeren Leibeshüllen. Was das heißt, wird sich uns aber erst im Latife der Vorträge zeigen, und worin diese Vorbereitung besteht, werden wir auch noch hören. Für das normale Bewußtsein liegt höchstens zuweilen das vor, daß der Mensch durch Ver­hältnisse, die in seinen vorhergehenden Verkörperungen hegen, solche Mo­mente bewußten Aufwachens hat. Das kommt bei einzelnen Menschen vor. Sie wachen so auf, daß sie das Gefühl einer gewissen Beklemmung haben.

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Dieses Gefühl der Beklemmung rührt davon her, daß der innere Mensch, der während der Nacht im Makrokosmos ausgebreitet war und sich frei fühlte, sozusagen in das Gefängnis seines Leibes zurückgeht. Dann kann ein anderes Gefühl beim Aufwachen da sein. Dieses Gefühl könnte man mehr so charakterisieren, daß man sagt: Der Mensch fühlt sich im Momente des Aufwachens, wenn solche abnormen Zustände eintreten, besser, als er sich im Laufe des Tages fühlt. Er fühlt, daß in ihm etwas ist, was er seinen besseren Menschen nennen könnte. - Das rührt wiederum davon her, daß der Mensch beim Aufwachen ein Nachgefühl hat, daß ihm etwas zuge­flossen ist aus Welten heraus, die höher sind als seine eigene Sinneswelt. Das sind solche Gefühle, die sich im normalen Bewußtsein, allerdings durch abnorme Verhältnisse, einstellen können und an denen schon im natürlichen Leben eine gewisse Bestätigung des gestern Gesagten gesehen werden kann. Aber im vollen Umfange kann doch nur von dem echten, wahren Mystiker erlebt werden, was beschrieben worden ist.

Es handelt sich nun aber darum, ob man auch weitergehen kann. Denn das, was man da erlebt, was gestern geschildert worden ist, das ist sozusagen die Innenseite des geistigen Teiles des äußeren Menschen; es ist die Innenseite dessen, was man den astralischen Leib des Menschen nennt. Es fragt sich nun, ob man noch tiefer hinuntersteigen kann zu weniger geistigen Teilen, vielmehr zu solchen Teilen der Menschennatur, die im gewöhnlichen Leben weniger geistig sich darstellen. Sie können deshalb doch in ihren Grund­lagen durchaus geistig sein, denn alles, was uns in der äußeren Welt entgegen-tritt, hat im tieferen Hintergrunde ein Geistiges. Es fragt sich also, ob man noch weiter hinuntersteigen kann bis zu dem, was man seinen physischen Leib nennen kann, und ob zwischen dem astralischen Leib, der das zunächst Geistigste ist, und zwischen diesem physischen Leib noch etwas anderes liegt. Die anthroposophischen Bücher beschreiben ja dieses andere als den Äther- oder Lebensleib, so daß, wenn wir da hinuntersteigen, wir antreffen müßten, nachdem wir uns mit dem astralischen Leib von innen bekannt gemacht haben, den Ätherleib und vielleicht auch irgendwelche Spur unse­res physischen Leibes, den wirja sonst nur von außen ansehen, den wir aber, wenn wir von innen durch ein solches Bewußtsein hineintreten in unsere Leiblichkeit, doch auch erkennen können.

Nun ist es im allgemeinen nicht eigentlich gut, es ist nicht gefahrlos, einen

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Schritt weiterzugehen in bezug auf mystische Vertiefung, als gestern ange­führt worden ist. Alles, was gestern angeführt worden ist, kann im Grunde genommen vorsichtig von dem Menschen gemacht werden, der sich an­eignet eine Kenntnis von dem, was Sie zum Beispiel fmden in meiner Schrift:

«Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» oder in der zweiten Abteilung meiner « Geheimwissenschaft», was Sie auch noch hören werden in diesen Vorträgen, nur etwas anders beleuchtet. Da kann sich also der Mensch zunächst selber helfen. Aber weiterzugehen auf diesem Wege in das menschliche Innere ist nicht gefahrlos, und in der Weise, wie der Mensch heute gerne seine geistigen Erkenntnisse erwirbt, läßt sich das auch gar nicht machen. Daher werden wir sehen, daß heute ein anderer Erkenntnisweg gewählt wird. Derjenige Erkenntnisweg, der nun ohne weiteres tiefer in das menschliche Innere heruntersteigt, ohne sich zunächst um etwas anderes zu kümmern, der soll eigentlich in unserer heutigen Kultur normalerweise nicht mehr beschritten werden. Unser heutiges Geistesleben ist nun schon emmal so angelegt, daß der Mensch sich nur bis zu einem gewissen Grade gerne unterordnet, daß er in möglichster Freiheit auch seinen Erkenntnisweg gehen will. Wir werden sehen, daß es auch einenWeg in die geistigenWelten hinein gibt, welcher dieser Eigentümlichkeit der heutigen Menschennatur m vollem Umfange Rechnung trägt, und wir werden diesen Weg als den sogenannten rosenkreuzerischen Erkenntnisweg, als den wahren zeitge­mäßen Erkenntnisweg kennenlernen. Aber dieser Erkenntnisweg ist ein solcher der neueren Zeiten. Er war in den Mysterien des Altertums, das heißt, in denjenigen Stätten, in denen der Mensch in die tieferen Geheim­nisse eingeführt wurde, noch nicht vorhanden. Da gab es dann solche Myste­rien, welche den Menschen einfach vorbeiführten an dem kleinen Hüter der Schwelle und ihn hineinführten in sein eigenes Innere, und solche Mysterien, welche den Menschen hinausführten in die große Welt, so daß er eine Art Ekstase durchzumachen hatte. Wir werden von diesem Erkenntnisweg später sprechen. Diese beiden Wege sind diejenigen, welche vorzugsweise in den alten Zeiten beschritten und durchgemacht worden sind. Der Weg durch das Hineinsteigen in das eigene Innere wurde am besten, am inten­sivsten durchgemacht in denjenigen Einweihungsstätten, welche man die ägyptischen Mysterien, die Osiris- und Isis-Mysterien nennt, und wir wer­den uns heute, um zu schildern, was der Mensch bei diesem Hineinsteigen .

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in sein Inneres erleben kann, ein wenig anzulehnen haben an die Erfahrun­gen eines Schülers der Isis- und Osiris-Mysterien. Man kann heute, wie wir in den folgenden Vorträgen sehen werden, durchaus jene Einweihung er­langen, die zur vollen Erkenntnis dieser Mysterien führt. Aber nicht mehr auf demselben Weg braucht man das zu erlangen wie zum Beispiel im alten Ägypten. Daher war auch im alten Ägypten etwas notwendig, wogegen sich die heutige Menschennatur in einem gewissen Sinne auflehnen würde. Es war nämlich notwendig, daß an dem Punkte, wo der Mensch hineinsteigen sollte in die höherenWelten - oder schon früher -, der gestern charakterisiert worden ist, der Mensch nicht mehr unabhängig, sozusagen durch eigene Erkenntnispfade, seine Fortschritte suchte, sondern daß er sich anvertraute dem, was man mit einem Ausdrucke der orientalischen Philosophie einen Guru, einen großen eingeweihten Lehrer nennt. Sonst war der Weg zu gefahrvoll für den einzelnen. In der Regel war es so, daß schon die Schritte, welche gestern beschrieben worden sind, die Schritte der mystischen Ver­senkung, unter Anleitung des Guru, des großen eingeweihten Lehrers, gemacht worden sind.

Was hat denn eigentlich dieser große eingeweihte Lehrer für einen Zweck? Wir haben in einem früheren Vortrag gehört, daß wir, wenn wir des Morgens untertauchen in unsere Leiblichkeit, mit unserer Seele von drei Mächten in Empfang genommen werden, die wir bezeichnen könnten mit Ausdrücken, die einer alten Terminologie entnommen sind, mit den Ausdrücken Venusmacht, Merkurmacht, Mondmacht. Was man im allge­meinen unter Venusmacht versteht, das ist etwas, was der Mensch noch allein mit sich selber abmachen kann, wenn er in sein eigenes Innere hin­untersteigt. Er kann es dadurch mit sich selber abmachen und sozusagen fertig werden mit der Venusmacht, daß er eine gewisse Erziehung erhält in Demut und Selbstlosigkeit, so daß er, bevor er einen solchen Gang in die unbekannten Welten seines eigenen Inneren unternimmt, sich erzieht da­durch, daß er alle egoistischen Triebe, die Triebe der Eigenhebe unter­drückt, sich erzieht zur Selbstlosigkeit, sich zu einem Wesen macht, welches Liebe und Mitleid für alles Dasein empfindet. Wenn der Mensch sich so erzieht, daß er Liebe und Mitleid empfindet nicht nur für seine Mitmenschen, sondern für alles Dasein, dann kann er sich allenfalls noch jener Macht überlassen. welche ihn bewußt so weit hinunterführt, als die Mächte auf uns

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wirken, die wir mit dem Ausdruck Venusmächte bezeichnet haben. Aber gefährlicher würde die Sache schon werden, wenn der Mensch bei diesem einfachen Hinuntersteigen sich selber auch denjenigen Mächten überlassen wollte, die wir bezeichnet haben als Merkurmächte. Da wurde er denn bei den alten ägyptischen Einweihungen auch geleitet von dem großen Lehrer, welcher durch seine früheren Erlebnisse in einer ganz bewaßtenWeise hand­haben konnte diese Merkurmächte, welcher also einführen konnte auf die­sem Erkenntnispfad, der in das eigene menschliche Innere geht. Von einem Hermes- oder Merkur-Priester wurde daher der Mensch in sein eigenes Innere geführt. Das erforderte allerdings eine strenge Unterwerfung unter alles das, was dieser große Lehrer von dem Schüler forderte. Es erforderte einen solchen Grad von Unterwerfung, daß der Schüler sich entschließen mußte, sein eigenes Ich nunmehr ganz auszuschalten, nichts selber zu wollen, bis in seine Seele hinein nichts selber an eigenen Impulsen zu haben, sondern strenge nur das auszuführen, was ihm der Hermes-Priester auftrug. Diese Botmäßigkeit, welche dem heutigen Menschen widerstreben würde und der er sich auch nicht mehr zu unterwerfen braucht, mußte sich der Schüler der ägyptischen Mysterien durchaus aneignen. Er mußte nicht bloß folgen m bezug auf seine äußeren Taten durch viele Jahre, sondern er mußte bis in seine Gedanken hinein, bis in seine Gefühlswelt hinein sich der Führung dieses Lehrers anvertrauen, damit er eben gefahrlos hinuntersteigen konnte m sein eigenes Innere. Undjetzt kommen wir zu den Dingen, die eben viele Menschen erlebt haben, die auch heute auf andere Art zu erleben sind, die also erzälilt werden aus den Erlebnissen von Menschen heraus, zu jenen Dingen, die der Mensch erlebte an der Hand seines großen Führers, und die man bezeichnen könnte, indem man sagt: Der Mensch lernte eine tiefere Schicht seines eigenen Inneren kennen.

Wir haben gestern anschaulich und konkret beschrieben, was es heißt, von innen seinen astralischen Leib kennenzulernen. Jetzt wollen wir einmal einiges von dem erzählen, was an der Hand seines Führers der Einzuweihende in den Isis- und Osiris-Mysterien über den Äther- oder Lebensleib des Menschen erlebte. Da wurde der Mensch durch die Ausschaltnng seines Ich dazu veranlaßt, daß er mit den geistigen Augen seines Lehrers sah, daß er dachte mit den Gedanken seines Lehrers und wie eine Art von Ding wurde, daß er sozusagen mit den Augen seines Lehrers sich selber ansah. Und da

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wurde er dann eingeführt in merkwürdige Erlebnisse, in Erlebnisse, bei denen er das Gefühl hatte, es ginge das Leben der Zeit nach zurück, and gleichzeitig hatte er das Gefühl, als ob sich sein ganzes Wesen, das er jetzt ansah durch die geistigen Augen des Hermes-Priesters, verbreiterte. Er hatte das Gefühl, als ob er in sich selber sich verbreiterte, als ob er hinauf­wüchse in Zeiten, die seinem jetzigen Leben vorangegangen sind, als ob er m der Zeitenfolge zurückginge. Und er bekam allmählich das Gefühl, daß er viele, viele Jahre zurückginge, eine Zeitenlänge, die weit länger, vielmal länger war als sein Leben, das er etwa durchlebt hat von seiner Geburt an; also ein weites Zurückgehen in der Zeitenfolge erlebte der Schüler. Und während er dies erlebte, sah er, indem er mit den Augen des eingeweihten Lehrers sah, zunächst sich selber. Dann aber sah er weiter hinauf in der Zeitenfolge viele Generationen, von denen er das Gefühl hatte, daß sie seine Vorfahren waren. Also es hatte der Einzuweihende eine gewisse Zeit hin­durch das Gefühl, daß er die Reihe seiner Vorfahren hinaufwandelte, aber nicht so, daß er etwa in diesen Vorfahren darin wäre. Er hatte nicht das Gefühl, als ob er identisch wäre mit seinen Vorfahren, sondern als ob er sozusagen über ihnen schwebte bis zu einem gewissen Punkt. Dann ver­loren sich die Eindrücke. Bis zu einem uralten Ahnen hinauf durchlebte er sich so. Dann verlor sich der Eindruck, daß er sozusagen Erdengestalten sah, auf welche sich sein eigenes Dasein irgendwie bezog.

Nun handelte es sich darum, daß der Führer dem Einzuweihenden klar machte, was er da eigentlich gesehen hatte. Wir können uns nur auf folgende Weise begreiflich machen, was er gesehen hatte. Wenn man durch die Ge­burt ins Dasein schreitet, also mit seinem geistigen Wesen, nachdem man durch die geistige Welt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt ge­gangen ist, ins Dasein geschritten ist, da trägt man ja an sich nicht bloß die Eigentümlichkeiten, die man sich aus dem vorhergehenden Leben mitbringt, sondern da trägt man an sich - das weißjajeder, der das Leben betrachtet -alles, was man vererbte Eigenschaften nennt. Man wird in eine Familie, in ein Volk, in eine Rasse hineingeboren. Man trägt dadurch dasjenige in sich, was man vererbte Eigenschaften nennt; die Erbstücke seiner Ahnen trägt man in sich. Diese Erbstücke bringt man sich natürlich nicht aus seiner letzten Verkörperung mit, sondern die haben sich heruntervererbt von Generation zu Generation. Nun handelt es sich darum, zu erkennen: Was macht es

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denn, daß der Mensch mit seinem innersten Wesen sich gerade in einer be­stimmten Familie, in einem bestimmten Volke, in einer bestimmten Rasse verkörpert? Was macht es denn, daß er bei seinem Herabsteigen durch die Geburt ganz bestimmte vererbte Merkmale aufsucht? - Er würde niemals diese bestimmten Merkmale aufsuchen, wenn er zu ihnen in gar keiner Beziehung stünde. Der Mensch steht in der Tat schon zu den Eigenschaften, die er ererbt, lange vor seiner Geburt in einer Verbindung. Und das ist so:

Wenn wir ausgehen von einem bestimmten Menschen und hinaufgehen zu seinem Vater, Großvater, Urgroßvater und so weiter, so würden sich, wenn man wirklich innerlich verfolgen könnte die vererbten Merkmale, diese zeigen durch eine ganz bestimmte Anzahl von Generationen. Bis zu einer gewissen Generation hin verlieren sich dann diese vererbten Merkmale. Das heißt, Sie können eine Reihe von Generationen verfolgen, und Sie werden finden, daß durch sie die vererbten Merkmale heruntergehen. Zu­letzt sind sie in ihrem verdünntesten Zustande noch vorhanden, aber sie smd noch vorhanden, bis sie sich eben verlieren.

Ebenso aber wie wir beim Heruntersteigen die Vererbungsmerkmale nach und nach verschwinden sehen können, so können wir fmden, wenn wir von einem Menschen ausgehen und zum Vater, Großvater, Urgroßvater und so weiter gehen, daß von demjenigen, was der Sohn an vererbten Merk­malen hat, beim Vater etwas, beim Großvater weniger, beim Urgroßvater noch weniger da war. Nun führte der einzuweihende Isis- und Osiris-Priester tatsächlich den Menschen so weit, daß der Mensch, indem er durch der Zeiten Folge zurückgeht, bis zu jenem Ahnen aufsteigt, welcher noch Merkmale in sich hat, die die Kraft der Vererbung bis zu ihm haben. Das zeigt uns, daß der Mensch gewisse Beziehungen hat zu dem, was wir seine vererbten Merkmale nennen. Es ist in der Tat so, daß wir auf geistige Weise m Beziehung getreten smd zu jenem Ahnen, von dem wir noch etwas ererbt haben, zu jenem Ur-Ur-Urahnen, von dem wir noch irgendwelche, wenn auch noch so verdünnten Eigenschaften in uns haben. Ja, es ist in einer gewissen Weise so, daß der Mensch sich lange vorbereitet, was zuletzt seine vererbten Merkmale sind. Er ererbt sie nicht bloß, sondern er gibt sie in einem gewissen Sinne seinen Vorfahren, impft sie ihnen aus der geistigen Welt ein. Er arbeitet durch ganze Generationen hindurch so, daß zuletzt derjenige physische Leib geboren werden kann, zu dem er sich hingezogen

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fühlt. So sonderbar das klingt, es ist so, daß wir selber gearbeitet haben aus der geistigen Welt an den physischen Leibern unserer Vorfahren, um nach und nach aus der geistigen Welt heraus jene Eigenschaften zu gestalten, welche wir zuletzt als vererbte Merkmale mit der Geburt mitbekommen.

Das ist es, was zunächst sich zeigt, wenn der Mensch in seinen eigenen Äther- oder Lebensleib hinuntergeführt wird. Es zeigt sich ihm, daß dieser Ätherleib, den er jetzt an sich trägt, in der Tat eine lange Geschichte hat, daß er lange vorbereitet worden ist. Lange, lange bevor er durch diese Geburt ins Dasein treten kann, war von ihm selber in der geistigen Welt, in jener Welt, die durchlaufen wird zwischen dem letzten Tod und dieser Geburt, gearbeitet worden an dem Äther- oder Lebensleib, den er jetzt trägt. Und er hat angefangen, an diesem Ätherleib zu arbeiten in dem Moment, wo der älteste Vorfahr die physische Erde betreten hat, von dem der Mensch dann noch durch Generationen hindurch vererbte Merkmale überkommen hat. Das ist es, was wahres Erleben sozusagen von einem Stück unseres Ätherleibes ist. Damit, daß man aufzählt: Der Mensch besteht aus physischem Leib, Äther- oder Lebensleib, astralischem Leib und Ich -damit hat man nur gewisse Hinweise gegeben, gewisse Kernlehren, wie sich das ausnimmt, was da als unser eigenes Innere hüllenhaft existiert. Kennenlernen kann man das nur dadurch, daß man sich bekannt macht mit den Mitteilungen derjenigen, die in dieses menschliche Hüllenwerk selber hinuntergestiegen sind.

So lernt also der Mensch, durch seine eigene Geburt hindurchschreitend, diejenigen Reiche betreten, die er durchwandelt hat, bevor er ins Dasein durch die Geburt getreten ist; so lernt er durch das tiefere Hinuntersteigen, wenn er Mystiker geworden ist, ein Stück seines Lebens vor der Geburt kennen, ein großes Stück, das Jahrhunderte umfaßt. Denn es sind Jahrhun­derte, die er da durchschreitet, bis zu der Zeit, wo er in dem Leben zwischen dem letzten Tod und der jetzigen Geburt angefangen hat, das Urbild seines Ätherleibes zu formen. Und in demselben Moment schoß in das Blut eines Menschen der erste Keim der Merkmale, die sich immer mehr und mehr aus-prägten und die immerfort unter dem Einfluß dieses Ätherleibes standen, bis dieser Ätherleib so weit war, daß er das von ihm selber mitgewirkte Merkmal mit der Geburt übernehmen konnte. Das ist die eine Seite des Erlebten. Was man da erlebt, das ist also sozusagen ein Nachkonstruieren

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alles desjenigen, was man, um im Dasein zu treten durch diese Inkarnation, vorher selber in der geistigen Welt hat tan müssen. Daher nannte man im­mer das, was man da erlebte, was man in sich trägt als Äther- oder Lebens­leib, gleichsam zusammengeschoben, zusammengepreßt in seinem jetzigen Ätherleib, und was sich wie ausgedehnt zeigt durch der Zeiten Folge, durch die Jahrhunderte hindurch, mm nannte das das Obere. So daß der tech­nmsche Ausdruck existierte: Der Mensch lernt durch das Hineinsteigen in den Äther- oder Lebemleib sein Oberes kennen. Man nannte das auch den himmlischen Menschen oder den geistigen Menschen, weil der Mensch fühlen mußte, daß es dasjenige ist, was von ihm heruntergestiegen ist, ge­bildet aus dem geistigen Land heraus, das er durchschritten hat zwischen dem letzten Tod und der neuen Geburt. Weil er empfinden mußte, daß das aus dem geistigen Lande heraus ist, nannte man das den oberen oder den geistigen Menschen

Wenn der Mensch nun so weit geführt worden war durch den Hermes-Eingeweihten, dann lernte er etwas anderes kennen. Dann lernte er etwas kennen, was ihm zunächst vielleicht fremd war, was ihm aber durchaus von dem Lehrer erklärt wurde als etwas, was ihm doch nicht so ganz fremd sein durfte. Nämlich es wurde ihm gezeigt - und der Schüler lernte alsbald merken, daß das richtig ist -, daß ihm da etwas entgegentritt, was er selber emmal aus seinem eigendichen Menschen heraus zurückgelassen hat, was von ihm hinterblieben ist; er lernte etwas kennen, was mit ihm in inniger Verwandtschaft stand, was ihm allerdings jetzt wie ein Äußerliches, wie ein Fremdes gegenübertrat. Was ist dieses, mit dem sich da der Mensch in einer ganz merkwürdigen Art verband?Wir werden es am besten verstehen, wenn wir von einer Beschreibung des Momentes des Todes ausgehen. Die Geistes-forschung zeigt unsja, daß im Moment des Todes der Mensch seinen physi­schen Leib ablegt. Dann bleibt von ihm vorhanden, was wir kennen als semn Ich und seinen astralischen Leib, was wir kennengelernt haben als das, was jede Nacht in den schlafenden Zustand hinübergeht. Aber es bleibt auch noch das an ihm vorhanden, was wir jetzt versuchen, sozusagen von innen heraus kennenzulernen; es bleibt an dem Menschen, der den physischen Leib abgelegt hat, zunächst vorhanden dasjenige, was man den Äther- oder Lebensleib nennt. Der Mensch lebt nun nach dem Tode einige Zeit, die sich allerdings nur nach Tagen beläuft, in diesen drei Gliedern seiner Wesenheit:

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in seinem Ich, in seinem astralischen Leib und in seinem Ätherleib. Dann aber geht der wesentlichste Teil seines Ätherleibes wie ein zweiter Leichnam von ihm fort. Und es wird immer gesagt - es wurde auch von mir, wie ich glaube, mit Recht sonst immer angedeutet -: Dasjenige, was da als zweiter Leichnam abgeht, das zerstreut sich in der allgemeinen Ätherwelt, das löst smch aul, und der Mensch nimmt nur eine Essenz, einen Extrakt, einen Samen mit in das Leben, das er nun zwischen dem Tod und einer neuen Geburt antritt. -Was sich da auflöst, was da nach und nach wie ein zweiter Leichnam in die allgemeine Ätherwelt übergeht, das braucht zu seiner Auflösung ziemlich lange, und die letzten Spuren dieses sich auflösenden Ätherleibes seines letzten Lebens sind es, was der Einzuweihende jetzt wie ein Fremdes findet, wenn er sich bis zu dem Punkte der Zeitenfolge hinaufentwickelt hat, den wirjetzt beschrieben haben, wo der Mensch angekommen ist bei seinem letzten Ahnen, von dem er noch etwas ererbt hat. Da trifft er zusammen mit den letzten Überbleibseln seines letzten Ätherleibes. Und jetzt muß der Mensch gleichsam eindringen, wenn er seine Einweihung fortsetzt, in die­sen seinen letzten Ätherleib, den er zurückgelassen hat, und dann lebt er weitere Zeiten hinaul, weitere Jahre, nicht ganz, aber fast so lange, als er früher durchlebt hat bis zu seinem letzten Ahnen hinauf Die Zeit bis zum ältesten Ahnen verhält sich nämlich zu der Zeit, die er jetzt noch zu durch-leben hat, wie sieben zu fünf Würde sie gleich lang sein, so würde sie sich wie sechs zu sechs verhalten. Jetzt durchlebt der Mensch eine Zeit, in der er sozusagen immer mehr und mehr verdichtet fmdet, was er angetroffen hat als die letzten Überbleibsel. Immer ähnlicher und ähnlicher wird das, indem es sich zusammenzieht aus seiner Auflösung, für sein Wahrmiehmen, seinem letzten Äther- oder Lebensleib, bis er zuletzt, nachdem er jene Zeit durchgemacht hat, die eben sich wie sieben zu fünf verhaltend dargestellt worden ist, ankommt bei der Gestalt, die sein Ätherleib gehabt hat in dem Moment, wo er durch seinen letzten Tod gegangen ist. Und jetzt steht er, nachdem die Gestalt sich immer mehr und mehr zusammengezogen hat, vor seinem letzten Tod. In diesem Augenblicke gibt es für den Menschen, der also eingeweiht ist, keinen Zweifel mehr, daß die Reinkarnation eine Wahrheit ist, denn er ist zurückgeschritten bis zu seinem letzten Tod. Und damit haben wir sozusagen das Stück kennen gelernt, das der Mensch vor­findet als Überbleibsel seines letzten Erdenlebens. Man hat das in der Geisteswissenschaft

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immer bezeichnet, was da der Mensch erlebt als ihm entgegen­kommend von seinem letzten Erdenleben, als den Erdeninenschen oder als das Untere. So daß also der Mensch fast in der Mitte seiner Einweihungs­erlebnisse die Verbindung des Oberen mit dem Unteren durchmzchte und dann das Untere so weit verfolgte, daß er tatsächlich bis zu seinem letzten Erdenleben herunterstieg. Damit hatte der Mensch während seiner Ein­weihung einen Kreislauf durchgemacht, den Kreislauf, der verflossen ist von seinem letzten Leben bis zu seinem gegenwärtigen Leben, und er hatte sich im geistigen Anschauen vereinigt mit dem, was er in einer früheren Irikarnation gewesen ist. So etwas nannte man in der Geisteswissenschaft überhaupt immer einen Kreislauf und drückte dies ursprünglich aus durch das Symbolum der sich ringelnden Schlange, die sich selber erfaßt, die ein Symbolum für vieles ist, unter anderem auch für das, was eben geschil­dert worden ist als Ergebnis bei dem, der in die Isis- und Osiris-Mysterien eingeweiht wurde.

So sehen wir, daß allerdings mit dem Worte «Der Mensch hat einen Ätherleib» die Natur dieses Ätherleibes nicht erschöpft ist. Man lernt erst kennen, als was sich dieser Ätherleib darstellt, wenn man also hinuntersteigt. Dann lernt man die zwei Menschen, die in jedem Menschen vereinigt sind, kennen; man lernt das, was man Karma nennt, sozusagen an der Arbeit kennen. Man kann sich dann erklären, wie es kommt, daß man in einer ganz bestimmten Weise durch die Geburt ins Dasein schreitet. Man schreitet ins Dasein so, daß man warten mußte von seinem letzten Tod bis zur neuen Geburt, bis auf der einen Seite der alte Äther- oder Lebensleib aufgelöst war, und erst dann konnte der Anfang damit gemacht werden, den neuen Ätherleib zu bilden. Aber was ich eben erzählt habe, das zeigt ihnen, daß der Mensch tatsächlich nicht vollständig überwunden hat, in seinem jetzigen Leben dasjenige, was sich als sein alter Ätherleib aufgelöst hat. Er kann, wenn er m sein eigenes Innere hinuntersteigt, sozusagen auch noch das andere Stück, das sich schon aufgelöst hat, wiederfinden. Warum kann er es wiederfinden? Nun, weil er davonja eine Essenz, einen Extrakt zurückbehal­ten hat. Hätte er diesen Extrakt nicht zurückbehalten, dann könnte er auch das Stück seines Äther- oder Lebensleibes, das sich aufgelöst hat, nicht wiederfinden.

So sehen Sie zugleich, wie tief begründet das ist, was rnanja nur nach und

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nach in der Geisteswissenschaft erzählen kann. Es wird sonst immer in den exoterischen Vorträgen erzählt, daß eine Essenz zurückbleibt. Jetzt stehen wir an dem Punkt, an dem Sie erkennen können, wo die Geistesforschung das her hat, daß behauptet wird, es bleibe eine Essenz zurück. Das, was sonst mitgeteilt wird in der äußeren Erzählung der geistesforscherischen Tatsachen, ruht alles auf den denkbar tiefsten Gründen, das beruht alles auf Forschung. Hier haben Sie ein Stück dieser Forschung, hier haben Sie die Beschrei­bung, wie gesucht werden diese Stücke, die dann in der äußeren Geistes­wissenschaft mitgeteilt werden.

So also ist der Mensch angekommen bei seinem letzten Tod, und wir haben damit einige Eigenschaften kennengelernt, die der also noch tiefer in sich hineingehende Mystiker kennenlemt durch seine Einweihung. Haben wir gestern astralische Eigenschaften, diejenigen Eigenschaften, die sich uns ergeben als unendlich gesteigertes Gefühl des Dankes auf der einen Seite und als unendlich gesteigertes Gefühl der Verantwortung auf der anderen Seite, kennengelernt als das, was der Mystiker in seinem astralischen Leibe findet, so haben wir heute kennengelernt das, was der Mystiker findet in dem, was er nunmehr ätherischen oder Lebensleib nennt: den oberen und den unteren Menschen.

Die weiteren Schritte der Einweihung führen den Menschen dann dahin, daß er, indem er bei seinem letzten Tode angekommen ist, weitergehen und sozusagen sein letztes Leben kennenlernen kann. Aber dieses letzte Leben kennenzulernen, das ist im Grunde genommen nun wiederum nicht beson­ders einfach. Da handelt es sich darum, daß jetzt in der Tat der Mensch unter der Anleitung seines Führers nochmals darauf hingewiesen wird, wie er nicht weiterschreiten soll, ohne erst vollständig sich selber aufzugeben, ohne sozusagen in völliges Selbstvergessen zu verfallen, denn man kann nicht weiterschreiten, wenn man auch nur noch etwas von dem hat, was persönhches Selbstbewußtsein dieser jetzigen Verkörperung, dieses Lebens zwischen der Geburt und dem Tode ist. Solange man irgend etwas von dem hat, was man sein eigen nennt und was verläuft zwischen der Geburt und dem Tod, so lange kann man natürlich das nicht kennenlernen, was ja eine andere Persönhchkeit ist: die vorhergehende Inkarnation. Man muß fähig werden, sich für einen anderen halten zu können - das ist das Wichtige -, und man muß sich nicht verlieren, wenn man zu dieser Notwendigkeit gedrängt

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wird, sich für einen andern zu halten. Verwandlungsfähig muß man also werden bis zu dem Grade, daß man fühlen kann: man schlüpft in eine ganz andere Leibeshülle hinein. - Dann erst, wenn man es bis zu diesem Grade der Selbstlosigkeit gebracht hat, die ein vollständiges Vergessen ist alles dessen, was in dieser Inkarnation erlebt werden kann, wenn man sozu­sagen in dem denkbar stärksten Grade aufgegangen ist in seinem Führer, der einen bis zur vorhergehenden Inkarnation bringt, dann kann man weiterschreiten durch die letzte Inkarnation von dem Tode bis zur Geburt, die man durchgemacht hat, und dann - das ist jetzt wichtig - erlebt man mcht etwa das, was man in der vorhergehenden Inkarnation in der Welt draußen sinnlich gesehen hat, sondern man erlebt jetzt alles das, was man in der letzten Inkarnation an sich selber gearbeitet hat, was man in der letzten Inkarnation aus sich selber gemacht hat. Was das Auge gesehen, das Ohr gehört hat, was uns überhaupt in der Außenwelt entgegengetreten ist, das erlebt man auf andere Weise. Das aber erlebt man, was man bei seiner letzten Irikarnation bis zu dem letzten Tod aus sich gemacht hat. Man erlebt alle seme Anstrengungen, die man durchgemacht hat, um sich in dieser ver­flossenen Inkarnation um ein Stück weiterzubringen.

Wenn man dies durchgemacht hat, wenn man diese Arbeit an sich selber durchlebt hat, dann wird man von dem Führer wiederum zurückgeführt zu seiner jetzigen Inkarnation, zu seiner jetzigen Verkörperung. Also der Schritt gehtjetzt rasch von der vorhergehenden Inkarnation zurjetzigen In­karnation, und dann erst fmdet man sich wiederum. Und jetzt hat man ein eigentümliches Gefühl, das Gefühl, daß man eigentlich aus zwei Persön­lichkeiten besteht, daß man sich eine Persönlichkeit mitgebracht hat, die man eben geistig durchlebt hat, und daß man mit dieser Persönlichkeit in seme jetzige Persönlichkeit hineingefahren ist. Das gibt auch das Gefühl, m seinem physischen Leib drinnen zu sein. Man kann nämlich in seinem physischen Leib sich nicht anders erleben, als indem man sich zunächst mit seiner vorhergehenden Inkarnation darin erlebt.

Ich habe ja schon wiederholt angedeutet: Im gewöhnlichen normalen Leben sieht man den physischen Leib von außen. Jetzt hat man zuerst den Begriff, was es heißt, den physischen Leib von innen zu sehen. Man kann nur auf diese Weise in sich selber hineingelangen, daß man auf dem Umweg durch die vorherige Inkarnation geht. Dann steckt man darin und kann

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seinen eigenen physischen Leib anschauen, wie er im Innern ausschaut, wenn man das mit den Augen und Fähigkeiten der letzten Inkarnation tut. Aber das ist noch nicht genug, denn da merkt man noch ganz wenig von seinem jetzigen physischen Leib. Wenn nämlich der Führer den Menschen so weit gebracht hat, daß er einmal das Gefühl gehabt hat, in sich selber drinnenzustecken mit seiner vorherigen Persönlichkeit, dann muß der Führer den Menschen den ganzen Weg nochmals machen lassen. Jetzt aber macht er in derselben Weise, wie es beschrieben worden ist, den Weg von der vorletzten Geburt bis zu dem vorletzten Tod durch: er erlebt da wieder­um, was er in der Zwischenzeit in der geistigen Welt als oberer und dann als unterer Mensch durchgemacht hat, und lebt bis zu seiner vorletzten Inkarnation hinaut, erreicht also durch seinen vorletzten Tod seine vorletzte Inkarnation. Wohlgemerkt, man kann durch einen einmaligen Kreislaufnur bis zu seiner vorhergehenden Inkarnation kommen; dann muß man wieder in seinen Leib hinein und kann jetzt einen zweiten Kreislauf machen. Dann kommt man zur vorletzten Inkarnation. Mit dieser kehrt man wiederum zurück in den gegenwärtigen Leib. Jetzt hat man das Gefühl, daß man als dritte Persönlichkeit in seinen zwei vorhergehenden Persönlichkeiten drin­nensteckt.

Und so wird der Kreislauf oft vollzogen, so oft, bis der Mensch hinauflebt bis zu emem Zeitpunkt, der weit zurückliegt in der Erdentwickelung. Da fmdet der Mensch, daß er in einer früheren Persönlichkeit verkörpert war in früheren Kulturzeitaltern, zum Beispiel im griechisch4atemischen; daß er m emer noch früheren Kultur verkörpert war in der ägyptischen Zeit, in einer noch früheren in der urpersischen Kultur und in einer noch früheren, in der altindischen Zeit. Dann lebt er sich weiter hinauf in das, was Sie be-schrieben finden als die atlantische Zeit, und noch weiter hinauf bis zur sogenannten lemurischen Zeit. Da hört die Möglichkeit aul, solche Er­fahrungen zu machen, wie sie eben beschrieben worden sind. Da kommt der Mensch tatsächlich in die Möglichkeit, sich selbst innerlich so weit zu verfolgen durch alle möglichen Kulturen und Rassen hinauf bis zu dem Be­ginne seines Erdenwerdens, bis zu seiner ersten irdischen Verkörperung. In dem, was wir das Innere unseres physischen Leibes nennen, stecken eigentlich darin als Kräfte alle unsere früheren Verkörperungen. Was wir heute äußer­lich als physischer Leib sind, das hat in sich als Kräfte alle früheren Verkörperungen.

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Sie sehen also, wenn man zunächst exoterisch sagt, der Mensch besteht aus einem physischen Leib, aus einem ätherischen oder Lebensleib, aus einem astralischen Leib, so heißt das: der Mensch besteht zunächst aus etwas, was sich von innen gesehen ausnimmt wie ineinandergeschachtelte aufeinanderfolgende Verkörperungen. - Tatsächlich sind alle unsere Ver­körperungen im Inneren unseres physischen Leibes am Werke. Und wenn wir sprechen von dem Äther- oder Lebensleib und mit ein paar Worten auf ihn hindeuten, dann müssen wir eingedenk sein, daß er, von innen ange­sehen, als ein Kreislauf erscheint, der verfließt, rückwärts laufend, von unse­rer gegenwärtigen Geburt bis zum letzten Tode. Da zeigen sich die Eigen­schaften unserer Hüllen, dessen, was wir sozusagen an uns haben, in das wir mystisch untertauchen, in das wir hineinsteigen können.

Dann aber, wenn der Mensch so weit zurückgegangen ist, wenn er ange­kommen ist als ein Einzuweihender an der Hand des Hermes-Eingeweihten bei seiner ersten Inkarnation, dann erfährt er dabei tatsächlich viel mehr noch; er erfährt an diesem Punkte seiner Rückwärtswanderung, daß er in einer gewissen Zeit unseres Erdenwerdens, unserer Erdenentwickelung in einer anderen Umgebung war, als er jetzt ist. Die Erde war dazumal ganz anders, in der Zeit, in der der Mensch gelebt hat in seiner ersten Inkarnation, in seiner ersten Verkörperung. Wenn wir jetzt in die Welt hinausschauen, treten uns entgegen drei Naturreiche: das Tierreich, das Pflanzenreich, das Mineralreich. Wir haben im Grunde genommen in uns alle diese drei Reiche . wir haben das tierische, das pflanzliche, das mineralische Reich in uns. Das tierische Reich haben wir dadurch in uns, daß wir einen astralischen Leib haben, der unsern äußeren Leib eben in einer gewissenWeise kraftvoll durch­setzt; das pflanzliche Reich dadurch, daß wir einen ätherischen oder Lebens-leib haben, der ein Ähriliches tut. Das mineralische Reich haben wir in uns dadurch, daß wir die Stoffe, die äußerlich im mineralischen Reiche sind , mit uns selbst vereinigen, in uns aufliehmen, sie durch uns durchgehen lassen. Ja, wenn wir so weit hinaufschreiten im Geistigen, daß wir bei dem Erleben des Inneren unseres physischen Leibes bei unserer ersten Inkarna­tion angekommen sind, da merken wir dann, daß die Erde in diesem Zeit­punkt gerade in der Epoche ihrer Entwickelung angekommen war, wo das Mineralreich eben erst entstanden ist in seiner heutigen Form. Daher konn­ten wir auch unsere erste physische Verkörperung da'nals bilden, weil wir

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da zuerst, indem sich das Mineralreich bildete, etwas von diesem Mineral-reich in uns aufnehmen konnten. Wir gelangen damit zugleich an den Be­ginn des mineralischen Reiches auf unserer Erde.

Nun können Sie sagen: Ja, aber war denn dieses mineralische Reich auf unserer Erde nicht eigentlich früher dagewesen als das Pflanzen- und Tier­reich? - Wer sozusagen nur so weit denken würde, als seine Nase reicht, der kann das ja glauben. Wer aber ein klein wenig nur nach Gleiclinissen denkt, der wird sich sagen: Ich habe ja schon in der gewöhnlichen Stein­kohle etwas, was erst aus der Pflanze entstand, was mineralisch geworden ist, indem es erst pflanzli.ch war. - Unter anderen Verhältnissen als den heutigen konnte in der Tat vor dem mineralischen Reich das pflanzliche be-stehen. Das mineralische Reich ist erst eine spätere Bildung als das Pflanzen­reich. Das Pflanzenreich ist dem mineralischen vorausgegangen. Nicht das Pflanzenreich folgt dem Mineralreich, sondern unter anderen Bedingungen hat das Pflanzenreich schon vorher existiert. Als Verhärtungsprodukt des Pflanzenreiches ist das Mineralreich entstanden. Und in dem Augenblick, wo auf unserer Erde das mineralische Reich sich bildet, in diesem Augen­blicke tritt der Mensch in seine erste Erdeninkarnation ein. So daß wir sagen können: In unserer Erdenentwickelung hat sich das Mineralreich entwickelt durch gewisse lange Zeiträume hindurch. Seit der Entwickelung dieses Mineralreiches machen wir unsere Erdeninkarnationen durch. Dieses Mine­ralreich haben wir uns also dazumal erst angeeignet. Vorher waren wir in einer anderen Weise als Wesen substantiell, vorher hatten wir noch nicht die Stoffe und Glieder des Mineralreiches an uns, wie wir sie heute als physisch verkörperte Menschen in uns haben. - Deshalb sagte man auch in der Geisteswissenschaft zu allen Zeiten: Unsere Erde ist fortgeschritten in ihrer Entwickelung bis zur Bildung des Mineralreiches, und damit hat sich zugleich der Mensch dieses Mineralreich angeeignet.

Nun sehen wir daraus wiederum, wie der Mensch, indem er in sich selber Liinuntersteigt bis zu der Erkenntnis seines physischen Leibes, an einen Punkt kommt, wo er aus sich selber hinaustritt. Wie sollten wir es denn anders erwarten? Wir wissen, durch unseren Astralleib sind wir den Tieren ver­wandt, durch unseren Ätlierleib den Pflanzen, durch unseren physischen Leib den Mineralien. Kein Wunder, daß, wenn wir bis zum physischen Leib hinuntersteigen, bis zum letzten, was noch an uns als Kräfte des physischen

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Leibes existiert, daß wir da das Mineralreich als das Äußere antreffen. Wir gehen gleichsam in uns selber hinein und kommen merkwürdiger-weise an einen Punkt, wo wir aus uns hinauskommen, in das Mineralreich hinein. Allerdings nicht in jenes Mineralreich, das wir heute um uns herum haben, sondern in dasjenige in dem Momente seiner Entstehung auf der Erde. So lernt der Geistesforscher das Mineralreich kennen in der alten lernu­nschen Zeit. Wir unterscheiden unsere jetzige Zeit, welche zurückführt in der Zeitenfolge bis zu der großen Katastrophe, die wir die atlantische nennen. Vor dieser Zeit war das Antlitz der Erde ganz anders als heute. Es war ein großer Kontinent, auf dem wir lebten, zwischen dem heutigen Europa, Afrika einerseits und Amerika andererseits, der atlantische Kontinent. Das war die atlantische Erdenzeit. Dann kommen wir zurück zu einer noch früheren Erdenzeit. Da war das Antlitz der Erde wieder anders, da lebten die Menschen, das heißt wir selber in unserer früheren Inkarnation, auf einem Kontinent, den wir suchen müssen heute auf der Erde zwischen Australien, Afrika und Asien, im alten Lemurien, wie es die heutige Natur­wissenschaft ja auch nennt. Dazumal machte der Mensch seine erste Inkar-nation durch. Damals schoß auch die Erde erst in ihr mineralisches Reich. Das war auch der Moment, wo sich das, was wir als Mond im Himmels-raume haben, aus der Erde herausgesondert hat. Früher war unser Mond mit unserer Erde verknüpft. Das sei nur nebenbei gesagt. Wie das erforscht wird, davon werden wir noch in den nächsten Tagen reden.

Damit haben wir gesehen, daß, wenn wir in uns selber hineinsteigen und uns wirklich kennenlernen, wenn wir an der Hand des Führers durch wahr­haft mystisches Erleben uns in uns vertiefen, aus uns selber herauskommen. Es führt uns unser Weg aus dem Menschen zur mineralischen Erde hin, zu jener mineralischen Erde, aus der wir uns unsere Erdenstoffe, das Mineral-reich, angeeignet haben.

Das ist der eine Weg, welchen ich Ihnen schildern wollte als den Weg, der durchgemacht werden konnte und durchgemacht worden ist von vielen in den alten Isis- und Osiris-Mysterien. Wie gesagt, er konnte nur durchge­macht werden an der Hand eines Führers, dem man sich im strengsten Sinne unterwarf. Sonst führte er nämlich zu etwas ganz anderem. Wenn der Mensch sich dazumal nicht unterworfen hätte mit seinem ganzen Ich dem Führer, dann hätte er niemals diese Wege gehen können, die jetzt beschrieben

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worden sind, sondern er wäre in sein Inneres hineingestiegen und hätte die allerschlimmsten Seiten seines Innern kennengelernt, das kennengelernt, was er durch sein selbstsüchtiges Ich aus sich gemacht hat. Es wird uns ob­liegen in den nächsten Tagen, den anderen Weg zu schildern, der in den nordischen Mysterien hinausführte in die Himmelsräume, der sozusagen nicht in den Menschen hinein-, sondern aus dem Menschen herausführte. Und nachdem wir dann diese zwei Wege kennengelernt haben, welche heute nicht gangbar sind wegen der fortgeschrittenen Menschennatur, die frei sein will von emer absoluten Botmäßigkeit, werden wir den Weg kennenlernen, der für die heutige Menschennatur der gangbare, der richtige ist, den sogenannten rosenkreuzerischen Weg.

Erwähnt soll nur noch werden, daß sich gewisse neuere Mystiker zu helfen suchten, wenn sie nicht einen Guru hatten, dem sie sich so streng unterwarfen. Dann wußten sie sich in einer anderen Weise zu helfen, und es ist interessant, zu sehen, wie auch derWeg solcher Mystiker erklärlich wird, wenn man jene Geheimnisse kennt, die eben beschrieben worden sind. Nehmen wir zum Beispiel den Meister Eckhart. Das war ein Mystiker des Mittelalters, welcher einen Führer in dem Sinne, wie es die alten Einzu­weihenden der Isis- und Osiris-Mysterien hatten, nicht hatte, der sozusagen auf eigene Hand in sein Inneres hinunterstieg. Es wäre für ihn sehr gefähr­lich geworden, wenn er über den gewissen Punkt hinaus nach seiner eigenen, sich ihm wie natürlich ergebenden inneren Versenkung einfach fortgefahren wäre. Da wäre er kaum davor bewahrt geblieben, daß nicht doch an einem gewissen Punkt aufgetreten wäre der Anspruch des eigenen Ich. Denn das ist gerade die Gefahr bei diesem Versenken in sein eigenes Innere, daß das eigene Ich doch in seiner Selbstsucht in einer gewissen Weise sich geltend macht. Man kann natürlich in langen Tiraden herumreden, daß der Mensch in sich selber hinuntersteigen soll und daß er sich so vertiefen kann, daß er den Gott-Menschen in sich finde. Aber solche, die nur so reden, sind in der Regel nicht sehr weit gekommen. Wenn sie weit gekommen wären, so würden sie, wenn sie sich selbst überlassen worden wären, auch das gefunden haben, was gefunden werden muß, nämlich daß sich das selbstsüchtige Ich in einer furchtbaren Weise geltend macht. Und man könnte es an solchen Mystikern erleben, daß sie zwar, wenn sie geleitet sind an der Hand des äußeren kon­ventionellen Lebens, ganz leidlich anständige Menschen sind: in dem Augenblicke

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aber, in dem sie sich in ihr Inneres versenken, wo sie also das ver­lassen, was von außen auf sie wirkt, wo sie ihren inneren Menschen auf­suchen, da kommt dieser auch zur Geltung. Während sie vorher durch äußere Erziehung veranlaßt worden sind, zum Beispiel die Wahrheit zu sagen, kann es vorkommen, daß sie dann, wenn das selbstsüchtige Ich sich geltend macht, anfangen zu lügen, daß sie unaufrichtige Menschen werden, daß sie Eigenschaften erhalten, die stärker selbstsüchtig sind als diejenigen, die die Menschen draußen haben. Solche Erfahrungen kann der machen, der übelgeleitete Mystiker im Leben betrachtet, die gerne davon reden, daß man sich in sein eigenes Innere verseuken solle, um den höheren Menschen zu finden. Man fmdet gewöhnlich nicht diesen höheren Menschen, sondern semen allergewöhnlichsten Menschen, der in der Regel dann schlechter ist als der konventionelle Mensch. Vor diesem Anspruch des selbstsüchtigen Ichs muß man sich hüten. Und solch eine gesunde mystische Natur, wie es der Meister Eckhart war, hat gesucht sich zu hüten. Der ägyptische Einzu­weihende ist durch seinen Hermes-Priester bewahrt geblieben, der für ihn die Führung übernommen hat, so daß der Schüler nicht mehr seinem eigenen Ich folgte; der Meister Ecklart hatte einen solchen Lehrer nicht. Tauler bekam ihn von einem gewissen Zeitpunkt an, aber Eckhart hatte einen sol­chen Führer im eigentlichen Sinne des Wortes nicht. Wodurch schützte er sich aber vor dem eigensüchtigen Anspruch des eigenen Ich? Er schützte sich, wie fast alle die christlichen Mystiker des Mittelalters, welche einen eigentlichen Guru nicht hatten, weil die Zeit schon herannahte, wo die Menschennatur sich auflehnt dagegen, dadurch, daß er sich ganz durchdrang mit dem Gefühl, als er in bestimmte Tiefen hinuntergestiegen war: Jetzt bist du nicht mehr du selber,jetzt bist du ein anderer geworden;jetzt spricht, fühlt, will nicht mehr das, was du sprichst, fühlst, willst, jetzt lasse dich ganz erfüllen mit dem Christus. - Er machte das Paulinische Wort wahr:

Nicht ich, sondern der Christus in mir. Dann hatte er diese Verwandlung durchgemacht. Er entselbstete sich sozusagen. Es ist ein schöner Ausdruck , das Wort Entwerdung. Wie man wird ein selbständiges Ich, so suchten diese christlichen Mystiker zu entwerden, das heißt ihr Ich wiederum aufzugeben und sich ganz erfüllt zu fühlen von einem anderen Ich. Das war ein Mittel gegen die selbstsüchtigen Ansprüche des Ichs. Das waren die Mittel, zu welchen Mystiker griffen wie Meister Eckliart oder der Mystiker, der der

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Schreiber der sogenannten «Theologia Teutsch» ist: daß sie nicht aus sich selber sprechen wollten, daß sie einen höheren Menschen, einen Menschen, der den jetzigen Menschen innerlich beleben und inspirieren kann, in sich selber sprechen lassen konnten. Daher das immer wiederkehrende Betonen dieser Mystiker, daß sie ihr Selbst ganz hingeben wollten dem, was sie inner­lich erlebten. So also sehen wir, als die neueren Zeiten herannahen, wie die christliche Mystik des Mittelalters, die schon entgegenlebt den Zeiten der modernen Menschheit, wie diese christlichen Mystiker den äußeren Guru ersetzten durch einen inneren Guru, durch den Christus.

Was nun zu tun ist, damit der Mensch, der im heutigen Geistesleben darin­nensteht, seine Wege fmdet in die geistigen Welten hinein unter Aufrecht­erhaltung der heutigen Geistes- und Seelenverfassung, das wird sich uns morgen zeigen, wenn wir vorher ein wenig den Weg besprochen haben, der in den nordischen Mysterien unternommen worden ist, um den Makro-kosmos kennenzulernen, in den der Mensch hineintritt beim Einschlafen. Wir werden von einer Schilderung des Einschlafens ausgehen und weiter schil­dern, in welche makrokosmische Sphären die Menschen sich hineinlebten, um den Übergang zu fmden zu den neueren Methoden des Erkenntnis­pfades in die höheren Welten.

SECHSTER VORTRAG Wien, 26. März 1910

#G119-1962-SE140 - Makrokosmos und Mikrokosmos

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SECHSTER VORTRAG

Wien, 26. März 1910

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Wir haben gestern zum Schlusse der Darstellung, die den eigentlich tieferen mystischen Weg des Menschen gegeben hat, hinweisen müssen auf die Hauptgefahr, welche mit diesem mystischen Weg bei demjenigen verbunden war, der ihn in alten Zeiten ohne Führung gegangen wäre, in Zeiten, in denen es ja noch nicht diejenigen Methoden der Einweihung gegeben hat, von denen wir später sprechen werden, und die es jetzt gibt. Um Ihnen noch genauer einen Hinweis zu geben, wie groß diese Schwierigkeiten waren, möchte ich folgendes erwähnen. Wir haben gesehen, daß die Schwierig­keiten hauptsächlich davon herkommen, daß der Mensch, wenn er in sein eigenes Innere hineinsteigt, von seinem egoistischen Wesen, von seinem Ich fast ganz ausgefüllt wird, so daß dieses Ich mit einer Stärke erwacht, welche alles, was sonst der Mensch wahrnimmt, was er sonst erkennen kann, in den Dienst des Ichs stellen und alles nur in der Färbung sehen würde, welche durch dieses verstärkte Licht der egoistischen Seele bewirkt wird. Gerade aus diesem Grunde mußte in der alten Einweihung die Stärke des kh-Gefühls und des Ich-Bewußtseins ganz herabgestimmt werden, und es mußte sozusagen das Ich übertragen werden auf den geistigen Führer, wie wir es gestern beschrieben haben. Diese Herabstimmung des Ichs wurde zunächst so bewirkt, daß durch die Kraft, welche ausging von dem geistigen Fülirer, das Ich-Bewußtsein des Betreffenden, der da eingeweiht werden sollte, auf ein Drittel der gewöhnlichen Stärke heruntergestimmt wurde. Das ist schon sehr, sehr viel, denn wir können sagen, daß unser Bewußtsein im allgemeinen, wenn nicht ganz tiefer Schlaf vorhanden ist, ungefähr in die­sem Zustande der Herabstimmung auf ein Drittel seines gewöhnlichen Grades ist. Dann wurde aber diese Herabstimmung in den alten Mysterien noch weiter getrieben, indem jenes Drittel wiederum auf ein Viertel her­untergestimmt wurde, so daß der Betreffende in den alten Mysterien zuletzt wirklich in einem todähnlichen Zustand war; vollständig ähnlich einem Toten war er in bezug auf die äußere Beobachtung.

Das, worauf ich hinweisen möchte, das ist aber, daß dieses starke Ich-Bewußtsein nicht etwa ins Nichts verschwand. Das war durchaus nicht der

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Fall. Im Gegenteil, man konnte dann erst durch geistige Wahrnehmung sehen, wie intensiv der menschliche Egoismus ist, denn mit jedem Zwölftel des menschlichen Ich-Bewußtseins kam aus dem Menschen geistig etwas heraus, was ein kräftiges Stück seines Egoismus war. Und so sonderbar es Ihnen klingen mag, es war aber doch so: Um diese aus dem Menschen her­ausströmenden Egoismen im Zaume zu halten, gleichsam um den Menschen geistig zu halten, wenn er sein Ich heruntergestimmt erhielt und alles, was an Egoismus in ihm war, ausströmen ließ, waren zwölf Gehilfen notwendig. Das ist eines der höheren Geheimnisse des Altertums, und es sollte nur ange­führt werden, um zu zeigen, was der Mensch findet, wenn er in sein Inneres hinuntersteigt, was für das Äußere gewöhnlich im Zaume gehalten wird. Der Mensch würde sich in der Tat geistig so gebärden, wenn er ohne weite­res in sein Inneres hineingeführt würde, daß er Eigenschaften bekommen würde, welche zwölfmal schlechter wären als diejenigen, die er im gewöhn­lichen Leben hat. Diese Eigenschaften werden im Zaume gehalten von die­sen Gehilfen des Hermes-Priesters in den alten Mysterien der Ägypter. Das sollte, wie gesagt, eine nebenliergehende Bemerkung sein, welche das noch verstärken sollte, was gestern am Schlusse erwähnt worden ist.

Heute obliegt es uns, den anderen Weg zu zeigen, den der Mensch nehmen kann, wenn er nun nicht in sein Inneres hinuntersteigt, wenn er also gleichsam nicht durchmacht mit einem Hineinschauen in sein Inneres den Moment des Aufwachens, sondern wenn er in bewußter Weise durch-macht den Moment des Einschlafens und das Verweilen in jenem Zustande, in dem sonst der Mensch ist, wenn er dem Schlafe hingegeben ist. Wir haben in den vorhergehenden Vorträgen gesehen, daß der Mensch dann gleichsam ausgeflossen ist in den Makrokosmos, während er während seines tag­wachenden Zustandes in seine eigene Wesenheit, in den Mikrokosmos, untergetaucht ist. Es ist auch erwähnt worden, daß das, was da der Mensch erleben würde, wenn sein Ich nun gleichsam sich ergießen würde in den ganzen Makrokosmos, in die große Welt, für den Menschen so blendend, so niederschmetternd wäre, daß es eben als eine weise Einrichtung bezeich­net werden muß, daß der Mensch beim Einschlafen in dem Moment, wo er, wenn sein Bewußtsein wach bleiben würde, von dem Makrokosmos ge­blendet würde, alles und sich selber vergißt, das heißt, daß sein Bewußtsein eigentlich aufhört. Was nun der Mensch erleben kann, wenn bis zu einem

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gewissen Grade eine Art Bewußtsein erhalten wird, das haben wirja wieder­um dargestellt in jenem Aufgehen in dem Mikrokosmos, das wir genannt haben die Ekstase. Aber wir haben zu gleicher Zeit gezeigt, daß diese Ekstase etwas ist, wie wenn das Ich etwa wie ein Tröpfchen einer Flüssig­keit aufgesogen würde von einer großen Menge Wasser, daß die Ekstase etwas ist, das das Ich ausfließen läßt, und daß der Mensch dadurch in einen Zustand kommt, den man bezeichnen könnte als außer sich seiend, außer seinem gewöhnlichen Wesen seiend. So kann diese Ekstase durchaus nicht als das bezeichnet werden, was etwa wünschenswert ist für den Menschen, uni in die Welt, in den Makrokosmos hineinzukommen, denn der Mensch würde sich ja dann selber verlieren; sein Ich würde aufhören, ihn zu be­herrschen. Dennoch gab es in älteren Zeiten, namentlich in den europäischen Gegenden, durchaus einen Zustand, der mit der Ekstase sich vergleichen läßt, in den derjenige versetzt werden mußte, welcher eingeweiht werden sollte in die Geheimnisse des Makrokosmos; also einen Zustand, der doch ähnlich war der Ekstase. Heute ist das nicht mehr der Fall bei jener Methode, die wir als die heutige Einweihungsmethode noch kennenlernen werden. Aber in älteren Zeiten, namentlich in den nordischen und westlichen Gegenden Europas, auch in unserer Gegend, war der Entwickelung der in diesen Gegen­den wohnenden Menschen, wenn sie eingeweiht werden wollten, durchaus eme Art Ekstase angemessen, um in die Geheimnisse der großen Welt einge-führt zu werden. Aber damit waren sie auch ausgesetzt dem, was man Ver­lust des Ichs nennen könnte. Und so, wie diese Menschen waren, würden sie zwar, da sie mit einer gewissen ursprünglichen elementaren, gesunden Kraft behaftet waren, da sie noch nicht geschwächt waren wie unsere gegen­wärtige Menschheit in bezug auf ursprüngliche Seelenkräfte durch eine ge­wisse hochgradige Intellektualität - so würden sie zwar, wenn sie so vor­gebildet waren, wie es beschrieben worden ist, in gesteigertem Maße alle Hoftiiungen des Frühlings, das Aufjauchzen des Sommers, die Wehmut des Herbstes, die Todesschauer des Winters haben durchmachen und dennoch bis zu einem gewissen Grade ihr Ich behalten haben können, aber eben nicht lange. Es mußte für diejenigen, die eigentlich eingeweiht werden sollten, die Lehrer werden wollten für die anderen, Vorsorge getroffen werden, daß diese Einweihung in einer ganz anderen Weise noch geschehen konnte. Und Sie können es begreifen, was geschehen mußte, wenn Sie sich vorstellen,

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daß ja die Hauptsache bei diesem Hinausleben in den Mikrokosmos der Verlust des Ichs ist. Das Ich wird immer schwächer und schwächer; der Mensch kommt in einen Zustand, wo er sich eben selber als eine mensch­liche Weseriheit verliert.

Was mußte da also geschehen, damit der Mensch sich nicht verlor? Es mußte ihm die Kraft zugeführt werden, die man gerade als die Kraft des Ichs bezeichnen könnte. Die Kraft, die schwächer wurde in seiner eigenen Seele, die Kraft des Ichs, die mußte ganz von außen zugeführt werden. Und das geschah dadurch, daß diese nordischen Mysterien immer so ver­liefen, daß derjenige, der eingeweiht werden wollte, die Unterstützung ge­noß von Gehilfen, die nun wiederum den einweihenden geistigen Führer unterstützten. Ein geistiger Führer mußte auch da sein, aber es mußten Ge­hilfen da sein, die diesen geistigen Führer unterstützten. Und diese Gehilfen kamen auf folgende Weise zustande. Es wurden Menschen besonders er­zogen, besonders vorbereitet in der Art, daß der eine Mensch zum Beispiel diejenigen inneren Erlebnisse und Empfmdungen besonders stark durch-machte, die man durchmachen kann, wenn man sich hingibt alledem, was man nennen kann die aufsprießende Natur des Frühlings. Es ist früher ge­sagt worden, daß das der Mensch selber tun kann: aber er kann es nicht in genügend hohem Grade tun. Deshalb wurden Menschen besonders erzogen, welche alle ihre Seelenkräfte in den Dienst dieser nordischen Mysterien so stellen mußten, daß sie auf alles übrige verzichteten, verzichteten auf das, was Herbst, Sommer und so weiter erleben lassen. Sie sollten alle ihre Seelen-kräfte dazu verwenden, um die Eigenart der aufsprießenden Frühlingsratur gefühlsmäßig zu erleben. Andere wurden wiederum dazu veranlaßt, zu erleben das volle Leben des Sommers, andere wurden veranlaßt zu erleben das volle Leben des Herbstes, andere dasjenige des Winters. Es wurde also auf verschiedene Menschen das verteilt, was ein Mensch auch im Laufe des Jahres erleben kann. Dadurch hatte man Menschen, die ihr Ich in der ver­schiedensten Weise gestählt, gestärkt hatten. Sie hatten dadurch, daß sie emseitig dieses Ich verstärkt hatten, daß sie verzichtet hatten auf das andere, sozusagen Überfluß an Ich-Kraft. Und nun wurden sie nach gewissen Regeln mit demjenigen, der eingeweiht werden sollte, so in Verbindung gebracht, daß sie ihre überschüssige Ich-Kraft ihm gaben, daß diese auf ihn zuströmte. So daß also dem, der da den Jahreslauf durchmachen sollte, der ein Jahr so

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durchleben sollte, daß er im Laufe dieses Jahres zu gewissen höheren Er­kennmissen des Makrokosmos hinaufgeführt wurde, in sein Ich, während es sonst immer schwächer und schwächer geworden wäre, die Ich-Kraft die­ser Gehilfen des Einweihungspriesters zuströmte. Es ergoß sich in seine Seele das, was die anderen ihm geben konnten.

Wenn man einen solchen Vorgang verstehen will, dann muß man sich allerdings einen Begriff davon verschaffen, mit welcher Hingabe und gegen­seitigen Aufopferung in jenen alten Zeiten in den Mysterien gearbeitet worden war. Von jener Hingabe, von jener Aufopferung ist in der heutigen exoterischen Welt nicht viel Begriff vorhanden. Denn es haben sich wirklich Menschen dazu hergegeben, einzig ihr Ich zu verstärken, damit sie die Kraft dieses Ichs abgeben konnten an den einen, der eingeweiht werden sollte, und von ihm dann erfahren konnten, was er erlebt hatte, indem er hinauf-stieg in eine Ekstase, die aber jetzt keine Ekstase mehr war, weil ihm fremde Ich-Kraft zugeströmt ist, sondern die ein bewußtes Hinaufsteigen in den Makrokosmos war.

Es waren wiederum zwölf Menschen, sozusagen drei Frühlings-, drei Sommer-, drei Herbst-, drei Wintermenschen notwendig, welche ver­schieden ausgebildete Ich-Kräfte dem zusandten, der sich so in die höheren Welten hinauflebte und der dann aus den Erfahrungen heraus, die er da machte, mitteilen konnte, wie es in den höheren Welten aussieht. Ein solches Kollegium von zwölf Menschen, welche zusammenwirkten mit ihrer Kraft, um einen in den Makrokosmos hineinwachsenden Eingeweihten hervorzu­bringen, war in den Mysterien vorhanden, und die Erinnerung daran ist in mancherlei heute selbstverständlich in der Dekadenz befindlichen Gesell­schaften vorhanden, welche in der Regel auch eine Gemeinschaft von Zwölfen zeigen, die gewisse Funktionen haben. Aber das alles ist nur mehr wie eine letzte und noch dazu mißverständliche Erinnerung an das, was behufs Einweihung in alten Zeiten in den nordischen Mysterien vorhanden war. Wenn nun der Mensch somit einer ihm künstlich aufrecht­erhaltenen Ich-Kraft sich in den Makrokosmos hineinlebte, stieg er tatsächlich zunächst durch Welten hinauf. Die erste Welt, durch die er zu gehen hatte, war diejenige Welt, welche sich dem Menschen zeigen würde, wenn er im Einschlafen nicht das Bewußtsein verlöre. Wir wollen, damit wir uns recht genau in dieser Beziehung verstehen, einmal diesen Moment des Einschlafens

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ebenso ins Auge fassen, wie wir behufs Beschreibung des anderenWeges, den des Aufwachens, ins Auge gefaßt haben.

In der Tat ist ja das Einschlafen ein Hinaufleben in den Makrokosmos. Im gewöhnlichen normalen Bewußtsein kann der Mensch wiederum durch be­sondere abnorme Verhältnisse hie und da in die Lage kommen, ein gewisses Bewußtsein von dem Vorgang seines Einschlafens zu haben. Wenn er dieses Bewußtsein von dem Vorgang seines Einschlafens hat, dann zeigt sich ihm ungefähr das folgende. Er empfindet eine Art von Seligkeit. Diese Seligkeit kann er ganz genau unterscheiden von seinem Tagesbewußtsein. Es ist ein Leichterwerden, ein Wie-aus-sich-Herauswachsen. Dann aber ist dieser Mo­ment allerdings verbunden mit einem gewissen Gepeinigtwerden von einer Erinnerung an die im Leben dem Charakter anhaftenden Fehler. Was da als eme peinigende Erinnerung an die persönlichen Fehler auftaucht, das ist em ganz abgeschwächtes Gefühl von dem, was wir ja auch schon beschrie­ben haben dadurch, daß wir zeigten, wie der Mensch vorbeikommt an dem kleinen Hüter der Schwelle und an ihm wahrnehmen kann, wie unvoll­kommen er ist mit seiner kleinen Seele gegenüber den großen Tatsachen und großen Wesenheiten des Makrokosmos. Dann folgt, wenn ein Mensch in einen solch abnormen Zustand kommt, eine Art Zucken. Das ist das Herausgehen des eigentlichen inneren Menschen in den Makrokosmos. Es sind das seltene Erlebnisse, aber immerhin solche, die manche Menschen haben, wenn sie mehr oder weniger bewußt waren im Momente des Ein­schlafens. Aber derjenige, welcher das gewöhnliche normale Bewußtsein hat, der verliert ja dieses Bewußtsein in dem Momente des Einschlafens. Da ist es also so, daß alle Eindrücke des Tages, wie Farben-, Licht-, Tonein-drücke und so weiter, hinunterschwinden aus dem Bewußtsein. Man kann sagen: Er ist nun umgeben mit fmsterem Dunkel des Bewußtseins, statt mit all den Farben- und sonstigen Eindrücken des Tages. - Wenn der Mensch nun das Bewußtsein aufrechterhalten würde, so wie es der vorbereitete Eingeweihte aufrechterhält, so würde er in dem Moment, wo die äußeren Eindrücke des Tages verschwinden, nicht nichts sehen, das heißt, er würde nicht schwarze Finsternis um sich herum haben, sondern er würde das wahrnehmen, was man in der Geisteswissenschaft nennt die elementarische Welt, die Welt der Elemente.

Diese Welt der Elemente ist also das, was sich zunächst dem einschlafenden

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Menschen verbirgt. Geradeso wie das Innere des Menschen sich beim Auf­wachen dadurch verbirgt, daß der Mensch gleich abgelenkt wird auf die Eindrücke der Außenwelt, so verbirgt sich beim Einschlafen die nächste Welt, der der Mensch angehört, die erste Stufe des Makrokosmos, die ele­mentarische Welt, wie man sie in der Geisteswissenschaft vielfach genannt hat. In diese elementarische Welt lernt der Mensch hineinschauen, wenn er in der angedeuteten Weise wirklich hinaufsteigt in den Makrokosmos. Diese elementarische Welt gibt ihm zunächst ein Bewußtsein davon, wie alles das, was m unserer Umgebung ist, was sich da ausbreitet an sinnlichen Wahr­nehmungseindrücken, doch ein Ausfluß, eine Offenbarung ist von Geistigem, wie hinter dem Sinnlichen Geistiges steckt. Wenn der Mensch als ein Einzu­weihender nicht dadurch, daß er ins Unbewußte hineinschläft, diese ele­mentarische Welt nicht wahmimmt, sondern wenn er sie wahrnimmt, dann ist für ihn gar kein Zweifel mehr darüber, daß hinter der sinnlichen Welt geistige Wesenheiten, geistige Tatsachen sind. Nur solange der Mensch nur die sinnliche Welt wahrnimmt, träumt er davon, daß da hinter dieser sinn­lich-physischen Welt allerlei weiteres abstraktes Sinnliches sei, etwa wir­belnde Atome oder dergleichen. Von solchen wirbelnden Atomen, von solchen, man möchte sagen, von den gewöhnlichen sinnlichen Wahr­nehmungen ausgepreßten Stoffatomen kann für denjenigen nicht mehr die Rede sein, der eindringt in die elementarische Welt. Nicht das, was man im Materialismus als Stoff sich vorstellt, steckt hinter der Farbe, hinter dem Ton und so weiter, sondern es steckt dahinter Geistiges. Nur zeigt sich aller­dings das Geistige auf dieser ersten Stufe der Welt, die da betreten wird, noch nicht in seiner Gestalt als Geist selber, sondern es zeigt sich noch so, daß der Mensch nicht die Eindrücke vor sich hat, welche er während des Ta­ges vor sich hat, sondern andere Eindrücke. Es ist noch nicht irgend etwas, was man eine wahreWeltgestalt nennen kann, in die man da eintritt, sondern es ist m erheblichem Grade das, was man doch auch nur wie eine Art von neuem Schleier der geistigen Tatsachen und geistigenWesenheiten bezeichnen muß.

Diese elementarische Welt zeigt sich uns so, daß auf sie nun wirklich an­wendbar sind die Bezeichnungen, welche seit alters her gewählt worden sind für die Welt der Elemente. Man kann das, was man da sieht, dadurch bezeichnen, daß man die Worte wählt von den Eigenschaften, die man sonst in der sinnlichen Welt wahrnimmt. Seien wir uns doch klar, daß unsere

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Worte für die sinnliche Welt geprägt sind. Unsere Sprache ist ja ganz ein Ausdrucksmittel für die sinnliche Welt. Wenn wir irgendein Wort gebrau­chen, so bedeutet es dieses oder jenes in der sinnlichen Welt. Soll also der Geisteswissenschafter die höheren Welten beschreiben, so muß er etwa in Worten reden, welche der gewöhnlichen Sprache entnommen sind, so daß er daher, namentlich in diesen Gebieten, in die wir jetzt kommen, nur ver­gleichsweise reden kann. Er kann sich nur bemühen, die Worte so zu wählen, daß nach und nach eine Vorstellung hervorgerufen wird von dem, was da in geistigem Anschauen wahrgenommen wird. Wir dürfen, wenn wir diese elementarischeWelt beschreiben wollen, nicht die Ausdrücke wählen von den begrenzten Dingen, die um uns herum sind im Tagesleben, sondern wir müssen die Worte wählen von gewissen Eigenschaften, welche diese Dinge im Tagesleben haben, von Eigenschaften, die immer einer ganzen Reihe von Dingen gemeinschaftlich sind. Sonst kommen wir nicht zurecht. Und da haben wir im Tagesleben gewisse Dinge, die wir als fest bezeichnen; wir haben andere Dinge, die wir als flüssig bezeichnen, wieder andere, die wir als luft-, als gasförmig bezeichnen, und dann kennen wir noch das, was wir wahrnehmen, wenn wir die Oberfläche der Dinge empfinden oder einen Luftzug empfinden: was wir Wärme nennen. Wenn wir also um uns herum während des Tageslebens wahrnehmen, so zeigen sich uns alle Dinge, wie sie sonst auch sein mögen, in solchen Zuständen: in festem, in flüssigem Zustande, in luft- oder gasförmigem Zustande und als Wärme. Sie wissen aber, das ist immer eine Eigenschaft eines äußeren Körpers, denn ein äußerer Körper kann fest sein wie das Eis, kann aber auch flüssig sein, dann, wenn Eis schrailzt, kann gasförmig sein, wenn das geschmolzene Eis verdunstet. Dabei sind alle drei Zustände durchsetzt von dem, was wir Wärme nennen. So ist es im Grunde genommen bei jedem Ding und Wesen in der äußeren sinnlichen Welt.

In der elementarischen Welt ist es nun so, daß wir keine solchen Gegen­stände darinnen haben, wie sie uns entgegentreten in der sinnlichen Welt; dafür aber haben wir in dieser elementarischen Welt das darin, was in der sinnlichen Welt bloß Eigenschaften sind. Wir nehmen da etwas wahr, wo-gegen man sozusagen nicht ankann. Es wird so wahrgenommen, daß man es etwa beschreiben könnte, indem man sagt: Es steht etwas vor mir, sei es ein Wesen, sei es ein Ding der elementarischen Welt, das kann ich nur

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dadurch betrachten, daß ich ringslierum gehe; es hat noch ein inneres und em Äußeres. - Solche Wesenheiten und Dinge der elementarischen Welt nennt man Erde. Dann gibt es Dinge und Wesenheiten der elementarischen Welt, die man bezeichnen kann, wenn man das Wort für das Flüssige in der sinnlichen Welt nimmt. Da kann man sagen, es sind die Eindrücke so, daß man bis zu einem gewissen Grade in der elementarischen Welt durch­schaut, in das Innere dringt; daß man auch durch gewisse Sinne, von denen wir noch sprechen werden, das Gefühl hat: Wie man in flüssiges Wasser die Hand eintauchen kann, so kann man in das Innere dieser Dinge und Wesenheiten eintauchen. - Während man bei der Erde etwas hat, woran man sich stößt, ist das etwas, wo man hineintauchen kann. Das bezeichnet man nun in der elementarischen Welt als Wasser. Wenn in geisteswissen­schaftlichen Büchern von Erde und Wasser geredet wird, so ist das gemeint, was ich Ihnen eben beschrieben habe, nicht physisches Wasser. Physisches Wasser ist nur ein äußeres Gleichnis für das, was man sieht, wenn man diese Stufe der Entwickelung erreicht hat. Wasser ist etwas, was sich sozusagen durch die elementarische Welt ergießt, was durchgreifbar ist, natürlich nicht für die physischen Sinne, sondern für die Sinne des Eingeweihten, für das geistige Wahrnehmungsvermögen.

Dann gibt es etwas, was sich vergleichen läßt mit dem, was wir in der physischen Welt als gas- oder luftförmige Körper haben. Das bezeichnet man mit Luft in der elementarischen Welt. Und dann gibt es das, was man als Wärme oder Feuer bezeichnet. Da müssen Sie sich, wenn von elementari­schem Feuer die Rede ist, auch wiederum klarmachen, daß das, was man in der physischen Welt als Feuer kennt, nur ein Gleichnis dafür ist. Es ist das, was man in der elementarischen Welt Feuer nennt, schon leichter zu be­schreiben als die anderen drei Zustände. Die anderen drei Zustände der ele­mentarischen Welt kann man wirklich eigentlich nur dadurch beschreiben, daß man sagt: Wasser, Luft und Erde sind Gleichnisse für diese drei Zu­stände. - Das Feuer des elementarischen Lebens läßt sich schon leichter be­schreiben, denn es hatja einj eder Mensch die Vorstellung von Seelenwärme -neben dem äußeren physischen Feuer -, von jener eigentümlichen Wärme, welche man zum Beispiel wahrnimmt, wenn man mit einem geliebten Menschen zusammen ist. Was sich da in die Seele ergießt und was man Wärme nennt, oder was man warm nennt, wenn man sonst in einem freudig

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erregten Zustande ist, das muß man natürlich unterscheiden von dem ge­wöhnlichen Feuer, das die Finger verbrennt, wenn man hinlangt. Dennoch aber fühlt der Mensch auch schon im gewöhnlichen Leben, daß das physi­sche Feuer eine Art Gleichnis dieses Seeleufeuers ist. Dieses Seelenfeuer, welches, wenn es uns wirklich ergreift, unseren Enthusiasmus für irgend­eine Sache ausmacht, ist also etwas, was alle schon besser kennen als die ande­ren Zustände. Und wenn Sie sich nun gegenwärtig halten eine Art Ver­gleich zwischen dem äußeren Feuer, das die Finger verbrennt, und diesem Feuer, sozusagen etwas, was in der Mitte zwischen beiden steht, dann be­kommen Sie eine Vorstellung von dem, was man elementarisches Feuer nennt. Dieses elementarische Feuer wirkt in der elementarischen Welt so, daß der Mensch, wenn er sich als ein Einzuweihender hinauflebt, in der Tat, sagen wir, an gewissen Gebieten die elementarische Welt fühlt, wie wenn von innen etwas herströmen würde zu ihm, das ihn eben innerlich be­feuert, ihn innerlich mit Feuer durchdringt. Von einem anderen Orte der elementarischen Welt hat er den Eindruck, daß es ihn weniger mit Feuer erfüllt. Allerdings ist die Sache insofern noch komplizierter, als der Be­treffende das Gefühl hat, er stecke in dem betreffendenWesen darin, das das Feuer verursacht. Weil er sich mit ihm vereinigt fühlt, fühlt er sein inneres Feuer als Feuer der elementarischen Wesenheit.

So also sehen Sie, daß der Mensch in eine höhere Welt eintritt, welche ihm Eindrücke gibt, die er allerdings vorher in der sinnlichen Welt nicht gekannt hat. Diese elementarische Welt ist es nun, vor der sich sozusagen das Tor zuschließt, wenn man im gewöhnlichen normalen Bewußtsein ein­schläft. Und das muß so sein. Das muß aus dem Grunde so sein, weil der Mensch ja, wie wir gesehen haben, ganz hinausfließt in diese elementarische Welt; er ist in allem darinnen. Er trägt aber sein eigenes Wesen, wie er als Mensch ist, in diese Welt hinein. Er verliert allerdings sein Ich - das ergießt sich über die Welt -, aber das, was nicht Ich ist, was seine astrahschen Eigen­schaften sind, was also, sagen wir, sein Wahrheits- oder Lügensinn ist, was diese oder jene Begierde ist, diese oder jene Leidenschaft, all diese seelischen Eigenschaften trägt der Mensch in diese Welt hinaus. Sein Ich verliert er; gerade das Ich ist es aber im gewöhnlichen Leben, was uns zügelt, was Ordnung und Harmonie bringt in das, was unser Astrahsches durchdringt. Indem das Ich sich verliert, machen sich ungeordnet alle möglichen Triebe,

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Begierden und Leidenschaften, die der Mensch noch in der Seele hat, gel­tend und dringen jetzt mit hinein in jene Wesen, die der Mensch in der elementarischen Welt findet. Der Mensch durchdringt nicht nur sich mit alledem, was er da draußen erlebt, sondern er trägt tatsächlich von sich in die Wesen der elementarischen Welt das hinein, was er selber in seiner Seele hat. Das ist nun ein wirkliches Hineintragen. Es ist nicht etwa so, daß sich der Mensch das bloß vorstellt, sondern es ist so, daß der Mensch, wenn er zum Beispiel eine schlechte Eigenschaft hat, diese seine schlechte Eigenschaft wirklich an ein entsprechendes Wesen überträgt; sie ist dann in dem be­treffenden Wesen darin. Hat der Mensch also eine besonders schlechte Eigen­schaft, dann wird er angezogen von einem solchen Wesen der elementari­schen Welt, welches sich gerade hingezogen fühlt zu seiner schlechten Eigen-schaft. Mit dem Verlust des Ichs würde der Mensch also zunächst im Hinaus-dringen in den Makrokosmos sein ganzes astrahsches Wesen hingießen in diejenigenWesenheiten, welche die elementarischeWelt als schlechteWesen­heiten durchsetzen. Und die Folge davon würde sein, daß der Mensch, weil er mit diesen Wesen zusammenhängt und dennoch schwächer ist als diese Wesen - denn diese sind stärker als er; er hat ja sein Ich verloren, diese haben aber selber wohl ein starkes Ich-, ihnen Nahrung zuführt mit seinen Eigenschaften, wofür sie ihn in negativem Sinn recht stark belohnen. Er gibt ihnen Nahrung aus seinem astrahschen Wesen, sie aber geben ihm, wenn er zurückkehrt in die physische Welt, für das Ich, das wiederum er­wacht, dasjenige mit, was besonders ihnen eigen ist, das heißt, sie verstärken semen Hang zum Schlechten, zum Bösen.

So sehen wir, daß es eine weise Einrichtung ist, daß der Mensch das Bewußtsein verliert, daß er nicht wirklich mit seinem Ich sich hineinlebt m diese Welt, sondern davor behütet wird. Daher mußte derjenige, der in den alten Mysterien wirklich hineingeführt worden ist, auf die Art wie beschrieben - dadurch daß ihm Kraft zugeführt wurde von den Gehilfen des Einweihenden, so daß er sein Ich nicht verlor-, bevor er in diese Welt eingeführt wurde, wiederum sorgfältig vorbereitet werden. Die Vorberei­tung für diese Welt geschah dadurch, daß dem betreffenden Menschen vor­her starke Prüfungen auferlegt wurden, durch die er namentlich gestärkt wurde in der morahschen Kraft der Überwindung. Darauf wurde als Eigenschaft besonderer Wert gelegt. In ähnlicher Weise wurde bei dem

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Mystiker auf andere Eigenschaften, zum Beispiel die Demut, besonderer Wert gelegt. Bei demjenigen, der sich hinausleben wollte in den Makro-kosmos, wurde besonderer Wert darauf gelegt, daß er stark war in der Kraft des inneren Überwindens. Daher wurden einem Menschen, der zuge­lassen werden sollte zu solcher Mysterieneinweihung, Prüfungen auferlegt, durch die er alle möglichen Widerwärtigkeiten des Lebens schon im physi­schen Dasein überwinden konnte. Starke Gefahren wurden ihm in den Weg gebracht. Aber durch die Überwindung dieser Gefahren sollte er ein solcher werden, der von starker Seele ist und dadurch vorbereitet sein, damit er, wenn diese Wesenheiten ihm gegenübertraten, stark genug war, um keine Aufechtungen von ihnen zu erleben, um sie zurückzudrängen und nicht sich an sie zu verlieren. In Furchtlosigkeit und in Überwindung wurde der auferzogen, der zu solchen Mysterien zugelassen werden sollte.

Noch einmal soll hier wie in einer Einschaltung gesagt werden, daß nie­mand zu erschrecken braucht vor der Schilderung dieser Mysterien, denn es ist ja so, daß diese Dinge jetzt nicht mehr gepflogen werden, jetzt auch mcht mehr notwendig sind, weil andere Wege möglich sind. Aber wir werden die ganze Tragweite auch der modernen Methode der Einweihung viel besser verstehen, wenn wir zuerst das schildern, was viele, viele Men­schen durchgemacht haben, um also in den Makrokosmos sich hineinzu­leben, um in diesem Sinne Eingeweihte des Makrokosmos zu werden.

Dann, wenn der Betreffende dadurch, daß er längere Zeit solche Erleb­nisse der elementaren Welt gehabt hatte, fähig geworden war einzusehen, daß alles, was er wahrnelimen kann in der äußeren Sinneswelt, Erde, Wasser, Luft und Feuer, die Offenbarungen sind von geistigen Wesenheiten, die dahinter sind, wenn er gelernt harte, diese Dinge zu unterscheiden, in der elementarischen Welt sich zurechtzufinden, dann konnte er um eine Stufe weitergeführt werden, geführt werden dazu, kennenzulernen, wie nun das aussieht, was hinter diesen Elementen der elementarischen Welt steckt. Und da wurde der Einzuweihende dann geführt in das, was man die eigentliche geistige Welt nennt. In der geistigen Welt, die hinter der elementarischen ist, in dieser geistigen Welt, in die man hineinreift, nachdem man die ele­mentarische Welt eine Zeitlang so kennengelernt hat, daß man Unter­scheidungsvermögen in ihr gewonnen hat, da erlebt man nun - das kann ja wiederum nur als Mitteilung der Erlebnisse der Eingeweihten geschildert

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werden -, daß tatsächlich Wesenheiten da sind, die also hinter unserer sinn-lichen und elementarischen Welt stehen. Aber diese Wesenheiten, in deren Welt man sich da hineinlebt, sind ganz unähnlich den Wesenheiten, die wir zum Beispiel als unseresgleichen, als Menschen kennen. Während die Menschen auf der Erde in sozialen Ordnungen, in einer gewissen Gesell­schaft zusammenleben, in diesen oder jenen Verliältnissen stehen, die zum Teil unvollkommen sind, zum Teil Grade von Vollkommenheit haben, lebt sich der Einzuweihende ein in eine geistige Welt, in der geistige Wesen­heiten sind, die selbstverständlich keine äußeren Körper haben, sondern eben geistige Wesenheiten sind, geistige Wesenheiten aber, die miteinander in Beziehung stehen, zunächst so, daß unter ihnen auffällt eine Ordnung und Harmonie. Und nun wird dem Einzuweihenden in einem solchen Falle ge­zeigt, daß er dasjenige, was da an Ordnung und Harmonie in dieser geistigen Welt ist, nur verstehen kann, wenn er für das, was da die geistigen Wesen­heiten tun, als einen äußeren Ausdruck nimmt die Welt der Gestirne, namentlich die Bewegungen der Planeten in unserem Sonnensystem. Das heißt, wie sich die Planeten zur Sonne und zu sich selber gegenseitig stellen in ihrer Bewegung und Stellung, so drücken sie aus, was die Wesenheiten der geistigen Welt tun.

Jetzt kommen wir zu dem Realen, was wir in einer vorhergehenden Dar­stellung beschrieben haben. Wir haben gesagt: Wie wäre es, wenn man die Welt unseres Sonnensysteins so betrachten würde, wie man eine Uhr be­trachtet, daß man - wie man aus der Stellung der Zeiger schließt, daß etwas Wirkliches geschieht, auf das die Zeiger hindeuten - so die Verhältnisse der Sterne zueinander betrachtet wie gleichsam eine Weltenulir, die durch ihre Verhälmisse anzeigt, daß etwas dahinter ist. - Wer die Uhr ansieht und sagt: Es ist soundsoviel auf der Uhr - den interessiert natürlich nicht die Stellung der Zeiger; es interessiert ihn das, worauf die Stellung der Zeiger in der äußeren Welt hindeutet. Was jetzt in Wien geschieht, was zu einer Tagesstunde draußen vorgeht, ist das, was uns angezeigt wird durch die Zeiger. Derjenige, der zur Berufsarbeit geht und die Uhr anschaut, schaut, ob er zur Arbeit gehen muß. Die Zeiger sind also in ihrer Stellung der Aus­druck von etwas, was dahintersteht. So, haben wir gesagt, könnte ja auch das, was wir in unserem Sonnensystem vor uns haben, in dieser mächtigen Weltenulir, auch der Ausdruck sein für geistige Vorgänge und geistige

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Wesenheiten, die dahinterstehen. Und jetzt lernt auf dieser Stufe der Ein­weihung, die eben beschrieben worden ist, der Einzuweihende kennen die geistigen Wesenheiten und geistigen Tatsachen, welche dahinterstehen. Er lernt wirklich eine reale Welt des Geistes kennen und lernt begreifen, daß diese reale Welt des Geistes, die als eigentliche geistige Welt hinter unserer Sinneswelt steht, am besten dadurch verstanden wird, wenn man sie be­schreibt mit den Bezeichnungen, die genomnien sind aus den Ordnungen unseres Sonnensystems. Denn dadurch hat man etwas, was ein äußeres Gleichnis ist für diese Welt. So sehen wir, daß für die elementarische Welt das Gleichnis genommen wird von den Eigenschaften der Dinge, die um uns herum sind, sozusagen von den irdischen Dingen, welche als erdige, wässe­rige, luftige, feurige um uns herum sind. Für diese Welt des Geistes aber müssen andere Gleichnisse dienen, die Gleichnisse, die wir herunterholen aus dem Sternenhimmel.

Und nun können wir auch sehen, daß der Vergleich mit der Uhr nicht einmal gar so töricht ist, auch im ,tieferen Sinne nicht. Denn in der Tat, geradeso wie wir die Sterne unseres Sonnensysteins beziehen auf den Tier­kreis mit seinen zwölf Tierkreisbildern, der dahintersteht, so kommen wir nur zurecht in der geistigenWelt, wenn wir das, was wir da verstehen wollen, so beziehen, daß wir sagen: Es gibt geistige Tatsachen und geistige Wesen­heiten, und die geistigen Tatsachen, die vergleichen wir mit dem Laufe unserer Planeten im Sonnensystem, die geistigenWesenheiten aber betrach­ten wir so, daß wir sie vergleichen mit den zwölf Sternbildern des Tier-kreises. - Wenn Sie äußerlich im Raume die zwölf Sternbilder des Tier-kreises nehmen und die Planeten, wie wir sie zunächst aufgezäMt haben -wir werden sehen, wie sich die Planeten der gegenwärtigen Astronomie dazu verhalten -, wenn wir die Planeten, die wir aufgezählt haben, in ihrem Laufe nehmen, so wie sie sich in ihrem Verhältnisse stellen, der eine vor dieses Sternbild, der andere vorjenes, dann müssen wir das als Tatsachen nehmen, als das, was die Wesen tun, und die zwölf Tierkreisbilder als geistige Wesenheiten selber. Dann haben wir die Möglichkeit, mit einem solchen Gleichnis ungefähr das auszudrücken, was in der geistigen Welt ge­schieht. Geradeso, wie wir in unserem Planetensystem zunächst sieben Planeten unterscheiden, die da wandeln und daher Tatsachen verrichten, und zwölf Tierkreisbilder, welche dahinterstehen wie ruhend, so können wir

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die Welt der geistigen Tatsachen und Wesenheiten verstehen, wenn wir zwölf Wesenheiten annehmen und die Tatsachen, die sich abspielen, dann so auffassen, wie wenn darin die Planeten wandelten, aber dieses Wandeln der Planeten bewirkt wäre von den zwölf Wesenheiten. Nur so kann man in Wahrheit die geistige Welt darstellen, jene Welt, welche hinter der ele­mentarischen steht. Nur darf man sich nicht Tierkreisbilder vorstellen, sondern zwölf Wesenheiten, sogar Gattungen von Wesenheiten, und nicht bloß Planeten, sondern geistige Tatsachen.

Denken Sie also, es würde jemand sagen: Es gibt zwölf Wesenheiten, und die tun etwas, die treten in gegenseitige Beziehungen, und ihre Taten wollen wir schildern. - Wenn man diese Taten schildert, dann kommt das heraus, was in der geistigenWelt geschieht. Es müßte also das, was sich aufdieWesen­heiten bezieht, in irgendeinem Verhältnis stehen zur Zwölfzahl, und was sich auf die Tatsachen bezieht, zur Siebenzahl. Nur muß man dann statt der Tierkreisnamen Namen der betreffenden Wesenheiten haben. Nun be­zeichnet man in der Tat in der Geisteswissenschaft zwölf Wesenheiten. So gab es im Beginne der christlichen Zeitrechnung eine christliche Esoterik, die zwölf Namen angenommen hat für die geistigen Wesenheiten, die so-zusagen äußerlich, in ihrem Gleichnis, durch die Tierkreisbilder ausgedrückt werden. Diese bezeichnete man in der christlichen Esoterik als Seraphime, Cherubime, Throne, als Herrschaften, Mächte, Gewalten oder Kyrio­tetes, Dynamis und Exusiai. Das sind sechs; dann kommen die, die man be­zeichnet als Urkräfte oder Geister der Persönlichkeit, Archai, dann die, die bezeichnet werden als Erzengel, und die Engel. Der zehnte ist der Mensch selber auf seiner jetzigen Stufe. Der Mensch entwickelt sich aber weiter, denn es muß natürlich das hinzugerechnet werden, was der Mensch erst wird. Das ist eine Stufe, die andere Wesenheiten in derWelt natürlich schon errungen haben. Die Stufe, die der Mensch zunächst erringt, wäre nun die elfte, und die, die er später erringt, die zwölfte, so daß wir auf diese Weise zwölf Wesenheiten hätten. Das, was der Mensch noch erringen wird, das haben andere schon errungen; sie sind also da.

Man müßte also, wenn man die geistige Welt beschreiben wollte, diesen zwölf Wesenheiten in ihrem gegenseitigen Zusamnienwirken zuschreiben das Zustandekommen der geistigen Welten. Wenn man beschreiben wollte, was diese geistigen Wesenheiten tun, dann müßte das in den Ausdrücken

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verlaufen, die ungefähr sich mit den Planetennamen decken, denn die Bahnen der Planeten bedeuten die Taten dieser geistigen Wesenheiten. In­dem diese Wesenheiten nun zusammenwirken, zum Beispiel in der Zeit -nehmen wir an, es wirken zusammen die Geister, die wir die Geister des Willens oder die Throne nennen, mit den Geistern der Persönlichkeit, oder in entsprechender Weise mit den anderen Wesenheiten -, so bewirken sie alles das, was wir alten Saturn nennen. Ein anderes Mal bewirken sie das, was wir als alte Sonne bezeichnen, wieder ein anderes Mal das, was wir als alten Mond bezeichnen, und so weiter.

So drücken wir aus die Taten dieser Wesenheiten. Und wollen wir das nun so beschreiben, wie es zuletzt dem erscheint, der sich in den Makro-kosmos hineinlebt, dann muß noch dazugenommen werden, was in der elementarischen Welt ist, denn das ist die letzte Offenbarung vor der sinn­lichen Welt. Es muß noch hinzugenommen werden Feuer, Luft, Wasser und Erde. Es muß gesagt werden für den Saturn: es lebt sich das Ganze in der Wärme aus, für die Sonne: in der Luft, für den Mond: im Wasser. - So würde man zu beschreiben haben die geistige Welt, zu beschreiben haben zunächst die Wesenheiten. Man nennt sie die Hierarchien und ihre Taten den planetarischen Gang, die planetarische Entwickelung. Und um ein anschauliches Bild zu haben, wie sich das in die elementarische Welt herein offenbart, muß man es beschreiben mit den Ausdrücken, die dieser Welt entnommen sind. Nur dadurch kann man ein Bild von der geistigen Welt entwerfen, die hinter unserer physisch-sinnlichen steht.

Wenn Sie sich aufschlagen in meiner «Geheimwissenschaft» das Kapitel, das von der Weltentwickelung handelt, finden Sie diesen Gang genau ein­gehalten. Da haben Sie beschrieben die Wesenheiten, die geistigen Hierar­chien, die im Raume ihr Gleichnis haben in den Tierkreisbildern. Sie haben mit den Ausdrücken, die an die Planeten arilmüpfen, das beschrieben, was die Wiederverkörperungen unserer Erde sind. Das ist beschrieben mit den Ausdrücken der elementarischen Welt, indem die einzelnen Zustände so charakterisiert sind. So haben Sie hier den tieferen Grund, aus dem diese Kapitel geschrieben sind. Es ist dies eine Beschreibung des Makrokosmos so, wie er beschrieben werden muß. Nur darf man nicht glauben, wenn irgend jemand bloß das Gleichnis beschreibt, wenn er also statt von den Hier­archien von Tierkreisbildern redet, daß er dann etwas getan hat. Derjenige,

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der wirklich beschreiben will, muß natürlich auf die Wesenheiten zurück­gehen. Denn den Raum mit den Sternbildern beschreiben, hieße dasselbe wie das Beschreiben des Äußeren einer Uhr. Das aber beschreiben, was als geistige Welt dahintersteht, das heißt, ins Geisteswissenschaftliche über-tragen, eben so beschreiben, wie es ihnen jetzt charakterisiert worden ist. Damit versuchte ich, Ihnen zugleich eine Art von Leitfaden zu geben für eine jede im echten Stile gehaltene Beschreibung der geistigen Welt, die an­getroffen wird durch ein wirkliches Hinausgehen in den Makrokosmos.

Nun kann aber dieses Hinausleben in den Makrokosmos allerdings noch weiter gehen. Denn mit alledem, was als geistige Welt eben beschrieben worden ist, ist der Makrokosmos noch nicht erschöpft, sondern man kann hinaufkommen in noch höhere Welten. Nur wird es natürlich immer schwieriger, Vorstellungen zu geben von diesen höheren Welten, und es ist daher notwendig, daß, wenn wir von einer noch höheren Welt eine Vor­stellung geben wollen, wir dies in einer etwas anderen Weise tun, als wir das für die anderen Welten, für die es verhältnismäßig leichter war, einen Be­griff zu geben, getan haben. Von der noch höheren Welt, in die man dann hinaufkommen kann, wenn man die geistige Welt überschreitet, können Sie sich auf folgende Art einen Begriff machen. Wir können den Menschen so beschreiben, wie er vor uns steht, und können sagen: Der Mensch, wie er vor uns steht, konnte ja so, wie er ist, nur zustande kommen dadurch, daß es diese anderen Welten alle gibt. - Nur ein phantastischer Materialist kann glauben, daß aus dem Kant-Laplaceschen Weltennebel jemals der Mensch sich hätte zusammenkombinieren können. Da hätte nichts anderes hervorgehen können als ein menschlicher Automat. Also das, wie der Mensch ist, das ist nur möglich geworden dadurch, daß sich der Mensch aus der ganzen Welt, aus der physisch-sinnlichen Welt, vor allen Dingen aber aus der geistigen Welt herausentwickelt hat. Der Mensch ist geboren worden aus der geistigenWelt heraus. Wenn man nun dieWelten in Betracht zieht, die um uns herum sind, so haben wir zunächst unsere physisch-sinn­liche Welt. So wie wir sie wahrnehmen, so nehmen wir ja auch den physi­schen Leib des Menschen wahr. Wir haben ihn gestern von innen in einer bestimmtenWeise kennengelernt. Mit dem gewöhnlichen Bewußtsein nimmt man ihn nur von außen wahr. Da gehört also der physische Leib des Men­schen durchaus der Welt an, die wir mit Augen außen sehen, die wir überhaupt

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wahrnehmen mit unseren Sinnen. Welcher Welt gehört nun das an, was tiefer im Menschen liegt, was die unsichtbaren Glieder der menschlichen Natur sind? Alles das, was unsichtbare Glieder der menschlichen Natur sind, gehört den höheren Welten an. Und so wie man, wenn man einen Menschen ansieht, nur das sinnliche Äußere sieht, so sieht man auch an der großen äußeren Welt nur die sinnliche Außenseite und nicht jene übersinnlichen Welten, von denen jetzt zwei, die elementarische und die geistige Welt, be­schrieben worden sind. Der Mensch ist aber auch aus diesen Welten mit seiner inneren Organisation herausgegliedert. Nun ist aber alles das, was überhaupt am Menschen ist, auch sein äußerlich Körperliches, so wie es heute ist, nur dadurch möglich geworden, daß gewisse unsichtbare Glieder an ihm arbeiten. Am Menschen arbeitet nicht bloß außer dem physischen Leib ein Äther- oder Lebensleib. Würde bloß ein Ätherleib an ihm arbeiten, dann wäre der Mensch eine Pflanze, denn die Pflanze hat im physischen Leib so, wie wif sie sehen, physischen Leib und Äther- oder Lebensleib. Da der Mensch aber keine Pflanze ist, so hat er nicht nur Äther- oder Lebensleib und physischen Leib, sondern dazu noch das dritte, den astralischen Leib. Aber das haben auch die Tiere. Hätte der Mensch nur diese drei Glieder, so wäre er ein Tier. Weil der Mensch nun auch noch sein Ich hat, so geht er über diese niederen Geschöpfe der drei Naturreiche, über Mineral-, Pflanzen- und Tierreich hinaus. Alles das aber, was so die höheren Glieder der Menschennatur sind, das arbeitet ja wiederum an des Menschen physi­schem Leib. Der menschliche physische Leib könnte nicht so sein, wie er ist, wenn er nicht diese höheren Glieder hätte. Eine Pflanze wäre ein Mineral, wenn sie keinen Äther- oder Lebensleib hätte. Der Mensch hätte kein Ner­vensystem, wenn er keinen Astralleib hätte, und der Mensch wäre richt ein so geformtes Wesen, wie er es ist, mit aufrechtem Gang, mit einem die ande­ren Organe wie überdeckenden Gehirndach, wenn er nicht ein Ich hätte. Wenn der Mensch nicht aus höheren Welten seine unsichtbaren Glieder hätte, dann könnte er uns nicht als dieses so geformte Wesen gegenüber-treten, als das er uns eben im Leben gegenübertritt.

Nun sind aber die verschiedenen Glieder der menschlichen Organisation aus verschiedenen geistigen Welten heraus gebildet. Wenn wir das ver­stehen wollen, dann können wir uns am besten erinnern an einen schönen, aus tiefer Weltweisheit heraus kommenden Goethe­Spruch: Das Auge ist

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am Licht für das Licht gebildet. - Es gibt heute eine Philosophie, die an Schopenhauer, auch an Kant anknüpft, die da die gale Welt für die Vor­stellung des Menschen erklären möchte, die namentlich betont, daß wir ohne Auge kein Licht wahrnehmen würden, daß ohne Auge um uns Finsternis wäre. Gewiß, so etwas ist wahr; aber es kommt nicht allein darauf an, daß eine Sache wahr ist, sondern darauf, daß die Wahrheiten, die uns entgegentreten, immer einseitige Wahrheiten sind, und wenn wir nicht das andere hinzufügen, was sie erst zu einer vollen macht, dann gehen wir manchmal gerade mit unseren Wahrheiten am allermeisten in die Irre. Denn das ist das Schlimmste nicht, wenn der Mensch irrt, wenn er etwas sagt, was nicht direkt ganz richtig ist; da setzt ihm die Welt schon den Kopf zurecht. Wenn er aber eine einseitige Wahrheit als eine absolute ansieht, wenn er etwas, was wahr ist, für alle Wahrheit hält, dann läßt er sich von der Wahr­heit beirren, nicht von dem Irrtum. So ist es eine Wahrheit, aber eine ein­seitige, daß wir ohne Auge kein Licht sehen können. Aber ebenso ist es eine Wahrheit, daß, wenn die Welt immer mit Dunkelheit angefüllt gewesen wäre, niemals ein Auge entstanden wäre. Denn das Auge ist etwas, was als unbestimmtes Organ aus der noch undifferenzierten Leiblichkeit herausge­zogen worden ist. Wir können das aus dem umgekehrten Vorgang sehen. Wenn gewisse Tiere in finstere Höhlen befördert werden, dann bildet sich das Auge zurück; die Tiere verlieren das Sehen. Das heißt, es ist auf der einen Seite wahr, daß wir ohne Auge kein Licht sehen können, aber ebenso wahr ist es auf der anderen Seite, daß also das Auge wirklich am Lichte für das Licht gebildet ist. Immer kommt es bei Wahrheiten darauf an, daß man sie nicht bloß von der einen Seite ansieht, sondern auch von der anderen. Und die meisten Philosophien kranken gerade an dem Fehler: nicht, daß sie Falsches sagen - viele können eben nicht widerlegt werden, weil sie Wahr­heiten sagen -, aber daß sie Wahrheiten sagen, die von einer Seite ange­sehen werden und nicht auch von der anderen. Wenn Sie das nun im rechten Sinne nehmen: Das Auge wird am Licht für das Licht gebildet - dann wer­den Sie sich sagen können: Also muß im Lichte etwas stecken, was wir zwar mit dem Auge nicht sehen, was aber das Auge erst herausgebildet hat aus einem Organismus, der noch keine Augen harte; so daß also hinter dem Lichte etwas Höheres noch verborgen ist. - Sagen wir zunächst: Die augen-bildende Kraft steckt in jedem Sonnenstrahl darinnen.

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Das wurde jetzt nur gesagt, damit wir erkennen können, daß in alledem, was um uns herum ist, wirklich das verborgen ist, was uns zugleich gemacht hat. Denn ebenso wie unsere Augen von etwas gemacht sind, was im Lichte drinnen ist, so sind alle unsere Organe geformt von etwas, was draußen den Dingen allen, die wir nur als äußere Oberfläche sehen, zugrunde liegt.

Nun hat der Mensch so etwas, was man Verstand nennen kann. Der Mensch hat Verstand, Intelligenz. Im physischen Leben kann er sich dieses Verstandes, dieser Intelligenz dadurch bedienen, daß er ein Werkzeug dazu hat; er hat ein Verstandeswerkreug. Wie er das Auge zum Sehen hat, so hat er ein Werkzeug, um in der physischen Welt den Verstand entwickeln zu können. Wohlgemerkt, wir reden jetzt von der sinnlich-physischen Welt, nicht davon, was aus unserem Denken wird, wenn wir uns von unserem Leibe nach dem Tode befreien, sondern von dem, was unser Denken ist, wenn wir des Morgens aufgewacht sind und durch das Instrument unseres Gehirns denken, wie wir durch das Auge das Licht sehen. Wir können sagen:

Wenn wir aufwachen, so sehen wir durch das Auge das Licht; da steckt im Lichte etwas, was unser Auge gebildet hat. Wir denken durch das Instrument des Gehirns; also muß es in der Welt etwas geben, was dieses Gehirn zuerst geformt hat, so daß es ein Werkzeug für das Denken in der physischen Welt werden konnte. - Das ist es, was wir uns genau vor die Seele stellen wollen. Das Gehirn ist in gewissem Sinne ein Denkorgan für die physische Welt, aber es mußte erst ein solches werden aus der Kraft heraus, die sich sozu­sagen äußerlich kundgibt in unserer Intelligenz. Wie das Licht, das wir mit dem Auge wahrnehmen, etwas ist, was augenbildende Kraft ist, so ist unser Gehirn Oberfläche für etwas, was gehirnbildende Kraft ist. Unser Gehirn ist herausgebaut aus der geistigen Welt. Derjenige, der eingeweiht ist bis in diese geistige Welt, lernt das kennen. Wenn es nur die elementarische und nur die geistige Welt geben würde, dann hätte niernals das zustande kommen können, was das menschliche Organ der Intelligenz ist. Zwar ist die Welt des Geistes eine hohe, eine bedeutend hohe Welt. Aber aus einer höheren Welt heraus müssen dem Menschen die Kräfte zuströmen, die sein physisches Denkorgan hier in der physischen Welt geformt haben, damit sich dann äußerlich in der physischen Welt das kundgeben kann, was wir Verstand, Intelligenz nennen.

Die Geisteswissenschaft hat nicht mit Unrecht die Grenzscheide der

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geistigen Welt, die wir eben beschrieben haben als die Hierarchienwelt, im Gleichnis ausgedrückt durch das Wort Tierkreis. Denn wir hätten zwar nicht unserejetzigen Tiere im Tierreich, wir hätten aber doch den Menschen nur so weit vor uns, als er noch nicht ein intelligentes Wesen ist; sozusagen auf der Tierheitsstufe würde er sein, wenn nur die schon beschriebenen Welten da wären. Damit der Mensch dieses Wesen werden konnte, das aufrecht geht und mit dem Gehirndach zudeckt alle übrigen Organe und Intelligenz entwickelt, dazu war das Einströmen von höheren Kräften notwendig, von Kräften, die in einer Welt noch über der geistigen, über derjetzt als geistigen geschilderten liegen. Und da kommen wir also in eine Welt hinauf, welche mit einem Wort bezeichnet wird, das heute mißbraucht, ganz mißbraucht ist. Aber man braucht gar nicht weit zurückzugehen, so hatte das Wort noch seine ursprüngliche Bedeutung. Was der Mensch hier in der physischen Welt entwickelt, wenn er denkt, nennt man Intelligenz in der Geisteswissenschaft der früheren Zeit; das aber, was als Kräfte, als Realitäten in einer höheren Welt lebt, als die geistige ist, was da herunterströmt durch die geistige und elementarische Welt hindurch, um unser Gehirn zu formen, das nannte man immer in der Geisteswissenschaft die Vernunftwelt, jene Welt also, in wel­cher solche geistige Wesenheiten sind, die durch ihre starke Kraft hinunter-wirken in die physische Welt, um in der physischen Welt ein Schattenbild des Geistigen in der Verstandestätigkeit des Menschen hervorzurufen. Und daher haben wir sie - Sie sehen, wie arm unsere Sprache wird - als Vernunft-welt bezeichnet. Das Wort Vernuuft ist in der Zeit des Materialismus ganz mißbraucht worden. Vor dieser Zeit würde niemand das Wort Vernunft gebraucht haben für irgend etwas, was der Mensch wahrnimmt durch sein Denken in der physischen Welt. Das würde man Intelligenz, Verstand ge­nannt haben. Von Vernunft hat man dann gesprochen, wenn die Einge­weihten sich durch die geistige Welt hinaufgelebt hatten in eine noch höhere Welt und da unmittelbar vernommen haben eine hohe Welt, die also noch über unserer gewöhnlichen geistigen Welt hegt. Vernunft hängt auch noch in der deutschen Sprache mit Vernehmen zusammen, mit dem also, was aus einer höheren als der geistigen Weit heraus unmittelbar angeschaut, ver­nommen wird. Damit haben wir uns auf eine besondere Art erhoben zu einer noch höheren Welt, als die war, welche wir als geistige bezeichnen konnten, und wir haben damit aber auch das erschöpft, wofür wir noch

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ein Gleichnis im Menschen haben. Ein ganz schattenhaftes Gleichnis für die Vernunftwelt haben wir in diesem schattenhaften menschlichen Verstande. Gleichsam die Werkmeister und Bauleute unserer Verstandesorgane müssen wir suchen in der Vernunftwelt. Wenn wir eine noch höhere Welt besteigen wollen, so könnte von der überhaupt nur mehr gesprochen werden, wenn man zu einem noch höheren Geistesvermögen des Menschen gehen würde, wenn man zu dem Geistesvermögen geht, das nun über den sinnlich-physi­schen Verstand hinausgeht, das heißt zu dem ersten höheren Geistesvermögen.

Wie wir gefragt haben: Wie wird das Organ aufgebaut für den Verstand des Menschen? - so könnte man jetzt fragen: Nun weist du fortwährend darauf hin, daß es ein heilsichtiges Bewußtsein gibt; dann muß es aber auch Welten geben, aus denen heraus die Kräfte kommen können, um dieses hellsichtige Bewußtsein auszubilden. - Man nennt nun in der geisteswissen­schaftlichen Methode, von der wir noch etwas ausführlicher sprechen wer­den, das erste Bewußtsein, das als hellsichtiges entwickelt werden kann, das imaginative Bewußtsein, eine Art Bilderbewußtsein. Dieses Bilderbewußt­sein, das imaginative Bewußtsein, bleibt so lange eine bloße Einbildung, als nicht das Organ für dieses Bilderbewußtsein, für das imaginative Be­wußtsein wirklich aus einer höheren Welt herunter gebildet wird, wie das Organ des menschlichen Verstandes aus der Vernunftwelt herunter gebildet wird. So daß wir in dem Augenblick, wo wir hindeuten können darauf, daß es in der Welt hellsichtiges Bewußtsein gibt, sagen müssen: Also muß es auch eine Welt geben, aus welcher die Kräfte ffießen für das Hellseher-organ - und diese Welt nennt man in der Geisteswissenschaft die Urbilder-weit. Das, was uns als Imagination vor Augen treten kann, ist, wie wir sehen werden, ein Abbild der Urbilderwelt. So daß wir hinaufsteigen in den Makrokosmos von Stufe zu Stufe durch die elementarische Welt, durch die geistige Welt, durch die Vernunftwelt und durch die Urbilderwelt. Wir werden nun von morgen ab mit einigem noch die höheren Welten, nament­lich die Vernunftwelt zu beschreiben haben und dann übergehen können zu einer Beschreibung der Methode, welche angewendet werden muß im Sinne unserer heutigen Bildung, wenn die Kräfte aus der Urbilderwelt wirklich heruntergeholt werden sollen, um in dein Sinne unseres heutigen Geisteslebens das herbeizuführen. was man hellsichtiges Bewußtsein nennt.

SIEBENTER VORTRAG Wien, 28. März 1910

#G119-1962-SE162 - Makrokosmos und Mikrokosmos

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SIEBENTER VORTRAG

Wien, 28. März 1910

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Wir haben gestern versucht, ein wenig Einblick zu gewinnen in dasjenige, was man den Gang in den Makrokosmos nennen kann, in die große Welt, im Gegensatz zu den Darstellungen der früheren Tage, welche uns den tiefe­ren mystischen Weg, den Gang in den Mikrokosmos, vor die Seele stellen sollten. Und wir haben gestern gezeigt, wie das Aufsteigen in den Makro-kosmos, in die große Welt, den Aufsteigenden zunächst führt in dasjenige, was man gewöhnlich in der Geisteswissenschaft genannt hat die elementa­rische Welt, wie dann der Mensch durch die elementarische Welt aufsteigt in die sogenannte geistige Welt, dann in die Vernunftwelt und endlich in eine noch höhere Welt, welche wir gestern am Schluß des Vortrages charakterisieren konnten als die Urbilderwelt, wobei wir zugleich darauf hingewiesen haben, daß wir ein rechtes Ausdrucksmittel für diese Welten in unserer Sprache eigentlich nicht mehr haben, weil das frühere deutsche Wort Vernunft: heute trivial geworden ist, weil es in unserer heutigen Zeit für etwas gebraucht wird, was nur in der Sinneswelt Bedeutung hat, und daher der alte Ausdruck Vernunft: für diese höhere Welt, die noch über der sogenannten geistigen Welt liegt, mißverstanden werden würde.

Natürlich könnte über diese Welten nicht stunden- oder wochenlang, sondern viele Monate lang gesprochen werden. Wir können ja immer nur ganz skizzenhaft das eine oder das andere herausheben. Um nun nur ein wenig noch genauere Vorstellungen zu bekommen von diesen Welten, wollen wir nur noch das eine erwähnen. Wenn der Mensch sich in der gestern charakterisierten Art in die elementarische Welt einlebt und also eine wirkliche Anschauung von dem erhält, was man gewöhnlich die Ele­mente nennt, von Erde, Wasser, Luft und Feuer, so wird er dann auch ge­wahr, daß seine eigene Leiblichkeit - wobei jetzt die volle Leiblichkeit ge­meint ist, also auch dasjenige, was wir die höheren Glieder der menschlichen Natur nennen - herauserbaut ist auch aus dieser elementarischen Welt. Bei diesem Gewahrwerden erlangt aber der Mensch auch noch von etwas ande­rem Kenntnis. Er erlangt davon Kenntnis, daß die äußere Anschauung der elementarischen Welt sich etwas anders ausnimmt als die innere Wahrnehmung.

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Wenn wir in uns selbst hineinblicken, und zwar jetzt ohne hell­seherischen Blick, sondern mit dem gewöhnlichen normalen Menschheits-bewußtsein, so finden wir gewisse Eigenschaften, die wir halb zu den seeli­schen, halb zu denjenigen der äußeren Leiblichkeit zählen, Eigenschaften, die wir die Eigenschaften unseres Temperamentes nennen. Diese Eigen­schaften unseres Temperamentes gliedern wirso, daß wir sprechen von einem melancholischen Temperament, von einem phlegmatischen Temperament, von einem sanguinischen Temperament, von einem cholerischen Tempera­ment.

Nun haben wir gestern gesagt, der Mensch fühlt sich, wenn er in den Makrokosmos eintritt, so, wie wenn er eigentlich nicht den Dingen gegen­überstünde, so wie er die physische Welt beschaut, sondern er fühlt sich in einem jeglichen Ding der elementarischen Welt schon darinnen. Wenn wir irgendein physisches Ding anschauen, so sagen wir: Dieses physische Ding ist dort, wir sind da. - Und nur so lange sind wir in der physischen Welt vernünftige Menschen, solange wir uns ganz deutlich mit unserer eigenen Ichheit unterscheiden können von den Dingen und Wesenheiten. Sobald man sich hineinlebt in die elementarische Welt, wird diese Unterscheidung wesentlich schwieriger. Denn zunächst verwächst man mit den Dingen und Wesenheiten und Tatsachen der geistigen Welt. Gestern haben wir das noch im besonderen charakterisiert an demjenigen, was man nennt das Element des Feuers. Wir haben gesagt: Das ist nicht physisches Feuer, sondern etwas, was wir vergleichen könnten mit innerer Seelenwärme, obwohl es nicht ganz dasselbe ist. - Es ist nun so, daß, wenn wir das Element des Feuers wirklich gewahr werden in der elementarischenWelt, das Feurige sozusagen mit uns verschmolzen fühlen. Wir fühlen uns in dem Gegenstand darinnen. Das Darinnenfühlen in dem Gegenstand kann nun aber auch eintreten für die andern Elemente. Nur das Element der Erde macht in gewisser Beziehung eine Ausnahme. Ich habe Ihnen gesagt, man nennt in der elementarischen Welt dasjenige Erde, was einen eigentlich zurückstößt, an das man nicht heran will in der elementarischen Welt.

Merkwürdigerweise steht nun in einer, man könnte sagen, geheimnis-vollen Verwandtschaft mit den charakterisierten vier Elementen der ele­mentarischen Welt dasjenige im Menschen, was man seine Temperamente nennt, und zwar so, daß eine Verwandtschaft besteht zwischen dem melancholischen

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Temperament und dem Elemente der Erde, zwischen dem phleg-matischen Temperament und dem Elemente des Wassers, zwischen dem sanguinischen Temperament und dem Elemente der Luft, und zwischen dem cholerischen Temperament und dem Elemente des Feuers. Diese Verwandt­schaft kommt im Erleben der elementarischen Welt so zum Ausdruck, daß in der Tat zum Beispiel der cholerische Mensch mehr Neigung hat, mit den im Feuer in der elementarischen Welt lebendenWesenheiten und Tatsachen zusammenzuwachsen als mit den in den anderen Elementen lebenden Wesenheiten. Der Sanguiniker hat wiederum mehr die Neigung, mit den im Element der Luft auftretenden Wesenheiten zusammenzuwachsen, der Phlegmatiker mit den im Wasser und der Melanchollker mit den in der Erde auftretenden Tatsachen und Wesenheiten. So kommt man in eine ge­wisse Abhängigkeit in dem Augenblicke, in dem man durch wirkliches Er­leben die elementarische Welt betritt. Und Sie können sich daraus leicht die Vorstellung bilden, daß die verschiedensten Menschen Ihnen im Grunde ge­nommen das Verschiedenste erzählen können von der elementarischen Welt und daß eigentlich keiner so ganz unrecht zu haben braucht, wenn er ver­schieden von einem andern seine eigenen Erlebnisse in dieser Welt schildert.

Derjenige, der mit den Dingen bekannt und vertraut ist, wird fiellich wissen, daß ein Melancholiker, wenn er die elementarische Welt schildert, sie schildert als eine Welt, in der sehr viel ist, was einen zurückstößt. Da ist das ganz natürlich, denn seine Melancholie steht in geheimer Weise in Verwandtschaft zu allem Erdigen in der elementarischen Welt, und er über­sieht sozusagen das andere, lenkt die Aufmerksamkeit von dem anderen ab. Der Choleriker wird Ihnen wiederum erzählen, wie feurig sich alles in der elementarischenWelt ausnimmt, denn er übersieht alles übrige und erglüht sozusagen immer nur in dem Elemente des Feuers, wenn er sich in die elementarische Welt einlebt. Daher brauchen Sie sich gar nicht zu ver­wundern, wenn die Schilderungen gewisser niederer Hellseher in bezug auf die elementarische Welt sehr voneinander abweichend sind, denn beur­teilen kann man diese Welt doch erst dann, wenn man eine genaue Erkennt­ms von sich selber hat. Weiß man zum Beispiel, in welchem Grade man selber Choleriker oder Melancholiker ist, dann kennt man den Grund, warum einem sich dieses so oder so zeigt in der elementarischen Welt, und dann wird man gerade durch diese Selbsterkennmis angespornt dazu, den Blick

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von dem abzuwenden, womit man durch seine natürliche Beschaffenheit am allerverwandtesten ist.

Daraus haben Sie auch die Möglichkeit, höhere Begriffe gewinnen zu können von dem, was man in der Geisteswissenschaft eigentlich Selbst­erkennmis nennt. Diese Selbsterkennmis ist nicht so etwas ganz Leichtes, denn sie setzt voraus, daß wir wirklich in die Lage kommen, zunächst gleichsam aus uns herauszukriechen und auf unsere eigene Wesenheit zu schauen, wie wenn sie eine ganz fremde Wesenheit wäre. Stellen Sie sich das gar nicht so besonders leicht vor. Es ist verhältnismäßig leicht für den Menschen, über Seeleneigenschaften, die er sich im Leben angeeignet hat, Klarheit zu gewinnen. Aber weniger leicht ist es schon, über die ja bis in die Leiblichkeit hinunterwirkenden Beschaffenheiten, wie sie sich im Tem­perament ausdrücken, vollständige Klarheit zu gewinnen. Was den Men­schen da an einer wirklichen Selbsterkenntnis hindert, das ist das, daß sich die meisten Menschen immer in ihren Urteilen Recht geben. Es ist ein all­gemeiner egoistischer Hang, sich selbst in bezug auf alles, was man über die Welt urteilt, immer Recht zu geben. Man braucht das zunächst nicht scharf abzukanzeln und zu kritisieren, denn es ist eine ganz natürliche Eigenschaft des Menschen. Man kann sogar sagen: Wohin würde der Mensch im ge­wöhnlichen Leben kommen, wenn er nicht diese Sicherheit hätte, die natür­lich eine einseitige Sicherheit sein muß, sozusagen sich auf sich selber zu stellen? - Aber wenn er sich so fest auf sich selber stellt, dann nimmt er sich in diesen Standpunkt hinein alles mit, was in seinem Temperamente liegt.

Das Loskommen von seinem Temperament ist etwas außerordentlich Schwieriges, und man muß alle Selbsterziehung aufwenden, um zu lernen, sich selbst objektiv gegenüberzustehen. Es wird Ihnen jeder wirkliche Gei­stesforscher sagen: Eigentlich besteht kein besonderer Grad der Reife darin, jetzt nicht in die Theorie, sondern in die wirkliche Geisteswelt einzudringen, wenn man nicht imstande ist, den einen Grundsatz zu befolgen, daß erst derjenige Mensch zur Wahrheit kommen kann, welcher die eigene Meinung nicht mehr hat; der also imstande ist, die eigene Meinung wirklich als etwas anzusehen, worüber er vielleicht so spricht: Ich will einrnal diese oder jene meiner Meinungen so recht vor die Seele rücken, ich will mich einlnal fra­gen, ob ich nicht entdecken kann, in welcher Lebensperiode ich Veranlassung

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gehabt habe, mir gerade diese Meinung anzueignen. - Nehmen wir an, jemand stünde, sagen wir, in einer positiven, so oder so gearteten, nun meinetwillen politischen Richtung darinnen. Bevor er nun die Reife erlangt, in die geistige Welt einzutreten, müßte er sich in bezug darauf die Frage ganz objektiv vorlegen können: Wie hat mich das Leben dazu gebracht, gerade diese Denkungsweise, diese Richtung zu haben?Wie anders würde ich den­ken, wenn mir das Karma vieUeicht diesen oderjenen Platz im Leben ange­wiesen hätte? - Diese Frage muß man sich selber stellen können.

Wenn man sich nicht bloß vorübergehend, sondern immer wieder und wiederum recht genau diese Frage stellt, was da an einem gearbeitet hat, um den gegenwärtigen Menschen, der man ist, hervorzubringen, dann ge­winnt man die Möglichkeit, den ersten Schritt zu machen, um aus sich herauszukommen. Sonst bleibt man immer in sich darinnen. In der großen Welt aber, im Makrokosmos, gibt es das leichte, einfache Mittel nicht, außer den Dingen zu sein, das wir in der physischen Welt haben. Da in der physischen Welt können wir leicht außerhalb des Rosenstrauches stehen, weil uns ihre natürliche Beschaffenheit diesen Platz anweist. In der ele­mentarischenWelt tritt gerade das ein, daß wir in die Dinge hineinwachsen, daß wir uns mit ihnen identifizieren. Wenn wir jetzt kein Mittel haben, um uns, trotzdem wir darinnen sind, von ihnen zu unterscheiden, dann können wir überhaupt niemals zu einer Klarheit über die Dinge kommen. Unser cholerisches Temperament wächst in der elementarischen Welt ganz unbe­dingt mit dem Elemente des Feuers zusammen. Und wir können nicht mehr unterscheiden, was von uns ausströmt in ein Ding oder eine Wesenheit der geistigen Welt, oder was von dieser kommt, denn wir stehen darinnen, wenn wir nicht auf anderemWege die Fähigkeit der Unterscheidung gelernt haben. Wir müssen also erst lernen, in einer Wesenheit darin zu stehen und uns doch von ihr zu unterscheiden.

Es gibt aber zunächst nur eine Wesenheit, an der wir das lernen können:

das sind wir selber. Wir sind eine Wesenheit, in der wir darinnen stehen und bei der wir beginnen können, uns von ihr zu unterscheiden. Wenn wir dahin gelangen, uns selber nach und nach so zu beurteilen, wie wir im gewöhn­lichen Leben einen anderen Menschen beurteilen, dann lernen wir, uns von uns selber zu unterscheiden. Und es braucht sichjeder nur eininal zu fragen, wie sich gewöhnlich das Urteil über sich selber unterscheidet von dem Urteil

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über einen anderen Menschen. Gewöhnlich hat man selber Recht, und dem andern gibt man Unrecht, wenn er anderer Meinung ist als man selbst. So ist der Tageslauf. Aber es gibt nichts Nützlicheres, als bei seiner Meinung anzufangen, sich zu erziehen und die Frage sich vorzulegen: Ich habe diese Meinung, ein anderer hat jene Meinung; ich will mich auf den Standpunkt stellen, daß die Meinung des anderen geradesoviel wert sein könnte wie meine. - Dadurch erlangt man jene Selbsterzieliung, die es uns möglich macht, in die elementarischeWeltjetzt auch die Gewohnheit hineinzutragen, die notwendig ist, um da, trotzdem wir darinnenstehen, uns selbst von den Dingen zu unterscheiden.

Sie sehen also, daß es auf gewisse Feinheiten ankommt im Erleben, wenn wir bewußt in die höheren Welten hinaufsteigen wollen. Aber auch an die­sem Beispiel werden Sie erkennen, wie stark das Berechtigung hat, was gestern gesagt worden ist: daß der Mensch immer Gefahr läuft, wenn er sich in den Makrokosmos auf diese Weise erhebt, sozusagen sein Ich ganz zu verlieren. Denn im gewöhnlichen Leben ist unser Ich eigentlich nichts anderes als ein Zusammenfluß unserer Meinungen und Empfindungen, ein Zusammenfluß dessen, was als gewöhnliche Persönhchkeit vor unserer Seele steht. Und die meisten Menschen werden finden, daß es außerordent­lich schwierig ist, überhaupt noch etwas zu denken und zu empfinden und zu wollen, wenn sie Abschied nehinen von dem, was das Leben aus ihnen gemacht hat. Deshalb ist es so außerordentlich wichtig, daß man, bevor man sich überhaupt einläßt auf ein erlebtes Hineinsteigen in die geistigen Welten, sich vorher bekannt macht mit dem, was eben schon erforscht ist, was die Geistesforschung schon zutage gebracht hat. Es wird daher immer und immer wieder betont, daß kein Erkennender auf diesem Gebiet die Hand bieten wird, jemandem die Möglichkeit zu bieten, selbst hineinzu­gehen in die geistige Welt, bevor er durch seine Vernunft, durch sein ge­wöhnliches Urteil begriffen hat, daß es keine Phantasterei ist, keine Torheit ist, was die geistige Forschung behauptet. Und das ist durchaus möglich, daß man sich vorher ein gewisses Urteil erwirbt an dem, was die Geistes-forschung aus ihrem eigenen Anschauen zutage fördert. Obwohl man nicht forschen kann, ohne die geöffneten Augen des Sehers zu haben, so laßt sich doch an die Mitteilungen, die gegeben worden sind aus den durch die ge­öffneten Augen des Hellsehers gemachten Erfahrungen, der Maßstab des

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gewöhnlichen menschlichen Urteils anlegen. Es läßt sich das Leben so be­trachten, daß man sich sagt: Wird einem das Leben erklärlich durch das, was der Geistesforscher sagt, so wird es auch richtig sein.

So kann man sich, bevor man in die geistige Welt hineinschreitet, ein ge­wisses Urteil über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Behauptungen der Geistesforscher aneignen. Die Urteile, die man sich auf diesem Wege an-eignet, werden die Eigentümlichkeit haben, daß sie über das gewöhnliche Menschliche in einer gewissen Beziehung hinausgehen. In bezug auf alles das, was wir uns sonst an Meinungen aneignen, spricht das gewöhnliche Menschliche mit. Dann, wenn wir über die hohen Dinge sprechen, wie wir hier es tun, hören unsere gewöhnlichen Lebenssympathien und Antipathien auf Da mag der eine sonst diese, der andere jene Meinung haben; wenn er sich wirklich seinem unbefangenen Urteile übergibt, dann wird er finden, daß er mit dem entgegengesetzten Menschen der gleichen Meinung über diese Dinge sein kann. So gewinnen wir in der Geisteswissenschaft selber etwas, was wir dann noch haben, wenn wir über die gewöhnlichen per­sönhchen menschlichen Meinungen hinausgehen. Es ist also wichtig, sich sozusagen einen Fonds von Geisteswissenschaft anzueignen, um, wenn man in die geistige Welt hineintritt, nicht gleich beim ersten Eintritt seines Ichs verlustig zu gehen. Wir gehen dieses Ichs dann nicht verlustig, wenn dieses Ich tätig sein kann, wenn es etwas denken, fühlen kann. Erst dann sind wir außer uns, wenn wir nichts mehr denken, fühlen und empfinden können. Wir bewahren uns also durch eine gewisse Summe von geisteswissenschaft­lichen Wahrheiten davor, unser Ich sogleich zu verlieren.

Der Verlust unseres Ichs hätte aber beim Eintritt in die geistige Welt für manche Menschen noch andere Folgen. Der Mensch zeigt solche Folgen für den Erkennenden oftmals schon im gewöhnlichen Leben, und wir kommen da zu etwas, was wir doch auch kurz besprechen müssen, weil es wichtig ist für das Leben und weil es wichtig ist, so etwas zu wissen, wenn wir dann die Wege beschreiben werden, die man betreten kann, um selber in die geistigen Welten hinaufzukommen. Vor allen Dingen werden wir dann sehen, daß der Geistesforscher in keinem Sinne das sein darf, was man einen Phantasten, einen Träumer nennt, sondern daß er mit einer Sicher­heit und inneren Kraft sich in der geistigen Welt bewegen muß, wie sich ein vernünftiger Mensch in der physischen Welt bewegen kann. Alles andere

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wäre vom Übel. Alle Unklarheit würde gerade gefährlich, wenn wir den Eintritt halten in die geistigen Welten. Daher ist es so notwendig und von einer so großen Bedeutung, daß wir schon ein gesundes Urteil gewinnen über das gewöhnliche Leben. Besonders in unserer heutigen Zeit zeigt sich ja schon bei manchen Menschen im gewöhnlichen Leben dasjenige, was hinderlich sein könnte beim Eintritt in die geistige Welt, wenn nicht darauf Rücksicht genommen würde. Wenn Sie nämlich nachdenken über Ihr Leben, so werden Sie sich sagen können: Von alledem, was Sie erlebt haben seit Ihrer Geburt, was Einfluß gehabt hat auf Ihre Seele, von Ihrer Geburt angefangen, von dem wissen Sie manches, wenn Sie einen oberflächlichen Rückblick auf Ihr Leben werfen. Aber Sie werden sich auch sagen müssen:

Von vielem, was auf Ihr Leben Einfluß gewonnen hat, was Sie aus dem Leben heraus miterzogen hat, haben Sie kein deutliches, klares Bewußtsein; darüber hat sich Vergessenheit gebreitet.

Wer würde denn nicht zugeben, daß vieles auf seine Seele Einfluß ge­wonnen hat, worüber sich Vergessenheit gebreitet hat, was jetzt nicht da ist im Bewußtsein, auch schließlich bei einer gewöhnlichen Umschau oder Überschau sich nicht sogleich ins Bewußtsein heraufdrängt? Warum ver­gessen wir denn solche Einflüsse auf unser Leben? Aus dem Grunde ver­gessen wir sie, weil mit jedem neuen Tag das Leben uns Neues in den Weg hereinbringt. Und wir würden schließlich dem Leben nicht mehr gewachsen sein, wenn wir alles das zusammenhalten müßten, was beigetragen hat, daß wir in einem gewissen Zeitpunkt dem Leben gewachsen sind. Ich habe Ihnen ja schon für den normalen Verlauf des Lebens gezeigt, wie sich unsere Er­lebnisse dadurch verwandeln, daß sie gleichsam zusammenrinnen zu Fähig­keiten. Wie wäre es, wenn wir bei jedem Ansatz der Feder uns erinnern müßten an die Erlebnisse, die wir gehabt haben, um schreiben zu lernen! Eine Unsumme von Erlebnissen ist zusammengeronnen zu der Fähigkeit des Schreibens, denn wir würden sonst nicht in der richtigen Weise die Feder ansetzen können. Diese Erlebnisse haben wir mit Recht mit Ver­gessenheit bedeckt. Es ist gut für uns, daß wir sie mit Vergessenheit be­deckten.

So ist das Wort Vergessen etwas, was im menschlichen Leben eine gewisse Rolle spielt, und es gibt Gebiete des Menschenlebens, wo das Wort Ver­gessen für Dinge anwendbar ist, die durchaus wohltätig dadurch in das

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Menschenleben eingreifen, daß sie durchgemacht werden und dem Bewußt­sein wiederum entschwinden. Aber es gibt anderes im Menschenleben, das uns da oder dort in unserem eigenen Erfahren entgegengetreten ist; nament­lich zahllose Eindrücke während der allerersten Kindheit gibt es, über die sich vollständiges Vergessen breitet. Zahlreiche Eindrücke dieser Art gibt es, die zwar nicht im Bewußtsein da sind, weil das Leben sie uns eben hat vergessen lassen, weil wir sonst dem Leben nicht gewachsen wären, wenn wir alles das mitschleppen müßten. Aber es ist noch keine unmittelbare Folge des Vergessens, daß diese Eindrücke in uns nicht auch wirksam sein können, daß auch sie ausgeschlossen sind in bezug auf ihre Wirksamkeit. Es können Eindrücke im Leben auf uns gemacht werden, die zwar aus unserem Bewußtsein entschwunden sind, die aber, trotzdem wir nichts mehr von ihnen wissen, trotzdem wir sie vergessen haben, wirksame Kräfte in unserem Seelenleben sind, die in unserem Seelenleben treibend sind. Solche Eindrücke können es dahin bringen, daß dieses Seelenleben sogar in einer ungünstigen Weise beeinflußt wird. Dann, wenn die vergessenen Eindrücke solche sind, daß sie gewissermaßen einem gesunden Leben widerstreben, können sie es dahin bringen, daß unser Seelenleben sozusagen in Teile zer­gliedert wird, auseinandergetrieben wird, und ein solches Auseinandertrei­ben des Seelenlebens kann in ungünstiger Weise auf unsere gesamte Ver­fassung einwirken, kann bis in unsere Leiblichkeit hinunter allerlei Zustände erzeugen, welche man bezeichnet meinetwillen als Nervosität, Hysterie, die aber im Grunde genommen nur vollständig begriffen werden können, wenn man weiß, daß der Umfang des bewußten Lebens sich auch schon im normalen Leben nicht deckt mit dem Umfange des gesamten Seelenlebens. Trivial gesprochen, der Kenner der Menschen kann manchmal jemanden, der zu ihm kommt und klagt über allerlei, was ihm das Leben schwer macht, leicht auf dieses oder jenes aufmerksam machen, was er vergessen hat, was er nicht weiß, was aber deswegen in seinem Seelenleben nicht minder eine Kraft ist. Es gibt in der mensclilichen Seele auf diese Art mancherlei Inseln, die dastehen, ich möchte sagen, in entgegengesetzter Art wie andere Inseln. Wenn man im Meer ist, so kann man sagen, man faßt festen Fuß auf solch einer Insel. Das Seelenleben des Menschen kann, wenn es auf solche unter­bewußten Einschlüsse stößt, wo unser Bewußtsein durchbrochen wird, wo wir nicht deutlich wissen, daß so etwas da ist, allerlei Gefährdungen erleben.

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Diese Inseln könnenja im gewöhnlichen Leben am leichtesten dadurch umgangen werden, daß der Mensch versucht, von einem späteren Stand-punkt seines Lebens aus zu begreifen, was da auf ihn gewirkt hat. Es wirkt schon ungeheuer gesundend für den Menschen, wenn man ihm eine Art von Weltauffassung geben kann, durch die er in die Lage kommt, diese Seeleninsel zu konsumieren, sie zu begreifen, sie zu ertragen. Würde man nämlich ohne weiteres eine menschliche Seele hinführen zu diesen Klippen, so würde sie manchmal durch das, was sie jetzt weiß, erst recht beirrt wer­den. Gibt man dem Menschen aber die Möglichkeit, diese Dinge zu ver­stehen, mit gewissem Verständnis sich selbst aufzufassen, dinn kommt er leichter darüber hinweg, wenn er diese Dinge kennt, wenn er sie einzu­reihen vermag in sein gesamtes Seelenleben. Je mehr wir also verständnisvoll hereingliedern können in unser bewußtes Leben, desto besser ist es schon im gewöhnlichen normalen Menschenleben.

Solche unbewußten Seeleninseln nicht nur, sondern vor allem viel, viel mehr Dinge von dieser Art treten vor den Menschen geistig hin, wenn er die große Welt, wenn er den Makrokosmos betritt. Wir haben ja gesehen, daß der Mensch im Grunde genommen jede Nacht beim Einschlafen den Makrokosmos betritt, daß aber auch jede Nacht durch das Einschlafen sich volle Vergessenheit breitet über das, was der Mensch da erleben kann. Unter dem vielen, was der Mensch zunächst erleben würde, wenn er bewußt im Moment des Einschlafens den Makrokosmos beträte, wäre nämlich er selber; der Mensch würde selber darinnen sein in diesem Makro-kosmos. Wir haben ja gestern beschrieben, daß der Mensch geistige Wesen­heiten und geistige Tatsachen um sich herum hat im Mikrokosmos. Gewiß, das ist richtig, aber unter alledem, was da der Mensch vor sich hat, ist auch er ein objektiver Anblick von sich selber. Jetzt kann der Mensch vergleichen, wie unvollkommen er ist im Verhälmis zu alledem, was da in der Welt ent­halten ist, in die er hineinwachsen soll, wieviele Eigenschaften er hat, durch die er nicht gewachsen ist dieser makrokosmischen Welt. Da ist wiederum reichlich Gelegenheit, daß der Mensch sein Selbstvertrauen, seine Selbst­sicherheit verliert. Dasjenige, was den Menschen bewahren kann vor diesem Verlieren seines Selbstvertrauens, seiner Selbstsicherheit, ist eine dem Eintritt in die geistige Welt vorangehende Selbsterziehung zu einem reifen Urteile darüber, daß er zwar so, wie er jetzt ist, unvollkommen ist, daß aber immer

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die Möglichkeit vorhanden ist, sich Fähigkeit um Fähigkeit zu erwerben, um hineinzuwachsen in diese geistige Welt. Der Mensch muß die Möglich­keit erringen - solche Dinge müssen ausdrüclilich hervorgehoben werden, weil man sie, wenn man sie nur abstrakt vorstellt, sich dann zu leicht vor­stellt -, seine Unvollkominenheit zu ertragen, weil er neben dieser Unvoll­kommenheit den Anblick zu ertragen lernen muß, was er einstmals werden kann, wenn er sich die ihm heute noch fehlenden Eigenschaften angeeignet hat. Das ist ein Gefühl, das beim bewußten Überschreiten der Schwelle nach dem Makrokosmos in die menschhche Seele kommen muß. Der Mensch muß lernen, sich selber als etwas Unvollkommenes zu sehen aufseinem heuti­gen Standpunkt. Er muß lernen ertragen, sich zu sagen: Wenn ich zurück-blicke in mein jetziges Leben und in die Leben der früheren Inkarnationen, so haben diese eben das aus mir gemacht, was ich bis heute geworden bin; so bin ich. - Aber er muß auch die Möglichkeit haben, neben dieser seiner eigenen Gestalt zu empfinden, zu fühlen eine andere Gestalt, eine solche Gestalt, die ihm sagt: Wenn du nun an dir arbeitest, wenn du alles tust, um das, was an Anlagen in deiner tiefsten Wesenheit ist, zu entwickeln, dann wirst du einstmals ein Wesen werden wie dieses; du mußt nicht nur auf dich blicken können, sondern du mußt auf die andereWesenheit, die wie dein reales Ideal neben dir steht, ohne Scheu und Entmutigung hinblicken können. - Ohne Scheu und Entinutigung kann man aber auf das, was sich da neben die eigene Unvollkommenheit stellt, nur dann blicken, wenn man sich erzogen hat zu einer Kraft der Überwindung von Lebensschwierig­keiten. Hat man also dafür gesorgt, bevor man seinen Eintritt hält in die geistige Welt, daß man schon in der physischen Welt seelische Stärke hat, um Schmerz, Leid, um Widerstände des Lebens zu überwinden, hat man sich darin gestählt, Widerständen Trotz zu bieten, sie hinwegzuschaffen, dann kann man in dem Moment, wo man zunächst dieses Gefühl hat, auch in sich den Impuls empfinden: Was auch geschehen mag mit dir, was dir auch begegnen mag in dieser geistigen Welt des Makrokosmos, du wirst durchkommen; denn du wirst immer stärker und stärker die Eigenschaften noch weiter ausbilden, die du dir schon angeeignet hast als Kräfte der Über­windung von Hindemissen und Hemmnissen.

Wenn man sich in einer solchen Weise vorbereitet hat, dann erlebt man gerade beim Eintritt in die elementarische Welt etwas ganz Besonderes. Wir

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werden verstehen, was man da erlebt, wenn wir nochmal zurückblicken auf das, was eben vorhin gesagt worden ist: daß unser cholerisches Tempera­ment verwandt ist mit dem Elemente des Feuers, das sanguinische mit dem Element der Luft, das phieginatische mit dem Element des Wassers, das melancholische mit dem Element der Erde. Wenn man also mit seinem Temperamente sich hinauslebt in die elementarischeWelt, dann treten einem die Gestalten der elementarischen Welt so entgegen, wie man selber ist. Und wenn das der Fall ist, daß einem seine eigenen cholerischen Eigen­schaften wie im Feuer erglühend entgegentreten, die sanguinischen Eigen­schaften wie in Luft verfliegend, die phlegmatischen wie im Wasserelement, die meläncholischen wie im Erdelement, dann muß auch das, was man in sich an Selbstvertrauen, an Erziehung zur Selbststärke hat, was man sich also, um reif zu werden, angeeignet hat, dazu dienen, daß man sich sagen kann: Du wirst alle Hindemisse überwinden! - Was man so in sich hat, das wird dann auch verwandt sein mit etwas in der geistigen Welt. Und es ist verwandt mit demjenigen, was einem jetzt, sich gleichsam zusammen­schließend aus allen Elementen, entgegentritt, was einem entgegentritt so, daß man sich selber erblickt wie eine außenstehende Wesenheit und in Ruhe sich selber betrachtet. Hat man sich entschlossen dazu, durch Selbsterzie­hung alle Hindernisse seines unvollkommenen Menschen zu überwinden, dann wirkt dieser Impuls der Seele so, daß dieser unvollkommene Mensch vor einem steht, ohne daß er einen aufregt, ohne daß er einen niederschmettert. Ohne den genügenden Reifegrad würde man immer ein niederschmettern­des Gefühl haben, wenn man so seinen Doppelgänger erblickt. Davor schützt einen in der Tat das normale Leben; denn man würde jede Nacht beim Einschlafen seinen unvollkommenen Menschen vor sich haben und medergeschmettert sein von ihm, wenn man bewußt einschlafen würde. Ebenso würde aberjene große Gestalt vor einem stehen, die einen aufmerk­sam machen kann darauf, was man werden kann. Daher wird beim Ein­schlafen das Bewußtsein ausgelöscht. Wenn man aber immer mehr und mehr die Reife in sich erzeugt, die einem sagt: Du wirst die Hindernisse überwinden, welche machen, daß du heute noch ein schwacher Mensch bist - dann allmählich lüftet sich das, was wie ein Schleier vor die mensch­liche Seele sich hinstellt, wenn der Mensch im normalen Leben einschläft. Dann wird dieser Schleier immer dünner und dünner, und zuletzt steht so,

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daß man es ertragen kann, die Gestalt da, die ein Ebenbild von einem selber ist im gegenwärtigen Erleben, und daneben wird man gewahr die andere Gestalt, die man werden kann, wenn man weiter an sich arbeitet. Und man weiß in diesem Augenblick, daß diese andere Gestalt, die sich in Pracht und Herrlichkeit und Glorie zeigt, gerade deshalb so niederschmetternd wirkt, weil man so nicht ist und doch so sein sollte; man weiß, daßman die richtige Seelenverfassung nur gewinnen kann, wenn man ertragen kann diesen An­blick. Dieses Erlebnis haben heißt: vorüberschreiten vor dem großen Hüter der Schwelle. Dieser große Hüter der Schwelle löscht im gewöhnlichen Einschlafen das menschhche Bewußtsein aus, so daß sich Vergessenheit breitet über dieses Bewußtsein. Dieser große Hüter der Schwelle zeigt uns, was uns fehlt, wenn wir in die große Welt eintreten wollen und was wir erst aus uns machen müssen, damit wir nach und nach in diese große Welt hineinwachsen.

Unsere heutige Zeit hat es auf der einen Seite so nötig, sich einen Begriff zu machen von solchen Dingen, und auf der anderen Seite verabscheut sie wiederum so sehr diese Begriffe. Ja, unsere heutige Zeit ist in einem sonder­baren Übergang begriffen. In unserer heutigen Zeit wird zwar mancher theoretisch zugeben, daß er ein unvollkommener Mensch ist, aber über die Theorie geht es gewöhnlich nicht hinaus. Das zeigt uns am besten, wenn wir Umschau halten in unserem geistigen Leben. Machen Sie selber die Prüfung darauf! Nehmen Sie, was Sie wollen, von Dingen in die Hand, die von der geistigen Welt im heutigen Stile handeln: Sie werden überall einen Ton angeschlagen finden, der dem Ton, der jetzt gerade als aus der geistigen Welt herausklingend charakterisiert worden ist, ganz entgegengesetzt ist. Überall werden Sie hören und lesen können, daß der oder jener sagt: Dies oder das ist unsere Meinung über die Welt, das können wir wissen, das können wir nicht wissen, das kann man wissen, das kann man nicht wissen. -Versuchen Sie, wie oft Sie dieses kleine Wörtchen «man» entdecken in heutigen Schriftwerken, dies: Das kann man wissen, das kann man nicht wissen, da hat der Mensch eine Grenze des Erkennens, die er nicht über­schreiten kann - und so weiter. Jedesmal, wenn der Mensch in solcher Weise das Wörtchen man ausspricht, steht er auf dem entgegengesetzten Gefühlsstandpunkt von dem, der eben jetzt charakterisiert worden ist, denn dieser sagt uns, daß wir im Grunde genommen in keinem Augenblicke

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sagen dürfen: Das kann man nicht erkennen, oder das kann man erkennen -sondern wir können nur sagen: Wir können eben so viel erkennen, als unserem Reifegrad und unseren Fähigkeiten entspricht, und wenn wir uns zu einem höheren Standpunkt hinaufentwickelt haben werden, werden wir mehr erkennen. - Dieses «man» gibt es gar nicht. Wer von Grenzen des Erkennens spricht, zeigt sich von vornherein als ein Mensch, der nicht in der Lage ist, überhaupt auch nur den Begriff von Selbsterkennmis zu fassen. Denn wo uns das klar ist, wissen wir, daß wir als Mensch ein entwickelungs-fähiges Wesen sind und daß wir nur davon sprechen können, wieviel wir erkennen nach Maßgabe unserer augenblicklichen Fähigkeiten.

So schlimm dies schon ist, was jetzt charakterisiert worden ist, es wäre noch nicht einmal das Schlimmste, denn es wäre ja schließlich nur eine Ausdrucksform, über die man sich hinwegsetzen könnte. Der Geisteswissen­schafter wird sich darüber hinwegsetzen; er wird sich angewöhnen, die heutige Literatur unter gewissen Gesichtspunkten zu lesen, so zu lesen, daß er sich sagt: Wenn der Betreffende «man» sagt, dann ist das eben er. - Da kann man sich dann zurechtfinden, wenn man von diesem Gesichtspunkte ausgeht und alles das, was man in die Hand bekommt, nur so liest. Es ver­rät eben damit der Sprechende das, was er gerade weiß. Damit wäre das also nur Sache einer Formulierung, ist also nicht so schlimm. Die Sache fängt aber dann an bedenklicher zu werden, wenn der Betreffende weiter­geht und tatsächlich Praxis daraus macht. Denn Theorien sind überhaupt nie gefährlich, sondern erst dann, wenn sie zur Lebenspraxis werden, werden sie gefährlich. Gefährlich wird es, wenn der Betreffende aufängt zu sagen:

Also weiß ich das, was ein Mensch wissen und erkennen kann; ich brauche also gar nichts zu tun, um mich weiter zu entwickeln. - Dann legt er sich lauter Hindernisse in den Weg, dann verbaut er sich selber die Entwickelung. Im Grunde genommen gibt es heute viele Menschen, die sich so selber ihre Entwickelung versperren, daß man vom geisteswissenschaftlichen Stand­punkt aus einer ganzen Anzahl von solchen Menschen nur wünschen kann, daß sie immerfort recht gut und recht tief schlafen, damit ihnen ja niemals irgendwie durch ein kleines Lüften des Schleiers zum Bewußtsein kommen könnte, wie unvollkommen sie zu der Zeit sind im Vergleich zu dem, was sie werden können. So liegt es in den Denkgewohnheiten, in der ganzen Empfindungsweise unserer Zeit, daß die Menschen sogar den Schleier gerne

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immer dichter und dichter machen vor der Welt, in die wir schon nicht eintreten können fruchtbar, wenn wir nicht an dem großen Hüter der Schwelle vorüberkommen, an jener mächtigen Gestalt, die uns immer den Einlaß verwehrt, wenn wir vor ihr nicht ein heiliges Gelöbnis ablegen. Ohne dieses heilige Gelöbnis geht es nicht ab, und dieses heilige Gelöbnis besteht darin, daß wir sagen: Wir wissen zwar jetzt, wie unvollkommen wir sind, aber wir werden niemals aufhören zu streben, immer vollkomme­ner und vollkommener zu werden. - Mit diesem Impuls allein darfjemand hineingehen in den Makrokosmos. Wer diesen starken Willen nicht hat, immer mehr und immer mehr an sich zu arbeiten, der sollte eben erst diesen starken Willen sich anerziehen, wenn er hineinschreiten will in den Makro­kosmos.

Das ist das notwendige Gegenstück zu unserer Selbsterkenntnis, die wir gewinnen müssen, wenn wir unterscheiden lernen wollen in der höheren Welt. Selbsterkennmis muß uns werden; diese Selbsterkennmis bliebe aber totes Produkt, wenn sie nicht verknüpft wäre mit dem Willen zur Selbst-vervollkommnung. Es tönt durch der Zeiten Wende der alte apollinische Spruch: Erkenne dich selbst! - Er ist richtig, es läßt sich gar nichts gegen ihn einwenden, aber es kommt auch bei ihm das in Betracht, was gestern gesagt worden ist in bezug auf Wahrheiten: Nicht diejenigen Vorstellun­gen, die eigentlich irrtinnlich sind, sind die schlimmsten für den Menschen; denn da richtet ihn das Leben schon zurecht. Die Vorstellungen, die Wahr­heiten aber, die einseitige Wahrheiten sind, die stellen sich viel hindernder in unser Leben hinein. Und eine solche einseitige Wahrheit wäre diese:

Erkenne dich selbst - wenn wir sie nur von der einen Seite ansehen würden. Wir müssen sie auch von ihrer Kehrseite ansehen. Da erweist sie sich aber als Aufforderung zur stetigen Selbstvervollkommnung. Wenn wir dieses Gelöbnis uns selber, das heißt unserem höheren Menschen, der wir werden sollen, geloben, dann können wir uns getrost und ohne Gefahr hineinwagen in den Makrokosmos; denn dann werden wir in dem Labyrinth, in das wir da hinein müssen, uns nach und nach zurechtzufinden wissen.

Nun haben wir auf der einen Seite gesehen, wie sich gewissermaßen unsere eigene Natur verwandt erweist mit demjenigen, was wir die ele­mentarische Welt nennen; wir haben dasjenige, was uns in der elementari­schen Welt entgegentritt, verwandt gefunden mit dem, was unsere Temperamente

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sind. Wir würden auch dasjenige, was uns noch weiter in der elementarischen Welt entgegentreten kann, verwandt fühlen mit unserer eigenen Wesenheit, wenn wir auf andere Seeleneigenschaften als auf unser Temperament blicken würden. In uns ist immer das, was auch außer uns ist, denn wir sind aus der Welt genommen. Von dem aus, was wir in der physischen Welt wahrnehmen können, von unserem cholerischen, sanguini­schen, melancholischen und phleginatischen Temperament aus können wir vorschreiten zu dein Elementarischen und dann weiter zur geistigen Welt. Aber wir können dann auch wiederum aus der geistigen Welt in die höhere Welt hinaufsteigen, und auch diesen Punkt wollen wir heute noch kurz besprechen. Wenn wir als menschliche Wesen dastehen, so wissen wir eben, daß wir als Menschen von Inkarnation zu Inkarnation gehen. Wenn wir in dieser Inkarnation gerade ein melancholischer Mensch sind, so werden wir uns sagen können: Nunja, in dieser Inkarnation sind wir ein melancholischer Mensch, in einer anderen, entweder vorangehenden oder folgenden Ver­körperung werden wir sanguinisch gewesen sein oder werden, das heißt, es wird sich ausgleichen dasjenige, was in einem Leben einseitig sich aus­bildet. - Damit haben wir aber auch einen Begriff davon gewonnen, daß wir, wenn wir auch in einem Leben ein melancholischer Mensch sind, doch als Wesen mehr als eben bloß melancholisch sind. Wir können mit dem­selben Wesen, mit dem wir in diesem Leben ein Melancholiker sind, in einem vorhergehenden Leben meinetwegen ein Choleriker gewesen sein oder können in einem folgenden Leben ein Sanguiniker werden. Unser Wesen also geht nicht auf indiesenBezeichnungen.Wenn also derhellsichtige Mensch jemanden in der elementarischen Welt betrachtet, dann kann man sagen, wenn er ihn heute als melancholischen Menschen sieht, so wie er sich darstellen muß im Elemente der Erde: Das ist eine vorübergehende Er­scheinung. In einer anderen Inkarnation kann sich ein Mensch, der sozusagen erdig erscheint in seiner gegenwärtigen Verkörperung, luftig oder feurig darstellen. - So stellt sich in der Tat innerhalb der elementarischenWelt der Mensch für das hellsichtige Bewußtsein dar. Melancholiker, die gerne in sich selber brüten, die nicht mit sich selber fertig werden, erscheinen, wenn man sie vom Gesichtspunkt der elementarischen Welt aus betrachtet, so, daß sie einen gleichsam zurückstoßen. Choleriker erscheinen tatsächlich in der ele­mentarischen Welt so wie wenn sie Feuerflammen verbreiten würden.

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Allerdings müssen wir das seelische Element des Feuers ins Auge fassen und nicht verwechseln mit dem gewöhnlichen physischen Feuer. Damit wir uns nicht mißverstehen, möchte ich erwähnen, daß Sie in theosophischen Hand­büchern sehr häufig dasjenige, was wir hier im eminentesten Sinne elemen­tarische Welt genannt haben, gekennzeichnet finden als die niedere astra­lische Welt. Was Sie hier gekennzeichnet finden als die Welt, die wir als die geistige bezeichnet haben, das ist diejenige Welt, die Sie sehr häufig als Devachan bezeichnet finden, aber die mehr unteren Teile desselben. Die höheren Teile des Devachan, die Sie als Arupa-Devachan bezeichnet fili­den, das ist eben die Welt, die hier charakterisiert wurde als Vernunftwelt.

Aber auch dann, wenn wir in die geistigeWelt und in die Vernunftwelt eintreten, begegnet uns etwas ähnliches, wie es uns begegnet ist, wenn wir als Wesenheit uns so erscheinen, daß wir sozusagen unser Element in unserem Temperament immer von Leben zu Leben überwinden. Es begegnet uns in der geistigen Welt dann das Ä hnliche, wenn wir bis an die Grenze der geistigen Welt gehen. Wir haben schon gestern charakterisiert, was wir da finden an der Grenze der geistigen Welt. Wir finden in der geistigen Welt geistige Tatsachen, die ausgedrückt sind in der Weltenuhr durch die Bewe­gungen der Planeten. Wir haben gesagt, daß die Wesenheiten ausgedrückt sind wie in äußeren Gleichnissen in den Tierkreisbildern. Wir haben darauf hingedeutet, daß man mit diesen Gleichnissen noch nichts Besonderes gefun­den hat, daß man zu den Wesenheiten übergehen muß. Wir haben die Summe dieser Wesenheiten bezeichnet als Hierarchien, so daß wir dann, wenn wir also die geistige Welt durchschreiten im Makrokosmos, mit dem hellsichtigen Bewußtsein zujenenWesenheiten kommen, die wir bezeichnen als Seraphime, Cherubime, Throne und so weiter. Nun würden wir uns aber nicht einen Begriff verschaffen können, der entsprechend wäre einer noch höheren Welt, wenn wir nicht auch hier bei den Bezeichnungen, die wir gestern gewählt haben, übergingen von der vorübergehenden Äußerung zu der Wesenheit selber. Wir haben gesagt: Ein Mensch kann uns in einer Inkarnation entgegentreten als Melancholiker; seine Wesenheit ist aber mehr, weil er sich darüber hinausentwickelt in anderen Inkarnationen. Die Wesenheit durchbricht also das, was uns mit diesen Ausdrücken charakteri­siert worden ist. Und wenn wir ins Auge fassen, daß jene Wesenheiten, die wir bezeichnen als Seraphime, Cherubime oder als Geister des Willens und

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so weiter und die sich im physischen Raum in den Tierkreisbildern ausdrük­ken, alsWesenheiten mehr sind als diese Bezeichnungen, dann bekommen wir erst einen Begriff von dieser oberen Grenze unseres Makrokosmos. Ein Wesen, das uns in einer bestimmten Erfahrung, die das hellsichtige Bewußt­sein macht, entgegentritt, sagen wir, als Seraph oder als ein Geist der Weis­heit, ein solches Wesen bleibt nicht inimer so, daß wir es so bezeichnen kön­nen. Denn geradeso, wie sich der Mensch entwickelt und die verschieden­sten Eigenschaften annimmt, so entwickeln sich die Wesenheiten, die wir da an der oberen Grenze der geistigen Welt finden, durch Zustände hin­durch, so daß wir sie das eine Mal mit diesem, das andere Mal mit jenem Namen bezeichnen können. Die Wesen wachsen hindurch durch diese Be­zeichnungen. Wenn man trivial sprechen möchte, so ist es so, daß man diese Bezeichnungen Amtsbezeichnungen nennen könnte. Es veranschaulicht die Sache.Wenn man von Geistern derWeisheit, von Geistern desWillens spricht und dergleichen, ist das so, wie wenn man meinetwillen spricht von Regie­rungsrat und Geheimem Regierungsrat. Das kann derselbe Mensch sein, der nach und nach verschiedene Amtsbezeichnungen hat, und so kann es dasselbe Wesen sein, das in den geistigen Hierarchien einmal ein Geist der Weisheit, ein anderes Mal ein Geist des Willens ist, weil sich die Wesen­heiten durch diese Zustände hindurchentwickeln. Solange man bloß in der geistigen Welt bleibt, so lange zeigen sich diese Wesenheiten mit der einen oder der anderen Bezeichnung; sie zeigen sich als Seraphime, als Cherubime und so weiter. Im Augenblick, wo man aber von dieser Amtsbezeichnung vorrückt dazu, die Wesenheit selbst ins Auge zu fassen, wo man sozusagen Bekanntschaft schließt mit der geistig sich entwickelnden Wesenheit, ist man aufgestiegen in ein höheres Reich, in dasjenige Reich, das man eben das Vernunftreich nennt und das wir dadurch charakterisierten, daß wir zeig­ten, an welchem Glied der Menschennatur dieses Vernauftreich arbeitet.

Man muß überhaupt, wenn man eben zu einer gewissen Stufe der Er­kenntnis kommen will, immer unterscheiden die fortschreitenden Wesen­heiten und das, was sie an einer bestimmten Stufe sind. So müssen wir es machen mit Wesenheiten, die selbst als gewisse fortgeschrittene Wesenheiten noch auf der Erde auftreten, so müssen wir es machen mit Wesenheiten, die uns nur in der geistigen Welt begegnen.

Um ein Beispiel aus dem Erdendasein zu nehmen, sei erwähnt der Begriff

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des Buddha. Die Menschen kennen den Buddha, wie er etwa gelebt hat fünf- bis sechshundert Jahre vor unserer Zeitrechnung. Derjenige, der geistig in diesen Stoff eingedrungen ist, der muß aber unterscheiden lernen zwischen der Wesenheit, die man in jener Inkarnation einen Buddha nennt, und der Buddhabezeichnung selber. Zwischen der Wesenheit und dem Buddha muß man unterscheiden lernen. Denn jene Wesenheit, die damals, fünf- bis sechshundert Jahre vor unserer Zeitrechnung gelebt hat, die ist erst in jener Inkarnation zur Würde eines Buddha hinaufgestiegen. Sie war früher etwas anderes; sie war früher durch die vorhergehenden Inkarnatio­nen hindurch dasjenige, was man Bodhisattva nennt. Darum war es aber eben doch dieselbe Wesenheit. Der Bodhisattva der früheren Jahrtausende war dieselbe Wesenheit, die dann im Gautama-Buddha aufgetreten ist. Diese Wesenheit hat sich aber auch weiter fortentwickelt; sie hat sich so entwickelt, daß aus gewissen Gründen heraus, die wir vielleicht auch noch werden berühren können, dieselbe Wesenheit nach dem Buddha-Dasein nicht mehr zu einem fleischlichen Leibe herunterzusteigen brauchte, nicht mehr sich vollständig als ein fleischhcher Mensch zu inkamieren brauchte, sondern in anderer Form weiterlebte. So daß man sagen kann: Der Buddha war als Bodhisattva durch viele Jahrtausende mit der Erdentwickelung ver­eint. Er trat dann als Buddha auf und war in dieser Inkarnation als Buddha so weit gekommen, daß er nicht mehr zu einer fleischlichen Inkarnation herunterzusteigen brauchte. Jetzt ist er zu einem höheren Wesen hinaufge­stiegen, das man vorfindet in der geistigen Welt. - Es muß also das geöffnete Auge des Sehers da sein, um den Buddha heute in seiner Entwickelung zu finden. Wenn Sie das als eine Art von Vergleich nehmen, so sehen Sie schon, daß man unterscheiden muß zwischen der Bezeichnung des Buddha und der Wesenheit, die sozusagen durch das Amt des Buddha hindurchge­gangen ist. So muß man auch in der höheren geistigen Welt unterscheiden zwischen den Bezeichnungen, die wir den Hierarchien geben, und den Wesenheiten, die sich hindurchentwickeln, meinetwillen aufsteigen von der Stufe der Throne zu der Stufe der Cherubime und Seraphime.

So also sehen wir an der Grenze der geistigen Welt die Sache so, daß ge­wisse Wesenheiten diese geistige Welt berühren von oben herunter und ge­wisse Eigenschaften annehmen, durch die sie uns erscheinen mit diesen oder jenen Funktionen, die wir ihnen eben beilegen müssen, dannt wir die Welt

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durch ihre Taten erklären können. Wenn wir aber noch höher hinaufsteigen würden, dann erschienen uns diese Wesenheiten selber in einer lebendigen Entwickelung. Dann stiegen wir also hinauf zu höheren Wesenheiten, für die dasjenige, was in der geistigen Welt sich darstellt, so ist, wie für den Menschen dasjenige, was sich in der physischen Welt im Verlaufe seiner Inkarnationen, seiner Verkörperungen darstellt. Und wie wir im Grunde genommen geistig einen Menschen nur kennenlernen, wenn wir nicht nur Rücksicht nehmen auf seine gegenwärtige Inkarnation, sondern auf das, was sich von Verkörperung zu Verkörperung bewegt, so lernen wir auch diese hohen geistigen Wesenheiten nur kennen, wenn wir hinaufzuschauen vermögen über all das, was uns in Worten ihre Taten ausdrückt in einer be­stimmten Epoche, wenn wir hinaufzusteigen vermögen bis zu diesen Wesen­heiten selber. In der Vernunftwelt leben, heißt, mit geistigen Wesenheiten umgehen und teilnehmen an ihrer Entwickelung.

Nun haben wir schon gestern darauf hingewiesen, daß es eine noch höhere Welt gibt, die über dieser Vernunftwelt hegt, und daß da aus dieser Welt die Kräfte kommen, welche uns befähigen, aus dem gewöhnlichen normalen Bewußtsein jetzt in Wahrheit einzutreten in das hellseherische Bewußtsein, in das Bewußtsein, das begabt ist mit geistigen Augen und geistigen Ohren. Wir kommen also in eine höhere Welt als in die Welt derjenigen Wesen­heiten, die wir sozusagen anblicken müssen, wenn wir uns unsere eigene physische Welt vollständig erklären wollen. Und wie wäre es denn weiter wunderbar, daß wir diese Eigenschaften des Menschen erklären müssen aus Welten, die höher sind, als die zur physischen Welt gehörigen, da ja doch diese geistigen Eigenschaften des Menschen, durch die er in die geistigen Welten hineinwächst, selber für die äußere physische Welt unwahmehinbar sind! In der Tat wird ja der Mensch der Teilnehmer an der geistigen Welt, wenn das hellsichtige Bewußtsein in ihm erwacht. Was Wunder also, daß die Kräfte zur Erwerbung dieses hellseherischen Bewußtseins herauskom­men müssen aus einer Welt, aus der in gewissem Sinne höhere Wesenheiten selber ihre Kräfte schöpfen! Wir schöpfen unsere Kräfte, durch die wir hier heruinwandeln, aus den nächsthöheren Welten, aus der elementarischen, aus der geistigen, aus der Vernunftwelt.Wollen wir über diese hinausgehen, dann müssen wir die Kräfte dazu aus noch höheren Welten schöpfen.

Es wird dann unsere Aufgabe sein, zu der ersten Welt zu schreiten, die

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sich dem Menschen öffiiet, wenn das hellsichtige Bewußtsein erwacht, zur imaginativen Welt. Zu zeigen werden wir haben, was der Mensch für Organe braucht, um in die imaginative Welt hineinzuschauen; zu zeigen werden wir haben, wie aus der Welt der ewigen Urbilder der Dinge die­jenigen Kräfte herauskommen, die die Organe für die imaginative Welt formen, ebenso wie aus der Vernunftwelt die Kräfte kommen, die den Menschen zu einem Wesen machten, das schon hier auf dem physischen Plan über diese physische Welt hinauswächst, zu einem geistig urteilenden Wesen. Es wird dann unsere nächste Aufgabe sein, den Zusammenhang der ersten Stufe der höheren Erkenntnis mit der geistigen Welt der Urbilder zu erkennen, und dann werden wir weiterzuschreiten haben von der Charak­teristik der imaginativen Welt zu der Beschreibung der inspirierten, der intuitiven Welt, und wir werden zeigen, wie der Mensch ganz im Sinne unserer heutigen Zeitbildung hineinwachsen kann in die höheren Welten, ein Bürger werden kann in denjenigen Welten, in denen er ebenso, wie er in den Reichen, die uns hier auf diesem physischen Plan umgeben, das höchste Wesen ist, in gewisser Beziehung das niederste Wesen ist. Und wie er hier hinunterblickt zu Pflanzen, Tieren, Minerallen, so kann er hinauf-blicken in geistigen Welten zu höheren Wesenheiten, die ebenso über ihm stehen, wie jene unter ihm stehen. Das wird sich uns ergeben, wenn wir die Ereignisse der höheren Welten besprechen, daß der Mensch neue Wesen­heiten und Tatsachen kennenlemt; es wird sich uns ergeben, was zu seinen neu erwachten Fähigkeiten gehört, wenn er weiterschreitet denWeg, den wir zu schildern angefangen haben als den Weg in den Makrokosmos hinein.

ACHTER VORTRAG Wien, 28. März 1910

#G119-1962-SE183 - Makrokosmos und Mikrokosmos

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ACHTER VORTRAG

Wien, 28. März 1910

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Es wird gut sein zum weiteren Verständnis des hier Vorzutragenden, wenn wir die heutige Betrachtung damit beginnen, daß wir das Aufwachen des Menschen noch einmal betrachten, aber jetzt so, daß wir dabei ins Auge fassen alles dasjenige, was aus der geistigen Welt heraus zum Aufbau des Menschen wirksam ist. Wenn der Mensch aufwacht, dann ist das ja, wie wir in den Vorträgen gesehen haben, ein Übertreten unserer ganzen Wesenheit aus dem Makrokosmos, in den der Mensch ausgegossen ist während des Schlafzustandes, in den Mikrokosmos hinein. Nun ist es ja begreiflich, daß der Mensch über die eigentlichen Vorgänge, die sich da abspielen in der Wechselwirkung zwischen dem Mikrokosmos und dem Mikrokosmos, im normalen Bewußtsein recht schlecht unterrichtet ist. So glaubt der Mensch gewöhnlich, daß dasjenige, was er sein Ich nennt, eigentlich im Grunde bloß in ihm sitzt. Nun, wenn Sie sich nur ein wenig überlegen, daß der Mensch während der Schlafenszeit außerhalb seiner Leibeshülle ist mit seinem astrali-schen Leib und mit seinem Ich, dann werden Sie sich eben sagen: Also haben wir schon die Nachtzeit, die Schlafenszeit als eine solche, wo wir das Ich keineswegs suchen dürfen sozusagen innerhalb der Grenzen unserer Haut, sondern es ist wie ausgegossen in die Weltensphäre, es ist hingegeben an die­jenigenWelten, die wir jetzt ja auch schon einigermaßen besprochen haben:

an die elementarische Welt, an die geistige Welt, an die Vernunftwelt und auch an diejenige Welt, die wir heute noch ein wenig besprechen wollen, die höher liegt als die Vemunftwelt, an die Welt der geistigen Urbilder aller Dinge. - Also das Ich ist wie in die weite Welt hinausergossen, ausgebreitet, und daher ist das Hineinschlüpfen am Morgen nicht bloß so aulzufassen, wie wenn man sagen könnte: Nun, mein Ich ist dort, es kommt aus dieser Richtung her und schlüpft in mich hinein - sondern es ist dieses Aufwachen zugleich eine Art Zusammenziehen des Ichs, so daß es sich immer dichter und dichter zusammenzieht und sich dann in den physischen und in den Äther- oder Lebensleib so hineinbegibt, daß es in diesen Leibeshüllen des Menschen eben jetzt mit einer entsprechenden Dichtigkeit darinnen ist. Aber das zeigt sich dem hellsichtigen Bewußtsein: Dieses Ich ist auch während

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des ganzen Tagwachens durchaus nicht in dem Menschen ganz darin­nen. Für das hellsichtige Bewußtsein ist das Ich etwas, was immer in einer gewissen Weise auch in der Umgebung des Menschen vorhanden ist; es deckt sich nur teilweise das menschliche Ich mit dem, was wir zum Beispiel als physischen Leib wahrnehmen. Und so können wir sagen, daß das Ich eigentlich immer auch in bezug auf seine substantielle Wesenheit gewisser­maßen in unserer Umgebung ist. Man karin dasjenige, was da der Hell­seher, sagen wir, wie eine Art von Lichtaura des Menschen sieht, die Ich-Aura nennen. So ist der Mensch immer in einer geistsubstantiellen Wolke, und man kann das Ich nicht bloß an diesem oder jenem Orte suchen, son­dern wie ausfüllend diese ganze Ich-Aura des Menschen. Es kommt am Morgen beim Aufwachen das Ich heran von allen Seiten; es kommt aus all den Wesenheiten und Tatsachen heraus, die wir als die Vernunftwelt und als die geistige und elementarische Welt beschrieben haben.

Nun wollen wir dieses Hineinschlüpfen des Ichs in den eigentlichen Men­schen eben noch einmal näher ins Auge fassen. Wir wollen uns die Frage vorlegen: Wodurch kommt es zum Beispiel zustande, daß wir im Auf-wachen plötzlich um uns herum haben die Sinneswahmehmung, um uns herum haben dasjenige, was wir als Farben-, als Lichteindrücke, als andere Sinneswahrnehmungen um uns herum haben? - Wir wollen das einmal in bezug auf die Farbe, auf eine bestimmte Farbe ins Auge fassen. Nehmen wir an, wir sehen am Morgen, wenn wir aufwachen, auf eine blaue Fläche. Wir haben also als ersten Sinneseindruck den Sinneseindruck Blau. Wie kommt der zustande? Über die Art, wie der zustande kommt, ist nämlich das gewöhnliche, normale Bewußtsein des Menschen ganz im unklaren. Es stellt sich die Sache ganz verkehrt vor. Dieser Sinneseindruck kommt da­durch zustande, daß, indem das Ich hereingeht aus dem Mikrokosmos in den Mikrokosmos, zunächst etwas wie ein Hindernis da ist für das Hereinströ­men all der Kräfte, die da draußen in der geistigen Welt sind, ein Hindernis da ist zunächst für alles dasjenige, was wir nennen die elementarische Welt. Also dasjenige, was wir gestern und vorgestern als die elementarische Welt charakterisiert haben, das ist etwas, was zunächst aufgehalten wird. Nicht ganz wird es aufgehalten, aber so wird es aufgehalten, daß nur ein Teil der elementarischen Welt eigentlich einströmt. Wenn wir eine blaue Farbe vor uns haben, wenn wir Blau sehen, dann ist das so, daß durch diese Fläche

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hindurch, die wir als blaues Farbenbild vor uns haben, hindurchströmt alles an Kräften aus denjenigenWelten, die wir beschrieben haben, mit Ausnahme emes Teiles der elementarischen Welt. Dasjenige, was da zurückgehalten wird von der elementarischen Welt, das ist so, daß es dem Menschen zum Bewußtsein kommt wie ein Spiegelbild, wie eine Rückstrahlung, und diese Rückstrahlung ist eben die blaue Farbe. Alles, was wir gestern von der ele­mentarischen Welt beschrieben haben, nämlich das Element des Feuers, der Luft, des Wassers und der Erde, geistig aufgefaßt als der elementarischen Welt angehörig, nicht der physischen, das strömt hindurch. Es strömt also durch das Auge ein alles dasjenige, was es an Elementen der Welt gibt, mit Aus­nahme dessen, was wir gerade sehen. Dadurch kommt also die Sinnes-wahrnehmung zustande, daß unser Auge zurückhält aus der elementarischen Welt das Licht, daß unser Ohr zurückhält aus der elementarischen Welt den Ton, daß unsere übrige Organisation zum Beispiel denjenigen Teil zurück-hält, den wir als Wärme wahrnehmen, und so weiter. Dasjenige, was nicht zurückgehalten wird, das strömt ein.

Nun können Sie dasjenige ergänzen, was wir in den vorhergehenden Vor­trägen gesagt haben. Wir haben gesagt: Das Auge wird am Licht für das Licht gebildet. Wenn das Auge das Licht wahrnimmt, so wird es natürlich mcht von demjenigen gebildet, was gesehen wird als Licht, sondern von demjenigen, was sich nicht spiegelt, was aber mit dem Licht zu uns kommt, und das ist ein Teil der elementarischen Welt. So daß wir also sagen können:

Es strömen ein aus der geistigenWelt die Kräfte aus all denWelten, von denen wir gesprochen haben. Hier (es wird gezeichnet) werden zurückgehalten vom Auge zunächst gewisse Kräfte, ebenso von den anderen Sinnen. Was da nicht hineinströmt in uns selber, was zurückgehalten wird, das ist die Summe unserer Sinneswahrnehmungen. Wir sehen, hören und so weiter also dasjenige, was wir nicht in uns selber hineinlassen. Dasjenige aber, was wir in uns hineinlassen, indem zum Beispiel das Licht zu uns strömt, das ist auch dasjenige, was zum Beispiel das Auge, und zwar die physische Organi­sation des Auges gebildet hat. So daß wir also zunächst etwas haben, was da hineingeströmt ist, was unser Auge gebildet hat. Also gewisse Kräfte halten wir zurück, gewisse Kräfte lassen wir durch. Diejenigen Kräfte, die wir durchlassen, das sind Kräfte der elementarischen Welt, die unser Auge bilden, so daß wir uns, wenn wir unseren Augapfel ansehen, sagen können:

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In der elementarischen Welt, die wir nicht sehen, weil sie gerade durchge­lassen wird - wie wir auch im äußeren Spiegel nur dajenige sehen können, was zurückgestrahlt wird; was der Spiegel durclllassen würde, das würden wir nicht sehen -, haben wir dajenige, was wir brauchen, um unser Auge zu erzeugen; das sehen wir nicht, das wird da durchgelassen. So also haben wir in der elementarischen Welt zugleich diejenigen Kräfte, die uns zum Bei­spiel unseren Sinn des Auges bilden; auch unsere anderen Sinne werden auf dieselbe Weise aus der elementarischen Welt heraus gebildet. So sind wir als ein Sinneswesen aus der elementarischen Welt heraus gebildet. Die ele­mentarische Welt, die wir sehen, wenn wir uns fähig inachen, in sie hinein-zuschauen, die bildet uns unsere Sinne.

Da aber, wo der Sinn nach innen begrenzt ist, da hält er die Kräfte einer weiteren Welt zurück, da bildet er sozusagen einen zweiten Spiegel. Denn da fließen in uns hinein alle anderen Kräfte aus einer weiteren Welt, die wir gestern beschrieben haben, mit Ausnahme derjenigen Kräfte, die da wider-gespiegelt werden. Gleichsam - ich sage gleichsam, aber es ist das eine völlige Erklärung - an der Hinterwand des Spiegels findet sich ein neuer Spiegel. Hier werden zurückgehalten, widergespiegelt die elementarischen Kräfte selber; dadurch hören sie auf zu wirken. Aber es strömen dahinter nur noch die Kräfte der geistigen Welt durch. Und diese Kräfte, die nun dahinten durchströmen, die da noch nicht gespiegelt werden, das sind diejenigen Kräfte, die uns zum Beispiel unseren Sehnerv bilden. Ebenso wie das Auge den Sehnerv hat durch das Einströmen der geistigen Welt, ebenso hat das Ohr den Hörnerv durch das Einströmen der geistigen Welt, und so weiter. Unser gesamtes Nervensystem wird somit aus der geistigen Welt heraus gebildet. Aus derjenigenWelt, die wir gefunden haben als die geistige Welt, aus der heraus strömen uns diejenigen Kräfte und Wesenheiten zu, die die Bildner unseres Nervensystems sind. Und unsere Nerven sind so angeordnet wie die Gesetze der Planetenwelt draußen; denn die Planetenwelt haben wir gleichsam wie den äußeren Ausdruck, die Uhr auffassen können für das­jenige, was da als geistige Tatsachen und geistige Welten wirkt.

Nun wäre es naheliegend, daß wir uns fragten: Wenn das der Fall sein sollte, wenn da wirklich an unseren Nerven diese Welt wirken würde, wel­che sich da ausdrückt in äußeren Zeichen in unserem Planetensystem, dann müßte sozusagen unserem Nervensystem etwas zugrunde liegen an Regelmäßigkeit,

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was entsprechen würde dem äußeren Sonnensystem. - Wir müßten gleichsam in unserem Nervensystem eine Art inneren Sonnen­systems haben. Denn es sind, wenn wir durch die elementarische Welt durchgegangen sind, die Kräfte der geistigen Welt, die sich ausdrücken im Planeten-Sonnen-System; die strömen da herein. Aus der Himmelswelt herein wird uns organisiert unser Nervensystem. Versuchen wir einmal, uns zu fragen, ob denn nun wirklich unser Nervensystem sich ausnimmt wie eine Art Spiegelbild dessen, was draußen im Makrokosmos sich aus­drückt im Planetenbild.

Nun, Sie wissen alle, daß unsere Zeit geregelt wird durch die Stellung der Planeten zur Sonne und wiederum durch den Durchgang der Sonne zum Beispiel im Lauf des Jahres durch die Tierkreisbilder. Scheinbar wan­dert die Sonne während eines Jahres durch die zwölf Tierkreisbilder. Das ist eine Haupteinteilung des Jahres, die Einteilung in zwölf Monate, bewirkt durch die Gesetzmäßigkeit, welche zwischen den Planeten und den Tier­kreisbildern herrscht. Die Zahl zwölf ist damit eine solche Zahl, welche in unser Zeitsystem hineingelegt ist als eine Zahl, welche die gesetzmäßigen Stellungen und Bewegungen im Sonnensystem ausdrückt.

Wir haben aber noch eine andere Zahl. Wir haben zwölf Monate im Jahr als eine Zeitenzahl, und wir haben für die Monate, welche die längsten smd, die Zahl einunddreißig, einunddreißig Tage - wiederum etwas, was zusammenhängt mit unserem Zeitsystem, herausgeholt aus der Stellung unse­rer Himmelskörper. Allerdings beginnt hier eine gewisse Unregelmäßig­keit, aber diese Unregelmäßigkeit hat ihre guten Gründe. Wir können uns nur hier nicht besonders darauf einlassen. Sie wissen aber, daß ein längster Monat in einunddreißig Teile geteilt wird, einunddreißig Tage hat.

Versuchen wir einmal, diese merkwürdige Zeiteinteilung da draußen in der großen Weltenulir uns vor die Seele zu führen und uns zu fragen: Wenn nun wirlilich dasjenige, was dieser großen Welt zugrunde liegt, auch die Bildungskräfte für unser Nervensystem liefert, dann müßten sich die Zahlen im Nervensystem spiegeln. - Nun, wir haben zwölf Paar GeIrirn­nerven und einunddreißig Paar Rückenmarksnerven, das heißt, es spiegelt sich dieselbe Regelmäßigkeit, die da im System unserer Sonne ist und die in dieser Weise beherrscht wird durch die Zwölf-Zahl und die Zahl Ein­unddreißig, tatsächlich in unserem Nervensystem. Und daß eine gewisse

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Unregelmäßigkeit herrscht, ist deshalb, weil der Mensch ein selbstindiges Wesen werden soll durch sein Nervensystem und weil er unabhängig werden soll von demjenigen, was äußerlich um ihn herum sich abspielt. Der Mensch hat seine einunddreißig Rückenmarksnervenpaare. Ebenso wie sich der Durchgang der Sonne durch den Tierkreis in der Zwölf-Zahl, nach dem Sonnengang, regelt, so müßten sich die Tage im Monat eigentlich nach dem Mond richten; das würde nur achtundzwanzig Tage geben. Und wir würden auch, wenn wir nicht als freie Wesen losgerissen wären, wenn wir nicht sozusagen drei Nerven im Überfluß hätten und uns dadurch unab­hängig machen könnten, tatsächlich der Zahl achtundzwarzig unterworfen sein. Damit sehen Sie in ein tiefes Geheimnis hinein, in einen wunderbaren Zusammenhang zwischen dem, was da draußen in den großen Symbolen des Raumes sich ausdrückt, die wiederum eine Abspiegelung sind von geistigen Wesenheiten und Wirksamkeiten in der geistigen Welt, und dem­jenigen, was in uns selber im Nervensystem vorgeht.

Nun kommen wir zu dem dritten Teil der Spiegelung. Unser Nerven­system wird also aufgebaut von der geistigen Welt. Die geistige Welt spiegelt sich sozusagen da, wo ein jeder Nerv einmündet entweder in das Gehirn oder in das Rückenmark. Bei dieser Einrnündungsstelle findet wieder eine Spiegelung statt. Da wird sozusagen zurückgehalten im Nervensystem die geistige Welt, und hindurch dringt jetzt dasjenige, was wir in der soge-nannten Vernunftwelt kennengelernt haben: die Kräfte der Hierarchien, die wirken da durch, wie wir sie gestern kennengelernt haben. Und es baut uns diese Vernunftwelt dasjenige auf, was hinter den Nerven liegt, unser Gehirn. So daß wir in unserem Gehirn selber und seiner Verlängerung, dem Rückenmark, das Resultat all der Tätigkeit haben, die zuletzt herrührt aus der Vernunftwelt. Derjenige, der heliseherisch überschaut die geistige Welt, findet auch in den kleinsten Widerspiegelungen im Gehirn und in dein Ner­vensystem genaue Abbilder der großen Weltenvorgänge. Ganz durch uns durch aber geht, ohne daß wir sie aufhalten können, dasjenige, was wir die Urbilderwelt nennen, die Welt der geistigen Urbilder der Dinge.

Wodurch können wir denn im gewöhnlichen Leben ein Bewußtsein von irgend etwas haben? Dadurch, daß wir es aufhalten können. Wir be­kommen ein Bewußtsein von einem Teil der elementarischen Welt, indem wir einen Teil der eleinentarischen Welt aufhalten. Und wir selber werden

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ein Produkt dieser elementarischen Welt in unseren Sinnesorganen. Und indem wir uns unserer Sinnesorgane bewußt werden, werden wir uns sozu­sagen der elementarischen Welt bewußt. Wir selbst werden ein Produkt der geistigen Welt, wenn wir uns unserer Nervenwelt bewußt werden; wir werden uns so der geistigen Welt in einer gewissen Weise bewußt, natürlich nur in Abbildern. Denn was kennt der Mensch von der elementarischen Welt? Er kennt dasjenige, was ihm durch die Sinne widergespiegelt wird von der elementarischen Welt. Licht, Töne und so weiter. Was kennt der Mensch von der sogenannten geistigen Welt? Er kennt dasjenige, was ihm seine Nerven zurückspiegeln. Das ist dasjenige, was man gewöhnlich die Naturgesetze nennt. Die Naturgesetze, die der Mensch kennenlernt, sind mchts anderes als ein Schattenbild, ein abgeschwächtes Spiegelbild der geistigen Welt. Und dasjenige, was der Mensch als sein inneres geistiges Leben, als seine Vernunft kennt, das ist ein abgeschwächtes Spiegelbild der äußeren Vernunft. Was man gewöhnlich Intellekt nennt, das würde also in unserer Sprache ein Abbild sein der eigentlichen Vernunftwelt, aber ein schwaches, schattenhaftes Abbild.

Was müßten wir also können, müssen wir uns jetzt fragen, wenn wir in die Lage kommen sollten, mehr zu sehen als dasjenige, was wir eben ange­führt haben? - Wenn wir mehr sehen wollten als das, so müßten wir in die Lage kommen, mehr aufzuhalten. Wollten wir einen Einfluß erleiden von der Urbilderwelt, dann müßten wir die Urbilderwelt in irgendeiner Weise aufhalten können. Wir können nur dadurch physische Sinnesorgane haben, daß wir die elementarische Welt in uns einlassen und sie dann aufhalten. Dadurch bildet sich zum Beispiel unser Auge. Wir können einen Sehnerv nur dadurch haben, daß wir die geistige Welt einlassen in uns und dann auf­halten. Wir können nur dadurch eine Denlikraft haben, daß wir die Ver­nunftwelt einlassen und dann aufhalten. Dadurch bildet sich unser Gehirn. Sollen sich jetzt höhere Organe bilden, dann müssen wir die Möglichkeit haben, eine weitere, eine noch höhere Welt aufzuhalten. Wir müssen ihr etwas entgegenschicken können, wie wir im Gehirn entgegenschicken der Vernunftwelt dasjenige, was sie aufhält, was sie zunächst in schwachem Abbild spiegelt. Der Mensch muß also etwas tun, wenn er sich im wahren Sinn höherentwickeln will. Der Mensch muß etwas tun, um eine höhere Welt aufzuhalten, um aus einer höheren Welt herein Kräfte zu bekommen,

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die sonst einfach durch ihn durchgehen. Denn die Kräfte der Urbilderwelt gehen einfach durch ihn durch. Er muß nun selber einen Spiegelungs­apparat schaffen. In dem Sinn, wie das der heutige Mensch kann und soll, schafft zunächst einen solchen Spiegelungsapparat die geisteswissenschaftli­che Methode, welche in der Bearbeitung der Seele behufs der Erkennmis der höheren Welten ausgeht von der sogenannten imaginativen Erkenntnis. Was der Mensch gewöhnlich erkennt, das ist die äußere physische Erkennt-nis. Wenn der Mensch zu höherer Erkenntnis gelangen will, dann muß er also etwas tun, um sich zunächst höhere Organe zu schaffen. Er muß eine höhere Welt, als die Vernunftwelt ist, in sich zum Stillstand bringen, und das geschieht dadurch, daß der Mensch eine neue Tätigkeit einführt in die Tätigkeiten, die er sonst immer ausführt. Sie können leicht begreifen, daß es unmöglich ist, mit demjenigen, was der Mensch sonst ausführt, zu höhe­rer Erkenntnis zu kommen, denn was der Mensch im normalen Bewußtsein ausführt, erschöpft sich in dein, was wir angeführt haben. Der Mensch muß also etwas tun, um in sich eine neue Tätigkeit auszubilden, die nun sich gegenüberstellen kann der Urbilderwelt und diese zunächst aufhält. Das geschieht auf die Weise, daß der Mensch zum Beispiel lernt, solche inneren Erlebnisse durchzumachen, die nicht zu den gewöhnlichen Bewußtseins-erlebnissen gehören. Und ein solches inneres Erlebnis finden Sie ja, weil es sozusagen eine Art typischen Erlebnisses ist, in meiner «Geheimwissenschaft »beschrieben, durch den Aufbau dessen, was man das Roserikreuz nennt.

Wie geht man vor, uni diese Vorstellung des Roserikreuzes in der richti­genWeise innerlich als Erlebnis zu haben? Obwohl es auch hier schon gesagt worden ist, so soll es doch heute, weil es sichja in unser Ganzes hineinstellen muß, noch einmal wiederholt werden. Wenn also derjenige, der einen Geistesschüler zu höheren Stufen der Erkenntnis hinaufführen will, damit zunächst einen kleinen Anfang machen will, so würde er sagen: Sieh dir einmal an, wie eine Pflanze aus dein Boden herauswächst. Da siehst du, wie Blatt um Blatt wächst bis zur Blüte und zur Frucht. Sie wächst so, daß du siehst, sie ist durchzogen von dein grünen Pflanzensaft. Jetzt vergleichen wir diese Pflanze mit einem Menschen. Wir wissen, daß dieser Mensch durchzogen wird von demjenigen, was wir das Blut nennen. Und wir wissen, daß im Blut der äußere Ausdruck vorhanden ist von demjenigen, was im Menschen pulsiert als Leidenschaften, als Triebe, als Begierden und

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so weiter. Dadurch, daß der Mensch ein Ich-Wesen ist, erscheint er uns als em höheres Wesen gegenüber der Pflanze. Nur ein Phantast könnte glau­ben - obwohl es viele solche gibt -, daß die Pflanze auch ein solches Be­wußtsein hätte wie der Mensch, daß sie nämlich innerlich spiegeln könnte die äußeren Eindrücke. Nicht dadurch hat man ein Bewußtsein, daß man sozusagen irgendwelche Tätigkeit ausführt, wie die Pflanze es auch tut, sondern dadurch, daß man innerlich spiegelt dasjenige, was als äußerer Eindruck vor dem betreffenden Wesen sich abspielt. Der Mensch kann das. Er hat sich also in einer gewissen Weise höher heraufgebildet als die Pflanze, die das nicht kann. Dadurch aber, daß er sich höher heraufgebildet hat, hat der Mensch in Kaufnehmen müssen in gewissem Sinn eine Art Erniedrigung, hat der Mensch in Kauf nehmen müssen die Möglichkeit zu irren. Die Pflanze irrt sich nicht, indem sie ihre Gesetze befolgt. Wir können da nicht sprechen von Irrtum. Die Pflanze hat auch nicht ein höheres und ein niede­res Wesen in sich, sie hat nicht das in sich, was man nennt nach dem Niedri­gen hinuntergehende Triebe, Begierden, Leidenschaften und so weiter. Wenn wir vor einer Pflanze stehen, so können wir beeindruckt sein von der Keuschheit der Pflanze im Gegensatz zu demjenigen, was den Menschen durchsetzt an Trieben, Begierden, Leidenschaften und so weiter. So steht uns der Mensch mit seinem roten Blut gegenüber der Pflanze als ein Wesen da, das sich zwar in seinem Bewußtsein höher hinauf entwickelt hat, das für diese Höherentwickelung aber hat in Kauf nehmen müssen ein Hin­unterrücken in eine Art Erniedrigung.

Das alles würde der Lehrer dem Geistesschüler klarmachen. Dann würde er hinweisen darauf, daß der Mensch in sich selber erreichen muß, was als Vorbild auf niedrigerer Stufe in der Pflanze erscheint. Der Mensch wird wiederum Herr werden müssen über seine Triebe, Begierden und Leiden­schaften, über das, was seinen Ausdruck im wallenden Blut hat, wenn er mit seiner höheren Natur über seine niedere den Sieg davongetragen hat, wenn sein rotes Blut so keusch geworden ist, wie es uns keusch erscheint, wenn der grüne Pflanzensaft in der roten Rose sich rötet. So kann uns die rote Rose wie ein Symbolum erscheinen, ein Symbolum dessen, was das Blut des Menschen werden muß, wenn der Mensch einem realen Ideal ent­gegerilebt, durch dessen Erfüllung er mit seiner höheren Natur Herr wird über seine niedere Natur. Wir schauen also auf die Rose wie auf ein Vorbild,

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wie auf ein Symbolum, ein Sinnbild des geremigten, geläuterten Blutes. Und wenn wir uns dann die rote Rose vereinigen mit dem schwarzen Hofr­kreuz, mit dem abgestorbenen Holzkreuz, das uns sozusagen die Pflanze übrig läßt, wenn sie abstirbt, verdorrt, dann kann uns der Kranz von roten Rosen an dem schwarzen Holzkreuz ein Symbolum sein für den Sieg der höheren Natur, der geläuterten Natur des Menschen über dasjenige, was der Mensch überwinden muß, über seine niedere Natur. Die Pflanze braucht es nicht zu überwinden, denn sie steht auf niedrigerer Stufe wie ein keusches Vorbild dem Menschen vor Augen. Im Menschen muß die niedere Natur überwunden werden. Die rote Rose kann uns wie ein Sinnbild erscheinen des geläuterten roten Blutes. Wenn wir aber die übrige Pflanze vor uns haben, dann kann sie uns nicht Vorbild sein. Da müssen wir es uns so vor­stellen, daß wir es uns überwunden deriken, daß wir uns dasjenige, was an der Pflanze saftig und grün ist, verholzt denken. So haben wir am schwarzen Holzkreuz das Sinnbild der überwundenen niederen Natur des Menschen und an den roten Rosen das Sinnbild der höheren Natur des Menschen. Wir haben im Roseukreuz ein Sinnbild für dasjenige, was mit dem Menschen in der Welt vorgeht, für die Entwickelung des Menschen. Und zwar haben wir im Rosenkreuz nicht einen abstrakten Begriff vor uns, sondern im Hin­blick auf dieses Rosenkreuz haben wir ein Sinnbild vor uns, das wir wie ge­fühlte, empfundene Entwickelung betrachten können. Wir können warm werden in unserer Seele, wenn wir so hinschauen auf die Entwickelung, wie sie dargestellt wird im Rosenkreuz.

Das zeigt Ihnen, daß der Mensch Vorstellungen haben kann, welche nichts Äußerlichem entsprechen. Derjenige Mensch, der nur im normalen Be­wußtsein bleiben wollte, würde jetzt sagen: Du bist ein toller Phantast! Was hilft dieses Rosenkreuz? Die Vorstellungen sind unwahr, wenn sie nichts Äußeres abbilden. Nun hast du dir ein Rosenkreuz gebildet. Wo gibt es denn das? Wo wachsen da rote Rosen auf dürrem Holze? - So könnte jemand sagen. Aber darauf kommt es gerade an. Im Äußeren haben wir Vorstellungen, die etwas Äußeres abbilden; aber wir müssen uns eine Tätig­keit aneignen, die nicht schon im normalen Bewußtsein vorhanden ist. Wir müssen aufsteigen zu einer solchen Tätigkeit, wo wir nicht bloß etwas Äußerliches in uns abbilden, sondern wo wir dieses Äußere lebendig zu Vorstellungen verarbeiten, die wir uns selber gebildet haben. Es steht das

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Rosenkreuz in gewisser Beziehung zur Außenwelt, aber die Art, wie es in Beziehung zur Außenwelt steht, die haben wir uns selber aufgebaut. Wir haben gefühlt das Heraufkommen von der Pflanze zu dem Menschen und das Emporsteigen des Menschen. Diese lebendige Empfindung malen wir vor uns hin in dem Rosenkreuz. Und so könnten wir uns mancherlei andere Sinnbilder vor die Seele stellen.

Ich will, damit wir uns genauer verständigen, noch ein anderes Sinnbild vor die Seele hinstellen. Nehmen wir an, wir blicken auf das gewöhnliche Leben des Menschen, wie der Mensch sich so durchlebt durch die Tage seines Lebens. Da finden wir zunächst den Wechsel von Tag und Nacht, von Wachen und Schlafen. Während des Tages haben wir eine Summe von Erlebnissen; vom Morgen bis zum Abend erleben wir alles mögliche. Fra­gen wir uns jetzt: Wie ist es in der Nacht? - so wissen wir auch schon aus den Vorträgen, daß da aus der geistigen Welt herausgesogen werden be­stimmte Kräfte ohne unser Bewußtsein. So wie wir beim Tag Erlebnisse haben in der Bewußtheit, so haben wir bei Nacht Erlebnisse im Unter­bewußtsein. Dieser Wechsel liegt uns vor. Nun aber fragen wir uns das folgende. Wenn wir so manchmal zum Zweck einer gewissen Selbst­erkenntnis Einkehr halten in unser Inneres und uns fragen: Wie steht es denn eigentlich mit deinem Vorwärtsschreiten? Hat dich wirklich jedes Er­lebnis des Tages einen entsprechenden Ruck nach vorwärts gebracht? - so hat der Mensch schon eigentlich recht sehr Grund, zufrieden zu sein mit sich, wenn er nur ein sehr kleines Stückchen jeden Tag vorrückt dadurch, daß ihm der Tag Erlebnisse bringt und die Nacht ihm Kräfte zuführt. Es muß von dem Menschen sozusagen recht viel erlebt werden am Tage, damit er durch diese Erlebnisse des Tages auch wirklich ein Stückchen reifer ge­worden ist. Man versuche sich zu fragen, wieviel man eigentlich an Reife gewonnen hat, wenn man einen Tag hindurch die Erlebnisse hat auf sich wirken lassen bei Tag und die Kräfte hat auf sich wirken lassen von der Nacht, und man wird finden, daß das Vorrücken unserer eigentlichen We­senheit, unseres Ichs, recht langsam geschieht, während verhältnismäßig recht viel Erlebnisse an uns vorbeigehen. So können wir uns das Erleben des Tages und das Vorrücken unserer Wesenheit in der Entwickelung etwa so vorstellen: Wenn wir unser Ich betrachten, sind wir vielleicht bei einem Tag ein kleines Stückchen vorgeschritten, am zweiten Tag wieder ein

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kleines Stückchen und so fort. Man wird finden, daß das schon sehr stark übertrieben ist; denn viele Menschen rücken überhaupt sehr wenig vor von Tag zu Tag. Aber wir brauchen zum Beispiel nur auf die günstigen Zeit-punkte des Lebens zu blicken, auf die Kindheit, so werden wir sehen, wie die Kindheit außerordentlich vorschreitet im Verhältnis zum späteren Men­schen. Es ist nicht unbegründet, wenn behauptet worden ist, daß ein Welt-reisender, der sein ganzes späteres Leben dazu verwendet, um durch die Weltreisen viel von der Welt zu lernen, durch seine Weltreisen nicht so weit vorwärtskommt als durch dasjenige, was man von seiner Amme gelernt hat.

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Wenn man dasjenige nimmt, was uns wirklich vorwärts bringt, so kann man das Vorwärtsschreiten des Ichs in diesen Etappen der Zeichnung vor­stellen. Man kann dasjenige, was man erlebt, durch eine Schlangenlinie dar-stellen. Wir haben also viele Erlebnisse des Tages, und diese bringen uns nur bis zum Schnittpunkt vorwärts. Dann haben wir am nächsten Tag wiederum viele Erlebnisse; die bringen uns nun um ein solches Stück vorwärts. Nehmen

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wir die Kräfte dazu, die in der Nacht auf uns ausgeübt werden, so können wir sie etwa durch die punktierte Linie darstellen. Und wir können dann dieses Vorwärtsschreiten des Menschen im Verhältnis zu seinem Er­leben darstellen wie einen Stab, auf dem sich aufwinden zwei Schlangen, eine helle und eine dunkle. Die helle Schlange würde dann bezeichnen die Tageserlebnisse, die dunkle die Nachtkräfte. Und wir müssen sie geringelt machen, denn die Verbindungslinie stellt uns das Vorrücken dar und die lange Linie die vielen Erlebnisse des Tages; und ebenso wäre es mit der nächtlichen Linie. So haben wir mit demjenigen, was wir hier aufgezeichnet haben, ein Sinnbild für das menschliche Leben vor uns. Das wäre ein ande­res Sinnbild.

Wir können komplizierte und einfache Sinnbilder uns bilden. Ein ganz einfaches wäre etwa das folgende, wenn wir uns hingeben der Betrachtung einer aufkeimenden Pflanze, wie sie in die Höhe wächst bis zur Frucht-bildung, wie sie dann von einer gewissen Stufe an dem Verdorren entgegen-geht, bis zuletzt alles Äußere außer dem Samen verschwunden ist. Da wür­den wir uns das ganz einfache Sinnbild vorstellen können von dem Auf­wärtssteigen der Entwickelung und dem Abwärtssteigen derselben bis zu dem Wiederverdorren. Wir würden einfach in dieser Linie ein solches Sinn­bild haben, ein ganz einfaches Symbolum für dajenige, was in der wachsen­den und verdorrenden Pflanze geschieht.

Wir haben in dem Rosenkreuz ein Symbolum für die große Entwicke­lung des Menschen von seiner jetzigen Stufe bis zu seiner Läuterung. Wir haben in demjenigen, was man den Merkurstab nennt, ein Symbolum für die menschliche Entwickelung, wie wir sie dargestellt haben durch die Tages- und Nachterlebnisse und durch das Vorrücken des Ichs. So könnten wir Sinnbild für Sinnbild entwickeln. Alle diese Sinnbilder bilden nichts Äußeres ab, aber wenn wir uns ihnen hingeben, wenn wir uns in innerer Versenkung der Bedeutung dieser Sinnbilder hingeben, die nichts Äußeres abspiegeln, dann bearbeiten wir unsere Seele so, daß sie gewöhnt wird an innere Tätigkeiten, die sie sonst nicht ausübt. Und die Summe dieser inneren Tätigkeiten, die sie sonst nicht ausübt, bildet endhch eine Art von innerer Kraft, wodurch wir zurückhalten können, ebenso wie wir die anderen Wel­ten zurückhalten, dasjenige, was wir die Welt der Urbilder nennen.

Es brauchen die Sinnbilder nicht bloß solche zu sein, daß man sozusagen

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Bilder wie Augenbilder vor sich hat, sondern es können auch Worte sein, m denen zusammengedrängt werden tiefe Weltenwahrheiten. Wenn große, umfassende Weltenwahrheiten in sinnbildlichen Sätzen zum Ausdruck kom­men, dann haben wir auch einen solchen Stoff, wodurch wir die Substanz unserer Seele formen können. Durch solche Arbeit an sich selber leistet der Mensch dann bewußt dasjenige, was sonst ohne sein Zutun die äußere Welt an ihm geleistet hat, indem sie aus der Vernunftwelt heraus sein Gehirn, aus der geistigen Welt heraus sein Nervensystem, aus der elementarischen Welt seine Sinnesorgane geformt hat. Der Mensch formt sich selber etwas, was Organe sind, die über seiner Vernunft, über seinem Gehirn liegen, die jetzt auch äußerlich nicht mehr sichtbar sind, weil sie außer der Welt des Physi­schen liegen. Für das gewöhnliche, normale Bewußtsein können diese Or­gane nicht mehr wahrnehmbar sein. Aber geradeso wie aus der elementari­schen Welt heraus die Augen gebildet werden, aus der geistigenWelt heraus das Nervensystem und aus der Vernunftwelt heraus das Gehirn des Men­schen, so wird aus der Urbilderwelt heraus dasjenige gebildet, was wir nun die höheren Sinnesorgane nennen, jene Sinnesorgane, die uns dann nach und nach befähigen, in die geistige Welt hineinzuschauen, so daß man sich bewußt wird dieser Sinnesorgane, die also einfach darstellen eine Fort­setzung derjenigen Tätigkeit, die wir schon draußen finden auf einer niedri­geren Stufe. Diese Sinnesorgane werden, weil sie auftreten wie aus dem Menschen heraussprießende geistige Blütengebilde, Lotosblumen genannt oder auch geistige Räder oder Chakrams.

So kann in der Tat für das hellsichtige Bewußtsein bei demjenigen, der solche Übungen macht, wie sie beschrieben worden sind, am Menschen das sichtbar werden, was ein neues Organ ist, das nicht mit dem gewöhnlichen Bewußtsein gesehen wird. Es kann gebildet werden in der Stirninnte etwas, was wie ein Rad oder wie eine Blume sich entfaltet und was wir die zwei­blätterige Lotosblume nennen. Diese zweiblätterige Lotosb'ume ist also etwas wie ein geistiges Sinnesorgan. Und so wie die physischen Sinnes­organe da sind, um die Welt, die uns sonst umgibt, zum Bewußtsein zu bringen, so sind diese geistigen Sinnesorgane da, um diejenige Welt zum Bewußtsein zu bringen, die man eben mit dem gewöhnlichen, normalen Bewußtsein nicht sieht. Eigentlich sind es aus der Seele des Menschen her­vorsprießende Kräfte und Kraftsysteme, diese sogenannten Lotosblumen,

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von denen eben die eine an der Stelle ist, die wir charakterisiert haben. Eine zweite ist in der Gegend des Kelilkopfes auszubilden, eine dritte in der Herz­gegend und so weiter. Solche geistigen Sinnesorgane - in dem Wort liegt ja natürlich ein Widerspruch, aber wir haben keinen passenderen Ausdruck in der heutigen Sprache, die für die physisch-sinliche Welt geprägt ist -bildet man also aus durch das innere Erfülltsein, durch das geduldig und energisch immer von neuem Erfülltsein mit solchen Sinnbildern oder ähn­lichen Vorstellungen, die nichts Äußeres abbilden, sondern die in einer Weise, die sich unterscheidet von dem gewöhnlichen Erleben des Bewußt­seins, in unserer Seele wirken und durch die wir Kräfte aus der Seele her­aus aufrufen, die sich nun entgegenstemmen der Urbilderwelt, so wie sich entgegenstemmen Auge, Nerven und Gehirn den anderen Welten, die uns umgeben.

Nun genügt es aber nicht, daß wir bloß bis hierher gehen, denn zu sehen ist da noch nichts. Derjenige, der schon schauen kann, der kann am Men­schen, der sich so entwickelt, die betreffenden Sinnesorgane sehen; aber diese höheren Sinnesorgane, die sich da ausbilden, müssen sich erst weiter zum hellsichtigen Schauen entwickeln. Sie sind jetzt sozusagen erst geformt, aus einer höheren Welt heraus geformt als diejenigen Welten sind, die sonst an uns bilden. Nun kommt der zweite Akt, durch den vorbereitet wird das eigentliche Schauen. Diese Vorbereitung für das eigentliche Schauen ge­schieht dadurch, daß derjenige, der die imaginative Erkenntnis, also die Ausbildung der Lotosblumen erreicht hat, der sich bewußt geworden ist, daß er etwas um sich hat, was er gewöhnlich nicht um sich hat, daß der zu einer höheren Stufe innerer Seelenarbeit übergeht. Diese ist etwas schwieri­ger als die erste. Die erste Stufe besteht einfach darin, daß der Mensch möglichst viel sinnbildliche Vorstellungen in sich ausbildet, sinnbildliche Vorstellungen, welche injeder Schule der Geistesforschung gegeben werden können entsprechend der Individuahtät; die sozusagen dem Geistesschüler überliefert werden, so daß er nach und nach mit Geduld und Ausdauer seine geistigen Sinnesorgane entwickelt. Die nächste Stufe besteht darin, daß der Mensch, wenn er sich eine gewisse Fertigkeit entwickelt hat in dem Vor­stellen solcher Bilder, dann in die Lage kommt, diese Bilder aus dem Be­wußtsein fortzuschaffen, auszuschalten und nur auf dajenige in ihm selber Rücksicht zu nehmen, was diese Bilder geschaffen hat. Nicht wahr, es hat

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eme gewisse Tätigkeit in uns geherrscht, als wir das Rosenkreuz gebildet haben. Wir haben auf die Pflanze und auf den Menschen gesehen, haben auf eme ferne Zukunft gesehen und haben uns aus unserem Seelenvermögen heraus erst dieses Sinnbild aufgebaut. Nehmen wir an, wir lassen jetzt dieses Sinnbild verschwinden. Schaffen wir es weg aus unserem Bewußtsein, schaffen wir weg auch den Merkurstab, aber fragen wir uns: Wie haben wir es gemacht, daß wir diese Bilder bekommen haben? - Sehen wir auf unsere eigene Tätigkeit, ohne auf das Produkt dieser Tätigkeit zu sehen! Das ist schwieriger. Also wir sehen ab von den Sinnbildern und sehen auf unsere die Sinnbilder schaffende Tätigkeit. Das ist ein Ablenken der Aufmerksam­keit auf sich selber. Man denkt sich, nachdem man ein Sinnbild geschaffen hat: Wie hast du das gemacht? - Nun stellt man sich vor, was man getan hat, um es zustandezubringen. Die meisten Menschen werden viele Ver­suche machen müssen, um auf die Sinnbilder schaffende Tätigkeit überhaupt zu kommen. Zunächst muß sich der Mensch damit vertraut machen, daß er, wenn er das Sinnbild wegschafft, sich sagen muß: Jetzt habe ich über­haupt gar nichts mehr. - Das wird lange, lange dauern. Immer wieder und wieder wird man sich die Sinnbilder schaffen müssen, um sie dann fort­lassen zu können und dann noch etwas zu erleben, ohne daß man eigentlich äußerlich etwas schaut, etwas in sich zu erleben, was Sinnbilder schaffende Tätigkeit ist.

Hat man wiederum längere Zeit Übungen gemacht, so daß man es nun sozusagen brodeln und wirbeln spürt in sich, was man da ausgeübt hat, dann ist man schon ein Stück weitergekommen. Dann ist man so weit ge­kommen, daß man in der Tat den Zeitpunkt erleben kann, wo man nun nicht bloß Organe oder Lotosblumen hat, sondern wo man allerlei Neues, wovon man vorher keine Ahnung hatte, aufblitzen sieht in der Welt, wo man den ersten Einblick erhält in die geistige Welt. Jetzt also ist man auf derjenigen Stufe angelangt, wo man ein neues Blickfeld hat. Das Erlebnis ist ungefähr das folgende. Wenn man das alles hinter sich hat, was beschrie­ben worden ist - die gewöhnliche äußere Sinneswelt hat man schon ver­lassen, man hat gelebt in der Versenkung in einer Welt von Sinnbildern, jetzt schafft man diese Sinnbilder weg -, dann hat man schwarze Finsternis um sich. Nur hört jetzt das Bewußtsein nicht auf, sondern jetzt brodelt es und wirbelt es von der eigenen Tätigkeit, die man zurückbehält. Und dadurch

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ist man imstande, nun etwas Weiteres aufzuhalten. Früher hat man die Urbilderwelt aufgehalten; jetzt hält man etwas Weiteres auf, jetzt hält man dasjenige auf, was man nennen kann die Vernunftwelt, und zwar in einer anderen Weise als früher - von der entgegengesetzten Seite her. Man hält das auf, was sonst einströmt. Früher sah man bloß die Schattenbilder der Vernunftwelt in unserer eigenen Verstandestätigkeit. Jetzt sieht man diese Vernunftwelt von der andern Seite; jetzt sieht man jene Wesenheiten, von denen wir gesprochen haben, die wir als die Hierarchien bezeichnet haben, jetzt belebt sich nach und nach alles.

Das ist der nächste Schritt, den man zu machen hat. Aber damit ist man noch nicht fertig. Ein weiterer Schritt besteht darin, daß man nun auch von dieser seiner eigenen Tätigkeit abzusehen hat. Man hat zuerst die Bilder unterdrückt und zurückbehalten seine eigene Tätigkeit. Jetzt muß man auch von dieser eigenen Tätigkeit absehen können, jetzt muß man auch diese unterdrücken können. Da wird der Mensch wiederum merken, wie schwer das ist, wenn er die Versuche wirklich ausführt. Da wird es noch länger dauern, bis er überhaupt noch irgend etwas hat. Denn die Regel wird diese sein, daß der Mensch, wenn er auch noch von seiner Tätigkeit absieht, nun wirklich einschläft. Wenn er aber noch ein Bewußtsein zurückbehält, wenn er so weit ist, daß er nun bewußt seine eigene Tätigkeit unterdrückt, und es bleibt ihm jetzt etwas zurück, dann ist er bis dahin gekommen, wo er nicht nur die Vernunftwelt zurückstaut, sondern auch die geistige Welt. Von der andern Seite sieht er dadurch die geistige Welt. Jetzt sieht er in der geistigen Welt die geistigen Tatsachen und Wesenheiten.

Während man nun jene Erkenntnis, die man erlangt dadurch, daß man noch die Bilder schaffende Tätigkeit zurückbehält, die inspirierte Erkenntnis nennt, nennt man jetzt diejenige Erkenntnis, die man dadurch erhält, daß man die eigene Tätigkeit ausschaltet, die intuitive Erkenntnis. Durch sie erhält man einen Einblick in die wahre Gestalt der geistigen Welt, die man sonst nur in ihren Schattenbildern in den Naturgesetzen sieht. Jetzt erhält man dieWesenheiten, die Tätigkeiten in sein Bewußtseinifeld hinein, welche sich ausleben in den Naturgesetzen und Naturtatsachen.

Sie sehen, daß hiermit ein Gang der Erkenntnis beschrieben ist, der etwas anders verläuft, als wenn man dem Menschen einfach das Hinuntersteigen in sich oder das Hinaustreten in die geistige Welt, das er im Aufwachen und

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Einschlafen vollzieht, zum Bewußtsein bringt. Hier wird etwas vollzogen -und dasjenige, was hier vollzogen wird, ist die Methode der neueren Geistes­entwickelung -, was den Menschen in einer ganz andern Weise in die gei­stige Welt hineinbringt. Diese Methode schafft ihm zuerst die Organe, in­dem die Urbilderwelt aufgehalten und verwendet wird zum Schaffen dieser Organe. Dann wird der Mensch zurückgeführt bis in die geistige Welt, in die er jetzt hineinschauen kann. Und wenn er bis zu dieser intuitiven Er-kenntnis vorgeschritten ist, dann kann er, wenn diese intnitive Erkenntnis sich weiterentwickelt, ganz von selber hineinkommen in dasjenige, was man auch nennen kann: zurückschlagen können die elementarische Welt. In das wächst er dann hinein, und er wächst dann in einer solchenWeise hinein, daß er nicht unvorbereitet hineinkommt, sondern mit voller Vorbereitung, weil er diese elementarische Welt sozusagen wie ein Letztes vor sich sieht. Allerdings ist dieserWeg aus dem Grund ein schwieriger für viele Menschen, weil er eine große Entsagung erfordert. Denn zunächst muß ja der Mensch lange Zeit üben in Sinnbildern und muß warten, bis er seine Organe aus­bildet. Mit denen kann er dann zunächst noch nicht sehen. Aber die Men­schen, die heute leben, die sind sehr häufig darauf aus, daß sie sagen: Das­jenige, worauf es mir ankommt, ist, daß ich etwas sehe. - Sie wollen nicht einen sicheren Weg gehen, sondern vor allen Dingen den Erfolg haben. Der Erfolg kommt ganz gewiß, aber er muß errungen werden durch eine gewisse Entsagung. Man muß zuerst arbeiten an sich selber, um nach und nach durch diese Arbeit an sich selber, die in der geschilderten Weise stufen-weise weiterschreitet, hineinzukommen in die höheren Welten. Und es ist dasjenige, was man zuerst von der Vernunftwelt und von der geistigen Welt hat, wahrhaftig etwas recht Blasses. Erst dann, wenn man zurückkommt zur elementarischen Welt, wenn man weit fortgeschritten ist in der intuiti­ven Erkenntnis, dann bekommt das alles Farbe, Glanz, weil es sich durch­dringt mit den elementarischen Wirkungen, mit der elementarischen Welt. Dann kann man es erst anschaulich schildern; so daß die Schilderung erst möglich wird vom Gesichtspunkt der intuitiven Erkenntnis aus.

Es bedarf also einer gewissen Entsagung. Dadurch, daß man Freude hat an den Sinnbildern selber, an der Ausbildung der Sinnbilder, dadurch daß man sich befriedigt fühlt an dem subtilen Erfassen seiner eigenen Tätigkeit, darin muß man einen Fortschritt empfinden, wenn man auch noch wenig

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von den geistigen Welten sieht. Denn sozusagen belohnt wird man auf die­sem Wege verhältnismäßig spät. Dafür ist es aber auch ein sichererWeg, ein Weg, der bewahrt vor jeder Phantastik, vor jeder Illusion. Man steht ja schon in derjenigen Welt, die wir nennen können die Welt, die unmittelbar über unserer Welt ist, wenn man zur imaginativen Erkenntnis hinaufgerückt ist, aber man nimmt sie höchstens so wahr, daß man selber an sich fühlt:

man hat sich etwas aus einer höheren Welt eingegliedert. Dann steigt man immer höher und höher hinauf, um dann zuletzt nach und nach zu einem wirklichen Erfassen der höheren Welten zu kommen.

Das ist der genauere Gang der Entwickelung in die höheren Welten hin­ein. Sie werden eine Skizze dieses Ganges finden sowohl in meiner Schrift:

«Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» wie auch im zweiten Teil meiner «Geheimwissenschaft». Dort sind dieselben Sachen geschildert, nur noch für eine größere Öffentlichkeit, daher manchmal kürzer gefaßt. Ich wollte heute auch noch auf einige intimere Dinge hinweisen, und Sie werden dasjenige, was heute noch hinzugesetzt worden ist, hinzunehmen zu dem dort Geschilderten und ein noch tieferes Verständnis finden können, wenn Sie nachlesen in der Schrift «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» oder in der Schrift «Geheimwissenschaft», die in ihrem zweiten Teil Andeutungen über diesen Weg zu den höheren Erkenntnissen enthält. Auf dem Weg, der jetzt geschildert worden ist, wurde versucht - dadurch, daß schon die Grundlagen des gewöhnlichen menschlichen Anschauens dargelegt worden sind, das sinnliche Anschauen des Menschen -, zum Ver­ständnis zu bringen, wie die Menschen im Mikrokosmos drinnen, im Ner­vensystem, im Gehimsystem, Spiegelbilder sind der Wirkungen undWesen­heiten des Makrokosmos.

Es wurde also gezeigt, wie schon, bevor wir selber anfangen an uns zu ar­beiten, um einen höheren Menschen in uns auszubilden, an uns gewirkt und gewebt worden ist, um den gewöhnlichen Menschen auszubilden. Wir haben gesehen, daß wir förmlich nur jene Tätigkeit fortsetzen, welche an uns schon geleistet worden ist. Wie unser physischer Mensch aus den höhe­ren Welten herausgebaut worden ist, so bauen wir unseren geistigen Men­schen aus uns selber wiederum heraus. Wir entsteigen uns selber, indem wir also in der Entwickelung fortschreiten. Niemandem kann es wunderbar erscheinen, der den Begriff der Entwickelung ernst und ehrlich nimmt,

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daß ein solches Weiterschreiten möglich ist. Derjenige, der da glaubt, daß das, was da ist, von früheren Stufen des Daseins zu den heutigen sich empor­gerungen hat, der muß auch zugeben, daß die Entwickelung in der Weise weitergeführt werden kann. Weil der Mensch aber ein bewußtes Wesen geworden ist, so muß er auch bewußt seine Entwickelung in die Hand nehmen. Ferner haben wir gesehen, daß der Mensch dasjenige, was jetzt als Entwickelungsweg geschildert worden ist, bei vollem Bewußtsein aus­führen kann. Wenn er einen Lehrer braucht, dann braucht er ihn nicht mehr so, wie wir die Lehrer oder Führer in den verflossenen Vorträgen bei den älteren Methoden geschildert haben, wo der Lehrer oder Führer etwas ab­nimmt oder zufließen läßt demjenigen, den er führt, wo also der Geführte unselbständig wird. Wir haben heute einen Weg kennengelernt, welcher dem modernen Menschheitsbewußtsein wahrhaft entspricht. Denn der­jenige, der diesen Weg geht, vertraut sich einem anderen Menschen in kei-nem anderen Sinn an, als man sich im Grunde anvertraut einem, sagen wir, Mathematiklehrer. Man setzt voraus, indem man sich diesem anvertraut, daß der Lehrer mehr weiß als man selber. Denn derjenige, der nicht voraus­setzen würde, daß der Lehrer mehr weiß als er selber, der würde doch höchst überflüssigerweise zu dem Mathematiklehrer gehen. In demselben Sinn ver­traut man sich einem Führer an, der nichts anderes gibt als Anleitungen:

Das mußt du tun. - Dann merkt man zum Beispiel schon an der Wirkung des Sinnbildes, wozu einen dieses Sinnbild bringt. Schritt für Schritt bleibt man sozusagen sein eigener Herr. Man befolgt die Anweisungen des Lehrers, wie man die Anweisungen des Mathematiklehrers befolgt, der eine Aufgabe gibt, nur daß man mit seiner ganzen Seele die Anweisungen be­folgt, während man sonst nur mit seinem Verstande ein mathematisches Problem löst. Das ist das Wesen der neueren Initiationsmetliode, daß sie der Selbständigkeit des Menschen im höchsten Maße Rechnung trägt, daß der Guru nicht mehr im alten Sinne ein Guru ist, sondern nur in dem Sinne, daß er Ratschläge gibt: So soll man es machen - und wenn man es so macht, wie er es aus seiner Erfahrung sagen kann, dann kommt man eben in der entsprechenden Weise vorwärts.

Die aufeinanderfolgenden Zeiträume ändern sich in bezug anf den Men­schen, indem der Mensch immer neue Stadien durchmacht. Deshalb müssen sich auch die Methoden der Entwickelung ändern. Für die älteren Zeiten

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gab es andere Methoden als diejenigen für die heutige Zeit. Für den heutigen Menschen gilt diejenige, die ich Ihnen geschildert habe, die nach dem wich­tigsten Symbol die rosenkreuzerische Methode genannt wird. Es gibt viele Symbole, aber das Rosenkreuz ist das wichtigste, weil es ein Sinnbild ist für die menschliche Entwickelung selber. Diese rosenkreuzerische Methode ist für den heutigen Menschen die entsprechende. Der Mensch hat es eben dahin gebracht, daß diese Methode der Entwickelung die seiner Seele angemessene und richtige ist.

So also sehen wir, wie es außer den geschilderten Methoden, die in ge­wisser Beziehung bewußt machen das Einschlafen und Aufwachen, noch die eigentlich moderne Methode gibt, jene Methode, welche den Menschen auf die geschilderte Art in die höheren Welten einführt. Wir haben zunächst nur eine Skizze davon gegeben. Morgen werden wir beschreiben müssen, wie der Mensch, wenn er nun Schritt für Schritt an sich arbeitet, in die höheren Welten hineinwächst und wie sie ihm nach und nach erscheinen. Was der Mensch an sich zu tun hat, haben wir mit Rücksicht auf die neue Methode heute geschildert. Was aus dem Menschen wird und was ihm er­scheint, wenn er also verfährt, davon dann also morgen.

NEUNTER VORTRAG Wien, 29. März 1910

#G119-1962-SE204 - Makrokosmos und Mikrokosmos

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NEUNTER VORTRAG

Wien, 29. März 1910

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Wir haben gestern gesprochen von dem sogenannten rosenkreuzerischen Weg in die geistigen Welten hinein. Wir haben darauf aufmerksam gemacht, daß dieser Weg derjenige ist, welcher sich nach den Gesetzen der Mensch­heitsentwickelung für den gegenwärtigen Menschen am besten eignet. Es ist dabei geschildert worden, wie der Mensch durch gewisse Maßnahmen, die er nijt seinem Seelenleben vornimmt, aufsteigt zu der sogenannten ima­ginativen Erkenntnis, zur inspirierten Erkenntnis und zu demjenigen, was man im wahren Sinne des Wortes die intuitive Erkenntnis nennt. Wenn man sonst nichts hätte als dasjenige, was gestern beschrieben worden ist, wenn man nichts zur Verfügung hätte als die Methoden, die man auf seine Seele willkürlich anwendet, so würde das Aufsteigen durch diese drei Erkenntnis-stufen so sein, wie esja gestern auch im wesentlichen angedeutet worden ist. Man würde also zuerst auszubilden haben die geistigen Erkenntnisorgane, und man würde erst nach einer entsagungsvollen Zeit eigendich von einem gewissen schattenhaften, kaum wahrnehmbaren Erleben zu wirklichen Er­fahrungen aufsteigen können. Aber man ist im gegenwärtigen Menschheits­zyklus noch nicht angewiesen darauf, was man so willkürlich selber mit seiner Seele vornimmt. Und wenn man einmal in einer fernen, fernen Zu­kunft darauf angewiesen sein wird, dann werden auch die Gesetze der menschlichen Entwickelung schon so andere sein, daß man von Anfang der imaginativen Erkenntnis an bewußt in die geistigen Welten eintreten wird. Heute kann man das allerdings auch, aber nur dadurch, daß einem in der Entwickelung des Menschen etwas zu Hilfe kommt.

Wir haben ja gestern gar nicht davon gesprochen, wie sich für den­jenigen, der in einer solchen geistigen Entwickelung darinnen ist, der solche Methoden mit seiner Seele vornimmt, wie sie gestern beschrieben worden sind, äußert dasjenige, was wir die stärkenden Kräfte des Schlaflebens nen­nen. Wenn der Mensch den Schlaf nicht hätte während seiner Entwickelung, dann würde er eben lange, lange brauchen, bis er aufmerksam werden könnte auf die ganz feinen Erlebnisse, welche sich einstellen durch die Methoden, die gestern beschrieben worden sind. Gerade dadurch aber, daß ja der sich Entwickelnde

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sein Leben auch abwechseln läßt zwischen Wachen und Schlafen, kommen ihm die Kräfte des Schlafes zugute, während er jene Organe aus­bildet, die wir gestern die Lotosblumen genannt haben. Und wenn man auch durch die Lotosblumen zunächst noch nichts wahrnehmen kann, es werden einem, während man sie ausbildet, im Schlafleben aus den höheren Welten, aus dem Makrokosmos heraus Kräfte zugeführt, welche es bewir­ken - wenn man so gearbeitet hat, daß man immer wieder und wiederum zu symbolischen Vorstellungen seine Zuflucht ergriffen hat, daß man immer und immer wieder in solchen Vorstellungen gelebt hat, sich innerlich da­durch so gekräftigt hat, daß man ein reiches Seelerileben in solchen Sinn­bildern hat auch dann, wenn die äußeren Eindrücke nicht wirken -, daß in der Tat nach und nach sich schon für diese Organe der imaginativen Er­kenntnis wirkliches Erleben der geistigen Welt einstellt, daß man also da sozusagen schon etwas sehen kann. Die imaginative Erkenntnis setzt also, wenn sie wirklich erreicht wird, den Menschen schon instand, in die gei­stige Welt in gewisser Weise hineinzusehen.

Und das geschieht in der folgenden Art. Es wird verhältnismäßig lange der Mensch solche zu seinem Gemüt sprechende Sinnbilder, die unmittelbar aus dem Leben heraus gegriffen sind, oder gewisse Formeln, welche große Weltengeheininisse kurz in sich schließen, in innerer Versenkung erleben müssen. Dann aber wird er eines Tages merken - zuerst vor allen Dingen im Moment des Aufwachens, dann aber auch, wenn er die Aufmerksamkeit ablenkt von den äußeren Erlebnissen während des Tages, wenn er will -, daß vor seiner Seele etwas steht, was im Grunde genommen auch so auf­tritt wie die Sinnbilder, die er sich gebildet hat, wie Sinnbilder, die er aber jetzt so vor sich hat, wie das gewöhnliche Bewußtsein Steine oder Blumen vor sich hat; also sozusagen wirkliche Sinnbilder, von denen er weiß, daß er sie nicht selber gebildet hat, sondern daß sie vor ihm auftreten. Man lernt im Lauf der Zeit, in der man sich vorbereitet, durch die Sorgfalt, mit der man selber Sinnbilder bildet, schon erkennen, woran man Trugbilder, falsche Sinnbilder, von wahren unterscheiden kann. Derjenige, der sich wirklich sorgfältig vorbereitet und der dadurch vor allen Dingen lernt, seine eigenen persönlichen Meinungen, seine Wünsche, Begierden und Lei­denschaften aus seinem höheren Leben auszuschalten, der gelernt hat, etwas nicht deshalb für wahr zu halten, weil es ihm so gefällt, sondern sich geübt

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hat, die eigene Meinung auszuschalten - wer sich so sorgfältig geübt hat, der weiß im Anblick eines solchen Sinnbildes, wie es ihm entgegentritt, unmittelbar zu unterscheiden: Das ist etwas Wahres, das ist etwas Falsches.

Nun tritt - und das ist schon wichtig zu beobachten für diese Unter-scheidung der wahren und falschen Sinnbilder - etwas ein für den Menschen, der sich also entwickelt, was man nicht anders bezeichnen kann als dadurch, daß man es nennt Denken mit dem Herzen. Das ist etwas, was sich durchaus im Laufe der Entwickelung ergibt, wie sie gestern beschrieben worden ist. Der Mensch hat ja für das gewöhnliche Leben das Gefühl, daß er sozusagen mit dem Kopf denkt. Natürlich ist das ja nur ein bildlicher Ausdruck, man denkt mit den geistigen Organen, die dem Gehirn zugrunde liegen; aber es versteht ein jeder, was es heißt, mit dem Kopf denken. Ein ganz anderes Gefühl hat man gegenüber jenem Denken, das da eintritt, wenn man em wenig weitergekommen ist auf dem Weg, den wir charakterisiert haben. Man hat wirklich das Gefühl, als wenn man dasjenige, was man sonst lokali­siert im Kopf, fernerhin lokalisieren würde im Herzen. Es ist allerdings auch da nicht das physische Herz, welches denkt, sondernjenes Organ, von dem wir angedeutet haben, daß es sich als geistiges Organ in der Nähe des Her­zens ausbildet, die sogenannte zwölfblätterige Lotosblume. Die ist es eigent­lich, die eine Art von Denkorgan wird für diejenigen, welche eine solche Entwickelung durchmachen. Und dieses Denken, das da auftritt, das unter­scheidet sich von dem gewöhnlichen Denken sehr stark. Im gewöhnlichen Denken weiß jeder, daß er das anwenden muß, um zu emer Wahrheit zu kommen, was man Überlegung nennt, Gehen von Begriff zu Begriff Man geht von irgendeinem Punkt aus, geht dann logisch weiter zu andern Punk­ten, und das, wozu man kommt im Lauf der Zeit, indem man logische Er­wägungen anstellt, nennt man dann eine Wahrheit, eine Erkenntnis. Das ist eme durch gewöhnliches Denken errungene Erkenntnis. Anders ist das, wenn man die Wahrheit erkennen will gegenüber demjenigen, was eben beschrieben worden ist als reale, als wirkliche Sinnbilder. Diese wirklichen Sinnbilder hat man vor sich, wie man sonst äußere Gegenstände vor sich hat. Das Denken über diese Sinnbilder kann nicht mit dem gewöhnlichen Kopfdenken verwechselt werden. Denn ob etwas wahr oder falsch ist, ob man dieses oder jenes zu sagen hat über ein Ding oder eine Tatsache der höheren Welten, dazu sind nicht Überlegungen notwendig wie beim gewöhnlichen

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Denken, sondern das ergibt sich unmittelbar. Sobald man das Ding oder die Tatsache vor sich hat, weiß man auch, was man sich selber und anderen darüber zu sagen hat. Dieses Unmittelbare. das ist das Charak­teristische des Herzdenkens.

Im gewöhnlichen Leben gibt es eigentlich nicht viel Dinge, welche sich damit vergleichen lassen, aber wir müssen doch einzelnes zum Vergleich heranziehen. Im gewöhnlichen Leben sind es vorzugsweise diejenigen Ereig­nisse, die uns begegnen und bei denen uns sozusagen der Verstand stehen-bleibt, die wir dann so empfmden, wie wir eine Sache oder ein Ding der höheren Welten empfmden, gerade Dinge, bei denen uns in fast wörtlichem Sinn der Verstand stehenbleibt. Nehmen Sie zum Beispiel einmal an, Sie treten irgendeinem Ereignis gegenüber, das blitzartig vor Ihnen steht, und Sie erschrecken davor. Da ist es kein Gedanke, der sich zwischen den äußeren Eindruck und Ihr Erschrecken mischt. Ihr inneres Erlebnis, der Schrecken, ist etwas, was Ihnen den Verstand stillstehen lassen kann. Das ist ein ganz guter Ausdruck, den die Menschen brauchen, denn sie fühlen bei einem solchen Ereignis in gewisser Weise das Richtige. Ebenso ist es, wenn man meinetwillen durch den Anblick irgendeiner Handlung auf der Straße in Zorn gerät. Da ist es auch der unmittelbare Eindruck, der das innere Seelen-erlebnis hervorruft. In den meisten solchen Fällen wird man bemerken, daß man dann, wenn man anfängt zu überlegen, anders im Innern urteilt, als man auf den ersten Eindruck hin geurteilt hat. Diese Erlebnisse, wo auf den ersten Eindruck eine Handlung oder ein Seelenerlebnis folgt, lassen allein sich aus dem gewöhnlichen Leben heraus mit jenen Erlebnissen verglei­chen, welche der Geistesforscher hat, wenn er irgend etwas sich sagen soll über dasjenige, was er in den höheren Welten erlebt. Es ist sogar so, daß man, wenn man anfängt zu spintisieren, anfängt logisch viel zu kritisieren über diese Erlebnisse, die man da hat in den höherenWelten, sie erstens ver­treibt; durch vieles Spintisieren nach der gewöhnlichen Denkmethode laufen diese Erlebnisse fort, man hat sie dann nicht mehr. Das ist das eine. Das andere aber ist, daß man durch gewöhnliches Denken in der Regel das Falsche herausbringt über diese Sache.

So notwendig es ist - das ist ja schon betont worden -, daß man durch die Schulung eines guten, vernünftigen Denkens hindurchgeht, wo man erst die Dinge begreifen gelernt hat, bevor man aufsteigt zu höheren Welten,

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so notwendig ist es, daß man über dieses gewöhnliche Denken sich wiederum erhebt zu einem unmittelbaren Erfassen. Und gerade weil das so notwendig ist, daß man unmittelbar erfassen lernt in der höheren Welt, muß man auf der andern Seite jene logische Grundlegung vornehmen. Man muß sie aus dem Grunde vornehmen, weil man sonst mit seinem Gefühl ganz sicher irren würde. Man ist nämlich nicht fähig, in der höheren Welt zu urteilen, wenn man das gewöhnliche verstandesmäßige Denken da hinaufträgt; man ist aber auch nicht fähig, in der höheren Welt zu urteilen, wenn man nicht erst in der physischen Welt ausgebildet hat das verstandesmäßige Denken und es wiederum, wenn man in der höheren Welt denken will, im geeigne­ten Moment vergessen kann. Es finden allerdings manche Menschen viel­leicht Grund genug aus der Eigentümlichkeit des höheren Denkens, des sogenannten Herzdenkens, sich überhaupt der gewöhnlichen Logik zu ent­schlagen. Denn sie werden sagen: Wenn man das doch wiederum vergessen muß, dann braucht man es ja nicht erst zu lernen. - Dabei ist nur das außer acht gelassen, daß man ein anderer Mensch wird, wenn man zuerst das Denken auf dem physischen Plan als Schulung, als Übung durchgemacht hat. Nicht um mit diesem Denken die höheren Welten zu begreifen, macht man es durch, sondern um aus sich selber erst einen anderen Menschen zu machen. Man erlebt ja auch an dem logischen Denken etwas. Man erlebt an dem logischen Denken vor allen Dingen eine gewisse Art von Gewissen. Es gibt eine Art logischen Gewissens, und wenn man dieses logische Ge­wissen ausbildet, dann bekommt man überhaupt in seiner Seele ein gewisses Verantwortungsgefühl gegenüber Wahrheit und Unwahrheit, und ohne dieses Verantwortungsgefühl gegenüber Wahrheit und Unwahrheit ist nicht viel anzufangen in den höheren Welten.

Es istja richtig, daß für das Leben viel Ursache vorliegt, das Denken beim Aufstieg in die höheren Welten außer acht zu lassen. Denn der Mensch erlebt im gewöhnlichen Leben heute - oder kann wenigstens erleben - eben diese drei Stufen: Er kann stehen auf derjenigen Stufe, auf der die weitaus größte Zahl der Menschen heute steht und die daher durchaus in das normale Be­wußtsein hineinfällt; er kann stehen auf der Stufe, daß ihm ein unmittel­bares, natürliches Gefühl diesen oder jenen Dingen gegenüber sagt: Das ist recht, das ist unrecht, das sollst du tun, das sollst du lassen. - Ja, der Mensch läßt sich auch zumeist leiten von einem solchen unmittelbaren Gefühle.

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Fragen Sie einmal in der Gegenwart an, wie viele Menschen sich die Mühe nehmen, wirklich nachzudenken über das, was ihnen die heiligsten Güter sind. Sie haben sich dadurch, daß sie in eine bestimmte Gemeinschaft hinein­geboren sind, meinetwillen nicht in der Türkei, sondern in Mitteleuropa geboren sind, ein ursprüngliches, ungeprüftes Gefühl dafür angeeignet, nicht den Mohammedanismus, sondern das Christentum in Europa für das Richtige zu halten. Sie sind erzogen worden nicht in der Türkei, sondern in Mitteleuropa und halten deshalb nicht die mohammedanische Wahrheit für die richtige, sondern durch ein gewisses Gefühl dasjenige, was sie im Chri­stentum gefunden haben. So etwas darf man nicht mißverstehen, so etwas führt einen zu wirklicher Lebenserkenntnis. Mso wir müssen uns klar sein, daß auch über dasjenige, was die Menschen für wahr oder falsch halten, vielfach ein ursprüngliches Gefühl entscheidet. Bei der weitaus größten Mehrzalll der Menschen entscheidet heute noch ein unmittelbares Gefühl. Das ist sozusagen die eine Entwickelungsstufe.

Die zweite Entwickelungsstufe ist die, auf der der Mensch eben anfängt nachzudenken. Und immer mehr und mehr werden diejenigen Menschen heute, die anfangen herauszugehen aus dem ursprünglichen Gefühl und nachzudenken über die Dinge, in die sie hineingeboren sind. Und aus die­sem Grund sehen wir heute so viel Kritik an uralt-heiligen Überlieferungen und Glaubensbekenntnissen. Alles das, was da an Kritik auftritt, das ist die Reaktion des Verstandes und Intellekts gegen das, was man erst aus dem Gefühl, aus der Empfindung heraus ungeprüft durch den Verstand hinge­nommen hat. Diese selbe Tätigkeit der menschlichen Seele, die sich da kritisierend über das, was einem anerzogen oder angeboren ist, ergeht, sehen wir zum Beispiel herrschen in denjenigen, was wir die Wissenschaft nennen, Wissenschaft im heutigen Sinne. Was man in weitestem Kreise heute Wissenschaft nennt, das ist ja im wesentlichen eine Arbeit derselben Seelenkräfte, welche eben charakterisiert worden sind. Die äußeren Er­fahrungen, die äußeren Wahrnehmungen, seien sie nun unmittelbar durch die Sinne oder durchjene Verfeinerungen der Sinne gewonnen, wie sie das Teleskop, das Mikroskop bieten oder dergleichen, die Erfahrungen der Sinne werden mit Hilfe des Verstandes zu Gesetzen kombiniert, und daraus entsteht dasjenige, was man intellektuelle Wissenschaft nennt.

Daraus, daß es diese zwei Entwickelungsmomente der menschlichen

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Seele gibt, sehen wir schon, daß der Mensch heute für ein gewisses Für-wahr­Halten stehen kann auf einer solchen Stufe, wo ein ursprüngliches, nicht entwickeltes Gefühl spricht, ein Gefühl, das er sich nicht selbst gegeben hat, sondern ein Gefühl, das ihm angeboren oder aus Erziehung zugekommen ist. Zweitens spricht dann außer diesem Gefühl dasjenige, was man den Verstand, die Intelligenz nennt. Nun aber weiß derjenige, der ein wenig Selbstschau hält in der Seele, daß diese Intelligenz, so wie sie auftritt, eine ganz bestimmte Eigenschaft hat. Diese Eigenschaft muß sie haben, sie kann gar nicht ohne diese Eigenschaft sein. Sie wirkt nämlich ertötend, aus­löschend auf das Gefühl. Wer würde nicht wissen bei einer guten Seelen-beobachtung, daß alle bloße Intelligenztätigkeit, alle bloße Verstandes-tätigkeit das Gefühl, die Empfindung ertötet. Daher auch die Scheu der­jenigen Menschen, welche aus gewissen ursprünglichen Gefühlen heraus, die ja auf einer gewissen Stufe der Menschheitsentwickelung durchaus be­rechtigt sind, einen Zug nach dieser oder jener Wahrheit haben, sich ver­derben zu lassen solche Glaubensbekenntnisse, solche Glaubenswahrheiten durch das Versengende, das Verderbende der Intelligenz. Das ist wiederum eme berechtigte Scheu. Wenn aber diese Scheu so weit geht, daß die Be­treffenden sagen: Mso wollen wir überhaupt, um in die höheren Welten hinaufznkommen, uns wohl hüten vor allem Denken, wir wollen bleiben in unserem Gefühlsleben - wenn man so sagt, wenn man bleiben will in dem unmittelbaren, unentwickelten Gefühlsleben, dann kann man niemals in die höheren Welten hinaufkommen. Man kann allerlei Erlebnisse haben; diese werden aber auf niedriger Stufe bleiben. Die Unbequemlichkeit muß man schon auf sich nehmen, wirklich sein Denken zu schulen, sich etwas zu erwerben, was für die äußere Welt von höchstem Nutzen ist in der An­wendung, was aber für denjenigen, der sich in die höheren Welten hinauf-entwickeln will, nur als Übung von Nutzen ist. Keiner derjenigen, die in Wahrheit von den höheren Welten sprechen, wird auf das, was man ge­wöhnlich Intelligenz nennt, deshalb ein Loblied singen, weil er durch bloße Logik die Wahrheiten der höheren Welten entscheiden will. Das kann man nämlich nicht, das ist eine Unmöglichkeit. Dasjenige, was man als Denken anwenden kann auf äußere Maschinen, auf die äußere Natur, auf die äußere Wissenschaft, dieses Denken kann man nicht in derselben Weise anwenden auf die Erlebnisse und Erfahrungen der höheren Welten. Und derjenige, der

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anfangen würde, über die höheren Welten zu kombinieren mit logischem Denken, mit seinem Verstande, mit seiner Intelligenz, der würde eben nur billige Wahrheiten zustande bringen können, Wahrheiten, die weniger tief gegründet sind; während also für dasjenige, was äußere physische Welt ist, das Denken unmittelbare Anwendung findet, sich in der Anwendung als nützlich erweist. Wir können keine Maschine konstruieren, keine Brücke bauen ohne die Intelligenz, wir können keine Botanik, keine Zoologie be­gründen ohne die Intelligenz, wir können nicht Medizin studieren im äuße­ren Sinn ohne die Intelligenz und so weiter. Da haben wir die Anwendung der Intelligenz an dem unmittelbaren Objekte. Für die höhere Entwickelung hat die Intelligenz nicht diese Bedeutung, sondern sie hat etwa diejenige Be­deutung, die das Schreibenlernen in der Jugend hat. Das Schreibenlernen hat erst dann eine Bedeutung, wenn man es überwunden hat. Wenn man darüber hinaus ist, dann blickt man darauf zurück als auf die Voraussetzung des Schreibenkönnens. Solange wir schreiben lernen, können wir noch nicht die Gedanken durch die Schrift ausdrücken. Wir können es erst dann, wenn wir das Schreibeulernen überwunden haben. Das Schreibenlernen ist ein Üben, das fertig sein muß, wenn man dasjenige, was man dadurch lernen soll, ausüben will. So ist es ungefähr mit dem Üben in der Logik für den­jenigen, der eine Höherentwickelung durchmachen will. Er muß schon eine Zeit verwenden auf eine gewisse Schulung im logischen Denken; aber er muß das alles wiederum abgestreift haben, um dann zu dem Denken des Herzens übergehen zu können, und es bleibt ihm von demjenigen, was er durchgemacht hat während seiner logischen Schulung, das zurück, was wir nennen können eine gewisse Gewöhnung an Gewissenhaftigkeit in bezug auf das Für-wahr-Halten in den höheren Welten. Wer diese Schulung durch­gemacht hat, der wird nicht jedes Trugbild, jedes beliebige Sinnbild als eine wirkliche Imagination für wahr halten oder deuten in irgendwelchem Sinne, sondern er wird die innerliche Kraft haben, an die Realität heranzutreten und sie im rechten Sinne zu sehen und zu deuten. Gerade deshalb ist eine um so subtilere und bessere Vorbereitung notwendig, als man ja wiederum zum unmittelbaren Empfinden kommen muß. Man muß ein Gefühl dafür haben, ob etwas wahr oder falsch ist. Genau gesprochen, muß folgendes geschehen. Während man im gewöhnlichen Leben nach seiner Intelligenz Überlegungen anstellt, muß man seine Seele so geschult haben gegenüber

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den höheren Dingen, daß man ihnen gegenüber ein unmittelbares Gefühl dafür hat, was wahr oder falsch ist.

Außer demjenigen, was eben genannt worden ist, ist aber eine gute Vor­bereitung für eine solche unmittelbare Entscheidung, wenn man sich ein wenig dasjenige angewöhnt, was im gewöhnlichen Leben auch eigentlich nur in einem sehr geringen Maße vorhanden ist. Im gewöhnlichen Leben wird der Mensch zwar ziemlichen Schmerz empfinden, er wird vielleicht sogar aufschreien, wenn Sie ihn mit einer Nadel stechen oder heißes Wasser auf den Kopf gießen, oder in ähnlichen Fällen. Aber fragen wir einmal, wie viele Menschen wirklich etwas Ähnliches empfinden wie Schmerz - ich sage ausdrücklich: etwas Ähnliches wie Schmerz -, wenn irgendeiner etwas Törichtes, etwas Absurdes behauptet? Das ist für viele Menschen im Grunde genommen etwas recht Erträgliches. Derjenige allerdings, welcher sich zu jenem unmittelbaren Gefühle entwickeln will, von dem jetzt gesprochen worden ist, so daß der Imagination, der imaginativen Welt gegenüber das unmittelbare Erlebnis eintreten kann: Das ist wahr, das ist falsch - der muß sich dahin trainieren, daß ihm ein Irrtum wirklich weh tut, Schmerz be­reitet, daß ihm die Wahrheit, die ihm entgegentritt, auch schon hier im physischen Leben Lust und Freude macht. Das ist, abgesehen von allem übrigen, sogar strapaziös, und damit hängt ein wenig zusammen das in gewissen Zeiten Aufreibende der Vorbereitung für das Hineingehen in die höheren Welten. Gleichgültiges Vorübergehen an Irrtum und Wahrheit ist allerdings für unsere Gesundheit etwas Bequemeres, als im gewöhnlichen Leben am Irrtum Schmerz und an der Wahrheit Lust zu empfinden. Und man hat heute reichlich Gelegenheit dazu, dieses oder jenes Buch in die Hand zu nehmen und über das Törichte, was da steht, Schmerz zu emp­finden, wie man Schmerz empfindet gegenüber einer physischen Ver­letzung. Schmerz zu empfinden, Leid zu empfinden gegenüber dem Un­wahren, gegenüber dem Häßlichen, dem Bösen, wenn es auch nicht uns zugefügt wird, sondern einfach in unserer Umgebung auftritt, Lust zu empfinden gegenüber dem Schönen, dem Wahren, dem Guten, auch wenn es uns gar nicht persönlich angeht, das gehört zur Trainierung für den­jenigen, der sich Denken des Herzens anlernen will, der dann zu der Stufe emporsteigen will, auf der er ein solch unmittelbares Gefühl gegenüber einer Imagination hat, wie es beschrieben worden ist.

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Dann aber gehört noch etwas dazu. Wenn man nämlich in die imagina­tive Welt wirklich aufsteigt, wenn man in Bildern dasjenige empfindet, was einer höheren Welt angehört, dann muß man schon etwas sich aneignen, was man im gewöhnlichen Leben auch noch nicht hat, nämlich man muß lernen, in neuer Weise zu denken über das, was man im gewöhnlichen Leben einen Widerspruch oder etwas Zusammenstimmendes nennt. Im ge­wöhnlichen Leben wird mancher, wenn dieses oder jenes behauptet wird, empfinden, daß zwei Behauptungen einander widersprechen. Wenn wir auch nicht auf das triviale Sprichwort reflektieren: Wenn zwei dasselbe sagen, ist es nicht dasselbe - woraus folgt, wenn man es unikehrt, daß, wenn zwei Verschiedenes sagen, es dasselbe sein kann -, wenn man nicht auf dieses Sprichwort reflektiert, so kann uns schon im gewöhnlichen Leben das entgegentreten, daß zwei Menschen unter denselben Verhältnissen etwas ganz Verschiedenes erleben. Wenn dann der eine sein Erlebnis schildert, so kann es ein anderes Erlebnis sein, als wenn es der andere schildert, dieses Er­lebnis, das unter denselben Verhältnissen sich vollzogen hat, und dennoch können beide, wir müssen jetzt sagen, von ihrem Standpunkte aus recht haben. Nehmen wir an, einer erzählt uns: Ich war an einem Orte, da bin ich aufgelebt, da ist gesunde Luft, da bin ich frisch geworden. - Wir hören ihm zu und müssen ihm zunächst glauben. Dann kommt ein anderer; der kommt von demselben Orte und sagt: Ja, mit diesem Orte ist es eigentlich doch gar mchts, da bin ich ganz von Kräften gekommen, da bin ich ganz schwach geworden, das ist ein höchst ungesunder Ort. -Wir können ihm nur wieder glauben. Beide können im Grunde genommen recht haben. Nehmen wir an, der erste ist ein robuster Mensch, der nur abgearbeitet und ermüdet war; gerade eine robuste Natur kann abgearbeitet sein, weil sie den Impuls empfinden wird zu großer Leistung in kurzer Zeit. Der kann die scharfe Luft dort außerordentlich erfrischend finden. Nehmen wir an, es kommt aber ein an sich kränklicher Mensch an diesen Ort, ein Mensch, der gerade die frische Luft nicht vertragen kann. Er kommt erst recht herunter, kommt herunter durch dasjenige, was für den anderen gesund war. Beide haben recht, weil beide mit ihrer Person verschiedene Voraussetzungen an den Ort gebracht haben. Die entgegengesetzten Behauptungen lassen sich schon, wenn man alle Dinge berücksichtigt, im gewöhnlichen Leben miteinander vereinigen.

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Nun wird aber die Sache viel komplizierter, wenn man in die höheren Welten hinaufsteigt. Da kommt es immer wieder und wiederum vor, daß jemand irgendeine Äußerung, sagen wir, in einem Vortrag über dieses oder jenes hört. In einem andern Vortrag hört er etwas davon, scheinbar Ver­schiedenes, und er legt nun an die Sache den Maßstab an, den man so ge­wöhnlich im Leben an Aussprüche anwendet. Er findet eine Art vonWider­spruch und sagt: Ja, dann kann das nicht wahr sein, denn das widerspricht sich. - Ich will an etwas ganz unmittelbar in diesen Tagen Naheliegendes anknüpfen und damit auch etwas berühren, was ich gestern nicht berühren konnte aus Mangel an Zeit. Ich will berühren, daß jemand aus einem meiner früheren Vortragszyklen die Äußerung gehört hat, daß, wenn der Mensch heruntersteigt zu einer neuen Geburt, dasjenige, was wir nennen können das heruntersteigende Astralische des Menschen, zu beobachten ist, wie es mit einer riesigen Geschwindigkeit den astralischen Raum durchmißt und gleich­sam aufsucht den Ort, wo es sich verkörpern will. Dieses Aperçu, diese Beobachtung, die durchaus zu rnachen ist, die wurde einmal so erwähnt im Verlaufe eines Zyklus. In diesem jetzigen Zyklus nun wurde gesagt, daß der Mensch schon lange, lange mitarbeitet an dem, was er zuletzt als seine vererbten Eigenschaften erhält, daß er mitarbeitet an den Eigenschaften, die er zuletzt antrifft in der Familie und dem Volk, in die er hineingeboren wird. Wenn man so nach demjenigen, was man gewöhnlich Widerspruch nennt, urteilen will, so kann man darin selbstverständlich leicht etwas Wider-sprechendes finden. Dennoch ist das eine wie das andere ein wirkliches Er­lebnis; und weil nicht immer alles erzählt werden kann, so kann natürlich nicht immer, wenn das eine Erlebnis geschildert wird, auch das von einer anderen Seite her Korrespondierende geschildert werden. Beides ist richtig. Wenn man einen Vergleich wählen will, so kann man aber auch schon etwas durch folgendes den Widerspruch lösen. Haben Sie es noch nicht erlebt, daß sich zum Beispiel jemand sorgfältig durch fünf, sechs Tage dieses oderjenes zurechtgeschnitzelt hat, und am siebenten Tage - er weiß genau: am vorher­gehenden Tage ist es fertig geworden - kann er es nicht finden. Dann muß er im Zimmer herumsuchen, wo er das denn hingelegt hat. Da können Sie in der Tat dann sehen: fünf bis sechs Tage lang bereitet er sich das Ding ganz genau vor, und am siebenten können Sie zuschauen, wie er dasselbe Ding, das er vorbereitet hat, dann sucht. Beides ist da. Und etwas Ähnliches

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ist für die Dinge in den höherenWelten der Fall. Es findet eine solche Zube­reitung durchaus statt; weil aber die Erlebnisse sehr kompliziert sind, so ist es möglich, daß der Mensch allerdings unmittelbar in dem Momente, wo sich dasjenige, was heruntersteigt aus den höheren Welten, mit dem physi­schen Leibe und Ätherleibe vereinigen will, noch zu suchen hat, weil eine Art von Verdunkelung des Bewußtseins eintritt. Und nach dieser Ver­dunkelung des Bewußtseins muß der Mensch, mit einem niedrigeren Grade von Bewußtsein ausgestattet, dasjenige suchen, was er mit einem höheren Grade von Bewußtsein vorbereitet hat.

So sehen wir an einem solchen Beispiel, daß etwas notwendig sein kann, wenn man in diese höheren Welten hinaufsteigt. Man muß nämlich immer gewärtig sein des Umstandes, daß, wenn man irgendwo einenWeg verfolgt, wenn man in die höheren Welten hineinkommen will, in die Welt der Imagination, dann sich einem diese oder jene Sache in diesem oder jenem Bilde vorstellt. Hat man nun ein genügend starkes Gefühl sich erworben, so daß man aus dem Denken des Herzens heraus zustimmen kann, so kann es einem passieren, wenn man in einem anderen Zeitpunkt durchaus als geschulter Hellseher einen ähnlichen Weg verfolgt, daß man dann zu einer anderen Imagination kommt, die ganz anders aussieht; und wiederum spricht das unmittelbare Gefühl: Das ist wahr. - Das muß man eben wissen; das ist etwas, was selbstverständlich für denjenigen, der die höhere Welt, die Welt der Imagination betritt, zunächst etwas Verwirrendes hat. Aber dieses Verwirrende wird eben gerade dadurch gelöst, daß man im gehörigen Momente darauf aufmerksam gemacht wird. Man wird die richtige Stel­lung, das richtige Verhältnis zu dieser ganzen Sache erhalten, wenn man sein Ich selber in der imaginativen Welt sucht.

Wir haben gesehen, wie einem dieses Ich entgegentrirt. Wir haben es ge­schildert bei dem Vorbeigehen an dem Hüter der Schwelle. Da ist sozusagen der Moment gegeben, wo man außerhalb seines Ichs, gleichsam auf dasselbe zurückschauend, es objektiv vor sich hat. Man kann dieses Ich einmal auf­suchen, kann es zweimal, dreimal aufsuchen, und man kommt zu verschie­denen Bildern. Man könnte nun, wenn man mit den Forderungen, die man sich angewöhnt hat in der physischen Welt, an diese Dinge herantreten würde, in äußerste Verwirrung kommen, man könnte sagen: Nun habe ich eingesehen, wie ich bin in der höheren Welt; jetzt habe ich mich wiedergefunden

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- da bin ich ganz etwas anderes, ein drittes Mal wiederum etwas anderes. Das ist aber durchaus der Fall, und die Sache verhält sich so, daß in dem Augenblicke, wo man durch jene Schulung, die wir beschrieben haben, in die imaginative Welt eintritt und sein Ich im Bilde sieht, daß man m diesem Augenblick auch sich klar darüber sein muß, daß man zwölf ver­schiedene Bilder seines Ichs sehen kann. Es gibt diese zwölf verschiedenen Bilder des einzelnen Ichs. Und erst dann im Grunde genommen, wenn man von zwölf verschiedenen Stanilpunkten aus, auf denen man sozusagen außerhalb seines physischen Ichs gestanden hat, zurückgeschaut hat auf sich selber, hat man sein vollständiges Ich begriffen. Es verhält sich mit dieser Anschauung des Ichs von außerhalb genau so, wie etwas, was sich abbildet m dem Verhältnis der zwölf Sternbilder zur Sonne. Wie die Sonne durch die zwölf Sternbilder durchgeht und in jedem Sternbild eine andere Kraft hat, wie sie im Frühling in einem bestimmten Sternbild erscheint, dann weiter-rückt und das Jahr hindurch, ja auch den Tag hindurch durch die Stern-bilder hindurchgeht und von zwölf verschiedenen Standpunkten aus unsere Erde bescheint, so bescheint sich auch das menschliche Ich von zwölf ver­schiedenen Standpunkten aus, beleuchtet sich von zwölf verschiedenen Standpunkten aus, wenn es darauf zurückblickt aus der höheren Welt.

Daher müssen wir uns sagen: Es ist notwendig beim Aufstieg in die höheren Welten, daß wir eben nicht zufrieden sind mit einem Standpunkt. -Dazu muß man sich wiederum trainieren; man muß wiederum in die Lage kommen, der Verwirrung auszuweichen. Man kommt nur in die Lage, der Verwirrurig auszuweichen, wenn man sich schon in der physischen Welt ein wenig daran gewöhnt, daß nicht sozusagen das einseitige Betrachten von einem Standpunkt aus das einzige Heil des Menschenlebens bedingt. Unter den Menschen unserer Gegenwart gibt es solche, die Materialisten smd und andere sind Spiritualisten, andere Monisten und andere Monadolo-gen. Die Materialisten behaupten, alles sei Materie und deren Gesetze. Die Spiritualisten behaupten, alles sei Geist und legen nur dem Geist Bedeutung bei. Die Monisten werden behaupten, man müsse alles aus der Einheit er­klären. Und die Monadologen werden behaupten: Man muß viel Einzelnes annehmen, und durch das Zusammenwirken der vielen Einzelnen entsteht dann die mannigfaltige Welt. - Die Menschen streiten sich herum in Dis­kussionen in der äußeren Welt, die Materialisten gegen die Spiritualisten,

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die Monisten gegen die Monadologen. Sie streiten und raufen sich wo-möglich in der äußeren Welt. Derjenige aber, der sich zum wirklichen Er­kennen in den höheren Welten vorbereiten will, der muß folgendes beachten können. Er muß sagen: Der Materialismus hat seine gewisse Berechtigung. Wir müssen uns aneignen dieses Denken, dem sich der Materialist hingibt, das Denken in materiellen Gesetzen, aber wir dürfen es nur verwenden für die materielle Welt; die begreifen wir mit diesen Gesetzen. Und wenn wir an die materielle Welt herangehen und sie nicht mit materiellen Gesetzen begreifen wollen, so kommen wir nicht zurecht in der materiellen Welt. -Derjenige, der die materielle Welt nicht so erklären will, wie der Materialist das ganze Universum erklärt, der wird nicht weit kommen. Wenn jemand eine Uhr erklären will und sagt: Oh, das ist einfach, da sind zwei kleine Dämonen drinnen, die treiben die Zeiger - den werden wir auslachen und sagen: Du erklärst uns mit deinen zwei Dämonen gar nichts. - Derjenige ist allein nützlich in diesem Fall, der uns das Uhrwerk nach den Gesetzen der materiellen Welt erklärt. So aber erklärt uns auch der nur einen Mechanis­mus, der uns zum Beispiel von den Sternen nur die äußere mechanische Bewegung erklärt. Der Fehler liegt nicht darin, daß man sich das materia­listische Denken aneignet, sondern darin, daß man sagt: Ich habe die Mög­lichkeit, damit alle Welt zu erklären; ein anderes Denken gibt es gar nicht. Haeckel zum Beispiel macht nicht den Fehler dadurch, daß er in bezug auf die Dinge, in denen seine Stärke liegt, diese erklärt mit den Gesetzen der materialistischen Morphologie. Würde er stehenbleiben bei einer gewissen Erscheinungsreihe mit den Gesetzen der materialistischen Morphologie, so würde er der Menschheit damit in höchstem Grade nützen können. Und diejenigen, die anfingen, irgend etwas einzumischen in ein solches Gebiet, das da gleicht den zwei Dämonen der Zeiger in der Uhr, die würden uns gar nichts erklären auf diesem Gebiete.

So also werden wir sagen: Es ist nützlich, sich materialistisches Denken anzueignen, aber es ist notwendig zu wissen, daß materialistisches Denken nur Berechtigung hat für ein bestimmtes Gebiet. Ebenso ist es nötig, sich für die entsprechenden Gebiete anzueignen spirituelles Denken und das­jenige, was verläuft in den Gesetzen der Spiritualität, und das nicht nach mechanischen Gesetzen erklären zu wollen. Wennjemand sagt: Du kommst da mit einer besonderen Psychologie, die ihre eigenen Gesetze haben soll;

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ich erkläre dir aber: Da drinnen im Gehirn werden besondere Vorgänge ausgeführt und das erscheint dir als Denken - dann werden wir sagen: Du hast nur den entgegengesetzten Fehler gemacht wie jener, der das Vorwärts-rücken der Uhrzeiger mit dem Wirken zweier Dämonen erklären will. Ebensowenig wie man das kann, ebensowenig kann man auch erklären das Denken mit den Atombewegungen im Gehirn. - Oder wer die Ermüdung, die sich am Abend einstellt, damit erklären will, daß er sagt, Vergiftungs stoffe sammeln sich an, der mag für das Äußere die richtige Erklärung geben; für das Innere erklärt er gar nichts. Da handelt es sich darum, daß wir mit dem spirituellen Erklären die Sache von der anderen Seite her beleuchten.

So ist es auch mit dem, was man Monismus und Monadologie nennt. Es ist durchaus richtig, daß man, wenn man versucht die Welt zu erklären von der Seite der Harmonie, die sich in ihr findet, da zu einer Einheit kommen muß; man verarmt aber, wenn man alles auf eine abstrakte Einheit zurück­führen will. Die Philosophen, die nur hinaufsteigen wollen zu einer Einheit, haben immer gezeigt, daß sie zuletzt gar nichts haben. Ich habe einen ge­scheiten Herrn gekannt, der ging nur darauf aus, monistisch, logisch moni­stisch die ganze Welt aus ein paar Sätzen zu erklären. Er kam einmal in einer riesigen Freude zu mir und sagte: Jetzt habe ich zwei ganz einfache Sätze, und den ganzen Kram erkläre ich damit. - Er meinte mit dem «Kram» bloß die ganze Welt! Er war riesig erfreut darüber, daß er in zwei abstrakten Gedankensätzen die Erscheinungen der ganzenWelt zusammenfassen konnte. Das ist etwas, was die Einseitigkeit einer monistischen Erklärung zeigt. Der Monismus muß etwas sein, was uns als großes Ziel vorschwebt, so daß alle Gedanken zur Welterklärung zuletzt in einer großen Harmonie zusammen-stimmen. Der Monismus muß ergänzt werden durch den monadologischen Gedanken, dadurch daß man ausgeht von den verschiedensten Punkten und zuletzt zur Einheit kommt.

So kann man sich dadurch, daß man gleichsam hineinkriecht in die ver­schiedensten Standpunkte der Welt, daß man objektiv sich gewöhnt, das Berechtigte eines jeden Standpunktes herauszusuchen, erziehen zu dem­jenigen, was man dann so notwendig braucht, um in die höheren Welten heraufzukommen, nämlich zu dem Anschauen der Dinge von den ver­schiedensten Gesichtspunkten aus. Man kann nicht genug tun in dieser Be­ziehung, wenn man sich dazu vorbereiten will, sein Ich von zwölf Standpunkten

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aus anzusehen. Aber es ist wirklich in der heutigen Zeit wenig Verständnis vorhanden für ein solches Sich-Hineinbegeben in das Objek­tive, in das Sachliche der verschiedenen Standpunkte. Derjenige, der es ein­mal versucht hat, objektiv sich hineinzubegeben in die verschiedenen Stand­punkte, der kann gerade heute ein Liedchen davon singen, wie merkwürdig sich die Welt verhält gegenüber einem solchen Verleugnen eines bloß per­sönlichen Meinungsstandpunktes, und einem dafür Sich-Hineinbegeben in die Anschauungskreise, die dieser oder jener von seinem Gesichtspunkte aus gehabt hat.

So habe ich selbst versucht, zum Beispiel Nietzsche so zu schildern, wie es nicht meine Meinung ist, denn was geht die Welt meine Meinung an, wenn ich Nietzsche schildere. Ich schilderte Nietzsche so, wie man ihn schildern muß, wenn man sozusagen aus sich herausgeht und in ihn hinein-fährt. Dadurch allein kann man ihn zum Verständnis bringen. Die Leute, die das gelesen haben, haben mir dann mein nächstes Buch übelgenommen. Sie konnten nicht begreifen, wie man nicht Nietzsche-Anliänger ist, wenn man positiv das von innen heraus schildert, was Nietzsche war. Ebenso geht es einem, wenn man untertaucht in den Haeckelismus; jeder wird dann ur­teilen: Das ist ein Haeckelianer, der dies geschrieben hat. - Dies ist aber etwas, was man sich notwendig erwerben muß: aus sich herausgehen zu können, objektiv schildern zu können, sozusagen mit den Augen eines andern Standpunktes sehen zu können. Dann erst ergibt sich das, was wirk­lich zur umfassenden Wahrheit führen kann. Zur umfassenden Wahrheit kommt man nicht, wenn man sich bloß hierher stellt und einen Rosenstrauch ansieht, sondern wenn man sich hierher stellt und ihn photographisch auf­mmmt, dann hierher, dann sich wieder woanders hinstellt und ihn photo-graphisch aufnimmt. Dadurch schult man sich, um in die Möglichkeit zu kommen, dasjenige auch wirklich zu haben, was man haben muß, sobald man in die höheren Welten hinaufkommt. In der physischen Welt kann man sich so etwas angewöhnen. In den höheren Welten wirkt es geradezu ver­wirrend, wenn man mit einem persönlichen Standpunkt hineinkommt. Man hat dann sofort ein Trugbild statt der Wahrheit vor sich, weil man seine eigene persönliche Meinung hineinträgt.

So sehen wir, daß wir selber in unserer Schulung die Stärke, die Kraft haben müssen, um zum Denken des Herzens zu kommen. Um zum Denken

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des Herzens zu kommen, müssen wir die Kraft haben, aus uns herauszu­gehen, wirklich uns selber ganz fremd zu werden und von außen auf uns zurückblicken zu können. Wer im normalen Bewußtsein ist, der steht an emem bestimmten Platz und weiß, was er damit sagt, wenn er sagt: Das bin ich! - Wenn er sagt: Das bin ich - dann meint er die Summe dessen, was er glaubt, was er vertritt. Wer aber in die höheren Welten hinaufsteigt, muß diese gewöhnliche Persönlichkeit an ihrem Platze stehenlassen können, muß selber herausgehen konnen, zuruckschauen und - mit demselben Ge­fühl, mit dem er gewöhnlich sagt: Das bin ich! - sagen können: Das bist du! - Das frühere Ich muß ganz im richtigen Sinne ein Du werden können. Wie man sich zu einem anderen verhält, wie man zum andern sagt: Das bist du! - so muß man zu sich selber sagen können: Das bist du! - Das muß ein Erlebnis werden können. Daß dieses Erlebnis schon zu erreichen ist durch eine Schulung in der physischen Welt, haben wir jetzt gesehen. Es gehört nicht gar so viel dazu, um solche Dinge zu beobachten, wie siejetzt charak­terisiert worden sind. Dann kommt man dazu, mit dem Herzen, mit dem Gefühl denken zu dürfen; man erwirbt sich das Recht, mit dem Herzen denken zu dürfen. Die wahren Darstellungen von den höheren Welten gehen aus solchem Herzdenken hervor, auch wenn es äußerlich oft so aus­sieht, als ob sie logische Erörterungen wären. Nichts ist in den Darstellun­gen, die wirklich aus den höheren Welten heruntergetragen werden, darin, was nicht mit dem Herzen gedacht wäre. Was da geschildert wird vom Ge­sichtspunkt der Geisteswissenschaft, ist ein mit dem Herzen Erlebtes. Der­jenige, der schildern muß, was er mit dem Herzen erlebt, der muß es aller-dings umgießen in solche Gedankenformen, daß es für die anderen Menschen verständlich ist.

Das ist der Unterschied von wirklicher Geisteswissenschaft und demjeni­gen, was man bloß subjektiv erlebte Mystik nennen kann. Subjektiv erlebte Mystik kann ein jeder für sich haben; die schließt sich innerhalb der Persön­lichkeit ab, die läßt sich nicht einem andern mitteilen, geht einen andern im Grund genommen auch nichts an. Dasjenige aber, was echte, wahre Mystik ist, ist entstanden aus der Möglichkeit, Imaginationen zu haben, Eindrücke in den höheren Welten zu haben und diese Eindrücke klassifizieren, ordnen zu können, ebenso wie man die Dinge der physischen Welt mit dem Ver­stand ordnet, sie ordnen zu können mit dem Denken des Herzens.

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Damit ist allerdings das andere verknüpft, daß an denjenigen Wahrheiten, die aus den höheren Welten gegeben sind, in der Tat auch etwas hängt wie Herzblut, daß sie die Färbung haben von dem Denken des Herzens. Mögen sie sich abstrakt ausnehmen und noch so in Gedankenformen gegossen sein, es hängt an ihnen Herzblut, denn sie sind unmittelbar aus der Seele erlebt. Das tritt für denjenigen ein, der in die imaginative Welt kommt und diese Bilder vor sich hat, daß er dann aber weiß: Was du jetzt vor dir hast, was aussieht wie eine Vision, ist nicht eine Vision, sondern das ist etwas, was ebenso der Ausdruck eines Geistig-Seelischen ist, das dahinter steht, wie das Rot hier an der Rose die äußere Offenbarung ist für die Rose. -Wir richten das Auge auf die materielle Rose, wir sehen ihr Rot und wissen, daß dahinter das Materielle der Rose ist. Der geistig Schauende richtet das geistige Auge in die imaginative Welt, er hat den Eindruck des Blauen oder Violetten, oder es ertönt ihm aus dem Dunkel der imaginativen Welt heraus dieser oderjener Ton, oder er hat dieses oderjenes Wärme- oder Kältegefühl, und er weiß durch sein Denken des Herzens: Das ist nicht bloße Einbildung, nicht bloße Vision; die hinhuschende Bläne ist ebenso der Ausdruck eines geistig-seelischen Wesens, wie das Rot der Rose der Ausdruck eines materiellen Wesens ist. - So lebt man sich in die Wesen hinein; man muß sich in ge­wisser Weise mit den Wesenheiten selber verbinden. Dadurch allerdings ist alles Forschen in der geistigen Welt zu gleicher Zeit in einem viel höheren Sinn, in ganz anderem Grad mit der Hingabe der eigenen Persönlichkeit verknüpft, als das bei den äußeren Erlebnissen der Fall ist. Man wird inten­siver mitgenommen, man steckt ja in den Dingen selber drinnen. Was die Dinge Gutes und Böses, Schönes und Häßliches, Wahres und Falsches haben, muß man in ihnen erleben. Wo der andere einen gleichgültigen Irrtum sieht in der physischen Welt, da muß man, sobald man die Wahrheit erleben will, in der imaginativen Welt den Irrtum nicht nur anschauen: man muß ihn mit Schmerz durchleben. Man muß das Häßliche, das Abscheuliche der imaginativen Welt nicht nur anschauen, so daß es einem nichts tut, wie in der physischen Welt, sondern man muß es innerlich miterleben. Dadurch aber, daß man sich durch die geschilderte Schulung, die, wie gesagt worden ist, der heutigen Menschlieit besonders angemessen ist, dazu aufschwngt, so mitzuerleben das Gute, das Wahre, das Schöne, aber auch mitzuerleben das Böse, das Irrtümliche, das Häßliche. dadurch kommt man auch dazu, nicht

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gefangengenommen zu werden von dem Irrtümlichen, dem Häßlichen, dein Bösen, denn die Erlebnisse werden so, daß man sie durch das unmittelbare Gefühl, durch das Denken des Herzens unterscheiden kann.

Wenn man aus dieser geistigen Welt heraus schildert, wenn man das­jenige, was in der geistigen Welt erlebt wird, in Gedanken gießt, in Logik bringt, fühlt man etwa so, wie wenn man treten muß an einen Hügel, der eme wunderbare Konfiguration von Feisbildungen zeigt, und hingehen und diese Feisgesteine ausbrechen muß, weil man sie notwendig hat, um den Menschen Häuser zu bauen. So fühlt man, wenn man umgießen muß das­jenige, was man erlebt hat in der geistigen Welt, in Gedanken, in Logik des Verstandes. Aber so wie dasjenige, was der Mensch in der Seele erlebt, in Worten ausgesprochen werden muß, wie man nie verwechseln darf das Wort mit den Gedanken, so muß derjenige, der das Denken des Herzens übt, wenn er mitteilen will, was er erlebt hat, an die anderen Menschen, es umformen in logisches Denken. Logisches Denken ist nicht die Sache selber, logisches Denken ist nur die Sprache, in der das Denken des Herzens in der Geisteswissenschaft mitgeteilt wird. Und wer sich etwa stoßen würde an dem, was dem wahren Geistesforscher nur Wort ist, der würde sich so aus­nehmen wie jemand, der sagen würde: Ja, ich höre nur Worte, ich höre aus den Worten keine Gedanken. - Es kann die Schuld desjenigen sein, der spricht, wenn wir nur Worte hören, wenn wir keine Gedanken hören; aber es braucht nicht die Schuld dessen zu sem, der da spricht, sondern es kann die Schuld dessen sein, der da zuhört. Er kann nur den Schwall der Worte hören, weil er nicht von den Worten zu den Gedanken dringen kann. So kann es die Schuld dessen sein, der angeblich geisteswissenschaftliche Wahr­heiten in Gedanken kleidet, daß jemand, wenn er zuhört, in den Gedanken kein Denken des Herzens, keine Wahrheiten und Erkenntnisse des Herzens findet. Aber es braucht nicht die Schuld dessen zu sein, der diese Wahrheiten des Herzens ausspricht, es kann auch die Schuld dessen sein, der zuhört und nicht in der Lage ist, hinter den Gedanken, die wie Worte sind für die For­schungen des Herzens, eben diese Wahrheiten zu spüren.

Was aber aus dieser Forschung des Herzens heraus der Menschlieit mit-geteilt werden kann, das ist nur dasjenige, was auch wirklich in klar formu­lierbare Gedanken umgegossen werden kann. Was noch nicht in Gedanken umgegossen werden kann, ist noch nicht reif, der Menschlieit mitgeteilt zu

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werden. Das ist der Probierstein für dasjenige, was alle angeht, daß es in klare Worte, in klar formulierbare Gedanken umgegossen werden kann, in Gedanken, die scharfe Konturen haben. So müssen wir uns gewöhnen, auch wenn wir die tiefsten Wahrheiten des Herzens hören in der Gedankenform, m dieser eben nur die Form zu sehen, hinter die wir auf den Inhalt schauen. Das ist es, was sich der Mensch der Gegenwart angewöhnen muß, wenn er wirklich etwas beitragen will dazu, daß verbreitet wird in der Menschheit, was so notwendig ist, dasjenige, was aus dem Geiste heraus geoffenbart werden kann. Es wäre nur höherer Egoismus, wenn jemand nur in sich selber finden wollte eigene mystische Erlebnisse, die nur für ihn gelten. Mystische Erlebnisse müssen Gemeingut der Menschheit werden, wie die Verstandeserlebnisse Allgemeingut werden. Aber nur wenn wir uns in sol­chem Sinn zu stellen vermögen zu den Offenbarungen der wahren mysti­schen Forschung, wie es eben geschildert worden ist, können wir dieser Auf­gabe genügen, und nur dann können wir die Mission der Geisteswissenschaft für die Menschheit begreifen, die wahrhaftig etwas ist, das in der Zukunft sich immer mehr und mehr erfüllen muß.

ZEHNTER VORTRAG Wien, 30. März 1910

#G119-1962-SE224 - Makrokosmos und Mikrokosmos

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ZEHNTER VORTRAG

Wien, 30. März 1910

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Es war mein Bestreben in diesen Vorträgen, diejenigen Erkenntnisse, welche gegenwärtig aus Gründen, die in der Entwickelung der Menschheit liegen, verkündet werden sollen, in gewissem Sinn von einer andern Seite her zu zeigen, als sie gezeigt werden zum Beispiel in den Büchern, die Sie über diesen Gegenstand erhalten können. Ich wollte diesmal diese Erkenntnisse von einem etwas unmittelbareren Gesichtspunkt des Erlebens aus beleuch­ten, und gerade dadurch steht ja wohl zu hoffen, daß durch die Durch­tränkung der sonst gegebenen Wahrheiten mit den unmittelbaren Tatsachen des Bewußtseins manches wiederum in neuer Art sich für diesen oderjenen aufklärt. Allerdings wird derjenige, welcher nur diese Vorträge gehört und sich noch weniger mit dem Gegenstand beschäftigt hat, eine richtige Ergänzung des hier Gesagten in Büchern wie zum Beispiel in meiner soeben erschienenen « Geheimwissenschaft» oder «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?)> finden können. Es ist nach den Ausführungen des gestrigen Vortrages ja begreiflich, daß man, sobald man überhaupt die höheren Welten zu schildern beginnt, das von verschiedenen Gesichtspunk­ten aus tun kann. Haben wir doch gesehen, von wieviel verschiedenen Ge­sichtspunkten aus unser eigenes Ich uns erscheint, sobald wir es durch das Betreten der höheren Welten von außen her sehen.

Ich möchte nun in gewisser Beziehung dabei bleiben, diese Schilderung mehr von innen heraus zu gestalten und deshalb gerade anknüpfen in die­sem Augenblicke an dasjenige, was wir gestern gesagt haben über die Logik des Herzens im Gegensatz zu demjenigen, was man im äußeren Leben kennt als die Logik des Kopfes oder des Verstandes. Wir konnten schon aus dem gestrigen Vortrag entnehmen, daß uns die Logik des Herzens in der mensch­lichen Entwickelung zweimal entgegentreten kann. Sie kann uns entgegen­treten in derjenigen Entwickelungsform, in der dasjenige, was das Herz denkt, noch nicht durchzogen ist von der Logik des Verstandes, der Logik des Kopfes. Wir haben darauf hingewiesen, daß es heute noch Menschen gibt, welche durchaus es sogar gerne ablehnen möchten, sich mit der Logik des Verstandes zu beschäftigen und dasjenige, was sie als wahr fühlen und

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empfmden, umzusetzen in Begriffe und in Ideen. Ganz wird es diesen Zu­stand der menschlichen Entwickelung in unserer heutigen Gegenwart nicht mehr geben, kann ihn nicht mehr geben. Denn wo Sie auch Umschau halten würden unter den gegenwärtigen Menschen, Sie werden überall, auch da, wo noch fast ganz aus den unmittelbaren Eindrücken des Herzens heraus geurteilt wird, wenigstens einige Begriffe und Ideen des Verstandes finden. Wenn wir eine Entwickelungsstufe fmden wollten, die den Verstand noch ganz ausschließt, dann würden wir schon weit zurückgehen müssen in der Entwickelung der Menschheit und würden dann eine Vorstufe unserer gegenwärtigen menschlichen Entwickelung finden. Es kann also gesagt wer­den, daß sich aus der Natur des Geschilderten von selbst ergibt, daß unsere heutige Entwickelungsstufe auf eine frühere hinweist, in der gewissermaßen wie aus einem Unterbewußtsein heraus, aus einem noch nicht vom Verstand durchtränkten Bewußtsein heraus das Herz urteilte; daß wir heute in einer Zeit leben, in welcher dieses ursprüngliche Urteil des Herzens, diese ur­sprüngliche Logik des Herzens durchaogen ist von Begriffen, von Ideen, kurz von dem, was wir Logik des Verstandes nennen. Und wenn wir beden­ken, daß der Mensch sich entwickeln kann, wenn wir alles ins Auge fassen, was wir gestern haben sagen können, so dürfen wir aus unserer gegenwärtigen Entwickelungsstufe hinausweisen auf eine zukünftige, welche heute ange­strebt wird in der geschilderten Art von einzelnen wenigen, welche aus ihrem gegenwärtigen Bewußtsein heraus schon die Sehnsucht, den Trieb haben, in einer gewissen Weise die Zukunft vorauszunehmen. Auf einen Zukuuftszustand der Menschheit können wir hinblicken, welchen diese Menschheit zeigen wird so, daß Logik des Herzens in vollem Umfang wiederum vorhanden sein wird, das heißt, daß der Mensch wiederum im­stande sein wird, aus der Unmittelbarkeit seines Fühlens heraus dieWahrheit zu schauen. Aber er wird eben alles das aufgenommen haben, was er dann erreicht haben wird, die Entwickelungsstufe, die er zwischen beiden durch-macht, die Entwickelungsstufe, die die der Logik des Verstandes ist. So daß wir sagen können: Wir gehen jetzt in bezug auf die gesamte Mensch­heit eben gerade durch die Entwickelungsstufe des Verstandes, des Kopfes hindurch, um auf einer höheren Stufe dasjenige wiederum zu erreichen, was auf einer niederen Stufe schon erreicht war: die Logik des Herzens. -Während auf der niederen Stufe diese Logik des Herzens nicht durchglüht

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und durchleuchtet war von dem, was der Mensch sich durch seinen Ver­stand aneignet, wird die Logik des Herzens auf einer höheren Stufe durch­tränkt, durchglüht, durchleuchtet sein von demjenigen, was er sich erworben hat während seiner vorangegangenen Entwickelung durch die Ideen, durch die Begriffe hindurch.

So haben wir also drei Entwickelungsstufen des Menschen vor uns: eine, die sich uns zeigt als vor unserer Gegenwart liegend, eine als die unserer Gegenwart und eine, die sich als eine zukünftige erweist. Und wir sehen daraus auch den Sinn der Entwickelung. Der Sinn der Entwickelung ist der, daß zu dem schon auf einer früheren Stufe Errungenen Neues hinzugefügt wird. Neues wird also einverleibt den alten Entwickelungsstufen. welches In die Znkunft hinübergelebt werden soll.

Aber wir können uns noch genauer unterrichten, gerade aus den Erfah­rungen derjenigen heraus, die heute schon in gewisser Weise das erreicht haben, was gestern als erreichbar geschildert worden ist: eine Art von höherein Bewußtseinszustand, durch den sie hellseherisch hineinsehen kön­nen in die höheren Welten. Sie können ja leicht begreifen, daß mit einer solchen Umwandiung nicht nur die Uinwandiung einer Kraft der mensch­lichen Seele verbunden ist, der Denlikraft, sondern daß auch andere Seelen-kräfte andere Formen annehmen werden, wenn sich die Denkkraft ver­ändert.

Wir haben uns also etwa zu fragen: Wenn nun derjenige, der durch eine geisteswissenschaftliche Schulung zu einer höheren Stufe des Erkennens sich hinauflebt, wenn er fortschreitet von der Logik des Kopfes, des Verstandes zu der Logik des Herzens, vom Denken des Kopfes zum Denken des Her­zens, ändern sich da etwa in einer entsprechenden Weise auch die andern Fähigkeiten der Seele? - Nehmen wir irgendeine Fähigkeit heraus - wir könnenja diese Dinge, die so kompliziert sind, nur an Beispielen erläutern -, nehmen wir als Beispiel das Gedächtnis. Dieses Gedächtnis ist eine Seelen-kraft, wie das Denken eine Seelenkralt ist. Das Denken ändert sich; es wird von einem Denken des Kopfes zu einem Denken des Herzens, wenn der Geistesschüler sich vorwärtsentwickelt. Wie ist es denn nun mit dem Ge­dächtnis? Dieses Gedächtnis tritt uns ja im gewöhnlichen Leben beim nor­malen Bewußtsein so entgegen, daß es in der folgenden Weise beschrieben werden muß: Der Mensch hat zunächst so, wie er im Leben dasteht, ein

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Bewußtsein von dem, was ihn in der Gegenwart umgibt. Er sieht die Dinge um sich herum, faßt sie auf, macht sich seine Wahrnehmungen daraus, seine Vorstellungen. Was um ihn herum ist, das kann er immer seinem Bewußt­sein einverleiben, und er wird fortschreiten von demjenigen, was seine Seele in der Gegenwart erleben kann, zu etwas, was seine Seele etwa in der Vergangenheit erlebt hat. Mit dem Gedächtnis schreitet der Mensch aus der Gegenwart in die Vergangenheit hinein. Wenn Sie sich erinnern an dasjenige, was Sie gestern erlebt haben, so sehen Sie gleichsam in der Zeit zurück. Sie überschauen dasjenige, was jetzt nicht mehr in Ihrer Umgebung ist, was einmal in Ihrer Umgebung war. Und jeder merkt daraus, der das Gedächtnis nach dieser Richtung hin prüft, daß, ebenso wie unser Gegen­wartsbewußtsein an den Raum gebunden ist, der uns umgibt, dieses Ge­dächtnis, diese Erweiterung unseres Bewußtseins über die Vergangenheit hin, an die Zeit gebunden ist. Wir sehen in der Zeitenlinie zurück, wenn wir im Gedächtnis tätig sind. Diese Art Bewußtseinstätigkeit ändert sich nun für den eigentlichen Geistesschüler, ändert sich tatsächlich ganz gewaltig.

Nun muß ich ausdrücklich bemerken, daß ja der Geistesschüler selbst­verständlich nicht in jedem Moment seines Lebens seine höheren Fähig­keiten anzuwenden braucht. Er hat sie und setzt sie in Tätigkeit, wenn er sich dazu gedrängt fühlt, wenn er forschen will in den höheren Welten. Wenn der Geistesschüler forschen will in den höheren Welten, dann geht seine Logik des Kopfes in die Logik des Herzens über, dann geht auch das gewöhnliche Gedächtnis in eine andere Form von Seelentätigkeit über, die wir gleich beschreiben wollen. Aber, ich möchte sagen, für die gewöhn­lichen Tageserlehnisse muß sich ja der Geistesschüler nicht immer in seinen höheren Bewußtseinszustand versetzen, so daß er in bezug auf das Alltags-leben diejenigen Seelenfähigkeiten, die jetzt hier beschrieben worden sind, nicht immer anzuwenden braucht. Er kann aus den Stunden seines Forschens in den höheren Welten wiederum zurückkehren in die gewöhnliche Welt und wird da natürlich geradeso denken und ein Gedächtnis haben wie die andern Menschen. Es ist also ein Sich-versetzen-Können von dem Zustand des normalen Bewußtseins in einen andern Zustand des übernormalen Be­wußtseins, dessen der Geistesschüler fähig ist. Wir müssen uns das immer vorhalten; wir dürfen nicht sagen, der Geistesschüler muß immer die Merk­male zeigen, die geschildert worden sind.

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Das Gedächtnis nun für alle diese Fälle, wo der Geistesschüler in dem Be­wußtseinszustand ist, in dem er in der geistigen Welt forscht, das ändert sich so, daß dasjenige, was er da wahrnimmt in der geistigen Welt, durch eine ähnliche Fähigkeit wie das gewöhnliche Gedächtnis sich in der Tat nun nicht zeitlich, sondern räumlich ausnimmt. Es ist eine vollständige Verwandlung, die init diesem Gedächtnis vorgeht. Während das gewöhnliche Bewußtsein, wenn es sich an etwas erinnern will, was es gestern erlebt hat, in der Zeit zurückblickt und die Ereignisse von gestern gleichsam heraufzuholen sucht in der Richtung der Zeiteulime, ist es mit dein Fortschreiten in der geistigen Erkenntnis so, daß der Geistesschüler das Vergangene etwa so erlebt, wie wenn man im gewöhnlichen Bewußtsein hier steht und zu der in der Ecke befindlichen Türe hinschaut, zu etwas, was im Raume gleichzeitig ist; so daß also die gestrigen Ereignisse dastehen nur wie durch eine Entfernung von den heutigen Ereignissen getrennt. Und dasjenige, was in der Zeit weiter zurückliegt, ist in der Zeitenhnie, die sich in eine Raumlinie ver­wandelt, auch nur entsprechend weiter getrennt als das, was in der Zeiten-linie näher hegt, gegenwärtig ist. Man kann also sagen: Für den Geistes­schüler stellen sich die sonst für das Gedächtnis in der Zeitform auftretenden Ereignisse, die da hintereinander erscheinen, nebeneinander auf, und er muß gleichsam von einem zum andern wandeln, von einem Ereignis zum andern, von einem Wesen zum andern schreiten.

Sie werden erkennen, wenn Sie genau durchdenken, was schon in den vorhergehenden Vorträgen gesagt worden ist, daß das jetzt Auseinander-gesetzte ganz gut stimmt zu dem früher Gesagten. Es wurde gesagt, daß man sich, sobald man die geistige Welt betritt, mit den Dingen und Wesen­heiten vereinigen muß. Wenn diese Dinge und Wesenheiten nun in der Zeit fern von einem hegen, dann muß man auch zu ihnen hingehen, um sich mit ihnen zu vereinigen. Man muß nicht bloß in der Zeiteulinie zurück­gehen, denn die Zeit verwandelt sich in eine Art von Raum; sondern man muß die Zeitexiiinje abschreiten wie eine Linie im Raum, um sich mit den Wesen und Dingen vereinigen zu können. Kurz, man kann sagen, daß sich in bezug auf die Seelenfähigkeit des Gedächtnisses die Zeit zu einer Art von Raum verwandelt, sobald man die geistige Welt betritt. Also das Gedächtnis ist für den Geistesschüler eine wesentlich neue Fähigkeit geworden. Er sieht zum Beispiel ein vergangenes Ereignis so, wie wenn es in der Gegenwart

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noch da wäre; er beurteilt die Zeit, die vergangen ist, nach der Distanz, in der es getrennt von ihm ist. So daß Sie daraus entnehmen können, daß die Vergangenheit für den Geistesschüler sich hinstellt wie etwas, was räumlich sich nebeneinander hinstellt. Und es ist dann tatsächlich, wenn diese Form des Gedächtnisses errungen ist, das Forschen in der Vergangen­heit wie ein Ablesen der stehengebliebenen Ereignisse. Man nennt dieses Ablesen der stehengebliebenen Ereignisse das Lesen in der Akasha-Chronik, weil man geradeso, wie man unsere Welt als physische Welt bezeichnet, diejenige Welt, in der man sich dann bewegt, als die Akasha-Welt zu be­zeichnen hat - diejenige Welt, in der die Zeit zum Raum geworden ist. Dies verändert in der Tat die ganze innere Seelenverfassung des echten, wahren Mystikers. Denn dasjenige, was im gewöhnlichen Leben Zeit ge­nannt wird, ist etwas, was er eigentlich dann gar nicht mehr in dieser Form hat.

Es ist gerade an diesem Beispiel in einer wunderschönen Weise wiederum zu erkennen, wie die Dinge, wenn man sie subtil von ihrem wahren Ge­sichtspunkt aus betrachtet, wunderbar im Einklang stehen. Denken Sie ein­mal, was aus dem Menschen im gewöhnlichen Leben würde, wenn er sein Denken nicht mit seinem Gedächtnis in Einklang bringen könnte, wenn er seine Logik des Verstandes in Widerspruch fände mit demjenigen, was sein Gedächtnis sagt. Sie können sich den Fall leicht konstruieren. Denken Sie einmal, Sie würden vor sich haben irgendein Dokument, das meinetwillen das Datum vom 26. März trägt. Das ist eineWahinehmung, die Sie in Ihrem Gegenwartsbewußtsein haben. Aber Sie waren dabei, als das Ereignis statt-gefunden hat, das in diesem Dokument aufgeschrieben ist, und Sie gehen die Tage hindurch zurück, Ihr Gedächtnis sagt Ihnen, es muß um einen Tag früher gewesen sein. Da haben Sie sozusagen einen grobklotzigen Fall, wo eben Ihr Gegenwartsbewußtsein mit Ihrem Gedächtnisbewußtsein inWider­spruch gerät. Solche Fälle können in der Regel in der physischen Welt sehr leicht korrigiert werden. Schlimmer wäre es in der geistigen Welt. Da ist die Kontrolle nur dadurch zu erreichen, daß man jene Sicherheit in der physischen Welt durch seine eigene Natur und Wesenheit in die geistige Welt hineinträgt. In der physischen Welt ist im allgemeinen ein Irrtum des Denkens nicht gar so schlimm, er korrigiert sich; die äußeren Verhältnisse der physischen Welt korrigieren Irrtümer. Wenn man zum Beispiel, sagen

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wir, seinem Denken nicht gehörige Aufmerksamkeit zugewendet hat und vergißt, daß man, wenn man dieses Haus verläßt, linkrs gehen muß, um nach Hause zu kommen, dann wird einen die Wirklichkeit bald korrigieren. Also auf dem physischen Plan ist ein Irrtum nicht gar so schlimm. Aber auf dem geistigen Plan haben wir so bequeme Korrekturen der Irrtümer nicht; da muß man schon entsprechend für diese höhere Welt in sich die Sicherheit haben, daß man den Fehler nicht so leicht macht, daß man nicht so leicht durch Unaufmerksainkeit in den Irrtum verfallen kann, statt nach links nach rechts zu gehen. Da muß man die Sorgfalt der Vorbereitung darauf verwenden, daß man diese Sicherheit bekommt. Hat man sie nicht, dann würde ein Irrtum in der geistigen Welt viel teurer zu stehen kommen, denn er würde einen ins Bodenlose hineinführen können. Also es muß ein be­stimmter Einklang bestehen zwischen der Logik des Herzens und dieser eben beschriebenen Art des Gedächtnisses, geradeso wie ein Einklang besteht zwischen der Logik des Kopfes und dem Gedächtnis des gewöhnlichen Be­wußtseins.

Nun ist aber durch die Art, wie wir uns entwickeln, eine Garantie ge-geben, daß ein solcher Einklang besteht. Und hier kommen wir an einen der Fälle, wo wir den Satz, den der Geistesschüler eigentlich niemals aus den Augen verlieren soll, bestätigt finden können, daß alles äußere Physi­sche eigentlich nur dann verstanden wird, wenn es nicht direkt genommen wird, sondern als Gleichnis eines Übersinnlichen, eines Geistigen. In der Tat haben wir ein physisches Werkzeug für unsere Logik des Kopfes in unserem physischen Gehirn. Das ist ja etwas, was ein jeder durch die gewöhnliche Wissenschaft und durch Überlegung wissen kann. In derselben Weise kön­nen wir allerdings nicht sagen, daß wir an unserem physischen Herzen ein Werkzeug haben für die Logik des Herzens. Denn in der gegenwärtigen menschlichen Entwickelung ist dasjenige, was wir Logik des Herzens nennen, etwas viel Geistigeres als die Logik des Kopfes, und unser Herz ist nicht in demselben Grade physisches Organ für das Denken des Her­zens, wie unser Gehirn physisches Organ ist für das Denken des Ver­standes. Aber ein Gleichnis liegt uns in gewisser Weise doch in unserem Herzsystem vor. Wenn nämlich das Denken des Herzens die Zeit in den Raum verwandelt, so muß man in dem Augenblick, wo man so für das Vergangene oder das Zukünftige in die geistige Welt eindringt, eigentlich

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mit seinem ganzen Wesen fortwährend herumwandeln, muß in einem fort­währenden Kreislauf begriffen sein. Das ist auch entschieden die Empfin­dung, welche derjenige hat, der von dem gewöhnlichen Gedächtnis zu dem höheren Gedächtnis des Geistesforschers hinaufsteigt. Während der Mensch mit dem gewöhnlichen Gedächtnis glaubt, in der Gegenwart festzustehen und zurückzublicken auf die Vergangenheit, hat der Geistesforscher das innere Erlebnis, daß er tatsächlich, wie man sonst nur im Raum spazieren-geht, in der Zeit zurück spazierengeht, daß er die Zeit abschreitet. Und dieses Bewußtsein drückt sich äußerlich aus in dem Erleben unseres Blutsysteins, das auch in einer fortwährenden Bewegung sein muß, wenn wir überhaupt leben wollen. In unserem Blute machen wir fortwährend die Bewegung vom Herzen durch den Körper und wiederum zurück. Der Kreislauf des Blutes gibt Ihnen das Bild einer Bewegung. Das Blut ist in einer fort­währenden Bewegung, so daß also dasjenige, was eigentlich zum Herzen gehört, in einer fortwährenden Bewegung ist. Was zum Kopf gehört, das werden Sie nicht in einer entsprechenden fortwährenden Bewegung finden. Die Teile des Gehirns bleiben immer an den Orten, wo sie sind, so daß in der Tat das Gehirn ein physisches Gleichnis ist für dasjenige Bewußtsein, das im Raum sich geltend macht. Das rinnende Blut, der Saft des Herzens, ist in seiner Zirkulation ein Bild der Beweglichkeit des Bewußtseins des Geistes. So ist ein jegliches Physisches ein Gleichnis für das entsprechende Geistige. Das ist in der Tat eine außerordentlich interessante Tatsache, daß wir in unserem Blutsystem ein Bild haben von gewissen Fähigkeiten des Geistesforschers und auch von denjenigen Welten, in denen der Geistes-forscher mit seiner eigenen Wesenheit sich bewegt.

So also blicken wir, indem wir aufsteigen zu dem Begreifen eines höheren Bewußtseins, förmlich in einen anderen Raum hinein, in einen Raum, den das gewöhnliche Bewußtsein gar nicht kennt, in einen Raum, der dann ent­stehen würde, wenn der Zeitenßuß immer gerinnen würde, injedem Augen­blick gerinnen würde. Wenn Sie dasjenige vor sich haben wollten, was Sie gestern erlebt haben, dann müßte ein Augenblick dessen, was gestern erlebt worden ist, wie erstarrt sein. Im nächsten Augenblick ist die gazze Welt schon wieder anders; der Augenblick, der jetzt ist und schon wieder nicht ist, müßte sozusagen wie in einer Moinent-Raumphotographie festgehalten werden. Jeder Augenblick müßte so festgehalten werden, und dann müßten

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diese aufeinanderfolgenden Raumpliotographien nebeneinander aufgestellt werden. Dann hätten Sie das, was der Geistesforscher tatsächlich in einer gewissen Weise lebendig vor sich hat. Nicht nur den gewöhnlichen Raum hat er vor sich, sondern er hat vor sich, was man nennen kann einen Raum, der ganz anderer Natur ist, den man bekommen würde, wenn man die Welt in den aufeinanderfolgenden Zeitaugenblicken immer räumlich photo­graphieren und die Photographien nebeneinanderstellen würde. Ein solcher Raum unterscheidet sich ganz wesentlich von demjenigen Raum, in dein wir gewöhnlich leben, den wir als den unsrigen erkennen. Sie können un-möglich in demjenigen Raum, den Sie als den gewöhnlichen erkennen, ein Bild von dein eben geschilderten geistigen Raum entwerfen. Denn wenn Sie den physischen Raum nehmen und versuchen, irgendwohin eine Linie zu ziehen, so können Sie diese Linie gar nirgends anders ziehen, als da, wo schon Linien sind. Sie kommen gar nirgends über den gewöhnlichen Raum hinaus. Sie können also dasjenige, was der Geistesforscher durchschreitet, nicht in den gewöhnlichen Raum einzeichnen, denn da kommen Sie nur von einem Punkte zum andern Punkt. Also eine solche Linie können Sie in unsern Raum nicht hineinzeichnen, wie sie der Geistesforscher durchschrei­ten muß, wenn er in seinem Raum sich bewegt und wenn die Zeit ihm zum Raume wird.

Sie sehen also, daß das gewöhnliche Bewußtsein in dem Raum, den es hat, eingeschlossen ist; es kann gar nicht heraus. Dennoch, der Geistes-forscher kommt heraus. Der Geistesforscher weiß ganz gut: es ist nicht eine Linie, durch die er sich von einem Ort zum anderen hinbewegt, sondern es ist eine Linie, durch die er sich bewegt von heute meinetwillen zu Ereignis­sen, die fünf, sechs Tage vorher stattgefunden haben; aber diese Linie können Sie nicht in den gewöhnlichen Raum hineinbringen. Wir kommen da also zu einem Raumbegriff, der in der Tat entspricht dem Gedächtnis des Geistesforschers und in dem Linien gezogen werden können, die nicht in den gewöhnlichen Raum hineingehen. Damit haben Sie, wenigstens dem Begriff nach, dasjenige vor sich, was man in wahrem Sinn des Wortes einen Raum mit einer neuen, einer vierten Dimension nennt. Derjenige Raum, den der Geistesforscher betritt in diesem Fall, wenn er das neue Ge­dächtnis bekommt, der hat eine Dimension mehr als der gewöhnliche Raum, eine Dimension, die Sie nirgends finden können im gewöhnlichen

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Raum. Daher müssen wir schon davon sprechen, daß der Geistesforscher aus den drei Dimensionen des Raums heraustritt in dem Augenblick, wo sich bei ihm sein höheres Gedächtnis geltend macht. Wir haben also jetzt nicht nur darauf hingedeutet, daß ein solcher Begriff vom vierdimensionalen Raum denkbar ist, sondern daß es eine ganz bestimmte Fähigkeit gibt, näm­lich das höhere Gedächtnis des Menschen, für welche dieser vierdimensio­nale Raum eine Wirklichkeit ist.

Eine jede Sache hat in gewisser Beziehung, wenn sie die Entwickelung betrifft, auch ihre Kehrseite, und diese Kehrseite ist gerade bei der Ent­wickelung jener Seelenfähigkeit vorhanden, welche Ihnen geschildert wor­den ist, bei der Entwickelung des Gedächtnisses. Sie sehen, es ist das Betätigen einer neuen Gedächtnisfäliigkeit, zu der sich der Geistesforscher aufringen muß. Wenn nun jemand Anleitungen bekommt, sich in die höheren Welten hinzufzuentwickeln, so liegt ihm auch als Ziel vor Augen, dieses Gedächtnis zu bekommen; wir können es nennen das geistige Raumgedächtnis. Allein, wenn Sie eine solche Entwickelung durchmachen oder sich erzählen lassen von denen, welche eine solche Entwickelung begonnen haben, werden Sie erfahren, daß solche Leute vielleicht klagen, wenn sie die Sache noch nicht durchschauen - denn wenn sie sie durchschauen, so klagen sie nicht, sondern betrachten die Sache als etwas ganz Naturliches : Ja, Jetzt habe ich begon nen, mich vorzubereiten. Früher habe ich ein so ausgezeichnetes Gedächtnis gehabt. Dieses Gedächtnis hat nachgelassen.

Das ist in der Tat etwas, was in gewisser Beziehung einem ganz richtigen Erlebnis entspricht. Das gewöhnliche Gedächtnis erleidet in der Tat zu­nächst etwas Einbuße unter der geistigen Entwickelung. Das ist eine Er­fahrung, die durchgemacht werden kann. Und deijenige, der das weiß, der wird sich keine Skrupel darüber machen, wenn er bemerkt, daß das gewöhnliche Gedächtnis ein wenig Einbuße erfährt, denn er weiß ja, daß er einen volikräftigen Ersatz dafür erhält. Wenn er fast an der Grenze sein könnte, wo er sagen müßte: Diese geistige Entwickelung hat mich schön hergerichtet, sie hat mir mein Gedächtnis herabgemindert - er wird ja noch immer ausreichen mit dem Maß des Gedächtnisses, das er noch hat -, wenn die Sache sozusagen gefährlich werden könnte, da wird er bemerken, daß er einen Ersatz bekommt für das Gedächtnis. Er wird es zwar sehr schwer haben, wenn er sich erinnern soll an etwas, was er erlebt hat, dafür

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aber wird er den Ersatz bekommen, daß ein Bild vor seiner Seele auftritt. In diesem Bild stehen lebendig da vor dem geistigen Auge die Ereignisse, die er erlebt hat; es drängen sich seinem Bewußtsein in Bildern diese ver­gangenen Tatsachen au£ Und das ist dann natürlich ein viel treueres, sichereres Gedächtnis als dasjenige, welches man gewöhnlich hat im Leben. Daher können Sie wohl auch hören von solchen, die eine gewisse Entwicke­lung durchgemacht haben, daß sie durch eine Art von Verdunkelung ihres Gedächtnisses gegangen sind und daß sie dann wieder eine AufheUung die­ses Gedächtnisses in neuer Form bekommen haben. Und dieses neue Ge­dächtnis ist sehr merkwürdig, weil es die vergangenen Dinge bildhaft vor Augen stellt. Dieses Gedächtnis ist besser als das gewöhniiche Gedächtnis, denn das gewöhnliche Gedächtnis hat einen großen Mangel: es zeigt die Dinge sehr schattenhaft und abgeblaßt, und die Einzelheiten gehen verloren. Für das Gedächtnis aber, das sie wie in Raumbildern hinstellt, tauchen die Einzelheiten wieder au£ Da schattiert sich und nuanciert sich alles, und die Treue des Gedächtnisses nimmt ungeheuer zu für dasjenige, was sich aus dem Dunkel des neuen Raumes vor die menschliche Seele hinstellt.

So also sehen wir auftreten eine neue Seeleufähigkeit, die allerdings jetzt nicht wie die Erinnerung, wie die Gedankenerinnerung, die Vorstellungs-erinnerung an Verflossenes dasteht, sondern die dasteht wie das Anschauen des Verflossenen. Wir sehen eine neue Seelenfähigkeit auftauchen; aber wir sehen zwischen demjenigen, was heute dieser Seelenfähigkeit entspricht, und demjenigen, was diese Seeleufähigkeit werden kann, etwas wie eine Art von Verdunkelung der entsprechenden Fähigkeit. Um das neue Ge­dächtnis zu bekommen, nimmt das alte in gewisser Weise ab, verdunkelt sich. Dann kommt das neue immer mehr und mehr in Aufschwung. Es liegt also etwas wie eine Verdunkelung zwischen zwei solchen Seelenfähig-keiten, wenn sie sich entwickeln. Wir haben also jetzt gleichsam drei Seelenzustände für das Gedächtnis: den des gewöhnlichen Gedächtnisses, das einen bestimmten Grad von Treue haben kann, dann eine Art von Ver­dunkelung, dann ein Wiederaufleuchten des Gedächtnisses in einer neuen Form. Man nennt nun den Zustand, der eine solche Seelenfähigkeit auf ihrer Höhe zeigt, mit einem Ausdruck der orientalischen Philosophie Man­vantara des betreffenden Zustandes und denjenigen Zustand, wo eine Ver­dunkelung eintritt, Pralaya; so daß wir sprechen können von einem Manvantara

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des Gedächtnisses, wie es das gewöhnliche Bewußtsein hat, wenn dieses Gedächtnis eben ausgebildet ist, von einer Art Pralaya des Gedächt­nisses und von einem Wiedereintritt in den Manvantarazustand, wenn das neue Gedächtnis auftritt.

Wenn wir uns nun erinnern an dasjenige, was über die menschliche Ent­wickelung gesagt worden ist, so können wir hinweisen darauf, daß der Mensch also in früheren Zeiten eine Art Logik des Herzens schon hatte, in der Gegenwart durchgeht durch die Logik des Verstandes und daß in der Zukunft ihm wieder eigen sein wird eine Logik des Herzens, in die die Logik des Verstandes verarbeitet sein wird wie eine Frucht. Dann aber müßte auch jenem früheren Zustand des Menschen, den wir erahiien kön­nen, entsprochen haben in den anderen Seelenfähigkeiten etwas Ähnliches wie dasjenige, was wiedererlangt wird, wenn die Logik des Herzens auftritt. Wir werden also nicht nur zurückgewiesen auf den alten Zustand der Seele, in dem das Denken des Verstandes noch nicht vorhanden war, son­dern weil wir hingewiesen werden aufeinen unterbewußten Zustand des Her­zens, werden wir auch aufetwas hingewiesen, was dem eben geschilderten hö­heren Gedächtnis ähnlich ist, was nur auf einem untergeordneten Zustand da ist. Es wird mit dem Urzustand des Denkens verknüpft sein eine Art von Gedächtnis, das in Bildern schaut, geradeso wie mit dem zukünftigen Zu­stand der Menschheit verknüpft sein muß ein Gedächtnis, das in Bildern schaut. Und jetzt können Sie sich geradezu das Wesen eines ursprünglichen Menschen einigermaßen vorstellen. Er hat nicht so gedacht wie der heutige Mensch, denn das Denken in Begriffen ist erst erworben worden. Logik des Herzens, nicht durchleuchtet von Vernunft und Wissenschaft im heutigen Sinne, war da. Aber dafür war verbunden damit eine Art von Raumgedächt­ms, Raumgedächtnis so, daß die Zeit zum Raum geworden ist. Was würde denn damit verbunden gewesen sein, wenn wir uns diesen Zustand nun recht ausmalen würden? Nun, wenn der Mensch heute hinaufschauen will in verflossene Zeiten, dann muß er sein Gedächtnis, so weit es reicht, anstren­gen. So weit es nicht reicht, muß er die Dokumente zur Hand nehmen. Sie wissen, wie die Vergangenheit heute durcbforscht wird. Sie wird durch-forscht aus demjenigen, was sich im einzelnen menschlichen Gedächtnis er-halten hat, durchforscht aus dem, was Völker in ihrem Bewußtsein, in der Tradition, noch erhalten haben, aus dem, was in steinernen Dokumenten,

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in Denkinälern undso weiter aufbewahrt ist, und wenn wir weiter zurück-gehen, aus dem, was meinetwillen da ist an Knochenresten, Muschelschalen, an Gesteinen, welche die Verwandlungen heute noch in ihrem Aussehen zeigen, welche uns auf frühere Stufen der Entwickelung hinweisen. Kurz was da ist, wird durchforscht, damit man auf diese Weise ein Bild bekommt von der Vergangenheit. Man muß durchaus den Standpunkt in der Gegen-wart nehmen und von da aus sich die Vergangenheit konstruieren.

Wir sehen aber jetzt in einen Urzustand der Menschheit hinein, wo das nicht so war, wo der Mensch das Vergangene wie ein Gegenwärtiges raum-haft, bildhafi vor sich hatte. Und damit haben wir eine Art von Erklärung fhr eine frühere Art der menschlichen Seelenverfassung, für eine wirklich vorhandene frühere Seelenstimmung des Menschen. Der Mensch hat seinen Ursprung nicht zu erforschen gebraucht, sondern er hat ihn sehen können. Er hatja nach dem Grade, in dem er eben entwickelt war, mehr oder weni­ger weit in die Vergangenheit zurückschauen können. Und indem er darauf zurückgeschaut hat, hat er dasjenige gesehen, aus dem er selber hervorge­gangen war. Daraus können wir uns erklären die Pietät, die der Mensch verbunden hat initjenem Rückblick in die Vergangenheit, und das unmittel­bare Wissen, das der Mensch von der Vergangenheit hatte.

Nun müssen wir allerdings, nachdem wir uns gleichsam drei aufeinander­folgende Zustände der Menschheit vor die Seele gestellt haben, etwas ge­nauer in das Wesen des Menschen hineinblicken, wenn wir weiterkommen wollen im Verständnis der menschlichen Entwickelung. So wie der Mensch heute ist, so ist erja, das kann uns schon eine äußere physische Beobachtung lehren, unbedingt erst geworden, so war er nicht immer. Er hat sich not­wendigerweise aus anderen Zuständen, aus anderen Formen seines Daseins zum gegenwärtigen Zustand fortgebildet. In bezug auf das Seelische haben wir an einen früheren Zustand erinnert, weil wir erkennen konnten einen Zustand, den der Mensch in der Zukunft erklimmen wird, wenn er durch­gegangen sein wird durch dasjenige, was wir in der Gegenwart die Kraft des menschlichen Denkens des Kopfes nennen. Nun aber, wenn Sie sich dies vor Augen halten, was gestern und vorgestern gesagt worden ist, daß der Mensch von seinem gegenwärtigen Zustand ausgehen und die Methoden, die der geistige Lehrer ihm an die Hand gibt, auf seine Seele anwenden kann, so können Sie sich sagen: Es wäre undenkbar, daß man von einem

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früheren Zustand der Menschheit ausgehen würde, um gleich den höheren Zustand, der geschildert worden ist, zu erreichen. - Das wurde ja gerade so streng betont, daß man erst die Früchte des gegenwärtigen Zustandes in seine Seele hereinnehinen muß, um zu höheren Stufen emporzusteigen; daß derjenige, der vorschreiten will zur Logik des Herzens, verarbeiten muß, was man aus der Logik des Verstandes gewinnen kann, das er in sich forttragen muß, um es allerdings zu vergessen, wenn er aufsteigt zur Logik des Herzens. Aber es kann keine Stufe der menschlichen Entwickelung sozu­sagen übersprungen werden; es muß eine jede Stufe überschritten werden. Es mußte also der Mensch, damit seine Znkunft möglich gemacht wird, damit er jemals schreiten kann zu demjenigen, was wir uns als so bedeut­sames Ideal vor Augen gestellt haben, erst zu seiner gegenwärtigen Stufe herangebildet werden; es mußte der Mensch, bevor er so weit vorscbreitet, die Logik des Kopfes ausbilden. Diese Logik hat aber ihr Werkzeug im Gehirn und Rückenmark. Wir haben nun gesehen, daß dieses Gehirn und Rückenmark herausgebildet worden sind aus denjenigen Kräften, die wir gefunden haben im Vemunftreich, die uns also aus dem Vernunftreich her­aus zugeflossen sind. Alles andere ist früher zurückgestoßen worden, und einiließen gelassen wurde nur dasjenige, was an Kräften in dem Vernunft-reich ist, damit dieser Wunderbau unseres Gehimes in unserem Innern ge­bildet werden konnte. So daß wir sagen können: Es ist das menschliche Gehirn dadurch möglich geworden, daß der Mensch fähig geworden ist, auszuschließen von dieser Gehirnbildung alle andern Reiche und nur hinein-fließen zu lassen das Vernunftreich. - Wie aber dieses menschliche Gehirn da sein muß, wenn der Mensch sich nun weiterentwickeln will, um zu dem­jenigen fortzuschreiten, was wir das Urbilderreich genannt haben, so kön­nen Sie sich jetzt leicht denken, daß wiederum etwas vorher da sein mußte, bevor das Vernunftreich das Gehirn bilden konnte. Geradeso wie wir heute arbeiten müssen auf der Grundlage unserer Gehirnbildung, um uns in höhere Reiche hinaufzuarbeiten, so mußte vorher aus andern Reichen her­aus, die eine Grundlage, ein Stützpunkt waren, die Arbeit des Vernunft-reiches geleistet werden. Das heißt, wie unsere Weiterentwickelung voraus­setzt unsere Logik des Verstandes mit seinem Werkzeug, dem Gehirn, so setzen wiederum das Werkzeug des Gehirnes und die Arbeit des Vernunft-reiches eine andere Grundlage voraus, eine Arbeit, die von dem nächstniedrigeren

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Reich aus geleistet wird. Und wir arbeiten uns hinauf in das Reich der Urbilder.

Wir sehen damit auf etwas zurück, was wir begreifen können als ein Sich-herauf-Entwickeln von einer früheren Stufe, wo noch nicht das Ver­nunftreich einfloß in den Menschen, sondern wo erst das geistige Reich ein-floß, das wir beschrieben haben, wo das Vernuriftreich an ihm noch gar mcht tätig war. Wir blicken also auf eine Zukunft, wo aus dem Urbilder-reich dem Menschen Kräfte zuströmen. Wir blicken auf die Gegenwart, wo aus dein Vernunftreich dein Menschen das Gehirn sich formte. Und wir blicken auf eine Vergangenheit, wo aus dem geistigen Reich heraus dem Menschen geformt wurde dasjenige, was einer früheren Entwickelungsstufe als Grundlage entspricht. Wir werden auch leicht finden können, was einer früheren Entwickelungsstufe als Grundlage entspricht, wenn wir alles das sinngemäß anwenden, was wir gesagt haben.

Unser Gehirn ist herausgebildet aus dein Vernunftreich. Und wir haben gefunden, daß eine gewisse Logik des Herzens der Logik des Verstandes, die nur möglich ist durch die Taten des Vernunftreiches, voranging. Daraus wird es uns begreiflich erscheinen, daß aus jenem geistigen Reich heraus auf einer Vorstufe für den Menschen sein Herz, sein gegenwärtiges Herz ge­bildet ist. Dieses gegenwärtige Herz, das steht ja in der Tat in einer viel engeren Beziehung zu dem, was unterbewufite Logik des Herzens ist, als das, was höhere Logik des Herzens ist, zu diesem Herzen steht. Diese höhere Logik des Herzens ist natürlich viel geistiger als die gewöhnliche Logik des Herzens; aber die gewöhnliche Logik des Herzens, die sozusagen noch von dein Verstand bloß angekränkelt ist, die hat in der Tat im physischen Herzen eine Art Ausdrucksmittel, wie die Vernunft im physischen Gehirn ein Aus­drucksmittel hat. Wenn der Mensch irgend etwas als schön, als wahr, als groß, als herrlich, als gut nicht durch seine Überlegung, nicht durch die kalte, nüchterne Verstandesüberlegung einsieht, sondern wenn er unmittel­bar, ohne Verstandesüberlegung herantritt an ein Schönes, an ein Wahres, an ein Gutes, dann wird er schon an dem höhern Schlag des Herzens seine Zustimmung zu dein betreffenden Schönen, Wahren, Guten bemerken. Unser Herz schlägt wirklich anders im unternormalen Bewußtsein gegen­über dem Schönen, Herrlichen, Großen, Guten und anders gegenüber dem Verderblichen, Bösen, Häßlichen, Niederen. Da ist wiederum etwas in dieser

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ursprünglichen Logik des Herzens, was genannt werden kann ein un­mittelbares Miterleben. Und wenn diese Logik des Herzens, die im Unter­bewußtsein verläuft, sozusagen mit einer deutlicheren Sprache auftritt, so zeigt auch schon das Herz mit seiner Blutbewegung ganz deutlich, wie es ein Ausdruck ist der Logik des Herzens. Wir können sehen, was ein wieder­holter Schmerz über irgendeinen Verlust, der uns immer wieder vor Augen steht, unmittelbar in uns auslösen kann. Er kann unmittelbar in uns auslösen das, was sich dann in der ganzen Leiblichkeit ausdrückt, sich ausdrückt viel­leicht sogar bis zum Dahinsiechen der Leiblichkeit. Das arbeitet allerdings auf dem Umweg des Herzens. Das ließe sich physiologisch nachweisen; wir werden es aber verstehen können aus dem, was gesagt worden ist.

So werden wir es begreiflich finden, daß ebenso, wie unser Gehirn heraus­gebildet ist aus dem Vernunfireich, wie unser zukünftiges vergeistigtes Herz vergeistigt werden muß aus dem Reich der Urbilder, so unser gegenwärtiges Herz herausgebildet ist aus dem geistigen Reiche. Unser Herz also zeigt sich uns damit als ein Organ, das uns auf diejenige Grundlage im Menschen hin­weist, die schon da sein mußte, bevor das Organ seines Denkens gebildet worden ist. Da sehen Sie auf etwas, was Ihnen einen ganz veränderten Begriff geben kann von dem menschlichen Leib, von der äußeren menschlichen Leiblichkeit. Sie richten den Blick auf des Menschen Kopf und sagen sich:

Was heute im Menschenkopf da ist, das konnte gebildet werden erst, nach­dem die andere Grundlage geschaffen war, die sich heute ausdrückt im menschlichen Herzen. - So wie die Organe nebeneinander stehen im Raum, so weisen sie uns darauf hin, daß sie nicht gleichwertig sind, sondern daß das Gehirn eine spätere Bildung ist als das Herz. Das Herz ist ein älteres Or­gan. Das Herz mußte zuerst in gewisser Weise ausgebildet gewesen sein, dann konnte sich erst auf der Grundlage des Herzens als weitere Bildung eingliedem in den Menschen dasjenige, was seine Gehirnbildung ist. Was sich uns da zeigt, das ist etwas außerordentlich Interessantes. Es zeigt sich uns nämlich, daß wir, wenn wir Gehirn und Herz nebeneinander haben, ganz fehl gehen, wenn wir sie gleichwertig nebeneinanderstellen. Wir gehen nur dann richtig, wenn wir sagen: Dieses Gehirn ist einejüngere Bildung, das Herz ist eine ältere Bildung. -Wir müssen, um den Ursprung des Herzens zu finden, in ältere Zeiten zurückblicken, als wenn wir nur das Gehirn be­greifen wollen.

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Nun hört aber ein Organ ja nicht auf, sich zu entwickeln, wenn ein ande­res da ist. Wir können also sagen: Das Herz mußte früher dagewesen sein als das Gehirn. Aber als das Gehirn entstand und sich entwickelte, ent­wickelte sich auch das Herz weiter, es bildete sich um. - So daß also das Herz, so wie es jetzt ist, allerdings zwei Verwandlungen zeigt und das Ge­hirn nur eine einzige. Das Herz begreifen wir also nicht dadurch, daß wir es einfach im Raum neben das Gehirn hinstellen, sondern wir begreifen es nur dann, wenn wir es als einen älteren Ahnen gegenüber dem Gehirn auf­fassen. Wer einfach das Herz neben das Gehirn des Menschen so im Raum hinstellt, der gliche demjenigen, welcher nebeneinander einen vierzig-jährigen Mann und einen fünfzehnjährigen Jüngling sieht und sagt: Die sind nebeneinander, also betrachte ich sie auch nebeneinander und mache mir eine Vorstellung von der Art, wie sie beschaffen sind, indem ich sie ganz genau nebeneinander betrachte und zergliedere. - Ein solcher Mensch würde natürlich eine Torheit begehen, denn um den Fünfzelinjährigen zu begreifen, muß er fünfzehn Jahre Entwickelung berücksichtigen, und um den Vierzigjährigen zu begreifen, wie er geworden ist, muß er eine längere Zeit voraussetzen in der Entwickelung, und er ist ein Tor, wenn er die beiden nach gleichen Entwickelungsprinzipien nebeneinander klassifiziert; wenn er also den fünfzehnjährigen Jüngling und den vierzigjährigen Mann genau gleichwertig ansehen und gar nicht einmal einsehen würde, daß er sich vielleicht fragen könnte: Ist der fünfzehnjährige Jüngling nicht etwa der Sohn des vierzigjährigen Mannes? Wird mir nicht manches erklärbar, wenn ich ihn als dessen Sprößling betrachte? - Den, der das nicht einsehen wollte, würde man als einen Toren ansehen. Aber auf dem Standpunkt dieser Torheit steht die gewöhnliche Anatomie. Sie weiß nämlich nichts davon, daß man die Organe, die man findet, wenn man den menschlichen Leib betrachtet, nicht einfach nebeneinander betrachten darf, sondern daß man sie betrachten muß als verschiedenwertig, weil sie auf verschiedene Entwickelungen zurückweisen, und daß man das Gehirn nur dann neben dem Herzen verstehen wird, wenn man dieses Gehirn als jüngere Bildung, das Herz als ältere Bildung auffaßt. Und solange man nicht eine solche Anatomie kennen wird, welche von diesem Gesichtspunkt ausgeht, daß die verschiedenen Organe des Menschen nicht einfach im Raum nebeneinander betrachtet werden dürfen, sondern betrachtet werden müssen nach ihrer

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Wertigkeit - das eine als jüngere, das andere als ältere Bildung -, so lange wird man überhaupt den Menschen in seiner wahren Wesenheit nicht ver­stehen.

So sehen wir also, wie Geisteswissenschaft den Schlüssel liefern muß, den wirklichen Schlüssel zu demjenigen, was uns die gewöhnliche Wissenschaft zuletzt zeigt. Bei dem, der nun eine wirkliche Entwickelung durchmacht, der in die höheren Welten hinaufsteigt, ist es daher so, daß er durch das ge­wöhnliche Kombinieren eigentlich gar nichts Besonderes erreicht. Denn von außen kann man es den Organen wirklich nicht ansehen, welches das ältere, welches das jüngere Organ ist. Und wer da äußerlich kombinieren würde, der würde auf keinen grünen Zweig kommen. Derjenige allein kann auf einen grünen Zweig kommen, welcher die geistigen Welten betritt und in den geistigen Welten nun unterscheiden lernt, wie die Dinge darin sich aus­nehmen. Wenn er mit seinem Raumgedächtnis zurückgeht, dann braucht er nicht so weit zu gehen, um das Gehirn in seinem Anfang zu finden. Viel weiter muß er gehen, um das Herz in seinem Anfang zu finden. Und dann erst, wenn man mit den Erkenntnissen der Geisteswissenschaft wieder her­untersteigt und das Betreffende in der physischen Welt aufsucht, dann findet man es in der physischen Welt bestätigt. Man wird in der Tat den Organis­mus des Menschen erst dann verstehen, wenn man ihn geisteswissenschaft­lich erklärt.

Nun werden wir uns erinnern, daß wir gesagt haben: Zwischen dem, was als Seelenfähigkeit auftritt, wenn wir im gewöhnlichen normalen Be­wußtsein stehen, was zum Beispiel als Gedächtnis auftrirt, und was zurück-weist auf ein früheres Gedächtnis, und der neuen Fähigkeit des Raumge­dächtnisses, zwischen diesen zwei Seelenarten liegt eine Verdunkelung, liegt etwas wie eine Art Auslöschung. Der Geistesforscher findet nun entspre­chend diesem Manvantara- und Pralayazustand etwas Ähnliches in der gan­zen Entwickelung. Wenn wir uns zum Beispiel den Menschen vorstellen, wie er heute vor uns steht, sagen wir, wie er uns im äußerlichen Gleichnis seiner physischen Leiblichkeit entgegentritt, so findet dieser Betrachter, daß das Herz und das Gehirn - wenn wir bei diesen bleiben -, so wie sie gegen­wärtig nebeneinanderstehen, sich eine Weile nebeneinander entwickelt haben. Gehen wir weiter zurück, so kommen wir an den Anfang der Ge­hirnbildung Dieser ist aber nicht der Anfang der Herzbildung. Wir müssen

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weiter zurückgehen, wo das Herz noch nicht mit dem Gehirn in Verbindung gestanden hat, wo noch nicht heruntergeflossen sind die Kräfte des Vernunft­reiches, sondern bloß die Kräfte des geistigen Reiches. So daß wir unter­scheiden können einen Zustand des Menschen, wo herunterfließen als höchste Kräfte in seine Wesenheit herein die Kräfte des geistigen Reiches, dann einen Zustand, wo hereiniließen in sein Wesen die Kräfte des geistigen Reiches und über diesen die Kräfte des Vernunftreiches. Zwischen diesen zwei Zuständen liegt etwas wie ein Pralaya im großen, das heißt, es ver­dunkelt sich die ganze menschliche Entwickelung und tritt dann in neuer Weise auf Wir blicken zurück von dem gegenwärtigen Menschen, der Herz und Gehirn hat, zu einem früheren Menschen, der noch nicht das Gehirn hatte, der ein Herzmensch war; aber wir müssen, wenn wir vom gegen­wärtigen Menschen zurückkommen wollen auf diesen Herzinenschen, ein Pralaya durchpassieren, in dem die äußere menschliche Existenz ausge­löscht war. Und wenn einstmals in der Zukunft der höhere Zustand, den heute der geistige Forscher im Geiste erreichen kann, so erreicht sein wird, daß er sich auch äußerlich leiblich ausdrückt, dann haben wir wiederum einen anderen Zustand des Menschen. Denn Sie können sich ja denken, daß der Mensch, der ein Gehirn hat, anders aussieht als derjenige, dessen Organi­sation sich im Herzen ausdrückt. Der Herzmensch muß äußerlich anders ausschauen als der Gehirnmensch. Aber heute kann der Geistesforscher seine körperliche Gestalt noch nicht ändern. Wenn ein Gott herniedersteigt, so muß er in einem heutigen Menschenleibe auftreten. So daß dasjenige, was zu erreichen ist durch geistige Entwickelung, im Geist, in den unsichtbaren Gliedern erreicht wird; in einem zukünftigen Zustand der Menschheit wird aber dasjenige, was heute im Geist erreicht wird - also dadurch, daß der Geistesforscher hinaufsteigt in höhere Welten -, es wird so erreicht, daß es auch als physischer Zustand sich auslebt. Das heißt, wir müssen uns einen Menschen der Zukunft vorstellen, welcher nun auch äußerlich ganz anders aussieht, einen Menschen, der sein Herz umgewandelt haben wird, der sein Gehirn umgewandelt haben wird, der zu seinem Gehirn ein neues physi­sches Organ haben wird. Und wie heute das Herz unter dem Gehirn liegt, das Gehirn sich über dem Herzen wölbt, so wird ein solches Zukunftsorgan wiederum eine Stellung zum Gehirn haben, das sich dann umgewandelt haben wird. Zwischen dem gegenwärtigen Menschen in seiner Form und

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dem Znkunftsmenschen in seiner Form liegt wiederum ein solches Pralaya, das heißt, die gegenwärtige Existenz muß äußerlich physisch ausgelöscht werden und eine neue muß eintreten.

So haben wir hinweisen können auf drei aufeinanderfolgende Mensch­heitszustände, von denen der eine so ist, daß der Mensch ein Herzmensch ist, wo alles auf das Herz bezogen ist, wie heute doch alles auf das Gehirn bezogen ist, und wir haben daraus entstehen gefunden den gegenwärtigen Menschen, und wir können eine Ahnung bekommen von einem zukünfti­gen Menschen. Wenn wir aber unsern heutigen Menschen betrachten, dann müssen wir sagen: Dieser heutige Mensch ist in seiner Form, wie er heute ist, nur auf der Erde zu denken. - Wer den Menschen im Zusammenhang mit dem ganzen Erdendasein betrachtet, der wird sich sagen: Der Mensch ist eben heute so, weil die Erde so ist, denn er hängt mit den Kräften der Erde zusammen. - Denken Sie sich die Erde nur ein wenig verändert, so würde der Mensch in seiner heutigen Form darauf nicht leben können. Es muß die Luft gerade so zusammengesetzt sein, wie sie zusammengesetzt ist. Es müssen die Stoffe so kombiniert sein, wie sie in Wasser, Luft und so weiter kombiniert sind, damit diese heutige Form des Menschen möglich ist. Das heißt, wir können uns einen heutigen Menschen nicht als physische Leiblichkeit denken, ohne uns die ganze Erde so zu denken, wie sie eben ist. Wenn wir also hingewiesen werden auf den früheren Zustand, wie wir ihn geschildert haben als Herzmenschen, dann müssen wir ihn mit einem andern planetarischen Zustand verbunden denken. Und wenn wir auf einen späte­ren Menschen hinweisen, der auch physisch das Gleichnis sein wird von dem­jenigen, was der Geistesforscher heute in den höherenWelten erreicht, dann müssen wir diesen physischen Menschen wiederum auf einem andern Pla­neten denken, nicht auf unserer jetzigen Erde. Also müssen wir, wenn wir uns überhaupt zurechtfinden wollen durch eine Art von Ariadnefaden, uns vorstellen, daß ebenso, wie sich der Mensch entwickeln kann, mit ihm die Erde sich entwickelt; daß also unsere jetzige Erde zurückweist auf einen früheren Planeten, aus dem sie sich nach und nach entwickelt hat, und hin-weist auf einen zukünftigen Planeten, in den sie sich hineinentwickeln wird, und zwischen beiden liegt ein Verdunkelungszustand. Den Zustand, aus dem sich die Erde entwickelt hat, von dem aus der Mensch jene frühere Form erhalten konnte, von der wir gesprochen haben, nennen wir nun aus

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gewissen Gründen, die uns morgen noch klar werden können, den alten Mondrustand der Erde, und wir bezeichnen denjenigen Zustand, in den sich die Erde verwandeln wird, wenn der Mensch eine neue Form auf diesem Planeten haben soll, als den Jupiterzustand. Das heißt, wir kommen zu drei aufeinanderfolgenden Zuständen der Erde selber. Wir können sagen: Die Erde hat sich aus einem Mond zur Erde entwickelt und wird sich zu einem Jupiter entwickeln.

Nun stellen Sie sich aber einmal vor, daß das nur dadurch geschehen ist, daß sich alle Verhältnisse in bezug auf den Menschen geändert haben; so daß während des alten Mondzustandes hereingeströmt sind in das Menschen-reich nur die Kräfte bis hinauf zum geistigen Reich; auf der Erde strömen die Kräfte aus dem Vernunftreich zu, und auf dem Jupiter werden einströ­men die Kräfte aus dem Reich der Urbilder. Es leben diese drei Zustände unter ganz verschiedenen Einflüssen aus den geistigen Welten heraus.

Jetzt haben wir schon gleichsam an einem Zipfel, was unsere Schulwissen­schaft nicht finden kann. Wir haben gezeigt, wie unsere Schulwissenschaft an einem Öltropfen klarmachen will, wie ein Planetensystem entsteht. Wir haben jetzt wenigstens eine Vorstellung davon, wie ein Planet entsteht aus einer vorhergehenden Form. Nach dem Gleichnis, das man in der Schule gibt - wo man einen Öltropfen bildet, einen Kartenkreis durchschiebt, eine Nadel nimmt und das Ganze zum Rotieren bringt -, müßte ein aufgeweckter Junge immer sagen: Aber da müßte auch draußen im Weltall ein riesiger Herr Lehrer stehen und den Weltennebel heruindrehen. - Nur weil man den Jungen abgewöhnt hat durch starke Suggestion, solche Fragen zu stellen, beruhigen sie sich bei der Äußerung des Lehrers. Jetzt aber haben wir an einem Zipfel zwar keinen Lehrer - der kann es nicht -, aber wir haben ge­wisse Weltenwesen sehen können, die aus verschiedenen geistigen Reichen herunterwirken. Wir haben sehen können, wie aus dem geistigen Reich heraus ein alter Mond gebildet wird, wie der alte Mond umgebildet wird dadurch, daß aus höheren Welten Kräfte eingreifen, und wie dann aus einer noch höheren Welt Kräfte eingreifen werden. Jetzt sehen wir das Geistige im Physischen am Werk.

Nun habe ich Ihnen geschildert, daß der Mensch so, wie er heute ist, nicht sein könnte, ohne daß er im Einklang stünde mit alledem, was unsere heutige Erde ist. Es muß sozusagen entsprechen die Bildung des Menschen

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der Bildung der ganzen Erde. So wie aber die Bildung der ganzen Erde der Bildung des Menschen entsprechen muß, so können Sie sich denken, daß unsere heutige Erde, so, wie sie ist, gar nicht anders möglich ist als in ge­wisser Entfernung von der Sonne und in gewissem Zusammenhang mit anderen Planeten; daß sie also voraussetzt, daß unser ganzes Sonnensystem so ist, wie es ist. Denken Sie sich im Sonnensystem irgend etwas verschoben, so würde alles ganz anders sein, und der Mensch mit. Wenn wir also zu einem früheren Planeten gehen, zum alten Mond, so muß der in einem ganz anders angeordneten System drinnen sein als die jetzige Erde. Also änderte sich durch das Eingreifen der Wesenheiten des Vernunftreiches nicht nur unsere Erde, sondern unser ganzes Sonnensystem wurde ein anderes, als sich der Mond in die jetzige Erde umwandelte.

So sehen wir, daß in der Tat ein Faden gefunden werden kann von der Umwandlung des Menschen, des Mikrokosmos, der kleinen Welt, zu der Umwandlung des ganzen Makrokosmos, der großen Welt. Wir sehen am Werk die Kräfte der verschiedenen Reiche, wie sie den Makrokosmos um­gestalten von System zu System. Wenn unsere Erde selber Jupiter sein wird, so wird damit unser ganzes System ein anderes sein. Damit also kommen wir von unserem jetzigen Sonnensystem allerdings zunächst zu einer Art Verdunkelung. Äußerlich genommen sieht diese Verdunkelung so aus, als wenn das Ganze ein Gasnebel wäre; aber an diesem Gasnebel arbeiten fort­während Wesenheiten aus den geistigen Reichen. Und wir kommen zurück zu einem früheren System, welches anders ist und aus dem die Mächte aus den geistigen Reichen unser jetziges System herausgearbeitet haben. Jetzt sehen wir schon klarer, jetzt blicken wir gleichsam zurück auf ein früheres System, aus dem unser jetziges System hervorgegangen ist. Und wir wer­den nunmehr nach rückwärts und nach vorwärts noch weiterschreiten müssen, um uns begreiflich zu machen, daß das nicht einfach so fortgeht, daß wir etwa von dem früheren Sonnensystem wiederum so weitergehen. Denn einer, der bloß logisch denken würde, der könnte sagen: Ja, was hast du uns hier dargeboten; da entwickelt sich halt Sonnensystem aus Sonnen-system! - So ist es aber nicht. Wir werden zu einem Zustand zurückkom­men, der in der Tat so anders ist als der heutige, daß das gewöhnliche heutige Fragen diesem Zustand gegenüber aufhört. Denn man muß sich klar darüber sein, daß wir sozusagen auch anders fragen lernen, wenn wir zu ganz anderen

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Zuständen derWelt kommen. Warum fragen wir eigentlich?Wir fragen, weil unser Verstand in gewisser Weise beschaffen ist. Aber wir haben ge­sehen: Unser Verstand hat sich selbst erst mit unserem Gehirn gebildet. Unsere Verstandesfragen haben also gar keinen Sinn mehr, wenn wir über solche Zustände hinausgehen, wo der Verstand da ist. Da muß in anderer Weise vorgegangen werden als mit dem gewöhnlichen Fragen. Für die­jenigen Welten, die erst die Grundlage der Verstandeswelt bilden, hat das Fragen nach den Begriffen des Verstandes eben keinen Sinn; da müssen wir zu anderen Mitteln des Erforschens, des Erkennens gehen. Diejenigen Men­schen, die allerdings nicht weiter sehen, als ihre Nase reicht, die werden in der Tat glauben, daß man mit der gewöhnlichen Form des Fragens die ganze Welt abfragen kann. Das kann man aber nicht, sondern man muß sich klar sein darü her, daß man ein jegliches Ding nur in seiner Art erfragen kann. Für die vorangegangenen Welten werden wir nur zurechtkommen können, wenn wir uns an die anderen Kräfte halten, die schon im Denken des Her­zens sich zum Ausdruck bringen.

So also sehen wir, daß der Mensch sich sogar in bezug auf solche Eigen­schaften ändern muß. Er muß sich ändern in bezug auf seine Frageneugierde. Und obwohl wir nicht so unhöflich zu sein brauchen wie der Mann, der denen, die gefragt haben, was der liebe Gott gemacht habe in der Zeit, bevor er die Welt geschaffen habe, darauf gesagt hat, er hätte Ruten ge-schnitzt für die unnützen Frager, so ist aber in einer solchen Antwort doch in gewisser Weise ein Hinweis darauf gegeben, daß der Mensch sich auch in bezug auf seine Art und Form des Denkens ändern muß, wenn er zu den Erkenntnissen höherer Welten aufsteigen will.

ELFTER VORTRAG Wien, 31. März 1910

G119-1962-SE247 - Makrokosmos und Mikrokosmos

ELFTER VORTRAG

Wien, 31. März 1910


-SE247 - Makrokosmos und Mikrokosmos

ELFTER VORTRAG

Wien, 31. März 1910

Es war notwendig, den heutigen Abend an die programmäßigen zehn Abende anzureihen aus dem Grunde, weil zu diesem oder jenem angeschlagenen Thema heute noch das eine oder das andere wird hinzuzufügen sein. Sie werden es ja verspürt haben, daß man über die angeschlagenen Fragen nicht nur wochen-, sondern monatelang, ja jahrelang jeden Abend sprechen müßte, wenn man sie nach allen Seiten hin wirklich ausführen wollte. Es handelt sich aber in der Gegenwart mit Bezug auf geisteswissenschaftliche Verkündigung weniger darum, daß der ganze Umfang geisteswissenschaft­licher Erkenntnis da oder dort gleich vorgetragen wird - das kann ja nicht sein -, sondern vielmehr darum, daß Anregungen gegeben werden. Diese Anregungen machen ja allerdings notwendig, daß appelliert wird von Anfang an nicht allein an das Verständnis, obwohl das in erster Linie der Fall sein muß, sondern sie machen notwendig, daß noch an etwas anderes appel­liert wird. Es darf immer wiederum und wiederum betont werden, weil es zum Lebensnerv der geisteswissenschaftlichen Erkenntnis in der Gegenwart gehört, daß alles das, was durch geisteswissenschaftliche Forschungen aus den höheren Welten heruntergetragen wird, begriffen, verstanden werden kann mit den Ideen, mit den Vorstellungen, die sich heute der Mensch draußen in der physischen Welt, im Leben innerhalb der physischen Welt aneignen kann. Es gibt nichts, was nicht aus der geisteswissenschaftlichen Er­kenntnis heraus auf diese Art verstanden werden könnte.

Allein es ist wirklich gegenüber den großen Fragen, welche auf diesem Gebiete angeschlagen werden müssen, oftmals notwendig, daß, um zum vollen Verständnis auf diese Art zu kommen, ein langer, schwieriger Weg eingeschlagen wird. Man braucht aus dem Umfange der Begriffe und Ideen, die man gegenwärtig haben kann, so ziemlich alles, wenn man auf vemunft­gemäße Art die geisteswissenschaftlichen Erkenntnisse so durchdringen will, daß man sich sagt: Vielleicht kann ich heute noch nicht durch mein eigenes heilsichtiges Geistesauge hinaufdringen in die übersinnlichen Welten; aber alles das, was mir aus diesen Welten verkündet wird, kann ich vernunftgemäß verständlich finden. - Das wäre möglich, kann aber nicht in jedem

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Augenblicke von einem jeden ausgeführt werden. Und da kommt es denn - wenn zwar streng behauptet werden muß: alles kann verstanden werden -, daß der einzelne heute aus seinen Sehnsucht, aus seinen Idealen heraus notwendig hat die geisteswissenschaftliche Verkündigung, daß er aber nicht immer gleich in der Lage ist, auch den schweren Vernunftweg zu gehen, der eben hiermit angedeutet worden ist. Und daher kann derjenige, welcher von geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen spricht, nicht immer voraus­setzen, daß alle seine Darstellungen so unmittelbar in jedem Augenblick geprüft werden an der Vernunft. Dafür muß er eine andere Voraussetzung machen: nämlich, daß in einer jeden menschlichen Seele nicht nur diejeni­gen Fähigkeiten und Kräfte vorhanden sind in gewissem Maße, welche durch lange, lange Zeiträume erworben und heute sozusagen bis zu einer gewissen Vollendung gebracht worden sind. Zu solchen Fähigkeiten gehört ja gewiß das, was wir die menschliche Vernunft, den menschlichen Intellekt nennen; das ging aus den letzten Vorträgen schon hervor. Und die Geistes­wissenschaft weiß, daß es eigentlich eine Zukunft dieses Intellektes nicht gibt. Andere Fähigkeiten, wie das Denken des Herzens, werden sich in der menschlichen Seele bei ihrem Wandel in die Zukurift hinein entwickeln. Neue Fähigkeiten, heute noch ungeahnte Fähigkeiten werden sich ent­wickeln. Das aber, was wir Intellekt, was wir Vernunft nennen, das ist auf einem gewissen Höhepunkt angelangt, das wird zwar einverleibt werden als eine Frucht der gegenwärtigen Entwickelung in die Zukunft der Men­schenseele, aber, wie gesagt, die Geisteswissenschaft weiß: Einer Höherent­wickelung über ihren gegenwärtigen Standpunkt hinaus ist die Vernunft als solche nicht fähig. - Neben solchen Fähigkeiten der Menschenseele, welche wir heute also antreffen so, daß sie uns auf des Menschen Vergangen­heit hinweisen, wo sie sich von kleinen, unvollkommenen Anfängen heraus bis zu ihrer heutigen Höhe entwickelt haben, stehen andere Fähigkeiten, auf die wir gleichsam prophetisch haben hinweisen können, welche sich erst in der Zukunft in ihrer Vollendung zeigen werden. Aber wie das, was heute vollendet ist, in unvollkommenen Anfängen sich gezeigt hat lange, lange vor unserer Zeit, so sind heute schon gleichsam im Keim vorhanden die Zukunftsfähigkeiten der menschlichen Seele, und manches von dem, was erst in der Zukunft hell aufleuchten wird, ist in der menschlichen Seele schon heute vorhanden. Und namentlich dürfen wir sagen: Wenn auch

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noch nicht aktiv viele Menschen aus der Logik des Herzens heraus heute Erkenntnisse erwerben können, so ist bei zahlreichen Menschen heute schon vorhanden die erste Anlage auch zu dieser zukünftigen Logik des Herzens. Es ist ein ursprüngliches Gefühl, ein natürlicher Wahrheitssinn vorhanden für das, was durch Logik des Herzens erst in der Zukunft wird vollständig begriffen werden können.

Neben seinem Appell an die Vernunft richtet sich der Geistesforscher an diese heute in den Herzen schlummernden Empfindungskräfte für die Wahrheit, und er setzt voraus, daß die menschliche Seele nicht auf Irrtum und Unwahrheit, sondern auf Wahrheit und auf das Richtige hin organisiert ist; daß also lange bevor die Zeit heranrücken wird, wo die Seele aus ihrem innersten Erkennen heraus zustimmen wird den Wahrheiten, die aus den höheren Welten heruntergeholt werden, heute schon vorhanden ist ein unmittelbares, empfindnngsgemäßes Zustimmen; mit anderen Worten, daß die Wahrheit über die höheren Welten, bevor sie verstanden werden kann, von zahlreichen Herzen gefühlt werden kann. Und es gibt ja im Grunde genommen einen Beweis dafür, daß solche Seelen mit solchem Sinne für die geistige Wahrheit vorhanden sind. Der äußere Beweis ist der, daß eine große Anzahl von Menschen sich heute unbefriedigt fühlt von dem, was äußeres Erkennen ihnen darbieten kann. Unbefriedigt fühlen sich in diesem äußeren Erkennen für die großen Daseinsfragen alle diese sehnsüchtigen Seelen, welche einfach aus ihrem Suchen heraus an die Geisteswissenschaft herankommen. Ein Beweis dafür, daß heute schon höhere Fähigkeiten in den Menschen schlummern, sind alle diese, die Ja sagen zu dem, was die Geisteswissenschaft zu sagen hat, auch wenn sie das bloß erst fühlen und empfinden durch ihren natürlichen Wahrheitssinn, was sie später einsehen werden.

So appelliert im Grunde genommen der Geistesforscher in einem viel intensiveren Maße unmittelbar an die menschliche Seele als ein anderer Forscher der Gegenwart. Ein anderer Forscher der Gegenwart sucht zur Anerkennung seiner Wahrheiten zu zwingen, indem er Experimente vorführt, mathematische Beweise gibt und dergleichen. Er sucht so zur Aner­kenntnis seiner Wahrheiten zu zwingen, daß im Grunde genommen diejenigen, die ihm zuhören, gar nicht anders können als das zugeben, was er vorbringt. In einer anderen Lage allerdings ist der Geistesforscher. Er muß

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an viel intimere Seiten der menschlichen Seele appellieren. Er ist heute noch nicht in der Lage, in derselben Weise immer die äußeren Beweise herbeizu­schaffen, wie es die andere Wissenschaft tun kann. Er weiß aber, daß der­selbe Wahrheitssinn, der in seinem Herzen ruht, in den Herzen aller Men­schen vorhanden ist und daß diese Menschenherzen, wenn sie sich selber verstehen, aus sich heraus ihm zustimmen können. So appelliert er in gewissem Sinn an die menschlichen Herzen, an den natürlichen Wahrheitssinn, und er stellt es und muß es stellen in das freie Ermessen der menschlichen Seele, ob sie ihm zustimmen will oder nicht. Er überredet nicht durch dasjenige, was er darzustellen hat, sondern er ist der Meinung, daß dasjenige, was in ihm lebt, in jeder Seele lebt und daß er nicht von sich aus den Menschen etwas zu gehen hat, sondern daß er die Anregung zu geben hat für etwas, was aus jeder Seele von selbst hervorkeimen kann und soll. So eigentlich versucht der Geistesforscher nur auszusprechen die Wahrheiten, die eine jede Seele, wenn sie sich nur genügend Zeit lassen könnte, aus sich selber heraus er­leben könnte. Weil wir Menschen aber aufeinander angewiesen sind, so sollen wir dasjenige, was wir suchen, insbesondere auf geistigem Felde, zu­sammen suchen. Wir sollen uns gegenseitig anregen. Ein Zusammen-Suchen der Wahrheit, eine Anregung soll alles das sein, was wir heute Ver­breitung der Geisteswissenschaft nennen.

Wenn wir dies ins Auge fassen, dann werden wir erst mancherlei von dem, was in den vorhergehenden Tagen hier in diesen Vorträgen gesagt worden ist, im richtigen Lichte erblicken. Es ist manches von dem, was da vorgebracht worden ist, so zu nehmen wie ein Appell an jede Seele, daß sie suchen möge, ob sie nicht in sich die Möglichkeit findet, wenn sie nur sich selbst versteht, zu demselben zu kommen, was hier gesagt worden ist. Daher wird manches so gesagt, daß darauf gerechnet wird: Nicht gleich kann das Verständnis da sein, sondern erst dann, wenn die Anregung ins Herz versenkt wird und darin weiterkeimt und wirksam ist. In diesem Sinne soll auch zu den vorhergehenden Vorträgen heute noch einiges wie eine ergänzende Notizensammlung gegeben werden.

Wir sind gestern dazu gekommen, etwas, was dem hellsichtigen Auge einfach sich darbietet als Erlebnis, als Erfahrung, was das hellsichtige Auge sehen kann, zu besprechen: daß unser Erdenzustand der Folgezustand einer anderen planetarischen Entwickelung ist, daß unsere Erde sich aus einem

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alten Planeten entwickelt hat, den wir den alten Mond, nicht unseren heuti­gen Mond, nennen. Dasjenige also, was das hellsichtige Auge sieht, gleich­sam den Hervorgang der Erde aus einem früheren Planeten, und was das hellsichtige Auge wiederum prophetisch sieht, das Hervorgehen eines neuen planeten - nachdem alles durch den Zustand der Verdunkelung hindurchge­gangen ist, was auf unserer Erde ist -, das Verwandeln der Erde in den Jupiter, nicht in den heutigen Jupiter, sondern in die zukünftige Verkörpe­rung der jetzigen Erde, die Jupiter genannt wird, was also als aufeinander­folgende Erdenverkörperungen das hellsichtige Auge ebenso sieht, wie es den Menschen von Verkörperung zu Verkörperung gehen sieht, das haben wir versucht begreiflich zu machen, gleichsam zu zeigen, daß es sein könne.

Wenn wir nun diesen Gedankengang, den wir gestern eingeschlagen ha­ben, weiter fortsetzen, so wollen wir das so machen, daß wir wie im Hinter­grund, wie eine Leitlinie haben, was die Geistesforschung uns darbieten kann, und daß wir es wiederum kleiden in solche Begriffe, durch die es uns verständlich werden kann. Weiter konnten wir gestern nicht zurückgehen als bis zu demjenigen Zustand, den wir angesprochen haben als den alten Mondenzustand. Wir haben also hingewiesen darauf, daß einstmals unsere Erde ein anderer Planet war. Auf diesem anderen Planeten muß, wie wir gesehen haben, alles anders gewesen sein. Die Frage kann nun entstehen:

Ist denn nun auch dieser andere Planet wiederum aus einem anderen her­vorgegangen? Hat unsere Erde nicht vielleicht auch noch andere frühere Verkörperungen gehabt? - Diese Frage sich vorzulegen, ist auf diesem Standpunkt unserer Betrachtung ja ganz naturgemäß. Um uns aber eine Antwort geben zu können, werden wir etwas weiter ausholen müssen. Wir werden zunächst uns erinnern müssen, wie der Mensch abwechselt in seinem täglichen Leben zwischen Wach- und Schlafzustand. Das war ja wie eine Art Leitfaden, der uns durch die ganze Reihe von Vorträgen hindurchgeführt hat: daß wir uns berufen haben auf diese Abwechselung des Wach-und Schlafzustandes. Und wir haben auch darauf hinweisen können, daß im Schlafzustande im Bette liegen bleibt dasjenige, was wir den physischen Leib und den Äther- oder Lebensleib des Menschen nennen, daß herausgehen in eine geistige Welt, in den Makrokosmos hinein der astralische Leib und das Ich des Menschen. So ist der Mensch im Schlafzustande gleichsam in zwei Wesenheiten gespalten. Was sichtbar zurückbleibt in der physischen Welt

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als physischer Leib, mit dem, was zwar unsichtbar ist, aber doch vorhanden sein muß, dem Äther- oder Lebensleib, das ist das eine Glied der mensch­lichen Wesenheit während des Schlafzustandes. Dann aber haben wir wäh­rend des Schlafzustandes ein unsichtbares, ein übersinnliches Glied der menschlichen Wesenheit, bestehend aus dem Astralleib und dem Ich. Dieses letztere Glied der menschlichen Wesenheit kann natürlich die äußere For­schung nicht verfolgen. Es zeigt sich nur, wenn das hellsichtige Bewußtsein auf den schlafenden Menschen hinschaut.

Nun fragen wir uns: Gibt es denn nicht auch noch etwas in der äußeren Welt, was in einer gewissen Weise sich gleichartig erweist dem, was vom Menschen in der Nacht im Bette liegen bleibt, mit anderen Worten: was physischen Leib und Äther- oder Lebensleib hat? - Wir wissen, daß der physische Leib des Menschen sogleich ganz anderen Gesetzen folgt, wenn er von seinem Ätherleib verlassen ist. Da folgt er rein physischen und chemi­schen Gesetzen; da aber zerfällt er auch, dieser physische Leib des Menschen. Der treue Kämpfer von der Geburt bis zum Tod, der da verhindert, daß der physische Menschenleib zerfällt, das ist der Äther- oder Lebensleib. Nun hat aber der Mensch das, was wir sein Leben nennen, gemeinschaftlich nicht nur mit den Tieren, sondem er hat es gemeinschaftlich mit der gesam­ten Pflanzenwelt. Wenn wir den Blick hinausrichten auf unsere Umgebung in der physischen Welt, so bemerken wir rings um uns herum die Pflanzenwelt. Und wir können nicht anders als sagen: Eine Pflanze, die uns ent­gegentritt, ist in demselben Sinne ein Wesen, das nicht bloß den physischen und chemischen Gesetzen folgt, wie der Mensch. Die Pflanze zeigt uns erst in einem gewissen Moment, nämlich im Moment ihres Absterbens, daß sie bloß physischen und chemischen Gesetzen folgt. Physischen und chemischen Gesetzen in der Welt folgt bloß das, was wir das mineralische Reich nennen. Dem physischen Leib schreiben wir deshalb nur die Gesetze des minerali­schen Reiches zu. Aber dieser physische Leib ist durchsetzt und durchzogen von einer höheren Gesetzmäßigkeit. Diese höhere Gesetzmäßigkeit ist dem Äther- oder Lebensleibe eigen. Im Tode verläßt der Ätherleib den physi­schen Leib; daher verfällt der physische Leib dann den bloß physischen und chemischen Gesetzen.

So also sehen wir den Menschen in bezug auf das Äußere, was im Schlafzustand zurückbleibt, aus physischem und Äther- oder Lebensleib bestehend.

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Aber wir finden es auch leicht begreiflich, wenn uns das hellsichtige Auge des Geistesforschers sagt: Auch die gesamte Pflanzenwelt besteht aus phy­sischem und Äther- oder Lebensleib. - Dennoch aber zeigt sich unserem Blick, wenn wir die Welt betrachten, ein gewaltiger Unterschied zwischen dem physischen Leib des Menschen und dem physischen Leib der Pflanze. Ein solcher Unterschied zeigt sich uns deshalb, weil die Pflanze nicht durchsetzt und durchdrungen ist von demjenigen, was wir einen Astralleib und was wir ein Ich nennen. Die Pflanze trägt in sich nur den physischen und Äther- oder Lebensleib. Der Mensch muß uns äußerlich anders gegenübertreten als die Pflanze, weil er zu seinem physischen und Äther- oder Lebensleib noch, diese durchsetzend und durchprägend, seinen Astralleib und sein Ich hat. So also steht der Mensch in der Welt, in der wir leben, sozusagen mitten unter den Wesen der Pflanzenwelt, ist in bezug auf die zwei unteren Glieder seiner Wesenheit, physischen und Äther- oder Lebensleib, den Pflanzen ähnlich, erhebt sich aber über die bloße Pflanzennatur, indem er in der Pflanzen­natur seines Wesens noch einen Astralleib und ein Ich eingegliedert hat. Wir können also sagen: Wir sind mit der Pflanze, mit der gesamten Pflanzennatur nur insofern verwandt, als diese Pflanzennatur es nur bis zur Aus­bildung unserer zwei niederen Glieder gebracht hat, so wie sie physisch als Pflanze sich darlebt.

Nun aber sehen wir uns, so wie wir innerhalb dieser Erdenwelt sind, von dieser Pflanzenwelt ganz abhängig. Physisch muß sich ja der Mensch von dieser Pflanzenwelt abhängig fühlen. Der Mensch kann, das wissen Sie ja alle, entraten für seine eigene Leiblichkeit der tierischen Natur. Er braucht sich nicht, wenn er nicht will, von der tierischen Natur zu ernähren, aber er braucht die Pflanzenwelt schon, damit sein physischer Leib so, wie er hier auf der Erde lebt, leben kann. Er braucht die Pflanzennatur. Der physische Leib des Menschen setzt voraus den physischen Leib der Pflanze. Das eine kann ohne das andere nicht sein. Wir können sagen: Dieser phy­sische Menschenleib, wie er uns heute entgegentritt, kann nicht sein, kann gar nicht bestehen, ohne daß er um sich herum hat ein Reich der Pflanzen, das ihm sein gegenwärtiger Planet gebiert.

Wenn wir dies beachten, so werden wir schon ein wenig weitergeführt m unserer Betrachtung, die wir gestern eingeschlagen haben. Wir können jetzt sagen: Sehen wir uns einmal den Menschen an, der da in den Schlafzustand

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übergeht. Der Mensch kann dies tun ganz unabhängig von irgend­welcher äußeren Konstellation zwischen Sonne und Erde. Der Mensch kann jede Stunde des Tages oder auch in der Nacht ohne die Sonne schlafen. Gerade wenn die Sonne ihre Strahlen der Erde entzieht, dann schläft der Mensch am besten, dann kann er aufrechterhalten seinen Zusammenhang zwischen physischem und Äther- oder Lebensleib.

Sehen wir uns nach dem entsprechenden Vorgang für die Pflanzenwelt um. Wir sehen, daß die Pflanzenwelt nicht in derselben Lage ist. Allerdings liegt die Sache für die Pflanzenwelt etwas anders als für den Menschen. Der Mensch kann, wie wir eben gesehen haben, den Zusammenhalt seines physischen Leibes und Äther- oder Lebenileibes unabhängig von der Einwirkung der Sonnenstrahlen aufrechterhalten; er kann bestehen aus physi­schem und Ätherleib, gleichgültig wie sich die Sonne zur Erde verhält. Das kann die Pflanze nicht. Die Pflanze muß sich in einer gewissen Beziehung richten nach dem Verhältnis der Erde zur Sonne. Zwar gibt es Dauerpflan­zen, welche überwintern; dennoch wissen wir aber, daß auch diese Dauer-pflanzen gerade dasjenige, was das Wesen des Pflanzlichen ausmacht, mit der hinsterbenden Natur im Herbst anfangen zu verlieren und daß sie neue Triebe im Frühling treiben müssen. Wenn die Sonne im Frühling die Kraft ihrer wärmenden und leuchtenden Strahlen neu gewinnt, dann keimt das Pflanzenieben neu auf, dann erwacht gleichsam das Pflanzenleben. Wenn die Sonne im Herbst ihre wärmende und leuchtende Kraft verliert, dann geht das frische Pflanzenleben zu einer Art von Ruhezustand über. Und auch bei den Dauerpflanzen, die überwintern, sehen wir ja, wie sie gerade zur Win­terszeit sich nähern dem Zustand, den wir den mineralischen nennen. Sie verholzen, ihre Holzteile bleiben sozusagen. Sie bewahren sich in gewisser Beziehung zwar ihr Leben, aber sie nähern sich doch dem, was wir Ab­sterben nennen könnten. Das eigentliche Leben der Pflanze aber, das erstirbt in einer gewissen Beziehung im Winter und wacht im Frühling wieder aut, um im Sommer zur höchsten Entfaltung zu kommen. Wenn wir also die Pflanze betrachten, so sehen wir, daß sie allerdings gegen den Herbst den Äther- oder Lebensleib aus sich herauslassen muß. Es muß die Pflanze gegen den Herbst zu annähernd in einen Zustand übergehen, in den der Mensch allein übergeht, wenn er dem Tode entgegengeht.

Es ist also ein anderer Zusammenhalt zwischen dem physischen und dem

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Äther- oder Lebensleib in der Pflanze als beim Menschen. Die Pflanze ist in bezug auf diesen Zusammenhang abhängig von der Lage der Sonne zur Erde; der Mensch hat sich unabhängig davon gemacht. Wenn wir das be­achten, daß der Mensch heute sich unabhängig gemacht hat von der Lage der Sonne zur Erde, daß aber in ihm ein Teil seiner Wesenheit ist, der ge­radeso aufgebaut ist wie die Pflanze, ja der sich geradezu dann zeigt, wenn die Sonne sich in der Nacht von der Erde zurückzieht, wenn der Mensch schläft, dann müssen wir sagen: Also haben wir in der Pflanze, die uns um­gibt, etwas von uns, das uns heute zeigt, wie wir wären als Menschen, wenn wir es nicht dazu gebracht hätten, unserer Pflanzennatur Astralleib und Ich einzufügen. Die Pflanze stellt uns damit einen Teil unseres eigenen Wesens vor Augen, den wir an uns selber gar nicht in derselben Weise erblicken können. Denn wenn wir auch den schlafenden Menschen vor uns haben, er verwandelt sich durch den Schlaf nicht in eine Pflanze. Er zeigt auch als Schlafender, daß an ihm arbeiten Astralleib und Ich. Die Pflanze nur zeigt uns, wie ein Wesen aussieht, welches aus Ätlier- oder Lebensleib und physi­schem Leib besteht. Daraus muß es uns auch begreiflich erscheinen, warum nicht nur ein physischer Bezug zwischen dem Menschen und der Pflanzen­welt ist, sondern auch ein moralischer, geistiger Bezug.

Wenn der Mensch sich seinem natürlichen gesunden Gefühl überläßt, dann kann er diesen moralisch-geistigen Bezug zur Pflanzenwelt sehr bald bemerken. Nicht nur, daß der Mensch die Pflanze zur Nahrung braucht, er braucht die Pflanzenwelt auch für sein Inneres. Er braucht die Pflanzen­welt, die ihn umgibt, um solche Gefühle und solche Empfindungen in sich zu tragen, die zu seinem seelischen Leben notwendig sind. Der Mensch braucht auch die Eindrücke der Pflanzenwelt hier auf dem physischen Plan, wenn er frisch und gesund in seinem seelischen Leben sein will. Das ist etwas, was nicht genug betont werden kann, denn es zeigt sich sehr bald in der menschlichen Seele als Mangel, wenn sie sich abschließt von dem fri­schen belebenden Eindruck der Pflanzenwelt. Derjenige Mensch, der meinet­willen durch das Wohnen in einer großen Stadt in einer gewissen Beziehung abgeschnitten ist von dem unmittelbaren Verhältnis zur Pflanzenwelt, wird dem Tieferblickenden immer einen gewissen Mangel seiner Seele zeigen, und es ist im Grunde genommen durchaus richtig, daß die Seele Schaden nimmt, wenn sie verliert die unmittelbare Freude, die unmittelbare Lust,

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den Zusammenhalt mit der Pflanzenwelt, mit demjenigen, was die vegeta­tive Natur draußen ist. Neben all den Schattenseiten der modernen Kultur, die sich vorzugsweise in Großstädten entwickelt, muß auch diese stehen, daß wir durch unser Stadtleben abgeschlossen sind von dem unmittelbaren Zu­sammensein mit der belebenden Pflanzenwelt. Wir wissen, daß es heute schon Menschen gibt, die so aufwachsen, daß sie kaum ein Haferkorn von einem Weizenkorn unterscheiden können. Aber es gehört zur menschlichen Seelenentwickelung, so sonderbar es klingt, daß man ein Haferkorn von einem Weizenkorn unterscheiden kann. Es ist das symbolisch gesprochen, aber es ist doch etwas damit gesagt. Und man muß eigentlich mit Bedauern eine Perspektive der Zukunft vor sich sehen, die den Menschen ganz ent­fernen könnte von dem unmittelbaren Eindruck der Pflanzenwelt. Die Pflanzenwelt braucht der Mensch.

Wie tief dieser Zusammenhalt begründet ist, kann uns folgender geistiger Ausblick zeigen. Wir können sagen: Der Mensch könnte ja auch nicht immer ein schlafender Mensch sein. Es ist ein Mensch heute nicht denkbar, der fortwährend schläft; der könnte nicht leben. - Der Mensch, der heute aus physischem und Äther- oder Lebensleib besteht, ist in dieser Form nur da­durch denkbar, daß er wenigstens im Wachzustande immer erfüllt ist von dem Astralleib und Ich. Die gehören zu der ganzen Menschennatur. Aber auf der anderen Seite weiß der Mensch auch, weil er in seinem schlafenden Zustand kein Bewußtsein von der äußeren physischen Welt hat, daß er, um ein Bewußtsein in der physischen Welt zu erlangen, untertauchen muß in seinen physischen und Äther- oder Lebensleib. Der Mensch ist ja im schlafenden Zustand, wo er mit seinem Ich und Astralleib in seiner geistigen Heimat ist, heute im normalen Zustand unbewußt. Er fängt erst an, ein Bewußtsein zu entwickeln, wenn er untertaucht in den physischen und Äther- oder Lebensleib. Wenn wir auf der einen Seite sagen können: Diese Form des Menschen, wie sie heute vor uns steht mit dem physischen und Ätherleib, wäre unmöglich, wenn nicht ein Astralleib und Ich darin sein würden - so können wir auf der anderen Seite auch sagen: Der Mensch mit seinem inneren Leben, mit seinem Bewußtsein vom Ich und von den Ge­fühlen und Willensimpulsen könnte nicht dieses Bewußtsein entwickeln, wenn er nicht zu seiner Voraussetzung hätte einen physischen und Äther-oder Lebensleib. - Also der Mensch braucht für sein Innenleben als Grundlage,

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als Voraussetzung den physischen und den Ätherleib. Die braucht er; so daß uns schon daraus hervorgeht, daß der physische Leib und Äthedeib des Menschen eine Voraussetzung sind, eine Grundlage für die Entwicke­lung seines Astralleibes und Ichs. Physischer und Ätherleib müssen zuerst da sein beim Menschen, dann können einkehren in diese der Astralleib und das Ich.

So also werden wir nicht nur zurückgewiesen, wir haben das gestern zeigen können, in Zeiten, in denen beim Menschen dasjenige, als was er sich heute darstellt, andere Formen hatte - wir haben gesehen, wie im Monden­zustand der Mensch eine ganz andere Form hatte als heute -, sondern wir werden zurückgewiesen in Zeiten, in denen der Mensch überhaupt noch nicht Astralleib und Ich, sondern nur einen physischen und Äther- oder Lebensleib hatte. Erst mußten aufgebaut werden aus dem Makrokosmos heraus der menschliche physische und Ätherleib, dann konnten sie die Vor­aussetzung, die Grundlage bilden für den Astralleib und das Ich. In gewisser Beziehung mußte das einmal geschehen in einer urfemen Vergangenheit, was heute jeden Morgen geschieht. Wie jeden Morgen aus der geistigen Welt heraus Ich und Astralleib kommen, um den physischen Leib und Äther- oder Lebensleib zu beziehen, so mußten einmal zuerst aus der geisti­gen Welt Ich und Astralleib kommen und vorfinden, was ihnen zubereitet worden ist, physischen und Äther- oder Lebensleib. Ehe der Mensch das werden kann, was er heute seine höheren Glieder nennt, mußte ihm aus dem Weltenganzen heraus ohne sein Zutun durch Kräfte und Wesenheiten ande­rer Art, höherer Art, als er selbst es ist, sein physischer und Ätherleib zube­reitet werden.

Nun aber fragen wir uns: Wenn dem Menschen also sein physischer und Ätherleib zubereitet worden sind, bevor sein Astralleib und Ich überhaupt in dieser Welt zur Entwickelung kommen konnten, so mußte der Mensch zuerst mit einer Art von Pflanzennatur entwickelt werden, bevor er seine andere Natur erhalten hat, die Natur, die er eben vermöge seines Astral­leibes und Ichs hat. - Der Mensch mußte also zuerst da sein als eine Art von Pflanzenwesen; das mußte seiner höheren Natur vorangehen. Wir werden also zurückgewiesen auf eine frühere Zeit der Menschlieitsentwickelung, wo der Mensch wie eine Art von Pflanzenwesen aus dem Makrokosmos heraus gebildet worden ist. Heute sehen wir also die Pflanzenwelt, die um

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uns herum ist, nur dann mit dem rechten Blick an, wenn wir uns sagen:

Diese Pflanzenwelt, die wir heute grünend und sprießend und sprossend um uns herum haben, die ist etwas, was in unsere Gegenwart hereinreicht und uns heute die Natur zeigt, die wir selbst gehabt haben, bevor wir das­jenige in uns hatten, wodurch wir irren konnten, wodurch wir über­haupt zum Bösen kommen konnten. Die Pflanzenwelt zeigt uns unsere eigene menschliche Wesenheit so, daß sie sie uns zeigt in ursprünglicher Reinheit, wo unsere Wesenheit noch nicht von Leidenschaften und Trieben und Begierden durchzogen war.

Wenn wir aber zu dem, was wir eben betrachtet haben, das andere dazu nehmen, daß diese menschliche Pflanzennatur, so wie sie ist, in gewisser Weise unabhängig von der Stellung der Erde zur Sonne ist, dann werden wir sagen können: Gewiß, solche Pflanzen, wie sie uns heute in der physischen Welt draußen umgeben, sind abhängig von der Stellung der Sonne zur Erde; die müssen im Frühling aufgehen und im Herbst untergehen. Solche Pflanzen können wir niemals gewesen sein. - In diese Pflanzen, die wir ge­wesen sind, mußte einziehen können ein Astralleib und Ich. In unsere heutigen Pflanzen kann kein Astralleib und Ich einziehen. Und wenn wir die menschliche Pflanzennatur und die Pflanzennatur der heutigen Pflanzen vergleichen, so müssen wir sagen: Dadurch unterscheiden sie sich eben, daß der Zusammenhalt zwischen dem menschlichen physischen und Ätherleib unabhängig ist von der Stellung unserer Sonne zur Erde, während der Zu­sammenhalt zwischen dem physischen und Ätherleib der Pflanze abhängig ist von der Stellung der Sonne zur Erde. Also konnte unter solchen planeta­rischen Verhältnissen unseres Sonnensystems, wie sie heute sind, derjenige Zusammenhalt zwischen physischem und Ätherleib nicht entstehen, wie ihn der Mensch hat; da kann nur der pflanzliche Zusammenhalt zwischen physischem und Ätherleib entstehen. Der menschliche Zusammenhalt zwischen physischem und Ätherleib mußte unter anderen Verhältnissen entstehen.

Diese anderen Verhältnisse werden wir verstehen können, wenn wir noch das Folgende überlegen. Wir wissen also, daß der menschliche Zusammen­halt von physischem Leib und Ätherleib unabhängig ist von der Stellung der Sonne zur Erde. Ist er aber auch unabhängig von den Sonnenwirkungen überhaupt? Das ist er nicht, denn ohne die Sonnenwirkungen könnten

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physischer und Ätherleib des Menschen nicht bestehen und zusammen­halten. Wenn die Sonne nichts zurücklassen würde auf der Erde, wenn sie nicht immer ihre Wirkungen zurücklassen würde, dann würde sich kein Mensch auf der Erde entwickeln können. Der Mensch ist in seinem Wesen dennoch abhängig von der Sonnenwirkung, wenn er auch von der Stellung der Sonne zur Erde unabhängig ist. Die Sonne läßt ja immer Wirkungen zurück. Wir wissen: Wenn die Sonne eine solche Stellung zur Erde ein­nimmt, daß sie ihre unmittelbare, erwärmende Kraft der Erde entzieht, dann hört sie nicht auf, diese erwärmende Kraft zum Segen und Heil der Erde zurückzulassen. Wenn Sie hinausgehen auf das Land, dann werden Sie finden, daß gewisse tiefe Gruben aufgegraben werden; da werden im Winter die Kartoffeln hineingelegt. Dann werden sie zugedeckt, und dann halten sich die Kartoffeln warm, weil die erwärmende Kraft, die sich im Sommer über die Erdoberfläche ergießt, sich zurückzieht unter die Oberfläche. Diese erwärmende Kraft bleibt unter der Oberfläche bis zu einer gewissen Tiefe vorhanden. Die Erde bewahrt sich die erwärmende Kraft der Sonne den Winter hindurch. Und auch sonst können Sie finden, daß überall in der Erde selber die Sonne sozusagen vorhanden bleibt in ihrer Wirkung, wenn sie sich auch zurückgezogen hat in bezug auf ihre Stellung zur Erde. Wenn Sie Ihren Ofen mit Kohlen heizen, so haben Sie diese Kohlen aus dem Innern der Erde genommen. Wodurch sind diese Kohlen entstanden? Dadurch, daß einstmals Pflanzen von der Erde bedeckt wurden. Diese Pflanzen sind aber unter dem Einfluß von Sonnenlicht und Sonnenwärme entstanden. Was Sonnenlicht und Sonnenwärme getan haben, das ist in den Kohlen erhalten. Sie holen sich Sonnenlicht und Sonnenwärme aus der Erde heraus, um sie nachträglich zu verwenden. So also hat unsere Erde auch dann Sonne in sich, wenn sich die Stellung der Sonne zur Erde eben ändert. Unsere heutigen Pflanzen haben in ihrem sprießenden und sprossenden Leben nur etwas, was durch die Stellung der Sonne bewirkt wird. Alles, was auf der Erde lebt, braucht die Erde, und diese Erde braucht das, was sie von der Sonne empfängt, und sie bewahrt sich auch über die Winterzeit hinüber die Sonnenwirkung; sie ist voll von Sonnenwirkung. Die Sonne bleibt in ihrer Wirkung sozusagen immer in der Erde darin, und wenn von der Stellung der Sonne zur Erde nicht immer unmittelbar etwas bewirkt wird, so ist es doch die Wirkung der Sonne, die konserviert wird, was aus unserer Erde

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heraus auf die darauf lebenden Geschöpfe wirkt. Und ohne diese in der Erde konservierte Sonnenwirkung würde dasjenige, was wir Mensch nennen, in seinem physischen und Ätherleib nicht bestehen können. Neh­men Sie den Menschen nur ein Stück von der Erde weg, so würde er nicht bestehen können. Er gehört zum Ganzen der Erde, die aber in sich wiederum die Sonne enthält.

So also werden wir sagen: Unter den heutigen Verhältnissen unseres Sonnensystems erzeugt unsere Erde also nicht unmittelbar jenen Zusammenhang von physischem und Ätherleib, den wir am Menschen sehen, sondern nur jenen Zusammenhang von physischem und Ätherleib, den wir an der Pflanze sehen. Der menschliche Zusammenhang von physischem und Ätherleib, der muß heute auf eine andere Weise zustande kommen, auf eine indirekte Weise. Aber er braucht doch, damit er überhaupt bestehen kann, die in der Erde konservierte Sonnenwirkung. Darum aber werden wir es begreiflich finden, daß - weil der Mensch als geistig-seelisches Wesen vor­aussetzt seinen physischen und Ätherleib - es einmal möglich gewesen sein muß, daß der Mensch von der Erde unmittelbar nicht nur die Möglichkeit bekam, daß sein physischer und Ätherleib bestehen, sondern auch die Möglichkeit, daß sie so aus der Erde, aus dem planetarischen Dasein sich herausbildeten, wie sich heute die unmittelbare Pflanzennatur herausbildet; daß also einstmals in demselben Sinne, wie heute die Pflanze ein Kind der Erde ist, der physische und Ätherleib des Menschen ein Kind eines früheren planetarischen Zustandes war. Wenn aber eben die heutigen Verhältnisse bestanden hätten, dann könnte das nicht sein. Also mußten andere Ver­hältnisse bestanden haben. Geisteswissenschaft weist uns auf diese anderen Verhältnisse hin, indem sie uns zeigt, daß dem alten Mondenzustand ein anderer vorangegangen ist, den wir mit Recht einen alten Sonnenzustand der Erde nennen. Die Erde ist hervorgegangen aus dem alten Mondenzustand und dieser aus einem alten Sonnenzustand. Wie muß aber dieser alte Sonnenzustand gewesen sein? Er konnte nicht so gewesen sein, daß die Sonne von außen schien; denn da hätte sich der Mensch nicht nur als physischer Leib und Ätherleib entwickeln können, da hätte er schon seine heutige Zusammensetzung mit Ich und Astralleib haben müssen. Es durfte also von außen keine solche Wirkung kommen, wie wir sie heute sehen, wo abhängig ist etwas von der Stellung der Sonne zur Erde. Von außen konnte

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keine Sonnenwirkung kommen. Aber ohne Sonnenwirkung konnte der Mensch als physischer und Ätherleib sich nicht bilden. Also mußte das­jenige, was heute konserviert ist als Sonnenwirkung, in der Erde selber gewesen sein, das heißt, es mußte aus der Erde selber herauskommen, was heute von außen zufließt. Die Erde mußte die Wirkungen selber erzeugen, die heute die Sonne erzeugt. Das aber heißt Sonne sein. Wenn wir einen früheren Zustand unseres Planeten suchen, so können wir nur einen solchen finden, indem wir sagen: Eine Sonne darf nicht von außen scheinen, eine Sonne muß die Erde selber sein, denn die Wirkungen, die heute von der Sonne kommen, die mußten aus der Erde selber kommen.

So sehen wir, daß begreiflich ist, was der Hellseher zeigt: daß der Erde ein Mondenzustand und diesem ein solcher Zustand vorangegangen ist, wo die Erde selber noch ein leuchtendes, wärmendes Wesen war. Damals, als die Erde das noch war, konnten sich noch nicht Pflanzen im heutigen Sinne bilden. Dafür konnte sich aber ein Zusammenhalt dessen bilden, was wir den physischen und Ätherleib des Menschen nennen.

Nun liegt es nahe, daß jemand etwa sagt: Wenn die Erde Sonne war und der Mensch nur physischen und Ätherleib gehabt haben soll, dann hätte er doch verbrennen müssen. - Ja, selbstverständlich, wenn der physische Leib des Menschen so gewesen wäre, wie er heute ist! Aber es besteht ja durchaus die Möglichkeit, daß der physische Leib des Menschen anders war, als er heute ist. Der physische Leib des Menschen konnte natürlich nicht seine heutigen Erdenbestandteile, die festen Bestandteile haben; die würden in einem Sonnenzustand nicht existieren können. Der Mensch konnte auch nicht seine flüssigen Bestandteile haben; denn nicht einmal unser Wasser kann in einem solchen Weltkörper bestehen. Aber der nächste Zustand, der luftförmige oder gasförmige, der ist schon möglich. Und dasjenige, was wir den Wärmezustand nennen, das ist erst recht möglich. Wir werden also zurückgeführt zu einer alten planetarischen Verkörperung unserer Erde, in der wir den Menschen vorgebildet finden nach seinem Zusammenhang zwischen physischem und Ätherleib, aber so, daß das Feste und Flüssige dazumal noch nicht vorhanden waren, daß aber dafür die Anlage des physischen und des Ätherleibes gegeben war in einem luftförmigen und in einem feurigen Zustand. Zu demjenigen, was der heutige Mensch ist, ist er eben erst geworden nach der Umwandlung der alten Sonne in den alten

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Mond, beziehungsweise in die Erde. So also werden wir zurückgeführt zu einem planetarischen Vorgänger unserer gegenwärtigen Erde und wir sehen, daß der Mensch in der damaligen Zeit angepaßt war an diesen plane­tarischen Vorgänger. Nun können Sie sich aber auch denken, daß in jener Zeit, von der wir hier sprechen, alles andere anders angeordnet gewesen sein muß in unserem gesamten Sonnensystem. Was wir heute Wasser, Erde, Festes nennen, war dazumal noch nicht vorhanden. Es war bloß Feuriges und Luftförmiges an physischen Wahrnehmungen vorhanden. Da kommen wir also schon zu einem solchen Zustande unseres gegenwärtigen Sonnen­systems, der sich wesentlich anders zeigt, der daher auch andere Gesetze haben muß als unser heutiger Erdenkörper.

Und nun möchte ich nur kurz darauf hindeuten, daß dieser Zustand, den wir jetzt als Sonnenzustand bezeichnet haben, selber einen anderen voraussetzt. Da haben wir bereits einen Zusammenhang zwischen dem physischen Leib, der aus Feuer und Luft besteht, und dem menschlichen Ätherleib. Aber der menschliche physische Leib kann in der physischen Natur nicht ohne seinen Ätherleib bestehen. Aber auch der Äther- oder Lebensleib muß, wenn er nicht in einer höheren Welt leben will, wie nach dem Tode, sondern in der physischen Welt, auf der Grundlage des physischen Leibes leben. Also bildet wiederum der physische Leib die Voraussetzung, die Grundlage des Ätherleibes. So mußte der Mensch seinen physi­schen Leib schon auf dem Planeten vorfinden, auf dem er den Zusammen­halt zwischen physischem und Ätherleib bekam, das heißt, der physische Leib mußte noch früher gebildet werden als der Zusammenhalt zwischen physischem und Ätherleib, und wir werden auf einen noch älteren Zustand unserer Erdentwickelung verwiesen. Und geradeso, wie wir bis zum luft­oder gasförmigen Zustand verdünnt den Menschen haben während des Sonnenzustandes, so kommen wir zu der weiteren Verdünnung; er besteht da überhaupt nur noch aus Wärme. Diese Wärme müssen wir also sozu­sagen als das erste Physische ansehen, und das ganze Sonnensystem müssen wir uns im Grunde genommen angepaßt denken diesem ersten planetari­schen Zustand, dem Feuerzustand unserer Erde.

Nun aber kommen wir zu etwas ganz Merkwürdigem. Für das hell­seherische Bewußtsein zeigt sich in der Tat, daß unsere Entwickelung zu­rückgeht auf ein ursprüngliches bloßes Wärmesystem. Wir nennen dieses

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Wärmesystem den alten Saturn. Das zeigt die hellseherische Beobachtung als unmittelbares Erlebnis. Wir haben gesehen, daß es vernunftgemäß ist, zu einem solchen Zustand zurückzugehen. Wir haben aber auch betont, daß wir uns, sobald wir zu solchen Bezeichnungen wie Wärme kommen, entsprechend auch anpassen müssen an die andersartigen Verhältnisse. Wir haben das schon in der elementarischenWelt gesehen, daß wir uns da einen anderen Begriff der Wärme aneignen müssen. Unser heutiges Feuer können Sie sich ja auch nicht denken, ohne daß die anderen drei Zustände, der gas­förmige, der flüssige, der feste, vorhanden sind; unser heutiges Feuer ist gar nicht möglich ohne die anderen Verhältnisse. Also wird es begreiflich er­scheinen, daß das Feuer des alten Satum etwas wesentlich anderes war, als unser heutiges Feuer ist. Alles ändert sich und verwandelt sich, indem sich die Verhältnisse überhaupt ändern und verwandeln. Dieses heutige Feuer ist brennendes Gas oder brennende andere Körper; aber Gas und die anderen Körper waren noch nicht vorhanden im Saturn. Es war also frei sich dar­bietende Wärme vorhanden. Denken Sie sich nun den Raum ausgefüllt mit frei sich darbietender Wärme, dann werden Sie es schon im Gefühl haben, was Ihnen diese Wärme eigentlich in ein Seelisches verwandelt. Was wir heute Wärme nennen, das empfmden wir, wenn wir zum Beispiel den Finger etwas Festem, das feurig ist, entgegenhalten. Aber etwas Festem konnte man dazumal nichts entgegenhalten. Erstens war nichts da, was ent­gegengehalten werden konnte, zweitens war nichts Festes da. Es war nur eme den Raum durchdringende undifferenzierte Wärme vorhanden. Vor­stellungen von einer solchen Wärme kann der Mensch sich nur bilden, wenn er von dem äußeren Begriff der Wärme zu dem geht, was wir seelische Wärme nennen. Wenn wir meinetwillen ein hohes Ideal in der Seele haben, werden wir warm in der Seele, und wer seelisch warm wird, der wird auch physisch warm dabei, das heißt sein Blut wird warm, zirkuliert anders als vorher. Dem feineren Beobachter stellt sich das überhaupt dar, daß das­jenige, was uns seelisch im vergleichsweisen Sinn als wärmend erscheint, wärmend wirkt bis in unser Physisches hinein. Solche Wärme, wie sie zum Vorschein kommt in der eigenen menschlichen Natur, wenn ein Geistiges wirkt, solche Wärme müssen wir bei der ersten planetarischen Verkörperung unserer Erde suchen, Wärme, die aus dem Makrokosmos heraus durch das Geistige zusammengetragen wurde, wie wir erwarmen durch das Geistig-Seelische.

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So war der erste planetarische Zustand unserer Erde ein Warmes, weil Geistiges aus dem Makrokosmos seine Wärme zusammenwirkte.

Wenn wir das bedenken, dann werden wir uns folgendes sagen. In der äußeren Welt fragen wir, wenn uns etwas warm erscheint: Was ist da ge­schehen? - Wenn aber der Mensch warm wird unter dem Eindruck eines Geistig-Seelischen, dann wäre es eigentlich töricht, zu fragen: Warum ist er warm geworden? - Daß der Mensch warm werden kann unter dem Ein-drucke eines Geistig-Seelischen, kann man nur dann verstehen, wenn man es ihm nacherleben kann. Derjenige versteht nicht, daß der Mensch warm werden kann durch ein hohes Ideal, der sich nicht selber in derselben Weise erwärmen kann für ein hohes Ideal. Man muß einen solchen Vorgang inner­lich verstehen. Sehen Sie sich die Welt an, wie sie versucht zu verstehen und doch nicht verstehen kann = auf ihre Art sozusagen falsch versteht -, wenn ein Mensch unter diesen oderjenen Idealen innerlich wirklich warm werden kann. Es gibt Menschen, die sehen solche Menschen, die unter dem Eindruck eines Geistigen innerlich warm werden, aber sie können nicht selber warm werden, und dann sagen sie: Das ist aber ein rechter Narr - das ist ja gar nichts! Mich läßt das ganz kalt; der aber fängt Feuer und empfmdet alles Mögliche dabei! - Das heißt, sie können nicht mit, können nicht dasselbe erleben. Wenn sie aber dasselbe erleben, dann hören sie auf mit ihren Fra­gen; es ist ihnen dann aus der Wesenheit des Menschen erklärlich, daß hier Erwärmung eintritt.

Was haben wir also nötig, wenn wir zum Wärmezustand des Saturn zu­rückgehen? Wie können wir seine Wärme begreifen? Nur dadurch, daß wir sagen: Aus dem Geist heraus ist diese Wärme geworden. - Das heißt, wir können zurückgehen von der Erde zum alten Mond, vom alten Mond zur alten Sonne, von der alten Sonne zum alten Saturn. Wollen wir aber den alten Saturn begreifen, dann begreifen wir ihn wie ein Hervorgehen unmittelbar aus dem Geistigen. Wir verstehen also den Ursprung unseres Erdenwerdens, wenn wir bis zum Geiste zurückgehen, nicht bis zu einem Weltennebel, sondern wenn wir zurückgehen zu dem Geist und uns vor­stellen, wie durch das Zusammenwirken von Geistern, von geistigenWesen­heiten, der Anfang unserer Erdenbildung entstanden ist.

Wenn wir das ins Auge fassen, dann wird uns jetzt erklärlich erscheinen, warum das Saturndasein so erklärt wird wie in meiner « Geheimwissenschaft».

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Da wird gesagt: Es ließen gewisse Geister, die man nennt die Geister des Willens, ihr eigenes Wesen gleichsam hinströmen. Mit ihnen zusammen wirkten die Geister der Persönlichkeit, dann andere geistige Wesenheiten. - Sehen Sie sich dort an, wie die einzelnen Wesenheiten zu­sammenströmen lassen ihre Taten im Makrokosmos und wie als das Zu­sammenfließen der Taten von geistigen Wesenheiten der alte Saturn in seinem Entstehen beschrieben wird. Da sehen wir, wie das Fragen aufhört, wie das Forschen uns führt zu der Entstehung des Physischen aus dem Geisti­gen. Und wenn wir beim Geistigen angekommen sind, dann wollen wir nicht mehr in derselben Weise erklären wie sonst, sondern dann wollen wir die geistigen Wesen schauen, die uns entgegentreten. Wir fragen von einem bestimmten Punkt an, wenn uns Wesen entgegentreten, nicht mehr in der­selbenWeise nach dem Warum, wie vorher. Der Abstrakthng kann glauben, daß man das Fragen fortsetzen kann, so wie ein Rad immer herumrollt. Wer kein Abstraktling ist, wird wissen, daß alles Fragen aufhört, wenn man an einem bestimmten Punkt ankommt. Da sieht einer Furchen in der Straße und fragt: Warum sind die Furchen da? - Weil Räder sie gegraben haben. - Warum haben Räder sie gegraben? - Weil da eine Kutsche ge­fahren ist. Warum ist die Kutsche da gefahren? -Weil sie einen Menschen fahren mußte. =Wer war der Mensch? - Der und der. -Warum ist er ge­fahren? = Nun, jetzt kommen wir zu seinem Entschluß, und da dann, wenn wir wissen, er hat sich aus dem oder jenem Grunde entschlossen, ist uns die Anschauung seines Entschlusses das Letzte, wonach wir fragen können. Das heißt, wir kommen an emen Anfang der Fragen, über den man nicht mehr hinausgeht. So kommt man auch an einen Anfang des Fragens in der Dar­stellung der großen Weltenzusammenhänge.

Damit haben wir an einem Beispiel darauf hingewiesen, wie man ver­stehen kann, was die Geisteswissenschaft darstellt. Sie haben aber auch das gesehen, was bemerkt worden ist: daß man die Dinge manchmal sehr weit-her zusammentragen muß, wenn man vernunftgemäß verstehen will, was die Geisteswissenschaft sagt. Der Geistesforscher braucht alles das nicht, was wir heute gesagt haben. Er blickt zurück und kann die Sache beschreiben; er sieht das, was die Erde einmal war, sagen wir, als Sonne, wo sie aus sich selber heraus geben konnte, was die Erde jetzt in sich für den Winter kon­serviert. Wir haben heute die Bauern betrachtet, wie sie im Herbst Gruben

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graben, weil die Sonnenwirkungen noch in der Erde sind. Man müßte sozusagen die Tatsachen aus aller Welt zusammentragen, dann würden Sie schon sehen, daß dasjenige, was die Geisteswissenschaft behauptet, an den heutigen Tatsachen bewahrheitet werden kann. Es gibt nichts, was nicht auf diese Weise bewahrheitet werden kann, wenn man nur imstande ist, alles zusammenzutragen.

So haben wir in eine ferne Vergangenheit gesehen, indem wir gleichsam im Menschen selber, im Mikrokosmos zusammengeflossen, weit ausgedehnte Tatsachen des Makrokosmos gefunden haben. Hereingezogen in den Men­schen sehen wir heute das, was sich durch viele, viele Zeiten hindurch, vom Saturn zur Sonne und zum Mond, vorbereitet hat und was im Erdendasein seinen vorläufigen Abschluß im Menschen gefunden hat.

Nun können wir uns fragen: Gibt es im Menschen auch etwas, was m die Zukunft weist? Hat der Mensch etwas an sich, was später weiter ausge­bildet werden wird? - Was damit gemeint ist, können Sie sich leicht vor­stellen, wenn Sie sich sagen: Nach dem gestrigen Vortrage ist das Herz ein altes Organ, es hat sich nur umgebildet. - Denken Sie nun, Sie sehen sich im Geiste einen alten Mondmenschen an, so hatte er sein Herz - es ist nur ganz anders als heute -, Sie sehen noch nicht sein Gehirn, aber Sie sehen schon sein Herz. Sie können also von ihm sagen, dieser Mensch hat jetzt ein Herz; das aber trägt die Anlage in sich, daß es einstmals anders werden wird. Wie die Pflanzenblüte in der Keimanlage die Frucht in sich trägt, so trägt gleichsam das Mondenherz das Erdenherz in sich. Haben wir nun Organe im menschlichen Leib, die heute schon in eine gewisse Zukunft hineinwirken? Solche Organe haben wir. Und es zeigen sich im Menschen heute schon, wie die realen Propheten seines künftigen Daseins, gewisse Organe, die zwar heute unvollkommene Gebilde sind, die aber zu höherer Vollkommenheit heranwachsen werden und nach Abfall anderer Organe den Menschen in einer höheren Form als künftigen Jupitermenschen zeigen werden. Und das, was zu diesen höheren Organen gehört - in dieser kurzen Betrachtung können noch unsere Vorträge ausklingen -, ist zum Beispiel der menschliche Kehlkopf Der Kehlkopf des Menschen ist heute erst auf dem Wege zu einer höheren Entwickelung. Er zeigt sich heute gleichsam erst als Keim, und es wird aus ihm in der Zukunft noch etwas ganz anderes werden.Wenn wir den Kehlkopf betrachten in seinem Verhältnis zur Lunge,

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so können wir sagen: er setzt in einer gewissen Weise die Lunge voraus, er entwickelt sich beim Menschen auf Grund des Lungendaseins. - Aber wir sehen zugleich am Menschen, wie er gewissermaßen in bezug auf dasjenige, was er in seinem Kehlkopf hervorbringt, auf einer unvollkommenen Stufe steht. Was macht denn des Menschen Vollkommenheit aus? Wo liegt heute, im gegenwärtigen Zustand der Menschlieitsentwickelung, die größte menschliche Vollkommenheit? Sie liegt darin, daß der Mensch in der Lage ist, sich ein Ich zu nennen. Alles, was dem Menschen die Möglichkeit gibt, sich ein Ich zu nennen, gibt ihm heute seine Menschenwürde, setzt ihn sozusagen über die anderen Wesenheiten. Eine Individualität ist der Mensch. Diese Individualität, die im Ich ihren Mittelpunkt hat, die ist es auch, die beim Menschen von Verkörperung zu Verkörperung geht. Wir können in ein früheres Leben des Menschen zurückschauen, können in ein weiteres Leben zurückschauen und können in zukünftige Leben schauen. Mit dem, was sich der Mensch in seinem Ich angeeignet hat, geht das Ich durch die folgenden Verkörperungen hindurch; das ist die Frucht des Ichs. Aber was der menschliche Kehlkopf leistet, das ist nicht in dem Sinne mit dem Ich verbunden. Wenn Sie zurückschauen könnten in Ihre früheren Inkar­nationen, würden Sie sich inkamiert fmden zum Beispiel innerhalb der griechisch-lateinischen Zeit, innerhalb der ägyptisch-chaldäischen Zeit, in­nerhalb der alt-persischen Zeit, innerhalb der alt-indischen Zeit. Was Ihr Kehlkopf konnte, das kam immer in einer anderen Weise heraus, als eine andere Sprache. Die Sprache ist nichts, was sich heute schon individualisierte beim Menschen. Die Sprache ist nicht etwas, was das Ich sich so einverleiben kann, daß der Mensch sie sich von Inkarnation zu Inkanation mitbringen könnte. Wenn der Mensch in einer Inkarnation durch ein Volk gegangen ist, kann er in einer folgenden Inkarnation durch ein anderes Volk gehen, und es kann das, was sein Ich sich errungen hat, eben in einem ganz anderen Sprachidiom sich zum Ausdruck bringen. Daher sehen wir schon, daß die Sprache nicht so innig verbunden ist mit dem Ich wie das Denken. Sie ist etwas, was nicht schon jetzt mit dem zusammenhängt, was wir unsere eigentliche Individualität nennen müssen, was uns unsere eigentliche Men­schenwürde gibt. Die Sprache haben wir mit anderen Menschen gemein­schaftlich; wir werden in sie hineingeboren. Sie ist etwas, was uns von außen zukommt. Dennoch ist die Sprache - wer könnte das leugnen -

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etwas, in dem sich unser Innerstes ausdrückt, in dem sich der Geist aus­drückt. Die Worte sind dasjenige, was in den Laut hinein den Ton der Seelenempfindung, die Konfiguration der Gedanken nimmt. So daß uns m unserem Kehlkopf ein Organ gegeben ist, durch das wir zwar mit unse­rer Individualität eingereiht sind in ein Geistgewirktes, aber nicht in etwas, was wir selber gemacht haben. Wenn die Sprache nicht ein Geistgewirktes wäre, könnte der Menschengeist sich nicht in ihr ausdrücken. Wenn der Kehlkopf im Gesang nicht den geistgegebenen Ton ergreifen könnte, so könnte das Innere der Menschenseele sich auch nicht durch die Macht des Gesanges zum Ausdruck bringen. Der Kehlkopf ist ein Organ, welches Geistwirkungen zum Ausdruck bringt, aber nicht individuelle Geistwirkun­gen. Und es zeigt sich nun für den Geistesforscher, daß der Kehlkopf eben erst ein solches Organ ist, durch das der Mensch sich gleichsam einer Grup­penseele einordnet, einer Gruppenseele, die er noch nicht bis zum Indivi­duellen heruntertragen kann; daß dieser Kehlkopf aber auf dem Wege ist, mdividuelle Wirkungen des Menschen aufzunehmen. Der Mensch wird seinen Kehlkopf nämlich so umarbeiten, daß er ganz Individuelles auch durch den Kehlkopf zum Ausdruck bringen kann. Das ist gleichsam nur eme prophetische Vordeutung auf dasjenige, was wir nennen müssen die Bildung eines Organs als Keimorgan, das sich in der Zukunft umbildet. Wenn wir dies beachten, dann werden wir es begreiflich finden, daß wir keine individuelle Macht haben über dasjenige, was unser Kehlkopf zu­stande bringt, daß das eine wie durch Gnade gegebene Macht ist, daß wir da erst hineinwachsen müssen mit unserer Individualität. So wie wir mit unserer eigenen Ichlieit in uns selber stehen, so wurzeln wir mit unserem Kehlkopf in einem Allgemeinen, im ganzen Makrokosmos. Darin fließt uns noch aus dem Makrokosmos dasjenige zu, was uns aus ihm heraus zum Menschen macht.

Durch unser Herz machen wir uns selber zum Menschen, durch unseren Kehlkopf macht uns der Makrokosmos zum Menschen. Wenn wir in einer neuen Verkörperung in den Mikrokosmos hineinwachsen, so wachsen wir hinein in eine Organisation, deren Mittelpunkt das Herz ist; aber wir wach­sen nicht nur in den Mikrokosmos hinein, sondern diese Leiblichkeit wird fortwährend vom Makrokosmos unterhalten, in sie strömen die Kräfte des Makrokosmos ein. Durch unseren Kehlkopf strömt dasjenige aus dem

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Makrokosmos herein, was ein höchster geistiger Ausdruck ist. Da stehen wir mit dem Makrokosmos so in Verbindung, daß wir sozusagen nicht nur seine Wirkungen empfangen, sondern daß wir ihm in gewissem Sinne die Wirkungen zurückgeben, obwohl wir noch uns erst hineinbegeben müssen in das System dieser Wirkungen, indem wir in eine Volkssprache, in den Volksgeist hineingeboren werden. In den Volksgeist werden wir hineinge­boren, über den haben wir noch keine individuelle Macht. Daher entspricht es einer großen Wahrheit, daß gleich am Anfang in der Bibel gesagt wird, daß der Mensch bis zu dem Zeitpunkt mit seinem Erdenwerden wartete, da ihin aufgebaut werden konnte die Krönung seiner Atmungsorgane im Kehlkopf vom Geiste selber, von Gott selbst ihm gegeben: Und Gott hauchte dem Menschen den lebendigen Odem ein, und also ward der Mensch eine lebendige Seele. - Auf diesen Moment wird da hingedeutet, wo einfließt das, was mit dem Göttlichen, mit dem Makrokosmos zusammen­hängt. Mit dem Herzen ist das Menschliche im Zusammenhang, mit deni Kehlkopf das Göttliche.

Wenn wir dies verstehen, dann wird uns auch folgendes klar sein. Indem der Mensch nicht nur atmet, sondern seinen Atmungsvorgang umge­stalten kann zu jenen Konfigurationen, die durch das Organ des Kehlkopfes in Gesang und Sprache bewirkt werden, hat er in seinem Atmen heute etwas gegeben, was höchster Ausbildung fähig ist. Daher ist es wohl be­gründet, wenn wir auf der einen Seite sagen, daß sich der Mensch immer höher und höher entwickeln wird, daß er zu höherer Geistigkeit steigen wird, und wenn die orientalische Philosophie dasjenige, was zunächst die Krönung des Menschen sein wird, mit dem Worte bezeichnet, das vom Atmen ge­nommen ist: Atma, das höchste Glied, das der Mensch einstmals als den eigentlichen Geistesmenschen ausbilden wird. Er muß aber mitarbeiten an der Ausbildung dieses Geistesmenschen, der heute nur in der Anlage vor­handen ist; da muß mitwirken, was heute als der modifizierte Atmungs­prozeß in Gesang und Sprache sich darlebt. In Gesang und Sprache haben wir etwas, was im Anfang steht, was sich immer weiter und weiter ausbilden wird, was immer realer und realer sein wird, was immer weitere und weitere Kreise umfassen wird.

Wenn wir das bedenken, dann werden wir auf der einen Seite sagen:

Sobald der Mensch in sachgemäßer Weise eingreifen kann in seinen Atmungsprozeß,

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so wird das - wenn m sachgemäßer Weise eingegriffen wird -eine höhere Einwirkung sein als alle anderen Einwirkungen. Aber auf der anderen Seite kann es bei diesem Einwirken auf den Atmungsprozeß umso leichter vorkommen, daß der Mensch in seiner gegenwärtigen Konstitu­tion zu einer solchen Einwirkung nicht reif ist. Wenn also unter den ver­schiedenen Übungen, die der Mensch vornehmen kann, auch die Regelung des Atmungsprozesses steht, so müssen wir deshalb, weil der Atmungs­prozeß mit unserer Vervollkommnung in die Zukunft hinein zusammen-hängt, bei solchen Übungen die allergrößte Sorgfalt anwenden, und der Lehrer muß dem gegenüber, das in den Atmungsprozeß eingreifen wird, die größtmöglichste Verantwortung empfinden. Denn die göttlich-geistigen Wesenheiten waren es, welche aus ihrer Weisheit heraus den Atmungs­prozeß modifizierten, um den Menschen aus einer niederen Stufe zu einer höheren Stufe zu bringen, und sie mußten, weil der Mensch nicht reif ist, die Sprache nicht in die Willkür seiner Individualität, sondern außerhalb derselben stellen. Einwirkungen auf den Atmungsprozeß bedeuten daher schon das Hinaufsteigen in eine höhere Sphäre, und wir müssen uns klar sein, daß das mit der größten Verantwortung verbunden ist. Und ganz sachgemäß können wir darauf hindeuten, daß alle die Anweisungen, die heute so leichtfertig gegeben werden über dieses oderjenes Atmen, wirklich so gegeben werden - das kann der Geistesforscher sagen -, daß man den Ein­druck hat: es spielen Kinder mit dem Feuer. Es ist das dasjenige, wo man appelliert von der menschlichen Natur an den Gott im Menschen im aller-ernstesten Sinn, wenn man m semen Atmungsprozeß bewußt eingreift. Da das aber der Fall ist, so können die Gesetze dazu im Grunde genommen nur aus dem höchsten heute erreichbaren geistigen Erkennen selber herunterge­holt werden, und es muß auf diesem Gebiete die größte Sorgfalt angewendet werden. In unserer Zeit, wo man sich so wenig bewußt ist, daß allem Materiellen ein Geistiges zugrunde liegt, wird man auch leichten Herzens glauben, diese oder jene Atmungsvorgänge vorschreiben zu können. Es wird aber eine Zeit kommen, wo man wissen wird, daß allem Physischen ein Geistiges zugrunde liegt. Wenn man das wissen wird, dann wird man auch zu der Erkenntnis sich emporschwingen, daß zu den edelsten Offen­barungen des Geistigen im Physischen die Modifikation des menschlichen Atmungsprozesses gehört und daß das Eingreifen in den Atmungsprozeß

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nur verbunden sein kann mit einer Stimmung der Seele, die wie eine gebet­artige ist. Wer in den Atmungsprozeß eingreifen will, darf dies nur tun aus emer solchen Erkeunmis heraus, wo Erkenntnis Gebet wird, wo Erkenntnis sich erfüllt mit Andacht. Anders sollten überhaupt nicht Anweisungen ge­geben werden für diese verantwortungsvollsten Dinge, als aus solchen Höhen heraus, wo der Erkennende wird ein Andächtiger, wo der Erken­nende sich erfüllt zunächst mit der Gnade derjenigen Wesenheiten, denen wir uns zwar nähern, zu denen wir aber heute noch hinaufsehen müssen, weil sie ihre Erkenntnis heruntersenden aus den Höhen des Makrokosmos, hinaufsehen müssen zu größeren Höhen, als wir heute schon mit unserem gewöhnlichen Wissen erfassen können. Üas ist es ja auch, was sich ergibt aus der Geisteswissenschaft wie ein letztes Resultat, wie eine Rechtfertigung, daß sie ausklingt wie ein selbstverständliches Gebet:

Gottes schützender, segnender Strahl

erfülle meine wachsende Seele,

daß sie ergreifen kann

stärkende Kräfte allüberall.

Geloben will sie sich,

der Liebe Macht in sich

lebensvoll zu erwecken,

und sehen so Gottes Kraft

auf ihrem Lebenspfade

und wirken in Gottes Sinn

mit allem, was sie hat.

Geisteswissenschaft soll den ganzen Menschen in die höheren Welten führen. Zum ganzen Menschen gehört aber auch der fühlende und der wollende Mensch, nicht bloß der denkende Mensch. Wir können über die Welt nachdenken, indem wir kalt bleiben und uns gleichgültig fühlen gegenüber dem, worüber wir denken. Wir können aber die höheren Welten nicht erkennen, ohne den Blick hinaufzurichten. Sobald wir aber den Blick hinaufrichten, erwachen die Impulse unseres Fühlens, und wir werden ge­genüber demjenigen, was wir erkennen, andächtig beten. Wir werden aber auch solche, die herunterholen wollen die Impulse für ihr Handeln aus demjenigen, was sie erkannt haben. Und solche, welche das selbstverständlich

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fühlen, werden dabei nicht stehenbleiben. Wir werden großen Ideen, die uns aus der geistigen Welt herunterleuchten, als Mensch auch nachzu­leben bestrebt sein. So wird unser Fühlen andächtig, unser Wollen gott-innig gemacht, wenn wir sozusagen zur letzten Probe in der geistigen Er­kennmis vordringen. Und das ist ein Prüfstein. Wer als geistig Erkennender dastehen würde gleichgültig mit seinem Herzen und Willen, an dem hätte die Geisteswissenschaft nicht das Richtige gewirkt. Geisteswissenschaft hat ihren Probierstein darin, daß sie ausklingt in andächtige Verehrung dessen, was erkannt wird, und in eine pflichtgemäße Erfüllung dessen, was im Sinne der geistigen Erkenntnis für unser menschliches Handeln lebt. Es wird selbstverständlich, daß der Mensch dasjenige, was er als das Richtige in geistigen Welten erkennt, auch tut, es in seinen Willen aufnimmt. Das ist etwas, was wie eine geistige Sonne in unserer Seele wirkt, wenn wir die geistigen Erkenntnisse in ihrem wahren Sinne aufnehmen.

Deshalb aber auch, weil geistige Erkenntnisse in die Herzen aufgenom­men werden müssen, ist es in gewissem Sinne natürlich, daß diese geistigen Erkenntnisse heute durch unsere Kultur auf dem Weg rinnen, den wir den Weg des Zusammenschlusses der Menschen, den Weg der Vergesellschaf­tung nennen. Andere Erkenntnisse wird der Mensch sich als Einsiedler gut erringen können, bei dem aber, wo das menschliche Herz mitspricht, bei dem fühlt sich der Mensch auch zum anderen Herzen hingezogen. Daher ist geistige Erkenntnis etwas die Menschen Einigendes, und daher ist es nur natürlich und begreiflich, daß der Drang besteht im Betriebe der Geistes­wissenschaft, die Menschen zusammenströmen zu lassen, welche heute schon eine Sehnsucht haben zu den geisteswissenschaftlichen Idealen. Dieses Zu­sammenströmen von Menschen zu den gleichen geisteswissenschaftlichen Idealen, das schließt ein Großes in sich. Es schließt in sich, daß wir - wenn Geisteswissenschaft sich in dieser Weise ausbreitet, daß sie zu gleicher Zeit die Menschen sammelt, die unter den geisteswissenschaftlichen Idealen stehen - dann imstande sind, in der Welt, in der wir leben, als Menschen uns sagen zu können: Wir kommen da- oder dorthin, und indem wir da-oder dorthin kommen, suchen wir und können vielleicht finden solche Menschen, welche wir in einer gewissen Weise kennen, welche wir als mit uns verwandt fühlen. Wo könnten wir in der Welt des gesellschaftlichen Chaos Menschen fmden, mit denen wir uns verwandt fühlen? Wie zerstückelt

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ist die Welt heute in bezug auf die Menschen! Da sitzen die Men­schen zusammen in Büros oder in Werkstätten ,>der in der Fabrik und ver­nchten die gleiche Arbeit. Und doch, wie weit können ihre Seelenvon­emander entfernt sein! Wir können Seite an Seite mit einem andern Men­schen sitzen, und die Lebensverhältnisse sind so kompliziert, daß wir einan­der nicht verstehen. Wenn wir aber irgendwohin kommen und wissen, es gibt solche Menschen, welche das Heiligste, das wir selber verehren in unserer Seele, auch verehren, welche auch zu ihm aufblicken, dann sagen wir uns: Solche Menschen, die das tun, die haben in ihrer Seele ganz gewiß etwas, was mit dem tiefsten Inneren unserer eigenen Seele verwandt ist. -Wenn wir uns unter diesen geisteswissenschaftlichen Idealen äußerlich zu­sammenschließen, so können wir uns sagen: Wir finden also in der Welt Menschen, die dasjenige, was wir das Heiligste nennen, auch für sich das Heiligste nennen, die im Innersten ihrer Seele dasselbe Licht und dieselbe Liebe tragen, die wir im Innersten unserer Seele tragen. - Können wir uns aber das sagen, dann können uns die Menschen, die wir sonst gar nicht kennen, als die äußeren Träger einer inneren Wesenheit erscheinen, die wir kennen. Dann wissen wir, daß es Verwandte im Geiste geben kann.

Überall, wo wir hinkommen und in demselben Maße, in dem sich die Bewegung ausbreitet, die unter diesen Idealen, unter diesem Lichte und unter dieser Liebe steht, werden sich Verwandte im Geiste über das ganze Erdenrund finden. Wir werden überall Seelen finden, die uns sagen: Wir bekennen uns zu dem gleichen Ideal. - Damit ist etwas Ungeheures gesagt für unser ganzes neuzeitliches Geistesleben. Damit ist aber auch gesagt, daß dasjenige, was wir aus Geisteshöhen als Erkenntnis heruntertragen und in die Seele einfließen lassen, die Menschen wandelt, wandelt im realen Leben, sie zu anderen Menschen macht, zu Menschen, die sich vielleicht früher kalt und nüchtern gegenübergestanden haben und die sich durch das, was sie auf diesem Gebiete erkennen, gerade in bezug auf die wesentlichsten Teile ihrer Menschennatur, so nahe treten, daß sie verwandt im Geiste sind. Wir sagen also, indem wir Erkenntnis verbreiten, nicht nur das, was Weisheit der höheren Welten sein soll, sondern was in dieser Erkenntnis Liebe wirkt von Menschenseele zu Menschenseele. Haben wir noch so viele Programme von Menschenhebe - durch Programme gründen wir keine menschliche Bruderschaft. Wir gründen menschliche Bruderschaft, wenn wir imstande

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sind, die gleichen Ideale bei einer Axizaal von Menschen zu entzünden, wenn wir die Menschen daran erkennen lernen, daß sie dasselbe als ihr Heiligstes halten, was wir als unser Heihgstes halten. Daher soll im Grunde genommen jeder Vortragszyklus nicht bloß darin gipfeln, daß er in unseren Seelen zurückläßt dieses oder jenes Wissen. Ein solcher Vortragszyklus soll nicht nur bewirken, daß wir bereichert mit dieser oder jener Erkenntnis davongehen, sondern er bewirkt ganz unvermerkt, daß wir lernen, die Menschen mehr hebzuhaben, die Menschen zusammenzuschmieden im Geist der Welt. Und nicht bloß um Erkenntnis zu verbreiten, sondern um die Menschen dem großen Menschheitsziel der Brüderlichkeit in diesem Sinne zuzuführen, dazu werden heute geisteswissenschaftliche Vorträge gehalten. Sie sind nicht bloß Verbreitung von Erkenntnissen, sie sind Arbeit in bezug auf menschliche Liebe und Fortschritt der menschlichen Seele in dem Feuer der Liebe.

In diesem Sinne sollten auch diese Vorträge gehalten sein. Wir haben ver­sucht, manchmal aus recht entlegenen Gebieten her dasjenige zusammenzu­tragen, was uns Verständnis geben soll über die Welt und ihr Dasein und ihr Herunterkommen aus dem Geistigen. Man muß das als Mensch, denn nur indem man zum Geiste emporsteigt, findet man durch eine wahre geistige Selbsterkenntnis auch das Innerste des eigenen Wesens. Wahre Liebe wurzelt im Geiste. Nur wenn der Mensch den Menschen im Geiste findet, findet er ihn in einer me wankenden, unverbrüchlichen Liebe. Das aber ist das be­lebende Element für das gesamte menschliche Dasein. Daher dringt ein be­lebendes, ein formendes, bildendes Element mit der Geisteswissenschaft in unsere Seele ein. Und wenn wir uns in diesem Sinn aus dem, was sonst bloß nüchterne Erkenntnis bleibt, durchwärmt fühlen in der Seele, so durch-wärmt fühlen, daß die Wärme in uns menschenzusammenfassend wird, darin haben wir in rechtem Sinne solche Erkenntnis aufgenommen. Und schon ein Vorgefühl von dem, was es heißt, von der bloßen Logik des Denkens zu der Logik des Herzens vorzuschreiten, schon das allein wird die Menschen zusammenbinden. Logik des Denkens ist vereinbar mit dem stärksten Egoismus. Logik des Herzens überwindet allen Egoismus; Logik des Herzens macht die einzelnen Menschen zu Teilnehmern an der gesamten Menschheit. Wenn wir uns durchdrungen und durchpulst fühlen von sol­chem Lebenswasser, dann erst haben wir im richtigen Sinn den Impuls,

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der durch die Erkenntnis aus der Geisteswissenschaft kommen soll, ver­standen und begriffen. Wenn wir einen solchen Zyklus verlassen nicht bloß mit Bereicherung an Begriffen, sondern an Erhöhung von Seelenwärme, von Seelenwärme so, daß gleichsam ein Abglanz dieser Seelenwärme auf unser ganzes übriges Leben überfließt, dann hat erst dasjenige, was der Zyklus geben soll, seine rechte Bedeutung erlangt. Möge einiges wenigstens zu diesem Ideal erreicht sein! Es liegt in der Natur der Sache, daß im Grunde genommen, selbst wenn der Zyklus noch so lange dauert, immer nur weni­ges gegeben werden kann und daß daher auch von der charakterisierten Wärme nur wenig angefacht werden kann. Das Schönste wäre allerdirigs, wenn in eimgen Herzen und Seelen so viel von dieser Wärme angefacht worden wäre, daß die letzten Ausläufer dieser Wärme noch dann vorhanden wären, wenn wir wiederum die Möglichkeit haben, so zusammen zu sein, wie es jetzt der Fall war, um daran anzuknüpfen; wenn nur etwas von den letzten Ausläufern vorhanden sein könnte bis zu dem Zeitpunkt, bis zu welchem ich Ihnen jetzt am Ende des Zyklus von ganzem Herzen zurufe:

Auf Wiedersehen!

HINWEISE

#G119-1962-SE277 - Makrokosmos und Mikrokosmos

#TI

HINWEISE

#TX

Für diese Auflage konnte eine ausfülsrlichere Nachsehrift mitbenutzt werden; deshalb weicht der Text von demjenigen der j . Auflage an vielen Orten ab.

9 Der Vortrag vom letzten Donnerstag: Von ihm liegt keine Nachsehrift vor. Er behandelte «Das Wesen des Todes und das Rätsel des menschilehen Schicksals (mit Besprechung besonderer Lebensfragen)», Wien, 17. März 1910.

137 Meister Eckhart: Siehe «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geistes­

lebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung» (1901), Rudolf Steiner

Gesamtausgabe 1 960

138 Johannes Tau ler: Siehe Hinweis zu Seite 137

Nicht ich, sondern der Christus in mir: Galater 2, 20

139 Theologia Teutsch: Mystische Schrift, Ende des vierzehnten Jahrhunderts ent­

standen, Werk eines unbekannten Priesters im Deutschherrenhaus in Sachsen­

hausen bei Frankfurt a.M., zuerst gedruckt JSI6 und 1518. Siehe ebenfalls

«Die Mystik«, Hinweis zu Seite 137

157 Goethe-Spruch: «Das Auge hat sein Dasein dem Licht zu danken. Aus gleich-

gültigen tierischen Hilfsorganen rnft sich das Licht ein Organ hervor, das

seinesgleichen werde, und so bildet sich das Auge am Lichte fürs Licht, damit

das innere Licht dem äußeren entgegentrete» (Didaktischer Teil der Farben-

lehre, Einleitung).

214 . . . in einem meiner früheren Vortragszyklen: «Die Theosophie des Rosen:kreu­

zers», 14 Vorträge, gehalten in München vom 22. Mai bis 6.Juni 1907 (Dornach

,955).

217 Haeckel: Siehe «Methodische Grundlagen der Anthroposophie Gesammelte

Aufsätze 1884-1901. Gesamtausgabe 1961; «Die Rätsel der Philosophie»: Dar­winismus und Weltanschauung.

219 Nietzsche: Siehe «Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit» (1895,

2. Auflage Dornach 1926); «Veröffentlichungen aus dem literarischen Frühwerk«

Band III (Dornach 1944); «Die Rätsel der Philosophie»: Der moderne Mensch

und seine Weltanschauung.

269 . . . gleich am Anfang der Bibel: Genesis 2, 7.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.